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ZEirSCHRIFT
fOb
KIRCHEFGESCmCHTE.
ZEITSCHRIFT
aRCHENGESCHICHTE
IN VERBINDUNG UH'
D. W. GASS, D. H. EEUTEB und D. A. RITSOHL
HEItAliSdEGEBEN VON
D. THEODOR BRIEGER.
VIII. Band.
w
GOTHA
FRIEDRICH ANDREAS PERTHES
ited with the permission of Ehrenfried Klotz Verlag Sluttgart
By arrangement with the original publishers, pages
containing advertisements in the original edition have
either been left blank in this reprint or entirely omitted.
First reprintin^, 1968, Johnson Reprint Corporation
Printed in the United States of America
Inhalt.
Erstes und zweites Heft.
(Ausgegeben den 12. Dezember 1886.)
Seit«
Untersuchungen und Essays:
1. Th. Zahn, Studien zu Justinus Martyr 1
2. J, Drä9eke, Der Briefvfecbsel des Basilios mit Apolli-
narioB Ton Laodicea 86
3. H. Beuter, Augnstinische Studien V (zweite Hälfte) . 124
4. Bung, Das Württembergische Konkordat (erste Hälfte) 188
Kritische Übersichten:
1. K, Müller, Die Arbeiten zur Kirchengeschichte des 14.
und 16. Jahrhunderts aus den Jahren 1875^-1884 . . 222
Analekten :
1. G, Wolfram, Zum Wormser Konkordat 278
2. Th. Kolde, Carlstadt und Dänemark 283
3. E, Bodemamn, Handschriften Luther's 292
4. J, Ney, Analekten zur Geschichte des Keichstags zu
Speier im Jahre 1626 300
6. Miscelle von Th. Kolde 318
Nachrichten 320
VI INHAI.T.
Drittes Heft.
(Ausgegeben den 3. Juli 1886.)
Untersachungen and Essays:
1. Jöh. Gottschick, Hus\ Luther *8 und Zwingli's Lehre
von der Kirche 34£
2. Bunz, Das Württembergische Konkordat (zweite Hälfte) 39C
Analekten :
1. O, Schepfa, Eine Würzburger lateinische Handschrift zu
den apokryphen Apostelgeschichten 44S
2. 0. Seebafs, Zu Columba von Luxeuils Klosterregel und
Bufsbuch 459
3. L. Neustadt, Zu Luther*s Briefwechsel 466
4. Th Kolde, Welches Büchlein sandte Landgraf Philipp
1599 an Karl V.? 477
5. Th. Brieger, Zu Luther in Worms 482
6. Miscellen von E, Dümmler und J. Köstlin . . . . 486
Nachrichten 478
Viertes Heft.
(Ausgegeben den 10. November 1886.)
Untersuehangen und Essays:
1. Viktor Schnitze, Untersuchungen zur Geschichte Kon-
stantin's d. Gr. (Sohlufs) 517
2. Joh. Goitschickf Hus\ I-uther's und Zwingli*s Lehre
von der Kirche (Schlufs) 543
Register :
I. Verzeichnis der abgedruckten Quellenstücke .... 617
ir. Verzeichnis der besprochenen Schriften 621
111. Sach- und Namenregister 628
Studien zu Justinus Martyr.
Von
Theodor Zahn.
• Jiistlniis bei Methodliis und Paulus bei Justlnufl.
Dem SammlerfleiTs E. Grabe's war das durch Photius
aufbewahrte Fragment der Schrift des Methodius jj über die
Auferstehung ^^ nicht entgangen, in welchem dieser sich auf
«inen Ausspruch des ,, Justinus aus Neapolis, eines der Zeit
^vie der Tugend nach den Aposteln nicht fernstehenden
Mannes ^^ berufen hatte ^. Aber Grabe hatte nicht erkannt,
^e weit sich das Citat aus Justin erstrecke, oder vielmehr
yvo es eigentlich erst beginne. Die Herausgeber der Werke
Justin's und die von ihnen abhängigen Litterarhistoriker
folgten dem zuverlässigen Führer, ohne die nächstliegende
Quelle, das Myriobiblion des Photius und den Zusammen-
hang, in welchem dieser die Berufung des Methodius auf
Justin uns darbietet, selbst zu prüfen '. So Jbis heute , ob-
wohl schon vor zwanzig Jahren A. Jahn Grabe's Irrtum
aufgedeckt und die Grenze dessen, was Methodius aus Justin
anfuhrt, richtiger bestimmt hat'. Jahn scheint die Sache
für so evident gehalten zu haben, dafs eine umständliche
1) SpicUegium SS. Patrum (Oxford 1698. 1699) U, 193 = Pho-
tius, Bibl. cod. 234 ed. Bekker, p. 298 >".
2) Justini opp. ed. Otto (3. Aufl. 1879) T. II, p. 2548q. vgl.
Harnack, Texte und Untersuchungen I. 1, 133 f. Eine dort unter-
gelaufene Verwechselung wurde von mir im Theolog. Litteraturblatt
1882 S. 213 berichtigt. Otto^s Quellenangabe ist die richtige.
3) Meihodii opp. (Halle 1865), p. 93, Anm. 2.
Zeitsclir. f. E.-O. VIII, 1. 2. 1
Beweisführung überflüang Bei Das zeugt tod einer litl^
leicht zu günstigen Mdnung über die Art, wie die pstnüdb I j^
Forschung in den theol<^ischen Kreisen unserer Zeit iil^
fortbewegt. Das Versäumte nachzuholen würde in derTkli^
ein ziemlich mühsames und des Erfolgs bei den bestip I ^
Patristikem keineswegs sicheres Untemefamen sem, ^^Ite
nicht jüngst unverhofft neue Mittel zur T!fi*M^iM*i<^nBg da&l|L^
J. B. Pitra und seinen Pariser Oehilfen P. Martin ia-
geboten worden wären. Die Wichtigkeit der Sadie, ^ is
sich bald herausstellen wird, wird es rechtfertigen , dalkkk
das Fragment des Methodius vollständig, soweit es in B^
tracht kommen kann, nochmals vorl^, vorher aber über
die Quellen berichte, aus welchen wir es zu schöpfen haben.
Die erste ist, wie gesagt, die Sammlung von Excerptei
aus des Methodius Schrift negt dvaavdauog bei Photius coi
234. Es ist zu beachten, dafs Photius die einzelnen Ex-
cerpte aus dieser Schrift in der Regel durch Sri (ptfil esst
leitet, worauf entweder nur eine Wiedergabe des Gedankens
in indirekter Redeform, oder wörtliche Gtate folgen, letztere
manchmal aufserdem noch durch ein hiyBi ydQ^ durch iii
(fiiaiv ö Syiog Med^ödtog u. dergL als solche charakterisiert
(p. 297a, 6. 41; 298b, 15). Was zwischen solchen deut-
lichen Einftihrungsformeln der eigentlichen Citate in direkter
Redeform und dem nächstfolgenden Srt yija/V steht, ist nie-
mals durch Zwischenbemerkungen des Photius imterbrochen K
So läuft auch in dem fUr jetzt in Betracht kommenden Teil
die direkte Rede des Methodius ununterbrochen fort von
p. 297», 41 — 298b, 13. Nur viele Auslassungen hat sich
Photius erlaubt, wie die Vergleichung mit den Parallelen
bei Epiphanius und anderwärts oder auch schon ein Blick
in die Anmerkungen Jahn's zeigt.
Kine zweite Quelle sind die Parallela sacra älterer Re-
zension, gewöhnlich Par. Rupefucaldina, früher auch manch-
mal Claromontana genannt nach einem vom Kardinal Roche-
foucauld dem Jesuitenkollegium zu Paris geschenkten Co-
1) Auch das (frjafv p. 298*, 10 gehört vielleicht nicht dem Pho-
tius sondern dem Methodius an und hat den Paulus zum Subjekt.
STUDIEN Zu JUSTIN. 3
des ', woraus zuerst Combefis Stücke des Metbodius heraus-
gab ', darunter auch das unsere. Die Unabhängigkeit dieser
Qnomologie von Photiua ist schon aus chronologischeu Grün-
den selbstverständlich. Überdies greifen die Excerpfe in
den Parallela weit über die Excerpte bei Photius hinaus.
Ebenso aber auch umgekehrt. Ohnehin ist zweifellos, dafs
Photius das Werk des Methodius in der Hand gehabt hat.
Drittens kommen in Betracht zwei syrische Florilegien,
aus welchen P. Martin unter anderen Fragmenten des Me-
thodius auch das unsere herausgegeben hat '. In welchem
Verhältnis zu einander die beiden Byrischen Handschriften
liehen mögen, ist für uns gleichgültig, sehr wichtig dagegen,
dals die ältere von ihnen, welche unser Fragment vollstän*
jiger darbietet als die jüngere, nach W. Wright's Urteil dem
1. Jahrhundert angehört*, so dafs die Unabhän^gkeit des
Citats von Photius nicht erst bewiesen zu werden braucht.
Ebenso gewifs ist die Unabhängigkeit des syrischen Flori-
legiums von den Parallela sacra und umgekehrt dieser von
jenem. Ein flüchtiger Einblick in die ausführlichen Inhalts-
bberaichten bei Wright macht dies zweifellos. In beiden
lyrischen Handschriften (S' und S') geht unserem Frag-
ment unmittelbar voran ein anderes mit der in S' etwaa
abgekürzten Uberbchrift: „Von dem heiligen Methodius,
dem Philosophen, Bischof von Lycien und Märtyrer aus der
1) Nach emer beiläufigen BemerkuDg von Pitra, Aoalecta 11,
p. XXI jetzt in Oxford.
2) Amphilochü, Methodü , et Andreae Cretenais opp. Pari« 1644
[mir nicht zagänglicb) wiederholt bei GalUndi III, 779 (Ed. II,
nSS), In seiner AuBgalie des Johannes Damaac. 11, 763 hat Letjuien
DSF das Lemma toO ai-ioO (i. e. AIi9odlov) und die Anfangsworts
mitgeteilt.
3'> Pitra, Analecta eacnt, Spicil. SolesoienBi parata, vol. IV (die
Tom P. Martin bearbeiteten Orientalia enthaltend) p. SOI. 202, dam
eioe nicht gerade empfehlenswerte lat. Übersetzung des Herausgebers
p. 43Ö.
4) Catalogae of Sjr. Mbb. p. 915>. Die Stellen aus Methodius
UChgewiesen p. SIT». Die Handschrift ist Addit. 17214, bei Martin
■h A bezeichnet. Die jüngere HandBchrift, bei Marlin B, Addit.
17191, gehört nach Wright p. 1009 dem 9. oder 10. Jahrh, an.
Schrift über die Auferstehong, welche gegen Ongenesi^j
richtet ist und) welche genannt ist Aglaopkcn^ K Qttli
dem 80 eingeführten ersten Citat folgt ein zweites imi kli
Überschrift: y,Und nach anderem (sagt er folgendes), ral^
erwähnt wird auch der heilige Justinus, der Philosoph nll^
Märtyrer" «. l^
Endlich ist noch zu erwähnen die altslavische rWl^
Setzung, auf welche zuerst Pitra uns Occidentalen zTsSnA-
sam gemacht hat '. Die dunkle Gtestalt des Methodins liil
in helles Licht gerückt werden, und die Ordnung derifr
fangreichen griechischen Fragmente wird erst dann ibI
Sicherheit unternommen werden können, wenn die in te
nltslaviscbcn Handschriften Rufslands bisher b^rabeoa
Schätze der gelehrten Welt zugänglich gemacht sein werdo.
Der Gewinn wird grofs sein, auch wenn der Ubersete,
wie Pitra (IV, 614b) bemerkt, sich viele Auslassungen «^
Inubt hat. Leider ist das auch bei imserem Fragment der
Fall, wie mir Prof Bonwetsch in Dorpat, welcher im vo-
rigen Winter die (oder eine) Moskauer Handschrift genauer
untorsuclito, mitzuteilen die Freundlichkeit hatte.
l) HuchBtIlblich Aglaophotos (Martin p. 201, Wrigbt 917» im
«woiton C'itiit, dancbeu eben dort im ersten Citat und p. 1012, Nr. 37
c^xti*. n Martin p. 203 ricbtigcr Aglaophontos), Es ist das unge-
Nuhli'kt wiirtlioho Üborsotzung der griecbiscben Citationsformel ix toC
/M(») i\nwni0tM^' Xoyov . . . toO xnXovfx^vov (oder lniy€yQaju.fi^vov)
W;'Ait(»«/-A)i'rok'. Aglaopbon ist eine Hauptperson des Dialogs, ein Arxt
In Piitum, in doNRon Haus das Gespräcb stattfindet Die Nacbahmmig
das IMato xoigt sich auch hier in der Benennung des Ganzen nach
ohior lluuptrollo. Wahrscheinlich jedoch hiefs nur das zweite Bach
Afilaophon , das erste dagegen Ihvklua (Epiphan. haer. 64, 17 Über-
schrift) uaoh einer anderen Person des Dialogs. Man vergleiche die
Titel ihr einzt^lnon Xoyoi des Symposion des Methodins. Übrigens
oitiort auch Pn)copiu8 in Genesin (Mai, Class. auct. VI, 205) iv
2) Martin S. 435 Übersetzt hier wie an anderen Stellen ungenau,
macht willkürlich» und unpassende Abteilungen. Um diesem Orien-
talisten gegenüber sicher zu gchn, erbat ich mir in dem nachher zu
erörternden Hauptpunkt Prof. Nestle's llat, welcher durch Brief vom
2. Februar d. J. freundlichst erteilt wurde.
3) Analecta III, 602. 612-617.
STUDIEN Zu JUSTIN. 5
Noch sei bemerkt, dafd das nachfolgende Fragment dem
iweiten Buch des Dialogs über die Auferstehung und zwar
der zweiten Hälfte desselben angehört. Erst aus der sla-
Tjschen Übersetzung ersehen wir, dafs der Dialog in drei,
■tatt wie man bisher annahm in zwei Bücher geteilt war,
und auch die Grenze des ersten und zweiten ist bisher nicht
richtig bestimmt worden. Das erste Buch schliefst mit den
Worten', die bei Epiphanius haer. 64, 55 (Petav. p. 581 C)
»ufbewahrt sind xat avtä ei'eijzürct, bei Jahn S. 86 vor-
letzte Zeile. Dafs hier der Übergang zum zweiten Buche
itattfinde, bestätigt auch Photius, welcher den weiter folgen-
den Excerpten die neue üTierschrift giebt (p. 204», 22):
änyvdiaSTi toü ai'ioE h. zov aviot Myor ünoazoXixav
^-ricCiy Jp/njv«'« '/.aiä m'yoii'iv. Nur bis zur Mitte des zweiten
Buchs und somit des Ganzen hat Epiphanius sebe Iklittei-
longen ausgedehnt (haer. 64, G3, p. 591 A). Erst jenseits
dieser Grenze liegt unser Fragment.
llethodius schreibt im Dialog übei- die Auferstehang,
Buch II [genannt Aglaophon] nach der Mitte folgendes:
Ei ya^ diä tö fitj ihvifegtiiaai ri^r aäg/.a x.oi äva~
Oif^cat aägy.a iffÖQtaa; Ti Y.ai 7iEQiaaQ^ aÜQy.a itfö^Et,
ij» o'viE a&aai ovce dvaacfiOai TgoijgiiTO ; d)J.' odöiv
flfwotäg notel ö viös roC ■ffeoF. oi''< üqa ävoMfE}.Cig
r^y ftO^tjV roO Soitov mihaßev, älhd nqbi rü ävaffr^- &
Out zß( aQaai . di.r^!^lJig ya^ Svl^^torcog lyivETO xai
[äh^^Qg] äntöavE, zßi ot Tili dorne, äXK iV« (Jiiji^Og
1) Pitra, ÄnalGcta III. 6U. Dadurch ist also die von öhler
in den Äddcnda zu EpiphaduB p BBS und von JhIid zu Methodios
p. 91 gebilligte LA. des Venetus in Epiph. haer. G4, 63 I6yt!i a statt
F WjTO . Ä iriderlegt. Die Dreiteilung der Schrift bezeugt auch daa
frische Eicerpt im cod, addit. 12158 fol. 70'. Wright. Catal.
I «5»; Manin-Pitra IV, 205.
: beginnRD S'S'; den griech. Text geben die Par[sllela
IjSlera); Pholius bat alles bis Zeile 9, obenBo wie anderes, was voran-
[^ng, stillscbweigcnd ausgeatorscn. ) I. 7iii>ian&i auch S'S*. viel-
'Beht aber mit utichgeatelltem xiU. Martin hnt in seiner Übersetzung
■wiseht. I 3. oi'Sfv Par. , wahrscheinlich oi'rfi iv S. |
ijjffßi X. u. auch S, Martin übersetzt wieder ganz willkür-
T. [(UijÄOj] nach S'S' cf. Ignatius ad Smym. i: fehlt in.
'J
ZABX,
nqtatdvovuog dya^wg top v&L(föyy xii¥ xoXx^fOxo^
ug oifdviop xat vdv 9vt[tiii¥ ug d&dvatw. 7ot)0n|'
dnoavdhav oifr« rgf iqtt^j xlfiQOiyofieia&ai fih lii
^vfjOTunff TckijQoyofitip de tö CCip Idyu^ xal Satohifm
fiiv odQTux, C^v di vipf ßaaiXüay x&p oßQOPCiv. idm
de odQTux 6 IlaClog tloI alfia fiij dAfoa&ai tipf ßoft-
u leiav toC d'eoO 7LXfi((W0fifjoai ^Ytl* ^^ ^ ix^ovl^if,
(fffily Tf}g aaQTLÖg vi^v Tcakiyyeywicnf d7toq>aiyt€aiy JUi
diödoTUüy od TÜLrifoyofielad'ai ßaaiXua» d-eoCj (uißm
htdqixovaav ^(oi^^ ind toö atifiovogf dXlä %d cQß
irtb %fjg tiafjg. d ydf inJLijQoyofJieiTO ^ ßaCiXüa vk
30 i^£o€f hiö roCf adfiOTogy ^ioij indqjijovca ^ awißaufO h
%r^v ^wi^ inb Ttjg g>d'0(iäg TLtnamvea&ai. rCp di d
Te&yrjyLÖg ^ Ciaij yd'qgovofjiäf iva elg vinLog iuxvano9^ i
d^avaxog ircb vfjg CwfjQy Tun tö q>dtt((Tdp Tf}g dq^^oföla;
xvfjfjia dvatfcnjj, ileö&SQoy fiiv d-ardvov xai dfiofda;
Par. Im folgenden liegt der umständlichen tjrischen Übenetsmm
kein anderer Text zugrunde. Martin*8 Abteilung S. 202 Z. 4 ist sinn-
los, und die Übersetzung des im STrischen treu nachgebildeten Fuü-
cipialsatzes durch Terrenas vero . . . effeeit p. 435 ist ^Bdsch.
9. Zu S\ welcher ununterbrochen bis zum SchluTs des obiga
Textes fortläuft und der slayischen Version tritt hier (^iovarivoq ^^
PhotiuB (Bekker p. 298% 37). Dagegen hat Par. Z. 9—13 Qiov
auvof — ovQavQv) aüsgestofsen. S* hat den An£uig bis äjtwnöUn
Z. 11, woran er sofort anschliefst dnorav Z. 13. | 10. di and
S^S*, porro übersetzt Martin. | 13. ö/rörov: hier tritt Par. wied«
ein bis zum Schlufs. Dagegen hat der Slare Z. 13 — 19 {dnörmf —
Ctofji) aüsgestofsen. | u. J/ Phot.: ovp Par. S'S*. | U. /lii iw
hier Phot. (S***?): hinter xlrigwofifjaM Par. | t^: om. Par. |
15. ixifavUCtav Phot. S'S*: ix (favXrig Par. | 16. (friai Phot S'S
(darüber nachher): om. Par. | älkä Phot.: &ll^ o»; Par. | 18. aw
fiuTog Phot. Par. S': fAovov fügt S"* hinzu. Die folgenden Ton S'S'
treu übersetzten Worte giebt Martin unglaublicherweise wieder durel
Hd a corpore vivo statt sed corpus a vita. | 22. u&vrixdg Phot.
d^vljaxov Par. S'S', also wohl echt. Warum übrigens Martin in seinei
Übersetzung vor vCv 6i durch drei Punkte eine Lücke hat anzeigei
wollen, yerstehe ich nicht Der syr. Text ist ebenso yollständig wi<
die griechischen. | 22. xaxano^ Phot S*S' hier: Par. hinter ^a
paxot, I 24. Avatf^av^ Phot: xa\ xf^g ad^avaaias yavjj Par. S'S*
STUDIEN ZU JUSTIN.
'^* difdagalag tö aQfnx rj, /ai fifj roP oiöftacog ^
Die Frage, wieweit die Mitteilung des Metbodius aas
^^*-^tiiiuB sich erstrecke, iUllt zusammen mit der anderen, ob
//^« fpr^ai Z. 16 von Photiua in sein Excerpt eingefügt sei
^j^d somit den Metbodius zum Subjekt habe, oder ob es
^On Methodius geschrieben sei und somit den Justinus zum
Subjekt babe '. Ersteres setzte Grabe voraus, letzteres be-
lauptete Jahn; und biefiir entscheidet die von Photius ua-
ibhängige, mindestens 150 Jahre vor Photius entstandene
aus dem Griechischen übersetzte, überdies nicht re-
sriei-ende, sondern direkt und vollständig aus Methodius
ntierende syrische G-nomologie. Ohne Kenntnis des grie-
bischen Originals wäre die syrische Übersetzung hier aller-
icgs ein wenig dunkel. Man könnte dann versucht sein
übersetzen: „Wenn nun Paulus sagt , so spricht
' ((f^ot) nicht als einer, der die Palingenesie des Fleisches
■▼erachtet." Aber dann bliebe das bieraul folgende Verbum
I^CC (= dnoffaivEjai oder ärco^aivS^evog) unerklärt und
anübersetzbar. Es unterliegt keiner Frage, dafs der Syrer
sowohl 9>7j(7t' als dnoffaivezat in seinem griechischen Text
gelesen hat, und es ist ziemlich gleichgültig, ob der überall
sklavisch treu verfahrende Übersetzer in der That geglaubt
hat, das parenthetische <fijai so übersetzen zu dürfen in der
Erwartung, dafs das ein syrischer Leser gleichfalls so rer-
diese wenigstens sicher für den Zusatz | fliC^fgoi' fiii- Fbot: äiptror
fiiv xal t)jii»ri}oy Pftr. S'S' | ^«■n'ro4^ — j-iy. Phol.: »avtlrou yirö-
pttvov JHil äfiBQilaf Par. | 26. J Phot. : t!t\ ib oßun rrijua Par. cf. S'S*.
1) Die dritte Möglichkeit , dafs Paalus das Subjekt sei , gleich-
fiel von wem das <fia( geschrieben wäre, erledigt sich sofort dadurch,
daTs Paulas Tielmehr Subjekt zu <i.T07«/wn.i Z. IG ist, — Dafs
ferner Photiaa selbst die Sätze von änoinv an nicht für eigene Worte
des Methodius, sondern fiir ein Citat aus dem vorhergenannten Justin
gehalten bat, ergi«bt sich daraus, dafs er das nächstfolgende Excerpt
am Methodius mit der umständlicbeo Formel einführt 6 &yioi Mt96-
JiO! oCtui ifial p. 298l>, 15. An der eiodgen sooBtigea Stelle, wo
■ich ziemlich das Gleiche findet p. 297 ■, 41 geht gleichfalls die Mit-
teilung der Ansichten anderer voran, dort der Origeoisten.
8 ZAHN,
stehe, oder ob er das (priai in den Satz hereingezogen, auf
Paulus als Subjekt bezogen und dann das überschüssige
und jämmerlich nachhinkende äTtocpalverai , so gut es eben
ging, noch untergebracht hat ^. Es kommt nur auf den
griechischen Text an, den er vor sich hatte. Dieser ent-
hielt q>riaL Also hat dies nicht Photius, sondern Methodius
geschrieben. Es bezieht sich auf Justin als Subjekt, und
Methodius zeigt an, dafs er hier Justin's eigene Worte an-
führe. Bei dieser einfachen Lage der auf den ersten Blick
so verwickelt erscheinenden Sache ist noch deutlicher, als
es schon vor Bekanntwerden des syrischen Textes war, dafe
das Fehlen des (fyrjüi in den Parallela nichts auf sich hat
Es mufste fehlen, da dieser Gnomolog die vorangehende &-
wähnung Justin's gestrichen hatte (s. vorher zu Z. 9 und
13). Dadurch war die Grundlage fiir das qn^ai beseitigt,
und der Gnomolog bewies durch Streichung desselben erst-
lich, dafs er nicht ganz gedankenlos arbeitete, und zweitens
ebenso wie durch Beseitigung des vorangehenden Satzes,
dafs es ihm nicht sowohl um einen berühmten Autor als
um einen wertvollen Gedanken zu thun war. Ob das ein
Gedanke des Methodius oder des Justinus war, galt ihm
nichts ^. Anders dachte zum Glück der syrische Ghiomolog
oder der ältere Grieche, dessen Sammlung uns in syrischer
Übersetzung erhalten ist. Schon die oben S. 4 mitgeteilte
Überschrift, welche er seinem Citat gab, zeigt, dals ihm die
Anführung des altehrwürdigen Märtyrers Justin in die Augen
stach.
Vielleicht ist es hiemach überflüssig, auch noch zu zei-
gen, dafs die Sätze von S/tötav an (Z. 13 — 26) auch sach-
1) So übersetzt Martin p. 435: Quando igitur Paulus ait ....
non loquitur iudicis more^ tamquam secundam camis naiivitatent
aspernens (lies aspernans).
2) Es konnte ihm um so gleichgültiger sein, da er in seine
Sammlung unmittelbar vorher sehr umfangreiche Excerpte aus einer
Schrift Justin's über die Auferstehung aufgenommen hatte. Die
Beihenfolge ist dort Irenäus, Justinus, Methodius s. Lequien II, 75S
bis 763.
STUDIEN 2D JDSTIN. 9
' Hct betrachtet nicht die eigenen Worte des Methodius sein
können. Aber es liegt am Tage, dafs Methodius selbst die
Stelle iKor. 15,60 ganz anders deutet als sie hier gedeutet
wird. Kurz vorher ' hat Methodius ausdrücklich bestritten,
data Paulus dort unter aÖQ^ das Fleisch selbst verstehe; er
meine vielmehr „den unvernünftigen Trieb des Fleisches zu
den geilen Lüsten", und nicht dem Fleisch, nicht dem Ver-
derbten, sondern dem Verderben, wodurch das Fleisch ver-
derbt worden sei, werde von Paulus der Besitz dea Reiche»
Guttes und der Un Vergänglichkeit abgesprochen. In unserem
Fragment dagegen wird „Fleisch und Blut" eigentlich ver-
Bt&nden; und die in der alten Kirche so oft empfundene
Schwierigkeit, den Satz des Paulus * mit dem Kirchenglauben
von der „Auferstehung des Fleisches" auszugleichen, wird
dadurch beseitigt, dafs auf das xXrtQovo/itlv als ein selbst-
thäliges Besitzergreifen Nachdruck gelegt wird. Nur dies
soll Paulus abgelehnt haben. Nicht der Leib des Mensclien
agne sich das Reich Gottes und das unvergängliche Leben
gleichsam als einen von Rechts wegen ihm zustehenden
Beutz an, sondern umgekehrt, das Reich Gottes und das
Leben nehme Besitz von dem in den Tod geratenen Leib,
ersäufe und verschlinge den dem Leibe anhaftenden Tod
tind mache den von Tod und Sünde zugleich befreiten Leib
in seinem gehorsamen Knecht und Besitztum. Auch von
hieraus ergiebt sich also, dafs Methodius hier die Gedanken
änes anderen reproduziert, und zwar, wie das ffr^ai zeigt^
in dessen eigenen Worten, und endlich , da f^oi keine an-
dere Unterlage hat als den Namen Justinus im voranstehen-
den iäatz, Gedanken und Worte dieses alten Autors. Der
vorangehende Satz, in welchem die Ansicht Juatin's in in-
direkter Redeiorm kurz angegeben wird, dient nur als Ein-
leitung und Vorbereitung des naclifolgenden wörtlichen Ci-
Utj, in welchem derselbe Gedanke , aber nun erat deutlich
1) PhotiuB p. 298-, 8-17.
2) Irenuna sagt (V. 9, 1; 13. 2 p. 303. 3(J8 Massuet), dafs der-
Klbe von allen Häretikern ausgebeuMt werde. Vgl. Tertall. reaurr.
nmi» c. 48 in., 19 po» med., 50 i August, retract. I, 17; II, 3.
10 ZAHN,
und vollständig ausgedrückt ist^ Es ist ja möglich, dals
schon dem Satz in indirekter Rede bestimmte Worte Justin's
zugrunde li^en; ich halte das sogar fbr wahrscheinlich.
Aber um dieser kurzen und noch sehr rätselhaften Andeu-
tung willen hätte es sich gar nicht gelohnt, die Ansicht
Justin's zu erwähnen und die Würde des alten Kirchen-
lehrers so stark zu betonen. In dieser flüchtigen Andeutung
•derselben ist noch nichts enthalten, was Methodius im Kampf
mit Proklus und Aglaophon unmittelbar verwerten konnte;
man hätte nur erraten können, auf welche für die ob-
«chwebende Streitfrage wichtige Bibelstelle sie sich bezieht,
und — ich wiederhole das — sie drückt eine andere exe-
getische Auffassung der gemeinten Stelle aus, als die, welche
Methodius selbst vorher ausgesprochen hatte. Aller dieser
Unzuträglichkeiten entledigte sich Methodius, indem er die
eigenen Worte Justin's, welche ein altehrwürdiges Zeugnis
für den auch von ihm, jedoch mit anderen exegetischea
Mitteln vertretenen Glauben an die Auferstehung des Flei-
sches waren, von ÖTtövccv de an wörtlich anftlhrte. Von diu
bis zum SchluTs ist der Zusammenhang unzerreilsbar, mm
auch alle alten Excerptoren: Photius, der Redaktor der*
ParalleU und der syrische Gnomolog unabhängig von ein-
ander bis zum gleichen Wort ihre Mitteilung ausgedehnte
haben. Also die Zeilen 13—26 des vorhin abgedruckten.
Stückes sind Fragment einer Schrift, welche Methodius, der
Bischof von Oljmpos in Lycien * am Ende des 3. oder in
den allerersten Jahren des 4. Jahrhunderts unter dem Namen
Justin's des Märtyrers gelesen hat
Ist Methodius hier nicht das Opfer eines litterarischen
Betrugs geworden, so erfahren wir, dafs Justin in einer
Schrift, die wir nicht mehr oder jedenfalls nicht mehr voll-
ständig besitzen, unter Nennung des Paulus seine Auffassung
von iKor. 15, 50 und 54 vorgetragen hat. Es will mir
1) Daher war die Abkürzung der jüngeren syrischen Gnomologie
eine sehr vernünftige und diejenige in den Parallela eine um so yer-
zeihlichere s. oben S. 6 zu Z. 9 und S. 8, Aum. 2.
\ darüber den unten folgenden Exkurs.
STUDIEN ZU JDSTIN. 11
dafs diese Thatsache mehr wert sei als manche
^tändliche ReäexioneD, welche über das Verhältnia JuEtin's
Paulus angestellt worden sind. Es zeigt sich hier aa
'«m unzweideutigen Beispiel, wie verkehrt es Ist, auzu-
^^^men, dafs man aus den an Heiden und Juden gerichte-
Schriften JuBtin's, welche allein uns vollBtändig oder
"^^•lieBU vollständig erbalten sind , unmittelbar entnehmen
wie er über das Christentum und die Autoritäten
'^Öer Christen, über die Apostel und deren Schriften gedacht
^liat und zu seinen Glaubensgenossen in den für diese be-
«timmtcn Schriften zu reden gewohnt war. Es wäre doch
-wichtig, auch a posteriori die Unrichtigkeit von Sätzen bo-
«reisen zu können, deren Irrigkeit einem unbefangenen Sinne
«I priori einleuchtet, wie z. B. des Urteils M. v. Engel-
hardt's': „Apologieen und Dialog ergänzen sich gegenseitig.
Durch gleicLmäfsige Benutzung dieser Schriften gewinnt
man ein vollständiges Bild vom Christen tume Justin's."
Aber ist Methodius ein unbedingt zuverlässiger Zeuge?
Soweit es überhaupt solche giebt, hat auch Methodius einen
hohen Anspruch darauf, dafür zu gelten. Allerdinga ist er
einer der wenigst Gekannten unter den bedeutenden Kircben-
echriiitstellem der vomicänischen Zeit. Die Scheelsucht
•eines jüngeren Zeitgenoasen Eusebiua hat ihm weder ab
«inem der Märtyrer der letzten Verfolgungszeit, noch als
«inem fruchtbaren Schriflateller einen Platz gegönnt, weil
Methodius ein Gegner des Origenes war *. Aber völLg ihn
totzuschweigen bat er nicht vermocbi Auch schon ehe
11 Da* Christentum Jusün's des Märtyrers S. 329. Ich betone
4bs Wort „ ToiUtÄadig ", der Verfasser selbst vielmehr die beiden
letitCD Worte. Übrigeas halte ich die Daralellang des thatsächlichen
TerhÜltnlBses Justin's zu Paulus bei Engelhardt S. 352—365 fär
pU' nicht HO unrichtig , irie ea das unrichtige Axiom erwarten
Vefse.
S) Wie gut ihn Eosebius gekannt hat, erfahren wir durch Hieron.
e. Bofinum I, 11 (Vallarsi* 11, 466): Im ö. Buch seiner Apologie für
Origenes hat Euaebius gesagt : Quomodo ausut est Methodius nunc
emlra Origenem icribere, qui haec et haec de Ortgenii loquulus est
dogpiatibus.
I
12
die nur in altsUviflcbor Ubenetzong eriudtenen Schriften
zagäng^ch gemacht und die nur fragmentarisch im Original
auf nns gekommenen Schriften mit Hilfe derselben Version
besser als bisher werden geordnet sein, kann man sich ein
ziemlich deotliches Bild von Methodins machen. Der Zeit
nach in der Mitte stehend zwischen Qrigenes und fiosebins^
in der klassischen litteratnr der Griechen sehr belesen;,
ohne irgendwie mit (jelehrsamkeit zu prunken , als christ-
licher Schriftsteller allem Anschein nach recht originell \
ein eifriger Gegner der alexandrinischen Theolc^e und doch
nichts weniger als ein eyaLXtfJiaariTüög im Sinne jener Schule,
sondern ein im dialektischen wie im exegetischen Kampf
frisch und kräftig sich bew^ender Theolog: das ist ein
auch in Sachen der älteren christlichen Litteratur Vertrauen
erweckender Zeuge. Methodius zeigt sich auch mit solcher
christlichen Litteratur bekannt, welche dem Eusebius un-
'bekannt geblieben ist £r ist der erste Zeuge für die Apo-
logie des Athenagoras K Methodius kennt die (gröfsere)
Apologie Justins. Schon die Bezeichnung Justin's als Neapo-
liten (oben S. 6) wird auf die Überschrift der Apologie zu-
rückzuführen sein ' ; denn in der sonstigen Tradition bei
Tatian, Irenäus, Tertullian und den späteren wird er nicht
80; sondern entweder einfach Justinus^, oder noch der
Philosoph und Märtyrer ^ genannt Femer ist nicht wohl
1) Seine Bedeutung für die Kunstfonnen der christlichen Poesie
hat jüngst W. Meyer, Anfang und Ursprung der lat. und griech.
rythmischcn Dichtung (Aus den Abhandl. der bayer. Akad. I. Kl.,
XVII. Bd., II. Abtl.), München 1885, S. 45flF. 107 hervorgehoben.
2) De resurr, bei Epiphanius haer. 64, 28, p. 544 Pet.; Photius
cod. 234, p. 293^, 6. Vgl. dazu die Bemerkungen Jahn's im Method.
platonizans p. 93, aber auch was ich aus Anlafs der Vermutung Har-
nack's, dafs Eusebius die Schrift gekannt, aber falschh'ch dem Justin
zugeschrieben habe, im Theol. Litteraturblatt 1882 S. 211 bemerkte.
3) Just. apol. I, 1 : tQv und <i*Xaoviug AV«? noXitag rfjg 2i^vQiag
JhiX(aaT(vii^. Auch Eusebius h. e. IV, 11, 11 u. c. 12 wiederholt
nicht eine traditionelle Kunde, sondern teilt diese Urkunde mit.
4) Tatian orat. 18. 19; Iren. I, 28, 1; IV, 6, 2; V, 26, 2; p. 107.
233. 324 Massuet.
5) TertuU. c. Valent. c. 5; Hippol. refut. VIII, 16 ed. Gott
- -oo 22.
^^^^H STUDIEN ZU IS ^^^1
^^PflieBtreiten , dafa das, waa Methodiua über die Kreuzea- M
^^^rtalt der kaieerlichen vi:xilla und über die Macht dieses
'^■^Tchens über die See sagt, aus Justin geäüssen ist '. Wei-
ss Suchen in den bisher bekannten und den noch «n-
kannten Schriften des Methodiua wird solche Belege aicher-
h vermehren.
Eine Stütze erhält das an eich schon schwer eu be-
standende Zeugnis des Methodius noch dadurch, dafa
Dem Anschein nach schon Irenäus die gleiche Stelle, welche
Methodius einer Schrift Justin's entnommen hat, gelesen und
■ Trerwertet hat *. Man mag über die Deutung von 1 Kor.
C!lfi> öO in unserem Fragment urteilen, wie man will, ingeniös
ind originell ist sie jedenfalls, Sie ist auch nicht zur herr-
Kjheuden Tradition geworden. Tertullian hat sie sich nicht
ogeeignet. Nur bei Irenäus findet sie sich wieder in desseo
»sfiihrhcher Erörterung der „von allen Häretikern für
Iren Wahnsinn vorgebrachten" Stelle. Nachdem er schon
weimal V, 9, 2 den Gedanken ausgesprochen liat, dafs der
teist im Christen dessen Fleisch in Besitz nehme und da-
I bei die Schwachheit des Fleisches absorbiere, nachdem er
sodann den Zusammenhang der Stelle erörtert und sie selbst
wörtlich wiederholt hat, spricht er Gchherslich das so vor-
bereitete Paradoxon aus : eI yd^ Sei TakuiitiQ liycn; ov zAij-
QOvo/iei, dXhi /Jkr^^ovofiiiTai ^ Oqq§ (g 3, p. 303 Maas.).
Dieser Gedanke wird dann weiter ausgettihrt, durch Ana-
logieen und Bibelstellen bestätigt. Immer aufs neue aber
wird man an die von Methodius in direkter und indirekter
Redeform citierten Worte Justin's erinnert z. B. § 4: ^
aäQ$ Mt^ favii^ ßaatXeiav Stoß y.XriQOvOfifjaai ov diTazat,
yi}.i\qovofiii&fp'at äi cig ßaailEtav loi) &eoD ßinaxai. z^.ij-
^Ki^ei yöp 6 l€>v lä xof Tersittrij/dtoi,', und dann noch
lateinisch erhalten; haereditatt enir,
26, von Jahn p. 103 UDter die Übersulirift
(p. 102) gestellt. Cf. Just. npol. I, 55.
Spie. 11, 194, wies bereits auf eine Parallele be!
Fvagincut hin, welcbes er dem Metliodius selbst
14 ZAHN,
nie, gui vivil, kaerediiate at^em acguiritur caro. Aucli der
Qedanke, dals das Geerbte und in Besitz Genommene eben
damit dem Erbenden dienstbar und gehorsam gemacht werde,
womit unser Fragment schliefat, kehrt bei Irenäus wieder:
zä öi {xi.TjQovofiot^'fiEi'a) {-noTiiaxTai Aal i-Tta-Miset xai xv-
QiE^Eiai Itiö Tot) xATjßovo/ioCiTOg. Waren nun die Gedanken,
welche Irenäaa hier mit sorgfältiger Vorbereitung und nach-
träglicher, ausfiihrhcher Rechtfertigung und, was den ent-
scheidenden Punkt anlangt, mit dem ausgesprochenen Ge-
fühl der Kühnheit des Gedankens vorträgt, in einer dem
Methodius unter Justin's Namen zugekommenen Schrift kurz
und bündig ausgesprochen, so hat sie Irenäus auch aus
dieser Hchrift sich angeeignet; und es wäre höchst sonder-
bar anzunehmen, dafs Irenäus zwar diese Schrift gekannt
habe, aber ohne den Namen Justin's oder unter einem an-
deren Namen '. Denn was sollte in dem Jahrhundert, wel-
ches zwischen Irenäus und Methodius liegt, der hier in
Frage stehenden Schrift den Automamen Justin's ver-
schafft haben, wenn sie ursprüngHch einen anderen trug?
Es entspricht die Art, in welcher Irenäus hier den Ge-
danken des älteren Autors verwertet, durchaus seinem son-
stigen Verfahren; und es unterhegt ja keiner Frage, dafa
Irenäus nicht nur an den zwei Stellen, wo er den Justin
namentlich citiert *, sondern auch sonst, ohne ihn zu nennen^
diesem gefolgt ist '.
Leider hat uns Methodius nicht den Titel der Schrift
Justin's genannt, woraus er schöpfte. Es liegt nur nahe zu
vermuten, dafs Methodius bei Ausarbeitung einer Schrift
tieqI dvaaTtiaeiog eine ebenso betitelte Schrift des von ihm
so hochgestellten Justin zurate gezogen hat, wenn es eine
1) Letitetea wäre das Näh erliegende, denn TÖUig anonyme Schrift-
Bteilerei war in der alten Kirche uichts Gewöhnliches,
2) IV, 6, 2; V, 26, 2 p. 233. 324 Masaaet.
3) Ein weilerer Beweisführung nicht bedürftiges Beispiel ist
Iren. I, 23, 1 p. O'J = Jusl. apol. I, 36. Das dicitur des IroiSi»
darf durch a Juetino ergänzt werden.
STUDIEN ZU JUSTIN.
che Schrift gab. Dies sei der Gegenstand der folgen-
Untersuchung.
^^ Exbars: Über den Bischofssitz des Methodlus.
^^ Die älteste biographische Kunde über Metbodius giebt
^^DB leider kein besserer als Hieronymus, welcher de t. ill.
a. 83 mit den Worten beginnt; Metkodius Olympi Lyciae
Jfl postea Tyri episcopus. Der nächste Zeuge Socrstes h. e.
tTI, 13 sagt nur xffi iv Avm({ tzSKei^s XiyofitvrjQ 'Olv^ntov
jTrttTAOTcog. Eben dies bestätigt Maximus Confesaor in dea
Scliolien zum Areopagiten (hierarch. eccles. c. 7} trotz der
"Verworrenheit dea Textes ohne Vermischung mit einer an-
deren Überlieferung'. Die syrischen Handschriften, dar-
1) Dioajsü openi ed. P. LanseUins et B. Corderiiu (Ed. nora
Paris 1644) II, p. 92A: £vi!}-yia9i MiSoälau loS Aylov fiiiQTi-QOi xiü
' OXvfinlov MQHcvovnöUms fittaxonoi' jljg jiiiilitt th xht niinß (ge-
gen OrigeoeB) in' ainStv nipi iWaaTilOfiuf yQitifd^a. Valesiiis ta
Eos. h. e. VI, 24 anoot. p. 124 glaubte helfen txt kÖDaen durch die
ÄDdemDg 'Oli-fiJiov und durch Streichung von in' ai'iav. Ersterea
iit zweifellos richtig, war auch schon von Leo AUatius gefordert
(Metbod. ed. Jahn, p. 8, Anm. '2), welcher aufserdem aber auch
'jfi^avovnöliuf strich, weil es ein solches in Lycien nicht gebe.
Aber BO bequem wird man weder diesen Sladluamen noch das auf
mehrere Schriftsteller hinweiseDdc in' aitQv los. Es müssea die
Angaben über zwei antiorigenistische Autoren, welche über die Auf-
erstehung geschrieben haben, durch die AbBchreiher mit einander
vermengt worden sein. Denn lu Dionys. hierarch. cod. c. 7 (in der-
telben Ausgabe p. 24 A, auf der zweiten so bezifferten Seite; es sind
dort BBtnlicb die Zahlen 22 — 26 zweimal hinler eioauder iu der
SeiteucähluDg verwendet) bemerkt derselbe Maximus: lof'ro TilBrCrt-
tor nBQtai^ l-ififiürv 6 'iäptavornoiCirit tv Joi( Tifpt in^aaiiianac nii0
anrn 'ii(iiy/vof( yiyQafififpoii Xöyoi;. S, über diesen Scbriftsteller in
Eürae Dict. of Christ, biogr. I, 101, Nr. 1. Auf diesen beliebt sich
1 alM die überflüssige Ortsangabe in dem zuerst angeführten Scholion
und er ist n>it Metfacrdius in dem in' ititiät' insammen-
Dem letzteren allein gehört 'OXi-finlov (oder 'Olt'/inof) int-
tljt jiwiui an. Jenes Adrianopel ist dasjenige in Thracien.
16 ZAHN,
unter eine des 7. Jahrhunderts, nennen den Methodius nur
,, Bischof von Lycien" * d. h. einen lycischen Bischof*.
Statt Olympus nennt zuerst Leontius von Byzanz oder
Jerusalem um 600 das gleichfalls in Lycien gelegene Patara
als Bischofssitz des Methodius '. Ihm folgte Johannes von
Damaskus ^ im 8. Jahrhundert, die griechischen Menologien
und Synaxarien, auch wohl die meisten Sammler und Ab-
schreiber der späteren Zeit.
Patara und Olympus liegen soweit auseinander, dals die
Annahme Lequien's (Oriens Christ. I, 976. 977), Methodius
sei Bischof beider Städte zugleich gewesen, zumal in An-
betracht der ziemlich späten Zeit wenig Wahrscheinlichkeit
Air sich hat. Es wäre ferner schwer zu erklären, dafs kein
einziger Schriftsteller dies auch nur durch ein Schwanken
zwischen beiden Namen andeutet Ebenso bestimmt wie
die einen nur Olympus, nennen die anderen nur Patara.
Jenes aber bezeugen die älteren und in jedem Betracht be-
achtenswerteren Zeugen. Es läfst sich aber auch erklären,
wie der Irrtum der jüngeren Tradition entstand. Aus dem
1) Wright Catologue p. 917». 1005b. 1012» (Nr. 37 am Ende).
1013». Wenn er wirklich einmal Bischof von „Laodicea" genannt
wird, p. 967», so kann das nur Schreibfehler für „Lycia" sein. Aber
Wright teilt hier den syrischen Text nicht mit, und in Martin's
Sammlung der Fragmente (Pitra, Anal. IV, 201—206) finde ich
zwar die Handschrift, worin das stehen soll (Addit. 14532), zweimal
citiert p. 202, n. 10, p. 206, n. 1, aber nicht die von Wright ange-
gebene Stelle. Und doch gehört dieselbe auch zum Buch von der
Auferstehung !
2) So verstehe ich dies nach Ignatius Rom. 2, 2 vgl. meinen
Jgnatius von Ant. S. 308. Ein anderes Beispiel giebt Hieronjmus
de V. ill. 62: Alexander episcoptis Cappadociae,
3) De sectis, actio HI, 1 (Gallandi« XH, 633) vgl. über ihn
Gafs in Prot. RE« VIII, 593.
4) De imagin. III opp. ed. Lequien I, 389 E, vgl. femer Jahn
p. 8 unter Nr. XII, XIII, die Überschrift der Rede auf Hanna und
Symeon S. 105, die Note zu S. 94 auf S. 128. Dabin darf man auch
wohl alle die zählen, welche ohne Angabe des Bischofstitels ihn AU-
^o^ioi IlaTdQiüv nennen, wie die Parallela Rupef., welche älter als
Job. von Damascus sind, Lequien II, 763 A, eine Catene bei Mai,
Script, vet. nova coli. IX, 680 u. s. w.
P STUDIEN ZU JTSTIN. 17 ^^|
^ng des Dialogs über die Auferstehung > ergiebt sich ^^^|
^ich, dafs Fatara der Schauplatz des Dialogs war. Keiue ^^^1
ift des Methodiua ist aber annähernd so viel gelesen
eo oft exoerpiert worden als dieser Dialog. Aus die-
vor allem kannten die Sammler den „Bischof und
^rrer" oder „Philosophen und Bischof " Methodius. Aus
. Anfang desselben schöpften sie die Meinung, er sei
khof von Patara gewesen. Es ist das gelehrte, also wert-
Tradition. Bei sorglaltigerer Lesung hätte man aus
lelben Stelle vielmehr erkennen sollen, dafs Patara ge-
Eäe nicht der Wohnsitz des Methodius war. Er kommt
DU auswärts mit einem Freunde angereist, um einem vor-
ehmen Herrn, Namens Theophilus, der durch Sturm nach
itara verschlagen und dem Vernehmen nach länger dort
I verweilen gewillt war, einen Besuch zu machen. Also
pht Patara, sondern Olympus wird sein Wohn- und
ischofssitz gewesen sein. Dem widerspricht es keineswegs,
iTs Methodius im zweiten Buch des Dialogs ' bei Erwäh-
ing des Berges Olympus, an dessen Fufs die gleichnamige
adt Ug, die Bemerkung einsieht, dafs das ein Berg in
jrcien sei. Das läfst sich nicht daraus erklären, dafs Me-
odius den für diesen Dialog angenommenen Standort fest-
Llt; denn auch in Patara wäre diese Bemerkung lächerlich
iwesen. Sie erklärt sich aber sehr natürlich aus der Rück-
cht des Schriftstellers auf einen weiteren Leserkreis, der
ei dem Nameu Olymp sonst sofort an den berühmteren
■ölterberg gedacht haben würde. Wir dürfen demnach
'lympua mit Sicherheit als Bischofssitz des Methodius be-
liehnen.
Daneben kann es nicht in Betracht kommen, dafs er
n Titel der slavischen Übersetzung einer bisher unbekannten
1) Nach dar altslaTischen Übersetzung von Pitra, Anal. III, 613
.teiuiscb raitgeteilt.
2) Photius, p. 298i>i GaUaudi, p, 780D. Beide Eicerptoren
ibeD die Glosse; sie stammt also vom Schriftsteller selbst. Der
ntteche Übersetzer (Analecta IV, 202) bnt seine Sache nur schlecht
bftcht: „Denn ich habe mit meinen Augen geseheu an einem Ort
^plympogi eiuer Stadt m Lycieo, auf einem Berggipfel" u. s. w.
18 ZAHN,
Schrift „über den Ausaatz an IsteÜuB" oder „SiatelioB"
Methodius episcc^ius Philippensis genannt wird (Pitra,
Anal. III, 616'')- Das kann nur durch Mi fsver ständnis des
z. B. in den syrischen Excerpten häufiger vorkommenden
Me96diog rpildaofog tTzlaxo^og (tf^g) ^vniag -xiX. ent-
standen sein. Ebenso wenig ist eine anderweitige Tradition
über Beinen Bischofssitz durch das in späteren Sammelwerken
öfter vorkommende Lemma Me&oÖiov — (iJijs ' bezeugt Ent-
scheidend ist schon, dafs es, soviel ich sehe, niemals heifst
FTcia'^önov — /djjs"- Liegt dem, was ja wahrscheinlich ist,
irgendwelche Tradition zugrunde, und ist an einen anderen
Methodius nicht zu denken, so wird unser Bischof von
Olympus in Lycien aus dem nicht allzu fernen * Side in
Pamphylien gebürtig gewesen sein oder dort das Bürger-
recht besessen haben.
So einfach bis dahin alles sich zurechtlegte, so rätselhaft
steht die durch keine Spur anderweitiger Überlieferung
unterstützte Behauptung des Hieronymus da, dafs Methodius
nachmals noch Bischof von Tyrus geworden sei. So gläubig
wie Lequien (II, S03) könnte man das auch dann nicht
hinnehmen, wenn man nicht wüfste, wie zahllose und boden-
lose Irrtumer Hieronymus in seinem Schriflatellerkatalog
meist infolge flüchtiger Benutzung, manchmal auch Mifsver-
ständnisses seiner griechischen Quellen sich hat zu Schulden
kommen lassen. Wäre Methodius zuletzt Bischof von TyruB
gewesen und als solcher ein gefeierter Märtyrer geworden,
Bo wäre nicht wohl zu begreifen, wie dies völlig aus der
griechischen Tradition hätte verschwinden können. Dazu
kommt aber, dafs in der Keihe der Bischöfe von Tyrus
schwer ein Platz für ihn ausfindig zu machen ist '. Ea-
1) Metbod. ed. Jahn, p. 117 Anm.; Pitra, Anal. IH, 603 Anm.,
604 Anm., 605 im Text
2) Auf dem direkten Wege d. h. ziXT See etwa ebeDSO weit wie
Patara von Oljmpus. Auf eine VerbiDdang des Metbodius mit Sid«
würde es hinweisen, wenn der Proklua, welcben die slaviscbe Uber>
■etzuDg einen Midemi» nennt, nach Pitra's Vermutung vielmehr ein
SidtMia oder SideUs würe (AnaJ. UI, 613).
3) Vgl. SalmoQ im Dicüonary of ehriet. biogr. m, 909.
BlUDIKN ZD JDSnil. 1 9
Bebiiu h. e. VIII, 13, 3 nennt unter den hervorragenden
Märtyrern der Provinz Phönice während der diokletianischen
Verfolgung den Tyrannio, Bischof von Tyrus. Ist MethodioB
nach Hieronymus ad extremum novissimae persecutionis, daa
eoll doch wohl heifsen um 311 unter Maximinus Märtyrer
geworden, so könnte er nur der Nachfolger des Tyrannio
und der unmittelbare Vorgänger des Paulinue gewesen sein,
des Freundes des Eusebius. Dieser aber scheint nach dem
Zusammenhang von Eus. h. e. X, 4 unmittelbar nach dem
Sturz Maximin's bereits Bischof von Tyrus gewesen und
nicht erst geworden zu sein, so dafs für Methodius ebenso
wie für den fabelhaften Dorotheas ' kein Zeitraum bleibt
Femer hat zwar Eusebius seine oft geübte Kunst dee
Schweigens zweifellos auch auf Methodius angewandt (s. ob.
S. ll); aber es würde doch kaum zu erklären sein, dafs
er ihn h. e. VIII, 13; IX, 6 gänzlich übergangen hätte,
wenn Methodius als Bischof von Tyrus zwischen 304 und
312 Märtyrer geworden wäre. Qanz anders lag die Sache
für ihn, wenn Methodius als Bischof des fernen Olympus in
Lycien das Martyrium erlitt. Sein Martyrium überhaupt
sn beanstanden, wie Salmon thut, scheint mir nicht aus-
reichend veranlafst * durch die unsicheren Angaben , mit
welchen das erste Zeugnis für den Märtyrer Methodius bei
Hieronymus verknüplt ist. Theodoret kennt ihn doch auch
■Is solchen ^ Nur mit seiner Behauptung, dafs Methodius
Bischof von Tyrus gewesen und zwar am Schlufs seines
Lebens, steht Hieronymus allein und befindet sich im Irr-
tnm. Es wäre aber angenehm, sich den Irrtum erklären
1) Theophanea ed. de Boor, p. 24, 21; 48, 2Taqq. Lequien,
Or. Christ. II, 803, ^ebt die Reihe: Tyrannio, Methodius, Dorotheus,
PanlinuB.
2) Es liefee sich noch geltend machen, dafa Methodius in dem
Slteaten Martyrerkalender fehlt, welcher uus in eioer syrischen Hand-
seliiift vom Jahre 412 erhalten ist und in seiner grofseren ersten
Hälfte Übersetzung eines griechischen Knlenders aus der zweiten
Hälfte des vierten Jahrhunderts ist. Aber derselbe stammt ans aria-
aiachen Kreisen; vgl. meioen Cypriau von Antiochien. S. 95f, Anm. 1.
3) Dialog. I Immutabilia (Opp. ed. Schulze IV, 5ö).
20 ZAHN,
ZU können. Salmon vermutet einen Schreibfehler in der
Vorlage des Hieronymus: Töqov statt TlavdQtiüv. Aber ab-
gesehen davon, dafs die Formen nicht gerade zum Ver-
wechseln ähnlich sind, so scheitert diese Annahme daran,
dafs Patara als Bischofssitz des Methodius eine erst lange
nach Hieronymus aufgekommene gelehrte Fabel ist
Dagegen darf man sich daran erinnern, dals die Stadt
Olympus ebenso wie der Berg, an dessen nördlichem Ab-
hang sie lag, aufserdem auch OoivixoCg hiefs ^, und dals
dieser Name, statt dessen zur Zeit des Strabo und des Si-
teren Plinius Olympus üblicher gewesen zu sein scheint, in
späterer Zeit wieder auftaucht Ich denke, man bürdet dem
Hieronymus keine gröfsere Fahrlässigkeit auf, als er sie
manchmal begangen hat, wenn man annimmt, ihm habe ein
griechischer Text etwa folgenden Wortlauts vorgel^en:
Me^d^iog ^OkvfiTtov rfjg ^VTLiag rof? Tuxt 0oivi7U>fh^og ini-
o-MTtog. Hieronymus las flüchtig, hörte etwas von Phönicien,
also von einem phönicischen Bischof heraus. Und wo hätte
der Gegner des Porphyrius besser residieren können als in
Tyrus!
Thut man dem Hieronymus mit dieser Vermutung zu
viel oder zu wenig Ehre anjedenfalls ist auf sein Ze^uB
für den tyrischen Episkopat des Methodius nichts zu geben.
II. Justln's Sehrift über die Auferstehung.
Die am Schlufs der ersten Abhandlung ausgesprochene
Vermutung, dafs Methodius die Worte Justin's über iKor.
1) Strabo XIV, 3, 8, p. 666. S. andere Stellen bei For biger,
Handb. der alten Geogr. II, 260 Anm. 35. Einiges auch bei Lequien
1. 1. I, 976. Vielleicht ist nicht überflüssig zu bemerken, dafs 4Hnvt'
xovq zu den maskulinen Stadtnamen gehört. Bei Theophanes ed. de
Boor, p. 332, 16; 345, 28 heifst es 6 4>oivil Vgl. auch Ranke,
Weltgeschichte, V. 1, 158.
STUDIEN ZD JUSTIN. 21
15, 50 aus einer Schrift desselben „über die Auferstehung"
geacliüpft habe, wäre ohne Wert und Berechtigung, wenn
nicht zu beweisen wäre, dafs Justin eine Schrift dieses
Titels geschrieben hat. Prokopius von Gaza ', der „ christ-
liche Sophist", wie er sich selbst genannt hat, aus dem
Ende des 5. und Anlang des 6. Jahrhunderts zählt in seinem
kürzeren Kommentar über den Oktateuch eine lange Reihe
von Kirchenlehrern auf, welche der Deutung der Fellrücke
in Gen. 3, 21 auf die Leiber der ersten Menschen wider-
flprochen haben, darunter auch Justin '. Zur Kennzeichnung
des Zeugen möge ein Teil des Verzeichnisses hier stehen:
„Riemens im dritten Stromateus, und Dionysius der alexaji-
driniscbe Bischof in seiner Auslegung des Ekklesiastes, und
Petrus, Bischof derselben Stadt und Märtyrer in der ersten
Bede über die Seele, und Athanasius, wiederum Bischof von
Alexandrien, in der zweiten Rede gegen die Arianer und
im Leben des grofsen Antonius .... und Irenäus Bisciiof
Ttiii Lugdunum im dritten Buch seines Werkes gegen die
Hlresieen, im Kapitel 59 und 65, und Justinus der
Philosoph und Märtyrer in dem Buch von der
Auferstehung, und BasiUus der Kappadocier im 21. Ka-
pitel des Ilßxaemeron und in der Homilie über den 1. Psalm"
u. g. w. Gelehrter kann man nicht citieren. Zur Probe
der Genauigkeit vergleiche man, um bei den Ältesten stehen
zu bleiben, die hiesigen C'itate aus Irenäus und Kiemena
mit unseren Ausgaben. Klemens verwirft Strom. III, § 95
(p. &54 Potter) ausdrücklich jene Deutung der Kleider aus
Fellai, als deren Vertreter er den C'assian nennt'; und es
1) S. über ihn meine Forschungea zur Gesch. des Kbdodb U, 239.
I41--251, besonilers S. 253, zur allgememeQ CliarakteTlaUb Stark,
'iu* and die philiatäische Küele (ltJ52), S. 63Tf.
2) Mai, Clttsaic. aoct, T, Vi, 204. In dem ausführiJcheren Werk,
*o»on dieaes Dur der Äusfug ist, würde man die eigenen Worte
Juttn'i finden (Mai 1. 1. p. 1), Icli kenne keine Ilandacbrift dieaes
noch ungedrockten Riesen ■rerkii. Der Mooacensis gr. 358 saec. IX
Qitliilt nach Hardt nur die Epitome.
3) Vgl. meine ForecbanKen IIT, 24 (wo Prokopius hinzuznfügen
'H). Die TOD Clemens dort in Aosaicht gestellte Widerlegnag, folgt
IJ
M XAmr.
ist wirUidi das drille Bodi wtiam groben Werkes, worin
Ireniiis swar mcbt ansdröcklicli g^goi jene hiredache Mei-
mmg polenrisierty aber doch gans deadich seine rechlg^-
Irige Ansidit Ton der Ersdiaftn^ des Leibes Adams und
Ton den immeae pettieeae ausspricht K
Bei solcher Lage der Dinge ist es sdiwer begreiflich,
wie man das CStat des Prokopiiis auf die psendojiislimschen
Qnaestiones et reqKmsiones ad Qrlhodozos hat besiehen
mdgen '; denn wie sollte der gdehrte Prokopins diese bunte
Sammlnng mit h r^ mQi Svaardoitag Uytf dtieren und
swar mit Rücksicht aof einen Abschnitt, in welchem Ton
Aoferstehong gar nicht die Bede ist Aach handelt es sich
dort gar nicht um den Gtegensats der genannten häretischen
Deutung Ton G^en. 3, 21, sondern um die Meinung „einiger
Frommen^, dals Gt>tt jene Böcke nicht aus dem Fell wirk-
licher Tiere gemacht habe. Dals Prokopius ein Buch xmter
Justin's des Mftrt]rrer8 Namen und mit dem Titel n^qi dya-
ardaeofg in seiner reichen patristischen Bibliothek gehabt
hat^ kann nicht Gegenstand litterargeschichflicher Diskussion
sein.
Unter demselben Automamen und Buchtitel haben zwei
Florilegien, oder vielmehr zwei Handschriften des unier dem
Namen der Parallela Sacra Bupefucaldina so oft citierten
Florilegiumsy drei amfiemgreiche Fragmente aufbewahrt d. L
alles, was in den Ausgaben Justin's seit Pr. Maran als
dessen Buch Ttegl dyaoTdaecjg abgedruckt zu werden pflegt
nachdem zuerst P. Halloix, dann sorgfältiger M. Lequien
die Fragmente publiziert hatten K Dies Florilegium, welches
in ecl. proph. § 17 Forsch, in, 29. Über Cassian, den „AnfiLnger
der DokcBe" (ClemenB ström. EI, § 91, Potter p. 552) vgl For-
•chungeo I, 7; 13 Anm. 1; 14 Anm. 1; 285.
1) Iren. III, 21, 10; 22, 1; 23, 5, p. 218 sq. 221 Massuet.
2) So Otto zu Just. opp. Ed. 3, T. m. 2, 72.
8) Dieser aus dem Cod. Rupefucaldinus in Jo. Dam. Opp. H,
756—763. Eine Collation des Cod. Coislinianus 276 gab Nolte bei
Migne, Patrol. gr. 6, 1795—1800. Über die Handschr. vgl. Mont-
faucon, Bibl. Coislin., p. 389 sq. Ob sie durchweg nur als eine^=
sweite Kopie der im Rupef. enthaltenen Gnomologie zu betrachteite-i
BTDDIEK TO JU8TIN. 23
den Namec des Joh. von Damaskus mit Unrecht trägt und
nach Lequien um ein Jahrhuadert älter ala dieser ist, zeichnet
sich vor allen, welche ich näher kennen zu lernen genötigt
-war, durch genaue Bezeichnung seiner Quellen aus '. Man
sollte meinen, es sei selbstverständlich, dafa der Sammler
aus demselben Buch geschöpft habe, wie ein volles Jahr-
hundert vor ihm Prokopius. Gtrabe erkannte das an*; die
neueren Gelehrten beetreiten es vielfach. Während Otto
in der vorhin beleuchteten Art das Citat des Prokopius aus
der Welt schafft, setzt Hamack als ganz eelbstverstäudlich
voraus, dafs dessen Citat sich auf eine andere Schrift be-
gehe. „Niemand hat abgesehen von den 8S. Parallela die
SchiiA citiert"*. Das müfste aber doch bewiesen werden,
da der Titel bei Prokopius und in den Parallela genau
übereinstimmt und beide Zeugen sich nicht nur der Zeit
nach ziemlich nahestehen, sondern auch beide den Schein
gelehrter Sorgfalt für sich haben. Hatte Prokopius eine,
wie Hamack flir möglich hält, echte Schrift Justin's in
Händen, bo wird es ja dadurch nicht erklärlich, sondern
gerade recht sonderbar, dafs mau nicht allzu lange nachher
eine, wie Harnack urteilt, fremde Schrift über die Auf-
entehung dem Justin unterschob, und zwar eine, wie jeder
einsieht, uralte, gegen allen Verdacht einer Fiktion unter
Justin's erborgtem Namen sichere Schrift *. So etwas pflegt
Mi, wage ich nicht cu eDtecheiden. ^ Im Coial. fehlen die eiug»-
Uunmerten Worte des Lemma : ToO äyCou 'lovatlvov lao (filoa6ipov
ul fiäfnt'QOi {(x toO) ntp) «vomoiTdu;.
1) Vgl. ForBchmigeD III, 120f.
i) Spicil. II, ItiT. Wenn derselbe S. 195 sagt: nusquam alibi
Juttiai Tractatum de resun'ectione aUegatum reperio, eo aoU das na-
töilich mcbl zu Prokop alleiu, sondern zu allem S. 177 — 194 Mit-
geteilten den Gegensatz blldeu.
3) Gebhardt-Harnack, Texte und Unt«raneh. I. 1, 164-
4) Wenn Harnack, S. 164 Anm. 150, auf „eine dritte Schrift
niqi ävnatäaioi; , die Justin beigelegt norden", sich beruft, so ist
du doch ein wenig kühn geredet; deiin die Quaestiones gentiles ad
Chriitianos de incorporeo et de deo et de resurrectione mortuorum
(Otto m. 2, 32G— 367), welche Harnack (,S. 168) damit meint, bs-
liuideb doch nur ganz am Sehlufs die Frage nach dar Auferstehung.
Li
24 ZAHN,
doch gemeiniglich nur geschehen zu sein, wemi mini
einem durch die Tradition berühmten Titel die dm ;►
hörige Schrift nicht mehr besafs. Hier aber handelt aeb
um einen Titel, welchen kein alter Kirchen- undLittenl»
historiker dem Justin zugeschrieben hat, und es handdt ai
anderseits um ein Buch, welches Prokopius ebenso wie k
anderen dort citierten in Händen gehabt hat und ala W
kannt voraussetzt. Woher ako und wozu die UntencU^
eines nach Inhalt und Form ganz harmlosen Wechsd^i
im Lauf des Jahrhunderts nach Prokopius? Könnte im
diese Frage beantworten, so wäre der Beweis immer vßk
erst zu fuhren , dafs die nächstliegende Annahme der Uft*
üiät des von Prokopius und des in den Parallela citietta
Werkes undurchführbar sei. Die Stelle des Beweises schosk
bisher die Meinung zu vertreten, dafs uns die ParalleU &
Schrift von der Auferstehung beinah vollständig erhalta
haben. Aber der Sammler fuhrt sein Citat mit ex roCf nffi
dvaardaeiog ein, und es ist mir nicht bekannt, dafs Gnomo-
logen dieser Art überhaupt vollständige oder beinah voll-
ständige Traktate aufgenommen und so eingeführt hätten \
Wer sich ein wenig mit dieser Litteratur zu befassen hatte,
weifs femer, dafs die Gnomologen unzählig oft ohne jede
Andeutung einer Lücke Sätze auslassen, welche uns sehr
wichtig erscheinen. Ein Beispiel aus den Par. Rnpefuc
wurde oben S. 8 besprochen. Nun hat aber der Sammler
aufser durch seine Überschrift auch noch einmal durch die
Formel xai /aev^ oliya und bald darauf durch die gleich-
bedeutende xai fievä ßqaxia * angezeigt, dafs er nur Bruch-
stücke gebe ; und es beruht nicht auf Erfahrung, wenn man
annimmt, die durch diese Worte bezeichneten Lücken müfs-
ten unerheblich sein. Ich erinnere mich, sonst auch manch-
1) Das Beispiel des Coisl. 120, welcher die pseudojustinisclie «r-
d^tatg nCarttag gröfstenteils enthält, ist von Otto II, p. XLV nicht
glücklich gewählt; denn diese Handschrift ist keine Gnomologie und
iberdies fehlen darin aufser dem Anfang und Schlufs jener Schrift
lOch viele einzelne Sätze, s. Otto III, p. XI sq.
2) Lequien II, 761E. 762B = Otto c. 8, p. 240; c. 9, p. 244.
STUDIEN ZV JUSTm. 25
fie& JVepa, aber niemals fietä no^.ä gelesen zu haben.
dnd das abgeseliliffene Formeln, welche in den grie-
ehiachen und syrischen Florilegien immer wiederkehren und
so weniger nach ihrem Wortsinn zu pressen sind, als
I nicht weifs, woran diese an sich relativen Ausdrücke
gemessen sein wollen, und als es im Interesse des Sammlers
lag, das, was er bot, möglichst bedeutend and was er ibrt-
Eefs als unerheblich erscheinen zu lassen. Ein naheliegen-
des Beispiel wird zum Beweise dafür geniigen, dafs solche
Formeln über ■viele Folioseiten hinwegführen können '. Un-
mittelbar vorher hat unsere Gnoinologie zwei Citate aus dem
iunften Buch des Irenäus durch -Mtl futä ßga^ta mit ein-
ander verbunden {Lequien, p. 756A}, deren erstes V,
S, 2 — 3, 1 Mass. p. 294Eq. und deren zweites V, 12, 2
(gegsa Ende) und § ^ p- 306 sich findet. In der Aus-
gabe von Harvey * liegen 27 Seiten dazwischen. Dieserhalb
iiaben wir demnach die vollste Freiheit, uns den Traktat, aus
welchem dieser Gnomolog seine drei justiniscben Citate ge-
■chöptt hat, doppelt und dreifach so grols zu denken, als diese
Fragmente; und schon das eine Citat des Prokopius, gegen
dessen Zusammengehörigkeit mit den Citaten der Parallela
tlcein Orund vorgebracht worden ist, lebrt uns, dafs nicht
blofs einige entbehrliche Flickworte vom Gnomologen aua-
f^elassen worden sind. Dasselbe aber ei^ebt sich auch aus
der Betrachtung der grofseren Citate selbst.
Es ist schon von vornherein sehr unwahrscheinlich, dafs
der Verfasser einer Schrift über die Auferstehung mit so
allgemeinen .Sätzen aus der christlichen Erkenntnistheorie
begonnen haben sollte, ohne entweder vorher das besondere
N^hema bezeichnet zu haben, das ihn zu diesen Erörterungen
■»eranlafst , oder beim Übergang vom Allgemeinen zum Be-
ll Caepari, Alte und neue Quellen (1879), S, 83f., macht eq-
viel Umstände mit einem solchen fiir' üiya bei Tbeodoret.
2) S. 324 schlierst das erste, S. 351 beginnt das zweite. Da-
nrischen ilehen auch griechische PraRmente, unter anderem auch
.ans Sacra Par. , aber nicht aus dieser Stelle der Par. Rupefuc, ge-
seböpfte. Es folgt in den Par. durch fx loC avioii Xüyov eingeführt
du Citat ans Iren. V, 13, ä, p. 3U9 Massuet, p. 357 Harrey.
iä
26 ZAHN,
sondern das Thema und die Veranlassung zu dessen Be-
handlung deutlich anzugeben ^ Die Worte, mit welchen
unser Verfasser von jenen allgemeinen Sätzen zum Thema
übergeht: ,,Es sagen die, welche Schlechteres lehren, es
gebe keine Auferstehung des Fleisches ''*, sind nahezu sinn-
los, wenn das Fragment den Anfang der Schrift bildete.
Dafs vorher p. 212, 16 einmal Christus als Verleiher der
Totenauferstehung und des ewigen Lebens bezeichnet war,
kann den Mangel nicht ersetzen, erscheint vielmehr selbst
mindestens geschmacklos, wenn nicht schon gesagt war, dafs
die ganze Erörterung über Erkennen imd Beweisen um
dieser Frage willen angestellt worden sei. Somit fehlt
uns erstlich der Anfang der Schrift. Es fehlen
aber auch nicht wenige Sätze an der ersten Stelle,
wo der Excerptor eine Lücke angezeigt hat, p. 240, 37.
Nur fUr eine wenig eindringende Betrachtung ist ein schein-
barer Zusammenhang dadurch hergestellt, dafs vor und nach
der Lücke von Christus die Rede ist Aber in wie ver-
schiedener Weise und zu wie verschiedenem, Zweck! Vor-
her wird das Gebot Christi von der Feindesliebe angewandt
zum Beweise dafür, dafs Gott sich erst durch die Errettung
des ihm fremdartigen, nicht verwandten Fleisches ab den
Guten beweise, und dafs somit die gegnerische Behauptung,
das Fleisch habe keinerlei Verheifsung, hin&Uig sei. Nach-
her dagegen werden die Heilungen und Totenerweckungen
Christi als positive Beweise und Bürgschaften für die zu-
künftige Totenauferstehung geltend gemacht In dieser Aus-
ftLhrung aber stöfst man auf Gedanken, welche in den vor-
angehenden Kapiteln gar noch nicht zur Diskussion gestellt
waren. Sie beginnt gleich mit der Voraussetzung, dafs
Christus selbst nach der gegnerischen Behauptung des Flei-
sches zu gar nichts bedurft habe. Gleich darauf wird in
1) Vgl. einerseits Tertull. de resurr, camis 1 und anderseits
Athenag. thqI avaaxdanüg vtxoQv c. 1, Note 22 — 28; Otto, p. 190.
2) c. 2, p. 214, 1 Otto. Ich citiere im Folgenden nach den
Seiten und, da die Zeilen nicht gezählt sind, nach den auf die Noten
verweisenden Ziffern der dritten Ausgabe von Otto.
^^^H STUDIEN ZU JUSTIN. 27 1
T- gleichen rhetorischen Form die gegnerische These, dafa
► Auferstehung lediglich eine geistige sei, bekämpft. Bei-
» war zwar in der allgemeinen Übersicht der häretiechen
^'4ithesen c. 2 bereits angedeutet. Fleischliche Auferstehung
"de nicht geschehen, hiefs es p. 216, 12, und gleich dor-
^^*^, dafa Christus nur dem Schein nach im Fleisch er-
"^^tkieuen sei. Aber daraufhin konnten die in c. 9 hekämpf-
^^^»1, zugespitzten Thesen und Termini nicht als bekannt
^Orau^eaetzt werden. Es widerspräche das, auch abgesehen
"on dem grofsen Zwischenraum, welcher c. 9 auf alle Fälle
! trennt, der Art und Weise der bisherigen Dia-
Trotz jener allgemeinen Übersicht (c. 2) werden
Folgenden die einzelnen Thesen und Argumente der
!gner umständlich vorgeführt, ehe zu ihrer Widerlegung
schritten wird '. Derartiges mufs demnach auch vor c. 9
I geetanden haben. Ferner hatte der Verfasser c. 2, p. 216, 17
Aussicht gestellt, dafs er zuerst die Einwürfe der Gegner
riderlegen, dann den positiven Beweis fuhren werde. Wenn
; nun p. 223, 11 so scheint, als ob der erste Teil beendigt
, so zeigt doch gleich der erste Satz p. 224, 1 und alles
«reifer Folgende bis p. 240, 37, dafs alles dies noch dem
raten Teile angehört. Der Unterschied, welcher die Rede-
' Wendung p. 222, 11 veranlafst hat, besteht nur darin, dafs
laie dahin gewisse absurde Konsequenzen, welche die Qegner
aus der kirchlichen Auferstehungslehre ziehen , abgewiesen
wurden, während im Folgenden die direkt gegen die Mög-
lichkeit und Gotteswürdigkeit der Auferstehung ge-
richteten Angriffe zurückgewiesen werden. Dieser Disposition
p. 224, 1 — 4 entspricht einigermafsen die Ausführung
(c, 5 — 6; 7 — 8). Aber alles dies bis zur ersten Lücke ist
doch noch nicht der angekündigte positive Beweis dafür,
„dafs das Fleisch Heil (zu hoffen) hat". Wenn einmal
solches mit unterläuft, was zu positivem Beweis sich eignet,
ao wird auf die später folgende Darlegung verwiesen p. 226,
20. Hinter der Lücke dagegen befinden wir uns mitten
222, 1—4; c, 6, p. 224, 1-
3; p. 240, 25-27.
28 ZAHN,
im zweiten Teil. Dafs auch dieser, d. h. dafs die ganze
Schrift polemisch gehalten ist, kann den wesentiichen Unter-
schied nicht verhüllen , dafs vor der ersten Lücke lediglich
Abwehr der gegnerischen Einwürfe, hinter derselben positive
Beweisführung für den Auferstehungaglauben angestrebt
wird, und dafs uns das zweite Excerpt mitten in die letztere
hineinversetzt. Nur 25 Zeilen hinter der Lücke ruft der
Verfasser bereits aus: „Wenn einer nach allem bis dabin
Gesagten noch Beweise für die Auferstehung fordert, so
unterscheidet er sich in nichts von den öadducäem." Eb
folgt ein kraftvoller Öchlufssatz, der an die Gedanken der
Einleitung anklingt. Der Verfasser ist also schon längst
mit den id/of d/todeotnxo/, mit der angekündigten positiven
BeweisruhruDg beschäftigt und nicht nur ein kurzer Über-
gang vom ersten zum zweiten Teil, sondern ein bedeuten-
des Stück der Schrift lallt in die erste Lücke. In derselben
kann auch das gestanden haben, was Frokopius bei Beioer
Anführung im Sinn hatte.
Hinter den zuletzt besprochenen Sätzen p. 244, 24 be-
findet sicli die zweite vom Excerptor angezeigte Lücke.
Was alles darin gestanden hat, läfst sich nicht einmal er-
raten. Nur eins zu vermuten, ist durch die Tendenz der
Schrift nahe gelegt. Sie ist zur Bestärkung der Recht-
gläubigen aber Schwachen im Glauben an die Auferstehung
des Fleisches geschrieben, aber eben deshalb von Anfang
bis zu Ende polemisch gegen die gnostische Leugnung oder
Verflüchtigung dieses Glaubensartikels gerichtet ' und be-
müht, deren teils aus der Natur der Sache, teils aber auch
aus der Bibel geschöpfte Argumente zu widerlegen. Nun
wissen wir aber, dafs die häretischen ScbiUen des zweiten
Jahrhunderts nicht nur überhaupt, sondern gerade auch in-
bezug auf die Auferstehungslehre die Briefe des Paulus, ins-
besondere auch 1 Kor. 15 stark in Anspruch nahmen und
1) p. 214, 23 iiv,i!,oXif,ir,- r.'tv (dem Teufel und seinen Werk-
leugeD , den Irrtebrem) Jis loi'c üoSiviif. p 226, 21 at-yyvii/i^
alroifiivoi nnpB iSv i^; älijSila; r/xvoiv. Da« Bind die Leser, sa£'
«ntfhe der Verfasser mD&ehst rechnet.
STUDIEN ZU JUSTIN. 39
Katfaoljkea dadurch ins Gedränge brachten '. Es witre
daher echwer zu erklären, dafs eine Schrilt des angegebenen
Zwecks nicht auch auf die apostolischen Briete eingegangen
m^e. Eine passendere Stelle aber liiertUr wäre schwerlich
finden als die, welche die zweite Lücke bezeichnet, hinter
der sichtlich zu einem ieierlicheu Abschlufs gelangten Be-
irei&ßihnuig aus dem Leben und der Lehre Jesu. Dann
-Irtre hier auch der geeignete Platz fUr das Citat des Me-
•Aodins.
Endlich aber spricht nichts dafür, dafs das kleine ätück,
Ichea der Excerptor hinter der Lücke noch mitteilt, der
Schluis der ganzen Schrift gewesen sei. Die Wendung auf
die moralischen Konsequenzen der häretischen Lehre ent-
qiricht zwar im allgemeinen dem Charakter eines Buch-^
achlusses; aber vom rednerischen Standpunkt aus mufs man
nrteilen, dafs die letzten Sätze verloren gegangen sind. Wir
■ind also sehr weit entfernt, die von Prokopius und dem
Bedaktor der Parallela Rupef benutzt« Schrift unter dem
Titel „Justin's des Märtyrers und Philosophen Euch von
der Auferstehung" vollständig zu besitzen. Um so er-
wünschter wäre es, die Fragmente desselben um ein inhalt-
raches Stück vermehren zu können.
Da die Schrift nach den erhaltenen Fragmenten von
fcemem Kenner der kirchlichen Litteratur der nachkonatan-
töiiscben Zeit zugeschrieben werden wird, sondern auch von
denen, welche Justin nicht für ihren Verfasser halten, ins
zweite Jahrhundert gesetzt wird ', ao besteht die Vermutung
IPJ Recht, dafs Methodius aus ihr sein Citat über iKor.
Ja, 50 geschöpft hat. Aus einer Schrift imter Justin's
Kamen hat Methodius es genommen; Justin's Namen
trug unser Traktat um 500 und um 600, und es fehlt jeder
Anhalt liir die Vermutung, dafs er um 300 einen anderen
Aatomameu getragen habe. In einer Schrill „von der
Aaferetehung" citiert Methodius Worte Justin's. Da es
1) a. den entea Artikel S. 9, Aom. 2.
2) Vgl. s. B. Harnack, Überticfenuig der griecb. Apologeten
& 163.
so ZAHK,
eine Schrift gleichen Titels unter Justm's Namen gd^
80 ist nichts wahrscheinlicher; als dalk eben diese vonh'
thodios bei dieser Gtelegenheit benatst wnrde. Sdn Qä
handelt aber nicht nur überhaupt Ton der Auferstehung ii
unser Traktat^ sondern handelt dayon auch in dem f^eifia
Gt^ensatz wie dieser. Es geschieht hier wie dort im Geg»
satz gegen solche, welche das menschliche Fleisch ab ds
Erlösung und Auferweckung unwert bezeichnen und diftr
Beweise aus dem Neuen Testament vorbringen K T»
wenig umfangreich das Citat ist, so ist doch eine aoffllEp
Übereinstimmung des Sprachgebrauchs zwischen ihm ml
den grolsen Fragmenten der Parallela Rupef. zu konstatierai
Weder in der Bibel war es unmittelbar begründet, nodi
entspricht es dem gemeinen kirchlichen Sprachgebraadi^
dafs die Auferstehung und Verklftrung des Lieibes im Gilt
bei Methodius ^ Ttjg aaQxbg ftaXiyyeyeaia heilkt Meintt
Wissens haben Athenagoras, Tertullian und Methodius selbit
in ihren Schriften über die Auferstehung nicht so geredet
Dagegen findet sich genau der gleiche Ausdruck nidit irt-
niger als dreimal in den grofsen Fragmenten (c. 6, p. 328; 8;
c. 8, p. 228; 20; c. 10; p. 246, 5). Dem im Citat danü
verbundenen Prädikat hupctvXiCuv entspricht sehr genau der
für den gleichen Gedanken gebrauchte Ausdruck xomSLur
ztpf odqyLa ^. Eine Anspielung an die im Citat bei Methodius
mit herangezogene Stelle iKor. 15; 53 f. fehlt auch in den
1) Z B. c. 2, p. 216, 10; Matth. 22, 30. Auf denselben ewi-
gelischen Zusammenhang bezieht sich der Verfiisser selbst c 8,
p. 220, 29; c. 9, p. 244, 22.
2) Im Anschlufs an Matth. 19, 28 oder den gemeinen Sprach-
gebrauch gebraucht es Clem. Rom. IKor. 9, 4 von der Sintflut und
ihrer Folge, im Anschlufs an Tit. 3, 5 im Sinne von iLvayfwf^ig yon
der sittlichen Erneuerung des Lebens Clem. AI. ström II, § 146,
p. 507 Potter. Wenn man regeneratio nach Tit 3, 5 Vulg. als Über-
setzung von naXiyyiviaCa gelten läfst, so gebraucht es Tertullian nur
von der geistigen Wiedergeburt (de came Christi c. 4. 20) und stellt
es (de resurr. 47) der restitutio und redintegrcUio camis ab Bild
gegenüber.
3) c. 2, p. 214, 4 cf. c. 7, p. 232, 1 roitg ArifidCovrag r^ aä^a,
c. 10, p. 248 vor n. 16.
STUDIEN ZU JUSTIN. 31 '
ren Fragmenten nicht '. Besäfsen wir einen geordneten
^ind vollständigen Text der Schrift des Metbodtus von der
^"^Aferstehung , so würde es sich lohnen, genauer zu unter-
^^dlcben , ob Metbodius aus der Schrift, deren Excerpte die
* Parsllela darbieten, auch ohne namentliche Citation geschöpft
^i«t. Eins ist jedenfalls zu beachten. Die Worte de reaurr.
= <S. 10 ävänTaoi^ tau zoP rrBTiTioy.dzog aaq/iiov, irvevfia yd^
4>& ntTzitt drucken in aphoristischer Un Vollständigkeit einen
■Gedanken aus, welchen dann Tertullian * kräftig ausgeführt,
«näus * leise berührt hat Vollständig kehrt er wieder bei
lletbodius *. Ea ist mindestens sehr wahrscheinlich, dafa
Ue von Methodius namentlich citierte Schrift Juatin's iden-
«h ist mit derjenigen Schrift unter Justin's Namen, mit
I welcher er, ohne Justin zu nennen, in einem originellen
f Gtedanken bis auf den Wortausdruck zusammentrifft.
Die Wahrscheinlichkeit steigert sich zur Gewifaheit, wenn
man das Verhältnis des Irenäus sowohl zu dem Citat bei
Ifethodius als zu den Excerpten in Parallela Rupef. ins
&uge fafst. Es ist längst bemerkt und meines Wissens nie
^1>e8tritteu worden, dafa Irenäus Eich von diesen Excerpten
in seiner Darstellung der Auferstehungslehre abhängig zeige '.
Die Berührungen ziehen sich hindurch durch den ganzen
Abschnitt Iren. V, 2, 1 — 13, 5. Nach dem, was vorhin
über den Gebrauch von Ttaliyytveaia = regeneraiio be-
merkt wurde , mufs es auffallen , dafs Irenäus nur hier '
die Auferstehung und Leibesverklärung so bezeichnet: Vani
1) c 9, p. 246, 10 mit Otto's Anmerkang.
2) De resurr. caniia c. 18; adv. Marc. V, 9.
8) Iren. V, 13, 3: manifestum e»t, qnoniam corpus, quod est
I earo, quae et hunuliatar cadens in terram. Cf. V, 13, 3: Noq enim
alind est, quod moritur et aliud quod vivificatur.
4) Ed. Jahn, p. 80 aua Epiphan. haer. 64, 52 (auch ajriach er-
halten hei Pitra, Anal. IV, 202) övdataat! r»9 o™ ^"1 r"" f't
I jltntuiKÖio;, bH' tni loB ntnjuixötoi i,(yliai xal ärttjtafiivov rrL
5) Vgl. Semiflch, Justin d. Märtyrer I, 147f ; Otto zu reBOrr.
C 8, p, 238, n. 16; c. 9, p. 242, n. 2; c. 10, p. 2«, n. 3.
6) Sonit die an die Taufe geknüpft« Wiedergeburt IH, 17, 1,
L p. 308 Haw. ». auch Harrey'a Note dazu.
32 ZAHN,
auiem omnimodo, qui . . . camis sdltUem ^ negant et regem-
rationem ejus spemutU. Gegenüber der gnostischen Behaup-
tung, dafs Gk>tt wohl die ihrer Natur nach unsterbliche
Seele am Leben erhalte, aber nicht das an sich vergäng*
liehe Fleisch wieder lebendig mache, argumentieren beide
Schriftsteller auf Qrund der Güte und der Macht Gottes,
beide aber so, dafs auf erstere das gröfsere Gewicht gel^
wird '. Während Justin hier nur die Seele nennt , fögt
Irenäus den Geist hinzu et quae sunt alia. Dasselbe zeigt
sich bei der von jeher besonders auffällig gefundenen Paral-
lele zwischen resurr. c. 8, p. 238, 16 und Iren. V, 6, 1,
p. 299. Während Justin entwickelt, dafs weder die Seele
für sich noch der Leib für sich, sondern nur das aus Leib
und Seele zusammengesetzte tdov h>yvA/)v Mensch heilse,
und daher auch die Berufung des Menschen zu Leben und
Auferstehung die Verheifsung der Leibesauferstehung in sich
schliefse, hat Irenäus in der zweimal ' kurz hinter einander
gegebenen Reproduktion dieses Gedankens beidemale zu
Leib und Seele den Geist hinzugefügt. Wie wenig dies
aber in einer abweichenden Anthropologie beider Autoren
begründet sei, kann man einerseits aus Iren. II, 29, 3 sehen,
wo Leib und Seele als die einzigen Wesensbestandteile des
Menschen an sich, des natürlichen Menschen angegeben
werden, und anderseits aus resurr. c. 10, p. 246, 2, wo 'die
sogenannte trichotomische Anschauung ausgesprochen ist
Es wäre weitläufig zu entwickeln, dafs die an die biblische
Ausdrucksweise sich anschliefsenden anthropologischen An-
schauungen der älteren Kirchenlehrer, insbesondere auch
des Irenäus beide Betrachtungsweisen zulassen. Es liegt
aber auch auf der Hand, dafs zumal die Art, wie resurr. 10
1) Dies kehrt sehr oft wieder in positiver und polemisch nega-
tiver Form z. B. V, 14, 1 dreimal; es ist aber auch ein immer wieder-
kehrender Ausdruck in de resurr, von der Angabe der Disposition
an c. 2, p. 216, 17.
2) Iren. V, 4, 1, p. 297 Mass. = resurr. c. 8, p. 240, 25 sqq.
3) Gewöhnlich wird nur die zweite Stelle angeführt Harvey,
p. 335 ntqjAe enim plasmatio etc. Aber schon zu Anfang des § 1
Harvey p. 333 steht wesentlich dasselbe.
^H STUDIEN ZU JUSTIN. 33 I
1 der Seele ab dem Wohnhaus des Geistes und vom
ist als dem, was überhaupt nicht dahiufallt, gesprochen
keinerlei Widerspruch gegen dia dichotoinische An-
.auung c. 8 enthält. Die Kritik, welche daa nicht mit
Inder reimen kann, und daraufhin in c. 10 flugs eine
«rpolation annimmt, ist doch gar zu naiv. Gerade auch
an jene Zusammen Stellung von Leib, Seele und Geist
—HIT. c. lU sieb anscbliefsenden Worte tit ip/a dk zaCia rotg
"■^-"JTf'da EiXiXQivFj xai -.Tianv adidzpiroi' tv t>^ It-eiii i'xovai
^^^u^/jOecai haben ihresgleichen in demselben Zusammenhang
*^i Irenäus V, 6, 1 und somit an Irenäus einen Zeugen
^"^ rer Echtheit. An ein Citat aus iThess. 5, 23 schliefst
renäuB die Frage: Et quam tUique causam kabebai, his
h&us id est animae et corpori et sptriiui nUegram et per-
f.Jectam persevtrantiam precari in advcntum domini etc. '.
1 Der Gedanke Justin's (rea. 10, p- 244, l), dafs im Wort-
der ävätnaaig bereits entbalten sei, dafe es sich
Erbebung des Gefallenen, also des Leibes und nicht
^ea Geistes bandele, ist bei Irenäus wenigstens nicbt ohne
'Spur geblieben (s. oben S. 31 Amn. 3). Die Beweislübrung
aus den Heilungen und Totenerweckungen Jesu bei Irenäus
V, 12, 5; 13, 1 erinnert in ihrem Anfang selbst durch den
Wortlaut an die gleiche Beweisführung bei Justin *.
Nun hat sich aber oben S. 13 f. herausgestellt, dab Irenäus
auch die bei MethodJus citierte ätelle Justin's gekannt und
verwertet bat, und zwar mitten in dem Kreis der so eben
Toi^eluhrten Parallelen zu der dem Prokopiua und dem
Redaktor der Parallela Rupef. vorgelegenen Schrift über die
, Auferstehung unter Justin's Kamen. Wäre es schon an sich
1) Die tri cbotomi sehe BetraclilUDgaweiae war Cur Treiiäus hier
TOD besonderer Wickti^kcit für seine Aualegung vun 1 Kor. lä, 50.
I Das Kcigt sich beBonders deutlich V, D, ], p. 302 vgl. auch II, 33, 5,
168 ma a<^/i,t,,<, li.-ti il'i'xäi, tiiu nvtiifi«in,
2) res. c. 9, p. 242, 2 il xal .'»(^J.ifwifv b^iij*; Iren. V, 12, 5
\ {MMR eni'm causam habebat cetrrtü mCffiAra cware etc. Dai Weitere
t in vergl. mit res. c. 4, p. 222, !f.
l K.-0. VIII, 1. i. 3
84 ZAHH,
ein AaTserates von Unwahnchemlichkeity daA Irenaus soiiU
diejenige angeblich justimscbe Schrift, aas welcher Metho&i
eine Erörterong über die Auferstehung angefahrt hat, ä
diejenige angeblich justinische Schrift, welche nach Proko|Hi
und den Parallela neQl äraardaetog betitelt war, neben eb-
ander benutst haben sollte, so wird die Annahme einer T»
schiedenheit dieser beiden Schriften völlig dadurch aop-
schlossen, dafs es ein kleiner in sich geschlossener AbsdoiB
des Irenäus ist, in welchem er sich als dankbarer Lenr
sowohl der durch die Parallela als auch der durch Meft»-
dius uns aufbewahrten Stücke unter Justin's Namen leigL
Es ist also nur eine einzige Schrift, welche Irenäus gelen^
offenbar auch Tertullian und zwar noch viel stärker benott
hat, welche Methodius als eine Schrift des Märtyrers Jutii
citiort, von welcher Prokopius zuerst bezeugt, dafs sie da
Titel 7CBqI dvaatdauoq führte, und aus welcher die PanJMi
unter Anwendung des gleichen Titels und Automaroens drei
gröfsere Bruchstücke excerpiert haben.
Die Frage, ob diese Schrift den Namen Justin's mit
Recht trug, ist damit nicht entschieden. Aber in dem Halky
als es unwahrscheinlich ist, dafs diese Schrift erst in der
Zwischenzeit zwischen Irenäus und Methodius zu dem Na-
men Justin's gekommen sein sollte (s. oben S. 14), ist auch
die äufsere Bezeugung ihrer Ab&ssimg durch Justin eine
glänzende. Besser als diejenige der Apologieen und des
Dialogs ist sie auf alle Fälle; denn für diese haben wir das
Zeugnis erst des Eusebius, für unsere Schrift dasjenige des
merklich älteren und in keinem Betracht geringer zu ach-
tenden Methodius. Die Beweisführung von Semisch für die
justinische Abfassung ist der Verbesserung und Vervoll-
ständigung bedürftig; aber widerlegt worden ist sie nicht.
Mit Erfolg kann das Für und Wider nur im Zusammen-
hang einer litterargeschichtlichen Behandlung sämtlicher
Schriften Justin's erörtert werden. Doch mochte ich auf
drei Einzelheiten schliefelich noch aufmerksam machen.
Ist der Begriff der 7taXiyyeveaia in der Schrift von der
Auferstehung mit Recht betont worden (S. 30. 31), so ist
es auch höchst beachtenswert, dafs derselbe im Dialog
STUDIEN ZU JUSTIN. 3fi \
mtiich ebenso wiederkehrt '. Die Wiedergeburt in tin-
)rem Sinne des Worts heifst auch bei Justin duayiwifltg *,
^^d schon deshalb ist schwer denkbar, dafa unter dem
"Mysterium der Palingeneäa" die Taiife verstanden sein
«Ute. Gemeint ist vielmehr die zweite Schöpfung, das
^IfoawerdeQ auch der körperlichen Natur bei der Paruaie
^nles Erlösers. Das beweist die Charakteristik derjenigen,
"welchen solche Paliagenesis in Aussicht gestellt wird. £a
*«nd die Christen und alle, welche die Wiedereracheinung
^ Christi in Jerusaieni erwarten und sich bestreben, durch
' 'Werke ihm wohlzugefallen. Die Palingenesis ist also das Ziel
* eschatologischen Erwartung und der Lohn des frommen
f andele. Dasselbe beweist der Wortlaut der citierten pro-
ichen Stelle. Sie enthält kein Wort, welches auf die
istliche Taufe bezogen werden konnte. Dagegen läuft
I hinaus auf die Freuden, welche von dem „Einzug der
Herrlichkeit des Herrn" in Jerusalem aueströmen. Die Ge-
iburtswehen der Erde und die Geburt der Kinder Zion^
(reiche diesem Einzug unmittelbar vorangehen, bedeuten
■dem Justin die Auferstehung der Frommen.
Orabe'a Vermutung *, dafs die von Methodius, Prokopius
und den Parallela citierte Schrift kein selbstÜDdiger Traktat,
sondern ein Teil der Schrift gegen Marcion sei, suchte ver-
geblich einen Anhalt in der renommistiacben Phrase des
Hieronymus, welche dami durch Vermittelung der griechi-
schen Übersetzung seines Schriftstellerkatalogs wie so man-
ches andere auch in Photius' Bibliothek übergegangen ist *.
1) c. 85, p. 308 Otto heifat es inbeiug auf die gleich nachher
Ugefilhrten Worte aus Jea. 66, 5—11 (v ol; xa\ t& fivojii^ov rlje
I näliv (die Codd. miXiv jijs) yivfotaii tjfiSiv xnl änX^; näviiav jBSv
I TÖr XfMiridv fv 'IfQoi'aal^u if«v^ia&iti npoaioxii-tatv xal St' ioyuv
1 fda^drtii' airt^ anovdaiövtiav.
2) Apol. I, 61 Otto, p. 1G4, 6-7; 16G, 11—18. Difd. 138 Otto,
p. 486, 7.
3) Spicil. II, 166aq. Das billigte Otto, De Justioi scriptis et
doetrioa, p. 72 sq.
4) Hier. t. ill. 23; PhotiDi cod. 125 ed. Bekker p. 96>: xatü
■fnfvfBwoc ivrtyxiiiot i.6ym.
3«
36 ZABN,
Wenn nämlich Hieronymus contra Marcumem insigma »
lumina anführt, so zeigt seine Berufiing auf die Anfuhi^i
derselben bei Irenäus, welche er durch Vermittelai^ iß
Eosebius kannte ; dals dieser grolsartige Plural dne Ver
suerung des Hieronymus ist. Denn Irenäus spricht gm
einfach von der Schrift g^en Marcion *. Dafs diesefte
aus mehreren Büchern bestanden, und eines derselboi m
der Auferstehung gehandelt habe, ist an sich eine jedes in-
halts entbehrende Vermutung, wäre aber auch auf unaoe
Schrift ganz unanwendbar. Denn diese hat es mit sll' da
Irrlehrem zu thun, welche die Auferstehung des Fleisda
bestreiten, und nichts in derselben weist speziell auf Harda
hin. Im Gegenteil, es wäre unverständlich , dafs Jostm is
einem gegen den Heidenchristen und Antijudaisten Maran
gerichteten Schrift es so darstellen konnte, als ob die Tom
Teufel ausgesandten Irrlehrer aus dem Volke derer, wdche
den Heiland gekreuzigt haben, hervorgegangen seien ^, obe
auch nur mit einem Worte darauf hinzuweisen, dafs der,
dessen Lehre und Schule er zunächst in diesem Werke sa
bekämpfen sich vorgesetzt, ein Heidenchrist sei, welcher die
aus dem Volke Israel hervorgegangenen Irrlehrer noch über-
boten habe. Aber abgesehen von dem besonderen Orunde,
welcher in einem gegen Marcion gerichteten Werke eine
solche Zurückführung der häretischen Gnosis auf das jüdisclie
Volk unwahrscheinlich machen würde, entspricht die hiesige
Darstellung wohl den Anschauungen Justin's. Er nennt
als die von den Dämonen ausgesandten Menschen, deren
Anhänger sich fälschlich den Namen Christen beilegen, vor
allem Simon den Magier und den Menander, beides Sama-
riter', und er rechnet die durch angebliche Herkunft, Ge-
1) Iren. IV, 6, 2 = Eus. h. e. IV, 18, 9.
2) Resurr. 10, p. 248 ixki^d/Liivoi avrous ix rßv araiiHoauvTtav
3) Apol. I, 26, 56; Dial. 120. llber das o/ t\nu tovjmi^ ÖQ^ta-
fjifvoi . . X(uaTiavo\ xaloüvrai vgl. GöttiDger gel. Anz. 1873, S. 1543.
Die Behandlung der Stelle bei Harnack, Zur Quellenkritik der
Gesch. des Gnosticismus, S. 20, und Lipsius, Quellen, S. 9. 22 f.,
befriedigt nicht.
STUDIEN ZU JL'STIN. St'9
BSbeobachtung fBeschneidung) und Measiaacrwartiing den
^^llden gleichstehenden Samariter mit den Juden zusammen
^"|l dem Hause Jakob'a und Volke Israel, von welchem nach
^'ite prophetischen Weißsagung nur wenige und weniger
^^i^te als aus den Heiden an Christus gläubig geworden
ibid '. Also nicht von den Heiden , sondern von den
^Äiristusfeindlichen Volksgenossen und Landsleuten Jesu iat
^ "^Bch den anerkannten Schriften Justin's wie nach der an-
^gefocJitenen Schrift über die Auferstehung die dämonische
Irrlehre überhaupt und die Leugnnng der Auferstehung ins-
- besondere ausgegangen.
Sehr beaelitenswert ist endlich, dafs der Satz rfjg dt
Eltj^e/ai,- laxi'^ötiQOv oiÖiv {resurr. 1, 8} beinah wörtlich
riederkehrt in einem durch mehrere Florilegien dem Justin
iriebenen Fragment (Otto II, 258, Nr. VII b. unten
K9. 44 Aom. a).
im. DiohtDcg and Wahrheit In Jnatin's Dialog mit
dem Jnden Tryphon.
Wie »ich die Darstellung Justin's in dieser Schrift zu wirk-
lichen Erlebnissen Justin's und sonatigen in dieser Schrift be-
rührten Thatsachen verhalte, würden wir vielleicht ein wenig
deutlicher erkennen, wenn die einzige Handsclirift, auf welcher
der Text des Dialogs wie der Apologieen beruht ', uns den
Dialog vollständig erhalten hätte. Eine in der Handschrift
durch nichts angezeigte Lücke nach der Mitte des gedruckten
Textes ist anerkannt, aber nicht genügend gewürdigt worden *.
1) Apol. I, 53. p. 142, 4-144, 13.
3) Eb ist der Paris, gr. 450, geschrieben a, 13li4, von welchem
1 der BOgeoainite Claromonttuius, jetzt in Cheltenham , eiue junge Äb-
I achriftiat. Vgl. Uurnack, Überlieferuug d. gricch. ApologeUo, S. B8.
3) Dial. c. 74 Otto', p. 2li6, d. 7. Sehr flüchtig ist Pr. Maran,
dem sieb Otto anBchlicrst, auch in den Prolegg. (abgedr. in Otto'a
Corp. apol. IX, 23^—235) über die Frage nach der Integrität hin-
Ehcuso Semisch, Justin I, lU4f. Bei Engelhardt,
, Überlief, der Apol., S. 149. 173 f. finde loh
■ SOI Sache.
38 21BV,
Die Annahme Maran'si dals dort nur ein Paar das CStat
aas Deut 31, 16 — 18 einleitende und vorne vervollst&n-
digende Worte ausgefallen seien, hätte nicht die triftigen
Bemerkungen älterer und besserer Patristiker verdrängen
sollen. Man mag sonst von Justin's schriftstellerischer Kunst
sehr gering denken, die äuiisere Einrahmung des Dialogs
ist nicht ungeschickt Der Eingang wie der Schluls des
Ganzen giebt ein anschauliches Bild der Situation. Aber
auch im Verlauf der breiten theologischen Erörterung wird
die Scenerie und der Fortschritt der Handlung nicht aoiser-
acht gelassen. In der Frühe eines Tages beginnt das G^
sprach in den Spazierwegen eines Gymnasiums (c. 1, n. 2);
es bleibt nicht unbemerkt, dals nach langer Verhandlung
der (Tag bereits weit vorgerückt sei (c. 66 vor n. 37).
Wenn Tryphon, der hierauf aufinerksam macht, zugleich
bemerkt, dals er und seine Genossen auf die Disputation
nicht vorbereitet gewesen seieu; so scheint Justin auf beides
zugleich, auf die bevorstehende Auflösung der Gesellschaft
fUr diesen Tag und auf die dadurch gegebene Möglichkeit
einsamer Beschäftigung mit den Gegenständen der Verhand-
lungen hinzuweisen, indem er kurz vor der Lücke (c 74,
n. 2) seinen Gtegnern die unbefangene Erwägung eines vor-
her citierten Psalmworts empfiehlt und dies durch die Ver-
sicherung bestätigt: „Denn so werdet ihr auch viele andere
Aussprüche des heiligen Geistes, wenn ihr in euer Quartier
gekommen seid ^, verstehen können.'^ Bald nach der Lücke
aber sehen wir» dafs inzwischen ein zweiter Tag angebrochen
ist Es wird auf das Gespräch des vorigen Tages zurück-
gewiesen, und das wiederholt sich nicht weniger als sieben-
mal '. Auch dafs der zweite Tag sich zu Ende neige,
wird bemerkt (c. 137, n. 14). Dazu kommt, dals die Ge-
sellschaft eine sehr andere geworden ist. Nachdem schon
1) So ist nach der Situation das xaO-^ iavrovs y€v6fA€voi zu Yer-
stehen.
2) c. 78, n. 14 (cf. c. 70, n. 8—14); c. 85, n. 15. 16 (cf. c. 36?);
c. 85 zwischen n. 24 u. 25; c. 92, n. 11—12; c. 94, n. 8—9; c. 118,
n. 14—15 ; c. 122, n. 6—7.
BTVUIES ED JUSTIN.
ziemlich zu AnfaDg des ersten Tages zwei von TiyphoQ's
Begleitern apottead über den Eifer der Zurückbleibenden
Ton dannen gegangen sind {c. 9, n. 6), bleiben aufser Justin
nnd Tryphon noch mindestens vier zurück (c. 56, n. 30).
Am zweiten Tage ist die Gesellschaft eine viel zahlreichere.
„Wie im Theater schrieen einige von den am zweiten Tage
Gekommenen auf" (c. 122, n. 6). Es hat sich ein form-
ficfaer Zuhörerkreis um die Hauptpersonen gesammelt, wei-
hten Justin mit ausnahmslosem Erfolg zu einer zustimmen-
den Erklärung auffordert (c. 129 extr., 13U in.). Einer der
Heuhiozugekommenen wird gelegentlich Mnaseaa genannt
(e. 85, vor n. 25); ein zweiter wird ohne Namen redend
«Dgeführt (c. 94, n. 8). Mit Rücksicht auf diesen Zuwachs
wird manches rekapituliert, was schon am Tage vorher ver-
lundelt worden ist oder sein soll (c. 76, n. 14; c. 85, n. 15;
a 92, n. 11; c. 118, n. U; c. 137, n. 12), Es bedarf
(loch wohl keiner weiteren ÄusfUhi-ung, dafs es dem Cha-
nkter der Schrift vollständig widerspricht anzunehmen, dals
Jnstia diesen Wechsel der Scene mit Stillschweigen üher-
guigen habe. Dafs einer lächelt (c. 1, n. 17), andere laut auf-
lachen (c. 6, n. 8), dafs Justin den Tryphon anblickt (c. 122,
n. 6 — 7), oder Tryphon ihm durch Zunicken seine Zustim-
aong zu erkennen g^eht (c. 123, n. 23); dafa der verhal-
tme Zorn auf dem Gesicht des einen sich widerspiegelt,
und die Absicht der Beschwichtigung in der gedämpften
Stimme des anderen sich ausdrückt (c. 79 in.); dalä ein
Teil der Gesellschaft auf einer Stfiinbank sitzend über einen
ganz anderen Gegenstand sich unterhält (c. 9, n. 7); das
Vorrücken der Tageszeit, für den Inhalt gleichgültige Eigen-
Bunen u. dgl. m. hätte Justin zur Belebung der Darstellung
rachlich angebracht, und den das Ganze in zwei Hälften
tölenden Scenenwechsel hätte er sogar anzudeuten Tergeeaen!
r In Wirklichkeit hat die Besclireibung des Schlusses des
ersten und des Anfangs des zweiten Gesprächstages in der
Lücke gestanden. DaCs aber nicht nur der Scenenwechsel
sondern auch noch manches andere ausgefallen sei, ist längst
Imnerkt und nur durch unzuüeffende Ausreden wieder be-
rtrittea worden.
u
40 ZAHN;
Am zweiten Tage sagt Tryphon *: ;,Sage mir, bekennt
ihr in Wahrheit; dafs dieser Ort Jerasalem wieder auf-
gebaut werden wird, und erwartet ihr, dab euer Volk ver-
sammelt werden und mit Christus sich freuen werde samt
den Patriarchen und Propheten und den Heiligen von un-
serem Geschlecht oder auch mit denjenigen, welche vor der
Ankunft eures Christus Proselyten geworden sind, oder bist
du nur, um in der Disputation einen scheinbaren Si^ über
uns zu gewinnen, dazu geschritten, dies zu bekennen ?''
Justin antwortet: „So ein elender Mensch, o Tryphon, bin
ich nicht, dafs ich anderes sage, als ich denke. Ich habe
dir also schon früher bekannt, dafs ich meinerseits und
viele andere so denken, so dafs wir durchaus wissen, dafs
dies geschehen wird. Dafs aber anderseits auch viele An-
hänger dos reinen und frommen Christenglaubens dies nicht
anerkennen, habe ich dir angedeutete^ Schon die Frage
Tryphon's und vollends die Antwort Justin's läfst darüber
keinen Zweifel, dafs Justin an einer früheren Stelle des
Dialogs nicht nur die chiliastische Lehre in der hier beschrie-
benen Fassung vorgetragen, sondern auch auf Meinungs-
verschiedenheiten hierüber unter den übrigens glaubenseinigen
rechtgläubigen Christen hingewiesen hat. Letzteres Moment
ist jedenfalls an keiner einzigen der Stellen des erhaltenen
Textes ', worauf man hier eine Rückverweisung hat finden
wollen, zu finden; aber auch die übrigen Momente, insbe-
sondere dafs dieses wirkliche, jetzt verwüstet daliegende Je-
rusalem wieder aufgebaut werden wird, kann man nur
zwischen den Zeilen lesen , und auch dies nur . in weiter
Entfernung von unserer Stelle. Also haben diese Dinge an
einer jetzt abhanden gekommenen Stelle d. h. entweder am
Ende des ersten oder am Anfang des zweiten Gesprächs-
tages, in der Lücke c. 74 gestanden. Man sieht auch noch
deutlich genug, woran Justin die ausgefallene Erörterung
angeschlossen hatte. Nachdem er c. 73 zuerst einen ein-
1) c. 80 in. Ich folge Otto's Text, nur dafs ich p. 288, n. 5
Intamad^tti. lese.
2^ Otto citiert vergeblich c. 25. 26. 35. 40. 45. 49. 51.
^^^ STUDIEN ZU JUSTIN. 41 ^^H
Hp&en, angeblich von den Juden f^efltlschten Spruch, dnnn '
HBrn ganzen Text des 95. (al. 96) Psalms citiert liat, erbittet
BUhr mch c. 74 für die nun vorzutragende Auslegung deBselbeo
Baganz besonders die Aufmerksamkeit der Zuhörer; sie soll
■iÜiiien ein Leitfaden für ihr einsames Nachdenken über viele
'" tdere Bibelworte sein. Nachdem er dann kaum über die
wrmals vorgeführten drei ei-sten Verse des Psalms ange-
igen hat sich zu verbreiten, reifst der Faden ah. Es
rateht aicli daher von selbst, dafs zunächst die weitere, so
^wichtig angekündigte Auslegung des Psalms gefolgt sein
Biafs. Diese aber mufste auf das Thema vom zukünftigen
Königreich Christi führen. Das schon c. 73 besonders her- '
isgehobene Wort: „Saget unter den Völkern, der Herr
t König geworden vom Holze her", mochte ja an sich
F eine mit der Erhöhung Jesu beginnende Königsherr-
laFl: bezogen werden, aber nicht im Zusammenhang dieses
iilmes, aus welchem Justin zum Schlafs citiert: „Er I
kommt, er kommt zu richten die Erde. Er wird den £rd>
Iboden mit Gerechtigkeit und Völker mit seiner Wahrheit
I lichten,"
I Auf ein drittes ausgefallenes Stück weist c. 79, n. 1 hin.
f Cteschlagen durch die von der Lücke an fast ununterbrochen
fortlaufende exegetische und historische Beweisführung Justjn's
schickt sich Tryphon an, einzelne von Justin vorgetragene
Auslegungen und Meinungen als künstlich und sogar läster-
lich zu bestreiten. Als Beispiel führt er an, dafs Justin von
Engeln spreche, welche böse geworden imd von Gott ab-
gefallen seien. Die Unterlage dafür sucht man doch völlig
vergebhch in c, 77, n. 20, wo „die Macht von Damascus
und die Beutestücke Samarias" auf die Slagier gedeutet
werden, welche als arabische Heiden eine Beute des in
Damascus hausenden bösen Dämons gewesen seien. Wenn
Mch Tryphon auf diese Stelle bezöge, wo der Name Engel
gar nicht vorkommt und vollends vom moralischen Fall
irgendwelcher Engel gar keine Rede ist, so hätte er erstens
unglaublich viel in eine beiläufige Bemerkung Justin's hin-
p eingelegt und zweitens mit einem ganz unzutreffenden Aus-
Vdruck die Meinung beatritten, dafs auf dem Gebiet dQft
4S ZäSB,
Heidentums böse Dftmonen ihr Wesen traibeiL l^d Ab
könnte man sich auf eine etwas weiter sarück]i^;eQde Siele
berufen, wo ganz beilttufig neben die von Gottes Wik
abgefallenen Menschen auch ebensolche Ekigel gestellt icr
den K Aber auch diese genügt nicht als Unterlage, nlit
▼ielmehr ihrerseits eine vorangegangene auadrfiddidie &
klftrung hierüber voraus. Dab mehr auf die Engel iml
Dämonen Besügliches im voUstindigen Text des Dialop
gestanden hat, zeigt die Bechtfiartigung Juatin's. Dsnadi
ist auch eine (Gegenrede Tryphon's ausgefisUen, worin dien
sich auf SacL 3, If. und Hiob 1, 6 berufen hatte'. Di
beide Stellen dAmonologischen Inhalts sind, so darf miB
vermuten, dals Tryphon sie in demselben ZusammeDhaDg
angeführt hat, in welchem Justin die anstöikige Bemerinog
über gefallene Engel gethan habe. Sicher aber ist, dab
dies in der Lücke c 74 gestanden hat
In c 85 entschuldigt sich Justin ausführlich darüber,
dals er mit Rücksicht auf die am zweiten Tage neu hnisit-
gekommenen Zuhörer eine schon am ersten Tage angefblirtB
Psalmstelle noch einmal vorbringe. Und zwar will er sie
damals angeführt haben, um zu zeigen, dals GK>tt selbst
lehre, es gebe Engel und Eri^sheere im Himmel Es ist
aber weder der Psalm 148, dessen Anfang hier citiert wird,
noch eine ähnliche Stelle zu dem hier angegebenen Zweck
in dem vorangehenden Teil des Dialogs angeführt worden.
Also hat auch dies in der Lücke und sswar in dem ver-
lorenen SchluTs des ersten Qesprächstages gestanden. In
c. 105 beruft Justin sich darauf, dafs er aus der Geschichte
von der Hexe zu Endor die Fortexistenz der Seelen be-
wiesen habe. Der Versuch unter Berufung auf die gram-
matischen Handbücher dem Aorist dTcidei^a ifuv die Be-
1) c 76, n. 11 xal roifg änoajdptag rffs fioviffg avtoO dfioim^ äv
d-qtanovg i) äyyiXovg.
2) c. 79, n. 8 wj xal avrög ifAvfjfjiovtvaas , n. 11 (u; xal avrog
tifprig. Auf eine abhanden gekommene Äufserung Tryphon*8 scheint
«ich auch c. 80 in. zvl beziehen ilnov nQÖg at xrX. Es folgt dann die
Berufung auf die bereits besprochene eschatologische Äufserung
JD0tin*8.
8TDDKN Zu JUSTIN. 43
ntong tu geben: „das will ich euch hiennit bewiesen
scheitert nicht nur an der Analogie der justiDlschen
*, aoudem vor alicm daran, dafs man danach eine
^hwirklicte Beweisführung erwarten mlifste. Statt dessen wird
■^ Sofort zu einer Verallgemeinerung des angeblich inbezug auf
[Duel Bewiesenen fortgeschiitten. Also auch diese Be-
irung ist ausgefallen.
Am Schlufs des Ganzen spricht Tryphon in einer Weise
wn der Absicht Justin's, sobald als möglieb in See zu
, dals eine darauf bezügliche Mitteilung Justin's an ihn,
. bifl dahiu ihm völlig Unbekannten, vorangegangen sein
paaTs. Und wo könnte eine solche passender angebracht
gewesen sein als am Scblufs des ersten Tages, bei der Jjn-
idung, sofort am nächsten Tage das Gespräch fortzusetzen.
Es ist nicht jedem gegeben, in alle dem die Sorgfalt des
pßchriftstellera zu bewundem *, welcher das im ersten Teil,
absichtlich, sei es aus Nachlässigkeit Weggelassene
i der Form solcher trügerischer Citate im zweiten nach-
B^bolt haben soll. Es tolgt vielmehr, dafs in der Lücke
Tc. 74 ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil des Werkes ge-
I standen hat. Wem das durch vuratebende Darlegung noch
f nicht bewiesen sein sollte , den wird auch vielleicht die
einfache Beobachtung nicht überzeugen, dafs alle diese Be-
rufungen auf früher Gesagtes, deren Unterlage in unserem
Text nicht wiederzufinden ist, hinter der Lücke vorkommen,
und zwar mit Ausnahme von Tryphon's Schlufswort, wel-
ches ja keine tormliche Berufung auf früher Gesagtes ent-
hält, sämtlich in den zunächst auf die Lücke folgenden Ka-
I piteln 75 — 85, und dafs dagegen die Berufungen auf früher
Gesagtes, welche in dem ersten Teil vor der Lücke sich
finden, sämtlich auch in dem Vorhergehenden ihre Unter-
1) Vgl. «. B. c. na, n, 12; c. lU, n. 7, wo Otto den richtigen
Sinn aicht verksnut, nelchen Justin c. 140, n. 15 durch ein Iv loic
fft!JiKMi»fr nur verdeutlicht. Die schwierige Stelle c. 115, n. 7 Ubh«
ich auf sich beruhen. Vgl. aber c. 36, n. 11.
■ 2) So Blaran ProU. bei Otto IX, 235 und ähnlich zu mehrere^
H besprochenen Stellen. Ebeiuo Otto, de Joatini scriptiB, p. 2li,
^
44 täsx,
läge haben K Wenn irgendwo, dann gilt doch wohl hier,
da(s daa posl hoe zo^eich ein propier hoc ist Die Lücke
mofii unabsichtlich, etwa durch Ausfidl einer oder mehrerer
ffiattlagen entstanden sein, denn im anderen Fall würde
der letzte Sats vor der Lücke nnd das Citat nach derselben
nicht onToDständig gelassen worden sein. Es ist zu be-
klagen, dsJs dieser Ausfidl eines jeden&lls inhaltreichen
Stückes gerade den Schlols des ersten und den Anfang des
zweiten Gesprächstages betroffisn hat; denn eben hier wür-
den wir der Natur der Sache nach einige Aufklärung mehr
über die Situation erhalten. Wahrscheinlich hat auch schon
Justin selbst der Teilung des Stoffes in zwei Tage ent-
sprechend die Schrift in zwei Bücher geteilt Sowohl die
ältere als die jüngere Sammlung der Parallela Sacra * citiert
1) Z. B. c. 86, n. 11; c. 56, d. 34; c. 62, n. 4. 5; c. 63 vor
n. 2. 12; c. 64, n. 3. 5. 10. 18; c. 68, n. 20. Otto hatte froher c. 64,
n. 18 als ein BeiBpiel unbegründeter Selbstanfohrung genannt (de
JoBtini Bcr., p. 26), aber wie die Anmerkung zu der Stelle aeigt,
Beinen Irrtum später eingesehn. Es beruht aber auch auf MiTsrei^
ständnis, wenn Otto nachMaran und Semisch (Justin I, 104 Anm. 3
erstes Citat) c. 67, n. 11 sich auf eine vorher nicht zu findende Aus-
sage Justin*s sich beziehen läfst Wie Tryphon (c. 67, 5), so setzt
auch Justin (nach n. 10) als thatsächlich voraus, dafs Jesus nach
dem mosaischen Gesetz gelebt habe. Sie sind nur uneinig darüber,
ob dies der Grund seines Messiasseins sei. Tryphon aber greift jene
von Justin anerkannte und ausgesprochene Voraussetzung auf und
unterbricht ihn mit dem Zuruf: „Da hast du uns ja zugestanden,
dafs er sowohl beschnitten wurde als auch die übrigen Gebote Mose*s
beobachtet hat." Man könnte den Satz auch als Frage £usen. Die
Antwort fehlt nicht. Vgl. Frage und Antwort, c. 80, n. 1^-4.
2) Jo. Damasceni opp. ed. Lequien p. 357 (e cod. Vaticano),
p. 754 (e cod. Rupefucaldino) = dial. c. 82, n. 6. Nicht im cod.
Rupef., wohl aber in der jüngeren Sammlung des cod. Vatic. , femer
nach Grabe (spicil. II, 175) in einem Baroccianus 143 und auch
in der Melissa des Niccphorus (cod. Monac. 429, fol. 117* vgl. meine
Forsch. III, 8 f.) geht voran ein anderes Fragment Justins (^oöra tö (fß^ xrX.
bei Otto, firagm. VII, T. II, 258 s. ob. S. 37), welches Grabe dem
Dialog zuweisen wollte. Aber gerade der Umstand, dafs der Cod.
Vatic. der Parallela es nur einfach dem Justin zuschreibt und erst
das Folgende dem „zweiten Buch an Tryphon", spricht dagegen.
lochte man das andere Fragment, welches in Parall. Bupef.
STUDIEN ZU JUSTIN. 4S"
i Stelle aus dtal. 82, n. 6, also aus dem Bericht über
zweiten Tag des Gesprächs mit dem Lemma r/. roß
TQi'iftova ß' ?.6yov. Es besteht um so weniger Ur-
ihe, diese Teilung in zwei Bücher für eine später einge-
*Älirte zu halten , als der Dialog, selbst so unvollständig wie
w uns erhalFbn ist^ den gewöhnlichen Umfang der einzelnen
■^Bttcher in der altkirchlichen Litteratur bedeutend über-
^ttcthmtei Ea wird zum Beweise hierfür keiner umständ-
■Hchen Berechnung sondern nur einer oberflächlichen Ver-
• gleichung mit des Irenäus fünfteiligem 'Werk, den Stromateis
■ dea Clemens, den Büchern des Urigenes gegen Celsus und
■ Kirchengeschichte, der Präparatio und der Demonstratio
I EusebiuB bedürfen; und es ist nur noch zu bemerken,
iafs diese Autoren nicht selten mit ausgesprochener Rück-
■ticht auf die schickliche Länge eines Buches ihre Werke
I in Bücher eingeteilt haben '.
Die Lücke in der Mitte ist nicht das einzige Stück des
KalogB, welches uns verloren gegangen ist. Es fehlt leider
Iknch der Anfang, was wiederum für die litterargeachicht-
"Uclie Untersuchung mehr zu beklagen ist, als es der Ver-
lust irgendeines anderen Teiles wäre. Am Schlufa des
Ganzen redet Justin einen gewissen Marcus Pompejus an ',
welchem das Werk nach einer auch bei den christlichen
Autoren jener Zeit sehr verbreiteten Sitte in der Art ge-
widmet war, dafs das ganze Buch als an ihn zunächst ge-
liebte^ gleichsam wie ein Brief an ihn sich darstellte. Der-
p. 7ö4 dem Satz tMs dial. 82 vorangeht, dem Dialog zuschreiben,
[in es nur niclit daa rätselhafte Lemma bält« fx toB t' pfpovi t^
Anoltyyftti avToi> [e. auch Otio, T. II. p, '262, Nr. XIII). AufTalleod
lat jedoch, data die im Dialog eo gewöhnliche Aorede <u iVvir^ifv (dial.
C. 23, n. 4; 24 in.; 110 in.; 124 in.; 125 in.; 138 in.) Wer wieder-
kehlt. In eine Apologie an den Kaiser pafst sie jedenfalls nicht,
wohl aber in ein Gespräch,
1) Clem, ström. II and III am SchtuTs Tgl. meine Forschungen
m, 115; Orig. c. Celsum III, 81 I.Delaruo 1, 501); Euseb. praep. er.
I XI am Schlufs,
2) C. 41, n. ]&: rdör» ilniäy, A ifantjt M,l^a^ fruiinn-t, ?"«<-
4fl
selbe ist, ohne dafa sein Name genannt wird, schon c. 6,
n. 8 mit (plXTcnc angeredet. Es würde nun schon die na-
mentliche Anrede am Schlufs, voUenda aber die namenlose
in e. 8 allem Geschmack und allem sohriftstelleriscken Oe-
brauch ' ins Gesicht schlagen, wenn nicht eine kurze Zuschrift
an diesen Pompeju» oder eine die Form einer 'Deditations-
epistel an sich tragende Vorrede oder it^ndeine den Leser
darüber orientierende Angabe an der Spitze des Werkes
gestanden hätte. Mir wenigstens ist kein Beispiel einer
solchen Ungeschicktheit aus der Litteratur der drei ersten
Jahrhunderte bekannt, so dafs ich in jedem Fall, welcher
beigebracht werden sollte, darin den ausreichenden Beweis
finden würde, dafs das betreffende Werk um seinen Anfang
gekommen sei *. So aucb der Dialog mit Tryphon , und
zwar hat das verlorene Stück nicht nur in einer einzeiligen
Adresse, sondern wie das ganz überwiegend Brauch war, in
einem an Marcus Fompejua gerichteten Proömium bestanden,
worin unter anderem auch der Ort des Gesprächs genannt
war. Das ergiebt sich einigermafsen schon aus c. 2, n. lO.
Die allein zulässige Erklärung des dortigen «V n; ^fisziffq
7i6Xei, womit Justin den Ort bezeichnet, an welchem er an
Schüler der platonischen Philosophie und darauf ein Christ
geworden, ist die, dafs er damit auf die Stadt hinweist, in
1) Einige Beispiele sind: Joseph. Antiqu. pnef. g 2; rita 76;
c. ApioD. J, 1; It, 1. 41; Artemid. Oneirocrit. I, 1 q. 82; 11, 1 o.
70; m, 1 u. 66; IV, 1 u. 84 (iJ iCxKiv); Lucian, de morte Peregr.
1. 37. 38 (il /rnfp). 45 (cJ if-tl6iJig); apologia 1. 3. 15; macrobü 1.
39; Hippol. de Anüchr. 1. 76; Orig. exb. nd mart. 1. 14. 50: de
oratioue 2. 33. Es ist oatürlicli nicht selten, dafe nar lu Anfang,
nicht aber im Verlauf oder am SchluTs des Baches die Anrede sieh
andet wie bei Lucas Et. 1, 3; Act. 1, I, bei Lncian Nigrinus 1
nnd Eusebius h. e. X, 1; praepar. ev. 1, 1.
2) Die Frage kann dabei ofien bleiben, ob ein Schriftsteller den
Nomen des Freundes oder Gönners, dem er seine Schrift zugedacht,
unter Umständen überhaupt UDgenaunt lassen mochte, oder ob der
Adressat bei der Weiterverbreitung denselben sn unterdrück ea für
gut fand, oder ob das allemal ein erst nachträglich entrtaudenez
Defect ist. S. z. B. die Proömieo aller fünf Bücher des Ireuäns,
auch den Schlols tod lib. IV.
^■^B STUDIEN ZU JUSTIN. 47 1
■■m«» XyBtus er mit Tryphoa das Gespräch hält '. An
S.lavia Neapolia, den Geburtsort Jufltin's ist erstlich schon
^■tiaram nicht zu denken, weil Justin in dem ganzen weit-
Htfa£geii Buch nicht ein einziges Mal von sich in der Melir-
^^abl redet, sondern unter „wir" entweder sich mit allen
^■jOhristen, oder si«Ji mit Trjphon und seinen Genossen zu-
■■«unmenfarst. Ein Mitbürger Tryphon's ist er aber nicht;
V (denn sie sehen sich bei Gelegenheit des Gesprächs zum
^ erstenmal, und bei der Vorstellung wird nur konatatieit, dafs
Tryphon ein bis vor einiger Zeit in Palästina lebender
„Hebräer aus der Beschneidung" sei, dessen Heimat doch
Iaicherlich nicht die heidnische Kolonie im Lande der Sa-
na&riter ist. Also kann „unsere Stadt" nur diejenige sein,
in welcher sich Justin, wie es scheint, seit längerer, Trjqihoa
■eit kürzerer Zeit aufhält. Dazu stimmt es, dafs der Ort
des Gesprächs eine Seestadt ist (c. 142, n. 3), ebenso aber
»ach jene Stadt, wo Justin sich bekehrte; denn nicht eine
Reise * sondern ein Spaziergang, auf welchem er damals
eines Tages seinen Gedanken in der Stille nachgehen wollte,
föhrte ihn an einen Platz in der Nähe des Meeres (c. 3 in.).
Tryphon jconnte ihn nicht uufaveratehen. Aber der Leser?
Ist es wahrscheinlicb , dafs Justin diesen über die unter-
geordnetsten lokalen Verhältnisse orientiert, dagegen aber
den Namen der Stadt verschwiegen und da, wo sie erwähnt
wird, als bekannt vorausgesetzt haben sollte? Der zweite
Grund, warum vielmehr behauptet werden mufs, dafs der
Ort des Dialogs in dem verlorenen Proömium an Marcus
Pompejus genannt war, liegt in der Art, wie Eusebins (h. e.
IV, 18, 6) Epheaus als solchen angiebt. Dieser spricht das
ja nicht als seine Vermutung aus, sagt auch nicht, dafs
diee eine Überlieferung sei, sondern teilt es ebenso wie alles
n Vgl. Semisch I, 18-21.
2) Gegenüber der Meinuiig Otto 's , daTe eiae ßeise von Kcapolla
in die Eiaude am Toten Meere gemeint sei, veifa ich nur die unbe-
&ngene Lesung der Stelle zu empfehlen. Soll der christliche Greis
(c. 3) sieb an» Tote Meer begeben habcu, um aich nncb stünen ver-
leibten AngebÖrigen imuEusehen?
48 iJLM,
andere, was er über den Dialog zu sagen hat, als gegebene
Thatsache mit, d. h. er schöpft es aas dem ihm noch voll-
ständiger als uns vorliegenden Buche ^ Daran zu zweifeln
hat man um so weniger Anlals, als gar nicht vorstellig zu
machen ist, wie Eusebius oder ein anderer vor ihm auf die
Vermutung gekommen wäre, oder wie eine, sei es richtige,
sei es falsche Tradition solchen Inhalts das Buch durch die
beinah zwei Jahrhunderte von seiner Entstehung bis zur
Besprechung desselben durch Eusebius begleitet haben sollte.
Bei dieser, wenn ich recht sehe, sehr einfachen Lage der
Dinge wird es nicht mehr nötig sein, nochmals die Gründe
zu wiederholen, welche gegen Credner's Hypothese entscheid
deh, dafs Korinth der Ort des G-esprächs mit Tryphon ge-
wesen sei ^. Es darf vielmehr als historisch gelten, dals
Justin in Ephesus sowohl zum Christenglauben bekehrt wor-
den ist, als auch die Begegnung mit einem oder mehreren
Juden gehabt hat, welche sich als historischer Anlafs zur
Ab£Bi8Sung des Dialogs darstellt.
Damit bin ich schon in die Beantwortung der in der
Überschrift und den ersten Sätzen dieser Abhandlung an-
gedeuteten fVage eingetreten. Dafs der Dialog ^nicht ein
nach protokollarischer Genauigkeit trachtender Bericht über
ein einzelnes zwei Tage hindurch in Ephesus zwischen
Justin und Tryphon geführtes Wortgefecht ist, liegt so sehr
auf der Hand, dafs es heute wohl allgemein anerkannt wird.
Anderseits gilt der Satz Tertullian's hier auch: Nemo tarn
1) Es läfst sich z. B. in keiner Weise yergleichen, dafs Eosebios
h. e. VI, 28 den Protoktetus, welchem zugleich mit dem bekannteren
Ambrosius Origenes seine „Elrmunterung zum Martyrium '* gewidmet
hat, ohne Anhalt im Text dieser Schrift (Orig. ed. Delarue I, 274 A;
283 B; 310 A) einen Presbyter der Kirche vonCäsarea nennt. Eusebius
ist eben ein Bischof derselben Kirche und ein Schüler der dortigen,
auf Origenes zurückgehenden Theologenschule, der das sehr wohl
durch Überlieferung wissen konnte, zumal die Zwischenzeit zwischen
der Abfassungszeit des Buches und dem Zeugnis des Eusebius nicht
einmal ein Jahrhundert beträgt.
2) Beiträge zur Einl. ins N. T. I, 99; Einleitung in das N. T.
I, 735. Halbwahr ist jedoch seine Bemerkung: „Hätte Justin an
\cht, so mufste er . . . dies irgendwie andeuten«"
STUDIEN Zu JUSTIN. 49 I
1 feriur stUo, ut materias hohem ßngai. Auch ohne
•He verlorene Vorrede &a den selbstrerständlich historisclicii
VarcuB PompejuB ' können wir mit ziemlicher Sicherbeit
^OD m&nchem Thatsäcblichen, das im Dialog vorkommt, be-
"twapteD, dafs es rein geschichtlich ist. Eh ist kein Grund
— •am ersinnen, warum Justin, wenn es sich anders verhielt,
^ gedichtet haben sollte, dafa er um die Zeit des letzten grofsen
-^jüdischen Kriegs (a. 132—135) in der Tracht des Philo-
iphen sich an öffentlichen Plätzen zu Ephesua gezeigt und
iderholt die Gelegenheit benutzt habe, mit Leuten ver-
hiedenster Plerkunft als ein Missionar des Christenglaubens
äspräche anzuknüpfen '. Aber es ist bereits ein Fehler,
I Trelcber in den Verhandlungen über die Abfassungazeit der
I ßcbriften Justin's eine ungebiüirlich grofse Kolle gespielt
I lukt, wenn man dies Zeitverhältnis des hier dargestellten
1 CJeaprächs zu dem betreffenden Krieg ohne weiteres zur Be-
Btiimnung der Abfassungszeit des Buchs verwendet hat '.
jDas führte entweder zu den unwahrscheinlichsten Erklä-
■.nuigen der betreffenden SteUen des Dialogs, oder zu un-
T baltbaren Änsetzungen seiner Abfaesungszeit. An sich wäre
ja die Aussage Tryphon's (c. 1, n. 8), dafa er vor dem vßv
ya'6fiEvog 7t6).tfiog, (aus Palästina) geflüchtet sei, in chrono-
logischer Hinsicht ziemlich elastisch; denn Justin selbst be-
dient Eich des gleichen Ausdrucks unter deutlicher Bezeich-
1) Wer dieser war, verraag ich aicbt zu ermitteto. Ältere Ver-
mtitUQgeD Terzeichnet Otto, de Jastioi scriptis, p. 23. Ich kecae
nur drei Christen mit dem sehr genöhnlichen Vom amen Marcus,
-•reiche der Zeit nach irgend in Betracht kommen koanten, den ale-
xardrinischen Bischof (Eus. h. e, IV, 11, 6 cf. IV, 19 und da-
»wischen über Justin Eus. IV, U, 7; c. 12; c. IG— 18), den von Je-
nuRlem (Etts. IV, 6, 4; 12, 11, und den bekannten Gnostiker, der
vordem orthodox gewesen sein kann.
2) Auf JuBtin's Gewohnheit in dieser Weise als Missionar ma
irirken, wird hingeniesea c.öOin.: c. 58 in.; c. 64, n. 4; c. 82, n. 6;
C 126, n, 1—6; cf. u. 8, a. 5; c. 38, a. 3; c. 44 in.
3) So von Scaliger an, gegen welchen dann Grabe, Spicil. II,
162. 158 unter der gleichen Voraussetzung polemisiert«. Ebenso
meines Wissens alle bis zu Engelhardt, S. 79 f., letzterer besondera
onverhüllt am Schlafs des Abschnittes S. SO.
Z«it>cbt. f. K.'Q. V]JI, J. J. 4
50
nang dee jüdischen EjriegeB unter Barkochba aach in k
Apologie, welche firühestens im Jahre 144, alao mfmUiiii
neun Jahre nach dem Ende dieses Krieges geschrieboi ml
gegen jeden Verdacht einer poetischen Zorftckvenetoun
sicher ist ^ Dais Tryphon seit seiner Flacht von Paliitai
in Argos gewesen und meistens in Griechenland und be-
sonders in Eorinth sich angehalten hat ', hat bei num^
freilich ohne Ghrund, die Vorstellang erweckt, als ob diie
längere Reihe von Jahren zwischen der Beendigni^ fa
Krieges und dem G^prftch zu Ephesus liegen scÄte. Di-
gegen entscheidet aber die andere Stelle c. 9, n. 8. Dk
Begleiter Tryphon's unterhalten sich beim Eüntritt einer
Pause in der Disputation über den Krieg in JudSa olrne
jede andere Veranlassung, als dals einer von ihnen das Ge-
spräch darauf gebracht hat, und ohne dais irgendein Zweck
ersichtlich würde , zu welchem Justin eben dies als Thema
eines Seitengesprächs genannt hätta Es gehört ledi^kb
zur Staffitge, wie die steinernen Bänke, auf welchen die
Gesellschaft sitzt Den Juden in Ephesus liegt der Eiieg
in Palästina im Sinn^ wie uns die politischen TsgesereigniflN.
Wollte ich hier beispielsweise eins nennen, so würde sidi
in der Zwischenzeit zwischen der Au&eichnung dieser Zeflen
und der Veröffentlichung derselben vielleicht eine ähnliche
Inkongruenz herausstellen, wie sie zwischen dem mündlichen
Gespräch und dem geschriebenen Dialog hier zutage tritt
Das Gespräch giebt sich als ein solches, welches zur Zeit
des Barkochbakriegs gehalten worden ist DaTs derselbe
bereits beendigt sei, ist nicht einmal deutlich gesagt'; was
Tryphon über seinen Aufenthalt in Griechenland sagt, hat
1) Apol. I, 81. Seit meiner Darlegang des Standes der Frage
in dor Theol. Litteraturzeitung 1876, S. 443—446 scheint niemand
die Chronoloffie dor Schriften Justin's neu untersucht zu haben. Vgl
llarnaok, Überlief, der Apologeten, S. 180, Anm. 67.
2) c. 1, n. 8. 8. Ganz unrichtig wird z. B. bei Fabric. bibl. gr.
ed. Harles VII, 62 sq. rä nolXci durch multo tempore übersetzt.
8) In Erinnerung an die bekannten Streitigkeiten über Job. 18, 2
möchte ich nicht weitläufig über röv vOv ytvdfAfvov TtdUfiop diaL 1
und /!#()) roO xatä tifp ^iovdatav yiPOfAivov noX/fiov dial. 9 reden.
TöUig Baum innerbalb des S^jährigen Verlaufs des Krieges *;
und erst später und ganz beiläufig wird auf das kaiserliche
Edikt Rücksicht genonmien , welches nach Vollendung des
Erieges den Juden den Eintritt in Jerusalem verbot *.
Anderseits ist das Buch erst nach der Apologie, also &ilh-
ilens um 145, wahrscheinlich noch einige Jahre später ge-
iciirieben worden. Zwischen der innerhalb des Gesprächs
Torausgesetzten Situation und der Abfassung des Buches
li^ mindestens ein Decennium. Dafs Justin die nur zur
Zäl der Abfassung des Buches möghche Berufung auf die
Apologie sich selbst im Gespräch mit Tryphon in den Mund
legt (c 120, n. 20), ist eine offenbare, aber völlig harmlose
Vermischung der Gegenwart des Schrii'tatellers mit dem
rergangenen Moment, in welchen er seine Leser zurilck-
Tersetzt hat Sie steht keineswegs allein. Der angenomme-
nen Situation entspricht es, wenn Justin dem Tryphon an-
kündigt, dafs er das ganze Gespräch so vollständig wie
n^lich Bohriftlich aufzeichnea werde (c. 80, n. 8). So
wird denn auch meistens auf frühere Stellen des Dialogs
mit Trqoeinov , Tiqoiif^y, le /rpoAfÄt/fifva zurückgewiesen.
Zuweilen aber vergifst der Autor oder ignoriert es vielmehr,
dalis er ein früher stattgehabtes Gespräch zu reproduzieren
lut, und sagt vom Standpunkt des Schriftstellers aus, wel-
cher das ganze Gespräch erst jetzt schreibend schafft, &g
it^iy^anTm , 5tä t&v nQoyeyQafifjiyujv X&ytav '. Dann
braucht man sich auch nicht abzuquälen, um die einander
widersprechenden Angaben durch schlechte exegetische
I Künste mit einander auszugleichen. Die zu Anfaug des
bea (c. 1, n. 8; c. 9, n. 8) dem Tryphon und seinen
[eitern in den Mund gelegten Bezugnahmen auf den
I Bii^ochbakrieg als ein Ereignis der nächsten Vergangen-
1) Vgl. Schfln
2) DiaL c. 16, i
3) c. 43, D
, Nentestam. Zeitgesch. S. 355— 3C1.
7; c. 92, n. 7; deutlicher Apol. I, 47.
. 3 (hier sogar mit der Anrede ifitv).
I Ab «nderen Stellen wird das dadurch Termieden, dafs Justin in er-
I Alcndem Ton die dramatische Darstellung unterbricht: c. 78, d
a '''oitl^ii ^ Kai n^ty^atpa . . niquioTiiiv. Ebenso c. 128, n. 2
62 ZAHN,
heit bezeichnen die Zeit^ in welcher das Qesprich sa S^^ie«
SOS Btattgefunden haben soll Die Bernfiing auf die Apo-
logie (c. 120) bezeichnet den Zeitpunkt, nach welchem der
Dialog abgefafst ist Es fragt sich nur, ob die gleichftlls
an die Apologie erinnernden Bemerkungen über die Aus-
weisung der Juden aus Alia Capitolina und über ihr gegen*
wärtiges Unvermögen, die Christen thatsächlich zu verfolgen
(c 16. 92), ebenso wie jene förmliche Berufimg auf die
Apologie als harmloser Anachronismus zu beurteilen sind,
oder ob dadurch die Situation des Gesprächs in Ephesus
dahin näher bestimmt werden soll, dafs der Ejri^ damals
völlig, wenn auch kürzlich erst beendigt und seine Folgen
ftkr die jüdische Nation bereits in der Welt bekannt ge-
worden waren. In letzterem Falle, welchen ich für den
weniger wahrscheinlichen halte, würde das Jahr 135, im
anderen Falle die Jahre 132 — 135 als die Zeit des Ge-
sprächs dem Leser vergegenwärtigt sein. Es ist kein Grund
abzusehen, warum Justin, als er um 150 das Werk aus-
arbeitete, das Gespräch, in dessen Form er seine Apologie
dem Judentum gegenüber einkleidete, in jene merklich
frühere Zeit und nach Ephesus verlegt haben sollte, wenn
er nicht wirklich um 135 nach längerem Aufenthalt jene
Stadt auf dem Seewege verlassen und vorher Gelegenheit
gehabt hätte, mit Juden zu disputieren.
Diesen ephesinischen Aufenthalt Justin's als einen meh-
rere Jahre andauernden vorzustellen, ist einmal dadurch
nahegelegt, dafs im anderen Falle die Bezeichnung von
Ephesus als i} fj^ez^qa 7c6hg befremdlich erscheinen müfste,
sodann aber durch die Erzählung von seiner Bekehrung in
eben dieser Stadt (c. 2—8). Dafs er inzwischen auswärts
gelebt habe, ist nicht angedeutet Seit seiner Bekehrung
aber mufs er sich eine geraume Zeit mit dem Studium der
alttestamentlichen Schriften beschäftigt haben, nicht nur ehe
er ein Buch wie dieses schreiben konnte, sondern auch um
sich auf solche Disputationen mit Juden einzulassen, wie er
sie um 135 gehabt haben will. Gegen die wesentliche Ge-
schichtlichkeit der Bekehrungsgeschichte im Dialog ist ein
beachtenswerter Grund nicht vorgebracht worden und nicht
8TDDIEII Xa JUSTIN. 53
voriubringen. Nicht der sonstige tbeolo^scbe Inhalt des
Dialügs und nock weniger die gegDerische Hauptperson dea-
lelben hat gerade diese Darstellung hervorgerufen. Sie
tingt gleicbBam an dem Bicherüch lüsto riechen, weil im an-
deren Fall höchst lächerlichen Philosophen mantel, welch«'
dem Justin den ersten Grufs Tryphon's einträgt. Sie stimmt
ferner, wie Semisch I, 16 f. gut gezeigt hat, in entscheiden-
den Punkten mit den Andeutungen der Apologie, der Schrift
Ton der Auterstehung und dem Martyrium Juatiu'e überein.
Der wesenthche Unterschied besteht darin, dafs nach der
i^logie der Eindruck von der sittlichen Hoheit und Rein-
ieit des Lebens, insbesondere auch von der Miirtyrerfreadig-
küt der Christen ihn von der Unwahrheit der gegen sie
VnUufenden Verleumdungen überzeugt und der christlichen
tiäm geneigt gemacht habe ', ein Zug, welcher in der Be-
kehrangsgeschichte des Dialogs nicht wiederkehrt. Aber so
vriditig wie die Betonung dieses doch immer nur vorbe-
rciteoden oder bestätigenden Moments für den Zweck der
w die Regierenden gerichteten Apologie war, so ungehörig
wSre eine Betonung desselben im Dialog gewesen , wenn
anders der Charakteristik Tryphon's wirkliche Eri'ahrungen
Mgmnde liegen, und Justin durch seinen Dialog auf Leute
»on Tryphon's Denkweise zu wirken beabsichtigte. Denn
Tryphon zeigt sich von vornherein über die landläufigen
Verleumdungen der christlichen Moral erhaben. Die den
Christen schuldgegebenen Greuel streiten zu sehr gegen
f,die menschliche Natur", als dafs sie der Ausdruck der
flrundgätze einer grofsen Gesellschaft sein könnten. Zudem
l»t Mch Tryphon durch eigene Lektüre des Kvangehuma
Ton der sitthchen Hoheit der christlichen Lehre überzeugt ■,
Daher genügte es dem Apologeten vollkommen, diese Zu-
psländniBse dem Widerpart in den Mund zu legen. DsJÄ
« selbst vor seiner Bekehrung jenen Gerüchten wirklichen
Glauben geschenkt habe, sagt Justin auch in der Apologie
tuäA, und dafs er bei seiner Bekehrung zugleich von der
1) Apol. 11, 12. 13 cf. Apol. I, 16, n. 4— G.
ä) DiaL c. 10, D. 2-4; c. 18, n. 1.
tl
64 ZAHN,
sittlichen Makellosigkeit des Christentoms sich überzeugt
habe, war so selbstverständlich, dafs es an sich, abgesehen
von dem besonderen apologetischen Zweck, welcher bei
Abfassung der Apologie, nicht aber des Dialogs obwaltete,
dar Erwähnung nicht bedurfte.
Von der am ersten Tag kleineren, am zweiten grölseren
Gtesellschaft, welcher gegenüber Justin das Christentum zu
vertreten hat, werden nur zwei mit Namen genannt: Tryphon
und Mnaseas. Namentlich letzteres fiLllt auf, da Mnaseas nur
eine höfliche Zwischenbemerkung von der Länge einer Zeile
sa machen hat (c. 85, n. 24). Viel ausführlicher und inhalt-
reicher ist, was ein anderer, der unbenannt bleibt, zu sagen
hat (c. 94, n. 8). Der Name Mnaseas scheint eine geschicht-
liche Person zu bezeichnen. Wichtiger ist die Frage, wer
und was Tryphon und seine Begleiter seien, und zwar vor
allem, als was sie sich innerhalb des Dialogs darstellen, der
jedenfalls in irgendwelchem Mafse Wahrheit und Dichtung
mit einander mischt Eben dies zeigt sich an den Wider-
sprüchen in der Charakteristik zunächst des Tryphon. Er
soll ein echter Nationaljude sein, ein „Hebräer aus der Be-
schneidung'', welcher bis vor kurzem im Mutterlande ge-
lebt hat (c. 1, n. 7). Erst seit seiner Flucht aus der durch
den Krieg des Barkochba beunruhigten Heimat, seit er
sich in Griechenland, besonders in Korinth aufgehalten,
scheint er griechische Philosophie und die gesellschaftlichen
Sitten der gebildeten Griechen kennen gelernt zu haben.
In Argos, wo es ebenso wie in Korinth schon seit langem
eine jüdische Kolonie gab ^, hat er von einem sonst unbe-
kannten „Sokratiker Korinthos'' gelernt, jedem Träger des
Philosophenmantels höflich zu begegnen und womöglich von
ihm zu lernen (c. 1, n. 3). Die Form, in welcher er dies
mitteilt, mufs die Vorstellung erwecken, dafs er solche Leute
bis dahin als Jude verachtet hat. Aber er hat in der
kurzen Zeit offenbar viel gelernt und noch mehr verlernt
Während seine Begleiter den christlichen Philosophen manch-
1) Philo leg. ad Caium § 36 , p. 587 Mangey. Inbezug auf Ko-
rinth Actor. 18, 1—17.
t
STUDIEN ZU JUSTIN. 55
mal durch rohes Lachen und abeichtliche Unaufmerksam-
keit Btören, bedient sich Tryphon von Anfang an der höf-
lichsten Formeo. Ein „urbanes Lächeln" ' spielt manch-
mal um seine Lippen, er unterdrückt seinen Unmut (c. 79 in.);
seinem gesitteten Betragen und seinem lernbegierigen Ent-
gegenkommen ist es nicht zum wenigsten zu danken, dafa
der Ton des Geaprächs immer freundlicher und die sach-
liche Übereinstimmung immer gröfser wird, so dafs er am
Schlafs in seinem und seiner Begleiter Namen sagen kann :
„Wir fanden mehr, als wir erwarteten und irgend erwarten
konnten. Wenn wir öfter ao mit dir verhandeln könnten,
würden wir noch gröfseren Gewinn haben .... Weil du
aber im Begriff biat abzufahren, so lafa dich's nicht ver-
diiefsen unser als Freunde zu gedenken, wenn du geschie-
den bist" Von der griechiachen und besonders der plato-
nischen Philosophie hält Tryphon hoch genug, um sie als
eine ganz pasaende Vorschule für den jüdischen Glauben
anzuaehn (c. 8). Er weifs auch die formale philosophiach-
rbetorische Bildung nicht nur zu würdigen, indem er es für
Ironie erklärt, dafa Justin sich selber nur ein geringes Mab
derselben zuspricht {c. 58 in.); der Verfasser dea Dialog»
läfst ihn in dieser Hinsicht auch durchaus nicht hinter
Beiner eigenen Person zurückstehen. Dagegen fehlt ihm
alles, was mau bei einem palästinensischen Juden von ge-
lehrter Bildung zu finden erwartet. Justin erhebt immer
wieder den Vorwurf, dafa die Juden die Septuaginta ge-
fälscht haben, indem sie teils Worte und Sätze, welche den
Christen wichtig sind, getilgt, teils neue der christlichen
Deutung entgegengesetzte Übersetzungen einzelner Stellen
eingeführt haben '. Er setzt dabei voraua, dafs Tryphon
nnd seine Begleiter nur solche gefälschte griechische Bibel-
tezte kennen, ja von diesen Fälschungen nicht einmal ge-
hört haben (c. 3, n. 14). In der That läfat er den Tiypbon
t
1) c. 1 eitr.; c. 8, n. 8.
2) c. 13, n. 21; c. G8, n. 17; c. 71, d. 1; c. 72—73; c. 120,
11—15; c. 124, n. 1—4; c. 131, n. 1-3; c. 137, n. 10—13 (of.
17, n. 10; c. 133, n. 4; c. 136, n. 7).
66 ZAHN,
darauf bestehen , dals die nach Irenäus von dem Epheser
Theodotion und dem Pontiker Aquila in antichriBtlichem
Sinn aufgebrachte oder aufgenommene LA. veävig statt naQ-
9'ivog in Jes. 7, 14 die echte LA. sei ^ Gegenüber der
christlichen Anklage auf TextfiÜschungen ist Tryphon völlig
wehrlos. Er hält es zwar für wenig wahrscheinlich , dais
die jüdische Obrigkeit sich solches habe zuschulden kommen
lassen, mufs aber die Entscheidung darüber Gott überlassen
(c 73, n. 11). Obwohl sich nach Justin hier und da in den
Synagogen noch unverfälschte Exemplare der Septuaginta
finden, weil die im antichristlichen Geist redigierten Exem-
plare erst in neuerer Zeit aufgekonmien seien (c. 72, n. 8),
80 hat Tryphon in der That keinen anderen als diesen mo-
dernen Septuagintatext. Es fällt diesem „ Hebräer '^ aus
Palästina gar nicht ein zu sagen, dafs die angeblich von den
Juden ausgemerzten Stellen vielmehr von den Christen inter-
poliert seien, und dafs die angeblich falschen Übersetzungen
in den meisten griechischen Bibeltexten der Juden genauer
seien als die wirklichen oder angeblichen Übersetzungen
derselben Stellen in der ursprünglichen Septuaginta, und
dies beides durch Berufung auf den Grundtext zu beweisen
oder zu behaupten, dafs sich das beweisen lasse. Dieser
„Hebräer" weifs nichts vom Grundtext, scheint auch kein
Wort hebräisch zu verstehen. Es wirkt beinah komisch,
wenn Justin einmal andeutet, dafs seine Gegner aus Bos-
heit mit ihrer hebräischen Sprachkenntnis hinter dem Berge
halten und den Namen „ Israel '^ darum nicht etymologisch
deuten wollen. Vielleicht ist, wie Justin bemerkt, auch
wirkliche Unkunde der Grund; und der Heidenchrist Justin
trägt dann dem Hebräer Tryphon und seinen Genossen eine
sehr kühne etymologische Erklärung von „Israel" vor, wie
früher schon eine ebensolche von „Satanas" (c. 103, n. 17).
Kurz, der Tryphon des Dialogs ist abgesehen von seiner
Selbsteinfiihrung in c. 1 ein völlig hellenisierter Jude. Nur
seinem Glauben nach ist er noch ein echter Jude, dem Ge-
setz treu und voll Eifer für die Ausbreitung seines Glau-
1) c. 67, n. 1; c. 71, n. 4; c 84, n. 3—10. Iren. III, 21, 1.
STUDIKK ZU JUSTIN. 67
bena. Wenn er Bich'a angewöhnt hat, mit gebildeten Hei-
den sich ins Gespräch einzulassen, so geschieht das min-
destens ebenso sehr, um ihnen zu nutzen, d. b. sie zum
Judentum zu bekehren, als um von ihnen zu lernen (c. I,
n. 5). Dem ersten Versuch des christüchen Missionars, ihn
dem Christentum geneigt zu machen, begegnet der Missionar
des Judentums mit dem unverhüllten Kat an Justin, das
Judentum anzunehmen (c. 8). Trjphon acheiat in dieser
Richtung auch nicht ohne Erfolg thätig zu sein; denn we-
nigstens ein Teil seiner Genossen besteht aus Heiden, welche
er ftir das Judentum gewonnen zu haben scheint. Als
Justin am ersten Tag auf eine schwierige Frage weder von
Tryphon noch einem seiner vier Begleiter eine Antwort er-
hält, erwidert er: „Darum will ich dir, o Tryphon, und
denjenigen, welche Proselyten werden wollen, eine göttliche
Lehre verkündigen" {c. 23, n. 4). Dafs hier 7cqoü7'jXv%oi.
nicht zum Christentum bekehrte Juden, sondern zum Juden-
tum bekehrte Heiden bedeute, sollte doch selbstverständbch
sein. Freilich heifst dem Justin die Bekehrung zum Chriatea-
glauben ein ngoat^x^uifai Tqi XQioTtJi oder 6id xoD A'gt-
OToC T(p ."^e^ imd die dazu Bekehrten nqoa^jXvToi toC Xqi-
(jroE im Gegensatz zu den nqoat'jXvTOi toD naXaioiJ vöftov K
£s ist auch ohne derartigen Zusatz und deutlichen Gegen-
satz durch den Zusammenhang unmifsverständlich , wenn
Justin im Verlauf einer dringenden Mahnung, seinen Be-
weisen aus Schrift und Geschichte ohne Zögern sich gläubig
ZM unterwerfen, einmal sagt: ßqaxv^ olrog vftiv TcegtXeine-
rai Tr^oanji-öaEfiig xq6vog (c. 28, n. 4). Aber nachgebildet
iat dieser Ausdruck doch dem gewöhnlichen Ausdruck lur
die Bekehrung zum Judentum, und er ist hier passend an-
gewandt, wo Justin gleich darauf von dem Gegensatz der
religiös wertlosen äufseren Beachneidung und der Herzens-
beschneiduDg reden will. Das ändert aber nichts an der
That«ache, dafs ihm wie seinen Gegnern TZQoa^Xvjog ein
ohne jeden Zusatz verständlicher Kunstausdnick, ein mit
1) c 122, n. 7 cf. c. 11, n. U; o. 83, n. 9; c. 17, n. 3. Origen.
Hatth. T. XV, 26 Delarue III, eSlB: d n^^i^of ^ih ^<uSc-
68 ZAHN,
Qiar sjnonjmer Name fUr die zum Judentum bekehrten
Heiden ist ^ Solche Proselyten wollen die B^leiter Tryphon's
werden, keineswegs aber Christen. Es wäre ja auch beides
gleich unbegreiflich, sowohl dals Justin dies gleich am An-
fjRng des Gesprächs von ihnen voraussetzt, als dals er es
nur von ihnen, nicht aber von Tryphon voraussetzt, der
dch doch vom Anfang an viel teilnehmender als jene zeigt
Aber gerade im Unterschied von ihm dem „Hebräer aus
der Beschneidung^' nennt Justin dessen Begleiter Leute,
welche Proselyten werden wollen. Sie sind solche „Gt>ttes-
fürchtige ^^ *, welche bereits teilweise die jüdische Lebenssitte
angenommen und der Autorität der Sabbinen sich unter-
geordnet haben. Ihnen ruft Justin zu, um sie vor dem
letzten Schritt, der Annahme der Beschneidung zu warnen:
„Bleibt, wie ihr geboren seid'^ (c. 23, n. 7). Mit Anspielung
auf ihre übliche Benennung ruft er ihnen in biblischen
Worten zu: „Kommt her mit mir alle, die ihr Gott fürch-
tet, die ihr das Glück Jerusalems sehen wollt Kommt
her, alle Heiden, lafst uns nach Jerusalem uns versammdn''
(c. 24, n. 7). Von ihnen, die er in diesem ganzen Zu-
sammenhang anredet, bis Tryphon wieder das Wort er-
greift (c. 25 extr.), unterscheidet Justin die in dritter Person
eingeftlhrten selbstgerechten und auf ihre Abrahamssohn-
schaft pochenden Juden, indem er sagt: „Mit euch ' werden
ein sei es auch kleines Plätzchen zu erben begehren die,
welche sich selbst rechtfertigen und sagen, dafs sie Abraham's
Kinder sind." Die schriftstellerische Kunst, mit welcher Justin
hier wie anderwärts von der Anrede an den Hebräer Tryphon
zur Anrede an seine entweder sämtlich oder doch gröfstenteils
1) c. 122, n. 1 (s. dazu Otto); n. 4 und vor n. 6; c. 123, n. 1. 2.
3 und nach n. 4; Tertull. c. Jud. c. 1 proselyto Judaeo; c. 2 prost*
hftos ex gentihus; Matth. 23, 15; Act. 2, 10; 6, 5; 13, 43.
2) c. 10, n. 9 oi (foßovfxfvoi top d^töv (diese gehören zu den AX-
Xoyfvelg n. 7); Actor. 10, 2; 13, 16. 26; ol atßofitpoi xbv d^töv Actor.
13, 43. 50; 16, 14; 17, 4. 17; 18, 7.
3) c. 25, n. 1. Es beruht auf einem durch Obiges wohl hin-
reichend widerlegten Mifsverständnis , wenn Otto gegen die Hand-
schriften (jtfv ^uip (statt vfiiv) in den Text setzte.
l
STCDIEN ZU JUSTIN. 59
Leidnisch geborenen und noch unbeBchnittenen Begleiter
Obei^ht, läfat manches zu wUnecbeo übrig. Nachdem bis
c. 9 Tryphon allein angeredet war ', werden c. 10 in. zum
erstenmal die Begleiter mit ina Ciespräch hereingezogen und
Tryphon antwortet auch in ihrer aller Namen. In der
Entgegnung hält Justin vorwiegend die Anrede an den
einen Tryphon fest ' , und wenn hier das „ Du " ge-
legentlich in ein „Ihr" übergeht, so bezeichnet letzteres
zücht sowohl die anwesende Oesellschaft als das jüdische
Volk, dessen Vertreter Tryphon ist. Durch die Anrede (3
SvÖQeg zieht dann Justin (c. 23, n. 2 — 3) die Begleiter wie-
der herein und leitet dadurch die vorhin besprochene
Unterscheidung zwischen Tryphon und den angehenden
Proaelyten in seiner Begleitung ein. Es ist ungeschickt,
dafs der Schriftsteller nicht deutlicher mit Worten ausdrückt,
was im wirkhchen Gespräch durch eine Zuwendung des
Blicks oder eine Handbewegung verdeuthcht wui-de, dafs
nämUch alles Folgende bis c. 25 extr. den Begleitern im
Unterschied von Tryphon gelte. Vielleicht empfanden die
Leser, welche das verlorene Proomium noch beaafsen, dies
stilistische Ungeschick weniger als wir. Von c. 26 an ist
wieder durchweg Tryphon die zunächst angeredete und ge-
meinte Person. Hin und seinesgleichen, jüdische Lehrer,
welche auch Heiden zu Schülern zu machen wissen, hat
Justin im Auge, wenn er einmal sagt: „Höret auf, euch
selbst und die, welche euch hören, in die Irre zu führen"
*(c 32, n. 17).
Eine besondere Beziehung des weiterhin Folgenden auf
die Begleiter Tiyphon's wird auch c. 118 extr. 119 in. an-
gedeutet. Nachdem Justin zum Schlufs einer langen Erörte-
rung den Tryphon mit Namen angeredet hat, erklärt Tryphon,
dafs wie er, so auch seine Begleiter selbst Wiederholungen
von früher Gesagtem gerne anhören werden. Sie alle mit (3
KvdQeq anredend, spricht Justin hierauf aust^hrlich über die
Berufung der Heiden. Die Weissagungen, worin er diese
1) S. ^. B. c. 8, n, 5-7; c. 9 in,
2J c. 11 in.; n. 3. 7; c. 18 in. uud eitr.
60 ZAHN,
bezeugt findet, deaten die Juden und Judengenossen auf
die Proseljten des Judentums. Justin entgegnet: dann
würde Christus diesen Prosei jten ein dies bestätigendes
Zeugnis ausgestellt haben; statt dessen habe er bezeugt,
dafs sie doppelt so sehr wie die sie bekehrenden Juden
Kinder der Hölle werden ^ Dies drückt nun aber Justm
so aus: ,^Nun aber yirerdet ihr, wie er gesagt hat, in doppel-
tem MaTse Kinder der Hölle/' Dafs hier, wo es sich gerade
um den Gegensatz von bekehrungseifrigen Juden und durch
sie bekehrten Proselyten handelt , nicht Juden so angeredet
und ungenauerweise Proselyten , die gar nicht anwesend
sind, mit ihnen zusammengefaTst sein können, liegt auf der
Hand. Die darauf hinauslaufende Erklärung Maran's, bei
welcher sich Otto beruhigt, ist doch nur ein trotziges Aus-
sprechen des Sinnwidrigen, und fiir eine Textänderung bietet
sich keine Handhabe. Nein, Justin hat auch hier die Be-
gleiter Tryphon's als Heiden angeredet, die im Begriff
stehen, das Judentum anzunehmen. Die vorhin beschriebe-
nen Mittel, wodurch Justin dies vorbereitet hat, sind wie-
derum ungenügend, und sehr ungeschickt ist es, dafs er
bald darauf wieder die Hauptperson, den Repräsentanten
des jüdischen Volks ins Auge fassend, sagt: „Die Proselyten
glauben nicht nur nicht, sondern lästern doppelt so arg wie
ihr den Namen Christi '* u. s. w. Hier schon und nicht
erst fünfzehn Zeilen später hätte er der Phantasie des Le-
sers durch die Worte l'yijv aTtiäcjv nqbg töv TQijq>iava zu-
hilfe kommen sollen. Aber mehr als ein Ungeschick der
Darstellung wird sich weder hier noch sonst nachweisen
lassen. Die nicht immer glücklich durchgeführte Absicht
des Schriftstellers war es, den Juden Tryphon von einem
Elreis angehender Proselyten umgeben darzustellen. Das
wird um 135 in Ephesus eine nicht ganz seltene Erschei-
nung gewesen sein; und ich wüfste nicht, was dagegen
spräche, dafs Justin damals das eine oder andere Mal ge-
rade auch einer so zusammengesetzten Gesellscbaft begegnet
sei. Nur durch häufigeren Verkehr mit gelehrten Juden
1) c. 122, n. 1—6. Matth. 23, 15.
STUDIEN ZU JUSTIN. 61
kann er seine ziemlich beträchtliche Eenntnia der rabbini-
achen Exegese und Dogmatik, der Haggada ' erworben
haben. Aber nur durch hellenistische Juden , wie sich
Trjphon im Dialog darstellt, ist sie ihm vermittelt worden.
Der Widerspruch zwischen dem Charakter Tryphou's als
eines mit griechischer Bildung vertrauten , durchaus an die
griechiacLe Bibel gebundenen Hellenisten und der Angabe,
Aals er ein Hebräer aus Palästina sei, erklärt sich niu- dar-
aus, dafs jenes die den Drtahningen Justin's entsprechende
"Wahrheit, dieses aber entweder seine Dichtung oder eine
▼on jenen Erfahrungen unabhängige Thatsache ist, welche
Justin vermöge freier Komposition mit den Erinnerungen
an seinen Verkehr mit hellenistischen Juden verknüpft hat.
Hat Eusebius in dem verlorenen Proömium gelegen, dafs
SphesuB der Hchauplatz des Gesprächs war, so wird er
auch dorther gewuf&t haben, was er in demselben Satze
sagt, dafs jener Trjphon einer der angesehensten oder be-
rühmtesten unter den Hebräern jener Zeit gewesen sei *.
Dann kann aber auch kein anderer der Hauptfigur des
Dialogs seinen Namen geliehen haben, als der bekannte
Babbi Tarphon , wie schon Cave und Grabe eingesehen
haben. T^itfiov ist allerdings ein seit Alexander's Zeiten
ziemlich gewöhnlicher griechischer ' Name , welchen auch
1) Ä. H, Goldfaha, JubHdus Martjr und die Agada; M.Fried-
länder, PatrUtUche und Ulmudiacbe Studien, S. 88— 13G, besonder*
8. llOff. 137.
2) Euseb. h. e. IV, IS, 6 npo; T,>v'fiora tiäf lori '£jit;alBxv tni-
oi;/i6tntuv. Friedlätider a. a. O. S. 13lj übereetzt, als ob i6r vor
tOv stände, wodnrcb dann eine sinnlose Übertreibung berauskommt,
3) Nicht wie Friedlünder 9. IStl andeutet, griechische Äna-
spiache eines hebräischen. Dagegen entscheidet doch, dais TQÜifwn,
wie es »on einem griechiachea Slamm regelrecht gebildet ist, bei
Oriechea sehr häufig, bei Juden verLältDiamäraig selten ist. Aafser
dm oben genannten finde ich in Papc's Eigene amen wörterhuub und
in Fabric. bibi. gr. keinen Trüger dieses Namens , der irgendwclcheu
Anspruch darauf hätte, för einen Juden zu gellen. In Jerus. Biccu-
rim II, 1 in. finde ich mit Hilfe von Zunz, Gesammelte Schriften
|<K[, 1 einen Tryphon (ponü) ais Vatei- eines Rabbi Tbanchum ge-
62 ZABSf
mehrere ans bekannte Juden getragen haben. So ein Glied
der jüdischen G^erosia zu Alexandrien zu Philo's Zeit
(c Flaccum c. 10), femer ein Kabbi zu Eleutheropolis im
4. Jahrhundert, der Pflegevater des Kirchenvaters Epiphanias
(Epiph. vita c. 4). Vielleicht war auch der Barbier He-
rodes des Gr. ein Jude (Joseph, antiqu. XVI, 11, 6; bell I,
27, 5). Es entspricht aber aller Analogie, da6 die Juden
sich diesen griechischen Kamen ein wenig mundgerecht
machten oder vielmehr ihn durch einen anklingenden Namen
hebräischer Bildung ersetzten und ihn hebräisch itü^c (T&r-
phon) ^ oder yttnu (Tarpon) * sprachen und schrieben. Dafs
so dieser hebräische Käme entstanden ist, wird besonders
dadurch wahrscheinlich, dafs er äufserst selten zu sein scheint
Abgesehen von der rein griechischen Kebenform ym^ü
(S. 61 Anm. 3), soll in der talmudischen Litteratur nur ein
einziger Tarphon, eben der berühmte Rabbi aus der Zeit
des Akiba und des Justinus vorkommen '. Jedenfalls hat
1) So wird gewöhnlich gedruckt, auch z. B. Ton Strack in seiner
Ausgabe der Pirke Aboth II, 15, S. 23.
2) So Levy, Neuhebr. Wörterbuch 11, 198.
3) Deren bourg, Histoire et g^gr. de la Palestine, p. 376.
Unter den vielen kühnen Behauptungen M. Friedländer's, wie z. B.
dafs im Neuen Testament ein Tryphon vorkomme, gehört auch die,
dafs, wo ein Kirchenlehrer mit einem Juden in Berührung komme,
dieser in der Regel Tryphon heifse. Gesetzt, dies wäre wahr, woher
sollte denn der Name typisch geworden sein, wenn nicht daher, da(s
in einer angesehenen altkirchlichen Schrift der mit dem Christen
disputierende Jude so hiefs? Damit kann doch aber nicht erkl&rt
werden, wie dieser Name in jene altkirchliche Schrift, also in unseren
Dialog hineingekommen ist. Die abenteuerliche Meinung von Gold-
fahn 1. c. S. 5 f., dafs Justin den Namen TQvtfxavy der bekanntlich
„Schwelger" bedeutet, wegen seiner Verwandtschaft mit ^guntta ge-
wählt und damit auf „das gebrochene und doch grofsthuende Juden-
tum" hingewiesen habe, wird doch wohl keiner Widerlegung be-
dürfen. Aber die Behauptung Fricdländer*s ist auch durchaus un-
richtig. Origenes nennt meines Wissens von den Juden, mit welchen
er verkehrt hat, nur einen einzigen mit Namen, einen Patriarchen
*IovkXog (Selecta in Psalmos, Delarue II, 514 A). Ein Schüler des
Origenes, von dem wir durch Hieronymus wissen (v. ill. 57), hiefs
Tryphon, war aber kein Jude. Epiphanius nennt weder seinen oben
STUDIEK ZV JUSTIM. 63
es um jene Zeit keinen berühinten Juden Tryphon-Tarphon
aufser jenem Rabbi der jüdiaühen Tradition gegeben; mit
diesem also hat Justin selbst, wenn nicht alles trügt, in der
Vorrede an Marcus Pompejus den Tryphon seines Dialogs
mehr oder weniger deutlich identifiziert. Die Zeit steht
nicht im Wege ' ; denn obwohl Tarphon als Jüngling noch
den Tempelkultus vor dem Jahre 70 gesehen hatte, so hat
er den Krieg unter Hadrian doch noch erlebt, vielleicht
überlebt. Wie der Tryphon Justin's hat R. Tarphon bis
mim Krieg des Barkochba in Palästina gelebt. Die her-
Torragende Rolle, welche Tarphon als Lehrer und Schul-
erwSluiIen Fflegerater, noch aoust einen Joden Tryphon, wohl da-
gegen einen Juden und nachmaligen Christen Joseph von Tiberiaa
und nach dessen Erzählungen einen Patriarchen EUel (Hellel, Hillel)
und dessen Nachfolger Juda (haer. 30, 4—12 vgl. Grätz, Gesch.
der Juden IV, 386 f.). Hieronymns nennt von seinen hebräisehen
Lehrern nur einen Bar-Aniua mit Namen (Zöckler, Hieroaymua,
S. 56 f. 154 f.). Auch in der apologetisch - polemischen Litteratur in-
bezug auf das Judentum kommt meines Wissens kein einziger Jude
Tryphon vor. Aristi3n von Pella nannte den Juden Papiscus, den
Christen Jason (Otto, Corp. apolog. IX, äbS vgL. m. Forschungen
m, li). la späterer Zeit nsnnt« Euagrius den Juden Simon , den
ChiiBteo Theophilus (Gebbardt-Harnack, Teite und Untersuch.
I, 3, 15ff.). AU Vertreter des Judentums im Disput mit Christen
figuriert Philon bei Prochorus (m. Acta Joannis, p. 110—113), ebenso
;m zweiten Juden Namens Papiscus in einem ungedruckten
I Dialog (ebendort Einleitung p. liv, n. S), ebenso gegenüber dem Chri-
Mten Mnason aus Act. 21, 16 in einem Dialog, ivelchen der jüngere
Ammonins in einer Schrift gegen Julius von Haükamafs citiert hat
[iikch Änastasius, Migne 89, col, 244, in besserem Te»t bei Gramer,
Catenae, vol. II , p. V). Dieser Ammonius selbst hat es mit einem
-^discben Sophisten Koluthos oder Akolutbos i\i thim gehabt (Migne
80; Cramer I. c.). Anderwärts beifst der Jude Aquila,
der Christ Timolheus (Mai, Spicil. Rum., T. IX praef , p. XI sq.,
Hontfaucon, BibI, Coislin., p, 415), Auch Zaccbaeus (Lambecü
L. de bibl. Caes. ed. Eollar. V, 28ö) und Herben (Migne 86,
eoL 621) kommen als Namen disputierender Juden vor. Ein zweiter
f Tryphon dürfte nicht so leicht zu finden sein.
1) Vgl überhaupt über ihn J. Chr. Wolf, Biblioth. hebr. U,
Derenbonrg, p. 376-383. 421 Anm. 1. 436; Gräte,
Bell, der Joden IV, 73. 112f. 186. 196. 605f.; Goldfahu a. a. 0.
64 ZAHN,
haupt in Ljdda und Jahne, also in nächster Nähe der Hei-
mat Jostin's gespielt hat, macht es sehr wahrscheinlich, da&
Justin schon vor seiner Bekehrung zum Christenglauben
dessen Kamen manchmal hat nennen hören. Der Tryphon
Justin's hat „das Evangelium '^ d. h. „die Evangelien '' der
Christen gelesen K Auch R. Tarphon kennt sie. Es ist
nicht nur der Ausspruch von ihm aufbewahrt, da£s er „die
Evangelien und (sonstigen) Schriften der Minäer '^ trotz des
Namens Gottes, der darin steht, verbrennen werde, wenn
sie ihm in die Hände kommen sollten, sondern er scheint
auch durch Polemik gegen einzelne Sprüche wie Matth. 7, 3
seine Kenntnis ihres Inhalts zu bekunden *. Endlich ist
doch auch das zu beachten, dafs Tarphon in der von Justin's
Dialog jedenfalls unabhängigen Tradition der Nazaräer als
einer der berühmten christenfeindlichen Rabbinen fortgelebt
hat».
Was man dagegen vorgebracht hat, dafs Justin's Tiyphon
dieser Tarphon sein soUe, beruht auf Verkennung der Kom-
position des Dialogs. Freilich erkennt man in Tryphon
den gelehrten und fanatischen Tarphon nicht wieder. Ein
hervorragender Rabbi wie dieser würde in einer wirklichen
Begegnung mit Justin ganz andere Waffen zur Verfügung
gehabt und die seinigen besser gebraucht haben, als dieser
höfliche HeUenist des Dialogs. Aber denselben Widerspruch
trägt ja der Dialog selbst in sich. Da Justin in demselben
nur zusammengefafst hat, was er im Verkehr mit hellenisti-
schen Juden in Ephesus und sonstwo vom Judentum imd
dessen Einwendungen gegen das Christentum erfahren hatte,
so wäre es ganz unverständlich, warum er den Repräsen-
tanten des Judentums aus Palästina verschrieben hätte.
1) Dial. c. 10, n. 4; c. 18, d. 1 cf. Apol. I, 66, n. 5.
2) Vgl. Derenbourg p. 379f.; Delitzsch, Neue Untersuch,
über Entstehung der kanon. Ev. I, 18; Wünsche, Neue Beiträge
zur Erläuterung der Evangelien aus Talmud und Midrasch, S. 100 f.
3) Hieron. comm. in Jes. 8, 11 (Vallarsi* IV, 123). Dafs Tel-
phon od<jr Delphon dort ein Schreibfehler für Tarphan sei, ist längst
erkannt und wohl nie bestritten worden. Vgl. aufser Vallarsi's Anm.
auch Grätz IV, 505 f.
STUDIEN XII JrSTIN. G5
wenn sich ihm nicht der berubnit« Palästinenser TarpLon
als wardigeter Repräsentant des mit dem Christentum sich
reibenden Judentums seiner Zeit empfohlen liiitte. Dafs er
diesen nun reden läl'st wie einen Hellenisten, und ihn nicht
sowohl wie einen tonangebenden Rabbi, sondern wie einen
durch die Autorität der Rabbinen gebundenen Juden an-
redet (c. 3 in.; c. 02, n. 4; cf. c. 38, n. 1; c. 73, n. 11),
pafst freilich nicht zu dem berühmten Namen, aber ebenso
wenig zu der Selbatcinführung Tryphon's ira Dialog. Was
und wie der echte Tarphon und seinesgleichen zu Ichren
und zu disputieren pÖegten, konnte Justin nicht darstellen,
weil er es nicht wufste. Trotzdem kann er sehr wohl dem
Rabbi Tarphon in seinem Leben einmal begegnet sein, und
darum der Hauptfigur dieses Dialogs dessen Namen gegeben
haben. Die Angabe des Eusebius, wenn sie auf Justin'a
Vorrede ziu'ückgeht, macht das sehr wahrscheinheh. Wir
würden bestimmter urteilen können , wenn wii" Justin's
Proömium besäfiien. Uomüglich ist nicht einmal das, dafs
er eine Begegnung mit Tarphon gerade in Ephesus zur
Zeit oder nach Beendigung des Barkoclibakriegs gehabt
hat
Als geschichtlicher Gehalt des Dialogs dürfte demnach
etwa Folgendes anzusehen sein: Mehrere Jahre vor 135 ist
Justinus in Ephesus für den Christenglauben gewonnen
worden, hat sich dann dauernd dort aufgehalten, eifrig mit
dem Studium des griechischen Alten Testaments und der
christlichen Litteratur beschäftigt, hat dann um 135 Ephesus
auf dem iSeewege verlausen, also wohl mit der Absicht, in
westlicher Richtung einen anderen Wohnsitz (Rom?) auf-
zusuchen. In dieser Zeit hat er häufig mit hellenistischen
Juden und Proselyten verkehrt, hat sich mit deren Exegese,
religiösen Meinungen und Traditionen ziemlich genau be-
kannt gemacht und unter anderem auch von den neueren,
im Gegensatz zum Christentum entstandenen griechischen
Übersetzungen des Alten Testaments, welche sich damals
I in der jüdischen Diaspora zu verbreiten anfingen (Aquila,
■Tfaeodotion), wenigstens einige materielle Kunde empfangen,
^p^e jedoch, soviel man sieht, über das Verhältnis derselbeii
66 ZAHN,
zur Septuaginta eine richtige EinBicht zu gewinnen. Es ist
möglich y dals eine kurz vor seinem Aufbruch von Ephesus
stattgefundene einzahle Disputation mit Juden und Proselyten
ihm als besonders bedeutsam vor anderen in der Erinnerung
haften blieb und ihm mindestens zehn, vielleicht auch erst
fünfzehn oder zwanzig Jahre später, nachdem er inzwischen
seine Schrift ;, gegen alle Häresieen'^ (ApoL I| 26) und seine
Apologie geschrieben hatte, den AnlaTs zur Ab&ssung des
Dialogs mit dem Juden Tryphon gab; welchen er einem
Christen Marcus Pompejus widmete. Die Hauptperson des-
selben ist an sich historisch, vielleicht auch ihre persönliche
Begegnung mit dem Verfasser des Dialogs; Dichtung aber
ist ihre Verschmelzung mit den hellenistischen Juden von
Ephesus, denen Justin öfter begegnet ist
IV. JnaUnna und die Lehre der ziir51f Apostel.
In der Beschreibung der Taufe, welche Justin ApoL
I, 61 giebt, führt er zur Begründung ihrer Notwendigkeit,
Wirksamkeit und sittlichen Bedingtheit zuerst ein Wort
Christi (Joh. 3, 3 — 5)| darauf eine längere Stelle aus Jesaia
(1, 16 — 20) an, woran sich in der einzigen Handschrift, auf
welcher der Text der Apologie bisher beruht, der Satz an-
schliefst: yuxl Idyov di dg xofho 7taqä Tdv änoaxdhav if^a-
d'OfiBv ToCrov. Das kann nicht anders verstanden werden,
denn als Einfuhrung eines nun folgenden Wortes, sei es
nun eines wörtlichen Citats aus einer apostolischen Schrift,
oder einer freien Wiedergabe der Gedanken einer solchen,
oder einer nur mündlich fortgepflanzten apostolischen Para-
dosis. Es folgt aber nichts, was der hierdurch erregten
Erwartung entspricht Im Hauptsatz der folgenden Periode
und den sachlich davon imtrennbaren weiteren Sätzen wird
nämlich gesagt, dafs über den Täufling der Name des All-
vaters und Herr -Gottes gesprochen werde, ohne dafs der
Täufer einen anderen Namen^ einen eigentlichen Eigennamen
STUDIEN ZU JUSTIN. 67
Gottes hinzufüge; femer dafa die Taufe und warum sie
ifiüTiafjög genannt werde; und endlich dafa der Täufling
auch auf den Namen Christi und auf denjenigen des hei-
ligen Geistes getauft werde. Dies alles ist aber oSenbar
kein X6yos, welchen die Christen von den Aposteln gelernt
haben, sondern ist eine Beschreibung von Gebräuchen, wie
sie thatsächlich geübt werden. Es kann hier insbesondere
nicht Braug genommen sein auf Matth, 28, 19 als einen
Bestandteil der äyrofiyrifiovevfiaca, denn wie frei immer die
Reproduktion der hetreffeDden Stelle sein mag, so konnte
doch überhaupt als Reproduktion derselben nicht eine Be-
schreibung des zu Justin's Zeit üblichen Verfahrens,
Bondem nur die Anführung des von den Aposteln aufge-
zeichneten Gebots Christi ' gelten. In eine solche konnten
ftuch nicht so fremdartige Dinge eingemischt werden wie
hier das über den Namen (fturiafuig. Viel genauer hatte
Justin kurz vor unserer Stelle (Otto, p. 164, n. 6) die
Taufformel angegeben, wo er sich gar nicht den Anschein
giebt, ein apostolisches Wort zu citieren, als hier wo er sich
nach dem überlieferten Text diesen Anschein giebt. Wollte
Justin zu der Beschreibung des christLchen Taufritus be-
Btfitigend hinzufügen, dafs dies nicht ein auf unsicherer
Überlieferung beruhender Brauch sei, oder nicht ohne guten
Grund für eine Stiftung Christi gehalten werde, so mufste
er nach seiner Gewohnheit bemerken, dafs „dies in den
Denkwürdigkeiten der Apostel auch geschrieben stehe"',
oder dafs die Christen es „aus diesen Denkwürdigkeiten
gelernt haben" '. Solches würde aber auch seine allein
1) Cf. Apol. 1, 6G: ol yi'iQ Anöaioloi tv iwc y^vuf^(voli vn' a6-
(Oi' äitafiyifjiivivfiaaiv ■ . oCiaii nofiiiiiaBV (rTuäl&ai aäTOi';. Es
folgen die Eioaetzungsirorte des Abendmahls. Cf. Apol. 67 eitr., wo
hauptilchUch an die EinsetEODg der Taufe durch den Auferstaudenea
zu denken ist.
2) Dial. 88, Otto, p. 320, n. 9; e. 100, p. 35G, n. 12; c. 101
eitr., p. Se2; c. 103, p. 372, n. 19; c. 104, p. 874, n. 4; c. 106,
p. 378, n. 7; p. 380, n. 8.
3) Dial. 106, Otlo, p. 376, n. 4; p. 378, n. 13. Cf. Apol. I,G6
Utittz^v^" • ■ ■ oi r'V üntiaioiot taX. —.
68 £AHR,
puBcnde Stelle hinter der zunächst nur als Bestandteil der
kirchlicben Tradition angeführten Taufhandlong oder Tauf-
(onDfA finden y nicht hinter einem langen CStat aus Jesaia.
Man bringt einen erträglichen Sinn auch dadurch nicht in
imaere Stelle, daTs man unter dem l6yog inbezug auf die
Taufe, welchen die Christen von den Aposteln gelernt haben
aoDm, die ratio huius rei * oder einen Ghrund fiir die Not-
wendigkeit der Taufe verstehen und diesen hiermit ange-
kündigten hoyo^ in dem Vordersatz der folgenden Aussage
statt in dem Hauptsatz und seinen Fortsetzungen finden
wollte. Denn, abgesdien davon, dals dann Justin sich in
syntaktischer Hinsicht sehr ungeschickt ausgedrückt hätte,
indem er den Hauptsatz mit allerlei für seinen Zweck
ganz irrelevanten Dingen überlud, statt ihn einfach die For-
derung der Taufe aussprechen zu lassen: welches wäre denn
die kanonische oder apokryphe Apostelschrift, aus welcher
Justin gelernt hätte, die Menschen müfsten sich taufen
lassen, weil sie bei ihrer ersten Geburt ohne Wissen und
Wollen infolge fleischlicher Qeschlechtsgemeinschaf); geboren
worden seien, und damit sie nicht Kinder des Zwangs und
der Unbewufstheit bleiben, sondern Kinder der Freiheit und
des Wissens werden und Sündenvergebung erlangen? Ich
suche in der Justinlitteratur vergeblich nach einer AuTse-
rung der Verwundenmg über diese Stelle * und vollends
nach einer Lösimg der Schwierigkeit Sie ist nur dadurch
zu beseitigen, dals man das xofjxov am Schlufs des oben
mitgeteilten Satzes ebenso streicht, wie man ein htiq und
ein zoütov wenige Zeilen später längst entweder gestrichen
i
1) Dioiio Übersetzung findet man noch bei Otto. Sie ist einfacl
falfich, weil dann Xdyog mit dem blofsen Genetiv, allenfalls auch mit
nt()C 0. f(ün. stehen müfste.
2) Somisch II, 426-434 vgl. S. 402; Engelhardt, S. 102ff.;
Otto z. d. St. schweigen überhaupt. Auch in dem Streit darüber,
ob Justin du! Taufformel Matth. 28, 19 gekannt habe, finde ich
das nahüliogondo Problem nicht berührt bei Semisch, Die apostol.
DonkwUrdigkoitun, S. 307; Ililgenfcld, Krit. Untersuchungen über
dio Ew. Justin*s, 8. 250 f.; Volkmar, Justin und sein Verhältnis
lu dou EvaugoUou, S. 41.
STirOIEN ZI- JUSTIN. 69
lodcr geändert hat'. Ein Leser und Abschreiber, welcher
neiatc, Justin müsse hiermit auf ein bestimmtes Apostel-
fort hinweisen, setzte es zu. Aber mit Unrecht, denn es
Ifclgt kein solches. Der Satz weint gar nicht aufs folgende,
' sondern aufs vorige. Nachdem die Taufhandlung mit ihren
Vorbereitungen kurz, aber umfassend beschrieben ist, wird
im Rückbhck auf das eine Moment derselben, dafs die
Taufe eine „Art von Wiedergeburt" bewirke, das Wort
Christi von der Notwendigkeit der Wiedergeburt citiert;
ferner mit Rücksicht auf das andere Moment der Beschrei-
bung, dafa ein Versprechen des sittlichen Lebenswandels die
Vorbedingung der Taufe und der darin dargebotenen Güter,
darunter der Sündenvergebung, sei, das Wort aus Jesaia *.
Die übrigen Momente, das Beten und Fasten der Tüuflinge
und der Gemeinde vor der Taufe, das Taufbad selbst an
einem Ort, „wo Wasser ist", und das Taufen auf den Na-
men des Dreieinigen werden nicht durch einzelne autorita-
tive Worte bestätigt, sondern statt dessen abschliefsend ge-
sagt: „Wir halten aber auch ein hierauf bezügliches Wort
(Lehre oder Anweisung) von den Aposteln gelernt." Was
weiter folgt, ist Justin's eigene theologische Reflexion über
den Wert der Taufe, wobei gelegentlich noch ein kleiner
1) S. Otto, p. IGT, n. 14 u. 15. Erstere Andenmg ist übrigens
völlig überiliisaig.
2] Eb ht der Zuaammenhang zu beachten, in nukhem Justin
schon Apol. 1, 41 dieselbe Stulle citiert hat. Es geht nümlieh dort die
AnfTordeniDg zu deßni'tivcr Wahl zwischen dem Guten und dem Bösen
aus Deut. 3U, 1&. 1!) voran. Dieselbe Stelle aus Jesoia citiert Justin
ihrem Anfang nach uuch Dlal. c. 18, n. 2 cf. c. l'd, n. 1; c. 14 in.,
wo er von der Taufe handelt. Dieselbe citiert volUtändlger Hippo-
iylus in der Predigt Über die Taufe Jesu , weiche mit einer Ein-
ladung zur Taufe (c. 8—10) sebUcftt, und er bezieht sie auf das Ab-
legen der Waffenrüatung des Teufel» und das Anlegen des Panzers
rIcE niaubcns (cd. Lagardc, p. 42, 20) oder auf das iiaiäaaea9tti
,•» ;ionjt»r, (= ünoTilSaaän, tTj nlnrfC« 9i\»! p. 148, 18) und <laB
n-*r»ao*»r.'M( [m Xomu;, bei der Taufe (p, 42, 28). Tertullian be-
zieht zwar Scorpiocc c. 12 Jcs. 1, 18 auf das Martjriutn, stellt dieses
abei mit der Tuufe in vergleichenden Gegensatz. Dies alles weist
aaf Elemente der älteaten TanflitaTCie.
70 £AHK,
Naching zur Beachrabung der kirchlichen UbuDg gelieiert
wird, daffl man nämlich die Tmofe auch wamafiög nenne.
Alles Übrige ist nur lehrhafte Entfiütong des vorher kurz
beschriebenen Ritus.
Es entsteht die Frage, welchen von den Aposteln her-
rfihrenden li/og Justin bei seiner allgemein gehaltenen Be-
rufung im Sinne hatte. Die Anordnung der Tauf handlang
selbst kann er nicht auf die Apostd zur&ckgefuhrt haben;
denn es giebt keine Tradition, welche dazu das Recht ge-
geben hätte, und Justin selbst hält vielmehr die Taufe
ebenso wie das Abendmahl für eine Stiftung Christi (s. oben
S. 67 Anm. 1). Es kann also nur eine apostolische An-
weisung über das Wie oder über den Wert der Tauf hand-
lung gemeint sein.
Insbesondere an die Formen der Taufhandlung zu den-
ken, ist dadurch sehr nahegelegt, dals die angeführten Worte
Christi und des Propheten sich gar nicht direkt auf diese
Formen, sondern nur auf die Wiedergeburt, das Abthun
der Sünde und die Sündenvergebung beziehen. Es werden
also wohl die übrigen Momente der Beschreibung, die ein-
zelnen Stücke des beschriebenen kirchlichen Brauchs sein,
mit Bezug worauf Justin sich eines von den Aposteln als
Lehrern empfangenen „Wortes" erinnert Es wird nützlich
sein, diese einzelnen Stücke etwas schärfer ins Auge zu
fassen.
Das erste Stück ist in der Charakteristik der zu taufen-
den Personen ausgesprochen: „AUe die, welche davon über-
zeugt wurden und glauben, dafs das, was von uns gelehrt
und gesagt wird, wahr sei, und welche versprechen, so leben
zu können" *. Dasselbe wird c. 65 noch einmal kürzer
ausgedrückt, indem der Täufling bezeiclmet wird als einer,
„der überzeugt ist und seine Zustimmung erklärt hat".
Es ist also vorausgesetzt ein auf die Taufe vorbereitender
1) c. 61 :"Oaot ttv ntiaih&ai xnl Ttiattvtoaiv akrj&rj tnüTtt ta w/»*
^ußv ^tdaoxofitvn xai Xfyofitvtt iivm, xal (iioöv ovtojg dvvna&ai vni-
(T/vfi)vTat. Dazu c. 65: furu ro ovrtag XoOani töv mnuafiivov xnX
ai'^'xaraTtd'Hfi^vov.
STUDIEN ZU JUSTIN. 71
Unterricht, welcher die Zustimmung zum Glauben der Ge-
meinde und den Enkchlurs zu entsprechendem Lebenswandel
zum Ergebnis hat. Die Ausdrücke lauten nicht so, als ob
dieser Unterricht in einem der Taufhandlung unmittelbar
vorangehenden Bekenntnis einerseits und Gelübde anderseits
seinen Abschlufs gefunden habe. Inbezug auf ersteres ist
nur von Glauben und Uberzeugtheit die Rede, und inbezug
auf den Lebenswandel wird zwar eines Versprechens ge-
dacht, dieses aber nicht geradezu als ein zu christlichem
Wandel verpflichtendes Gelübde bezeichnet, sondern viel-
mehr als eine den Charakter des Versprechens an sich tra-
gende Erklärung des Taufkandidaten, dafs er sich im-
stande fühle', so zu leben, wie er vorher gelehrt worden
ist. Es handelt sich also hier nur erst um eine vorläufige
Feststellung des Resultats der auf die Taufe vorbereitenden
Unterweiaung und Erziehung, um ein Scrutiniura, wobei
den Fragen des Lehrers oder Täufers allerdings ein Ja des
Taufkandidaten antwortet, aber ein solches, welches nur
erst die Voraussetzung eines fiir immer verpflichtenden Be-
kenntnisses und Gelübdes bildet *. Dafs letzteres mit der
Tauihandlung selbst verbunden war, ist selbstverständlich.
Noch ist zu bemerken, dafs die Verpflichtung zu christlichem
1) Jenes rfrtnotfm c. 61 übersieht z, B. Probst, Lehre und
Gebet in den drei ersten Jahrb., S. 88, völlig.
2) Möglicherweiae ist c. ß5 iu dem niyxmatt^iaSni beides bu-
ntnincngefarst . das der TaufhanilluDg als Conditio »ine qua lum
Torangcbende und dtis einen Bestandteil derselben bildende „ Ver-
sprechen"; denn dem Xornat selbst geht auch letzteres roran. Deut-
lich bezeugt Encrat TertuUian de Corona c. 3 die doppell« Renuntlatio:
o^uant adituTt ibidem, aed et oliqMimto priug in ecclegia ȟb anligti-
I tii manu coniestamur , nos renunfiare diabolo et pompat et angtUt
Itüt». Cf. de spectac, c. 13: qai bis idoli» renutitiavimua (a. dazu
Oehler). Daher im Gelübde bei der Taufe de spectac. C. 4 nicht
renuntiare, aondrra renitntian»e. Auf jene frühere, der Taufe manch-
mal ziemlich lange vorangehende Renuntiatio der Audientes berieht
■ich Tcrtullian poenlt. c, ti, auf die spätere liei der Taufe spectac.
C. 24; de Corona c. l;J. — Die erste Spur eines die Losaagung von
I der Sünde einschliefacndcn Tanfgclübdes finde ich bei Ignatiun Ephea.
114, 2 Tgl. meinen Ignatius v. Ant., S. 690 f.
7^ ZJLHSy
Wandel wenigneos in den Worten Jusdn's stärker hervor-
tritt als da» Bekenntnis des Glaubens. Besonders aach das
C*itat AUi Jesaiä hÄtet den BGck auf jene moralische
Dai3 zw^te Stück enthalten die Worte: ^(Die so vor-
bereiteten Personen) werden gelehrt, unter Fasten zu beten
und von Gott Vergeboi^ der früb^ begangenen Sünden
zu erbitten, während wir mit ihnen fiisten und beten.'' Ob
letzteres tou der ganzen Gemeinde gut, ist nicht mit Sicher-
heit zu sagen. Justin gebraucht auch vorher, wo vom vor-
bereitenden Ldiren und gleich darauf, wo vom Hingeleiten
zur Tau&tätte die Bede ist ein solches „Wir'', welches dem
Kaiser gegenüber die Christen überhaupt, die ganze Ge-
meinde bezeichnet, der»! Brauche hier beschrieben werden.
Das 8chlie(st aber nicht aus, dals sie das Einzelne durch
besonders hierzu berufene Personen vollzieht Während es
c. 61, n. 4 heilst: „Sie werden von uns dahin gefuhrt, wo
Wasser ist", liest man c 61, n. 15 von dem einzelnen
Mann, „welcher den zu Taufenden zum Bade fuhrt". Es
ist demnach nicht zu entscheiden, welche Personen nach
Justin's Bcsclireibung und zu dessen Zeit an dem Fasten
und Beten des Taufkandidaten teilzunehmen hatten. Sicher
ist nur, dafs der Täufer dazu verpflichtet war.
Das dritte Stück ist die Taufhandlung selbst, betreffs
welcher nur Zweierlei deutlich gesagt ist Sie wurde (in
der Kegel) nicht innerhalb eines geschlossenen Raumes, son-
dern im Freien, im Flufs oder See vollzogen, und es wur-
den im Moment der Eintauchung des Täuflings die Namen
des Vaters, des Sohnes und des Geistes gesprochen. Dafs
auch das Ausziehen der Schuhe, welches sich für den Täuf-
ling, der ins Wasser steigt, von selbst versteht, als eine
synibülirtch bedeutsame Nebenhandlung betrachtet worden
und auch für den Täufer verbindlich gewesen sei, ist eine
unbegründete Vermutung *.
Ist nun nach obiger Ausfiihrung die Frage unumgäng-
1) Von Probst, Lehre und Gebet, S. 8Gff., unter Berufung auf
Just, iipol. I, G2; Clem. ström. V, § 56, p. 679 Potter.
STUDIEN ZU JUSTIN. 73
lieh, auf welchen von den Aposteln als Lehrern empfange-
nen l6yos Justin sich fiii' diese Riten beruft, so wäre es ja
an sich nicht undenkbar, dafa er nur eine mündlich sich
fortpflanzende Überheferung im Sinn habe, welche besagte,
dal'a dJCHö Bräuche von den Aposteln eingeführt worden
H^en. Dagegen ist aber mehr als eins zu bedenken. Erstens
haben die neueren Entdeckungen auf dem Felde des kirch-
lichen Altertiuns immer wieder von anderer Seite gezeigt,
daSa in der alten Kirche das geschriebene Wort eine viel
grölaere Rolle gespielt bat, als man ihm im Vergleich mit der
laUndlichen Überlieferung friUier einzuräumen geneigt war.
Zweitens hat es nachweislich keine mündliche Überlieferung
dea Inhalts gegeben, dafa die Apostel die einzelnen Formen
des kirchlichen Taufritus angeordnet haben. Tertullian
führt diese Formen als Beispiel dafür an, dafs auch solche
Bräuche, welche aller Stütze in einer aucioritas scripta er-
mangeln, in der Kirche zu Kecht bestehen; aber er macht
dabei nicht den geringsten Versuch, diesen Bräuchen zum
Ersatz für die mangelnde lex scripturamni durch Behaup-
tung einer Stiftung durch die Apostel die erforderliebe
Grundlage zu geben (de Corona ',i. 4). Ilippolytus weifs
nur durch kühne allegorische Deutung der Geschichte der
Susanna zu beweisen, dafa die zu seiner Zeit in der Kirche
übhcben Taufriten nichts Fremdartiges und Willkürliches
seien >. Tertullian und Hippolytus kannten keinen auf diese
Dinge bezüglichen hiyoi^ der Apostel wie Justin. In der
Behauptung mündlich fortgepflanzter apostolischer Tradition
ist man aber bekanntlich im Fortschritt der Zeit nicht be-
scheidener, sondern immer külmer geworden. Drittens aber
neht der von Justin gewäldte Ausdruck nicht danach aus,
mfi^ wollte er sagen: Diese Formen und Bräuche haben, wie
glaubwürdig überliefert ist, die Apostel eingcfüln-t.
iVielmehr sind wir veranlafst, ein die kirchliche Praxis auf
1) Hippol. cd. Lagardi! p. H8, 10— l(i. VrI. auch p. 147,
Kvd ty Tj Ixxkt^otif n(Hmiiiifi'a mit p. 148, 12 ril pCi' yfvü/iifii (1. ;
r«) fv i\i ixKliinlif. Im allgemeinen vgl. ßardenhcwor, L
i, Hippoljtua DatüelkotiiRientar, S. 74 f.
74 ZAWX,
den Wegen ihrer Verbreitung und Fortpflanzung b^leiten-
des Wort der Anweisung und Belehrung zu suchen, welches
fiir ein Wort der Apostel galt Wir finden aber, was wir
suchen, in der von Bryennios herausgegebenen ,, Lehre der
zwölf Apostel", in einer Schrift, welche jedenfidls mehrere
Jahrzehnte vor der Apologie Justin's geschrieben ist
Gehen wir die Reihe der in Justin's Beschreibung zu
unterscheidenden Hauptstücke in umgekehrter Ordnung durch,
so finden wir das letzte in der AL. (Apostellehre) c. 7, nämlich
die trinitarische TaufFormel und das Taufbad in fliefsendem
Wasser K Die dort daneben angedeuteten Ausnahme&lk,
in welchen man auch anderes frisches Wasser und sogar
1) Unter iv ij^ari C<ChTi will Bryennios „eben aus dem Brannen
geschöpftes Wasser" verstehen. Die Häufung der weiter von ihm
hinzugefügten Synonyma trägt nichts zur Rechtfertigung dieses Mifs*
Verständnisses bei. „Lebendig" hdfst von jeher nur das von selbst
hervorquellende und fliefsende Wasser im Gegensatz zu allem stehenden,
insbesondere zu dem in Cistemen angesammelten Begenwasser. Wenn
das Wasser gegrabener Brunnen im letzten Grunde aus unterirdischen
Quellen fliefst, und der einen Brunnen Grabende sich freut, bald auf
solche zu stofsen (Gen. 26, 19 f.), so ist doch darum das im Brunnen
sich sammelnde und daraus geschöpfte oder gepumpte Wasser noch
kein ,, lebendiges Wasser". Letzterer Ausdruck bildet z. B. Job. 4,
10—14 eine Steigerung über das aus dem Jakobsbrunnen geschöpfte
Wasser vgl. Job. 7, 38. Gen. 16, 7. 14. Hobel. 4, 15. Jer. 2, 13;
17, 13; Diamart. Jacob! c. 1 (Clementina ed. Lagarde p. 4, 25 Aya-
yövjn tt vTov inl noraudv ^ TiriyrfVf vnfQ larlv CQv v^iOQ, ^fv&a ^ rOv
dtxnCoiv yivtrai «v«yA^??(Tt?} ; Clem. hom. IX, 19 (aevdot notttfiqi ^
Titjyy (n^C yt xäv ^aXiiaGfj nnolovadfievoi) '^ XI, 26 {O^ari C<S>'^* nQoa-
tX^ftv)', XI, 35. 36; XIV, 1 (Beispiele). Auch das äyeiv i(p' €StoQ
in der Beschreibung der Bräuche der Markosier Iren. I, 21, 3 und 4
Massuet p. 95. 96 zeigt wie der ähnliche bei Justin, dafs die Taufe
im Freien vollzogen wurde. Vgl. auch Bamabas, c. XI, 10 sq. und
dazu Probst, Sakramente und Sakramentalicn, S. 113; auch Hippo-
lytus cd. Lagarde, p. 160, 27 sq. Wie sehr dies noch später die
Regel war, zeigt Tertull. de bapt. 4: Ideoque ntdla distinctio est,
fnari quis an stagno, fluminc an fönte, lacu an alveo diluatw, nee
quicquam refert inter eos, qtws Joannes in Jordane et qtios Petrus
in Tiheri tinxit. Erst an sechster Stelle nennt er die Wanne {alveus
= axnffri Acta Thomae ed. Bonnet, p. 73, 4, ebendort p. 68, 27 und
auch wohl p. 82, 14. 16 Taufe in der Quelle).
STUDIEN 7.V JITSTIN.
warmea Wasser zum Taufbad gebrauchen dürfe, und dift-
jenigen, in welchen die AL. anstatt dee Taufbades eine
blofse dreimalige Überglefaung des Hauptes mit Wasser ge-
stattet, hatte Justin selbst verständlich nicht zu berücksich-
tigen, wo er der heidnischen Obrigkeit den gemeinen Brauch
der Christenheit beschreibt.
Das zweite Hauptstück in Justin's Beschreibung finden
wir gleichfalls in AL. c, 7: Nicht nur der Täufling, sondern
auch der Täufer und wer sonst dazu in der Lage ist, soll
vor der Taufe fasten, und zwar der Täufling einen oder
zwei Tage. Von hier aus erliält das oben S. 72 erörterte
„Wir" bei Justin seine nähere Bestimmtheit; und es spricht
nichts dagegen, dafs der von ihm beschriebene Gebrauch
genau dieser Vorschrift der AL. entsprach. Es ist nun aber
sehr zu beachten, dafs aufser der AL. und Justin nur noch
eine einzige altkirchlichc Schrift das Mitfasten des Täufers
und anderer GonieindegUeder mit dem Täufling bezeugt;
das ist der Klemensroman *. Zufällig ist es daher auch
nicht, dafs der Bearbeiter der AL. in Const. apost
Vir, 22 das Fasten auf den Täufling beschränkt hat Der
Brauch des Mitfastens des Täufers und anderer Gemeinde-
glieder mit dem Täufling war abgekommen. Wenn man
1) Clem. recogn. Vn, 37: Voa et cgo robiscum hoilie ji-junemu!
cum ipsa et crastino baptieabituT sagt PetruH su Äquita, Nicctit und
ClemenB inbeiug auf Matthidia. Wenn jd der Parallel stelle Clem.
homil. XIII, 12 Jutfiiivikifin' ohne (y tj vqoiti'i.i ui-sprUiiglicber Teit
ist, Eo wird das Fehlen einer deutlicliün Aiigahe üher das Mitfaaten
des Täufers Petrus und der übrigen nicht sufUllig sein. Wie so oft
hat auch hier der Redaktor der Ilotnilicen Altertümliches verwischt,
was in den Recognitionen erhajtea ist. Inbezug auf die besonders
feierliche Taufe des Faustinianiis beifst es S, T2 von Petrus: Indixit
auletn j^uniuvi omni pUbi rt venieiite die damiiiiai liaplizaml eum.
Die sonstigen ältesten Zeugnisse für das Fasten des Täufliugs sind
Clem. AI. epit. ex Theodoto i; 84, p. ÜSS Potter; Tcrtull. bapt. ÜO
(ohne Angabe der Dauer); Clem. bomil. III, 73; XI, 35 (mohi-ere
Tage); XIII, 9—11 cf. recogn. VIT, 34—37 (wenigstens einen Tag);
recogn. III, 61 (jejunü» frcquentibus nährend einer dreimonatlichen
VorbercitungBzeit), AufTällig ist das Fehlen jeder Andeutung in den
Acta Thomae cd. Bounct p. 68. 73. 81 f.
76 ZAHN,
gearteilt hat ', was Justin vom Mitfasten anderer mit dem
Taufkandidaten sage, finde ,, seine natürliche Erklärung^'
in dem Umstände, da(s diejenigen Taufkandidaten, welche
SU Ostern getauft wuiden, „schon frühzeitig mit den Gläu-
bigen das 40tägige Fasten gehalten haben'', so setzte man
sich erstens leichten Fulses darüber hinweg, dals bei Justin
ebenso wie in der Apostellehre nicht von einem Mitfasten
der Taufkandidaten mit der Gemeinde, sondern umgekehrt
von einem Mitfasten anderer Gemeindeglieder mit dem Tauf-
kandidaten die Rede ist Es ist femer übersehen, dals eine
Mitbeteiligung der Taufkandidaten an einem ganz anders
gemeinten Fasten ideell etwas ganz anderes wäre, als was
die AL. fordert, Justin und Pseudoclemens beschreiben.
Letzterer belehrt uns sehr nachdrücklich darüber, dafs ein
(dme bestimmte und ausschliefsliche Beziehung auf die nach-
folgende Taufe gehaltenes Fasten das erforderliche Tauffasten
nicht ersetiEen könne '. Endlich aber ist jene Erklärung
des Mitfastens anderer mit dem Täufling nicht nur im-
natürlich, sondern einfach unmöglich, weil sie nur auf die-
jenigen Taufkandidaten passen würde, welche zu Ostern
die Taufe empfingen. Nun wissen wir aber, dals zu Ter-
luUian*3 Zeit und in den folgenden Jahrhunderten neben
i>*torn auch andere Festzeiten der Kirche solenne Taufzeiten
^arrni \ >Hur allem die Pentekoste und in vielen Kirchen
l"" |«iu«ovimAvr, Entwickelong der kirchlichen Fastendisziplin,
S. ^^ N^l Ss ^^ Ähnliches bei Probst, Lehre und Gebet, S. 90.
^^ VHvm h^wü, Xlll, 11; rccogn. VII, 36.
ci,^ (X'^mllx Ut^ b*pt. 19: (Uem baptismo soüemniorem Basclia
»/iVAAuw . KWM»lf DrHtecoste ordinandis lavacris laetissimum sjia-
t.\..* s>*. SvW^w \Wv \\\\*hsol «wischen dies und spatium zeigt ebenso
y\a u AvMivAv AwM\^hruuj:, dafs Pontecoste hier in dem bekannten
yxv.vxKii \j»u*c iVM»viul ij^t. Für Pascha als Taufzeit cf Hippol. ed.
L ^^^,* v\ »s U* . ^Kv^ VNir Kpiphiuiion vor allem die oben S. 69
\ : * "«^v.v'^xav ^Ki)vh.^w\ouimHligt des Ilippolytus, über welche
'A.i;.s^, V IkKwhl \Yi»s, iJv^^T), S. 33f. etwas zu bemerken
. vv.. v^aw^v <ivHXv^x anhing Höfling, Sakrament der
^*. ..sM' ^.^t^ ^v^N'^ ^^^^'< ^' »^^*»^^f- vertretene Meinung, dafs
vv s . . N .** S^ -^ ^^ v>^^sMiK^rt w»i, und dafs die Päpste Siricius
V As. 'nw.mA n^^nV^ *^*^ ^^^ un vermischte abendlän-
X \ ^ A
STUDIEN ZU JL'STTN.
I Besonders des Orients auch Epjphanien. Gesetzt nun, diese
» Bindung der Taufe an jene Zeiten wäre aclion für Justin's
oder gar der AL. Zeit anzunehmen, wie Üefae eich denn
die ganz allgemein gehaltene, für alle Tauten gültige An-
ordnung der AL, und Beschreibung Justin's aus dem Oster-
fasten der gesamten Gemeinde erklären? Wenn der Tauf-
katididat, der am Pfingstfest oder zwiaclien Ostern und
Pfingsten die Taufe empfing, nach den vorhandenen Zeug-
nissen aus den verschiedensten Jahrhunderten zweifellos ohne
Rücksicht auf die Kirchenzeit durch Pasten auf die Taufe
sich vorbereitete, so iat es ja ganz undenkbar, dafs der
taufende Geistliche oder gar ein grofserer Teil der Gemeinde
in dieser Freudenzeit der Kirche ' gefastet, und somit am
Fasten des Täuflings sich beteiligt habe. Die Voraussetzung
ist aber auch ganz unhaltbar, dafs zur Zeit Justin's oder
gar der AL. Ostern eine besonders beUebte Taufzeit ge-
wesen sei. Die AL. enthält gar keine Andeutung über die
Taufzelt. Justin deutet nur an, dafs gewöhnlich am Sonn-
tag getauft wurde * ; auch in den Rekognitionen dos Kle-
mens kommt der Fall vor *. Also in den einzigen altkirch-
lichen Schriften, welche des Mitfastens des Täufers und an-
dische Praxis vertreten, halte ich für irrig und zwar nicht nur wegen
jener Predigt des Hippolytus, deren Echtheit angezweifelt wird.
1) Iren, fragm. gr. VI] cd, Ilarvey II, 478 sq.; TertuU. de orat.
23 (al. 18); de corona 3; Can. Nieaen. 2Ü.
2) Dial, c, 41. Dasaelbe ergiebt sich aus Apol. I, 64 inaofem,
als vorausgesetzt iat , dafs am Tauftagc die Gemeinde zum Gottes-
dienst und insbesondere zur Abend mahl sfeier versammelt war. Die
Beweisführung von Probat, Lehre und Gebet, S,!llf vgl, desselben
Sakramente und Sakramentalien , S, 111, wonach Justin Ostern als
rcgelmäfsige Tanfzeit auch nur angedeutet haben soll, bedarf keiner
Widerlegung. Ebenso haltlos ist die Meinung, dafs das Tauffasten
nach TertaUian (de bapt, 20 cf, Const, apost, VII, 22) 40 Tage gc-
(dauert habe (Probst, Lehre und Gebet, S. 90. 171). Das gehurt
■päteren Zeiten, an vgl. Höfling I, 228, 373. 9(i.
3) X, 72: veniente die iloniiiiica cf, IH. 67: die festo; III, 72:
tum advenisset dtei festun. Sollte hierunter nicht der Sonntag zu
merstchcn sein, so wäre nur an Pfingsten zu denken cf Tertull. de
bkpt. 19: dient pr^teeosttg , qui fs( prnprie dies fentiis: Joseph, ant.
HL 1& 6: Tn Ttn^mroffTn. n» 'liäoaiai 'Aant>»A xaluoaiv.
78 ZASa,
derer Gemeindcgfieder mit dem Täufling gedenken^ fehlt
jede Spur dnYcm, dalk die Taufen hftofig oder gar regel-
mi£i% am Osterfest stattfanden. In keiner der Schriften
dagegen, wdche Ostern, Pentekoste oder Epiphanien als
solenne Tao&eiten beaeichnen, ist Yon jenem MitfEisten an-
derer mit den Tanfkandidaten die Bede. Also hat dieses
letztere mit dem Fasten der Gfemeinde von Haas aus
schlechterdings nichts zu schaffen Nor der Untergang der
Sitte des Mitfimtens mit den Tanfkandidaten kann und wird
mit der Fixierung der Taufreiten in Zusammenhang stehen.
Inbezug auf diejenige wdche zu Ostern die Taufe empfingen,
ging das Mitfasten des Tiufiers und einiger Brüder in dem
allgemeinen Osterfasten der Gemeinde unter. Inbezug auf
diejenigen, wdche zu Pfingsten oder zwischen Ostern und
Pfingsten getauft wurden, mulste das Mitfasten der übrigen
in W^fidl kommen, weil es für die Gemeinde der Gläu-
bigen mit dem ausprägten Charakter der Pentekoste un-
verträglich war.
Kehren wir nach dieser unvermeidlichen Abschweifung
zur Vergleichung der AL. mit Justin zurück, so bedarf es
vieUeicht kaum der Erwähnung, dals die AL. hier nur ebenso
wie anderwärts eines abgekürzten Ausdrucks sich bedient,
wenn sie neben dem Fasten nicht ausdrücklich noch des
Betens gedenkt, welches Justin, Tertullian u. a. im gleichen
Zusammenhang damit verbinden. Bittgebet und Fasten ge-
hören iiir christliche Denkweise von jeher als ein untrenn-
bares Paar zusammen ^ Wie sehr das für den Verfasser
der AL. gilt, zeigt sich besonders deutlich, wenn er in freier
Reproduktion von Matth. 5, 44. Luk. 6, 27 f. schreibt:
„Betet für eure Feinde, fastet für eure Verfolger." Um
einen hebräischen Parallelismus membrorum zu erzielen,
verwendet er „beten" und „fasten" als gleichwertige Syno-
nyma *. Auch der Gegenstand des von Fasten begleiteten
1) Luk. 2, 37. Matth. 17, 21. Act. 13, 2f.; 14, 23. Matth. 6,
5-18.
2) c. 1 . Es ist mir unbegreiflich, wie Massehieau, L'enseigne-
meut des douze apotres, p. 14 hierin einen materiellen Gegensatz zum
evangelischen Text finden mag.
STUDIEN ZU JUSTIN. 79
lOebetes, welchen Jubüq ausdrticklicli angiebt, war diu'cb
I dea Anlafs des Betena und das begleitende Fakten so selbst-
verständlich gegeben, dala in einer lakonischen Kiichenord-
Dung der Mangel einer darauf bezüglichen Anweisung nichts
bedeutet, und zwar um so weniger, je mehr man sich den
Verfasser in judischen Anschauungen lebend voratclit, denn
für die Juden bedeutete „das Fasten" schlechthin den grofsen
Versöhnungstag '.
£3 tehlt in der AL. auch nicht das erste Hauptstück der
kirchlichen Tautpi-axis, welches sich aus Justin's Beschreibung,
allerdings nicht mit der wü.nschens werten Deutlichkeit, er-
kennen tiefs. Wenn bei Justin das Gelübde zu christlichem
Lebenswandel viel deutlicher als das Bekenntnis zu chriet-
liebem Glauben als das Ergebnis des auf die Taufe vorbe-
reitenden Unterrichts sich darstellte, so entspricht dem die
Taufordnung der AL. durch die auf c. 1 — 6 zurückweisen-
den Worte zaC-ta Tiävza nqoEinüvcEQ,. Die Darlegung der
zwei Wege des Lebens und des Todes ist hier nicht un-
mittelbar als ein Gegenstand, geschweige denn als der ein-
säge Gegenstand des auf die Taufe vorbereitenden Unter-
richts, sondern als ein Bestandteil der Taufliandlung selbst
bezeichnet '. Das ist der nach dem Wortlaut zweilellose
1) Act 37, 9. Just. dial. 40. d. 9.
2) Vgl. BielenBtein, Warum Qothält die Siäu^'i "üv JuHTfni
Anoatükiov nichts LehrhafUs? Riga 1885, dazu meine BezcuBion im
Theol. Litt«raturblatt 1885, S. 123 f. Dieselbe Ansicht oder vielmehr
Einsicht bat Prof. M^ut'goz bei Gelegenheit einer akademische:! Dia-
pDtation an der protcstantiscli tbcolog. Fakultät ku Paris schon tun
10. Müra d. J. und diirauf in der Kirchcnseittuig „Lc T^moignage"
vom 16. März entwickelt. Von hier aus wird doch auch erst reclit
begreiflich die durchweg aingulariaclie Anrede in c, 1— (3 im Unter-
schied von c. T — 16, das sechsmalige lixfiv ftuv c. 3. 4. Auch in
C. T ist keine Andeutung davon vorhanden, daTs mehrere zugleich
getauft werden. Ks hat's der Tüufer mit dem einzelnen TüufUog ku
thuu. Aber er spricht zu ihm in Anweaenbcit anderer Gemeinde-
gtieilcr. Der Übergang in die Mehrzahl der Am'ede erkljirl sich
überall leicht. In c. 1, p. 5 bot die Bergpredigt die Form, o. 4, p. 21
frird der Täufling mit dcjn Bruder zusammeugefafst, gegen den er
I nicht geizig sein soll. Die Ermahnung aii den Täufling inbezug auf
h^diu, Tt>cbter, Kueeht, Uogd wird c. 4, p. 22 unterbtochea dux«^
I
80 ZAHN,
Sinn des Satzes: j^Was aber die Taufe anlangt, sollt ihr
also taufen: Nachdem ihr dieses alles (c. 1 — 6) vorher ge-
sprochen habt, taufet auf den Namen des Vaters, des Sohnes
und des hL Qeistes in fliefsendem Wasser/' Die moralischen
Anweisungen in c. 1 — 6 sind demnach ein Stück der Tauf-
liturgie, eine „rituelle Vermahnung des Täufers an den
Täufling^. Die historische Anknüpfung für diese litmgische
Form ist sowohl rückwärts als vorwärts leicht zu finden.
Jene „lehrhafte Anweisung zur Beobachtung alles dessen,
was Jesus den Jüngern geboten haf , welches in Verbin-
dung mit der „ Taufe auf den Namen des Vaters, des Sohnes
und des hl. Geistes'' von den Aposteln als Mittel gebraucht
werden soll, um „alle Völker zu Jüngern zu machen'^
(Matth. 28, 19 fX ist hier in die feste Form einer geschrie-
benen „Lehre der zwölf Apostel '^ gebracht, welche dem
Täufling in dem Moment, da er ins Wasser steigen will,
vorgetragen werden soll. Alles weist hier auf Matth. 28, 19 f.
zurück und zwar darum mit Sicherheit, weil die Koinzidenz-
punkte mannig<ig und zahlreich sind, nämlich l) trini-
tarische Formel, 2) die Verbindung des Taufakts mit einem
didda-/£iv, einer didax^j 3) mit einer „Lehre der zwölf (bei
MattL 11) Apostel", 4) mit einer Lehre dieses bestimmten
Inhalts, einer Reproduktion der evrolai tlvqIov ^, insbesondere
auch derjenigen, welche Jesus seinen Jüngern in der
Bergpredigt gegeben hat; endlich 5) die Bestimmung für
die edyri *, sofern sie zu Jüngern, zu Gliedern der Gemeinde
eine kurze Mahnung an die anwesenden Sklaven. Ein kurzes Votam
für alle schliefst die Schilderung des Todeswegs (c. 5 cxtr.). Ganz
individuell für den Täufling berechnet ist dagegen der Schlufs der
ganzen Ansprache.
1) Der Ausdruck z. B. AL. c. 4, p. 22 Bryenn., c. 2, p. 10, c. G,
p. 26 8Xov rov ^vyov toö xvqCou cf. Matth. 11, 29.
2) AL. c. 1 zweite Überschrift. Ohne von dem in den For-
schungen III, 286 f. und im Theol. Litteraturblatt 1884, S. 218, hier-
über Bemerkten etwas anderes zurückzunehmen als den Vorschlag,
vor ToTg tO-vfaiv zu interpungieren , darf ich doch darauf hinweisen,
dafs das Verständnis dieser llbcrschrift durch die Bemerkungen von
Bielcnstein und Mcncgoz vollends sicher gestellt, und durch obigen
Nachweis des Verhältnisses zu Matth. 28, 19 die Echtheit derselben,
STtTDIEN ZU Ji:STIN. 81
vcmacht werden sollen. Anderseits weist dies Stück der
A.L. auf die slcherHcli bis in ihre Abfassungazeit hinauf-
reichende Renuntiatio bei der Taul'e hin (oben S. 71 Anm. 2).
Unmittelbar ist das in der AL., aber auch bei Justin, nicht
iiuagesprochen, dafs dor Täufling beim Taufakt dem Teufel,
ilem Götzendienst und allem, was dazu gehurt, entsage.
j\ber mittelbar ist das in anderer Weise durch die AL.
nucli acherer bezeugt als durch Justin. Denn wozu sollte
es dienen, dafs dem Täufling innerhalb der Taufagende, in
tlem Momeni unmittelbar vor der Eintauchung die beiden
Wege des Lebens und des Todes vorgehalten werden, wenn
er nicht in eben diesem Moment für immer die entscheidende
Walil treffen und aussprechen d. h. also das Gelübde ab-
legen soll, dafs er den Weg des Todes verlassen und den
Weg des Lebens inbezug aul" das sittliche Verhalten be-
schreiten wolle. Auf ein unmittelbar nach der Ansprache
lies Täufers au den Täufling folgendes Gelübde des letzteren
wdsen besonders deutlich die Schiufaworte der Ansprache
hin. Der Täufling soll nicht erschrecken vor der Hoheit
der sittlichen Ansprüche, zu deren Erfällung er durch das
Gelübde sich verpflichten soll. Darum wird ihm ermutigend
Zugerufen: „Wenn du das ganze Joch des Herrn (Mattb. 11,29)
Inigen kannst, ao wirst du vollkommen sein (Matth. 5, 48);
Beim du es aber nicht kannst, so thue, waa du kannst.
Inhezug auf die Nahrung aber trage, was du kannst. Vor
dem Götzenopfer aber hüte dich sehr; denn es ist ein Kultus
loler Götter." Nach dem Taufbefehl Jesu soll den Heiden,
difl getauft werden, zwar alles, was er seinen Jüngern ge-
Iwten hat, zur Nachachtung vorgetragen werden. Das ist
das Ideal, auf welches sie sofort liingewiesen werden. Die
Verpflichtung aber, welche sie bei der Taufe unbedingt und
»fort übernehmen, ist eine nach dem wirklichen Vermögen
und bezieht sich vor allem auf die
■Ikt anch ihre Geschränkunji; auf c. 1 — T völlig gesichert ist. Dies
^cktaach die Handschrift sichtbar aus, a. das Faksimile bei Schaff,
mchigg of the tw. ap., p. 4. irm so irillkürljcher ist ea, die erste
•Jlgemeine LTierathrlft für eine spätere Zathat auBzugcben.
1
82 2AHK,
von jeder Berährang mit dem Gtötzendieiuit In der Sprache
des folgenden Jahrhunderts heilst das: ,,dem Teufel, seinem
G^rftnge und seinen Engeln entsagen^.
An das viermalige üvaaai (ßiyjß) in AL. c. 6 erinnert
auch äulserlich der Ausdruck Justin's ßioijv oSrwg dü^a^ai
htiax^^öprai. Einen sachlichen Unterschied zwischen Justin
und AL. begründet auch das nicht, dab in letzterer die
Verpflichtung zu christlichem Wandel als Bestandteil des
Tau£Bikts selbst erscheint, während die Darstellung Justin's
uns nötigte, an eine den Taufakt und dem darauf vorbe-
reitenden Fasten vorangehende Vorprüfung und eine nur
vorläufige Bereiterklärung zu denken. Das eine ist aber
nicht ohne das andere zu denken. Man konnte doch nie-
mand zur Taufttätte führen auf die Gefahr hin, dals er sich
weigern werde, das ihm abgeforderte Gelübde abzul^en.
Es mufste also vorher konstatiert worden sein, dais der
Taufkandidat dazu entschlossen sei, das GMübde zu über-
nehmen. Ebenso selbstverständlich ist, dafs ein hierauf vor-
bereitender Unterricht vorangegangen sein mufs. Die drei
Momente der Unterweisung, der dieselbe abschlielsen-
den Prüfung und Bereiterklärung, und der definitiven
Verpflichtung oder des Gelübdes gehörten der Natur
der Sache nach ähnlich wie bei unserer Konfirmation auch
bei der altkirchlichen Taufe Erwachsener zusammen. Auf
das zweite Moment bezieht sich Justin, auf das dritte die
AL. Sehen wir von dieser Verschiedenheit der Darstellung
ab, so enthält die AL. auch das erste der drei Hauptstücke
kirchlicher Tauipraxis nach Justin's Beschreibimg, und sie
enthält keine anderen Bestimmungen über die Taufe als
diese drei Stücke. Solche Kongruenz zwischen einer um
den Anfang des zweiten Jahrhunderts geschriebenen An-
weisung und einer um die Mitte desselben Jahrhunderts ge-
schriebenen Darstellung des thatsächlichen Brauchs würde
an sich schon auf einen Zusammenhang zwischen Anweisung
und Brauch zu schliefsen berechtigen, sei es nun, dafs man
sich den Brauch als Folge der Anweisung, oder die ge-
schriebene Anweisung als Kodifizienmg des noch älteren
Brauchs denkt, oder ein Mittleres zwischen beiden Möglich-
►
STUDIEN 7.V JUSTIN. 83
keiten annimmt. Nun aber findet aich die AnweiBiing in
einer uralten Schrift, welche den Titel führt „Lehre der
zwöll Apostel " ; und der den Brauch seiner Zeit hescbreibende
Justin beruft aich bieriUr auf ein Wort, welches die Chri-
sten von den Aposteln gelernt haben, auf ein apostobschea
Wort, das wir sonst nirgendwo nachweisen können. Daraus
ergiebt eich, dafs Justin die ÄL. gekannt und dieselbe an
dieser Stelle im Sinne gehabt hat.
Es läge nahe, auch in der Beschreibung der chiistlichen
Abend mahlsfeier hei Justin Spuren desselben Einflusses zu
suchen. Die Sache lag aber inbezug auf die Eucharistie
fUr Justin wesentlich anders. Erstlich konnte er sich ftir
das Wesentliche dieser Handlung auf die eigene Stiftung
Christi und den evangelischen Bericht darüber berufen, und
er tbut dies Apol. I, 66. Sodann hatte sieb inbezug auf
dieses Sakrament in der Zwischenzeit zwischen Anfang und
Mitte des zweiten Jahrhunderts eine wesentliche Änderung
in der Kirche durchgesetzt, die Loslösung der Eucharistie voa
der Agape. Dadurch war die AbendmahlsÜturgie der AL.
antiquiert, womit nicht gesagt sein soll, dafa nicht manche
charakteristische Züge derselben in den Liturgieen späterer
Jahrhunderte wiederzuerkennen seien '. Nur der Mangel
an genauer Kongruenz zwischen der Vorschrift AL. und
dem von Justin beschriebenen Brauch und die Abwesenheit
einer erkennbaren Bezugnahme Justin's auf die AL. in die-
sem Pimkte wird hierdurch erkJärt. Immerhin ist zu be-
achten, dafs AL. und Justin beide mit Nachdruck sagen,
Getaufte dürfen an der Eucharistie teihiehmen ', femer
1) Vgl. meine ForBchungcn III, 293—298. Dahin gehöH auch
der Vergleich der Vereinigung der Kürner znin Brot des Abi^ndmahla
mit der Vereiuiguug der Glüubigcn zur Gemeiude AL. c. 9, p. 36;
Theoph. in evang. I, 34, p. G2, 6 meiner Ausg. *); Cyprian ep. ü9, b
^■d Magnnm ed. Hartel, p. 754.
H 2) AL. c. 9 extr. Juat. apol. I, 06 in.
L
*) Bei ElnfObruiiK d« Theoph Uai-KoDimaatan uIi einei HltMi Zaugaa darf
KediktioD nolil bemerlieu. Jafi ilie Zaitscbrift iiüdist«aa clnsD Aufuti : „Zar
Theophi]u«lr&Ee" bringeu uird. ärirgrr.
84 ZAHXj STTINES ZT JTSTIK.
dmCi bdde dieselbe Stelle MjJ. 1, lOff. auf das Opfer der
Encharisde anwenden \ endlich da(s bei beiden in den auf
die Encharistie besägtichen Gebeten die Danksagung tur
die Scböpfiing und die natüifiche Nahrung eine bedeutsame
Stelle einnimmt ^
1) AL. c 14. Just dkL e. 41. 117 cf. c. 28. 29. 116. For
tchmigeii III, 281.
2) All. c 10. Just dkL 41, n. 3, womit mach apol. I, 13 und
67 trotz der sllgemeiiieren Beziehmig dieser SteUen zu Ter^leicheu
•ind.
Der ßrirrwrrtisrl des Bnsilios iiiil Apollinarios
von Laodicea.
Von
Dr. Johannes Driisekc in Wundsbeck.
Dafa die Bcnrteilung der Echtheit oder Unechtheit von
Schrill werken des Altertums eine sehr schwierige Sache iat,
und dafs man 'dabei nicht minder den Aufstellungen und
Annahmen der jeweiligen Beurteiler wie der Überlieferung
Mifatrauen und Bedenken entgegenzubringen berechtigt ist,
dafür lioi'em die unter des Märtyrers JustinuB, Gre-
gorios Thaumaturgos, Athanasios und der römischen
Biachiife Julius und Felix Namen überlieferten Werke
zahlreiche Helege. Wenn diese Namen sich so häufig als
bewufste Fälschungen späterer Zeit erwiesen und viele der
mit ihnen versehenen Schrillen sich als Werke des Apolli-
narios von Laodicea herausgestellt haben, so hat dies
Ei^bnis, um dessen Anerkennung immer noch mit den
Anhängern des Alten und Hergebrachten gekämpft werden
mufs, nur durch gleichmäfsige Heranziehung und Verwertung
der äulaeren Uherlieferung wie des inneren Gehaltes, der
bei Seh rif tot ollem der alten Kirche uns erhaltenen Anfüh-
rungen aus jenen Werken wie der besonders in ihnen aus-
geprägten Glaubenslehren erzielt werden können. Weit un-
günstiger liegt die Unterauchimg bei Briefen überhaupt und
bei den vier vun Cotelicr im zweiten Bande seiner „Ec-
clesiae Oraccae monumcnta" S. 84fF. „Ex Harlaeano MS."
veröffentlichten vier mit den Namen des Basilios und
Apollinarios versehenen Briefen im beaondereti. Von
86 DKÄSEKEy
Apollmarios wissen wir, dafii er einen sehr ausgedehnten
Briefwechsel geführt; in der von seinem Schüler, Bischof
Timotheos von Berjtus verfiBi&ten Eirchengeschichte
waren, wie uns Leontios^ berichtet, sämtliche von Apolli-
narios an die hervorragendsten Männer seiner 2ieit gerichte-
ten Briefe und deren Antwortschreiben gesammelt Wie
klar würden wir die für die Entwickelungsgeschichte der
Lehre von der Person Christi so wichtigen letzten Jahr-
zehnte des 4. Jahrhunderts und in ihnen gerade des Apolli-
narios Anteil an derselben überschauen, wenn uns diese
Briefsammlung erhalten wäre! Die zahlreichen, besonders
von Leontios ans überlieferten Brachstücke von Briefen des
Apollinarios verdanken ihre Erhaltung hauptsächlich ihren
dogmatisch mehr oder weniger bedeutenden Ausführungen;
und ihnen steht eine des Laodiceners Urheberschaft gewähr-
leistende sichere Überlieferung zur Seite. Nicht in gleich
glücklicher Lage befinden sich die vier zavor genannten
Briefe. Sie sind plötzlich am Ende des 17. Jahrhunderts
aufgetaucht, von Cotelier a. a. O. im Jahre 1681 zuerst
veröffentlicht und von den Benediktinern im dritten
Bande der Werke des Basilios am Schlüsse der Briefe als
anerkannt unechte unter den Nummern 361 — 364 im Jahre
1730 einfach wieder abgedruckt worden; aufser den Über-
schriften, wie sie Cotelier in der ihm zugebote stehenden
Handschrift fand, zeugt äufserlich nichts für sie. Sollten
sie trotz dieses Mangels nicht wirklich echt sein können?
Es wäre überaus unbesonnen und voreilig, diese Möglich-
keit sofort in Abrede zu stellen. Es würde, da mir nicht
bekannt, ob irgendwo die äufsere Bezeugung der Briefe so-
wohl als ihr eigenes Äufsere, die sprachliche Form, ernst-
lich geprüft worden sind, doch vor allem auf die inneren
Merkmale geblickt werden müssen. Aber es ist merkwürdig,
diese Briefe haben sich eine gleiche Beurteilung gefallen
lassen müssen wie diejenigen, welche des Demosthenes
Namen tragen, sie sind geradezu ohne Untersuchung und
1) Contra Nest, et £ut. IIb. III, c. 40 bei Mai, Spicileg. ßom. X,
zweite Hälfte, S. 22 ff.
BRIEFWECmEL DES BÄ8IL10S MIT APOLLINARIOS. 87
80 ZU aagcD UDverhorter Sache verurteilt worden. Und das
bangt zuDächat vielleicht mit der allgemeinen wiasenHchaft-
Üchea Strömung der Zeit zusammen, in welcher Cotelier
Beine „EccIeeJae Graecae monuraenta" veröflentlichie. Denn
nachdem Bentley die Briefe des Phalaria, dann an-
dere zahlreiche weitere Briefe berühmter Männer als Fäl-
schungen dargethauj glaubt man bei dieser Art von Schrift-
Btücken kaum eine Untersuchung mehr nütig zu haben: was
Brief ist, wird fast von vornherein verworfen. Wenn e» nun,
um bei jenem aus dem klassischen Altertum entlehnten Bei-
spiele zu bleiben, Blafs ' gelungen ist, im Gegensatz zu
den oberflächlichen Urteilen Taylor's und Dobree'a und
des von diesen abhängigen Westermann, mit überzeugen-
den Gründen, die er aus der sorgfältigen Beobachtung der
Sprache und des geschichtlichen Inhalts der sechs des De-
mosthenes Namen tragenden Briefe entnahm, zu beweisen
(a. a. 0. S. 1 1), „dafa die umfangreichsten und bedeutsamsten
Stücke der Sammlung, der zweite und dritte Brief, jeden-
falls dem Dcmostbenes angehören , während der kürzere
erste Brief wenigstens kein vollendetes Werk desselben ist
— unecht ist der vierte und auch der fünfte Brief; über
den sechsten läfst sich nicht urteilen " — : so wird es, denke
ich, keine fiir die Kirchengescbichtc überäüssige Mühewal-
tung sein, im Widerspruch gegen Cotelier'a Verwerfunga-
urteil, welchem die Benediktiner* ohne weiteres beige-
treten sind, einmal die vier mit Basilios' undApolli-
narios' Namen versehenen Briefe hinsichtlich ihres
Inhalts genauer zu prüfen, beziiehentlicb ihre Ecbt-
hcit zu erweisen.
Soviel ich habe ermitteln können, hat sloh von prote-
stantischen Forschem nur J. A. Fabricius' unbefangen
für die Echtheit ausgesprochen, eine Thatsacho, welche trotz-
1) Friedrich Blurs, Über die Echtheit der Demoithenes' Na-
men tragenden Briefe. Jahresbericht über das Königl. Wilbelma-
GymnasiuiD zu Kiioigsberg i. Pr. 1875.
2) Vita Basilii Cap. XXXIX, 4. S. tu);iii, C,
3) Bibliothcca Gracca, B<i. VIR, S. 585.
88 drIseke,
dem dafs derselbe sein Urteil zu begründen unterlajwen hat,
um so gröfsere Beachtung verdient, als die Gründe, welche
Cotelier veranlafsteu, den Briefen die Echtheit abzuer-
kennen, ersichtlich solche sind, welche die wissenschaftliche
Befangenheit des katholischen Standpunktes ihres Urhebers
verraten. Ich habe schon in anderem Zusammenhange dar-
auf hingewiesen ', wie sehr u. a. sich der um die Patristik
hochverdiente Vorsteher der vatikanischen Büchersammlung,
Zacagni; gelegentlich durch des Ny sseners Gregorios geist-
volle, wohl durch Origenes beeinflufste Ausftihrungen pein-
lich berührt gefühlt hat, wie emsig, aber falsch geschätiig
er beflissen gewesen ist, die Rechtgläubigkeit desselben vor
seinen Vorgesetzten, besonders vor dem Papste, dessen Frei-
gebigkeit ihm seine wertvollen Veröffentlichungen ermög-
lichte, zu retten; auch die Benediktiner haben in dem-
selben Sinne das bedenkliche Schwanken in den dogmatischen
Überzeugungen des Basilios, sein Hinneigen zu den
Semiarianem hinwegzubeweisen gesucht ', damit nur ja der
Schild der Rechtgläubigkeit des berühmten Kirchenvaters
in römischem Sinne, d. h. im Sinne unwandelbarer Einheit
und Übereinstimmung in der Lehre während seines ganzen
Lebens, fein blank und glänzend und über allen Zweifel
hieb- und stichfest sei *. Ahnhch liegt die Sache bei C o -
tclier.
1) 'Zeitschrift für Kirchengeschichte, Bd. VI, S. 54G.
2) In der Pracfatio zum 3. Bande ihrer Ausgabe des Basih'os,
S. IV — XXII.
3) Auch die neueren Veröffentlichungen katholischer Forscher
legen für dieselbe Thatsache Zeugnis ab. VerhältnismUfsig wonig
tritt die wissenschaftliche Gebundenheit z. B. bei Heinrich Kihn
in seinem sehr gründlichen und verdienstlichen Werke über Theo-
doros von Mopsuhestia (Freiburg i. Br., Ilcrder'schc Verlags-
handlung, 1880) hervor, besonders auffallend aber in Kopallik's
„Cyrillus von Alexandrien" (Mainz, Kirchheim, 1881) und in
Ad. Bertram's Schrift „Thoodoreti episcopi Cyronsis doctrina
christologica** (Ilildcsheim, Borgmeyer, ISS.J). Dafs in Ictzteirr die
geschichtliche Wahrheit infolge unberechtigter dogmatischer Aus-
legungskünste und unstatthafter Annahmen an zahlreichen Stollen
nicht zu ihrem Rechte kommt, hat besonders W. Möller in seiner
BRIEFWEaiSEL DES BASIIJOS MIT APOIXINARIOS.
Derselbe äufsert sich zu der Frage nach der Urheber-
I »cliaft jener vier Briefe in folgender Weise: „QuanavU ex
^£piphanio, Hieronyrao, Socrato, Sozomenu, Theodoreto, Vi-
sntio Lirinensi, nliis, certuui ait, Apollinarem , virum mag-
Bom, aDtequam liaeresiin nominis sui aperte propugnaret,
" cansaimum t'uisse Atlianaeio et omnibus catfaolicis, atque
Ingenii, eruditioaia, pietatis laudibus claruissc; quamvis lega-
mus in Edicto luetiniani de Hde orfhodoxa, quod Damasus,
Athanasius et Basilius Apollinarium collaudaverint; quamvis
I denique a Basilio ipso Epist. 73. (= Bened. 226.) 82. ('244.)
' 203. (265.) 345. (224.) 382. (l31.) idem Apollinarius pro
amico ad quem litteras dcderit agnoseatur Üliusque Echisma
Gregorio Nazianzeno Orat. 14. fratemum dieeidium, ödeAifin^
tvyofiayjn, dicatur: adduei tarnen non posaum, ut crodam
haa quatuor cpistolae, Bitsilii duas et diias Apollinaris, ge-
Duinas esse". Man mufs gestehen, das Gewicht der Ein-
räumungen, wcU'lie Cotelier seinem Verwerfungsurteil
vorausschickt, ist ein recht bedeutendes, und nach so zahl-
reichen, von ihm angeführten Umständen, welche lür die
Echtheit der Briefe Aussclüag gebend sein sollten, erwartet
man um so gewichtigere Gründe, welche für dieselbe zu
sprechen durchaus verbieten. Man höre Cotelier selbst
und überlege, ob seine Gründe als stichhaltige und voll
überzeugende anerkannt werden können. „Arbitror magis"
— tahrt er fort — „contictas fuisse ab Arianis vel ab
Apoliinaristis, famosia huiiiscemodi suppositiuuum artiÜcibus,
quo celeberrirai nomin is doctorcs ApoUinarismi suspectos
redderont; qua de auspicione eonqueruntur ambo, Grcgorius
KpisL I. ad Ctedonium, Basilius vcro tum locis iam laudatia,
tum epist. 50. (129.)". Hier ist von einer Erdiclitung seitens
der Arianer oder Ajiollmaristen die lledc. Eine Erdichtung
mufs doch immer irgendeinen ersichtlichen, bestimmt er-
kennbaren Zweck haben, welcher sollte der hier sein?
Wenn zrur Zeit, als der apollinaristische Streit bewondera
iKappadocien erfüllte, der kränkliche Grcgorios von Nazianz,
■SesjirecliDiig Jpt Si;hrift (DeutBclit! Littcratur?.eiliuig V, Nr, 'i, H. 41)
tchgewiespu.
90 DRiSEKEy
nach dem Jahre 381, aus der Stille seines väterlichen Land-
sitzes zu Arianz in seinen berühmten beiden Briefen an
Kledonios den ApoUinarismus bekämpfte^ und (Ep. I, S. 84
= S. 542 GoldL) von den Gegnern klagt, Sti xal fjn&v
nuxTaiffcödovrai tbg ö^odd^atv nuzi 6^oq>Q6v(aVy so ist doch das
noch etwas ganz anderes, als Cotelier anführt Gb^orios,
welcher von der durch des Apollinarios Christologie mehr
und mehr zwischen diesem und den Nicänem sich be-
festigenden Kluft eine wenn auch nicht völlig klare Ein-
sicht gewonnen hatte, war eben hierdurch berechtigt, sich
derartige Berufungen vonseiten der ApoUinaristen zu ver-
bitten, zumal die zweite allgemeine Kirchenversammlung zu
Konstantinopel 381 dieselben als Ketzer aus der kirchlichen
Gemeinschaft gewiesen hatte. Den Apollinaristen konnte
man anderseits das Recht nicht wehren, sich auf den ihnen
mit den rechtgläubigen Bischöfen gemeinsamen Ghrund und
Boden ihrer dogmafischen Überzeugungen, das mcänische
Bekenntnis, zu berufen, wenngleich sie gelegentlich wohl
da, wo es ihnen zum Behuf äufserer Ausbreitung und An-
erkennung zweckdienlich zu sein schien, die von ihrem
Meister aus jener gemeinsamen Grundlage gezogenen Fol-
gerungen zu verschleiern kein Bedenken trugen.
Noch weit anders verhält es sich mit dem von Cotelier
gerügten Fälscherverfubren der Apollinaristen. Dasselbe ist
allerdings recht weit von der ihnen untergelegten Absicht,
jemanden verdächtig zu machen, entfernt. ApoUinaristen
haben weidlich die Überschriften der Werke ihres verketzer-
ten Meisters gefälscht und die leuchtendsten Namen der
alten Kirche an Stelle jenes gesetzt; aber nicht etwa zu
dem Zwecke, einen Mann wie Justinus, Gregorios Thauma-
turgos, Athanasios apoUinaristischer Ketzerei verdächtig zu
machen, sondern um ihres gefeierten Meisters Schriften, be-
sonders kleinere, wenig bekannt gewordene, in denen des-
selben eigenartige Anschauungen, welche verurteilt waren,
wenig oder gar nicht zutage traten, der lürche zu erhalten.
Das geschah in den ersten Jahrzehnten des 5. Jahrhunderts.
Ein gleiches Verfahren etwa bei den mit des Basilios Na-
men versehenen Briefen anzunehmen, würde völlig abge-
BBIErWECH&EL DES BA»IU03 UlT APOLLIXARIOS. 91
Bchmackt und ainnlos sein, die Briefe geben dazu auch
nicht den geringsten Anhalt Beide Annahmon treten viel-
mehr mit den aus den Briefen sich ergebenden Zeitverhält-
idsBen und geachithtlichen Umständen in unlösbaren Wider-
spruch. Was hat also Cotelier mit jener den Apollina-
risten gemachten Unterstellung sagen wollen? Sollte nicht
doch eine Zeit im Leben des Baailios sich aufweisen lassen,
fiir welche diese Briefe als völlig uuBchuldige, in keiner
Weise verdächtige Zeugen auch heute noch autzutreten im-
stande wären? Auf diese, nach der Zurückweisung jener
wunderUchen, durch nichts erklärbaren Unterstellung, so
naheliegende Auskunft fuhrt uns Cotelier selbst im An-
Bchlufa an den zidetzt erwähnten 59. Brief des Basilios un-
mittelbar hin. „Sentontiao meao ratio est" — iJilirt er
□Kmlich fort — „quod cum Basiliu uhicerentur litterae ad
ApoUinarem scriptae, respoudit UIc, eas de fide non fuisse,
sed Bimi)lit;is et aniicae salutationis , nee se pracceptoria vel
discipuU locum umquam obtinuisse erga cum, tum epistolam
illam in manus Interpol atrices incidisse". Da denn doch
aus diesen Worten und sonstigen zahlreichen Beziehungen
und Nachrichten unbedingt feststeht, dafs Basilios zu Apolli-
narios in früheren Jahren, d. h. etwa bis zum Jahre 373,
wo er in einem Briefe an Meletios von Antlochia (Epist. 129
aL 59) keine Gemeinschaft mehr mit ein ein Manne wie
ApoIlinarioB zu pflogen, ja von Anklagen gegen denselben
vor dieser Zeit nichts gewufst zu haben versichert, in freund-
lichem Verhältnis gestanden hat, warum sollen die in den
mitgeteilten Worten geschilderten Briefe an Apullinarios
nicht eben die uns heute noch vorliegenden, von Cotelier
Tcröfifen dichten sein?
Doch hier komme ich eben auf den vorher gerügten
Umstand, die mit dem katliolischcn Standpunkt Cotclier's
sasammenhängcnde wiesen schuftliche Befangenheit zurück.
Cotelier hat sich offenbar gescheut, die Thatsache unum-
wunden anzuerkennen, beziehentlich zu erklären, dafs und
wie der von der rechtgläubigen Kirche hochgepriesene, der
^griechischen wie der römischen Kirche gleich verebrungs-
wUrdige Erzbischof von Cäsarea mit dem von einer öku-
Vi
92 DRASEKE;
menischen Kirchenversammlung verurteilten Ketzerhaupte
Apollinarios in näherer Verbindung gestanden. Vielleicht
aber thun wir Cotelier mit der Annahme dieser G^anken-
verbindung unrecht, er hat am Ende nichts weiter gethan^
als dem allerdings schon ebenso beschränkten Verfahren
der alten Earche zugestimmt, welche nicht blofs die Schrift-
werke der Ketzer, z. B. des Apollinarios und des Theodoros
von Mopsuhestia, schonungslos vernichtete, sondern auch mög-
Kchst die Spuren zu tilgen beflissen war, die für eine wenn
auch nur vorübergehende engere Verbindung jener statt
vieler genannten Männer mit den Säulen der Rech^läubig-
keit zu zeugen geeignet waren. Derartige Erwägungen
sind unzweifelhaft bei der Sammlung von Brie-
fen der grofsen rechtgläubigen Kirchenlehrer
mafsgebend gewesen. Wenn die Beseitigung solcher
der späteren beschränkten Rechtgläubigkeit nicht ganz un-
bedenklich erscheinenden Schriftwerke nicht völlig gelange
so können wir uns nur über das gütige Geschick freuen,
das uns hier und da wenigstens noch einige spärliche
Bruchstücke erhielt, welche über sonst dunkle Punkte er-
wünschten Aufschlufs geben. Nur der Eifer des mannhaft
für den grofsen Lehrer der antiochenischen Schule Theo-
doros von Mopsuhestia eintretenden Facundus von
Hermiane^ hat uns Briefe des greisen Gregorios von
Nazianz an den jugendlichen Antiochener aufbehalten, die
von der gedrückten Stimmung des um die Ausbreitung des
ApoUinarismus tief besorgten Nazianzeners und der hohen
Meinung desselben von den Fähigkeiten des jungen Strei-
ten für den Kampf mit den gefiirchteten Gegnern eine
lebendige Anschauung gewähren. Die spätere Verurteilung
des Theodoros zu Konstantinopel 553 hat höchst wahrschein-
1) Pro defcnsionc trium capituloruin VII, 7, S. (J2 des 10. Ban-
des der Ma.xima bibliotlicca vct. Patr. etc. Lugd. 1()77. Dorn er
führt iu seiner Schrift „Theodori Mopsvostcni doctrina de Iinaginc
Dci" (Gesammelte Schriftou [Berlin, Hertz, 1883J, S. 452, Aum.) diese
Stelle des Facundus irrtümlich als dem 8. Buche der Verteidigungs-
schrift desselben zugehörig an.
BRIKPWECHREI- DKS BASILIOS KT APOLI.IKAUIOS. 93
lieh zur Folge gehabt, dafs die UrBchrift des einen verloren
ging, die des anderen dagegen, ihrer bezeichnenden Auf-
schrift berauht und damit in ihrem Zweck und ihrer Be-
deutung nicht mehr kenntlich, fortan namenlüB Iierumirrte '.
Äufl gleichem Grunde, meine ich, sind auch aus der Samm-
lang der Briefe des Basilios die an Apollinarios ge-
richteten ausgeschieden und getilgt wurden; der Zufall hat
sie uns unter allerlei anderen griechischen Bruchstücken der
älteren und jüngeren Zeit erhalten. Wir werden gerade im
Hinblick auf die so hinfMigen, allgemeinen Ausstellungen
Cotelier's um so dringender uns aufgefordert erachten
miXsseii, die Briefe auf iliren Zweck, ihren Inhalt und ihre
Abfaasungszeit genauer zu untersuchen. Wir werden dann
sehen, dafs von Einscbwärzungen und Fälschungen, von
denen Cotelier in der zuletzt angeführten Stelle redet,
keine Bede sein kann.
Wie oberäächlicb erscheint die Untersuchung, wenn Co-
1) Da mir auf der Hamburger Stailtbibliotliek nur eine Kolner
AoBgabc des NaziHJizeners vom Jalire Ui'M xugcbule sticht, ao vermag
ich in diesem Pmikte nicht vüUig klar EU Bellen. Icli wcifs nicht,
ob die Benediktiner in ihrer Ausgabe betrefTs des iu der Külucr Aus-
gabe auler der Nummer 8K (,S. 843) mitgcteilteu Briefes auf Grund
Qirer Handschriften oder auch eigener Nacbforschungen das Kjchtige
gegeben haben. Da der «8. Brief ebenso wie der H7. in der Kolner
Ausgabe die Aufschrift T'ü nOriTi trägt, der 81!. Brief jedoch den Na-
n des Emprängers nennt; ^tioyiii;!, so würde auch der 88. Brief
Dach Ausweis der von den frijheren Herausgebern des 17. Jahrhun-
derts benutzten Handachriften als an einen gewissen liContiou ge-
tiebtet gelten müssen. Hier tritt nun aber das wichtige Zeugnis des
~ cunduB von Hermiane, des beredten Verteidigers des Antio-
ebcnen Theodoros ein. Der 88. Brief des Nazianzencrs ist närolicb
die Urschrift desjenigen Briefes, welchen Facm^dus als von Grc-
rios an den jugendlichen Theodoros geschrieben im 7. Kapitel
7. Buches seiner Schutzschrift in wörtlicher lateinischer Über-
•etzung mitteilt. Ob diese Thatsache bekannt ist, vermag ich iiiclit
1 sagen, sollte sie es nicht sein, so würden die Namen loeigkeit des
fetxterea Briefes in der griechiachcti Sammlung und das Fehlen des
ersteu von Facundus mitgeteilten meine Ansicht über Grund und
Veranlassung von derartigen Ausfüllen im allgemeinen wie in dem
TOTÜi'gcndeu Falle im besonderen iu erwünschter Weise bostäligen.
\l
94 DRASEKB,
teuer den Widersprach dessen; was von Basilios mit Be-
zog anf ftriefe, die er an ApoUinarios gerichtet, versichert
wird, einfach durch die Behauptung meint dargethan zu
haben: ,,At epistolae nostrae de fide et sancta trinitate sunt
ac de scripturae sacrae lods di£Scilibus, supponuntque
magnum fuisse commercium litterarum inter Apollinarem et
Basilium Gr^oriumque: sed et in üs Apollinaris tamquam
magister et unicus ecclesiae doctor a Basilio interrogatur'^
Was soll endlich der Schreckschuls: ^^Quid quod Arianismi
et ApoUinarismi velut sparsa videntur continere semina''?
Der gelehrte Benediktiner, welcher des Basilios Leben schrieb,
gesteht nichts davon bemerkt zu haben ^. Ist es denn Co-
telier seiner Zeit entfigdlen, dafs Basilios in jüngeren Jahren
sich den Semiarianem zuneigte? Der SchluTssatz endlich:
,,Caeterum etsi suppositiciaCy magni faciendae sunt epistolaei
per quas nimirum cemere est veterum haereticorum ma-
litiam, fraudem, errores'' — krönt in würdiger Weise jenes
dem ängstlichen katholischen Standpunkt entstammende Hirn-
gespinst von der Bosheit der alten Ketzer. Die ganzen
Ausführungen Cotelier's enthalten keine Spur, ja nicht
den geringsten Ansatz zu einem wirklichen Beweise. Ver-
suchen wir einen solchen zu geben.
Wenn der beschränkte Eifer der rechtgläubigen Sammler
von Briefen so hervorragender Kirchenlehrer, wie Qregorios'
des Theologen und Basilios', diejenigen echten Schriftwerke
derselben verwarf oder beseitigte, aus welchen in irgendeiner
Beziehung nachteilige Schlüsse auf die Rechtgläubigkeit
ihrer Verfasser hätten gezogen werden können: so steht auf
der anderen Seite nicht weniger die Thatsache fest, welche
als die Umkehrung jenes wissenschaftlich so verwerflichen
Verfahrens bezeichnet werden mufs, dafs von geschäftigen
christlichen Schriftstellern zahlreiche Briefe erfunden und in
die Sammlungen echter Schriftstücke eingeschwärzt wurden,
um die Bedeutung ihrer angeblichen Verfasser wissenschaft-
lich oder geschichtlich hervorragenden zeitgenössischen
Persönlichkeiten gegenüber in um so hellcrem Glänze
1) Basilii oper. vol. m. Vita S. Basiüi, Cap.39, IV, S.173C.
[, DES BASlLins HIT APOLLINARIOS. 95
■tnbleD zu lassen. Oerade in der Sammlung der Briefe
BasilioB haben mehrere solcher Einschaltungen Platz
gefunden. Die dort überlieferten Briefe des Basilios
SD Libanios, den berühmtesten damaligen Lehrer der
Bedektmst, sowie die zahlreichen Briefe dea letzteren
•n jenen ' werden , weil sie unverkennbare Spiu-en der
TTnechtheit an sich tragen , heutzutage mit Itecht bean-
standet '. Die ersteren verdanken ihre Entstehung offenbar
dem Wunscbe, die aus der blofs wahrscheinlichen Tliatsache,
iab Baailios als Jüngling den gefeierten Sophisten in Kon-
stantinopel kennen lernte, ohne weiteres gefolgerte Tliatsache
einer näheren und vertrauteren Bekanntschaft der beiden
Ranzenden Vertreter des Christentums und des Heidentums
Uiren späteren Mannes jähren durch briefliche Kund-
gebungen mannigfaltiger Art zu bekräftigen. Der gleichen
Thätigkeit eines Unberufenen entstammt der jetzt allgemein
als unecht anerkannte Brief des Basilios an den
Kaiser Julianus', auch er in der Absicht verfafst, des
Basilios Mannhaftigkeit dem verhafsten Abtrünnigen gegen-
tiber kräftig hervortreten zu lassen. Wenn die Fälschung
der Briefe, die hier zur Veran schau liebung des Je dann und
wann im Altertum beliebten seh riflstelleri sehen Veri'ahrena
rähnt worden sind, überhaupt, so ist insbesondere die
Unechtheit des zuletzt erwähnten an der Unmöglichkeit der
Torauagesetzten Thatsachen und an den in den angenomme-
geschichtlichen Verhältnissen offen zutage tretenden
1) Bdde Reihen von Briefen im 3. Bande der Benediktiner- Aat-
pite dea BasiUos vom Jahre 1730 onter den Nummcra 335—359.
S) Dafs Külliag in seiner „Gcaclilchte der arianischcn Iläreaie",
Bd 11 (Gütersloh, BorteUmann, 1883), S. 341 die Briefe ^r echt
ati8ii:ht und ilIs solche behsndolt, kann denjenigen nicht Wunder
aehmcn, der dieses Mannes ergentiimliche Quellen heu rtelluiigakuQst in
<li:iD genannten, nach einigen seiner bcrvorstcclieudeteii Mängel von
mir Khon in dieser Zeitachnft (Bd. VTI, S. 134, Anm. 1) gekenn-
»iclmeten Werke genauer kennt.
3) Brief 41 bei den Benediktinern, desgl. gcßUcht des Kaisers
Brief 40 bei dm m^nedlktinem = 74 in Hertlein's TeuLner'schcr
Aiugftbe des Jalianus.
1
96 DRASERE,
Widersprüchen erkannt worden. Auf diese innerenMerk-
male also wird es auch bei den des Basilios und Äpolli-
narios Namen tragenden Briefen ankommen; dieselben
werden dann in demjenigen Falle als echt und damit die
ihnen durch die Überlieferung als Ocleitsbrief mitgegebenen
Überschriften als der Wahrheit entsprechend angeschen wer-
den müssen^ wenn ihr geschichtlicher und dogmatischer In-
halt mit dem uns sonst von den beiden Männern Über-
lieferten genau zusammenstimmt Gehen wir zu diesem
Zwecke die Briefe durch, deren schwer zugänglichen Wort-
laut ich im Folgenden in mehrfach gereinigter und, was
besonders die Accente und Satzzeichen angeht, verbesserter
Grestalt folgen lasse, um in dieser geschichtlich wichtigen
Frage volle Klarheit zu erzielen.
Der erste Brief lautet folgendermafsen :
T(ü öeaTtdvt] fiov aid€0if.i(üTaTqf ArtoXXivaqUi} Baaileiog.
nq&ueqov fiev aoi Ttegi t(üv ev räig yQOipaig daaq>wv
€7t€aviXlofAeVy ymI rjv(pQaiv6fded-a , oig ce i7t€f47reg, on;
T€ vniaxvot\ vDv dt fieiKiov fjfuv Inf.Q ^blUviov ij
5 (pqovtlg TTQoaeXfjXvd-ev , eig f]V ovd^.va €ceqov l'xofisv iv
TÖig vüv dvD^Qiü/coig toioütov '/mivwvöv '/ml 7rqoGTdTr(if
i7cr/MXiaaaO'aiy öicoiov ai ymI iv yvioaei 'Aal iv Ao/w
dvLQißfj TS öfio€ YMi evTCQoaiiov 6 d-eög fjfilv iöcjQtjaavo.
i7tel ovv o\ 7tdvva tfvQOvveg vial loyiov '/ml urjrrifÄdKov
10 i^tjv oi'AOciitivrjv i/iTtXi^aavieg zd r^c; ovaiag (ivofia, wg
dlXoTQiov t(üv O^etcov loytior, i^ißaXov^ '/Mva^uoaov fjf.ih
ariinßvat y o/tiog le oi 7caTiQ€g adrot ixQ^joavrOy '/mI et
ftridaftov e^Qsg iv rij yQcc(fj] 'A,elf.iEvov, tbv yäq iiciovoiov
iiqiov /.ai xbv Xabv zöv Ttegiovaiov y '/ml el vi toiovzov,
15 wg oudiv t'xovta '/olvov diajtxvovöiv. tJteLza (.livroL ymI
7CEQL avTüd foC öjnoovaiüv y o? tvE/^^ 7)yo€f^aL zavra
'Aazao'AEvd^Eiv adtorg, ßad-icog ztjv ovaiav diaßdXXovragy
t/rEQ Toü (.itjÖEf^iav x^^Q^^ ^H^ 6/J00vau(t '/.aiaXijCEiVy
dtu)MßElv fj^Aiv ;c}m€vceqov ßovh'jlhin, xlva xi^v öidvoiav
20 ^X^i, yMt 7r<j)g liv vyidig Xiyoiio iff (ov ovte y/vog 'aolvöv
1\IEQ'JLeIi.IEV0V O^EWQElZaL y OriE vXrAOV Ö/CO/ElfJEVOV jCQO-
BRIEFWECHS&L des BASUJOS HIT APOLLINAIilOS.
wta^ov, oike äfrofieQia/iög loD n^ottqov elg lö dei-
sfißoy. rrög oiv xe>) ^V***' ^f*oot''aiov tdv viifv Tip
ntn^l, £ig fiijäeftiav l'wotav rßv eiQrj^itvtm' iiaTajti/cTov-
tag, &tXrflov fjfttv TnXacvTCQOv (JiaptfpOda/. Ijfielg (liv 2
fd^ vnetXi'j<fa(itv , Sneq Uv elvai xatf Ind^caiv toB
•mngög owri'a krj<f!)ij , tovco elrai uävrioq övayAaiov
■i lijV toC vioC hxfißöma'&at. lüatE et ifCt^i >'Oijiü>'
itov dyiwrjTOV tijV loS ?torpöe ovalav rig Ityoi, <piü<i
t{tw ätäiov /ewjiÄc Kai tijV tov noroyeyoüg otaiav 3
El. Jigdg äi Ttpr Toiaikifv t'yyotay öokei ftoi ?) roP
^KOpaJUcixcttK; ifioiov qiiovi) (läXXov ipceg ij ioI3 öfioov-
giov äQfiörtEiv. ifQg yä^ ifiutl fxi^äEfiiav iv zi^ f.täHoy
luxi fjitov rf/y öttKpoQäy ixov, ravföv fiiy ody. Eivat, öi6ti
tf \Aicf jttqi.yqaff') tf/g ovatag iazly fjuiiEQOv, Sfiotov dt 3
xav' oi-aiav äxfißßg xai d/iaQalXoKTiog, dqi>&g Sv olftat
Xiyea&at. ute olv wna za^tas xp'} äialiyEOitai tag
brvoiag, ei'xE hi^ag ftsiCoug övrilaßEiv, ü^ aoifög lazQÖg
(xat yäf i^Etf/jyaftiy aoi rö iv tij yuxqditf) zö ftiv ttg-
futaroEv 'i'aaat , td de aadQÖv hcoot^^iiov ■ jcavii de 4
tfj6ti:ti> ßeßaibiaov ^fiäg. zoig ^lerä vTjg EiXaßeiag oov
'idäeX^ig äarcäZofiai xai d§iQ fxEzd aoS evyjEaäai iitriQ
^fUüy, 7va aui&&ftEV. 6 hat^og rqiff6qtog, töv fietä
TÖv yovitav tXöfteyog ßioy, avroig avvEOTiy. byiatvtav
hti TtXEiaiov (pvXaxifEiiig ^ftiv, linfEXQv /j^täg xai zaJg 4
if^als Mxl z^ yvwOEi.
)1. olHf anofiHiiitfiiii] ovx ÜTio/inua/iiii Cot. Bcned. — 36. *(ilj
notwendig, fehlt bei C. imd IJ. — 37. stiti«) feLlt bei C. und B., cr-
Khdnt dem Zusammen! uwgc nach notwendig. — 39. Die Klammer,
nierat von den Bencd. gesetzt, dürfte dvii Gcdatiken kliircr uud nii-
gemesBener hervortreten ksseu. — t&. fnl nifiataf] {mniiionn- C.
QDd B.
Der Eingang des Briefes (Z. 2 8*.) setzt jedenfalls oiu
Schreiben des BasUius, welches auf Sclirii'terklürung bezüg-
liche Anfragen entliielt, und eine hierauf erfolgte, denselben
erfreuende und beü-iedigende Antwort vonaeiten des Apolü-
narios voraus. Hiernach allein dürfte es kiiuni ziilüssig sein,
wie L'otelier thnt, von einem regen ÜriefwecLael zwischen
Züticki. r. K.-e. VII), 1. 1. 1
98 DRASEKSy
Apollinarios und Baailios zu reden und gar noch Ghr^rios
von Nazianz in diese Verbindung hineinzuziehen. Denn
von Gregorios wird am Ende des Schreibens nur erwähnt,
dafs er sich nicht mehr bei Basilios befindet, sondern zu
seinen Eltern zurückgekehrt ist; und am Schlüsse seines
zweiten Briefes sagt Apollinarios; dafs Gri^orios nichts von
sich hören lasse. Es fragt sich zunächst, in welche
Zeit die in dem Briefe selbst enthaltenen An-
gaben führen.
Bezeichnend für die zahlreichen gefälschten Briefe, deren
Erwähnung geschah, und f&r derartige Fälschungen über-
haupt ist bekanntlich der Umstand, dafs meist die äufseren,
geschichtUchen Umstände, welche ein Späterer in sein Mach-
werk verwebte, um demselben das Gepräge der Echtheit zu
verleihen, sich als imgenau, zerflossen und widerspruchsvoll
erweisen. Auch der vorliegende Brief enthält, wie nicht
minder die folgenden, eine Reihe von geschichtlichen An-
deutimgen und Beziehungen, auf deren richtiger Deutung
fUr das Verständnis alles ankommt Weder von Cotelier
noch von den Benediktinern ist ein nennenswerter Ver-
such in dieser Richtung gemacht. Achten wir da ja auf
des Basilios eigene, unbezweifelt echten Briefen angehörige
Aufserungen, die, wie wir gesehen, von Cotelier, freiUch
in nicht ausreichender Weise, berücksichtigt worden sind.
Dafs Basilios mit Apollinarios in brieflicher
Verbindung gestanden, wird allgemein zuge-
geben, doch herrscht Meinungsverschiedenheit über den
Umfang dieses Verkehrs. Ein wenig beachtetes, aber wohl
hierher gehöriges Zeugnis ist jedenfalls auch das des zeit-
genössischen Syrers Ephräm, der (bei Photios, Cod. 229,
S. 255b, 9) zum Beweise der kirchlichen Lehre, dafs der
göttliche Logos im Fleische gelitten habe, während die Geg-
ner in lästerlicher und verwerflicher Weise von einem Lei-
den der göttlichen Natur redeten (S. 255 a, 31 — 34), sich
auch auf einen Brief des Basilios an Apollinarios
beruft Der Brief kann sehr wohl in dieselbe Zeit und in
dieselbe Reihe von Briefen gehören, aus der uns nur die
vier vorliegenden erhalten sind. Wenn die Benediktiner,
HRIEFWECnSEL DES nASII.IOS M!T APOLUNAniOS. 99
deren Angabe über Zweck und Absicht der Berufung
Ephrätn's entschieden unzutreflfend iat, jenen von dem An-
tiochener, der wahrliaftig seiner Zeitgenossen und im be-
sonderen seines Landsmannes Apolünarios Briefwechsel ge-
nauer zu kennen in der Lage war , genannten Brief de«
Bosilioe an ApoUinarios einfach aus dem Grunde für unecht
erklären ', weil Basilios niemals an ApoUinarios über Glaubens-
angelegenheitcn geschrieben habe, so ist das eben ein Verfahren,
welches, wie sich zeigen wird, vor einer genauen Prüfung
der eigenen Aussagen des Basilios nicht bestehen kann. —
Cotelier nun ist beflissen gewesen, auf Grund der letz-
teren den Umfang des Briefwechsels lieider Männer als
möglichst geringfügig darzustellen, ja er redet schhefslich
nur von einem einzigen Schreiben. Die Verdäch-
tigungen der Gegner des Basilioa, besonders des Eustathios
von Sebaste, welche ihm Verbindung mit Apollinarioa vor-
werfen und ihn infolge derselben zu einem Genossen und
Anhänger des Laodiceners machen möchten, würden, als
völlig aus der Luft gegriffen, bei den Zeitgenossen nicht
den geringsten Eindruck gemacht haben, wenn ihnen nichts
Thatsächliches zugrunde gelegen hätte. Basilios kommt des-
halb mehrfach auf diesen Punkt zurück; aber wir dürfen
dabei nicht aufseracht lassen, dafs ihm vor allen Dingen
daran liegen mufste , die Verdächtigungen möglichst als
haltlos und unbegründet darzustellen. Seine Äufserungen
tragen darum auch nicht überall das gleiche Gepräge.
Um des Eustathios Unterstellung, des Basihos Brach mit
ihm sei erfolgt, weil jener in Briefwechsel mit ApoUinarios
gestanden, zurückzuweisen, schreibt Basilios im Jahre
376 an Bischof Patrophilos (Epist. 244, al. 82): „Ich habe
ApoUinarios niemals für einen Feind gehalten, ja es
sind Gründe vorhanden, derentwillen ich den Mann verehre;
jedoch habe ich mich nicht derart mit ihm verbunden, dafs
ich die Anschuldigungen, die gegen ihn erhoben werden,
auf mich nehme, da ich auch Einiges an ihm auszusetzen
habe, nachdem ich einige seiner Schriften gelesen. Jedoch
1) Vita S, Hiwilii p. CLXXni, c. 34,-4.
100 ÜRÄSE^
erinnere ich mich nicht^ eine Schrift über den heiligen Geist
von ihm erbeten oder erhalten zu haben. Vielmehr höre
ich; dafs er zum Vielschreiber geworden sei; nur wenige
aber von seinen Schriften habe ich gelesen .... Was
geht es mich an, wenn jemand etwas schreibt, was einem
andern nicht behagt? Gleichwohl, wenn einer ftir den an-
dern Rechenschaft ablegen soll, so möge der, welcher midi
betreffs des ApoUinarios anklagt, sich mir gegenüber recht-
fertigen wegen seines eigenen Lehrers Arios und wegen
seines eigenen Schülers Aetios. Ich bin in keinem Punkte
weder Lehrer noch Schüler desjenigen gewesen, dessen Lehr-
anstöfse mir zum Vorwurf gemacht werden*'.
Der Brief ist bezeichnend für die rein menschliche,
freundliche Stellung des Basilios zu ApoUinarios. Der
Schlufs sagt nur eine Thatsache aus, welche durch den
Lehrgehalt der Schriften beider Ejrchenlehrer durchaus be-
stätigt wird und mit dem Inhalt des ersten Briefes, in wel-
chem Basilios ApoUinarios fireundschaftUchst um eine be-
iriedigende Erklärung des Wortes ovaia ersucht, so wie
dieselbe dem Sprachgebrauche der Väter und der heiligen
Schrift entspricht, wohl zusammenstimmt. An ein Schüler-
verhältnis des Basilios zu ApoUinarios nötigt die ganze Fas-
sung des Briefes durchaus nicht zu denken.
Die hier besonders in Betracht kommenden Aufserungen
des Basilios gehen bis in das Jahr 373 zurück. In die-
sem Jahre schrieb er an einen ihm befreundeten Bürger
von Neocäsarea, Olympios (Episi 131, al. 382): „Wenn ich
einst vor vielen Jahren an ApoUinarios oder irgendeinen
anderen geschrieben habe {hciateiXa)^ so darf man mir
daraus keinen Vorwurf machen. Denn ich selbst mache
niemandem einen Vorwurf, wenn er etwa infolge irgendeines
Umgangs in Irrlehre gerät (ihr kennt ja die Männer, auch
wenn ich keine Namen nenne), weil jeder doch nur fiir
seine eigene Sünde sterben soll" . . . „Ich, Bruder Olympios,
rede weder von drei Göttern, noch habe ich Gemeinschaft
mit ApoUinarios".
Dei' biör gyjbrauchte «Ai^sdruck (^hriavfXkEiv) sowie die
Verbindung, in welcher er mit dem Folgenden erscheint.
BBIEPWECHSEL DES BASILIOS MIT AP0LLINARIO8. 101
läfst durchaus darauf schliefsen, dafa meliriacli Briefe zwischen
beiden Männern gewecliaelt sind; wie sollte auch aus der
Thatsachc, dafs vor vielen Jaliren ein vertrauliches Schrei-
ben vonseiten des Basilios an Apollinarios gelangte, ein so
schwerer Vorwurf entnommen werden können? Sind die
Ausdrücke in diesem Briefe an Olynipios unbefangen und
eröffnen sie einen weiteren Blick in das Verhältnis zwischen
den beiden Kirchenlehrern, so erscheinen bei zunehmender
Gefahr, durch die Verdächtigungen seiner Gegner in den
Augen der Welt auf Apollinarios' Seite gedrängt zu werden,
die Aufserungen des Basilios zugespitzter und ängstlicher.
So schreibt er im Jahre 375 an seine Müncbe (Epist. 226,
aL 73): „Wenn jemand in Syrien schreibt (Apollinarios),
so ist mir das gleichgültig. ,Denn aus deinen Worten',
heifst es (Matth. 12, 37), .wirst du gerechtfertigt werden
und aus deinen Worten wirst du verdammet werden '. Meine
eigenen Worte mögen mich richten: wegen trerader Irr-
tümer aber möge mich niemand verurteilen und mir nicht
Briefe zum Vorwurf machen, die ich vor zwanzig Jahren
geschrieben {rag /rpö eixofftv tcßv y^arpeiaag :caq fj^idiv
irrtarolät;) , um zu beweisen, dafs ich jetzt noch Gemein-
schaft habe mit denen, welche jene Dinge geschrieben haben.
Als Laie an Laien habe ich vordem geschrieben, ehe noch
jemand irgendwelchen Verdacht gegen jene erregte; auch
habe ich nichts über den Glauben geschrieben, noch der-
artiges, wie jene jetzt verleumdoriacb wider mich herum-
tragen, sondern einfache Begrufauiigen, welche die Obliegen-
heit freundschaftlichen Verkehrs erfüllten".
Dieser Brief scheint mir die Auslegung dos vorigen zu
bestätigen: es steht danach fest, dafs mehrere Briefe
von Basilios an Apollinarios gerichtet worden
sind, und Basihos hat Dinge geschrieben, für die er die
Verantwortung zu übernehmen gern bereit ist. Diese freie
Aussprache ist seinen München gegenüber wohl erklärlich
und gowiffi durchaus am Platze, Gewundener lauten die,
wie die Ausdrücke beweisen, auf dieselbe Sache bezüglichen
Aufserungen in einem Schreiben aus demselben Jalire 375
102 DKÄSEKE;
Mit Bezug auf das Streben der Gegner , ihn zu emem
Genossen und Anhänger des Apollinarios zu machen
(S. 343 A)^ sagt Basilios daselbst (S. 343 B): ,,Wemi sie
auf Grund offenkundiger Thatsachen mir Gemeinschaft mit
demselben vorwerfen, so mögen sie doch kanonische Briefe
zeigen, die ich an ihn oder die er an mich geschrieben^
oder den Verkehr der Kleriker mit einander, oder wen von
ihnen ich jemals zur Gebetsgemeinschaft zugelassen. Wenn
sie aber einen Brief aufweisen, den ich übrigens vor
25 Jahren an ihn geschrieben (et di enia%oXr(v TtQotpiQovai
Tov XoiTidv nQÖ Tie' ivCtv yQaq>Eiaav avvfit), als Laie an
einen Laien, und auch diesen nicht einmal als von mir
geschrieben, sondern gefälscht (Gott weifs von wem), so er-
kennet daraus das Unrecht, welches darin liegt, dafs man
doch einen Bischof nicht dafür unter Anklage stellen kann,
was er vormals als Laie in irgendeiner gleichgültigen An-
gelegenheit etwa unbedacht geschrieben, und zwar nicht
einmal etwas über den Glauben, sondern einfach einen Brief
mit freundschafUichen Versichenmgen ".
Hier ist nur von einem Briefe die Rede, während in
den vorigen von mehreren. Sollte das zufallig sein? Die
Gegner haben als die offenkundigen Thatsachen, auf Grund
deren sie Basilios Gemeinschaft mit Apollinarios vorwerfen,
ohne Zweifel die Briefe angesehen, von deren Vorhanden-
sein sie wufsten, oder die sie, wenigstens was einen anlangt,
dem Wortlaut nach kannten, sonst würde nicht Basilios mit
solchem Nachdruck eine Reihe anderer Thatsachen in's Ge-
fecht führen, die sein Verfahren als Bischof auch nicht dem
geringsten Makel aussetzten.
Wichtig für die Frage der Abfassung des ei-sten oben
im Wortlaut mitgeteilten Briefes sind nun die in den Briefen
220 und 224 enthaltenen Zeitangaben. Im 131. Briefe
aus dem Jahre 373 ist ganz allgemein von vielen Jahren,
in den beiden anderen aus dem Jahre 375, im 226. von
20 (//) Jahren, im 224. von 25 (/.c') Jahren die Rede.
Welche von letzteren beiden Zahlen ist die richtige? Die
Antwort hierauf kann nicht zweifelhaft sein. Die Be-
nediktiner erklären sich für die erstere und wollen
8KIEPWECHSEL DES BASILIOS MIT APOLLINARIOS. 103
die zweite danach verbessert wiaaen '. Aber Bollten nicht
alle beide falsch d. h. verschrieben seinV Zu dieser An-
nahme aind wir, wie mir scheint, durch den Umstand ge-
nötigt, dafs, sei nun die Zahl /' oder x«' als richtig ange-
nommen, wir den Briefwechsel des BasiUoa mit Apoilinarios
in die fünfziger Jahre verlegen müfsten. In dieser Zeit
aber weilte Basilios in Konstantinopel oder Athen, woselbst
er, zu den Füfsen gefeierter Lehrer sitzend, unter deren
Leitung nachweislich völlig aufging in der Durchforschung
und sorgfältigen Aneignung der gesamten hellenischen Wissen-
schaßen, vor allen der Rhetorik, Grammatik und Philosophie.
Alles, was wir von diesen Leiu-- und \A'an der jähren des
Basilios wissen, verbietet es uns durchaus, an einen Brief-
wechsel desselben mit Apoilinarios wälirend derselben zu
denken. EUner eindringenderen Durchforschung der heiligen
Schrift widmete sich Basilios erst, nachdem er, um das Jahr
358, in sein Vaterland heimgekehrt war. Der Beginn die-
ser Bemühungen läfst sich aber noch genauer feststellen.
Dem Wunsche seiner Mitbürger entsprechend, scheint er
zunächst einige Zeit, sicherlich aber nicht lange, in seiner
Vaterstadt als Rhetor gewirkt zu haben, ehe er den Ent-
schlufs fafste, in gänzlicher Zurückgezogen beit von dem ver-
wirrenden Treiben der Welt ein streng mönchisches, ein-
siedlerisches Leben zu fuhren. Um das Mönchslebeu aber
aus eigener Anschauung kennen zu lernen, unternahm Ba-
silios im Winter des Jahres 3üO eine gröfsere Reise
durch Syrien, Palästina und Ägypten, von der er
erst, nachdem er lungere Zeit durch Krankheit in AJexandria
zu weilen gezwungen war, im Winter des folgenden Jahres
zurückkehrte, um sich dann sofort in die schon von seiner
Mutter und Schwester zuvor erwählte Einsamkeit in Pontus
zurückzuziehen. Hatte er anfangs gehofft, als Genossen
seinen Freund Gregorios von Nazianz dahin mitzu-
nehmen, 80 raulate er diesem Wunsche bald entsagen, da
Gregorios Pflichten gegen seine alten Eltern zu erfüllen
hatte, sich somit dem Mönchsteben ausschliefslich zu widmen
L t) ViU S. Basilü, C^. II, 5, S. XLUID.
104 DRASEKE,
verhindert war. Nur auf kurze Zeit folgte dieser den wie-
derholten, dringenden Einladungen seines Basilios in die
Einsamkeit Hier lebten nun beide Freunde einzig sich
selbst und ihrem Ootte in erhebender Gebetsgemeinschaft
und gemeinsamer Arbeit in Garten und Haus; hier durch-
forschten beide gemeinsam vor aUem die heiUge Schrift und
fertigten jene Auszüge aus den weitläuftigen Schrifterklärun-
gen des OrigeneSy die wir unter dem Namen der Philokalia
(Socr. Hist. eccl. IV, 26) noch besitzen; hier sammelte Ba-
silios die sittlichen Vorschriften aus dem Neuen Testamente.
Dies ist der Zeitpimkt, in welchem wir von einer ersten
eindringenden Lesung und Durchforschung der hl. Schrift
durch Basilios wissen. Wenn also der unter des Basilios
Namen überlieferte erste Brief an Apollinarios echt sein soll,
so mufs er in dieser Zeit, d. h. im Jahre 361 ge-
schrieben sein. Es wäre somit, statt der beiden Zahl-
angaben im 226. und 224. Briefe: x' und xc', zu schreiben:
u' (d. h. 15 Jahre), Zahlzeichen, aus welchen sich die
Entstehung der ersten beiden durch einfache Verschreibung
sehr leicht erklärt. Mit dieser so einfachen Textesbesserung,
wie sie in hundert ähnlichen Fällen in Schriftwerken des
Altertums bei Zahlangaben hat vorgenommen werden müs-
sen *, setzen wir nicht nur den unbezweifelt echten Basilios
mit sich selbst in die notwendige Übereinstimmung, sondern
gewinnen auch durch diese 15 Jahre für eine geschicht-
lich zutreffende Auslegung des angezweifelten Briefes
den einzig richtigen Gesichtspunkt.
Grcgorios von Nazianz hat den Berichterstatter wieder
1) Ich verweise z. B. auf Suidas, der die Kapitelzahl der
kirchlichen Hierarchie des Dionysios auf 15 {it') angicbt,
während, wiellipler in seinem „Dionysius, der Arcopagite** (Regens-
burg, Manz, 18f)l), S. 130 überzeugend nachweist, jedenfalls statt w'
nur t zu lesen ist, so dafs das berühmte Werk des Dionysios fünf
Kapitel enthielt. Diese Zahl wird nicht nur aus des Schriftstellers
sorgfaltiger Gliederung des Inhalts als die richtige erkannt, sondern
auch durch den syrischen Kommentar des Johannes von Dara
bestätigt, der nur fünf Kapitel enthält, ohne dafs die Handschrift
auch nur die geringste Spur der IJnvollständigkeit zeigte.
BRIEFWECHSEL DE! BASIUOS MIT APOLLtNARIOS. 105
verlassen, wie es am Schlüsse des Briefes teifet: zbv (tera
■tOv yovetov Uö^evo^ ßlov avroig at'-veaciv, er hat Pflichten
gegen aeinen greisen, von Gegnern bedrängten Vater zu
erfüllen gehabt und iat von dem Freunde wahrscheinlich
kurz vor Weihnachten des Jahres 361 wieder geschieden,
Dafs aber nicht etwa der zweite Besuch des wider Willen
zum Presbyter geweihten und vor der Anerkennung dieser
Thatsache flüchtenden Gregorios bei Basilios um das Epi-
phanienfest 3(>2 gemeint ist, von welchem er gegen Ostern
362 nach Nazianz zurückkehrte, dafür dürfte sich der Ein-
gang des Briefes geltend machon lassen. Gerade des Ba-
silios Reise durch Syrien, Palästina, Ägypten giebt hier, wie
ich meine, den Schlüssel. In den Anfang der sechziger
Jahre fiUlt die Blütezeit des Ruhmes des Laodiceners. Höchst
wahrscheinlich hatte Basilios denselben persönlich kennen
gelernt oder doch durch Hörensagen überaL in Syrien einen
gewaltigen Eindruck von dem Manne bekommen, der da-
mals als der beredteste und schneidigste Verteidiger des
Christentums auf dem Plane stand, der gegen den gefürch-
teten Forphyrios und seine fünfzehn Bücher „Wider die
Christen" ein bewundertes Werk von dreifsig Büchern ge-
schrieben hatte und das Nicänum gegen Axianer und Se-
miarianer mit Nachdruck und Geschick fort und fort in
Schutz zu nehmen nicht müde ward. Was Wunder, wenn
der jugendliche und für die Schrift begeisterte harmlose
Basilios, gleich dem bi Glaubensdingen doch so viel vor-
wchtigeren und argwöhnischen Epiphanios später, voll Be-
wunderung zu Apollinarios aufschaute und in der Ahge-
Bchiedenheit seines poetischen StUUebens bei Durchforschung
der heiligen Schrift bei ihm aufstofsendcn Schwierigkeiten
sich an keinen Besseren und Kundigeren um Rat und Aus-
kunft zu wenden wufste als an den Laodicener Apollinarios?
„Als Laie an einen Laien" erklärt Basilios an Apollinarios
geschrieben zu haben. Was will er damit sagen? Der
Ausdruck scheint mir eine zwli-fachc Möglichkeit der Er-
klärung zuzulassen. Vielleicht wollte Basihos durch den-
selben andeuten, dafs er selbst nicht blol's um die ange-
106 DRiSKKEy
dals auch ApoUinarios damak noch Laie war, was wir nicht
aicher wissen. Noch im Jahre 359 nämlich auf der Synode
za Seleucia in Isaurien tritt als Bischof von Laodicea ein
gewisser Georgios auf. Im Jahre 362 dag^en bei Ge-
legenheit der von Athanasios berufenen Kirchenversamm-
lung in Alexandria erscheinen dort bevollmächtigte Abge-
sandte des ApoUinarios, was doch wohl nur einen rechten
Sinn hat, wenn ApoUinarios damab schon Bischof war K
Die andere MögUchkeit der Auf£EU»ung jener Worte des
Basilios würde die sein, dals derselbe durch den in den
beiden Briefen vom Jahre 375 wiederkehrenden Ausdruck
nur den Ton und das aUgemeine Gepräge seiner Briefe als
harmlos, vertrauUch, mit keinem dogmatischen Maisstab zu
messen, im Gegensatz zu der amtUchen, auf die verant-
wortungsvoUe SteUung besonders in Glaubenssachen stets ge-
bührend Rücksicht nehmende Ausdrucksweise des Bischöfe
1) So nennt ihn, wie ich der Anmerkung Henri YaloiB* xa
Philostorg. Vni, 15 entnehme, Athanasios in dem von ihm im
Jahre 362 nach der alexandrinischen Rirchenversanmilung an Ensebioe
und Lucifer gerichteten Schreiben: naQfjaav «fi xa( Tiveg^^nolXtvaQCov
ToO imaxonov juovaCovTfg, nuQ* auroO ttg toüto TTffJKffd-^vTfg. Wie hier
nun aber zu vermitteln ist, vermag ich mit Sicherheit nicht zu sagen.
Denn es ist auffallend, dafs unter den Unterzeichnern des von der
Versammlung zwar arianisch gesinnter, damals aber ans Liebedienerei
gegen den Machthaber dem Nicänum zustimmender Bischöfe in An-
tiochia an Kaiser Jovianus im Jahre 363 gerichteten Schreibens
(Socrat. ni, 25; Sozom. VI, 4) noch ein gewisser Pelagios als
Bischof von Laodicea genannt wird, betreffs dessen Sozomenos aus-
drücklich das die Stadt von dem gleichnamigen Laodicea „am Li-
banon*' unterscheidende Merkmal „das syrische" {iTildyiog 6 Aao-
dtxtlag jfig 2:v(Hav) hinzufügt, womit eben die Stadt unseres ApoUi-
narios gemeint ist. Hat etwa ApoUinarios ähnlich wie einst Origenes
und später Lucianus in Antiochia als di^aaxakog rfjg ^xxXr^alag^ we-
nigstens in den Jahren, von denen hier die Rede ist, aufserhalb der
Kirche von Laodicea gestanden, besonders seitdem er, wie Lucianus,
mehr imd mehr Haupt einer Schule wurde ? Diese Frage darf jeden-
fiiUs hier aufgeworfen werden. Vgl. Harnack's „Lehre der zwölf
Apostel** in „Texte und Untersuchungen zur Geschichte der alt-
christUchen Litteratur**, Bd. H, S. 136 u. 137 mit den Anmerkungen
59 und 60.
BRIEPWKCUSEL DES BASIL108 MIT APOLLINARIOS. 107
habe kennzeichnen wollen, wofür man Bicb beaonderH auf
die ans dem 224. Briefe mitgoteilten Worte benilen könnte.
Doch schon die Thataache allein, dafs BaailioB sich an
ApollinarioB wie an einen Lehrer, ja wie an den einzigen
Lehrer der Kirche fragend gewendet, ist, wie wir gesehen,
Cotelier unangenehm und verdächtig gewesen. Ich frage,
aus welchem Grunde? Ist es nicht bekannt, dafa Philo-
storgios den Apollinarios als Lehrer der Kirche u. a. weit
über AthanasioB stellte. Ja dafs er den letzteren im Ver-
gleich zu ApollinarioB, Basilios und dem Nazianzencr, einen
ScLulknaben zu nennen kein Bedenken trug? Man wird
dagegen einwenden, dafs des Philostergioa als eines Arianers
Urteil über AthanasioB, das Haupt der siegreichen gläubigen
Kirche, parteiisch und befangen und deswegen überhaupt
zu beanstanden sei ^. Nun wohl; aber an wen sollte sich
denn BasilioB damals überhaupt wenden ? Athanasios war
356, zum drittenmal verbannt, in die Wüste verschwunden,
aus deren geheinmisvollen Verstecken er erst nach Kon-
stantius' Tode (3. November 361) durch Julianus' alle ver-
bannten Bischöfe zurückberufende Verfügung im Anfang
des Jahres 362 zu seinem bischöflichen Sitze heimkehrte.
Als BasilioB in Alexandria weilte, fand er daher Athanasios
jedenfalls nicht vor, ja er hat vielleicht nicht einmal das
geringste von seinem Aufenthalte gehört, da dieser nur den
Vertrautesten bekannt sein konnte. Wenn zu ii^ondeiner
Zeit, so stand damals Apollinarios unbestritten als die
glänzendste Leuclite der christlichen Wissenschaft da, und es
war nur naturgewäfs, wenn ein so hervorragender jüngerer
Vertreter derselben, wie BasiHos, sich an Apollinarios, den
er, wie ich schon bemerkte, höchst wahrscheinlich auf seiner
Reise persönlich kennen lernte, um Rat und Auskunft in
1) Von phüoBophiscb bervorragendeii ChriBten wird aileiu Apolli-
narios Ton NomesioB in seinem Werke Ilipi ifCaimg üvägünou
dreim&l angcfüLrt uad berücksichtigt, OrigCDCS DUr zneimal,
EnnomioR eiomal, von allen anderen sonst gefeierten zeitgenöaai'
sehen Lehrern der Kirche niemand, leb denke, diese Zahlen reden
auch eine Sprache, und zwar eine solche, die mit des arianischea
Oeschichtschreibers Urteü vortrefilich KUaammenstimmt.
108 DRASEKEy
Fragen wandte, wegen deren BchriftgemäTser B^ründung
der angehende Schriftforscher noch in Verlegenheit war,
ohne dafs darum zwischen beiden Männern von einem Ver-
hältnis des Schülers zum Lehrer die Rede zu sein braucht,
was ja auch von Basilios im 244. Briefe ausdrücklich in
Abrede gestellt wird.
Bis hierher sehen wir die in dem des Basilios Namen
tragenden Briefe berührten geschichtlichen Verhältnisse und
Voraussetzimgen auf das beste mit den uns sonst bekannten
Thatsachen aus dem Leben des Basilios im Einklang. Das-
selbe ist aber auch inbezug auf den weiteren Inhalt
des Briefes der Fall.
Basilios hatte auf seiner Reise durch Syrien, Palästina
und Ägypten im Jahre 360 überall die verschiedenen Mönchs-
gesellschaften besucht und sich an dem Vorbilde jener ein
so entsagungsvolles Leben fuhrenden Männer gestärkt und
zur Nachfolge begeistern lassen, nur eine Erscheinung, die
ihm allerorten entgegentrat, trübte ihm diese Zeit der Be-
geisterung för die, wie er mit vielen seiner Zeitgenossen
meinte, höchsten Ziele der christlichen Sittlichkeit: es waren
die unseligen Zerwürfnisse und Spaltungen inner-
halb der Kirche, von denen der Osten besonders in
jenen Jahren wiederhallte. Ja heimgekehrt hatte er in seiner
eigenen Vaterstadt Cäsarea an dem Beispiel des Bischofs
Dianios nicht minder wie an dem Geschick des Bischofs
von Nazianz, Gregorios, des Vaters seines vertrautesten
Freundes, in welches dieser selbst vermittelnd und versöhnend
einzugreifen höchst wahrscheinlich gerade zu oder unmittel-
bar nach der Zeit seines Aufenthaltes bei Basilios in Pontus
berufen war, die unheilvolle Wirkung der damaligen Glau-
benszänkereien persönlich kennen gelernt. Es handelt sich
hier besonders um die Bestimmungen der von Kon-
stantius im Jahre 359 nach Ariminum für die
abendländischen Bischöfe, und nach Seleucia in
Isaurien für die morgenländischen Bischöfe aus-
geschriebenen Kirchenversammlungen, deren Ver-
handlungen und WechselfiQle zu erzählen natürlich nicht
meine Absicht ist Es soll hier nur das Wichtigste und
BRIEFWECHSEL DES BASILIOS MIT APOLLINAHIOS. 109
zum VeratändniB unseres Briefes Motwesdigstc bervorgelioben
werden.
Gegen des Kaisers Willen hatten die in Ariminum ver-
sammelten Bischöfe das nicänische Glaubensbekenntnis voll
und ganz bealäligt, insbesondere hatten sie, unter Abwei-
sung und Verurteilung der arianischen Meinungen im all-
gemeinen, wie im besonderen der Haupt Verteidiger derselben,
den Gebrauch des viel umstrittenen Wortes „Wesen " (ola!a)
gebilligt, hatten aich dann aber unter den Willen des von
den Arianern geleiteten Kaisers gebeugt, als dieser auf einer
Jdeineren zu Nike in Tliracien abgehaltenen Versammlung
der von deu verurteilten Arianern vorgelegten Glaubens-
fonnel die kaiserliche Bestätigung erteilte. Die Hauptsätze,
auf welche es da ankommt, sind die gegen das Nicänum
gerichteten, von den arianischen Führern Ursacius und
Valens in einer schon zu Ariminum veröffentlichten Glau-
benserklärung also gefafsten (öocr. II, 37, S. 133): „Ea
erschien (aber) angemessen, die Bezeichnung Wesen (oiaia),
wegen des einfacheren Gebrauchs derselben seitens der
Väter und weil sie, als dem gewöhnlichen Volke unbekannt
Änlafs zu Ärgernis giebt und eich in den heiligen Schriften
niclit findet, zu beseitigen und des Ausdrucks Wesen (odai'a),
wenn von Gott die Rede ist, in Zukunft überhaupt gar
keine Erwähnung zu thuu, weil die heiligen Schriften nir-
gends des Wesens des Vaters und des Sohnes erwähnen:
für ähnlich (Sftoiov) aber erklären wir den Sohn dem Vater
in allen Beziehungen (xairä !cäyza), wie auch die heihgen
Schriften aussagen und lehren". — Bezeichnend für die
Schwankungen innerhalb der nicänischen Partei sind auch
die Vorgänge auf der im September 359 zu Soleucia in
laaurien eröffneten Kirchcnversammdung. Auch hier stan-
den sich Arianer und Nicäner schrofl" gegenüber, an der
Spitze jener Äkakios, an der Spitze dieser Bischof
Georgios von Laodicea in Syrien. Während Akakios,
ebenso wie Ursacius und Valens, in seiner Glaubenserklä-
Lrung aussagte (Öocr. U, 40, S. 149): „Da (aber) die Aus-
drücke dftoovaiov und öfioioi'viov in den vergangenen Zeiten
viele verwirrt haben und noch jetzt verwirren, ... so ver-
110 ÜSAREKS,
wir beide BaMchnimgen als der Schrift fremde; . . .
die Ähnlichkeit des ScJines aber mit dem Vater (jö di
Sfioum To6 vioB n^ög rdr Ttari^) bekemien wir ausdrück-
lich^ — : rtand die Gegenpartei fest zum nicanischen Glau-
benabdLenntnisy verwarf aber merkwürdigerweise das dfjooi^
Ci€w. — Za den Bischöfen , welche der kaiserlichen Gewalt
gewichen waren, d. h. das m Nike fiss^gestellte arianische
B^enntnis, wdches dann auch von den in Ariminom ver-
sammelten nicinisdi gesinnten Vitem erzwungen war, unter-
schrieben hatten, gehörten auch Dianios, der Bischof von
Cisarea, ein ehrwürdiger Mann voll priesterlicher Würde,
SU welchem BasiUos schon von Kindheit an mit Liebe
empoi^blickt hatte, und der alte Bischof Oregorios von
Nazianz. Basilios, der um dieses Schrittes willen alle
kirchliche Gemeinschaft mit dem alten Bischof abgebrochen
hatte, versöhnte sich mit Dianios, als er 361 an das
Schmerzenslager des todkranken Greises gerufen wurde;
Gregorios der Jüngere mufste zu gleicher Zeit ftir seinen
Vater eintreten, um die über den durch die Not erzwunge-
nen Schritt desselben auf das äulserste erbitterten Mönche
zu beruhigen und den dadurch gestörten Frieden in der
Gemeinde wieder herzustellen.
Das sind die geschichtlichen Verhältnisse, auf die unser
Brief blickt, aus denen heraus er geschrieben worden ist
Auf nichts anderes, meine ich, ab die Umtriebe und
Erfolge der Arianer beziehen sich die Worte des
Briefes: ol ndvra (p^QOvrsg yuxl I6ya}v xat Cijnjfccrrcciy zijv
oixovfiivqv ifiuXi^ccyTeg zd Tfjg ovaiag (ivofia, dfg dHArgiov
Td/y xkeiwv XoyiufVy e^ißaXov, Innerhalb dieser Streitigkeiten
konnte einem edlen, friedliebenden Geiste wie Basilios, der
eben in die christliche Wissenschaft und die sie bewegen-
den Fragen die ersten Schritte that, wohl beklommen wer-
den. Die Gegner verwarfen auf Grund der Schrift die
Hauptbestimmung des Nicänums, wer hatte nun recht? Er
selbst, noch in den Anfangen der Schriitforschung stehend
und darum unikhig, sich ein selbständiges Urteil zu bilden,
weifs nichts Besseres zu thun, als sich an den grofsen Lehrer
Apollinarios nach Laodicea zu wenden mit der Bitte, ihm
SRIEF WECHSEL DES BASILIOS MIT APOLLWABIOS, 111
Auakunft zu erteilen , S/rcog re o'i TtaitQEg avti^ f'xß^nvto,
Tuti — die Bchnftgemäfse Begründung liegt ihm besonders
am Hetzen — ei (i^SafnAj sJgeg bv tIj y^aiff xelpevoi', bo-
dann aber wünscht er auch eine genauere Aufklärung be-
treffs des öiiooi'-aiov: riva r^ Siävoiav t%Et, xal jcö^ ff»-
lyt^g XiyoiTQ ftp Siv oiVe yivog yuiivov vTiEQ/Mfievo)' 5'cwpcT-
zai, o'i'ie i'kfxdv v7T0-/i£i (taov srgoijVropjfov, oi'-te dTfOfJBQta/.tdg
ToC nqoTfqov äg z6 deöiEqov. Die Bitte ttQ^ ovv xP^ liyeiv
öfioo^-atov TÖv riär T'Ji Ttazgi, elg ftride/iiav ei^otav T&y
uqriftiviov xaxaTziTtrovcag, ^IXt^üdv f^filv Tikaiiktgor öiag-
&Q(!iaai — begründet er, ganz seiner auch sonst im Anfang
hervortretenden, dem semiariaiiischen sich nähernden Stand-
punkte ' entsprechend, mit der Wendung: ^fieii; fiiv yä(j
irrEthjfpafiey, Siceg öv sivai zaS inöiteatv toE naz^üg oüaia
illj^S^, ToCio Eivai nävuaq dvayxaiov xal tijv tot vloß }.afi-
ßävea&ai. üJök et (füg yorjiäv didiov ayfyyijfoy t^v toS
nax^bg ovaiav ri? kiyoi, <f(lig vor^zitv äidiov yewijTdv /.al
lipi roP juocoyeroög oäoiav tgel. n^hg de rijv roiavvqv
twotav doAEi fioi ^ TOD äjca^alläxziog d^ioiov fotvtj fiäk-
Xo* fjTSQ ^ ToB öfioovaiov ä^fiörreiv.
Alle bisher dargelegten Umstände sprechen fiir die Ab-
fassung im Jahre 361, und die dem Schreiben zugrunde
liegenden persönlichen und allgemein geschiclitlichen Be-
ziehungen sind, ganz abweichend von der Art und Weise
bewufster Fälschungen, so deutliche und bestimmte und mit
den liorvorgehobenen Verhältnissen so genau übereinstim-
mende, dafs wir kein Bedenken tragen dürfen,
den Brief als ein echtes .Schreiben des Basilios
anzuerkennen.
Mit der Feststellung dieser Thatsachc ist gleichzeitig zu-
nächst für den in der Handschrift als Antwort des
ApoUinarios überlieferten Brief ein günstiges Vorurteil
geschaffen. Lassen wir zuvörderst den Wortlaut des Briefes
1) In der Praefetio zum Jt. Rande ihrer Ausgabe der Werke des
BuiliM bemühen sich die Benediktiner redlich, desselben volle Recht-
gläabigkpit zu erweisen und grgcii nlli? erhobenen Zweifel zd ver<
112 ÜRASEfCE,
folgen; es mangelt ihm eine förmliche Aufschrift, wir
lesen nur:
Baaii£i(^ ^TcolXivaQiog.
0i]io&t(ag maxtvug tuxI q>iloX6y(og Crireig, xal Trag'
tjlAChf %b TiQÖdvfiw dq^eikevai dut tijv dyaTcr^Vy ei yiai
TÖ ixttpor T^ Idytfi fir^ %7toixo did xe xö fjfdixeQOv ivdetg
s Tial TÖ Toü n^ayiAazog iue^qn^ig. ovaia fiia ovx aQi-
&^ip ia6vo¥ Xiytxaiy üairtQ Jityeigy aal tö iv fn^ jciqi-
yQCtqffjj äXlct %ai idltog dvd^^niov dio tuxI äXlov droimr
xCiv xavä yiyog eviCofiiyoßv ' woze tcwtt] ye tloi dio xai
nleiovag tovtöv ävai xard vr^v ovaiccv, tux&ö tuxI Ttdviic,
10 Sr&QO^Ttoi AdafjL ia^ev, äg oweg, tloI Jaßid 6 to€ Jaßld
viog^ dßg Tccvvdv luv ex£it^* 7ia&d xat tÖv vloy Xiyti^;
TioXög ToOro ärai xarä rt/v ovaiavy Stibq 6 TtariJQ.
ovdi ydq eve^iog Sy f/v &€dg 6 vldg^ hög ö^oloyovfitvov
xal fiirov &eoO toü TroTQÖg' äg tcov xal dg *Addfi, 6
IS dy&QW7t(üv yevdqxnSy xat elg /Jaßiö, 6 ro0 ßaaileiov
yivovg ag^ijy^nj^. vaikf] yi toi xxxl )h elvai, yevoQ
ineQTLei^cvov 1] fiiav i}Xrp^ inoxeifiiyqv inl ncciqög xal
vioi) TteQiaiQB&^erai vdiv i/tovoiavy Svav xrpf yevaQxi-'
xijv TtagaXdßüifiey WicJnjTa rfjg dvarrdzw d^x^S ^^l '^d Ix
20 T<öy yevaQX^ y**^ ^Qog tö ix Tfjg fnäg oQx^g fiovoyeveg
yiyyqfia. fievQiog ydq xd Toiadra elg öfioiüiaiv tqx^ci^j
xjad^ fifjdi To€ Addfiy tbg d^eonXdavov y xal fjfitdVy c^
dy&QüPTtoyeyy^Twv, Ibv iniqxuxai yivogy dXX' avrög dv-
d^qdTtüJv dqx^' fii^e CAij xoivf) avrofj xe xal fj^&Vy dlX
2ft airxi^ ij ndmav dvd-QÜTcov iTiöd-eaig' fiijre iat^v toD
daßld xal Tof) yivovg toO /Jaßlö TtQoemvoelTai y xaO-o
Jaßidy eneineq ij to€ Jaßld ididxrig and to€ Jaßiö
eqxsiaiy xal fj htdd^eaig t(üv i^ avroC Ttdvrwv avrog.
dXX\ ineidtj zaCra dTtoXeiTterai. , xad-d eiaiv h^eqai
90 xoivdvrireg dvd-Qwnajv dndvxtüv nqbg dXktjXovgy olai ßv
ddely)(avy enl de TtazQÖg xal viof) toioVvov ovx eaziv,
dXld zö SXov TtaTijQ dqx^i ^ccl viög ix zfjg a^^g.
ovxoOv ovdi aTtOfieQiCfiög roO nqoxiqov dg %b devregov,
üaireq iid awfidfioVy dXX^ d;ioyewrjaig' ovdi ydq i)
36 jtatqbg Idtovijg xai^d/ceQ elg viov dico^iqiataiy diX
UE1EFWECH6EL DES BASüJOS UIT AFOLLLNAKI08. 113
-fj ToB v'toB IvL t!]s toS TcaiQÖQ hi7ci(piipe, Toücbv h
ftCQÖi^ii 'itai Xteqov bv laviöiTjTi ■ -/.aitd Xiyeiai. reaiiga
ävat iv vti^ TLai vi6v tv Ttar^t. ölte yäg ^ IrE^fJTi];
änXäig tpii^^u tij» äXi}9eiav rf/g wJdrijrog, oVie ^ Tav-
lörrjg ai TÖ ä(.tiQtazov x^ inoaiäaECüg' äXX h^e^ov 40
a^ftTiloxov 'Aal ivoEiStg, Tavtbv erf^ws -wii i'«po> t&ffaiJ-
cug' Xva Tig id ^fj^ata fi^ tfpLy.voi(iEva zi]q äjjltiiaEtug
E'Kßiäaritai- ßEßaioZ-vzog i)füv joß xv^iov jijV tvvoiav
xai iy zip ^titova fiiv iv laäcijii naQtavävai %6v 71a-
itgct, ibv de v'tov iv inoßäaEi tÖ iaoy t'xoy^a- bnsQ 4i
idiäa^tv iv öftotidet {.liv, itfEi/^ivt^ di tf-aiii voeXv zov
vi6v, fti) vijv oiai'av i^alkäviovrag, äXlä t6 aviö iniq-
ßefiXr^xös v.al iv fifiati ättiigoüptag. 01 fitv yä^ lijv
oiaiav iv oiÖEfti^ raviÖTijTi na^adE^äfievoi, ti)v öfioiuaiv
i^ta^EV tptQovvEg, tt7, v'tu) ^iqoaiiiHaaiv 8 dfj lUti &og lo
äv&QÜntwv diaßaivu zQv bfioiovfMtviüv i(,5 ^cji. oi öi
vipi SfiOuiMJiv TOig Tcoi^fiaat nqntovaav u56v£g, tv zav-
TtSrjjn ftiv röv viöv avvänTovat TcaxQi' iqiEiftivJj di tf^
favcöiJiit ' i'va fii) aiiög 6 Tiaz fj^ 1/ fj ftQog ^caiQÖg,
& dvvaiiiig fta^iatavai vtp „iiXXog uiös". oVzuig &E6g, n
oix '^ ixslvog, äi-i. dig ii iiuivov, ov tö ftgutönirtov,
^V. EV/uiv. oVtojg ifiooiaiog i^rjgri^ivtog naqa nöyza
%ai liiaC6vzmg, oiy, thg rä öfioyevfj, oöx '"b" ^d djtoftEQi-
^6ficva, diX (hg iv. zoB ivög yivovg /.ai Etdovg zf^g &e6-
Tijzog tv TLoi fxövov änoyiyvijua, ddiatqizi{> xal datitfxä- lo
Till Tiqoödi^' yji& fjv fiivov z6 yerviSv iv zjj äyEvvjzt^
iäiöftici TiQü^Xitev tig vijV yEvvfitfAijv läwit^ia.
i. nXtiova;] nXiCova C, am Kaode f. nlifovai, ebeuao B. —
3B. Jok II, 10. — 44. fit(;ori! fiiv tv toÖTi)!!] fiiliur fiii- laöiij-
r» C, f. fiti;o''a fjtv (•> ia. am Raudü, ebeoso B. — Job. 14, 28. —
■ 4. l] uotireadig, wohl wegen des fulijeuden { von einem flücbtigen
Schreiber &usgekssen, fehlt bei C. uud B. — n. oütttisl oinot C. B. —
«1. d/d^r^f] ytvvriiKc^ C. B. — al. it; trpi ytimifiuciiir] C., f. ytivifiip/
am Bande, tr r^ yiimtiKrii' B. sinnlos, Bm Bande ytwtijrft.
Wenn Cotelier in übertriebener Besorgnia, die Hecbt-
gläubigkeit des Basilios zu retten, äämtÜt^be Briefe für ua-
114 DRiSEKE,
echt und zwar im besonderen für Fälschungen vonseiten
der Apollinaristen erklärte , so werden wir wenigstens für
die des Apollinarios Namen tragenden Briefe von vornherein
annehmen dürfen ^ dafs sie das Gepräge der Lehrweise und
vielleicht auch der Lehrbesonderheiten des Apollinarios zei-
gen werden. Ja Cotelier vermeinte wie überhaupt aria-
nische Lrlehren, so insbesondere apollinaristische Ketzereien
in den Briefen entdeckt zu haben. Wenn aber sogar die
Benediktiner, wie ich zuvor schon bemerkte, versichern,
dergleichen nicht bemerkt zu haben; so wird eine andere
Begründung gesucht werden müssen. Weil Apollinarios
nun einmal ab Ketzer verdammt wurde, so muls auch alles,
was von ihm herrührt, anrüchig und verdächtig sein. Co-
telier hebt selbst hervor, dafs die Briefe von schwierigen
Schriflstellen und von der heiligen Trinität handeln, läTst
aber dabei völlig die Thatsache aus den Augen, dafs Apolli-
narios in der Lehre von der Dreieinigkeit durchaus recht-
gläubig lehrte, dafs er ein höchst verdienstvoller Bestreiter
der Arianer war und neben Gregorios von Nazianz und
Basilios als ein tapferer Verteidiger des Nicänums genannt
wird. Es ist darum vergebliche Mühe, in dem vorUegenden
Briefe, welcher auf des Basilios Frage nach der Bedeutung
des Begriffs ovaia genau eingehend, diesen sowie seine Stel-
lung in der Dreieinigkeit sorgfältig erörtert, apollinaristische
Ketzereien zu suchen, die ja bekanntlich erst zutage traten,
ab Apollinarios, jedenfalls später als 361, es unternahm,
die bisher auf dem Ghrunde des Nicänums gewonnenen trini-
tarischen Ergebnisse fiir die Christologie zu verwerten. Das
ganze Schreiben bewegt sich auf dem Boden des
Nicänums und ist in jeder Beziehung der Trinitätslehre
entsprechend, welche wir auch sonst ab die des Apollinarios
kennen. So hat er sie im dritten Teile der erhaltenen
Karä fiiqog niazig ^ so in der von mir aus der pseudo-
justimschen ^EA^d^eaig niaTeaig herausgeschälten Schrift ile^t
1) Im Anhange von Lagard e*8 Ausgabe des Titus Bostrenus
contra Manichaeos. S. 106, 17—107, 34 und in Migne's PatroL
Graec. X, S. 1109 C— 1112 D.
BRIEFWECHSEL DES BASILIOS MIT APOLLINÄBIOS. 115
T^iädog * niedergelegt. Der den Inhalt des Briefes bildende
Nachweis, wie das eine Wesen der Gottheit {fti'a oiaia)
begrifflich zu fasseii und mit dem Wesen des Sohnes zu
vermitteln, oder wie das 6{toovoiov zu denken, hat besonder»
durch die Verwendung des Beispiels Adam's, des Anfangs
und der Grundlage des Menschengeschlechts (Z. 23 auidg
äv^qüiri-wv (ipZ'?! 2- ^5 adcdg Ij rcävciüv äv9-qt!)jTtiiv ino^eaig),
viel Ähnlichkeit nicht blofs mit den Ausführungen des
Gregorios von Nazianz ', sondern ganz besonders mit
der völlig gleichartigen, ebenfalls an das Beispiel Adam's
and dessen VerhUltnis zum men achlichen Gesclilecht ge-
knüpften Daratellung in JleQi rfjtädog, S. 373 CD.
Wenn der Schreiber dem Baailios bestätigt: xai riy
widr iJyctg xa/tDg zodro eivai Mitä ztjv ovaiav , Sueq 6
Tiai^Q. ov6i yoQ izißtag üv fjV &t6g ö viög, hdg dftoloyov-
fiivQv -luzi jiüfov &£oü toC naTqdg, so erinnert das an die
gegen die drei Personen {jQta jcqdatajta) des SabellioB ge-
richteten Aussprüche in des Apollinarioa Katä ftigog
ffiatig, besonders S. 107, 20 £f.: oijtüi öfj vial i)-EÖv i'va
tpafAtv xijv TQiäda, dhh ovy, thg £■< ovri^taeiog zi^iGiv %va
u6&teg {liiqog yäq ürrav dvEXig t6 [ex] nvl^tactag iipiazd-
fieyov), diX iÄig, UneQ iodv 6 Ttazijg dßxf''«3s i« '*<''■ yevyi)-
zitUüs, toCeo Sit« zov v'i6y, ciAÖi'a xal yivm^fta zod ^ccczQÖg
Auch der Z. 43ff. gegebene Nachweis, warum der Vater
gröfser genannt wird als der Solm, weil nämlich die letzte
Ursache vom Sein des Sohnes im Vater liegt, ist sacblicli
völlig übereinstimmend mit der des Nazianzeners '. Wie
venig Cotelier imstande war, Apollinarios in diesem Punkte
Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, beweist seine Bemer-
kung zu der Erörterung des Briefes Z. 43 tf. ßEßaiotvtoq
1) Zeitschrift für Kirche ngeachichte VI, S. 1—45 u. S. 503—549 ;
Jahrbücher für proteat. Theol. X, S. 32G— 341 ; Zeitachr. für wüsen-
■chaftl. Theol. XXVI, S. 481-496.
2) Orat XXXI, 15, S. 365. Ulimann, Gregoriua von Naiiam,
8. 239.
3) Orat. XXX, 7, S. 544, . . . h i^i.ov Sri tö ^(ffm /ifr tart
t^( atilat, T^ ii laov i^f ifCaiuii- UUmann, GtcgoriuB Toa Naziani,
8. 250.
116 DKASEKEy
fyiiw ToC xt'^'ot- T^ an^oiap xai ey Tt^ß iiuCova fiiv iv loo-
n/ti naqifftcntai xdr natiqa^ xbv de vidv ey ivtoßdaet tö l'aov
Qforra: „Dooet nos hktoria et antiquitaa ecdesiastica, Apolli>
Daran instar Protei yarium de trinitate et incamatione di-
Tenimode scripsisse; atqae aperte quidem circa posterius
mysterinm blaspb^naase, circa prias vero aliqaando catho-
Kce locutnm, amplectendo fidem Nicaenam roCf 6fioovaioi\
ddiexisae interdnm ad Sabellianismnm, vel ad Arianismum,
et qaemadmodom hoc in loco distinxisse gradus dignitatum,
quae est xXJfia^ ovx eig ovQovby Syovoa, dkk* i^ ovQaroü
Tuna/ovoOf at eleganter observat Gr^. Naz. orai 51/' Dafs
die Hineinziehnng der späteren christologischen Lehren des
Laodiceners und die Berufung auf die gleichfalls späteren
Aulsemngen des Nazianzeners, der nachweislich in seinem
Übereifer, die apoUinaristische Bew^^g im Anfang der
achtziger Jahre wissenschaftlich zu vernichten, des Apolli>
narios Lehre milsverstanden oder doch Folgerungen aus
ihr gezogen hat, welche Apollinarios niemals anerkennen
konnte, hier durchaus am unrechten Orte stehen, bedarf
hoffentlich keines besonderen Beweises.
Da wir des Basilios Brief an Apollinarios als echt
haben anerkennen müssen, und da die auf diesen Brief
ausfuhrlich bezugnehmende Antwort, welche des Apollinarios
Namen trägt, mit der uns sonst bekannten rechtgläubigen
Trinitätslehre des Apollinarios genau stimmt, so wird
es keinem begründeten Bedenken unterliegen
können, den Brief als ein echtes Schreiben
des Apollinarios anzusehen; ja dessen Wert wird für
uns dadurch noch erhöht, dafs es aus einer Zeit stammt,
aus welcher uns dogmatische Aufserungen des Laodiceners
verhältnismäfsig wenige erhalten sind.
Bei dem folgenden kürzeren Schreiben des Basilios
können wir ims gleichfalls kürzer fassen. Es lautet:
TdjJ deaTcÖTTj fiov t<>5 aldeai^iordzi^ ddeXcpt^ ^AnoXXivaqiii}
Baaikeiog.
/^irifiaQvoftev %(üv 7tQoq)dae(ov , dt lov ivffi^ Ttgoaei-
Tteiv aov tfjv evkdßeiav, TLahoi ye ijdiwg Uv inl Tolg
BRIEFWECHSEL DES BASILIOS MIT APOLUNARIOS. 117
yffäfifiaaiv fTuivoig i/iiatEiXavreg. as yäf iv onamj b
xartx^tv x^v ^ovijv in inEtvotg ija^T^ftev- on<ag yaß
^füv tdo^ag olog ntjwva&at (xQv t^firjvEvdvrtuv di axiai
äüaovaiv) oVicag in: mnpaXoCg 1^5 diavoiag Tijv t'^ij-
jTjöiv Syiov. Aal vDv ö^ nXiov 6 t'^tüg tfjg yviiiaEtog
z<öv äettaf loyiinf ämtxai %^g V'Z^S ^f"- nqoßaXäv 10
(tiv ohi aoi rüiv ä/ioQOVfiivojv rivä ÜTioxyO, fiij d6iiit
Tiiqa ToC fiizqov ififfio^eiaifai zTjg jcaQQtjoiag' atianSv
di rräUv ov •/.aqiE^Gt, ääivcov /uii ext nqoaXaßEiv t(pii-
ftEvog. Sqiaxov oJ>v fioi xareyßMj Ttv&ia&ai aov, fcd-
te^v iffiiig fj^^y, tl ifavfiäaie, fQioiär xi xQv dnoQOu- is
fiivtiiv, ^ xp^ *^'}'' ^"Z'ß* äyeiv. ÖTCÖxtqov d' Sy äno-
x^i>7;, xoirro qtvlä^ofta' xofj loinoE. tQ^tufityov xe -/.ai
^u^ftQV xai iitE^ev%6fievov typt^iiv at ätairavidg.
7, Homer. Odfss. x, 495.
Der Brief iat ein überaus verbindlicher und den Apolli-
narioB ehrender. Offenbar weil der Inhalt am wenigsten
bedeutsam und von irgendwelchen Glaubenslehren völlig frei
ist, dürfte Cotelier auf den Gedanken gekümmeu sein, in
ihm elwa dasjenige Schreiben zu sehen, von welchem Ba-
ülios in der zuvor ausgeliobeneu ätelle des 22i. Briefea
mitteilt, es sei von seinen Gegnern gefälscht worden. „An
haec epistola" — sagt er — „sit iUa Basilii interpolata, de
qua superiue, iuxta cum ignarissimis scio". Gewifs, mög-
lich ist es, dafs gerade dieser Brief Gegnern in die Hände
fiel und von ihnen gemifsbraucht wurde, aber weiter läfst
eich auch nichts darüber aussagen. Zweierlei nur bleibt
wunderbar, einmal, warum, wenn es doch einmal auf Ver-
leumdung und Verdächtigung des Basilioa abgesehen war,
die Gegner sich gerade dieses unbedeutenden Schrei bena
Bellten bemächtigt haben imd nicht triEchweg das ihrem
Zwecke Entsprechende selbst erfanden; sodann, wie über-
haupt, bei Cotelior's Annahme der Unechtheit des Briefes,
Arianer oder Apollinaristen auf den Gedanken gekommen
Bein sollen, einen derartigen Brief dem Basilios unterzuschie-
ben, in welchem doch von Lehren und theologischen An-
118 DRJLSEKEy
lichten gar nicht; sondern nur von freundflchafllichen Be-
ziehongen zu Apollinarios die Rede ist, welche ja Basilios
an mehreren Stellen seiner Briefe unumwunden zugiebi
Weit wichtiger und bedeutender und, was für diese
kleine Briefsammlung wertvoll erscheint, zeitlich bestimmbar
ist das Schreiben des Apollinarios, welches die Ant-
wort auf des Basilios Brief bildet Es lautet:
vaqioq iv xv((i(f xaiquv.
Jlo0 iih Ijfirp^ ctirögy dianoxa^ noC de ^ ^cod-eivo-
Tcfn} füfvij xat yQdfifia zd aiiyti⪚ ri de ov naQwv
6 dfiiveig, ^ xal dndnß naQOxeXehiy nolifAOv Toaovrov
xord Tfjg evaeßeiag iQQwyörogy xal ^fiöv olov ev fiiajj t^
TtaQari^ei ßoiavTOiv nqbg xobg eraiQOvg did xipf hc t&v
Ttolsfiiiav ßiav. ai di oid Sjtcjg Sy tijn^oijUfy, ^Ofie»*
iTtü fifidi oi Tvyxdveig dioxqißwv eögioTiOfiev, aiX*
.0 iCi^rriaa fiiv iv ty KaTCTtaöoyUüVy iTtel aal oErtjg ^-
yeXkov Ol iv n6w(fi ooi TteQirvxivTeg^ ejcriyyii^ai at
d^xrov STtcnnj^eiV oi% cSqov di ev&a ijkrcitoy. WV di
Irt ae xard Tr)v aivijv ötdyovra xdiqav SrMiiaag^ ev^vg
ry fifiwrg %ai xb yqdfji^ia ivBXBiqriaa. SneQ de^d^eyog
15 /i^ Tuxt Tof) dvriyQaipeiv dTtöaxg, (hg Yxxi xoAtov awa-
Ttodri^ofhrvog. iad-i öiy (hg iv t(i) fieza^i yiyovey im-
(jyuiTtüfv iTttöfjfjiia xQv du Aly^rcrov tuxI yga^ifiara
diedddri aijf^qxava nalaiöig yodfjfiaaiVy rdig rt d^eioig
aitdig tuxI Toig %a&* ö^oqxaviav rdv ^eiuv iv Nixai(f
10 yQa(p€'iaiv. dvay%aXa öi ijv ^ f^er* i^riyfjtJ&ag tGv ovrOv
i7cavdXfi4ng öid rfjv ovx V? ^^^ :uifiiv(ov naq^ifffti"
aiv, fjv elafjyov ol ndhxL /uey HvxiY^vg dvriXeyovvegy vCv
di Ti)v dvtdoyiav i^riyifjümg oyfit^(xxi fisd^odeiaccvTeg'
^v&a ijv ij To€ dfioovoiov xaxoü^yog dvaiqeaigy (bg ovk
25 dfBilovTog voeia»ai xar' oidtfiiav ÜQvrjaiv ^JElAijwxjJy
dvTBiaayuiyi) öi rof} df^oovalov rd Sfioiov ymt ovaiccv,
bntq iTtarqdeii&ri yvdaio}g dvofiaa&iv xat xaxoij^iog
vofl&iv inuSfi ij öfioidtrig töv iv ovai(f i(niv, ov rOy
oiaKodav* Xva d^ olTWg (hfiOKOfiivri ovaia vofjtai, olog
90 Sy eifi xat dvögidg nQÖg ßaaiUa. nqbg äntq oirc-
«a
BRIEFWECHSEL DES BASEUOS HIT APOLUNARIOS. :
ygäfT] tb iiTzd Tßf eiaeßßy ei66z<i>v xai ßovXofiivfav,
Srt a£x llfOioy *«(», äXlä i^e^v (Jijiot xd Sftoovaioy, wg
fiy yiwrifia yv^atov xal ztjg cnktjg oiaiag Ttfi yeyeyyij-
x6ti. awEioJ^yeio Si xat td negi nvei^azos, c&g hjt6
Tßy fiaziQfüv ly ty avrfj niaru rfj) 9e^ xai r^"» v'u^ j
yi£ififvov, Sil tativ iv ifj avzfi tfeönjii. zf/v oh' zf)g
tvatßeiaq zavzrig ttqtaßeiav, ziva elxög ^ oVziag ftETEi-
yat, (5g tdv a7zovdai6zazov , ä^ta ti^t äeoTiÖTi] ftov r^ij-
yofiili, dg o6d avzdg ovdaftdd^ey y^aq>ei, aide oij/^a/vei
xa&äna^ oi-div. i'^tffao Siaicoza 7io9Eiv6tati.
f. Ttn^BxtUvH oder auch na^mNitüg] na^aialtÜHs C fi. -
ijj notwendig, fehlt bei C. B. — b- /xijii] ^ij di C. B.
Die Eingangszeilen zeigen uns ApollinarioB von der
liebenswürdigtsten Seite, er lehnt des Basilios AuBzeichnungen
fein ab, iodeni er es ausspricht, wie lebhaft er den gewohn-
ten freundschaftlichen Ton vermisae. Sodann erfahren wir,
dara er Basilios vergeblich in Kappadocien gesucht, trotzdem
Leute, die ihn in Pontus getroffen, ihm den kappadocischen
Aufenthalt desselben mit des Basilios Zusage baldiger Rück-
kehr mitgeteilt; Apollinarios hat darum, auf die weitere
Kunde, dafs Basilios noch in Kappadoclen weile, seinea
Brief eben dahin gerichtet und bittet Basihos, dem Über-
bringer ja doch sofort Antwort mitzugehen. Der hier
g^emeinte Zeitpunkt ist so deutlich wie nur mög-
lich bezeichnet Es ist das Jahr 362. In diesem
Jahre starb nämlich Bischof Dianios von Cäsarea. Als
derselbe todkrank lag, verliefs Basilios zum erstenmal seine
pontische Einsamkeit, um sich, wie ich schon erwähnte, mit
dem verehrten Manne, der leider auch zur Unterschreihung
des Qlaubensbekenntnissea von Ariminum gezwungen war,
Tor seinem Ende auszusöhnen. Basilios benutzte darauf die
Gelegenheit, da er doch einmal „Flüchtling" aus seinem
Kloster geworden, seinem bereits Ende des Jahres 361 wie-
der nach Nazianz zurückgekehrten Freunde Gregorios einen
Besuch zu machen. In dieser Zieit der Abwesenheit von
Cttaarea traf jedenfalls des Apollinarios Bote dort ein, er
180 DRA8EKE
•>
mnlkte nnverrichteter Sache znrückkehreD. Als darauf Apolli>
Darios erfuhr, Basilios weile noch in Elappadocien, d. h. znr
Zeit etwa in Nasianz, so sandte er seinen Boten dorthiD.
Für diesen Zusammenhang der Ereignisse und Nachrichten
scheint mir die Thatsache zu sprechen, dafs Apollinarios am
Schlüsse ausdrücklich des Or^orios erwähnt und sich über
seine Saumseligkeit im Brie&chreiben beklagt Konnte das
wirkungsvoller geschehen als so, dafs diese Klage in einem
Briefe laut ward, den Basilios in des Or^orios Hause em-
p&ngen und lesen und dem Freunde mitteilen mufste?
Und — frage ich gleich weiter — konnte ein Fälscher auf
so eigenartige persönliche Beziehungen geraten, die merk-
würdigerweise mit den uns bekannten Verhältnissen auf
das trefflichste zusammenstimmen?
Für die Abfassung des Briefes im Jahre 362
spricht nun aber auch der folgende Inhalt des-
selben. Apollinarios klagt über den Kampf, der gegen
die Frömmigkeit sich erhoben, er selbst stehe inmitten der
Schlachtordnung und rufe die Freunde zum Beistande wider
die Gewalt der Feinde auf. Offenbar beziehen sich diese
Aufserungen auf die ersten feindseligen Mafsregeln
des Kaisers Julianus, welche die Wiederherstellung
des Hellenismus zum Zwecke hatten und die gesamte
Christenheit schwer trafen '. Genaueres entnehmen wir dem
1) Apollinarios ist derjenige, welcher in demselben Jahre dem
bekannten, feindseligen Gesetze des Kaisers vom 17. Jan! 362 seine
von Sozomenos (V, 18) mit Recht gerühmte Schrift *YntQ aiiy-
i^(£ttg entgegensetzte, von welcher ich in dieser Zeitschrift, Bd. VII,
S. 257—302, bewiesen zu haben glaube, dafs sie uns in der falsch-
lich dem Märtyrer Justinus beigelegten Schrift ^öyog naQai-
viTtxog 7iQÖg''FAXTiv(tg noch vorliegt. In dieser Arbeit habe ich
S. 260 aus Hilgenfeld's Besprechung der von Harnack in seiner
Abhandlung „Die Überlieferung der griechischen Apologeten des
zweiten Jahrhunderts in der alten Kirche und im Mittelalter" (Texte
und Untersuchungen I, Heft 1) niedergelegten Ansichten (Zeitschr.
f. wissensch. Theol. XXVI, S. 33) den Schlufs gezogen, dafs Hi Igen-
feld den .Hoyog naQatvfTtxdg nQÖg "nXkrjvag noch für eine echte
Schrift des Märtyrers Justinus halte. Wie ich aus Hilgenfeld^s
Verwahrung gegen diese Schlufsfolgerung (Zeitschrift für wissensch.
BRIEFWECHSEL DES BASILIOS MIT APOLUNABIOS. Hl
folgenden Berichte des ApoUinarioe über die aue
Ägypten zurückgekehrten BiBcböfe und Möncha
Oemeint können nur diejenigen syrischen Bischöfe und
Mönche sein, unter letzteren einige Abgesandte und Ver-
treter des ApollinarioB, welche im Jahre 362 an der bald
nach seiner Rückkehr von Athanaaios in Alexandria
abgehaltenen Kirchenversaramlung teilgenommen hatten.
Das Schreiben, welches sie mitbrachten und in Umlauf
setzten, aifttf'tora ziaXaiotg -/QÜ/jfiaaiv, zotg te detoig avroXg
xai xoig xa!^ öfKxffui'iav ztlir O^eluir iv NtAattf yqatfüaiv,
kann nur das äy nodalschreiben des Athanasioa
sein. In demselben wird selbstverständlich das dfiooi'-aiov
des Nicänums festgehalten, und die Verhandlungen, deren
Ergebnisse darin niedergelegt sind, zeigen deutlich, wie
sehr es dem alternden Atlianasios, der sein Leben lang
ftir den äieg des öfioovaiov gekämpft, nur um dies wesent-
lichste Stück des Glaubens zu thun war und ,,wie wenig
er auf die näheren dogmatischen Begriffsbestimmungen gab,
in denen er nur unnützen Wortkram und Ursache zu neuen
Scheidungen erkannte" '. Wie notwendig dies Festhalten
am Nicänum war, lehren uns in vortrefflicher Weise die
vorliegenden briefheben Äufscrungen des Apollinarioa. [/tvay-
■xaia ds — sagt er — fjV ^ fin fSijy^^auig tQv ctvxQv
(d. h. der nicänischen Glaubensaätze) ircavälriipig diä t^
ovx iytfj T(Dv Miftivmy nageSi'jyrjaiy , ijv Eiafffov o'i ntihxi
fifv ävtiAQvg ävTiXiyovvsg , vCv öi t^ dviiXoyian *fj;/ijff£wg
oX'/^ott fn!}o6£i-aarzet;. Bestätigt werden diese Worte durch
die Mitteilungen des Athanasios in seinem Synodal scb reiben ;
dort sehen wir, wie eifrig er darauf bedacht war, die Geg-
ner mit ihrem oft so weit abweichenden Standpunkte für
seine Auffassung zu gewinnen, und wir lesen es in und
Theol. XXVIII, S. 256) ersehe, ist mir da in der Hitze des GefechU
ein bedaucrlicliea Mifs verstund nis untcrgdaufcn, äaa hiermit susdriick-
lich zurückzunehmen ich nach noclimaliger PrüfuDg des Zusaminen-
banges kein Bedenken trage.
1) Böhriuger, Atbanasius und Ariua (Stuttgart, He:rer&Ze11er'i
LVttlag, 1ST4), S. 5&8.
122 DRÜJSEKE,
EwiBchen den Zeilen, welche fast gewaltsamen Aualegangs-
kttnste angewandt werden mnlsten, um das ersehnte Ziel
allgemeiner Veremigong zu erreichen. Welcher Art die
Oegner waren, ist aus Athanasios und teilweise auch aus
ApoUinarios deutlich zu erkennen, es waren zum Teil die-
selben, deren verwirrende Lehren Basilios ein Jahr zuTor
veranlalst hatten, ApoUinarios um Auskunft zu bitten, welche
— wie ApoUinarios Z. 24 ff. sagt — das öfiootSaiav ver-
warfen und das Sfioiov xar' oiaiccv einführten. Wo sich's
um die nicänische Lehre von der Gleichwesenheit des Va-
ters und des Sohnes handelte, durfte auch die vom heiligen
Gteiste nicht fehlen, welche, wie Sokrates (IQ, 7) aus-
drücklich berichtet, zu Alexandria verhandelt wurde: ey&a
xai TÖ Syiov Tcveß^a -S-eoXojn^artegy sagt er von den ver-
sammelten Bischöfen, ry öfÄOOvaitfi TQiddi owaveXafÄßavovro,
Mehr besagt auch des ApoUinarios Bericht nicht am Schlüsse
des Briefes: ovyeiai^yeTO de tuxI tö neqi nv&iiAorogj co^ inb
%&v TrariQtav ev r^ aiv^ Ttiarei z(p d-efp tuxI %i^ v\(^ yuu-
fiivov, fki eOTiv iv rj avtj} d-eAftivi. Wie Cotelier dazu
kommen konnte, mit Bezug auf diese SteUe aus dem 82.
(Ben. 244.) Briefe des Basilios die Worte anzuführen: ov
fifjv ntgi TOÜ Ttvei^arog troff äyiov Vj alzi^jcag avrbv (d. h.
den ApoUinarios) olda ßißllov ?^ d/coaraXiv ifvode^dfievog —
ist mir durchaus unerfindlich, da von Übersendung einer
Schrift über den heiligen Geist in den angeführten Worten
keine Rede ist und gar nicht sein kann. — Auch hier
wiederum drängt sich die Frage auf, wie in aUer Welt wohl
Fälscher darauf gekommen sein soUten, so genauen Bericht
über eine Eorchenversammlung zu erstatten und des ApoUi-
narios SteUung zu einigen ihrer wichtigsten Beschlüsse so
richtig zu kennzeichnen.
Ich hoffe durch meine Darlegungen den Beweis dafür
erbracht zu haben, dafs die fast ohne jede ernstliche Prü-
fung der Briefe erfolgte Verurteilung derselben durch C!o-
teUer und die Benediktiner in jeder Beziehung ein wissen-
schaftliches Unrecht war. Es liegt nicht der geringste
Grund vor, die Briefe nicht für echt zu halten.
Dieselben sind vielmehr als wertvoUe Denkmäler der freund-
BBIEFWECHSBL DBS BABIUOS KT iLFOLLINASIOS. 138
scbaftlicben Gegjnnnng und des Entwickelimgaganges deat
Lehre jener beiden hochherrorrsgenden Z^elirer der Kirche^
des BaiitioB und des Apottinarios von Laodicea,
zu betrachten, als Denkmäler, die fUr uhb um bo schätzens-
werter änd, als sie eine Lücke in tuuerer Kenatnia des
Lebens beider Männer in vortrefflicher Weise aiuMlen, die
weniger htä Basilios als Tielmehr hä dem in nur spärlichen
TrUmmwn seiner einst so reichen Bchriftstelleriscfaen Hinter»
laasenscbaft uns erhaltenen ApoUinarios fühlbar war.
An^DstiBische StndieB.
Von
Hermann Keuter.
V.
Der Episkopat und die Kirche. Der Episkopat und der rö-
misohe Stuhl. Das Konzil und die Tradition. — Die In-
fEdlibiUtat.
(Zweite Hälfte.)^
15. Unbeschadet seiner Lehre von der Koordination aller
katholischen Bischöfe erkennt Augustin den Primat des rö-
mischen an. In welchem Sinne? — Das soll demnächst (§ 18)
untersucht werden ^ nachdem zuvor das geschichtliche Ver-
hältnis zu den ihm gleichzeitigen römischen Bischöfen aus-
gemittelt sein wird.
Am nächsten liegt die Frage^ ob er irgendwelchen unter
ihnen persönlich kennen gelernt habe. Diese ist inbezug
auf diejenigen, welche vor dem Termin seiner Rückkehr*
nach Nordafrika (388 ?) regierten, mit höchster Wahrschein-
lichkeit zu verneinen. Ein persönlicher Verkehr wäre nur
möglich gewesen seit der Ankunft* in Rom (383?) —
1) Vgl. Erste Hälfte, Bd. Vn, S. 199.
2) Benedict. Vitae Augustini, lib. III, cap. I. Augustini Opera
opera et studio monachorum ordinis Benedicti e congregatione St. Mauii
(Bassani MDCCXCVn), T. XV, p. 133. Till^mont, Memoire»
pour servir k Thistoire ecclesiastique des six premiers si^cles (Paris
MDCCX), T. XIII, p. 122.
3) L. 1. lib. II, cap. I, T. XV, p. 43. Till^mont, T. Xffl,
p. 46.
-"-
1
REÜTEE, AUGUSTINISCHE STUDIEN. V. 125
und doch auch nicht. Obwohl unser Autor schon vor
dem Zeitpunkt seiner Abreise von Mappalta an der Halt-
barkeit dea Manichäiamua irre ' geworden , war er dennoch
aus dieser Sekte noch nicht förmlich ausgeschieden. Als er
in Rom angekommen war, nahm er sogar Quartier bei einem
manichäi sehen Gaatfreundc '. ^Vie hätle er also in Betracht
Beiner damaügen Stimmung, seines Umgangs auch nur auf
den Gedanken kommen können, sich von dem Bischof Damasua
eine Audienz zu erbitten? — Er kann ihn zufällig gesehen
haben. Das darf man nicht als eine Unmöglichkeit be-
streiten. Aber wäre das auch geschehen, es müfste doch
im Interesse unserer Untersucliung als eine durchaus gleich-
gülüge Thatsachc gewürdigt werden. — Als er nach dem
Empfang der katholischen Taufe in Mailand demnächst von
hier abreiste (387), um sieh nach Afrika zu begeben, hat
er freilich die Reise durch einen mehrere Monate dauern-
den Aufenthalt in der römischen Kapitale ^ unterbrochen,
als junger Katholik wohl das Bedürfnis fühlen können,
dem vomchraaten Bischof seiner Kirche, dem Siricius sieh
vorzustellen; aber dafs es dazu wirklich gekommen, ist
durch nichts zu beweisen. Und nach seiner Wiederankunft
in Afrika hat er dieses Heimatsland niemals wieder ver-
lassen. Ebenso wenig ist von irgendwelchen Reisen der
gleichzeitigen römischen Bischöfe dahin irgendetwas bekannt.
Somit könnte nur die littcrarische Korrespoudcnz oder die
Vermittelung durch Gesandtschaften ein näheres Verhältnis
zu den letzteren begründet haben.
Aber was die schon erwähnten Damasus und Siricius
angeht, so ist weder ein Brief Augustins an den einen oder
den anderen noch ein Brief des einen oder dea andern an
ihn auf uns gekommen. Höchstwahrscheinlich sind der-
gleichen gar nicht geseh rieben worden.
Von Innocenz I. hat Augustin einmal — in welchem
1) Biudemaaa, Der heilige Augustinus, Bd. I (BerUa 1814),
. 173 f.
2) Benedict. Vit, Üb. 11, cap. I, § 4.
3) L. 1. Üb. ir, cap. XIV.
1S6 BXDTKB,
Jahre? ist gmr nicht auBxomachen — durch Vennittelaiig
des uns sonst unbekannten Staatsbeamten ^ Cäcilianns ein
Privatschreiben emp&ngen ', welchem er einen hohen Wert
beilegt Um so bedauerlicher ist es, dals wir weder das
letstere besitMu noch die Antwort, welche doch ohne Zweifel
unser Autor abgetalst haben wird, sondern nur einen Brief
desselben an jenen Vermittler, welcher nichts enthält, aas
dem wir irgendwelchen Schluls auf den Inhalt des verloren
g^angenen machen können.
Das von Augustin mit unterzeichnete Schreiben ' der
Väter des EonzUs zu Mileve (416) und die sogenannte £p.
fioniliaris \ deren Eonzipient jener gewesen sein dürfte ^, an
den erwähnten romischen Pontifex sind freilich in kirchen-
politischer und dogmengeschichtlicher Beziehung (s. § 20)
wichtige Urkunden; aber gerade in Betracht der Motive
der Abfassung um so weniger brauchbare Denkmale der
Kenntnis eines etwa bestehenden eigentümlich persönlichen
Verhältnisses unseres Schriftstellers zu dem Adressaten. —
Ebenso wenig ist selbstverständlich ein solches aus den bei-
den Antworten (s. § 2l) des letzteren zu erkennen.
16. Auch des Zosimus besonderer Vertrauensmann ist
der Bischof von Hippo Regius nicht gewesen. Allerdings
wir erfahren gelegentlich, dafs dieser einmal von jenem
einen besonderen Auftrag«), die Weisung erhalten hat, in
1) — (§ 2) talem et tantum vimm in peregrinis positom caris-
que publicis laborantem etc. S. die folgende Anmerkung.
2) Augustini £p. ad Caecilianom, Ep. CLI, § 2, T. U, p. 674D.
Cum enim accepissem mihi a Viribus epistolam missam sancti et
praecipuis meritis venerandi papae Innocentii, quam per toam prae-
Btantiam ad me datam certis declaratur indiciis etc.
3) Augustini Ep. CLXXVI, Op. T. H, p. 807.
4) Ib. Ep. CLXXVII, Op. T. H, p. 809.
5) Walch, Entwurf einer vollständigen Historie der Ketzereien,
Bd. IV (Leipzig 1768), S. 624. 625.
6) Aug. Ep. CXC ad episcopum Optatum §1, Op.T.II, p.912C.
Quamvis tuae sanctitatis nullas ad me ipsum datas acceperim literas,
tamen quia illae, quas ad Mauretaniam Caesariensem nüsisti, me apud
Caesaream praesente venerunt, quo nos injuncta nobis a venera-
bili papa Zosimo apostolicae sedis episcopo ecclesiastica necessitas
AÜGÜSTINISCHE STUDIEN. V. 127
Cäsarea in Mauretanien eine Angelegenheit zu erledigen;
aber bedeutender Art scheint sie nicht gewesen zu sein. In
jedem Falle ist diese Thatsache nicht geeignet, die Annahme
einer intimeren Beziehung zu b^ründen. — Wenn Augustin
nach dieses Papstes Tode als sein verhältnismäfsiger Ver-
teidiger in der Weise auftritt, wie § 22 gezeigt werden soll,
wenn er in Ausdrücken der Verehrung von ihm redet: so
ist zu bedenken, dafs auch diese im Dienste der apologeti-
schen Tendenz gewählt sind und darum nicht als Beweise
einer persönlichen Sympathie verwendet werden dürfen. —
Wir vermuten demnach, dafs damals die Beziehungen zu
St Peters Stuhl nicht engere geworden sind als vordem.
Des zeitweiligen Schismas ^ zwischen Eulalius und Boni-
facius I. gedenkt unser Autor nirgends. Als aber der letz-
tere sich in dem Besitze des bischöflichen Amts befestigt
hatte: kam es allerdings zu Schritten der Annäherung. Den
ersten hatte der Papst gethan, — wie sogleich erörtert
werden soU^; es folgte als zweiter der des Augustin, in-
dem er die libri quatuor contra duas epistolas Pelagianorum
jenem zuschickte und widmete. Die denselben vorgesetzte
Widmungsepistel ^ liest sich wie eine Huldigungsurkunde.
Augustin hatte bereits durch das weit sich verbreitende Ge-
rücht, durch viele und glaubwürdige Berichterstatter er-
fahren, in welchem Grade von Gott begnadigt der gegen-
wärtige Bischof von Rom sei. Weitere Kunde aber ist ihm
durch den Alypius ^ mitgeteilt , welcher den vielgepriesenen
trazerat etc. Marii Mercatoris Op. ed. Garnier, T. I, p. 22, zweite
Spalte.
1) Langen, Geschichte der römischen Kirche bis zum Ponti-
fikate I^'s I. (Bonn 1881), S. 763—771.
2) S. S. 129.
3) Op. T. XIII, p. 511.
4) Ib. contra duas epistolas Pelag. 1. 1, cap. I. Sed postea quam
te etiam praesentia corporali frater mens vidit Aljpius acceptusque a
te benignissime ac sincerissime , mutua miscuit dictante dilectione
colloquia tecumque convivens et parvo licet tempore, magno tibi
junctus affectu, se simul et me refudit animo tuo teque mihi
reportavit in suo, tanto major in me tuae sanctitatis est facta no-
titia, quanto certior amicitia. Neque enim dedignaris, qui non alta
128 REUTEBy
nicht nur mit eigenen Augen geschauet, sondern auch mit
ihm hat persönlich verkehren dürfen. Wiederholentlich ist
dieser von ihm empfangen in der kurzen Zeit des Aufent-
halts in der Welthauptstadi Noch ganz hingerissen von
der Macht des Eindrucks dieses „Zusanmienlebens^' hat er
nach der Wiederankunft in Hippe R^us des Papstes Bild
dem Verfasser vor Augen gestellt^ so zu sagen^ nach Airika
mitgebracht K Je umfassender die Kenntnis des Wertes
seiner Person, desto fester ist „die Freundschaft" geworden *.
Hält es doch Bonifacius, ein Mann so hoher Würde, nicht
unter dieser Würde, ein Freund der Niedrigen zu sein, die
Liebe, welche man ihm entgegengetragen, zu erwidern!
Man hat kein Recht, an der Aufrichtigkeit dieses Be-
kenntnisses zu zweifeln, wohl aber daran sich zu erinnern,
dafs sehr bestimmte kirchlich -dogmatische Interessen den
Verfasser beschäftigten, als er dasselbe ablegte.
Die Pelagianer hatten zwei ostensibele Briefe, den einen
(wie Augustin vermutet*, von Julian von Eclanum ver-
£Ekfst, — dieser aber hat die Autorschaft abgelehnt ^) nach
sapis, quamvis altior praesideas, esse amicus homilium et amorem
rependere repensum. Quid est enim aliud amicitia, quae non aliunde
quam ex amore nomen accepit et nusquam nisi in Christo fidelis est,
in quo solo esse etiam sempitema ac felix potest? — Unde et accepta
per eum fratrem, per quem te familiarius didici, majore fiducia ausus
sum aliquid ad tuam beatitudinem scribere de his rebus etc.
1) S. die vorige Anmerkung. — Das BewuCstsein von der Koordina-
tion der Bischöfe spricht sich aus auch in dem Fragm. ep. adClassicianum,
T. II, p. 1145 B. Es ist fraglich, ob man um des Vergehens eines
Familiengliedes willen über die ganze Familie das Anathema ver-
hängen solle. Aug. erklärt: über diese Frage et in concilio nostro
agere cupio et s i opus fuerit, adSedem apostolieam scribere, ut
in his causis quid sequi dcbeamus, concordi omni um auctoritate
constituatur atque firmetur.
2) S. S. 127, Anm. 4.
3) contra duas epistolas Pelag. lib. I, cap. III, § 3.
4) Julian, ap. Aug. Oper, imperf. lib. I, cap. XVIU, Op. T. XIV,
p. 1086. Facit quoque cpistolao mentionem, quam a me ait Ro-
mam directam; scd per verba, quae posuit, nequivimus quo de
Bcripto loqueretur, agnosoerc. Nam ad Zosimum, quondam illius
AUGUSTINISCHE STUDIEN. V. 129
Rom gesandt, um die Gesinnungsgenossen zu stärken, bis
dahin Andersdenkende zu „verfuhren"^, den anderen, von
Julian der eigenen Aussage nach geschrieben ^, von acht-
zehn Bischöfen unterzeiclinet, an den Bischof von Thessa-
lonich, um denselben auf iiire Seite zu ziehen. Beide waren
von dem regierenden römischen Bischof unserem Autor,
welcher bis dahin mit denselben unbekannt gewesen, mit-
geteilt ^. Und das wai* allerdings nicht blofs ein Beweis
des höchsten Vertrauens, sondern auch ein wichtiger Dienst.
Denn unser Schriftsteller war nunmehr imstande, die neuen
Verleumdungen und Verdächtigungen seiner Lehre zu wider-
legen, eine neue Ejitik der pelagianischen Häresie zu liefern.
Wir lesen dieselbe in den genannten Ubr. conti*a duas episto-
las Pelagianorum, welche im Auf krage des dankbaren Autors
durch den schon erwähnten Vermittler dem römischen Kol-
legen übergeben wurden nicht in der Absicht, ihn zu be-
lehren, sondern mit der ausdrücklichen Bitte, den Inhalt zu
prüfen *, — was der Verbesserung bedürfe, anzumerken. —
Dazu wird Bonifacius I., vornehmlich für ku*chlich-politische
civitatis episcopum, super bis quacstionibus duas epistolas destinavi,
verum eo tempore, quo adhuc libros exorsus nou cram.
1) contra duas epist. Pelag. lib. I, cap. I, § 3. — credo ut per
illam, qnos posset, suos aut inveniret aut faceret. Op. imperf. lib. I,
cap. XVIII. Haec epistola nou est ad Zosimum, sed ad eos sedu-
cendos, qui Romac possent tali suasione seduci etc. S. die Admonitio
der Benediktiner, Op. T. XIII, p. 510. K lasen, Die innere Ent-
wickelung des Pclagianismus (^Freiburg i. Br. 1882), S. 71.
2) S. die von Ganiier in Marii Mercatoris Op. Paris. 1673 in
Dissert. I de primis auctoribus et defensoribus baeresis Pelagianae,
p. 147 erste Spalte excerpierte Stelle. — quod tarn uefarium est ut
cum a nobis in epistola, quam ad Orientera misimus, fuisset objec-
tum etc. Appendix ad dissertat. VI, 388 erste Spalte. Den Text
des ganzen Briefs bat Garnier a. a. 0. S. 334. 335. wiederberzu-
stellen versucht, contm duas epistol. Pelag. lib. I, cap. I, § 3; lib. II,
cap. I, § 1. K lasen a. a. 0. S. 72, Anm. 1.
3) contra duas epistol. Pelag. lib. I, cap. I, § 3.
4) L. 1. haec ergo — — ad tuam potissimum dirigere sancti-
tatem non tarn discenda quam examinanda et ubi forsitan
aliquid displicuerit, emendanda constitui etc.
ZeiUchr. f. K.-Q. YHI, 1. 8. 9
130 R£UT£B,
Dinge interessiert ^ , wohl nicht gemeint haben , den Berul
zu haben. Vielleicht aber hat das devote Benehmen des
berühmten dogmatischen Meisters in Numidien , die ge-
flissentliche Betonung der Autorität des apostolischen Stuliles
dazu gedient den dermaligen Inhaber desselben in der anti-
pelagianischen Stellung zu befestigen. —
17. Im September 422 ^ folgte ihm Cölestin I., der letzte
römische Papst; dessen Zeitgenosse Augustin war. Wir
wissen ; dals er diese Wahl mit Freuden begrülste '. Der
neuerkorene war ihm bereits näher getreten^ als er das Amt
eines Diakonus der römischen Kirche bekleidete. Damab
hatte er einen Brief an den Bischof von Hippo Regius ge-
schrieben^ — wir erfahren nicht in welchem Jahre, welchen
Inhalts. Aber aus des Emp&ngers Antwort ^ ist zu schlie-
fsen, dafs in jenem ein überaus herzlicher Ton angeschlagen
war; eben dieser hat dem Augustin so wohl gethan, dals er
seine Stimmung in einer schwungvollen geistreichen Be-
trachtung über die Herrlichkeit des Gbbens und des Nehmens
innerhalb des Freundschaftsverhältnisses auszuprägen sich
gedrungen fiihlte. Die Liebe, welche darin waltet, vermehrt
sich gerade, indem sie giebt. Das Geld, welches wir be-
sitzen, wird gemindert durch die Bezahlung unserer Schuld.
Die Liebe dagegen nimmt zu, indem wir anderen , denen
wir schulden, zahlen ^.
Von Dingen dieser Art ist in der zweiten ^ Epistel nicht
die Rede. Geschrieben bald nach der Stuhlbesteigung spricht
sie offenbar in Erinnerung an die Ereignisse des Jahres
418, wo der Zustand in Rom ein so ganz anderer gewesen,
die Freude darüber aus, dals dieselbe friedlich, ohne Zwie-
spalt des Volks vollzogen sei. Dann aber wird weitläufig
1) Laagen, Geschichte der römischea Kirche bis zum Episkopat
Leo's I. (Bonn 1881), S. 763. Vgl. die Ezcerpte aus den Briefen bei
Jaffe, Regesta pontif. ed. II, N. 348—365.
2) L. 1. Ed. II, p. 53.
3) Ep. CCIX, Op. T. 1011.
4) Ep. CXCII, 1. 1. 925. 926.
5) Ib. § 2.
6) S. Anin. 3.
AcoüsninscnE STUDIEN, v. 1,31
ein beätimniter in das Kirchen reclit einsclilagfindei- Fall er-
örtert, Her, so wiolitig er in der erwähnten Beziehung ist,
doch der Natiir der Uinge ii.tL-h liier ' uiflit in Betracht
kommen kaini. —
Nur daran mag noch erinnert werden, dal'a Augnatin
mit dem i-üiniscben Presbyter Sixtus, dessen Episkopat er
nicht mehr erlebte, Itorrcspundiert Iiat.
Der letztere liattc an ihn und den Bischof Alypins ein
weitläufiges * Öchi-oiben geriehtet , welches der Presbyter
Ftrmiis ^ beiden zu überbringen und den Inhalt durch niilnd-
ficlie Bezeugungen zu bekrülligcn * beauftragt war, dabei
Torau^eaetzt , dafs beide Adressaten zur Zeit der Ankunft
4cs Boten in Numidien an einem und demselben Orte sich
befinden würden Indessen als Firmus in lüppo Regina
Sfdangte, war Augustin daselbst nicht anwesend; nichts-
destoweniger gab er des Sixtus Brief in des erateren Woh-
nung ab , um sofort weiter zu reisen ^. Augustin konnte
daher denselben erst nach der Rückkehr in seine Bischofs-
'Btadt allein lesen*. Und kaum war das geschehen, als
lUich schon der Gedanke an die Antwort ihn beschäftigte.
Sie mufste, wie er urteilte, rasch zu Papier gebracht, nicht
bis ziir Ankunft des Alypius aufgeschoben werden, konnte
also nur eine besondere werden, nicht eine gemein ac haftliche.
Er übergab sie dem mittlerweile in Hippo Regius wieder
angekommenen Sendboten mit der Weisung zunächst dem
Alypius den an diesen mitadressierteu Brief des römischen
Presbyters zu überbringen, von demselben ebenfalls ein
itwortschreiben entgegenzunehmen, dann beide Schriftstücke
der Hand die Rückreise nach Rom anzutreten.
Sixtos, welcher nur einen Brief geschrieben hatte, er-
:1t auf diese Weise zwei ' Antwoi-ton oder vieiraehr drei.
1) Vgl. aber unteu § tii, S. V.id und Langen a, a. O- S. 7M.
2) 8. 8. 13-2, Anm, 4.
3) Ep. CXCI, g I, Op, T. II, p. !tä3.
4) Ep. CXCIV, § li, T. II. p. raSA,
5) Ep. CXCI, § I, T. II, p. 933D.
6) L. 1.
) L. 1. Qnod Eutcm (juibos simul acripaisli , tunc qod eraimu
I
132 REüTERy
Denn Augußtin, welcher Gelegenheit gefunden, des von dem
römiflchen Akolythus Leo überbrachte Schreiben des Sixtus
an den Bischof Aurelius von Carthago zu lesen * und zu
kopieren y aus diesem , wie aus dem an ihn und an den
Alypius gerichteten Briefe des Verfassers Zustimmung zu
seiner Lehre von der Gnade erkannt, hatte sich nicht ent-
halten können, in einem ersten kürzeren Schreiben ^, wel-
ches sein eigener Akolythus Albinus nach Rom tragen
sollte ', seine hohe Befriedigung ^ hinsichtlich der konfessio-
nellen Haltung des römischen Presbyters auszusprechen.
Derselbe wird als tapferer Verteidiger der göttlichen Gnade
gepriesen, aber doch noch ein Weiteres gewünscht Die
am meisten charakteristischen Stellen des ganzen Schriftstücks
predigen von der Notwendigkeit der Einrichtung der In-
quisition^ in Rom zum „Schrecken aller Widersacher
Gottes". Nicht blofs sollen — beantragt er — diejenigen
mit heilsamer Strenge gestraft werden, welche den dem
christlichen Namen feindseligsten Lrtum frei zu äufsem sieb
erkühnen ; sondern es sind in Rücksicht auf die schwächeren
und weniger fähigen durch die Wachsamkeit der Hirten
auch diejenigen zu behüten, welche leise und schüchtern
von diesen Dingen reden. Ja selbst jene sollen nicht aufser-
acht gelassen werden, welche aus Furcht die bösen Ge-
danken nicht über die Lippen zu bringen wagen, die sie
doch hegen. Denn einige, welche früher geredet haben,
simul, ideo factum est, ut singulorum singulas, non onam amborum
opistoiam sumeres.
1) Ep. CXCI, § 1, Op. T. n, p. 924AB; Ep. CXCIV, § 1.
— tuae quoque literae ad Yenerabilem aenem Aurelium consequutae
sunt, quae tametsi breves erant etc.
2) Ep. CXCI.
3) Ep. CXCIV, § 1. In epistola (CXCI), quam per carissimum
fratreni nostrum Albinum acolythum misi, prolixiorem me missurum
0880 promisi per Firmum etc.
4^ Ep. CXCI, gl, T. n, p. 924B quanta nos putas ista tua
prolixiora scripta cxsultatione legisse etc. Ep. CXCIV, § 1, T. II,
p. J)32. Nunc vcro apertius etc.
ö^ Ep. CXCI, § 2, T. II, p. 924CD. 925A. Vgl. Ep. CLXXVÜ,
M 8. 15.
ADGUSTINISCnE STUDIEN
133 ^^M
schweigen jetzt, nachdem „diese Pestilenz" durch das Ur-
teil des apoHtolischen Stuhls verdammt iet. Aber das ist
nicht genug. Denn ob sie in der That Bich bekehrt haben,
kann daraus nicht sicher erfahi'en werden, dal's sie die bis-
herige Häresie nicht mehr mit dem Munde lehren, „Bundem
nur daraus, dafs sie mit demselben Eifer, mit welchem sie
VDi-dem das falsche Dogma predigten, nunmelir positiv das
wahre verkündigen und verteidigen. Tliun sie das, dann
hat man sie als „Genesene" zu beurteilen. Aber selbst
wenn das nicht der Fall ist, hat man sie dech milder zu
behandeln als die ofFen baren hüretisclion Lehrer. Der
Schrecken hatte ihnen ja bereits die Zunge gelähmt Warum
soll man sie noch mehr schrecken V Aber freilich aufser-
avht darf man sie auch nicht lassen! Sic sind weiter zu
unterrichten, so jedoch, dafs der Schrecken den Unterricht
unterstützt. —
Der Verfasser begnügte sich nicht mit dieser Epistel.
Er setzte sich abermals nieder, um demselben Adressaten
eine zweite zu widmen. Der Gedanke daran kam ihm
nicht erst jetzt; er hatte die Abfassimg schon damals be-
absichtigt, als er die erstere schrieb. Ja er meinte bereits
in dieser dem Sixtus augekündigt zu haben, dafs eine
weitere briefliche Erörteining demnächst folgen werde; was
aber doch nicht der Fall ist. Wohl aber sollte man in
Kom aus dieser zweiten Epistel die Motive erfahren,
welche den Briefsteller bei der Abfassung der erstercn
geleitet hatten. Darin war der Stimmung der Freude dar-
über Ausdruck gegeben, welche die Kunde von des Sixtus
konfessioneller Stellung gemacht hatte. Jetzt sollte dieser
darüber aufgeklärt werden, welche Sorgen Augustin bis
dahin um seinetwillen geltabt. Man hatte ihn in gewissen
Kreisen als Freund und Beschützer der Widersacher der
echten Lehre von der Gnade vorgestellt. Vor kurzem aber
war er durch des Verklagten eigene Zellen von der Un-
richtigkeit dieser Ansicht überzeugt worden. Begreiflich
genug, dafs es zu einer freudigen Enttäuschung kam. Ein
angeschener römischer Kleriker hatte so geschrieben, wie
Augustin las: die „römische Kirche" demnach lehrte
134 REUTEK,
jetzty wie vordem, so, wie Augustin erwartete und verlangte.
Der Nuncius dieses Römers versicherte übei*die8 mündlich,
dals das in der £p. CXCI empfohlene inquisitorische Vcr-
fieJuren bereits eingeleitet worden. Die römische Eorche
handelte also bereits der Lehre entsprechend. Nichts-
destoweniger hielt es der Bischof von Hippo Regius nicht
für überflüssig, neue Ratschläge zu erteilen, derselben (von
der er also voraussetzt, dafs sie durch die Diplomatie der
Pelagianer könnte getäuscht werden) Unterricht zu erteilen.
Das war in der That eine Zudringlichkeit, welche mög-
licherweise das Selbstgefühl der Römer verletzen konnte.
Der Briefsteller scheint das erkannt zu haben. Wenigstens
läfst sich bei dieser Annahme der Schlufs der £p. CXCIY,
§ 47 am ehesten erklären. Die daselbst ausgesprochene
Bitte, die römische Geistlichkeit, falls sie eine noch zweck-
mäfsigere Methode der Polemik gegen die Pelagianer als
die von dem Verfasser angewandte kenne, möge ihn mit
derselben bekannt machen, hatte — so läfst sich wenigstens
vennutcn — den Zweck, den Eindruck zu ermäfsigen, wel-
chen die allzu dreisten Ermahnungen machen konnten. Diese
sind aber auch in anderer Beziehung bemerkenswert Man
kann in denselben indirekte Bekenntnisse inbezug auf die
kirchliche Stellung Roms sehen. —
18. Wie Augustin darüber, zunächst (I) über die
kirchenpolitische Autorität, den Rang und die Macht
des römischen Bistums denke, soll nimmchr der angekün-
digten (§ 15) Aufgabe entsprechend erörtert werden.
Der römische Episkopat heifst dem vorherrschenden
Sprachgebrauch des ganzen Zeitalters gemäfs auch bei ihm
sedes apostolica, aber doch nur vornehmlich, nicht in aus-
sclilicfslicher Weise. Denn neben der römischen giebt es
noch andere sedes apostolicao oder apostolorum. In den
berühmten Stellen, in welchen die Kennzeichen der wahren,
die Autorität der katholischen Kirche gewürdigt werden,
lesen wir den Pluralis ^ wie den Singularis, den letzteren
1) S. Bd. VIT, S. 254, Aum. 1 dieser Zeitschrift. Daneben hat
sich als Reminiscenz aus der älteren Zeit auch bei Aug. ein be-
AL-GÜSTINISCHE STUDIEN. V.
K, B, de utilttatc crctJoiidi cap. XVII, g 3ä '. Hioi- Btehcn
einaniier gegenüber „usquo ad confessionem generis humani"
und ab „apostolica sede", der End- und Anfangspunkt. Der
erstere ist die Zeit , in welcher das MenschengGscUecht
- — nach der unhistorischen Vorstellung des Verfassers —
allgemein zu dieser Kirche sich bekannt hat Der letztere
ist die, seit welcher die sedes apoatoüca existiert *. Seit der
Kxistenz derselben hat diece Kirche das hücliste Ansehen
behauptet Wenn es nun weiter heifst per successiones
cpiscoporum: bu könnte man allerdings an die Inhaber
aller Episkopate denken, aber doch nur dann, wenn alle
Bischöfe als Inhaber der einen sedes apostolica gedacht
wären. Dann würde sedes apostolica als Kollektivname für
die Anlange aller einzelnen Bischofsreihen zu Ijetiachten sein.
Indessen da an den meisten Stellen * unser Schriftsteller
diese Phrase gebraucht, wo er ohne Frage den römischen
Episkopat bezeichnen will : so wird man auch an der
unsrigen denselben Gedanken vorauszusetzen haben, wenn
nicht zwingende Grunde daran hindern Dieser Art scheint
nun allerdings der Pluralis successiones episcoporum zu sein-
In der That nötigt derselbe eine gewisse, ich möchte sagen,
Ungleichmäfsigkeit des Gedankens und des Ausdrucks an-
zunehmen. Indem Augustin „ab apostolica sede" schrieb,
dachte er in erster Linie an den römischen Episkopat
(gemafs dem im Oceidente vorwiegenden Sprachgebrauche};
aber da er noch andere * sedes apostolicae aufser der ni-
■ chränkter Sprachgebrauch erhalten. De Joctriaa christiana
lib. n, cap. vin. § la, t, ni, 3ob.
1) Op. T. X, 81EP. Cum igitur tantum suiilium Dei. tantum
profectum fructumque videamus, dubitahimus, nos ejus E^clesiac coa-
derc gremio, quae UHque ad confeasioDem geoeris bumaui ab apostoiica
Scdo per BUccesuioues episcoporum, fnistra hocreticis circumlatraiitibu6
ut partim plebis ipsius judicio., partim cODciliorum gravitat«, partim
eütia miraculonim mnjeslate damuatis, culmen auctoritatis obtinuit?
ICui Dolle primas dare vel auminae profecto impielatia est *el prae-
eipitii arrogant iae.
•2) la manchen Stellen Aiefsea beide Gedanken susammeu. Bd. VII,
B. 2Ö0 dieser Zeitschrift.
3) Vgl. oben g 13, Bd. VII. 253 dieser ZeitBChrift.
i) EpUt. CCXXXII, § 3, T. II, 1098 A. — a radice Cbriitianae
136 KEUTER,
mischen kannte^ weiter die Phrase successiones episcopo-
rum (ai diaioxai z(ov chcoazoliüi') seit dem Ende des
zweiten Jahrhundei*ts die in den Aussagen über die katho-
lische Kirche übliche war: so hat er statt des vielleicht be-
absichtigten succesionem (£p. LIII per ordinem epis-
coporimi) gesetzt per successiones. Vgl. Psalm, ad partcm
Donati Op. T. XII, p. 8G. Numcratc sacerdotes ab ipsa
sede Petri etc. contra Cresconium Donat lib. Ill, cap. XVIII,
§ 21, T. Xn, 661. Vgl. Bd. VII, S. 253. 254.
Der römische Stuhl ist also von ihm bevorzugt, diese
Bevorzugung als eine durch die Tradition geheiligte anerkannt
Indessen wir lesen auch Sätze, welche einen höheren autori-
tativen Rang auszusagen scheinen. Z. B. Ep. XLIII, § 7,
T. II, 122 A: — fiomanae ecclesiae, in qua semper ApostoUcae
cathedrae viguit principatus. contra Julian, lib. I, cap. IV,
§ 13, T. XIII, 623 (Innocentius) — etsi posterior tempore,
prior loco. contra duas epistol. Pelag. lib. I, cap. I, § 2
ad Bonifacium episcopum Romanae ecclesiae. Cum
communis sit omnibus nobis, qui fimgimur episcopatus
officio (quamvis ipse in ea praemineas celsiore fastigio)
specula pastoralis etc. Aber in diesen allgemeinen, voll-
tönenden Phrasen vernehmen wir nichts, was den Umfang
der (h(*)heren) Autorität charakterisierte, nichts Bestimmtes
über den Kreis der rechtlichen Befugnisse. Und dieser
Mangel wird nicht etwa ergänzt durch genauere Aussagen
über die Stellung des Petrus als Apostels und ersten rö-
mischen Bischofs; sondern die hierher gehörigen Aufse-
rungcn sind ebenso schwankend wie die anderen. Petrus
heifst Apostolorum primus*; ihm kommt zu diejenige
principalitas apostolatus, der kein episcopatus zu vergleichen
ist*. Indessen diese Schätzung wird wieder herabgestimmt
soclctatis, quae per sc des Apostolorum et successiones episcoporuin
certa per orbcm propagatione difiundilur. — contra Julian, lib. I,
cap. IV, T. XIII, 623 C apostolica srdcs et Romana.
1) SermoLXXVI, § 1, T. VII, 415. Scrmo CCXCV, § 1. Conti-a
Julian, lib. I, cap. IV, § 13. — in qua primum apostolorum suoruni
voluit Dominus gloriosissimo raartyrio coronare.
2) de baptismo lib. II, cap. 1, § 2, T. XII, 125 G. Caeterum
AUQD8T1H1SCHE STODfEN, V.
durch die schon oben berücksichtigte Lehre, dafs jener
Apostel l) als der l^präecntant aller Apoate! ', 2) der
ganzen Kirche * anzusehen sei. Den letzteren Ge-
danken würdigen wir erst dann in »einer Bedeutung, wenn
wir erwägen, dais unser Schril'tsteller nirgends Cyprians
Vorstellung* wiederholt, episcopum in eeelesia, ecclosiam
(Kirt'he) esse in cpiscopu. Nicht in Betracht des apo-
»tolischcn Amte«, mit welchem Petras an und für sich in-
vestiert worden war *, sondern um des pcrsonliehon Glau-
bens und Bokennens {M.-ittli. IG, 18), um seines der Hei-
ligung sich widmenden Lehens willen cmplUngt er die Gewalt,
welche z. B. Scrmo CCXCV , ^ 2 beachriohen wird, —
die, welche dio Gewalt der Kirche ist. Die clavcs coe-
lorum wurden ihm nicht zuteil als einem privilegierten
einzelnen Apostel, sondern als dem, welcher ipsius univer-
eitatis et unitatis ccclesiae iigura war ^ Und diese
mHgiti vcrcri debeo, ne io Pctruin contuineliosne eiiatcm (im Ver-
gleiche mit CyprianuH cpiacopus). Qui: cnim nescit illum Apoato-
lattia priiK'ipatura cuilihct episcnpiliii pra^ferendumV
1) S. Bd. VII, S. 251—253 dieaer Zeitschrift. Tractat. CXIX
in evaiiR. Joann. cap. XIX, g 4, T. IV, 1058,
2) S. Bd. Vn, S. 25a, Anm. 2 dieser Zeitsclirift. Truulat. L in
Evangelium Joaiiuis 1; 12, T. IV, 838CD. Nam si in Potro non
esMt eccIeaiaD sacmmcntum, non ei diceret Dominus, Tibi dabo clavM
regni iiui'lorum ete. — — ei hoc ergo in Ecclosia fit, rdru» r|Qando
cliivcü accepit, Eccleaiam Banctsm aignificat. Ilatch, Die Gesell-
gchaftsverfassung der chrietl. Kirche u. b. w. (Giefsen 1883) , S 10«,
Anm. 48. Die andiTe daselbst citicrtc Stelle de catechiamdia rudibui
e. 31 beruht auf Irrtum.
3) S, die eiccrpierten Stellen bei Kothc. Anfänge der cliriBtt,
Kirche and ihrer Verfaüaung , Bd. I , S. 648. 6411. In dem Satse
quando Eccleaia in episcopis et clero et in omuibua Htantibua
ait constituta etc. bedeutet ceclcsia „die Kiuzclgemeiadc", nicht
die Kirche. Otto Ritschi, Cypriau von Karthago und die Ver-
fssBung der Kirche. Eiuc kirchengeschichtliche uud kirchenrcchtlictie
UntersuchoDg (Göttiugen 1885), S. 91 f. und die gute Erörterung
S. 153 f.
4) Sermo CCXXXII, § 3, T. VII, 981.
5) Ebenso de agone Chriatiano cnp. XXX, § 32, T. XI, fiSOG.
Non sine causa inte r omnea apostolos hujus eceleaiae catholicae per-
Mtnam «utinet Petnu i huic euini euclesiae claves refcm caeVotvuu duu&
138 SEÜTER,
universitas; die tota ecclesia besteht nicht in erster Linie
in den zur Einheit zusammengcfarsten Bischöicn als au-
toritativen Aratsträgem^ — freilich die unitas pasto-
rum ist in Petrus dargestellt; aber nur der bonorum' —
sondern in der Gesamtheit der (gläubigen) „Christen''^,
also auch der Laien. Bemerken wir überdies schon hier^
daTs der primus Apostolorura ausdrücklich als die figiira
auch der Schwachen in der Art von Augustin voi^gestellt
wird, wie unten § 24 erörtert werden soll: so wird wohl
deutlich, in welchem Grade durch diese Vergleiche der Pe-
trinische, der römische Primat der autoritativen Macht,
des Rangs ermäfsigt wird.
19. Derselbe ist nicht eine selbständige Gröfse, sondern
erscheint (wie bei Cyprian *) als Mittel zum Zweck, die
Einheit der Kirche zu repräsentieren. Das ist der all-
gemein ausgesprochene theoretische Gedanke. In wel-
cher Weite aber, innerhalb welcher Schranken diese
Repräsentation vorzustellen sei, darüber schweigt der Autor.
In der Stelle Sermo XL VI, cap. XIII, § 30 * wird freilich
sunt, cum Pctro datac sunt. Et cum ci dicitur, ad omnos dicitar
Amas me? — Pasce oves meas. Debet ergo ecclesia catholica
correctis et pietate firmatis filiis li beut er ignoscerc, cum ipsi
Petro personam ejus geHtanti — — — videamus veniam esse
concessam. — Enarrat. in Ps. CVIII, § 1, T. VI, 545 A. — Wer er-
innert sich hier nicht an die Stelle des den Schmalkaldischen Artikeln
beigefügten tractatus de potestate et primatu Papae p. 345, § 24
bis 27? —
1) Des sacramentum ordinis wird in keiner der hierher gehörigen
Stellen gedacht. Ein Beweis für die Richtigkeit des Bd. VII, S. 246.
247 Erörterten.
2) Sermo CXLVII, § 2, T. VII, 702 D. In uno Petro fi^rabatur
unitas omnium pa stör um, sed bonorum, qui sciunt oves Christi
pascere Christo, non sibi. Cf. Sermo XLVI, cap. XIII, § 30, T. VII,
240 DE. Vgl. oben Bd. VII, S. 214. 215.
3) S. Bd. VII, S. 253, Anm. 1. 2. Sermo CCXXXIII, cap. III,
§ 3, T. VII, 981 G. Fides meruit audire etc. Tract. CXIX in
Evang. Joann. § 4 — quia uuiUs est in omnibus etc. S. Anm. 5.
4) Vgl. Otto Ritschi a. a. 0. S. 92-95.
5) Op. T. Vn, 240 E-G. hie unus praedicatur, quia unitas
AÜOÜ8TINI8CHE STUDIEN. V. 139
(wie auch ia so vielen anderen) &n des Herrn Wort „Weide
meine Schale" erinnert, aber hier wie andcrsww in erheb-
lich anderer Art, als dasselbe von den liiemrchi schon Päpslea
erklärt worden ist. Nicht des autoritativen Kirchenregi-
men ts gedenkt dieselbe, aondcrn der pasloralen seelsorge-
risclien Leitung der Herde Christi; von der bonitas pasto-
rum ist in dem ganzen Paragraphen die Rede. „Überhaupt,
wenn die Schafe gut sind, sind auch die Hirten gut; denn
aus den guten Schafen gehen die guten Hirten hei-vor."
„Alle guten Hirten sind in einem, sind eins." Indem jene
weiden, weidet dieser, da in jeneu sein Wort, in jenen
seine Liebe ist. In Betracht der Liebe des Petrus wird
ihm von dem Heim das Amt (des Weidena) übertragen.
Damals als das geschah, hatte er, der früher erklärt: Ich
werde weiden meine Schafe, einen gefunden, welchem er
befehlen konnte, weide Du meine Schafe. Jetzt aber lebt
dieser Petrus nicht mehr, — er ist aufgenommen in die
Schar der Märtyrer. Deshalb kann man vielleicht das
Wort Jesu: Ich werde weiden meine Schafe, auf diese
unsere Gegenwart beziehen und sieb trösten in dem Ge-
danken, talls ctiva keine guten Hirten vorhanden sein
■ollten, würde der Herr selbst die Schafe weiden.
Das ist wahrlich nicht Beschreibung der hierarchi-
Behen Autorität, der Macht des Petrinischen (romischen)
Primats. Aber auch sonst ist über diese, — über den Um-
fang der Jurisdiktion bei Augustin nichts zu lesen.
Die darauf bezüglichen, die Fragen nach der rechtlichen
Kompetenz des rumischen Bischofs im Verhältnis zu den
übrigen interessieren ihn gar nicht. Ein starkes persönliches
tOefUhl für Wahrung der Selbständigkeit seines Bistums dem
ifimischen gegenüber offenbart sich nirgends '. Ebenso wenig
«ommondatur. Ep. LDl, g 2, T. JI, ItlOB. Seririo XLVl, cap. XII,
(30, 1. L 240E Idudo et in ipso Petro unitatem commendavit.
1) Die schon oben 8. 130 berücksichtigte Ep. CCIX ad Cuclesti-
Dum Op. T. n, lull sq. (nur in der vnlikanischen HaudBohrift über-
liefert ■. die Note G der Benediktiner p. 1014) redet eine pictätavoUe
^^Spnche § 6: Esüstunt ezctnpla, ipaa Scde apoatoltca judicanta
I
140 REUTER,
finde ich ii^gendwo in seinen Schriften einen Beweis dafür,
dafs er die gemeinsamen bischöflichen Rechte gegenüber
den römischen Ansprüchen in besonderer Weise ^ zu ver-
teidigen beflissen gewesen wäre. Der berühmte Apiarius-
fall * hätte ihm dazu Gdegenheit geben können. Freilich
ist auch Augustin auf der Generabynode zu Karthago am
25. Mai 419 anwesend gewesen und hat sich an der da-
selbst beschlossenen Remonstration beteiligt; indessen das
war unter den damaligen Umständen nicht wohl anders
mögUch. Wie er aber als Synodale sich geäufsert, darüber
ist nur wenig ' überliefert Und selbständig aus eigenem
Antriebe hat er sich nirgends litterarisch über die Ange-
le^nheit ausgesprochen. Ich glaube daraus schliefsen zu
dürfen, dafs er derselben eine erhebliche Aufinerksamkeit
nicht gewidmet habe^
Um so mehr beschäftigen ihn Gedanken über die Grund-
lagen der Geltung des traditionellen katholischen Dogmas,
somit auch über die Bedeutung des römischen Episkopats,
als des autoritativen Bürgen der kirchlichen Lehrtradi-
vel aliorum judicata firm ante quosdam pro culpis quibusdam
nee episcopali spoliatos honorc ncc relictos omnimodis impunitos etc.
§ 9: Non sinas ista fieri, obsecro tc per Christi sanguinem, per apo-
stoli Petri memoriam, qui Christianorum praepositos populorum mo-
nuit, ne violenter dominentur in fratres.
1) In dem Fragm. ep. ad Classicianum Op. T. II, 1145 B hcifst
es vielmehr Ego propter eos, qui pro peccato unius animae totam
domum ejus id est plurimas animas anathcmate ligant adjuvante
Domino et in concilio nostro agere cupio, et si opus fuerit, ad
Sedem apostolicam scribere, ut in his causis quid sequi de-
beamus, concordi omnium auetoritate constituatur atque
firmetur.
2) S. darüber Gerh. Joan. Vossius Historia de controversiis, quas
Pelagius ejusque reliquiac movcrunt Tract. theol. T. V, 579. He feie,
Konziliengeschichte (zweite Auflage), Bd. II, S. 120 f 133 f.
3) Ebcnd. Bd. II, S. 124 unten. Langen, Geschichte der rö-
mischen Kirche bis auf Leo I., S. 773.
4) Gegen Langen a. a. 0. S. 798. 799. Inwieweit A. an
der Abfassung des Synodalschreibens der neuen Synode zu Karthago
(424?) Mansi, Acta Concil, T. IV, 515 beteiligt gewesen, ist nicht
auszumittehi.
ADGÜSTlNISCnE STUDIEN. V. Ul
tion. — Diese zu erforschen, ihr VerstÄndniB atiszumitteln
■oll das weitere (II) Thema dieser Studie sein.
30. Es ist überflüssig, durch eine besondere Untersuchung
festzustellen, ob von unserem Schriftsteller die römisclie
Kirche (speziell der römische Episkopat , der römiacho
Bischof) als eine wichtige Trägerin der kirchlichen Lelu"-
traditiun anerkannt worden. Als echter Sohn der damaligen
katholischen Kirche, als Gegner der Donatiaten mufste er
diese Anerkennung äursern. Dafs ist freilich ein Schiufa,
aber nicht ein lediglich logischer (welcher auf gescliicht-
liebem Gebiete niemals unbedingt zwingende Kraft hat),
sondern, so zu sagen, ein historißcher, ein Schlufs, dessen
Berechtigung durch alle im Folgenden zu erörternden Stellen
bekräftigt wird. Nicht das kann die Frage sein, ob, son-
dern in welchem Grade er sich zu der römischen Au-
torität bekannt habe, ob sie ihm hinsichtlich der Lehre
eine unbedingte gewesen oder aber nicht.
In dieser Beziehung kommt vor allem die Stellung der
Nordafrikaner, des Augustin inabesondere während des Pe-
lagianischen Streits' in Betracht.
Der letztere hatte die bereits oben S. 126 erwähnte
epistola familiaris mitunterzeiclinet . welche darauf ausging
den römischen Innocenz I. zur Billigung des Lehrbegriffs
der (von Augustin dogmatisch geleiteten) nordafrikani sehen
Kirche zu bewegen. Man erkennt deutlich, wie wichtig den
Konzipienten dieselbe in Betracht der hohen kirchlichen
Stellung des dortigen Bischofs sei; aber auch ein anderes,
die Spuren der Horge, ea möchte derselbe durch die Accora-
modation der Pelagianer an den „kirchlichen" Sprach-
gebrauch sich täuschen lassen, die Methode derUmdeutung
der üblichen Kategorien nicht verstehen. Um den hohen
Leser dazu zu befähigen, wird ihm in höflicher Weise eine
Instruktion erteilt, ein Exemplar des Buclis de natura*,
1) Wie A. die römiache Tradition über die Ketzertanfe be-
urteile, auf sie sieb berufe, das ku crürtem mars ich mir hier atu
Hange) e.a Raum versagen.
2) Walch, Entwurf einer vollBländigen Historie der Ketzereien,
Bd. IV, S. Ö57, Arnn. z. N. VI.
14S BtEOTSS,
welches Pelagitis verfalkt haben soll, beigelegt, in welchem
die bedenklich klingenden Stellen notiert sind. Die Brief-
steller beabsichtigen I den Adressaten zu bestimmen, ge^n
die Urheber der in Nordafrika verurteilten Lehre ein-
suschreiteni sie setzen dieser gegenüber ;,die (apostolische
mid) kirchliche Wahrheit ^^ ^ auseinander in der Sprache des
Überzcugtseins, aber nicht in der Erwartung, dafs diese
Lehre von ihm zu bekräftigen wäre, damit sie als kirch-
liche gelte. Wohl aber soll er „prüfen^ (§19 hoc a te
probari volumus etc. Das zu Anfang eben dieses Para-
graphen vorkommende „judicabit'^ bezieht sich auf den
Prozefa des Pelagius). Diese Aufserungen * können die
Interpretation leicht in die Irre führen. — Die Verfasser
vei*wahren sich gegen die Vorstellung, als ob sie durch ihre
Darstellung der Gnadenlehre, welche sie einem geringen
„ Bächlein ^^ vergleichen, „die Quelle '^ in Rom zu verstärken
beabsichtigten, während jenes doch aus dieser abgeleitet sei.
D. h. sie bekennen, mit dem Christentume die Tradition aus
Rom erhalten zu haben. Hieraus scheint das Recht der
Forderung zu folgen, dafs die Echtlieit der (jetzigen) nord-
afrikanischen Tradition an der römischen erpi*obt werde.
1) Kp. CLXXVII, § 3: Et cum inventus fuerit (Pelagius) lianc
üioore (g^tium)) quam docet ecclesiastica et apostolica veri-
ta», tuno — — absolvendus est. § G. 7. 8: De hac gratia quaestio
vertebatur oto. — lianc apostolica doctrina gratiam uou im-
merito isto nomhio appellat etc. § 9: Cum itaque de Lac gratia
fidelibui oathüUcisquo iiotissima etc.
)l) L. 1. § 19: Dabit sane nobis veniam suavitas mitissima cordis
tui| quod prolixiorem epistolam fortassis quam velles tuae misiraus
lanotitati. Nou oiiim rivulum nostrum tue largo fouti äugende
rofundimuii; Mod in hac non tamen parva tentatione tcmpo-
riH (uude uou Uborot, cui dicimas Ne nos infcras in tentatiouem),
utrum otiam nostor licet exiguus ex eodcm, quo etiam tuus
abundunN emanot oapite Huentorum, hoc a te probari volamus
tulsquo roscriptis de oommuni participatione gratiac consolari. —
In der £p. CLXXV, § 4 (geschrieben von den in Karthago ver-
•ammolten Dischüfcn) wird die durch die Erklärung der Infallibilisten
berühmt gewordene Stelle Luk. 22, 32 angefülirt^ aber gar nicht in
dem beseichncton Interesse verwendet.
i
AL'GUSTINISCIIE STUDIEN. V. 143
Indessen diese wird in den folgenden Sätzen gerade ab-
gewiesen: Iiicr nennen die Verlaaser die rümisclie und die
nurdafnknnUclic beide „]}äclie", die rüraisclie einen „wei-
teren", „ iiliersti ümenden ", die nordalrikanische ollei-dinga
iiiclit zuni zweitenmal „einen geringtUgigen Bach"; nber
das Bild wird auch liier in seiner Geltung voniusgesetzt.
Denn beide untci'sebeidet unsere Epistel von der geniein-
eaineii Urquelle. Die Bitte, welche sie um Scbhisse aus-
spricht, ist die, Iniiocenz I. wolle „prüfen" (darüber richten),
ob die nordnfrikanisclie Tradition aus der letztgenannten
ebenso abgeleitet sei wie die römische. Das idem caput ist
die apoBtoUsche IJrtradition. Folglich scheinen die nord-
afrikanische und die niraischc der Voraussetzung der Brief-
stellei' gemiils gleicherweise aus jener herstammend gleichen
Wertes zu sein. Das ist auch wirklich der eine Gedanke.
Aber der andere wird in den Schlufsworten der über-
wiegende, dafs der römische Bischof an der römischen (da
sie — wie aus dem vorhin gebrauchten Bilde sich ergiebt —
die reichere sei) die nordafrikanische zu niessen vermöge,
um die Frage zu entscheiden, ob beide zusammenstimmen.
Wenn ihm aber dies Recht eingeräumt wird, so auch in-
direkt, wie es scheint, das andere, die Echtheit der in
Nordafrika überlieferten l<ehre au der römischen abzuschätzen.
Denn wenn diese die vollere genannt wird: so ist, wie mau
gesagt hat, die begehrte Prüfung der (vorausgesetzten) Über-
einstimmung der einen mit der andern doch nur dadui-cli
zu leisten, dafa über die Echtheit der nordafrikanischen
Tradition nach dem Maisstabe der römischen Muster-
kirche geurteilt wi-d. Die Überzeugung der Briefsteller ist
doch die — so könnte man meinen den Gedankenpruzefa
rekonstruieren zu können — , ihre Überlielemng sei von
den Aposteln abzuleiten, ebenso die römische. Nun aber
wird der Papst ersucht, in der Art sich zu erklären, wie
angegeben worden. Gesetzt der Konsensus beider würde
von ihm verneint: so würde man also nunmehr der anders
lautenden römischen zu folgen haben. — Indessen das kann
keineswegs der Sinn der schwierigen Schlufssälze aein. Denn
was ich oben (subjektive) Überzeugung genannt liabe, war
144 REUTEBy
vielmehr die unerschütterliche Überzeugung der Ver-
fasser^ nämlich, dafs ihre Kirche die echte apostolische Lehr-
überlieferung habe, — wie der ganze Inhalt ihrer Epistel
bis § 18 Ende zeigt. Verhielte es sich nicht wirklieh so^
80 hätte die Frage dahin formuliert werden müssen , wie
weit die nordafrikanische Tradition mit der apostolischen
stimme, deren lautere Erkenntnisquelle in Rom
sei. Dieselbe lautet aber vielmehr so, wie wir sie in dem
Text lesen. Der römischen Kirche wird nur ein relativer
Vorzug zugestanden: sie hat eine reichere Lehre, aber
darum nicht eine wahrere. Die Petenten wollen keines-
wegs die wahre erst von Innocenz erfragen und erfethren,
sondern ihre ganze Epistel zeigt, dafs sie sich im Besitz
wissen.* Nur darauf kommt es ihnen an, dafs alle anderen
ELirchen, vornehmlich die römische (von der sie, wie be-
merkt worden, das Christentum empfangen haben)^ in jetziger
Zeit die Übereinstimmung ausdrücklich deklarieren. — In-
dessen obwohl diese Erklärung meines Erachtens die rich-
tige ist, so doch nicht die allseitige ^ Die Auffassung,
welche ich anfangs als eine mögliche hinstellte, dann aber
durch wichtige Gründe bewogen einschränkte, soll damit
keineswegs als eine völlig verfehlte bezeichnet werden.
Sie wird sogar dem Wortlaute in untergeordneter Weise
gerechter als die zweite. Diese ist nur weniger einseitig
als die erste; sie deckt die wirklichen Gedanken der
Briefsteller auf. Diese aber sind in den sprachlichen Wen-
dungen ausgedrückt und zugleich verhüllt, — in Ausdrücken,
welche nicht ohne Absicht mifsverständlich sind. Wenn im
Anfange des § 19 „Quelle^' genannt wird, was hätte Fluis
oder Bach genannt werden müssen: so ist das schwerlich
eine aus der stilistischen Unbeholfenheit oder Sorglosigkeit
zu erklärende Ldkonzinnität. Wir sehen darin vielmehr die
Spuren des Interesses, welches die Nordafrikaner unter
den obwaltenden Umständen („sed in hac non tamen
parva tentatione temporis^') hatten, durch eine hyperbolische
1) Langen a. a. 0. S. 732 (vgl. S. 726. 728).
AUGüSTINISCHE STUDIEN. V. 145
Phrase den römischen Bischof zu einer beifalligen Aufserung
zu veranlassen.
21. Diese erfolgte inhaltlich nach Wunsch, formell
aber vielleicht anders, als Augustin erwartet hatte. Inno-
c«nz I. ^ nahm bekanntlich die Miene an, als ob die dogma-
tischen Erklärungen der Nordafrikaner erst durch seine
Autorität zu bestätigen seien. Unser Autor aber sah in
dessen Antworten nur Bekenntnisse, wie sie dem damaligen
Inhaber des apostolischen Stuhls, wenn er anders daftir
gelten wollte, geziemten ^. Sie werden als Bezeugungen der
an und f&r sich schon feststehenden Lehre ', nicht als nun-
mehr erst erfolgte Definitionen der letzteren beurteilt. Da-
gegen spricht nicht, dafs in der in Rede stehenden Epistel *
bemerkt wird, wenn jemand fortan anders lehre: so würde
er die Autorität des apostolischen Stuhls •'* verletzen. Denn
will man nicht zugestehen, dafs dieselbe sich in Widerspruch
mit sich selbst verwickele, so bleibt nur übrig, diese Aufse-
ning aus der Absicht herzuleiten, „die Feinde des Glau-
bens" einzuschüchtern, nicht aber vorauszusetzen, die Mei-
nung sei, die Kirchenlehre sei nun erst sanktioniert. Das
ist so wenig der Fall, dafs unser Scliriftsteller in derselben
Urkunde sich sogar über alle irdische selbst apostolische
Autorität auf „den Lehrer und Herrn der Apostel"^ be-
1) S. Jaffe, Regosta Uomjuiorum pontificum, Ed. II, N. 321.
323. 324.
2) Ep. CLXXXVI, § 2 Kiidc, T. II, »SiJf). Ad omnia nobis re-
scripsit, 60 modo, quo fas erat atquc op ort (»bat apostolicae sedis
antistitem.
3) Contra Julian, lib. I, cnp. IV, S 13, T. XIII, <;23C. Quid
enim potuit illo vir <;anc'fns Afrioani« rosjioudoro conciliis, nisi quod
autiquitus apostolica sodcp ot Koinana cum caetoris tenot perse-
vemnter EcclcsiaV
4) Ep. CLXXXVI.
5) Ib. § 28, T. II, H7<i(!. Et contra Scdis apostolicae auctori-
tatem etc. Es ist der ganze ij 2S und s^ 27 im Zu sammeu hange
zu lesen und zu erwägen.
G) Ib. § 29. Si autem cedunt Scdi apostolicae vel potius ipsi
magistro et Domino Apostolorum, (jui dicit, non habituros vi-
Zeilschr. f. K.-G. VIII, i. 2, 10
146 RfiUTERy
ruft, nicht aber erwartet , dafs dieser in der Gegenwart auf
eine wunderbare Weise seine Lehre offenbaren werde, son-
dern die in dem historischen Evangelium Johannis venir-
kündete Aussage selbst auslegt; ohne der Beihilfe des sl^o-
stolischen Stuhls zu bedürfen. —
Wenn in dem schon S. 133 berücksichtigten Schreiben
die römische Kirche als Musterkirche der rechten Lehre wenn
nicht genannt wird, so doch vorausgesetzt zu werden scheint:
so ist zu erwägen; dafs das nicht geschieht in Betracht der
anerkannten autoritativen Gewalt; sondern dafs die Motive
dieser hyperbolischen Würdigung dieselben sind; welche wir
so eben inbezug aui £p. CLXXXVI dargelegt haben. Dafs
in Rom wirklich die Doktrin vertreten werde, welche Au-
gustin in Erfahrung gebracht hat; konnte gar nicht anders
von einer ecclesia erwartet werden, in welcher deremst
Paidus das Evangelium von der Gnade verkündigt hat.
Die Übereinstimmung jener mit diesem gilt als das Kriterium;
an welchem die echte Kirchlichkeit Roms abzuschätzen
ist Dainmi weil durch des Adressaten Schreiben bezeugt
worden; dafs auch jetzt daselbst jenes Apostels Lehre, die
nach Augustins Urteil wahre Lehre verkündigt wird, ist
das freudige Vertrauen zu dieser Kirche wiedergekehrt ^
22. Einer abermaligen Erwägung — trotz der bereits
vorhandenen darauf bezüglichen tüchtigen Arbeiten ^ —
scheint mir unseres Schriftstellers Verhalten in dem Zosimus-
Fall zu bedürfen, da Lange n's' Urteil zu einer Prüfung
tarn in se ipsis, nisi mauducaverint carncm filii hominis (Joan. cap. VI)
et biberint sanguinem etc.
1) Ep. CXCI ad Sixtum presbyterum, § 1, T. II, H24B. Quid
enim gratius legi vel audiri polest, quam gratiae Dei tarn pura de-
fcnsio advcrsus inimicos ex ore ejus, qui corumdcm inimicorum magni
moraenti patronus ante jactabatur? — S. oben § l^» S- 130.
"2) Walch, Entwurf einer vollständigen Historie der Ketzereien,
Bd. IV, S. «2*J. ()42f. GGlf. und die daselbst citierten Autoreu, vor-
nchmUcIi Garnier, Marii Mcrcatoris Opera (Paris 1Ü73), T. I, 13.
C o r n e 1. J a n s c n i u s , Augustinus ; tomus primus (^Lovanii 1G40), p. 47.
He feie, Kon«ilicnge8chichtc (2. Aufl.), Bd, II, S. 114.
3) Geschichte der römischen Kirche u. s. w,, S. 748. 7&3. «CO.
AüÖUSTINISCnE STUDIEN. V. 147
verpflichtet. Ich beschränke meine Aufgabe und deren Lö-
sung, ohne genötigt zu sein, mich zu entschuldigen ; viehuehr
liihle ich mich versucht, mich dieserhalb zu rühmen. Denn
die so oft den Lesern dargebotenen Wiederliolungen dessen,
was andere schon ebenso gut gesagt haben, sind nicht
Hebel des Fortschreitens sondern meines Erachtens eher
Hemmungen zu nennen. — Ich will hier ja nicht die
ganze Geschichte des erwälmten Bischofs unter Verwendung
aller Quellen sondern lediglich Augustinus * Mitteilungen
nnd apologetische Darlegungen analysieren, nicht um zu
untersuchen, ob die ersteren glaub wiU*dig, die zweiten halt-
bar seien, sondern unter völligem Absehen von allem
diesen auszumitteln versuchen, wie jener über die Lehr-
autorität des Zosimus in dieser Angelegenheit gedacht habe.
Von Cölestius — so bemerkt unser Verfasser — war
in Rom ein libellus herausgegeben*, welcher im Verhältnis
zu seinen früheren Aufstellungen in Karthago von einem
Fortschritt zu zeugen schien. Schon hier hatte er freilich
den Vollzug der Taufe der Kinder nicht beanstandet, aber
das Recht der auf diesen Usus basierten Lehre abgelehnt,
dafs dieses Sakrament darum zu einteilen sei, weil sie mit
der von Adam stammenden Sünde behaftet seien (vgl. Bd. IV,
S. 17 dieser Zeitschrift). Dort hingegen war die Taufe der
Kinder positiv verlangt ', damit sie nach Christi Aussage des
Himmelreichs teilhaftig werden könnten, ja sogar gegen die
Fomiel „zur Vergebung der Sünden" nichts eingewandt
unter der Bedingung, dafs der Gedanke an die P]rbsünde
nicht damit verknüpft werde *. Selbst die Hiesis , dafs der
Mensch sine ullo vitio peccati originalis geboren werde.
1) In dem Hb. de poccato origiiiali cap. V, § 5 bis cap. VIII
und contra diias opistolas Polu^. lib. II, cap. HI, 8 •'*^' I^pi«t. XCX
ad Optatum T. IT, fnt>; Ej). CCXV ad VaUMitinum, § 2, T. II, 1033
contra Julian., lib. I, cap. IV. i? 1.*^ T. XllI, f>23BC.
2) De poccato ori^j^inal. cap. V, § f).
3) L. 1. Op. T. XllI, 318.
4) Ib. cap. VI, § «.
10*
148 REITTER,
hatte er in dem libellus nicht ausdrücklich verteidigt \ son-
dern eingestanden, dafs er über diesen Punkt eine feste
Ansicht nicht habe, unter Anerkennung seiner Fallibilität
inbezug auf diese und andere Kontroversen der Autorität
des römischen Stuhls sich unterstellt ^.
Von Zosimus war jener libellus einmal „catholicus" ge-
nannt', — ein Name, welcher bei nicht wenigen Anstofs
erregt hatte. Augustin bemüht sich, denselben zu heben.
Cölestius — meint er — hat sich allerdings als einen guten
Katholiken bewährt ^. Denn katholisch ist es gerade, wenn
man über irgendeinen Glaubenspunkt anders zu denken ge-
neigt ist, als die Wahrheit fordert, diese seine Gedanken
nicht eigensinnig abzuschliefsen, sondern nur zweifelnd unter
Vorbehalt besserer Belehrung zu äufsern, wenn diese aber
erfolgt ist, jene aufzugeben. Schreibt doch der Apostel die
Mahnung Phil. 3, 15 nicht an Häretiker, sondern an Ka-
tholiken ^. — Durchaus nach Mafsgabe derselben ist man
damals in Rom verfahren. Zosimus liefs dem Cölestius
Zeit, sich zu unterrichten; unterrichtete ihn selbst. In eben
1) contra duas epistol. Pelag. lib. II, cap. III, § 5, Op. T. XIII,
538.
2) de pcccato origin. cap. VI, § 7. — quia supcrius in eodom
libello suo de hujusmodi quaestionibus locuturus ante praedixerat:
„Si forte ut hominibus quispiam ignorantiae error obrepsit, vestra
sententia corrigatur." S. S. 149, Anm. 4.
3 } contra duas epist. Pelag. lib. II, cap. III, § 5 , T. XIII , 538.
539. Et propterea libellus ejus „catholicus" dictus est etc. quod
ab illa (sedc apostolica) dictum erat, cum libellum esse „catholicum".
Der Ausdruck ist in der Ep. Zosimi Jaffe ed. II, N. 329. Op. T. XVI 1,
2709. Walch a. a. 0. Bd. IV, S. ^53, Anm. 2 zu N. III nicht ge-
braucht.
4) contra duas epist. Pelag. lib. II, cap. III, § 5, Op. T. XIIl,
538 E. Et propterea libellus ejus catholicus dictus est, quia et hoc
catholicae montis est, si qua forte aliter sapit quam veritas exigit,
non ea cortissimc definire, sed detecta ac demonstrata respucre. Noii
enim haereticis, sed CJitholicis Apostolus loqucbatnr, ubi ait. quot-
quot ergo porfccti hoc sapiamus et si quid uliter sapit, id quoque
Dens vobis rovolabit. — Cf. do baptismo lib. IV, cap. XVI, § 23,
T. XII, 17:-).
5) S. Anm. 4.
AUGCaTINlSaiE STL"DIEK. V. 149
den Taycn, in wololicn aus Nordafrika die Antwort auf' des
Papulcs Erklärung erwartet wurde ', verhandelte er mit dem
Vorklagten über zwei Punkte: 1) er solle die von PawlinuB
von Mailand excerpierten, aul' der Synode zu Karthago ihm
vorgelegten Sätze nunmehr verurteilen; 2) den in dieser An-
ßoiegenheit von Innoceuz I. au die Nordafrikaiier geBehriebencn
Brieten auHdrücklich heistirainen ^. Die erstere Forderung
wies er ab'; die zweite zu erlüllen, war er nicht allein
bereit, dondern erklärte sogar, er wolle alles das verdammen,
was der römische Stuhl verdammen werde *, — Damit hatte
sieh also Cölestius gefesselt ^. Was unter den Umständen
au erreichen war, hatte Zosimus in seiner Weisheit durch
das zwcckmäfsige Temporisieren wirklicii erreicht: jener
hatte sieh ausdrücklich dazu verpflichten uiiissen, sieh bc-
Ichifn zu lassen *.
Dazu ist es nun l'reilich nicht gekommen, — aber ohne
Schuld dicacs Papsteti, meint der Bischof von Hippo Itegius.
IJaa Drängen seiner Kollegen in Nordat'rika, ihr schroff ab-
weisendes Benehmen hat dessen Absichten vereitelt.
1) De pectali» orij;. na]). VIII, S H, uoutra duas cpist. Pi^lag.
IIb. II, cap. III. § 5.
2) coutni Uuas upist. Pulug. lib. II, cap. III, S 5, T. XIH,
.■»n^FG. MHA; cap, IV, S '», T. XIII, üloAU. 541B. de puccalo
«rig. eap. VII, g M ut {1/ uu, quac illi ii diacoiio PauMuu fuuraut
tibj»its, damnnrtt iiI'[Up (Ü) ut aodis apö(.tolic»e liloiiü — — prae-
Ixiret aiwusum etc. — Ubnr dos PauliuuH von Mailand libcllus siehe
Walch a. a. O. H. 1141, Aii.n. 1 xa g XXXVU.
:i) L. I. At ille noluit quidcm objccta diaconi damnurc etc.
4) L. t. ~ snd bcati p:ipac Iiiiicccntü literis non est ilusuh oh-
MstJ^rc, immo ar. omnia, quae scdcs lila damnarct, tc dainimturuin
cüMC jiromiiiit. Noch goiinuerc Augabcn contra duas cpistol, Pelug.
tap. in. § 5, T. XIII, &ÜJC; cap. IV, S SA, ölllBCD.
^) Colligatus et vineulo iialuberriino obstrictus contra duiw Cpii<l.
Prlag. lib, II, cap. IV, S '>, T. XIII, 539 unten, de pcccalo oriK.
cap. VI , § T inuluit cum aODBim suis inlurrogationibus et illius rc-
apnOHiiiDibuK coltigare clu.
Ii) dl! jiccuato any;. 1. 1. T. XIII, 3lt)B. — rcsipiatcndi ei loeut
eub iputdain meilicinuli scntüiitiue Iciiitatc conccsitUB est. contra
dnas epi!,toki l'ula(,nanorum 1. 1. '1'. XIII, 53'JDE.
1 50 REUTER,
AI» der l&ngst erwaiiete Brief* derselben von Nord-
afrika in Rom anlangte, oi-bah man daraus, dafs jene sich
mit dem so eben ci*zälillon Vereinbarungsversuche nicht be-
gnügen wollten ^. Sie stellten im Gegenteil das Dilemma:
entweder solle Zosimus den Cölobtius nötigen, dasjenige aus-
drücklich zu widerrufen, was von ihm in dem libellus un-
bedingt oder bedingt gelehrt worden, oder aber man würde
den dermaligen Inhaber des ai^ostolischen Stuhls, welcher
denselben katholisch genannt habe, für einen dem Ver-
klagten Gleichgesinnten, also für einen Altkatholiken erachten.
Um diesem in Aussicht gestellten Schicksale zu entgehen,
fügte sich Zosimus nunmehr der ei*steren Zumutung. Er
beschied den Cölestius zum Zweck einer sti*engeren Prüfung
zu sich. Dieser aber anstatt zu gehorchen ergriff die
Flucht \
Ist dieserhalb der vielgenannte Papst anzuklagen? —
Kein man hat ihn vielmehr um seiner seiner pädagogischen
Klugheit willen zu beloben. Er kannte die Zustände in
Rom, den bedeutenden Anhang, welchen Cölestius und Pc-
lagius daselbst hatten *, — die Empfindlichkeit dieser Leute,
welche durch ein schroffes Vorgehen gegen den erstgenannten
auf (las tiefste verletzt werden mufsten. Er erwog weiter,
dafs derselbe, ein Mann überaus lebhaften Geistes, der schon
mit einem Fufse auf dem Boden einer schiefen Ebene stand,
iu den Abgrund der Irrung gestürzt werden könnte •**, wenn
1) Nicht mehr vorhanden. Indessen scheinen sich die Angaben
bfi Prospcr Aq. advcrsus Collatorcin cap. V, § 15. O}). Aug. Ba.sbani
\V.)1, T. XVII, 28'JOE auf ilic«c Ep. zu beziehen.
'2) (l(r peccato originah*, cap. VII, § H, T. XIU, .-JIOB. contra
fluus cpistol. Pelag. lib. II, caj). 111, § 5A, 530 A. — Bericht des
l'rospcr Aquitanicus I. 1. T. XVII, 2715.
.*J) contra duas epistol. etc. lib. II, cap. III, §5; cap. IV, § 6,
T. XI II, 540 DE.
i] I. 1. T. XIII, 5JJ8C: — „quaiido ilhi ingenia quarnvis nefando
n*n»rc porvcrsa, noii tarnen contcmptibiha'* etc. 5.")hE: „in hoininc
aceriinii ingenii, qui profecto si corri^crctur, [»lurimis profuisset** etc.
5) de peccato orig. cap. VI, i^ 7. — ubi cum vidit ferri tanta
praesnui])tione praecipitem, taintpiain furentcin, doncc si posset fieri,
resipisceret, maluit cum scnsim suis iuterrogationibus et illius rcspou-
AU0USTINI8CHE STUDIEN. V. 151
er sofort durch eine allzu schartb Ccnsur orscliüitert werden
würde ^ Um dieses Unheil zu verhüten , behandelte ihn
der verdächtigte Bischof mit jener Milde ^, der zarten Rück-
sichty welche nur den Zweck hatten ^ ihn zur Besinnung zu
bringen y zu bessern; — die also nicht in irgendwelchem
Schwanken des dogmatischen Urteils oder gar in positiver
Billigimg der pekgianischen Irrlehre begründet gewesen
sind '. Diese dem Zosimus zuzuschreiben ist durchaus un-
gerechtfertigt. In der ganzen hierher gehörigen Urkunden-
Sanmilung findet sich keine einzige Stelle ; durch welche
man das, was man will; beweisen könnte ^ ; auch nicht e i n
Bericht über eine mündliche * Aulserung dieser Art, welche
er gethan haben soll, ist glaubwürdig. Nur das mag man
sagen, das zeitweilige Verfahren desselben scheine mit der
normalen strengen Disziplin ^ nicht in Einklang gebracht
werden zu können. Aber dies Urteil gründet sich auf den
SatZ; jene sei unter allen Umständen in durchweg glei-
cher Weise anzuwenden. Derselbe ist aber kein kanoni-
sionibus coUigare quam districta feriendo scntcntia iii illud abruptutn,
quo jam propeudere videbatur, impellere etc.
1) S. 150, Anm. 5.
2) S. Anm. Ü.
3) contra duas epist. etc. lib. II. cap. III, § 5, T. XIII, 538 CD.
Tot cnim et tantis inter Apostolicam sedem et Afros cpiscopos cmTcn-
tibus et rccurrentibus scriptis ecciesiasticis, ctiam gestis de hac causa
apud illam sedem Caelestio praesentc et rcspondente coufectis, quacnam
taiidem cpistola renerandae mcmoriac papae Zosimi, quae intcr-
locutio reperitur, ubi praeceperit credi oportere, sine ullo vitio
pcccati originalis hominem nasci? Numquam prorsus hoc dixit,
numquain omniuo couscripsit etc. 538 E: „voluntas omeudationis,
uon falsitas dogmatis approbata est/^ Cf. de peccato orig. cap. VII,
S ^S; cap. VIII, § 9 und S. 152, Anm. 6.
4) S. Anm. 3.
5) S. Anm. 3.
6) contra duas epist. Pel. 1. l. T. XIII, 530 E. — profecto quid-
quid intcrca Icnius actum est cum Codestio, scrvata dumtaxat
antiquissimac et robustissimae fidci firmitatc, coirectionis fuit clemeu-
tissima .suastio, uou approbatio cxitiosLssima pi-avitatis. Ib. 538 C:
aliquaiido Icnius quam sevcrior postulabat Eccle.siae discipliua. Ib.
cap. IV, § 7, T. XIII, 540G.
152 RKUTERy
scher ; im Gegenteil ein anfechtbarer ^ Der mitleidige -
Papst hat sich in diesem Falle, wie gesagt, von Gedanken
der Weisheit, der Kücksiclit nehmenden, erwägenden Politik
leiten lassen. Er hat als einsichtsvoller Arzt ' ,^ einen Wahn-
sinnigen'', welcher so vieles Schlimme verschulden konnte,
wenn er gereizt wurde, der so vorteilhaft zu wirken in der
Lage war, wenn es gelang, seine Geisteskrankheit zu heilen,
durch beschwichtigende Mittel, durch Anwendung der Me-
thode „der Überredung" * wiederherzustellen * versucht Der
Glaube in Rom war immer der echte ^. Aber Glauben und
Bekennen schienen allerdings eine Zeit lang auseinander-
zugehen ^, bis sie demnächst zur vöUigen Harmonie ausge-
glichen wurden. Dafs dieses wirklich geschehen, daiiir 1^
die Epistola tractoria ^ das imzweideutige Zeugnis ab. —
Cölestius hat die römische Elirche nicht „bis zu Ende''^
1) Dies Urteil ist mittelbar gefallt in der Erklärung contra duas
ep. Pelag. lib. II, cap. IH, § 5, T. XUI, 538.
2) de peccato origin. cap. VI, § 7, T. XIU, 318 ER
3) S. S. 149, Anm. 6.
4) S. S. 150, Anm. 5.
5) correctionis fuit clementissima suasio, non approbatio exitio-
sissima pravltatis s. S. 151, Anm. 6.
6) S. S. 151, Anm. 6 und die Fortsetzung der daselbst excer-
picrten Stelle: Et quod ab eodem saccrdotc postca Coelestius etPe-
lagius repctita autoritate damnati sunt, paulnlum intermissae, jam
necessario proferendae ratio severitatis fuit, non praevari-
catio prius cognitae vel nova cognitio vcritatis.
7) S. Anm. 6. 9.
8) Jaff(5, Regesta Pont. Roman, ed. II, N. 343. Vgl. die bis-
her unübortroffen gebliebene Erörterung Garniers in Marii Mer-
catoriH. Oper. T. I, p. 19. Walch a. a. 0. Bd. IV, S. 647. 656.
659 (von Langen a. a. 0. S. 747 gar nicht berücksichtigt). —
AugUHt. contra duas cpist. etc. lib. II, cap. III, § 5 de peccato
origin. rap. XXI, § 24, T. XIII. 3i^7CD: — alia quoque ipsius in
urhc Honm, ubi diutissimo vixenit atque in his fuerat priüs sermoni-
bu« o<»ntontionibuw|uc» vcruHtus, cura fidelium fmtrum prolata pa-
tuorunt, ipiHf^ Htorl« sui«, <|Utt8 conscripsit per orbem catholicam per-
fonMului« |mpa /«oiiimuii rx^coranda, »icut legere potestis, adtexuit. Ep.
C\i\ H 5i5l, T. II, \m\\i Kp, CCXV, § 2, T. II, 1033 D.
9) Do pmmto oHgh». onp. XXI, § 24, T. Xin, 327C. Visus
08t tarnen ad ttiinpun allqutd dioort«, quod fidei catholicae conveniret:
l
AUGL'STIKISCHE STUDIEN. V. 153
lauschen können. Die lieliauptung der Pdagiaiier, Zusinius
sei (in der Ep. tractoriii) von seiner eigenen l'rülicren Lehie
abgel'aücn, der praovaricatio anzuklagen ist nichtig. Ebenso
die Aubsoge der Vcrrnsscr „der beiden Briete", die lii-
niiächcn Kiei-ikci' hätten lediglich cingoschUditert und wider
die eigenn Überzeugung die oben ciivähnte, die pclagianiselie
Lehre vci'ihiuiniende Urkunde unterzeichnet, durch dieac
Untcnteiclinung das zurückgenommen ', was früher als ka-
tholisches Dogma im Sinne des C'üleatiua von ihnen selbst
gelehrt worden.
Aber selbst wenn geschehen , was Gott in Gnaden ver-
hüten möge', wenn damals In „der romisclien lürche"
gelehrt wäre, was dereinst l'apst Innocenz verdammt liälle:
so würde doch die „nota pracvaricationis " vielmehr „dem
rnmist'hcti Klerus" ^ zuzuerteiien sein — „als dem römischen
HiEehiif /^usimus" scheint man ergänzen zu müssen.
l>ie römische Tradition hat sich also ununterbrochen als
die wiiln-c bewährt, wenn man nur veititeht, die Thatsachen,
llandUuigcn und deren Motive in jener kritischen Episode
richtig zu würdigen.
In diesem Satz glaubte ich das Resultat der Bcweis-
Bi'il illHiii M'ticm iisriuc «rt fiiic.m fallcre iirjii ]iiiliijl. Ih. cnj).!/'!!!,
i; !t, 1. I. .'HÜCD. Fefnllit CDJin jiiiliciam rslarstiimm; proptprea ibi
viilHiir esM) purgatUB. Romaiiain vero occlcsimn, ubi iium bskp no-
fiwiuiuia acitin, falbrc usquciiiiiiquc iioii potult. — Corncüi Jaoicnii
AktgustiuuH. TointiK priinuH I^vanii 164ü, T.I, 49 C. Itctraut, üb. 11,
ti»\i. L. PoBtcaquaiii I'iüagiaiia hacrCHiH cum Buiü uuctoribus ab
BiiiHOOpia EccIcKtai! Komaiiau priiia IiitHjucDtio , di?iii(tc Zosimo
coopci'RiitibuH coiiuiliorum Africiiiioi-um iitcrit cniivicla alque
rfamiiHta est cta.
I) trtntra, duas i'p. clc. üb, II, cap, 111, g b. conti:! Julian.
lih VI, cap. XII, g 37, Corii,;!. J.iiiKOuius I. I. «.
•i) contra duan cpisl. etc. I. 1. T. XIII, 5:^!)C. Rtd si, rjiiod
ulinil, ila tunc fuiüuul du CodcHtiu vi:I Pckt;io in Ituinaim i.<i:ulcsin
judiiMtutn, ut illa coruin dugmiLta, qua« in ipHÜ et cum ipNi« Fapa
Iiin(H:entiuK damnavci-al , approbHoda et tunnnda pniiiuntiuroulur, <^\
hoc potiuB es.sL-t „ pracvaricatiouis " nota Itomani» cicricis iiiureuda
«Ic. Ib. cap. IV, g 8, 1. 1. 51iCD. - WaUh a. a. 0 IV, Ü«,
1 64 RECTEB,
flihrung Augustin's in seinem Sinne zusammenfassen zu
können.
23. Das^ was zunächst in die Augen &llty ist die e^
heblichc Differenz zwischen dem Urteil Augustinus und dem
der nordafrikanischen Bischöfe ^ über die Haltung des rö-
mischen Episkopats (in jener Zeit). Die letzteren sind
augenscheinlich auf dem Punkte, an SiOsimus irre zu werden
oder schon irre geworden: sie schrdben ihm vor, wie er zu
handeln habe, wenn sie ihn für katholisch halten sollten.
Ihr Auftreten ist schroff und rücksichtslos gewesen. Au-
gustin dagegen hat — ohne sich über das Verfahren der
nordafrikanischen Kollegen tadelnd zu äufsem — nichts-
destoweniger die Purifikation des von ihnen verklagten (be-
reits mit Tode abgegangenen) Bischofs angestrebt: er scheint
ihm sogar im Unterschiede von „den römischen Klerikern"
eine gewisse eximierte Stellung vorbehalten zu wollen. Ja
an jener einzelnen Stelle, welche S. 153 mitgeteilt ist, soll
das vielleicht wirklich geschehen. Zwar hat man zu be-
achten, dafs er daselbst gegenüber den römischen Klerikern,
welche er nennt, den römischen Bischof nicht nennt; aber
das potius ist doch kaum anders zu verstehen als durch
Annahme der von mir oben vorgeschlagenen Ergänzung.
Gleichwohl würde man in die Irre gehen, wollte man diese
Einzelheit als eine prinzipale Lehre beurteilen und aus der-
selben logische Konsequenzen ziehen. Denn das in Rede
stehende Schriftstück ist nichts weniger als eine dogma-
tische Erörterung über die Lehrautorität der römischen
Kirche sondern eine durch und durch tendenziöse, zu einem
ganz bestimmten Zweck abgefafste Apologie. Pelagius
und Cölestius hatten sich mit grofsem Geschick, mit nicht
unerheblichem Erfolge auf den römischen Stuhl, auf die
Genehmigung ihrer Lehre durch Zosimus berufen, ja sich
mit auffälliger Üstentation als Kömlinge, nahezu als Infalli-
1} Indem Augustiu sich in den bezüglichen Stellen durchweg dcb
Ausdrucks Afri bedient, bezeugt er meines Erachtcns seine Nicht-
beteiligung an den erwähnten Schritten. Die numidischen Bischöfe
scheinen sich passiv verhalten zu haben.
ACGÜSTINI8CHE STUDIEN. V. 155
biliaten ' gezeigt. Darum und in Betracht der viilgUr-
kathoUsL-hen Verehrung von der scdcs aiiostulica galt es,
das Recht dieser Berufung zu bestreiten, den nachhaltigen
Eindruck, welche diese auf viele „Kathnlikon" gemai'lit
hatte, zu verwischen oder doch abzuschwächen. Das konnte
nicht anders bewirkt werden als durch den Nachweis, dafs
die ThaL-uifhen und die bezuglichen Urkunden von den bei-
den „Häretikern'' und ihren Anhängern „entstellt worden".
Dftl's das geschehen sei, stand unserem Autor von vornherein
fest, ehe er die Feder ergriff. Statt einer kritischen Unter-
Buchung im Interesse der historischen Wahrheit achrieb er,
wie gesagt, eine „Verteidigung", — die freilich in unter-
geordneter M'eise Entstellungen aufdeckt, — die aber im
ganzen eine viel bedenklicliore Entstellung geworden ist aU
die den Pelagianern ' vorgeworfene. Vor allem die einmal
beschlossene Reinigung des viel genannten römischen
Bischofs mul'ate geleistet werden. Unter den Umständen
ward sie unvermeidlich eine Verherrlichung desselben, eine
einseitige Übertreibung der Bedeutung der römischen Au-
toritiit, welche nicht ganz im Einklang steht mit der all-
Rcraeinen Grundansicht Augiistin's.
Allerdings war, wie ea acheint, noch eine andere Me-
thode anwendbar, den Erfolg der Agitationen der l'clagianer
zu vereiteln, ftfan konnte das röniiacho Bistum ala das an-
erkennen, was dasselbe damals in Wahrheit war, als deren
Schutzmacht, aber nur um es desto verächtlicher au behan-
deln, d. h. die zeitweilige Gutheifsung ihrer Lehre in Rom
als ein t^r die Beurteilung des kirchlichen Wertes dor-
»elben gleichgültiges Ereignis betrachten, — den Bischof
Zosimus dem Verdachte der Häresie preisgeben. Sic ist
1) Darüber werde icli in der künftij; lu veröffentlicheuilcD Über-
arbeitung (s. iiuten § Si) dieses ArtikelH inicli äurscm.
21 Die Nordafrikaner uud diu spUtereu Peluginner »tiintnti'n
in dem Urteile ubereia, üafs in der römiacheii Kircbu dicLclire niuht
eine bestündige gewesen. Zwo] gcgnerisclic Parteien gaben ein zu-
sammenstimmen des Zeugnis Hb, Das war eine bcdciikliuh gravierende
AMm». Aami Reckt schlcchterdinKs entarüudet werden sollte, —
156 BELTEK,
wirklich von den nordafrikanischcn Bischöfen erwählt. Aber
in diesem Falle war das Zugeständnis unvermeidlich, dals
der Konsensus der Lehrtradition nicht in allen Episkopaten
nachweisbai' sei. Ja in dem angesehensten unter allen er-
gab sich wenigstens zeitweilig ein erheblicher Dissensus,
Dagegen Augustin verfolgte jenen anderen Weg, und der
war in Betracht der damaligen Konjunkturen der weniger
gefährliche, — ja nachdem Zosimus unter dem Drucke
der von den Augustineni geleiteten römischen Staatsgewalt
nachgegeben hatte ', — für einen Katholiken damals der
einzig mögliche. Aber notwendig mufste er sich auf dem-
selben verirren, d. h. dazu verführt werden, unbequeme That-
sachen zurechtzulegen, — in Hyperbeln sich zu ergehen.
Das so entstandene Schriftstück kann uns demnach nicht
als primäre Quelle dienen, aus welcher unseres Autors
LehrbegrifF über die römische Autorität zu schöpfen wäre.
Und doch lesen wir selbst in diesem jene charakteristische
Aufserung, welche sein besseres Wissen verraten hat. Die
emphatische Erklärung, dafs Cölestius den römischen Stuhl
„nicht bis zu Ende^^' hat täuschen können, scheint nahe-
zu in dem Tone des Triumphs gegeben zu werden, ist aber
doch das Zugeständnis, dafs derselbe zeitweilig getäuscht
worden. — Ist aber das wirklich geschehen, wozu dann die
panegyrischen Reden über die (vermeintliche) pädagogische
Weisheit des so hart verklagten Kirchenfürsten? —
24. Es erübrigt noch, die Stelle zu erörtern, welche mit
dem Worte „Roma locuta esf so häutig von infallibi-
listischen Katholiken citicrt wird. Dieselbe ist freilich
im Gegensatz zu diesen von Langen^ verhältnisraäfsig
richtig zu interpretieren versucht, aber dieser Versuch doch
meines Eraehtcns nicht ein (positiv) genügender zu nennen.
1) Dir libri de giatia Cliristi et de pcccalo orip^inali, contra duas
opistolas Pclagiauorum sind nach dorn Kilals der opistola tractoria
dos ZosiiniiH abgcfafst. Rctract. lih. II, cai>. L, cap. LXI.
2) S. oben S. 1.V2, Anin. U.
3) a. a. 0. S. bGö. Böhringcr, Die Kirche Christi und ihre
Zeugen (Stuttgart 1872), Bd. XI, S. 194.
AUGUSTINISCHE STUDIEK. \-. IR?
Zuvürderat sei daran erinnert, dafs die erwähnte Phrase
so, wie sie lautet, sich nirgends bei unserem Kirchen-
vater findet. Sie kann also nui- die kurze Definition des
Sinnes einer Stelle sein, welche dem Citierenden vorschwebt.
Und dicHi ist aUerdlngs eine ganz beatinunte, welche aber
nicht da gelesen wird, wo sie nach den Angaben neuerer
Autoron zu finden sein soll, Janssen, Zweites Wort an
meine Kritiker, S. 40, citiert de anima et ejus origine hb. IT,
caj). XII. Ebrard, Konservative Monatsschrift für das
eliriatliche Deutachland, Jahrgang 1883, Jmiiheft S. 637
schreibt das nach. Allein in dem genannten Buche ist die-
selbe weder da, wo man sie suchen soll, noch an irgend-
einem anderen Orte zu finden. Lib. II, cap. XII, § 17,
T. Xin, 455 E lesen wir Novelloa haei'eticos Pclagianos
justissirae conciliorum catholicorum et aedis apostohcae dam-
navit auctoritas. Dagegen heilst es allerdings Serrao CXXXI,
cap, X, § IC, T. VIT, 645 D: Jnm enlm de hac causa duo
concitia missa sunt ad sedem apostolicam ; inde etiam i-eseripta
venerunt. Causa finita est, utinain aliquando error finiatur!
Augustin, welcher ia diesem Sermo über Johaun VI.
handelt, kommt g 4 auf die IiTtümer derjenigen, welche die
Zuhiirer als Pelagianer kannten, die aber hier mit diesem
Namen nicht bezeichnet werden. Es wird versucht, wesent-
lich durch biblische Argumente diejenigen zu widerlegen,
welche kraft ihres natürlichen Willens „die Lehre des Ge-
setzes" beobachten zu können wähnen, die nicht der Gnade
sondern der hiiriosen, ohnmäclitigen Natur das zuschreiben,
was sie leisten, nicht erwägen, dafs jene „Freiheit" (§ C),
von der sie reden, allerdings der erste Meiiscli dereinst gehabt,
aber verloren habe. Auch von ihnen gilt, was Paulus Riim.
10, 2 sagt. Aber die Zuhörer sollen Leute dieser Art nicht
verbergen aus verkehrtem Mitleide, „Widerlegt die Wider-
sprechenden und fuhrt die Widerstrebenden zu uns! Denn
es sind ja bereits die Keschlütise zweier Konzillen an den
apostolischeu Stuhl geschickt. Von diesem kamen auch Re-
»kripte. Die Sache ist beendigt. Möchte doch auch der
Irrtum beendigt sein!" —
158 RBUTERy
den flindruck des Aufiälligen macht Ich kann mich des-
selben nicht erwehren. Abgesehen von § 10 ist der ganzr
Sermo erbaulich belehrend, darauf gerichtet, dui-cli sachliche
Erörterungen zu unterweisen. Dann folgt mit einem Male
eine Eiiuahnung zur Inquisition, weiter die Mitteilung über
den Prozefs, welchen die nicht genannten definitiv ver-
loren haben. — Indessen ist zu beachten, dafs sie nur ge-
macht wird, um zu dem erwähnten praktischen Zwecke zu
ermutigen. Die Zuhörer, dui*ch die Predigt von dem hä-
retischen Gehalt der Lehren, wie vorausgesetzt wird,
überzeugt, sollen sich nunmehr auch als praktische Bekenner
der katholischen Kirche bewähren, indem sie zu einer tliat-
süchlichen Verfolgung derer schreiten, welche sie verbreiten.
Um jedes Bedenken zu heben, ob man es wirklich mit einer
(türm liehen) „Häresie" zu thun habe, wird schliefslicli
mitgeteilt, dafs der Prozefs in allen Instanzen entschieden
sei. Die Pelagianer sind „durch alle kirchliche Autoritäten
vorurteilt".
So könnte man meinen, den Sinn der Stelle im ganzen
witulei^geben zu können. Indessen „Autoritäten" ist Pluralis.
Ka tnigt sich aber gerade, wie die Autorität, welche
iHinoiliu genannt wird, zu derjenigen sich verhalte, welche
HodoM npoHtolica heifst. Langen a. a. 0. hat zur Verglei-
chun^ Kp. CXC, § 22 hei-angezogen, wo gesagt wird, durch
ilio Wttohwimkeit der bischöflichen Konzilien mit Unter-
MtUtMunn: doi^ Umlands, welcher seine Kirche schütze,
nuoh von dou vorohrungswürdigen Vorstehern des aposto-
lUohon StiihU, dem Papst Innocenz und dem Papst Zosimus,
Hollen Poli4(iuH und (Xilestius auf dem ganzen Eixlkreise ver-
dun\n\t i\\v dou Füll, dafs sie nicht als Gebesserte Bufse
lolMtoh wUnIm\ V liier weixlen also in erster Linie die
0 \n\ji\\n \v\ auotoiY« vol oorte ucerrimi uotissiiniquc suasores
vum IVlHgh\'t v\ r«rlo«tlu» oxstiti^siMit, coiicilioniin episcopalium vi-
^ilH\^tU U\ m^vitorio «Sulvutoriii, i(ui .siiuin tuctiir ccclcsiaiii,
\A\^\\\ \S duuhuM voiiomhililiUM miti.stitibus apostolicae Sedis papa
UuuHHmliu \s\ V\\\\{\ 'AMiiiiu, \iU\ curiH)ctl otiam ogeriiit poenitcntiain,
AliQllRTINIBCIIE STrDIEN. V. 15tl
Konzile, eret in zweiter (etiaiii a venembilibua antisti-
bns etc.) die röimBchen Päpste genannt. In unserem
äerniu dagegen lauten die I'j'kJiirungen docli andere. Die
Kunzile liaben ilire scripta an den apustoüsclicn Stultl ge-
scliickt; von diesem sind die rescripta gekommen , welche
die causa „beendigt haben". Derselbe ist also die liühere
Instanz. Nur dieser Gedanke wird dem Wortlaute imserer
Stelle gerecht. So oft ich auch dieselbe erwogen Labe; ich
kann mir eine andere Intei'pretation nicht begründen. Ist
sie aber die echte: dann kann man das Urteil nicht zurück-
lialten, dafs der Satz in dem citiertea Sernio niciit mit
dem aus der erwähnten Ep. excerpierten stimme. Von dem
letzteren auszugehen, mich MaTsgabe desselben die be-
rühmte Stelle in dem Sernto zu erkläi-en, dazu kann ich mich
nicht verstehen. Müglicli wäre allerdings diese von Lan-
gen vorgeschlagene Auskunft, wenn man voraussetzen düi-fte,
es sei dem Augustin damals darauf angekommen, durch
eine pointierte Breviloquenz auf seine Zuhörer zu wirken;
er habe in seinen Gedanken die Koordination der concilia
und der sedes apostuUca vollzogen, in den Worten aber
die Uberordnung der letzteren ausgesprochen. Indessen die
philologisclie Intei-pretation kann nur die in den \\' orten,
tlie wir lesen, ausgeprägten Gedanken ermitteln wollen, nicht
irgendwelche Hintergedanken, Somit ist das Resultat:
beide Stellen Imrmuniei'en nicht. Die Autorität des ro-
niisehen Stulils wird in dem Scrmo so hoch gestellt, dnfs
man sagen mufs, die bezüglichen Worte kiJnnte ein echter
Kömling geschnoben haben. Aber im Vergleich mit seinen
sonstigen Lehren bilden sie eine gewisse Anomalie.
25. Denn dafs unser Autor in seiner Gesamt Überzeugung
weder dem römischen Bistum noch viel weniger dem rö-
miachen Bischoi' eine untrügliche Lehrautorität hat zuschi-ei-
Ijcn küimen, ei-gicbt sieh auf das deutlichste aus den inter-
essanten Aufaerungen über die Dignität des Apostels Petrus,
des ersten römischen Bischofs.
Ist dieser selbst doch nicht unbedingt rein gewesen
wedoi' in dem Leben noch in der Lclirc. Kann er doch,
160 REUTER,
wohl aber sehen wir in ihm das Bild > unseres empirischen -
Christenlebens (vgl. oben § 13, Bd. VII, S. 253) in seiner
Unstätigkeii Was der Evangelist Matthäus Kap. 14 er-
zählt, zeichnet die Zustände der Christenheit, den Wechsel
unserer eigenen. Bald wandelte er im Glauben, bald
schwankte er zitternd '. Sein gläubiges Vertrauen ist der
Typus der Starken * in der Kirche, — die nicht gegründet
wurden auf Petrum sondern auf Christum; sein Schwanken
der der Schwachen *. Er schritt auf dem (stürmischen)
Meere einher. Das vermochte er nicht in seiner mensch-
liclien Schwachheit sondern in der Kraft des Herrn, in der
Zuversicht zu seinem befehlenden W^orte (§ 5), zu seiner
kräftigenden Unterstützung (§§ 5, 8); er sank, sobald er
sich selbst vertrauete. — Und das, was wir bei dem ersten
Evangelisten lesen, ist nicht einmal der einzige Fall, nicht
einmal ein Ausnahmefall in seinem Leben gewesen. Be-
richtet uns doch auch Johannes Kap. 18 von einer posi-
tiven Verleugnung des Herrn ^. Freilich es giebt Leute,
welche diu^h den Parteieifer geblendet den Petrus zu recht-
fertigen unternahmen '. Hat dieser doch — so meinen
810 — nur erklärt, ich kenne diesen „Menschen" nicht, —
idso nur den Menschen, nicht den Q ottmenschen ver-
Knignot *". Aber hat er denn nicht selbst diese Meinung
V VkI Ud. VI], S. 253 dieser Zeitschrift.
IJ^ Srnno l*XXVIK cap. I, §1; cap. III, §4 qui tunc erat figura
a^ \W T, VII. 417AB, cap. IV, § G; cap. I, § 5, 1. 1. 415D;
i^ Ih. onp. IV, 55 1>. Fidc valuit, quod humana infirmitas iion
xhUmvI lli Hunt iu'ini Kcclesiae.
J^' U» 0H|» 111% § 4. Pix)iiHlc quia Ecclosia* Christi habet firinos
\\*kW'\ Ol iulii'uuvs uoo sino finnis potest esse noc siiio iniinnis etc.
iw \\\\y sM^\» UMo A|Hvstolo utruinqiic gemis significaiidum fuit;
\s\ 0*1 i\\\\\\ ot iutivuu, qiiiu sim» utroquo non est ccclesia.
u^ r^Hot iu oviui|ji»l. Jinmn. tmct. CXIII, § 2, T. IV, 10;]9A.
Oh I § ^-V is tfttot. LXVI, § 2, T. IV, 894.
S^ I« I, *\\ IV, Hi>r»A. Quasi vero qni honiiuom Christum iiegat,
Mv^kU1ivUt\Uu \\\%^\ H hoc in eo iio^it, quod factus est propter nos,
AÜGUSTINISCHE STUDIEN, V. 161
I widerlegt, indem er seine Schuld in den Bufsthränen be-
I kannte? — Wahrlich ein schwacher Bekenner ist er ge-
ien, schwächer als manche nicht hlofs gereifte Männer,
I Bondem auch Jünghnge und .rungfrauen, welche mutig um
Christi willen in den Tod gegangen sind '. — Also für ein
Muster unseres Lebens kann er nicht gelten. Aber auch
in der Lehre ist er nicht personlich infallibel gewesen.
Er hat dereinst in furchtsamer Nachgiebigkeit gegen die
Juden die Idee von dem alleinigen Heile in Christo ver-
dunkelt, den Heilswert des Evangeliums beeinträchtigt, ist
von dem Apostel Paulus getadelt und berichtigt *, wie dieser,
der Verkündiger der echten von der ganzen Kirche ' fest-
gehaltenen und bewahrten Heilslehre , selbst uns erzählt.
Man kann unbeschadet der Verehrung vor dem Petrus „als
Apostel" dem keiner, wie weit er auch fortgeschritten sein
mag, sich vergleichen darf, dennoch das Recht des Urteils
nicht in Abrede stellen, dafs derselbe damals irgendwie an-
ders dachte, als die Wahrheit fordert*, welche Paulus
ae periret quod fecerat nos. ErgD qui ita confitetur Chriatntn Dettm,
at hominem neget, qod pro illo mortuus est Christus, qoia secun-
dum hominem mortnns est Christus. Qui negat hominem ChriBtonj,
non reconciliatur per mcdiatorem Deo,
1) Tract. in evaog. Joann. CXm, § 2, T. IV. 1039CD.
2) de baptismo lib. IV, cap. VI, § 8; Üb. VI], cap- 1, §1, T.XII,
238. — er iUo errore, iu quem Petrus devians a Paulo revocatus
eat etc. Cf, üb. 11, cap. I, S 2, 1. 1, 125DEF. — de unico baptismo
contra Fetiliauum cap. XII, ^ 22, T. XII , 6T6. Eipositio epist. ad
Galat. § 15, T. IV, 1254A, — Ebenso hatte sich übrigens schon auf
dem Konzile in Karthago 256 Zosimua von Tbarassa geäufaert. Cy-
priani Op. ed. Uartel 454 Augustiu de baptismo lib. III, cap. VI,
§ 10.
3) de baptismo Üb. VI, cap. U, § 3. Gentes enim nemo judai-
sare nunc cogit oec ideo tarnen quisquam nunc in ecclesia quanttim-
libet profecerit, Petri apostolatui conferendus est. Contra Cresconium
Donat. lib. II, cap. XXXII, § 40, T. XII, 544B. — Die Apostel
überhaupt gelten nicht als unbedingte Vorbilder, sind keine Heili-
persönlichkeiten Sermo LXXVI, cap, HI, g 5, T. VII, 417.
4) de bapüamo lib. III, cap. VI, § 10. — si potuit aliquid
etiam Petrus aliter sapere quam veritas babebat, quam Paulo
apostolo auctore didicimua.
162 REÜTEB,
uns gelehrt y dals er im Widerspruch ^^mit der Kegel der
Wahrheit '^ die Judenchristen nötigte zu judaisieren wider
besseres Wissen. Denn er war nicht etwa befangen in An-
hänglichkeit an die jüdischen Gewohnheiten, sondern lebte
unter Heidenchristen nach heidnischer Art, dagegen in An-
tiochien erheuchelte ^ er eine andere Überzeugung, als er
wirklich hatte; verkündigte also zeitweilig durch sein
Verhalten eine falsche Lehre, war zeitweilig fallibel.
Daraus folgt, dafs auch die Nachfolger auf dem rö-
mischen Stuhl demselben Schicksal preisgegeben seien. In-
dessen diesen Schluls hat unser Schrifteteller nirgends aus-
drücklich gezogen; wohl aber den allgemeinen Satz ohne
alle Einschränkung angestellt, dals die einzelnen Bischöfe
irren können ', gegen den Anspruch irgendwelches auf den
Titel episcopus episcoporum sich erklärt', endlich aller ent-
gegengesetzter apologetischer Absicht ungeachtet doch die
Möglichkeit (die Wahrscheinlichkeit?) nicht in Abrede stellen
können, dafs Zosimus wirklich zeitweilig getäuscht wor-
den, der römische ELlerus zeitweilig von der echten Lehre
abgefallen sei.
Unter diesen Umständen kann die eine S. 153 bemerkte
Stelle, wo die Exemtion des römischen Bischofs (von der
Fallibilität) noch dazu gar nicht ausdrücklich ausgesprochen
ist, sondern nur logisch erschlossen werden zu können scheint,
nicht in Betracht kommen.
Demnach sagen wir: Augustin hat nicht „die Infalli-
1) Expositio epistolae ad Galatas § 14. 15. Op. T. IV, 1253.
1254.
2) de unitate ecclesiae cap. XI, § 28, T. XII, 460 E und S. 167.
Ü) de haptismo contra Donat. lib. III, cap. HI, § 5, T. XII,
142 F wird die bekannte Äufserung Cyprians (Op. ed. Hartel 436)
mit aiigouacheinlichor Beistimmung angeführt: „Neque enim quis-
quam no»trum cpiscopum se episcoporum constituit aut ty-
iiiimico torroro ad obsequendi necessitatem collegas suos adigit"
Quid mauMuminH? qi-d humilius? „Quando babeat, inquit,
owul« opi»copuH pro licentia libcrtatis et potestatis suae arbitrium
pwurium tawquo judicari ab alio uon possit quam nee ipse potest
aUuu\ Judioaro** etc.
AUOCSTOnSCHE STUDIEN. V. 163
1 liilität" der römlBchen Kirche (die durch die Autorität
bedingte Unmöglichkeit des Irrens) noch viel weniger die
des rümischen Bischofa gelehrt.
26. Aber wer ist denn das einheitliche Subjekt derselben?
Als Antwort scheint der Satz erwartet werden zu müssen:
die Kirche als katholische. Indessen für so berechtigt man
denselben halten mag, man findet doch meines Wissens
keinen diesen Gedanken unzweideutig aussagenden Satz
bei Augustin. Während wir contra Cresconium Hb. II,
cap. XXXm, § 39, T. XII, 516 lesen quoniam sancta
Scriptura fallere non potast etc.: habe ich eine dieser
Theaia korrespondierende inbezug auf die Kirche vergeben»
gesucht. Die Erklärung „extra ecclesiam nulla salus" wird
nirgends ergänzt durch die andere „ecclesia errare non
potest". Man kann versuchen, dieses Fehlen begreiflich zu
machen. Weder Pelagianer * noch Donatisten * haben das
Recht des Gedankens an die Infallibilität der Kirche be-
etritten, im Gegenteil dasselbe vorausgesetzt. Folghch hatte
Augustin keine Veranlassung, dasselbe zu betonen, während
dagegen die Lehre von der Kirche als der ausseblierslicben
Sphäre der Seligkeit in den anti-donatistiscben
Schrillen erörtert werden mufste. Dagegen scheint es so,
als ob die Vorstellung von der Infallibilität der Kirche,
wenn aie anders unser Schriftsteller hatte, in den anti-
manichäischen (vgl. § 14) Schriften nicht hätte unbe-
rührt bleiben dürfen. Und das ist auch nicht geschehen:
wenn gleich wir der oben pracisierten Formel darin nicht
begegnen, so doch der wichtigen Prämisse derselben. Diese
sehe ich in den uns bekannten feierlichen Aussagen über
die höchste Autorität der Kirche *. Der berühmte Satz
evangelio non crederem, nisi me commoveret ecclesiae ca-
tholicae auctontas * kann wenigstens so interpretiert werden,
ftla sei d&rin die Untriiglichkeit inkludiert Diese wird über-
1) 8. 164, Anm. 3.
3) 3. 1G4, Anm. i.
3) a Bd. Vn, S. 261 dieser Zeitscbrift.
164 REUTERy
dies mittelbar verkiindigty wenn de baptismo Üb. 11^ cap. lY,
§ 5; T. Xn, 127 O von der concordisaima auctoritas eccle-
siae catfaolicae und an vielen anderen Stellen ^ von der „ca-
tholica veritas'^ geredet wird.
Diese Phrase ist dem Augustin nicht eigentümlich, son-
dern eine vulgär '-katholische. Wir lesen sie bei den
Pelagianem ' und Donatisten ^ ebenso wie bei ihm. Sie ist
auch nicht ohne weiteres gleich der anderen y,die katho-
lische Kirche hat die Wahrheit '^ Denn catholica veritas
kann nur sein, wie es scheint^, der Inhalt der katho-
lischen Lehre, die Kirche dagegen nur als das formelle
Subjekt derselben vorgestellt werden, als die Macht diese
zu deklarieren. — Aber von dieser (nicht unberechtigten)
Unterscheidung sehen wir ab, um die Bedeutung der er-
wähnten Formel zu erwägen.
Die catholica veritas kann selbstverständlich nur auf
Tradition beruhen, nur eine empfangene, von den Aposteh
empfangene sein, deren Gesamtlehre (l) als einhellig,
(2) als unfehlbar vorauszusetzen ist Indessen das eine wie
das andere Prädikat zu erteilen, hatte sich ein Autor über-
aus schwer gemacht, welcher über den Dissens zwischen
1) Vgl. Bd. IV, S. 26. 41 Anm. 1; Bd. V, S. 383. — eccle-
siastlca veritas £p. CLXXVII, §3. sensus catholicus Bd. IV,
S. 41, Anm. 1 veritatis regula de baptismo lib. 11, cap. I, § 1. —
Über den Gebrauch des Begriffs ,, veritas'* bei Cyprian siehe Otto
Ritschi, Cyprian von Karthago und die Kirchenverfassung (Göt-
tingen 1885), S. 97. 98.
2) Epist. Zosimi papae. Ep. Romanorum pontificum ex rec.
Constantii ed. Schoenemann N. III, § 8, p. 680 eos — a corpore nostro
et catholica veritate numquam fuisse divulsos.
3) Bd. IV, S. 41, Anm. 1 dieser Zeitschrift.
4) Gesta coUationis Carthaginiensis prim. cognit. N. XTV Optat
Milev. libr. VII. Opera A studio M. Ludovici Dupin p. 249 erste
Spalte. — et caeteri sincerae christiauitatis episcopi et catholicae
veritatis. G. secundae cognit. N. X, 1. 1. 290 zweite Spalte Episcopos
nos veritatis Christi Domini nostri et dicimus et saepe actis pu-
blicis dictum est.
5) Dafs der Sinn der Phrase bei Augustin ein noch vertiefterer
ist, darüber s. § 28 Ende, § 33 Ende.
AÜODSTnnSCHE STUDIEN. V. 165
Petrus und Paulus so sicli äufserte, wie wir erfahren haben \
Allein dieser ist ja ein nur zeitweiliger gewesen, nach
unseres Verfassera Urteil durch die Belehrung des einen
durch den andern ' gehoben, — dadurch, könnte man mei-
nen in seinem Sinne sagen zu können, die Einheit der Lehre
wieder hergestellt Indessen diese Wiederherstellung setzt die
früher schon gewesene Einheit heider voraus, und die
letztere kann doch nur der Zeiger des Lehrkonsensus des
G e a a m t apostolats sein. Demnach entsteht die Frage, wie
AogUBtin über den Ui-sprung und die ßeschafTenheit eben
dieses dachte.
27- Ich gestehe, dafs meine Bemühungen, eine klare
Antwort auf dieselbe zu finden, vergeblich gewesen. Mir
ist nur eine Stelle bekannt, in welcher er sich über den
fraglichen Punkt äufsert, und das ist die nändiche, welche
wir in anderer Beziehung schon oben ^ berücksichtigen
muTsten. Aber hier wird nur erörtert, a) dafa und warum
Paulus sich zum Ananias begeben, b) dals die collatio
zwischen den Uraposteln und dem Apostel Paulus in Je-
rusalem (Äpostclkonzil) unam docti'inae speciem exclusa
omni varietate monstrabat. Indessen die Kontroverse zwi-
schen Paulus und Petrus in Antiochien fallt ja später
als das Apostelkonzil. Daselbst hatte der letztere die
una species doctrinae nicht gewahrt; er war ja von aeinem
Mitapostel eines wirklichen error * überführt. Und wenn
gleich Petrus infolge der Überführung mit Paulus sich ge-
(ünigt haben, weiter zu der gemciuBamen apostoÜBchen
Lehre zurückgekehrt ^ sein mag (was alles mehr voraus-
1) S. S. 161.
2) S. ebd. Anm. 4.
3) S. Bd. VII, S. 212 dieser Zeitachrift.
4) EipOHJtio Epistolae ad Galat. § 15, T. IV, 13&4A. Qaod
autcm hoc ci corain ommbiiB diiit, necessitas coegit, ut omnes
(Bamabaa und die zum Judalaieren mitrerfährti^D Gemeindeglicder)
sanareatur. Non caim utile erat errorem, qiii pa,1am noceret, in
secreto cmendarc.
5] Da alle Apostel auf dem Apostelkondl als in der Lehre einig
neb jteaeigt hatten, au Antiochien Petrus und alle mit ihm. Judü.-
166 EEOTEB,
gesetzt und angedeutet ^ als ausdrücklich erklärt ist) : so ist
doch in allem diesen die Beantwortung der von uns aufjge*
worfenen Frage nicht sowohl gegeben als ebenfalls voraus-
gesetzt. — Ich irre vielleicht nicht, wenn ich vermute, unser
Schriftsteller habe überhaupt dieselbe nicht in besonderer
Weise erwogen, sondern als guter Katholik den Konsensus
der Apostel axiomatisch gelehrt
Von diesen ist derselbe übergegangen auf die Kirche, —
das wird allerdings meines Wissens nirgends ausf&hrlich
erörtert, aber doch angedeutet imd vorausgesetzt *. Die
(eine) Elirche besteht fireilich nicht lediglich durch die
Episkopate, aber doch nicht ohne Episkopate; alle die,
welche auf der cathedra unitatis* sitzen, müssen also mit
der nämlichen ^ (Lehr-)Tradition betrauet sein; alle lehren,
was sie gelernt, von den Vätern empfangen haben. Was
sie verkündigen, ist „Gottes Wort*'^
Das ist die eine Reihe von Sätzen, welche man mehr
derenden „von dem Irrtum" geheilt wurden (s. die vorige Anmerk.),
von den übrigen Aposteln nicht erzählt wird, dafs sie in diesen
Irrtum geraten seien, vielmehr selbstverständlich ist, dafs sie in der
Einigkeit der Lehre beharrt hatten: so ergiebt sich, dals infolge der
Belehrung des Petrus durch den Paulus die Einigkeit aller Apostel
wieder hergestellt worden.
1) S. die vorige Anmerkung.
2) Zu erschliefsen aus der Stelle contra Julian, lih. 11, cap. X,
§35, T. XIII, 679 F. Quod invenerunt in Ecclesia, tenaemnt,
quod didicerunt, docuerunt, quod a patribus acceperunt, hoc filüs
tradiderunt in Verbindung mit contra Cresconium lib. I, cap. XXXIII,
§ 39, T. XII, 516. — hoc facimus, quod universae jam placuit
Ecclesiae etc. Ep. CLXXVI, § 19.
3) Ep. CV, cap. V, § 17, T. II, 397 B. — Augustin betont übri-
gens nicht in sonderlicher Weise den Gedanken, dafs die Tradition
an die Episkopfate gebunden sei. S. z. B. de baptismo IIb. II,
cap. VII, § 12. — Die Zeugen gegen den Pelagianismus sind meist
Bischöfe, aber nicht sowohl um ihrer bischöflichen Autorität als um
ihrer schriftstellerischen Leistungen willen kommen sie in Betracht
contra JuUan. lib. H, cap. IX, § 31, T. XIH, 675 A.
4) Ep. CLXXVI zu vergleichen mit den Anmerkung 2 citierten
Stellen.
5) De utilitate credendi cap. XI, § 28,
AÜQUSTINISCHE STUDIEN. V.
oder weniger deutlich in Auguatin's Schriften findet, —
Dieser aber lälst sich eine zweite gegenüberstellen.
Alle einzelnen BiBcböfe, mügen sie noch so bedeutend,
mögen sie Märtyi-er sein (de bapÜBmo lib. I, cap. XVIII,
§ 28; lib. II, cap. I, § 2; cap. IV, § 5; cap. X, § 15),
sind fallibel ', seibat der romische *. Keinem Bischof wäre
beizustimmen, wenn er etwas gegen „die heilige Schrift"'
lehren wurde. Die Traditionen der einzelnen biscböfiichen
Kirchen sind nicht krafl der bischöflichen Autorit&t als
apostolisch verbürgt.
Sollten beide Reihen nicht etwa durch einen eingetrage-
nen , sondern durch einen von dem Verfasser wirklich ge-
hegten Gedajiken vereinbart werden können? —
Die Bischöfe sind Repräsentanten der Kirche; aber nicht
als einzelne, sondern in ihrer Gesamtheit, — aber auch
nicht in ihrer Gesamtheit ohne ihr Zusammentreten die
Repräsentanten der einen Kirche , deren Eigenschaft der
Infallihilität wir imtersuchen, — könnte man etwa si^en.
Die Bischöfe lehren iur gewöhnlich in einzelnen, räumlich
getrennten Kirchen; ihre empirischen Traditionen können
möglicherweise auseinandergehen. Sind sie vielleicht aus-
zugleichen, wenn die Bischöfe sich vereinigen? — Ist die
Repräsentation, die höchste Repräsentation der einen
infallibelen katholischen Kirche etwa das Konzil, — dieses
also selbst infallibel? —
28. Aber der Konzile gicbt es viele: man unterscheidet
Lokal-, Provinzial-, Regionär*- und Plenar '-Konzile.
Die Provinzialkonzile haben eine gewisse Autorität, —
sie dürfen z. B. die Ansichten einzelner Bischöfe, ihre
mtindlichen und schriftlichen Aufserungen „tadeln"^; dafa
■ 1) De baptismo lib. U, cap. III, g 4. Vgl S. 169.
8) 8. oben S. leo.
3) SeriDO XLVI, cap. X, § 21. De unitute cccl. uap. XI, S 28.
Quia D c c CKthoiicis cpiscopis consentieDitutn est sicubi forto
alluntur, ut contra canonicas Dei Scripturas aliquid scntianl.
L4) 8. S. 1G9. 172.
5) S. ebendaselbst.
£) de b^ptismo lib. II, cap. III, § 4 epitcoponim autem litetu
168 REUTER;
aber der VerÜEusser ihnen nicht eine unbedingte (Autorität)
zuerkenne^ hat er auf das unzweideutigste dargel^ in der
charakteristischen Kritik ^ des dritten Konzils zu Karthago
am 1. Septembar 256 über die Ketzertaufe (Lipsius,
Chronologie der römischen Bischöfe, S. 216; Otto Ritschi,
Cyprian von Karthago und die Verfassung der Kirche [Göt-
tingen 1885], S. 112. 163) unter Cyprian, in den Urteilen,
welche er über diesen selbst fällt Cyprian hatte die Be-
schlüsse des die Angelegenheit der lapsi regelnden Konzils
zu EArthago (251) ausdrücklich auf den heiligen Geist zu-
rückgeführt *, also vielleicht (?) auch die des erstgenann-
ten, — auf das deutlichste aber das Recht der Verneinung
der Gültigkeit der Ketzertaufe durch die Berufung auf die
consuetudo darthun zu können gemeint, den bezüglichen Be-
weis zu liefern gesucht, — schliefslich jedoch auf die noch
höher stehende veritas rekurriert \ Augustin dagegen glaubte
zeigen zu können, dafs das Konzil vom Jahre 256 von
dieser letzteren abgewichen sei, — geirrt habe ^. Indessen
viel wichtiger ist das Allgemeine, was er über das Synodal-
institut überhaupt sagt Provincial- und Regionarkonzile
sind keine sicheren Bürgen, nicht die Stätten, wo das, was
^ — et per sermonem forte sapientiorem cujuslibet (!) in ea re peritio-
rla et per allorum epiacoporum graviorem auctoritatem et per
ooucilia licere reprehendi, si quid in eis forte a „veritate** de-
viatum est etc. — De unitate eccl. cap. XI, § 28 Fortsetzung der
8, 167, Anm. 8 excerpierten Stelle. Sed etc.
l) S. Aurelii Augustini Responsa ad episcopos in concilio sep-
limo Carthaginensi suflfragantes ex libris ejus de baptismo VI et VII
d«*uinU Routh, Reliquia sacrae Ed. II (Oxonii 1848), vol. V, 207.
anläse, Handbuch der Polemik gegen die römisch-katholische
Kin^he (.dritte Aufl.), S. 17. n- Ä r a
l^^ Cypr. ep. LXXIII, § 13, Hartel 219. - Die Aufserung des
Ui.chofH llonoratus auf dem Konzil - K-thago über vent^ und
muuotudo bei Augusün de baptismo hb. II, cap^ IX, § ^2, T. M^^
U^. >^ Übt^r Cyprian persönlich s. namentlich ebd. hb. II cap. VII .
I I» VVYIT. IJh III cao II, ^ 3; üb. IV, cap. VI; hb. VI,
i lli; vap. AAAll; HD. lu, cap. aa, >, * «.> m ^11 677
4^ ao b.pti..no bb. VI. cai. II. § 3 cont«
UK n, ««p. XXXI, § 89; cap. XXXU, § 40. i^P- a^^.
AüQüSTINISCHE STUDIEN. V. 169
echte apoBtolisclie Lehrtradition ist, ohne Irrung auege-
mittclt werden kann, sondern Versammlungen derer, welche
dieselbe zu erkennen suchen*. Einzelne Bischöfe, von
denen jeder für eich über einen gewissen Punkt unsiclier
ist *, treten hier zusammen in der Hoffnung durch gemein-
same Beratungen und Unterredungen diese Unsicherheit zu
überwinden, — ein Sicheres zu tinden *. Der eine sucht
den andern zu belehren ; — man streitet mit einander, man
disputiert * zum deutlichen Beweise , data keiner die Wahr-
lieit hat. Endlich kommt es zum Beschlüsse infolge einer
snfalligen Majorität; aber eben darum folgt daraus nicht im
geringsten, dafs in demselben die echte apostolische Tra-
ktion , die cathülica veritas deklariert sei ^. Ein Konzil
dieser Art kann neben einem anderen Konzil gleichzeitig
tagen; beide können Verschiedenes^ dekretieren, nicht um
t 1) de baptiwno lib. II, cap. IV, § 5; cap. IX, § 14; lib. III,
lIHf. III, § 5. Noverat enim quaatam BacraniGiiti profunditatem tuno
fiiiliiii Eccicaia varia diäputatione veraabat, liberumque fauiebat
H|nsereutli arbitrium, ut eiamiiiata veritaa panderetur. — Cf. de
eceloBiae cap. XII, § 31, T. XII, 454C. Ha» (ecdeBias) cnim
accepimus dod ci conciliis conteDdentiam episcoporum etc.
2) de baptismo lib. II, cap. VII, § 12. Noodum «rat diligenter
Ula baptismi quaestio pcrtraclata etc. — cf. ib. lib. II, cap. III, § 4;
cap. IV, § 5. Quomodo potuit lata res tautis altercatiotiuin nebuÜB
involuta ad pleoarii coacilii luculeutam illuBtratiunem coiifirmatiunem-
qne pcrduci, uisi primo diutius per orbis terrarum regiones multia
peitractaU constarctl — lib- IV, cap. VI, g 8, T, XIII, 163D-F;
Sb. I, cap. VII, § 9 contra Cresconium lib. I, cap. XXXII, § 38.
3) S. Anm. '2 und S. 170, Anm. 4.
4) de baptismo lib. Ill, eap. IX, ef. lib. I, cap. VII, g El ; lib. II,
cap. IV. § 5. — Hier plt der Sat«: Nulla (!!) nos certe ancto-
ritaa delerret a quaorondo verum 1. I. lib. HI, cap.lH, §5.—
Oonebea die Aussage, dafs einem EinKclocD, einem Ungelehrten (auf
KoiixilV) etwas „offenbart" werden könne, de baptinmo lib. II,
rV, § 5: cap. VIII, § 13; lib. II, cap. III, §4 (cf, Cyprian.
LXUI, cap. II, p.702, lin. 3 aed quando aliquid Deo inspirante
et Dtandante praecipitiu:),
5) Dies ergiebt sich ans der eben angeführten Stelle de baptismo
lib. II, cap. VllI, g 13 und cap. IX, § 14.
6) Ib. üb, I, cap. VII, § 9, T. XII, llOE.
>
Diu
Lden
■le^i.
fMp.]
170
dabei eadgühig xa Teriiarren; aondeni gende der Gedanke
nmis der latende 8eiii \ djds das Ddoetierte durch dasjenige
▼erbeaaert werden könne, was auf eansm späJterea festgesetzt
werde. Alle Beschlüsse eines ProTiiizialkonzils aber wer
den emendiert ' durch die eines concHigm ,,plaEiariam^, wie
aelbst Cyprian * in theai anerkannt hat Denn ein Teil ist
geringer als das Ganze; die niedere Autorität mufs der
höheren weichen. — Erst durch das condlnun plenarium
wild die zeitweilig vorhanden gewesene DLaharmonie zwi-
schen der consu^udo (emprisch^ Tradition) und der (echten)
Teritas au^elöst*, diese, bis dahin in t&uschender Ver-
hüllung verborgen, wird nun enthüllt^, was bis dahin von
1) S. Anm. 2.
2) de bsptismo Hb. I, cap, VI, § 9; Üb. HI, cap.X, § U; Ub.U,
cap. m, §4.
3) 1. L üb. n, cap. Vra, § 13, T. XU, 133; Hb. VI, c^). I,
§ 3, ib. 208A; IIb. II, cap. IV, § 5. — Cyprian gcwäbrte allen
BiBchofen das gleiche Recht der MeinungsaaTseniiig. Darin sollen
wir seine Nachfolger sein ib. lib. V, cap. XVII, § 23.
4) 1. L lib. II, cap. IX, § 14. Nondom antem factum erat, quis
consuetudinis robore tencbator orbis terrarum et haec sola op-
ponebatur inducere volentibos novitatem, quia non poterant appreben-
dere yeritatem. Postea tarnen dum inter multos ex utraque parte
tractatur et quaeritur, non solum inventa est, sed etiam ad plenarii
concilii auetoritatem roburque perducta etc. lib. II, cap. III, § 4;
Üb. III, cap. II, § 2. — Ib. lib V, cap. XVII, § 23, T. Xn, 196C:
— sicut totius orbis Chnstiani plenario concilio rationabilis (!)
consuetudo firmata est.
5) Die „catholica veritas" ist nach Augustin immer „in der
Kirche" und doch auch nicht, je nachdem das Sein gedacht wird.
Im empirischen Sinne ,,i8t" dieselbe nicht da zu allen Zeiten in
der (empirischen) katholischen Kirche, sondern nur das, was man für
apostolische Tradition hält, was empirisch betrachtet das auch
wirklich „ist" (vgl. Bd. IV, S. 219; Bd. VII, S.214). Im ideellen
Sinne „ist" die catholica veritas immer da, aber verborgen unter
dem, was für apostolische Tradition erachtet wird, — die wahre Tra-
dition unerkennbar gemischt mit falscher. — Die katholische ELirche
hat immer die catholica veritas nach Mafsgabe des zweiten Ge-
dankens; sie hat sie nicht nach Mafsgabe des erstcren, — sondern
mufs sie erst suchen, indem sie kritisch untersucht, von der vorgeb-
lich apostolischen Tradition die echte unterscheidet. Man wird abo
i
AUQU9TIN18CHE STODIEN. V. 171
Suchenden nur dunkel erkannt worden, nunmelir in licKt-
-oller Weise defiaiert '.
Man wird mcht in Abrede stellen können, dafs diese
■Deduktion, an katholischen Prinzipien gemessen, einen wider-
l-^ruchalosen Zusammenhang der Gedanken biete. Wäre
■das bisher Dargestellte das Ganze der hierher gehörigen
pLehrc, so wäre sie deutlich und im Hinbhck auf jenen
Mafsatab vielleicht haltbar zu nennen. Indessen wir kennen
bis jetzt nur, so zu sagen, die eine Hälfte derselben; die
andere bringt aber eine bedenkliche Beleuchtung dessen^
was sich uns zunächst als das Ganze derjenigen Theorie
darstellt, welche auf die g 27 (Ende) aufgeworfene Frage
scheint antworten zu wollen und doch nicht * ausschliefs-
lich auf dieselbe antwortet.
29. Es fragt sich vor allem, von welcher Beschaffenheit
das Konzil sei, welches von unserem Verfasser als „ple-
narium " bezeichnet wird. Es gilt ihm augenscheinlich als
ein zaldreicherea, gewichtigeres, als eine Versammlung von
noch höherer Autorität als die aus den Bischöfen einer
Provinz, mehrerer Provinzen berufene; — vgl. die Stellen
de baptismo lib. III, cap. II, § 2, Op. T. Xu, 140 nußo
quidem sive plenario sive saltera regionali concilio etc.
ib. Üb. VII, cap. LIII, § 102, T. XU, 258C; ib. lib. I,
cap. VII, § 9: — ut diu conciliorura in suis quibusque
regionibua diversa statuta nutaverint donec plenario
totius orbis concilio quod saluberrime sentiebatur, edam
remotis dubitationibus firmaretur: ex Evangelio profero
certa documenta , quibus — — demonatro etc. Äu-
gustin neigte also damals, als er diese Worte schrieb,
lu urteilen haben, die catholica veritaa ici die Wahrheit der Tradi-
tion, zu finden von der kathuliHchen Kirche, so weit sie von einem
Konzile (de baptismo ILb. III, cap. IX, S 12 Ende, T. XU, 145C)
repräsentiert wird, b. g 2Ü. 30. — de baptismo lib. IV, cap, IV, § 7.
Hoc pltme verum est, qaia ratio et veritas consuetudint praeponenda
I cum conBuetudini veritaa Euffragatur: nihil
oportet firmina retiueri,
1) S. die vorige Aninerkuug.
2) S. S 30. 31.
172 BEOTEB,
dahin y conciliiim regionale und conciliam pknariam za
unterscheiden, während dag^;en der Torwi^ende Usus in
Nordafirika dazu anleitete , gröbere concilia regionaria als
plenaria zu bezeichnend Und der zeigt seine partielle
Nachwirkung auch in unseres Autors Sprachgebrauche.
Kein Konzil wird von ihm so oit genannt, keins so enthu-
siastisch (aus leicht b^reiflichen Gründen) so verherrlicht
als das zu Arles (314). Er bezeichnet es wiederholentlich
als plenarium, aber die Zusätze beweisen, dafs es ihm
über denjenigen steht, welche herkömmlich so genannt
wurden. Ich citiere die Stellen de baptismo lib. V, cap. XVIIi
§ 23; lib. VII, § 9 plenario totius orbis concilio. Es
heifst ib. lib. VIL, cap. LIQ, § 102: Sed nobis tutum est
in ea non progredi aliqua temeritate sententiae, quae nollo
in caiholico regionali concilio coepta, nullo plenario
terminata sunt: id autem fiducia securae vocis asserere, quod
in gubematione Domini — universalis Ecclesiae con-
sensione roboratum est (Arelataner Beschlufs). Ep. XLTTT,
§ 19, T. U, 128D: restabat adhuc plenarium Ecclesiae
universae condlium (vgl. § 20). Hier wird ausdrücklich
behauptet, dort sei die universa Ecclesia zu Worte ge-
kommen; ebenso de baptismo lib. lU, cap. X, § 14, T. XU,
145 G: Dicit sane de hac re non unum, sed duo vel amplius
facta concilia, sed tamen Africana. Nam et in quodam
septuaginta et unum episcopos fuisse commemorat, quorum
omnium auctoritati universae Ecclesiae cum longepluri-
bus episcopis toto orbe diffusae auctoritatem non dubi-
tamus cum Cypriani pace anteponere. Daneben lesen wir
auch universale concilium de baptismo lib. 11, cap. IX,
§14 (nicht in immittelbarer Beziehung auf Arles), was
doch identisch sein mufs mit einem plenarium universae
ecclesiae totius orbis concilium. Es scheint also keinem
Zweifel zu unterliegen, dafs auch an Stellen, wo die Zu-
sätze fehlen, wo nur plenarium concilium gefunden wird
1) Hcfele, Konziliengeschichte (zweite Auflage), Bd. I, S. 4-
Bd. II, S. 203 und Tübinger theologische Quartalschrift, Jahrg. 1852,
S. 406; Paci, Critica ad Baronium ad an. 314, N. 19.
k
ADQCSTimsCHE STUDIEK. V. 175
dieses im Sinne von universal, ökumenisch genommen
nerden könne. Man hätte also anzunehmen, dafB der
Veriasaer zwischen einem relativen plenarium coiicilium
(welchen nur als ein besonders zahlreich besuchtes Regionar-
koQzi! vorzustellen wäre) und einem abaoluten im Ge-
lUnken immer unterschiede, diesen Unterschied aber nur
auweilen auch in Worten ausprägte. JedenfaUs steht
M fest, dafs er keine noch höhere Instanz kennt als das-
jenige concihum plenarium, welches er durch die schon er-
«ihnten Zusätze ausdrückhch auszeichnet (vgl. noch de
bapt lib. II, cap. IV, § 5 universae ecclesiae concordiasima
nctoritas).
30. Also wäre ein solches die allerhöchste, — die
wirkliche Repräsentation der infalliblen katholischen Kirche,
somit selber infallibcl. Ein infallibeles Konzil ist aber nicht
n „emendieren"; die Beschlüsse eines solchen müsBen als
definitive gelten.
Allein dieser Schlufs wird nicht nur nirgends von Au-
gostin gezogen, sondern das reine Gegenteil würde von ihm
ausgesagt werden, wenn die unterstrichenen Worte in der
Wiihmten Steile de baptiamo lib. II, cap. III, § 4, T. XII,
IS7D: et ipsa concilia, quae per singulas regionefl vel pro-
TiDcias Sunt, plenariomm conciliorum auctoritati, quae Sunt
K universo orbe terrarum, sine ullis ambagibua cedere:
ipsaqne plenaria saepe (!) priora posterioribua
emendari: cum aliquo experimento rerum aperitur, quod
clausuni erat et cognoscitur, quod latebat von den ab-
soluten Plenarkonzilien zu verstehen wären. Gegen das
Recht dieses Verständnisses scheint der Umstand zu sprechen,
daJfl darin die Häufigkeit der Berufung solcher Versamm-
langen vorausgesetzt, von denselben wie von einer erfah-
rungsmäfsig bekannten Gewohnheit gerodet wird, während
doch in Wahrheit der Autor kein einziges derartiges, d. i.
ein wirklich absolutes Plenarkonzil (ökumenisches) erlebt
hat; für dasselbe dies, dafs die Worte quae Bunt ex uni-
verso orbe terrarum unmittelbar vorhergehen und darum
in dem Satze ipsaque — — emendari scheinen ergänzt
werden zu miiasen. Geschiebt das aber, so ist zu urteilen,
174 BBOTEB,
dalfl dann das ^^saepe'' nicht allein aufflülig, sondern ge-
radezu unerklärUch wird. Im en^egengesetzten FaUe in-
dessen bereitet die unvermeidliche Annahme des rapiden
Wechsels 9 der plötzlichen Einschränkung des Begriffs oon-
cilium plenarium eine kaum weniger geringe Schwierigkeii
Hat der VerfiEusser durchweg an concilia plenaria
totius orbis gedacht^ so ergiebt sich die Lehre, dafs die
einander folgenden ökumenischen Synoden eine kon-
tinuierliche Fortschrittslinie bilden, sofern die spätere die
frühere emendiert. Gerade sie sind die Träger einer nicht
blofs scheinbareni sondern wirklichen dogmengeschichtlichen
Entwickelung. Allerdings ein überaus anziehender Qedanke!
Aber ob haltbar im Zusammenhange des katholischen Sy-
stems? — Allerdings in einem Falle, wenn man nämlich
annehmen dürfte, auf einer späteren Synode sollten die Be
Schlüsse der früheren nm* ergänzt, genauer bestinmit werden.
So ist die Stelle wirklich erklärt worden z. B. von He feie,
Konziliengeschichte (zweite Auflage), Bd. I, S. 57, Anm. 1.
Es läfst sich nicht leugnen, dafs dies Unternehmen durch die
Schlulsworte cum aliquo experimento rerum aperitur, quod
clausum erat, et cognoscitur, quod latebat gerechtfertigt
zu werden scheint Erinnern dieselben doch an die be-
rühmte Stelle Novum Testamentum in Vetere latet, Vetus
in Novo patet (Diestel, Geschichte des Alten Testaments
in der christlichen Kirche [Jena 1869], S. 91, Anm. 2G).
Demnach hätte unser Verfasser die Lehre des Vincentius^
bereits völlig anticipiert, durch die Konzüe werde der
Kirchenglaube nicht fortgebildet, sondern nur (formell) klarer
exponiert, was unklarer, substantiell längst vorhanden war;
nicht ein Fortschritt der Veränderung finde statt, sondern
ein Fortschritt der Erhaltung. Indessen diese Inter-
pretation unserer Stelle ermittelt schwerlich den echten Ge-
danken des Autors. Zu Arelate ist die catholica veritas
gefunden, welche die vordem zu Karthago gehaltenen
Provinzial- oder Regionarversammlungen vergebens gesucht
hatten. Dort wurde die genuine katholische traditio, welche
1) Commomt. ed. Herxog Vratislaviae |839, cap. XXXU, p. 40.
ADGÜSTINlSCnE STUDIEN.
allerdings in der Kirche immer vorhanden war,
sicher erkannt, aber doch nicht in der Art
dafs daselbat nur näher entwickelt wäre, was hier bereits
unsicher erkannt worden, ^ sondern aufgehoben, was man
früher beschlossen hatte. Dieser Hergang der Dinge könnte
nun insofern als unanstöfsig erscheinen, als das Arelataner
Konzil eine höhere Inatanz war als die früheren nord-
afrikanischen Provinzialkonzile. Aber de baptismo üb. HI,
cap. III, § 4 wird ja erklärt, dafs „häufig" frühere Plenar-
konzile von späteren PlenarkonzUen „emendiert" werden.
Diese emendatio raufa doch nach Analogie derjenigen
(emendatio) vorgestellt werden, welche spätere Plenaikonzile
in Beziehung auf Beschlüsse früherer Provinzialkonzile voll-
ziehen — sonst würde in dem gesamten Kontext kein ein-
heitlicher Gedanke sein — , also als kritische Kevision.
Und diese ist ohne wenigstens partielle Verneinung gar
nicht miiglich. Kommt es aber dazu, so wird damit die
Infallibilität der früheren Synode erschüttert, aber auch die
der späteren bedroht; denn auch ihr kann ja eine andere
folgen. Ja diese Succession dauert so lange, als es eine ka-
tholische Kirche giebt! — Auch die ökumenischen Ver-
sammlungen obwohl imstande, Decrete der partikularen ver-
hältnismärsig zu zensieren, sind doch keine definitiven
Zensoren, sondern auch nur „suchende". Die an sich in-
fallihele Kirche zeigt diese Eigenschaft in einer Reihe von
Dekreten, von denen das spätere als weniger fallibel er-
scheint als das frühere, aber auch das späteste nicht ala
intiallibel gelten darf. Ja niemand kann wissen, ob dem
vorgeblich „späteaton" doch nicht noch ein anderes folgen
wird. Nicht allein ist, was auf diesem, was also „zuletzt"
beschlossen worden, allen vorhergehenden Generationen,
welche nur die älteren Konzile erlebt haben, „verborgen"
geblieben, sondern auch diejenigen, welche Zeitgenossen des*
jenigen sind, welches sie für das letzte erachten, müssen
nach Mafagabe der citierten Stelle darüber ungowifs bleiben,
ob nicht von einem zukünftigen (Konzil) jenes „emendiert"
werden wird, was das letzte als cathoüca veritas kund ge-
macht hat (aperuit de baptismo üb. lU, cap. IX, § 12 vgl.
175 ^B
endlich ^^H
definiert, ^^H
er bereits t
176 BEDTERy
überhaupt § 8 — 14). Wäre nun nach unseres Ver&saen
Meinung die von dem Universalkonzil definierte catholica
veritas dem Dogma gleichzuachten und die Kenntnis
nnd Erkenntnis des letzteren die Bedingung der Teil-
nahme an dem Besitz der ersteren, somit notwendig zur
Seligkeit: so würde durch alle diese Sätze der SchluTs auf-
genötigt, dafs Tausende und Abertausende derselben ye^
lustig gegangen, ja der Verfasser selbst und seine Zeit-
genossen inbezug auf dieselbe unsicher bleiben mülsten.
31. Indessen dieser SchluTs darf nicht von uns gezogen
werden, weil Augustin die hypothesisch gesetzte, wie uns
schien, berechtigte Prämisse nicht nur nicht genehmigt, son-
dern dieselbe sogar (indirekt) in einer beachtenswerten Qe-
dankenreihe bestreitet — In zahlreichen Stellen, in welchen
über Cyprian's Stellung in dem Streite über die Ketzertaofe
gehandelt und dessen (von dem Konzil gebilligte) Ansicht
bestritten wird, spricht er sich darüber sehr lobend aus,
dafs dieser Bischof die seinige nicht ^ für die absolut iir-
tumslose, unbedingt mafsgebende erachtet, — Andersdenkende
nicht* für Schismatiker oder Häretiker erklärt (Otto Ritschi,
Cyprian von Karthago, S. 113), sondern als Brüder be-
urteilt, den Frieden, das Band der Liebe bewahrt*, ge-
rade damit sich als echten Katholiken erwiesen habe.
Und doch hat er die catholica veritas nicht besessen, —
nicht weil er sie geleugnet, sondern weil er sie nicht ge-
kannt Häresie ist nicht jede Abweichung von dem In-
halte der catholica veritas, sondern von der von der ka-
tholischen Kirche autoritativ kundgemachten, der Erkennt-
nis enthüllten*, — beruht auf dem bewufsten, dauernden.
1) do bapüsmo Üb. II, cap. IV, § 5; lib. IV, cap. IV, § 7.
2) l l. lib. I, cap. XVIII, § 27; üb. U, cap. IV, § 6; lib. D,
cap. XXXIII, § 41.
a) l l. Hb. III, cap. I, § 1 ; lib. VII, cap. I, § 1.
4) l. l. IIb. IV, cap. XVI, § 23, T. XU, 173FG. - Es ist
schwor, don Ho^riiT der Häresie zu bestimmen. Ep. CCXXII, § 2,
T. II, IDUÖC. Libor do haeresibus Praef. gegen Ende. Corporis haere-
Biologici tom. prim. od. Oehlcr, Berol. 1856, p. 194. Quid ergo
fiiciat haeretloiun, regulär! quadam definitione comprehendi sicut ego
hartnäckigen ' Wideratreben wider die klar erkannte
"Wahrheit. Cyprian dagegen war willig zum Eikennen der-
selben, aber er gelangte nicht dazu. Sein Nichterkennen
ist nicht gewesen ein Nicht-anerkennen-wollen ', aUo kein
häretisches. — Ahnlich hat man zu urteilen über die Aufse-
rungen derer, welche vor Ausbruch des pelagianiachen
Streits die Natur der Gnade zu bestimmen versuchten. Die
älteren Autoren — heifat es an einer Stelle ' — , welche
von dieser jüngsten Häresie noch nichts wufsten, hatten
eben deshalb keine Veranlassung, keine Verpflichtung mit
dieser schwierigen „Frage" sich zu beschäftigen, über die-
selbe in präciser Weise zu lehren. Sie haben ihre Ge-
danken über diesen Punkt nur gelegentlich, unbestimmt an-
gedeutet, weil niemand die Lehre der Kirche bestritt.
Diese Worte sind allerdings nicht ganz iin zweideutig.
Sie können aussagen 1) dals die in Rede stehenden Zeugen
die Kenntnis der catholica veritas gehabt, sie nur nicht
in ihren Schriften ausgeprägt haben; aber auch 2) dafs
ihnen die eratere beziehungsweise geraangelt und dämm die
schriftlichen Darstellungen mangelhatt seien. Dieses (zweite)
Verständnis scheint in Betracht der Worte „non habuerunt
necBsutatem in hac difScili ad solvondum quaestione ver-
Bsii" vollzogen werden zu müssen. Geschieht dies, so
exiatimo, aut omnino Qon potesl, aut üifficillime potest. — contra
Creacoiiium DoDatiGtain lib, II, cap. III, ^ 4; cap, IV, g Ü; cap.VIl,
g 9. — Manche ZeitgeDOssen Augiistin's halten den UiitiTBchied des
KathuücismuB unA Doualismu!) für einen gleichgültigen: iie sagen,
auf beidea Seiten werde dersolbe Gott verehrt. Senno XLVI , cap.
VII, § 15, T. VII, 233A.
1) Ep. XLTII, cap. I, % I,
2) Ib, § I, T. II, llöC, de baptiamo lib, IV, cap. XVI, S 93.
3) de praedestiiialioue Sauctonim cap, XIV, g 27. Quid igitur
opus est, ut eorum scruteniur opuscula , qui prios quiun illa haeresis
oriretur non habuerunt ncceiBitatem in hiic difficili ad aohendnin
[(uaestione versnriV quid procul dubio faccreut, si reepondere lalibus
CDgercntur? Uiide factum est, ut de gratia Dei quid sentirent, brevi-
ter quibnsdam MCi'iplorutn suorum locis ''t tranaeunte» attingerenf etc.
contra Julian, lib, II, cap, X, S 34, T. Xlll, CMD. — Klaaep, Die
Zntwickclung dca Pclagjauisuiu«, S. '14,
178 IlSDTEBy
ergiebt sich, dafs der Verfasser (auch) hier den Besitz der
catholica veritas nicht bedingt denkt durch den Grad der
Klarheit der Erkenntnis ; also eine, man möchte sagen, par-
tiell latente Existenz derselben zugesteht — Somit ist in
Erwägung dieses augustinischen Gedankens die Unsicher-
heit inbetreff einer definitiven emendatio für den Katholiken
doch nicht so quälend , als wir S. 175 glaubten annehmen
zu müssen; noch viel weniger aber in Betracht eines an-
deren.
Wir lesen in den nämlichen lib. de baptismo den be-
rühmten Satz, welcher lehrt, dafs nicht in allen Fällen Kon-
zilienbeschlüsse notwendig seien, wenn man das wahrhaft
Apostolische erfahren wolle. ,, Was die ganze Kirche ,hält^,
wenn es auch nicht von Konzilien festgestellt, das, was im-
mer bewahrt ist, wird als apostolica auctoritate traditum
geglaubt '' heifst es de baptismo lib. IV, cap. XIV, § 31
und ebendaselbst lib. U, cap. VU, § 12 „vieles, was nicht
in den Schriften der Apostel sich findet, auch nicht in den
Konzilien der späteren, gilt für tradiert von den Aposteln, weil
es im Bereich der ganzen Kirche beobachtet wird''; womit
zu vergleichen ist Ep. LIV, § 4, T. II, 154: lila autem, quae
non scripta, sed tradita custodimus, quae quidem toto ter-
rarum orbe servantur, datur intelligi vel ab ipsis ApostoUs
vel plenariis conciliis, quorum est in Ecclesia saluberrima
auctoritas, commendata atque statuta retineri (wo frei-
lich von rituellen Dingen die Rede ist). — Ja> damals als
nach dem Erlafs der Epistola tractoria des Zosimus die
Pelagianer diesem Richter gegenüber als den einzig kom-
petenten Richterrat ein Konzil verlangten ^ imd eine ganz
neue rationelle Methode erörterten, wie dasselbe zusammen-
1) S. die UrkuDde Aug. Op. Bassani 1797, T. XVH, 2733 G.
certa sit sanctltas vestra nos ad audientiam pleuarii synodi provo-
care. Julian ap. Augustin. Opus imperf. lib. II, cap. X. Walch
a. a. 0. Bd. IV, S. 680, § 35—37 {cl lib. I, cap. X, § 34: Nee
608 — — incertae sunt). Kl äsen, Die innere Entwickelung des
Pelagianismus. Beitrag zur Dogmengeschicbte (Freiburg i. Br.),
S. 67.
AUliUSTlKISCHE STUDIEN, V.
gesetzt und eingerichtet werdea müsse ' : remonstrierte Au-
gustin aut' das heftigste nicht allein gegen diesen unerhörten
Wahhnodus, sondern gegen das Zusammen tretea eines aol-
chen überhaupt. Die Ansicht, dafs eine Häresie nur durch
„ein Konzil" gerichtet werden könne, ist gr und verkehrt ;
eine Versammlung dieser Art wird nur „selten", in Fällen
berui'en *, wo Zweifel (inbezug auf die catliolica veritaa)
zu losen sind. Die Lehre der Pelagianer aber hat sich
selbst als eine evidente Häresie dem sensus catholicus offen-
bart: sie würden und werden nicht durch ein episkopales
oder rationales Gericht, sondern durch das ganze Denken
und Leben der katholischen Kirche in Vergangenheit und
Gegenwart, — durch das gesamte katholische Volk ver-
urteilt *. Und begehrt man durchaus einen io ausdrück-
lichen Worten abstimmenden Richterrat, hat sich derselbe
nicht bereilB konstituiert, allgeniciaer als der irgendwelcher
(„allgemeinen") Synode? — Wollte man alle diejenigen,
welche den Pelagiaiiismus richten, den Augustinisnius für
Kirchenlehre erklären, versamraoln, — wo wäre ein Lokal
zu finden, welches diese Zahl fassen könuie *. — Die De-
klaration der catholicft veritaa inbezug auf die hier vor-
aisgesetzten Lehren ist bereits erfolgt, aber nicht durch
Akte des synodalen Instituts. —
32. Kehren wir nach dieser unvermeidlichen Digression
mit bereicherter Kenntnis des Quellenmaterials zu der
Stelle zurück, welche uns S. 173 beschäftigt hat: so ist klar,
1) 3. die vorige Anmerkuag. Klaaeo a. a. 0.
2) contra duas epiatol. Pelag. lib. IV, cap. XII, §34, Op. T.XIU,
610, Aut vero c.'ijgTcgaUone ayDixli opus erat, ut aperta pemiciea
iloninaretur : quasi nulla bacresiB aliquonüo iiisi aycodi coogrcgatione
daumata Bit, cum potius rariasima inveniaiitur, propter quas dam-
naadas necesaitas talis cxBtiti'rit etc. — Nicht jede Frage soll so-
fort auf ciuem Uiuverxulkoiizil (.'riedigt werticii, de baptismo lib. 11,
cap. IV, § 5, T. Xli, 128HC. — Gewisse Diflereiizeti können un-
beschadet der katholischeti Einheit in der Kirche geduldet werdeu,
conira Faustum lib XI, cap. 11, T. X, iölE,
3) Vgl. oben &i, IV, S. 2:i und 41 dieser Zeitschrift. Contra
ra. Üb. II. cap X. « 34. 35. 30.
1) contra JuUau. üb. II, iiap. X, § 37, T. XIU, Ü82Aß.
180 a£üT£Ry
dafs sie als einzelne von uns in aufserordentlicher Weise
überschätzt worden. Durch andere sind wir belehrt,
a) dafs das KonzÜ durchaus nicht das einzige, nicht das
unbedingt notwendige Organ sei, durch welches die ca-
tholica veritas liir die Erkenntnis erschlossen werde; wei-
ter b) dafs die letztere durchaus nicht durch ein solches,
nicht durch eine Reihe solcher in allen Fällen feierlich
verkündigt werden müsse^ wenn sie Autorität gewinnen solle,
sondern dafs c) an manchen Stellen die Vorstellung sich
finde, das echt Apostolische verkündige sich selbst durch
die thatsächliche Universahtät — also in formloser
Weise — , die catholica veritas^ nicht der Deklaration durch
ein Konzil bedürftig, leuchte allen Katholiken von selbst
ein.
Dals diese mit derjenigen, welche der VerÜEisser de
baptismo lib. U, cap. lU, § 4 darlegt, nicht übereinstimmt,
ist ebenso evident als der Satz, dafs (empirische) Thatsache
und Elritik einander ausschlieisen. Dort lehrt der Autor,
die catholica veritas sei nicht zu suchen, - sie fisJle mit
der faktischen Tradition zusammen, werde dem sensus
catholicus unmittelbar erkennbar; hier und in den schon
oben S. 170 berücksichtigten nahezu gleichlautenden Aus-
sagen, heifst es, diese und jene sei verschieden, das Faktische
nicht das Wahre. Nun haben wir um so weniger das
Recht, die berühmte so eben wieder citierte Stelle, welche
den Gedanken von den Konzilien als den notwendigen He-
beln des Fortschritts des Erkennens ausspricht, einseitig zu
bevorzugen, als Augustin nirgends anderswo diesen Ge-
danken mit solcher Präcision wiederholt hat.
Ich kann denselben schlechterdings nicht für einen prin-
zipalen, nicht für den fundamentalen halten, auf welcher
man eine systematische Theorie von den Konzilien auf
zubauen versuchen müsse. Das würde gar nicht gelingen
wenn nicht die Mittel einer verkehrten Harmonistik ange
wandt werden sollten. Aber dies Unternehmen überhaupi
wäre nichts weniger als seinem Sinn entsprechend. Dem
dieser Schriftsteller, welchen zu verstehen hier unsere ein-
zige Aufgabe ist, hat — wie seine divergierenden Gedanken
AUGDSTINISCHE STUDIEN, V.
181 I
Ausdruck ]
die sogar in der nämlichen Sciirift ' zum
kommen, zeigen — gar nicht das BediirlhiB gehabt, eine
Theorie der bezeichneten Art zu entwickeln ; vielmehr haben
ihn Opportunitätariieksichten geleitet, als er die Worte de
baptismo IIb. II, cap. III, § 4 schrieb: ihm kam ea darauf.
an, die — ihm peinliche — Autorität des von den Dona-
tiaten 30 hoch gefeierton Konzils zu Karthago unter Cy-
prian durch eine überraschende Digreaaion zu brechen, nicht
Paragraphen eines Lehrbuchs des Kirchenrechte zu for-
muUeren.
33. Erwägen wir diea und das § ai Erörterte, so tritt
die ganze Konzilsfrage in ein neues Licht Wir hatten
§ 28 — 30 angefangen zu untersuchen, wo die allerhöchste
Repräsentation der infalhbelen katholischen Kirche zu
finden. Jetzt hat sich uns ergeben, dafs Konzile in ihren
verschiedenen Graden, selbst absolute Plenarkonzile (öku-
menische) in seinem Sinne wohl als unter Umständen zweck-
mäfsige Repräsentationen gelten, — kein einziges aber
als die Repräsention, — ata definitive Autorität, als ab-
solut erforderlich, als zweifellos infallibeH bezeichnet wer-
den dürfe. Die Frage nach eben dieser, also die Frage,
welche wir § 27 (Ende) meinten erheben zu müssen,
hat ihn eben gar nicht als systematischen Kirchen-
rechtslehrer beschäftigt, — sondern mir insoweit als die
Zeitverhältnisse dazu veranlatsten. Da diese sich veränder-
ten, so veränderten sich auch die Antworten, wie die augen-
acheinljchcn Widersprüche zeigen. — Wie, von wem das
Konzil zu berufen * , wie es zusammengesetzt sein müsse,
1) de bnptismo lib. II, cap. VIl, § 12.
2) 1. I.
3) Epist. LXXXIV, § 4. Sed haec (unmittelbar vorher in 9 3
iet Ton dem Judidiim cpUcopalr apud Arclatum datum die Rede
gewesen) hitmniia jodicia deputentur et circumveniri ac fiilli vel
etiam comimpi dicanfur (allerdings — in erster Linie — von den
Donatisten; aber der Satz bleibt desnen ungeachtet ein merk-
würdiger).
i) Er bemerkt ganz unbefaiigco contra epistol. PannGDiani lib. I,
c^, V, g 10, T. XII, 33B Cef. Epiat XLIU, cap. V, g 14 BrCTic.
18S BEUTSRi
wenn man et für ein rechtm&biges halten solle \ ob die
Dekrete desselben in rieh gültig, ob und von wem ne n
bestätigen seien — ob Papst? ob Konzil? ' — , über alk
diese Dinge hat er rieh nicht ernstlich, nicht in der
skrupulösen Weise wie die Liberalen im 15. Jahrhond^
den Kopf zerbrochen; — keine alle Fälle regelnden SStze
aufgestellt^ — aufstellen wollen, — können. Dazu fehl-
ten in seiner Theologie die unveräufserlichen Vorbedingungen,
nämlich a) eine klare in rieh harmonische definitive
Lehre über das Verhältnis von catholica veritas zur tra-
ditio (was wir oben S. 170 erörtert haben, ist nicht eine
solche, sondern — wie rieh uns ergeben hat — eine ge-
legentlich g^bene Auskunft, eine Lösung der Schwierig-
keit, welche er in gewissen Zeiten für eine glückliche er-
achten mochte, von der er aber bei anderen Oelegenheiten
wieder gänzlich absah) , weiter b) eine widerspruchslose
Theorie über das Verhältnis der mündlichen Überlieferung
zur heiligen Schrift Dafs eine solche bei ihm nicht
zu finden, mufs ich hier als bewiesen voraussetzen ' und mich
begnügen an die berühmten Stellen ^ zu erinnern , welche,
als einzelne betrachtet, die heilige Schrift als die einzige
collat. cam Donat. coli, tertii diei cap. Xu, § 24, T. XII, 711 EF,
Ep. LXXXIX, § 3), dafs das Konzil in Rom von Konstantin berufen
worden.
1) Betrachtungen darüber können ja ebenso wenig wie über die
rechte Methode der Reformation der Kirche im voraus, lediglich theo-
retisch angestellt werden, sondern nur in thatsächlichen gegen-
wärtigen oder eben erlebten Zuständen der Not. Augustin kannte
diese aus eigener Erfahrung nicht. Die nicenische Synode war eine
längst geheiligte Autorität. Wie er über die Konstantinopolitanische
dachte, wissen wir nicht, da er sie gänzlich ignoriert (Bd. V, S. 377
dieser Zeitschrift). Das wirkliche Zusammentreten der Ephesiner hat
er nicht mehr erlebt (ebd. S. 3G0). Wie hätte er daher dazu kom-
men können, über den im Text erwähnten Punkt sich auszusprechen?
2) S. oben S. 158.
3) Dorn er, Augustinus, S. 237; Schmidt, Jahrbücher für
deutsche Theologie, Bd. VI, S. 23G.
4) Z B. Ep. LXXXII, § 3, T. U, 252 AB contra Cresconium
Donat. lib. I, cap XXXIII, § 39. de natura et g. c. LXI, § 71.
ACQCSTINISCHE STUDtEN. V. 188
absolute Norm bezeichnen, welcher alles, selbst die der
mündlicben Tradition der Kirche weichen müsse, me an
jene anderen, welche die Autorität der letzteren feiern.
Ohne Zweifel hat er den Glauben an diese, an die
Infallibilität derselben ß;ehabt, aber niemals eine dem ent-
sprechende dialektische, vollständige Lehre entwickelt. Der
Episkopat, der römische Episkopat, der Episkopat und der
riimiscbe Episkopat (Bischöfe und' sedes apostolica), dos
Konzil sind Formen fnicht die Formen) ihrer Autorität,
ihrer vornnsgesetzten Infallibilität. Diese Gröfsen werden
alle bisweilen neben einander genannt, bald in der Art er-
wähnt, dafs die eine höher geschätzt zu werden scheint als
die andere *. Es wird aber auch von allen diesen abge-
lehen: die Autorität der Kirche gebraucht Formen, ge-
braucht sie aber auch nicht; sie bedient sich gewisser an-
staltlicher Organe, — aber kein einziges ist das Organ.
Die Tradition und die cathohca veritas gelten einerseits
als verschieden, — diese wird als die (ideelle) Wahrheit
jener angesehen; anderseits erscheint die (empirische) Tra-
dition als das laute, freie und doch autoritative Gesamt-
Bekenntnis der katholischen Christen °, dieses als die nicht
▼erborgen e , der Untersuchung nicht bedürftige, sondern
( offenbare catholica veritas. —
34. Indessen es ist Zeit, dafs ich diesen Artikel schliefse.
fc& ist länger geworden, als ich dachte, als ich denselben
[ftnszuarbeiten begann. Und doch habe ich im Interesse
er Zeitschrift in § 32 und 33 manches kürzen, ja dem
I Drucke vorläufig entziehen müssen, was bereits von mir
1) Ep. CXC. cap. VI, § 22, T. II, 921 B; Ep. CLXXXVI, § 3
1 SAem TCra et catholica tenet aemper Eccicaia. Ep. LXXXIX,
) S. oben g 2?, S. 153 ; g 24, S. 158.
8) de btiptismo lib, II, cap. V, §6, T.XU, 12fiF. contra Juliiui.
. I, cap. VII, 8 32; IIb. II. cnp. X, g 3H; — quamvis propitio Deo
B hac fiele, cui contradkitU, catholica santiin sapiat multitudo.
., T. XIII, «38. Vgl. oben § 18, S. 136, Anm. 2, wo gecagt
iTs die Häretiker teils durch die Volksstimme teils durch
B Terdammt seien.
I
184 SEUTERy
konzipiert worden ist. Es soll in der von mir beabdch-
tigten Überarbeitung sämtlicber Stadien, welche als selb-
ständiges Buch erscheinen werden, nachgetragen, das Man-
gelnde nach Mafsgabe meiner Kraft ergänzt werden. —
Somit bleibt mir nur übrig, die Hauptresultate dieser
Studie zu formulieren.
a) Die Voraussetzung der Lehre Augustinus von dem
Episkopat ist zwar die Cyprian's, — aber^ so zu sagen, die
Stimmung beider Lehren ist nicht gleichartig. Diese Un-
gleichartigkeit erklärt sich teils aus der Verschiedenheit der
Verhältnisse, unter denen beide lebten Bd. VII , S. 200 bis
203, teils aus der Dififerenz der Naturen. Augustin war
kein Eirchenpolitiker S. 202. 256.
b) Das Hierarchisch -Episkopalistische, was die — we-
nigstens vorherrschende Ansicht Cjprian's charakterisiert,
ist von Augustin erheblich ermäfsigt, die Vorstellung von
der göttlichen Stiftung des Episkopats, von dem Rechte, d^
Kirchen regier ung nirgends ausdrücklich betont, ebd.
S. 203—207. 213. 248, überhaupt die Bedeutung desselben
für die Kirche nicht in dem Mafse gewürdigt, wie von Cy-
prian, ebd. S. 249—256.
c) Nirgends wird die Unterwerfung unter den Bischof
als Bedingung der Gliedschaft an der Kii-che in den Vorder-
grund gerückt Ebd. S. 207—209. Die „Mittlerschaft"
der Bischöfe nirgends deutlich gelehrt, sogar an manchen
Stellen (Bd. IV, S. 210) ausdrücklich geleugnet.
d) Der Unterschied zwischen Klerus und Laien wird
nicht nur nicht geschärft, sondern abgeschwächt, ja hier
und da ignoriert, die Idee des allgemeinen Priestertums
mehrfach in ergreifender Weise verkündigt, ebd. S. 207 — 211;
der Apostel Petrus als Repräsentant und Typus (figura)
der Christen im ganzen (jhne Rücksicht auf den Unter-
schied des Klerus und der Laien angeschen, Bd. VII, S. 252;
Bd. Vm, § 25, S. 160. 161.
e) Es finden sich Aussagen über das Verhältnis des
Amts zu der persönlichen Beschaffenheit des Amtsträgers,
welche den Donatismus streifen (Bd. VII, S. 215 — 218) im
Widerspruche mit jenen anderen, welche schon Bd. IV,
APGüSTINISCHE STUDIEN. V. 186
S. 211 gewürdigt wurden, — Die Differenzen erklären sich
aus dem doppelten Kirchenbegriffe Bd. VII, S. 216 (vgl.
Bd. IV, S. 219. 221. 233. 235).
f) Die Lehre von dem Sacraraentum ordinia (Bd. VII,
S. 231 — 242), welche Augustin begründet hat, ist nicht
I durch hierarchische Interessen, nicht durch irgendwelche
I dogmatische Kupidität motiviert, sondern durch die Tenden«,
donalistische KonBequenzen (welche — merkwürdig genug —
in einer Stellenreihe bei Cyprian vorbereitet sind, S. 219
bis 225} abzuschneiden, tür den KathoUciBmua unBchädlich
zu machen, — durch Opportunitätsrücksichten, S. 229. 243.
Sie ist zumal bei Vergleicliung anderer augustin ischen
Lehren eine diBharmomsche zu nennen (Bd. VH, S. 242).
Es läfat sich keine Stelle bei Augustin ausmitteln, welche
bewiese, dafs die Lehre von dem Sacramentum ordinis von
ihm selbst zur Steigerung der priesterlichen Würden im
Unterschiede von dem Stande der Laien verwendet worden,
ebd. Ö. 247.
g) Augustin hat höchst wahrscheinlich keinen der gleich-
zeitigen römischen Bischöfe gekannt. Auch der briefliche
Verkehr war kein lebhafter, Bd. VIII, S. 124 f.
h) Alle Bischöfe als Nachfolger der Apostel, Bd. VII,
S. 249, als Inhaber der sedea apostolicae, gelten im grofsen
und ganzen als koordiniert. Ebd. ö. 251; Bd. VIII, S. 162,
Anm. a. — Petrus wud betrachtet als Repräsentant der ein-
ander gleichstehenden Apostel, Bd. VII, S. 253, der pa-
Btores boni, Bd. VIII, § 19, S. 139.
i) Nichtsdeatoweiiiger nennt Augustin denselben wieder-
holt den ersten der Apostel und schreibt dem römischen
Bischof als dessen Nachfolger, als Inhaber der sedes apo-
Btolica, Bd. VIII, § 18, S. 134, im Interesse der Einheit
der Kirche, ebd. § 19, S. 138, eine relative höhere Au-
torität nach Rang und Macht zu, ebd. § 18, S. 13G.
k) Der Umfang der Jurisdiktion wii-d aber nicht sicher
beschrieben, wie denn überhaupt Augustin für kirchenrccht-
liche Dingo ein nur geringes Interesse zeigt. Ebd, § 19,
S. 139.
1) Die sedes apostohca in Rom gilt ihm als eine ange-
186 REüTEEy
sehene Trägerin der kirchlichen Lehrtradition (§21. 22)
Es küiinuen Stellen vor, in welchen ilu' Inl'allibilität, die
höchste Entscheidung in Lehrstreitigkeiten ihi- scheint zuge-
schrieben werden zu sollen. Ja einzelne Sätze, in dieser
Einzelheit festgehalten, unbefangen, ohne Eintragung erklärt,
sprechen die Anerkennung des Rechts der letzteren wirklich
aus, § 16, S. 129, § 24 namentlich S. 155—159.
m) Dieselben können aber nicht als Beweise dafür gel-
ten, dafe Augustin die Lehre von der Infallibilität vertrete^
weil anders lautende ganz unzweideutige Erklärungen den-
selben entgegenstehen, Bd. VIII, § 20. 21, S. 146. Sogar
der Apostel Petrus ist fallibel in Lehre und Leben ge-
wesen, Bd. Vin, § 25, S. 159.
Der Versuch einer Apologie des römischen Bischofs Zo-
simus zeigt bei richtiger Würdigung, dafs Augustin weder
der römischen Eai*che noch viel weniger dem römischen
Bischöfe Infallibilität zuei-teilt Ebd. § 22, S. 146, § 25,
S. 159.
n) Der Satz de baptismo lib. 11, cap. HI, § 4, in wel-
chem das emendari des früheren Konzils durch das spätei^
ausgesagt wird, mit den Prinzipien des Katholicismus nicht
vereinbar, ist von Augustin nicht mit Bewufstsein als ein
prinzipieller, allgemeiner ausgesprochen, sondern aus Oppor-
tunitjltsrücksichten zu erklären, Bd. VIII, § 28, S. 167,
g 30, S. 173; § 31, S. 176.
0) Die Idee der Infallibilität der Kirche gehört zu Au-
ßustiu's vulgär-katholischen, in seinem katholischen Glauben
wurxehulon Grundvoraussetzungen. Sie ist von ihm nirgends
unmittelbar, nii-gends ausdrücklich dargelegt, dogmatisch
ei'örtort \ S. 181. 183.
\A Schon darum, aber auch aus anderen Gründen konnte
or das HiHUlrfnia nicht haben, eine erschöpfende präcise
Doktrin über die Kopräsentation der (der Voraussetzung
nach) int'allibolou Kirche auseinanderzusetzen, § 32.
{\) Der Kpiskopat und die ri<mische sedes apostolica,
1) Woahrtlb uiohtV — darüber getlenke ich später (s. § 34 zu
Anfang") mich su üuf^oru.
AroDsmnscHE Studien, v. 187
sämtliche relativ koordinierte sedes apostolicae, das rcktive,
das absolute Plenarbonzil gelten als Repräsentationen der
(infallibelen) Kirche; aber keine dieser Gröfsen bildet, nicht
alle zusatamengenomnien bilden die (infallibele) Repräsen-
tation der (infallibelen) Kirche (g 33, S. 181). Diese htit
kein unbedingt sicheres, sie u n zweifelhaft reprSsentiereDdes
anstaltliches Organ, ebd. S. 181.
r) Die Begriffe traditio (conauetudo) und (catholica) veri-
tas, welche in Cjprians Lehre beziehungsweise neheneinander-
standen, sind auch von Äugiistin nicht mit Pt^tsion aus-
geglichen, ebd. § 33.
[Göttingen im Hai 1686.]
Das WOrttembei^isdie Konkordat von 1857.
Von
Dr. Bnnz.
I.
Herr Kanzler^ Staatsrat Dr. v. Rümelin hat in seinen
9, Reden und Aufsätzen '^ 1881 nach dem Ableben seines
einstigen Nachfolgers als Departementschef des Kultus^
Dr. V. Golther, einen ,, Aufsatz" veröffentlicht „Zur katho-
liscben Kirchenfrage". Hier stellt er eine Behauptung auf,
WfJoho von den Lesern wohl einfach als richtig hingenommen
wird, weil nicht leicht einer sich die Mühe einer eingehen-
den Voi'gloichung der Konvention und der Gesetze geben
wird» und es auch hier gilt, was Rümelin von seinen Mo-
tiven «ur Konventionsvorlage sagt: „Ich bin nicht einmal
»ichcr, ob mein mühsames Werk auch nur irgendein Mensch
durchgi^losen hat." Er selbst unterläfst es, „auf ein Detail
tnnnugohon, welches die Leser, die ich im Auge habe, er-
müden müfste."
Wenn Rümelin die Dreiteilung der Golther'schen Schrift
„Der Staat und die katholische Kirche im Königreich
Württtnnborg" bezeichnet als Hegersche Trilogie, so könnte
wohl (lolther nicht unschwer diese formelle Charakterisierung
iu uuitoriollor Hinsicht zurückgeben, indem in der ganzen
Ht^haniUung der Konkordatssaclie bis in die letzte Abhand-
l\iug horab oin Hauch Ilegerscher Philosophie zu verspüren
und (larauH numehcs zu erklären ist.
Dit^ Hehauptung Rümelin's, welche hier gemeint ist, geht
«lalün, dafa das württembergische Gesetz, „betreffend die Re-
BlINZ, DAS WCKTTEMBERGISCHE KONKORDAT. IBÜ
gelang des Verhältnisses der Statitegewalt zur katholischen
Kirche" von 1862 nichts anderes sei, als die Konvention
mit Rom von 1857 (ti. 207 u, a.}.
Die Richtigkeit dieser Behauptung kann bei Vergleiehung
von Konvention und Gesetz nicht besteben, was im Verlauf
naclizu weisen ist, ebenso wenig wie die Voraussetzung Rli-
mehn's, als ob die Konvention vor Konflikten mit Rom be-
wahrt bätte. Im Gegenteil wird nachgewiesen werden, wie
gerade die Konvention Konflikte in ihrem Schofse barg.
Kümelin behauptet, wenn man die Konvention im ein-
zelnen mit dem Gesetz vergleiche, so werde man finden,
„dafs sie sich in allen Hauptpunkten, Zug für Zug, Artikel zu
Artikel entsprechen" (S. 209), Ferner versichert er, die
Regierung habe, um den Inhalt zu retten, nur die Form
verändert (S. 208), das Gesetz sei nui- die Fortsetzung
der Konvention gewesen (S. 207). Wenn obige Behaup-
tungen wahr sind, warum wurde denn das Gesetz nicht
von den gleichen Abgeordneten angenommen, welche für
die Konvention stimmten? Die letztere wurde mit 63 ge-
gen 27 Stimmen abgelehnt, die Kircli enge setze mit 67 ge-
gen 13 Stimmen angenommen. Allerdings hat die Regie-
rung seibat in der von Golther unterzeichneten Erklärung
an Kardinal Staatssekretär AntoncUI vom 12. Januar 1861
unter anderem erklärt: „Was jedoch den Inhalt des neuen
Gesetzentwurfs betrifft, so ist es die Absicht der kgl. Regie-
rung, dafs die Regelung der einschlägigen VerbältniBse nach
Mafsgabe der in der i'rüheren Konvention enthaltenen Di-
rektiven herbeizuführen gesucht und dafs der materielle In-
halt der früheren Konvention der beabsichtigten neuen
Staatsgesetzgebung zugrunde gelegt werde", eine Erklärung,
auf die sich natürlich Rümelin besonders stützt (S. 208 f)
und die sich auch sehr eigentümlich ausnimmt Die Regie-
rung hat zwar hinzugesetzt, „unbeschadet der Rechte und
Interessen des Staats und der in demselben befindlichen
andern Konfessionen", allein diese Stelle für sich genommen,
rechtfertigt doch die Darstellung, als ob es der Regierung
nur darum zu thuu gewesen sei, die Form zu ändern, um
190 BUKZy
urteilen; die Regierung habe in ihrem Schreiben die Form
der Kurie gegenüber retten wollen, um den Inhalt der Be-
stimmungen ändern zu können. Denn das wird eben die
nachfolgende Vergleichung zeigen, dafs der Inhalt der frü-
heren Konvention den Qesetzen jedenfalls nicht insofern za-
grunde liegt, dafs derselbe materiell identisch wäre. Weim
obige Erklärung der Kurie g^enüber abgegeben wurde, so
konmit es sehr darauf an, was es heilst: der materielle In-
halt der Konvention soll der neuen Qesetzgebung zugrunde
gelegt werden. Wir werden sehen, dafs es nicht in dem
Sinn der Identität beider geschah.
7>
Württemberg * wurde bekanntlich erst 1803 ein pari-
tätischer Staat und die Religionsedikte von 1803 und 1806
bezogen sich zunächst nur auf die persönliche Gewissens-
freiheit und Gleichheit vor dem Gesetz. Zur Wahrung der
Souveränitätsrechte gegenüber der katholischen Kirche wurde
1806 der „geistliche Rat" eingesetzt, der 1816 den Namen
katholischer Kirchenrat" erhielt. Durch diesen wurde 1808
der Interkalarfond errichtet und die Pfarrkonkurs-Prüfungen
eingeführt. Eine Übereinkunft mit Rom scheiterte nach
ofiiziellem Grunde an dem Befehl Napoleons, dafs Baiem
imd Württemberg zusammen unter seinen Augen mit Rom
paktieren sollten. Die plötzliche Erklänmg des Kardinals
della Genga, die Verhandlungen abzubrechen, läfst aber
auch fiir die Deutung Raum, Rom sei die Übereinkunft
nicht zweckentsprechend erschienen. Hatte doch die latei-
1) Für die nachfolgende einleitende geschichtliche Übersicht ist
die hier zugruude gelegte Darstellung von Golther zu vergleichen
(Der Staat und die katholische Kirche im Königreich Württembergi
Stuttgart 1874, S. 29—159); für die ersten Konkordatsverhandlungen
Mejer, Zur Geschichte der römisch - deutschen Frage I (Rostock
1871), 259—280; II, 2 (1873), 165 ff. 215 ff.; als Quelle vergleiche z. B.
württembergisches Regierungsblatt; s. aufserdem Ho facker, Das
TTÜi'ttembergische Konkordat u. s. w.
DAS WÜRTTEMBERGISCHE KONKORDAT. 191
nisclie „Übersetzung" scIiod wesentliche Änderungen des
fraüzösischcn Textes vorgenommen. Dieser Latte überall
die Konvention aul' die „katholische" Kirche eingeschränkt.
Der Nuntius Uefa dies in dei' Übersetzung weg und suchte
überhaupt dem kanonischen Recht Geltung zu verschaffen.
Dies ist aber auch durch spätere unfruchtbare Verhandlungen
nicht geschehen. König Friedrich hat die Ordnung der
Verhältnisse der kathoHschen Kirche in seine Hand genom-
men und ist in josefinischem Geiste autokratisch zu Werk
gegangen, ohne aber die definitive Organisation zu erleben.
Doch hat ihm Pius VII. das Zeugnis ausgestellt: „Au-
gustiasimum Würtembergiae Kegem, qui in illam aubditonun
auorum partem valde propensus atque ita animo coniparatus
est, ut roedia Catholicis omnia subministrare studeat ad hoc,
ut tranquille et coramodius quam profitentur religionem
exercere valeant."
König Wilhelm setzle die Bemühungen um Ordnung der
katholisch kirchlichen Verhältnisse fort. Es ist aber für
unsern Zweck nicht erforderlich , die bekannten Erfolge in
Errichtung eines inländischen Bistums und Ileianbildung der
kathohschen Geistlichkeit histoiisch näher vorzuiühren. Wäh-
i-end Pius VII. im April 1817 den Wunach aussprach, „der
König werde durch einen Gesandten Unterhandlungen zu
einer Übereinkunft mit Rom anknüpfen", suchte sich dieser
zunächst mit anderen deutschen -Regierungen in Verbindung
zu setzen.
Das wai" sicher der richtige Weg, nachdem einmal der
Versuch, eine deutsche Nationalldrche zu errichten, auf dem
Wiener Kongrcaae gescheitert war. Noch auf der Frankfurter
Konferenz, die am 24. März 1818 eroiTnet wurde, ist frei-
lich von dem Ziel einer deutaclicn Nationalkirche geredet
worden; noch ward die Hoffnung featgebaltcn , dafs wenig-
stens die dort verb'etenen Regierungen zusammenstehen und
dasjenige vorkehren würden, „was die Würde der deutschen
Nation imd die Freiheit der deutsch-kathohschen Kirche er-
fordert, welche von den Regierungen der einzelnen Bundes-
staaten bei dem päpsthchen StuJile nach gleichen Grund-
aützea gciueinauui vertreten, diesem wieder als deutscKe ^&^
192 BUNZy
tionalkirche erscheinen wird'' K Wenn es auch zu der von
den verbündeten Regierungen beabsichtigten VereinbaruDg
mit Rom nicht kam^ so gab doch das Fondationsinstnunent
vom 14. Mai 1828 und die Verordnung vom 30. Januar
1830 für Württemberg den Grundsätzen [der Frankfurt
Deklaration Ausdruck und ordnete die kirchlichen Verhält-
nisse auf Gbnmd der dortigen Vereinbarungen als gemein-
schaftliche Sache der Regierungen. Im Fundationsinstrument,
wie auch in der Verordnung „sind die Eigenschaften, die
zur Wahl eines Bischofs oder Mitglieds des Domkapitels
notwendig sind", festgesetzt Es kann gewils nur eine
Forderung der Gerechtigkeit sein, wenn bestimmt wird, dafi
zum Bischof nur ein Deutscher von Geburt gewählt werden
könne, der wenigstens Büi^r des Staates ist, in welchem
sich der erledigte Bischofssitz befindet, und wenn es dann
weiter heifst: „Nebst den vorgeschriebenen kanonischen
Eigenschaften ist erforderlich, dafs derselbe entweder die
Seelsorge, ein akademisches Lehramt oder sonst eine öffent-
liche Stelle mit Verdienst und Auszeichnung verwaltet habe,
sowie auch der inländischen Staats- und Kü'chenverfiELSsung,
der Gesetze und Einrichtungen kundig sei." „Zu Dom-
kapitularstellen können nur Diözesangeistliche gelangen,
welche Priester, dreifsig Jahre alt und tadellosen Wandels
sind, vorzügliche theologische Kenntnisse besitzen, entweder
die Seelsorge oder ein akademisches Lehramt oder sonst
eine öffentliche Stelle mit Auszeichnung verwaltet haben,
und mit der Landesverfassung genau bekannt sind/* Die
VckTurduung von 1830 hat auch mit wenigen Ausnahmen
kinuo Einschränkung der verfassungsmäfsigen Autonomie der
Kiivho \i\ iniioivn Angelegenheiten enthalten *. Dafs Diözesan-
nymnion nur mit Genehmigung des Landesherm zusammen-
btunitVni und im Beisein landesherrlicher Kommissarien ge-
haltou weniou köimen (§ 18), ebenso Provinzialsynoden,
1) Kri>ft\iuugHrtHlo doa Vorsitzenden, württembergischen Ministers
.von Wmi^nihoim. Uolther, S. 51.
2) Mmi vt^rgloioht) dan viell<^icht vorsichtiger gefafste UrteU G Gi-
lberts, a U5-UKK Anm, der Bedaktian,
ÜAS WÜBTTEMBEROISCHE KONKORDAT. 193
(§ 9) ist wohl ZU weitgebend, ebenso wenn zu allen kirch-
lichen Verordnungen ausdrückllcb die ätaatsbewilligung ver-
langt wird (§ 4).
Das in § 4 und 5 festgestellte landesherrliclie Placet
wallte subcin 183U der ständische AusBcbufs als zu weit
ausgedehnt beanstanden. In der That Würde § 5 ' eine
ungerechtfertigte Beschränkung der kirclilichen Autonomie
enthalten, wenn er so zu verstehen wäre, als ob in jedem
einzelnen Fall die Erlaubnis eingeholt wei*den müfste, wenn
irgendeine päpstliche Verordnung angewendet werden wollte,
als ob dem Staat das Hecht beigelegt wäre, durch eigene
Verordnungen Kirchensatzuugen selbst in G taube nssachen
aufzuheben. Allein schon 1830 und iti'i'i erklärte der
königliche Geheimrat, dafs es sich nur uin Genehmigung
früherer päpstÜcher Verordnungen handle , welche bisher
nicht im Gebrauch waren, und ebenso, dafs sich das Recht
der Staatsgewalt, bisher schon geduldete oder ibrmlich ge-
nehmigte kirchliche Verordnungen aufzuheben, keineswegs
auf Glaubenslehren und wesentliche Rehgiona handln ii gen be-
ziehe, sondern nur auf solche, die mit dem tilaatszwecke in
Widerspruch stehen. Darin, dafs kein tridentinisches Ijeminaj-,
sondern katholisch theologische Lehranstalten und Fakul-
täten der Landesuni versität in Aussicht gestellt shid (§ 2ö)
und die Prüflingen von den Staats- und bischoflichen Be-
hörden gemeinschaftlich vorgenommen werden sollen (§ 27.
29), kann man unbefangen keinen KingrifT in die Autonomie,
wohl aber in die Autoki'atie der Kirche erbhcken. Der
Staat raufs jedenfalls eine Garantie für die Erziehung und
Ausbildung der Kleriker haben, und wenn er nun so viel
I) „Alle römischen H «Heu, Brevcn und sonstigen ErlaBse müsBen,
ehe sie kund gemacht und in Anwendung gebracht wei-den, die laiides-
berrliche Geuehmigong erhalten, und seibat für augenominüne Bullen
dauert ihre verbindende Kraft und ihre üültigke a laug als
nicht im Stiate durch neue Verordnungen etwns aud g fuhrt
wird. Die Staatsgeiiehmiguiig ist aber nicht nur für all rb h
den päpstlichen Bullen und Konatitutiuneii erford 11 d m au h
für alle früheren päpstlichen Anordnungen, sobald du n P b üb
gemacht werden will."
194 BÜNZy
Eintracht voraussetast; dals Staatsbehörde und Bischof mit
einander zu dem einen Ziel tüchtig gebildeter Örtlicher
sich vereinigen können^ so liegt der Fehler nicht am Staat
Auch die Mitaufsicht des Staats über die Kirchenpfründen
und einzelne kirchliche Fonds ist gewifs nur heilsam^ wenn
ausdrücklich bestimmt ist; dals sie dazu dienen muls, dals
diese in ihrer Vollständigkeit erhalten und auf keine Weise
zu andern als katholisch kirchlichen Zwecken verwendet
werden können (§ 38).
Dagegen sagt die Verordnung: ;,Der Staat gewährt dem
Geistlichen jede zur Erfüllung ihrer Berufsgeschäfte erforder-
liche gesetzliche Unterstützung und schützt sie in dem Ge-
nuTs der ihrer Amtswürde gebührenden Achtung und Aus-
zeicnnung^' (§ 35). Überhaupt ist von einem feindseligen
oder nur mifsgünstigen Sinne g^en die katholische Kirche
so wenig die RedC; dals gerade die Thaten, vor allem der
württembergischen Regierung; von unverhohlenem Wohlwollen
und Fürsorge für die katholische Kirche sprechen. Wir
rechnen dahin ^ namentlich auch die unablässige Bemühung
zur Ordnung der äufseren Angelegenheiten ^ besonders des
Bistums im Einverständnis mit der Kurie ; die reichliche
Dotation der Kirche, die Uberale Fürsorge fiir alle ihre Be-
dürfnisse; besonders aber die umfassenden Einrichtungen für
Heranbildung der Kleriker, welche nur mit erheblichen
Opfern aus Staatsmitteln bewerksteUigt werden konnten;
Einrichtungen; welche Bischof Keller 1839 selbst als „herr-
liche Institutionen" bezeichnete. Wenn also noch Wünsche
in der oben bezeichneten Richtung übrig geblieben; so hätten
die Regierungen nicht blofs kraft der von der Kirche heilig
zu haltenden göttlich auferlegten Pflicht des Gehorsams und
der Ehrerbietung gegen die Obrigkeit, sondern auch auf
Grund ihres eigenen Entgegenkommens mit allem Recht
erwarten können, dals die Bischöfe diese Wünsche in einer
passenden Form angebracht hätten.
Zu den oben bezeichneten hatten etwa noch konmien
können die Verleihung der Pfründen, welche von König
1) Vgl. Golther, S. 95.
DAS Wt'RTTEMBERGISCHE KONKORDAT. 195
Friedrich als landesheiTlicheB Patronat in Anspruch genom-
nien wurde, eine etwas gröfeere Ausdehnung der bischöf-
lichen Disziplinargewalt, welche übrigens 184i von König
"Wilhelm bereitwillig gewährt wurde, eine entsprechendere
Featstellung des Ehereclits, welches in den ehemals vorder-
Saterreichischcn Landesteilen die Ehesachen ausschlief sl ich
den bürgerlichen Gerichten unterwarf, und nach welchem
überhaupt der katholische Pfarrer gezwungen war, ein Ehe-
paar zu trauen, auch wenn es nicht katholische Einder-
erziehung vereprach.
Auch ein gröfserer Einflufs des Bischofs auf die Heran-
bildung der Theolügen hätte hillige Wünsche noch nicht
überschritten. Allein dem römischen Standpunkt war und
bt es um die Herrschaft des kanunischen Rechts d. h. um
die Herrschaft de« Papsttums über Staat und
Kirche samt Ketzern zu thun. Diese aber zu er-
langen, ist nicht ohne Kampf möglich, und so wurde zuerst
innerhalb des Klerus jene echt religiöse, nationale Richtung
unterdrückt, wie in Deutschland das traurige Schicksal des
edlen Wessenberg bezeugt. Dann ging es gegen den Staat.
Die verbündeten Regierungen der oherrheiuisclien Kirchen-
provinz hatten in der Bulle „Ad dominici gregis custodiam"
ausdrücklich die Weglassung der Art. 5 und 6 verlangt
nnd, als dies nicht geschah, förmlich gegen dieselben prote-
stiert und erklärt, dafs sie diese Artikel niemals anerkennen
werden. Auch wurde diese Bulle mit der verwandten „Pro-
■rida Bolersque" im „Regierungsblatt" veröffentlicht mit der
bestimmten Erkläning, dafs sie angenommen worden seien,
„insoweit solche die Bildung der oberrheinischen Kirchen-
provinz" u. B. w. (überhaupt die aufserc Organisation) „zum
Gegenstand haben", „ohne dafs Jedoch aus denselben auf
irgendeine Weise etwas abgeleitet werden könnte, was un-
seren Hoheitsrechten schaden oder ihnen Eintrag tbun möchte,
oder den Landesgesetzen und Regierungsverordnungen, den
erzbischöflichen und bischöflichen Rechten, oder den Rechten
der evangelischen Konfession und Kirche entgegen wäre"'.
11 Golther. S. 86f.
196 ᚁZy
Art 5 verlangt nämlich bischöfliche Seminarien ad formam
Decretomm Sacri Concilii Tridentini und Art 6, dafs die
Bischöfe pleno jure Episcopalem Jurisdictionen! exercebimt,
quae juxta Canones nunc vigentes et nraesentem Ecclesiae
disciplinam eisdem competit.
Unter Gregor XVI. begann wieder die unbedingte Herr-
schaft der Jesuiten. Derselbe wollte gegen Deutschland
überhaupt vorgehen. Er begann in Hannover^ wo er ab-
gewiesen wurde, und in Preulsen, wo sich der Streit fort-
spann bis in den Regierungswechsel hinein. Gleicherweise
erklärte Gregor XVI. in einer Note an die oberrheinischen
R^erungen vom 5. Oktober 1833 , dals dieselben die mit
Ron^ eingegangenen Stipulationen verletzt haben, und pro-
testiert gegen alle nach der genannten Bulle erlassenen
landesherrlichen Verordnungen. PreuTsen hatte 1838 durch
seinen Bundestagsgesandten die übiigen protestantischen
Staaten zu Konfei*enzen aufgefordert, um über die Mittel
zur Abwehr gegen Rom zu beraten, aber vergebens. Dies
war der Kurie vollständig bekannt. König Wilhelm hatte
auf seiner itaUenischen Reise mit Rom zugunsten Preulsens
verhandeln wollen, aber auch der östeiTeichische Gesandte
stand aufseiten der Kurie. Damals fiel wieder eine jener
Aufsenmgen, welche die Geringschätzung und Feindseligkeit
der mafsgebenden römischen Kreise gegen die Deutschen
überhaupt schon so verschiedene Male dokumentierten, indem
der Kapuzinergeneral sagte: „Die Deutschen sind zwar
gründlich, aber aus dem Grund verderbt" Nun wurde
vorwärts gedrängt, offen durch ein Schreiben des Papstes
vom 29. November 1839, worin er die Bischöfe ermahnt,
auf die Beseitigung der Verordnuugen hinzuwirken, unter
der Hand durch ein gewaltiges Treiben, von dem auch der
sanftmütige, friedliebende, im josefinischen Geiste gebildete
Bischof Keller von Rottenburg fortgerissen wurde. Noch
1839 hatte er in der Kammer sich in der mildesten Form
über die Verordnung von 1830 ausgesprochen. Er bekennt
sich zuerst durchdrungen von daakbaren Gefühlen gegen
„die herrlichen Institutionen, die wir durch die hochsinnige
Intention des Protektors unserer Kirche geschaffen sehen".
DAS WfRTTEMREllGlSCriE KONKOKDAT. 197
Er wagte von der Verordnung von 1830 nur scliüchtem zu
sagen, dafs sie „allei-dings nicht olmc Gel'ahr einer Verletzung
der Autonomie der Kirche zu sein scheint".
In den Gnesen -Posen 'sehen Streit und die Kölner Wirren
in Preufson, wo der Staat sich endlich angeschickt hatte,
energisch vorzugehen, aber bereits in der Kabinetts ordre vom
28. Januar 1838 wiederum zurückgewichen war, fipl der
Thronwecliael von 1840. Unter dem wohlmeinenden, ro-
mantiBchcn König Friedrich Wilhelm IV. ergab sich der
Staat halb unbewulat der konsequent vorwärtsgehenden
Kurie.
In Württemberg schien der greise Bischof Keller der
Kurie nicht geeignet. Er wurde im Oktober 1841 nach
Mimchen zum Nuntius berufen, der ihn zum freiwilligen
Rücktritt aufforderte, aber vergebens. Er scheint sich eher
bereit gezeigt zu haben, seiner Natur imd seiner Vergangen-
heit zuwider vorgehen zu wollen. So trat er in der Kammer
der Abgeordneten am 8. November 1841 plötzlich mit einer
Motion hervor: „Seine K. M. zu bitten, (üv die Aufrecht-
erhaJtung der durch die württembergische Verfassungs Urkunde
zugesicherten Autonomie der katholischen Kirche die geeig-
neten Mafaregeln — zur Erhaltung des Kirchen-
friedens (!) — treffen zu wollen." Er fafst seine For-
derungen in Besc h werde p un kte , welche wegen ihrer nega-
tiven Form nicht klar darlegen, was verlangt wird, und ao
mehr einer Klage über Verfolgung, als einem Wunsch nach
Vei-ständigung nahe kommen. Die Kirche, indem sie
sich anschickt, den Kampf heraufzubeschwören,
stellt sich als dieschon bekämpfte, als die ver-
folgte dar. Die BtaatsrechtUche Kommission der Kammer
wies den Bischof darauf hin, begründete Anträge an
die Regierung zu bringen, welche denselben die
gehiirige Berücksichtigung zuteil werden lassen
werde. Statt diesem Rat zu folgen, trat der Bischof mit
einem Nachtrag auf, welcher im heftigsten und bittersten
Ton gehalten war '.
1) Golther, S. 107.
198 BUNZy
So war also der Eörchenäieden gestört Es war offen-
bar von kirchlicher Seite der Weg des Kampfes gewählt,
und nicht der friedlicher Verständigung^ wie ihn sowohl der
vorgenannte Antrag der staatsrechtlichen Konunission, als
der des Domkapitulars Jaumann 1842 angab: ^^Die Kam-
mer möge zu Protokoll aussprechen ^ sie sei des vollen Zu-
trauens zu der Staatsregierung^ dieselbe werde, wenn die
vorliegende Angelegenheit durch das bischöfliche
Ordinariat an sie gebracht werde, dieser ihre ganze
Aufinerksamkeit schenken und Mifsstände, wie und soweit
sich solche ergeben sollten, beseitigen/' Die Kanmier nahm
diesen Antrag mit 80 gegen 6 Stimmen an. Domkapitolar
Jauipann bedauerte den vom Bischof eingeschlagenen
Weg; wie er selbst in der Sitzung vom 15. März 1842
sagte. Er fUgte hinzu, dals die Kirche oft in den Ejreis
des Staates übergegriffen habe, und wohl ebenso oft auch
der Staat in die Sphäre der Kirche. Jaumann stimmte
ebenso gegen die Motion des Bischofs in Sachen der ge-
mischten Ehen, wo, wie oben bemerkt, nach dem Religions-
edikte von 1806 der katholische Priester zur Einsegnung
auch bei nicht katholischer Kindererziehung gezwungen
werden konnte *. Ebenso stimmte er gegen die Motion, weil
sie sich gegen das Religionsedikt überhaupt richtete. Ira
Verlauf der Debatte fiel nun in ausgesprochener Renitenz
gegen § 47 der auch vom Bischof beschworenen Verfassung,
welche ebenfalls unter die „lierrlichen Institutionen" ge-
hörte, gegen die „von dankbaren Gefühlen durchdrungen"
zu sein derselbe Bischof noch 1833 erklärte, es fiel zum
erstenmal das Wort, mit dem die römische Kirchengewalt
immer den Kampf eröffnet: Man rauTs Gott mehr ge-
horchen als den Menschen! üie Kurie wollte den
Kampf!
Wiederholt wurde dem Bischof vom Ministertische aus
und von einzelnen Rednern vorgerückt, dafs der erste Fehde-
1) Diese Vorschrift wurdo übrigens von deu Geistlichen bis 1830
ohne Austand eingehalten und vom Biscliof anerkannt (s. Golther,
S. HO).
f
DAS WiJRTTEMBERGlSClIE KONKORDAT. 1 99
brief, der Nacbtrag zu seiner Motion, nicht von ihm, son-
dern „das Ergebnis verschiedener Federn" sei, „einiger
kampl- und streitlustiger, ohne Zweifel iioc)i junger Au-
toren " (wie Minister Schlayer sich ausdrückte). Der Bischof
vermochte nicht zu widersprechen und brach, vollständig in
die Enge getrieben, endlich in die verzweifelten Worte aus:
„Ich erkläre nur das, dafa aus meinem Gemüt nichts kom-
men kann, was die Liebe, die ich als Diener der Religion
in meinem Herzen trage, verletzen kömite. Aber wenn die
Holle sich ziisaramengemacht und gegen mich verschworen
hätte, so wurde sie keine so bösartige Frage ausgeboren
haben wie die an mich gerichtete."
König Wilhelm achlug 1843 ein energisches Zusammen-
gehen der Regierungen, ja die ^Viederherstellung des Corpus
Evangelicorum mit Preufsen an der Spitze vor. Im Jahr
1845 formulierte er seine Vorschläge näher. Aus den Ver-
ÜQBstaaten sollen alle Orden und Vereine ausgeschlosBen
werden, welche dem Protestantismus feindlich sind, der
Elems soll sorgfältig überwacht, ein abgesetzter Greiatlicher von
einem andern Staat auch nicht als Lehrer angestellt werden.
Die Bistümer seien nur mit konfessionell verträglichen Män-
nern zu besetzen, bei den Geistlichen müfate die nationale
Gesinnung betont, das Recht der Bischöfe dem Papst
gegenüber staatlich gewahrt werden. Eine Vei^
unsgesandtschaft in Rom sei einzurichten.
Als nun die Ereignisse von 1848 eintraten, die Regie-
rungen schwankten, haltlos und zum Teil schwach waren,
stärkte dies die Ansprüche der römischen Kurie, welche
Kch schon auf den Kriegspfad begeben hatte. Die Tren-
nung von Kirche und Staat, welche ja damals auch in den
Glrundrechten durchgeftilirt wurde, ist der römischen Hier-
archie ebenso forderlich, als dem Volksleben schädlich.
Wenn auch diese Trennung nicht in die Gesetzgebung der
Eiozelstaaten überging, so nahm sie doch die Biachofsversanmi-
Inng in Wurzburg vom 22. Oktober 1848 de facto in An-
spruch. Sie forderte „die vollste Freiheit und Selbständig-
keit". Die Bischöfe wollten jetzt bei ihrer günstig scheinen-
der Lage nicht einmal mehr eine Vereinbarung. Auch ein
900 BüKZy
Konkordat kann Rom noch zu wenig sein. Sie forderten
einfach und zwar gänzliche Lossagung von aller Aufsicht
des Staats auf dem Gebiet der Disziplin und der Erziehung.
Demgemäfs gingen die Bischöfe der oberrheinischen
Eirchenprovinz vor in ihrer Denkschrift vom März 1851.
Es ist wieder der Elrieg, wenn die Verordnung von 1830
als ein System der Unterdrückung der Kirche und der Ver-
letzung der wesentlichsten Rechte derselben erklärt wird ^
Die Denkschrift denkt wieder nicht an eine friedliche Ver-
einbarung. Sie verlangt einfach die freie Besetzung aller
Kirchenämter ^ die unbeschränkte Errichtung von Erlöstem
imd geistlichen Vereinen, gänzliche Aufhebimg des landes-
hei^lichen Placet, sowie jeder Aufsicht des Staats über die
Disziplinargewalt ohne jeglichen Rekurs.
Jeder Versuch, den recursus ab abusu zu gebrauchen,
wird als „Auflehnung gegen die gesetzlich normierte Au-
torität der Kirche '^ bezeichnet, „ein Unterfangen, welches
der heilige Stuhl mit excommunicatio latae sententiae belegt
hat'^ Dagegen wird der Beistand des weltlichen Armes
bei Ausübung der Disziplinargewalt mit einer naiven Drei-
stigkeit gefordert, als wäre der Staat nur einfach der Diener
der Kirche.
Femer beansprucht die Denkschritt die vollständige Er-
ziehung des Klerus in tridentinischen Seminarien, also ganz
unter kirchlicher Leitung, samt dem Examen ohne Staats-
kontrolle und ohne das Recht des Staats, unwürdige und
untaugliche Kandidaten au&zuscliliersen , sowie die Abschaf-
fung des landesherrlichen Tischtitels. Nicht minder soll
nicht blofs der religiöse Unterricht unbeschränkt von der
Kirche in den sonstigen Schulen geleitet, sondern auch der
profane überwacht und kontrolliert werden. Endlich ver-
langen die Bischöfe freie Verwaltung des kirchlichen Ver-
mögens, auch der Lokaltbnds, welche sie für die ganze
Kirche beanspruchen.
Dafö die Wahlen des Bischofs, der Domdekane und
Domkapitulare nur nach den päpstlichen Bullen vorgenom-
1) Vgl. Golther, S. 135.
DAS WÖETTEBIBEHeiSCHE KONKORDAT. 20l
raen werden dürfen und der Bischof vollatändige Freiheit
inbetreff der Wahl der Generalvikare und ihrer Oi-dinariate
[ haben soll, versteht sich von selbst.
' So stellte sich der Episkopat als kriegfiihrende Pftrtei
auf. Noch vereinigten sich die Regierungen zur Abwehr,
wenigstens gelang es, die der oberrheinischen Kirch enprovine
noch zusammenzubringen in Karlsruhe, mit Ausnahme Preufsens
(ür Hohenzollem. Die Regierungen stellten sich im Prinzip
den Bischöfen entgegen, gaben aber in der Wirklichkeit
nach, freilich in einigen Punkten, in welchen die Beaufsich-
tigung des Staats wohl nachgelassen werden konnte, allein
faktisch hatten die Bischiite eben doch Boden gewonnen.
Zudem regellen die Regierungen das Vei-hältnis nicht auf
dem Wege der Gesetzgebung, um eine dauernde Rechtsbasia
zu schaffen, sondern auf dem der Verordnung (vom 1. März
1853), so dafs auch noch weitere Konzessionen erwartet
werden konnten.
Inbetreff des Piacet wurde die Genehmigung des Staats
beschrankt auf solche Anordnungen, welche zu etwas ver-
pflichten, was nicht ganz in dem eigentümlichen Wirkungs-
kreis der Kirche liege. Alle andern Erlasse seien der Staats-
behörde gleichzeitig mit der Verkündigung zur Einsicht mit-
zuteilen. Die besondere Beschränkung der päpstlichen Bullen
wurde autgehoben und dieselben nur als vom Bischol ver-
kündigt den obgenannten Beatimmungen unterworfen. Ebenso
sollte zu den Provinzialsynoden nicht mehr durchaus die
Genehmigung der vereinten Staaten nötig sein, sondern nur
eine Anzeige dei-selben, wenn Dinge zui' Sprache gebracht
werden sollten, welche des Piacet bedürfen. Eine ähnliche
Bestimmung galt den Diiicesansynoden. Der Verkehr mit
dem Kirchenoberhaupt wurde freigegeben. Auch für die
Prüfung der ins Prieaterseminar aufzunehmenden Kandidaten
wurde bestimmt, dafs nur ein landesherrlicher Kommissär
denselben beizuwohnen habe, dem das Recht der Einsprache
zustehe.
Diese ZugcBtündnissc stärkten nur den Kampfeseifer der
BiBcböfe. Es ertblgto am 12. April 1853 ein Protest wieder
mit der Erieffsdevise : Man roufa Grott mehr eehort^Vi^ii a^
;r2Ä
J^i "^»1 ( ** '_u
Dk It-
Dm & V
det luEoigs der kriegerisckem Haltmng der
Bisek^fe gegenüber aofdcB einzig ricktigen Sund-
pvnkt Ererk&MeyderKon^kabeBntBefraBdeBftBBdeBöbcr-
gebeoeo Aktenstfidcen endKD, dafr der BhdMf, obsckon
Zeuge der ttoermfideteii BemakmngeB Sl IL, dis
Wohl der katholischen Kirche und ihre unge-
hemmte Wirksamkeit zu fördern, et habe aber sich
gewinnen können, einem sedchen Schritt sauer KoD^en sich
anzuschlieljen. S. IL der Konig wisse eine Ankündignng
der Xichtachtnng der Staatsgesetze, wie sie jene fjngabe
un verhüllt an den Tag lege, mit der am Schluls bdgefüg-
ten Versicherung unerschütterlicher Standhaftigkeit in der
schuldigen Unterthanentreue nicht in Einklang zu bringen.
Jedenfalls aber flühle sich der König gedrungen, hierauf un-
umwunden zu erklären, dafs wenn von iigendwem der Ver-
such gemacht werden wollte, Grundsätzen thatsäch-
lieh Folge zu geben, welche mit den vom Bischof
beschworenen Staatsgesetzen und der Landes-
verfassung im schneidendsten Widerspruch ste-
hen, der König von der Ihm von Gott ver-
liehenen Gewalt den Gebrauch machen werde,
welchen die Erfüllung der Regentenpflichten
erheische.
Diese Erklärung des Königs wurde vom Bischof gar
nicht beachtet. Er schlofs sich vielmehr der am 18. Juni
1863 eingereichten Denkschrift der oberrheinischen Bischöle
an, wolcho im Kampfe wieder einen Schritt weiter ging.
DAS WÜHTTEMBEROISCHE KONKORDAT. 303
V Sie erklärten die Un^tigkeit aller staatlichen Normen und
Gesetze gegenüber der Kirche und stellten ein thateäehlichea
Vorgehen auf Gnind dieser Autüassung in Aussicht. Sie
verlangten einfach die Gültigkeit des kanonischen Rechts.
Dabei beriefen sie sich auf den westfltlischen Frieden und
den Rejchsdcputationshauptachlufs von 1803. Abgesehen
davon, dafs diese Staats vertrage sich mit den hier in Frage
kommenden Konflikten gar nicht bescliäftigen, hat ja gerade
die Kurie dieselben niemals anerkannt. Dennoch beruft
man sich darauf.
Femer beriefen sich die Bischöfe auf diejenigen Artikel
(5 und 6) der Bulle Ad Dominici Gregis custodiam, welche
ausdrücklich von den vereinigten Regierungen 1826 und
1827 nicht anerkannt wurden.
Diese Denkschrift beantworteten die Regierungen nicht
Bekannt ist das nunmehrige Vorgehen des badischen Erz-
bischofs. Auch der Bischof von Rottenburg, von Lipp, eine
mildere Persönlichkeit, trat in den thatsäch liehen Kampf
ein: in einem Erlafs vom 26. Juli 1853 verbot er jede Be-
teiligung der Staatsbehörde an den PfaiTkonkurs-Prüfungen.
Den Mitgliedern des katholischen Kirchenrats drohte er fiir
den Fall der Mitwirkung bei einer staatlichen Prüfung mit
kirchlichen Zensuren, desgleichen den Kandidaten der Theo-
logie fiir den Fall der Abtegung der Staatsprüfung. Die
Regierung erhielt von dieser Verfügung nicht einmal amt-
liche Kenntnis. Ihre Autwort bestand in der sofortigen
Einleitung zu einer staatlichen Dienstprüfung und in der
Eröffiiung an die Kandidaten, dafs diejenigen, welche eine
Prüfung unter staatlicher Beteiligung nicht bestanden haben,
weder tlir Kirchenstellen im königlichen Patronat vorge-
sc-lilagen, noch auf solchen des Privatpatronata bestätigt werden
würden '. Zugleich aber nahm sie gegonüber der Anmafsung
des Bischofs Stellung mit der Erklärung: .., Die königliche
Regierung darf nicht geschehen lassen, dafs die Kandidaten
für Kirchenämter, wenn sie sich den Anordnungen unter-
werfen, welche der Staat an sie zu machen sich für berech-
304 BÜKZ,
tigt erachtet, von der kirchlichen Gewalt gestraft, und daf?
königliche Diener für den Fall der Erfüllung beschworener
Dienstpflichten, welchen sie sich, ohne ihr DienstveiMltms
aufzugeben, nicht entziehen können, mit kirchlichen Zen-
suren belegt werden; sie darf, wenn sie nicht sich selbst
preisgeben will, nicht dulden, dafs königliche Diener
Übergrifien der geistlichen Gewalt wie die angedrohten
ausgesetzt seien und dafs der bischöfliche Stuhl sich
zum entscheidenden Richter über staatliche Ge-
rechtsame aufwerfe" ^
1) Wir haben Yon der Ver&ssiingsurkunde vom 25. September
1819 bisher keine Notiz genommen (Golther, S. 57 ff.). Einmal
wäre der ganze Streit ebenso verlaufen auch ohne dieselbe. Das
YerhSltnis Ton Staat und Rircbe bewegt sieb ja yon An&ng sn
nicht auf dem Boden der Einzelstaaten, sondern der yereinigteD
Staaten. Dann aber sind die Tagen Bestimmungen der Yerfusmig
derart, dafs sich jede Partei darauf berufen konnte und berufen
bat, obwohl alle zusammengenommen und die Rechtsanschauung der
Zeit in Betracht gezogen, leicht zu erkennen ist, dafs dieselbe nicht
im Sinn der Kurie verstanden werden kann. Auf der einen Seite
stehen § 71. „Die Anordnungen inbetreff der inneren kirchlichpn
Angelegenheiten bleiben der TerfassungsmäTsigen Autonomie einer
jeden Kirche überlassen.*' (Was sind innere Angelegenheiten und
Autonomie nach kanonischem Recht? Es sind dies alle Angelegen-
heiten, welche die Kirchengewalt in ihren Bereich zu ziehen für gut
findet, und Autonomie ist unbeschrankte Herrschaft der Kirche über
jede« Ton ihr beanspruchte Gebiet) § 78. „Die Leitung der inneren
Angt'lcgt'uK^^ten der katholischen Kirche steht dem Landesbischof
wl»t \Unu IX^ukapitt*! «u. Derselbe wird in dieser Hinsicht mit dem
Ka^mM «iIW \l^^j^ui^u Rechte ausüben, welche nach den Grund-
itÄlt<*w si^t kj*thoUsehen Kirchenrechts mit seiner Würde
wf>iii>^U*s^^ \<?fbuuvien sind."
Vnt sk* >^kHk^*'M Seitt? »teht § 72. „Dem König gebührt das
^KK^^ssKvN*ilw,vhv^ ^>hat4 und Auf sieht* recht über die Kirchen.
V v^ukv^^^ sK^v**^^'u köuacu diki Yeivixljiitügi?u der Kirchengewalt ohne
\vw^Au^*^v^ ^i\u,\Kiht «Jui Uouvhuiiguu^ des Staatsoberhauptes weder
Wj^^uuvKv^ uv^K wvlUvv^oa wor^ieu " § 79. ».Die in der Staatsgewalt
^n^iiiHuM,^ KvvKk^ a^cr dio katholische Kirche werden von dem
Kv^^^^ vtuivli v^^o )^Uj« ki^tb<4ivHcWu Mitgliedern bestehende Behörde
^svi^vvtU^ vkvivW i^^^^ibk b<ji lW<*eUuu^ ^>i:^tUcher Amter, die Ton dem
Kvvui^iv ikW^Äu^^, jMvUmumü uiw ih*v Wr^chlä^ Temommen wird."
'^vu wvuVmv** .\\uK;gVLu^ dvÄ 5^MCiA v;^ Yt?rt!ad»uBg dient auch § 47,
UAS WÜRTTEMBEKOISCIIE KONKORDAT. 206
So Btauden der Episkopat und der Staat einander kriegs-
bereit gegenüber. Der Staat war gewifs in seinem vollen
fiechte, wenn er die Anmaläimgen der Bischöfe oder, da er
ja nur mit dem von Uottenburg unterhandeln wollte, dea
JBiflchoi's zurückwies. Statt dafs man nun etwa den Aus-
i bruch des Eamplea hätte erwarten sollen, steht auf einmal
vier Jahre nachher am 22. Juni 1B67 die Konvention
fertig da, in welcher der Staat auf der ganzen Linie zum
£ilckzug blasen läfat und die Kirchengewalt die Fusition
gewonuen hat, welche sie vor allem einnehmen wollte, um
von ihr aus ilye „liechte", d. h. die Geltung des ka-
nonischen Rechts durchsetzen zu können, üiese Schwen-
kung erscheint überraschend: es können weder Staats- noch
kircbenrechtliche Gründe den Ausschlag gegeben haben,
sondern mehr persönbche, psychologische, intimere, welche
der äufseren Wahrnehmung nicht so zugänglich sind. Kü-
meliu deutet dies an, wenn er S. '255 sagt: „Eönig Wilbebn
hatte an der katboÜachen Kirchen trage eitrigen und persön-
lichen Anteil geuoraraeu; der Konflikt mit dem persönlich
Lochst achtungs werten , wohlgesinnten und friedliebenden
Bischof, die Sistierung der Besetzung der geistlichen Amter
und der theologischen Prüfungen waren ihm in hohem Grade
unangenehm. Er sprach sich gegen mich und andere
wiederholt in der Weise aus: sein Hauptgesichtspunkt in
der Sache sei der Wunsch, dafs seine neuwiirttembergischen
und katholischen Untertbanen die gleiclie Anhänglichkeit an
das Land und an seine Dynastie gewinnen, wie die Alt-
württemherger und Protestanten j sie sollen ihre Blicke und
Sympathieen nicht nach Österreich kehren, dem sie früher
angehörten, oder enge verbunden waren. Dazu sei vor
allem nötig, data sie in ihren kirchlichen Verhältnissen keinen
Grund zur Beschwerde tindeii, sich nicht als durch prote-
stantische Anschauungen majorisiert fühlen. Man solle sie
in diesen Dingen möglichst zufrieden stellen. Mit den
durch welchen die katholischen Geistlichen iu diazipliaarer Beziebnng
den übrigen StaatBilieneni gleicbgeatellt aiuii, deren Entlassung oder
Versetnuig durcli den König verfügt werden kann.
306 BÜNZ,
Spezialfragen war er nicht näher vertraut Aul
das allgemeine landeaherrliche Patronat zu verzichten, falle
ihm nicht schwer; ob er hundert Pfarreien mehr oder we-
niger zu besetzen habe, lasse ihn wer er sei."
Aus dieser Eathullung dürfte viel zu erklären sein.
Wenn Bischof Lipp ein „wohlgesinnter und friedliebender
Mann" war, wem hätten da nicht umsomehr die Augen
darüber aufgehen sollen, dafs ea sich hier um die geflissent-
liche Herbeiführung eines Streites zur Unterjochung des
Staates unter die römischen Ansprüche handle, wenn gerade
dieser Bischof auf so brüske Weise an einem Punkte be-
ginnt, den der Staat jederzeit in seinem vollen Rechte fest-
halten raufs, wo auch der Kirche nicht der geringste Scha-
den zugefügt werden kann, nur ihre Allgewalt beschränkt
wird, bei der Prüfung der künftigen GeiBtlichen. Nach der
Verordnung von 1853 ordnete der Bischof die Prüfung zur
Aufnahme ins Priesterseminar an, die Aufnahme geschah
durch die bischöfliche Behörde, Dieser Prüfung wohnt nur
ein landesherrlicher Kommissär bei, „welcher sich die Über-
zeugung zu verschaffen hat, dafs die Kandidaten den Qe-
setzen und Vorschriften des Staats Genüge geleistet haben,
und nach Betragen und Kenntnissen der Aufnahme würdig
sind". Es waren beim König Wilbelm gemütliche Bedürf-
nisse und falsche politische Erwägungen. Data die katlio-
Uachen Württeraberger ihre Blicke und Sympathieon noch 1857
nach (Österreich kehren, kann ihm nur vorgeredet worden sein.
Die katholische Bevölkerung stand dem ganzen Streit fem
und war eher von „jenen dankbaren Getuhlen für die lierr-
hchcn Institutionen durchdrungen " , sie stand der Sache
noch bei Aufhebung des Konkordats und der Gesetzgebung
von 1862 so fem, dafs selbst ein katholischer Beamter aufs
höchste erstaunt war, als ihn der Verfasser versicherte, dafs
er schon mehr als zwölf Jahre lang unter den nahezu glei-
chen Gesetzen schmachte, wie er sie in Preufsen als Ver-
folgung nachbetete,
Üaterreichiache Sympathieeu waren geschwunden durch
den Unterschied des wirtschaftlichen und politischen Zu-
standes beider Länder, der zugunsten Württembergs sprach.
DAS WÜRTTEMBERGISCHE KONKORDAT. 207
kirchenpoIitiBche Gesetzgebung in jenen Teilen war
leJiniscb, nicht kanonisch, wie wir namentlicli inbetreflF
s Eherechts sehen werden. Allerdings ist nicht abzusehen,
i eine künstliche, böswillige Agitation aus der katholischen
• Beröikerung hätte machen können. Waren es nicht viel-
leicht die Sympathieen des Königs Wilhelm selbst, welche
ucb damals in seiner Politik sehr nach Österreich richte-
ten? Hatte er auf der andern Seite am Ende über Rom
noch die falsche Ansicht, die er 1839 Ton dort mitbrachte,
übrigens mit vielen seiner philosophisch gebildeten Zeit-
genossen teilte, dal's „Rom ein Fetrefakt sei, auf dessen
Wurmstichigkeit man bauen soll"? — „Mit den Spezial-
lragen war er nicht näher vertraut." Darin scheint der
Kern der Sache zu liegen. Es fehlte dem König ein Rat-
geber, welcher ihn auf dies Km-ialsystem aufmerksam ge-
macht und die Notwendigkeit des principiis obsta ihm nahe
gelegt hätte.
Das einzig Richtige wäre auch jetzt gewifs gewesen,
was schon 1841 die staatsrechtliche Kommission der württem-
bergischen zweiten Kammer bezeichnete, und was Dom'
kapitular Jaumann zu einem Antrag formulierte, zu erklSren,
„dafs die Staatsregierung, wenn begründete Anträge von-
seiten des Bischofs an sie gebracht werden würden, den-
selben die gehörige Berücksichtigung werde zuteil werden
lassen".
Nur in diesem historischen Zusammenhang ist auch die
Frage zu beantworten, ob überhaupt eine Konvention (oder
Konkordat) mit Rom abzuachliefsen der richtige Weg war.
Auf diesen historischen Grund gestellt, wird die Frage mit
„Nein" zu beantworten sein. Der Bischof, als ein Glied
in der Kette, von Position zu Position gegen den Staat
vorgerückt, beginnt den ersten feindsehgen Akt mit seinem
Erlafe über die Pfarrkonkurs - Prüfungen. Rom rückt in
Schlachtordnung gegen den Staat heran. Der erste Schub
ist abgefeuert. Da erklärt der Angreifer, offenbar in dem
Bewufstsein, den Gegner eingeschüchtert zu haben, sich zu
Unterhandlungen bereit. Die Regierung geht bereitwillig
darauf ein imd überliefert sich dem Angreifer so voUfitändi^,
ä08 BUNZy
ab wäre nicht blols eine erste Schlacht, sondern der ganze
Feldzug verloren. Die römische Kurie ist selbst mit diesem
Sieg nicht zufrieden. Sie verwirft die Übereinkunft mit
dem Bischof, weil dieselbe ihr noch zu wenig bietet in
den einzelnen Punkten, dann aber auch, weil es nicht
der Papst ist, der dieselbe abgeschlossen hat, sondern der
Bischof ^ Man kann hier nicht in materielle und formelle
Gründe trennen, denn der letztere Grund, so sehr er auch
ab blofs formell und daher unverfänglich hingestellt wird;
ist ebenso materielL Man muls sich überhaupt Bom gegen-
über den philosophischen Irrtum abgewöhnen, ab ob es iur
das Kuriabystem einen Unterschied zwischen formalen und
materialen Fragen gäbe. Daraufhin zieht sich die Regie-
rung aus Furcht vor dem Kampf wieder weiter zurück und
überläfst dem Gegner die gewünschte Position. In diesem
geschichtlichen Zusammenhang war das Konkordat die gröfste
Demütigung, die Impotenzerklärung des Staates.
m m
Die Frage, ob eine Übereinkunft mit Rom überhaupt
geschlossen worden könne, oder ob es rätlich sei, eine solche
zu schliefsen, ist von untergeordneter Bedeutung. Allerdings
wollte schon König Friedrich 1807 ein Konkordat mit Rom
abschliefseu; und, wie oben bemerkt, suchten die verbün-
deten Regierungen 1819 mit dem päpstüchen Stuhl Ver-
handlungen über ihre Deklaration anzuknüpfen; auch war
bei denjenigen über die württembergische Verfassung vom
gleichen Jahr zwischen König und Ständekammer ernstlich
von einer „Übereinkunft'* die Rede, welche „die katho-
lische Kirchenfreiheit mit der ätaatsfreiheit näher bestimmen''
werde, über „die Grenzen zwischen der geistUchen Gewalt
und den IStaatshoheitsrechten " — allein schon 1807 schei-
terte der Plan an dem Umstand, dafs der König die Ein-
Bchmuggelung dos kanonischen Rechts nicht dulden wollte;
die verbündeten Regierungen fanden in Rom kein Entgegen-
kommen, weil ihre Deklaration nicht den dortigen An-
schauungen entsprach; endlich bei den Verfassungsverhand-
lungen wurde die Weglassung des Fintwurfs von der Uber-
1) Golther, S. 168.
DAS wi^RTTEMBEHGISCHE KONKORDAT. 209
, einkunft mit Rom damit motiviert, dafs es nicht pasBend sei,
tbei den Schwierigkeiten solcher Unterhandlungen die Re-
perung durch eine bestimmte VerfaBsungs Vorschrift in eine
mgünstige Lage zu versetzen.
Dennoch nber Bchlofa die Regierung eine Konvention
üt Rom zu einer Zeit, wo die Ansprüche der Kurie sich
3er jenen friihei-en Zeiten weaentlich gesteigert hatten.
!Es kommt nicht sowohl darauf an, oh ein Konkordat ab-
geschlossen wird, sondern welche Bestimmungen dasselbe
enthält (vgl. auch das französische Konkordat). Rom selbst
wird die Frage nach der Möglichkeit eines Konkordats mit
einem protestantischen Staat nur dann bejahen, wenn es
gUnstigc Bedingungen erhalten kann.
Dafs es der Regierung nicht ganz wohl bei der Sache
war, geht aus ihrem ganzen Verbalten hervor. Die Kon-
vention enthielt wesentliche Bestimmungen, welche nach der
Verfassung die Zustimmung der Stände erheischten. Ea
kam hier in Betracht der zweite Absatz von § 72 über
das Placet, § 47. 48 inbetreff der Disziphnargewalt, Aufser
diesen schon oben genannten sind es noch folgende Bestim-
mungen. Das Patrouati'echt war ein weltliches und gehört
somit unter den Begriff des Staatseigentums, das ohne Zu-
Btimjnung der Stände nach § 85 nicht an Auswärtige und
nach § 107 nicht an Inländische veräufsert werden darf.
Die Konvention setzte ein bischöfliches Gericht mit Appel-
lation nach Freiburg und Rom ein ohne ataatlichea Ober-
aufsichts- und Beschwerderecht. Dies involviert eine Än-
derung von § 36 — 38. 78 und 92. Durch die Überlassung
des Tiachtitels an den Bischof wurde § 74 alteriert. Durch
Qesetz vom 6. Juli 1842 wurden dem Kon vi kts vorstand
Staatsdienerrechte verliehen. Durch die Konvention hing
seine Ernennung vom Bischof ab. Trotzdem trat die Re-
gierung nicht mit der Konvention offen vor die Stand e-
kammer, sondern suchte dieselbe so nach und nach im Vei"-
ordnungswege zur Geltung zu bringen. Auch die öffentliche
Meinung und selbst die Volksvertretung verhielt sicli an-
&ngs gleichgültig. Erat die Vorgänge in Baden öffneten
io Württerabeig die Augen, und die Regierung sah sich
210 BUNZ,
veranlafst, am 26. Februar 1861 einen Glesetzentwurf sa
ihrer Dui*chiUhrung einzubringen, fast vier Jahre nach dem
Abschlufs der Konvention. Rümelin sagt selbst S. 220:
„daTs die Regierung Änderungen bestehender Gesetze nicht
im Wege eines Übereinkommens mit der Kirche ins Leben
rufen kann, bedarf keines Wortes. Der Öesetzgebungsweg
ist also unerläfslich in dieser Sache, sobald und soweit die
Konvention Bestimmungen enthält, die in den Bereich der
Gesetzgebung fallen.'^
Dab dies der Fall vrar, ist eben gezeigt Warum also
so lange warten und neben anderen namaitlich eine Be-
stimmung der Konvention durchzuführen versuchen, weldie
ganz entschieden nur auf dem Gesetigebungsw^e Gteltimg
erhalten konnte, die schon oben genannte Ernennung des
Vorstehers des WilhehusstLUs? Römdin b^ont so sehr
d«[i Unterschied von Konvention und KonkiMrdat „Nur
ein Konkordat würde Staats- und Kirchengeaet» in einer
F^iäsung gewesen sein. Diese Unteisclieiduii^ berührt keines-
weg» blofs den Kamen und die Au&erlichkeiteQ, sondern
ist auf die ganze Bduüidhukg und sUatsrechtlidie Bedeutung
der Konventton von ein|nr>eireiider Bedeutung'' (S. 217).
Kanliiud Kou^salvi erklärte l^i^, die Meinung, als werde
der r^mi^^he Hvja mit pxv»tefrtuiti^lien Fürsten kein Kon-
kivrdat schüeiWn. ^ ;^uscK im Ge^:«zkteii sei die Konkordats-
K^rttt d;e hec^e und leichtesste Art. >Äcii über jeden Satz und
Au^siruck la v>»$(äu:;fdi$^f£i« u&d «>»m dann beide Teile
uutvrscturxebeti bAnen. si(> kv^ccie :car kein Zweiiel und An-
$t;u^ ttÄet.r «rtK»l»ett wvrdecK U^^LSsteÜ^ sigt ■ c^ ^-io) : „ Nenne
ttMux ecs ::uu KvvrJivvua; «.^fier KvVLT«fL6c«L Uberanknntt oder
Vec^ibN^vd;;;^^^ t\/;s:k;a:k'<i ^"^^r Frv^r^uiat^ es sind gegen-
seitige Verytk:cht:i«Lire:i ^b^rz^ommen, Zusiche-
r*5i4Ce- ^e^^besi .cr:d *r4:er,"»»3tea worden, die
ke;» W:* /.xci 4e;rLi» S;f.:*ier: wieder einseitig
A>4;i;i^ru >. l.^ £» ^:s: xxLttr. wae «suah die gleich
x^t:fc *>«: ?v7r,^jL. i>? Vt^^.- xa^^«^r5«L w:.^. ^ der Staat
w^ j.r Vv«-' : JIr jL^itf ,V.Ttfc P-ccsjääil icsni aofcb tur
x\. :k.A''rv ^ .'Cl.k.'XLHSS«? 4^:;^C. '• .C>iö5Ä;a-X3^IL :iAttk g^ttllWohl
DÄSWÜRTTEUBERaiSCHE KONKORDAT. 211
eine beengende Fessel aeiner weiteren inneren Entwickelung
angelegt habe, so miiTa dieselbe verneint werden."
Die Gründe, welche Rümelin (S. 242 — 244) iÜr diese
letztere Behauptung beibringt, sind solche, welche gegen die
ewige Gültigkeit jegLchen Vertrags, ja aller menschlichen
Dinge anzuiuhren sind. Jedenfalls steht über der ganzen
Konvention: „Pius Episcopua, Servus Servorum Dei. Ad
Perpetua m Memoriam." Das wird der Papst auch nicht
blofa als eine leere Phrase gemeint haben. Die Frage liegt
auch gar nicht so, sondern es handelt sich darum, ob in
der Konvention selbst eine Vuraussetzuug liegt, dafs der
ätaat nicht gebunden sei. Keineswegs. Äufseiten der Kurie
ist dies der Fall, denn, wie wii- bei der Einzelbetrachtung
sehen werden, hat die Kurie sich bei verschiedenen Punkten
vorgesehen : temporum ratione babita permittit, non recusat etc.
Der Staat aber ist nach der ganzen Fassung der Konvention
an die Beatimmungen so gebunden, wie überhaupt ein Ver-
trag unter Menschen nur binden kann. Der Streit „Kon-
kordat" oder „Konvention" ist nur ein WortatreJt und der
Kurie auch völlig gleichgültig. Sie nahm jedenfalls die
Konvention oder das Konkordat dem staatlichen Kontrahenten
gegenüber in dem vollständig bindenden Sinn eines Staata-
vertraga. Es ist bezeichnend tur den Standpunkt des da-
maligen Kultdepartementschefs, wenn er über die bündigen
Erklärungen der Kurie in diesem Sinn mit der Anschauung
hinw^geht (S. 248): ..,Sie hatte nur eben jene Zusammen-
stellung des Vereinbarten, eingekleidet in die übliche
Kirchensprache ^!) in Form einer Bulle für die Diöcese
Rottenburg zu verkündigen." Diese Bulle ersclüen am
31, Dezember 1857 im „ Hegierungsblatt tur das Königreich
Württemberg" (nicht für die katholische Diöcese Rotten-
burg) und zwar als „Königliche Verordnung" mit folgen-
der in der Hauptsache wiedergegebenen Einleitung : „ Es
ist unter dem ö. April v. J. eine Vereinbarung zustande
gekommen, weicher Wir nach Vernehmung unseres Geheimen
Rates, unter Vorbehalt der ständischen Zuatimuiung zu den
eine Änderung der Landesgeaetzgebung in sich sclUiefseii-
den Punktou Unsei-e hocliste Genehmigung erteilt haben. —
'J 1 2 HIJNZ,
Da die in jenen Artikeln der katholischen EÜrehe einge-
räumten Rechte und Freiheiten teils in den in besonderen
Beilagen zu dem Hauptvertrag vereinbarten näheren Fest-
setzungen über deren Ausübung ^ teils in der Landesgesetz-
gebung, soweit sie von der Vereinbarung unberührt bleibt,
diejenige Umgrenzung finden , unter welcher die in der
Verlassungsurkundc der katholischen Kirche zugestandene
Autonomie in ihren inneren Angelegenheiten mit Unserem
ebenfalls verfassungsniäfsigen und unveräufserlichen oberst-
hoheitlichem Schutz- und Aufsichtsrecht im Einklang steht,
so ist die genannte päpstliche Bulle von uns an-
genommen worden und bringen Wir nunmehr dieselbe
andurch zur allgemeinen Kenntnis. Hinsichtlich der Voll-
ziehung. — — — Gegeben, Stuttgart, den 21. Dezember
1857. Wilhelm. Der Minister der auswärtigen An-
gelegenheiten: Hügel. Der Departementschef des Kirchen-
und Schulwesens: Rümelin." Jetzt folgt die Bulle: Cum in
sublimi.
Wenn Rümelin sagt (S. 238): „Es versteht sich von
selbst, dafs die Konvention kein Staatsvertrag im inter-
nationalen Sinn ist, da sie nur innere und keine auswärtigen
Verhältnisse berührt, dafs sie zwar mit einem auswärtigen,
von der Regierung völlig unabhängigen Kontra-
henten abgeschlossen ist, dieser aber dabei in keiner an-
dern Eigenschaft als in der des Vertreters einer inländischen
Korporation nach ihrer autonomen Sphäre in Betracht
kommt" — so lautet dies, wie noch manches andei'e, ganz
schön, wenn nur auch in der Konvention selbst ein Sterbens-
wörtchen davon stünde. Ganz entschieden hätte sich die
Kurie stets allein an den von der Regierung autorisierten
authentischen Text ihrer Bulle gehalten und nicht an aka-
demische Glossen, kommen sie auch von hoher Seite. Mit
der Wendung, über welche Rümelin so leicht glaubt hin-
weggehen zu können, „eingekleidet in die übliche Kirchen-
sprache" war es der Kurie voller Ernst. Die Konven-
tion soll „kein Staatsvertrag im internationalen Sinn" ge-
wesen sein, und doch wurde sie vom Minister der aus-
wärtigen Angelegenheiten unterzeichnet wie jeder andei'C
i
DAS Wl'IITTKMTiEKRISCUK Kft.VKnitnAT. 213
[ißtaa tsvertrag, wovon im gleichen „Regierungsblatt" nur
44 äeiten vorher eine ParaUele zu sehen ist an deni Ver-
trag mit der Republik de! Uruguay. Ebenso beginnt die
Konvention mit dein feierlichsten Anfang der Staatsverträge:
In nomine Sanctissimae et Individuao Trinitatis. Gewifs
hätte die Kurie es niemals als blofse Einkleidung „in die
übliche Kirchensprache " gelten lassen, wenn die vorn Staat
„angenommene" Bulic im Eingang sagt: „Itaque summo
gaudio affecti fiiimus, ubi Serenissimus ac Potentissinrms,
Princepa Guilielmus I Virtcmbergae Rex IlIuatriB a Nobis
efflagitavit, utecclesiasticainsuoRegnonegotia
componere vellemus" (der Papst ist der Ordner, und
zwar nicht der kirchlichen Angelegenheiten in dem zur rö-
mischen Kirche gehiirigen Teil, sondern im ganzen König-
reich. — ,, Die übliche Kirchensprache!"), wenn es dann
am Schlüsse heilst: ,, Nulli ergo omnino hominum liceat,
hanc paginam Nostrae concessionis, adprobationis, rati-
ficationie , acceptationis, promissionis, sponsionis,
monitionis, hortationis , d e c r e t i , derogationis , statuti,
mandati, voluntatis infringere vel ei ausu temerario
contraire. Si quis autem hoc attentare praesumpserit,
indignationem (Jranipotentis Dei, ac Bcatonun Petri et Pauli
Apostolorum Kjus se noverit incursurum."
Über die Verbindlichkeit der Konvention wurde auch
in der endlich herbei geführten Kammerverhan dlung 1861
viel gestritten. Die aus fünf protestantischen und vier ka-
tltolischen Mitgliedern bestehende staatsrechtliche Kommission
der Kammer der Abgeordneten teilte sich in eine Mehrheit
für und eine Minderheit gegen die Konvention oder das
Konkordat. Die Mehrheit bediente sieh eines schlauen Ver-
fahrens. Dafs die Konvention anzunehmen sei, stand ihr
fest, wie sie ja erklärt, dafs „der Inhalt der Konvention
mit den Prinzipien übereinstimme, welche der Regelung des
Verhältnisses zwischen Staat und Kirche zur GrundJage
dienen müssen". Dagegen beatritt sie, dafs die Konvention
ein bindender Vertrag sei. Ja sie «teilte den Antrag, dafs
„die Kammer in die Beratung des vorgelegten Gesetz-
ßntwurla nur unter der Bedingung einzutreten vormöge,
214 BUNZy
wenn dieses Gesetz nicht in Ausführung eines Vertrags,
sondern wie andere Gesetze unter dem Vorbehalte der Än-
derung durch die künftige Gesetzgebung erlassen werde ^.
So schien es, als ob die Kommission Rom gegenüber dne
reservierte Haltung einnehme. Aber materiell woUte sie
nur vier Punkte der Zustinmiung der Kammer anheimgeben,
die bischöfliche Gerichtsbarkeit in Ehesachen^ die Unter-
suchung in Disziplinar&Uen gegen Kleriker, das landesherr-
liche Placet und die Ernennung des Vorstandes des Wil-
helmsstifts ^ Alles Übrige blieb jedenfalls, wie es war. Es
macht die ganze Verhandlung den Eindruck, als hätte zu-
erst der Berichterstatter der Kommission diese und dann
die Mehrheit derselben wieder die Kammer durch das for-
male Manöver der Aberkennung der Vertragsqualität und
einer scheinbaren Opposition gegen die Regierung dazu
bringen wollen, den Inhalt der Konvention zu genehmigen.
Der Kurie konnte diese akademische Begriffsstreiterei gleich-
gültig sein, wenn nur erst die Konvention angenommen war.
Sie hatte dann ihre Bulle mit dem festen Vertrag. Die Re-
gierung schien von Anfang an auf dem entgegengesetzten
Standpunkt zu stehen, indem sie den Vertragsbegriff der
Konvention festhielt. Die Koramissionsmehrhcit hatte ihr
zwar schon in ihrem Nachtragsbericht zu veretehen gegeben,
dafs sie es nicht so bös meine, dafs die Regierung, „wenn
man auf das eigentlich praktische Resultat sehe, der Auf-
fassung der Kommissionsmehrheit nicht eben so ferne stehe"*,
und damit auch ausgesprochen, um was es dieser Mehrheit
zu thun war.
Die Regierung scheint den Wink verstanden und ein-
gesehen zu haben, dafs der Feldzugsplan der Kommission
eher zum Siege führen küiine, als das Festhalten an dem
Vertragsbegriff. Um den Inhalt zu retten, opferte sie mehr
oder weniger die Form. Während vorher die Regierung in
den Motiven den oben S. 210 angegebenen Standpunkt ver-
trat, dafs gegenseitige Verpflichtungen übernommen seien.
1) Vgl. Golther, S. 106.
2) Golther, S. 202.
I
DAS WÜRTTEMBEBGISCRE KnXKflunAT. 215
welche „kein Teil nach seinem Belieben wieder einseitig
abändern boII", war sie jetzt sehr geneigt, den Vertraga-
charakter der Konvention abzuschwächen und preiszuj^eben.
Der Chef dea Kultdepartemcnts erklärte unter anderem, die
Krage, ob die Verordnungen und Gesetze a vorlagen inbetre£F
der Konvention einen andern Charakter haben, als andere
Verordnungen und Gesetze, sei zu verneinen, und hiermit
falle allerdings das charakteristische Merkmal
der Vertrags form weg. Die Bürgschaft ftlr die Dauer
der Sache könne rein nur in der Natur der Verhältnisse
gefunden werden, unter denen die Konvention abgeschlossen
werde, nicht in einer rechtsverbindlichen Form.
Auch der Minister des Innern sprach sich in ähnlicher Weise
aus. Sehr naiv ist der Sdilufs seiner Rede, wo er unver-
hiillt darlegt, um was es sich nach Absicht der Regierung
und, wie wir gesehen, der KommiBsionsmehrheit handelte,
wenn er sagt: „Wenn ich Ihnen nun meine Meinung sagen
ßoll, so gebe ich ihnen vollkommen frei, welches Urteil Sie
über die rechtsverbindliche Kraft der Konvention in sich
tragen und hier aussprechen wollen, aber, wenn
Sie praktisch zu Werke gehen wollen, wenn Sie so
zu Werke gehen wollen, wie es der Natur der Ver-
hältnisse allein entspricht, so müssen sie zuerst
Sachen, nach dem Inhalt der Konvention den
Rechtszustand der katholischen Kirche inWurt-
temberg zu ordnen,"
Das war's, auf was es besonders audi der Kurie ankam.
War einmal die Gutheifsung der Konvention da, diese an-
scheinend nur formelle Sanktion der Kammer vorhanden, so
konnte man den Streit über den Vertragscharakter ganz
wolil den Theoretikern überlas Ben, während die beati possi-
dentes die Konvention auf Grund der legislatorischen Be-
stätigung durch fiibrten.
Die Minderheit der Kommission ging aber nicht „prak-
ÜBcIi zu Werke" nach dem Sinne der Regierung. Sie stellte
den Anlnig: „Die Kammer wolle beschliefaen , dafs sie die
mit dem päpstlichen Stuhl zur Ilegelung der Angelegen-
bciton der katholischen ICirche in Württemberg abgeschlossene
216 BUNZ;
Vereinbarung als unverbindlich betrachte^ demgemäls g^n
den Vollzug Verwahrung einlege und an die königL Staats-
regierung die Bitte richte, in dieser Erwägung die Verord-
nung vom 21. Dezember 1857, betreffend die Bekannt-
machung jener auf die Verhältnisse der katholischen Kirche
bezüglichen Vereinbarung, aufser Wirkung zu setzen
und diese Verhältnisse im Wege der Landesgesetz-
gebung zu ordnen/'
Diesem Antrag trat die Kammer bei und verwarf somit
die Konvention. Dies geschah mit 63 gegen 27 Stimmen.
Unter ersteren waren 2, unter letzteren 23 Katholiken. Wenn
Rümelin diese Thatsache, ohne besondei*e Behauptungen
darauf zu gründen, doch so ins Licht stellt, dafs deutlich
zu sehen ist, wie er dem Leser zu bedenken geben will,
ob nicht konfessionelle Parteilichkeit dabei den Ausschlag
gegeben hat, so ist es nicht einmal nötig, auf diese Frage
näher einzugehen und Baden damit zu vergleichen \ wo
fünf Vierteljahr vorher gerade die katholischen Abgeordneten
gegen eine ganz ähnliche Konvention gestimmt hatten. Nein,
es war geradezu Pflicht der protestantischen Abgeordneten
gegen ihre Kirche und den Staat, in ihrer Eigenschaft als
Protestanten einem Vertrag entgegenzutreten, wenn er nichts
weiter enthalten hätte als den Eingang: Cum in sublimi
Principis Apostolorum Cathedra universam ca-
tholicam Ecclesiam Nobis ab ipso Christo Domino com-
missam regere et tueri, vorausgesetzt, dafs sie soviele histo-
rische und kanonistische Kenntnisse hatten, um diesen Satz
in seiner ganzen vom römischen Stuhl stets festgehaltenen
Tragweite zu verstehen, wie derselbe auch genau in dem Sinne,
wie er von der Kurie gemeint ist, in der im Regierungs-
blatte beigesetzten authentischen Übersetzung lautet: „die
ganze Uns von dem Herrn Christo selbst anver-
trauten Christenheit zu lenken und zu schützen."
Oder soll es nur ein Recht und eine Pflicht katholischer
Abgeordneter sein, ihre Kirche in allen Forderungen zu
unterstützen, nicht aber diejenige protestantischer Abgeord-
1) Golthcr, S. 210—213.
DAS WtRTTEMBERGTSCHE KONKORDAT. 217
neter, ihre Kirche vor den Übergriffen der römischen Kirche
wenigstens tueri? Oder soll es ein Zeichen staatsmännischer
Weisheit sein, den Ansprüchen Roms mit hofinänni scher
Coulance entgegenzukommen? Oder ist es am Ende philo-
sophische Erhabenheit, in der Kurie einen antiquierten Schwär-
mer zu sehen, dessen naive Ansprüche man als überwunde-
nen Standpunkt mitleidig gewährt im Bewufstsein, auf der
Hiihe der Zeit zu stehen, wo die Staatsgewalt im Besitz der
Macht jederzeit das letzte Wort roden kann? Wir werden
sehen, da(s die Konvention gar verschiedene Punkte ent-
hielt, welche die Protestanten als solche verptUchtete, dagegen
zu stimmen, die aber eben Konsequenzen des genannten an
die Spitze gestellten Obersatzes waren. Dazu kommt noch
die Frage in Betracht, ob nicht die protestantischen Ab-
geordneten eher imstande waren, die Konvention gerade
vom staatsrechtlichen Standpunkt ans unbefangener zu
prüfen.
Von dem inzwischen eingetretenen nfluen Chef des Kult-
departements Staatsrat Dr. v. Goltlier, wurde nun der Ent-
wurf eines Gesetzes, betreffend die Regelung des Verhält-
nisses der Staatsgewalt zur katholischen Kirche vorgelegt.
Derselbe wurde angenommen und am 30. Januar 1862 als
Gesetz verkündigt '.
Dieses Gesetz soll nun nach Rümelin (S. 209 ff.) nur
formell von der Konvention verschieden sein. Nur „nehmen
sich dieselben Bestimmungen sehr ungleich aus, wenn sie
aus dem als Weisung des Papstes an den Bischof gedachten
Text in den stolzen Imperativ der staatlichen Gesetzessprache
übertragen werden." Wie schon S. 21lff. gezeigt, ist die
Konvention keine „Weisung an den Bischof", sondern ein
Staats vertrag. „Quo circa ejusdem Serenissimi Principis votis,
quae et Nostra vota erant diuturna, et impcnsisaima, quam
11 S. den Entwurf bei Goltbor, S. 402— ^40, da» GMetx S.MI
bis 547.
tii
^ & IL E> xTPesoTternm
Cmrfaaiem i^ Bfiwth pKCzffe. Axträa. ae pmdentia spec-
ct iBstractioiubQs dcpnta-
TXtecm FXo XobiE *Yxio Adolä> Ebero
Bsrose de Oir, qn cfiLwie« YirtCBbev^ae Be» apnd
CÜsemcaa et ApoütoGeam Ibjeststn lEnistor PlenipoteD-
terios ad Xos ram Ebem mandatw nisBas fberat, rem
aamem ledolo di^ailarqve tucUunfam, et conficiendam
cviaici. — Et ennn post sraiifauB consonaticns^iii , cpuun rei
gniritas pfauie postulabat, Conreiitio ipesa idmilms articolis
diftmcta, et a W. F. F. K S. S. R E CardinaKbns Con-
gr^ratkmis necrotH« eccl^'-^ia^ticis extraordiaarns praepositae
examinata cam eodem Serrntsräno Bege fint inita, atqne
ad optatnm exitnm perdncta. Cum antem fjnsdein Con-
rentianiÄ articnli tum a Xostro tnm a Regio I^enipotentiario
die octavo monri« Apniis hnjos anni ^nbscripti fnerint . ." —
Die«e Be^fimninn^ enthalt die von der Regierung veröffent-
lichte Einllahning?bnlle. Man konnte bei keinem Staats-
vertrap^ korrekter vordrehen.
Wr-nn nun Kümeh'n einzelne wenige Bestimmungen des
OesefzfÄ anfiiliren kann, welche mit der Konvention, wie
wir sehen werden, iihoroinjitiinmen, so hat die Gesetzgebung
nirgend« pir*h darauf benilen, keinr-rlei Konzessionen gegen-
über dem früheren Verhältnis zu machen, imd so kann
in einzelnen Punkten Konvention und Gesetz zusammen-
treffen. Bei Kümeh'n aber niufs der Schein erweckt werden,
als bestehe nur ein l'ntorschiod der Form, wenn er sagt
(S. 210): „Wo die Konvention sncrt: Der Bischof wird sich
vorher ins Einvernelnnen mit der kfaiigl. Kegierung setzen,
heifst es im Gesetz natinlich: die staatHche Genehmigung
iftt crfordorlieh." Dieser Au.<ilrnc-k kommt in der Konvention
nur einmal vor. hei Art \\\ ir. wo es sich um Einiilhrung
von rrh'gioscn Orden hamU-lt. Dnraut worden wir später
zurückkonimen. Sonst tindct sich (liest- Bostiminuni' in der
dem Bisehof vom Papst zur Auslührung erteilten Instruktion
I
DAS wtRTTESIBERGlSCHE KOKROBDAT. 219
nocb zweimal, bei Art. IV und VI. Es ist im Art. IV von
biachöäicben Erlassen die Rode. Wie aber, wenn dieses
„Ins-Einvcrnebmcn-aefzen" zu keinem Kesullat der Einigung
führt? Dann lint der Bischof das Seiiiige gethan und kann
mit dem Erlafa vorgehen. Wo nber die staatliche Geneh-
migung erforderlich ist, da darf der Bischof bei Meinungs-
verachiedenheit nicht veröffentlichen. Weiteren Unterschied
wird die Einzelnusfühmng zeigen, und wir vei-weisen inbetreff
der Deutung des „ Ina - Einvernehmen - setzen ", wie sie die
Konvention seibat giebt, auf Art. VI. Das Gesetz wurde
durch die Konvention notwendig, d. b. weil die Regie-
rung so weit gegangen war, muffte endlich eine gosctzhche
Regelung eintreten, aber das Gesetz war so wenig erst durcli
die Konvention möglich, wie Rünielin boliauptet, dafs ja
der Mangel eines Gesetzes bei dem ganzen bisher gezeigten
liistorischpu Gang der Hauptfehler war. Auf ein Gesetz
wies ja die staatsrechl liehe Kommission der Kammer schon
1P41 hin (s. oben P. 197). Petzen wir den oben genannten
Fall inbetreff der bischöflichen Erlasse als Beispie! für alle,
so wäre noch die Frage übrig: Was dann, wenn der Bischof
auch jetzt nach Erlafs des Gesetzes ohne staatliche Ge-
nehmigung verüfTentlicht ? oder allgemeiner gefafst: wenn
die Gesetze nicht gehalten werden? Bestimmte Strafen sind
nicht vorgesehen. Dies ist Tür Rünielin ein bedeutendes
Argument dai\ir, dafs „das Gesetz von 18G2 seinem Inhalt
nach nur die in andere Formen umgegossene Konvention
ist". Der Bischof sei dem Gesetz gehorsam, nur weil er
„in dem Gesetz den Inlialt der Konvention, nur in anderer
Form und Fassung wieder erkenne". „Sobald einmal ein
Fall des Widerstandes und ein Konflikt eintritt, wäre das
Gesetz von lt<li2 sofort unzureichend und machtlos" (R. S. 211
bis aj;j}. Lassen wir die beiden Ge-ichtspunkte beiseite,
nach welchen in AVürttemberg , besondei-s Dank der Er-
ziehung der Klerikei', von jeher ein extremen Tendenzen
abholder Geist des Friedens herrschte, und dafs das Gesetz
von 1862 dem Kirchenregiment Konzessionen erteilte gegen-
über den Bestimmungen vor 1857. Halten wir uns an die
Frage, ob denn das Gesetz bei etwaiger Renitenz wirklich
220 BÜNZ,
nur in der Luft stände. Näher wird die Frage bei der
Betrachtung der einzelnen Gesetzesartikel beantwortet wer-
den. Es sei hier hingewiesen auf die Konvikte zur Erziehung
der Kleriker, wo ja der Staat die letzte Gewalt hat, die
eingehenden Vorsichtsraafsregeln gegen geistliche Orden, die
staatlichen Rechte inbetreff der Verwaltung des Kirchen-
yermögens, die Bestreitung der kirchlichen Bedürfnisse aus
Staatsmitteln. Gegen eine oben angenommene Veröffent-
lichung bischöflicher Erlasse wäre schon das 1862 geltende
Strafgesetzbuch von 1839 zuständig gewesen im Art 447 u.
448.
Inbetreff der Ehegerichtsbarkeit ist indes ausdrücklich
bestimmt, dafs im Fall einer Kollision zwischen dem staat-
lichen und kirchlichen Eherechte die bürgerlichen Gerichte
in Thätigkeit zu treten haben, welche nach den staatlichen
Normen entscheiden (Gesetz Art 9). Übrigens stände, so-
bald Ungehorsam der Kirchenbehörde einträte, immer der
gesetzgeberische Weg offen, auf welchem besondere Repressiv-
mittel festgestellt werden könnten. Will man es dem Gesetz-
geber von 1862 zum Vorwurf machen, dafs er dies nicht
that, weil keine Veranlassung dazu da war, und weil das
Vertrauen gehegt wurde, es werde die Kirchenbehörde auch
in Zukunft keine solche geben?
Rümelin betont verschiedene Male, dafs „auf dem Ge-
biete der inneren kirchlichen Angelegenheiten keine fremde
Macht, also insbesondere keine Staatsbehörde, einseitig be-
fehlend, positiv anordnend auftreten kann, dafs das Unter-
lassen sakramentaler, gottesdienstlicher und kirchlicher Hand-
lungen niemals vom Staat mit Strafe bedroht werden kann "
(S. 225. 229. 233). Davon ist aber im Gesetz auch nir-
gends die Rede. Dasselbe beschäftigt sich lediglich mit
dem jus circa sacra.
In einem zweiten Artikel werden wir nunmehr die ein-
zelnen Bestimmungen der Konvention und des Ge-
setzes näher zu betrachten haben, um einerseits zu erkennen,
ÖÄfs das Gesetz nicht die in eine andere Form umgegossen©
DAS WLRTTEMREßGISCnE KONKOKDAT.
2S1
iJ)iiTeiitioii ist, anderseits, wie letztere statt den Konflikten
L Ende zu maclien, nur Zerwürfniaae in sich barg, sobald
Bfter Staat sich nicht dem kanonischen Recht vollständig unter-
werten wollte. Nebenbei werden wir auch bemerken, wie
das Gesetz ohne ausdrückliche Strafbestimmungen doch die
Durchführung vielfach garantiert. Wir vergleichen nach der
Ordnung der Artikel der Konveution und gebrauchen diesen
Ausdnick, weil er der offizielle ist, ohne aber den Unter-
schied von „Konkordat" einsehen zu können, da beide^
jedenlalls im Sinn der Kurie, gleich verbindlich sind '.
1) Vgl. übrigens die BuUe selbst, am Schlufs: Gnni igitur hujus-
modi Conreiitionis pacta et coacordata etc. — Wir hielten ima
deshalb auch fiir vollberechtigt, in der Überschrift dieses Aufaatses
den sich durch Prägnanz cmpfehleuden Ausdruck „Konkordat" an-
zuwenden.
Kritische Übersichten
Aber die kirrhengeschichtlichen Arbeiten
der letzten Jahre.
^^^%^^l^^W^
I.
Die Arbeiten zur Eirchengeschichte des 14. und
15. Jahrhunderts
aus den Jahren 1875 — 1884.
Von
Prof. D. Karl MOUor.
II. Die Zeit der Kirchenspaltung und der Reform-
iconzilien \
A. Das Schisma und die Konzilien von Pisa und
Konstanz.
1. *M. Cn^iirUton, Ilistory of papacy duriog the period of the re-
fonimtlou. 2 lidc. 1882.
'it DfUtMclio UolcllHtasrüakteu unter König Wenzel. Bd. III: 1397
Mm I \ y HV Uurauügegebon von J. Weizsäcker. München 1877.
^^ Vgl au^s0 '^fioitschrlft VII, 61 ff. — Ich möchte hier bemerken,
{\^(k loh um dv'i' groi'üüii Ausdehmuig des litterarischen Materials willen
uiul woil flu gutlbor Teil desselben doch längst Gemeingut gewor-
ü«u i»t, \\m uur noch diojeuigou Schritten genauer besprechen will,
diu iu tUuologi^cUiUi Zeitschriften nicht oder in einem von meiner
Aniiioht abwoichuudcu Sluue angezeigt worden sind. Für den dritten
Teil godcuke ich groi&imtcnU mit blofser Zusammenstellung der Ar-
beiten auMJukommen.
MÜLLER, KÜtCHEKGESCHICHTE DES 11. U. 15. JAintH. 223
(V u. 335 8, 4'.) — D. RA. unter Konig Ruprecht. Bd. I: 1400
bis 14ÜI. Gotha 1882. (XXIU u, 531 S. 4°.) — D. RA. unter
Kaiser Sigmund. Bd. 1 u. IL HerauBgegeben Ton D. Kcrler.
(.453 u. 550 S. 4°.)
. Th. Lludner, Papst Urban VI. [in dieser Zeitschrift III, 409 bia
438 u. 526—5461.
4, — , Geschichte des Deutncben Reichs vom Ende des 14. Jahi^
hunderte bia zur Reforuiatiun. 1. Abteilung : Geschichte des
Deutücheu Reichs unter König Wcniel. BrauDschweig. Bd. L
1875 (43Ü S. 8°); Bd. II. 1876 und 1880 (545 S. 8°).
6. Riehard Gerits, Zur Gp.schichte dea Erzbiachofs Johann 11. von
MaiuK 13!)<J^14I9. I. Sein Heg ierungsautritt. Hallenser Dissert.
1882. (5U S. 8'.)
8. Paol Tschuekert, Peter von Ailli (Petrus de AUiaeo). Zur Ge-
schichte dea grofsen abend! ändiachen Schisma und der Reform-
konzilien VDQ Pisa uud Konstajiz. Auliang: Petri de Alliaco
anecdotorum partes aelectae. Gotha, Pei-tlies, 1877. (XVi, 382
u. [53] S. gr. 8°.)
7. Th. Müller, Frankreleha Unionsversuch unter der Regentschaft
de» Herzogs von Burgund 1393/98. Jahresbericht des evang,
Gymnasiums na Gütersloh 1881. (28 S. 4'.)
8. H. y. Sauerland, Das Lehen des Dietrich von Nieheim
nebat einer Übersicht über dessen Schriften. Göttingen 1875,
{86 8. 8».)
9. K. E. H. Krause, Dietrich von Nicm, Konrad von Vechta, Kon-
rad von Sollau, Bischöfe von Verden 1395— 1407 (in Forachungen
s. deutscheu Geschichte XIX [1879], S. 592—610).
10. — , Nochmals die Bischöfe von Verden, Dietrich von Niem und
Kourad von SoltflU (ebd. XXI [1882J, S. 248—251).
11. Th. Liiiiluer, Beitrüge zu dem Leben und den Schriften Diet-
rich's von Niem (ebd. XXI, Ii7— 92).
12. Houbeu, Eine Studie über llicodorich roa Nieheim („Der Ka-
tholik" 188Ü, Bd. LX. N. F. XLIH, S 57-75).
13. D. Kattlu^'cr, 8. J. Dietrich'» von Niem Schrift „De bona
Romaui pontificis regimine" [Hist. Jahrb. d. Görresges. V [1884],
S. 163— 17H).
14. Hu^ Siebekiu?, Beitrüge zur Gaschichtc der grorscn Klrchen-
apaltung (Programm der Annen -Realschule zu Dresden [Dresden,
Teuhner, 1881|, S. 1-20).
16. Ma\ Lenz, Drei Traktate aus dem Sehriftencyklus des Koa-
Htanzer Konzils untersucht. Marburg 1870. (98 S, 8".)
16. Panl THchuckcrl, Dur Kai-d!nal Peter von Ailli und die beiden
ihm Kugeschi-iebenCQ Schriften „De difficultate rcformHliaiüft %
224 Britische Übersichten, i. müllsb,
concilio oniversali'^ und „Monita de necessitate reformationis io
capite et membris*' (in Jahrb. f. deutsche Theologie 1875 XX,
272-310).
17« Paul Tschackerty Die Unechtheit der angeblich Aillischen Dia-
loge „De quaerelis Franciae et Angliae'^ und „De jure succes-
sionis utrorumque regum in regno Franciae^' aus den Jahren
1413—1415 (in dieser Zeitschr. I, 149—156).
18. — , Pscudo-Zabarellas „capita agendorum" und ihr wahrer Ver-
fasser (in dieser Zeitschr. I [1877], S. 450—462).
19. * Henri Jadart, Jean de Gerson 1363—1429; recherches sur son
origine, son village natale et sa famille. Reims 1881. (VIII o.
280 S. u. 12 Tafeln.) (S. A. aus den Travaux de rAcaddmie de
Reims.)
20. G. Schuberth, Ist Nikolaus v. Cl^manges Verfasser des Buchs
„De corrupto ecclesiae statu "? (Programm der Realschule zweiter
Ordnung zu Grofsenhain, Ostern 1882. 48 S. 4°.)
21» G« Erler, Zur Geschichte des pisanischen Konzils (Programm
des Kikolalgymnasiums in Leipzig. Ostern 1884. 40 S. 4®).
22. J. Bollati di St. Pierre, Frammcnto di storia del papato nel
secolo XV. (in Miscellanea di Storia Italiana edita per cura della
regia deputazione di storia patria, T. XX, p. 611—623. Torino
1882).
23. Uolrich Richendal, Concilium ze Costenz 1414—1418. Photo-
lithographische Ausgabe der Aulendorfcr Handschrift. Karlsruhe
1881. (595 S. fol.) Veranstaltet von D. th. Herm. Sevin; Licht-
druck von Bäckmann in Karlsruhe.
24. Ulrich^s Ton Richental Chronik des Konstanzer Konzils 1414
bis 1418, herausgegeben von M. R. Bück (Bibliothek d. litterar.
Vereins etc. Stuttgart, Bd. CLVIII. Tübingen 1882. 255 S. 8«).
25. Jos. ^Vahl, Andreas von Regensburg, ein Geschichtschreiber des
15. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Quellenkunde der husitischen
Reformation. Göttinger Dissert. 1882.
26. U. Finke, Zur Beurteilung der Akten des Konst. Konz. (For-
schungen z. deutschen Geschichte 1884 XXIII, 501—520).
27. Karl. Hunger, Zur Geschichte Papst Johannas XXIII. Bonner
Dissert. 1876. (52 S. 8«.)
28. " Glov. Gozzadini , Nanne Gozzadini e Baldassare Cossa poi
Giovanni XXin. Bologna 1880 mit 1 Titelbild.
ABBEITEK ZUR KIHCUKNQESCH. DES M. V. 15. JAURH. 2'ih
IS. Lorenzo Leunil, Giovanni XXIU ed il Commune di Todi [Är-
chivio atorico Itaüuno. IV. Ser. T- IV (1879], p. 184—197).
10. Job. Schmitz , Die fraozös. Politik u. die UnioDaverhaudluiigea
dea EonzÜB von EonBtanz (1414—1416). Düren 187!). Bonner
Diaaert. {H8 S. 8'.)
11. J. Caro, Aus der Kanzlei Kaiser SigiBmunda. Urkundliche Bei-
tifige zur Gesciucbte dea Konstaiuser Konzila (in Arcbiv. f. ÖBterr.
Geacb. LIX |I8«Ü|, S. 1—175).
12. — , Das Biindnia von Canterbuiy. Eioe Episode aus der Ge-
schiclite des Konsljuizer Konzils. Gotha 188ü. (Vlll und
12Ü s. a-.)
53. Felipe de Halla, el concilio de Conatonza (iu der Reviata de
cienciaa bistoricas p. p. 8. Sanpere y Miquel, T. III el IV).
54. W. Beruhurdt, Der EinQaTa des Kardiualkoücgiuiaa auf die Ver-
handlungen des Konatanzer Konzils. Leipziger Diasert. 1877.
(30 S. 8".)
36. KoDBt. UUfler, Abhandlungen aus dem Gebiet der slaviacbeu
Geachichte. II. Der Streit der Polen und der Deutschen vor
dem Konstanzer Konzil (Wiener Sitzungsberichte lä79. XCV,
875—838).
36. Altr. Zimmermann , Die kirchlichen VcrfaBBiingakämpfe im
15, Jahrhundert. Eine Studie. Breslau 1882. (136 S. 8°)
37. Slanisl. Franc. Fablsz , Quidoom Poloni geaaerint adveraus
achisma oceidentale sjuodoeque Conatautieusem et Basileeuaem.
Würsiburger theol. Doktordisaert. Wirceburgi 1879. (174 S. 8'.)
Die Entstehung des Schismas ' und die Person
Urban's VI. hat Lindner in Nr. 3 auf Grund der For-
schungen seines gröfsereu Werks (Nr. 4) und teilweise in
wörtlicher ^Viedergabe desselben den Lesern dieser Zeitschril't
vorgeführt. Denn nachdem in den Reiebstagsakten
(Nr. 2) für die politische innere Oesehichte Deutschlands
eine Fülle von neuem oder mit peinlicber Sorgfalt neu her-
ausgegebenen Materials gesammelt und eine Menge müh-
samer Einzel untersuchurigon geliefert waren, hat Lindner
in Nr, 4 zum erstenmal eine zusammenhängende gelehrte Ge-
■ hie
HGuk
1) Bedauerlicherweise kann ich hier dBH Werk von Creightnn
(Nr. 1) über das Papsttum in dieaer Zeit nicht vorführen , da es auf
hiesiger Bibliothek jetzt erst angeschaflt werden soll. S. über das-
Wlbe die aehr giiaaiigen Urteile von Kolde (D. L7>. 1883, IV, Nr. 29)
id UcurHtli i,Tl., I./.. I.SS,-., N,-. It;,.
326 tCRITIBCHE ÜBERSICHTEN. I. UOUJSB,
schichte der Zeit Wenzel's gegeben. Wie die Reichstagsakten
auch der Geschichte des Schismas zu gut kommen , sofern
durch dieses jederzeit die innerdeutschen Verhältnisse wie
die auswärtige Politik des Königs und der Fürsten beein-
flufst werden, so bringt auch Lindner's Werk unter den Er-
eignissen der deutschen Geschichte überhaupt selbstverständ-
lich auch die Bewegungen, welche infolge der Schismas in
der Hierarchie wie im weltlichen Fürstentum und Adel
entstanden sind, nicht minder die Beziehungen, in welche
König imd Stände durch das Schisma zu den benachbarten
Staaten, insbesondere Frankreich getreten sind. Für die
Zeit Bonifaz' IX. und Benediktes Xm. kommen aus Lind-
ner's Band II insbesondere die Kap. 32 f. 35 f. 39 mit Beilage
12. 14—16. 21—24 in Betracht: sie fallen in die Zeit der
Unionsverhandlungen, für welche Lindner einzelne Punkte,
besonders den gesandtschaftlichen Verkehr, das Werben beider
Päpste bei Wenzel und den Kurfürsten, neu und groisenteils
im Gegensatz gegen die Ansichten Weizsäcker's in den
Reichstagsakten (Nr. 2) zu bestimmen sucht Eine Episode
in der Geschichte des Haders der beiden Päpste, wie er
sich in Deutschland wiederspiegelt, bildet der Kampf des
Ei^zbischof Johann IL von Mainz mit seinem Gegner, Gott-
fried von Leiningen : nach den Reichstagsakten und Lindner
hat ihn Gerits dann noch zum Gegenstand einer beson-
deivn Abhandlung gemacht (Nr. 5). Hier wird zugleich
die Stellung der rheinischen Kurfürsten, deren siegreicher
Kandidat Johann ist, zum Schisma und das Motiv ihres
AuHohlu^^^os an dio französische Neutralitätspolitik neu be-
louohh^ K^^ Sx^li^U?^ Gt^rits leicht — im Gegensatz gegen
l.uulnor }h>\\<' l\vlitik als nicht vom Interesse der kirch-
Uoh^n ha^^l^s M. *v^ult^ru ItHliglieh von dem ihrer eigenen Stel-
Ivuv^' (n^Uovvtjts't^ 4U «^Awt^i^^en. Gerits denkt namentlich an
lM\(jt^fV(K''t^Uv\ vUv^ vUb^üi ^m^oht werden sollten ^
Kx^^ Wv^K, Uiu vlW g«m»t> Getjohichte des Schismas wie
vt^^ (h^n^s^v s^<*Wu KvvuaUhjm berührt* i$t die Biographie Ailli's
r W s"^«^^ > Uv^' WvN^'kV vKVi'vivii di^($«^ IVuktv zum Teil auch is
I^EtTEIf ZUR KIRCRENGKSCH. DES 14. U. 15. JAHRH.
von Tschackert fNr. 6). Das Material für die Geschichte
Ailli'B ist hier sehr vollständig zusaDimengi? tragen, kritisch ge-
sichtet und durch bisher unbekanntes erweitert Ein Teil der
Arbeit über Ailli war schon durch Lenz und Schwab getan.
Die Tradition, dafs er der Hauptheld im Kampf gegen das
Scbisuia wie gegen die Allmacht des Papsttums und fiir
die Reform gewesen, ist schon durch Schwab und Lenz
gründlich erschüttert und insbesondere durch den letz-
teren für die Zeit des Konstanzer Konzils gänzlich um-
geworfen worden. Lenz hatte sich namentlich das Ver-
dienst erworben, AiUi durchaus in engem Zusammenhang
mit den lebendigen Interessen seiner Zeit, seiner Nation
und der Partei kämpfe derselben aul'zufaasen. Vielleicht
hatte er hierbei die nationalen Interessen zu ausschlieft lieh,
das Standesinteresse des Kardinals zu wenig berücksichtigt.
Aber es war durch jene Auffassimg einer lebensvolleren
und TerstÄndlicheren Geschichte des Konzils wie einer seiner
Hauptpersonen der Weg gebahnt und die Aufgabe gestellt,
Männer wie AiUi küni"tig überhaupt nicht mehr nur als
theologische Gelehrte und Veri'echter bestimmter theoretisch
formulierter Reformprograrame, sondern in den lebendigen
Verhältnissen ihrer Heimat, üi der Wechselwirkung der sich
drängenden Ereignisse wie der Parteien, mit einem Wort
nicht blofs theologisch, sondern universal aulzufassen. Lei-
der hat Tschackert auf dieser Grundlage nicht weiter ge-
baut, sondern mit Ausnalime derjenigen Partieen, iür welche
Lenz die Arbeit in seinen» Sinn schon gethan hatte (letzte
Zeit des Konstanzer Konzils), seinen Ailli wieder in der
engen Weise behandelt, die ihn wachsen, sich entwickeln,
wirken und kämpfen läfat nach Theorieen, die auf der Schul-
bank gezeugt sind; er hat diese Entwickelung verfolgt an der
Hand von Schriften, die doch kaum mehr sind als scho-
lastische, nach dem Zeitgeschmack aus philosophischen Prin-
zipien abgeleitete nachträgliche Kechtfertiguogen eines Han-
delns, fiir das sie nicht mehr Bedeutung gehabt haben, als
die Motive, welche etwa heutigen Tags in den liedcn des Zen-
trums vorgetragen werden, tiir dessen innere Politik besitzen.
So werden die Kämpfe lebendiger Interessen zu einem Sti'eit
228 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. I. MÜLLER,
um Theorieen herabgesetzt, und es ist deshalb ganz bezdch-
nend, wenn Tschackert den letzten Grund für Ailli's schillern-
des und stets wecliselndes Verhalten in den grofsen die
Kirche bewegenden Fragen in nichts anderem sieht , als in
seinem Nominalismus , der weder Gewilsheit subjektiven
Glaubens und die dadurch bedingte religiöse Selbständigkeit,
noch auch sichere kirchenpolitische Prinzipien habe auf-
kommen lassen, da ja die Geltung des historischen Rechts
von dem inhaltlosen Belieben Gottes abhängig seien and
darum alle unsere Theorieen nichts helfen. — Nun haben
auch Ailli und seine Genossen von Theorieen gewifs nicht
das HeU der Kirche erwartet, sondern vom Handeln. Sie
sind aber auch nicht solche Puppen ihrer Schulweisheit ge-
wesen. Oder sind etwa Theologen oder Philosophen, die
alles Geschehen in der Welt auf imabänderliches Natur-
gesetz oder auf GK)ttes überwältigende Kausalität zurück-
fuhren, eben darum konsequenter und starr gesetzmälkiger
in ihrem Handeln als andere, oder lassen sie sich durch
ihre theoretische Weltanschauung vom eigenen Handeln ab-
halten, alles Gtottes Wirken überlassend? Gottlob gilt das
Wort Fichte*s: „Von jeher ging es so mit den Spekulationen
der Idealisten und Skeptiker, dafs sie dachten wie niemand
und handelten wie alle'* nicht blols von diesen beiden Philo-
sophenklassen! Und gewifs gilt es von keiner Zeit mehr,
als vom ausgehenden Mittelalter: niemals hat die Theorie
das Hiindolu woniger bestimmt als damals, gerade weil man
alles mit aWüTÄktwi Deduktionen umspann, die sich gar
nicht am wirkUcJww LA^xm gebildet hatten und darum auch
nicht dio M<^h>hk^t U^^K^iu die Richtschnur des Handebs
AbÄ\^^'^Wn ^V ^*VN^i iwuwt Kmchtens zu den ersten For-
d<^m^^ wii^HNN^iMV^^ KvMf^'^huug* dafs man sich durch
!«i>JoV»<^\ N^V«»^ v^^^ i^^^l^b^ tuVl* s^mdem auf die Er-
kw^^w^* H^N»^ N>Ai*>N^ ux'^tn^ifeU^ IVRÜLtischen Motive aos-
^1 ^V^WvV^ ^ÜKx^^UvIUM ^uc Srfcücfete dt^ Dunkels und der
^-y^^^,^y^;^Viv*Ä sW* i^l^eifcLtmNöirtx Lebens nach der
i^VnV^Yr. y«Vr^ s^*»'^ Wii^^Uv^^ v,»i:^i^M[ritctt ^ vidüi*:> man damals im
H^StNv^^n ^s^vjfv^vM Ws^^ ^'^ ^»^'i A'Jtsfeif^ vwkehrte, handelte,
Nsy^N^V^ v^N^ vx^ IH^**^ J^' ^<i* ij^t^ytt TasT^, dafs die
ARBEITEN ZDR KIRCHENOESCH. DES H. V. 16. JAHRH. 229
titeresaen, welche damals das Leben belierrschteE, im ganzen
Beselben gewesen aiod wie in unseren Zeiten, nur dafs man
jutigen Tags eher einfach sagt, was man will, als damals —
ime Gewolinheit, der sich ja sogar das Zentrum und seine
Verwandten nicht immer ganz entzielien können. Die pö-
tischen Historiker sind denn auch längst im allgemeinen
iber diesen Grundsatz einig und nur wir unverbesserlichen
tbeoretiker von der Theologie halten immer wieder an der
■Iten Gewohnheit fest.
Obs alles hat schon Lenz in seiner eingehenden und
wertrollen Rozensioii ' gegen Tschackert eingewendet. Und
dafa man mit jener Fordening an die Geschichtachreibung
Kuch an diesem Punkt keine unbilligen Ansprüche erhebt,
dafür möchte ich nur einige Beweise hier anfügen, leb
k&na durchaus nicht sagen, dal's ich die Quellen dieser Zeit
vollständig durchforscht habe: ich habe auch in diesem be-
grenzten Umfang meine eigenen Untersuchungen noch nicht
auf die ganze Geschichte des ät^hismas und der Konzilien
ausgedehnt. Ich lege auch im folgenden einen Teil meiner
noch unfertigen Resultate nur darum vor, weil ich nicht
sobald auf dieses Thema zurückkommen werde und doch
vielleicbt einige Andeutungen zeigen können, wie reichlich
eich hier eine abermalige genauere Durcharbeitung lohnen
müfste *. KatUrlich beschränke ich mich auf einige Haupt-
punkte, und hebe mit absichtlicher Einseitigkeit die po-
litische Seite hervor. Ich meine dabei natürlich nicht,
dafs Ailli's Arbeit an der kirchlichen Reform nur im Dienst
des politischen Parteikampfs unternommen sei : es soll nur
darauf hingewiesen werden, wie sie in den letzteren ver-
flochten ist, sich teilweise auf seinem Boden abspielen mufs.
Schon die Darstellung in Schwab's Gerson, vollends
1) Revue Wstorique IX. 464 ff,
'/) Als Puiikte, die für eine uigcne Behandlung besonders dank-
bar wären, hebe ich zwei hervor; die Stellung der Universität Parii
lom Schisma uiid zu den politischen Parteien der Zeit und sodann:
das Verhältnis der beiden Bettelorden, Minoriten nnd Prediger, zu
denselben Zeil fragen.
330 KBITISGHB ÜBERSIGHTEK. L MOLLEB,
aber jede französische Geschichte, vor allem TieUeicht £e
von Michelety die ja zwar im einzelnen nicht mehr aof isx
Höhe der Forschung stehen mag, aber um so mehr in
der AufiGEissung der grofsen Entwickelungspunkte und der
ausschlaggebenden Faktoren ihre bleibende Stärke hat,
zeigt, dals die Geschichte des Schismas in engstem Zu-
sanmienhang mit den Parteiungen am französischen Hof
E^arl's VT., vorzüglich mit dem Gegensatz von Burgund and
Orleans zu behandeln ist Die ganze Bedeutung dieser Ver-
hältnisse für das Verständnis von Ailli's Wirken hat Tschackert
völlig verkannt: Orleans ist ihm ein Gönner, Burgund ein
erbitterter Feind. Aber warum, wird kaum gesagt, und
jedenfSEills kommt der Gegensatz der beiden Prinzen für die
Geschichte Ailli's gar nicht zu seiner Bedeutung.
Derjenige Punkt im Leben AiUi's, in dem die Bedeutung
der französischen Hofparteien zum erstenmal klar zutage
tritt, ist sein Kampf gegen den Dominikaner Johann von
Montson und dessen Leugnung der unbefleckten Cmpfimg-
nis der h. Jungfrau, sowie seine darauf folgende Ernennung
zum Beichtvater des Königs 1387. Dafs hier lediglich theo*
logische oder religiöse Interessen im Spiel seien, hat schon
Lenz für unmöglich erklärt; die Verknüpfung mit den po-
litischen Bewegungen ist denn auch klar genug. Die Kata-
Strophe der Dominikaner Mt beinahe zusammen mit dem
Sturz des Regiments der Herzöge von Burgund und Berry,
das seit dem Abgang Anjous bestanden hatte. An der
Spitze der Opposition, die in den Kreisen des niedem Adels
und des Bürgerstands ihre Anhänger fand, standen die Räte
des verstorbenen Königs Karl V. und nach dem geldrischen
Feldzug des Jahres 1388 setzen sie endlich ihre Absichten
durch: der König entläfst seine Oheime und räumt den
Häuptern der „ Marmousets '* die mafsgebende Stelle in sei-
nem Rat ein (Anf. Nov. 1388). Gleichzeitig mit, oder viel-
mehr schon etwas vor dieser Erhebung hat nun jener Streit
über die imbefleckte EmpfUngnis begonnen, in welchem die
theologische Fakultät gegen die Dominikaner steht. Es ist
der alte Streit zwischen Universität und Bettelorden, der
darin zum Ausdruck kommt; der aber schon einmal in den
ARBSTTEK ZUK KIRCHENOE8CH. DES H. IT. 1&. JABTRB. 231
let&ten Jahren (l 384) gerade an diesem Punkt durchgebrochen
war. Nun ist aber eben die Stellung der Dominikaner auch
darcb ihr Verhältnias zum Hof gesichert, an dem sie als
Beichtväter des KönigB und des Herzogs von Orleans wie
durch ihre Verbindung mit dem mafsgebenden Herzog von
Borgund eine bedeutende Holle spielen. Da bietet eben
das Auftreten Montson's den pasaenden Hebel. Die Agi-
tation der politischen Opposition verbindet sich mit der
Universität, und nachdem der Stura der Herzöge im No-
vember 13ö8 gelungen ist, liifat sich im Januar darauf auch
Riemens VII. bewegen , Montson's Sätze zu verdammen.
Daraufhin werden die Dominikaner von der Universität
auageschlossen und wird endlich der letzte Schlag damit
geführt, dafs es den Siegern im März 1369 gelingt, die
letzte Stutze der bisher herrschenden Partei den domini-
kanischen Beichtvater des Königs und ebenso den des Her-
zogs von Orl^na zu stürzen und ihren Wortführer in der
Emplangnisfrage, Ailli, an die Stelle des Dominikaners zu
schieben. — Tschackert sieht in diesem Streit über Monteon
Lediglich eine dogmatische Kontroverse, in der Ernennung
Ailli's nur die Wirkung des tiefen Eindrucks, den die Dis-
putation desselben mit Montson's Oesinnimgagenossen ge-
macht hat. Aber dals der Zusammenhang mit den politiachen
Dingen von mir nicht willkürlich ersonnen ist, mag sich auch
daran erweisen, dafs die Dominikaner immer wieder als die
entschiedensten Parteigänger Burgunds hervortreten und
überall sich Ailli entgegenstellen. — So hat man denn auch
damals in dem plötzlichen Tod des Erzbisehofs von Reims
i. J. 1390 das gemeinsame Werk des Burgunders wie der
Dominikaner gesehen ; denn der Erzbischof hatte sich ebenso
als Gegner der letzteren in der Frage der unbefleckten Em-
pfängnis, wie als Hauptperson beim Sturz der Herzoge er-
wiesen und eine hervorragende Rolle bei der königlichen
Reise in die Languedoc gespielt, deren Spitze sich gegen
die Mi fs wir tschaft des Herzogs von Berry kehrte.
Zeigt es sich so, dafs wir in AiiU ein hervorragendes
Mitglied der Partei zu sehen haben, welche sich überall
gegen das hurgundiache Regiment erhebt, das dem trän-
332 KRITISCHE ÜBEHSICHTEN. I. Ht^LLER,
zörischen Nationalinteresse widerstreitet, so wird diese Hal-
tung yermutlich auch in seiner kirchenpolitischen Stellung
zutage kommen. Wenn Tschackert freilich Recht hätte, so
wäre hier Ailli lediglich von seinen theologischen und dog-
matischen Ansichten über das Wesen der E[irche und die
Stellung des Papstes in ihr geleitet gewesen, — obwohl ilim
auf dieser Grundlage immer noch die verschiedenartigsten
praktischen Entschlüsse und mehrere erhebliche Schwan-
kungen möglich gewesen wären. Lenz ist ihm auch hier
mit Recht entgegengetreten.
Einschneidend ist hier vor allem der Übertritt AiUi's zu
Benedikt XIII. und seine Ernennung zum Bischof von
Cambraj. Dafs bei dem ersteren Schritt Ailli durch die
aufrichtige Verehrung geleitet worden sei, die er bei näherem
Kennenlernen für Benedikt gefafst habe (Tschackert)^ halte
ich fUr die denkbar imwahrscheinlichste Erklärung: ich
suche sie vielmehr in den politischen Parteiverhältnissen.
Wir verdanken der trefflichen Abhandlung von Th. Müller
(Nr. 7) ^ die Erkenntnis, dafs Burgund's Eirchenpolitik von
Anfang an selbständig durchaus im Interesse seiner Haus-
politik und darum in anderen Bahnen als die der französischen
Regierung unter Karl V. und Anjou, aber auch als die der
Pariser Universität sich entwickelt habe : Burgund bedarf der
Vereinfachung der kirchlichen Lage dringend im Interesse
seiner eigenen Macht. Der Ausbruch der Geisteskrankheit
Karls VI. 1392 verdrängt die Marmousets und stellt den
Herzog wieder an die Spitze der Regierung. Nim aber kreuzt
sich bei diesem die bisherige durchaus avignonesische Hal-
tung des französischen Königtums seit Karl V. mit derjenigen
seiner eigenen flandrischen Erbschaft, die mit gröfster Ent-
schiedenheit zu Bonifaz IX. hält und ohnedies im G^en-
satz gegen Burgund mit dem gleichfalls römischen England
in engster Interessengemeinschaft steht. So benützt denn
Philipp seine Stellung als Leiter der französischen PoUtik,
um die Herstellung der kirchlichen Union durchzusetzen.
1) Der Name des Verfassers ist auf dem Titelblatt nicht genannt,
ich entnehme ihn aus der Arbeit yon Erler (Nr. 21).
ASBETTEK ZUR KIRCHENGESCH, DES H. ü. 15. JAHBH. 233
Es ist wiederum ein Verdienst Th. Müller's, nachgewiesen
KU haben, dafs Burgiind liier durchaus nicht toh den längst
wiederholten Vorstellungen der Universität geleitet worden
JBt, aondem nur diese für seine Zwecke ausgenützt hat, so-
fort aber auch über ihr Programm hinausgeht, sofern er
der Forderung freiwilliger Abdankung beider Pftpste nicht
den Schiedsspnich oder den doch nur zaghaft vorgetragenen
Gedanken eines Konzils zur Seife stellt, sondern kurzweg
das Dilemma so formuliert : entweder freiwillige Abdankung
oder erzwungene d. h. Aufkündigung des Gehorsams von-
seiten aller beteiligten Mächte.
Nun erfolgt aber im September 13J)4 der Tod Kle-
mens' VTI. Daraufhin vereinigen sich alle Parteien, Hof
und Universität zu gemeinsamen Vorstellungen bei den
Kardinälen, um eine Neuwahl zu hindern. Als Gesandte
an ihn werden vorgeschlagen der Patriarch von Alexandrien
Simon Cramaud, und Ailli. Die Wahl ist verständlich;
jede Partei wünscht eine ihrer Hauptpersonen in die Ge-
sandtschaft zu bringen: Cramaud ist die „ Vcrtraueneperson,
wenn nicht der Bevollmächtigte des Herzogs von Burgund ",
er hatte die ganze Sendung angeregt. Ailli aber ist Vertreter
der Gegenpartei. Aber seine Wahl wird durch den Herzog
von Berry verhindert: Ailli's Stellung am Hof ist natürlich
seit dem Sturz der Marmousets, denen er sein Emporkommen
vordankt, und seit dem Wiederaultreten der Herzöge unter-
graben. Doch ist der König in den nächsten Jahren im-
mer noch mit Unterbrechungen im Stand , eigene Ent-
scbliefsungen zu treften, und daher dem burgundiachen Ein-
flufs nicht völlig hingegeben. Diesem bietet vielmehr eine
Partei die Spitze, als deren Haupt schon damals der Herzog
von Orl<5ans hervorzutreten beginnt. Der Gegensatz beider
Parteien ist keineswegs durch die kirchliche Frage beherrscht,
er ist vielmehr auf anderem Gebiet erwachsen '. Aber er
erpreift dieselbe und zieht sie in sich hinein, und aufser-
dem sind thatsächlich die beiderseitigen politischen Interessen
1) Vgl. darüber die ausgezeichnet klaren Darlegungen i
clet 4, 99ff.
234 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. I. MÜLLBB,
an derselben derart^ dafs die Gegensätze durch sie yerscli&rfi
werden. Indem die burgundische Macht in einer für Frank-
reich immer bedrohlicheren Weise sich entwickelt, die ganze
französische Nordost- und Ostgrenze umschlieist, eine An-
zahl der diese Grenze beherrschenden festen Plätze und
Häfen erwirbt^ mit England, dem alten Gegner Frankreichs,
durch Flandern in nächste Interessengemeinschaft gebracht
wird und da zudem Herzog Philipp als der zeitweise Leiter
der französischen Politik die Mittel der französischen R^ening
im Dienst seiner burgundischen Hausmacht verwendet| sieht
sich die orl^nistische Partei in ihrem Widerstand gegen diese
bedrohliche Entwickelung naturgemäfs genötigt, alle Mittel
heranzuziehen y die Frankreichs innere Stärkung zu fördern
vermögen. Sie kann daher auch unmöglich auf das Bündnis
mit dem spezifisch französischen Papsttum von Avignon
vemchten imd schliefst sich darum im Gegensatz gegen
Burgunds Unionspolitik um so enger an Benedikt an ^.
Man hat nun, wie ich glaube, Ailli's Stellung zum Papst-
tum hier zu plötzlich umschlagen lassen und diesen Um-
schlag — so eben Tschackeii; — lediglich an die Sendung
Ailli's an Benedikt XIII. (Ende 1394) angeknüpft. Allein
die Thatsache, dafs Ailli schon von Klemens VH. die Dom-
propstei Cambrai übertragen und das Bistum Laon wenig-
stens angeboten erhalten hatte (Tschackert 84) , sind doch
Spuren einer schon länger andauernden Verbindung mit
Avignon *. Wenn dann Ailli von jener Sendimg an Bene-
1) Dieser Gegensatz der Substraktionspolitik Burgunds und der
avignonesischen Orleans zieht sich denn auch gauz beharrlich durch
die Jahre bis zum Pisaimm hindurch. So oft die Forderung der
Substraktiou auftritt, findet sie sich vertreten durch die Orgaue Bur-
gunds; wo sie bekämpft wird, geschieht es durch Anhänger der or-
l^anistischeu Partei.
2) Ich verkenne dabei nicht, dafs es gerade der Eiuflufs des
Herzogs von Berry, damals noch Freundes Beucdikt's XIII. ist, der
Ailli von der oben erwähnten Gesandtschaft ausschliefst. Aber es
handelt sicli dabei otTenbar um Fernhaltung eines Mannes der an-
dern Hofpartei. Die kirchliche Stellung Ailli'ß braucht in dieser
Zeit, da sich die Gegensätze erst herausbilden, gar nicht allgemein
AHBEITEN ZUR SUtCBENGESCH. DES U. C. 15. JAHHH. 23&
dikt Xm. Ende 1394 zurückkehi-t und nur die freiwil-
lige Abdankung beider Päpste ah den einfachsten Weg zur
kirchlichen Einheit empfiehlt, so wirft daa eben ein Licht
auf den Sinn, den man hier mit dieser freiwilligen Ceasiou all-
mäblich verbindet. Diese ist ja jetzt auch das Programm
der Kurie von Avignon selbst. Denn man weifa hier ganz
genau, dafs man die AuBluhrung desselben niemals zu be-
fürchten habe. Das nuifste man abej- in Paris ganz genau
ebenso gut wissen. Und darum ist es auch nicht richtig,
wenn Tschackert 91 meint, das Jvationalkonzil vom Februar
1395 hätte sich mit grofser Majorität iur AiUi entschieden.
Hört man freilich nur, dafs es sich für die via ceBsionis
entschieden habe, so scheint dies der Fall gewesen zu sein.
Aber da daa Konzil unter der Leitung Cramauds gestanden
und nach i-eif lieber Beratung „einmütig" eine Denkschrift
redigiert hatte, welche die Norm für eine Gesandtschaft
an Benedikt abgeben sollte, bo wird die wahre Meinung der
SIehrheit dieser Denkschrift zu entnehmen sein. Hier aber
war der Forderung der freiwilligen Cession beinahe die
Hauptsache angeiugt, nämlich die Erkläi'ung, dafs wenn
der Papst keinen prompteren M'cg vorzuschlagen wiifste,
als die beiderseitige Abdnnkimg, dann zu vermuten stunde,
dafs der König diesen AN'eg auf jede \A"eise bei Königen,
Fürsten und Unterthanen der beiden Obedienzen beti-eiben
und nicht ruhen würde, bis er ihn durchgesetzt, und dafa
er, falls der Papst die Cession ablehnte, sich abermalige
Mafsn ahmen vorbehalten würde. Hier war also mit der
Forderung der Cession völlig Ernst gemacht und damit der
Gedanke der burgundischeu Politik zm- Annahme gelangt
(Th. Müller 12) mid Th, Müller weist des näheren nach,
wie sich Biu'gund in den nächsten Jahren immer wieder
an die Durchlührung dieser Absichten gemacht hat.
Bei dieser Anschauung gewinnen aber auch die Be-
mühungen um die Uuiou im Jahr 1398 und die Beteiligung
Ailli'a daran ein etwas anderes Aussehen. Die Zusammen-
bekaont gewesen pdfr wcuigstetis uicbl bcriieksicUtigt irordcij
236 KBITISCHE ÜBERSICHTEN. L MCLLEB,
kunft von Reims zwischen Karl VI. und Wenzel im Harz
1398 hat zwar ohne Zweifel den Erfolg gehabt, dals man
von beiden Seiten die Betreibung der Cession beschlossen
hat (s. Lindner II; Beil. 24 und Th. Müller 21). Aber wem
Lindner von Wenzel die begründete Ansicht hat, d&b es
ihm durchaus nicht sehr ernst mit dieser ,, Betreibung'' ge-
wesen sei, so gilt ganz dasselbe auch von Karl und den
Gesandten beider Könige; AillL Hat doch die Zusammen-
kunft unter dem entscheidenden Einflufs des Herzogs von
Orions gestanden^ der in diesem Augenblick, da die Krank-
heit des Königs eine längere Unterbrechung erfuhr \ dessen
Ohr besafs und die Verhandlungen mit Wenzel selbst leitete^
während Burgund gar nicht anwesend war. ^Ebenso ist
aber auch Ailli's Verhalten zu deuten: bei der ersten Er-
klärung Benediktes, ohne seinen Kollegen nicht abzudanken,
ist der ganze Versuch sofort zu Ende. Die Reise nach
Rom, die Tschackert aus Froissart aufnimmt, hat Ailli gaxu
gewifs nicht gemacht '. Diese Art von Einigungsversuchen
mufste also Benedikt eher in seinem Vorhaben bestärken,
und schon deshalb war es nicht umsonst, wenn sich Ailli
gerade auf dieser Reise den Nachstellungen Burgunds ent-
ziehen mufs (Tschackert 101 und 102).
Der Wiederausbruch der Krankheit des Königs, der am
Schlufs der Tage von Reims erfolgt war *, läfst den bur-
gundischen Einflufs wieder obenauf kommen: das National-
konzil vom Mai 1398 wählt wieder Cramaud zum Vor-
sitzenden und beschliefst die Substraktion. Seine Verhand-
lungen sind aber auch ein interessanter Beleg für die wahren
Bestrebungen derjenigen Partei, welche die fipeiwillige Cession,
aber nicht mehr, verlangt Es giebt immer noch eine durch-
aus avignonesische Partei; aber sie darf es nicht mehr
1) Chron. du Rel. de St. Denis II, 570.
2) 8. Lindner, Beil. 24, wozu ich noch den ganzen Charakter
von Froi8«art*ß Bericht betone, von dem Tschackert seihst alle mög-
lichen Stücke abweisen mufs. Treffend ist die Kritik, die Tschackert
dabei (S. 103, n. 1) an den damals von Ailli angeblich gehaltenen
Reden übt, die schon Verwirrung genug angerichtet haben.
8) Chron. du Rel. de St. Denis II, 570. 578. 582.
ABBEITEK ZDB KUUJBENQEäCU. DEÜ li. U. IS. JäMBH. 237
wagen, die CesaioaBfurderung überhaupt zu verwerlen. S^e
muTa sich daraul bescLränkeo, Mafsrcgeln vorzuschlagen,
deren Ausaichtslosigkeit sie kennt: nochmalige Aiü'forde-
ruQg Benedikt'» und dann die Berufung eines Kunzils der
ganzen Übedienz. Orleans giebt noch weiter nach: er ist
bereit, der Weigerung Bcuedikt's mit Substraktiun und An-
wendung von Oewalt zu begegnen, nur will er vorher eine
nochmalige Aufforderung an den Papst ergehen lassen. Die
Annahme, dafs er dies ernstUcli gewollt, wurde sowohl seinem
bisherigen wie seinem künftigen Verhalten widersprechen.
Offenbar denkt er nur Zeit zu gewinnen, bis günstigere
Verhältnisse, huhtc Stunden beim König u. ä. wiederkehrten,
im Notfall aber die Anwendung von Gewalt in seinem Sinn
zu handhaben. In der That wird Orleans' Vorsclilag vom
König angenommen, und nun Ailli mit der friedlichen Sen-
dung ', der Marschall Boucicaut mit der etwaigen Exekution
beauitragt. Aber ehe die letztere durchgeführt war, machte
sich in der That der Einflufs Orleans in einer Weise gel-
tend, die mit der Erleichterung der Einschliefsung des
Papstes begann und mit seiner von Orleans begünstigten
Flucht, sowie mit der erneuten Unterstellung Frankreichs
unter ihn endigte am 29. Mai X40J — ein vollständiger Sieg
Orions, der bezeichnenderweise wiederum mit einer zeit-
weisen Gesundung des Königs zusammcutallt '. Dafs man
aus dieser Zeit wenig von Ailli hört, ist kein Grund, an
seiner Teilnahme an diesen Vorgängen zu zweifeln: in den-
I 1) Froiasart'H Bericlit über dieselbe ist aber biei ebenso gcwib
Phaatasieprodukt wie die von ibtn mitgeteilte Rede des Jahres 1394.
2) Vgl. Kel. do Sl. DyniB III, 62, wo das Hin- und Herwegen
der Parteien über diese Frage geschildert und berichtet wird, wie
durch die persönliche Entscheidung des Königs, der Ende Februar
1403 aus lÜQgerem Zustand der Gcistcsuinuachtung erwacht war, die
Berufong der hoben Kronvasallen und der Keichssynode bcschlossea
wird. lU, 76 erzählt er dünn von einem neuen Anfall, der aber
Ende April wieder aufhört, so dafs der König in der That die Zeit
der Synode über selbst au den Geschäften sich beteiligen kann und
die Entscheidung der Synode schliefslich durch Orli^ans ausdrücklich
„im Eiuveratiinduis mit dem König" herbeigefübrt wird (UI, 90).
388 KRinSCHB ÜBEBStCHTEir. I. UÜLLBM,
selben Wochen, da Orleans mit der Aufhebung der Sub-
straktion den entscheidenden Sieg errang, hat Ailli in sä-
nem Testament iür den König sowie für ,, seinen wahren
Herrn'', den Herzog von Orlöans, Seelenmessen gestiftet
(20. Juni 1403; s. diese Thatsache bei Tschackert 119,
Nr. 3) K
In diese politischen Gegensätze hinein hätte nun selbst-
verständlich auch AiUi's Erhebung zum Bischof von Cambru
gestellt werden müssen. Woher schreibt sich denn die Wnt
Burgunds über Ailli's Ernennung? Woher die immer wieder
kehrenden Nachstellungen? Warum ist der Herzog Ailli's
„Feind''? Die Diöcese Cambrai gehört ihrem grölsten Te3
nach zum Erbgut des Sohnes Philipp's und hat sich bis
dahin als eine Insel in der römischen Umgebung beim
avignonesischen Papsttum gehalten. Nun da die Crledigong
eintritt, mufs es natürlich des Herzogs erstes Bemühen sein,
diesen avignonesischen Keil aus seinem Land hinauszutreibeD
und nach Cambrai einen der Union im burgundischen Sinn
geneigten Bischof zu bringen. Ebenso aber muls natürlich
der avignonesischen Partei alles daran liegen , diese henne-
gauische Stellimg um jeden Preis zu retten. Dafs gerade
Ailli dazu erwählt wird; der hervorragendste geistliche Ver-
treter der orläanistisch-avignonesischen Richtung^ hat diesen
Schlag fiir Burgund nur um so empfindlicher gemacht
Aus dem weiteren Verlauf bis zum Pisanum hebe ich
nur noch eines heraus. Der Tod Herzog Philipp's (April
1) Noch füge ich hier einen Zug an, welcher von Tschackert
nicht verwertet, das nahe Verhältnis Ailli's zu Orleans beleuchten kann :
die gemeiDsame Freundschaft der beiden mit den Pariser Cölesti*
nem und i leren Gönner und Gast, späterem Mitglied, Philipp yon
Maizi^res Verfasser des Somnium Viridarü (vgl. für Orleans Mi-
chelet 4, 142f. 154 n. 1, für Ailli Tschackert 142-144 und
S. 42 n. 3). Maizi^res gehört zu jenen Räten Karl's V., die dem
Begiment der Herzöge von Burgund und Berry von Anfang an ent-
gegentreten und als „ Marmousets *' ein zeitenweises Ende bereiten.
Über Maizi6res Devotion zur unbefleckten Jungfrau Maria s. meinen
Aufsatz über das Somnium Viridarii (Zeitschr. f. Kirchenrecht XIY, 2
im S. A., S 35).
^BBITEN ZUK KIBCHEKQEäCH. DES 14. U. 15. JAHRH. 339
1404) schien zunächat Orl&ina' Stellung nur befestigt zu
h&ben. Allein der wachsende Widerapruch gegen seine Re-
gierung zwingt ilin achlleislich, zu. weichen und dem jungen
Herzog Johann von Burgund Platz zu machen. Im Zu-
sammenhang damit gewinnt auch aotbrt die Substraktion
neuen Anhang, und im Januar 1407 wird sie durch das
Nationalkonzil beschlossen. Noch wird ihre Auaftihrung
zurückgehalten (bis Mai 1408) und wiederum tritt Ailli mit
der orliianistiachen Partei für Benedikt ein, bis die Er-
mordung Orleans', im November 1407 seine Partei fiir einige
Jahre zersprengt und die Haltung Benedikt's aelbst schliefs-
lich, insbesondere seine unkluge Bulle gegen Karl VI., auch
Beine ehemaUgen Anhänger mehr und mehr davon überzeug^
dala mit ihm nicht weiter zu kommen ist. So tritt denn
achliefalich auch Ailli, noch vor kurzem eine Art Märtyrer
aeines Benedi ktinertums, zurück, ohne doch eine andere ent-
schiedene Stellung einzunehmen: es fehlt ihm offenbar die
maßgebende politische Person und Partei, an die er sich
halten kann. Er schwankt hin und her und verdirbt es
auch mit seinen alten Parteigenossen. Aul' dem Pisanum
hat er schon deshalb ebenso wie Gerson gar keine Rolle
gespielt, weil das Konzil ganz im burgundischen Sinn ge-
leitet war. Erat zur Zeit des Konstanzer Konzils, da er
inzwiachen Kardinal und auch die politischen Verhältnisse
Frankreichs wieder klarer geworden waren, finden wir ihn
wieder in die öffentliche Thätigkeit einti-eten, wiederum, wie
sich zeigen wird, als einen der Haupttuhrer der antiburgun-
dischen Partei V
Es iat dies der geeignete Ort, einen Augenbhck auf die
Stellung der Universität zu den politischen Parteien
und zum Schisma einzugehen und wenigstens einige Punkte
davon anzudeuten.
Wie eng auch ihre Stellung zum Schisma mit den na-
1) Über Ailli's Legatiou in Nioderdeutachlaiid und bgIdc Stellung
zu den WindeBheimerii (Tachackert 174) a. jetit die Regesten
seiner Urkunden aus dem Jnhre 1413 bei Acqiioy, Het klooBter te
WindeBheim etc., be». 111, 282—287.
ä40 KRITISCHfi ÜBERSICHTEN. I. MÖLL^
tionalen und den politischen Parteien verwachsen ist, ergiebt
sich schon aus der Thatsache^ dals von den vier Nationen
der Artisten gerade diejenigen, deren Heimatländer zum
röntischen Papst stehen, die Deutschen mit den Engländern,
und die Pikarden (Nordfrankreich und vor allem Flandern)
sich um keinen Preis dem französischen Papsttum, das ihnen
au%edrungen werden soll, fUgen und lieber die bekannte
Sezession des Jahres 1381 unternehmen.
Viel deutlicher wird diese Verwachsenheit mit den po-
litischen Parteien, sobald der Gl^ensatz von Bui^und and
Orleans aufüiti Schon Lenz hat in seiner Rezension darauf
au&Qierksam gemacht, dafs man die politischen Parteünteressen
nirgends so durchsichtig vor sich habe, als in dem Streit
über die Thesen Petits. Das gilt nun auch für die Stellung
der Fakultäten: wie im Jahre 1405 der junge Bui^gund dss
Übergewicht brechen will, das Orleans nach Herzog Phiüpp's
Tod erlangt hat, gesellen sich zu ihm von der Universität
aulser dem Rektor auch eine grofse Menge Doktoren und
Magister in beiden Rechten ^ — Bei den Verhandlungen
über die Substraktion, die durch Burgund sofort wieder in
Flufs kommen, erklärt sich die nunmehrige Majorität der
Universität für dieselbe: ihr Wortführer ist der fanatische
Parteigänger Burgunds, Jean Petit von der theologischen
Fakultät Gegen diesen Beschlufs der Universität hält nun
Ailli auf dem bald darauf folgenden Nationalkonzil eine
Rede, die auch Tschackert im Auszug mitteilt (S. 124).
Ihr Kern ist: die Gesamtheit der Universität habe gar kein
Recht gehabt, über diese Frage zu verhandeln. Man hätte
das der theologischen Fakultät überlassen sollen. Denn
zur Begründung des Substraktionsvotums habe man den
Papst für einen Häretiker erklärt. Zu einer solchen Er-
klärung aber sei die Dekretistenfakultät am wenigsten,
vielmehr ausschliefslich die theologische berechtigt — Wird
man nun in diesen Ausführungen ledighch das Standesgefuhl
des alten Theologieprofessors erkennen und nicht vielmehr
Lenz recht geben, der in diesen Kompetenzstreitigkeiten
l) Chron. du Rel. de St. Denis III, 296.
ARBEITEN ZCK KIRCQEKOESCH. DES H. V. 13. JAHBH. 241
lediglich eine Verhüllung anderer Gründe sieht und diese
letzteren in den ParteiverhaltniBsen der UniverBität sucht?
Diese treten aber auch last handgreiflich hervor. Die De-
kret! sten Fakultät* ist — vgl obige Nachricht aus dem Jahre
1405 — der Herd der burgundischen Partei; in der theo-
logischen Fakultät dagegen überwiegt, sobald man nur die
entschiedenen Parteigänger ansieht und die mit den wech-
selnden Verhältnisien schwankenden Personen aulser Be-
tracht läTst, die orl^aniatischfl '. Wie dann später, 1413,
die orläanistisch-armagnakische Reaktion ertolgt und im Zu-
Bammenhang damit die siegreiche Partei sofort die Verdam-
mung der Sätze Petit'» einleitet, schiebt sie die Universität
in den Vordergrund. Hier aber schliefsen sich nun die
Theologen mit der tranzösischen Nation der Artisten unter
Gerson zusammen, um die Verurteilung zu vollziehen; und
um die Entscheidung der theologischen Fakultät zuzuwen-
den, stempeln sie den Streit zu einer rein theoretischen,
dogmatischen Frage und lassen alles Personliche aus dem
Spiel. Dabei Bnden sie aber den schroffen Wideretand der
Dekretisten und der pikardischen Nation, derselben, in wel-
cher schon 1382 das flandrische Interesse mafsgebend ge-
vesen war und die seither noch unbedingter auf diesem
Standpunkt festgehalten worden ist durch die Stärkung der
burgundischen Stellung Im Norden Frankreichs, zumal im
jetzigen Augenbhck, da in dem grofsen Kampf zwiacheo
Burgund und der armagnakischen Partei der Norden Frank-
reichs dem Süden und Osten in wildem Hafs gegenüber-
stehen *. Mit den Dekretisten und Pikarden verbindet sich
1) 1d dem vorliegenden Fat] ist fireilich auch bei den Theologen
eine Majorität von 42 gegen 27 Stimmen im Sinn der burgundi schon
Politik zustande gekommen. Aber die Bedeutung dieses VerhiOt-
nissee schwindet völlig, wenn man bedenkt, wie abhängig von den
wechselnden Parteiherrschaften sich ein gTofser Teil der Professoren
Oberhaupt erwiesen hat und wie viele namentlich bei dem entschieden
ausgesprochenen Willen des Königs weggeblieben sein mögen.
2) Nur bei der Wiederherstellung der Obedicoz Beoedikt's im
Jahre 1403 haben sich die Pikarden zu den Franzosen hinüberziehen
laifn, während die Noimannen bei der Substraktion blieben und die
843 KRITiaCaBB 0BER8ICHTEK. L HOLLSB,
dmnn eine IGnorität von Theologen, nm mit jenen die Auf-
achiebong jeder Entscheidang über diese Sache oder ihre
VerweiBang an den Papst, ein allgemeines Konzil oder an
die hohen weltlichen G^chtshöfe durchzosetBen — und
deshalb bleiben sie mit allem Eifer dabei, dafs es sich nicht
nm eine dogmatische Lehre sondern um Personen, vor allem
den Herzog von Burgond handle; oder sie verlangen we-
nigstens die Behandlung der Angelegenheit durch Kom-
missionen, die nicht blofs aus Theologen, sondern auch aus
Dekretisten beständen. Gerade das Übergehen der letzteren
wird immer wieder hervorgehoben. Liegt hier nicht deut-
lich der Eounpf zweier groben Parteien vor, von denen jede
die ^^ache vor ein Forum bringen will, von dem sie selbst
nichts, die Gegenpartei aber womöglich die sichere Ve^
urteilung zu befürchten hat? Mit anderen Worten: ist hier
nicht Uar, dafs die Majorität der Theologen wie der fran-
zösischen Nation in den Händen der orlöanistisch-armagiia-
kischen Partei, die der Dekretisten sowie der Pikarden in
denen der burgundischen sind? Es ist dabei nicht einmal
mehr nötig, besonders zu betonen, dafs die Dekretisten wie
die Pikarden in ihren Beschlüssen die enge Freundschaft
hervorheben, die sie von jeher mit Burgund verbunden habe.
Aber es ergänzt das ganze Bild^ das diese Thatsachen
bieten, wenn man hört^ dafs der König am 19. November
1414 der Universität befiehlt^ den Widerspruch, der sich in
ihrer Mitte gegen die Verurteilung Petit's regt, nicht zu
dulden, nur Abgeordnete von durchaus sicherer Haltung in
dieser Frage nach Konstanz zu schicken und ihnen sogar
einen Eid abzunehmen ^ der nach dieser Seite Bürgschaft
gebe ^ ; und wenn nachher der König selbst das Haupt der
antiburgundischen Partei an der Universität, Gerson, zum
I>eut8chen (Engländer) sich in dieser Angelegenheit, die nur Frank-
reich anging) neutral hielten (Rel. de St. Denis III, 94). So iiat also
auch bei dieser aus verschiedenartigen Bestandteilen zusammengeseti-
ten pikardischen Nation die gleichgültige oder unselbständige Schichte
mit der augenblicklich siegreichen Partei gestinunt.
1) Opp. Oerson. V, 888.
343 ^^M
ings gar ^^M
Üb , daTe ^^H
ARBEITEN ZUR KIKCHEKOESCH. DES U. IF. 15. JAURH.
Qeaandten am Konzil emeniit. Und es ist allerdings
nicht ohne Bedeutung fiir den Gang des EonzilB,
dasselbe von Frankreich aus in diesem Sinn beschickt war.
Nachdem dann die Verurteilung der Sätze Petit's in Paris
durch das bischöfliche Gericht, den Inquisitor und eine An-
zahl theologischer Professoren vollzogen war , bringt die
burgusdleche Partei die Sache auch noch vor das Kon-
Stanzer Konzil, und abermals werden von beiden Seiten die
alten Kunstgriffe gegen einander ausgespielt: von burgun-
discher die Behauptung, dafs es sich um die Person des
Herzogs handle und dafs darum das Pariser Gericht in-
kompetent gewesen, vonseiten der Gegner insbesondere Ger-
Bon's und Ailli's, dafs es eich lediglich um eine dogmatische
Frage bandle, bei der die Personen vollständig aus dem
Spiel bleiben, — ein Sachverhalt, den freilich Tschackert,
wie schon Lenz hervorgehoben, total verkennt und meist
geradezu ins Gegenteil verkehrt, und .dem gegenüber er
Ailli eine Rolle andichtet, die dieser nimmermehr gespielt
hat >.
Um nicht zu auafiihrlich zu werden, breche ich hier ab.
Man könnte aber in dieser Weise noch lange fortfahren
und würde doch immer wieder das Ergebnis erhalten, dafs
man Ailli's Wirksamkeit nur auf dem politischen Boden
seiner Heimat verstehen lernen kann. So allein gewinnt
sein Bild auch einen einheitlichen Charakter, der ihm bei
Tschackert völlig fehlt. Weil er hier im ganzen immer
nur nach der einzelnen Handlung beurteilt und auch diese
in keinen gröfseren Zusammenhang gestellt wird, so erscheint
er bald als der „energische Professor", oder „der mutige
Professor" oder wird bald seine reine Selbstlosigkeit, sein
schonungsloser Mut, seine Offenheit und sein Idealismus ge-
rühmt, bald zeigt er sich in einem Licht, in welchem von
allen diesen Eigenschaften auch nicht das Mindeste erscheint.
Und auch die Schlufscharakteristik geht doch über jene
Aufgabe einer einheitlichen Erfassung glatt hinweg.
1) Das ist um »o mehr zu verwundern, als Schwab die Sache
in ihren Haoptaiigau sclioa volbtändig zutieSeud dargestellt liat.f:.
2ii K£1T18CH£ ÜBEB8ICHTEM. L iCÜLLEE,
Glücklicher ist Tschackert in der Sammlung der nocb lii
ungedruckten Werke Ailli'a gewesen. Er hat hiervon im jü
Anhang eine reiche Sammlung veröffentlicht (15 Nummern,
53 S.) imd ihnen manche wertvolle Notiz fiir die Bi(^raphie
wie die litterarische Kritik der Werke Ailli's entnommen.
Auch inbezug auf die letztere hat er manche wertvollen Re-
sultate gewonnen (s. unt) imd schlielslich in einer dankens-
werten Tabelle S. 348—366 die Werke Ailli's und ihre
Drucke zusammengestellt^ Echtes und Unechtes scheidend.
Die publizistische Litteratur^ welche im Zu-
sammenhang mit Schisma und Konzil erwachsen ist, hat
überhaupt mehrere wertvolle Arbeiten auf sich gezogen. Sie
haben sich insbesondere um Dietrich von Niem ge-
sammelte Den Grund hierzu hatte Sauerland's Disser-
tation (Nr. 8) gelegt, in welcher der bodenlosen Willkür
und der ungeheuerlichen Tendenzkritik der Jesuiten Dam-
berger imd Schüz, welche natürlich lediglich den unbequemen
Nachrichten eines so nahen Beobachters über das Treiben
der Kurie galt, entgegengetreten und das Leben wie die
litterarischen Arbeiten Dietrich's auf sichereren Boden ge-
stellt wurde. Nach ihm sind dann aber erhebliche weitere
Fortschritte gemacht worden. Die Frage, ob Dietrich wirk-
lich Bischof von Verden gewesen sei, hatte Sauerland, wenn
auch nicht unbedingt, bejaht und später g^en Lorenz noch
einmal verteidigt *. Er hat darin in Krause einen Bundes-
genossen gefunden (Nr. 9 und 10), der schlielslich auch aus
der inzwischen gedrucken Matrikel der Elrfurter Upiversität
den urkundlichen Beweis dafür geliefert und aus denselben
Akten auch das weitere Amt Dietrich's^ das eines erzbischöf-
lich mainzischen Kanzlers nachgewiesen hat Bischof im
vollen Sinn ist allerdings Dietrich nie gewesen, sondern nur
1) Die Arbeit tod Gobel: ^Wilhelm twi RaTensberg und €ro-
beUniis Persona. Ein Cresehichtsbikl ans den Zeiten des iMipstlichen
Schisma'' ^Jahn^sb. des histor. Vereins für Minden nnd RaTensbeig.
Bielefeki 1877^ habe ick nicht erhalten können. Es seheint darin be-
soiiden das Reiv\nnprogrmnun dieses sw>eiten westfälischen Publiaisten
atts der Zeit des Schisaouii behand^ in sein.
:i) Pick*a Monataehr. U, 44S.
ARBEITEN ZUR KKCHENOESCH. DES 14. U. 15. JAHRH. 245
„ Erwählter": er hat auch bald auf das Bistum, dag er ledig-
lich als päpstlicher Kanzleibeamter durch Provision erhalten,
wieder verzichten müssen, weil er zu starken AViderstand ge-
funden hatte. — Sodann hat Th. Lindner (Nr. 11) Mittei-
lungen über Dietrich's handschriftliche Werke „De stilo" und
„ Läber cancellariae" gemacht : ersteres (Cod. lat. Monac. 3063)
eine kurze Übersicht über das Verfahren und den GeschäftB-
gang beim aacrum palatiura und Tür den Gebrauch der prozes-
sierenden Parteien verfafst; das zweite von Dietrich's eigener
Hand geschrieben und ausHchhefslich zum Handbuch fiir päpst-
liche Kanzlei beamten besdnimt, auch die Kanzleiregeln seit
Johann XXII. enthaltend. Aus der ersteren Schrift ergiebt sich,
dafs Dietrich schon unter Urban V. (1362 — 1370) als Notar
beim Sacrum palatium angestellt war und zwischen 1378 und
1380 Abbreviator der päpstlichen Kanzlei geworden ist.
Weiter hat Lindner Dietrich's Mitwirkung in einem Prozefs
der Stadt Dortmund geschildert und endlich die Schrift
„Privilegia aut jura imperii" genauer datiert und den Ur-
sprung der darin enthaltenen Anschauungen und Daten
untersucht. — Ho üben (Nr. 12) teilt aus dem Nachlafa
des verstorbenen Vorstehers der Anima in Rom, deren Mit-
begründer Dietrich gewesen ist, eine Studie mit, welche ihn
gerade im Verhältnis zu dieser Stiftung, namentlich seine
Fürsorge fiir deren Vermögen behandelt und sich auf das
urkundliche Material des Hospizarchivs gründet '. — Der
Jesuit Rattinger (Nr. 13) scheint zwar wieder Lust zu
haben, in der Art seiner Ordensbrüder Dietrich's Schriften
„De schisniate" und „Nemus unionis" f^ Fälschungen der
Protestanten des 16. Jahrhunderts zu erklären, wagt es aber
doch nicht mehr gerade heraus zu sagen. Über die von
ihm neu entdeckte Schritt a. diese Zeitschrift VTI, 337,
Nr. 36. Er weist bei dieser Gelegenheit auch eine Anzahl
Handschriften zur Geschichte des Schismas und des Baseler
Konzils nach und vermehrt die von Sauerland und Lindner
gesammelten Subskriptionen Dietrich's in päpsthchen Bullen. —
1} Das Konfratemitütabuch der Anima h. im dritten Teil dieser
Übeidclit.
S46 KBITI8GHE ÜBEBffiGHTBU. L ICOLLBR,
Die Geschichtachreibang Dietrich's wird geprüft in den nodi
itt besprechenden Arbeiten von Hanger und Schmitz
(Nr. 26 und 29). Siebeking (Nr. 14), dessen Programm-
Schrift durch Schuld einer Krankheit nicht über die Vor
arbeiten hinausgelangt ist, giebt eine Übersetzung der Erzäli-
lung Dietrich's vom Anüang der Kirchenspaltung and spricht
als seine Vermutung aus, dafii der Brief des Satans an den
Ersbischof von Ragusa, JoL Dominici, von Dietrich sei
Viel besser begründet und beinahe völlig sicher ist du
Ergebnis von Lens in der Schrift Nr. 15, welche den
Verfasser der drei Traktate „De modis uniendi ac refbr-
mandi'', „De dif&cultate reformationis in concilio'' and „De
necessitate reformationis in capite et membris'^ nachweist
Er *nimmt hier die Forschungen, besonders SchwaVs und
Tschackert's (Nr. 16) wieder auf, welch' letzterer die
von Schwab bewiesene Unmöglichkeit, dafs Ailli Ver&sser
von „De dif&cultate '' und „De necessitate^^ sei, noch ein-
mal begründet hatte, und bestätigt in neuer schlagender
Beweisführung die Annahme Schwab's, dafs die letztere von
Dietrich von Niem verfafst sei. Dagegen stellt er die Re-
sultate Schwab's über das Verhältnis und die Verfasser der
beiden Schriften „De modis '^ und „De difficoltate^' auf den
Kopf Schwab's scharfsinnige und ziemlich allgemein an-
genommene Vermutung, dafs „De difficultate'' von Dieüdch
von Niem, „De modis ^^ von Andreas von Randuf stammte und
dafs letztere die Antwort auf die erstere sei, hat Lenz fär
inmier widerlegt: beide Schriften, in dem Verhältnis von
Materialiensammlung oder Rohentvnirf und Ausflihrang ste-
hend, stammen vielmehr von einem Verfasser. Dieser aber
könne Randuf nicht sein, schon darum nicht, weil der na-
tional deutsche Standpunkt der ihm von Schwab zuge-
schriebenen Schrift bei einem Spanier undenkbar sei. Der
Schein, den Schwab's Vermutung für sich hatte, schreibe
sich auch nur daher, dafs der Verfasser die kanonistischen
Schriften Randuf s benutzt habe. Beide Schriften seien viel-
mehr von Dietrich von Niem verfafst. Wenn auch g^en-
über den übrigen Schriften Dietrich's neue Qedanken hier
nicht vorkonmien, so sind diese Ergebnisse doch bei der
ABSEITEN ZUR KIRCHENQESCH. DES 14. U. 15. JAHBE. 24T
Bedeutung der beiden Schriften von gröfatera Interesse fiir
die Schätzung von Dietricb's Publizistik.
Die Schrift von Jadart über Gerson (Nr. 19) kenne
ich nur aus der Besprechung in der „Revue critique" 1882,
nr. 35 : sie enthält danach flir Gerson's Leben nichta Neues,
teilt aber eine französische Schrift Gerson's mit: „L'ABC
dea simples gens". — Endlich bat Schuberth (in Nr. 20)
die von Miiotz unternommene, von Schwab und Voigt be-
kämplte Bestreitung der Autorschaft Cl^mange's an der
Schläft „De corrupto ecclesiae statu" mit Aufbietung allen
Materials, aller äufseren und innern Gründe, die dabei in
Frage kommen können, widerlegt.
Noch habe ich zwei kleinere VerÖfTentlichungen flir die
Geschichte der Unions versuche zu nennen: die Arbeit von
BolUti di St. Pierre (Nr. 22) enthält „Articuli et trac-
tatufl super substractione Benedict! XUI" ein Bruchstück
von Verhandlungen zwischen Benedikt und seinen Eardinälen
über die Cession, deren Notwendigkeit und Bedingungen.
Bollati setzt sie allgemein zwischen 1396 und 1403 an. Ich
Iiabe sie noch nicht näher geprüft. — Die Überschrift der
Abhandlung Erler's (Nr. 21) trügt (vgl. diese Zeitschrift
Vn, 335, Nr. 30).
Indem ich nunmehr zur übrigen Litteratur über das
Konstanzer Konzil übergehe, eteUe ich einige Arbeiten
für die Quellen desselben voran. Von den berühmten Hand-
schriften von Richentals Chronik sind nunmehr zwei ver-
schiedene Nachbildungen erfolgt: zu der 1869 durch den
Pbotographen Wolf veranstalteten Ausgabe der Eonstanzer
Handschrift (die ich nicht kenne) ist 1671 die photoütbo-
graphische Auegabe dcBAulendorferCodexgekonunen(Nr.23).
Dafa man bei solchen Nachbildungen die Farben sehr ver-
milat, ist selbstveretändlich. Einen Abdruck derselben Hand-
schrift aamt den Varianten der Konstanzer hat Bück
(Nr. 24) veranstaltet und mit einer Einleitung veraeheD, in
welcher er seine früheren Studien wieder aufhimiut: er hält
die Äulendorfer Handschrift für die älteste und treueste
Kopie des uns verlorenen Originals und hält an der wohl-
begründeten Ansicht fest, dafs der Chronik umfangreichere
748 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. I. MÜLLKB,
und lateinisch geschriebene Tagebücher zngronde gelegen
haben K — Die Dissertation von Wahl (Nr. 25) bat iür das
Eonstanzer Konzil insofern Interesse, als sie auf den Cod.
Vindob. 3296 eingeht Dieser enthält nämlich das Sammel-
werk des Andreas von Regensburg ,,Acta Concilii Con-
stantiemds'', und zwar eine Reihe von Aktenstücken in einer
von den Drucken bei v. d. Hardt und Raynald erheblich
abweichenden Redaktion * , aufserdem zu einzelnen Stücken
wertvolle Anmerkungen , die in den Drucken fehlen: so
z. B. bei der professio Bonifaz' IX. an König Karl VI. —
Einen Beitrag zur Kritik der Konzilsakten liefert Finke
in Nr. 26 (s. diese Zeitschrift VI, 607, Nr. 166) \
pie Verhandlungen des Konzils über die Unions-
frage berühren die Arbeiten, welche das Vorleben Jo-
hannas XXm. zum Gegenstand haben. Von Hunger's
Schrift (Nr. 27) kommt nur ein kleines Stück in Betracht
(S. 26 ff.). Johann's Verhältnis zur Wahl Sigismund's haben
seither auch die RTA. VII, 5 und 24 ff. berührt, ohne je-
doch neues Material beizubringen. Gozzadini (Nr. 28)
behandelt die Beziehungen Baldassar's als päpstlichen Le-
gaten zu Gozzadini, dem Haupt einer der grofsen Parteien
Bolognas, und die Verwickelungen des Papstes und seines
Legaten in die städtischen Parteikämpfe daselbst; Leonii
(Nr. 29) endlich die Kämpfe Todi's um seine Unabhängig-
keit gegenüber dem Versuch Johann's XXUI., die Stadt an
König Ladislaus von Neapel zu verpfänden: der Aufsatz
umfafst die Jahre 1408—1413.
1) Während des Drucks ist dazu gekommen: Ed. Heyck, Ulrich
von Richental (in Forschungen z. Deutschen Geschichte XXV, 553 ff.).
Der Aufsatz gieht Ergänzungen zu Bück und teilt neues Material
für Ulrich's Person mit.
2) Wahl nennt namentlich die Stücke „Xllconclusiones cardinalis
Gameracensis de concilio Pjsano approbando an non approbando'^
(y.d. Hardt II, 192), sowie die „Informationes archiepiscopi Januensis
super reformatione ecclesiae** (y. d. Hardt I, XV, 812).
3) Die Abhandlung von de Malla (Nr. 33) habe ich s. Z. in
Berlin gesehen, aber weil sie noch unvollendet war, nicht genauer
gelesen und mir daher nur die kurzen Notizen darüber gemacht, die
in dieser Zeitschr. VI, 134, nr. 32 mitgeteilt sind.
\
ARBEITEN ZÜH KFRCHENOERCH. DES H. V. 16. JAHRH. 249
Einen bedeutsamen Gegenstand behandelt in einsichtiger
Weiae Schmitz (Nr. 30): er konstatiert zunächst, dafs die
Universität Paris, obwohl zuJohann'sXXIII. Obedienz gehörig,
doch schon 1411 zur Beilegung des Schisma ein &lIgemeineB
Konzil und die Unterstellung der Päpste unter dasselbe ver-
ilangt habe. Ich möchte vermuten, dafs dies damit zu-
;|Mramenhängt , dafa Alexander V. Bettelmönch und unter
burgundischem Einflufs gewählt mit der Universität sehr
bald in scharfen Konflikt gekommen ist durch seinen Erlafa
zugunsten der Bettelorden, und dafs sich anderseits Burgond
durch seine Sfeuermafaregeln seit 1410 für längere Zeit die
Universität entfremdet hat. Dagegen hat der Sturz dea
burgundi sehen Regiments im August 1413 die Stellung des
Hofes zu Johann XXIII. nicht mehr verändern können.
Für sie war vielmehr, wie Schmitz richtig hervorhebt, der
Gegensatz gegen Sigmund's Anspruch auf Leitung dea neuen
Konzils raafsgebend, um an Johann festzuhalten. Die Ver-
träge Sigmund's mit Karl VI. haben dann, wie schon Lenz
betont hat, dem Könige die Wege geebnet, das Konzil doch
noch zu beschicken. Aufserdem aber mufs man hier meines
Erachfens das Interesse in Betracht ziehen, welches die
neue Regierung an dem Konzil darum nehmen mufate, weil
die Wiederaufnahme der Sache des veratorbenen Jean Petit
durch die burgundiache Partei des Konzils zu erwarten stand.
Kine aktive Beteiligung an der Beschickung der Synode
war schon darum notwendig, weil z. B. die Universität ihre
Gesandten von den einzelnen Fakultäten und Nationen hatte
wählen lassen ' und eben darum eine erhebliche Vertretung
der burgundischen Partei sieher war. Solchen Wahlen konnte
man nur begegnen, wenn man sich selbst energischer am
Konzil zu beteiligen begann. In diesem Zusammenhang
wird der bereits angeführte Erlafa des Königs an die Uni-
versität vom 19. November 1414 (s. S. 242) von Bedeutung,
der dem ersten Beschlufs der Universität um einige Wochen
nachfolgt. — Schmitz weist dann übrigens nach, wie die
königliche Regierung auf der Konstanzer Versammlung an-
1) Bulaens V, 375.
960 KRITISCHE ÜBEB8ICHTBN. I. üfiLUES,
dere Wege geht als die Kirche und Univenitäty indem tk
sich von dem steten Gegensatz gegen Sigmund leiten labt
und auf Johann's Seite schlägt; bis ihr die Absetsung des-
selben den Boden entzieht und sie nun zu Benedikt VIII,
dem alten Schützling der orl^anistischen Partei übertritt,
ihn während der Verhandlungen von Perpignan in sein»
Hartnäckigkeit befestigt, aber freilich auch hier Bchliefalich
durch den Narbonner Vertrag überwunden wird. Und doch
hat dann schlielslich, wie bekannt^ die Politik der R^erong
über Universität und Kirche gesiegt und die französische
Nation von der englischen und deutschen Nation weg ^ zu
den Kurialen hinübergezogen.
Die Ursache dieser Wendung hat Lenz in seiner Schrift
über Sigmund und Heinrich von England in dem g^en
Frankreich gerichteten Bündnis dieser beiden Könige von
Canterbury 1416 Aug. 16 erkannt Die Qeschichte dieses
Bündnisses hat Caro auf Grund des von ihm in Nr. 31
neu veröffentlichten Materials in Nr. 32 abermals untersucht
Die neuen Urkunden sind auch zur Geschichte des Konzüs
teilweise von Belang ' , berühren aber allerdings mehr die
politische Geschichte insbesondere Frankreichs und Englands.
Hier ergiebt sich nun namentlich als sehr wahrscheinlich,
dafs die Verbindung Sigmund's mit England gegen Frank-
reich nicht schon seit 1414 bestanden hat, sondern erst 1416
ziemlich rasch und wesentlich als Folge der vorangegangenen
1) Beiläufig sei erwähnt, dafs Schmitz, S. 13 swar den usiir-
patorischen Charakter des Zustandekommens der Abstimmung nach
Nationen festhält, aber auf Grund der bei v. d. Hardt 4, 1198 er-
wähnten „Constitutio quod nihil legi debeat nisi sit concordatom in
nationibus** für einen nachträglichen Beschlufs in dieser Richtung
eintritt. — Als Gegner der Abstimmung nach Nationen hat T sc h ackert
Ailli erwiesen (S. 204 u. 208): Ailli ist nur für Erweiterung des
Stimmrechts eingetreten.
2) Unter anderem ist hier der Kompromifs König Sigmond's mit
dem Kardinalskollegium wegen der Priorität von Reform oder Papst-
wahl zum erstenmal, mit dem Datum des 12. Juli 1417 veröfientlicht;
bisher hatte nur die undatierte Gegenurkunde der Kardinäle vorge-
legen. — Die Urkunde KarFs IV. vom 17. Juni 1369 im Anhang
ist auch hier noch einmal als unbekannt veröffentlicht (s. dagegen
Mosheim, de begh. 356.ff. und diese ZeiUchrift VI, 140> Nr. 42),
AKBEITEN ZUR KIRCHENOESCH. DES U. V. 15, JÄHRH. 251
TäuecbuDg Signmnd'a durch Frankreich erfolgt ist und dafs
demgamära die Verbindung Sigmund'B mit den beiden Staaten
in) Jahr 1414 nichts weiter als gewöhnliche, speziell im
Hinblick auf das Konzil abgeBchlosseoe Freund sc haftsverträge
^aren. Dagegen vermag ich Caro durchaus nicht bei-
zustimmen, wenn er meint, Lenz hätte die Einwirkung der
politincben Verhältnisse auf das Konzil überschätzt; der Um-
schlag in der Entwickelung des letzteren aeit 1417 sei ledig-
lich durch die Überspannung von Sigmimd'e Einwirkung
anf dasselbe zu erklären. Auch in andern Punkten, ins-
besondere in der Auffassung der Mission des Bischof von
Winchester wird man weder Lenz widerlegt, noch Caro'a
Ansicht besser begründet finden können.
Die Politik des Kardinalkollegs während des Kon-
zils vorzüglich in dessen Ret'ormarbeit und in der zweiten
Hälfte überhaupt verfolgt in sehr geschickter und lebendiger
Weise Bernhardt (Nr. 34). Überall weist diese Schrift
als das treibende Motiv die bodenlose Selbstsucht des Kol-
legiums nach, die grenzenlose Frivolität, mit der man kein
Mittel verschmäht und in dieser äufsersten Rücksichtslosig-
keit allerdings oft in wahrhaft virtuoser Weise die geeig-
neten Mittel findet und bandhabt: das wühlende Arbeiten
unter dem Boden, die vollendete Obstruktion smetbo de, das
perfide Spielen mit neuen Schismen und die in diesen Kreisen
bekanntlich bis auf den heutigen Tag übliche Art, darauf
zu rechnen, dafa der Gegenpartei, mit der man unterhandelt
oder streitet, mehr an der Kirche und ihrem Wohl gelegen
sein werde, als der Leitung der Kirche selbst und dafs man
daher ruhig auf dieses Interesse spekulieren und seinerseits
lieber alles in die Brüche geben lassen könne, wenn die
verlangten Zugeständnisse nicht gemacht werden, — Zu be-
dauern und zu verwundern ist, dafs Bernhardt die Arbeit
von Lenz nicht gekannt, jedenfalls nicht benutzt hat und
dafa ihm darum die Verbindung des französischen wie des
Kardin alsinteresaes in einem Mann wie Aillj entgangen ist
Gerade dadurch wäre die Politik des Kollegiums seit Ende
1416 noch klarer geworden '.
1) Meikwüidigerweiae sieht Bernhardt auch in der „Reformation
352 KRITISCHE ObEBSICHTEN. L UßUJSR,
Für die Reform arbeit des Konzils hatte schon Habler
die hohe Bedeutung der Capita agendomm hervorgehob^
die unter ZabareUa's Namen gingen. Nachdem abcn- schon
Steinhausen an der Abfassung durch ZabareUa Zweifd
erhoben hatte, hat Lenz (Nr. 15. S. 86^ n. l) Aüli ab
Verfasser wahrscheinlich gemacht und Tschackert (in
Nr. 18) hat dann diese Vermutung auf Grund handschrilt-
licher Zeugnisse zur Gtowilsheit erhoben. Während aber
Lenz die Entstehung der Schrift in die Zeit vor dem Konzil
Johann's XXIII. 1412 ansetzte, l&fst Tschackert in dies^
Zeit nur den ersten Entwurf dazu entstehen ^ setzt aber die
letzte Redaktion zwischen Mai 1413 und November 1414
und sieht in ihr eine Umarbeitung behufs Vorlegung auf
dem Eonstanzer Konzil. Auf Qrund dessen ist Ailli's Be-
deutung für die Eonstanzer Reform erheblich gesteigert^ da-
durch aber wieder herabgesetzt worden, dafs Tschackert
(Nr. 6. S. 273, n. 2) die nicht unbedeutende Abhängigkeit
des Ailli'schen Reformprogramms von den Forderungen Hein-
richs von Langenstein erwiesen hat
Eine Episode aus der Geschichte des Eonzils behandelt
auch Höfler: den Streit der Polen und Deutschen auf
demselben (Nr. 35). Er hebt dabei hervor, wie die beiden
grofsen slavischen Nationen, Cechen und Polen, beide aus
verschiedenen, jede aber aus nationalen Gründen mit dem
Eonzil im höchsten Grad unzuirieden sind, wie dann aber
die kirchliche Entwickelung der beiden Völker nach dem
Eonzil auseinandergeht, indem sich in Polen die kirchlichen
Verhältnisse auf Grund einer nationalen kirchlichen Be-
wegung rasch sehr erheblich konsolodieren, während infolge
der husitischen Bewegung in Böhmen sich alles aufzulösen
droht.
Die Schrift von Fabisz (Nr. 37) über die Stellung der
Polau zum Schisma und den Eonzilien legt in einem zum
'IVil höchst barbarischen Latein die korrekte Haltung der
lN4ou »u den „ legitimen '^ d. h. römischen Päpsten dar und
K IU||i«mMud*»*^ noch eine Schrift, die auf des Königs Veranlasaiug
iu KvMulMl« tiMTbr^itot worden sei!
ARBEITEN ZUR KIRCHEKOESCH. DES 11. U. 15. JAHRS. 253
entschuldigt die leidige Thatsache der AnerkeDnimg der
beideu „Bchismatiachen Paeudopäpste " Alexander'a V. und
Johann's XXLU. durch die katholische Nation mit der völ-
ligen Verwirrung, in der aich Europa damals befunden.
Auch die Hintansetzung der ,j gebührenden Unter werfting
unter den Papst" auf dem Konstanzer Konzil hat ihren
Grund nur in dem übergrol'sen Eifer für die kirchliche
Einheit.
Über Zimmermann (Nr. 36) s. diese Zeitschrift VT,
135, Nr. 33: der Widerspruch des Verfassers gegen Hübler's
Beneis, dafs Martin V. das Dekret Sacrosancta anerkannt
habe, hat mir nicht eingeleuchtet.
B. fficllf, Hub und der Husitismus bis za den Koni-
paktaten.
1. Tbe Eiifllgh WorkB of Wyclif, hitherto nnprinted. Edited bf
F. D. Matthew. Pubüslied for tlie earl; Englisb teit Society.
London 1880. (LI u. 572 S. 8°-)
2. Johann Wlclirs Lateiaigche Streitschriften. Ana den Hand-
Bcbriflen zum erslenma,! herausgegeben, kritisch bearbeitet und
sachlich erläutert von Itud. Buddensieg. Mit einer Schrift-
tafel. Leipzig 1883. (C u. 840 S. gr. 8°.)
3. R. BaddenslCf, Studien m Wiclif (in ZeitBcbr. f. hiator. Thenl.
1874, S. 293-342, 501-543; 1875, S. 3—37).
4. — , Johann Wiclif und seine Zeit. Zum 50()jährigen Wiclif-
jubüäum, 31. Dezember 1884 (in den Schriften des Vereins für
Bcfonnationsgeschichte 8 u. SO- Halle, Niemeyer, 1885. (ai4S. 8°.)
6. *Pennlng1on, John Wiclif, life and times. London 1883.
6. *L. Delplaee, Wjckliä'e and hiit teaching conceming tbe pri-
macj: taken from state papers (In Dnblin Review 1884, Januar,
S. 23-62).
7. *Hoiitaeit BurrowB, Wiclifs Place in history. Three lecturei
deÜTered before tbe University of Oxford 1881. London 1882.
(VI u. 129 S.)
8. Johaun Loserth, Hua und Wiclif. Zur Oeneais der liusitiscbeu
Lehre. Prag und Uipzig 1884. (X u. 314 S. B"!
5. — , Neuere Erscheinungen der Wicliflitteratnr (in Sybel's bistor,
ZeitKhr., Bd. Uli, N. F. XVU [1885], S. 43-Ü2).
264 KBtTlSOHB ÜBSBaiCflBTlEK. L UALLOL,
10. Joluuui Loserth, Zur Verpflaniiiiig der Wielifie nach Böbma
(Mitteilungen des Vereins f. Geschichte d. Deatsehen in fiobnM
XXU, 220—225).
11« * Leger, Jean Hofs et les Hnssites d'apr^ les noaTeuz docB-
ments (Biblioth^ue oniTerselle 1879 Jan., Mars, Mai).
12. * A. H« WratislaW) John Hos. The commencement of lesistinee
to papal authoritj on the part of the inferior elergy. New-Yoik
und London 1882. (Vm u. 408 8.)
18« Emest Denis, Hoss et la gaerre des Hnssites. Paris 1878.
(Xn u. 506 S. gr. 8^)
14. J. Loserth, Beiträge rar Geschichte der hositischem Bewegimg.
UL Der Tractatns de longacTO schismate des Abtes Lodolf fot
Sagan, mit einer Euüeitnng, kritischen und sachlichen Aniner
hangen heraosg. (Archiv f. osterr. Gesch. LX, 343 — 561).
15« Job. KoUeri Worin äolserte sich am deutlichsten das Wesen
des Hosiüsmos und wie verhielten sich die Dentschstldte MSbrenf
SU demselben (bis 1488)? (Programm des deutschen k. k. Stssti-
obeigymnasiums in Olmüts, 1883 n. 1884, 36 u. 34 S. gr. 8^.
16« Belle, Die Einfalle der Husiten in der Mark Brandenbnig und
ihre Darstellung in der m&rldschen Gteschichtschreibnng (Zeitsdur.
f. preuls. Gesch. u. Landeskunde 1882, XIX, 614—666).
17. Liber cancellarlae Stanislal Ciolek. Ein Formelbnch der pol-
nischen Königskanslei aus der Zeit der husitischen Bewegung,
herauBg. von J. Claro (Archiv für österr. Gesch. [XLV, 1871,
S. 319—545 und] LH, 1875, S. 1—273, auch separat).
18« Filedr« v. Bezold, König Sigmund und die Reichskriege gegen
die Husiten. 3 Bde. München 1872, 1875, 1877. (156 u. 168
u. 178 S. 8^)
19. W* WladiwoJ Tomek, Johann Zizka. Versuch einer Biographie
desselben. Übersetst von Dr. V. Prochaska. Prag 1882.
(246 S. 8^)
20. ^Menzlk) Ein Lied über die Annahme des Kelchs (in Öasopis
musea krilorstoi öeskeho [1879], Bd. LIII).
Für Wiciif ist zunächat das Material in grölaerem
Malflstab zugänglich gemacht worden. Was von englischen
Schriften desselben noch nicht gedruckt war, hat Matthew
(Nr. 1) veröffentlicht. Der Ertrag dieser Publikation ist
nach Buddensieg (DLZ. 1881, U, 921) mehr für die Sprach-
geschichte bedeutsam. Bei vielen der Schriften ist auch die
Abfassung durch Wiciif sehr fraglich^ bei manchen nicht
viel mehr als eine willkürliche Annahme — nicht des Her-
I ARBEITEN ZDB KIRCHSKOESCB. DES U. U. 15. JAHRH. 365
' «.oagebers, der hier vielmehr sehr kritisch 2u Werke geht,
' sondern der HandBchriilen. Von erheblicher Bedeutung da-
gegen ist Buddensieg's Ausgabe der uocb ungedruckten
lateinischen Streitschriften, im ganzen 2G- Zwar waren alle,
mit Auanahme einer einzigen von Shirley in den Hand-
schriften nachgewiesen und von Lechler benutzt worden.
Aber einen Einblick in die Zusammenhänge und Entwicke-
lung dieser Polemik hatte man bisher doch kaum gewinnen
können. Buddensieg's Ausgabe ist ausgezeichnet durch
^Öfste Sorgfalt, Gründlichkeit und Vollständigkeit: es ist
»ehr erfreulich, dafa die durch Buddensieg's Bemühungen
ins Lehen gerufene englische Wiclif gesell schaft nun endlich
auch die letzten noch nicht gedruckten Werke Wiclif s her-
ausgeben will und dabei Männer wie Buddensieg und Lo-
serth in ihren Dienst gezogen hat.
Auch die Wiciifforschung hat Buddensieg gefördert
In seinen ersten Studien (Nr. 3) hat er in den Hauptsachen
überall die Gleichheit der Resultate seiner Forschung mit
derfenigen Lecher's konstatiert, dagegen in einzelnen Punkten
(namentlich Geburt, Doktorat in der Theologie, Mitglied-
schaft des Parlaments von 1366) abweichende Resultate be-
gründet In jüngster Zeit ist dann Buddensieg zu einer
Gesamtbiographie Wiclifs fortgeschritten (Nr, 4), einer vor-
trefflichen auch in der Form ausgezeichneten Darstellung.
Ihr Unterschied von der viel umfangreicheren Arbeit
Lechler'e liegt wohl besonders darin, dafs Buddensieg
Wiclif nicht vorzugsweise in der Gesamtent Wickelung der
Kirche sondern vielmehr in der Ent Wickelung des eng-
lischen Staatswesens, der englischen Kultur, der sozialen
Zustände Englands in jener Zeit zu fassen sucht, ohne
Zweifel ein Vorteil, der es ihm ermöglicht hat, eine Dar-
stellung EU geben, die den Wurzeln der Kraft und des Auf-
tretens Wiclits überhaupt noch näher kommt '. Denn der
1) Anlser den Arbeiten, die BuddeuHieg ueDot, und denen, die ieh
VII, 115, Anm. B zuBsmmeiigeBtellt habe, sind für die BOzialen Ver-
bKltnisse EnglKuds vor und nach Wiclifs Zeit von Intereaae
auch T. Ochenkowksi, Die inrlschsMche Lage Englands am
ScUufs dcB Mittelalters Cl^''^), bes. S. 13—24. Auch in den Auf-
S66 KRITISCHE ÜBERSIGHTEK. I. UOUJSR,
Einflols der festländischen kirchlichen und theologischeD
Entwickelang auf Wiclif ist im ganzen ein sehr unerheb-
licher gewesen, während der im weitesten Sinn nationale Chi-
rakter seines Werks auf Schritt und Tritt hervorleuchtet —
Die weiteren Arbeiten über Wiclif sind mir nicht zugäng-
lich gewesen: ich kenne sie nur aus Buddensi^ imd
Loaerth (Nr. 9 und vgl meine Nachrichten Vn, 485,
Nr. 56).
••
Der Übergang von Wiclif zu Hus wird gemacht durch
das ausgezeichnete Buch von Loserth (Nr. 8). Die be-
deutendsten Ergebnisse desselben sind wohl, l) da(s die
ganze religiöse Bewegung vor Hus in Böhmen — die übri-
gens noch nie so vortrefflich dargestellt worden ist — durch-
aus kirchlich gewesen ist, sich nirgends im Punkt der Lehre
oder des Kultus der Kirche entgegengestellt hat und 2) dab
Ha& von seinen ,, Vorläufern'^ gänzlich unberührt geblieben
il^ dafo viehnehr 3) die ganze Wendung bei ihm ausschUelB-
Kcli durch die yyWiclifie^' bedingt war, ja dafs* diese erst
dM» tiefe allgemeine Erregung in Böhmen hervorgebracht
und der Mittelpunkt der E^mpfe geworden und geblieben
iii Die Frage wann und durch wen die theologischen
^'hrilVen Wiclifs — denn sie allein und nicht die früher
iiach Biiiuuen gekommenen philosophischen ^ haben jene Be-
wwttug Yiuranlalst — aus England nach Böhmen gebracht
w^Mden iiiui» hat Loserth mit besonderer Sorgfalt erwogen.
U d«r Abhandlung Nr. 10 gewinnt er das Resultat, dtJs
_^ tv« <lu*»erand, La vie nomade et les routes d^Angletene
IM MWij^ **♦ vXlV 8.) (Rerue hiator. 1882, XIX, 265 ff. u. XX, Iff.)
qji^^ ^>^ kuhuij^^itohiobtliches Material, das sowohl die Gegenstände
.j^ \\\sj)to\<'WttlVl«nük als auch die Agitation Wiclif s selbst mannig&ch
^Üunlft^l l uUT den ,, fahrenden Leuten** Jusserand^s treten nicht
^*u^ ^ IMlv^luk^itt^'he« Ablafskrämer, Reliquienhändler, sondern auch
^ \\hn»NnJ^»u K^beprediger auf. Das Werk von J. E. Th. Ko-
V .\> ^ \SH t UW twitatum. Passages selected from Gascoigne'i
i^KWVWN'^ j^^ij4K>»ary iUus»tr. the condition of church and state 1403
V^. VvV \\^^V Au^aU^Miuct W. facs. Oxford 1881. (254 S. 4*)
\fcX s^ ♦»v^ lli.wtwfn können. Herr Dr. Buddensieg macht mich
Ak V^jcC^*^ i>i»i»lWn in der Academy vom 11. Juni 1881 auf-
»
ARBEITEN ZUR KIRCHENGE3CH. DES U. Ü. 16. JAHBH. 267
• Hieronymus von Prag jedenfalls einer der ersten und Haupt-
■ Termittier gewesen Ist. Sehr interessant ist nun der Kach-
k Treis, wie auch die ZeitgenoBsen, Freunde und Gegner, als
■ den Mittelpunkt der Bewegung, die daraufhin in Böhmen
: beginnt, durchaus die „Wiclifie" ansehen, die Frage ob WicUf
I rechtgläubig oder Ketzer sei; wie dann erst allmählich seit
den zwanziger Jahren das Wort Husait aufkommt und den
Namen Wiciiät mehr und mehr verdrängt Die einzelnen
Stadien des Kampfes weist dann Losertb geradezu in der
Stellung Huaaena zur Wielife nach. In der Zeit des Streits
um Wiclif 1403 — 1409 ist Hub von diesen Schriften bereits
beeinflufst: schon ganze Wendungen und Sätze nimmt er
ans Wiclif 8 Schriften auf, fufst auch z. B. in der Angelegen-
heit des heiligen Bluts in Wilsnack aui" ihm. Seit dem Sieg
des Cechentums an der Universität 1409 dagegen tritt Hus
aus seiner vorsichtigen Haltung hervor und stellt sich offen
an die Spitze der Wiclifiten. Von da an sind seine Schriften
nur noch Auszuge aus Wiclif, und der Nachweis, in wel-
chem Mafs das der Fall ist, ist geradezu verblüffend. Nicht
einen einzigen originalen Gedanken führt Hus vor und doch
kann Loserth, der die betreffenden Schriften Wiclifs meist
nur bandschriftlich hatte benutzen können, bereits mitteilen
(Nr. 9), dafs durch Buddensieg's Publikation der Umlaug
der Entlehnungen noch erheblich vermehrt werde. Auch
in der Zeit, da nicht mehr die Wiclifie, sondern das Papst-
tum Gegenstand des Kampfes ist, von 1411 an, wird dies
Dicht anders: der Kampl wird geführt mit Wiclifs Waffen,
deasen Schriften werden wörtlich abgeschrieben. Endlich
gipfelt die Darstellung darin, dafs auch in Konstanz Hub
nicht um seiner eigentümlichen Ketzerei willen, sondern
durchaus als Wichfit veiiirteilt worden sei.
Durch Loserth's Buch sind die älteren Meinungen über
das Verhältnis von Wiclif und Hub abgetan. Das Buch
von Denis (Nr. 13) hat gerade hierüber Ansichten ent-
wickelt, die Losertb zu dem Urteil berechtigen, dafs der
Verfasser die Schriften keines der beiden Männer gelesen
haben könne. Denis ist Franzose, schreibt aber mit einem
SaUMlu. t T.-0. TIU, 1. 1. 17
258 EJEUTISCfiE! ÜBERSICHTEN, t KÜLLKSy
Eifer für die öechische Bewegung, ala ob er selbst Öeche
wäre und versichert zum Schlufs diese Nation der glühen-
den Sympathieen, welche die Nachkommen der ersten sieg-
reichen Verteidiger der Freiheit in Frankreich finden. Vor-
läufig wäre es vielleicht besser gewesen , wenn er weniger
glühende Begeisterung und mehr eigene Forschung an sein
Buch gewandt hätte: dasselbe stützt sich fast durchaus auf
die deutsche und öechische Forschung, es ist sehr breit,
wenig scharf und nicht ohne verkehrte Ansichten, mag aber
für Frankreich als einzige neuere Gesamtdarstellung des
Husitismus immerhin brauchbar sein.
Für die weitere Geschichte der wiclifitischen und husi-
tischen Bewegung hat Loserth im Anhang seines gröfseren
Buchs manches wertvolle ungedruckte Stück veröfientlichi
Er hat aber auch in der Arbeit über Ludolf von Sagan
(Nr. 14) einen eigenen Beitrag dazu gegeben. Ludolf s Traktat,
von Palacky entdeckt und wegen seines schroff deutschen
und darum auch schroff katholischen Standpunkts ungünstig
beurteilt; hat schon bei Aschbach und nun auch bei Lo-
serth, der ihn zum erstenmal vollständig herausgiebt, bessere
Beurteilung gefunden. Loserth giebt auch eine Biographie
des Mannes samt einer Übersicht über seine litterarischen
Leistungen. Die Darstellung seines Lebens wird zugleich
zur Schilderung der bezeichnenden Zustände, welche in Lu-
dolf s Kloster (Augustiner Chorherren in Schlesien) herrschten,
ehe imter Ludolf s eigener Mitwirkung 1383 die Reform
eingeführt und das Kloster unter seiner Abtsregierung (seit
1394) auf eine blühende Höhe gebracht wurde. Der Traktat
selbst ist bald nach Beendigimg des Schismas begonnen und
ursprünglich nur auf eine Geschichte des letzteren angelegt,
wurde aber viel weitläufiger bis 1422 weiter gefuhrt und
so zugleich zu einer Schilderung der husitischen Beweg^g.
Im Anhang veröffentlicht Loserth auch Auszüge aus Ludolf s
Schrift Soliloquium de schismate.
Ohne selbständigen Wert ist Koller' s Schrift (Nr. 15):
inbezug auf den rein nationalen Charakter der husitischen
Bewegung — denn ein religiöses Moment will er in der-
selben gar nicht erkennen — schliefst sie sich dicht an
RH. 259
AKUeXTEK zun RIKCHENGESCH. DES 14. C. IS. JAHRH.
tUr &□, und die sozialen Verhättnisee des HuBitentuma
der Verfasser zum grofsen Teil, ohne es zu sagen,
rilicii aus Bezold abgeschrieben.
Die Ausdehnung des Husitentums in die benachbarten
pder, nanienthch die Spuren husitiecher Sjmpathieen sind
verechjedenen Arbeiten verfolgt. Sehr soi^iältig bat sie
fcapt' für Franken gesaniinelt; tür Süddeutschland
eHiaupt hat v. Bezold im dritten Bandchen seiner Dar-
Uung der Uusitenkriege (Nr. 18) manches hervorgehoben,
t die Mark Brandenburg weist sie Sello nach (Nr. 16),
är die Einflüsse des Husitentums auf Polen sind die Ar-
iten TonLosertb und Prochaska zu vergleichen, von
1 ich Bd. VII, S. 485, Nr. 56 kurze Nachricht gegeben,
■dem aber die VeröffentUchuDgen von Caro (Nr. 17),
welchen sich sehr wertvolle Urkunden zur Geschichte
I Verhältnisses der polnischen Parteien zu König Sigmund
) zum Husitentum finden.
Für die Huaitenkriege endlich hat v. Bezold (in
18) seiner Kultui^eschichte des Husitentums ausgezeich-
! Beiträge folgen lassen. Es möge genügen, diese eine
kirbeit zu nennen, da die Husiteakriege als solche nicht in
! Übersicht gehören *. Spezielles kirchengescbichtlicheB
esse bietet daraus insbesondere in Bd. III die Unter-
■chung über den Beheimsteiner Vertrag vom Februar 1130,
: die Grundlage des Geleites für die Husiten zum Baseler
[onzil und so auch der Auseinandersetzung mit den Böhmen
ittif Grund gleicher Bedingungen geworden ist (S. 46 ff.),
sowie die Schilderung der allmähhchen Anbahnung dieser
Wendung auf der einen Seite durch die furchtbaren Schlage
g^;en die Kirche, auf der andern durch das Flend und
die innere Zerrissenheit , die der Krieg über Böhmen ge-
bracht
1^ „Die rcligiÖBen Sektea Tor der Reformation in Franken"
1882. Die Schrift wird im dritten Abschnitt noch bCBondera erwähnt
2) Auch die Biographie ^izka's Ton Tomek (Nr. 19) behandelt
vorsuganeiw die kriegerische Thätigkeit des HuMtenfühTerv. _^
260 KRmSOEEE ÜBERSICHTSN. L MÜLLEB,
C. Das Baseler Konzil.
1. Otto Rleliter, Die Organisation und G^eachäftsordnimg des Baader
Konzils. Leipziger Diss. Leipzig 1877. (36 S. 8^)
2. J. Taeseiiy Un projet de translation da concile de Bftle i Ljon
en 1436 (in Beyue des qaesüons historiqaes XV« ann^ 1881,
T. XXXI, p. 561—568).
3. £• T. Mandt, Urkunden der Kirchenversammlongeii zu Basd
und Lausanne (Anzeiger f. Schweizer Gesch. N. F. Xu, 1^
Nr. 5).
4. Tk. T. LiebenaUf Verhandlungen des Konzils von Basel Aag.
1432 (Ebd. N. P. XIU, S. 109—111).
&• Frommmiiiiy Kritische Beiträge zur Geschichte der Fiorentiner
Kircheneinigung von 1439 (Jahrb. f. D. TheoL 1877, Bd. XM,
S. 529—598).
€• Ad« Warsehauer, Über die Quellen zur Geschichte des Floren-
tiner Konzils. Breslaner Dissert. 1881. (23 S. 8^)
7. *SadoT, Bessarion de Ni^ce, son r61e au concile de Feiran-
norence, ses oeuvres th^logiques et sa place dans l'histoire de
lliumanisme. St. P^tersbourg 1883. (XX u. 282 S. 8^)
8« D. G. Monrad, Die erste Kontroverse über den Ursprung dei
apostolischen Glaubensbekenntnisses. Laurentius Valla und du
Konal zu Florenz. Aus dem Dänischen von A. Mich eisen.
Gotha 1881. (277 S. gr. 8«.)
9. Herm. Brefslerf Die Stellung der deutschen Universitäten zum
Baseler Konzil und ihr Anteil an der Reformbewegung in Deutsch-
land während des 15. Jahrh. Leipzig 1885. (85 S. 8^)
Der lebhaften Thätigkeit auf dem Gebiet der Geschichte
des Konstanzer Konzils entsprach nicht eine gleiche Fülle
Y\>n Arbeiten fiir das Baseler Konzil Die Organisation und
GMchaftsordnung desselben behandelt in sehr brauchbarer
Uttd gründlicher Weise O.Richter (Nr. l), ein Seitenstück
»u Siebeking's entsprechender Arbeit für das Konstanzer
l^^ximil. — Vaesen veröflfentlicht (in Nr. 2) Briefe über
kWiuühungeu, die im Jahre 1436 aus Anlafs der Absicht
Kug^u'» IV.y das Konzil von Basel wegzimehmen, gemacht
wnmxIou ädud, um dasselbe nach Lyon zu ziehen: der König
«KNlWt hat den Anlafs dazu gegeben, die Stadt Lyon thut
l|lvii\kädU Schritte, aber umsonst — E. v. Muralt (Nr. 3)
Wiis^t^ ^hw Uandschriflen mit bekanntem und unbekaim-
ARBEITEN ZtlR EtBCHENGESCB. DES IJ. D. IE. JAHRH. 261
■ tem Material zur Gescbichte des KonziJs in Baeel, Lyon
■ «nd Genf. Th. v. Liebenau giebt einige hiBtoriacbe No-
^ tizen aus dem XJrbarbucb von St Urban im Luzemer Staata-
archiv.
I Zur Geschichte der Giiechanunioii und dea Floren-
tiner Konzils hat Frommann (Nr. 5) in Fortsetzung
seiner gröfaereu Arbeit ' neue Studien veröffentlicht. Es
bandelt sieb um die Schätzung der Quellen, speziell um
töne Auseinandersetzung mit Hetele über den Wert der
griechischen Akten und des Syropul, von denen Hefele den
letzteren, Frommann die ersteren l<ir unzulässig und par-
tüiBch erklärt. Es wii'd Frommann nicht schwer, seinem
Gegner die Unbrauchbarkeit der griechischen Akten noch
einmal nachzuweisen. Warschauer (Nr. U) hat dann
diese Quellen sowie die sogenannten lateinischen Akten von
neuem untersucht Inbetreff der griechischen Akten weist
Warschauer zunächst nach, dafs sie weder von Dorotheos
von Mityleue (besonders Frommann und ihm nach Hefele)
noch von Bessarion (so wieder besonders Vast) verfafst seien,
dafs man überhaupt von keinem Verfasser, sondern nur von
einem Abschreiber reden könne: es seien eben Aktensamm-
lungen. Ihre Redaktion dagegen sei allerdings durchaus
parteiisch, aber nicht im Interesse der Lateiner, sondem
im Interesse des Kaisers: erst seit der Spaltung der Grie-
chen in zwei Parteien vertreten sie energisch das lateinische
Interesse, aber nur weil sich der Kaiser dieser Partei zuwende.
Die einerseits unvollständige und nachlässige, anderseits par-
teiische, Jalscbendc Art derselben wird gebührend ins Licht
gesetzt '. Dagegen hält Warschauer die Protokolle in den
lateinischen Akten trotz mancher Naclilässigkeiten und
kurialistisch ■ parteiischer Züge für das zuverlässigste, waa
wir über das Konzil haben, die kurzen verbindenden Texte
derselben dagegen tur das schlechteste, durchaus papalistisch
tendenziös. Für Syropul, dessen hiatoriache Kunat War-
1) Kritische Beiträge zur Floreotiiier KirchcneiaigUDg 1872.
2) Auf iboen beruht aber gerade Hefele'a DarstelluDg gans über-
262 SBinSCHB ÜBERSICHTEN. L MOLLEB,
schauer sehr hoch stellt^ wird zwar natürlich die streng
orthodoxe Parteistellung und leidenschaftliche Eingenommen-
heit gegen den Kaiser anerkannt, aber ebenso auch das
Streben nach aufrichtiger Ehrlichkeit der Berichterstattang
der Thatsachen. — Der Rest von Frommann's Arbeit be-
handelt spätere russische Quellen zum Florentinnm, aus der
Unionsperiode des 16. Jahrhunderts stammend, und sacht
wenigstens einige Nachrichten darin auf ihren historischen
Wert zu prüfen.
Die Rolle des Kardinals Bessarion auf dem Konzil
schildert die Arbeit von Sadov, mit welchem Erfolg kann
ich nicht sagen, da mir das Buch hier so wenig zugäng-
lich war als die Monographie von Vast, Le Cardinal Bessa-
rion etc., Paris 1879 ^ In der Schrift von Fabisz (s. ob.
S. 225, N. 37) ist die Partie über das Baseler Konzil inter-
esselos '.
Eine Episode aus der Zeit des Florentiner Konzils be-
handelt die Arbeit von Monr ad (Nr. 8). Die Partieen, welche
das Konzil selbst behandeln, sind ohne weiteren Wert: sie
geben nur bekanntes und sind eine imnötige breite Ein-
leitung zum Hauptthema. Denn Valla ist nach Monrad's
Meinung auf die Kritik des Apostolikums geführt worden
durch die Erklärung der Griechen, dais ihnen dieses Sym-
bol überhaupt unbekannt seL Der Rest des Buches enthält
manche Forschungen über die Schicksale Valla's in seinem
Handel mit der Inquisition, der auf jene Behauptung
hin erfolgt war, und bietet, wie ich schon in DLZ. bemerkt
1) Bezold (histor. Zeitochr. XLVI, 152ff.) urteilt über letzteres
Werk, dafs es viel schiefes und einseitiges enthalte, aber für die
Lebeusumstände Bessarions wohl auf lange hinaus abschliefsend sein
werde.
2) Die These des Konzils von der Superiorität des Konzils über
dem Papst wird in einem eigenen Kapitel widerlegt mit folgenden
Gründen: 1) quia continet contradictionem ; 2) quia repugnat effiitis
8. scripturae; 3) quia rep. ss. patrum doctrinae; 4) q. r. praxi uni-
versalis ecclesiae; 5) q. r. decisionibus Rom. pontificum; 6) q. r.
decretis legitimarum synodorum; praesertim vero 7) q. r. definitioni
solemni novissimi sacrosancti concilii Vaticani. Warum fehlt q. r.
rationi? Das hätte auch hübsch werden können.
k
ARBEITEN ZUR KIBCHENGE8CH. DES 14. V. IS, JAHRH. 263
habe, ein charakteriatischea Bild von dem ZuBammeiistofs
zweier Strömungen: auf der einen Seite einen dummdreisten
mönchischen Fanatismus, der historische Fragen, wie Fragen
des Rechts, der Grammatik, Rhetorik und Dialektik voi-
das Inquisitionetribunal zieht, einfach weil sie dem wider-
sprechen, was man auf diesen verschiedenen Gebieten als
Herkommen bequem weiterschleppt; und auf der anderen
Seite den charakterlosen nufgeklärten Humanismus, der mit
dem Gefühl intellektueller Überlegenheit diesem Obskuran-
tismuB höhnisch entgegentritt und doch nicht den Mut hat,
ihm gegenüber seine I'berzeugung zu vertreten.
Eine sehr tüchtige Arbeit ist die von Brefsler (Nr. 9).
Sie zeigt, welchen Wert das Konzil seibat wie die allgemeine
Meinung in Deutschland auf die Teilnahme der Universitäten
am Konzil gelegt habe, wie vollständig die letzteren in die
konziliare Bewegung eingegangen sind und wie nur meist
durch die ungenügenden Mittel, die Folge einer sorglosen
Wirtschaft und Verwaltung der zum Teil reichen Fonds,
die längere Zui-ück haitun g oder die vorzeitige Abberufung
der Gesandten notwendig gemacht worden ist. Hier bat
nur das gerade wenig reich dotierte Erfnrt eine ehrenvolle
Aaanahme gemacht, indem es sofort beim Ausbruch dee
Konflikts zwischen Papst und Konzil seine Gesandten zum
letzteren schickt Auch im zweiten Stadium 1437 — 1446,
das durch die Frage der Neutralität beherrscht wird, stehen
die meisten deutschen Universitäten aufseiten des Konzils
und gegen die Neutralität. Aber es zeigen sich erhebliche
Schwankungen, die Brefsler überaJl dahin zu deuten vermag,
dafs die Theologen und Artisten entschieden für das Konzil,
die Juristen dagegen für die Neutralität eintreten, die Me-
diziner, wie immer unselbständig, sich schliefslich den Ju-
risten anscliliefaen. Bei den Juiisten ist das, wie Brefsler
richtig hervorhebt, nicht etwa persönliche Liebedienerei gegen
die Fürsten und ihre Neutralitätspolitik, sondern es erweisen
sich für sie dieselben nationalen und staatlichen Tendenzen
als mafsgcbend, welche die Fürsten zur Neutralitätspolitik
veranlafst haben. Juristen sind die Erfinder der Neutralität
und sie arbeiten auch durch dieselbe im Interesse des. mo-
264 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. L MÜLLEB,
dornen Staats^ indem sie der blofsen Hauspolitik der Fürsten
eine staatliche Richtung geben. Die Theologen, obwohl
gleichÜEtlls in grofsem Umfang die Ratgeber der Fürsten,
bleiben doch die Vertreter der alten kirchlich -universalisti-
Bchen Gtedanken. Der dritte Abschnitt endlich verfolgt den
Sieg der römischen Partei 1447 f. auch an den UniversitäteD.
Diese springen teils gesinnimgstüchtig mit einemmal in das
Lager des Siegers hinüber, teils haben sie die Wirkungen
der mehr und mehr eintretenden Verstaatlichung zu em-
pfinden, teils müssen sie sich, nachdem sie den römischen
Kniffen imd Chikanen eine Zeit lang Widerstand geleistet,
den übermächtigen Thatsachen ftigen. Brefsler kommt dabei
auch auf die konziliare Theorie: ich mufs aber hier ähn-
lichen Widerspruch erheben, wie dem Buch Tschackert's
gegenüber. Die Universitätsgelehrten waren eben nicht bloüs
solche Theoriker, wie auch Brefsler trotz richtiger Andeu-
tungen (z. B. S. 72) meint: schon die Thatsachen, die
Brefsler selbst anführt, beweisen vielmehr, dafs sie nach
lebendigeren Interessen handeln als nach blolaen grauen
Theorieen über kirchliches Recht und kirchliche Verfassung,
die gar keine realen Gröfsen mehr sind. Die Theorieen
dehnen sich auch bei ihnen je nachdem die Bestrebimgen
es verlangen, die das Leben mit sich bringt
D. Geschichte nnd Statistik einzelner kirchlicher Ge-
biete Deutschlands.
1. Gerits, Zur Geschichte des Erzbischofs Johann II. von Mainz
1396-1419 (s. 0. S. 223, Nr. 5).
2. H. E. Haekert) Die Politik der Stadt Mainz während der Re-
gierungszeit des Erzbischofs Johann II. 1397—1419.
3. H. Finke, Der Strafsburger Elektenprozefs vor dem Konstanzer
Konzil (in den „Strafsburger Studien" herausg. von Martin und
Wiegand 1884. III, 101-112. 285—304. 402-430).
4. — , Die gröfsere Verbrüderung (confratemitas) des Strafsburger
Klerus von 1415 (in der Westdeutschen Zeitschrift III [1884],
S. 372—385).
5. Roth TOB Sehreekenstein, Unteraachongen über den Geburts-
ARBEITEN ZUR KIRCHEN0E8CH. DES 14. U. IG. JA&RH. 266
stand der Domherren zn Konstanz (Zeitschr. f. Gesch. d. Obei^
rheins XXVIII [1876), 1-37).
t. Roth JOB Schrecbeasteln , Die Zeitfolge der Bischöfe von Kon-
stanz bU auf Thomas Berlower (f 149G), (ebd. XXIX [1877],
'260-204),
7. Bohrer, Archidiakonen und KomniiBBarieu im Bistum Konstani
{Anz. f. Schweizer Gesch. 1882, N. F. XIII, IG— 19).
8. K. J. Glatz, Beiträge zur Gesch. d. Landkapitels Rottweil a, N.
(Preiburger DiÖzesanarchiv 1878, XII, 1—38).
9. *ir. Belnfn^r, Die Archidiakone, Offiziale und Generalvikara
des Bistums Würzburg (^Archiv des bist. Ver. von Unterfranken
und Ascbaffenburg XXVIR [188.^]. S. 1—265).
10. Amrhein, Beiträge zur Geschichte des Archidiakonata Ascbafien-
burg und seiner Landkapitel (Archiv des hist. Ver. von Unter-
franken und Aschaffenburg XXVII [1884], 84 ff.).
11. Hob. Ennlsch, Mittel und Niederacblesien während der königa-
losen Zeit 144«— 1452 (Zeitscbr. d. Ver. f. Q. u. A, Schlesien»
1876f. Xm, 1-72 und 291—342).
Die Schrift von Gerits habe ich schon oben besprochen.
Die Regierung Johanns II. von Mainz ist diuin nur in
ihrer ersten Hälfte verfolgt. Die Dissertation von Huckert
(Nr. 2) stellt gleichfalls die Zeit dieses Erzbiscliofa dar, aber
fast ausachlierslicli die politischen Bezieh ungen der Stadt.
Für Strafsburg giebt Finke (Nr. 3) einen wertvollen
Beitrag ' : wir sehen zunächst die über alle Mafsen liederliche,
raubsüchtige, betrügerische Verwaltung eines erwählten Bischofs
Wilhelm's von Dieat, der von kirchlicher Art auch nicht
eine leise Spur besitzt; wie zuvor das Bistum Utrecht, das
er bis 1393 verwaltet hatte, so wird jetzt das Strafsburger
Bietuni, sein Kirchengut, die bischöfliche Justiz, die kirch-
liche Zucht, selbst der äufsere Anstand ^ vollends in gänz-
1) Finke hatte die Sache schon in seiner Dissertation: „König
Sigmund's reichsstädtische Politik " (Bocholt 1880, 130 S. 8") S. 90—130
verfolgt. Die neue spezielle Arbeit (Nr. 3) zieht das archivaliacbe
Material noch reicher herbei und vermag so einige Seiten noch drasÜ-
•cher zu beleuchten.
2) Wilhelm hat sich auch die Tonsur nicht erteilen lasseu, weil
diese in den betreffenden Gegenden zu sehr der VerachtuDK kui-
&66 KBITISCHE ÜBERSICHTEN. I. MOLLEB,
liehe Auflösung getrieben. Alle Formen der päpstlichen
Wirtschaft wiederholen sich hier in einem kleineren Raum,
nur dafs noch die Anwendung der nackten Gewalt bei allen
Erpressungen dazu kommt. Es ist bezeichnend, dals schließ-
lich die Verschleuderung des Eirchenguts die Malsregeln
des Domkapitels — auch der Stadt Strafsburg — heraus-
fordert: man beginnt mit einem Handstreich auf den Elekten
und seiner Gefangennehmung 1415. Zum weiteren gemein-
samen Vorgehen aber wie zur Besserung der Zustände im
Hochstift schliefst man sich in drei grolse Bünde zusammen,
deren Wesen und Inhalt der Aufsatz Nr. 4 klar stelll Der
ProzelB kommt dann schliefslich vor das Konzil, das hier
auch als der höchste Verwaltungsgerichtshof der Christenheit
auftritt und das sogar noch eine Weile nach Martin's V.
Wahl bleibt Könige und Kardinäle mischen sich drein
und bieten ein Bild unglaublichster Korruption^ unablässigen
Bestechens und Sich- bestechen -lassens, Feilschens, Bietens
und Uberbietens, bis schliefslich ein Kompromifs zustande
kommt; der den lediglich ökonomischen Charakter der In-
teressen des Kapitels darthut. Die Erhebung des trefflichen
Elekten zum Bischof durch Papst Martin V. schliefst das
Bild in würdiger Weise ab.
Zur Geschichte des Konstanzer Domkapitels hat Roth
von Schreckenstein in Nr. 5 Beiträge geliefert, deren
erster namentlich nachweist, dafs die Liste der Konstanzer
Domherren nicht, wie man meist behauptet, nur Herren aus
dem Adel aufweist, dafs vielmehr der Altbürgerstand zwar
um seiner kaiserlichen Haltung willen durch Innocenz IV.
grundsätzlich zurückgedrängt und das Kapitel daftir den
Andrang der Kurialen ausgesetzt worden sei (ebenso wie in
Worms, Basel, Regensburg), dafs aber die Bürgerb'chen in
Konstanz niemals wie in anderen Kapiteln durch Statut
oder faktisch ausgeschlossen worden seien. Die beig^ebene
Liste der bürgerlichen Mitglieder des Domkapitels von 1300
bis 1500 weist die bezeichnende Thatsache auf, dafs seit dem
Konstanzer Konzil unter den bürgerlichen Kanonikern die
Graduierten überwiegen. Der Inhalt des Aufsatzes Nr. 6
ist durch seine ÜberBchrift genügend bezeichnet. Rohr er
ASBETTEN ZUR ETRCHENaESCH. DES 14. O. 15. JAHRH. 267
in Nr. 7 will eher eine Anfrage BteLen als selbet Beiträge
liefern. Doch finden sich bei ihm auch einige Winke für
die Frage, wann bischöfliche Kommissäre an SteUe der
Archidiakonen die Visitation des Klerus überkommen haben :
die Andeutungen, die er giebt, weisen tur Eonstanz auf die
erste Hälfte des 15. Jahrhunderts. Natürlich ist hier für
jedes Bistum eine andere Entwickelung anzunehmen. Zur
Diöcese Konstanz gehört das Landkapitel Rottweil a. N.
G-latz (Nr. 8) veröffentlicht u. a. die Bestätigung der
37 Statuten des Kapitels vom 15. März 1441 durch Bischof
Heinrich, mit einem Anhang bis 1477, sodann eine 1441
gefertigte Liste der rel'ectiones d. h. der Beiträge, welche
die Kirchen des Kapitels zur Kapitelskassa zu entrichten
haben, und die Anniversarstiftungen aus dem 14. und 16.
Jahrhundert. — Nr. 9 zur Geschichte des Bistums Würz-
burg habe icb nicht bekommen, kann daher auch nicht
einmal sagen, wieweit es speziell für unseren Zeitabschnitt
dient Über Nr. 10 vgl. VII, 336, Nr. 33.
Vei'liältnisse des Hochstifts Breslau und die kirchliche
Lage Schlesiens schildert ein interessanter Aufsatz von Er-
misch (Nr. ll): es ist ein Stück aus den nationalen
Kämpfen zwischen Deutschen und Polen, wie den kirch-
lichen zwischen Kapitel und Bischof, Bischof und Metropolit.
Bischof Konrad von Breslau ist der Vorkämpfer des Deutsch-
tums gegen das Slaventum in Schlesien, die Seele aller
schlesischen Unternehmungen in den Hu siten kriegen , eifrig
bemüht, aDe Polen von den guten Pfründen seiner Kirche
fernzuhalten. Aber wie er sich durch seinen energischen
Polenhafs die systematische Verlästerung der polnischen Ge-
schieb tschreibung zugezogen hat, aus der ihn erst Ermisch
mit Hilfe urkundlichen Materials wieder in das rechte Licht
gesetzt hat , so bat ihm sein rücksichtsloses Eintreten für
die deutsche und kirchliche Sache in grofse Schulden und
dadurch in Streitigkeiten mit dem Kapitel verwickelt Dieser
Konflikt äufsert sich denn sofort auch in dem Verhältnis
zu Papst und Konzil. Konrad hält zu Eugen IV., das Ka-
pitel zum Konzil; die Hauptperson des Kapitels, der Dom-
propst QramtB ist selbst Mitglied des Konzils und Kollektor
266 KRITISCHE ÜBEKC^T« ' ,^gg(ff. l KULLER,
liehe Auflösung getrieben. ^.^gs Sieaem in Böhmen und
Wirtschaft wiederholen sich Ht ^iUtsses fUr die Griechec-
nur dafs noch die Anweiuliin*.' ^^ and Lebus. Ein milslmige-
Erpressungen dazu kommt. ^ .^-tflinü und seine Gklder k
lieh die Versehleuderung H> ^.ftfs. Neue Konflikte, deren
des Domkapitek — auch d* ^ i» Geldes und die Abgren-
fordert: man beginnt mit ^i^^i^gr xvischen Bischof und Ka-
und seiner Gefangennchmur* .1^^ Fehden entwickeb ach
samen Vorgehen aber wie ^^«Ä *n Polen an. Der Bischof
Hochstift schliefst man siri' ^0mi dann aber die Regierang
deren Wesen und Inhalt ^ ^rJB>6R siegreich zu Ende, bb
Prozels kommt dann seh' _..idc^er R^erung stirbt. Sein
auch als der höchste Vei- ^ ^Kmaligen Hauptgegner Peter
auftritt und das sogar : _^-r" des Ejipitels das Suffragan*
Wahl bleibt Könige • ^jdwschof von Onesen, das unter
und bieten ein Bild un^*' . ,^ ier Mitte des 14. Jahrhundats
Bestechens und Sich • h* "^^ jod durch Konrad so gut wie
und Überbietensy bis '^^^ ^iw *^<* ^u Nikolaus V. über-
kommt, der den leHicri.^ .j^Sapitel bisher immer noch Be-
teressen des Kapitels Z . ^ ^MnK^t erhalten hatte. Nur sehr
Elekten zum Bischf* ^ jii kirchlichen und finanziellen An-
Bild in würdiger W^' ^j^^
Zur Geschichte 'T
von Schrecken
erster namcntlieli «^i#i<^ ^^^ MOnchtnms.
Domherren nicht. \r- , . ^^^^ __.._ ^^_
. ;s«,|i und seine Stiftungen. Köln 1883.
dem Adel aufweist, **^
um seiner kaiserli;*: öfoote.
grundsätzlich ^.uruAijfc -^^.^^^^^^^ vertalingen (in Verhandelingen
Andrang der Kiriii*^ "^^ Wdenschappen. Afdeel. Letterkunde
Worms, Basel, F «N?*- ^^ «115 S. 4^]).
Konstanz niornai ■ *^ ^^^jdwsnien Lebens (RE« II, 678—760).
oder faktisch au, ''•* ^ «ivai^Il ^*° ^^^ Fraterhuis te ZwoUe.
Liste der biii>:C;:-^<^^. w*-* ^•" **^* inwendig leven der firater-
bis 1500 weist üi^*^ "* " « üMtnleclingen der kon. Akademie tm
Dis löOO wei.t «"^^„.j^ • t^iorkundc. 2^« Reeks. deel IX. S, i
Konstanzcr Km '"^
Graduierten üb
— ^^ ud9i«rd /prboldt van Zutfen. Thedog.
ist durch sein** ^^»"f*^ A»»«*»"^*"^ ^^'^^- C^^^ ^- ^"^O
KIRCHENGESCH. DES U. C. 16. JAHRH. 269
Abana, Stifter der Brüder dea gemein-
Deutachland (Zcitacbr. f. kirchl. Wiasenachaft
Bd. m, S. 38-48. 93—104).
Kempie and tbe brothers of common
London 1884.
broedera van het gemeene leven en de
£looBter-VereeDigiiig (im Arcbief Tor de ge-
aartbiadom ütrecbt 1875, Bd. 11, S. 217-275;
—152).
Acquoy, Het Klooster te Windeafaeim en zjn invloed,
door bet Provinciaal Utrechtscb Gr^notsclmp tod
WcBenachappen. 3 Bde. Utrecbt 1875, 1876, 1880.
S86 u. 434 S. gr. 8'.)
(tmtie, Litterariache Thätigkeit der Windeabeimer Kon-
in (Der Katbolik 1881. Jahrg. LXI, S. 42—59)
IChe^ Frolegomcna zu einer neuen Ausgabe der Imitatio
.h dem Autograph des Thomas von Kempen. Zugleich
Bämtliche Schriften des Thomas sowie ein
fSnäoh KU endgültiger Foststellung der Thatsache, dafa Thomas
ein anderer der Verfasser ist. [Bd. I, 1873]. Bd. II, kri-
eieget. Einleitung in die Werke dea Tboniaa v. Kempen,
einer reichen Blumenleae aus denaelben , auf Grund band-
■ehriftlicher Forschungen. Mit 15 Tafeln photolitbogr. Nach-
bildungen handschriftlicher Stellen. Bertin 1883. 1.LXXX1I und
504 8. gr. 8°.)
J. F. Tregt , Eenige ascetiacbe tractaten afkomatig van de
Deventertsche Broederschap vaji het gemecne Leven, in verband
gebragt met het Boek van Thomas a Kempis „De navolginge"
(Arcbief voor de geschiedenia van het aartbisdom Utrecbt 1863,
Bd. X, S. 341-408).
k *J. Becker, Een brief van Jobannes van Schoenhoven (in „De
kathoUek", Okt. u. Dez. 1884 und Febr. 1885. dl LXXXVI
[Leiden 1884], S. 199 — 210. 352—361. dl LXXXVII [1886],
S. 126-141).
I. Karl Grube, Johannes Busch, Augnstinerpropst zu Hildeshein.
Ein katholischer Befarmator des 15. Jahrhuuderta. Zugleich ein
' Beitrag zur Geacbicbte der Wiudeaheimer und Bursfelder Kon-
f gregationeo. (Sammlung historischer Bildnisse.) Fretbarg, Her-
\ der, 1881. (VI u. 302 S. gr. 8".)
|S( — , Die Legationareise dea Kardinals Nikolaua von Cuaa durch
Norddeutachlaud im Jahr 1451 (i. d. Iiiator. Jabrb. der Görresgea.
1880, I, 393-412).
17. — , Beiträge zum Leben und Scbriften d Engethus
(ebd. 1882, III, 49-66).
270 KBtnsCHB tBESSiCämaX. l UÜtAJSSL,
18. F. DIttrIdi, Beiträge sor Geschichte der katholischen Eeht-
mation im ersten Drittel des 16. Jahrh. (Histor. Jahrbnch der
Görresges. 1884, V, 319—398).
19. H. Fiiike, Zur Geschichte der holsteinischen Klöster im 15. und
16. Jahrh. (Zeitschr. der Ges. fnr Schleswig -Holstein -Lsnen-
borgische Geschichte 1883, XIU, 143—248).
20. Sehleier, Blag. Johannes Nieder aus dem Orden der Prediger-
brüder. Ein Beitrag sor Earchengesch. des 15. Jahrhonderts
mit Unterstützung der GörresgeseUschaft herausgegeben. Mainx
1885. (XVI, 423 S. gr. S\)
21. Q. £• Friells, Greschichte der österreichischen MinoritenproTinz
(Archiv f. österr. Gesch., Bd. LXXV, 1, S. 79—245 und separat
Wien 1882. [167 S. gr. 8*]).
22. A. Wolff, Das ehemalige Franzbkanerkloster zu Flensburg (Zeit-
schrift der Ges. für Schlesw.-Holst.-Lauenb. G^esch. 1884, XIY,
S. 157—198).
28. Bizonardy Histoire de St Colette el des Ciarisses en Bouigogne
(Anzonne et Seurre) d*apr^s des documents inWts et des tn-
ditions locales. Paris 1881. (296 S. 8^)
24. Apollinaire^ Etüde sur la vie et les oeuvres de St Bemardin de
Sienne, franciscain de rObserrance. Paris und Poitiers 1882.
(XVI u. 204 S. gr. S\)
25. Sim^on Luee, Jeanne d*Arc et les ordres mendians (Berue des
deuz mondes 1881, Mai 1, S. 65—103).
26* *Dabert, Histoire de St. Fran9oi8 de Paule et de Fordre des
Minimes. Paris 1875.
27. ^Bollandy Histoire de St. Fran^ois de Paule, fondateur de Tordre
des Minimes et de son convent de Piessis-les-Tour. 2. ed. Paris
1876. (404 S.)
28. KoldCy Die deutsche Augustinerkongregation und Johann von
Staupitz. Ein Beitrag zur Ordens- und Reformationsgeschichte
nach meistens ungedruckten Quellen. Gotha 1879. (XIV und
466 S. gr. 8^)
Zur Geschichte der bedeutsamen religiösen Bewegung,
die sich in unserer Epoche in den Kiederlanden vollzogen
und von da weiter verbreitet hat; sind eine Beihe ausge-
zeichneter Arbeiten erschienen.
Zunächst hat der Mann^ von dem sie vornehmlich aus-
gegangen und ihre breite Strömung gewonnen hat, Gerhard
Grote, eine einheitliche Darstellung auf Grund der reich-
sten Mittel imd langjähriger durch mehrere Publikationen
ABBEITEK ZÜE KIRCHENGESCH. DES H. D. 16. JAHKH. 271
bezeugter Arbeit durch das vorzügliche Werk Acquojs
■erhalten, in -welchem auch das Verhältnis der beiden Stif-
tungen, die auf Gerhard's Wirken zurückgehen, vollkommen
klar gestellt wird. Eine vielfach ansprechende und vollständige
DarBtellung des Lebens und Wirkens Gerhard's giebt auch
Grube (Nr. 1); kürzer aber insbesondere durch aeine ge-
nauen bibliographischen Nachweise vortrefflich ist die Skizze
Ton Hirsche in dem Artikel Hr. 4. Aus dem Nacblafa
W. MoUs und in dessen Auitrag hat J. G. R. Acquoy
die Nr. 3 herausgegeben, eine höchst gewiaaenhafte und
reiche Arbeit, welche die Übersetzerthätigkeit Grote's be-
handelt und von dessen zahlreichen Übertragungen alt-
testamentlicher Psalmen und ähnlicher biblischer Stücke, la-
teinischer Hymnen und Hören, sowie der „Horae de aetema
aapientia" Susos Proben mitteilt. —
Hirsche' B Artikel ist aber vor allen Bingen eine voll-
ständige Monographie über die Brüder des gemeinsamen
Lebens: es ist nur zu bedauern, dafs sie in der RE' er-
schienen ist. Denn dahin gehört sie ihrem Umfang nach
nicht. Sie ist weitaus das vollständigste und beste, was
man bisher hatte, ausgezeichnet durch genaueste und um-
fassendste bibliographische Kenntnis wie durch sorgtaltige
Forschung und reichen Inhalt '. Dafs dabei mit UUmann's
Darstellung überall aufgeräumt, und der durchaus mittel-
alterliche Charakter des ganzen Wesens der Brüder überall
hervorgehoben wird, ist noch besonders anzuerkennen.
In den Rahmen dieser vortrefflichen Arbeit fügen sich
die übrigen. So die Abhandlung J. G. R. Acquoy's über
die handschriftliche Chronik des Fraterhauaea in Zwolle
(Nr. 5), welche die Schilderung des inneren Lebens dieses
Hauses und seiner Mitglieder, ihrer Askese und Arbeit, ihrer
Thätigkeit ab Abschreiber und Lehrer, als Seelsorger, als
Organisatoren und Leiter auswärtiger Brüder- und Schwestet^
faäufler auf Grund der Chronik unternimmt und in allen
Stücken mit der Arbeit Hirsche's zusammenstimmt, — ferner
die noch unvollendete Urkundenedition Hofmann's (Kr 9),
1) Vgl auch UöUer ia diewt ZeiUchrift Bd. in, 136f.
S7S KBinSCBB fiBEBStCHm. L HfiLUBB^
auch die Arbeit Geesinck's, welche in memficher Breite
und nicht immer adir scharf das Leben und insbeeondere
die Schriften Geriiard's von Zachen Torfohrt, auch genauere
Mittriinngen macht über die von CSaiiaae wieder entdeckte
Handschrift von Qerhard's „Scriptum pro qnodam inordinate
gradus ecdesiasticos et praedicationis officium aflbctante^. ^
Ubor die Gründung dar asten BrüderfainBer in Deatachland,
Münstar, Kahl, Wesel, durch Hendrik Abays (f 1439) wie
über dea Gründor sdbet beichtet Schultxe Gknaaeres in
Nr. IK
Die Geschichte der Windesheimer Kongregation,
wdcbe durch die Arbeiten hoDindischa' Gdehrten in den
letzten Jahraehnlen immer weifear gefördert worden war^ ist
adilie&Iich durch Ac ^uo/s gro&es Werk ^r. 10) £ut
zum AWhhi& gebracht worden. Auf Grund einer aolser-
ordenthchen Kf?nntnh der handn hi iflliAen and gedruckten
QiieUen wiid hier aanichst das Kketer Windedieim sethst,
aeme Gelinde, wie seine Bmiditni^ and YerfiMsang be-
schrieben, dann in eingdiender and hodst interesaanter
Wene das innere LAca in denuelben, die Askfae und De-
Torgdtuhit. Der xwwe Band gaebc die Gesdiichte der Kon-
gre^^^Mn, ihi« Arbeit auf dem Gebiet des Untemchts and des
Absdireibens^ der Wksieischaft cnd b^ooders der Geschieht-
schraboiiji^ der Kuikk und der eiBaefaMn Kansie. ihren Glaaben
und ÜKokiirie« ihi« Sisse und Ethik die E^gemamKrhkpit ihrer
Frteuara^mt uoid ihner ErbassBcsfiBKrator« ihr Verhältnis
iKtt£ifh d:;:n:li VecmittebuBr der Lbtsb». anf ihre
V>.4*^^**"^
Vom ^fiaKV
I
ÄHBKITEN ZUR KJKCHENQESCH. DES 14. V. IS. JAHHH. 273
I Klöatev und eine mit bewunderungswürdiger Sorgfalt ge-
arbeitete Zusammenstellung der tiir jedes einzelne Kloster
vorhandenen (Quellen, Litteiatur und aller Nachrichten dar-
über, die in Acquoys' Werk selbst vorkommen. Darauf
folgen noch lUO Seiten Quellen, QueUeuauszüge und -nach-
weise.
Grube' s Arbeit über die litterarische Thätigkeit der
Kongregation ist für einen weiteren katholischen Leserkreis
berechnet, enthält jedoch seihständige Studien, geht aber
nur bis zum Tod des Priors Wilhehn (1455). Das Werk
von Hirsche über die Iraitatio (Nr. 12) ist in eelnem
zweiten Baude schliel'shch eine Art Monographie über die
litterarische Thätigkeit des Thomas von Kempis ge-
worden, die jedenfalls von grofaem Wert bleiben wird, ob-
wohl durch Denifle die Undurchiiihrharkeit seiner Anschauung
von der eigentümlichen Interpunktion der Schriften des
Thomas erwiesen ist, und selbst wenn sich nach den An-
gi-iffen desselben Gelehrten Hirsche's Resultat über die Ab-
fassung der Imitatio durch Thomas nicht behaupten liefse,
eine Besorgnis, die übrigens bisher noch durchaus nicht fest
gegründet ist*. Der Aufsatz von Becker (Nr. 14), deasen
Kenntnis ich ebenso wie Nr. 3 der Güte Acquoys verdanke,
giebt „nur den Text des Briefs mit kurzem unbedeutendem
Vorwort" (im übrigen über Schoonhoven zu vergleichen
Acquoy, Het Kiooster etc. II, 3ia). Grube's Schrift über
Johann Busch (Nr. 15) ist eine sehr brauchbare und
frisch geschriebene Darstellung der Arbeit dieses bedeutau-
1) Die Frage iiach dem VerfasHer der Imitatio hat allmählich
eine solche Menge von Werken und Abbandlnngeu hervorgerufen,
dafi man Schwierigkeit hat, zu folgen. AufBerdem macht eich hier
vielfach ein ermüdender DiletlantiamUB und in Werken wie Wolfs-
gruber'a „Johann Gerseii" etc. eine Borniertheit oder einfache
FäUcbung der Thatsache breit, die nur abschrecken können, aich in
diese Flut zu vertiefen. Ich habe über eioiges kurz berichtet (Bd. VI,
8.137, Nr. 38 u. S. 609, Nr. 171) und verweise auf die orientierenden
Anfafitze von Funk (Hialor. Jahrb. der GÖrresgea. II d. Vi sowie
iosbesoodere Keppler (Theolog. Quartalschr. LXII), auch Schaltfe
ia RE^ Bd. XV, S. 598 ff. Dazu nenne ich den wenig bekannt ge-
wordeueu Aufsatx von Vregt (Nr. 13).
KRi: .^^ .;
auch die Arbei'
und nicht itnii.
^ _^^aee tieechichte dieses Muuu
die Schriften C
Mitteilungen m
^ a im dnzelnen Stationen to
Handschrift v
.^ ^» and Schaffen und h&t e
^rsdus ecclesi:i
^.^ äMT Reformarbeit zu einen
XJber die Grüi,-!
^ ^Me9L Infolge dessen bleibt }m
HUnster. Külii.
'" ' JK iMiS- ^^ vermiese insbeson-
über den Qrü-.-
^ « an G»ng, in dem diese Re-
Nr. 7 '.
" ' . _^ Ä *ie bei allen KloBterreforaen
Die Geuhi.
~" ' ^^g. nit der ökonomiBchen Wiedn-
welche durch ■
■ ■ ■■"■ ~_^^^^3DS ^^ alten Grundsätze nnd
letzten Jahrziij^
, -*" _„— Wirtschaft und Verwaltung
BchUefeUcli du-
.■■ —^ " ' _^ «Ä lüorauf ein Stück des gei-
cum Abscblul-
u, - '*' '^^ ^ dem andern sich erheben
i.. '^■'^ » ^ w einigen Jahren in höchit
Quellen vird 1.
i,^ "•*^. « lijthringer Reform des 10. und
■eine Gebäude,
•chrieben, am.
-^*^*^^jl nschen, und Busch's eigene
WeiBe daa inL_
1 ri-'^^_.^.A öt die dem Buch beigegebene
.« ■* *^ .afcerhaib der Windesheimer
—*■'*'* Mm B»«!'' geleitet und gefordert
TOtion aeinei- J-
vorgeführt. I
_^^j— ^, ^1^^ »Ib 13, Benediktiner, Au-
j^ü*"^"^,, und Prämonstratenser, der
Bchrdbung, dt.:
undTheologi..
_— *^^ *!^ß,flu6 der Windesheimer über
.^«^^ yaMBtöcht y Grube's Aufssti
Prömmigkcit
zur Sedsorgi'.
"■"^-jP^^ Sikolane von Cues 1461
mentUch dur.
_ „^^ jj a« Ärl»*"* Busch's ins Auge,
^•^'^■t jjiin Ksrdinal und dessen Rrase
^ j-r»^'' ..^ fiber Würaburg und Erfurt
'^^ ^ °^|3ap!a.hMschen Städten und
— **^fkito>^«''«" WerkeBu.ch'.
^^*l*'*^.«i«»i qnorundam Sazonise und
und Sittlichk.
die ErfolKf: .
knd. iJUr;.
reichemng m
Der dritte i;
1) Du lt.
^ndigei des l
t'BElTEN ZUR KIRCHEKGESCH. DES H. L'. 15. JARKH, 275
nach den Niederlanden. Die Schilderung des Ein-
deu Cuee überall auf die Reform von Klerus und
speziell der Bursfelder nnd Windesheimer gehabt
t dann in die Schrift über Busch übergegangen.
! erwähne ich noch die Angaben über Cuea' Ablafs-
, die Grabe hier zur Ergänzung und Korrektur der
i Arbeiten über den Kardinal beibringt
^CteBchicbte der Keform unter den Benediktinern
t weniger gearbeitet worden. Auf handschriftliche
„Zur Geschichte der Bursfelder Kongregation,
mndenbuch lur dieselbe 1462 — 14G8" im Karls-
macht Falk auftnerksam '. In Nr. 17 giebt
B Beiträge zum Leben und den Schriften des Diet-
der au der kirchlichen Reform seiner Zeit
^ und von Einflufa auf den Gründer der Bursfelder
[atiou Dederoth gewesen ist. Die Arbeit der Kon-
^tion auf holsteinischem Boden schildert Finke '. Nicht
neue Forschung aber als Hinweis auf ältere vielfach
tarergesBene oder unbekannt gebliebene Arbeiten zur Ge-
fliehte der italienischen Benediktinerreform nenne ich
len Aufsatz von Dittricb (Nr. 18): derselbe gedenkt der
eformierenden und reformierten Kongregation von Sta, Giu-
na in Padua (1412 durch den Venezianer Ludovico
fBarbo gestiftet) und ihres EinfluaseB weit über Italien und
rri>enBo weit über den Benediktinerorden hinaus, sowie der
I Kongregation von Valladolid, einer direkten Abzweigung
l von Sta, Giustina. Doch hebt Dittrich seibat hervor, wie
f ISBcb diese reformierten Gebilde wieder zeH'allen und wie
elend die klösterlichen Zustände Italiens im Anfang des
I 16. Jahrhimderts gewesen sind.
Was die Geschichte der Reform unter den Bettel-
' orden betrifft, so sind hier zunächst die Dominikaner
[ vorangegangen. Die Reihe der reformierten Frauen konvente
1) Studien und Mitteüun^n a. d. Benedikt-O. 111, 2^2. ä. auch
die Andeutungen Grube's im Vorwort zu Nr. 1 uUer UaadschriftUcbei
Material zur Beuediküucrreform in Süd-Deutacblaud.
-2) Vgl. diese Zeitachr. VI, 6U8, Nr. 1G9.
276 KRITISCHE ÜBSRSICHTBM. I. MÜIXEK,
in DeutBchland 1397 — 1468 hat Denifle zusammengestellt ^
Nmchdem dann ein Anonymus * auf die Thätigkeit des Nider
(Formikarius) ak Reformators im Orden aufinerksam ge-
nachty hat Schieler in Nr. 20 eine Monographie über
dmen viel vergessenen Mann geliefert, die trotz mancW
höchst naiver Anschauungen und trotz ihres streng katho-
fischen Standpunkts als erste Darstellimg der Wirksamkeit
Nider 8 auf äsxa litterarischen Gebiet wie in der Kirche und
deinem Orden verdienstlich ist
Die Arbeit von Friefs (Nr. 21) zur Geschichte des
]liiioritenordens enthält für das 14. und 15. Jahrhundert
relatiT sdir wenig. Der gröfste Teil derselben bezieht sich
auf die ältere Zeit des Ordens ', Dagegen haben die Mo-
aumenta Franciscana Bd. 11^ und die Analecta
Pranciscana der Väter von Quaracchi Quellen zur Ge-
schichte der Reform veröffentlicht: erstere eine abgekürzte
Sammlung von päpstlichen Verordnungen und Verfügungen
der Generalkapitel aus dem Jahre 1451 ^', letztere eine bis-
her nur ihren Spuren nach bekannte Chronik der Strais-
burger (oberdeutschen) Provinz und ihrer Reformation ^. —
Das Werk der Observanten in Holstein^ ihre Reformen und
Neugründungen verfolgt Finke (Nr. 19 vgl. oben); und die
Arbeit von Wolf über das Franziskanerkloster in Flens-
burg (Nr. 22) geht auch auf die nach dem Konstanzer
K^MuU in demselben angestellten Versuche einer Reform im
^>üui der Observanz ein. — Bizouard's Geschichte der
)|. Oolette, der Hauptträgerin der Refoi*men unter den
KUoriwJttett in Frankreich (Nr. 23); ist wissenschaftlich völlig
w^'Üv«» di<^ Behauptung ,,nach ungedruckten Quellen'' ist
!«liir kühn. Auch ApoIIinaire's Buch über einen der
r Hi«|. iH>lit. Wl 1875, LXXV, 31 f. Anm.
i KbsJL mt. M. IJCXIX, 26 f
A. \i;l »a. VI. UH3, Nr. 29.
V s. siicxo ifi^uchr VI, 13^i, nr. 28.
' ■ v^ Uiu usK'h ttichl BU eiuer näheren Untersuchung gekommen,
..y^ .uv«!A.\tw AU d^^u Sammlungen im Firmamentum trium ordinum,
Uvs. ^^vvAiA V.K \liu. <?tv\ wrhält.
V Mouv* AiuHM^ iw Tb. LZ. 1886, Nr. 16.
«\
ARBEITEN ZUR KIRCHENOESCH. DER 14. U. 15. JAHRH. 277
hervorragendsten Vertreter der Observanten und ihres Ein-
flusses auf die Zeit, Bernardino vonSienadA. (Nr. 24)
ist legendenhaft und wertlos. — Dagegen haben diese bei-
den sowie andere Helden des reformierten Franziskanertums
im 15. Jahrhundert sowie die von ihnen ausgehende eigen-
tümliche sinnlich geformte Devotion ^ ihre volkstümliche
Wirksamkeit vor allem in Frankreich während dessen
grofsen politischen und nationalen Kämpfen, speziell die
durch sie wesentlich mit veranlafste Erregung der reli-
giösen B^eisterung und ihrer Verquickung mit der politisch-
nationalen, wie sie ihren wunderbarsten Ausdruck in der
Jungfrau von Orleans erhält, eine ausgezeichnete Behandlung
erfahren in dem aufserordentlich interessanten Auisaiz von
Sim^on Luce (Nr. 25), dessen ungewöhnlich reicher In-
halt einer auch nur einigermafsen anschaulichen Wiedergabe
an dieser Stelle widerstrebt.
Die Werke zur Geschichte des Stifters der Minimen,
Franz von Paula, Nr. 26 und 27 habe ich. nicht zu G^cht
bekommen.
Den Schlufs dieses Abschnittes bilde die bedeutendste
Leistung auf diesem Gebiet der bettelmönchischen Reform,
das Buch von Kolde über die deutsche Augustinerkongre-
gation. Sie hat zum erstenmal das noch gänzlich unbebaute
Feld der Geschichte der Reform unter den Augustinereremiten
bearbeitet und damit zugleich zuerst auf protestantischer
Seite auf die hervorragende Wichtigkeit dieser Reformen
unter den Bettelorden hingewiesen. Es genügt dieses Buch,
das ja längst eingebürgert ist, hier zu nennen und darauf
hinzuweisen, dafs es auch fiir die Geschichte des religiösen
Lebens im 15. Jahrhundert bedeutsam und seiner Zeit zu
erwähnen sein wird.
[15. Juli 18H5.]
ANALEKTEN.
1.
Zum Wormser Konkordat
Von
Dr. Georg Wolfiram in Strafsburg.
Nach allen Seiten hin ist während der letzten Jahre die
Bedentnng des Woimser Konkordates sowie die Stellung der Kö-
nige zu dieser wichtigen Urlninde und zu den Bischo&wablen
ihrer Zeit untersucht worden. Burgund und Italien war bei
diesen Arbeiten meist aufser Betracht geblieben; um so ver-
dienstvoller ist die jüngst erschienene Arbeit von Beese: „Die
staatsrechtliche Stellung der Bischöfe Bargunds und Italiens
unter Friedrich I.** (Göttingen 1885). Allerdings setzt dieselbe
erst mit Friedrich I. ein, doch wird sich wesentlich Neues f!lr
die einschlägigen Fragen aus der Untersuchung frtlherer Zeiten
kaum ergeben: Lotbar und Konrad kümmerten sich, soweit ich
das Material Übersehe, gar nicht um die geistlichen Wahlen
aufserhalb des deutschen Königreichs. Reese beginnt seine Ar-
beit mit staatsrechtlichen Untersuchungen über die Reichsstand-
schaft der Bischöfe und Äbte und sucht den Umfang der vom
Reiche getragenen Lehen abzugrenzen. Uns interessieren hier
vor allen die zugleich kirchenrechtlichen Fragen und die Stel-
lung Friedrich*s zu denselben.
Über die Folge von Investitur und Konsekration kommt
Reese zu dem Resultate: Friedrich I. hat in Burgund und Italien
nicht versucht, die Helchnuug dor Weihe vorangehen zu lassen,
und unmöglich können wir mit Otto von Freising die Gleich-
stellung der burgundischen Bischöfe mit den deutschen als Pro-
WOLFRAM, ZUM WORMBER KONKORDAT- 279
gramni der kaiserlichen Politik ansehen. Es i^t nnn zuzageatthen,
dar» »ich wider Erwarten durch Beese'e eorg^tige UntersucbungeD
herauegestullt bat, dafs Friedrich ia Biir(,'uiid ganz wie früher
clie EoDsekration der Investitur Torangehen läfst. Aber es er-
scheint doch von vorohereio gewagt, mit Annahme dieser Th:it-
sacbe zugleich die Absiebt einer Änderung der Verbältnisse ge-
gen den ausdrücklichen Bericht Otto's von Freising leugnen zn
wollen. Sollte das kircbenpo litis che Programm des Kaisers, wel-
ches Otto mit seiner AnfUhrang des Konkordates giebt, nur in
der Pbantaäie des Bischofs bestanden haben, sollte dieser kaiser-
licber gewe.^en sein als der Kaiser selbst?
Vergleichen wir mit Otto's Äufserungen über die Uandhabang
des Konkordates in Italien und Burgnnd seine Auffassung Über
die Stellung des Kaisers zn den znistigen Wahlen. Da ^ebt
0r gelegentlich des Magdeburger Bischofsstreites als Inhalt des
Konkordats an ': der Kaiser kann bei zwiespältigen Wahlen
irgend einen Dritten nach dem Bäte seiner Getreuen einsetzen.
Derselben Meinung ist ancb Friedrich, wie aus einem Brief an
das Kapitel von Cambrai hervorgeht ', trotzdem macht er keinen
Gebrauch von dieser HaTsre^el. Ich habe das so zn erklären
gesucht and bierfür auch Zustimmung gefunden ', dafs der Kaiser
zunächst theoretisch gewisse Rechte in Anspruch nimmt, die er,
wenn sie der Anschauung der Zeitgenossen allmählich geläufig
geworden sind und seine Macht eine ausreichende ist, wohl auch
in die Praxis umzusetzen gedenkt. Die Handhabung der In-
vestitur in iiurgund scheint mir bierfür ein neuer Beweis m
Boin. Auch hier haben wir nicht nor den Ausspruch des Hof-
historikers, auch in einem Protokoll der kaiserlichen Kurie heilst
es: quod cum t>ausannenses etecti a sola manu imperiali regalia
accipote semper mnsnevLssent * , obwohl sich nirgends eine der
Knusekration voraufgehende Investitur in Lausanne nachweisen l&fst
Wir werden hiernach Otto von Freieing's Worte nicht ohne wei-
teres verwerfen dürfen und nehmen an, daCs in der That dar
Kaiser ein Investiturrecht vor der Konsekration theoretisch be-
anspruchte. Sehen wir bienu noch, dafs in zwei F&llen ' die
n Otto Fris. ge»ta II. 6.
2J Bouquet XVT, 695.
3j Bezenaion von Prof. Bernheim, Deatsche Litteraturzeitung
1884, Nr. 17.
4) Allerdings wird dies als Ausspruch Roger's v. Laosanne , der
gpine Eeichauiimitfelbarkeit wieder erlangen will, angeführt. Aber da
der Bischof von Strar^burg, jedenfalls Vorsitzender der Kurie, diesen
Verstofs gegen das Konkordat mit in das Protokoll aufgenommen hat,
■ ao scheint aan Bofgericht die^c Meinung accepticrt zn nahen.
I 5) Den einen Fall in Vienne führt Reese selbst an p. 31, n. 7.
280 ANALEKTEN.
Belehnang von Friedrich Bischöfen erteilt wird, die noeh nidit
die Weihe empfangen haben, so sind das bereits Versuche, die
Theorie in die Praxis umzusetzen.
Weiter ist der Kaiser auf dieser Bahn bereits in Italien vor-
geschritten, wo ihm ein vieljähriger Aufenthalt die Dnrchf&hnmg
seiner Ideen eher ermöglichte; denn nicht nur in zwei Fälleo,
wie Reese angiebt (p. 106), hat hier Friedrich die Investitor der
Weibe voraufgehen lassen. Aufser in Ravenna und Aqnileja folgt
in Trient wohl stets der Wahl zunächst die Begalienbelehnnng.
Wenn der electus von Perugia eine confirmatio seiner Be-
sitzungen und Rechte erhält, so ist, wie Reese selbst gezeigt
hat, dieser Ausdruck der investitura gleichbedeutend. Weilen
die Gewählten von Citta di Castello und Gubbio gleichzeitig mit
dem von Perugia in Belehnungsangelegenheiten am kaiserlichen
Hofe, so dürfen wir auch sicher fQr sie eine Begalienverleihnng,
mag diese einen Umfang gehabt haben, welchen sie wolle, vor
der Weihe voraussetzen. Für Parma hält Reese selbst eine Be-
lehnung der Elekten, da sie unter Heinrich VI. sicher nachweis-
bar ist, fQr möglich. In Verona ist sie mir wahrscheinlich;
denn an Wichtigkeit fQr den deutschen König steht dieses Bis-
tum mit Aqnileja und Trient, wo Friedrich nachweislich das
Konkordat verletzt, völlig gleich, und es ist jedenfalls auffallend,
dafs kaum drei Monate nach dem Tode des alten Bischofs Bi-
prand die Belehnung empfängt. In Italien also, das scheint mir
festzustehen, rechtfertigen die Thatsachen vollkommen die Auf-
fassung, welche Otto von Freising als Inhalt des Konkordates
einzuführen versucht.
Ich wende mich zu einem zweiten Punkte, in welchem meine
Ansicht von der Reese*schen wesentlich abweicht: über die Be-
deutung der Reihenfolge von Investitur und Weihe. Doch be-
vor ich hier auf Reese eingehe, sei es mir erlaubt, mich mit
Bernhoim auseinanderzusetzen, der gleichfalls meiner Auffassung,
wie ich sie in der Arbeit über „Friedrich I. und das Wormser
Konkordat" (Marburg 1883) entwickelt habe, vor kurzem ent-
gegengetreten ist *. Ich hatte ausgeführt, dafs durch die in
Deutschland der Weihe voraiifgehende Investitur nicht sowohl
ein Druck auf die Wahl ausgeführt werden sollte, sondern dafs
man durch die Priorität dieses Aktes als Antwort auf das Ver-
bot der Laieninvestitur zum unzweideutigen Ausdruck hatte brin-
gen wollen: das Kirchengut steht im Obereigentum des Königs,
Aus einer Konfirniationsurkunde an den Bischof Herbert v. Bcsativon
die R. nicht zur Hand war (Castan, Or. de Bes. 154), crgiebt sich,
dafs auch dieser als electus seine Regalien erhielt.
1) In dieser Zeitschrift VII, 308 ft.
I
WOI-PRAM, ÜHM WORMSBB KONKORDAT, 281
I resp. des Reiches. Ware die Weihe voraDgestellt worden, so
■ ( b&tte, beeonders nach tTberlassun^ der alten Symbole „RinR und
Btab" an die Kirche, die im voraut'geh enden Kampfe TOnaeiten
D dsr Geistlichkeit erstrebte AnffasHun^ entstehoD kOnnen, dafs
^ sich die Spiritualien Verleihung auf den gesamtrn weltlichen Be-
il litz der Kirche erstrecke. Ich gebe zu, änfs in meiner Dar-
^ Stellung HU sehr zurückgetreten ist. wie »'chon die ROckaicbt auf
f die Investitur den Wähler eines Bisi^liefs veranlassen mufste,
f einen vorauMsichtlich dem Könige genehmen Kandidaten auf-
suatellen. Ob diese Investitur nun aber vor oder nach der
J Weihe einzuholen war, da» ist in diesem Falle gleichgflttig.
[ Bemheim macht fOr den Wort einer der Weihe voraufgehenden
l Kegalien Verleihung geltend: es Herren sich Bedingungen an die
eilung derselben knüpfen. GewiCs, aber konnten diese nach
■er Weihe nicht ebenso gut gestellt werden? Die Belehnung
bten Trierer Erzbiscliofs (1131) wird von einem Recht-
lertigangseid abhängig geraacbt; Friedrich 1. fordert als Preis
: die Belehnung Konrad's von Salzburg die Anerkennung des
P^togenpiipstes. Weiter führt Bernheim für seine Auffassung an:
der König konnte die Kaahiernng einer ihm mifsliohen Wahl bei
den geitjtlicben Oberen zu erlangen suchen. Das wohl; aber
war ein Bischof nicht auch seiner amtlichen Funktionen zu ent-
heben, wenn derselbe bereits geweiht war? Bei dem konsekrierten
Adalhert von Salzburg setzt das Friedrich durch Vorenthaltung
der Regalien durch. Dafs es aber überhaupt bei derartigen
Fallen ebenso wenig an Gründen gebrach, als wenn eine Wahl
annulliert werden sollte, zeigt, um nur noch ein Beispiel von
vielen anzuführen, die Absetzung Heinrich's von Mainz, die we-
sentlich in Friedrich's Interesse von Rom verfügt wurde. Eine
Depossodiernng liefs sich also durch Vorentlialtung der Investitur,
gleichviel ob vor oder nach der Weihe stets erreichen, — wenn
Born es wollte.
Nun liefse sich vielleicht sagen, dafs bei einer Verweigerung
der Belohnung die Besitznahme des Bischofsstuhls keine recht-
liche war. Aber nehmen wir an, die Konsekration wäre gesetz-
m&fsig der Investitur voraufgegangen, konnte dann wohl ein Ge-
weihter rechtlich seines vollen biscLüdicben Amtes warten, wenn
die Investitur ausblieb ? Die priesterlichen FunVtionen machten
nicht allein den Bischof, nach der ganzen Entwiekelung des
Episkopats waren die Regalien untrennbar. Sonach hätte der
Bischof auf soine Hauptoinnahmen Tärzichten müssen. Dann aber
hätte es dem Kaiser durchaus gleichgültig sein ki^nnen. wer den
Krummstab führte: denn nicht der Priester war es, sondern der
Landesherr, an dessen Persfmlichkeit er Interesse hatte.
Kurz, die Gründe, welche Bemheim fOr den Wert einer der
362 AKALEKTEK.
Weihe Yoransgehenden InyestitQr anfDhrt, sprechen wohl für
die Bedeutmig der Investitur überhaupt, erklären aber nicht,
weehalb das Konkordat sie in Deutschland der Weihe yorangebeD
l&llst.
Meine Aufbssung fiber den Zweck dieser Festsetzung erhalt
nun durch die Beese'sche Schrift eine willkommene Bestätigung.
Die Konsequenz meines Erklärungsversuches muüste fOr Burgund
und Italien darauf hinausgehen, dafs Heinrich V. hier mit Gestat-
tung einer seiner Belehnung vorausgehenden Spiritoalieninvestitur
de facto auf das Obereigentumsrecht am Beichskirchengat verzichtet
habe. Nun schliefst Reese allerdings sein Besum^ über den Wert
der burgundischen Investitur: „Der Kaiser fibergiebt ein Scep-
trum dem zu Investierenden und fElhrt ihn damit ein in den
Besitz und das YerfÜgungsrecht fiber die Regalien/' Sehen wir
aber nun die voraufgehenden Ausführungen an, so finden wir,
daÜB in den meisten Fällen eine aufserordentlich lange Zeit von
der Weihe bis zur kaiserlichen Belehnung verstreicht; so bei-
spielsweise in Belley von 1163 — 1175, in Apt von 1162 — 1178,
in Lyon 1180 — 1184, in Tarantaise 1179—1186 u. s. w.
Sollen wir annehmen, dafs sich der Bischof während air
dieser Jahre des Yerftlgungsrechts über die Regalien enthalten
hat? Es konunt hinzu, dafs sich zahlreiche Konfirmationen finden,
welche die Päpste dem Episkopat far possessiones et privilegia
ausstellen; so ffir Arles (Raimund) \ Avignon (Pontius) \ St Die
(Petrus) ', Lausanne (Roger) * u. s. w. Wilhelm von Apt * er-
hält eine derartige Bestätigung von Hadrian lY., während er
die kaiserliche Investitur erst 1162 eingeholt hat^, Petms
V. Marseille ^ durch Anastasius , der Kaiser belehnt ihn erst elf
Jahre später ^ Wenn sich nun eine solche confirmatio ausdrflck-
lich über den ganzen Begriff der Regalion erstreckt, ja fast wört-
lich mit dem kaiserlichen Belehnungsbriefe übereinstimmt, sollen
wir da annehmen, der Bischof habe diese Urkunde bis zur er-
folgten weltlichen Investitur beiseite gelegt?
Ich glaube, die angefahrten Thatsachen beweisen, dafs, wie ich
angenommen hatte, eine der Konsekration nachfolgende Investitur
eine inhaltslose Formalität war, die Regalien aber bereits mit der
Spiritualienverleihung in das VerfQgungsrecht desBischofs übergingen.
0 Gall Chr. I, instr. 97.
2> Kbd. I. 814.
a> Kbd. XVI, 187.
4> Kbd. XV, 156.
V Kbd. h 357.
IN v>. «>hr. inttr. 112.
^N ^ tt. 4013.
EOLDB, CASLSTADT UND DÄNEMARK. 383
Wenn nun Friedrich im Gegensatz zu seinen Vorgängern, die
auf ihre Begalienübergabe fast völlig verzichtet haben, wieder
I einen nmfasseDden Gebranch von den veralteten Rechten macht,
M stimmt das vortrefflich zu seinen Übrigen zielbewufsten Mafs-
rageln in diesen Fragen. Zunächst stellt er die halb vergessenen
Bechte her, dünn erweitert er dieselben in rein theoretischer
Weise, sucht sie aber durch entaprediende Hofgericbtseprüche dem
Bechte bewu rätseln der Zeitgenossen geläufig zu machen, endlich
setzt er sie bei gOnstJger Gelegenheit in die Praxis nm.
2.
Carlstadt und Dänemark.
VOD
D. Th. Eolde in Erlangen.
Wahrend alle alteren, Seckendorf, G. Arnold, Gerdesius ',
Fäszlin^, Planck etc. davon nicbtä wissen, gilt es bei allen
neueren Biographen Luther's, Oarletadt's ffie sonstigen Refor-
mation s geschieh tsch reib em als eine aus^'emachte Thatsache , dafa
Carlstadt im Frflhjahr 1521 einem Rufe nach Dänemark gefolgt,
nach kurzem Aufenthalte daselbst aber sehr bald, spätestens
Mitte .luni nach Wittenherg zurückgekehrt sei, eine Annahme,
die von dem letzten Biographen Carlstadts, C. Jäger ^ sogar mit
gesetzgeberischen Akten in Dänemark, die Carlstadt beeinflufst
haben soll, in Verbindung gebracht wird. Sieht man näher zu,
so beruht die ganze Überlieferuug auf einem im Jahre 1?47 in
den Abhandlungen der Kopenbagener Akademie verCffentlichten
Aufsatze des Dänen Joh. Gram *, dessen Resultate beinah fDufzig
Jahre später J, F. KOhler ' in Deutschland bekannt gab. Nach-
1) GerdesiuB, in Scrin. antiqu. 1748. I.
2) J. C. FÜHaliii, Andreas Bodenat^in sonst Carlstadt genannt
Ijebensgeachichte. Frankfurt und Leipzig 1776.
3} C. Jäger, Andrea» Bodeosteiii von Caristadt (Stuttgart 1856),
8. 170 ff.
4) Joh, Grammius. de lila, nuam Rex Chri&tiemaB Scouudiu
animo agitavit Sacrorum in Dania Reformatione etc. in „Scripta a
Societatc HafnieiiBi bonfs artlbus proniovendiB dedita", F. III (Hatiiiae
1147), p. 9 ff,
5) J, F. Köhler, „D. Andreas Bodemteln's von Karlstad Leben,
284 ANALEKTEN.
dem sie von Mfinter in seiner Kirchengeschichte von Dftnemark
nnd Norwegen ^ unter dem Ansdnick der Verwandemng, da(s
selbst der „so genanforschende Faefsli" dieses merkwfirdigen
ümstandes nicht Erwähnung gethan, gebilligt worden waren, bat,
so weit ich sehe, niemand mehr die Frage untersucht, indem
Jäger auf Köhler sich berief und alle Späteren wohl lediglich
nur auf Jäger zurQckgriffen.
Ein positives Zeugnis für Garlstadt*s dänische Beise ist nun
tbatsächlich nirgends vorhanden, niemand hat bisher eine Stelle
in Carlstadt's zahlreichen Schriften beigebracht, wo irgendwie
Ton einem Aufenthalt in Dänemark die Bede ist. Worauf man
sich beruft, ist lediglich Folgendes *:
In einem unten vollständig mitzuteilenden Briefe des durch
seine späteren Beziehungen zu Carlstadt bekannten Martin Rein-
hard an den König von Dänemark, d. d. Worms 25. April 1521
heifst es, dafs „sich Doctor Andreas gantz gutwillig £. K. Mi
zu dienen ertzaigt und befinden lassen auch das Gtoleid in groDsen
Frejden angenommen". Hieraus wie aus dem ganzen Inhalt des
Briefes ist mit Becht zu schliefsen, dafs Garlstadt sich bereit
erklärt, der an ihn ergangenen Aufforderung, nach Kopenhagen
zu kommen, Folge zu leisten. Ebenso sicher geht aber daraas
hervor, dafs er noch nicht abgereist ist, denn Beinhard erklärt
weiter unten: „verhoff aber doch Doctor Garlstadt und Doctor
Luthem auch samt andern vil Hochgelarten Leuten an E. Mi
üniversitet zu bringen".
Als zweites Argument gelten einige Distichen aus einem Lob-
liede, das Matthias Gabler aus Stuttgart im Juni 1521 ' in
Kopenhagen auf Christian drucken liefs:
Coelestis Sophias vindex fulcire ruinam
Aggreditur, doctos vult quoque habere vires
Magna Carolstadio promisit praemia docto,
Adventum cujus Curia tota vocat.
Dafs hier im besten Falle doch nur die Hoffnung auf ein
noch zu erwartendes Kommen ausgedrückt wird, wahrscheinlicher
Meinungen und Schicksale ^^ in seineu ,, Beiträgen zur Ergänzung der
deutschen Litteratur und Kunstgeschichte", 1. Bd. (Leipzig 1792),
I, 65 ff.
1) Munter, Kirchengeschichte von Dänemark, Bd. IH (Leipzig
1833), S. 32ff
2) Vgl. Gram a. a. 0. Allerdings weifs ein dänischer Chronist
Namens J. Svaning nach den Mitteilungen von Gram S. 13 ff. allerlei
Ausführliches über Carlstadt's Aufenthalt zu berichten, aber die dä>
nischen Schriftsteller selbst erwähnen ihn nur, um seine Ausführungen
als völlig unglaubwürdig zurückzuweisen.
3) §0 wohl mit Köhler S. 59 zu lesen, nicht 1531. wie es bei
Gram infolge eines Druckfehlers heifst.
KULDE, CAKLSTADT UND DÄNEMARK. 2S&
)T nur des KOnige gute Bestrebungen oline Rücicsicbt auf ihren
Mg gefeiert werden, ist Gram nicbt entgangen, er hält dem
)t seine Überzeugung' entgegen, dafs der Diubter unr des
Verses wegen „pro praeterito Tocavit sive pro Adventu gau-
let vel geatit" den Ausdruck „vocat" gebraucht babe. Nicht
riel besser steht es mit einem dritten Argument, einer ganz
ikurzen leider ganz ziiaammenbangElos mitgeteilten Stelle aus einem
iBittdcb reiben eines aus Sacbsen gebürtigen „ deutseben Scbreibera
der kgl. Kanzlei", worin derselbe um seinen rückstandigen Ue-
b< bittet und dabei seine Not scbildert, die ihn gezwungen
), an seinen Vater um Ueld zu schreiben, „mit Doktor Carl-
Btadt", oder genauer „Og hafver jeg skrevet hiem til min Fader,
om Penge , med üoctore Carolstadt " , d. b. „ Auch habe ich
heimgescb rieben an meinen Vater, um Geld, mit Doctur Carl-
atadt". Oram Übersetzt „Pltiam per literas cum Doctore Carol-
stadii in patriam missas parentem de pecunia compellavi"; was
damit gemeint sein kann, wenn auch bei der vorliegenden
Wortstellung „mittendaa" nicht minder wabrscbeinlicli zu er-
gänzen sein dürfte. Nimmt man nun hinzu, dufi< diesen in
Deuerer Zeit nicht mehr geprüften, doch an und für sich sehr
schwachen Argumenten, die bisber wnnderlicberweise nie be-
obachtete Tbatsacbe gegenübersteht, dals Carlstadt während des
Sommersemester Dekan der theulugiüchuu Fakultät war und nach-
weislich am 13. Mai als solcher bei Promotionen fungiert hat '
und Tergleicht dann die schon von Waltz in dieser Zeitschrift
publizierten auf Carlstadt's dänische Reise bezOglicben Aktenstücke *,
so scheint es mir keiaem Zweifel zu unterliegen, dufs Carlstadt
die projektierte Fahrt nach Dänemark nie angetreten und alle
an seinen dortigen Aufenthalt geknüpftun Vermutungen keinen
historischen Hintergrund haben.
Die ganze Angelegenheit dürfte folgenden Verlauf gehabt
haben :
Als sieber darf gellen, dafs König Christieru 11. im Laufe
des Jahres 1520 oder scbon frQlier vun Fiiedricb dem Weisen
sieb einen oder mehrere Gelehrte erbat, und von den Witten-
hergern als Lehrer der Theologie Martin Ueinhard, Priester der
Diözese WGrzhurg aus Eifetstadt ^, und als Lehrer des Qriechi-
1) Lib, detuoonim cd. Förstemaiiu. p, 25.
ü) Zeitsehr. f. Kirchenges eh., Bd- II, S. ia8ff.
3) De Wette 1,570. Kex Daciaceliam peraequitur Papistos mui-
dato datu Uuiversitati suae ue mea damnarent. Ita retulit, quem illuc
dedlmus, D. Martiriua reveraus ut proiaoveretur rediturua illnc.
I>arB dies Martiuus Keiubard (der spätere Pfarrer von Jena), ereiebt
«ich aus dem Folgeudeu. Vgl. auch Gram a. a 0., 8. 10; Mün-
S86 AÜALSKTtÜt.
sehen Mathias Gabler ans Stuttgart ' dahingeachickt wurde. Im
Wint«r 1520 langte Beinhard in EopeDhagen an und worde am
20. Dezember desselben Jahres der theologischen Fakultät da-
selbst inkorporiert *. Nach der Angabe der danischen Scbrifl-
steller gelang es ihm aber nicht, daselbst aafzukomnien , weil er
der Sprache unkundig, aoch sonst durch seine abireichenden Ge-
wohnheiten Anstofs erregte, vor allem aber wegen seiner Lehre,
die ihm die Verfolgung der einheimischen Priester eintmg. Wie-
viel von den darüber erzählten Einzeln heiten richtig ist, kaoD
nicht festgestellt werden, da sie auf den Angaben des schoc
oben als unzuverlässig be^eichneteD Chronisten beruhen. Fest
steht dann wieder, dafs Keinhard nach kurzer Zeit Kopenhagen
verliefa, um einesteils, so hat er wenigstens Luther angegeben,
zu promovieren, andernteils nm im Auftrage des Königs, unter-
stützt durch mancherlei Empfehlungsschreiben, neue Kräfte nacb
Dänemark zu ziehen °. Was er beabsichtigte, war nicht nur
Carlfitadt, uuf den zunächst sein Auftr^ lautete, sondern wenn
mCglich sogar Luther zur Übersiedelung nach Dänemark zu be-
wegen. In Begleitung von Stephan Hopfenstein, der als dä-
nischer Gesandter zum Wormser Beichstag ging, wird er Anfang
Harz in Wittenberg eingetroffen sein. Mit Luther scheint er
angesichts seiner bevorstehenden Berufung nach Worms nicht
Aber Beinen etwaigen Fortgang nach Kopenhagen verhandelt zu
haben *. Dagegen erülhete er Carlsbitit die danischen An-
erhietungen, der dieselben, wie Beinhard berichtet, mit Freuden
ergriff. Da Beinhard aber besondere Aufträge an Friedrich den
Weisen und andere Forsten hatte, dieselben jedoch sämtlich
sich schon auf dem Reichstag befanden, begab er sieb mit
Hopfenstein nach Worms. Dort entledigte er sich seines Auf-
trags, wurde aber betreffs Luther's von dem Kurfürsten bis auf
dessen Ankunft vertröstet. Nach Luther's Verhör brachte nun
Stephan Hopfenstein das künigliche Anliegen von neuem vor,
und Beinhard könnt« jetzt berichten, „der KnrfOrst habe sich
ter, Kirchengeach. III, S6ff.; Jenfgen, Schleswig - faoltt«iiiiiche
Kircbengcsehichte UI [Kiel I8T7), S. 15.
1) Vgl, C. Rpf. 1, 3G4. Album Viteb, ed Förstemann , p. 78:
Mathias linbler, ätutgardianua dioc. Conslau. 4. Decem. (Ifilb).
2) Nach Uiam a. a. 0. lautete der Eintrag in die Matrikel:
MartinuB Reinhardt Presbyter Herbipolensis Dic>ccesis intitulatus ett
ad Facultatem theologicam , feria quarta quae vi^ilia fuit Beati
Tbomae Apostoli ex iussu Priticipis vocatus huc venit,
ä) Darüber belehrt uns der schou erwühute, uuteu vollatätidig
abgedruckt« Brief Beinhard's an den König.
4) Luther erwähnt davon nichts I, 5iU und ebenso wenig HeL
C. K. I, 3t>4, vor allem spricht aber das Schweigen Heinhard's in
seiaem unten abgedruckten Briefe selbst dagegen.
IEOLDE, CABLSTADT CND DÄNEKABK. 287
DI gat finden lassen". Ei wnrde also nicht ohne weiteres
rückgewiesen , nnd nas Aleander erzählt', dafti Luther n&ob
D&uemark gehen wolle, war demnach nicht bd ganz leeres Ve-
rficht, und zeigt von neuem, wie trefflieb ei unterrichtet war.
lodessen entschlofB man sieb bekanntlich anders im karfOret lieben
Bäte, und es ist mir fraglich, ob Luther von jenen seinetwegen
gepflogenen danischen Verhandlungen etwas erfabren hat, wenig-
stens ist mir keine Erwähnung derselben bekannt.
Merkwflrdig ist nun das Verhalten Carlstadt's, wie es sich
unter UinzunaJime der von Waltz veröffentlichten ÄkteustOck«
«rgiebt *. Wie gesagt, hatte er sich zu kommen bereit eikl&rt,
ja scheint alsbald bestimmte Abmachungen getroffen zu haben *,
nachlräglicb deshalb auch bei dem KnrfQraten angefragt zn
baben *. Was derselbe hat darauf antworten lassen, wissen wir
nicht, doch berechtigt die Tbatüacbe, dafs der Kurfürst jedenfalls
spater, Ende Juni, Carlstadt's Furtgaug wünschte, zn dem Schlüsse,
dafs er schon damals zugestimmt nnd auch eine dahingehende
Zusage nach Dänemark hat geben laesen. Gleichwohl reiste
Carlstadt nicht ab, sondern wartete, wie schon bemerkt, seines
Amtes als Dekan an der theologischen Fakultät '. Indessen war
die Suche nach der Meinnng der Kollegen keineswegs anfgegeben,
wie man daraus ersehen kann, daTs Metanchthon sich mit der
Frage nach dem eventuellen Nachfolger Carlstadt's ^ beschäftigte,
eine Frage, die erst nach der Bäckkehr des Fürsten entschieden
werden sollte. Montap nach St. Vit! (17. Juni) war der Eur-
fQist wieder in der Heimat, denn von diesem Tage ist ein Brief
der Universität an ihn gerichtet, in dem sie ihn zn seiner glDck-
1) Brieger, Aleander und Luther in Forscbungen 1, 166. 171.
180 f.
2) In dieser Zeitschrift, Bd. II, S. lS8fF. Waltz hat keinen Vei^
euch gemacht, die Sehriftetilcke in eine chronologiBche Ordnung la
bringeii. Sie ist unter Hiniuiiehung anderer von Spalatin herrühren-
der Schriftstücke sehr wohl herzustellen.
3) Die Universiiät antwortet: „hab doctor Karlatat hinder meinem
g. h. dem konjg etwas zagesagt"; a. a. 0 S. 12H Anm.
4) Darauf beziehe ich die Notii: ,,£. C. g. wirt ob gott will za
irer gelegecheit den beichtvater und mich wisseu laaaen, was wir
dem KarrBtat für ein antwort geben »ullen." a. a. O. S. 127. Wäh-
rend einige Zeilen früher luiter „Beichtvater" Glapio (u veretehen
ist, wird man hier an den Beichtvater des Kurfürsten denken möasen.
5) Lih. dec. 25,
6) Vgl. Brief vom 7. Juni IÜ21. C. R. I, ä93f. Quid antem,
n CrotUB pOBset vel Petro Lupino vel Carolostadio suffici? Unrichtig
■chliefat Jäger S. 17ü hieraus, dafft CarUtodi fort aber uoch nicht
surück war. Die von VValtz edierten Äkti^uatiieke ergeben aber gans
deutlieh, dafs es bei den mit äpalatin gepflogenen Verhandlungen räch
erst um die Bedingungea seiner Abreise handelte, nicbt darum, wes-
halb er wieder gekommen ist.
288 ANALEKTEN.
licheD Rückkehr beglackwüimcbt und ibm ihre WÖnsche wegen
SeorganiaatiüD und sonütige liescbwerdeo vorträgt *. Am 34. Jmii
verbundelte Spalutin, den mim erbeten, daraufhin mit der Uni-
versität über die Neubesetzungen einiger vakanten Stollen ' und
nahm zugleich mit (Jarlatadt ein Protokull auf über die Urflnde,
weübalb er trotx Zusage nicht uacb Dänemark gegangen, wodurcli
dem Kurfürsten Ungelegenbeiten bei seinem Schwager «rnachgen
würdeu. Aber ubwohl Spalatin seine Furuht vor Bann und
Acht dahin zu beruhigen suubte, dafa er ihm auseinandersetzte,
dafs der Eünig die kaiserliübe Acht in seinem Lande nicht anerkenne
und mit dem Papste xu schlecht stehe, als dafs er in Dänemark
den Bann /a fürchten habe, erklärte Carlstadt doch scblieMcb,
lieber, um den Kurfürsten nicht beacbnerlich zu fallen, aua dem
Lande gehen zu wollen und alles zu verlasiien, ehe er nach Dänemark
ginge ". Dals es ibm damit aber niubt Ernst war, er vielmehr
den deutlich erklärbaren Wonach des Fürsten seinem Schwager
GenSge zu tbnn, benutzen wollte, nm möglichst viel Gewinn
Darin heirst es u. a:
e gar überscLireDglicIieu
E. Kf. G. Schüler allbie mit Hauazins von deu Bürgern und suhbI
mit Vitalien die da nit wul, aundem kümmerlich uud teuer zu be-
kummen, auch von liaudwerkaleutcn , Schueidem und Schust^^m und
suoat allenthalben bescb nert etc. Nach S pa 1 a t i n , Auualeu bä
Mencken II, 807, wäre der Kurfünt über zehn Taf^e in Wittenberg
geblieben, nach einem Briefe vom 13. Juli 1521 an Seidler (bei
Seidemann, Erläuterungen, S. 'dl) wäre er drei Wochen dort ge-
2) Neudecker'Bche Sammlung, Bl. 162, ITü. 173; Seidemaun,
Krl. 31; M. Lenz, Mark Lutherprogramm imn, S. U. Dazu be-
merke ich, dafs die Wünsche der Univenität vollauf befriedigt wur-
den. Nachdem Dr. Brück abgelehnt, bekam Schwertfeger die Pro-
fesaur Stühelin's zunächst auf ein Jahr. Ebenso wunlcu zunächst
interimistiach bestellt die beiden Mediziner Augustin Schürf und
Stephan Wilde. G«gen letzteren hatte der Kurfürst anfangs Bedenken,
weil derselbe der Urlieber des Anfatanda vom Jahre vorher gewesen,
und die Univeraität beschlosaen hätte, ihn zu exktudiereu, er deshalb
auch noch nicht entschuldigt sei, liefs ihn sich aber gefallen, wenn
die Linivcraität ihn für den Tüchtigsten ansehe. Sic erhielten den
Auftrag, ,. dasz einer vor Mittag Theor(,et)ica und der Ander nach Mittag
in der Practica leac". Für Mathematik wurde der IlofastroLog
Joh. VoUmar augeatellt (vgl. Th. Kolde, Fricdr. d. W,, S. 19). Zu
Reformatoren der Universität wurden nach dem Wunsche derwlben
der Rektor uud die Dekane der vier Pakultülen, der Propst und der
Sebolaster (?) gewählt. (Spalutiniaua Neudecker'ache Sammlung ItiS.
ITU. 173). Luther wandte damals Apokal. '.* auf die vier FakiiltSIen
au, v^l- Operat. in psalmos Opp. ex. lat. XVI, p. 3-^1. 326.
3) Als erstes Sclirtftatück in der Bcihe dürfte das datierte, von
Waltz in die Anmerkung verwiesene anzunehmen aein. Daselbst iat m
lesen: „gethan" statt „zu thun", und im leUsten Absatz, ,,wo er
hinkommen möge" statt „wie er".
I
KOLDE, CAKLSTADT UND DÄNEMAKK. 289
daraas zu ziehen, ergeben seine aller Waltrscbeinlichkeit nach bald
duauf an Spalatin gesandten Bedingungen , die seine Habgier
nnd seine marsloae Eitelkeit erkennen lassen '. Auf Teranlassnng
des Kurfürsten wurde die Universität zu einem Gutachten dar-
Qber aufgefordert, worin sie sich aufserstande erklärt, ihrerseits
den Carls tadt'sühen Forderungen nachzukommen, Gbrigens es für
das Beste achtet, „das dactor Karlstat sein zusage Toltziebe" '.
Ob nun Caristadt aaf seinen Forderungen bestanden, und sich
deshalb die Sache zerschlag, oder der Kurfürst das Interesse
daran verlor, steht dahin: es ist nicht mehr davon die Bede, und
Carlstadt ist weder früher noch später nach Däne-
mark gegangen.
Ich scbliefse hieran das mehrfach citierte Schreiben Bein-
faards an den König von Dänemark, das, obnohl bei Gram
a. a. 0. gedruckt, neuem Forschem unbekannt geblieben und
ancb in diesem Werke schwer zugänglich zu sein scheint, sowie
Bin Schreiben Hopfenstein's an den KOnig.
I. M. Reinhard an König Christiern. Worms, 25. April
1521.
Ällerdurchleuchtigester, Groszmechtigester EDnig, Allergnedi<
gester Herrl Ewer Kü. Mt. seind mein pflichtig Dienst in aller
Untertänigheit allzeit zuvor, samt meinen Gebett gegen Gott fllr
1) Nr.n. Earlstadt an einen UngenannteD. Waltz a. a. 0. S. 128.
Das ergebt eine Vergleichung des Inhalts. Da^u kommt (Nr. III) ein
ohoe Zweifel eben darauf bezügliches Dokument, welches Walte nicht
mitgeteilt hat und welches sich in einem Memorandum findet, äaa auf
die am 24. Juni mit der UniveraitiU verbandelten Dinge sich zurüek-
bezieht, also nach dieacm Termin anzusetzen ist und folgendennarsen
lautet : „ Doctor Karlatats übergebae Verzeichuia (das sind eben jene
Bedingungen) der Universitet furzuhatteu und soudertich der lection
halben die zu bestellen und zu vcrsoTgeu weil sie wiifsten, was ir
Statuta in diaem fall vermochten. Ob es seiner bit nach zuzulassen
■ein Bolt oder uit, Ir bedenken £u bören. Item die Universttet hoI
snf ily andern artigkel ir bedeuken anznigen waa unaerm G. Hern
dar ynnen zu tun (Hl. 172t' der Neudecker'scbcu Sammlung). Dar-
auf gab die Universität als Antwort (Nr. IV) was Waltz a. a. 0.
S. im Anm. unten von Bl. 173 abgedruckt hat.
2) Unmittelbar daran scbliefst sich die Bemerkung: „Die Unt-
reratteth heclagt sich stürmung etlicher priesterheuser , etliche nacht
bescfaeen, mit unterteniger bitt, solchen und weitem imfug gnediglich
ZalUdir. f. S.-O. Tllt. 1. 1. 19
290 ANALEKTBK.
K Kfi. Mi zn bitten, bereitt. Allergnedigster Eflnigt Alsz ich
von E. K. Mi zu Koppenbagen in Benelch derselbigen E. K. Mt.
nmb Doctorn Andreen Bodenstein von Eiurolstat, gen Wittenberg,
in Hoffnung denselbigen bisz an E. E. Mt. Universitet se brin-
gen, gerajst, In allda gefunden, und das Geleid, so E. K. Mt.
eegenanten Doctorn zugesandt, gegeben, bat sich bemeldter Doctor
Andreas gantz gutwillig E. E. Mt. zu dienen ertzaigt und be-
finden lassen, auch das Geleid in g^roszen Frejden angenommen.
Aber die Durchleuchtige Hochgebome ChurfÜrsten, Fflrsten etc.
B. K. Mt. Ohmehen Schwager und Bat etc. seind all aus Iren
FflrstenthOmber gewest, etzlich, als die Durchleuchtige etc. Für-
sten, Hertzog Friderich von Sachsen etc. Joachim Marg^raue zu
Brandenburg etc. bejde Ghurfürsten etc. seynd zu Wormbs ge-
wesen ; welchen ich E. K. Mi Brieue geliebert, und von Hertzog
Friderichen kheinen Beschied, ee Doctor Luther allhie gen
Wormbs khame, entpfangen; Denn Sein ChurfOrstliche Genaden
machten sich so schwer den Man zu vorlassen, dasz ichs E. £.
Mi itzomals nicht alles schrejben, verhoff aber doch Doctor
Carlstadt und Doctor Luthen^ auch, samt andern vU Hochgelarten
Leutten au (sie) K Mi Uni?ersitet zu bringen. Dann Steffan,
E. E. Mi Secretarius, hat, nach Doctor Luthers Verhör, mit dem
Churfftrsten gehandelt, der sich gantz gut hat lassen finden, als
bemeldter E. E. Mi Secretarius clerlich ertzelen würt \ Aber
Margrane Joachim Ohurfürst £. E. Mi Schwager etc. hat mich
mit Seiner Genaden Gelaid genediglich abgefertiget. Die Hertzogen
von Mechlenburg etc. seynd nicht zu Wormbs gewest; Dan Hertzog
Heinrich ist von Bömscher Eay. Maji E. K. Mt. Schwager etc.
Legation wejs gen Schweitzerland gesandt, so ist Hertzog Albrecht
mit dem jungen Margrauen wider zu Land gereist; Derohalben
ich von Lie khein Geleid, sonder E. E. Mt. vff heut dato noch
hab; Yedoch hat sich Steffan in Bömischer Cantzlei beworben,
dasz wir B6. Eay. Mi etc. volkhomen vehelich Geleid erlangt
haben. In den Sachen Anthoni von Metz berurende hab ich in
nicht fanden, kan auch nicht erfaren wo er sey; Aber bejden
Hertzogen von Braunschweig etc. Erichen und Heinrichen den
Jüngern, hab E. E. Mt. Brieue geantwort, kheinen andern Be-
schied, dan wo gedachter Anthoni von Metz zu lue khum, so
wollen sie, nach E. E. Mi Schrifften, Ime gefuederlich und räth-
lich beholfflich sein. Der Ertz-Bischoue von Bremen, etc. E. Eö.
Mi Bat und Oehmen etc. ist hinweg von Wormbs geritten, acht
Tag eher ich bin dahin khommen, deszhalben ich denselben
Brieue, auch Anthonis Brieue, und E. E. Mt. Ohmes Brieue des
1) Was er in dem folgenden Briefe leider nicht thut.
KOLDE, CABLBTADT UND DÄNEMARK. 291
Hertzogen von Holstein etc. alle nocb habe und der kheinen in
'Wormbs tob mir geben kban: Dan der Jong Herttog von Hol-
stein will seines Her Vattere Brieue nicht annehemen.
AllergenedigBter Knnig und Herr, Nene Zeitung des Beichs>
tags kban jetz E. K. Mt. gantz wenig oder nichts sagen noch
scbreyben: Dann die gi6asest Red ist alle vom Dactor Lntber,
den Tordret man, und ist khein ander Beger an In, dan dasz
er widerrnff; das will er nicbt thun. Andere Handlung nmb
Efiitze willen hie unterlassen, nnd ^ E. E. Mt. von Steffan und
mir, so Gott uns hilfft zu Pfingsten, als ich hofTe, clarlicb hören.
Tbne mich hiemit E. E. Mt. cnttertäniglichen beuehlen, E. K. Mt
wolle mein genediglichen bedencken and bevolhen haben: Will
ich gegen OOtt umb E. K. Mt Wolfart nnd lang Leben zn
bitten allezeit geflissen sein. Datum Wonnbs vfF S. Harci des
Heiligen Evangelisten Tage 1521. E. Eon. Mt. demfltiger
Caplan
Martinas Beinhart'.
Den Oroszmechtigeaten, Dorchleuchtigesten EQnigen und Herrn,
Herrn Christiern, zu Denmark Schwaden nnd Norwegen etc.
König, Hertzog zu Holstein und Sleswig etc. Grane zu Oldenburg
und Delmenhortzen etc. Meinem allergenedigaten Herrn.
11. Stephan Hopfenstein an König Ctiristtern. Worms,
25. April 152t.
Durcbleuchtigister , Groszmechtigister Eunig, Eawem K. M.
seyn me;n gantz willig gehorsame verpflichte Dinst allezeit nnter-
tenigklicb mit allem Tleisz zuTom. Gnedigester Herr, leb byn
E. E. M. beuhell nach inn gantz wenig Tagen ser eylendt gen
Wurmbs bei Ro. Ea;. M. knmen, nnd mejnne Gewerb, so mir
Ton E. E. M. beuohlen mit allem Vleisz geworben unnd ausz-
geiicht. Ich bjn aber mitt der Änthwnrt »erzogen nnd auf-
gehalten worden, bisz auf diesen Tag äj erst erlanget. Dan ij
Sachen der eilenden Beis Key. M. geendert ?nnd Ir Key. M.
mir von Tag zu Tag schir alle Stund Vertröstung getban-, Darauf
IJ 3.0 vielleicht statt „wird".
3) Über Reinhard, dessen Schicksale noch ziemlich im Dunkeln
liegen, vgl. Seidemann, Tbom. MÜDZer 50f.; Tb. Kolde, Änalecta
Luther., p. TS; Roth, Einfiibning der Reformation in Nürnberg
(Würzburg 1885), S. 242.
292 ANALEKTEN.
ich E. K. M. miüer Zeit nichts eigOBtliches kund znschreiben
bisz auf Nu mir Ir Key. M. gesaget, wie Sj ungeheuerlich
xiiii Tag nach Pfingsten in Brabandt sein wollen. Wie ich dan
anfe lengest in X Tagen bey £. K. M. selbst eigner Person zu
sein verhoff, der und andre Sachen ich von £. K. M. wegen
hab ausgericht, selbst allenthalben mfintlichen berichten will
Das geh ich E. E. M. als meynnem Allergenedigsten Herrn unter-
theniger dienstlicher Meynung zu erkennen. Dann E. K. M. dy
ich dem AUmechtigen GOtt in langwerige gelucksame Gesundt-
heitt beuhelle gehorsam unterteniglich zu dienen bjn ich alle
meines Yermfigens allezeit mit gantz nnterthenigen Yleisz willig
— gantz eilig in Wurmbs am 25 Tag des Mo-
nats Aprilis Anno 21. E. K. M. ganz gehorsamer untertenig-
williger Diener Steff. Hopffenstein.
Dem Durchleuchtigisten Groszmechtigisten Fürsten unnd Herren,
Hern CHBISTIEBN, zu Dennmargken, Schweden, Norwegen &c.
Künig, Hertzog zu Sleszwigk zu Holsten, &c. Grauen zu Aldeubnrg
unnd Delmenhorst, Meynnem gnedigisten Herrenn.
3.
Handschriften LutherV
Mitgeteilt
von Eduard Bodemann.
Aus den Manuskripten der Königl. öffentl. Bibliothek zu
Hannover teile ich hier eiuige Handschriften Luther*s mit, von
denen unter I. die eigenhändigen Briefe desselben schon frtkher,
aber unrichtig gedruckt, die Handschriften unter IL noch
ungedruckt sind.
BODEMANN, HANDSCHRIFTEN LUTBEE'S,
I.
Briefe Luther's.
Luther's Schreiben an den Rat der Stadt Münster.
1533, Dez. 21.
[Autngraphon. In freier Übertragung nngenau gedruckt in
Luther's Werken, herausgegeben von Irmiecher, Bd. LIV,
S. 345, wn dieser Qrief in das Jahr 1532 gesetzt ist; ebenso
bei de Wette IV, 424, im Originnl steht deutlich 1533.]
Dem Ersamenn vnd wejßenn He renn Borgermeyster vndt
Rath der Stadt Munster mynen gunsttgenn Ilerenn vnnd ghuden
fninden. Gnaedt vnndt Frede in Christo vnßerenn Heren vnde
Meylande. Krsamen weyßenn leibenn Heren, wir habenn myt
frooydenn erfarenn vnd dancbonn auch Gott voom Hertzenn, das
Gott der Vatter .illor ghnadenn juw baeth sein leibea worth
vnnd erkentniße seines soens, vnßes Herenn Jbesu Cbriati ge-
geben vndt ewoh dori^b seinen gpist erreget vnnit erwermeth,
das yrs weillichleich vnndt bestendtitch anen genonien hapt, daer
heer wj nu besorgenn (wne thaenn der alte Santh allezeit dem
rejrnen Worth naech sclycht) mochte ewch ein betmchlicber geyst
znliomen, wey den Corintherenn, Gaiaterenn nach Panlns predich
gbeschacb. Darumb bittenn wyr ewch bcrt/lich vmb denn nnwen
erkanten Christum willsnn, wollet ewch ya fleyslicb vnnd myt
allenn sorgenn vnrsehenn vnnd hnedenn ewch vor der Zwingeier
vnnd Zwermer leer vom Sacrament. Den weywoll Gott selhs
solche leer myt schrechlicber straeß'e vordammeth baeth in dem
Hnntzer, Hetzer, Hueth, Baltzar, vnnd zum letzen auch dem
Zwyngell selhesten, da myt angezeigeth. woe er snlcher leer f^andt
sey. Noch sint etliche Hcbtferdige vnboesfertige geister, die
sulcbe straefTo vnnd warnunge Gottes vorachtenn vnnd nichts
weiniger hin vnndt heer lauffenn vnndt sulch gyfft aiißlaßenn,
vnnd die eintfpldigenu Leuthe vorvoren. Gott haeth ewch (als
ich höre) feine prediger gegebenn, Sonderling den M. Bemhart,
den noch darlTs in duBer ferlicber zeith des tenffels woeti anff-
eehenn vnd gedachten, ya alle prediger truwlich vormanen vnd
weckenn, das sei ya woü wacbenn vnd beden, sich vndt er
Tolcblynn voer sulchen valschen lerenn bowarenn. Der teuffell
iß eynn schalck vnd kann wnli feine fromme gelerde prediger
rerforen, welcher eiempell wir (lejder) bos dar heer vull erfarenn
294 ANALEKTEN.
habenn, ynd ich will auch jw hirmede gewarneth haben , das
wir beßher an allen erfaren habenn, welche vom reynen worth
aynt abgefallenn vnnd Zwinglisch, Mnntzerich oder widderteufich
wordenn, die seyn auch anffrurysch wordenn, ynnd habenn ynuner
myt zu woellen in das werltliche Regiment griffenn, wey Zwingel
selbes auch ghetan haeth, vnndt es kan auch nicht anders sejnn,
wanth der teuffeil yß eyn Logengeyst ynnd mordtgeysi, Johannis
octa?o. Daromb wer in de logenn feilet, die moeth anch zu
lestenn auch zum mordt komen. Dammb woe yr leiff bebbenn,
geystlichenn ynndt tytlichenn frede, So hoedet ewch vor falschenn
geysterenn. Wyr haben velen Stendenn snlx geratenn, aber woe
es gangenn yß dennen die vnßem raeth vorachtet habenn, das
sencht man vor äugen. Wyr woltenn aber ja gerne ewer &her
ynnd schadenn, beyde, an leib nnd zelinn forkomen. Des helffe
ewch Tnßer leiber Heer vnndt Heylandt, der behoede eurenn
geloven in seinem reynen wordt bes auff seyn selige vnnd her-
liche zuknmpfty Amen. Zu Wittenberch am thage S. Thome
Apostoli anno 1633.
D. Martinns Luther
myt eigner hanth.
W^^^^^^^N^/W>^^
2.
Luther an Fr. Myconius. 1537, Juli 27.
[Autographon. Ungenau abgedruckt, wahrscheinlich nach
einer schlechten Abschrift, in Lnther*s Briefen, herausgegeben
von de Wette, Bd. V, S. 74].
G[ratiam] et pacem in Christo. Gratulor tibi, mi Fridrice,
donatum tibi tandem a Deo etiam Fritzulum. Satis intelligo,
cum Septem filias numeres, quam avide etiam filiolum petieris et
amanter ezceperis. Gratulor iterum et oro, ut salvus tibi sit et
te patrem superet omnibus donis, Amen. Quod gloriaris, tuam
laudari constantiam a Magistratu tuo, quod mihi petenti negaris
sepulchrum in tuo Episcopatu, Gerte ego interim saepissime dolui,
me non esse sepultum in tua civitate. Nam restitutus valetu-
dini yideo quae non viderem sepultus in Deo seu Gotha, Sed
Victor omnium Christus 7incit et hoc parvulum malum. Sicut
plures angeli sunt nobiscum qui credimus, ita multo plura bona
assunt nobis qui videmus. Nam etsi omnes alii etiam ocnlos
habeant, tamen non vident; douum est videre dona Dei, ut
1. Cor. 3. Paulus dielt Salutat te maus Ketha, gratulans et
ipsa tibi de filio nato, sed monet, ut a lacte filii temperes et
BODEMÄNN, HAND6CHWFTEN T.UTHER'B. 295
matrem sinas feriari, donec Slias ablactettir. Cetera tu ut con-
jntu mtelligia, quamvis ipsa quoqoe desperet, te obaecuturum
moiiitioni suq. Vale in Domino. Do hiatoria Erpfordensi velim
TOS eiploratia omnibus edere libellum, quia ad gloriam Christi
et miilturum aolatium ea ree pertioet, ut taceam, quid ' territura
sit papQ portenta. 1537
Feria 6. post Jacobi. M. L.
Än&ere Aufechrift des Briefes, auch von Lathei's Hand:
Clarissimo viro , Domino
Friderico Myconio Episcopo
dirinQ civitatis , domino meo,
fratri charisaimo
D. Marti Qua Lutheros
37.
Luther an Gerard Biscampius. 1527, Sept. 2.
[Äntograpbon. Abweichend gedruckt in Luther's Briefen,
herausgegeben von deWette, Bd. m, S. 199.]
G[ratiam] et F[acem]. Ante acripsi Montano, non tibi, nunc
tibi scribo, non Montane, Mi Gerarde, postquam video, vos esae
iinnm cor et animam in Domino. Tu ergo bis literis Montane
ostensis, gratias agas, quod pro me orent tarn aoUicite, qua ora-
tione et opus nobis est, mihi imprimis. Et gaudeo, nos esse
tantQ cur^ püs bominibus. Sacharin commentarius dimidio ab-
BolntuB bactenus mea valetndine diflfortur. Prophet« Temacula
donari c^ti itidem nostra diapersione suspendemnt Organa '.
Hoc Jacobe ideo dicea, ut eo inatantiua orari curet pro nobis,
nt mmor pestia nostrQ , verius qnam peatis , Christo medico
öocidat, et rursos noatri congregentnr ad implendum qnae sunt
Bub incude. Satanas enim i:itnm pavorem et rumorem concitavit,
nt Terbi cursum moretur, quem vestris precibus Christus sub
pediboa nostris conteret. Amen.
1) Im Original ein q mit ei
2) So dieser Satz im Orig.
396 AKALEKTEK.
üxores nostrae yalde l^tQ tao et animo et dono gratias
agunt, Philippi uxor com ipso, abest nunc Academia. Pomeranos
cum sua et mea mecum te officiose salutant, promittentes, sa
&cturo8, Deo favente, quQ pr^cribis. Tu qnoque a meo filio
salutatos vale in Domino. Altera Septembris 1527.
Martinns Luther.
AuDsere Aufischrifk des Briefes, auch von Luther's Hand:
Domino in Christo
Venerabili firatri
Gerardo Xanthensi
seryo Dei fidelissimo.
^^%^^^^MMN^^^>tf^
Aulserdem besitzt die Kgl. Bibliothek
Luther'8 Brief an Abt Heino von Uelzen vom 28. Februar
1528,
welchen de Wette HI, 284 ans der „ Bremisch -Yerdischen
Biblothek" III, 8, 1119 abgedruckt hat, in einer Abschrift des
18. Jahrhunderts, auf welcher bemerkt ist: ^^ Archive S. Mi-
chaelis in Lüneburg: Acta Boldewini IL abbatis ^, Vol. 11".
Das Archiv des Klosters St. Michaelis in Löneburg ist firüher
dem Kgl. Staatsarchive in Hannover einverleibt; daselbst sind
aber jene Acta Boldewini nicht aufzufinden gewesen. — Der
Adressat Heino war der letzte Abt des Klosters üelzen(-01den-
stadt), welcher sich im Jahre 1529 der Verwaltung des Klosters
zugunsten des Herzogs Ernst (des • Bekenners) von Lüneburg
begab. — Die Abschrift, die nicht firei von Fehlem ist, bietet
doch einige beachtenswerte Varianten:
Zeile 2: venerabiliter suspitiendo.
„ 6: testes non modo (ohne: sunt).
„ 24: Paulus etiam in eidolio christianos . . . de-
cernil
„ )ib: etiamsi eidolatiam [l] ipsam ederent, libera
conscientia recte facere.
r Boldewiu U. T. Marenhols wär Abt des Klosters St. Michaelis
IQ Liulcburg I5i6— IX^.
bodemaks, hamdscrriften lütheb's.
Zeile 31: mnltis . . . prodesae poBsent.
„ 34f. : deinda per fratres maltis ia mundo.
„ 36: leU et secura conscientia.
Die Jutireszabl im Datum fehlt.
Terschiedene Aofzeidmimgen Lnther'B.
Die nachfolgenden eigen band igen Aofzeicbnnngen Lnther'B
fand ich in einer — mit der Bibliothek des Abts Molanuß von
liOccum in die Kgl. QITentl. Bibliothek zn Hannover gekomme-
nen — Oktavanegabe des lateinischen Psalters von Bngenhagen,
welche sich in keinem bibl in graphischen Werke (Panzer, Ebert,
Brunet, Graesse etc.) verzeichnet findet: „Psalterii Davidia nova
et perpetua translatio, per D. Joannem Bugenbaginm Pomeranum,
jam denuo multis in locie emendata." Dieselbe iat ohne Druck-
oit nnd Jahreszahl. Nach dem auf der letzten Seite beSndlichen
ineigne typographicum ist es ein Druck des Barthol. Westhemer
in Ba)^e1, dessen erster Druck (nach Panzer, Annal. tfpagi.
VI, 315) m das Jahr 1536 fällt. Da die eine Aufzeichnung
Lnthei'a vom Jahre 1543 ist, mufs das Bnch aleo zwischen
1536 und 1543 gedruckt sein. In diesem Psalter finden eich
auf leeren Blättern vom und hinten die nachfolgenden Ein-
tragungen von Luther'a Hand, aufserdem auch eine eigenbändige
Aofeeiobnung von Joh. Hefs, dem Reformator in Breslau (t 1547),
Das Buch wird zuerst in Lutber's Besitz gewesen und dann in
Hefs' Hände Übergegangen sein, welcher eine grofse Bibliothek
hinterliefs.
Giebt auch diese neue Handschrift Luther'a für aeine äufsers
Lebensgeachichte wie Oberhaupt fOr die Geachichte keine grofaa
Ausbeute, so ist sie doch höchst anziehend für sein inneres geist-
liches Leben. Wie Luther den Psalter geliebt und gepriesen
hat; da man allen Heiligen ins Heiz hineioBehe, ist bekannt.
Derselbe war sein Gebetbuch, und er wird ihn in den scbönen
Morgenstunden gebraucht haben, welche er täglich zu Gebet,
zum Forschen in der heiligen Schrift und zn geistlichen Betrach-
tungen verwandte. Wie wiv sehen, bediente sich Luther truti
seiner Bibel Gberfletzimg nach alter Gewohnheit des lateiniachen
Psalters in Bngonhagen's verbesserter Qestait.
998 AKALEKTEN.
Die Anfzeichnnngen sind alle in lateiniBcher Sprache: der
eine Teil, Nr. 1 und 2 in gebundener Bede, in Distichen, der
andere, Nr. 3 — 6 in nngebnndener Bede geschrieben.
Die Anfteichnnng 1 führt uns in die gewaltigen Kämpfe
Lnther*8 hinein. Bedroht von Papst, Kaiser und Beich, ange-
laufen von aller Welt, sollte er Bat geben, ordnen und entschei-
den in einer politischen und kirchlichen Lage, wie sie nicht
schwieriger zu denken ist. Dazn k;^m noch in diesen seinen
späteren Jahren seine grofse Leibesschwachheit, die oft seinen
Sinn nmwOlkte, so dais er oft mit seinen schweren Aufgaben
weder ans noch ein wniste. Dayon legt das St. 1 Zeugnis ab.
Die Verse Lnther's snb Hr. 2 mit ihren Kemgedanken be-
schreiben uns, wodurch seine Seele stille zn Qoii wurde und auf
welchen Grund sie sich setzte.
Angehängt finden sich sub Hr. 8 drei Bibelworte als Lebens-
regeln.
Die Hr. 4 und 6 drücken den evangelischen Augapfel, die
Bechtfertigungslehre, in einer Weise aus, wie sie Luther gern
hatte. Da mochten ihm die vielen Sünden und Gebrechen des
Beformationswerkes zusetzen, mit jenem Glauben bot er dennoch
dem Papste und den höllischen Pforten Trotz: dals Christus das
Werk hinausführen werde, wie er in Nr. 5 betet.
Hr. 6 schlieJDslich zeigt» wie Luther in allem seinem Anliegen
den Psalter gebraucht und sich aus der Dunkelheit zum Lichte, aus
der Schwachheit zur Kraft hindurchgerungen, aber immer seinen
Glaubensweg von vom begonnen hat, ohne sich je zu den hei-
ligen und Yollkommenen Meistern zu zählen. — Auch sehen wir
daraus, wie Luther, mit den ernstesten Aufgaben des Beiches
Gottes beschäftigt, sich nicht nur in dichterischen Gestaltungen
versuchte, sondern auch ein sinnvolles Spiel der Gedanken nicht
verschmähte.
1.
Cum ignoramus quid agendum sit, oculi nostri ad te tolluntur.
In tenebris nostrae et densa caligine mentis
Cum nihil est toto pectore consilii,
Turbati erigimus, Dens, ad te lumina cordis
Nostra tuamque fides solius orat opem.
Tu rege consilüs actus pater optime nostros
Nostrum opus ut laudi serviat omne tuae.
2.
Nullius est foelix conatus nee utilis anquam
Consilium si non detque juvetque Dens.
BODEHANN, HAKDBGHBIFTEN LUTHEB S.
Tunc jnvat ille aotem cum mens sibi conscia recti
Mandat] of&cii munera juata facit.
Et simul auziliam praeeenti a numiae CHRISTI
Poscit et ejpectat non dnbltante fide.
Sic procedet opus faustam populisque tibique
Navis et aura tuae vela secunda vehet
iDvictainque Dei dextram vis nulla repellet
Omnia cogentnr cedere prona Deo.
Ipsa etiam quamvis adamanti incisa fenmtnr
Cum petimua, cedunt fata aerera Deo.
Nee Dens est nnmen Paicarum carcere Tinctam,
Quäle patabatnr Stoicus esse Dens.
Ipae potest solis carrua tnhibere TOtantes,
Ipae Teint Bcopolos flnmiaa atare jnbet.
Regula vitae.
Commenda Domino viam tnam et apera in enm, et ipse faciet.
Non potest sibi homo sumere qnidquam, niai ei sit datum de coelo.
Bioe me nihil poteatis facere.
Fidelis anime tox ad Chris tnm.
Ego tnam p^ocatnm,
Tq jnsticia mea.
Triumph 0 igitnr securna
Qaia nee meum peccatum ohruet
tuam justiciam nee jostiuia tua
einet me esse aut mauere peccatoTein.
BENEDICTVS DEVS AMEN.
M. Luther D. 1543.
Omnipotens eterae Deus, pater Domini nostri Jeau Christi,
conditor omninm renim et conservator, cum filio tue [et] spiritu
Bancto, sapiene, boue, misericora, Juste et fortia, miserere mei
propter JESDH CRBISTCM, filinm tnom, qnem voluisti pro
nobis esse vietimam, mirando et veneiabili consUio sanctifica et
rege cor meum spiritu saneto tno. Juita promiasionem dabit
aobis alium nuQÖxXjizoy, apiritum veritatis. Item dabit apiritum
sanctnm petentibus, et verbo tuo me guberna.
800 AKALEKTEN.
6.
USUS PBalterii et scopns.
Credens tentatnr et tribnlatnri
Tribnlatas orat et invocaty
Invocans exaaditor et consolator,
Consolatos g^ratias agit et lauda^
Landans alios instroit et docet,
Docens hortatur et promittit,
Promittens minatur et urget,
Qui credit minanti et promittenti
Denno eondem curcnlum cnrrit.
Martinus
Lutherofl.
D.
4.
Analokfon znr Geschichte des Reichstages zn
Speier im Jahre 1526.
Mitgeteilt
von J. Ney, Pfarrer in Speier.
I.
Schon G. Veesenmeyer ^ hat bemerkt, daß die Geschichte
des Beichstags eu Speier im Jahre 1526 eine nähere Beach-
tung verdiene. Aber noch 1880 wurde die begründete Klnge
erhoben ^, daß, ohtoohl gerade dieser Beichstag eu eingehendem
V) In seiner fn dem kirchenhistorischen Archive von Stäudlin,
Tzschirner und Vater für 1825, S. 72 ff. veröffentlichten Abhandlung:
Die Verhandlungen auf dem Reichstage zu Speier im Jahr 1526 die
Religion betreffend.
2) Von W. Maurenbrecher, Gesch. der kathol. Reformation
I, 405.
NEV, ZÜE GESCHICHTE DES REICHSTAGS ZU SPEIER. 301
archivulisckem Studium herausfordere, dennoch seit 40 Jahren,
seit Ranke's Buch, nur menigi dafür geschehen sei. Meine
Studien über den Speierer Reichstag von 1539 legten es mir
nahe, auch den übrigen dahier gehaltenen Reichstagen der Me-
formationszeit und besonders dem von 1536 besondere Aufmerk-
samkeit £u widmen. So habe ich allmählich aus verschiedenen
bisher in dieser Beeieltung unbenülelen Archiven ein ausgedehn-
tes Material gesammelt, welches eur Aufhellung der Geschichte
dieses Reichstags manches beiMubrinffen vermag. Meine ursprüng-
liche Absicht, dieses und noch weiter eusanuneneutragendes Materitü
in einer besottderen Monographie eu verwerten, habe ich vor-
laufig aufgegeben, nachdem ich erfahren habe, dafs Dr. Friedens-
burg nach der gleichen Richtung seJtr umfassende Archivstudien
gemacht habe und die Ergebnisse derselben in einer ausführ-
lichen Barstellung jenes Reiclistags unter Beigabe der wichtig-
sten Aktenstücke demnäclist eu veröffentlichen gedenke. Da-
gegen mache ich von dem Anerbieten der Redaktion, in dieser
Zeitschrift eine beschränkte Auswahl aus den von mir gesam-
melten Archivalien tu veröffentlichen , gerne Gebrauch und
Hinsehe damit zugleich jenes in Aussicht gestellte gröfsere Werk
fiter den wichtigen Reichstag in hoffentlich nicht unwillkommener
Weise vorzubereiten.
Unter den müxuteilenden Aktenstücken stelle ich voran eine
aus dem ehemaligen bischöflich Slrafsburger Archive stammende
gleichzeitige Relation über die Verhandlungen des Reichstags.
Dieselbe findet sich in einem Bande des grofsherzogl. Landes-
archivs zu Sarisruhe, welcher außerdem noch verschiedene an-
dere auf diesen Reichstag sich beziehende Akten und an Bischof
Wilhelm von Strafämrg gerichtete Originalschreiben enthält.
Obwohl diese Relation nicht gerade wichtigere neue Aufschlüsse
giebt, so dürfte sie doch ein allgemeineres Interesse bieten. Na-
mentlich ist in ihr eitie sichere Grundlage zur richtigen Da-
tierung der einzelnen Vorgänge auf dem Reicltstage gegeben.
Bei sämtlichen wörtlich wiedergegebenen Archivalien behalte ich
die Orthographie des Originals bei und beseitige nur Übermäßige
Buchstabenhäufungen. In der Interpunktion sowie dem Ge-
brauche der großen Anfangsbuchstaben habe ich mir dagegen
Mur Erleichterung der Lesbarkeit gröfsere Freiheit gestattet.
SOS
r
]b
L Belation Aber die YnriiMdlnugen dM Bfiriiitigi.
(1526, 25. JvBi Im 17. Ai«ut)
Au tai grotfidiMiogL GeMnUiadewchif» rä SailflniW.
Yff BOBlag Bach Jf^iaaus Bapüste ist margeam am aaft d«
ipirita saBcto gaauigaa wordni ib dam Itam ib gcgaBwartif-
hait 1 D. ^ TBd aadarer charfaistea, tasiaB Tsd hana, ao aiga-
Bar paraoa ing^cB, Tsd dar ■aiia a
kai der 'ImscIhmm tob Tnaat Tom wifas L Dl Tsd
GKoair, dar lag^gaB, TBd ■bjmb abwaaaadaB kajaariidMB eo-
■IniniTiaB ib dar Twiamla^fc ao glöek waA dam aaqpl
TOT daa steBdoB daa rkekhs aanlgaB laaaoB: Eai^dk
rlNicMa^ tob k' Mt tob graaeB m/tm rmd Mägm daa Ulis«
BgaadzibaB, iften via ir Xt
wfllcw gmaaB, TBd via ir Mi
UBdert TBd danoBb sia ak caannanaB alaa aift lallaM gawalt
iMit n diBck TBd gcfrUaB hcctea, vit hü, du aia aüa voOtaB die
ddügOB des heilccB
ikU» Kit crtwcteBg; du sie, die o?
iz«B bcasaa Tarstasd TBd iiibim|ii
Bcch ikraB cavmli las«» TBd ir
diB Tfri n desi fzr^irlx^aa xa
IiHB 3a:r$«w riwft^;^ vae^ i^fB yw«b dar ffriifwirUBB daa
ir&ckal >«rdSmL jttäi* ir r^xrl n. f^ rti as. d»
wil'L Ajic T«xbcäitHi $x-a rüirfzrssst mx fcscBB, d»
NET, ZUR GESCHICHTE DES REICHSTAGS ZT) 8PEIEB. 308
der Ordnung der erst vnd an dem am aller mesten gelegen, be-
T&tachlagen Eolt. Daneben wnrd auch von den forsten den chor-
faraten angezeigt, das bey inen diapntirt worden, ob es beasei
were, das eolicber ratschlag durch die gemeinen etend oder
darch ein vBscbutz geecheben solt, rnd das die furston, prelaten
Tsd grafen vnd deren botschafften eich in diesem ratschlag ge-
tweyt betten, nemlich das ein theil Termeineu weit, das es nutzer
md besser wer, dieeu artickel durch die gemeinen stend %n
be ratsch lageD, dan durch den vßschutz, der ander theil vermeint
das widerspiel furderücher vnd nutzer sein. Das wollen sie den
churfn also angezeigt haben, ir gemut aach daruff zuuernemen.
Also haben die churfn auch for gut angesehen, das die ge-
meinen stend eolicben artickel beratschlagen sollen, vnd ist alsbald
der stette botschafften angezeigt , das man den ersten artickel
am anfang für bandts nemeu wnll vnd den beratschlagen. Das
baben die stett, souil deren der zeit zugegen, zugefallen ange-
nomen, aber daneben angezeigt, das sie nie bewilligt haben, dem
k° edict wie es gesteh nachzukomen , sich des ' tu vorgenden
Bheicbstagen protestiert, alQ sie sich yetz aber protestiren, mit
Tndertheniger bit, f. D. mit andern commissarien sampt oburfb,
fo vnd stend des rheichs wollen deßhalben ein gnedigs insehens
haben. Dan wo sie solichem edict seins inhalts sollen nachkomen,
so were zu besorgen, das daraus vil beschwerlicher irmngen im
beiigen reich vnd sonderlich theutscher nation erwachsen wur-
den, solicbs alles zuuerbuten, begorten sie wieuor.
Daruff ward inen zn antwurt, was zu frid, raw vnd einigbeit,
auch zu nutz, er vnd wolfart dem heiligen reich komen vnd
dienen macht, das wurden die stend onzwifel bedencken vnd
dasselbig furdern etc.
Morgens mitwoch ist von dem ersten artickel beratschlagt iT.jBDi.
worden vnd der in fnnff theil oder puncten zu beratschlagen ge-
theilt, vnd nachdem sich die vmbfrag etwas verzogen, hat man
die stend widerumb vff morges donderatag nach Johannis Baptiate
Tmb acht vren vff das hauß bescheiden, ferrer von disem ar-
tickel zu reden.
Item vff morgens dondorstag, als nach vorigem abacbeid zatB.Jimi.
dem artickel hat wollen greyffen, seind die botschafften nemlich
herzog Jergen von Sachssen vnd margrane Casimiren von Branden-
burg vffgestanden vnd sich beklagt, das inen von den beyerischen
botacbafften verhinderang irer gebarenden Session geschehe, haben
sich die beyeriscben botschafften dea verantwurt vnd nach beider
theil genügsamer verhöre hat man guttüch zwischen inen ge-
1) In der Relation war hier d«a Wörlchen offl eingefügt, welches
nachträglich durchstrichen wurde.
904 analektev.
liaDdelt, aber nicbte mögen eruolgen. Ist durch die stend bt-
dacht, das man solich irtliumb soll an die f^ D. als commiasuieo
langen lassen, das dan geschehen.
Daruff die f. D. sich veraemen lasäen, sie wolle mit thit
der steode darunder handeln vnd ward darnach beiden theün b^
scheid geben, nach essens widernmb vff das hauQ zukamen ni
was sie sich vfT iren genomenen bedacht, zuerofoen.
Nach esaens ward mit den secbsiscben vnd brandenbnrgisches
weylher gehandelt vff dise meynung, ob sie leiden mochten , äa
die commissarien, so do nit parthjscb weren, zwisuhen inen gatt-
lich Landleten, vnd wo die gattlicheit nit verfieng, dos do f. D.
sampt dem biBchone von Trient als commissarien bescbeid dar-
ander geben, wie dan daä aalbchreiben des reichst^ zn Augspurg
nechat verschinen vermag. Das bewilligt als bald die sechsisch
botschafft, so ferr es farderlich vff disenn ilieichstag geschehe,
mit anzeig, das sie sich der Session mittler zeit nit vndernemeii
weit. Del^leicben ließ sich auch die brandenb argisch botscbaSt
veniemen , sie aeye in kheinem zwifel , so die beyeriscb bot-
schafft Bolicbs bewillige, ir gn h. margiaue Casimire wurde eolicbs
anch bewilligen. Solicbs ward hertzog Hanßen von UundsmckeD '
vnd der andern beyerischen fursten botschafften angezeigt, die
sich darufr vememen Hessen: Dweyl diser haudel das ganz banß
bejem belangt, so weite ir notturfft orfordern, das sie solichs
an den pfalzgrauen churfa langen ließen vnd seiner churfo gn
meynnng vnd gutbedanken daruS vernemen, vnd wolten aUo
darnff antwart geben, so man zum necbsten zasamen kome.
Also wm'deu die stend widemmb bescheiden vff morgen«
Feter vnd Pauli vmb ein vr nachmittag, alsdan solten der bejre-
riscben heren botschafften ir antwurt geben.
Die Relation giebt nun die ProposUion der kaiaerUtüun
Kommissäre und fährt sodann fort:
Di. Vff morgen freytag vmb ein vr nachmittag sind die stend
widerumb erschinen vnd haben den fursten, prelaten vnd grauen,
anch derselbigen botschafften erstlich zu den beyerischen bot-
HChafften verordent, von inen zuuememen, was sie sich gester
dem abscheid nach bedacht Daruff haben dieselbigen batschafften
geantwurt , sie haben von iren herschafften ein gemessenen be-
nelch, das sie der Session halb nichtzit bewilligen oder zulassen
sollen; wo man aber well guttlich darunder handeln, das wollen
sie hören vnd sich demnach aller gebur vernemen lassen, doch
wollen sie sich irer session iur vnd für gebraueben.
1 Siniinern, Vater des KorfÜTsteii Fried-
NEY, ZÜE GESCHICHTE DES REICHSTAGS ZU SPEIEE. 305
Damff iat beratecblagt, das man aolichs soll an die f. D.
P^lftngen lasBsn, doch zanorab den chorfo anzeigen, vnd als soliohs
den churfta alsbald angezeigt worden, haben die cburfn gesagf^
sie wollen gattlich handlung zwiacben allen tbeilen famemen, md
80 die guttlicheit nit wol verfaben, eo mog man alsdan die sach
an f. D. vnd a,n andere i' Mt commissarien , so diaer sach nit
Terwant, langen lassen. Dabey iat ea bliben. Nnn bat der
msrscbalk alsbald allen standen abgesagt, das sie morgens vmb
T^' vren vff dem banIS sein sollen, so woll f. D. eigner person
aach erschinen vnd die Tngeriscb botschafft neben den stonden
des Bbeicbs boren.
Vff sampstag nach Fetri vnd Pauli morgens haben die stend so. jnii.
fflr gut angesehen, das man zu den bandlungen diß rbeichstaga
inner vnd ehe die vngeriach botscbafft gehört werd, greTffe, vnd
bat man also denselbigen morgen den ersten artickel den glanben
belangend farhandte genomen, vnd haben sich die charforsten,
Airaten, prelaten vnd grauen aampt den botachafften desselbigen
ersten artickels verglichen, wie bienach im abecbeid begriffea
wurt, vnd soll man nach essens den stetten aolichs anzeigen
Tnd Tolgents die yngerisch botschafft verhören.
Item nach esaens bat man den stetten solicbs angezeigt,
haben die stett begert, nacJkdem diser rhatacblag etwas lang rui
siob vff fiinff pnncten lende, so begeren sie, das man inen des
ratacblaga welle ein copey werden lassen, sich daruff mögen
haben zd bedenchen. Das inen aber füglich abgeschlagen vß
vrsach, das noch niemants des copeyen habe. Aber so es in
abacheid kerne , werd inen derselbig auch behendigt Han hat
sich aber doneben erbotten, ob sie es nit recht verstanden, das
man ea inen noch ein mal ij oder drej muntlich eroffnen well.
Das haben sie also an genomen vnd soll ea inen noch einmal
lasaen anzeigen.
Nachdem bat sich ein irthumb zugetragen der Session halb
zwischen den marggremschen von Baden rheten vnd den hessi-
sehen geaanten. Des sich beide theil vor den atenden beklagt,
vnd ist inen antwurt worden, aie aollen abtretten, man well diae
irthumb an f. D. langen lassen vnd in anderm bandeln, damit
die zeit nit verlorn, furfaren.
Demnach hat man die vogeriscb botscbafft gehört, die nach
fr" grüß sagen vnd erbieten seins konigs gegen gemeinen stenden
des rbeicbs er^elt bat das groß ernstlich fumemen des tnrcken
wider die krön vngem mit eim vnaegtichen kriegsfolck, so er
jbensit vnd hiediser halb dem mer vffmant vnd mit ime eigner
person bringe, ziehe also vff vngem zu, vnd wiewol der kOnig
in die gegenwere geschickt, besorg er doch, das er on bilff dem
tnrcken gegen aolichen großen folck nit wol widerstand
aüttohi. t. K.-0. VIII, 1. 1. 20
304
iiAunnr*
handelt, aber nichts mögen
dacht, das man solich irthui.
langen lassen, das dan gescl
Daruff die f. D. sich vo ^
der stende darander handelt ^
scheid geben, nach essens w'.
was sie sich vfif iren genomc'^
Nach essens ward mit d>
weyther gehandelt vfif dise m
die commissarien, so do nit \'
lieh handleten, vnd wo die g
sampt dem bischoue von Trir
ander geben, wie dan das anf^
nechst yerschinen vermag. I
botschafft, 80 ferr es forderli*
mit anzeig, das sie sich der
weit. Deßgleichen ließ sich
vememen, sie seye in kheM^
schafft solichs bewillige, ir gtf ^
anch bewilligen. Solichs wi
ynd der andern beyerischen
sich daruff vememen liessen: 4^
beyem belangt, so welts ir
an den pfalzgranen chorfti
meynnng vnd gutbedanken
darnff antwart geben, so man
Also wurden die stend
Peter vnd Pauli vmb ein vr
rischen heren botschafften ir
nWnrmbft Tnd Nonbof
1 niiq'f so begert er, d»
md; wo aber solichs in du
■ mU gdtB lagescliickt het, Tsd
afii läa wolt, so mochten tii
]ih in der gresten not.
MBBk dise antwart, man be-
,y nA tragen die stend eia
beschwerd. Nachdim
vnder andern orsachm
taaelbigen artickel greyffea
iff am begem weyter antinnt
ndere commissarien, n
and brandenbuigischea,
halb gehandelt worden
die beyerische botschafft
man inen gehandelt
soll L D. inen auch
bescheiden yff montig
widenunb in erschinen
iq ¥isn haben die chor-
nehdem die stett vff
sie fDr gut an, da-
rfaeichshendeln furfür.
artickell in der in-
ii vnd andern stenden der-
weilen sie also ftar-
Die Bdation giebt nun
Kommissäre und fährt sodan
29. Juni. Vff morgen freytag vmb
widerumb erschinen vnd haben
auch derselbigen botschafften
schafften verordent, von inen
dem abscheid nach bedacht Di
geantwurt, sie haben von iren
uelch, das sie der Session halb
sollen; wo man aber well gattli'
sie hören vnd sich demnach allsi
wollen sie sich irer session für ^
1) Pfalzgraf Johann II. zu Sin*
rieh in. von der PfEdz.
der mereriheil be-
ftshandts nemen soll,
• besehwenmg beider
kit sich der irthomb
vnd dem hauB
len vnd branden-
vft trotten, sie
domit glidiheit
iQ hat in summa
auft oder ab-
balb vnderret Nun
vsB den churfb vnd
it worden, aber
I
UICHTE DES RKICHSTAGS ZU SPEIER. 307
Tnd WO sie die atend betten megen die sach
' uder noch mechten, so weiten sie kein mug-
■n Doclt sparen, aber sollend nochmals diesen
fimisaarien langen lassen. Bey den secll-
lurgischea botöchafften ist h. Philips Ton
ilen vnd den stenden angezeigt, damit man
Jas er sich eigens fnmemens in diso band-
"' die Bach die gestalt: Es seyen die drey
-aiJenburg vnd Hessen in einer bruderlichen
nuur anderm inhelt, was boschworlichs einem
L.nrn begegne, das es die andern vmb hiltf vnd
vi meg. In krafft solichs verstandts sie er durch
""Uchafft zu einem beistand angesucht. Darumb
<■! vrsach sey er also mit inen hie erschinen.
. inarschalk allen stenden angesagt, dafs man
' uib vij vren wider vfT dem hauß soll sein *.
i>>4igs, als die stend vasertbalb der atette ver- a, juiL
' fuldiscb pottschafft mit einer laugen red ange-
gn her Ton Fuld gesters tags in der versamlung
LiQ Session haben wollen, sye seiner gnaden intrag
in die forsten b ottscb äfften , als nemlich haben-
I li^St, habe in nit wollen vber sich sitzen lassen.
:,iß durch solch gezeug* nitt Verhinderung solcher
ilpß reichs obligen verhindert (sie), sye er vßbeliben
i>rii gesant befelch geben, seine g. vff dem reichstag
>. di>ch mitt solchem protestiren, daß er seinem hem
1- gepurenden sessiou nichts nachgeben noch bewilgt
boiner g. rnd dum stifft Fuld zu nachteil irer gerecbt-
L'ü m6g.
ifeachriben morgens batt man von dem andren artickl
I lien in iwen pnnct geteil vnd daruff den andern
die band gencmen vnd sieb entschlossen, wu zu
iüs^elbigen zu dornen wer, vnd daß man den ersten
ruwen lassen soll, byß man zu den Verordnungen vud
:;:aii kumpt, vnd daß man sülchs sölt den churfn an-
. si;hickten die churfn zu den stenden, zeigten inen
. TtT den artickel beschlossen, weiten iren beschluß in
ili.'n vud den wider den stenden den eröffnen.
(j» mittwncbs vmb ein vr nach mitten tag hatt man «. JiU-
'. antwurtt gebort, die haben sy in schrifft vbergeben,
.:n, Fleifs.
I 'nilitisch.
I *»» Folgende ist von einer andern Hand geschrieben. i
'irieftnke. ■
808 ANALEKTEN.
wie hernach uolgt» ynd soll jeder man morgens widemmb Tmb
acht yren yff dem haoß sein vnd volgt hernach der stett antwnrt
Es folgt nunmehr eine Abschrift des ,, Bedenkens der Beichs-
Städte auf den Artikel kais. Majestät ißbergebene Instruktion"
(vgl. Kappens Meine Nachlese II, 665/f.; Walch XVI
247 ff.; Neudecker, tnerkwürd. Aktenstücke 24 f). Die von
hier an wieder von der ersten Hand geschriebene Bdation
fährt sodann fort:
6. Jiüi. Auff donderstag darnach hat man von einem aaßschntz geret
Tnd ist man des zweys worden , also das ettlich ein yßschutz
wollen haben, die andern kheinen. Ist volgents bedacht, das
man solle vß vrsachen wie man weyß khejnen anßschutz machen,
besonder verordente rhet vber des Bheichs beschwerd setzen vnd
die sach beratschlagen vnd soll man nemlich vier yon dem
geistlichen ynd vier von dem weltlichen banck darzu ordnen.
Die dan volgents geordnet vff dem geistlichen banck her Jerg
tmchseß, doctor Haneuwer, der straßbnrgisch cantzler vnd Flerß-
heimer thomsenger, yff der weltlichen banck doctor Lux, Schranten-
bach» badenheimscher cantzler ynd g. Bemhart yon Salms. Ynd
ist morgens solichs den chorforsten angezeigt, die fdr sich selbs
anch ire rhet geordent yon ir churf. g. wegen, doch allein ynd
nit mit den andern stenden des reichs rheten zu beratschlagen.
7. Jnu. Am sampstag darnach hat t D. gemein stend beschickt ynd
inen forhalten lassen, wie der knnig von Yngem, sein Schwester
ynd haoßfraw, auch sein regenten in niderosterreichischen landen
ime ernstlich yerbotschaflft, das der turck mit einer grossen macht
yff das konigreich Yngem ziehe ynd habe vier brücken yber die
Sauw ynd Dunanw gemacht, die durch schicknng gots durch ein
gewesser hinweg geflößt worden, ynd wo dasselbe nit geschehen,
wer zu besorgen, das er yff disen tag in Yngem liege. Darumb
sein bit, das man den artickel den turcken belangend furderlich
erledigen wolt. Am andem ließ er anzeigen die schrifft, so ge-
mein eidgenossen der zwolff orten den stenden gethan, die öffent-
lich yerlesen worden, wie die yß hiebej gebundenem truckten
Buchlin ^ befunden werden mit B bezeichnet.
Yff den ersten puncten ward f. D. zu antwurt, man hette
die Ordnung k' Mt instmction furgenomen vnd wurde also yon
eim artickel zu dem andem schreyten.
1) Der der Relation beiliegende alte Druck ist schon von Baum
(Capito und Butzer 357) erwähnt und führt den Titel: „Neuwe Zei-
tung ynd heimliche wunderbarliche Offenbarung etlicher sachen und
hanalungen, so sich yff dem tag der zu Baden in ErgÖw vor den
Sandtbotten der Zwölff örter der löblichen Eydgenossenschafit ....
zugetragen und begeben hat."
NEY, ZUR GESCHICHTE DES REICHSTAGS Zu SPEIER. 309
Vff aampstag nach Margarethe ' haben die verordenten rhet u Jaii.
gemeine atend bemffen laisen vnd inen vorgelesen , was sie be-
dacht Tnd beratschlagt aller Bai^ramenten halb, der ceremonien
singen vnd lesens halb in der kirchen mit vndertheniger bit,
dos man la den andern sacben andere rhet verordnen rnd die
jetzgen rawen lassen well. In dem haben die stett ein suppli-
cacion an gemein stend vberantwurt, wie die hernach volgt mit
C bezeicljnet '.
Daruff ist beratschlajit., den Stettin im antwnrt in Ereben, sie
mögen soHch supplicacion dea churfn auch vberantwnrten , vnd
so daaselbig geachebeo, als dan worden sich die Btend mit den
chnrfn einer antwnrt vn dorre den vnd volgents inen die nit
bergen. Daneben hat man für gut angeselien, den chnrfn an-
zuzeigen, das die steend für gnt an'<ehe , das man ein gemeinen
außschntz mache mit cbnrfureten, fursten nnd allen stenden,
darza man auch zwen von etetten wie von alter her nemen solt
Vnd ist den verordenten rheten beuolen niulitd esterminder
im tiandel furzufaren vnd eind zn den chnrfn verordnet ber Jerg
truchsea, her Cristoff von Seh wartzen borg, straßburgi scher canzler
TDd der von Helffenstein ^ Die haben solichs wie bemtacblagt
dem chnrfn von Mentz angezeigt, der es an die andern churfa
zu bringen angenumen hatt, vnd ist m. g, h. von Mentz nach-
g^dts * dnrch die vier widprumb erinnert worden.
In vergangenen tagen hat f. D. anch bescbeid geben den
forsten, so sich der Session halb irren, vermog des außechreibens,
nemlich dennassen, das man die session vnd vmbfrog vngeuer-
lichen halten soll, so lang diser reichstag weret, doch jedem
forsten seiner gerechtigheit in alweg vnn achtheil ig.
In disen tagen haben sich zutragen irrung der vmbfrag halb
zwischen Mentz vnd Sacbssen. Dnrnnder haben die k" commis-
sarien vnd cbur forsten gehandelt.
Vff montag nach Marie Magdalene haben die acht verordenten m.juii.
den stenden anzeigen lassen, was sie der weltlichen bescbwerd
halb beratschlagt. Ist durch die stend far gut angesehen, das
1) Samstag n. Marg. steht über den durch strichenen Worten;
montag oder zmatag darnach.
2) Von dieser Supplikation der Städte vom 14. Juli giebtVeeaen-
meyer a. a. 0, S. 90ff. einen Auszug, Mit Unrecht nimmt derselbe
fibrigeoB S. 89 an, dafs die Städte damals schon im AuaschüSBe zwei
Vertreter gehabt hätten, da eie erst in dem am 31. Juli eingesetiten
grofseo Ausschüsse zwei Sitze erhielten. Anch sonst hat Veesen-
meyer die Supplikation nicht überall richtig verstanden.
8) Christoph Freiherr von Sehwarzenberg , herzogl. bayerischer
Land- und Oberethoftneister, Gesandter des HerzogH Wilhelm von
Bayern. Ulrich, Graf von llelferstehi.
4) nochgehenda.
SlO AKALEKTEN.
yagglicher stand von forsteo» prelaten und g^rauen schreyber duxo
Terordnen, die solichs abschreybeo, ynd das es in gewarsame Tnd
geheim blejb. Daneben sollen die churfursten des gemeinen
aoftscbnii halben ymb antwort widemmb angemant werden, dam
Terordnet her Jerg truchses, grane Bernhart yon Sulms, hen
Bheinhart von Nuneck ^ ynd der Straßbnrgisch cantzler, die du
die ohnrfursten all widerumb angemant ynd antwort empfangen,
das sie yetz in hendel der ymbflrag halb zwischen Mentz ynd
Sachssen syend, ynd so dieselbigen yertragen, wollen sie deih&lb
den stenden weyther antwurt geben.
Yff gemelten tag hat graue Jerg yon Wertheim ein snppli-
oacion seiner schulden halben, so ime das regiment schuldig
bUben, ingelegt. Ist ime daruff geantwurt, dweyl solich soppli-
eaoion die commissarien ynd churfursten auch belangen, so meg
er die an die commissarien ynd churfh langen lassen, so werde
ma]| ime sampthafft antwurt geben, ynd yolgt nun hernach der
ratschlag der weltlichen beschwerd halben mit D bezeichnet
Näeh Miiteüung des ertcähntm mit B signierten alten
Drudtes, der mit C bezeichneten Supplikation der Städte wegen
ier Session und Glaubensfrage vom 14, Juli und des Ent-
wurfes des fürstlichen Ausschusses über die Beschwerden der
WMiehen gegen die Geistlichen vom 23. Juli fährt die Be-
UHon fM:
Ml ML Yff sampstag nach Jacobi seind die stend bescheiden, ist
inen angezeigt worden yon wegen f. D. ynd der commissarien,
dl die yngerisch botschafft treffenlich ymb antwurt ansuche, dan
der tQrck hab sich mit den yorbauffen für ein schloß geleget
xnd yber die tuneuw gebruckt, also wan er dasselbig schloß er-
oberet» sey dz gantz kunigreich yerloren. Nu sey der kflng yon
ViMT^rn des willens, wo man ime hilff thun welle, das er sein
leib ynd leben ynd all sein yermogen welle daran strecken; wo
eber das nit, so mfiß er zu rettung seins libs ynd lebens mit
d^w tQrken annemen, das er lieber erliesse, ynd bet deßhalben
e))«4ii vttb antwurt, ob man ime helffen wel oder meg oder nit,
»ioh darnacb wissen megen haben zu richten.
'A»m andern so sie (sei) yon den stetten ein supplicacion
i^tftl^t die yon Rotenburg an der Tauber belangend, daruff be-
MY wan die luuerhoren ymb antwurt.
l>4tfti(r habend sich churfursten ynd fursten mit einander
^«4«^f^ ynd ist yon den fursten antwurt gefallen des turckens
t^ Killer K<dnbard yon Neoneck zu Glatt, pfialzneuburffischer
VMi;^v* «« l<*uiu{^»n, Gesandter der Pfalzgrafen Ottheinrich and
halb, das man daseelbig bis mentag Deuhatkomend welle berat-
■chlagen.
Der aupplication halben sehend sie für gut an, das man ein
BODdern ausacbutz zd allen aupplication en machte, das weiten ni«
die stend auch thun.
Daneben haben die stend den churfn angezeigt, das sie be-
dacht seyen, die antwurt den stetten zunbergeben yS die erst
bnpplii^cion, betten, äae die diiirfn sich daroff anch entscliliessen
wellend.
Zum andern so begerend sie, das die churfursten inen ant-
wart geben des grossen ausscbutz halben. Daruff die chiirrn
geantwnrt, das sie deren beiden stOcVeo noch nit entschlossen.
Aber biß montag wellen sie sich cntschliessen vnd antwurt
geben.
Vff montag nach Jacobi seind die stend aber bej einander so
(^wesen vnd habend sich mit den churfursten vereibart ein
grossen ausschutz zn machen.
Send morgens * widemmb zusamen komen vnd von dem aus- "
schütz gerett vnd sich nit mögen vergleichen biß nach essens,
do habend sich die ateend verglichen, nemlich von yedem banck,
der geistlichen md weltlichen funff, darnach Ton den prelaten
einen vnd von den weltlichen banck neben den fureten vnd
denen von botschafTton einen von grauen vnd ist von den geist-
lichen erweit znen von furaten, nemlich der bischoue von
Wnrtzborg vnd Straßburg eigner person, doch mit der bescheiden-
beit, wo sie nit eigner peraon da sein mochten, das sie macht
haben sollen, jeder einen seiner geschicktesten rheten an sein
etat do zu haben, darnach vff dem geistlichen banck von den
botscbafften Saumberg, Costentz vnd Freysingen vnd von den
prelaten den abt von Weingarten, von den weltlichen fnrsten
hertzog Hans und der lantgraue eigner person, von den bot-
schafften der weltlichen fursten doctor Pack von wegen hertzog
Jergen von Sachssen, berr Jerg von Streytberg von mai^ane
Casimiren wegen, doctor Vehus von des mai^grauen von Baden
wegen, grane Bernhart von Salms von der grauen wegen, vnd
wo doctor Pack cranheit * halben nit erscheinen mecht, so aoll
doctor Wendel Dur hertzog Ludwigs geaanter ^.
Als man disen ausschutz von beiden Seiten verordnet hat,
habend sich die weltlichen fnrsten beschwert, das die geistlichen
1) Ans der später folgenden Bemerkaas „bis t£F morgen mit-
wochen verrcr daruff zu antwurt«a" erhellt, ^fs Dienstag der 31. Juli
gemeint ist.
2^ Krankheit.
3) Dr. Wendel Dürr, Gesandter des Herzogs Ludwig von Pfals-
Zweibriicken,
812 ANALEKTEN.
ken sitz, so es inen nit will gelegen sein eigner person zn er-
schinen, dorcli ire rhet versehen wellen, ist damnder yorbediogt,
das die geistlichen fursten jeder nit mer dan einen rhat soll
bej ime haben in dem aasschutz, ynd so der geistlich fürst nit
erscheinen mag eigner porson, soll er denselbigen rhat an sein
statt setzen vnd soll denselbigen rhat nit verendem.
Zum andern habend sich die weltlichen forsten beschwert,
das die geistlichen fursten nit einen vom hanß Österreich in
ausschutz genomen haben, ynd haben solichs den geistlichen
forsten angezeigt zn bedenken.
Zum dritten haben sich die weltlichen fursten beschwert, das
doctor Faber, der als ein botschafft beider fursten Basel ynd
Eostentz verordnet, in ausschutz erweit sein sol, vmb nachuolgen-
der vrsach willen, dan er predige hie vnd mecht anß seiner
predig vermerkt werden, was ime ausschutz gehandelt ward.
Zum andern so sey er in der disputacion zu Baden gewesen,
darumb sey er diser sach argwenig.
Zum dritten so habe er nechstmals die brieff, so an die ge-
meinen stend von den eidgenossen außgangen, trucken lassen.
Zum vierden das er dem zuwider vnd dagegen geschriben,
80 ettlich stend glauben kristenlich vnd recht sein, vnd also der
sach argwenig.
Ynd wie wol die geistlichen fursten vnd botschafften daruff
behart, dweyl er von zweyen geistlichen fursten, als nemlich
Kostentz vnd Basel, alher verordnet vnd also in krafft seins
mandats angenomen, von gemeinen stenden gedult vnd yetz in
disen vßschutz geordnet, das man inne dann dabey soll lassen
bleyben.
Daruff die weltlichen fursten widerumb angehalten seiner
person halben vnd vß vrsachen wiener.
Daruff habend sich die geistlichen fursten zubedencken ge-
nomen biß vff morgen mitwochen verrer daruff zuantwurten.
Daneben hat man ein ußschutz gemacht die supplicationes
zu machen, nemlich vom geistlichen banck zwen vnd vom welt-
lichen Banck auch zwen vnd seind von dem geistlichen banck
verordnet die augspurgische botschafft vnd der tusch comenthur
von Franckfurt vnd von dem weltlichen banck die braunschweigisch
botfichafft vnd graue Philips ^ von Falckenstein von wegen des
hertzogen von Gulchs.
In dem ist auch von den geistlichen fursten vnd deren bot-
schafften bedacht, das die acht verordneten rhet in den be-
1) sie. Es ist Wirich von Dhun, Graf von Falkenstein und Herr
von Oberstein gemeint, welcher den Herzog von Jülich auf dem Reichs-
tage vertrat.
SET, ZUR GESCHICHTE DES REICHSTAGS ZV SPEIER. 313
schwerden der geistlichen vnd der vnderthanen furfaren GOllen.
Des haben siub die neltliclicn furaten beschwert in bedacht, das
die selbigen rhet ettlich in großen außschutz von irer herren
'wegen TOiordnet, ettlich hei iien herren, so im aiiBSchnti sind,
blejhen müssend. Danimh wolle es steh nit schicken, an zwejen
orten einsmals zu sein.
Sc ist anch bey den geistlichen bedacht des hanß Oster-
Teichs hulben, das hienor vfF kheinem rheicbstag das hauß Öster-
reich oder derselbigen botschafft in die ausschutz gebraucht wor-
den seyen. Darumb laß man es auch diser zeit also bleyben.
In disem handel ist graue Albrecht von Manßfeld vor den
geistlichen forsten vnd deren botschafTten erschineo, bat ange-
zeigt von der gemeinen grauen wegen im Hartz, das dwejl die-
aelbigen grauen in allen anlagen des reychs nit gering ange-
schlagen sejen, so sej ir beger, das man dieselbigen grauen wie
andere grauen auß Schwaben vnd am Rbeinstrom auch ein stand
vnd stim im reichs rbat geben «eile.
Ist ime geantwurt, er mege solicbs, wo es nit geschehen, an
die chiirruräten vnd die weltlichen farsten vnd deren botschaCFten
langen lasaen, so well man sich mit denselbigen vnderreden vnd
ime antwurt widerfaren lassen.
Vff moi^ens mitwochen nach Jacobi habend die geistlichen i- Ang.
fnrsten beschlossen, das man den Fabm halten soll in dem aus-
achutz. Das hat man den weltlichen fursten angezeigt, dabey
habend sie es lassen blejben vnd inne also daby lasaen bliben, vnd
mmhdem die weltlichen fursten begert, das man der geistlichen
beschwerden dem ausBchuti zq beratschlagen vberantwurten soll.
Das haben die geistlichen zugelassen, doch mit der maß, das
dieselbigen beschwerd alsbald nach dem artickel den turcken
belangend vor handta genomen werd.
VfF donderstag nach vincnla petri ist der groß ausschule »■ ^"t-
zusamen komen. Do haben f. D. vnd die gemeinen k° commisaarien
her Wilhelmen truchses vnd f. D. cantzler zu dem ausschutz
verordnet vnd inen anzeigen lassen, nes von k' Ht inen vfT der
post znkomen, vnd nemlich das man khein andemng in dem
kricitenlichen glauben fumemen soll.
Ist beratschlagt, dweyl aolicber fUrtrag gemeine stend benire,
das solichei furtrag vor gemeinen etenden geschehen soll.
Also ist momdags freyt;^ vor gemeinen stenden solicbs be- '■ *"«•
ach eben. Daruff hat man der commissarien botecbaCft bitten
lassen, das sie wellend gemeinen standen solicbs furtrags abscbrifFt
verfolgen lassen, damit sie sich statlichor haben damff zu be-
dencken vnd einer einhelligen antwurt znentschliessen. Das
habend die botecbafften der commiasarien vff bindersich bringen
an ire gste vnd g° heren genomen anmbringen.
314
Die Bdatiam ifidd mm äk hdtammie taisiwUdke Insinfktm
vom 23. WkTM 1526 ($. Kapp. NaeU. U, 680 f. umd WaUk
Xn, 244ff.) und fährt dmm fürt:
Tff solieha insinietioii habend sich die efavfiinteii Tndenit
▼nd beeehloesen y f. D. Tnd den k" commifwarien diee «otwoit
in geben, nemlich das man der commissarien forirag gebort hab,
Tnd nachdem der ansschniz in solichem artickel den glaaben
behugend noch nit homen. So man aber in demselbigen artickd
hemoy 80 wolle der aosschnti solichs ks benelchs ingedenck tm
Tnd danmder halten, das sie es xiraorab gegen got dem almech-
tigen, k* Mt md allen krisienlicben stenden mit eren Tnd kristen-
lichen wol xanerantimrien wissen werden.
^Solichen ratschlag haben die chnrforsten den stenden ange-
zeigt, die die sach auch beratschlagt, Tnd sich aber getejlt,
ettlich der chmfarsten meynuig soge&Uen, die andern habend
gemeindt, man solle bey f. D. Tnd den commissarien er&ren,
was man forther im anßschutz handeln soll, damit man k' Mt
beaelch nit zuwider handle, Tnd habend sidi also diso zwo mey-
nong in gleich getheilt, also das ydestheils stimmen ens als tU
gewesen ist als das ander.
Solichs ist den churfh antragen, die habend angenomen deren
Tota, die do Tff der chnrforsten meynong Tnd antwurt gefallen
seind. Damff habend die yff dem weltlichen banck, so inne
ansschntz Torordnet, die Tff dem geistlichen banck, so auch in
ansschutz Terordnet, zu inen berofft Tud begert, das sie neben
inen von wegen des großen ausschutz die churfn bitten wollen
inen zu raten, wes sie sich further in dem ausschutz halten
sollen, damit sie bei k' Mt in bedacht jüngster instruction nit
Tertrießen Tnd in vngnaden fallend. Das habend die Tom anß-
schutz vff der geistlichen banck nit thun wollen. Also habend
die Tff der weltlichen banck solichs für sich selbe den churfursten
antragen.
Daruff die churforsten sich bedacht Tud mit wiß und willen
anderer freunden inen solichs abgeleigkt (sie) vnd daruff beschlossen,
das man solle Ton den churfursten vnd andern stenden Tier
Terordnen, die obangezeigte antwurt der f. D. Tud anderen
k° commissarien geben sollen. Solichs hat man den stetten
auch angezeigt, die habend daruff antwurten lassen, das sie Tff
k' Mt jüngsten beuelch ein schrifftlich antwurt Terfaßt, die sie
begert haben zuuerlesen. Als auch geschehen, vnd daneben
habend sie weyther gemeinen stenden zu erkennen geben, nach-
dem die in dem grossen ausschutz von den besch werden reden
sollen, 80 haben sie ire beschwerd auch ingelegt, die sie dan
s
^
VEY, ZUR GESCHICHTE DES REICHSTAQtt ZU 8PEIER. 316
in geschrifft vberantwurt haben. Das habend die chnrfarBtan
Tnd andere Etend in bedencken genomen '.
Volgend sind die commissarien far den großen Tsschntz komen
Tnd dem angezeigt, wie vor fiirüchlich dnrchlouchtikeit die von
Bottenbnrg an der Thnber sampt der try Tod reicbstett potschafften
•iBchiDen voä. eich becUgt, inh wider aij ein groß gewerb
!»yge in dem stifft Mentz, Pfak, Wirtzburg vnd Wirttemberg, mit
ftngebencbtem boger, daß man fiij bey recht hanthabe vnd vor
^walt Bcbutz vnd schirmen wolle. Nun habe f. D. ylentz in
AaB lant Wirtzbarg gescbriben, vm sOlichs abzuwenden. So stj
dartifr f. D. beger, ie& TS9cbutz gutbedunckon biorin ZQneraemen.
Ist inen geantwurt, es hab Mentz, Ffaltz vnd Wirtzburg, alsbald
Bottenburg vor den stenden sopHciert , binder sich geachriben
in abwenduDg solche gewerbs. do neben wellen eij inen nicht
bergen , daß hßloh der von Rottenburg suplication dem kleinen
vaschutz geben vber die euplacon gemacht, von dem sig noch
kein antnurtt gefallen, vnd secb sj for gntt an, daß ein gemeine
mandat von f. D. als stathalter wider dioselbigen gewerh anD-
geen etc. Haben die commissarien angenomen an f. D. zu
pringen.
Nach Mitteüung der mü der Bemerkung „Montags «ocÄ
Vincula petrj" — 6. Avffusi — eingeleiteten Antwort der
Städte auf das Vorbringen der kaiserlichen Kommissäre vom
3. August keifst es in der wieder von der ersten Hand ge-
schriebenen Selation weiter:
Volgentä hat der groß ausschntz bedacht , nachdem der
iborcken hilff zum furdorlicbsten beratschlagt werd, dweyl die
Tngerisch botschafTt so ernstlich anbelt, vnd daneben anch m
vnderhaltnng fridena in tbcutscher nacion die moTglich groß not-
inriTt erfordere, das man die zweyung vnsers kjistenlichen glan-
bens auch erledige vnd zu Iriden bringe, vnd damit kbein artickel
den andren irre, das man dan des turcken zugs halb ein eundem
kleinen ausschntz mache von kriegsfursten und andern der kriegs-
verstendigen, vnd das der groß ausschutz doneben nichts dester-
minder in andern artikeln üirfar, wie dan durch sie vnsers glan-
bens halb besobehen vnd daniff beratschlagt, das man in bedacht
der ersten vnd letsten k' Mt instniction ein iTeffenliche bot-
schafft von gemeinen stenden zu k' Mt verordnen soll mit einer
instmctioD. Solichs ist alles an die gemeinen stend gelangt,
die haben solicbe des großes anischntz mejnung inen gefallen
lassen vnd daniff habend alle stend zum tnrckenzug einen aas-
echutz geordnet, nemlicb acht, zu denen sollend die drey com-
]) Du Folgende ist von der zweiten Hand geecbrieben.
3U
a5a1£ST£5.
V(.
Die jRelnlh ,.
«wn 23. März .
XVI 244fr.) .
Vflf soliche
▼nd bescblosM
3ra geben, neu
▼nd nachdem
belangend norii
kerne, so w<
▼nd darunde
tigen, k« M^
lieben wo] /
Solichen
Migt» die •
ettlich der
gemeindt, .
was man h
beneich nii
nnng in ir:
gewesen i>
Solich^
▼ota, die
seind. I)
ausscbutz
ausschut '
inen vors
inen zu
sollen, t:
▼ertrioßj
schütz \
die vff
antragoi:
Dar
anderer
das m.:
▼erord!
k° cüj:
auch a
k' Mt
begort
haben •
dem <■
OAlInn
^\if«!i?. 3i-:-*a vnd Brandenburg auch ber-fr
:: rrj ücchütz die instruction vnd wt:
_e, T«::« 2'^'- beraUcLlagen.
^«^ .Eniy^hlig und Bedenken" des großrf.
..immk Instruktion, worauf die Ikhitiin
aeunpti'inem marie ist f. D. vor furii^n
fO -r?ciiiDen nid begeren lassen, das m-E
-/-rsfli« hilff halb entschliessen well Tn-i
. .-...«ei in der k° instruction auch erledigen.
: eniPT können oder mögen hüben , diD
j 3* bötschafft komen, wie der turck vk-r
-u.iin 3"^^ *^^ schloß erobert, deßhalben
"i .-imzuiielien ernstlich erfordert.
'- iirer? worden, man sey in steter handlung
"I-"iü iia« oMi Yolgents von gemeinen sten-
"* • :er algerischen botschafft bei ime zu-
"*** ^ir •'«stalt vnd mi* ^^ hi*8S dem könig
T V enden hilff zn helflfen sey. Daruff er
^•aem konig khein bescheid oder beueloh
Vjnreden, dann die selbig maß sjge vff
- ^ J"j|8chlössen, daruff sich der konig hoch-
-^'**^. !^j Tod das solichs die Wahrheit. So
_- ju der konig von Bolen vnd sein
' *. -affl verstand verbuntnis seyen, das sich
" " * ait dem turcken vertragen soll. Nun
"*^^er »it "getragen, das die turcken
* ' rid der hoffmeister in Preußen den konig
-"''**^ ^jgBS. Dweyl er aber denselbigen allen
^"^**^.,.^"init seiner landtsschaft vnderrct vnd
- ' ""'^^^ ^j gjch mit deren einem vnd sunderlich
"^ tnen vertragen soll. Dweyl vnd aber er
^ * niong eich on wiß vnd willen der krön
^*^- ^' ^^ jjjib mögen vertragen , het er von
- ^"*vtfchafft lu dem konig von Vngern ab-
„i.. -* •*•* ^nieigen laäsen. Dweyl aber der
-» ■^•'^ g^iiche^ lugesagte hilff der theutschen
-•- "' .- ßo hett er dem kenig von Bolen
-- «r-*^^ ' zunertragen vnangesehen gemelts
•*• ■** ™ dann vom konig von Bolen geschehen
^^'"^ ?„rfken vertragen, vnd wo er solt ge-
.1. ***. ^„jfftigen not vere, die zugesagte hilffe
NEY, /XR ÜESCHICHTE DES REICHSTAGS ZV SPEIER- 317
^bei -nacioD nit solte verfolgt werden, so bett er dem konig von
mit Dichten bewilligt, sich mit dem tarcken zunertragen.
MJ sein beger, wie er vor toh wegen sein« koniga
1 standen geworbon hab.
' doueben weUe er for sein penon rad nit tB boneich
i diso ansejgung ttaan nd acht md het dafür, wo
in der ej\ ein knecht vier oder fQnff th&naend haben
lie man on zwifel in eim tag Tffbringen Tnd in züg tagen
I das land in Tngern bringen mecht, das ea ein soliche
steteknng dem gemeinen nun in Vngem vnd ein eoliche fbrcht
in die tharcken komen, das es der sacli heelilich dienen mecht,
Tnd wuid dds geschre; mer thim, dan so man dre; alls nl
Tolcks im land zu Yngem bette, dan man nit sagen ward, du
^lein r" mann kemen, sondern wnrde ein geachrey weiden,
gsm thentscbe nation were ?ff. Non habe er den etenden an-
geieigt den inzug des turckens, sein ankunfft in das knnigreich
Yngem, die erobemi^ dea Testen hauß Peter gwardein. Aber
es hab bey vilen kbein glanb sein wollen, als er acht, das üe
es noch nit glauben, Tnd sehe er für gnt an, das man jemits
mit ime hinab geschickt hette die sach za erfaren, mit andern
tU mer reden vnd anieigangen.
DamtF ist ime antwort worden wie hernach Tolgt tale
sigma.
Nach Mitteilung dieser Antuort fährt die Selation fort:
Vff dise antwnrt ist ein instmction gemacht wie hernach
TOlgt.
Tolgento ist man rhetig worden des ersten artickels halb in
k' instrnction ein hotsch^ za V Mt zuaerordnen mit nach-
nolgender Inatraction.
Damit schliefst die eigentliche Relation. Die ioeiter in d«m
Sande folgenden Aktenstücke stehen ohne besondere eitUeitendt
Bemerkungen unvermitleU n^en einander.
ANALBKTEH.
"1
IH i s c e 1 1 e.
Lnthor'a Motto za dou SohmalkBldlsohen Artikeln.
Bekanntlich ist die Heidelberger BibÜotbeb so glDcUicb, die
Urschrift der später aogenaunten Scbmalkaldischeii Artikel ni
besitzen, die, nachdeni schon früher Marheinecke einen Abdruck
besorg hatte , zum Lutherjubilänm von K. Zangemeister in vor-
löglicher FaksimUe - Wiedergabe unter Mitteilung der ver-
Bcbie denen Teite herausgegeben worden ist. (Die Schmalkal-
diachen Artikel vom Jahre 1537 nach D. Martin Luther'a
Äutograph in der üniversitätsbibUotbek zu Heidelberg zur vier-
bundertjährigen Geburtstagsfeier Lnther's herausgegeben Ton
Dr. Karl Zangemeister. Heidelberg 1883. 4.) Das erst«
Blatt des betreffenden Codex (423 Pal.), dessen Äu&chrift „Die
Artickel 1537", wie ich schon anderwärts (Deutsche Litteratui-
xeitnng 1884, Nr. 27) bemerkt habe, nicht von Luther sondern
von Spalatin herrührt, trägt eine Art Motto Ton Luther's Hand,
das ziemlich andeutlich geschrieben bisher noch kaum richtig ge-
lesen worden ist Nach dem ziemlich verunglückten Yersuch
Maiheinecke's, es zn entziffern, hat sich E. Uerrmann in einer
eigenen Abhandlung (Ein kurzes Vorwort zu den Schmalkaldischen
Artikeln. Zeitechrift für Kirchenrecht XVII [N. F. IT], 1882,
S. 231fr.) damit beschäftigt. Er las: „His satis est doctiinae
pro vita ecclesiae | Cetenim in politia et oeconomla | satis est
legum quibus veiamur | ut non sit opus praeter has | molestias
fingere alias; quas novimus, nt sit malitiae flnia." Dagegen liest
Zangemeister: „Eis satis est doctriuae pro vita ecclesiae. j Ce-
tenim in politia et oeconomia | satis est legnm quibus nixemar, |
Vt non sit opus praeter has | molestias fingere alias, qnia mo*
nemur | ,Sufficit diei malitia sua'." Diese Lesart wurde Ton
mir nur unter Beanstandung von monemur (bei Herzog, Tbeol.
Bealencjkl., Bd. XIII, S. 593) gebilligt. Indessen eine nähere
Betrachtung scheint mir an zwei Stellen eine andere Lesung
nötig zu machen. Erstens glaube ich auf die Ueirmann'scbe
Lesung des von Zangemeister mit , monemur' wiedergegebenen
Vf Ortes zurückgehen zu sollen: statt mnmr (eise wie ich glaube
unmögliche Abkürzung) lese ich non ins = nouimns, was anch
einen viel besseren Sinn giebt. Femer ist in der ersten Zeile
picht ecclesiae zu lesen, von dem stark abgekürzten Wort ist
■f SUICi AK»
did
yielmehr deotlich xa erkennen, das etwas nach unten gezogene
Zeichen für ae (f), sodann t, dessen hinaufgexogener unterer
Ausläufer er auszudrücken scheint, so dals ich yorschlagen möchte
zu lesen aeter(na). Damit würde auch ohne Zweifel der Gegen-
satz zu den leges politiae et oeconomia hesser zum Ausdruck
kommen. Das Ganze würde dann lauten:
His satis est doctrinae pro Tita aetema.
Caeterum in politia & economia
satis est legum quibus nixemur
yt non Sit opus praeter has
molestias fingere alias quia nouimus
sufficit diej malitia sua.
Tk. KMe.
NACHEICHTEN.
1. Unter der Überschrift: ^^Ist die sogen. Lehre der
zwölf Apostel echt?'', bringt das Archiv für das katho-
lische Eirchenrecht, herausgegeben von Vering, 1885|
Heft 4 einige Mitteilungen aus amerikanischen Zeitungen
des vorigen Jahres, die unwichtig aber nicht ohne Interesse
sind. Ein Korrespondent des Bostoner Advertiser ist durch
die Schwierigkeiten, die ihm gemacht worden sind, ab er
eine Seite der Handschrift der didaxi^ hat photographieren
lassen wollen, dazu gebracht, in der didaxi^ eine Fälschung
des ehrwürdigen Bryennios selbst zu vermuten. Die ameri-
kanischen Gelehrten, so klagt er, hätten die Echtheitsfirage
gar nicht ernstlich erwogen, „der grofse Name Hamack's
genügte, um die amerikanischen Herausgeber, Professoren
und Rezensenten wie eine Herde Schafe nach sich zu ziehen''.
Die „illustrierte" Ausgabe der didaxtj von Schaff hat in-
zwischen ein Faksimile der Handschrift gebracht, und damit
werden auch wohl die Zweifel des gelehrten Korresponden-
ten des Advertiser, die Professor v. Scherer im Archiv
a. a. O. gewils zu ernsthaft nimmt, ihre Erledigung ge-
funden haben.
8. Da in Bd. VH, Nr. 47 der Nachrichten auf Hilgen-
feld's Mitteilung bezügl. des cod. Carmel. des Herrn as hin-
gewiesen wurde, darf hier nicht unerwähnt bleiben, dafs
nach einer neuen Mitteilung Hilgenfeld's (Heft 3, S. 384)
die betr. Hai^schrift bereits früher wiedererkannt und so-
weit als nötig verglichen worden ist, vgl. Harnack, TheoL
Lit.-Ztg. 1877, Nr. 23, Sp. 626 f.
NACHRICHTEN. 321
8. Prof. Dr. E. Nöldechen in Magdeburg behandelt
Iin Hilgenfeld'B Zeitschrift für wiseeDsch. Theo). XXVIII, 4,
:B. 462—490 „die Lehre vom ersten Menschen bei den
christlichen Lehrern des zweiten Jahrhunderts" in einer
Weise, die bei der WiilkUrlicbkeit der Stoffnuawohl und
dam Fehlen richtiger Methode achwerÜch nutzbarer werden
konnte, als sie geworden ist,
4. Da der den Amniian - Ausgaben angehängte sogen.
Anonymus Valesii schon von Gibbon als eine sehr
brauchbare Quelle tur die Geschiebte Konstantin's erkannt
ist, verdient die sorgfältige Kieler Inauguraldissertation von
W. Ohnesorge „der Anonymus Valesii de Consfantino " 1885
(f(ir M. 2. 60 käuflich in der Zentralstelle ilir Dissertationen
und Programme von Gustav Fock, Leipzig, Neuraarkt 3)
die Beachtung aucli der Kirchen historiker. Ohnesorge weist
zuerst nach, dafs, wie vereinzelt schon anerkannt war, das
erstere der beiden Stücke des Anonymus, das auf die Zeit
von 293 — 337 sieb bezieht, mit dem zweiten, die Jahre von
474 — 526 betrefl'enden in keiner Weise zusammenhängt
(S. 1—32). Dann (ä. 32 — 84) untersucht er das bislang
gründlich noch nicht erörterte Verhältnis des ersten HtUckea,
des „Anonymus de Constantino", zu andern Quellen; wäh-
rend er dabei die von andern behauptete Abhängigkeit von
Jordanes, dem Panegyricus von 313, Lactanz, Euseb, Eutrop
und Ammian zurückweist, sucht er eine schon von F. Görre»
behauptete (vgl. Teuffel-Schwabe, Geschichte der röm.
Litteratur, § 429, 9, S. 1013) Benutzung des Anonymus
durch OrosiuB, ferner eine Bekanntschaft des Laterculus
Polemii Silvii (Teuffei, § 74, 9) mit dem Anonymus zu er-
weisen. Diesen gut begründeten Resultaten seiner Forschung
fügt 0. in Kap. 3, ü- 84 — 107 neben einer Würdigung des
Quellenwertes des Anonymus und der Fixierung seiner Ent-
■tehungszeit und seines Entstehungsortes — in Rom zwischen
363 und 417 — die minder wertvolle Hypothese hinzu,
dafs die vier auf einen christlichen Autor hinweisenden
Stellen, in denen auch die Erwähnung Julian 's sieh befindet,
Interpolationen seien, nach deren Streichung nichts hjp''«'"^
Zsiucht. t. K.'O. VLir, I. '2. 21 ^fl
322 KACHRICHTEK.
in dem AnonymoB einen Zeitgenossen Eonstantin'tf zu sehcm
der dem Cbristentom fem stand.
ft. Die Indices scholarum von Marburg ftir dbs Sommer-
semester 1885 leitet Professor Theodor Birt mit emer
Abfaandlang (de fide christiana qaantara Stüichonis aetate
in aola imperatoria occidentali valaerit dispotatio, p. III
ad XXIII 4®) ein, die, auch wenn einige ihrer Resnltste
lieh als unhaltbar erweisen sollten ^, dennoch von Bedeutung
bleibt ftkr die Geschichte der christlichen Kultur. Von
CSlaudius Claudianus, den Birt herauszugeben beabsichtigt,
nimmt er den Ausgang. War Claudianus wirklich ein Heide?
Er wäre in diesem Falle schwerlich am Hofe speziell bei
Stilicho so geschätzt gewesen (? cf. Fabricius-Harles,
Bibl. graeca VI, 793 not. y über Themistius). So gewifs
Stilicho, obwohl er als Regent die opportune Kirchenpolitik
des Theodosius im wesentlichen fortsetzte, dennoch ein Freund
der heidnischen Bildung war, ja in den Verdacht kommen
konnte, mit dem Heidentum zu sympathisieren, so gut kann
Claudian trotz des mythologischen Gewandes seiner Muse
ein Christ gewesen sein. Ja er ist es gewesen, er polemisiert
nie gegen das Christentum, und man hat keinen Grund,
ihm das Carmen Paschale (Teuf fei, Gesch. der röm. Litt,
4. Aufl., 439, St. 7) abzusprechen. Dann aber kann aus
Claudian's Geistesrichtung auf die Stilichos und des Hofes
zurückgeschlossen werden: Stilicho hat, soweit es mit der
Politik sich vertrug, die ihm die Klugheit gebot, wirklich
mit dem Heidentum sympathisiert und es geschützt, freilich
religiös weder für das Christentum noch für das Heidentum
interessiert. Als bezeichnend für letzteres sieht Birt es an,
dafs Claudian, dessen de quarto consulatu Honorii er als
eine Bearbeitung der ähnlichen Rede des Synesius an Ar-
cadius erweist, alles auf die Religion Bezügliche in seiner
Vorlage einfach wegliefs.
1) Inzwiflchcn hat Harnack (Theolog. Litteraturzeitung Nr. 11,
8p. 252) überzeugter sich ausgesprochen: „Recht wahrscheinlich**
habe es Birt gemacht, dafs Claudian Christ gewesen.
NACHKICHTBN. 323
ft. F. Görrea epricht in Beineo „Beitr&gert zur
Hagiographie der griechischen Kirche" (Zeitschrift
für wisseoachaftl. Theol. XXVIII, 4, S. 491—504} zuerst
A) von Menaeen und Menologieen, um ihre völlige Unzuver-
läaaigkeit zu erweisen, B) von dem schon den grofscn Kappa-
dociern bekannten Märtyrer Mamas, um den Märtyrertod
desselben wegzubringen aus Aurelian's Zeit, der nur spätere
Quellen ihn zuweisen. Im ersten Abschnitt sind die Menaeen
den Menologieen gegenüber unterschätzt, denn in den litur-
gischen Stücken steckt bisweilen ältere liia torische Über-
lieferung als in den biographischen.
7. F. Görres': „Zwei Beiträge zur spanischen
Kircbengeschichte des sechsten Jahrhunderts",
A) Miro, König der spanischen Sueven (570—583), B) Mau-
Bona, Bischof von Merida (f 606) (Zeitschrift für wissen-
Bchaftliche Theologie XXVIII, 'S, S. 319-332) sind zwei
lose Blätter aus den Vorarbeiten für Görres' demnächst
in den Jahrbüchern tür prot. Theol. erscheinende Abhand-
lung über Leovigiid und den gleichfalls hier angekündigten
Artikel Leander von Sevilla in Ersch's und Gruber's En-
cyklopädie. Die Blätter selbst enthalten Altes und Neues
in der für Encyklopädieartikel passenden Proportion.
8. In kurzen Bemerkungen „Zu Martin v. Bracara"
macht Dräseke in der Zeitschrift iiir wissenachaftl. Theol.
XXVIII, 4, S. 504f. darauf aufmerksam, dafs Görrea in der
in Nr. 7 erwähnten Abhandlung und Caspari in seiner
Schrift über Martin v. Bracara (lb83J die vorzügliche Aus-
gabe der formula bonestae vitae von A^'eidner in einem
Programm der Domschule von Magdeburg (l«72) übersehen
haben. In Teuffel's Gesch. der röm. Litteratur, 4. Aufl.,
1882, § 494, 2 ist sie genannt.
9. Im „Neuen Archiv für ältere deutsche Geschichts-
kunde" X, 2, S 412—423 giebt Dr. P. Ewald, einer der
Herausgeber der Jaffö'schen Kogeata pontiff, den Text und
«ne Besprechung der Akten zum Schisma des Jahres
21*
324 NACHRICHTEN.
530, welche der Mailänder Amelli in einem bereits be-
kannten Codex der Eapitelbibliothek in Novara gefunden
und in einem offenen Brief an Abbä Duchesne d. d. 2. Ja-
nuar 1883 zuerst publiziert hat (in „Lsl scuola cattolica",
anno XI, vol. XXI, Heft 122). Dem Text (S. 413—415)
liegt Amelli's Publikation zugrunde, daneben sind die Emen-
dationen von Duchesne benutzt, der in den Mölanges
d'archöologie et d'histoire 3**""* annöe, fasc. 3, Mai 1883 die
Akten besprochen hat, und einige neue einleuchtende Besse-
rungen vorgenommen. Textkritischen und -erläuternden
Anmerkungen (S. 415 — 418) folgen historisch-kritische Aus-
führungen. Urkunde l (praeceptum papae Felicis) fordert,
80 neu auch ihr Inhalt ist, keinen weiteren Kommentar:
sterbend ernennt Felix den Archidiakon Bonifatius zu seinem
Nachfolger und bedroht jeden Opponenten mit dem AnatheoL
Auch Urkunde 3 (libellus, quem dederunt presbiteri LX
post mortem Dioscori Bonifatio papae d. d. 27. Dec. 530)
macht keine Schwierigkeiten: 60 Presbyter machen durch
Verdammung des toten Gegenpapstes Frieden mit Bonifatius.
Kurze Nachrichten des Papstbuches in der vita Bonifatii
und vita Agapeti werden durch diesen libellus bestätigt,
auch die, dafs fast alle Presbyter für Dioscur gewesen seien.
Denn aus viel mehr als 60 Presbytern kann das römische
Presbyterium kaum bestanden haben. Schwieriger ist die
historische Beurteilung der zweiten der drei Urkunden. Eine
Contestatio senatus verbietet bei Geldstrafe, noch bei Leb-
zeiten des Papstes eine Neuwahl zu betreiben, droht dem,
der sich ernennen läfst, mit völligem Güterverlust und mit
Exil. Ewald nimmt an, diese zweite Urkimde sei das aus
einem Hinweis auf ein Senatskonsult von 530 bestehende
Dekret, welches nach Cassiodor, variarum lib. IX, 16 auf
Befehl des Königs Athalarich durch den Stadtpräfekten Sal-
vantius etwa im Jahre 533 ante atrium beati Petri apostoli
aufgestellt wurde. Schon die Form der Urkunde (senatus
amplissimus praesbiteris .... duximus perferendum am-
plissimum senatum decrevisse . .) zeige, dafs ein anderer
den Senatsbeschlufs eitlere, dafs nicht der Senatsbeschlufs
selbst vorliege.
NACHRICHTEN. 325
10. Im Neuen Archiv X, 3 bespricht MommBen die
in der vorigen Nummer genannten Akten bzw. das materiell
wie formell IntereBsan teste der drei Stucke, die conteetatio
aenatuB. Die inhaltliche Identität des Senat Bbeschlusses von
630 mit dem späteren Erlafs des Athalarich nimmt auch er
an, doch sieht er in der Urkunde den „offenen Brief des
Senats an die Geistlichkeit" selbst und erörtert namentlich,
wie die Form dieser Urkunde mit dieser Annahme sich
vertrage. Der Senat, für dessen Kompetenz in jener Zeit
diese Urkunde in ihrer Einzigartigkeit ein imgemein wich*
tiges Dokument sei, publizierte seine Beschlüsse nicht
selbst; dies that der, welcher den Senatsbeschlufs veranlafst
hatte. Das werde damals der jeweihg anwesende höchste
Beamte gewesen sein, und die Publikationsformel habe wahr-
scheinlich konstant anonym gelautet : Amplissimum senatum
qui consuluit .... In diesem Sinn sei der Eingang der
Urkunde zu paraph rasieren.
11. In den Sitzungsberichten der königl. preufsischen
Akadenoie der Wissenschaften 1885, 8 ist ein am 15. Januar
gehaltener Vortrag des Geheimrat Brunner über das Alter
der lex Alamannorum publiziert, der bei der Bedeutung
dieser lex für die Kirchengeschichte — vgl. Rettberg,
Kirchen geschichte Dcufachlands, Bd. II, S. 23ff., woselbst
die Einführung der lex in den Anfang des sechsten Jahr-
bnnderta gesetzt wird — hier nicht unerwähnt bleiben soll.
Brunner geht davon aus, dafs man allgemein von den drei
Redaktionen der lex, die Merkel in seiner Ausgabe im
dritten Band der leges der Monum. Germ, unterschieden
hat, der lex Hiothariaua, Lantfridana und Karolina, die
letztere bereits aulgegeben habe, da ihre Eigentümlichkeiten
als auf dem Wege der handschriftlichen Überlieferung entstan-
den sich ausweisen. Brunner unternimmt sodann den Nach-
weis, dafs auch die HIothariana und Lantfridana, deren Unter-
scheidung durch Merkel zwar mehrfach bestritten ist (von
de ßozi^re, Hinschius u. a.), aber doch auch Anerkennung
gefunden hat (\A'aitz), nur verschiedene Textgestalten nicht
Redaktionen der lex seien. Textgestalten, die in den ver-
326 NACHRICHTEN.
schiedenen Handschriften völlig in einander übergingen, und
sucht dann zu erweisen, dafs diese eine Redaktion der lei
durch Herzog Lanfrid zur Zeit Chlotar's IV. (717 — 719)
auf einer alemannischen Stammesversammlung zustande ge-
kommen sei.
li. Ohne Rücksicht auf die in der vorigen Nummer
genannte, erst mit den Korrekturbogen dem Verfasser zu-
gegangene Abhandlung von Brunner giebt im Neuen Archiv
X, 3, S. 467 — 505 Dr. Karl Lehmann einen Beitrag
^Zur Textkritik und Entstehungsgeschichte des ala man-
nischen Volksrechts^^ Auch Lehmann nimmt nur
eine Redaktion der lex an, doch so, dafs er in dem sogen,
pactus, zu dem er die additamenta hinzunimmt, eine die lex
vorbereitende Privataufzeichnung erkennt, in der nichts über
das siebente Jahrhundert hinausweise. Nach textkritischen
Ausführungen über die Handschriften der lex versucht Leh-
mann sodann mit Gründen innerer Kritik die zweite Hälfte
des siebenten Jahrhundeii» als die Entstehungszeit der lex
zu erweisen, in diesem Ansatz und in der Auftassung der
lex als Königs- nicht als Herzogsrecht anders urteilend als
Brunner.
IS. Band CIX, Heft 1 (1885) der Sitzungsberichte der
phil - historischen Klasse der kaiserlichen Akademie der
Wissenschaften zu Wien enthält S. 319 — 398 eine auch
separat in Kommission bei Gerold's Sohn erschienene
„kirchengeschichtliche Studie '' von Dr. Fritz Stöber:
„Zur Kritik der vita S. Joannis Reomäensis
t 540" (cf Dictionary of Christ Biogr. IH Joannes Nr. 503).
Von den drei Rezensionen dieser vita (vgl. die von Stöber
noch nicht gekannte, aber zum Teil nun antiquierte Anm. 1
bei Wattenbach, Geschichtsquellen, 5. Aufl., Bd. I, S. 113):
l) bei Roverius, Reomaus (Paris 1637) und in den Act
SS. BoU. Jan. 28, 2) bei MabiUon A. SS. O. B. I, 632 ff.,
3) in einem Cod. Paris, lat 11748 erweist Stöber in dieser
methodisch musterhaften Untersuchung letztere, leider sehr
verstümmelt erhaltene als die Urform, die Mabillon's als eine
^
NACHRICHTEK. 337
»sketiBchä Schroffheiten uad Mirakel mildernde Bearbeitung,
die erstgenannte als eine Kompilation aus den zwei andern.
Zugleich macht er sehr wahrscheinlich, dafs der Verfasser
der ursprünglichen Rezension kein anderer sei als Jonas,
Mönch r. Bobbio, damals Abt, wie Stüber wohl mit Recht
meint, eines fränkischen Klosters.
H. Die schone und instruktive „Karte der Ent-
wickeiung des römischen Reiches" tod Wilhelm
Sieglin, welche der in LieteruDgen erscheinenden „Qe-
Bchichte des römischen Kaiaerreichs von Viktor Doi-uy, über-
setzt von Prof Dr. 6. Hertzberg" beigegeben ist, kann se-
parat mit acht Seiten Quellen belägen für M. 1. 50 bezogen
werden. F. Loofs.
15. In Band CX, 167—174 der Sitzungsberichte der
kaiserlichen Akademie der WisBensc haften zu Wien giebt
S. Brandt ein Verzeichnis der in dem Codex 169 von
Orleans vereinigten Fragmente von Handschriften latei-
nischer Kirchenschriftsteller, darunter ein bisher
seinem Fundorte nach nicht bekanntes Fragment aus Cyprian.
Th. B.
1«, Die von Duchesne veranstaltete, jetzt in einem
zweiten Fascikel vorliegende Ausgabe des Über ponti-
ficalis (premier fascicule, Paris, Erneat Thorin, 1884,
deuxi^me fascicule, ibid. 1885) ist mindestens ebenso wert-
voll durch ihre Einleitung als durch die Herstellung und
den Abdruck der verschiedenen Redaktionen des Papst-
buches. Die Einleitung, von der bisher CLXXXiv Seiten
vorliegen , enthält im ersten Kapitel f p. I — XXXll) eine
Übersicht über die Geschichte und Chronologie der Päpste,
soweit sich Ansätze zu einer schriftlichen Fixierung der-
selben vor Abfassung des liber pontificalis finden, Im
zweiten Kapitel (p. xxxiii — XLViii) sucht der Heraus-
geber die Abfassungszeit des ältesten Teiles des Über ponti-
ficalis näher zu bestimmen und gelangt hier zu dem Er-
gebnis, dafa die ersten Aufzeichnungen des über pontificalis
328 NACHRICHTEN.
unter Hormisdas (514 — 523) etattfanden, und von einem
Verfasser herrühren, der als Zeitgenosse Anastasius U., des
Hormisdas, Johann I. und Felix IV. die im über pontificalis
über diese Päpste (von 496—530) befindlichen Nachrichten
niedergeschrieben hat, woran sich dann eine Fortsetzung bis
Silverius (bis 537) geschlossen haben soll, welche wahr-
scheinlich aus der Feder eines Augenzeugen der Belagerung
Roms durch Vitiges stammt Im dritten Kapitel (p. XLvm
bis Lxvn) behandelt Duchesne den catalogus felidanos
sowie den catalogus cononianus, die nach ihm auf einer ge-
meinschaftlichen Grundlage — einem bis auf Felix IV.
reichenden ältesten liber pontificalis — beruhn, in der Ab-
sicht, aus jenen beiden den letzteren zu restituieren. Weiter-
hin verbreitet sich der Herausgeber im vierten Kapitel
(p. Lxvm — CLXiu) zum Zweck der Feststellung der von
diesem ältesten liber pontificalis benutzten Quellen über die
Angaben desselben, sofern sie sich beziehn l) auf die Na-
men und die Reihenfolge der Päpste, 2) auf das Vaterland
und die Familien derselben, 3) auf die Dauer der Ponti-
fikate, 4) auf die Martyrien der Päpste, 5) auf die unter
den verschiedenen Pontifikaten berichteten, wichtigsten hi-
storischen Ereignisse, 6) auf die Disziplinarvorschriften der
römischen Bischöfe, 7) auf die Kirchenstiftungen und Do-
tationen vonseiten der Päpste, 8) auf die von ihnen voll-
zogenen Ordinationen, 9) auf ihre Begräbnisse und 10) auf
die Sedisvakanzen des päpstlichen Stuhles. Das fünfte Ka-
pitel, welches die verschiedenen Manuskripte des liber ponti-
ficalis behandelt, sieht erst im dritten Fascikel seinem Ab-
schlufs entgegen. Was dann den Text des liber pontificalis
in seinen verschiedenen Redaktionen anlangt, so hat Duchesne
auf den bisher erschienenen 296 Seiten zuerst den liberia-
nischen Elatalog zum Abdruck gebracht — indem er gleich-
zeitig den Versuch macht, den ursprünglichen Wortlaut des-
selben wiederherzustellen (S. 1—9) — daran die verschie-
denen Kataloge vom fünften bis zum siebenten Jahrhundert
(S. 13—41), sowie das firagmentum laurentianum (S. 43 — 46)
gereiht, und geht dann an das immerhin sehr kühne Unter-
nehmen, aus dem catalogus felicianus und dem catalogus
NACHRICHTEN. 329
cononianuB aUein eineo ältesten über pontificalia zu rekoD-
Btruierea (S. 47 — 113), indem er in drei Kolumnen den
Text der beiden genannten Kataloge und die von ihm vor-
geschlagene ursprüngliche Fassung nebeneinanderstellt. Wird
diese Rekonstruierung des ältesten über pontificalia auf so
schmaler Grundlage gewil'a auf vielseitigen und berechtigten
Widerspruch atofsen, so darf doch Ducheflne auf volle An-
erkennung rechnen, soweit ea sich um die von ihm (S. 114
bis 2dC) in Angriff genommene Ausgabe der späteren Re-
daktion des über pontiticalis handelt, der die beigetiigtea
Anmerkungen einen besonderen Wert verleihen.
17. Im „Neuen Archiv" (Bd. X, S. 453 — 465) be-
richtet Waitz: „Über die Italienischen HandschrÜten des
liber pontificalis", die er auf einer Reise im Frühling
1884 einer Revision unterworfen hat und macht bei der
Gelegenheit mit Nachdruck auf die Vatican. 3761 ala auf
„eine der wichtigsten und interessantesten Handschriften"
aufmerksam, die aber biaher die ihr schon um ihres Altera
willen (^Saec. X) gebührende Beachtung nicht gefunden
habe.
18. Die von Löwenfeld herausgegebenen „Epiatolae
Fontificum Homanorum ineditae" (Lips. 1885, VI u.
288 P-) enthalten 424 bisher nicht veröffen dichte Briefe
der Päpste von Gelasius I. bis Cölestin III. (493— J 198).
Dieselben sind aus drei Fundgruben geschöpft: l) aus
Handschriften der Pariser Nationalbibliothek , 2) aus einer
im Besitze der Gesellschaft der Monumenta Germaniae be-
findlichen Kopie der „collectio Britannica" und 3) aus einem
Codex des Kollegium 8. Trinitatis zu Cambridge.
19. Von der unter Direktion Wattenbach's erscheineo-
den zweiten Ausgabe der Jaff^'schen „Regesta Fonti-
ficum Romanorura" hat der 7. Faacikel (Lipsiae 1885)
die Preaae verlassen; derselbe, der die Jahre 1106 — 1130
umtafat, ist wie der 5. und 6. Fascikel von Löwenfeld be-
arbeitet.
330 NACHRICHTEN.
20. y>Die Geschichte der Römischen Kirche
▼OQ Leo I. bis Nikolaus V* (Bonn 1885, IV und 858 &)
von J. Lange n, welche sich als Fortsetzung der vom Ve^
£Eisser 1881 vei'öffentlichten ,; Geschichte der römischen Kirche
bis zum Pontüikate Leo V ankündigt; bringt allerdings
keine neuen weittragenden Gesichtspunkte und überraschen-
den Resultate, aber die ausgereiften Früchte einer besonne-
nen, der Unparteilichkeit des mit Rom auf gespanntem Fufse
stehenden Professors alle Ehre machenden Quellenforschung,
die durch ihre Vertrautheit mit der neuesten Litteratur den
Leser in den Stand setzt, sich rasch einen Einblick in die
wichtigsten Fragen dieser an verwickelten Hypothesen über-
reichen Periode der Papstgeschichte zu verschaffen.
21. Die Geschichte der Kirche insbesondere aber des
Papsttums im 12. und 13. Jahrhundert hat in Jungmann's:
„Dissertationes selectae in historiam ecclesiasticam, T. V
(Ratisbonae, Neo-Eboraci et Cincinnatii 1885, 510 S.)
eine unverwässert kurialistische Behandlung gefunden« die
an Schönfärberei inbezug auf die Motive und Handlungs-
weise der Päpste, an zelotischem Hafs gegen die deutschen
Herrscher wie gegen die häretischen Richtungen jener Epoche
nichts, dagegen an Kritik, Quellenmaterial imd Bekannt-
schaft mit der neuesten Litteratur sehr viel zu wünschen
übrig läfsi
22. Zwei ungedruckte Briefe des Papstes Benedikt UL
(855—858), die für die Kenntnis der Bufspraxis der rö-
mischen Eorche im neunten Jahrhundert von Wert sind,
wurden von Weiland aus einer Wolfenbütteler Handschrift
in der „Zeitschrift für Kirchenrecht'' (Bd. XX, 1885, S. 99
bis 102) ediert
23. In der Abhandlung „Gerhard vonBrogne und
die Klosterreform in Niederlothringen und Flandern", die
W. Schnitze in den ,, Forschungen zur deutschen Ge-
schichte" (Bd. XXV, 1885, S. 221 — 271) veröffentlich^
wird nachgewiesen, dafs im zehnten Jahrhundert ähnlich
NACHHICHTEN. 331
wie in den BiBtümem Metz, Toul und Verdun, auch in
Niederlothringen und Flandern eine KIoBteireform in An-
griff genommen wurde, die in keiner direkten Beziehung
zum Cluniacensei'üfden steht , aber die gleichen Ziele wie
dieser veri'olgt. Da sich die Erneuerung des KEosterlebens
in Niederluthringen und Flandern an die PerEÖnlichkeit des
Gerhard von Brogne knüpft, ao erlKhrt das Leben desselben
eine selir eingehende Untei'suchung, deren Resultate meiBtens
zu den vun Günther in seiner Dissertation: „Das Leben
dea heiligen Gerhard" (Halle 1877) gewonnenen im Wider-
ipruch stehn.
2i> Die von Löwenfeld im „Neuen Archiv (Bd. X,
1885, S. S10 — 329) „über die Eanonsammlung des
Kardinal Deusdedit und das Register Gregor VII."
veröffentlichte Forschung gelangt im Gegensatz zu Ewald
und Pflugk-Harttung (siehe die Nachrichten dieser Zeitschrift,
Bd. VI, Nr. 8-4) zu dem Ergebnis, data Deusdedit das Re-
gister Gregor VII. in der auf uns gekommenen und nicht
in einer uns unbekannten umfangreicheren Gestalt benutzt
bat, dafs jedoch jenes dem Deusdedit zugebote stehende Re-
gister Gregor VII. nur einen dürftigen Auszug aus dem
grofsen lateranischen Register enthalten haben kann.
Ä5. „Der Begriff justitia im Sinne Gre-
gor VII." wird von J. May in den „Forschungen zur
deutschen Geschichte" (Bd. XXV, 1885, S. 179 — 184)
richtig dahin gedeutet, dals Gregor VII. in dem Papst die
personifizierte göttliche Gerechtigkeit sieht, ao dafs ihm sein
Kampf gegen Heinrich IV. als der der „justitia" gegen die
„iniquitas" erscheint. Von hier aus empfangen dann die
eich an einen Bibelspruch anscbliefscnden letzten Worte des
sterbenden Gregor VII.: „dilexi justitiam, odi iniquitatem,
propterea morior in exsiÜo" ihr volles LichL
it. Eine Lücke in der bisherigen Behandlung der
Kirchenpolitik Gregor VII. wird nunmehr ausgefüllt dui-ch
die wertvolle Dissertation M. Wiedemann's: „Gregor VII.
332 NACHBICHTEN.
und Erzbischof Manasses I. von Rheims'^ (Leipzig
1885, 88 S.). Der Verlauf der hier dargestellten von 1073
bis 1080 geführten Verhandlungen Gregor VIL mit Manasses
tlber die Kompetenz des Liegaten Hugo von Die zeigt
unS; dafs der Papst diesem gegenüber eine Nachsicht geübt,
wie wir sie an ihm sonst nicht kennen, und die sich nur
daraus erklärt, dafs er es in dem Augenblicke, wo sich
für ihn die Verhältnisse in Italien und Deutschland über-
aus ungünstig gestalteten, nicht wagte, durch ein rücksicht-
loses Verfahren den mit Philipp I. von Frankreich eng ver-
bündeten Erzbischof zum Bruch mit Rom zu treiben.
27« ;;Zur Rechtfertigung Herbord' s, des Biographen
Otto's von Bamberg" hat Wiesen er in den „Forschungen
zur deutschen Geschichte" (Bd. XXV, 1885, S. 113—152)
einen Aufsatz erscheinen lassen, der sich gegen Jaffö's Be-
hauptung wendet, dafs die beiden von Ebo und dem Prief-
linger verfSafsten Lebensbeschreibungen Otto's von Bamberg
bedeutend glaubwürdiger seien als die von Herbord her-
rührende vita desselben. Nach Wiesener wäre dieser seinen
beiden Mitbiographen als Historiker weit überlegen und
liefse sich auch in viel geringerem Mafse Irrtümer zu Schul-
den kommen als jene.
28« Im „historischen Jahrbuch" der Görresgesellschaft
(Bd. V, 1884, S. 576—624; Bd. VI, 1885, S. 73—91 und
S. 232—270) hat G. Hüffer eine Reihe „handschrift-
licher Studien zum Leben des heiligen Bernard"
niedergelegt. Den Gegenstand dieser über Frankreich, Spa-
nien, Italien, Osterreich und Deutschland ausgedehnten hand-
schriftlichen Forschungen bildeten aufser den „vitae Ber-
nardi" auch dessen „epistolae" und „rairacida". Die bisher
veröffentlichten „Studien" sind den beiden ersten Kategorieen
gewidmet. Eine besonders sorgfältige Behandlung erfahren
die sogenannten Fragmente zum Leben des heiligen Bemard^
als deren Verfasser Hüffer den Gaufridus Antissiodorensis,
als deren Abfassungszeit er das Jahr 1145, und als
deren Zweck er nachweist, dem Wilhelm von St Thieny,
NÄCHRICHTEN. 333
dem ersten Biographen Bernard's ala Vorstudie in der Weise
zu dienen, wie sie von ihm in seiner „vita Bernardi" be-
nutzt worden sind. So sehr sich Hüffer bemüht hat, un-
edierte Stücke aus der Korrespondenz Bernard's aufzufinden,
war die Ausbeute doch nur eine geringe, nämlich acht Briefe
Bernard's und vier Schreiben anderer an den Heiligen, die
BÜmtJich, abgesehen von zwei Briefen Gerhoh's von Reichers-
berg an Bernard, nur oin verbal tnismUfsig geringes bisto-
riachea Interesse besitzen.
29. „Der Traktat über die Papstwahl des
Jahres 1159", der sich im ersten Bande von Süden dorPa
Registrum findet, wird von W. Ribbeck in den „For-
schungen zur deutschen Geschichte" (Bd. XXV, 1885,
S. 354 — 365) einer erneuten Prüfung unterzogen, die sich
in ihrem ganzen Verlauf in einen entschiedenen Widerspruch
setzt zu der von Mor. Meyer vertretenen Auffassung, dafs
dieser Traktat eine Stilübung späterer Zeit sei. Mit über-
zeugenden Gründen vertritt Hibbeck die Ansicht, dafs jenea
Schriftstück als eine im Auftrage des Kaisers und des Pariser
Konzils um 1160 verfafste Darlegung der schiBraatiscben
Wahl von 1159 anzusehen ist.
SO. Die Dissertation von Rudolf Reese: „Die
staatarechtliche Stellung der Bischöfe Burgunda
und Italiens unter Kaiser Friedrich 1." (Göttingen
1685, 118 S.), will nur eine Ergänzung und Zusammen-
fassung der diesen Gegenstand auaführlich behandelnden
Schriften von Ficker, HüfFer und Wolh-am sein, Der der
Arbeit nicht abzusprechende Fleifa steht in keinem Verhält-
nis zu der Geringfügigkeit der selbständig gewonnenen Re-
sultate, die sich eigentlich darauf beschränken, dafs Woltram
irre, wenn er meine, dafs Friedrich I. ebenso entschieden
wie in Deutschland auch in Burgund und Italien die In-
vestitur vor der Weihe erteilt und data das Vorgehen der
Investitur vor der Weihe nur den Zweck gehabt habe, das
Obereigentum Brecht des Reiches an den Regalien zu wahren '.
1) Vgl. schon oben S, 278 ff.
834 NACHKICHTEN.
Si. Der Aufsatz von Eubel in dem ,, historischen
Jahrbuch« (Bd. VI, 1885, S. 92—103): „Der Minorit
Heinrich von Lützelburg, Bischof von SemgaUen,
Curland und Chiemsee« läfst keinen Zweifel daran auf-
kommen, dafs der Minorit Heinrich von Lützelburg, der
seit 1247 nominell den bischöflichen Stuhl von SemgaUen
inne gehabt hatte und 1251 an die Diöcese von Kurland
transferiert worden war, identisch ist mit dem Bischof Hdn-
rieh von Chiemsee, der 1263 von Urban H. dieses Kstom
empfing.
St. Das „Neue Archiv« (Bd. X, 1885, S. 507—578)
enthält eine sehr instruktive Untersuchung Rodenberg's:
nÜber die Register Honorius IIL, Gregor IX.
und Innocens IV.«, die sich nicht mit dem gesamten
ürkundenwesen dieser Pftpste beschäftigt, sondern sich nur
darauf beschränkt, die Art und Wdse festzustellen, in der
die R^strierung der Urkunden jener drei Päpste vor sich
ging. Ä. Zöpffd.
SS* Die von mir im letzten Heft erwähnten Analecta
Franciscana sive chronica aliaque varia docu-
menta ad fratrum Minorum spectantia edita a
firatribus coUegii S. Bonavmturae adjuvmntibus aliis patribus
ejuadem ordinis, T. I (Ad daras Aquas [Quarachii] 1885,
XIX und 450 S. lex. 8«) enthäk fol^de Stücke: 1) Die
Chronik des Br Jordan von Oiano nach der durch
HoMer-Egger und Perlhadi w^er aa%efondenen Hand-
sdirift, deren moderne und mdit immer fMainie Kopie
G. Voigt aus dem KacUafe aoDes Vaters heransgegeben
katte. i) Enen Beridit fiber G^tsichichte und dermalen
Stand der chinesischen Mission d^rllinoriten von der
Äriktott Observana der VnbwciuhtwQ, ver&Crt im Jahre
1762 von P. Fran« Mi^feuei^ 3) Ene Cosmo-
graphia Franciscano^ Aü^uiacae Provinciae S.
BcnMmdiri SeDearsdit <vj«i»ä<tRr)^iie csoaiT^r^tuum omnium de-
»onptiö Acts pflT tir. Tl^^iÄt:» Herxog anno 1732.
4' Eine n«w Au^üaW xwi Tk/^Äaji Eccieston, liber
NACHRICHTEN.
335
|lle adventu fr. Minorum in Angliam — auf Grund der
von Brewer und Howlett benutzten Handaclinftea.
B) Eine Chronica anonjma fr. Minoruni germaniae
^m 13. und 15. Jahrhundert. Ich halle dieselbe für
identisch mit der von Wadding ülterB benutzten Chron.
Provinciae Argentinenaia, 6) Commenta-
BTiolum de Veneta prov. ret'orm, S. Antonii und
■7) Parva chronica prov, seraphicae reforraatae sind mo-
läerne Abhandlungen zweier Minorilen (vgl. meine Besprechung
iTh, L.-Z. 1885, Nr. 16).
34. Der neu erschienene Band XXIX der Histoire
litt^raire de la France enthält u. a. S. 1 — 366 einen
Artikel über Raymundus Lulius, sein Leben und seine
Schriften, deren 313 Nummern aufgezählt werden. Ferner
em Verzeichnis von „AncientB catalogues des äglisea
de France"; einen Artikel über Philippine de Por-
cellet als rautmafsliche Verfasserin des Lebens der heil.
Douceline, Gründerin der Begh inen vereine von Hyeres und
Marseille (vgl. La vie de St. Douceline fondatrice des hi-
guinea de Marseille herausgegeben und aus dem Provenja-
lischen des 15. Jabrhundera übersetzt und mit historischer
Einleitung versehen von Abb«! Alban^s. Marseille 1879). —
Femer über den Minorilen Guido de la Marche, und
den Prediger Wilhelm von Bar.
35. Über päpetliche SchatzverzeicbniBse des
13. und 14 Jahrhunderts und ein VerzeicbniB
der päpstlichen Bibliothek von 1311 berichtet
Wenck (Mitteilungen des Instituts für Österreichiache Ge-
schieh tsforscbung VI, 2} und verüffentlicht aus dem letzteren
die interessanteren Partieen.
36. W. P reg er verüfTentlicht in den Abhandlungen
der königl. bayer. Akademie der Wissenschaften III. Kl.,
17. Band, 3. Abteil, eine Abhandlung über „die Politik
des Papstes Johann XXII. inhezug auf Italien
and Deutschland" (auch separat München 1885).
336 NACHRICHTEN.
S7« In Vering's Archiv fUr kathol. Eirchenrecht LIU,
N. F. 47, 1885, S. 209—220 schreibt Kayser über Papst
Nikolaus V. und die Juden.
S8. Über Adolf von der Mark, Bischof von
Münster 1357—1363 und Erzbischof von Köln 1363—1364
handelt Kreisel (Paderborn 1885).
!•• Im historischen Jahrbuch der Görresgesellschaft
1885, VI, 3, S. 345—412 veröffentlicht Franz Jostes
drei unbekannte deutsche Schriften von Jo-
hannes Veghe mystischen und erbaulichen Charakters,
als weiteren Beitrag zur Geschichte dieses eigentlich erst
durch Joste („Joh. Veghe, ein deutscher Prediger des
16. Jahrhunderts. '' Halle 1883) bekannt gewordenen Bruders
vom gemeinsamen Leben.
40. Ebd. S. 438ff. A. Gottlob, Der Legat Rai-
mund Peraudi (Nachträge und Berichtigungen zu Schnei-
der's Schrift über ihn). K. MüOer.
41. Von dem längst angekündigten „Archiv für
Litteratur- und Kirchcngeschichte des Mittel-
alters herausgegeben von P. Heinrich Denifle O. P.
und Franz Ehrle S. J." ist Berlin, Weidmann'sche Buch-
handlung Ende Juli d. J. des ersten Bandes erstes Heft
erschienen. In der That ein bedeutsamer Anfang. Derselbe
rechtfertigt die hohen Erwartungen, welche man inbezug
auf das neue Unternehmen haben konnte. Ein Dominikaner
und ein Jesuit, beide bereits als Forscher bewährt, beide
in Rom ansässig, und doch in der Lage umfassende litte-
rarische Reisen zu unternehmen, haben sich verbündet, vor-
nehmlich die Kenntnis der Quellen der Litteratur- und
Kirch engeschichte des Mittelalters zu erweitern. Sie
verfolgen also eine derjenigen Tendenzen, welche diese
unsere Zeitschrift ftir sich als mafsgebend betrachtet Be-
greiflich kann sie nur ein hohes Interesse an der Fortsetzung
„des Archivs" nehmen. Es wird nicht verringert werden,
NACHRICHTEN. 337
renn auch, wie hie und da im vorliegenden Hefte, die
'olemik in einem Tone gefiihrt werden sollte, den wir nicht
lülligeu künnen.
Die erate Hälfte der ersten Abhandlung „Zur Geachichte
les Schatzes, der Bibliothek und des Archivs der Päpste
m 14. Jahrhundert" ö. 1 — 48 von Ehrle giebt in dem
Jinne einer Vorgeschichte der Vaticana wichtige Beiträge
n einer Geschichte der päpstlichen Handschriftensammlung.
„Wenigstens bis gegen das Ende des 14. Jahrhunderte
IftTst sich wohl eine päpstliche Bibliothek mit gesonderter
"Verwaltung und ihr eigenen Beamten nicht nachweisen"
2). Aber wir haben Verzeichnisse der Gegenstände des
päpstlichen „Schatzes" ', zu welchem auch die Handschrif-
ten gehörten, in denselben die ersten Kataloge ihrer Bibho-
thek. — Mitgeteilt ist I Ö. 21 — 41 das Verzeichnis der
Handschriften des päpstlichen Schatzes unter Bonifaz VIH. ;
II S. 41—48 vgl. Ö. 149 das der Bibliothek und des
Archivs der Päpste in Perugia, Assisi und Avignon bis
1314. — Die zweite Abhandlung von Denif'le, Das Evan-
gelium aetemum und die Kommission zu Anagni, ö. 49 bis
142 (Vorarbeit zu einer künftigen Publikation „Die Uni-
versität Paris und die BcttelmÖncbe, S. 84) ist noch erheb-
licheren Wertes, wenngleicli der Verfasser seinen Fund über-
schätzen dürfte. Zum erstenmal ist Auskunft gegeben über
die handschriftliche Überlieferung der Werke Joachim'a von
Floris S. 90—97; zum erstenmal das vollständige Protokoll
der Sitzungen der Kommission zu Anagni 1255 unter Be-
nutzung von 15 Handschriften veröffentlicht Bisher waren
nur zwei Pariser imd zwar „sehr fehlerhafte" Cod. von
d'Argentrö du Plessis, Qu^tif und Echard, neuerlich von
Benan excerpiert. (Nur diese Excerpte konnte ich in
1) „Seitdem Elemens V. den Sitx der papertlichen Hofhaltnng
noch dem aüdlichea Frankreich verlegt hatte, wurde fiir geraume
Zeit der tliGGaunia antiquuH d, k jener, welcher aich bis zur Zeit
der Wahl ElempoH V. iii Rom uud iu den umUegCDdeii Resideuz-
städten der Päpste angesammelt hatte, und der thcsaurus nuvus,
welcher toh 1305 an am französischen Hoflager der Avignon'achea
Päpste anwuchs, genau unterschieden" [S. 3).
a
338 NACHRICHTEN.
meiner ;, Geschichte der religiösen Aufklärung im Mittd-
alter", Bd. II, S. 198 f. benutzen.) — Weiter hat der Autor,
der den vollständigen Introduktorius auch noch nicht auf-
gefunden, den Ursprung der vielbesprochenen (angeblichen)
31 Excerptsätze (über deren Text S. 70 — 73; „der reinste
ist derjenige, welchen wir bei Matthäus Paris lesen. Side
aber über den Text des Cod. N. 331 der StadtbibliothdL
in Mainz die Bemerkungen bei Haupt in dieser Zeitschrift
Bd. VII, 3, S. 374, Anm. 2), welche ich a. a. O. Bd. II,
S. 366 VII, Anm. 1 Ende „nicht zu erklären vermochte",
ermittelt S. 74. 84. Dieselben sind auf die den B^tel-
mönchen feindliche, liberale Professoren -Partei, an deren
Spitze Wilhelm von St. Amore stand, zurückzuführen. Der
Beweis soll in des Verfassers künftiger Geschichte der Uni-
versität Paris gefuhrt, aber schon jetzt auf das (von mir
übersehene) Zeugnis des zeitgenössischen Heinrich von Senones
d'Achery Spicil. ed. II, T. II , p. 645 aufmerksam gemadit
werden. Dasselbe war aber vor Denifle bereits geschehen
von Haupt in dieser Zeitschrift Bd. VII, 3, S. 380. 385,
dem ich jetzt darin beistimme, dafs in Betracht des Um-
Standes, dafs die Excerpte von einem Feinde herrühren,
dieselben nur mit grofser Vorsicht zu benutzen seien. Weim
dieser Gelehrte aber S. 396 das Urteil fUllt, sie seien nur
insoweit heranzuziehen, als sie mit den Angaben der Unter-
suchungskommission in Anagni übereinstimmen (Denifle geht
noch weiter S. 82. 87. 88): so kann ich demselben nicht
beistimmen. Sie scheinen mir augenblicklich (vorbehaltlich
einer besseren Erkenntnis) im Verhältnis zu jener pri-
mären Quelle als eine sekundäre allerdings verwendet
werden zu können. Unsicher mufs ja die Darlegung des
Lehrbegriffs des Introduktorius überhaupt so lange bleiben,
bis diese Urkunde in ihrer Integrität aufgefunden sein wird.
Aus den wenigen Angaben der Kommissäre in Anagni lälst
sich ein solcher gar nicht herstellen. — Denifle hat S. 76
bis 82 zu zeigen gesucht, dafs alle (?) Excerptsätze auf
echte Stellen der Concordia Joachim's zurückgeführt werden
können (was ich mit Unrecht a. a. O. S. 366 geleugnet
hatte); „allein nur die wenigsten treffen den Sinn, welchen
KACHBICHTEN. 339
1 Joachim's Concordia besitzen". Mein Urteil war und
t jetzt noch ein häi'tei-es. Die meiHten Excerptsätze sind
»ndenziöse Entstell iingen der echten Lehre Joaohim'a: das
bt man imstande zu beweisen. Dagegen dafs der Text dea
jntroduktorius von den Pariser Anklägern (in den Excerpt-
b&tzen) ebenso geÜlBcht sei (Haupt a. a. 0, S. 397), kann
Irerinutct, aber nicht bewiesen werden. — Ich persönlich
pün dein I'. Denifle iiir die Belehrungen und Berichtigungen
ftberaus dankbar: die zweite Auflage meiner Öeschichte
l-der religiösen Aufklärung, deren Vorbereitung ich mich
■ sacb AbHchlufa meiner Augustini sehen Studien hoffe zuwen-
Idea zu dürfen, wird davon Zeugnis ablegen. Bd. II, S. 196
llüs 218 ist teilweise umzuarbeiten. Aber ich verharre bei
I der Ansicht 1) dafs zu dem grorsen Genus der Joacbimiten
jene Spezies neologisch-apokalyptischer Tendenz gehört
habe, welche ich in der ersten Auflage die Jüngerscliaft
des ewigen Evangeliums genannt, von jenem habe scharf
unterscheiden wollen '; 2) dafs diese von Gerard repräsen-
tiert wurde (gegen Denifle a. a. 0. S. 63); 3) dafs also
der letztere nicht lediglich ein einzelner Sonderling ohne
irgendwelchen Anhang gewesen (gegen denselben); 4) dafs
der Historiker, welcher die Existenz einer mit Oerard mehr
oder weniger gleichdenkenden Partei um die Mitte des
13. Jahrhunderts anerkennt, — uni das wissenschaftliche
Recht dieser Anerkennung zu begründen, nicht genötigt
ist, die Namen anderer „Gerardinen" beizubringen (gegen
denselben H. 64).
Das Heft schliefst mit „ Mitteilungen " : die HandBchriftan
von Eymerichs's Directorium inquisitionis ; zur Quellenkunde
dea Franziskanerordens (über Handschriften des catologus
tninistrorum generaliura , welchen Ehrle, Zeitscbrilt für
kathoL Theologie VH, 238 herausgegeben bat); zur Fratri-
c«llengeBchichte ; die Spiritualen und das Inquisitionstribunal ;
I) Das Vollbridgrii ist hinlei' dem Wnllcn zurückgeblieben,
Klage HaupfB in dicHer Zeitschrift Bd. VII, ;i, S. 3Ut;, Anm. 2
B. 395 nicht unbegründet.
840 NACHRICHTEN.
Ludwig der Bayer und die Fratricellen und GhibeUina I i
▼on Todi und Amelia im Jahre 1328 u. s. w. — Auch | I
Heft 2 und 3 (Doppelheft) erschien soeben.
H. BeuUr.
4^« Als Festgrufs zu dem am 18. Januar 1885 ge-
feierten 25jährigen Professorenjubiläum seines Freundes, dei
auch in Deutschland hochgeschätzten Eirchenhistorikers J. 6.
de Hoop SchefFer hat der unermüdlich thätige D. Christian
Sepp eine neue Arbeit herausgegeben unter dem Titel
yyEerkhistorische Studien^' (Leiden, £. J. Brill, 1885),
Studien teils biographischer teils bibliographischer Natur, in
denen neben manchem Bekannten auch vieles Entlegene
ans Licht gezogen wird. Sehr beachtenswert ist besonden
die erstO; die Heinrich Rolle gewidmet ist, und neben all-
gemeinen Darlegungen über Wesen und Geschichte des
Täufertums u. a. wertvolle wörtliche Mitteilungen aus dem-
selben Schrift vom Nachtmahl bringt (S. 26 ff.). Ebenso die
letzte, die unter dem Titel Südermann über den späteren
Schwenkfeldianismus berichtet. Von allgemeinerem Inter-
esse sind noch die umfangreichen Stücke über den viel-
seitigen und viel umhergeworfenen Mediziner und Theologen
Justus Velsius (c. 1505 — 1580?) und die über den Kon-
vertiten und späteren Bekäropfer des Protestantismus an der
Ingolstädter Hochschule, Kaspar Franck (geb. 2. Nov. 1543),
über welche Sepp reiches Material gesammelt hat
Th. Kolde.
43. In seiner Schrift: „Autotypen aus der Re-
formationszeit auf der Hamburger Stadtbibliothek. IL
Luther Drucke 1: 1516 — 1519" (Sepai-atabdruck aus den
, Mitteilungen aus der Hamburger Stadtbibliothek " II, 1885
— IV und 71 ö) giebt A. von Dommer eine muster-
gültige Beschreibung von 87 Luther-Drucken der genannten
Jahre. Besonders dankenswert ist die S. 54 ff. gelieferte
Besprechung von 41 Bildern und Titelbordüren jener Schrif-
ten; von Dommer hat damit ein ausgezeichnetes Hilfsmittel
zur Bestimmung der Drucke geschaffen, imgleich wertvoller
SACHBICHTBN. 841
! das im vorigen Jahrhundert von Strobel (Neue Beiträge
tl, 1791) gegebene. Zu Nr. 31, der bekannten, auch in der
SieueD Lutherausgabe verwendeten, £iniaEBung Melchior
Lotther d. j. in Wittenberg {1519} bemerke ich, dafa sie
»ereitB Melchior Lotther in Leipzig 1510 gebraucht hat
(Oratio Joannis Langij Lembergij, Encomium theologicaa
diaputationia). Im Anhang iat aus dem in Hamburg be-
findlichen Original zum erstenmal ein Brief Luther's an
Beine Frau, d. [Coburg] ptingstag 1530, gedruckt.
44. Zu der zwischen Dieckhoff und Buchwald, unter
Beteiligung von Kolde und Kawerau, geführten Streiffrage,
ob Luther der VeriasBer der von Buchwald herausgegebenen
„Praelectio in librum Judicum" ist, liefert Hering: „Der
Streit über die Echtheit eines Lutberf undes"
(Studien und Kritiken 18B5, S. 537—554) einen sachkun-
digen Beitrag. Hering kommt zu dem Ergebnis, dafs Lu-
ther uuzweilelhaft der Verfasser iat und diese Vorlesung
„als Distrikts vikar . . vor Mönchen des Wittenberger Klo-
sters als regens studii" im Jahre 1516 gehalten bat. Be-
achtenswert sind auch die Textverbesserungen, welche He-
ring S. 551 ff. giebt.
46. Die Bd. VH, Nr. 39, S. 338 f. erwähnte Publikation
Buchwald'a {Poach'a handschriftl. Sammlung der unge-
druckten Predigten Luther's) habe ich in der D. L. Z. 1885,
Nr. 26 (27. Juni) eingehender besprochen, ebenso Kawerau
in den G. G. A. 1885, Nr. 15 (20. Juli). Derselbe be-
spricht Enders' Briefwechsel Luther's I in den Studien
und Kritiken 1886, S. 185ff.
46. In dem Hiator. Jahrb. VI (18W5), S. 289—300 be-
spricht Dittrich Balan'a Monumenta reformationia Luthe-
ranae zusammen mit meinen „Quellen und Forschungen zur
G-eschichte der Reforination I, 1", ebenda S. 614 — 623
Balan's Monumenta saeculi XVI. historiam iUustrantia X
(vgl. Bd. VII, Nr. 40, Ö. 339 f.).
84V RACHRICHTBK.
47* Die f, Festschrift der Gelehrtenschule des Johanncuim
SU Hamburg zur Feier des 400. Qeburtstages Johinnei
Bugenhagen's'^ (Hamburg 1885, 62 S. in gr. 8) enthäh
einen Aufsatz des Oberlehrers Dr. H. Rinn: ^^Zum Ge-
dächtnis Johannes Bugenhagen's'^ Beachtenswert
ist die Untersuchung über Bugenhagen's Anteil an der
Niedersächsischen Bibel (S. 24 — S9). Im Anhang druckt
und erläutert Rinn die zwei Briefe von Apinos und Bugen-
hagen^ welche, in der Kirchenbibliothek zu Neustadt a. d.Äisck
befindlich; schon in dieser Zeitschrift Bd. V^ S. 156fl (n. 1
und 10) aufgeflihrt sind.
48* In dem Halle'schen Osterprogramm von 1885 bat
H. Hering: ^^Sechs Predigten Bugenhagen's, aof-
geiunden und mitgeteilt von G. Buchwald'' veröffentlicht
Es sind; zum Teil sehr knappe, Nachschriften Stephan Roth's.
Die Predigten gehören zumeist den Jahren 1524 und 1525
an. — (Aus Abschriften Roth's druckt Buchwald ein
paar Bugenhageniana ab in den Studien und Kritiken 1886,
163 — 173 — warum aber z. B. den Brief Nr. 3 ohne jede
Erläuterung, ja selbst ohne den Versuch einer Datierung?)
49. Das Marburger Herbstprogramm von 1885 enthält
einen Aufsatz von Max Lenz: „Der Rechenschafts-
bericht Philipp des Grofsmütigen über den Donau-
feldzug 1546 und seine Quellen'' (56 S. in 4, auch im
Buchhandel erschienen, Marburg, Elwert). Hatte Q^org
Voigt nachdrücklich auf die Bedeutung der Denkschrift
Philipp's hingewiesen, die trotz der tendenziösen Haltung
„ nach Provenienz und Inhalt zu den Geschichtsquellen ersten
Ranges gerechnet werden" müsse, so deckt hier Lenz mit
Hilfe der Akten des Marburger Staatsarchivs die Quellen
auf, „welche dem Bericht zugrunde gelegen haben, und
deren Vergleichung mit ihm die Methode und Tendenz
seiner Abfassung ohne Mühe erkennen" läfst. Der Bericht
geht in letzter Linie auf Aufzeichnungen zurück, „welche
an den Tagen der Ereignisse oder doch unter ihrem un-
NACHRICHTEK. 343
mittelbaren Eindruck gemacht wurden , offizielle Zeitungen
aus '^m Hauptquartier; ja aus dem Zelte des Landgrafen/^
50. Im AnschluTs an seinen Aufsatz: ,, Schlesien unter
der Herrschaft König Ferdinand's 1524— 1564 '' teilt Franz
Wächter in Düsseldorf in der ,, Zeitschrift des Vereins fUr
Geschichte und Altertum Schlesiens^'; Bd. XIX, 140 — 145
eine ^^Entschuldung des Interims halben 1548'^
mit; von dem Rat von Bi*eslau für König Ferdinand bestimmt.
51« In einem Aufsatz über Melchior Acontius aus
Ursel (geb. etwa 1515, gest. 1569) teilt Franz Schnorr
von Carolsfeld (Archiv für Litt.-Gesch.Xni, 297—314)
neben einigen Briefen Melchiors auch drei seines in Witten-
berg lebenden Bruders Balthasar aus den Jahren 1548/49
mit, an den bekannten Hartmann Beyer in Frankfurt ge-
richtet, nicht uninteressant, sofern sie Melanthon's Verhalten
in der Interimssache behandeln.
5'^. Über das Leben und die Schriften des Hubertus
Thomas Leodius, des bekannten Historikers des Bauern-
krieges, des geschätzten Verfassers der „Annales Palatini'',
dieses Lebens des Pfalzgrafen und Kurfürsten Friedrich U.j
handelt Hartfelder in den Forsch, zur D. G. XXV, 273
bis 289, unter Heranziehung einer bisher übersehenen Quelle.
53. In der Revue Historique XXIX, II (Nov.-D^c.
1885), p. 241 — 279 erörtert Frank Puaux: „La respon-
sabilit^ de la r^vocation de TEdit de Nantes'*, zu
dem Ergebnis kommend, dafs der iranzösische Klerus ist
„Tauteur responsable d'une des plus grandes fautes dont
rhistoire de France conserve le souvenir.'*
Th. B.
i*
1
I "
1''
I
|Has\ lather's und ZwiDglls Lehre von der Kirche
nit Rücksicht auf das zwischen denselben bestehende
[ Verhältnis der Verwandtschaft oder Abhängigkeit
Von
. Johannes ßottscliiclc
iu Giefaen.
Der Gegensatz, den Hub, Luther und Zwingli vor Augen
haben, wenn sie ihre Lehre von der Kirche entwickeln, ist
zunächst der gleiche; der Gegensatz gegen den Anspruch
der im Papsttum gipfelnden Hierarchie, unter dem Rechta-
titel der Kh-che, die nicht irren kann, eine über jede Prü-
fung erhabene, also arbiträre Autorität zu besitzen. Legt
schon dieser Umstand die Frage nahe, ob nicht auch hin-
sichtlich dea positiven Begriffes von der Kirche zwiechen
den beiden Reformatoren und dem Vorreformator ein Ver-
hältnis der Verwandtschaft oder gar der Abhängigkeit be-
stehe, und wie weit daBselbe reiche, so wird das Interesse
an dieser Frage noch dadurch verstärkt, dafa Luther sich
zu Hus' Definition von der Kirche, dafs sie die universitas
praedestinaityrum sei, stets rückhaltlos bekannt hat. Dieser
letztere Umstand ist die Ursache, dafs diejenigen Theologen,
welche eine Vergleichung der Lebren von Hus, Luther und
Zwingli über die Kirche angestellt haben, Ritschi '. Kraufa *,
1) Theologische Studien und Kritiken 1859, 8. 189f. „Über die
Begriffe Hichtbare und unsiclitbare Kirche".
S) Das protestantiache Dogma von der unsichtbaren Kirche 1876,
8. 12-34.
Utoekc. t K.-0. TUl. 1. 33
346 OOTTSCHICK,
Seeberg ^ von der Voraussetzung ausgegangen sind, di&i i
Luther und Zwingli ihre Gedankenentwickelong an &
Ideen von Hus als eine ihnen bekannte Vorlage angeknüffi
haben. Inbezug auf Luther bringt Seeberg diese Vonos-
setzung auf den schärfsten Ausdruck , wenn er sagt: „dk
Thatsache, dafs Luther die Anregung zu seinem Eirchen-
begriff aus Hus geschöpft hat, kann nicht bezweifelt w^-
den '^ '. Zwar hat Eolde ' der ähnlichen Behauptung von
Kraufs widersprochen, aber doch die Frage nicht erörtert
Inbezug auf Zwingli gelangen die drei zuerst genanntai
Theologen zu dem Resultat, dafs sein Eirchenbegriff dem
des Hus näher stehe als der Luther's.
Zur Rechtfertigung einer erneuten Untersuchung dieses
Gegenstandes sei Folgendes bemerkt Ritschi hat im Rah-
men einer an eine Schrift Münchmeyer's über sichtbare nnd
unsichtbare Earche angeknüpften dogmatischen Abhandlung
keine Gelegenheit zu einer vollständigen historischen Unter
suchung gehabt So ist er weder über Luther's Schrift vom
Papsttum zu Rom (1520) noch über die letzten aus den
Jahren 1530 und 1531 stammenden Schriften Zwingli's zu-
rückgegangen. Bei Kraufs und Seeberg ist die Lehre des
Hus weder vollständig dargestellt noch zuti*effend aufgefafst
Die Frage, wie sich die Anschauung Luther's von der Kirche,
die er gewonnen, ehe Hus in seinen Gesichtskreis rückte,
zu der in der späteren Zeit, in welcher er eine Anregung
von Hus empfangen haben konnte, entwickelten verhält, haben
sie nicht aufgeworfen, und auch sie sind nicht über das
Jahr 1520 zurückgegangen. Von Zwingli's früheren Aufse-
rungen über die Kirche haben beide allerdings eine Analyse
gegeben, aber die dort vorhandene Übereinstimmung mit
Luther verkannt. Auch hat sich Seeberg, dem die später
eingetretene Wandlung in dem Eürchenbegriffe Zwingh's
1) Der Begi-iflf der christlichen Kirche. 1. Teil: Studien zur Ge-
schichte des Begriffs der Kirche 1885, S. 68—95.
2) a. a. 0. S. 85.
3) Luther's Stellung zu Konzil und Kirche bis zum Wormser
Reichstag 187G, S. vi in einer nachträglichen Anmerkung zum Vor-
wort.
I
nus, LUTHEit UND ZWINGIJ. 347
nicht entgangoll ist, die Frage nicht vorgelegt, welche prak-
B tiacbcn Griitide dieselbe gehabt hat, und er hat deswegen
1 die später herauatretende Berührung mit Formeln von Hub
B auB einem Einäufs desselben erklärt, während sich wird
I Beigen lassen, dafs liier ganz andere Faktoren wirksam sind.
I.
Die seit Ullniann verbreitete Meinung, dafa die sogen.
Vorreforraatoren die wichtigsten Gedanken der Reformation
anticipiert haben, ist in mancJien Punkten stark erschüttert
worden, indem sich hcrausgesteJlt hat, wie sie vielmehr von
specifisch mittelalterlichen oder katholischen Gesichtspunkten
ausgehen. Inbezug auf die Idee der Kirche aber ist erst
ganz neuerdings wieder ausgesprochen, die Definition, welche
Wiclif und Hub von der Kirche geben, dafs sie die Gemein-
schaft der Erwählten sei, sei ein echt protestantischer Satz,
„das schlagende Herz des Protestantismus selbst", ja Luther
bewege sich bis zum Reichstage von Worms auf der Linie
Hua-WicUfscher Gedanken '. Die Richtigkeit dieser Be-
hauptungen kann nur in sehr beschränktem Umfang zuge-
standen werden. Deshalb ist es unumgänglich, das Verhält-
nis des Kirchenbegriffes von Hus zum niittelaiterlich-katho-
lischen ins Auge zu fassen. Das wird am besten geschehen,
wenn man seine Anschauung von der Kirche mit dem ent-
sprechenden Gedankenkreis derjenigen Richtung der Scho-
lastik vergleicht, welche die Prätensionen der Hierarchie
und des Papsttums auf Souveränität am kräftigsten vertritt
Der Hauptvertreter dieser Richtung ist Thomas von
A q u i n o.
Bekanntlich stutzt sich die Opposition gegen den welt-
lich-rechtlichen Begriff der Kirche, mit dem die Macht-
ansprüche des Papsttums begründet werden, auf einen über
348 OOTTSCHICKy
rechtliche Mafsstäbe hinausgreifenden religiöaen B^riff der
Kirche. Es ist aber nicht an dem^ dafs die Aofstellimg
dieses religiösen Begriffes selbst schon eine Neoemng wiit
Vielmehr hat die Scholastik Augostin's idealen Kirchenbegrtf
fortgepflanzt, und die Oppositionstheologen konnten tx vm-
cessis argumentieren I wenn sie sich auf ihn beriefen. Und
das gilt auch von der Formulierung desselben , aat die
Wiclif und Hus sich stützen , dafs die Kirche die Zahl der
Erwählten sei. Nicht nur der h. Bernhard hat diesdbe
Formel, auch Thomas könnte nichts gegen sie einwenden,
wenn er sie auch nicht direkt darbietet Über die Kircbe,
auf die er sonst nur gelegentlich der Christologie und der
Sakramentslehre zu reden kommt, spricht er sich zosanmieih
h&ngend aus bei der Auslegung des apostolischen Symbds.
Seine Erklärung des 9. Artikels desselben, sanciam ecdesiam
cat?u>licam, stellt nun durchaus den religiös-ethischen Gesichti-
punkt voran ^ Die Kirche ist ein vom heiligen Geist ak
der Seele belebter Körper. Ecdesia bedeutet congregatk.
Sancta Ecdesia est idem quod congregaiio fidelium. Se ist
una durch die Einheit des Glaubens, der Hoffnung, der
Liebe. Als sancta ist sie entgegengesetzt der ecdesia ma-
lignantium (Ps. 25, 5), dem Reich des Bösen. Heilig ist sie
aber, weil die Gläubigen gewaschen sind mit dem Blute
Christi und gesalbt mit der Gnade des heil. Geistes, und
weil sie die Wohnstätte der Dreieinigkeit ist. Universalis
ist sie hinsichtlich des Orts, quia est per totum tnundum (m-
sofern hat sie drei Teile: einen auf Erden, den zweiten im
Himmel, den dritten im Fegefeuer) und hinsichtlich der
Zeit: sie hat ihren Anfang mit Abel genommen und wird
dauern bis zum Ende der Zeit und danach im Himmel ver-
bleiben.
Die Anschauung von der Kirche als dem corpus n^sti-
cum Christi findet ihre nähere Erörterung in der Summa
theologiae-pars HI qu. VHI. Wie das Haupt if^uii sensum
et motum in membra, so ist Christus Haupt der Kirche, weil
er virtutem habet influendi gratiam in omnia menibra ecdesiae.
1) S. Thomae opera omnia (Parmae 1865), T. XVI, p. 147 sq.
k
HUS, LUTHER UND ZWDJGLI, 349
i Wegen dieses Verhältnisses der einzelnen Glieder zum Haupte
■ ist sie unum corpus m]/slicutn (art. l). Alsdann erörtert
r Thomas den Umfang der Kirche, deren Wesen die in-
B nere geistige Erfiilltheit mit der Kraft Christi ist. Und
I zwar wirft er zunächst die Frage auf, üb Christus das
• Haupt aller Menschen sei. Die Antwort ist bejahend,
wenngleich niit der Limitation: non eodem modo. Zwischen
dorn natürlichen und dem mystischen Leibe bestehe der
Unterschied , dafs die Glieder des ersteren omnia simtd
1 seien, die des letzteren nicht, neque quanturn ad esse
nalarae, guia corpus Christi constiluitur ex hominibus, qui
: fuerunt a principio mundi usque ad finem ipsiiis, neque etiam
I quantum ad esse gratiae. In letzterer Hinsicht besteht
der Unterschied zwischen ihnen, dafs die einen in aclu, die
andern in potentia Glieder der Kirche sind, dafs von denen,
welche es i« actu sind, die einen Christo geeinigt sind
durch die fruilio patriae, die andern durch die cariiaa, die
dritten nur durch die fides, die der Liebe entbehrt; und dafs
lernei- die, welche es in potentia sind, dies sind entweder
hinsichtlich einer potentia, die secitndum divinam praedeati-
nationem aktuahsiert werden wird, oder hinsichtlich einer
potentia, die nie aktualisiert wird ; diese letzte Klasse ist die
der Nichtprädestinierten , ao lange sie in dieser Welt leben,
während mit dem Tode die Potenz fortfällt '. Weiter wird
festgestellt, dafs auch die Engel zum mystischen Leibe der
Kirche gehören (art. 4).
Es ist der Grundgedanke, dafs die Kirche die Ge-
meinschaft derer ist, die durch die aus Gott stammende
Liebe mit Christus geeinigt sind. Man würde aber Tho-
mas nicht gerecht werden, vrean man sagen wollte, das
Wesen der Kirche als Leib Christi werde von Tbomae
lediglich nach der Beschaffenheit der einzelnen Glieder be-
1) KrauTs a. a. 0. S. lu bat diese Stelle gänzlich miraverstandeu.
„De ei;clcaia sind ihm doch alle, welche sich die Kirche einmal an-
geeignet hat " Thomas redet vielmehr uuteracliiedeloB von allen
Menschen und macht zwischen den NichtprädeaÜDierteo , die der
Kirche bereite angehürcu, und denen, die noch auJaer ihr stehen, gar
kernen UuterBchied.
350 GOTTSCHICK;
siimmty deren Summe die Kirche sei. Man muis noch dm
in dem Bisherigen eingeschlossenen ^ wenn auch nicht aas-
drücklich ausgesprochenen Gedanken mit in Betracht oeheU)
der es erklärt, dafs Thomas bei der congregatio fiddium dod
an eine empirische Gröfse denkt Der Korrelatb^riff n
den subjektiven Qualitäten der Eirchenglieder, zu Glaube^
Liebe ; Hofinung^ ist das Gesetz Gottes. Das Seligkeitaid
der vernünftigen Kreatur ist die fruüio dei, die in der fm
dei hinsichtlich der Erkenntnis und in der dadurch beding-
ten Liebe zu Gott hinsichtlich des Willens besteht Damit
der Mensch diesen Zweck erreicht^ hat ihm Gott das Geseti
gegeben. Und zwar ist dessen Kern die Liebe zu Gx>tt, die
die Nächstenliebe notwendig einschliefst Es verpflichtet aber
zunächst zum Glauben als der Form, in welcher auf Erdeo
allein die Erkenntnis Gottes möglich ist (jEx lege divma w
fidem rectam inducimur), (S. phil. III, cap. 64 — 69.) Maa
wird also sagen müssen : für Thomas ist die Earche zunächst
das durch das Gesetz Gottes geregelte und geeinte sittliche
Gottesreich, nicht eine blofse Summe Einzelner, sondern ein
Ganzes. Und wenn die Engel, die vollendeten Seligen, die
im Fegefeuer Befindlichen und die auf Erden Pilgernden
als ein Leib gedacht, wenn die ecclesia triumphans dormiens
müitans als Teile einer Gröfse aufgefafst werden, so ist diese
Gemeinschaft nicht als blofs ideelle gemeint, sondern sie
wird durch die Füi'bitten der viantes für die purgandi, dar
Vollendeten für beide aktualisieii.
In der obigen Bestimmung des Umfangs der ecclesia
läfst Thomas nun die gröfste Willkür walten, indem er mit
den Mafsstäben wechselt imd auch solche anwendet, die
durch die eigentlich gültigen ausgeschlossen sind. Der
eigentlich gültige Mafsstab ist der des prädestinierenden
göttlichen Willens; durch ihn wird es begründet, dafs die-
jenigen, welche noch nicht leben, oder, wenn sie bereits
loben, doch noch nicht glauben, oder wenn sie auch glau-
ben, doch noch der Liebe entbehren, in das corpus mysiictm
mit eingerechnet werden. Der Umfang der Kirche, der^
Wüöüii es ist, das sittliche Gottesreich zu sein, wird von
der Idee Gottes als dem entscheidenden Grunde aus bestimmt^
^
HU8, LUTHER UND ZW3NQLI. 351
^KO lange die Betrachtung prinzipiell ist. Der Wille GottCB
flirerbürgt es, dafa alle jene oinst aktuelle Glieder der Kirche
-Bein werden. Denn nach S. th. p. I, qu. 23 steht die Zahl
vder Prädestinierten fest, nicht nur formaliter, sondern auch
i. maierialUtr d. b. hinsichtlich der einzelnen Personen. Und
. zwar hat die Prädestination der einzelnen Personen ihren
• Orund auaschliefslich in dem unbedingten Willen Gottes
; (Art. 5. 7. 8). Dagegen ist es eine ganz willkürliche, den
' prinzipiellen MafsBlab verleugnende Betrach hinge weise, wenn
Thomas auch denjenigen ein esse de ecdesia in potentia zu-
. schreibt, hinsichtlich deren es durch den göttlichen Willen,
der ihr finales deßcer€ erlaubt und sie insofern reprobiert,
feststeht, dafs diese Potenz nie aktualisiert werden wird.
Wenn Thomas sagt, diese Potenz gründe sich auf zweierlei,
primo et principaliter itt virlute Christi, quae est sufficiens ad
salutem totius generis humani, secundaria in arbitrii lä>crtafe,
so wird dabei eben mit den Mafsstäben gewechselt und die
relative Betrachtung statt der absoluten eingeführt, nach der
das Verdienst Christi nur in beschränktem Umfang wirk-
sam werden soll und die libertas arbitrii und die mit ihr
gegebene Kontingenz nur als Mittelursache der göttlichen
Wirksamkeit Bedeutnng hat. Die Willkür und Undurch-
führbarkeit der relativen Betrachtung erhält ihre Illustration,
wenn Thomas in Art. 7 dazu fortschreitet, ein Gegenbild
des Reiches Christi in dem Reich der Bösen featzustellen,
deren Haupt der Teufel, reap. der Antichrist ist- Allerdings
sind beide nicht in demselben Vollsinn Haupt ihrer Glieder
wie Christus, der Teufel nur secundum exlcriorem guhemalio-
wem, der Antichrist secimdum perfedionem. Aber das ist
unwesentlich; denn es beruht darauf, dafs das Böse fiir
Thomas nicht wie das Gute eine innere Einheit bildet, und
ändert daran nichts, dafs dieselben Personen das eine Mal
als Glieder Christi, das andere Mal als Glieder des Teufels
bezeichnet werden.
Neben dieser Anschauung, nach welcher die Kirche als
der mystische Leib Christi die Zahl der Prädestinierten resp.
die Gemeinschaft derer ist, in welchen das die Liebe for-
dernde Gesetz Gottes durch den KinSuTs Christi zur Er-
TOI
m
352 OOTTSCmCKy
füllung kommt; steht bei Thomas die andere, nach wdiik|^
er unter Kirche und zwar speziell unser ecclesia flii2i(«l ^
die hierarchisch organisierte und unter dem Papst za Bai ^
stehende Anstalt in dem Gesamtumfang ihrer Herr8dat|s'
versteht. Es ist nun bei protestantischen Theologen vidfMl 1 ^
die Meinung verbreitet; dafs sich hierin eine BefangenlMitl ^
in der gemeinkirchlichen Anschauung und Praxis kundgeb^ I ^
die eigentlich mit den „ geistigeren Anschauungen '' der enia
Gedankenreihe in Widerspruch stehe *, dafs Thomas infolp
derselben mit dem gewöhnlichen katholischen Kirchenbegril
eigentlich habe brechen müssen ^. Aber es ist eine vö% 1 Ki
Verkennung des Sachverhaltes ^ zu meinen , dafs hier nra 1 vt
einander widersprechende Vorstellungen von der Kirche rar | G(
nebeneinander gestellt seien. Die Kirche als Rechtsanstalt ü
der Scholastik das unentbehrliche Mittel, durch welcb»
Gott die Gnade Christi den Einzelnen zueignet, sie ist die
Ursache^ durch welche die Kirche als Heilsgemeinde her-
vorgebracht und erhalten wird. Und zwar hängt die»
Schätzung der organisierten kirchlichen Heilsanstalt als der 1 <l
Gröfse, in deren Herrschaftsgebiet lediglich es Gemdnde | f
der Gläubigen und Gerechten giebt, auf das engste mit der
katholischen Anschauung vom Heil zusammen und wird
durch dieselbe gefordert Man darf sich nicht durch den
Gleichklang der katholischen und der evangelischen For-
meln communio fidelium und corpus Christi spiriiu sand$
vivificatnm dazu verleiten lassen, beide dem Sinne nach gleich-
zusetzen, wird doch unter Glaube und heiligem Geist oder
Gnade hier und dort etwas ganz Verschiedenes verstanden,
und der eigentümlich katholische Begriff dieser Dinge ist
der Grund der spezifisch katholischen Verknüpfung des religiös-
sittlichen und des rechtlichen Kirchenbegriffs. Der BegriflF des
Glaubens als des Für-wahr-haltens einer Summe durch formelle
Autorität begründeter Lehren, als einer der Selbst-gewifsheit
ermangelnden Vorstufe des Erkennens schliefst die Unter-
werfung unter die rechtliche Autorität der lehrenden Kirche
1) Delitzsch, Das Lehrsystem der römischen Kirche, S. 29.
2) Seeberg a. a. 0. S. 58. 59.
ft
HÜS, LUTHER UND ZWINOLI. 353
^dn. Dazu kommt, dafs der Glaube im objektiven Sinne
Mn Boaiandteil der Forderungen des Gesetzes ist, nach wel-
I die Kirche geleitet werden muls. Insbesondere bringt
I der Begriff der Gnade oder des heiligen Geistes als einer
lernatürliclien Qualität der Seele, die als eine dem Be-
■ iWurstsein dessen, der sie empfängt und besitzt, verborgene
:Qualität, fib eine geheimnisvolle unerfahrbare Naturkraft
vorgestellt wird, von der man aufser im Fall der specialis
,revelatio nicht wissen kann, ob man ihrer teilhaftig ist ', mit
nch, dafs die Kirche als sakramenUile Heilsanstalt , die der
Kanal ist, durch welchen die Kräfte der Gnade eingegossen
werden, der Kirche, sofern sie mit Christus innerlich geeinte
Gemeinde ist, ab erzeugender und erhaltender Grund über-
geordnet wird. Die Kirche als priesterliche Sakramentsanstalt
ist das ausschliefsliche Organ, durch welches das Haupt der
Kirche, Chcistus, sich seine Glieder schafft und die Verbindung
mit denselben erhält. Unter diesem Gesichtspunkt schreitet
Thomas von der Auslegung des 0. Artikels des Symbols zu
der des 10. (aanctoruvt commimionem, remissionem peccalorum)
fort *, Die sanclortim communio ist ihm die bonorum com-
munio in Eccfcsia, die aus der organischen Natur des Leibes
folgt. Das prinzipale Glied ist aber Christus als Haupt der
Kirche, und so ist die sanctorum commimio faktisch die
Teilnahme an den Sakramenten, die die Kräfle des von
ihm erworbenen Heiles mitteilen '. Thomas spricht es direkt
aus, dafs die Kirche durch die Öaki'amento erzeugt wird *.
In ihnen ist ChriatUH wirksam den Seinen gegenwärtig und
1) S. th. II, I, qu. 112, 6.
2) a. a. O. S. 148.
3) Bd. XVI der Parmaer Edition, 8. U8. Bonum ergo Ctirisld
communicatur omDibus CbristianiB , eicat virtus capitia omnibui
membriu; et Iiapc conimunictttio fit per sacrameiita Eccleaiae, in qui-
bua operatur virtus pasaioniB Christi , qaae operatur ad coafereiidam
gratiam in remisaionem peccatorura.
i) S. th. p. III, qu. G4, art. 2 per Baiiranieuta dicitar cbbo &ibri-
oata ecclcsia Christi, cf. Supjil. qu. 17, 1 sacramenta ex quibiu
ecciesia fabricatitr.
354 QOTTSCmCK,
zwar durch die Vcrmittelung der von ihm erwählten Dienert
die als Instrumente dem agens proportioniert oder Chruti
konform sein müssen und deshalb eine geistliche Gern!
empfangen haben ; die eine Art Teilnahme an seiner Gott-
heit bedeutet ', und die auch bei persönlicher Unwürdig
der Priester die Wirksamkeit der durch sie verwaltela
Sakramente sichert^ da ja sonst die Kanäle, durch die da
Menschen die Kräfte des Heils zuströmen, unsicher gemach
werden würden ^.
So ist es die Unsicherheit über den eigenen Gbaden-
stand, die den katholischen Christen, welcher das Gesetz
Gottes zu erfüllen strebt , mit Notwendigkeit zur Unto-
Ordnung unter die sakramentale und priesterUche Heilsanstili
treibt; die der einzige Kanal ist, durch den ihm die ent-
sündigenden und neugebärenden Heilskräfte zuströmen köB-
nen. So lange das Heil als ein unerfahrbares Geheimoii
gilt; bedarf der Christ, um überhaupt in die Sphäre da
Heils zu gelangen, dieser Anstalt, deren amtliche Triger
mit lehrender Autorität ihm das Gesetz des Griaubens and
der Liebe für Verstand imd Wille auslegen und diurch One
übernatürliche Kraftausstattung ihm die geheimen Gnaden-
wirkungen vermitteln, die er nötig hat, um die sittlichen
Leistungen zu vollbringen, welche Bedingung der ewigen
Seligkeit sind. Und die „geistigere Anschauung*' von der
Kirche als der Heilsgemeinde ist an sich noch gar nichts,
was Antrieb und Möglichkeit gewährte, die Autorität dies«
Anstalt aufser Geltung zu setzen oder zu beschränken.
In diesem Zusammenhang ist es prinzipiell begründet,
dafs mit einer sich immer verschärfenden Konsequenz die
1) S. ph. IV, cap. 76 Manifestum est quod omnia ecclesiastica
ßacrainenta ipse Christus pcrficit; ipse est enim, qui baptizat, ipse est
qui peccata remittit; ipse est vcrus sacerdos, qui se obtulit in an
crucis et cuius virtute corpus cius in altari quotidie consecratur; et
tainen quia corporaliter non cum omnibus iidelibus praesentialiter
erat futurus, elegit ministros, per quos praedicta fidelibus dispen-
saret.
2) Ibid. cap. 74.
3) Ibid. cap. 77.
p
1, LUTHEE UND ZWINGU.
^^Entwickelung dahin gedrängt hat, die Autorität der Träger
lea ordo zu einer unbedingten zu machen, die über jede
*l*rüfung nach einem MafBBtab erhaben iat, der von ihr un-
'kbbängig, mit einem durch sich verständhchen und in sich
^Btetebendcn Inhalt ausgestattet wäre, und in dem unfehl-
"baren Papst das Organ der arbitiwen kircldicben Autorität,
'die Verkörperung der ecclesia universalis erblicken zu laBsen.
''Die Entwickelung bat in dieser Richtung im Verlauf des
Mittelalters die grörsten Fortscbritte gemacht
In thesi gilt natürlich die Kirche mit ihrem autoritativen
' Handeln liir gebunden an den Willen Gottes •. Aber in
jedem einzelnen Falle steht es doch so, dafa die Statthaftig-
■ keit, das Verfahren der ecclesia repraesentativa an irgend-
welchem inhaltlich bestimmten Mafsstab auf seine Berech-
tigung zu prüfen, in Abrede gestellt und die Zumutung er-
hoben wii-d, dafs die Christen sich bedingungslos den Ent-
scheidungen derselben als göttlichen zu t^gen haben. So
rechtfertigt Thomas die Gültigkeit der Ablafspraxis mit dem
Scldufs: erclesia universalis indulgentias approbat et facit.
Ergo induigentiae aliquid valent. 2fam impium esset dicere ijuod
Ecclesia uUquid vane faceret. Ecclesia universalis non polest
errare *. Darum sind die Absolution, welche diese Kirche
ausspricht, und die Exkommunikation, die sie verhängt,
als Gottes Urteil zu betrachten. Selbst im Fall der unge-
rechten Exkommunikation hat sich der Christ ihrem Spruch
bei Gefahr der Todsünde humililer zu unterwerfen. Die
empirisch - rechtliche Organisation als das unentbehrliche
Mittel der Herstellung und Ausgestaltung des sittlichen
Guttesreiches wird, damit sie dies sicher sein kann, zu einer
völlig souveränen Macht hinaufgeschraubt. Und zwar bat
ihr Thun nicht nur für die Christen den Charakter einer
1) Z, B. Tliomaa, S, Ih,, p. III, qu. 19, art. 3 non polest wl-
vcru vel lignve ad arbitiium suum, sed tanturo sicat a Deo
sibi pracBcriptmn'cst.
2) Vgl. 8. th, p. m, ciu. 25, art, 1; cf.art, 2 Si in praedicatione
eccIcBiae aliqua falBitas dcprcbenderctur , noii CBsent dociunenta ec-
clcäiae alicuiuB auctoritatis ad roborandam fidem.
S54 GOTTSCHICK, 1
mnbedingten Autorität; der sich prüfungslos zu unterweriil ns
sttlklie Pflicht ist; sondern es wird ihm , damit diese Fh fih
lienmg ak begründet erscheint, auch eine direkte Bedeot^l &}
ttur Crott zugeschrieben. Zwar der Gnade selbst, der dit-l «ff
rUfäs* die der Christ besitzt, also der aktuellen GliedicUl n
am Leibe Christi selbst, kann die ungerechte Exkomnnfrl b
kalkm ihn nicht berauben, wohl aber der suffragia EcdamM i
die ad augmcntum gratiae, ad cuatodiam virtutis, ad d^m l
simtm ab hoste wirksam sind (S. tL suppl. qu. 21, arisl i
«nd 4). Hier geht das rechtliche Mittel der sittlichen Ziefc 1 l
daia über, sich zum Selbstzweck zu machen. 1 i
Diurch denselben Zusammenhang der Gedanken, dii 1
«ttiiiriach- rechtliche Ordnungen das zuverlässige Mittel der
Erbahong der sittlichen Ziele der unitas und pax ecdam
sind» ist es begründet, dafs die klerikale Gewalt, die In
Xinei Ck>lles zur Erzeugung der Gemeinde ist, auf ihre Z&-
$^tiaiB^ in der Gkwalt des Papstes hindrängt ^.
FwiMr ist in Anschlag zu bringen, dafs die Eürche ik
tJb» «infidie Gottesreich alle Liebensverhältnisse umspumt,
^jkkI ob^ dtifilialb auch die rechtliche Herrschaft des Papstes^
liünf Üie K<«Jisierang dieses Heik der Menschheit verbürgt^
^^ über d^oi ganzen Umfang dieses Gebietes erstrecken
moik Ati%«be der staatlichen Gemeinschaft ist fiir Thomas
iae<^ X-wf 9«v^r«c dies hat seinen Mafsstab an der virtus;
gtutvü «lije ntM s^'wUwm virtutem wird aber der Mensch auf
Jtasj^ HA vh>« ewigen Lebens hingelenkt, darum ist es die
y-i^Ahe d^ KC^iigs, für das Seelenheil seiner Unterthanen
,j]tuvh V.Wbie«ett und Verbieten direkt Sorge zu tragen *.
IV"^ Zweckbestimmung der weltlichen Obrigkeit hat aber
><ttKU^ AÜ^m Yv>raussetzimgen des Thomas ihre Unterordnung
itti« ü^ prie^terÜche Gewalt, die schliefslich im Papst sich
^ vV<«^ *t^ *-'^* l*arui. XVI de regimine Principum, p. 237.
;i^i \vt5**v >^«A itt praestuti bene vivimus, finis est beaütudo
^ vc^ ot^ciuiu pertiuet ea ratione vi tarn multitudinis
.^v..N*.-^ '*'^ '"^'
vv^^i^v ^^vujatdttiu quod coDgmit ad caelcstem beaütudioem
«t ^»KhN'^ «tt pimecipiat, quae ad caelestem beatitndi-
^vvMi <^U«na . . . mterdicat.
,^. «^^ ^H
HOS, LUTHEH UND ZWINOLt. 367
uHnmenfarst, zur Folge. Der Weg, der zur Seligkeit
irt, und die HindemiBse desselben sind aus dem Gesetze
ittes zu erkennen, cuius doclrinn perlinet nd saceriMum
ium (a. a. 0.). Ja, da es schlierBlich nicht menschliche,
■ondem göttliche virtus ist, durch die man zur Seligkeit
otnmt, so ist es im Grunde nicht menschliches, sondern
Bttliches Regiment, dem es obliegt, die Menschen zu diesem
iele zu führen. Christus als güttHcher König hat dies zu
kon; er thut es durch seine Priester und insbesondere den
lapst, dem deshalb alle irdischen Könige unterthati sein
lUssen '.
kindlich ist zu beritcksichtigen , dafs das Gesetz Christi
ufser den Geboten auch die evangelischen Ratschläge ent-
Kit, durch die es einen weltfliichtigen Charakter bekommt,
afs die Befolgung derscJben und das kontemplative Le-
ben allerdings in verschiedenem Grade dem Klerus, ins-
besondere seinen höheren Stufen, von Thomas zur Pflicht
^macht wird (S. th. II, 2, qn. 186), und dafs diese For-
idening den Sinn hat, eine höhere Vollkommenheit des Klerus
[C^Düber der unvollkommenen Laienschaft nach einer an-
dern Seite hin zu begründen.
II.
Hus bat seine Lehre von der Kirche zusammen hängend
in dem Traktat „de ecclesia" dai^legt. Derselbe wird je-
doch in manchen Punkten illustriert durch die übrigen
Schriften des Mannes: durch seine Synodalpredigten, die aus
1) a. a. 0. Hajua ergo regni mtnisterium , nt a torrenis essent
spirituolia distiocta, qoh terrenia rcgibus, scd sacerdotJbus eat com-
missnm et praecipoe Bummo Sacerdoti, Bucceaaori Pelri, ClirJBti vicario,
RomanD Pontifici, cui omncs reges populi Christiani oportet esse snb-
ditos aicut ipai Domino Jesu Christo. — In uova lege Ba<^rdDtium
eat alllua, per qnod homiiics traducuntur ad bona caelesttn: undo in
lege Chriati reges debcnt sacerdoti bus esse Mibjccti.
3Ö8 OOTTSCmCK,
einer Zeit stammen^ in welcher er noch nicht mit der kirch-
lichen Autorität zerfedlen war, durch seine Streitschriften
gegen seine theologischen Gegner Stephan Paletz und Stanis-
kus von Znojma, durch seine Antwort auf die Schrift der
Prager theologischen Fakultät („scriptum odo JDoctarum'%
durch seine Verteidigung einiger Sätze Wicliüs, endlich durch
drei in Eonstanz verfaTste Traktate „de aufficieniia legis
Christi*', „de fidei suae ducidatione", „depeu^'* K Nach den
Nachweisungen Loserth's ^ reicht die Abhängigkeit des Hos
von Wiclif viel weiter, als bisher angenommen wurde. Es
könnte deshalb erforderlich scheinen, auf Wiclif zurück-
zugehen. Aber einerseits liegt Wiclif s Traktat „de eedesia*'
noch nicht im Druck vor, und anderseits ist es eben Hob
und nicht Wiclif gewesen, den die Reformatoren kennen
gelernt haben, dessen Lehre für die Entwickelung ihrer
eigenen von Bedeutung gewesen sein kann. Es wird des-
halb berechtigt sein, wenn eine Untersuchung, die im Inter-
esse der Feststellung des Verhältnisses zwischen dem Kirchen-
begriff des Hus und dem der Reformatoren unternommen
ist, sich auf Hus beschränkt und darauf verzichtet, aus den
gedruckten Schriften Wiclif s die Parallelen beizubringen.
Hus eröffnet bekanntlich seinen Traktat „de ecclesia" mit
der Definition, dafs .die allgemeine Kirche die Gesamtheit
der Prädestinierten aller Zeiten und aller Orte sei, die in
drei Teile zerfalle, die ecclesia triumphans, dormiens und mi-
litans, welche letztere wieder aus vielen Partikularkirchen
bestehe. Er fUhrt dann weiter aus, dafs zu dieser Kirche
kein Nichtprädestinierter (praesdtus) gehöre, auch nicht in
der Zeit, in welcher er sich im Stande der praesens justiiia
befinde, während jeder Prädestinierte in sie eingerechnet
werden müsse, auch so lange er noch nicht im aktuellen
Besitz der Gnade sei. Den Nichtprädestinierten kommt
nur ein esse in ecclesia zu, nicht das esse de ecclesia, sie
vergleichen sich den mancherlei Bestandteilen, die im Körper
1) Historia et monumenta Johannis Hus et Hieronymi Pragensis
(Nürnberg 1558), T. I. ü. Ich eitlere nach der zweiten Auflage von
1715.
2) Hus und Wiclif, Zur Genesis der hussitischen Lehre 1884.
HD8, LUTHER UHD ZWIMOLt. 369
sind, ohne zu ihm zu gehören, und die darum auch aus-
geschieden werden. Diese Kirche ist der mystische Leib
CliriBti, welchem Christus als das Haupt molum ac sensum,
nämlich die Gnade der Prädestination , einHiifst. Diese
Kirche ist heilig, sofern das Ziel, zu dem sie bestimmt ist,
die vollkommene Freiheit von jeglicher Sünde, von allen
ihren Gliedern einst im Vaterland erreicht werden wird.
Ihre Einheit wird gewährleistet durch die Einheit der Prä-
destination, als des Gnindes, und der Seligkeit, als des
Zieles, in der Gegenwart aber durch die Einheit des Glau-
bens, der Tugenden und der Liebe. Schon diese positiven
Auatiihrungen sind antithetisch gemeint. Hus markiert schon
hier die Konsequenzen oder deutet sie wenigstens an, welche sich
ihm aus diesem Begriff gegen die Prätension der Träger der
kirchlichen Rechtsordnung ergeben, dafs sie die Kirche seien.
Zum Oliedc der Kirche macht weder locus noch dedio hu-
mana, sondern allein die göttliche Prädestination (I, 247).
Und da es Anmafsung wäre, ohne spezielle Offenbarung
oder sine formidine d. h. andei-s als mit Ungewisser Hoff-
nung sich für prädestiniert und demgemäfs für ein Glied der
Kirche zu halten, da niemand weifs, ob er der Liebe oder
des Hasses würdig sei, so ist os unbegreiflich, mit welcher
Stirn Papst und Kardinäle sich für das Haupt oder den
Körper oder für t?iem6ra praedpua der Kirche erklären kön-
nen (I, 254).
In Hinsicht des Bestandes ihrer einzelnen Ghcder ist die
Kirche deragemäfs unbekannt, und gerade deshalb Gegen-
stand des Glaubens, dessen Objekte unsichtbar sein müssen
(I, 254). Hus registriert endlich eine Reihe von Bedeu-
tungen , in welchen das Wort ecclesia genommen wird.
Nuncupalive oder reputative als die congregatio praescitorum ;
diese Auffassung ist ein reiner Irrtum (I, 255). Hus meint
damit keineswegs, wie meist ialschiich angenommen ist, die
empirische Kirche als Ganzes, sondern die verweltlichte
Hierarchie. Ihre Träger sind es, die secundutn fatnam se-
cuÜi eapUa vel vtembra der Kirche heifsen, während sie
membra diaholi sind. Ferner wird unter Kirche verstanden
die amgregatio fidelium secundum quid vel ad t^npus, die Qe-
360 GOTTSCHICK,
samtheit der Zeitgläubigen. Auch diese ,, Kirche'' ist nick
die heilige katholische Kirche, noch ein Teil von ihr. Wakr'
wird ecclesia genommen mixtim pro praedesiinatis d ^
scUiSf dum sunt in gratia secundum praesentem justüm
Diese Kirche fällt teilweise, aber nicht ganz mit der Kir^
im wahren Sinn oder der Kirche als Glaubensartikd a-
sammen, mit der convocatio praedestinatarttm.
Diese Gedankenreihe ist es, auf Grund deren Knnb
und Seeberg zu einer Auffassung des Kirchenbegriffes da
Hus gelangt sind, welche, obwohl beide über den Wertdo-
aelben entg^engesetzt urteilen, im wesentlichen identisA
ist Kraufs ^ findet, dafs das Verhältnis der Kirche, wdck
als Glaubensartikel definiert wird, zu den religiösen Gemeb-
Schäften, welche faktisch vorhanden sind^ za unbestimmt
geblieben sei, dafs eine genauere Auseinandersetzung mit
den im wirklichen Leben vorhandenen Möglichkeiten imd
Bedingungen geordneten genossenschafUichen Zusammen-
fobens echter, gewordener, werdender und möglicherweise
noch werdender Christen durch die realen Bedürfnisse e^
ibirderi werde, dafs Hus niu" den Umfang, nicht das Wesen
deo Begrifis der Kirche ins Auge gefafst habe. Ähnlich
ttietttt Seeberg*, dafs es für Hus zwei Kirchen gebe, die
«t^iiauuie wahre Kirche der Idee und die Kirche, welche
di^ Leut«» »o nennen ', die aber beide nichts mit einander
^vttieiu haben. Während nun Kraufs bei Hus die Elemente
«u vHueiii wahrhaft reformatorischen Kirchenbegriff findet
.^ IT"^. urteilt Seeberg, jene Versammlung der Prädesti-
^y^^^i^ ^i ein blofses Idealding, das aufser Beadehung zu
,j^ K^^til^ten christlichen Glaubens und Lebens stehe, und
.^^v| ^vK die Behauptung hinzu, dafs der Prädestinations-
vnUv^Xc Ui*> Aunihilienmg der objektiv der Kirche gegebenen
^h),hIu .>M*Vici »ur Folge habe und mit einem subjektivisti-
>v^<i ^v»u dt?u Einaelnen ausgehenden Gemeinschaftsbegriff
V - 0. 5^ U 16.
^ V 0* 5v Z^K TT vgl 72.
s Vriu*a4iK"i^ iAi w wit falscher Auslegung den Gegensatz der
s,>»*,» «*»^ ^*»*^ ^i**Nt^*i^^r< oder reputative dicta vor Augen.
^K HUS, LUTHER UND ZWTNGLI. 361
Ul Zusamnieiihang stehe, sofern das Korrelat der göttlichen
Ȁacht Wirkung im Menschen der Glaube und die Tugend
seiner Menschen sei, nicht eine historisch vorhandene
^p> An der Richtigkeit dieser AuffasBungen kamt schon die
^Tbatsacbe irre machen, dafs Hna so gut wie Wiclif eine
lEeform der empirischen Kirche, also eine Verwirklichung
^der Idee der Kirche auf Erden angestrebt hat. Beide sind
^MSnner der reformatoriBchen That, nicht einer blofBcn Dok-
^ trin gewesen , die möglicher weise gegen die historischen
^ Realitäten gleichgültig sein kann. Es hätte also die Frage
^ aufgeworfen werden mUssen, wie sich ihr praktisches kirch-
. liches Ideal mit jenem Begriffe von der Kirche vermittle.
^ Dafs Hus das, was sich auf Erden als Kirche giebt, die
^erscheinende Kirche, nicht so reinhch als eine zweite Kirche
Haeben die Kirche der Idee gestellt hat, dafHr zeugen
Hiiuhon die Thatsachen, dafs er die Kirche als die Mutter
Hbezeichnet, aus der wir geboren werden ', dafs er das esse
Hde und esse in ccdesia unterscheidet, indem er die pracscili
B mit Bolchen Bestandteilen des Körpers vergleicht, welche
wie Harn, Unrat, schlechte Säfte nicht zu demselben ge-
hören, wenn sie auch zeitweilig sich im Umfang desselben
befinden", dafs er kein Bedenken trägt, die traditionelle
Deutung der Gleichnisse oder Bilder vom Unkraut unter
dem Weizen, vom Netz, von der königlichen Hochzeit, von
den zehn Jungfrauen, von der Tenne aui' die Kirche anzu-
wenden, ohne darum die Konsequenz zu ziehen, dafs die
durch Unkraut u s. w. Bezeichneten wirklicli zur Kirche
gehören '. Es ist doch unfraglich die Voraussetzung solcher
Distinktionen , dafs die empirische Kirche trotz ihrer viel-
fachen Inkongruenz mit der Idee der Kirche lur Hus' Bc-
wuTstsein mit der eccksin mililnns irgendwie identisch ist,
dafs es fiir ihn eine Betrachtungsweise giebt, nach welcher
von der empirischen BcTmischung derjenigen, welche nicht
1 mntrc »piritnuliler gencrninui
1)Z.
B
I,
241 PI c
a)a.
a.
0.
I, 247.
8)«-
a
0.
], 252f.
i MtMhr
K.-a, vui, i.
363 ^KyrrscHiGK^
wahre Kirchenglieder sind^ abstrahiert werden kann \ I^i i
Instanzen lassen sich schwerlich schon mit der fiemerkiui
erledigen^ dals neben der spekulativen ;,auch einer pnk*
tischen AufTassnng Raum gegeben werde'' (Seeberg a. a.0.
S. 71). Gleichviel, wie Hus die Kirche definiert, eine toB-
ständige Erkenntnis seiner G^samtanschauung^ von der Kirdre
kann man nur gewinnen , wenn man fragt, durch welck
Mittel nach Hus die prädestinierende Gnade an den Bs*
zelnen wirksam wird und welches die letztlich treibeodai
Gründe seiner Opposition gegen die Autoritätsansprüche der
kirchlichen Rechtsordnung sind, und wenn man die betreffen-
den Gedanken mit den oben angeführten kombiniert Audi
Lechler 'y der jene Fragen nicht aufseracht l&Ts^ bat doch
diese Kombination nicht vollzogen; und darum gewikt
auch seine Darstellung der Lehre des Hus von der Kirde
nicht die Möglichkeit; das Verhältnis derselben zu der tn-
ditionell katholischen und zu der reformatorischen richtig n
bestimmen.
Dals in dem augustinischen Gedanken, die Kirche lei
die Gesamtheit der Prädestinierten^ nicht der Schlüssel zum
Verständnis der Abweichung der Oppositionstheologie von dm
überlieferten Kirchenbegriff liegen kann^ lälst sich schon aoi
der oben erörterten Stellung des Thomas zu diesem Gedankt
abnehmen. War es doch lediglich der willkürliche Wechsel
der MafsstäbC; durch den Thomas sich der Konsequenz der
von ihm anerkannten Prädestinationslehre entzog. Und was
will er von seinen eigenen Prämissen aus erwidern, wenn
Hus willig ihm zugesteht^ dafs Christus allerdings nicht nur
nach seiner Gottheit ^ sondern auch nach seiner Menschheit
Haupt des ganzen Menschengeschlechtes sei^ sofern dasselbe
Wohlthaten von ihm empfange^ dafs man aber doch die Art,
1) Ritsohly dessen Untersuchung von den beiden genannten
Theologen vorausgesetzt wird, sagt mit Recht: „Sofern nun die Kirche
als gegenwärtig wirklich gedacht wird, ist sie an sich erscheinend^.
„Hus konstruiert gar nicht eine Kirche, welche an sich unsiehibsr
wäre." a. a. 0. S. 194.
2) Johann von Wiclif und die Vorgeschichte der Reformation
1873, Bd. II, S. 233 f.
^^K HCS, LUTHER UND ZWIKOLI. 3G3
»fc*i« er Haupt der PrädeBtinierten und aller Menschen sei,
fe VDterscfaeidea müsse: man kunne eogar die Kirche des Teu-
ft «eis als Kirche Christi bezeichnen ratione creatianis, bene-
mAeientiac et conservatioais , aber nicht ratione caritativae
Mi*mionis '. Vor allem aber liegt es in der Natur der Sache,
Eidars aus dem Prädestinatiünsgedanken für sich gar nicht
r-der Impuls zur Reform der Kirche in einer bestimmten
i RiclituDg entspringen konnte. Nur die in ihn eingeschloBse-
len Normen des Weges zu dem durch die Prädestination
letzten Ziel konnten als solcher wirken. Ja, nicht einmal
ilaCa , den hochgeschraubten Wert der kirclilichen
Beilsanstalt herab zudrUcken, fdhrt er mit sich, wenn nicht
mch die Gewifsheit der eigenen Prädestination als etwaa
Wtrachtet wird, was jedem zugänglich und nicht mehr an
nine specialis revdatio gebunden ist. Sobald diese Gewifsheit
rreicht ist, fUlit ja allerdings die Autorität äufserer Institu-
Vtionen dahin. Aber mufs man nach Hus' Anschauung über
[ seine eigene Erwählung ebenso unsicher bleiben, wie der treueste
Anhänger der Papstkirche darüber, ob er im gegenwärtigen
Besitz der Gnade sei oder nicht, unsicher ist, ja wird diese
Unsicherheit durch den Prädestinationsgedanken noch ge-
steigert, weil unter seiner Geltung die Anzeichen, die einiger-
mafsen zu der Vermutung berechtigen , dafs man sich im
Besitz der praesens justHia befinde, für die fintdis perse-
veraniin keinerlei Gewähr geben, so kann die Überzeugung,
dafs der Erfolg aller Onadenmittel der empirischen Kirche
Bchlielälich von dem unberechenbaren Machtwillen Gottes ab-
hänge, gar nicht den Antrieb zur Gleichgültigkeit gegen
dieselben gewähren, tieeberg hat das Hauptargument, wel-
ches die lutherische Polemik gegen die Reformierten vor
einigen Jahrzehnten ins Feld zu führen pflegte, wieder hervor-
geholt und auf Wiclif und Hus n priori angewandt, dafs
die Prädestinationslehre die „kirchlichen Gnadenmittel ent-
werte": „die selig werden, bedürfen ihrer nicht, den übrigen
und sie nutzlos " *. Das ist aber ein Räsonnement, welches
1) a. ft. 0. I, 255. 25Ö.
a) a. a, 0. H. 72 vgl. S. 7fi. „Soll alior jene Gotteswirkitiig der
364 OOTTSCHICRy
niemand anzustellen vermag ^ der sich auf den Standpimki
zu versetzen imstande ist^ auf dem mit religiösem GkuboB
und nicht mit fleischlichem Sinne die Prädestination Iw^
hauptet wird. Der religiöse Sinn wird sich vielmehr dnrck
den Prädestinationsglauben erst recht dazu treiben lassen,
alle die geordneten Mittel zu brauchen^ durch welche die
Prädestinationsgnade an den Menschen wirksam wird. Und
dieser Antrieb kann iiir sich allein ebenso gut ein gesteig«'-
ter Impuls zur Unterwerfimg unter die unbedingte Autoritit
der kirchlichen Anstalt sein^ so lange der Weg zu penoo-
licher Heilsgewifsheit noch nicht gefunden ist. Es bitte
also die Untersuchung erst recht auf die Vorstellung des
Hus von der empirischen Kirche und von dem Wesen und
den Bedingungen des christlichen Heiles eingehen müssen.
Hus besitzt nun keine andre Anschauung vom Heil ab
die gemeinkatholische. Das Ziel des Menschen ist die Ver-
einigung mit Gk>tt durch die visio Dei und die dadurch be-
dingte Liebe. Auf Erden wird man dazu vorbereitet durch
den Glauben und die verdienstliche Erfüllung des Gesetzes
der Liebe. Der Glaube ist durchaus als theoretisches Für-
wahr-halten eines Quantums von Lehren gemeint ; es genügt
für einen guten Teil dieses Quantums die fides implicita.
Die Hauptsache ist, gemäfs dem^ dafs der Glaube nur als
fides caritaie formata Wert hat, die Erfüllung des Ge-
setzes ^
Die Befähigung hierzu hängt aber davon ab^ dafs auf
Grund des Verdienstes Christi ^ die die Sünde austilgende
Prädestination ohne alle zeitliche Vermittelang das Heil des
Menschen herbeiführen — "
1) a. a. 0. I, 38. Christianas debet . . . fidem aliqualiter
coguoscere, vgl. 62. Quantum oporteat fidelem de nccessitate salatis
explicite credcre, uou est meum pro nunc discuterc, cum Dcas omni-
potcns suos clectos sccandum gradum fidei multiplicem ad se trahit
259: Quicunque habaerit fidem caritatc foimatam . . in conunoni
safficit cum virtute persevcrantiac ad salutcm . . Non . . exigit Deas,
at omnes filii sui siut continuc pro viationc sua in acta cogitandi
particulari de qualibct fidei particula, sed satis est, quod postposita
desidia habcant fidem in habitu formatam.
2) a. a. O. II, 8().
HUS, LUTHER UND ZWIBOLI. 365
ruft der Gnade eingegossen wird. Und Hub nennt
^nirgends eiuen andern Weg, auf wclclicm dies
^geßchielit als die Predigt und die Sakramente,
^speziell Taufe und Abendmahl oder Mefaopfer'.
i* Ea wird bei dieser Schätzung der Sakramente als der
■ Kanäle der wicdcrgebjirenden Gnade nicht auf die Prä-
•; deatination reflektiert und nicht von weitem eine „Anni-
r Lilierung" der ersteren durch die letztere auch nur ange-
deutet '. Und das ist auch gar keine Inkonsequenz. Es
liegt nicht im niiiirlcsten in der Idee der Prädestination, dafs
sie ohne zeitliche Verniittluug das Heil herbeiführe. Und
so lange die Opjiositionstheologie denselben Begriff von der
Gnade hat, wie die traditioneUe Theologie, dafs ngmlich die-
selbe in der Eingiefsung einer geheimen Kraft bestehe, von
deren Vorhandensein man nur durch specialis revdalio wiseen
kann ', ist die Sa kram cnt sieh re , so weit es sich um Sakra-
mente handelt, bei denen eine arbiträre Entscheidung des
1) a. a. 0. I. 378: posBunt miiiistntre baptiBinum vel aliud sacra-
mentuni orstloDia vcl pracdicaiioDia verbum, quibuH Deus mundat
homiueni a peccato, ]I, KT: Tcrtiam unioucm habet com Bponu
Bua Gccleata in caritate . . i|tiain uniooem solvcre conantur Judoei
et Saracem , dicciitcs Christiaiioe aon uniri cum Deo et
Cbristo per baptii^inum et alia sacramenta. 11, 83: parvuU
bAptisati viiduut ad patrintn. I, ^S4: vim iX'gcnrrativam dedit aquis
et baptismo suo facit hamjnCB Bua mcmbra. 1, 252: Pracdestinati
malitia percuAsi u sau du ccclesia in boiijtatem per baptismuin
vel per pocni tentiam revocantur. Uuter den Bedingungen der
gegenwärtigen Einheit der Kirche I, 2iG wird neben Glaube, Tagen-
den, Liebe auf Grund von Eph. 4, 15 die Taufe aufgeführt. TrotB-
dem Ititschl a. a, 0. hierdurch seine Behauptung begründet bat,
dars Hub die Kirche auf Erden als erscheinend denke, ist diene Stelle
von Kraufa und Seehcrg ignoriert. II, ö8: de quo quidcm Sacra-
meuto (Abendmahl) i])sa eccktiia militnns vivifieatur, nutritur, ab
infirroitatibua poccatorum curatur, a inortc pcrpctua reacrvatur, et
vita aetema cfficaciter sibi iuduilur.
2) Das gilt auch von Wichf. Vgl. Buddensieg, Job. Wiclif
und seine Zeit (1885), S. li>8: dcbeinus credcre, quod omuia satra-
meuta senaibilia rite administrata habent efficaciam salutareni.
3) Wiclif, TrialogUH 111, cap. 2: nemo cognoscit, si ait mora-
liter virtuoaus, niei a Dco albi fuerit spccialiter revelatuin.
1) Buddensicpf a. a. 0. S 207, Anm. 3.
2) a. a. 0. I, 264.
3) a. a. 0. I, 265. Potcstas ordiuis vocatur potcstas spiritualis,
quam habet clcricus ad ministrandum ecclesiae sacramenta, ut spiritua-
litcr prosit sibi et laicis , ut est potestas conficiendi absolveudi et alia
sacramcntalia administrandi.
366 G0TT8CHIGK,
Priesters nicht in fVage kommt, gar nicht der Ort, wo dil ^
Difierenz entspringen kann. Mag man zu der Prädestinaä»! ^
lehre stehen, wie man will, man ist, das zeigt ja dasB»! ^
spiel des Thomas, darauf angewiesen, dafs man, um ail 3:
nicht die Hoffnung auf das Heil abzuachneiden, die IGtldl *!
treulich benutzt, durch welche allein Gott die Reinigad ^
von den Sünden und die Kräfte zum sittlichen Leben ge-
währt. Mit welchem Erfolg der Benutzung^ das erfthrt d
der Regel hier wie dort niemand.
Aber nicht nur die Sakramente sind fbr Hus das goit-
geordnete Mittel zur Verwirklichung der Prädestination a
den Einzelnen, er hat sich auch von dem katholische B^
griff des Priestertums, dem Korrelatb^riff der SakramenlB-
magie und der Auflassung der Gnade als einer unpersönliche
Naturkraft, nicht losgemacht. Wenn Wiclif aUerdings aodi
erwählten Laien, wenn Christus sie unmittelbar be-
ruft und begabt, die Befähigung zu priesterlichem Tbirn
im technischen Sinne vindiziert zu haben scheint^, sobt
für Hus ein spezifischer Unterschied von Klerus und Laien
überall die Voraussetzung. Zur Vollbringung des Melsopfen
hat Christus die Apostel spezifisch begabt ^. Als ihre Nach-
folger und Vikare bilden die sacerdotes einen von Christus
unmittelbar gestifteten Stand, dem die Predigt des Evan-
geliums und die Verwaltung der Sakramente als besondere
Aufgabe und besonderes Vorrecht zukommt '. Daran ändert
nichts, dafs Hus gelegentlich hervorhebt, wie auch ein Laie
im Falle der Not die Taufe vollziehen könne; das ist all-
gemeine Lehre. Hinsichtlich des Mefsopfers sucht man ver-
gebens nach einer ähnlichen Behauptung. Und wenn nach
Hus die Schlüsselgewalt in der Person des Petrus der gan-
zen ccclesia müiians übertragen ist, so ist das nur im Gegen-
HC8, LUTBEH UND ZWINQLI. 367
mUs g^;en ein spoziäscboe Vorrecht des Pftjistos gemeint.
Er verneint ausdrück Heb, dafa jeder einzelne Christ dieeclbo
besitze, bezeichnet vielmehr die Priester oder Presbyter als
ihre Subjekte'. So erkennt er denn drei gottgeordnete
Teile der eccleaia milifans an, die Priester, die saecularcs
domni und die wlgiires ', und erklärt, dafs die priesterlicho
Gewalt die königliche an Alter, "Würde und Heilawert über-
rage».
Wenn Bomit für Hus die Verwirklicliung der Prädesti-
nationsgnade oder die aktuelle Eingliederung in die Kirche
sich durch die Sakramente vollzieht, welche ein spezifisch
ausgestatteter Priesterstand verwaltet, so teilt er durchaus
wesentliche Voraussetzungen des katholischen KircbenbegriSes.
Er ist also weit davon entfernt, die erscheinende Kirche und
die wahre Kirche als zwei Dinge, die nichts mit einander
zu thuo haben, gegen ii herz uatellen ; nach seiner Anschauung
müssen vielmehr Sakramente, Predigl und Prieateratand als
die gottgeordneten Mittel der Verwirklicliung der Kirche,
wie dieselbe Gegenstand des Glaubens ist, in sie mit ein-
gerechnet werden. Daran ändert es nichts, dal'a er, darin
zudem noch der Tradition folgend, bei der Formulierung
des Begriffs der Kirche dieae Faktoren aufseracht gelaaaen
hat. Es kommt ihm dort lediglich darauf an, zu verneinen,
dafs die klerikale Würde als solche zum persönlichen Glied
der Kirche macht. Ferner soll gegenüber dem Anspruch
1) ». s. 0. 1, 266. Cum ChriBtas dicit Petro Dabo tibi claves etc.,
in persona Fetri dixit toti cccicsiae militanti, non quod qnaclibet
persona illiue ccclesiae indifferenter habeat ilUa clave»,
sed quod Iota illa ccclcsia secundum aingulae eius partes ad hoc
habiles habeat illaa clavea. I, 387: Licet autcm xaccrdos Christi
hnbeat clavca ecclcsiae . . dicit ChristUH Petro et in persona eius
uuicumque Presbylero suo I, 'J7U: quilibet sacerdos Christi
rite ordinatUB habet potcstatoin sufficientem quaelibet sacrameuta sibi
pcrtiocntia confercndi et per consequenii verc contritum a peccato
absolveiidi, I, 353: Dictum est toti militaiiti ccclesiac et per con-
■eqnens cnilibet vero Christi Apostolo, sacerdoti »el episcopo.
2) a. a. O, I, 2B» partes quas ordinavit Dominus, vgl.
II, Öl.
3) 4. a. 0. 1, 266.
368 OOTTSCmCK, ■
des PapsteS; das Haupt der universalen Kirche m Beb,!« ix
weit über dessen Machtgebiet hinausreicbende Umyerdiil C
der Kirche hervorgehoben werden^ dafs sie nämlidi ail t
die Engel ^ die Seligen ^ die im Fegefeuer befindlichen &I g
wählten umfafst: von diesen allen aber gelten doch die B^l a
dingungen der Erbauung der Earche auf Erden nicht Sil s
wird denn nicht sowohl jene Definition der Kirche dil i
Glaubensartikel; sondern Hus' Anschauung von d^zwcd-l :
mäfsigcn Gestalt der empirischen Kirche den Schlüad n I
seiner Gesamtanschauung von der Kirche gewähren. 1
Über sein kirchliches Ideal hat sich nun Hus mit yolbker 1
Deutlichkeit ausgesprochen ^ nicht nur gelegentlich^ soDden I
mit der ausdrücklichen Absicht ^ die eigentliche Tenden I
seiner Bestrebungen klar zu legen. Dieselben sind aber ge- I
richtet auf die Verwirklichung der Herrschaft des Gesetzes I
Christi oder des evangelischen Gesetzes im ganzen Leben 1
der empirischen kirchlichen Gemeinschaft ^ Die Kirche ist 1
ihm ein geistliches Haus, das zum Fundament den Glauben I
an ChristuS; zu Wänden die Hoffnung auf das ewige Leben, I
zum Dach die Liebe hat; die ihre Vollendung zustande 1
bringt. Ihre constructio besteht in virtutum accumtdatmt 1
secundum imitationem Christi ^. Oder als corpus mysiictm '
Christi ist die Klirche die universitas fiddium, vivcntium d
spiritu et vita Jesu agentium '. In diesem Wachstum des
sittlichen Lebens vollzieht sich eben die Herrschaft des Ge-
setzes Christi in ihr. Der Gottesfriede, der in der Kirche
herrschen soll und ihr eigentümliches Gut ist, besteht gänz-
lich in der Erfüllung der Gebote *. Der Inhalt des Gesetzes
Christi ist aber, um es mit einem Wort zu sagen, das fran-
ziskanische Lebensideal. Es ist das Gesetz, das in der
Bergpredigt ausgesprochen ist und durch das Vorbild ver-
1) I, 268: nostrae partis non est intcntio scducere populum &
Vera obcdientia, sed quod populus sit unus, a lege Christi coDcorditcr
regulatus . . quod regnet sincere lex Christi.
2) II, 110: ut melioratur virtutibus, sie plus aedificatur Christo
placide et econtra.
3) II, 88.
4) II, 65.
HÜS, LUTHER UND ZWISQU. 369
anschaulicht wird, welches der gesamte StoflF des Lebens
Christi in seiner Weltentsagung und Armut, sowie in den
von ihm geübten Tugenden der Demut, Öanftmut, Leidens-
geduld u. s. w. darbietet '. DemgemäfB empfiehlt Hus auch
auf das dringlichste die Befolgung der zwölf cortsilia evan-
ffflica *. Ritscbl liat das Verdienst , auf diese spezifisch
mittelalterliche Art der Reformbestrebungen auch von Hua
zuerst aufmerksam gemacht zu haben *.
Dies Ideal der empirischen Kirche als der vom sittlichen
Gesetz Christi beherrschton Gemeinschaft steht aber in »o
genauer Korrespondenz zu dem Begriff der Kirche über-
haupt als der miiversiias })raeiieslinatortim, dafs der letztere
ohne das erstere gar nicht versländlich ist. Denn das Ziel,
dessen Verwirklichung durch die Prädestination verbürgt
ist, ist das ewige Leben , welches die Verbindung mit Gott
durch t-isio und carifas bedeutet. Das Ziel der Kirche ist
die Vollziehung ihrer Ehe als einer von jeder Sünde ge-
reinigten mit Christus, also die Vollendung nach dem Mafs-
stab des Gesetzes Christi*. Darum besteht die Einheit
der Kirche, die durch die Einheit der Prädestination als
des Grundes und der Seligkeit als des Zieles gewähr-
leistet wird, in der Gegenwart in der Einheit des
Glaubens, der Tugenden und der Liebe, d. h. der Er-
f\illung des Gesetzes Christi; denn dies ist der Weg zu
jenem Ziel oder der nächste Effekt jenes Grundes. Diese
Beziehung zwischen der Definition, dafs die Kirche die Ge-
samtheit der Prädestinierten ist, und dem Gesetze Christi
)) I, 56: Voco Ipgem Christi cvangclicam legem n CliriHki pro
tempore suae viationis et »poatolorura cxpoflitam, ad regimen mili-
tantiB ecclofliae requiflitam. I, 246: docet, quo modo pars cccieaiae
ipsum ut BpODsa zelotypa dcbet sequi. Unde totft doctrina christiana
Etat in isla oratioDC ccclesiac, qua rogamus aponsum, per adveatum
eiua iu earocm, ut doccat nox tcrrciin dcapiccre et amare coclcstia.
2) I, 200 f.
3) RechtfertiguDg und Versöhnung (2. Aufl.), Bd. I, S. 134.
4) I, 245: spoDsa Chrisli quam redemit suo sangnine, ut potfHi-
d*^ret eam Bliirtosam finalitcr, non habetitem nignm peccati etc.
. . Hcd ut ait Mncta et immacnlala.
870 OOTTSOHIGIC,
widerlegt nun die Behauptung, dafs Hub statt auf das Wen
des Begriffes der Kirche lediglich auf seinen Umfiiiig, M
auf den Zweck der Gemeinschaft nur auf die Besdn&i-
heit ihrer Glieder reflektiert habe. Durch das Gteaets Chtf
ist der Zweck und das Wesen der Kirche aosgedr&ck^ mk
dies Wesen und dieser Zweck entscheidet über ihren TJ»
fiuig und über die Beschafienheit ihrer Glieder, softm k
durch eine bestimmte Beschaffenheit der Olieder erfnrdot
und der Um&ng des Begriffes begrenzt wird , weil nur die
EU ihr gehören, in denen es zur finalen ErftÜlung gelangt
Die Faktoren, in welchen die Kirche in die Elrsdieinaiig
tritt, die Sakramente und ihre priesterliche Verwaltung, be-
ziehungsweise die Predigt des Gesetzes Christi, sind &
jenem Zweck untergeordneten Mittel
Als die Gemeinschaft, deren Zweck die Erfüllung da
Gesetzes Christi ist und die zur Erreichung desselben dnrel
die Eingielsung der Ghiade bef&higt wird, ist die Kirche der
mystische Leib Christi, dessen Haupt Christus ist, sofeni er
allen Gliedern desselben das geistliche Leben (mcium sc
sensum), nämlich die Caritas einflöfst, und dessen Glieder
durch die Caritas unter einander verbunden sind. Weit
entfernt von einem subjektivistischen, von den Einzelnen
ausgehenden Gemeinschaftsbegriff hat Hus bezüglich dee
Leibes Christi durchaus die Vorstellung, dafs der Einzelne
vom Ganzen getragen wird. Das wird besonders anschan-
lich an dem Gedanken der communio Sandorum, der ftr
Hus die Bedeutung hat, dals die Glieder der Kirche alle
Güter gemein haben und durch ihre Gebete, Verdienste und
ihre Liebe sich gegenseitig unterstützen. Geht allem Werden
der einzelnen Christen auf Eiden die Existenz der himm-
lischen Gemeinde und ihre wirksame Bitte voran — ein deut-
licher Beweis, dafs der einzelne Teil der Kirche sich nach
Hus vom Ganzen derselben getragen ftihlt — , so rechnet doch
Hus gerade auch die sichtbaren Mittel der Gemeinschaft
unter den auf Erden Pilgernden, die Sakramente, mit zu
den Gütern, an denen die Gemeinschaft der Christen sich
vollzieht Der Gedanke, dals die Kirche die Mutter isl^
welche die Einzelnen erzeugt, selbstverständlich als Oi^^
0
i
HD8, LUTHER UND ZWDIGU. 371
Gottes, ist für Hus nichts weniger als eine überkommene,
für ihn selbst aber bedeutungslose Phrase •.
Hätte Hub einen aubjektivistischen Gerne iaschaftsbegriff,
der Tom Einzelnen sasgebt, so wäre derselbe sicher nicht
die Folge der Prädestinationslehre. Denn die Gleichartig-
keit der Einzelnen, die sich um dieser Gleichartigkeit willen
zur Gemetnechaft zusammenschliefsen sollten — das würde
doch der subjektivistische Gemeinschaftshegriff bedeuten — ,
milTste eine erfahrbare sein. Aber Hub sieht die praesens
justitia gar nicht als das an, was über die Gliedschafl an
der Kirche entscheidet. Die Definition aber, dafs die Kirche
die Gemeinschaft lediglich der Prädestinierten ist, bat ihm
gerade die Bedeutung, dafs dadurch die Einheit, Geschlossen-
heit und Ganzheit, die allen Wechsel zeitlichen Geschehens,
alle Zufälligkeit menschhchen Thuns überragende Unwandel-
barkeit der Kirche, die die sumtna crealura, der Weltzweck
GoltcB ist ', gewährleistet wird. Als Braut Christi mufs die
Kirche in der Totalität ihrer Glieder Gegenstand einer
durchaus unwandelbaren und stetigen Liebe ihres Bräutigams
sein. Die letztere kann zu keiner Zeit ein anderes Objekt
haben, als sie nach dem Tage des Gerichts hat. Gottes
Erkennen und Wollen ist unwandelbar und hängt von nichts
aufser ihm ab. Daher ist jeder praescitus für Christus zu
allen Zeiten Gegenstand des Hasses, und er liebt jeden Prär
1) I, 64: TertiuH articulus tbematiB est credere laactonim oom-
munioneni, sie videlicet, quod ilLa sancta eccIesU secundum duu
HUOB partes scilicet triumphnntem et militaDtcoi habent comnumioiiein
juvaminis et amoria. Unde dicitur Sanctorum commuoio, quia omncs
sancti praedegtinati ad vjtum acteinam conimuiiicaiit in uco corpore,
in ano spiritu, in udo domiuo, ia udo patre deo, !□ baptiamo, ups,
in aacramentis et Iq vinculo et juvamine caritatis .... Haec
ganctorum communio, qaae omniboa membria corporis Chriati mTstici,
dum annt in gratia, congruit, ita qnod quilibet juatns praedestinatna
poteat in epirilu humili cum pBalmiata dicere: particepa ego sum
omnium timentium te, cuatodientium mnodata tua. Ex quibuB sequi-
tur, quod bealj iu patria Juvant elcctoa ia militante eculcua gaudeot-
que de eorum pocnitentia et vita merltoria. Beati eiiam viaiites
juvant auia oratioaibiiB etc.
2) a. B. 0. I, 241.
872 OOTTSCmCK,
destiniertcn; auch wenn er zeitweilig noch criminosu» i^l ^
mehr als einen praescittis, der in der gratia tempareUis 8td[t| D^
Die Kirche ist daher schlechterdings unica, in Hinsicht ikra
Glieder vor und nach dem Tage des Gerichts identiscL | i
Wenn hier die Eonsequenzen, die aus Hus' Definitkn
von der Earche willkürlich gezogen sind, zurUckgewiesa
wurden, so soll damit selbstverständlich nicht behauptet wer-
den, dafs jene Definition keinerlei Übelstände für die An-
schauung von der Kirche mit sich führe. Im Gegenteil Sie
hat die Inkongruenz zur Folge, dals der Umfang, den dk
Kirche auf EIrden hat, wenn der für die Gegenwart ent-
scheidende Mafsstab angelegt wird, dafs sie das sittliche
Gottesreich ist, welches durch die Mittel der Verkündigong
des Gesetzes Christi und der Verwaltung der Sakramente t
erbaut wird, und der Umfang, den sie hat, wenn auf di«
Begründung in der auf die Einzelnen bezogenen Prädesti-
nation zurückgegangen wird, sich nicht decken, nicht nur,
sofern im Gebiet der Wirksamkeit jener Mittel die im Stande
der praesens justitia befindlichen praesciti als nicht zur Kirche
gehörig gelten, die praedestinati criminosi in sie eingerechnet
werden, sondern auch, sofern es aufserhalb des Gebiets der
Wirksamkeit der Mittel zur Erbauung der Kirche bereits
Mitglieder der Kirche giebt. Aber man darf diesen Mangel
nicht dahin übertreiben, dafs man so redet, als klafften fiir
Hus die Kirche der Idee und die empirische Kirche wie
zwei verschiedene Kirchen auseinander. Die Verbindung
des Prädestinationsgedankens mit dem der Kirche hat fiir
Hus dennoch nicht die Entwertung der empirischen Kirche,
sondern das Bestreben zur Folge, dieselbe in Gemäfsheit des
Gesetzes Christi zu gestalten.
Das Ideal aber der Herrschaft des Gesetzes Christi in
der ccclesia militanSj welche die letztere zu einem Teil der
universalis ccclesia macht, spezifiziert sich für Hus, indem er
den drei Ständen der Kirche, den vulgares , den sectäares
domini und den sacerdotes ihren besonderen Anteil an jener
Aufgabe zuweist.
Die ersteren haben bei erlaubter Arbeit die Gebote
Gottes zu halten, die zweiten haben die Zwangsgewalt oder
nns, LUTHER und zwingli. 373
dae Schwert, das ihnen von Gott verliehen, dem Zweck der
DurchBcfzung des Gesetzes Christi in den Dienst zu Btellen und
darum sowohl die Diener Christi zu schirmen als die Diener
des Antichrista zu vertreiben, die dritten aber, die Stell-
vertreter Christi, aollen in gesteigerter Nachfolge Christi, die
in einem der Welt abgewandten Leben sich kundgiebt, der
Kirche als Seele das Leben einflöfsen '. Und zwar ist es
diese Beschaffenheit des Klerus, von der recht eigentlich die
Verwirklichung des Ideals der wahren Kirche abhängt. Und
so haben denn die Synodalpredigten, die Hus in der Zeit
gehalten hat, in der er noch das Vertrauen des Erabischofa
besafs, die Tendenz, dem Klerus das Gewissen dafür zu
schärfen, dafs es seine Aufgabe sei, Christo confortniter per
hnmäüalem castUitlem ef virlvosnm paupcrtatem testimonium
perhibere verHali und so in Fortsetzung des officium CkrisH
gegen die Kirche des Anticlirists zu kämpfen *.
An diesen Bestrebungen und an der Anschauung vom
Wc^en der Kirche, die ihm zugrunde Hegt, ist durchaus
nichts, was als eine Abweichung von der genuinkatholischen
Auflassung bezeichnet werden könnte. Insbesondere ist es
der h. Bernhard, auf dessen Autorität Hus sich überall be-
1) a. a. 0. I, 288: (nostrae partis est intentio], quod clems
vivat «ccundum Evangelium Cbristi, pompa avaritia et luiuria poater-
gatis. Qnarto optat et pracdicat nostra pars, quod militatis Ecclcaia
aiacere sccundam partes qua» ordinavit Dominuii sit commixta, acilicet
ex Saccrdotibus Christi pure legem suam servautibua, ex muiidi
nobilibuH ad obserrnntiam ordinationi» Chrisli compdleutibus et ex
Tulgaribas niriqne istorum partiam BecaDdum legem Cliristi mini-
stnmtibus. Vgl. li, 41: Tntegratar aancta mater Eccleaia ex tribus
partibuK, cjuaram prima generatio et iufima est vulgua, vivens de
laburi lidto ac iaia pars est secura, si ficrvct Del mandata et labori
sit fidelitcr intcnta. Secuoda pars sunt secularex Domiui . . .
Officium autem eins est legem Dei defendcrc, Chriati scrvoi protegere
et ministroa AntichrJati propellcrc. llacc oat cnim cansa, car portent
gladium, ut nit Apostolus ad Rom. ]3 et secundum Angustinum rei
est vicarius deitatis. Tertia pars eccle.iiHe et optima est clerua,
dum efficaciter praeeft officio quod inciimbit. Debet eiiim miindum
reltnqnere, eccleniam vivilicare ut Spiritus, ef. ntidiqnftquc proxime
nequi Cbristum,
2) a. a. 0. 11, 38. 36.
374 OOTTSCHICK,
rufen kann. Aber wir sind bisher auch nooh keinem Ge-
danken begegnet, der nicht bei Thomas seine Parallele
fände. Durchaus im traditionellen Geleise bewegt eich Hus
femer, wenn er als Gegenstück des augustiniachen Ge-
dankens, dals die Kirche das sittliche Oottcsreich, das Reich
der übernatürlichen Gerechtigkeit ist, den andern Qedankea
Augustin's bewahrt und gebraucht, dafs ihr das Reich des
Teufels, die Kirche den Antichriata oder die ecclesta ma-
liijnantium gegenübersteht als das Reich, dessen Wesen durch
Hochmut, Ehrgeiz, Weltliebe, Fleischeslust u. s. w. charakte-
risiert ist '.
Der wirkliche Gegensatz, in den Hub sich nun weiteriiin
gegen die immer mehr sich zuspitzende und in immer wd-
teren Kreisen sich durchsetzende spezifisch katholische An-
sicht von der Kirche stellt, besteht in seiner Bestreitung
des Gedankens, dafs es in irgendwelchem Mafse berechtigt
sei, die Träger der kirchlichen Rechtsinstitution lediglich
um dieser ihrer rcehtlichen Qualität willen in die Kirche,
das Wort im eigentlichen Sinne genommen, einzurechnen
oder gar mit derselben gleichzusetzen, und dafs deshalb der
Christ verpflichtet sei, prUfungslos ihrer Autorität sich au
unterwerfen. Diese Ansprüche sind Hus in den Kämpfen,
welche teils infolge der lokalen Verhältnisse Böhmens, ins-
besondere der Versuche, den Wiclititismus zu unterdrücken,
teils infolge von Mafaregcln wie die Verhiingung dos Interdikts,
die Aufforderung zum Kreuzzugc gegen LaJislaus und der
dieselbe begleiteude Erlafa von AblafsbuUen, sich entspannen,
in vollster Schärfe entgegengetreten. Nicht nur hat er die
These zu bestreiten: quicumqu« clericus clmractere vel signo
sensibili per pradafum reptitatione ecclesiac insignitus, esl pars
sanclae matria ecclesiac, et solum mulUtudo lalium clericorum
esl ecclesta xux ' itvtofOfiaaluy dtcta quam debemus specialiter
Aofiorare', sondern auch die andere, dafs der Papst als
1} a. ft. O. II, 85: Qnicnnque est ChrUto vcl legi auac contrarius,
est AntichristusI, 235f. die Übersclirift des Kap. VI des Traktafa von
der Kirche : »icut eicctorum caput est Christus, ita synagogac malorum
Caput est diaboliifl. Ibjd, omncs Praesciti confttituunt unum corpus.
2) a. a. 0. I, 254.
E
HUS, LUTHER UND ZWINGLl. 375
«uhfolger Petri und die Kardinale als die des KollegiuniB
übrigen Apostel das Haupt resp. der Körper der rö-
^^cxiBchen Kirche und insofern der allgemeinen Kirche seien
*^*-*id deshall) die Gewalt haben, in jeder kirchlichen Ange-
^^Ägeolieit zu entscheiden und die Leitung aller Kirchen oder
^*Ämtlicher Gläubigen auszuüben ', dafs die Entscheidungen
^ier Träger der kirchlichen Rechtsanstalt sich jeder Kritik
^intziehen und unmittelbar göttliche Dignität haben '.
Ks ist oben ausgeführt, wie die traditionelle Formel, dafs
HMie Kirche der mystische Leib Christi, die unhersitas prae-
tstinatorum oder fidelium sei, wegen der aus der katho-
ichen Auffassung vom Keil folgenden Unsicherheit über
Ben eigenen Hcilsstand keinen Impuls zur Beschränkung der
Autorität der kirchlichen RcchtsanBtalt in sich sclilofs. Dieser
mpuls mufate anderswoher kommen; und dann allerdings
irar ea möglich jenem Begriff \\'affen gegen die Ideutifizie-
Krung der Rechtsanstalt mit der Kirche zu entnehmen. Aber
} auch in diesem Falle war es in der Hauptsache gleichgültig,
ob man den Leib Christi nur aus den justi oder aus den
praedestinati bestehen liefs. Der Antiieb zur Bekämpfung
jener Ansprüche war nun nur dann gegeben, wenn das fak-
tiHche Verfahren der Träger der kirchlichen Recbtsanstalt mit
einem inhaltlich bestimmten und in seinem Sinne unzweifel-
haften Mafsstab in solchen Konflikt kam, dafs die Nichtig-
keit der Ansprüche auf eine arbiträre, lediglich auf formelle
Hechtsgründc gestützte Autorität in die Augen sprang. Ein
solcher Mafsatab ist aber für Hus das Gesetz Christi, das
unverrückbare sittliche J^ebensgesetz der Kirche. Dafs das-
selbe die Norm für alles kirchliche Handeln zu sein hat,
war ja auch Thomas' Meinung und konnte natürlich von
niemand in Abrede gestellt werden. Aber während Thomas
und die kurialistische Richtung in der souveränen rechtlichen
1) a. a. 0. I, 273.
2) a. a. 0. I, 270. Emimgunt ex illo Matth. 16: Quodcuaque
ligaveriB etc. quod quicqaid ipsi feceriul, quilibet homo dcbet tolaliter
■pprobare et ex illo Christi dicto Hatth. 23, '2 — B emuiigunt, quod
debet eis quilibet aobditus in omDibaa obedire.
374 GcmscmcK,
Y6DmMkt der jEsf Cfeistai mrick^erälirlen kirdiBdien b-'
Hitnticn da« gqrgtiffiräg»- Miad Kikcn, dnrcb weUio Chnsbi'
die Kxrcfe xaeb Kmem UilieD leoke« mid prafongslott
CmeiwqfiUjg unter dieae&e fcrden}. weil nur durch flra
Ectichfid der Iidalt der Fordenmgen des Gesetzes Ckanä
m xfrcafelloser Klarfaeh gdange, wihrend juidi die epiab-
psEsdidien Gegner des KnnaHsmiis wenigsiens im Komi
eine scJclie Autantit finden, sielit for Hos die Sache iqd-
gekdirt: nur so weh als die kirchlicbe Institution und ib
Handeln die Prüfung an dem Gesetze Qiristi, weldies dk
oheniBy jedem zngingHche Tnstanx ist, besteht, hat sie An-
tpruch auf FcJgsamkeit der Christen. Die Rechtsordnong
der ^Kirche wird auf ihre sittfichen Bedingungen snräck-
gefuhrt und ihres nnmittelhar göttUchen Charakters ent-
klddet Und das Urteil über den faktischen Wert der Te^
wdtUchten und mit dem Cresetz Christi im Widerquridi
befindlichen Hierarchie lautet dahin, dals sie aus Dieben
und Räubern besteht und die Kirche nicht Christi, sondern
des Antichrists ist
Die Prüfung der empirischen Kirche am evangelischen
Gesetz entscheidet allein darüber, ob sie Kirche Christi ist
oder nicht In der Auslegung der für die Anschauung von
der empirischen Kirche ma&gebenden Stelle Matth. 16,
16 — 19 erklärt Hus unter Berufung auf Augustin Christus,
den Petrus bekannt hat, als den Fels oder das Fundament,
auf das die Elirche gebaut ist und immer neu gebaut wer-
den mufs, wenn ihr die Verheifsung gelten soll, dafs die
Pforten der Hölle sie nicht überwinden sollen: und zwar
wird sie darauf gebaut durch Vermittlung des Glaubens^
der sich an das Wort Christi hält, welches einerseits Glau-
ben, d. h. theoretisches Für -wahr -halten der Summe der
geoffenbarten Wahrheit, anderseits Gehorsam gegen das Ge-
setz der Liebe fordert ^
1) a. a. 0. I, 2G0. Fundamentum, a quo primo et in quo primo
fundatur sancta ecclesia catholica est Christus Jesus, et fandamentum,
quo fundatur, est fides, quae per dilectioucm operatur . . .
Fundat autem ChristUB et aedificat suam ecclesiam, super se petram,
r
IIU9, LUTHER UND ZWINGU. 377
Indem Hus gegen die AutorifÄt der kirchlichen Rechts-
"^anstalt auf eine höhere sich beruft, verwertet er, wie Wiciif,
-das ,, Schriftprinzip". Die lex Christi ist beiden identisch
mit der Schrift Alten und Neuen Testaments ^ Sie ist der
» Richter, dem allein Hus sich unterwerfen will, sei es
nun der Papat oder jeder beliebige Mensch, der nach dieser
• einzig unfehlbaren Instanz richtet*. Die Behauptung, dafa
^ die Schrift eine spezifische Dignität besitze, ist ja keine
t Neuerung; Hus beruft sich für sie auf Augtistin *; er hätte
• auch Duns als Zeugen anfahren können *. Die Neuerung
besteht darin, dafa er keine empirische Instanz anerkennt,
die das Recht hätte, über den Sinn der Sclirift endgültigen
Entscheid zu geben, sondern vielmehr diesen Sinn als einen
durch sich selbst verständlichen und jedem zugänglichen
ansieht, wenn er auch das gröfste Gewicht darauf legt, dufs
seine Auslegung derselben mit der der Kirchenväter über-
einstimmt *, Dennoch ist das „protestantische Schrittprinzip"
von ihm noch nicht erreicht; denn dies besteht im ur-
sprUn glichen Sinn der Reformation keineswegs in der
Proklamierung der formellen Autorität der Schrift an Stelle
der formellen Autorität der kirchlichen Rechtsanstalt, son-
dern diese Entgegensetzung beruht auf der Überzeugung,
dum disponit eam, ut audiat et faciat sermonea snos;
tone CDim portae iufemi non praevaleat adversus cam . . et super fuii-
damentum lioc aedificavenuit Äpuatoli ecclcalam Christi. Nam non ad
se, sed ad Cliriatum vocaboDt populum. 2i)l: ecce iate apustolus, qui
fuit'vas eleclJouis, dicit, sc non andere aüquid loqui, uisi quae
Clirislus per eum ioqneretnr, quia aliaa non super Cliriato fundamento
efficacissimo fnndaret vel aedificarot, si quidquam diceret praeciperet
vel faceret, qnod non liaberet in Jesu Christo fondamentum.
1) a, a. 0. 1, 5ä. JeauB Chriatus unam legem instituit, quae est
vetus et Dovum Tcatamentum, ad eeclesJain catholicaoi rcgulaudam.
2) a. a. 0. 1, 327. De tanto liotno in via fidci vel virtutis debet
se judici subjicere , de quanto sie aecundum Scripturam inerrabilem
judicat. Vgl. I, 282sq.
3) a. a. 0. I, 275.
4) Vgl. Kitschi, Geschichte dea FietismuH I, 37.
5) a. a. O. 1, 2B3: non intendimua cum dei anxilio aliter scriptu-
mn eiponere quam Spiritus sanctus Hagttat et quam snncti doctorea
espOQunt, qujhua dedit Spiritus Sanctus luteUectum.
Zeltiakr. f. K.-O. VIII. S. 35
Udbte WaUbcit
E« kt jft aaeh gans «nafiffidk,
Aotoritit, aaf deren InUt
d^A Impak m kireUidieB
kithtang geben «Jhe 'HmT „Sdnftpnap' iit dbcr vm
d«fn rsfrjrmaioriachen darin vnlendbiedeB. dnb Ar fie Be-
IriraMtoten der nuJigebende Gcdankenbcii« der den leileB-
dim Oi^iuüt der Schrift bildet od den äe dncfc fie Ab-
t//ritft dendben gegen die Airtnriiifniyinche der Urck-
lidMA Becfatianstak aofrecbterlmlien, das ^TmagJmm "wm
Afsr freien, Ton Verdiensien '™^^^"e'p—* Te^gebenden Gnade
Or/ttes in Cbrislo ist, for Hos aber „das r iini^iliaibi Ge-
setz^ in dem bereits besprochenen Sinne.
Ztir Widerlegung der Ansprüche anf nnliwlii^Se recht-
liebe Antoritlt, wdche die kirchliche Anstalt ohebt, nM
diese Instanz ftr Hns wirksam, indem er die nm&ke Au-
toritit des EJems einerseits vcm der ^^tT'r'^'—mc seiner
Mafsregeln, anderseits seiner Lebensffihrnng mit dem
Gesetze Christi abh&ngig macht und diese Waisüllii dasa
benutzt, um die Kirche Christi und die Kirche des Anlidiristi
empirisch zu unterscheiden. „An ihren Früchten aolk ihr
sie erkennen'', das ist die von Christus seHist gegebene
Norm ^
\>Ui Apostel haben kein anderes Amt gehabt, ak in sitt-
Ijrrker Na/:hfolge Christi die Kirche zu Idiren. die Menschen
zu fAijfcn, das Mefsopfer zu bringen und die ihnen über-
irtm^i^Ui Oowalt zum Fortschritt der Kirche ansrauben'.
Wc^tzu ntuu«*T praeeminentia in den zum Regiment der Kirche
^*'^uy^it*',Um Tugenden der fides^ humüitas und cardos hat
ilhnniun Atm Petrus zum capitaneus und pastcr po&t se ein-
f((mid'Ai *. I)/;m^/;märH ist der Titel der sedes ajpo§lcUem nur
/la in AriKpnjch zu nehmen, wo in Lehre und Lebenstührang
ti$m VorinUl tU'.r Apost^;! befolgt wird. Kur dann, wenn der
V, «.«Ol, */n.
Bus, ldtHeh dnd zwdjöli. 379
Papst und die Kardinäle, wenn die Priester überhaupt in
jenen Tugenden der Apostel wandeln und jene Pflichten
ihres Amtes nach der Instanz des Gesetzes Christi ausüben,
kann der Papat als Statthalter Petri, die Kardinäle oder
die Priester überhaupt als Nachfolger der Apoatel gelten '.
Die Erfüllung dessen, was der h. Bernhard seinem Schüler
£ugenius als sittliche Pflicht eingeschärft hatte, ist für Hus zur
einzigen Legitimation der amtUchen Autorität oder der recht-
lichen Stellung geworden. Die Kehrseite jener Thesen oder
Zugeständnisse an die bestehende kirchliche Gewalt ist der
unzähligemal wiederholte Satz, dafa wenn jene Konformität
des amtlichen Verfahrens und der persönlichen Lebensführung
mit Gesetz und Vorbild Christi oder mit dem Vorgang de»
Petrus und der anderen Apostel nicht statthat, die Zuge-
hörigkeit der Betreffenden zum Reich des Antichrists aufser
Zweifel steht *. Und zwar ist es nicht blofa die faktische
sittliche Korruption und Verweltlichuug des Klerus bis zu
1) a. a. O. 1, 264. Si iam dictis Tirtutnm viis incedit vocatue
Fetri vicEuiua, credimuB quod sit venia eius vicariua et praecipuuB
Poalifei ecciesiae quam regit. . . . Nemo vere et Christo acceptabi-
liter gerit vicem Chriati vel Petri , nisi aequatnr eum in moribua.
Cum unlla alia eet sequela pertinens, nee aliter nisi anb illa condi-
cione recipit a Deo procuratoriam poteatatem, Et ideo ad tale offi-
cium Vicarii requiritur et morum coDfortnitas et iustitneDtia auctori-
tas, et huic Salvator commendniis in coena noviasima iaatitutioDem
Sacramenti vcocTabilis et discipuloB consütueuB Vicarios ad hoc, ut
sie facerent io auam commcmoratioDem, diiit Joh. 13: Exemplum dedt
TobiH , ut qaetnadmodum egci feci vobis et vob similiter faclatis. Et
Matth. 5 qui fccerit et docuerit, hie magnua vocabitur in regno cae-
loram. 291: Verus Äpostolicus est sacerdoB, qui doctiiuam ApoBto-
lorum Bequitur, vitam viveuB ApOBtoli et doctriiiam docena. Undo
quilibet Papa, de quanto doctrioam ApOBtöIorum doeet et opere eie-
quitur, de tant« dicitur ApoBtolicua , . . Apoatolica . . sedes . . dici
poteBt Tita Baceidotia cuatodientiB efieetualiter vitam Apostoli. 202:
Cathedra Äpostolica est aactoritas doceadi et jadicandi secandam
legem Chriaü quam docuenmt Apostoli, in qua debent rcaidere viri
sapieuteB et timcntea Dominum , in quibuB est veritas et qui odinnt
avaritiam,
2) a. a. 0. I, 2G4. Bi vero vadit viia contrariia, tunc eat Anti-
chri»ti nimtiüB, contrariaa Petro et Domino Jeaü Christo.
380 OOTTSCHlClt,
seinen höchsten Spitzen hinauf, sondern schon der Ansprudi
desselben auf eine souveräne Gewalt, das Bestreben, odi
selbst zum Gegenstande des Glaubens und einer gottgleidie&
Verehrung zu machen, die Behauptung, eine Herrscherstdlmig
in der Kirche zu besitzen, vermöge deren der Papst Haupt
der Kirche heifsen kann, und eine Vollmacht zu habec,
vermöge deren ihr Handeln für Gott mafsgebend und dei-
halb von den subditi bedingungslos als Handeln Gottes as-
zuerkennen ist, schon diese spezifisch katholische Schätzui^
der Träger der rechtlichen Organisation der Kirche ist es,
was für Hus als Kennzeichen des antichristlichen Charakten
derselben gilt ^. Ist es doch teuflische Anmafsang, d^-
gleichei^ zu beanspruchen, wo den einzelnen lediglich die
Elrfiillung der sittlichen Bedingungen zu der unsicheren Hoff-
nung berechtigen kann, dafs er ein Glied oder Teil der Kirdie
ist, und ist doch solch Streben nach fMJorUas dem aDem
weltlichen Wesen entgegengesetzten Reiche Christi dnrduuis
zuwider.
Aus der Beschränkung der Autorität der Träger i&
kirchlichen Rechtsordnung dm'ch die Bedingung der Überein-
stimmung mit den unwandelbaren und erkennbaren Normen
der Kirche zieht Hus rücksichtslos die Konsequenz, dafs der
Gehorsam zu versagen ist, wo diese Übereinstimmung nicht
statt hat. Jeder ist Gott gegenüber verpflichtet, allen Anfor-
derungen Widerstand zu leisten, die darauf abzielen, ihn an
der Erfüllung des Gesetzes Christi oder an der Nachahmung
seines Beispiels direkt oder indirekt zu hindern. Solch
Widerstand ist kein Widerstand gegen die von Christus
1) a. a. 0. I, 249. Apostoli confcssi sunt concorditer se esse
servos huius capitis et humiles ministros ecclesiae sponsae suae, num-
quam autem pi-aesumsit aliquis apostolorum quod fuit caput ?el
sponsus dictae ecclesiae quia hoc foret adulterari cum regina coeli et
praesumere nomen dignitatis et officii. I, 282: Clerus Antichristi vel
totaliter vel praeponderanter innititur legibus humanis et legibus
Antichristi et tarnen palliatur esse clerus Christi atque ecclesiae.
Das läfst sich deutlich daran abnehmen, quod clerus Antichristi instat
attentius pro traditionibus humanis et pro privilegiis, quae fastum yel
lucrum seculi sapiunt, defendendis vultque gloriose voluptnose et
Christo dispariter vivere.
I
HUS, LÜTBEU UND ZWINGLI. 381
• eingesetzte Gewalt, auiidem nur gegen iluen Mifsbriiut^ih und
»darum Gehorsam gegen CbriatuB '. Insbesondere gehört es
^ hierherj wenn der Papst dui'ch sein Gebot die zum Heil
M bestimmteE Seelen de» \^'o^teH Guttes beraubt *. Rebeilion
■ gegeu den iiTendeu Papst ist Gehorsam gegen Cbi-istus ^,
s Durch die Exiiümmunikation darf' man sich an dieser
Pflicht uicht irre machen lasseu; denn der Mitgliedschaft
an der Kirche, sofera es sich dabei um Anteil an der Gnade,
- an den Öakrameuten und den Gebeten der Kirche handelt,
kann niemand anders beraubt werden, als dadurch, dafs er
. das Gesetz Christi durch eine Todsünde übertritt und sich
somit selbst ihi'er beraubt*. Insbesondere darf man sich
nicht durch die Drohung der Exkommunikation daran hin-
dern lassen, das Wort Gottes zu predigen oder zu hören,
wenn man sich nicht durch aolcben Ungehorsam gegen das
Gebot Christi selbst exkommunizieren will '. Der Amts-
auftrag, den die Priester und Diakonen als solche haben,
das Wort zu predigen, grcitt über die ausdrUckUche Autori-
eation des Papstes oder Bischofs hinaus '. Ja jeder Laie,
der nach sorgfältiger Selbstprüluug zu dem Bewufatsein ge-
langt, dafs er in keiner Übertretung des Dekalogs begriffen
ist, hat die Befähigung, alles, was sich auf sein Heil bezieht,
und demgemäfs auch die Anordnungen der kirchÜchen Oberen
aelbstäaidig zu prüfen '.
1) a. a. 0. I, 271. Veracea Christicoke . . debent cuilibet pot«-
Btati pnetODsae resistere, qune uititur eoa ab imitit^ouc Christi vi
vel sabdoie remoTere. Nod euin sie resifit^ndo potestati Uli Dei
onliDatioui resistitur, aed abusui poMstatta.
2) a. B. 0. I, 295 vgl, 2B4.
3) a. a. 0. I, 2fl4.
4) a. a. 0. 1, 311.
5) a. a. 0. I, 13fi. Verteidigung der TlieBe Wklifa; Dli qui
dunittuut praediuare sive vcrbuia Dci audirc propter cxcgminunicationeiii
bomitiiun, aunt cicommuuicati et !□ die judicii tradltores Cbriati babo-
buDtar, vgl. 140.
6) a. a. 0. 143. These Witlifs: licet aÜcui Diucono vel Pres-
bjtero praedicarc verbum dei absquc aactoritate sedia apostolicae üve
episcopi catbolicL
7) a. a. 0. I, 290. Et patet quo judicio polest aubdituB auuin
382 QOTTSCHICK^
So wenig aber bedeutet Hub' Behauptung, dab dieWl i
stehende kirchliche Rechtsordnung in ihrer jeweiligen B&l 1
schaffenheit nicht die Kirche Christi ist, eine Gleichgültig-
keit gegen die Aufgabe, dieselbe so lunzugestalten^ dabn
ihrer Idee entspricht; dafs er die weltliche Gewalt aufruft,
durch Entziehung der Temporalien den Klerus zur Nadt-
folge Christi zurückzuführen und so zur Erfüllung mos
eigentlichen Aufgaben geeignet zu machen. Unter Von»
Setzung des augustinischeu; auch von Thomas reproduziertea
Staatsgedankens ; dafs die weltliche Obrigkeit ihre Zwangt-
gewalt fiir die Durchfuhrung des Gesetzes Christi einzusetn
hat; ist es allerdings eine einfache Konsequenz aus der Ein-
setzung dieses Gesetzes Christi in die Stelle einer Autorittt,
die durch sich selbst gültig und verständlich ist, wenn aad
die Reform des Klerus zur gottverliehenen Kompetenz und
zum Pflichtenkreise der Staatsgewalt gerechnet wird. Die
Fürsten handeln dann gerade nach dem Vorbild Christi,
wenn sie seine inimici domestici unterdrücken ^
Dafs Hus die Anerkennung der Träger der kirchlichen
Rechtsgewalt an jene Bedingungen knüpft, hat aber nicht
den SinU; als sei er damit einverstanden; dafs die gegen-
wärtige Gestalt der Rechtsordnung bestehen bleibe. Er ist
vielmehr der Meinung; dafs sie der Absicht Christi w^de^
spreche.
Ist auch der Papst der Nachfolger Petri, so folgt doch
daraus noch lange nicht; dafs alle Gewalt in der Kirche
nur durch seine Vermittlung zu Recht bestehe. Auch die
anderen Apostel sind immittelbare Statthalter Christi ge-
wesen; von Christo direkt eingesetzt und in der Ausübung
ihres Amtes dem Petrus gegenüber durchaus selbständig.
Ihre Statthalter aber sind alle Bischöfe Christum sequentes in
superiorem licite jadicare, laicus etiam episcopom . . . Habito enim
de se vero judicio, quod non sit in praevaricatione decalogi, non eironea
conscicntia, potest tunc omnia ad salatem sibi pertincntia judicare,
juxta illud: spiritualis omnia judicat. Sic enim vivens . . . propter
examinationem spiritualem est homo spiritualis, quia yiYens spiritna-
liter in Christo Jesu, sive fuerit presbyter sive laicus. I, 299.
1) a. a. 0. I, 169. 170; U, 73.
H HUB, LDTBEB UND ZWINGLI. 3Ö3
HMorifrua'. Die Kömisclie Kirche ist eine P«rlikularkirclic,
^1 lediglich ein Teil der allgemeinen Etrche, wie die zu Ale-
H xandrieii uud KoaBtantinopel, oder wie die zu Babylon oder
B Antiocijia oder Eorintli, von denen das Neue Teetament er-
~ zählt. Allerdings ist sie, gesteht Hus zu, die prim^ipalissinm
eccliisia mäilans; aber dafs jeder Christ zu ihr seine Zuflucht
nehme, ist keineswegs de necessilale satutis. Der Terminus der
römiBchen Kirche hat keine Begründung in der Schrift, und
darum Bind es lediglich wahrecheiuliciie Vernunftgründe, die
ihren Vorrang begründen, wie die Menge der Märtyrer, die sie
zählt, der politische Vorrang der Stadt u. a. w. Ohnehin darf
die römische Kirche nicht mit dem Papst und den Kardi-
nälen, abgesehen von ihrer persönlicheu Bescliaffenheit, iden-
tifiziert werden ; proprie ist sie die congregatia Christi fidelium
existentium sub obedientia Bomani episcopi, wobei die Würdig-
keit des letzteren vorauBgcsetzt ist '. Ist die Kirche eine
Gemeinschaft, die über den ganzen Erdkreis zerstreut ist,
die in allen Ländern und Zungen existiert, so kann ihre
Qualität als Kirche nicht an den Primat des Biachofs einer
Partikularkirche gebunden sein ; wo zwei oder drei ver-
sammelt sind im Namen Christi, gleichviel in welchem ent-
legenen Winkel der Erde, wohin die Hen-schaft des Papstes
nicht reicht, da ist Christus nach seiner VerheJfsung bei
ihnen, und sie bilden einen integrierenden Teil der eccleaia
militans*. Es ist ein Ausspruch des Hieronymus, der fUr
1) a. a. 0. r, 281. 326. 347. 270. Stultum foret credere quod
Apoitoli nulluni dotiiim Spiriluale a Christo recepenint, nisi c^uod
Tnerit a Petro ad ipsos impliciter dcrivatum.
2) a. a. 0. I, 258.
3) a. a. O. I, 325. Gegen Stefan Paletz, der Hua vorgeworfen,
er stelle angesichts des gleichzeitigen Vorhandenseias von drei Päpstea
die gottlose Behauptung nuf, dajs die Kirche dreigeteilt Bei, fuhrt
Hub aus: Eccc quid Fictor abliorret: Non coguoscit ist« Fictor, quod
universalis Ecclesia Christi fidelium mililans per lotum orbem, ubi
sunt Christi fideles, cnt diffusa, (juac uon solum tripartita, imo multi-
pliciter ultra dividitnr in partes ipssm uniTcraalein Ecciesiam inte-
grantes. Numquid non bähet aua membra et suos filios iu Uispania
Bub Benedicto, et m Apulia et in Bheno sub Oregorio, et in Bohemia
384 OOTT8CHICK,
diese Ausführungen den Grundton angiebt (ad Euagriui
presbyterum Dist 93).
Der Primat des Papstes beruht auf Verleihung da
Kaisers Konstantin^ während bis dahin der römische Bischof
ein consocius der andern Bischöfe gewesen ^. Ja nach dem
Zeugnis des Hieronymus hat es in der ältesten Kirche nur
Presbyter und Diakonen gegeben, indem die Titel Bischof
und Presbyter dasselbe bedeuteten (ibid.). Und auf Onud
hiervon erklärt Hus es für den wünschenswertesten Zustsod,
wenn alle Priester unmittelbar durch den einigen Pontifa
Jesus Christus reguliert würden und alle weitere rechtliche
Ordpung oder hierarchische Gliedenmg wegfiele. Ist doch
Christus ; wie er es durch dreihimdert Jahre einer gedeih-
lichen kirchlichen Entwickelung bewiesen hat, imstande, mit
seinem Gesetz die Kirche in allen Dingen zu leiten, indem
fromme Priester den Dienst dieses Gesetzes am Volk aus-
8ub Johanne XXIII? Absit quod sit extincta Christi fides in aim-
plicibus Christi fidelibus et in baptisatis parvulis sit extincta baptis-
malis [so ist offenbar statt Papalis zu lesen] gratia propter tres bestias
pro dignitate et fastu et avaritia contendentes. Redeat ad cor Fictor
et cantct in canticu ecclcsiae : te per orbem terrarum sancta confitetar
ecclesia. Et orct in cantico missae : tibi offerimos munera pro ecclesn
tua sancta catholica, quam pacificare, custodire, adjuvare et regere
digncris toto orbe terrarum (vgl. auch I, 244 das Citat aus Augustin:
peregrinatur a solis ortu usque ad occasum laudans unum doininum].
Haec cantans et orans et evangelium Christi ponderans cum Saneto-
rum Augustini Hieronymi et aliorum Sanctorum sententiis non mi-
retur, quod ecclesia militans sit tripartita. Dicit enim Salvator
Matth. 18: Ubi sunt duo vel tres congregati in nomine meo, ibi soin
in medio eorum. Si ergo duo vel tres vel plures in India Graecia
Hispania vel in quacunque mundi alia provincia sunt congregati b
nomine Christi, quomodo Fictor poterit prohibere, quod Christas non
sit in medio eorum et per consequens quod non sint fidelissimi Clui-
stiani et sie pars integrans Christi ecclesiam militantem. Vgl. I, 2^
wo von der ecclesia universalis, quae non est pars ad aliam unte^
schieden wird die particularis , quae est pars ad aliam, juxta illad
dictam Salvatoris Matth. 18: Ubi sunt duo etc. Ex quo patet quod
duo justi congregati in nomine Christi, sint cum Christo capite parti-
cularis sancta ecclesia, similiter quatuor et sie ulterius usque ad na-
merum omnium praedestinatorum exclusive.
1) a. a. 0. I, 219.
HUS; LUTHER UND ZWINQU. 385
üb^ii; juzta sententiam des Augustiii; HieronymuS; Gregor,
Ambrosius ^ Die pax und unitcis der Kirche, die von der
päpstlichen und hierarchischen Richtung als Deduktions-
mittel für die Notwendigkeit des staatartigen Ausbaus der
kirchlichen Ordnung verwendet werden, sind für Hus so
ausschliefslich geistlicher, religiös-sittlicher Art, dafs er der
vollsten Überzeugung lebt, dafs das Gesetz Christi, wenn
es die Organe seiner Wirksamkeit an Priestern findet, die
Christo sittlich konform sind, ganz und gar zum bene vivere
der Kirche genügt *. Wenn die Gegner behaupten, die Ge-
samtheit der Gläubigen bedürfe eines certum imd securum
refugium visibilet damit nicht unendlich viele Irrtümer und
Zwistigkeiten in ihr entstünden und damit insbesondere der
E^crus vollkommen auf dem Wege des Heils zur Seligkeit
gefuhrt werde, und wenn sie dann aus der Thatsache des
Bedürfnisses deduzieren, dafs Christus wirklich ein solches
refugium eingesetzt hat, den Papst, so erwidert Hus nicht
nur, dafs der Papst dann gegen Irrtum und Abfall ge-
schützt sein müfste, was er, wie die Erfahrung lehrt, that-
sächlich nicht ist, sondern er erklärt, dafs Christus selbst
einzig und allein dies certum et securum indefkiens, sed om"
nino sufficiens refugium regendi et iUuminandi ipsam eccle-
siam sei. Das Haupt der Kirche hat nach seiner Barm-
herzigkeit seinen Gliedern nicht die drückende Last aufgelegt,
dafs sie tausend Meilen und mehr zu jenem erdichteten re-
fugium laufen müfsten. Er hat vielmehr die Apostel mit
der Gabe des heiligen Geistes ausgerüstet, quo quilibet in
patria, quam docuit , potuit iUuminare informare pascere et
dirigere in viam salutis aeternae eos quos Christus dominus
elegitf ut perpetuo essent sanctL Für zweifelhafte Fälle aber
hat er die Verheifsung hinzugefugt „was ihr den Vater bitten
werdet in meinem Namen, das wird er eucli geben", innuens
1) a. a. 0. I, 281. 279.
2) a. a. 0. I, 66. Credibile est quod catcrva clericorum vivcns
juxta evangelium Christi, ducens subditos in via domini, pacificaret
subjectos et per consequens popolum tarn Deo quam sibi ipsi. Sed
deficiente clero seculares pariter deficiunt.
886 gottschice:,
per hoc quod orare deberent Ikitrem, iä eos in dubiis dirigwL
Demgemäfs haben die Apostel einen Ersatz für den Judii
nicht selbst gewählt; sondern Christus hat auf ihr Gdet
bin selbst den Matthias bezeichnet ^
Diesem Vorbild entsprechend , gehen auch jetzt die Jb-
miles sacerdotes, die Christus zum Hohenpriester haben, in
Zeiten ; wo es nötig ist, ihn um Hilfe an. An den Papt
wenden sich ja auch die Griechen und Juden nicht, dk
man keineswegs sämtlich fiir der Verdammnis verÜBdlen er
achten darf ^.
Es war die Notwendigkeit, die Bürgschaften der Ver-
mittlung des Heiles sicher zu stellen, mit der die immer
meh)r sich steigernde Exemtion der Träger der kirchlichen
Rechtsordnimg von einschränkenden Bedingungen ihres
göttlichen Rechts, die Identifizienmg der kirchlichen Rechte-
ordnung mit der Kirche begründet wurde. Hatte Hus nun
in der Tendenz, den nicht weltlichen, sondern geistlicheD,
religiös- sittlichen Charakter der kirchlichen Gemeinschaft
wieder zur Geltung zu bringen, die Anerkennung des jut
dimnum der Träger der kirchlichen Rechtsordnung uidit
nur an die Bedingung der Übereinstimmung ihres Ver-
fahrens mit den unverrückbaren Normen der kirchlichen
Thätigkeit, sondern auch an die persönliche oder mo-
ralische Konformität mit Vorbild und Gesetz Christi ge-
knüpft, und die Zugehörigkeit zur Kirche sogar an die un-
erkennbare Prädestination gebunden, so lag natürlich der
Einwurf nahe, dafs dadurch die Mutter Kirche, welche jeder
Christ kennen müsse, unerkennbar gemacht werde und alle
Hoffnung des Heils verloren gehe ^. Es ist das im Grunde
dieselbe Kritik, wie die, welche Kj-aufs und Seeberg voll-
ziehen. Hus' Auseinandersetzung mit diesem Einwurf dient
dazu, die Erkenntnis seiner Gesamtanschauung von der
Kirche zu vervollständigen.
Dafs die Kirche hinsichtlich des Bestandes ihrer einzel-
nen Mitglieder uns gegenwärtig unbekannt sei, ist ihm ein
1) a. a. 0. I, 347. 348.
2) a. a. 0. I, 356 vgl. 391.
3) I, 254. 282.
HrS, LDTHEH UWD ZWIHGLI. 387
wichtiger Gedaokc. Das ist identisch damit, dafs sie Glaubens-
artikel ist. Gerade dadurch wird der Glaube inbezug auf
sie zu einer verdienstlichen Leistung '. Und femer hat die
Erkenntnis ihres Wesens, die die Unsicherheit über ihre ein-
zelnen Mitglieder mit sieh luhrt, den Wert, dals man durch
sie gegen die Verfuhrung durch den falschen römischen
Kirchenbegriff geschützt wird. In diesem Sinne beginnt
Hus seinen Traktat über die Kirche damit, dafs er die Not-
wendigkeit für jeden viator hervorhebt, die Kirche durch
den Glauben zu erkennen, um sie (ipsam) lieben und ehren
EU können. Aber er leugnet nun weiter, dafs irgendwelche
Verwirrung in der ecclesia mUitans die Folge davon sei, dafs
wir die einzelnen Glieder des Leibes Christi nicht mit Sicher-
heit erkennen können *.
Es ist die Beschatfenhoit des die Gläubigen leitenden
Klerus, die über die Beschaffenheit der empirischen Gemein-
schalt, ob sie Kirche Christi oder Kirche des Antichrist«
ist, entscheidet Und hier wiederum ist es die Konformität
der amtlichen Tliätigkeit und der Lebensweise des Klerus
mit Vorbild und Gesetz Christi, die darüber entscheidet, ob
er Klerus Cliristi oder des AntichHsls ist '. Gewifs kann
das Urteil inbezug auf den Einzelnen irre gehen, der trotz
der äufgcrcn Konformität ein Heuchler, trotz der praesens
jusiitia ein praescitus sein kann. Aber dennoch begründet
1) I, 254. Non marmuret fidelis, sed coogaudrat veritati quod
■Micta mater ecdeaia ait atbi tantum incogoita hie io via, quia super
isto itat meritum fidei chriatiaiiac.
2) I, 254. NuUa confusio est in eccleaia militante ex hoc quod
BJoe revelatione non cognoscimus membra mjBttci corporis Cliriati
S) I, 282. PoBsunt autem istae paitea topicae per hoc disccrai
potiEsime, quod clerug Auticbristi iostat aCtentius pro tradttioni-
bus bumanis et pro privilegiis, quae fastam vel lacium saeculi sapiunt,
defemlendis vultque gloriose »oluptuose et Christo dispariter vivcre
poslergana peultus imitatioaem in moribus Jesu Christi. Sed cicrus
Christi laborat asaidue pro legibus Christi et ein» privilegiis, quibiu
bonum apirituale «cquiritur ostendendum fugitque fastura et volup-
tatem saeculi, quaerit oonfonniler Chrialo vivpre attendena diligen-
tissime seqnelam Domini Jeau Christi. Nee fas est fideli dis-
credere qaia iita pars sit Tora et prior erronea.
1
888 GOTTSCHICK,
die Erftillung jeüer Bedingungen die Verpflichtung, ilm liil 1^^
einen wahren Hirten zu betrachten und die gegen dral ^^^
solchen geltenden Pflichten zu erfüllen ^ Ni<^t die fii-
setzung durch eine höhere kirchliche Instanz , sondern j« 1 ^^
sittlichen Kriterien sind der Beweis, dafs derselbe von Gol I vi^
gesandt und ein wahrer Jünger Christi ist '. EKe Inkongroea I ^^^
Kwischen den beiden Anschauungen yon der Kirche, dafcl ^
sie die Gesamtheit der Prädestinierten, und daCs sie ds | ^
sittliche Gottesreich ist, tritt auch hier zutage, indem auf &
Möglichkeit, dafs unter denjenigen, welche ihrem faktiada
Verhalten nach zum clerus Antichristi gehören, auch Fil-
destinierte sein können, gar nicht reflektiert wird. Die
Prä4estination macht ja freilich zu Erben des ewigen I/-
bens, aber deo acceptos offkiales temporales macht schon und
erst die gratia praesentis justitiae, gemäfs dem, dafs die pro^»
das principium minisirandi in clericis ist, wie sie das prit^
cipium operandi in laicis ist '. Ist aber für Hos die mSg^
licherweise heuchlerische Qualität eines solchen, der anscbä-
nend zum Klerus Christi gehört, ohne Gefahr, so erklärt
sich dies leicht daraus, dals derselbe ja trotzdem das leistet,
wozu er als Priester da ist, nämlich durch Lehre und Vor-
bild nach dem Gesetze Christi die Untergebenen auf dem
Wege zur Seligkeit zu leiten und somit der Erbauung der
Kirche zu dienen, während dieser Zweck da durchkreuzt
wird, wo Lehre und Beispiel und Versäumnis der pastoralen
Pflicht dem Zweck des kirchlichen Amtes zuwiderlaufe^
Und erst recht treibt Hus hinsichtlich der Sakramente seine
Forderung persönlicher Qualifikation als Bedingung der Be-
fähigung zum kirchlichen Amt nicht so weit, dafs er von
1) Ibid. Et quamvis plane sine revelatione non potest homo
viator verum sanctum pastorem cognoscere, tarnen ex operibiiB legi
Christi conformibus debet supponere quod talis est.
2) J, 345. 288. Quilibet sacerdos qui propriam gloriam non
quacrit, sed honorem Dei, profectum ecclesiae et salutem poputi, qni-
que facit volnntatem Dei et detegit Antichristi versutias praedicans
legem Christi, ille habet signa, quae ostendunt, quod ipsum deas
misit.
3) I, 248.
HIJS, LIITHER UND ZWIKÖI.I. 389
derselben die Wirksamkeit des Sakramenfa abhängig
machte '.
E» ist lediglich das Sakrament der Bufse, bezieliungs-
weise die mit demselben zusammenhängende Schlüsaelgewalf,
in Hinsicht deseen Hua zu einer von der vulgären abweiclien-
den Anschauung gelangt Aber auch hier kann man nur
sagen, dafs er die in thesi nie ganz geleugnete Bedingtheit
dieser Gewalt in den Vordergrund i'ückt '. Er kann sich
auf den Lombarden berufen, wenn er gegen die Behauptung,
dafs der Papst volle Vergebung der Sünden erteilen könne,
oder dafs das Binden und Lösen, das Sündevergeben und
-behalten des Priesters ohne weiteres auch fiir Gutt gültig
sei, erklärt, dafs die Vergebung durch den Priester allezeit
nur eine ministeriale ist, während das eigentliche Subjekt
derselben in Gott oder Christum zu linden ist, dafs dem-
gemäfa die priestcrhchen Akte nur insoweit Gültigkeit be-
sitzen, als sie dem himmlischen Thun Gottes und Christi
konform sind, dafs, weil die Bedingung der Sündenvergebung
aufseiten des Menschen die contrilio ist, das Binden und
Lösen seitens eines irdischen vicari»s dei allezeit irre gehen
und wirkungslos sein kann, sofern derselbe sich über den
Herzenszustand des Pönitenten täuschen oder auch infolge
von Habsucht oder persönlicher Gehässigkeit ein ungerechtes
Urteil fällen kann. Diese Betonung der religiösen oder sitt-
lichen Bedingungen der Wirksamkeit des Bufssakraments
ist nichts, was über die Linie des Katholicismus hinausginge.
Und wenn Hus von den drei Teilen des Bufssakramenta
1) 1, 166. Bei der Verteidiguug des Satzes von Wiclif: uullue
est domiDUa civilis, nullus eat praclaliiB, nullua est episcopus, dum
est in peccato mortati erklart Uua unter Berufung auf Auguatiu : (deus)
per iudigtiuui et immundum mitjistrum ^rficit valde diguum et raun-
dum opus, ulputa baptiBmum, absolutlouen , conaFcrationcm et verfai
dei pracdicationem. Weiter wird mit Auguntin die Wirksamkeit der
KODsekraliou eines PriesterB daraus abgeleitet, tlafs dos Sakrament
non in merito consecrantiB, ned in vcrbo perfiuitur crcatoris et virtute
spiritiu sancti.
2) I, STO. Licet liuiusmodi potestas quoad executionem in mullii
rationabiliter Bit ligata. _
S90 GOTTSCmCKy
nur die innerliche poenitentia ftir heilanotwendig erklärt il 0»
kmnn er rieh dafür auf Richard a St Victore berufen K 1 1^
Es ist also nicht richtig, dafs Hus die Kirche, dasWot
im wahren Sinne genommen, in keiner Weise als erd^l l
aend gedacht und ihren Gliedern nur eine Gemeinschaft ■
plalonischer Liebe'' zugeschrieben hätte. Die empirisck
Kirchengemeinschaft ist ihm Kirche, weil und soweit sie
die Mittd handhabt, durch welche die Prädestination an da
EunefaMD wirksam wird, die Sakramente und insbesondere du
Q«9elB Christi. Bei aller Schärfe des Gegensatzes gegen &
ak Kirche des Teufels bezeichnete Hierarchie ist ihm &
empirische Kirche als Ganzes dennoch ein Teil des üb^ ale
Zet^ and Räume rieh erstreckenden Leibes ChristL Wem
sie auch gegenwärtig viele Glieder hat, die mit dem TeoM
bttUen, so ist doch gemäls der Distinktion von esse de und
«SAT IM ecdesia und gemäfs dem Bilde von den schlechieft
SfttV» von ihnen zu abstrahieren '. Ihrem hinunlischen ZiA
wSÜmri sie rieh aber um so mehr, je reichlicher und reiner
jiMie Bedingungen christlichen Lebens in ihr vorhanden rind,
und daau ist das unumgängliche Mittel die Entweltfa'chung
d««» Klerus, ein sehr förderliches wenigstens die Aufhebung
d<Nr h(^heren Stufen der Hierarchie.
Es ist mehrfach darauf hingewiesen, wie bei allem Gegen-
•ata hinrichtlich der Autorität des Klerus und des Papstes
doch awischen Hus und Thomas die weitreichendste 6e-
mwtachaft hinrichtlich des theologischen Materials besteht
FUr b«ftde ist der Leib Christi, sofern er als der schlief-
)icW Käekt der Erlösung in Betracht gezogen wird, die
^1^^ XM und Personen von Ewigkeit her feststehende Ge-
^lytiilh^Ht der Prädestinierten. Thomas erkennt so gut wie
th^i stW Einheit der Kirche in der Einheit des heiligen
^^ U >(^ K»l autem ipsa oniversaliB ecclesia virgo, sponaa
V^^U4M4 ^U(^ iii^aam» tota pulchra . . et sancta et Immaculata
s?^ >iV v:«w«u^MUha «^cttiidum se totam in patria. Haec tarnen
i^Mhi^^^Mk^ v^tm ^Ml^taiil^ diabolo et cum multis eius membris eri-
HUB, LUTHER UNO ZWINOLL 891
s Oeiatee oder der Tugenden der Glaube, Liebe und Hoff-
tiuiig. Beiden ist der Glaube das blofse Für- wahr -halten
einer durch formelle Autorität verbüi^en Summe von
Lehren; beiden fällt das Schwergewicht auf die Liebe, durch
die das Gesetz Christi erfüllt wird. Die Kirche ist ihnen
das sittliche Gottesreich, das alle Lebensverhältnisse der
Christenheit umspannt, und zur Durcbfiihrung von dessen
Gesetz auch die weltlichen Herren ihre Zwangagewalt ein-
zusetzen haben. Beiden ist der wichtigste Stand in der
Kirche ein priesterlicher Klerus, der die Herrschaft des
Gesetzes Christi in der Kirche zu befördern hat, indem er
durch die Spenduiig der Sakramente geheime Gna<lenkräfte
mitteilt und durch Unterweisung im Gesetz sowie durch
persÖD liehe Konformität mit dem armen Leben Jesu dia
sittliche Lebensbewegung der Laien leitet. Gerade die sitt-
liche Zweckbestimmung der Kirche, die beiden gemeinsam
ist, ist es, und zwar in ihrer asketischen Gestalt, die für
Hu3 der Hebel wird, die Autorität des Klerus und insbe-
sondere die seiner höheren Stufen, zu beschränken oder auf-
Eoheben , ein Schritt , zu dem seine Anschauungen vom
Glauben und von der Gnade keinerlei Antrieb gewährten,
da von persönlicher Glaubens- und Heilagewifsheit bei ihm
so wenig wie bei Thomas die Rede ist.
Fragen wir nun nach dem Fortachritt, den Hub' An-
schauung von der Kirche über die katholische hinaus be-
deutet, so dürfte derselbe nicht durch die Formel auszu-
drücken sein, dafs er die Kirche als Glaubensartikel auf-
gefafst hat Glaubensartikel ist ja die mit der Hierarchie
oder dem Papst identifizierte Kirche für die Kü mischen
nicht minder. Sie beanspruchen t\ir dieselbe sogar das
credere in, während Hus nur ein credere ecdesiam zugesteht.
Es käme also vielmehr darauf an, wie er die Kirche, sofern
sie Gegenstand des Glaubens ist, aufgefafst hat. Es vrtrde
nun allerdings einen völligen Bruch mit der katholischen
Ansicht bedeuten, wenn seine Erklärung, dafs die in Hin-
aicht des Bestandes ihrer Glieder unbekannte Gesamtheit
der Prädestinierten, im Sinne einer lediglich in der Idee
bestehenden Gemeinschatt, G^enstand des seiner Art nach
1) I, 321 gegen St. Paletz: Cognoscat ergo fictor jancturam
corporis ecclesiae et Christi capitis non esse corpora-
lem, sed spiritualem gratiam praedestinationis, demam gratiam
praesentis justitiae, per quam ipse Christus in ipsa ecclesia et in
membris eins habitat, ipsam cum membris eius dirigens ad vitam
gloriae obünendam. Vgl. I, 246, wo der geistliche Charakter der
Einheit der Kirche durch das folgende Citat aus Augustin bewiesen
wird: non in aliquem unum locum corporalem (sc. congregavit) , sed
congregavit in unum spiritum et unum corpus, cuius caput est
Christus, et illam unitatem tangit apostolus dicens Eph. 4: SoUiciti
servare unitatem spiritus in vinculo pacis, unum corpus, unu» Spiri-
tus, unus dominus, una fides, unum baptisma, unus deus et pater
omnium, quia sine ista unione, ut praemittitur, non est
aalus.
]
392 GOTTfiCHICK,
auf Nicht-Erscheinendes gerichteten Glaubens sei, das (kat
seiner Anschauung ausdrückte. Aber dieser Brach würde ko- 1 ^^
nen Fortschritt bedeuten^ weil dann die reale und historbek | ^'
Gemeinschaft; die der thatsächliche Erfolg des Lebenswab
Christi ist, zu der Kirche als Glaubensg^enstand ankr
Beziehung stehen würde. Das ist eben nicht die Anädit
von Hus. Ist es der Kern der katholischen Anschammg
dafs die bestehende kirchliche Rechtsordnung, wie sie n
der hierarchischen Gliederung des Klerus gemäTs der Ab-
stufung von Papst, Bischöfen, Priestern u. s. w. besidit,
von den ihr Unterworfenen bedingungs- und prüfungslos ak
göttliche Autoriät anzuerkennen ist, weil sie als das unum-
gäi^gliche und genügende Mittel zur Erbauung der Sjicbe
im Sinn der Heilsgemeinde gilt, so wird der durch Hus et-
zielte Fortschritt darin zu erblicken sein, dafs er diese
Schätzung der kirchlichen Rechtsordnung zerstört hat, in-
dem er den spezifischen Unterschied der Kirche von einem
weltlichen Staat imd den lediglich sekundären und bedingto
Wert hervorgehoben hat, der der Rechtsordnung in einer
Gemeinschaft zukommt, deren Wesen geistlicher^ religiös-
sittlicher Art ist und deren Einheit auf der Gemeinschaft
an geistlichen Heilsgütem beruht *. Und Hus hat diesen
Umschwung des Urteils vollzogen, ohne die geschichtlichen
Mittel der Verwirklichung der übergeschichtlichen Bestim-
mung zimi Heil an den Einzelnen und ihrer irdischen Ver-
HÜS, LUTHER UND ZWINOLI. 393
I bindung unt43r einander, Predigt von Cbriato und Sakra-
meote, aufser Wirksamkeit zu setzen. Vielmehr hat gerade die
konstitutive Bedeutung, welche das Gesetz Christi für die
Kirche hat, ihm als Hebel zur Erschütterung des Anspruchs
der kirchlichen Rechtsordnung auf arbiträre Autorität ge-
dient, indem er diese nach ihrem Inhalt unzweifelhaft fest-
stehende und nach ihrem Wert durch sich gültige GrÖfae
als die unverbrüchliche Norm autgewiesen hat, der alles
Handeln der Träger der kirchlichen Rechtsordnung konform
sein mufs, wenn es der Erbauung der Kirche dienen will,
und an der es die Prüfung seitens der Untergebenea be-
stehen mufs, wenn es Autorität beanspruchen will. Der
Wert der kirchlichen Rechtsordnung, der also au und für
sich ein bedingter ist, erfährt dann eine weitere Einschrän-
kung dadurch, dafs die Notwendigkeit, die ganze Kirche
auf Erden einer einheitlichen und irgendwie zenti-alisierten
Rechtsordnung zu unterwerfen, in Abrede gestellt wird. Viel-
mehr ist die Einheit der Kirche eine geistliche, die eines
solches politischen Mittels nicht bedarf und über dasselbe
übergreift, ja die durch den unvermeidlich weltlichen Cha-
rakter desselben sogar gefährdet wird. Wohl bedürfen die
Mittel der geistlichen Einheit, Gesetz Christi und Sakra-
mente, besonderer Organe, der Priester, die Nachfolger der
Apostel ujid Inhaber eines direkten Amtnauftrages Christi
sind; aber dieselben sind nicht Häupter oder Herrscher der
Kirche, sondern — sofern sie die hierzu erforderlichen Be-
dingungen erfüllen — Teile oder Glieder und weiterbin in
ihrer besonderen Thätigkeit Diener derselben. Eine Zu-
sammenfassung derselben zu einem stufenweis gegliederten
empirischen Organismus ist zum bene vivere der Kirche nicht
nur nicht erforderlich, sondern für dasselbe schädlich. So-
mit ist nicht nur die göttliche Autorität des Papsttums und
irgendwelcher empirischen Repräsentation der Gcsaintkirche,
BOndem auch ihr relatives Recht in Abrede gestellt. Die
berechtigten Subjekte klrclJichen Handelns sind die von
selbständigen Priestern und Diakonen geleiteten Fartikular-
kirchen, über deren Abgrenzung Hus allerdings nicht weiter
reflektiert hat. In der spezifischen Schätzung des Priester-
ZdtKlu. f. E.-0. viu, s. 26 j
894 Q0TT8GHIGK : HÜB^ LUTfiEB UKÜ tSWtJSfQLL
Standes ist unverkennbar ein unüberwandener Rest der
tholischen Anschauung voriianden. Derselbe ist aber noi
notwendige Folge davon, da(s Hus' Anschauung vom W
des Heils und seiner Aneignung an den Eanselnen die
tholische geblieben ist Nicht schon die Erkenntnis von
unverrückbaren Gültigkeit des ;, evangelischen'' Lebensid
sondern erst das erneute Verständnis des iBvangeliums
der sicheren Gnade in Christus konnte zur völligen Ü
Windung des katholischen Kirchenbegriflbs ftihren.
[Fortaetsung und Schlafs im nächsten Hefte.]
Das Württembergiscb« Konkordat von 1857.
Art I«.
Besetzung des biBchöflichen Stuhls und Domlupitels.
Diese soll nach dem Wortlaut der beiden Breven vom
22. März 1828 vorgenommen werden. Dort heilst ea, dafe zum
Bischof nur ein solcher gewählt werden soll, von welchem
d&e Domkapitel weifs, dafs er dem Könige nicht „minus
gratus" sei. Das Gleiche gilt von den Domtcapitularen.
Damit war das Fundationsinstrument vom 14. Mai 182S
aufgehoben. Es kann also nach dem Konkordat jeder Ausländer
gewählt werden, wenn man nur weifs, dafs er dem König
nicht unangenehm ist Nun könnte ja die Regierung die Be-
stimmungen des Fundationslnstruments und der ebenfalls durch
die Konvention aufgehobenen Verordnungen vom 4. Mai 183S
und 'dO. Januar 1830 dadurch aufrecht erhalten, dafs sie jeden
Kandidaten, welcher nicht die dort verlangten Eigenschaften
besitzt, als minus gratus bezeichnet, allein, wenn dies, warum
dann diese Verordnungen aufbeben? Würde die Kurie von
der Regierung nicht das Gleiche gefordert haben, wie bei
1) Vgl, oben S. I88ff,
2) Zur leicblereo Uaterscheidang für den Leser beieiclmen mr
die Artikel der Konrentioa von 1B5T mit römliclien, die des GesetiM
TOD 1862 mit deutachen ZiSem.
396 BUNZ,
Art. IV; SL, Bischöfliche Instruktion, und dann der gleiche
Konflikt ausbrechen ; auf den bei genanntem Artikel wird
hingewiesen werden? Ja Kardinal Reisach erklärte während
der Unterhandlungen ausdrücklich; das Recht, alle Personen
bis auf einC; beziehungsweise auf zwei zu streichen und so-
mit die Vorlage einer neuen Liste zu veranlassen, werde die
Kurie der Regierung nie zugestehen. Also blieb die
Beurteilung; ob die Person minus grata sei, zuletzt bei Rom.
Wollte die Regierung es sich nicht gefallen lassen, so war
der Konflikt da.
Dagegen verlangt das Gesetz ausdrücklich (Art 4;
Abs. 2), dafs es bei den Bestimmimgen des Fundations*
Instruments bleibe.
Art n.
Bischöflicher Eid.
Der Eid; wie ihn der Bischof dem Könige zu schwören
hat; enthielt vor der Konvention noch den Gehorsam gegen
die Staatsgesetze, in der Eidesformel der Konvention ist
dies weggelassen und nur obedientia et fidelitas Regiae
Majestati et successoribus Suis gesetzt. Dagegen ist einge-
schaltet sicut decet Episcopum. Wie dieser Beisatz aus-
gelegt werden kann, ist einleuchtend. Wer nur an Rom.
13, 1 u. dgl. denkt; wird unbefangen übersetzen: Wie es
jedem Christen zukommt; so vor allem einem Bischof, der
Obrigkeit treu und gehorsam zu sein, wer aber das ka-
nonische Recht und die Geschichte kennt, der weifs; dals
der Satz eine Einschränkung enthält und bei jedem etwaigen
Ungehorsam der Bischof sich darauf berufen kann: sicut
decet Episcopum.
Wie von 1862 an der Eid lautet, konnte der Verfasser
nicht erfahren; aber da die Konvention ja förmlich auf-
gehoben wurde ; so mufste mit ihr auch der Eid fallen und
da Art. 4 des Gesetzes bei der Bischofswahl ausdrücklich
das Fundationsinstrument als Nortn aufstellt; so ist es ja
nicht anders möglich, als dafs auch der dort vorgeschriebene
Eid; wie er vor der Konvention bestand; jetzt giltig ist,
ebenso wie in Baden.
DAS WÜHTTEMBEBGI8CBE KOKKORDAT.
Art. m
handelt von der Dotation des Bistums.
Art. IV.
Pro limine Dioecesis Gpiscopo ea jura omnia i
liberum erit, quae in vim pastoralis Ejus roinisterü eive ex
declaratione sive ex dispoBitione sacrorum Canonum juxta
praesentem i?t a Snncta sede adprobatam EccleBiae dis-
ciplinam Ipsi competuot ac praesertim:
Damit ist die Herrschaft des kanonischen Rechts im
Prinzip volktändig testgestellt. Was ist die DiÖcese Kottcn-
burg? Integrum Regnum Württembei^ense antwortet die
Bulle Provida solersque. Dafs dies ernst gemeint ist, be-
weist ja das kanonische Recht, Tridentinum und (Jatechia-
muB Roraanus, und so viele Aussprüche der Päpste und
Kirchenrechtslehrer, jüngst noch so klar und unzweideutig
der Brief Pius IX. an Kaiser Wilhelm vom 7- August 1873,
in welchem der Papst unbedingt behauptet; „Jeder, wel-
cher die Taufe empfangen hat, gehört in irgend-
einer Beziehung oder auf irgendeine Weise, welche hier
näher darzulegen nicht der Ort ist, gehört, sage ich, dem
Papste an." Nirgends ist im Konkordat gesagt, dafs eich
die Rechte des Bischofs nur auf die gläubigen Katholiken,
nicht auch auf die Ketzer beziehen. Das ist stillschweigende
Voraussetzung, wird der Verteidiger desselben entgegnen.
Wenn dies der Fall wäre, warum es dann nicht klar und
deutlich in der Konvention aussprechen? Wird die Kurie
je eine solche reservatio mentalis anerkennen? Ja ist eine
solche nur möglich gegenüber einem klar ausgesprochenen
gegenteiligen Grundsatz? Allein davon abgesehen, genügt,
dafa der Bischof im kathoÜscLen Teil der DiÖcese diese
Rechte vorderhand ausübt. Andern sich die Verhältnisse,
so kann er sieh auf die Konvention stützen, wenn er auch
an die Ketzer seine Rechte geltend macht oder vor der
Hand dann einmal an das Eigentum, welches Ketzer wider-
rechthch im Besitz haben, z. B. Kirchen, welche schon vor
der Reformation standen, oder auch an solche, welche von
erbaut wurden, da ja diese kün Recht haben,
398 BUVZy
eigene Kirchen zu besitzen. Hie Verfassang spricht in § 78
▼on ,, inneren Angelegenheiten '^ der Eorche und von Rechta
des Bischofs ^^in dieser Hinsicht '^ Die Konvention weili
▼on inneren Angelegenheiten nichts, ebenso wenig als die
Koria Die Auslegung der Konvention li^ bei der Kurie,
denn diese allein kann doch nur entscheiden, was die gegoi-
wärtig geltende Disziplin der Kirche ist und nicht irgend-
eine Regierung. Die oberrheinischen Regierungen publi-
zierten den gleichen Anspruch in der Bulle Ad Dominici
gregis custodiam gar nicht Der Beisatz in der bischöf-
lichen Instruktion, dafs der Bischof niemals solche Canones
erneuern werde, welche wegen Verschiedenheit der zeitlichen
und örtlichen Verhältnisse nach der gegenwärtig geltenden
und vom apostolischen Stuhl gutgeheifsenen Disziplin der
Kirche aufser Übung gekommen sind, besagt nichts ander«»,
als dafs dem Bischof nicht das Recht zusteht, was ja
nach kanonischem Recht ganz selbstverständlich ist Es
bleibt bei der „gegenwärtig vom heiligen Stuhl gutgeheifse-
nen Disziplin".
Zu einer Konvention, sollte man glauben, gehöre, dafs
die einzelnen Rechte genau bestimmt werden. Das ist nur
dem Staat gegenüber der Fall. Dieser ist gebunden, die
Kurie nicht. Sollte z. B. der Staat einmal, gestützt auf das
landesherrliche Patronatrecht der früheren Rechtspraxis, be-
haupten wollen, die Besetzung der Pfründen sei keine innere
Angelegenheit der Kirche, so steht die nähere Bestimmung
Art. IV, a entgegen, dafs der Bischof alle Pfründen verleihen
dürfe, mit Ausnahme von jenen, welche einem rechtmäfsig
erworbenen Patronatrecht unterliegen. Für die Kurie aber
gilt einfach : ea jura omnia exercere, quae in vim pastoralis
Ejus ministerii Ipsi competunt und fortgefahren wird nicht:
quae sunt oder inquam u. dgl. sondern ac praesertim, so
dafs die nachbenannten Rechte nur beispielsweise genannt
und besonders hervorgehoben sind. Die Ausübung ist durch-
aus nicht auf die genannten Rechte beschränkt, sondern es
können jederzeit noch mehr Rechte eingefügt werden, so-
bald die Kurie nachweisen kann, dafs sie dieselben dem
Bischof zuteilt. Es können alle Kirchengesetze durchgeführt
DAS WÜRTTEHBEROISCHE KOKKORDAT. 399
werden, selbst gegen Ketzer, und dies ist ja dadurch vor-
gesehen, dafs die Sistierung der letzteren jedesmal durch die
Quinquinahakul täten nur auf fünf Jahre erlaubt wird in der
HoSnung, dafe bis dorthin die pro te staut ischen Gegenden
kein „Missiunsgebiet" mehr seien, „wo die Ketzerei straf-
los wuchert und die Inquisition ihre Thätigkeit nicht ent-
falten kann".
Das Gesetz von 1862 schneidet den Anspruch an alle
Christen schon dadurch ab, dafs ea ausdrücklich nur ge-
geben ist zur „Regelung des Verhältnisses der Staatsgewalt
zur katholischen Kirche". Ferner sind die Rechte,
welche der Bischof ausüben darf, genau bestimmt und wird
nirgends im allgemeinen von denselben gesprochen.
Da» landesherrliche Placet wird in Art. IV der Kon-
vention selbst gar nicht erwähnt, während es die Verfassung
in § 72, Abs. 2 ausdrücklich beanaprucht Durch Art. VI
ist aber dasselbe eigentlich aufgehoben. Dort ist dem Staat
gegenüber eine sehr präciae Fassung gewählt, dafs „alle
Belehrungen und Erlasse des Bischofs, die Aktenstücke der
Diöcesansynode , des Provinzialkonzils und des h. Stuhls
seibat, die von kirchlichen Angelegenheiten handeln, ohne
vorrangige Einsicht und Genehmigung der königl. Regierung
veröffentlicht werden". Dies ist der Wortlaut der Kon-
vention. Nur die bischöfliche Instruktion zu Art IV
spricht, eigentlich wie um den Absprung nicht zu grofa zu
machen und den Verteidigern der Konvention eine Handhabe
zu geben, davon, dafs der Bischof bei einem Generale oder
einer Verordnung von gröfserer Bedeutung gleichzeitig
ein Exemplar derselben der königl. Regierung mitteilen
werde. Über die „gröfsere Bedeutung" hat natürlich der
Bischof zu entscheiden. Oder was könnte es der Regierung
helfen, wenn ihr nachträglich eine Verordnung zur Kenntnis
käme und sie wurde dem Bischof zu wissen thun, diese sei
von gröfserer Bedeutung, hätte ihr also mitgeteilt werden
sollen? Der Bischof wird antworten, er halte die Verordnung
nicht für eine von „gröfserer Bedeutung". Aber auch eine
Mitteilung hat ja bei gleichzeitiger Veröffentlichung nur
den Wert einer Höflichkeit. Wichtiger ist die weitere In-
J
400 Büsz,
struktioii; welche aich auf solche Anordnangen besidit^ n öiv
sich nicht innerhalb der rechtUchen Zuständigkeit der Kadil ^^
allein halten, sondern sich zugleich auf G^enstSode »1 Ai
strecken, welche in dem Gebiet der Staatsgewalt fi^j
Über diese soll der Bischof sich vor deren VerofienÜidiBil B
mit der Regierung yyins Einvernehmen setzen^. I^| t
liehe Erlasse dieser Art sind aber ausgeschlossen und
bischöfliche ausdrücklich genannt
Damit ist die Bestimmung der Verordnung yom 1. Min
1853 aufgehoben, dafs solche Erlasse ^^der Genehmigaig
des Staats^' unterliegen. Auch sagt die Verordnaiig:
,,was nicht in dem eigentümlichen Wirkungskreis der Ende
liegf und verlangt, dafs alle Erlasse gleichsseitig der kraigl
Regierung vorzulegen sind. Wo wird die Kirche zugebo,
dafs sich etwas nicht innerhalb ihrer rechtlichen Zustindig-
keit allein halte? Wer entscheidet darüber, iivelche Erla«
unter die letztere Kategorie gehören ? Der Bischof verbietet
z. B. den Gläubigen den Umgang mit Ketzern. Er hält diesen
Ei'lafs für einen von geringer Bedeutung und macht der Be-
gierung keine Mitteilung. Diese erfährt später davon. Auf
Vorhalt antwortet der Bischof, nicht blofs sei der Eiiafs
nicht von grötserer Bedeutung, sondern es gehöre ganz in
die rechtliche Zuständigkeit der Kirche zu entscheiden, mit
wem der gläubige ELatholik umgehen dürfe, und durchaus
nicht in die des Staats. Aber abgesehen davon, fragen wir:
Was soll es heifsen „ins Einvernehmen setzen", wenn die
„ Genehmigung '^ ausdrücklich aufgehoben ist. Wenn m
Einvernehmen eben nicht zustande kommt, was dann?
Dann wäre es nur ein Gewalt- imd kein Rechtsakt auf
Grund der Konvention, wenn der Staat die Veröffentlichung
hindern wollte. Der Bischof hat nach seiner Instruktion
gehandelt. Er setzte sich ins Einvernehmen mit der Re-
gierung. Eine Vereinigung kam nicht zustande. Das ist
nicht seine Schuld. Jetzt tritt der eben genannte Art. VI
in sein Recht und der Bischof geht auf Grund desselben
mit der Veröffentlichung vor. War schon inbetreff der
Kognition über die gröfsere Bedeutung der Erlasse und
über die Grenzen der rechtlichen Zuständigkeit der Kirche
DAS WÜBTTEMBEHOIBCHE KONKORDAT. 401
ein Konflikt so leicht möglich, so mufs er hier notwendig
stattfinden, wenn der Staat nicht einfach alle hirten amtlichen
Anordnungen nach den Kirchengesetzen gutheifsen will.
Es ist nun leicht zu erkennen, ob es richtig ist, wenn
Rümelin (S. 21ö) zuversichtlich sagt: ,,DerBi8chof hat von
allen allgemeinen Anordnungen und wichtigeren Spezial-
verfugUEgen, auch wenn sie die inneren Angelegenheiten
der Kirche betreffen, der Regierung gleichzeitige Mitteilung
zu machen, bei allen Anordnungen in gemischten Angelegen-
heiten sich des vorgängigen Einverständnissea der Regierung
zu versichern."
Immer wieder mufs die Frage aufgestellt werden; Wenn
dies der Sinn der Konvention sein soll, wo steht im Text
derselben etwas davon und warum drückt sich auch der
Wortlaut der bischöflichen Instruktion nicht also aus, son-
dern vielmehr in einer Weise, welche gerade diese Erklä-
rung abweist?
Dagegen spricht sich das Gesetz bestimmt aus. Es
verlaugt einmal gleichzeitige Mitteilung aller Verordnungen
dea Bischofs, so dafs die Regierung sich vergewissern kann,
ob dieselben blofa innere Angelegenheiten betreffen. Dann
aber sagt Art. 1 ausdrucklich, gemischte Erlasse „ unterliegen
der Genehmigung des Staats". Dies ist doch ein grufser
Unterschied von dem blofsen: „Der Bischof wird sich ins
Einvernehmen setzen". Es ist auch die Wendung „An-
ordnungen, wodurch die Diöcesanen zu etwas verbunden
werden sollen, was nicht ganz in dem eigentümlichen Wir-
kungskreis der Kirche hegt, sowie auch sonstige Erlasse,
welche in staatliche oder bürgerliche Verhältnisse
eingreifen" viel bestimmter, als die in der bischöflichen la-
sti'uktion zu Art. IV der Konvention.
Zudem hat die Kammer mit 60 gegen 19 Stimmen bei
Art. 1 „die Voraussetzung ausgesprochen, dafs die Staats-
behörde zu entscheiden habe, ob die Verfügungen
der kirchlichen Behörde Gegenstände dieser oder jener Natur
(d. h. gemischter oder rein kirchlicher Natur) betreffen".
Weiter unterwirft das Gesetz denselben Bestimmungen „die
auf Diücesan- und Provinziala^noden gefafsten Beschlüsse,
Ü
402
ebenso die pftpedicben Bauen, Breren und sonstigen &
lasse'^ Überhaupt ist Art 1 des Oeaeties in semein Abs.!
die wörtliche Wiederiiolnng von § 2 der konigL VeroidiniDg
Ton 1853 und in seinem Abs. 2 don Sinn nach die tob
§ 3 derselben Verordnung.
Im Verlauf werden nun in Art IV der Konventkni
einzelne Rechte besonders, aber nicht ausschliefslicli
namhaft gemacht, welche unter dem ac praesertim angefobt
werden:
,ya) alle Pfründen zu verieihen mit Ausnahme von jenen,
welche einem rechtmäfsig erworbenen Patronatsrechte Unter-
lizenz"
Die Pfirüudenausscheidung geschah durch eine Verstin-
digung der Regierung mit dem Bischof, welche am 14. Apvil
1857 vom päpstlichen Stuhle bestätigt wurde, wonach 178
Pfründen und 22 je im zweiten oder dritten Jahr der bischöf-
lichen KoUatur angehören, 318 Pfründen aber mit filnf alter-
nierenden dem königlichen Patronat, drei durch ein Vor-
schlagsrecht beschränkt Somit darf man wohl annehmen,
dafs der päpstliche Stuhl das rechtmäfsig erworbene Patro-
natsrecht nicht bestreiten kann. Allein gerade deshalb ist
auch hier die Fassung des Wortlauts charakteristisch. Im
Gesetz heifst es: „Das Emennungsrecht des Staates zu
katholischen Kirchenstellen ist, soweit es nicht auf beson-
deren Rechtstiteln, wie namentlich dem Patronat beruht,
aufgehoben." Es ist hier also das Patronat, wo es besteht,
als rechtmäfsig erworben eo ipso festgestellt (Art 2). In
der Konvention ist immer noch eine Hinterthüre offen ge-
lassen, dafs möglicherweise auch die rechtmäfsige Erwerbung
eines Patronats angezweifelt werden kann. So hat König
Friedrich gleich in der ersten Zeit seiner Regierung das
landesherrliche Patronatrecht „als Emanation der Landes-
hoheit" durchgefiihrt und damit nicht blofs das geistliche,
sondern auch das Patronat-Recht der Gemeinden und Stif-
tungen aufgehoben. Könnte nicht eines Tages, wenn die
Zeiten günstig sind, die Rechtmäfsigkeit dieser Erwerbung
beanstandet und dem Bischof zugeteilt werden wollen? Die
Konvention schützt davor nicht, wohl aber das Gesetz, wenn
DAS WÖBTTEMBERGISCHE KONKORDAT. 403
es sagt: „Die vonnaliRen Patronaterechte der Gemeinden
und Stiftungen bleiben mit dem Patronat der Krone ver-
einigt" ("Art. 2). Ebenso behält dasselbe die Anstellung der
Oeistlichen beim Militär und an oSentlichen Anstalten aus-
drücklich dem Staate vor.
Die bischöfliche Instruktion zu dieser Pfründenbeaetzung
lautet: „Der Bischof wird kirchliche Pfründen niemals
an Geistliche verleihen, welche aus erheblichen und auf
Thatsachen gestützten Gründen der königl. Regierung in
rein bürgerlicher oder polilischcr Rins'icht mirsföllig sind."
Das Gesetz ordnet an (Art. 4): „Die Kirchenämter, welche
nicht von der Staatsregierimg selbst abhängen, können nur
an solche verliehen werden, welche nicht von der Staats-
regieruDg unter Anfilhrung von Thatsachen als ihr in
bürgerlicher oder politischer Beziehung mirsßUlig erklärt
werden." Dipse beiden Fassungen scheinen, oberflächlich
betrachtet, ganz mit einander iibereinziiatimmen. Auch Rii-
melin nimmt dies an, wenn er (S. 217) ruhig sagt: „Auf
die Besetzung der geistlichen Stellen übt die Regierung
nicht nur durch den Umfang ihres Patron ata den über-
wiegenden Einflufa aus, sondern hat überdies das Recht,
von allen bischöflichen und im Privatpatronat stehenden
Stellen die ihr aus staathchen Gesichtspunkten mifafaltigen
Personen auszuschliefaen." Wieder die Frage: Wenn
es 80 zu verstehen ist, warum steht es nicht im Text der
Konvention und warum ist es auch in der bischöflichen In-
et rukt Jon nicht mit den gleichen klaren Worten ausge-
sprochen? Da hat der Abgeordnete Probst es doch anders
verstanden, wenn er als Bericht erat alt er der Minderheit bei
der ständischen Beratung zwischen den beiden Bestimmungen
einen „himmelweiten Unterschied" fand. Das Wort
„erhebhch" ist ganz gescliickt in die Konvention aufge-
nommen. Wer hat zu entscheiden, ob die Thatsachen er-
heblich sind? Doch niemand anders als der Bischof, wenn
es einmal heifst: „Der Bischof wird kirchliche Pfründen
niemals verleihen" u. s. w. Weiler aber mufs ja die Re-
gierung die Gründe vorlegen und würde dies nicht thun,
wenn sie dieselben nicht iiir erheblich erklärte. Soll also
13
404 BUKZ,
nachträglich über die Erheblichkeit entschieden werden, m
kann dies nur der Bischof thun.
Es machte sich doch sonderbar, wenn die RegieroDg
käme und sagen würde: Gegen diesen Kandidaten habe
ich diese Thatsache als Hindernis seiner Anstellung anza-
fbhren, aber sie ist nicht erheblich, oder: Ich habe diese anzo-
fuhren und die ist erheblich. So bleibt das Einspruchsrecht
des Staates illusorisch oder wenigstens ganz und gar von
dem guten Willen des Bischofs abhängig. Erklärt er eine
Thatsache für nicht erheblich, so steht er ganz auf dem
Rechtsboden der Konvention, und will dies der Staat nicht
gelten lassen, so ist der Konflikt da. Nach Art 4 des Ge-
setz es aber hat die Staatsregierung die Entscheidung, und
kann sie Thatsachen anfuhren, welche ihr den Kandidaten
mifsfäUig machen, so darf er nicht angestellt werden, ob
mm der Bischof damit übereinstimmt oder nicht Dies
wurde auch bei der Verhandlung vom Ministertische aus
aufs bestimmteste erklärt
„b) Seinen General vikar , die aufserordentlichen Mit-
glieder des Ordinariats, sowie die Landdekane zu erwählen,
zu ernennen, beziehungsweise zu bestätigen (vel confir-
mare)."
Hier erscheint die Fassung der bischöflichen Instruktion
mehr der Staatsregierung entgegenkommend: „Männer, von
denen er weifs, dafs sie der königl. Regierung in bürger-
licher und politischer Hinsicht nicht unangenehm sind."
Hier kann also die Staatsregierung verlangen, dafs solche
nicht gewählt werden, sobald sie ihre Mifsbilligung aus-
spricht Lehrreich ist dann aber die Instruktion wegen der
Landdekane, auch für die Erklärung des „ Ins-Einvernehmen-
setzen". Nämlich auch über ihre Wahl soll der Bischof
sich mit der Regierung ins Einvernehmen setzen. Wird
aber eine Verständigung nicht erzielt, so läfst nicht etwa
der Bischof die Wahl des Kandidaten fallen, sondern er be-
stätigt ihn getrost ohne Rücksicht auf die Regienmg. Nur
mafst sich der Bischof nicht auch noch das Recht an, den
Staat zu zwingen, dafs er dem mifsliebigen Kandidaten
auch noch die staatlichen Verrichtungen des Dekans über-
DAS Wt'RTTEMBERQISCHE KONKORDAT. 405
a-agen mufa, sondern er erlaubt, dieselben dann einem an-
lem Oeiatlicben zu übertragen.
Das Gesetz hat hier keine besonderen Bestimmungen,
weil ihm diejenigen über die Anstellung im allgemeinen ge-
nügen. Zu dem oben genannten kommen nümlicli noch in
Art. 3 folgende; „Die Zulassung zu einem Kirchenamte ist
durch den Besitz des würltembergischon Staatsbürgerrechts,
BDwie durch den Nachweis einer vom Staat lur entsprechend
erkannten wisBenHchaftlichen Vorbildung bedingt" Die Kon-
vention hat eine ähnliche Bestimmung gar nicht. Zwar
könnte der Verteidiger vielleicht sagen wollen, die erstere
Bedingung, den Besitz des Staatsbürgerrechts , könne die
Regierung fordern auf Grund von Art. IV, a Bisch. Instr.,
wenn sie den Mangel desselben als mifsliebige Thatsache
bezeichne. Ob sie aber der Bischof iur eine erhebliche
gelten liefse, wäre die Frage. Auf die zweite Forderung
des Gesetzes hat die Konvention vollständig verzichtet, wenn
sie als weiteres Hecht ac praeeei'tim antührt
,,c) die Prüfungen für die Aufnahme in das Seminarium
und l'iir die Zulassung zu Scelsor gerstellen anzuordnen,
auszuschreiben und zu leiten,"
Es wird die Fakultät in Tübingen unter Aufsicht des
Staats zwar immer noch eine Prüfung abhalten können,
dies ist wenigstens nicht verboten; aber der Bischof hat
darauf keine Rucksicht zu nehmen. Er kann solche Kan-
didaten zulassen, welche die Fakultätsprüfung nicht gemacht
haben-, ja er kann solche, die sich derselben unterzogen, ge-
radezu ausschliefscn. Die königl. Regierung hingegen ver-
pflichtet sich, nach der konigl. Erklärung zu Art. IV, a,
auf dem konigl. Patronat keinen Geistlichen anzustellen, welcher
nicht den bischöflichen Pfarrkonkurs mit Erfolg bestanden.
Kümelin begi-ündet diese Preisgebung (Ö. 231) mit folgendem
Satz: „Oder wenn der Staat über die Vornahme der Prü-
fungen für die Auüiahme in das Priesterseminar und für dia
Zulassung der Seelsorge einseitige Anordnungen erlassen
wollte, wie könnte er erwirken, dal's der Bischof die ihm
hierbei übrig gelassenen Funktionen wirklich ausübe,
die so Geprürten zu Priestern weihe und zur Seelsorge er-
Ü
406 BüHZy
mächtige?'' Daneben lieiikt es (S. 218): ^Anf die Sil«
dang der Geistlichen übt die Begienmg durch die von üv |i
unterhaltenen Konyikte und die in dem Organismus der |i
Landesuniversität verbleibende theologische Fakultät einea |i
sehr ausgedehnten Einflufs aus.'' Wir werden bei
Art VIU und IX wieder Gel^enheit haben, auf letztera
Satz zurückzukonmien, und beschränken uns hier auf die
Frage, ob man sich so volltönend vernehmen lassen dsi^
wenn der Staat gerade darauf verzichtet hat, die Bildong
in den Konvikten und auf der Landesuniversität nur sack
zu sichern. Der künftige Geistliche hat ja gar nicht nötig
auf der Landesuniversität sich seine Bildung zu holen. Eb
kann nicht blofs aus jedem tridentiaischen Seminar in
Deutschland, sondern aus einem JesuitenkoU^um zu fiom
oder Spanien ein Kandidat kommen, der Bischof nimmt ihn
zur Prüfung an, erklärt ihn fLLr befähigt und weiht ihn
zum Priester. Kümelin's Behauptung (S. 231) ist als Ober-
satz freilich richtig, allein kann und soll daraus nur der
Schlufs gezogen werden: Also darf der Staat keinerlei Ga-
rantie für sich beanspruchen bei der Prüfung? Selbst die
Übereinkunft mit dem Bischof von 1854 verlangt in Art U,
dafs der Bischof nur solche Kandidaten zur Aufnahme-
prüfung in das Priesterseminar zulassen dürfe, welche von
der theologischen Fakultät in Tübingen Zeugnisse über die
mit Erfolg bestandene akademische Schlufsprüfung beibringen.
Ist dann aber auch auf die Bildung bei der Landesuniversität
der Einflufs des Staats so „sehr ausgedehnt", wenn der
Kandidat nicht einmal von dieser Universität geprüft zu
werden braucht? Ja klingt es nicht wie eine Ironie, um
Späteres zum voraus anzudeuten, wenn gerade die theo-
logische Fakultät, wie nachher gezeigt wird, durch die Kon-
vention ganz dem Bischof unterstellt wird?
Was das Gesetz fordert in Art. 3, ist oben (S. 405)
gesagt. Es ist nur noch darauf hinzuweisen, dafs diese
Forderung in praxi erfüllt wird nicht blofs nach der Ver-
ordnung von 1853, wonach (§ 8) die bischöfliche Behörde
die Prüfung für das Priesterseminar anzuordnen und zu
leiten hat, der aber ein landesherrlicher Kommissär bei-
■ DAS wURTTEMBEBGISCHE KONKORDAT. 407
"Woimen aoll, aondern eigentlich nach der von den Bischöfen
Bo sehr verabscheuten Verordnung von 1830, nach der (§ 27)
eine von den Staats- und bischöflichen Behörden gemein-
schafthch vorzunehmende Prüfung der Aufnahme ins Priester-
Seminar vorauszugehen hat. Auf Grund des Gesetzes er-
folgt jetzt eine gründhche Prüfung durch die theologische Fa-
kultät in Tübingen, also durch die staatliche Behörde, welche
Prüfung der Bischof durch Abaendung eines Kommissärs
aU gültig für Aufnahme ins Friesterseminar betrachtet.
In der bischoflichen Instruktion tritt nun hier zum ersten-
mal der einem selhständigen Staate gegenüber so gnädige
Ausdruck auf Sancta Sedea permittit (die übliche Kirch en-
sprache !) , wenn er auch formell gegenüber dem Bischof
gebraucht wird. Denn wem erlaubt er's? Hat etwa der
Bischof das Verlangen gestellt? Nein der Staat. Welches
grofsartige Zugeständnis erlaubt der h. Stuhl? „DaTs zur
Erlangung von Pfarreien u. s. w. ein allgemeiner Konkurs
gehallen werde, in der Weise, welche der Bischof nach den
ihm vom b. Stuhl zu erteilenden speziellen Vollmachten und
Anweisungen vorschreiben wird." (1)
„d) Den Klerikern die h. Weihen zu erteilen, nicht nur
auf die bestehenden kanonischen, sondern auch auf den von
ihm selbst anzuweisenden Tischtitel hin."
Der Tischtitel wurde von jeher aus kirchlichen Mitteln,
dem Interkalarfond , verabreicht, aber von dem Landes-
herrn verliehen. Darauf wurde schon in der Übereinkunft
mit dem Bischof von 1864 verzichtet Auch das Gesetz
von 1862 veränderte daran nichts.
„e) Nach den kanonischen Vorschriften alles das anzu-
ordnen, was den Gottesdienst, die kirchlichen Feierlichkeiten
und diejenigen Religions Übungen betrifft, welche die Auf-
weckung und Betestigung des frommen Sinnes der
Gläubigen zum Zwecke haben."
Wenn der Bischof öffenthche Prozessionen abhalten will,
ebenso Missionen an vorwiegend protestantischen, ja nach
der Voraussetzung des kanonischen Hechts an ganz prote-
stantischen Orten , so ist ihm damit das Recht dazu
eingeräumt.
408 ixJKZf
Will dies die R^erang nicht dulden, so ist wieder im
Konflikt da.
Man sollte meinen, diese Bestimmung gehöre so sehr n
den inneren Angelegenheiten der Kirche, dals sich die K(m-
vention damit gar nicht zu beschäftigen hätte. Allein kt
wohl diese Bestimmung deshalb in die Konvention au^
nommen, damit den Katholiken das Recht gesichert ist,
innerhalb ihrer Kirchen Gottesdienste, kirchliche Feier
lichkeiten, Religionsübungen ungestört ausüben zu dürfen?
Dieses Recht beruht schon auf dem (fireilich voq
der Kurie nicht anerkannten) westfälischen Frieden und
dem Reichsdeputationshauptschluls von 1803. Vielleicht hat
die damalige Staatsverwaltung diesen Punkt harmlos also
hingenommen, wie so manches in der Konvention. Allein
die Regierung hat damit das Recht erteilt, auch alles was
in dieser Beziehung zur Propaganda gehört, anzuordnen,
denn der Bischof ist ja zugleich der Missionsobere für die
Diöcese Rottenburg eben gegenüber den zu ihr gehörigen
Ketzern.
Das Gesetz hat darüber keine Bestimmung, eben weil
es die in lit. e genannten Punkte nur für die katholischen
Angehörigen als gültig anerkennt und nicht gegenüber den
Ketzern, weil also diese innere Angelegenheit nicht zum
„Verhältnis der Staatsgewalt zur katholischen Kirche" ge-
hört. Damit ist aber nicht gesagt, dafs die Gesetzgebung
dem Bischof die Rechte einräume, welche aus dem Art. IV, e
der Konvention abgeleitet werden konnten, denn das Gesetz
spricht nur von der „katholischen Kirche" imd Art. 1 be-
schränkt überdies alle Erlasse in die Grenze staatlicher Ge-
nehmigung.
„f) Diöcesansynoden einzuberufen und abzuhalten, sowie
die Provinzialkonzilien zu besuchen."
Dieselbe Befugnis hat der Bischof auch nach dem Ge-
setz, nur mit dem wesentlichen Unterschied, dafs nach
Art. 1 ihre Beschlüsse der Kontrolle der Regierung unter-
liegen (S. 401).
„g) In seinem Kirchensprengel vom h. Stuhl genehmigte
Orden oder Kongregationen beiderlei Geschlechts einzuführen,
■ DAS WÜBTTEMBERGISCHE KONKORDAT, 409
«ollatis tarnen quolibet in casu cum Rfegio Gubemio con-
■illis, im deutschen Text: wird sich in jedem einzelnen Falle
3nit der köoigl. Regierung ins Einvernehmen setzen.
Die Regierung hat in den Motiven zu dem Gesetzes-
-entwurt inbetreff der Konvention bemerkt, sie habe sich
unzweideutig daliin ausgeBprochen , dafs sie jene Worte im
Sinne der Notwendigkeit einer Zustimmung der Regierung
aulValate, ohne vonseiten der Kurie einen Widerspruch da-
gegen erfahren zu haben. Rümelin behauptet dementsprechend,
die Errichtung geistlicher Orden und Kongregationen sei in
jedem einzehicn Fall von der Zustimmung der Regierung
abhängig (S. 218).
Wieder ist die Frage da: Wenn es so gemeint war,
warum nicht diese Bestimmung klar und präcis in die Kon-
vention aufnehmen? Warum denn in einem Vertrag dieser
schwankende Ausdruck? Cotlatis consiliia kann auch blofs
„Beratung pflegen'' heifsen. Aber auch iür die Bedeutung
„ins Einvernehmen setzen" haben wir ja oben Art IV, b),
Biachüf. Instr. eine Auslegung (s. S. 400 u. 404). Im aller-
beaten Fidle ist der Ausdi'uck so gefafst, ala ob er gerade
einen Konflikt herbeizurufen bestimmt wäre.
Das Gesetz fafst diese Frage ganz anders an, wenn
es beifst (Art 16): „Geistliche Orden und Kongregationen
können vom Bischof nur mit ausdrücklicher Geneh-
migung der Staatsrcgiorung eingeführt werden, welche auch
erforderlich ist, so oft ein im Lande schon zugelassener Or-
den eine neue Niederlassung gründen will. Die
Staatsregierung ist jedoch keineswegs befugt, ohne be-
sondere Ermächtigung durch Gesetz den Jesuitenorden
oder ihm verwandte Orden und Kongregationen im Lande
zuzulassen. Die Genehmigung ist jederzeit widerruflich."
Selbst vorausgesetzt, jenes „collatis consiliis" sei genau das-
selbe wie das deutsche „ausdrückliche Genehmigung der
Staatsregierung" im Gesetz, was übrigens kein Philologe
zustande bringen wird, so sieht doch jeder oberflächliche
Beobachter den „himmelweilen Unterschied" in den Be-
Btimmungen des Gesetzes, wozu noch Art, 16 gehört: „Die
Gelübde der Ordens mitglieder werden von der Slaatsregierung
ZaiUcht. t K.-G. Vlll. 3. 27
408
Will rj;.
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Ketzer.. ^,— ^ .^««z .erden ^1,^° ";.• ^ ^=
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Ketzern, uoü — *i •«« =^ den Verzicht ■ ^"^''
«Verhältnis u. ^ * «» »ut und Gese/J,,,!"".^ ""^ '^^'•
f«- D- c. -* . ..i«^n greitV if ^,t , "^
dem Bisd.,, .^.. . «« -«ci: eine kirchlich^ p '?f'^"'''
der Konvn.uuu ^^- -*'«™? «^"^ ^'««"'»nie-un^ ^-'nncitunr
"Pricht n„, „^ ..-««aci». »flehe die Motiv^ ^'''^^'^^^'''
■^änkt 'Uc...^ -»-■- «• ^* einmal der ^^yonl"" f""""
nehmigung. _^ ^ .Mds- jsn« bekannt sein^ n, r *'
v») I.)^;,., .j,g^ .i««i«nie. in welcher der ö , ^^"""^
die Provinz.:.,,. _^^ ^ ,-aiir rawfache erhebt p, ^''"^
Diosi.ll,. '■■ ^ ^ .iMeiMinKa Staabgesetzen '^"''^^ "'"'*'"
«tz, n«,. ■"'jMi«««». Blir?n«cht, Kr-e^^f "'"'''"'^'''''°
Art. I ij„,, ^^^^ .iar Poiäsöigane u. d-^i ' '"'"■"
^"egen (t;. .i-, ^ '
»g) I« .. Jift ^"•
Orden oder i ^^^^iHm- -Wnfcsfc ist das allgemeine P •
^U^amäJ» Gesetz steht, ,,da/s kS
DAS WLRTTEMISERGISCIIE KONKORDAT. 411
itechlsföJle, welche den Glauben, die Sakramente, die
errichtuDgeii und die mit dem geistlichen Amte
Pflichten und Rechte betreffen", vor den Ge-
des Bischofs gehören. Dann heifst es weiter :
rird derselbe auch üher Ehesachen entscheiden, je-
ibt das Urteil über die bürgerlichen Wirkungen
Ehe dem weltlichen G^erichte Überlassen."
FtiMeii wir zunächst diese Ehegesetzgebang ins Äuge,
iet damit der bisher bestandene Unterschied zwischen
alt württembergischen und Österreichischen Landesteilen
AUit'gelioben , wie das Gleiche auch das Gesetz von 1862
Iwinl (Art. 8). In letzteren stand die Ehegerichtsbarkeit
~ i*ch josefinischein Keclit den bürgerlichen Gerichten zu.
in die Konvention stellt die Ehegesetzgebung ganz unter
Kirchengesetze und die Bestimmungen des Konzila von
rient mit alleiniger Ausnähme der „bürgerlichen Wirkungen
ler Ehe". Das Gesetz aber sagt Art. 8: „Die katholischen
ihner deijenigon Laiidesteile, in welchen bis jetzt noch
,ie eheraaligo vorderösterreichische Ehegesetzgebung gegolten
;t, sind in Zukunft in Ehesachen dem gemeinen Rechte
katholischen Kirche und der bischöflichen Gerichtsbar-
''^eit unter den gleichen Bestimmungen, wie die
Obrigen kathoÜBchen Staatsangehörigen unter-
worfen.'' Hiermit gelten auch hier die gleichen Bestim-
mungen, wie hinsichtlich der übrigen DiszipUnargewalt des
Bischofs, wie später (y, 4l6fF.) zu besprechen. Weiter kommt
dem Bise hol' lün.sichtlich der bürgerhch getrauten Ehen
keine Gerichtsbarkeit zu, ebenso bei gemischten Ehen. Die
Entscheidung liegt (oder lag) nun nach dem Gesetz in
den Händen des protestantischen Ehegerichts, welches jedoch
„mit geeigneter Berücksichtigung der raligiösen Grundsätze
des katholischen Teils" zu erkennen hat Femer gehört
dazu, was in Art 9 ausdrücklich ausgesprochen ist: „Bei
kirchlich getrauten Ehen zwischen zwei Katlioliken sind in
denjenigen Fällen, in welchen die Gültigkeit oder Ungültig-
keit der Ehe nach einem von dem kirchlichen Ge-
setze abweichenden Staatsgesetze in Frage steht,
die in Art. 13 des Gesetzes vom I. Mai 1855 genannten
27«
41 2 BLTCZ,
bürfijerlicben Gerichte zuständig. Dieselben haben iu diesen
Fällen nacli den einschlägigen besonderen Best inituun gen der
Staatsgeaetzgebung und im übrigen nach den in Art. 13
und 18 jenes Gesetzes bezeichneten Grundsätzen und Vor-
schriften, erforderlichenfalls von Amts wegen, zu verfahren.
Aul eine vom Zivilgerichte im Widerspruch mit dem
kirchlichen Gesetze für gültig erklärte Ehe ßndcD
Art. 13. 15—17 u. 20 des gedachten Gesetzes Anwendung."
Das in Art. 13 genannte bürgerliche Gericht ist der Zivil-
senat des dem verhandelnden Bezirksrichtor vorgesetzten
Kreisgerichta. Die Grundsätze und Vorschriften sind die
bei den Protestanten geltenden. Die oben angeführten Art
13. 15 — 17 U- '20 handeln von der Eintragung der ge-
scldoäsenen Ehen und der aus denselben gehornen Kinder
in ein Protokoll des Ortsvorstehers und in das Faniilien-
register. Endlich gehört zu den „Bestimmungen,* wie die
übrigen katliolischen Staatsangehörigen" noch das GeseU
vom 23. Januar 186:!, welches bestimmt, dafs DispeneationeD
von dem Ehehindemisse der Schwftgerachaft oder Verwandt-
schaft beim bürgerlichen Gerichte nachzusuchen sind. Wird
in solchem Falle die kirchhche Trauung von sämtlichen zu-
standigen Geistlichen verweigert, so kann die Ehe büi^er-
lich geschlossen werden (Art. 2, Gesetz von 1855). Alle
anderen Dispensationen wurden ohnedies vom Kirchenrat,
bzw. Oberamt erteilt, also von staatlichen Beliürden. Noch
gehört liiezu Art lü des Gesetzes wegen der Instanz, wis
er später noch zu besprechen.
Das Eherecht ist jetzt bekanntlich ein anderes, aber wir
haben es iür unsere Frage nur mit dem 1862 in AVürttemberg
gültigen zu thun, welches das Kircheugesetz voraussetzt.
Nach der Konvention wären diese Ehegesetze von 1855
und 18C2 aufgehüben, die gemischten Ehen mit ihrer Frage
der Kindererzieliung ganz in die Gewalt des Bischofs ge-
geben gewesen, und wo staathche und kirchliche Gesetze
nicht übereinstimmten, hatte, wenn man sich den letzteren
nicht uuterwericn wollte, der Konflikt ausbrechen müssen.
Wenden wir uns zu der weitei'en biscliüflichen Disziplinar-
gewalt, so giebt einmal die Konvention die Geisthchen ganz
DAS WCKTTEMBEKQISCHE KONKORDAT. 413
in die Hände des Bischofs. Episcopo liberum wit Clericorum
moribus invigilare, „der Bischof wird unbehindert den
Wandel der Geistlinhen überwachen". Gegen Schuldige
soll er cbe den kirchlichen Gesetzen entsprechenden Strafen
verhängeo dürten, „salvo tarnen canonico reeurau". Wo
bleibt der recursua ab abusu an den Staat gewahrt^ Jeder
Jurist wird entscheiden müssen, dafs er durch diese Fas-
sung ausgeschlossen ist. Die Regierung hat zwar in ihren
Motiven bemerkt, dafs sie das allgemeine Hoheitsrecht des
Staats, Mifsbräuche der geistlichen Gewalt zurückzuweisen,
gerade bei dem gegenwärtigen Artikel während der Ver-
handlungen mit Rum wiederholt gewahrt habe. „Gerade
bei dem gegenwärtigen Artikel." Welch eine beifsende
Ironie iat es zu dieser scheinbar geharnischten Behauptung,
wenn es „gerade in dem gegenwärtigen Artikel"'
beifst: „Temporum ratione habita Sanctitas sua
permittit, ut Clericorum causas niere civiles, vcluti
conti-actuum, debitorum, haeredidatum , judices saecularea
cognoBcant, et definiant" (!). Überhaupt ist kein Artikel
HO voll von consentit, annuit, non recuaat, permittit von-
seiten des h. Stuhls, welche eine laute Antwort sind auf
jene reservatio mentalis der Regierung. Der Staat hat also
seine Hoheitsi-echte gewahrt dadurch, dafs er sich vom Papst
erlauben läfat, Verträge, Schulden, Erbschallen von Geist-
lichen vor sein Gericht ziehen zu dürfen! Könnte denn ein
Staat überhaupt bestehen, wenn ein 1'eil seiner Burger sein
Recht bei einem fremden Gericht suchen dürfte? Treten
andere Zeitverhältiiisae ein, so hat nach der Konvention
S. Heiligkeit das Hecht, auch diese Erlaubnis zurückzuziehen.
Oder bedeutet temporum ratione habita eigentlich gar nichts
und ist nur „die übliche Kircheasprache"?,
Nehmen wir aber die obige Behauptung der Regierung
als Ernst, so kommt wieder die Frage: Wenn die Regie-
rung ihi-e Hoheitsrechtts wahren wollte, warum hat sie es
denn nicht in der Konvention gethan? Nehmen wir's ernst,
so wäre gerade dieser l'unkt der Ausgang der gröfsten
Konflikte. Die Kirche geht auf Grund der Konvention
vor. Plötzlich gebietet iiu: der Staat Halt! Die Kirche
u
414 Bum,
sagt: Woher hast da das Becht? Der Staat: Ic
meinen Hoheitsrechten. Die Kirche: Und ich ii
Konkordatsrechten. Die Kirche hat jedenfalls ihren ,
anf den sie sich herofen kann.
Ist doch nach der Konvention der Staat nid
Ton sich aus berechtigt, die Elleriker w^en Verl
odor Vergehen, welche gegen die Strafgese
Königreichs gerichtet sind, vor das weltliche G
stdlen, sondern: Eadem de causa (nämlich tempon
habita) Sancta Sedes non recosat Der h. Stuhl giel
Regierung die Erlaubnis, die Bestimmung der V(
Urkunde von 1819 ausfuhren zu dürfen § 73: „Ui^
diener sind in Ansehung ihrer büigerlichen Handli
Verhältnisse der weltlichen Obrigkeit unterworfe
schieden ¥rürde sich der h. Stuhl auf das tempon
habita berufen, wenn er es an der Z^t hielte,
oben genannte Erlaubnis zurückzuziehen. Allein
sogar davon ab und lassen Rümelin's «,eingeklei(
übliche Kirchenspracbe^' gelten. Wo in aller ^
ein Staat sich ge&llen lassen, da(s eine auswärtig
ja dals (wenn wir auch diesen unrichtigen Standpi
lassen wollen) eine Korporation ihm erst erlaubt
wegen Verbrechen gegen die Strafgesetze
Oericht zu stellen? Wie kann ein Staat sich
nur formell von einem auswärtigen Regenten in ein*
vertrag oder vollends von einer Korporation gefall«
Aber gerade, wo der Staat am demütigendsten sich
b^ebt, schüttelt er diese Demütigung am leid
mit der Ausrede der ,, üblichen Kirchensprache".
Neben dieser Bestimmung aber steht noch aus
die königliche Erklärung: „Wenn Verbrechen c
gehen von Geistlichen deren Verhaftung oder <
nehmung notwendig machen, so wird man dabei
weit dies möglich, die Rücksichten eintreten lassen
die dem geistlichen Stand gebührende Achtung er!
Der Bischof wird unbehindert (liberum erit) s
ziplinargewalt ausüben, nämHch „den Wandel d<
Uchen überwachen, und wo diese durch ihr Betraj
DAS wL'rtteubkkoische kokeobdat. 415
in irgendeiner andern Weise zu Ahndungen Anlafa geben,
in seinem GericLte die den kircblicben Gesetzen entsprechen-
den Strafen über die Schuldigen verhängen, wobei jedoch
der kanonische Rekurs bewahrt bleibt" Von irgendeinem
Mitrecht des Staates gegenüber von seinen Bürgern, die
doch die Kleriker auch sind, ist nicht die Rede. Ob der
Bischof einen solchen vor Gericht ziehen und verurteilen
darf auf blofse Denunziation, mit oder ohne prozessuaUsches
Verfahren, ist nicht gesagt Die Disziplinarstraten sind:
Verweise, Geldbufsen, Einberufung in das Korrektionshaus,
Amtssuspension, Versetzung, Zurücksetzung und Entlassung
vom Kirchenamt.
Die bischöfliche Insti-uktion allein (nicht der Text des
Konkordats) sagt nun : „ Wenn es sich bei Strafen von
Geisdichen um Privation oder Suspension vom Amte, um
länger dauernde Dctention in einem Korrektionshause oder
um gröfsere Geldbufsen handelt, so wird der Bischof von
seiner Strafverfiigung der königl. Regierung Mitteilung machen.
Wird aber zum Vollzug kirchlicher Strafen die staatliche
Mitwirkung in Anspruch genommen, so hat der Bischof der
königl. Regierung auf deren Verlangen die angemessenen
AuJ'klärungen zu geben."
Wer hat zu bestimmen, was „länger dauernde Detention'',
was „gröfsere Geldbufsen" sind? Offenbar nur der Bischof,
Wenn er einen noch so lang in ein Korrektions haus sperrt,
noch so hohe Geldstrafen ansetzt, er kann immer sagen, es
könnte noch länger, noch hoher sein. Aber auch vom höch-
sten Mafs hat der Bischot nur Mitteilung zu machen. Will
die Regierung nicht dieselbe einfach ad acta legen und den
Bischof gewähren lassen, so ist der Konflikt da, bei dem
eben wieder der Bischof sich auf die Konvention berufen
kann. Das brachium saoculare tritt nun in der bischöf-
lichen Instruktion plötzlich als etwas ganz Selbstverständliches
auf. „ Wild die staatliche Mitwirkung in Anspruch ge-
nommen." Über das Recht, den weltlichen Arm in Anspruch
zu nehmen, d. h. die Beihilfe der Regierung zu verhingen
zur Vollziehung kirchlicher Strafen, über die einzelnen Fälle,
wo derselbe einzuti-eten hat, ist nichts gesagt, sondern es
u
4t6 BCSZj
folgt ein&ch: Wo d^r Gemafianegelte ach niijit fügen iriltl'
wird der weltliche Arm in Ansprach genommen. Die ätisli> 1^
gewalt i«t der Gendarm d^r Kirche. — Welch' gro&e B^ |*
achränkung nun! Der Bischof darf d^ Begioimg aDo^
ding3 nicht ein^h vorschrobm: Eia^ mn& emgesdiritta
werden^ iv)ndern er mnis ihr aber den Fall Anfküuung ge>
ben, aber die Regierang maik diese Aofklarong^ erst Twkr
rerlangen. Die Grewähran^ des weidichen Arms ist djm
offenbar nach dem Wortlaut der Instraktion notwendig.
Wir finden nirgends eine äpar davon ^ dais derselbe tct-
weigert werden dorte. Nun wird allerdings wieder dne
Dolche reservatio mentalis eingeschoben werden , dals der
Staat y wenn ihm die ^angemessene Aofklarnng'^ nicht ge-
nüge, den weltlichen Arm verweigere. So ülEbX es andi
Römelin und geht sc^ar so weit, folgende Form za wahkn
(Ü, 21 8j: ;,Die Vollziehbarkeit der Straferkenntniase gegoi
Geistliche wider ihren Willen ist von der staatlichen Kogni-
tion abhängig/^ Stellt man diese Behauptung neben die
bischöfliche Instruktion, so erscheint sie doch etwas kühn.
Darin läge auch das Recht des recursus ab abnsn. Doch
lassen wir die Behauptung gelten. Der Staat hat wirklich
den Mut, seinen Arm zu verweigern. Da erhebt sich eben
wifjder der Konflikt. Nirgends ist eine Bestimmung, auf
die «ich der ^Staat berufen kann.
l>ftr Staat hat aber unzweifelhaft die Pflicht, die Geist-
lichen als Bürger gegen die Verletzung der bürgerlichen
RcA'hUi und Interessen zu schützen. Er hat seinen Kechts-
ftcjhutz deny^elbon angedeihen zu lassen. Dies ist im Gesetz
von 1HG2 geschehen.
Ks ist hier nicht der Ort zu untersuchen, ob und wie
weit fl(;r Staat in diesem Gesetz die kirchliche Disziplinar-
ge wjilt rirhtjf^ in ihre Grenzen gewiesen und dem Geist-
lichen als Hürger seinen Anspi*uch auf KcchtsJ^chutz gewahrt
hat. Af)f;r, (lal's das Gesetz hier die staatlichen und bürger-
licli(;n Intcn-sscn wahrt gegenüber der Konvention und so
wiedfrr „hiinnielweit" davon entfernt ist, ,, seinem Inhalt
nach nur die in andere Form umgegossene Konvention"
'AU sein, das leuchtet sogleich ein, wenn man gegenüber
DAS wCettembergische konkobdat, 41T
der Konvention den Wortlaut des Gesetzes stellt. Nach
Art. 6 ist der Geistlicbe als Staatsbürger darin sicher ge-
stellt, dafs die Kirchen Behörde nur auf Grund prozessualischen
Verfahrens Disziplinarstrafen verhängen darf. Ferner heilst
es: „Die Disziplinargewalt der kirchliclien Behörde kann
niemals durch Freiheitsentziehung geübt werden. Geldbufsen
dürfen den Betrag von 40 fl., die Einberufung in das Besse-
rungsfaaus der Diöcese darf die Dauer von sechs Wochen
nicht übersteigen." Allerdings seheint die „Freiheitsentziehung"
und das „ Boaserungshaus " einen Widerspruch zu enthalten,
allein die Regierungamotive behaupten , dal's nach VorauB-
gang des ersten Satzes die Einberufung ins Besserungshaua,
wie auch der Bischof erklärt habe, nie den Charakter einer
Gefängnisstrafe an sich tragen solle, dafs das Besserungs-
hans nie die Bedeutung haben dürfe, als sei es ein Haus
der Halt oder der zwangweisen Freiheitsentziehung, Wie
die Grenzlinie dieser subtilen Unterscheidung bestimmt mid
eingehalten werden soll, das ist freilich nicht so leicht zu
sagen : es wahrt hier der Staat praktisch die Freiheit seiner
Bürger nicht gehörig. Jedenfalls aber giebt der Artikel der
Regierung das Recht einer Kognition über das ßesserungshaus,
welche sie gewissenhaft üben soll, die ihr aber nach der Kon-
vention auch nicht im geringsten zustand, so dafs sie nichts
hätte darein sprechen können, wenn selbst, wie die betreffen-
den Verliandlungen in der preufsischen und hessischen Kam-
mer bewiesen, die Prügelstrafe darin angewendet würde.
So aber kann die Regierung die Einberufung ins Besse-
rungshaus verhindern, sobald sie sich überzeugt, dafs eine
Freiheitsentziehung damit verbunden ist, d. h. dafs der
Betreffende wider seinen Willen dorthin geschickt würde.
Art, 7 spricht nun eben klar und deutlich aus, was nach
Rumelin's Beliauptung (S. 218) angeblich in der Konvention
liegt (s, ob. S. 416). Art. 7 lautet: „Verfügungen und Er-
kenntnisse der Kirchengewalt können gegen die Person oder
das Vermögen eines Angehöi-igen der katholischen Kirche
wider dessen Willen nur von der Staatsgewalt vollzogen
werden." — Ebenso bestimmt sind die Bedingungen im Ge-
setz vorgezeichnet, unter welchen der weltliche Arm geliehen
a
418 BCKZ,
werden darf: ^Die Stmatsbeli^de isl jedodi nur dann be*
fagty ihre Mitwirkung hierza eintreten zn laiwen , wenn der
Bischof ihr zuvor über den FaD die earfoideriichen Ali
kliningen gegeben und sie hiernach die Verfogong oder
das Erkenntnis weder in formeller Hinsicht, nock
auch vom staatlichen Gesichtspunkt in mate-
rieller Beziehung zu beanstanden gefunden hat
Auch für die Führung einer kirchU^ien Untenndning daif
die Staatsbehörde auf Ersuchen der Kirdieiibeliorde nv
unter dersi^ben Voraussetzung mitwirkczL^ Diese — f»K^
Mitwirkung darf sich jedenlälb nidit anf die zwangswwe
Einberufung ins Besserxmgdiaus bendhen, denn das wiie
eine Fretheitsefiezkihung. Wenn RumeBn (Sl 232} sagt:
..I>sr Staat kann nicht erzwingen, dais ein wm BiKhof
entlassener, degradierter, exkommnnizaertier Gristürhcr gla^
wv>hl ^ine kirchlichen Funktional ilxt ¥easacla omd Tm
seiner Gemeinde ab ihr Priester und
wir>i~. so beu^ eMi diesem Kocjfkt Art. 6 nait
suaHschen Vert^hren Tor. wvxi^irch dem Angeklsigien das Bedt
gesfio&ert ist. alLe gesecz&hea Mittel zu seiner Vcitti^ging
acLweccec 2*jl diirr^r: *viz>i so nxLt emaem^ mamteilt n
wvriic s. i,;.'i. Art. c». S. 41 r . Xiiii der KocLTentioa kt
der ki- :z.:<oie Rek.ir> irr-ariirx. aÄ> z^zlecis rubch Rom,
w:ihrtci its Gr<f:r Art. Ij bescsisis: ^ DtaxpCnarstraf-
u~i -:lii'r5a.>:i.«r:i ilrtfn iii'i. £zi IzÄ»zaeaww«e nicht Tor
e:r. ä ,!.*> erie *:< : if > kir^'ilicie^s Gertckt «ezo^jen
* e r ,1 : - - S: ic:r^: -l5 «iÄtc: züamsl ia. Art 6^ 1. W
c^': t>:r:^ zi.: if- r^cin-'-stTTtf;! Be!5cü.^sseii der Eegk-
rurcv- ••■.r:: ."jLir :^cl ^»Viri-f ±3»^ hier Gesetz zlA
K;v/-;:u.n :l:l< ?«:lil. k JLirrec 'a ia* Bbscüjoüe ach mis
Vri.i :v<v«_-s>,-i - :»riz;>; r"!- r*ftrii-^2. k»>cnjeii^ wie mit
i:v. :i A\ :« :^:; :-z-.c ir.Cc:^c fizr«D:2iaHi . rilxrte ja lar
^.:v^ :.:.,■. r _• a - ri-.> :.lj^ -ilz. *j»;£Sds:niar sicn ^er-
r.:..,. C-. --i-.ji.fc AiTTr r-csciuiia koamuen Keäe
C'c .-«.«:: i.: >:i.jL:s:t;:;. ci;. .in.f fjjj £i*5**i;>*ir anter da»
>::ä c»>v:: c :■: c .^ l:: itr Siiv-iation nidiB
DAS WÜKTTEHBERQ[8CBE KONKORDAT. 419
Bbchof verklagen und so denselben auch als höheren Richter
dem Staat gegenüber anerkennen. Dabei käme es noch
sehr darauf an, oh dann der Bischof darin ein kanonisches
Vergehen erbÜckte, und so müfste sich der Staat abweisen
lassen. So wäre ea namentlich möghch bei Störung des
konfessionellen Friedens, wenn es ohne Beleidigung, Ruhe-
störung oder sonstige Vergehen gegen das Strafgesetzbuch
geschieht Denken wir aber auch an Mifaachtung der welt-
lichen Behörde, Ungehorsam gegen dieselbe, Dienstnachläasig-
keiten u. dgl.
Dagegen spricht sich das Gesetz Art. 5, Abs. 4 aus:
„Die Staatsbehörde ist befugt, einem Geistlichen wegen Un-
brauchbar keit oder Dienstverfehlungen die ihm vermöge
Gesetzes oder besonderen Auftrags übertragenen staatlichen
Geschäfte abzunehmen und einem Stellvertreter zu über-
tagen." Statt dafs das Gesetz femer das Vorgehen bei
^richtlich strai' baren Handinngen erst von der Erlaubnis
«les Papstes ableitet, bestimmt es (Art. 5, Abs. 3): „Bei
ichtlich strafbaren Dienstvergehen der katholischen Geist-
icben hat auch künftighin, wie bisher, das geineinschattliebe
)berBmt nach Anordnung und unter Leitung der Staats-
anfsichtsbehörde die Voruntersuchung (Art. 448 ff. der Straf-
prozefsordnung) zu fuhren."
Über die Disziplinargewalt gegen Laien spricht sich
die Konvention ganz bestimmt aus: CompeÜt idcm Epis-
ipo in laicoB ecclcsiasticarum legura transgreasores censuris
«nimadvertere. Die Laien sind dadurch ganz in die Hand
der Kirche gegeben. Der grufse Bann, der mit seinem
Verbot des Umgangs mit Gebannten in Handel und Wan-
del tief in das bürgerliche Leben einschneidet, sowie Inter-
dikt kann nach diesem Wortlaut unbedingt ausgesprochen
■werden. Nach dem kanonischen Rechte, welches der Bischof
gemäfs Art. IV der Konvention voll ausüben dai-f, eratreckt
«ich aber die Disziplinargewalt auch auf die Ketzer, Jeden-
&lls, sobald dem Bischof die Zeit gekommen schiene und
«r die Macht dazu in Händen hätte, kirchliche Zensuren
auch gegen Protestanten anzuwenden (nicht gegen Juden),
könnte er aicli durchaus auf die Konvention beraten.
t
420 BUNZ,
übrigens stehen ja die Akatholiken wie ^^Lathenuiv, 1^
Zwinglianer, Kalvinisten^^ samt ihren Beschützern, Gönnen |i
und Verteidigern nach der Nachtmahlsbulle schon unter I"
dem grofsen Kirchenbann. Die Konvention gestattet die I*
Ausführung desselben ^ sobald der Bischof dazu die Mack |<
hat. Das Gesetz beschränkt die Disziplinargewalt schoa
in seinem Titel: ^^ Verhältnis der Staatsgewalt zur katho-
lischen Kirche '^^ aber auch nach Art. 7 noch ausdrücklick
auf die „Angehörigen der katholischen Kirche".
Doch bleiben wir innerhalb der letzteren. Die Dis-
ziplinarmittel sind : OflFentliche Büfsungen, Tragen von Bufä-
kleidem (wenn auch temporum ratione habita fiir jetit
aufser Gebrauch, doch nicht aufgehoben), kleine Exkommoni-
kation, grofse Exkommunikation, Interdikt. Alle diese Zucht-
mittel auszuüben, hat nach der Konvention der Bischof we
nigstens im Prinzip das Recht, und Windhorst hat erst 1885
im Reichstag mit dem Interdikt gedroht Allerdings könnte
ein Verteidiger der Konvention sagen, gegen grofsen Bann
und Interdikt mit dem Eingreifen in bürgerliche Sphären,
in Handel und Wandel können die Bestimmungen des Straf-
gesetzbuchs über Beleidigung, Geschäftsbeeinträchtigung u. d^
angerufen werden, allein, wenn einmal der Kurie Vertrags-
mäfsig das Recht der Disziplinargewalt zugesichert ist, so
sind ihr gegenüber diese Bestimmungen ungültig. Jeden-
falls führt es, wenn der Staat sich nicht unter seinen eige-
nen Vertrag beugen wollte, zu den schwierigsten Konflikten
im einzelnen Fall, besonders wenn wir noch Art. XII dazu
nehmen, welcher ausdrücklich sagt: „quae vero legum
dispositiones eidem Conventioni adversantur, mutabuntur".
Also anstatt dais das Strafgesetzbuch hätte einschreiten
können gegen Disziplinarverfügungen , hätte dasselbe ge-
ändert werden müssen.
Das Gesetz nun unterscheidet sich dadurch schon we-
sentlich von der Konvention, dafs es nirgends eine Handhabe
bietet für die Anerkennung des Rechts einer vollständigen
Ausübung der Disziplin gegen Laien, vollends, wie wir oben
gesellen , gegen Ketzer. Aber eine weitere ausdrückHche
Bestimmung, wie solche z. B. das preufsische Gesetz enthält,
DAS WÜKTTEUBEBQISCHE KOKKOBDAT. 421
blt in Württemberg. Man wird dies einen Fehler nennen
pfisseD , denn ein Gesetz soll duch für alle Fälle vorsehen
jpd keiue rcaer^'atio mentalis in eich aufnehmen. Aber
steht das Gesetz noch nicht auf gleichem Ful's mit
■ Konvention. Würde 2. B. die grofse Exkommunikation
lit der Verkehrs sperre verhängt, so handelte es sich um
Vermögen dea Betreffendeu, wogegen Art. 7, Abs. 1
rieht (3. ob. S. 417). Zugleich ist § T2 der Verfasaung
^er bestimmend: „Dem König gebührt das staatliche Schutz-
md Aufsicfatsrecht über die Kirchen."
Art VI
der Konvention giebt den Verkehr von Klerus und Volk
mit dem b. ätnhle völlig frei und zwar in kirchlichen An-
gelegenheiten, ^enso den des Biacbois und des Klerus mit
dem Volk. Das Gleiche will Art. 20 des Gesetzes besagen:
„Der Veikehr mit den kirchlichen Obern wird von Staats wegen
nicht gebindert", denn das ist ja der Verkehr nicht biolä
von unten nach oben, sondern auch von oben nach unten.
Allein Art. VI der Konvention zieht daraus in Abs. 2 die
Konsequenz, dafs instructiones et ordinationes Episcopi, uec
nun synodi dioecoesanae , concilii provincialis , et ipsius
S. Sedis acta de rebus ecciesiasticis absque praevia
inspectione et adprobatione Rcgü Gebernü publicantm'. Was
die „ kii'cblichen Angelegenheiten" im Sinne der Kurie sind,
ist oben gesagt Diese Folgerung ist durch den schon
früher angeiiihrten Art. 1 des Gesetzes aufgehoben.
Art. VII
bandelt vom Schulwesen. Nach der Konvention wird der
Bischof die rehgiöse Unterweisung und Erziehung
der katholischen Jugend in allen öffenthchen und Privat-
Schulen ex proprii pastoiaiis officii munere dirigei-e und
vigilare. Er wird die Katechismen und Keligionsbücher
bestimmen. In den Elementarschulen erteilt der Geistliche
den Heligionsunterricht, in andern Lehranslalteu nur solche,
denen der Bischof die Ermächtigung verleiht. Von einem
422 BUSZ,
staatlichen Oberaufsichtsrecht ist keine Bede.
Nirgends steht ein Wort von dem, was wieder Ra-
melin (S. 218) fiir die Konvention beansprucht: ,,Die öffent-
liehen Schulen stehen unter der Staatsbehörde, und nur die
Leitung des Religionsunterrichts, aber auch diese nur unter
staatlicher Oberaufsicht, steht der Kirchengewalt za.^
Wenn also der Bischof den ReUgionsunterricht im Sinne
der Unduldsamkeit erteilen, staatsfeindliche Grundsätze ver-
breiten lassen will u. dgl., wenn er Religionsbücber in die-
sem Sinn einfuhrt, sie den Eltern aufzwingt, wenn er fried-
liebenden Religionslehrem die Ermächtigung entzieht, un-
duldsame Eiferer als Religionslehrer beruft, so ist er dazn
nach Art. VII berechtigt. Was alles unter dem Begriff
„ Erziehung '^ zusammengefafst werden kann, ist klar. Bei-
spielsweise gehört sogar das Schönschreiben dazu, insofern
vorgeschrieben werden kann, welchen Inhalt allein die Vor-
schriften haben dürfen, wenn sie die katholische Erziehung
fördern sollen. Wollte der Staat nach dem von Rümelin
Angeführten wieder mit seiner reservatio ein Halt! zurufen,
so weist der Bischof seinen „Schein", und der Konflikt ist
da. Ganz anders das Gesetz. Es spricht einfach aus,
was Rümelin in die Konvention erst hineinlegt, wenn Art. 13
sagt: „Die Leitung des katholischen Religionsunterrichts in
den Volksschulen (vgl. Art. 18 des Volksschulgesetzes vom
29. September 1836), sowie in den sonstigen öffentlichen
und Privat- rnterrichtsan stalten, einschliefslich der Bestimmung
der Katechismen und Religionsbandbücher , kommt dem
Bischof zu, unbeschadet des dem Staate über alle
Lehranstalten zukommenden Oberaufsichtsrechts."
Art. 38 des Gesetzes von 1836 lautet: „Die Oberschul-
behörde ist fiir die evangelischen Schulen das evangeUsche
Konsistorium, und für die katholischen Schulen der katho-
lische Kirchenrat, jedoch unbeschadet der bischöfUchen Be-
fugnisse hinsichtlich des Religionsunterrichts in den katho-
lischen Schulen." Das Oberaufsichtsrecht des Staates be-
dingt schon die einheitliche Leitung des Schulwesens, so
dafs es z. B. nicht dem alleinigen Willen des Bischofs zu-
kommt, die Zahl und Einteilung der Religionsstunden zu
DAS WÜRTTEMBEROISCHE KONKORDAT. 423
bestimiren. Der Staat hat Recht «nd Pflicht, darüber zu
wachen, dafs weder durch Personen noch Bücher, durch
die Erteilung des Religionsunterrichts Rechte und Interessen
des Staats und der bürgerlichen Gesellschait gefährdet wer-
den. Zudem hat der Geistliche nach Art 2 des Volksschul-
gesetzes von 18:16 vom Staat den Auftrag zum Religions-
unterricht und iäUt somit aulser diesem Art. 13 noch unter
den oben angelübrten Art, 5, Abs. 4 (a. ob, S, 419), Auf
die Religionalehrer an allen übrigen AnstaUen findet Art. 2,
Ab*, 2 des gegenwUrtigen Gesetzes Anwendung, nach wel-
chem die Ernennung von Geistlichen beim Militär und an
offen thchen Anstalten dem Staat vorbe hallen ist. Damit
will dem Staat durchaus nicht das Recht zugesprochen sein
(KUmelin S. 232), verfügen zu können, „wie die GcisÜichen
den Rehgionsunterricht an den Schulen zu erteilen haben,
nach welchen Lehrbüchern und welcher Methode". Das
hat niemand verlangt, aber Pflicht des Staates ist es, sein
Ober aufsichtsr echt zu wahren, wie es das Gesetz in der
oben angegebenen Weise gethan hat. Allein der Staat be-
gnügt sich in der Konvention nicht einmal mit der Preis-
gabe des Oberaufaichtsrechts über den Rehgionsunterricht.
Es verfügt noch die ausdrückliche königliche Erklärung zu
diesem Artikel; „Auf das Elementarsohulwesen wird dem
Bischof der mit der ■ bestehenden Gesetzgebung und der
notwendigen einheitlichen Leitung vereinbare Einflufs ge-
währt werden.'' Wie sich die Regierung diesen Einflufs
dachte, sagt sie selbst in den Motiven, nämlich, dafs „die
Staatsregierung zu wichtigeren, namentlich die inneren Seiten
des Unterrichts berührenden Änderungen nicht schreiten soll,
ohne auch die Kirch enbehörde gebort und ihre etwaigen
Einwendungen erwogen zu haben." Von einer Oberaufsicht
des Staats ist auch hier keine Rede Es ist gerade, als
scheue man sich, dieses Wort auszusprechen. Zwar heilst
es „der mit der bestehenden Gesetzgebung und der einheit-
lichen Leitung vereinbare Einflufs". Nach der eigenen Er-
klärung der Regierung in ihren Motiven kann sie Ände-
rungen im Schulunterricht nicht vornehmen, ohne den Bischof
gehört d. h., die Sache bei Licht betrachtet, seine Erlaubnis
424 üVHZ,
eingeholt zu haben. Will die OberBchulbeliörde etwas lu-
dern, der Bischol" abor sagt „Nein" und die Regierung iril)
seine Einwendungen nicht gelten lassen, so steht dem die
köuigl. Erklärung entgegen. Der Konflikt ist da. Sagt
der Bischol' „Ja", dann ist die Erlaubnis von ihm er-
teilt. Ea ist z. B. der reaÜstisclie Unterricht ' in den Volks-
schulen nicht durch Gesetz , sondera durch Miniaterial-
verfliguog vom IS. Juni 1864 eingelUhrt, also Unterricht
in Geschichte, Geographie, Naturgeschic iite und Naturlelire.
Hätte die Konvention zu Recht bestanden, so wäre nach
der eigenen obge nannten Erklärung der Regierung das
künigl. jyiiuisterium durchaus zu dem Erlals nicht befugt
gewesen, ohne Zustimmung des Bischofs. Hätte der Bischof
dieselbe nicht geben wollen oder von Bedingungen abhängig
gemacht , die Regierung wäre darauf nicht eingegangen,
welche Streitigkeiten hätte es gegeben um die Eioftihrung
des i-ealisti sehen Unterrichts? und wer wäre im Kampf
Sieger geblieben? Hätte aber, um dieses Beispiel weiter
zu benutzen, die Regierung den realistischen Unterricht
durch ein Gesetz einführen wollen, so wäre der gleiche Fall
eingetreten, denn die königl, Erklärung spricht nur von
dem „mit der bestehenden Gesetzgebung" vereinbaren
Eintluls. Die 1857 beatehendo Gesetzgebung verlangt aber
Art. 2 als „wesentliche Gegenstände des Unterrichts in der
Volksschule" nui" „Religions- und Sittenlehre, Lesen, Schrei-
ben, deutsche Sprache, Rechnen und Singen". Doch der
Bischof hätte nach dem Wortlaut der königl. Erklärung,
und an den hätte er sich doch wohl gehalten, nicht nötig
gehabt zu warten, bis die Regierung bei ihm Änderungen
beantragt. Er hätte selbst solche verlangen können bis zur
Änderung in Beziehung auf Personen, wenn solche z. B.
etwa den Gescliichtsuulerricht nicht nach dem Sinne des
Bischol's erteilen. Ja es konnte dem Bischof auch diese
Bestimmung als Basis dienen, die bestehende Gesetzgebung
einer Änderung nahe zu führen, wie dieselbe schon durch
Art VU im Handuradi-ciien geändert wurde. In Art. 2
1) Vgl. aohon GoltLcr S. 180.
DAS WÜRTTEMBEROISCHE KONKORDAT. 425
r
B des Gesetzes von 1836 ist gesagt: „Der Religionsunterricht
ist in allen Volksschulen, soweit nicht in besonderen
Fällen die Oberschulbehörde etwas anderes an-
ordnet, unter angemessener Teilnahme der
Schullehrer von dem Ortsgeiatlichen zu erteilen,"
Art. VII der Konvention sagt ganz einfach: „In den
Elementarschulen erteilt der Ortsgei st liehe den Religionsunter-
richt." Ist hier der „Einflufs" des Bischofs mächtiger geworden
als das Gesetz, warum ist das nicht auch sonst möglich ? Doch
auch innei'halb der Schranken des „bestehenden Gesetzes"
ist der Konflikt leicht gemacht. Verlangt z. B. der Bischof
eine Einschränkung des Unterrichts in der deutschen Sprache,
um etwa dem Religionsunterricht mehr Stunden zuzuweisen,
so kann sich der Kirchenrat darauf berufen: Ich bin nach
Art. 18 des Gesetzes von 1836 die Obersclmlbehörde und
habe zu bestimmen. Der Bischof dagegen wird sagen: Ich
habe nach Art. VII der Konvention von 1857 meinen Ein-
flufs zu beanspruchen. Das Gleiche gilt von der „einheit-
lichen Leitung". Es ist nirgends gesagt, wem diese zu-
kommt. Der Bischof kann dieselbe am Ende auch für sich
beanspruchen; es kann somit, wenn der Staat nicht darauf
eingebt, wieder ein Konflikt entstehen, bei dem jeder Teil auf
gleichem Boden stünde. Sobald Art. VII das Oberaufsich ts-
recht des Staats gewährt hätte, wäi-e klar gewesen, bei wem
die letzte Entscheidung liegt.
Das Gesetz von 1862 weifs nun von einem „Einflufs"
des Bischofs auf das gesamte Elementarscbulwesen, auch
aufserhalb des Religionsunterrichts, durchaus nichts. Ea stellt
in dem schon angeführten Art. 13 das „dem Staat über alle
Lehranstalten zukommende Oberautaich tsrecht " fest und hält
demgemäfs das Volksschulgesetz von 1836 mit den Novellen
von 1858 (und 1865) aufrecht in seinem ganzen Umfang.
Art. VIII
handelt von der Erziehung des Klerus und stellt zuerst den
Satz auf: Liberum erit Episcopo, engere Scminariura juxta
formam Concilii Tridentini. Im deutschen Text heifst es
(nicht btofs ein Seminar, sondern) Seminarien. In dieselben
i^
426 BUNZ;
soll er Jünglinge und Knaben zur Ausbildung au&ehmen
dürfen, quos pro necessitate et utilitate Dioecoesis soae
recipiendos judicaverit. Hujus Seminarii ordinatio, doctrina,
gubematio et administratio Episcopi auctoritati pleno libero-
que jure subjectae erunt Bectores quoque, et Pirofeasopei
seu Magisti*os Episcopus nominabit; et quotiescunque neoes-
sarium vel utile ab ipso censebitur, removebit. Kurz a
sind ganz und gar die Seminarien nach tridentinischer Vo^
Schrift (nach dem Vorbilde des Collegiuni Geimanicum in
Rom); wo die klösterliche Erziehung und der Unterricht in
der Hand des Bischofs Hegt, ohne dafs der Staat eine Ga-
rantie für die richtige Heranbildung der Kleriker hat Da-
mit diese Seminarien doch ja bald praktisch werden können,
bestimmt eine königl. Erklärung zu Art. X: >>Die königL
Regienmg wird nicht hindern , dafs der Bischof einen Teil
der Überschüsse aus den Erträgnissen des Interkalarfonds
auf bischöfliche Seminarien verwende" — ftir den Fall,
dafs die Kammern die den Konvikten bisher gewährte
Staatsunterstützung den Seminarien nicht zugestehen wollten.
Eben; weil letztere nur eine Frage der Zeit sind, fährt auch
der Art. VIII fort : „ Quam diu vero Seminarium ad normam
Tridentini consilii desiderabitur." — — Es ist gerade, als
ob Rümelin von diesem Hauptinhalte des Artikels gar nichts
wüfste, wenn er (S. 218) wieder so zuversichtlich sagt:
„Auf die Bildung der Geistlichkeit übte die Re-
gierung durch die von ihr unterhaltenen Kon-
vikte, die in dem Organismus der Landesuniver-
sität verbleibende theologische Fakultät aus-
gedehnten Einflufs au8."(!) — Auf diesen Satz müssen
wir später noch einmal zurückkommen.
Bei der Stellung, welche die Geistlichen im Volksleben
einnehmen, „der dem geistlichen Stand gebührenden Ach-
tung*', welche die Konvention selbst (Art. V) in Anspruch
nimmt, bei der bevorzugten öffentlichen und rechtlichen
Stellung der Kirche, bei den Funktionen, die der Staat dem
Geistlichen anvertraut, ist es Pflicht des letzteren, nicht
etwa über die theologischen Kenntnisse eines Klerikers zu
entscheiden, auch nicht, wie Rümelin dem nicht auf der
'■ DAS WÜRTTEMBEBGISCHE KONKORDAT, 427
■ Konvention ruhenden Standpunkt (also eigentlich dem Ge-
I aetz von 1862) vorwirft (S. 232), den Biachof zu „nötigen,
Kandidaten, die den theologischen Unterricht von Lehrern,
welche die Kirche dazu nicht für befähigt erklärt, erhalten
haben, ins Priesterseniinar aufzunehmen ", aber es ist Pflicht
des Staates, die Gewil'sheit sich zu verschaffen, dafs nicht
ein Teil seiner Bürger, welche noch dazu ins öffentliche
Leben eintreten sollen, in Kloaterart abgesclJosaen von den
andern, entfernt von ihrem Bildungsgang, allein im Gehor-
sam gegen eine einzelne Korporation, ja gegen einen frem-
den Souverän, erzogen werden, dafs ferner die religiösen
Erzieher seines Volkes jene allgemeine wisse nachaltÜche
Bildung erhalten, die sie zu ihrem wichtigen Berufe tahig
macht Es ist dies ein Grundsatz, der ja jetzt, aufser von
ultramontaner Seite, allseitig anerkannt ist.
Durch den oben genannten Hauptsatz des Artikels sind
die württembergischen Konvikte im Prinzip schon beseitigt. In
der Fortsetzung: „So lange aber Seminarien in besagter Form
nicht errichtet sind", sind sie auf den Aussterbeetat gesetzt.
Allgemein bekannt sind die segensreichen Stiftungen
König Wilhelm's aus dem Jahre iyi7: die Errichtung einer
katholisch -theologischen Fakultät an der Universität Tü-
bingen und die GrUndung des höheren Konviktes daselbst,
zu welchem 1824 noch zwei niedere Konvikte (zu Ehingen
and Rottweil) kamen.
Dank diesen Einrichtungen hat der katholische Klerus
in Württemberg seine Stelle immer würdig ausgolüllt und
auch im Auslände den Ruf einer ausgezeichneten wissen-
Bchaftlichen und pastoralen Tüchtigkeit erlaugt. \\'ir reden
mit den Worten eines ultramontanen Blattes, des Mainzer
Journals von 1876: „Welch ein Gluck ist es, wenn eine
katholische Gemeinde einen echt priesterlichen, vom Geiste
des Glaubens und der Liebe erfüllten Geistlichen besitzt —
einen Mann, der am Altare fromm und würdig die h. Ge-
heimnisse feiert, der auf der Kanzel mit h. Eifer im Geiste
des Ernstes und der Milde die ewigen Wahrheiten verkün-
digt, der im Beichtstuhle mit geschickter Hand die Wunden
der Seele heilt und die Seelen zu höherer Tugend und Voll-
Ü
kommenheit hinführt, der in der Schule und in der Christa-
lehre die Jugend mit dem Geiste echter Religiosität tmd
Pietät erfüllt, der am Kranken- und Sterbebette wahrhaft
zu trösten und ihre Blicke zum Himmel zu lenken wöb
und der in allen Fällen des Lebens seinen Pfarrkindern
ein treuer Freund und Berater ist." Diese Schilderung gut
(wenn vielleicht auch nicht im Sinne des Maiuzi^r Journal*)
von der württembergischen Geistlichkeit. Nur hat sie ge-
rade ihre Erziehung und wissenschaftliche Bildung vor einem
einseifigen, befangenen, zelotischen Wesen bis daher bewahrt
und wo dasselbe importiert werden soll, da will es doch
bis heute den württein bergischen Geistlichen noch nicht
recht passen. Die Kleriker selbst mit dem Bischof an der
Spitze wissen diese Einrichtung der Konvikte als ein Kläood
der würtfembergischen Zustände zu schätzen.
Wir wollen nicht den sentimentalen Standpunkt diesen
ehrwürdigen, erprobten Institutionen gegenüber einnehmen, —
ehrwürdig nicht durch besonders hohes Alter , aber durch
den Segen, den sie schon gestiftet, und durch Gldcfaartig-
keit mit den entsprechenden alterprobten Institutionen der
evangehschcn Kirche, Wir wollen uns auf den patriotischen
Standpunkt stellen. Wer hätte glauben sollen , dafs ein
Wiirttem berger, ein in den gleichen evangelischen Institu-
tionen gebildeter württembergischer Theologe diesen
Stolz ^Vürttemhergs , diesen Hort tüchtiger Bildung und
echter, aber freilich eben darum friedlicher Religiosität, den
mit umsichtiger Weisheit und wahrhaft I and es väterlicher
Fürsorge König Wilhelm in dankbarer Übereinstimmimg
mit der kirchlichen Behörde gegründet, dafs ein württem-
bergischer Patriot imstande wäre, diese Kon-
vikte mit einem Federstrich, kühl bis ans Herz
hinan, dem Untergange zu weihen?! — Oder ist dies
vielleicht nicht der Fall? Müssen wir am Ende, besonders
nach der neuesten Aufserung, wie sie oben S. 426 ange-
führt ist, wieder eine solche reservatio mentaUs annelimea,
nach welcher dann freilich die vollen drei ersten Abschnitte
von Art. VIII als nicht existierend angesehen werden
raüfsten? Allein sie stehen da, und es wird doch der Text
DAS wCbttbhbergibche komkobdat. 129
- der Konvention der autbentiacbe sein und uicht eine kurze
Bemerkang in einem getegentlicb gescbriebenen Aufsatz.
Und aiclier würden aeiteus der Kirche Aiiataltea getroffen
sein, dafa Art. VIII nicht ein Blatt Papier geblieben wäre.
Ist ja schon durch die Bestimmung des Interkalartbuds da-
für gesorgt. Dabei wird der Zusatz in der königl. Erklä-
rung (S. 426): „vorausgesetzt, dafs vor allein die in der
Konveatioii festgesetzten Verbindlichkeiten des Interkalar-
fonda immer eriüllt seien", nicht viel Bedeutung haben.
Diese Verbindlichkeiten sind nach Art. X, Abs. 5: »Er-
gänzung der Pfarrgehalte bis zur Kongrua, Anweisung von
angemessenen Peuaionen für altersschwache und gebrech-
liche Pfründner, zu den Tiscbtitcln für neu zu weihende
Getsthche und zu den Kosten der notwendigen aufserordent-
lichen Vikarien." Wie wir sehen werden, hat der Bischof
den Interkalarfond in der Hand. Wollte er nun einmal an
den vorhin bestimmten Verbindlichkeiten etwas nachlassen,
«twa zugunsten von Öeminarien, so hat er die meisten Stim-
men, und wollte der Staat sich dagegen durch seine Mit-
glieder der Kommission verwahren, so führt es wieder zum
KonJÜkt überdies aber würde nach der Konvention der
Interkalarfond dem Bischot ganz in die Uände gegeben, so-
bald die Staatskasse keine Beiträge mehr leistet
Im Gesetz geschieht der Seminaricn gar keine Er-
wähnung, eben weil solche in Wüi-ttemberg nicht eingeitihrt
werden süllen. Denselben steht aber im Gesetz entgegen
Art. 3 von der „vom Staat anerkannten wissenschaltlicben
Vorbildung". Diese Vorbildung verlangt gerade den Be-
such der Gymnasien und der Universität. Zweck der Se-
minaricn ist ja aber, dafs die Zöglinge nicht an Gymnasien
und Universität, sondern ausscbliefslich in diesen klösterlich
eingerichteten Anstalten ihre Bildung erlangen.
Doch wenn auch ein solches Semiuar vorläufig noch
nicht bestand, so gewährt die Konvention dem Bischof so-
viel Rechte über die bestehenden Kouvikte, durch welche
sie in tridontinische Seminarien verwandelt werden konnten,
dafs die oben S. 426 angeführte Beliauptung Kümelin'a:
„Auf die Bildung der Geistlichkeit übt die Regierung aus-
430 BUNZy
gedehnten Einflufs aus''; auch von dieser Seite ber al ^
eigentümliches Licht erhält Bis zur Konvention wir b | q
Leitung der Konvikte ganz in den Händen des kathofidn
EirchenratS; also einer Staatsbehörde. I>er Bischof wv ai | ]
blofse Vor^hläge und Wünsche beschr&nkt. Die znrBe*
au&ichtigung des Wandels und der Studien bestellteD h
Petenten wurden ausschliefslich von der Staatsbehörde, der
Vorsteher auf deren Vorschlag vom König ernannt, wobei
nur eine vorgängige Rücksprache mit dem Bischof in An-
sicht genommen war. Die Visitation der Konvikte wv
ganz in der Hand der Staatsbehörde ^ welche sich nur tot-
behielt; je nach Umständen bei der des höheren Konvikis
an der Universität den Bischof zur Beigebung eines Abge-
ordneten einzuladen. Die niedem Konvikte an GynmaakD
durfte der Bischof oder sein Kommissär nur besuchen aus Ankfs
zufälliger Anwesenheit an ihrem Sitze. Den von dem nicht
konfessionellen Studienrat vorgenommenen Aufnahmeprüfungen
durfte kein bischöflicher Kommissär anwohnen. Die Beridite
der Vorsteher gingen ausschliefslich an den Elirchenrat
Die Konvention stellt nun in Art VUE, a die drei
Konvikte zu Ehingen , Rottweil und Tübingen ^^ bezüglich
der religiösen Erziehung und der Hausordnung unter die
Leitung und Aufsicht des Bischofs ^^ ohne dem Staat irgend-
ein Oberaufsichts - und Einspracherecht zu wahren. Es
leuchtet ein, was alles unter den Begriff ;,educatio religiosa''
und „ disciplina domestica " gefafst werden kann, einfach die
ganze Leitung. Will z. B. die Staatsbehörde ein philo-
sophisches Kolleg anordnen ; so kann der Bischof erklären,
dafs es der religiösen Erziehung schade, oder will etwa der
Bisdiof die Zöglinge von allem Umgang mit andern in
klösterlicher Abgeschiedenheit abschliefsen , so kann er sich
auf die Hausordnung berufen. Hätte der Staat sein Ober-
aufsichtsrecht gewahrt, so könnte er schon krafb dessen
drt^ureden. Will er aber jetzt sagen: So habe ich's nicht
gtnneint, dann besteht der Bischof wieder auf seinem Schein
und der Konflikt ist da. Ja noch mehr: „Vorsteher und
Kepotenten der genannten Institute wird der Bischof er-
nennen und entlassen" (Art. VUI, c). Es ist zwar die
DAS wChttembeegiscbe konkokdat. 4SI
I Klausel beigelügt: „Quoa tarnen gravibua de causis facto-
qae innitentibus circa res civiles et politicas Regio Gubernio
BÜnus acceptoa esse resciverit, imnquam eliget. Ilem quoa
postea ob easdem causas ingratos Gubernio evasisae com-
pererit, dimittet." Die Regierung mufa also in solchem Fall
mit einem Ersuchen zum Bischof kommen. Aber die Frage
ist nun wieder die, wie oben bei Ai-t IV „Bischöfl. In-
struktion" über Anstellung der Geistlichen: Bei wem liegt
die Entscheidung, ob die Gründe „graves", „erheblich"
sind? Da der Bischof es ist, welcher ernennt und entläfst,
doch Wühl bei diesem. Ihm können sie nicht erheblich und
die Thatsacben nicht prägnant genug erscheinen. Dann
wird Regium Gubemium mit seinem Anspruch abgewiesen,
und fügt es sich nicht, giebt'a Konflikt. Noch weiten „Dem
Biachol' steht es zu, diese Institute zu visitieren, eigene Ab-
geordnete den öffentlichen Prüfungen, zumal jenen für dia
Au&ahme neuer Zöglinge beizugeben, und sich periodiache
Berichte erstatten zu lassen" (Art. VIII, d). Für die sogen.
niederen Konvikte mit der Vorbereitung auf die UniversitÄt
ist dann noch folgendes beetimmt: „Insofern die Zöglinge
dieser Institute den Unterricht an selbatändigen staatlichen
Studienan stalten erhalten, stehen sie gleich den andern Schü-
lern unter den für diese Studienan stalten geltenden Gesetzen
und dem fiir dieselben vorgeschriebenen Lehrplan" (Art
VIII, b). Diese Gesetze können aber nur gelten fiir die
Zeit der Unterrichtaatunden , denn sobald diese vorüber
sind, heifst es diacipUna domestica, die unter dem Bischof
steht (s. S. 430). Wenn aber dem Bischof diese Ge-
setze für die religiöse Erziehung oder am Ende auch fiir
die Hausordnung nachteilig erscheinen, wenn sie zu lax
sind, zu paritätisch, zu sehr den möglichen Einflufs Anders-
gläubiger begünstigen? Wenn der Lehrplan dem Bischof
nicht gelallt, in formeller Beziehung Unterrichtsstunden zu
einer Zeit ansetzt, welche der Hausordnung nicht entspricht,
in materieller Beziehung dem religiösen Stoflf zu wenig
Rechnung trägt, Lehrbücher oder Pensen aufgiebt, die dem
Bischof nicht genehm sind? \A'enn endlich Lehrer ange-
stellt Bind, die etwa bei aller sonstigen Tüchtigkeit eben
432 BCBZ,
dem Bischof nicbt katholiscli genug sind, oder wenn gar
ein Äkatholik an diesea titaategymnasieu angestellt we^
den Holi? Dann giebt'a eben wieder den Konflikt, vmi
man versucht sein, zu antworten. Doch nein I Auch dalur
ist gesorgt. Die Regierung steht hier unter dem BisciiaC
Der Konflikt kann höchstens auf einer entfernteren Poaitiuii
entstehen, wo dem Bischof schon viel mehr Boden dem Staat
gegenüber eingeräumt ist. Es heifst nämÜch gleich: „Sollte
aber der Bischof bezüglich der Gymnasien hierin" (in Gesetzen
und Lehrplan) „eine Änderung für notwendig oder zweck-
mäfsig" (necessariam vel magis opportnnani) „erachten,
so wird er sich ins Einvernehmen setzen mit der konigL
Kegierung, welche auch iiirerseits nichts ändern wird oluie
vorheriges Einvemehmeu mit dem Bischöfe." Inbetreff der
Lehrer ist gesorgt durch Art. VilJ, e: „Die königl. Regie-
rung wird daiur Sorge tragen, dafs an den oberen Gjtü-
nasien, mit welchen die niederen Konvikle verbunden sind,
nach und nach nur Professoren ex Ciericorum ordine an-
gestellt werden." Inbetreff der Änderungen ist wieder das
höchst unbestimmte ominöse conüilia conferre der Angel-
punkt Der Bischof hält Änderungen für nöüg (judicaverit),
solche müssen also vorgenommen werden von seinem Stand-
punkte aus, nur mufs der Bisehof beratschlagen mit der
Regierung oder wie der authentische Text wieder so un-
bestimmt sagt; „sich ins Einvernehmen setzen", wie die
Kegierung selbst in den Motiven zum Gcsctzesentwurf den
Sinn angiebt von ,, Einverständnis" oder „Zustimmung".
Die Konvention selbst giebt, wie schon oben bei der be-
treffenden Stelle bemerkt, einmal die Erklärung dieses con-
siha conferre in der bischOll. Instruktion zu Art IV, d.
An diese von der Konvention selbst gegebene Erklärung
von „consiha conferre " wird sich der Bischof auch hier
halten. Will er eine Änderung und es kommt nicht zum
Einvernehmen mit dem Staat, so hat es letzterer sich selbst
zuzuschreiben, wenn der Bischof nun dennoch mit seiner
Ändorung vorgeht. Allerdings kann der Staat auch auf
dies dringendste Verlangen des Bischofs vermöge seiner Ge-
walt eine Änderung ablehnen, aber dann ist der Konflikt
DAS wl^BTTEMBEBOISCHE KONKORDAT. 433
da, und der Staat hat auf seiner Seite nur das Recht der
- Gewalt, ob dann die Professoren ex Clericoruin ordine „den
- Menschen mehr gehorchen als Gott", ist die Frage. Wena
■ nun vollends die Regierung in einer besonderen königl. Er-
klärung die Zusicherung giebt: „Es wird dem Bischof nie
erschwert werden, die Entfernung eines von ihm für un-
würdig erklärten Zöglinge aus den üflentlichen Konvikten
zu erwirken", was bleibt denn da eigentlich der Regierung
noch übrig? Einmal allein der Streit mit dem Bischof,
wenn sie Lebrplan und Gesetze der Gymnasien nicht nach
seiner Vorschrilt einrichten will, dann zum zweiten die
Prüfung und Aufnahme der Zöglinge auch gegen den Wider-
spruch des bischöflichen Kommissärs. Ist aber ein Zögling
autgenommen, so kann er nach der königl. Erklärung gleich
am andern Tage vom Bischof wieder ausgewiesen werden!
Es hätte also die Regierung bei den niederen Konvikten
nur die einzige unbestreitbare Macht, einen Zögling auf
Grund der Prüfung nicht aufzunehmen. Die Gültigkeit der
Einsprache gegen Vorsteher und Repetenten hängt ja, wie
wir gesehen haben, ganz vom Bischof ab. So sind nicht
blofs die Konvikte, sondern selbst die Staatsgymnasien an
deren Sitz dem Bischof in die Hand gegeben, imd wenn er
aus den ersteren faktisch den Tridentinischen ähnliche Se-
nünarien macht, so kann das nicht gehindert werden. Es
bleibt daher an Riiniclin's stohier Behauptimg von dem „ aus-
gedehnten EinHufs" des Staates auf „die Bildung der Geist-
lichkeit" nur das Wort übrig „die von ihm unterhalte-
nen Konvikte" (nur das Recht, die Konvikte zu dotieren,
wird dem Staat nicht bestritten), eine Wahi-heit, an welcher
weder die weitgehendsten Kollektivuoton der Bischöfe, noch
die Kunvendun rütteln wollten, welche letztere vielmehr die-
selbe beiläutig in den Text aufgenommen und so die Ver-
pflichtung des Staates vertragamäfsig festgestellt hat: „Quamdiu
vero Seniinarium ad normam Tridentini concilü desiderabitur,
et Convictus public! aerarii maxirae sumptibua
sustentati Ehingae, Rotvilae, Tubingae, existent, haec
observabuntur": Das Recht, das Gold herzugeben,
wird dem Staate immer gnädigst gelassen.
i
434 BUNZ,
Das Gesetz hingegen I&Tst dem Bischof die Ldto;
der religiösen Erziehung und der Hausordnung nur a-
kommen unter ^^Oberaufsicht der Staatsgewalt^^ nai
letztere nur^ insoweit sie durch die religiöse Erziekiu;
bedingt ist. ^^In den übrigen Beziehungen stehen dieaelbei
unter der unmittelbaren Leitung der Staatsbehörda Ins-
besondere hängt die Aufnahme und Entlassung der Z5|-
linge von der Staatsbehörde ab'' (Art 11). Danach ist ie
Bischof verpflichtet; wenn er eine Änderung in dieser aemer
Sphäre y der Hausordnung oder religiösen Erziehung to"
nehmen will, der Staatsbehörde Mitteilung zu machen, ob
sie vom staatlichen Gesichtspunkte aus keinen Anstand er-
hebt, ob z. B. die Erziehung der Zöglinge nicht in einon
der bürgerlichen Gesellschaft oder dem Staate feindseUgen
und nachteiligen Sinn geleitet werde ; ob sie nicht den
Unterricht an der Universität und den Gymnasien entgegen-
wirke u. s. f. Dabei ist der Staat vermöge seiner ausdrück-
lich gewahrten Oberaufsicht der entscheidende TeiL In den
Lehrplan und die Gesetze der selbständigen staatlichen An-
stalten; an denen die Zöglinge ihren Unterricht erhalten, hat
der Bischof nichts darein zu reden, ebenso wenig bei der
Anstellung der Professoren an den beiden Gymnasien oder
an der Universität.
Dem Bischof giebt Art 12 des Gesetzes ebenfalls das
Recht der Ernennung der Vorsteher und Repetenten der drei
Eonvikte. Allein der Bischof darf die Vorsteher nur „aus
der Zahl der am Sitz der Eonvikte angestellten Professoren
oder Kirchendiener" ernennen. Die Professoren sind sämt-
lich vom Staat ernannte Staatsdiener. Die Kirchendiener
sind nicht anders als nach dem Gesetz ernannt, also vom
Staat schon vorher anerkannt Thatsächlich aber gestaltet
sich die Sache noch so, dafs die Stellen der Ortsgeistlichen
zum Patronat der Krone gehören in Ehingen, Rottweil und
Tübingen, dafs die Stelle des Konviktsdirektors in Tübingen
mit der dortigen Stadtpfarrstelle vereinigt ist.
So hat sich der Bischof immer, ehe er diese Stelle be-
setzt, zu vergewissern, ob der König den von ihm in Aus-
sicht genommenen Mann auch auf die Stadtpfarrstelle er-
«aeiiDen will, und erst wenn letztere Ernennung erfolgt ist^
^^amennt ihn der Bischof auf die Konviktdirektorsetelle. Aus-
.ydrückJich ist aber auch auf die Repetenten das Recht der
, lAusschheffiung durch die Staats regierung von Art, 4, Abs. 1
p angewendet in Art. 12, Abs. 2 und zwar auch für den
g Fall, „wenn ein Vorstand oder Repetent nach seiner
, Ernennung in bürgerlicher oder politiacher Beziehung der
( Regierung unangenehm geworden ist." Zudem ist nach
Mini sterial Verfügung vom 12. Oktober 1859 als oberste Lei-
tung die Konviktakommission für das höhere Konvikt in
Tübingen eingesetzt, bestehend aus den Mitgliedern der ka-
tholisch-theologischen Fakultät und dem Konviktsdirektor,
wobei das älteste Mitglied der Fakultät den VorBitz führt
Zu ihrer Zuständigkeit gehört alles, was sich auf den Stu-
dienplan und die wissen seh altliche Ausbildung der Zöghnge
bezieht, soweit diese nicht von der Universität schon nor-
miert sind, ebenso alle wichtigeren DisziplinarfUlle und die
Gutachten und Anträge an die Staats- und Kirchenbehörde.
Art. IX
beschäftigt sich mit der katholisch-theologischen
Fakultät der Landeauniversltät. Facultas theologica ca-
tholica Universitatis Regiae quoad münus docendi ecclesiasti-
cum Kpiscopi regimini et inapectioni subest. Potest proinde-
Epiacopus ProfessorJbuä et Magistiis docendi auctoritatemj
et raissionem tribuere, eamdemque, quum id opportunum
censuerit , revocare , ab ipais fidei proleasionem exigere,
eorumque scripta et compendia auo examiui subjicere.
Daa Berufungs- und Anstellungsrecht des Staats ist damit
illusorisch gemacht, und er hat nur noch das Recht, dieser
rein kirchlichen Anstalt seine Mittel und seinen Schutz
zur Verfügung zu stellen. Die theologischo Fakultät ist
mit dieser Bestimmung ganz und gar dem Bischof unterworfen,
von der übrigen Universität so getrennt, dafs es unzulässig
ist, unter diesen Verhältnissen noch von der „in dem Or-
ganismus der Landesuniversität verbleibenden theologischen
Fakultät" sprechen zu wollen (Rümelin S. 21B). Ein Kon-
flikt ist da allerdings nicht mehr möglich, wo der
436 BüNZ,
Staat auch gar nichts mehr drein zu reden hat, wo du
Oberaufsichtsrecht des Staates in ein Aufsichti-
recht des Bischofs über eine Staatsanstalt und
staatliche Funktionen verwandelt ist. Auch für
die Professoren, die wenigstens nomineU noch Universitit».
Professoren und Staatsdiener sind, ist eine solche Beaufsich-
tigung, mag sie herkommen wo sie will, ja schon als Min-
ner höchst kränkend, wenn sie durchaus der Willkür (quam
id opportunum censuerit) eines dritten fiir ihre ganze Stel-
lung anheimgegeben sind. Auch da hätte einem württem-
bergiscben Patrioten doch der Hinblick auf die würdige
und ruhmvolle Geschichte der jungen katholisch-theologischen
Fakultät, auf die treue, unermüdete und opferwillige Für-
sorge des Königs und der Staatsregierung die Feder zurück-
halten sollen, einen solchen Auslieferungsvertrag zu unter-
zeichnen.
Wollte sich die Regierung nicht die Frage vorlegen, ob
€S ihr unter solchen Umständen noch möglich sei, wie bis-
her, tüchtige Ki'äfte füi* die Lehrstühle der Fakultät zu ge-
winnen, so hätte sie sich doch fragen sollen, ob sie das
Recht habe, die Existenz ihrer Staatsbürger und -diener so
schutzlos dem opportunum einer anderen Gewalt auszusetzen.
Doch nicht genug mit der katholisch-theologischen Fakultät
Die Regierung geht noch weiter und liefert auch die philo-
sophische Fakultät zum Teil aus. Eine besondere könig-
liche Erklärung zu diesem Artikel sagt: „Damit den
Zöglingen des Wilhelmstifts (Konvikt) in Tübingen Gelegen-
heit werde, philosophische Vorlesungen bei Katholiken zu
hören, wird vor allem der Bischof von dem ihm durch die
Ernennung des Direktors und der Repetenten dieser Anstalt
zustehenden Mittel Gebrauch machend, das Geeignete ver-
fügen. Allein auch die königliche Regierung wird
bei Besetzung der Lehrstühle in der philosophi-
schen Fakultät auf diesen Gegenstand die thun-
lichste Rücksicht nehme n." Dieses „ Rücksichtnehmen "
ist wieder so ein unbestimmter Ausdruck, der es dem Bischof
in die Hand gicbt, die Regierung zu drängen, bis die philo-
sophische Fakultät (denken wu' namentlich an Geschichte)
DAS wt'RTTESrBEBßISCHE KONKORDAT. 437
zum mindesten mit Katholiken besetzt, ja am Ende teilweise
in seiner Hand ist.
Das Gesetz dagegen bestimmt Art. 14 klar: „Gegen
einen Lehrer der kathoÜBch-theologischen Fakultät der Uni-
versität, dessen Lehrvorträge nach dem Urteile des Bischofs
wider die Grundsätze der katholischen Kirchen lehre ver-
stofeen, kann eine Verfügung nur von der Staats-
behörde getroffen werden." Damit bleibt die Fa-
kultät „in dem Organismus der Landesuniversität" und erat
durch das Gesetz ist das oben angeführte Wort Rümelin's
wieder zur Wahrheit geworden.
Der Bischof darf zwar einen Antrag atelien, er muffl
denselben aber begründen (nicht: quum id opportunum cen-
suerit). Doch ist damit die Staat sregiening durchaus nicht
zur Entlassung gezwungen. Sie hat von Fall zu Fall zu
untersuchen. Es könnte z. B. die Beschuldigung der He-
terodoxie nur ein Vorwand für sonstige Unbequemlichkeit
des Lehrers sein. Die Regierung hat z. B. unter dem
20. April 1871 ausdrücklich im Regierungsblatt erklärt :
„Infolge einer nach Vernehmung des Geheimen Rats ge-
troffenen Höchsten Entschliefsung Seiner Königlichen Ma-
jestät vom 18. d. M. wird hiermit bekannt gemacht, dafs
die künigl. Regierung den Beschllisscn des vatikanischen
Konzils in Rom, wie solche in den beiden dogmatischen
Konstitutionen vom 24. April und 18. Juli v. J. zusamraen-
pefafst sind, insbesondere dem in der letztgenannten Kon-
stitution enthaltenen Dogma von der persönlichen Unfehl-
barkeit des Papstes keinerlei Rechtswirkung auf
staatliche odiir bürgerliche Verhältnisse zu-
gesteht." M'ürde nun ein Professor wegen Leugnung der
Infallihilität angeklagt, so hätte ihn der Staat in seiner
Stellung zu schützen. Zwar könnte der Bischof den Stu-
dierenden die Weihen versagen, welche Vorlesungen bei
einem von ihm angeklagten Lehrer hören. Darauf stünde
PS bei der Staatsbehörde, die Berufung eines andern Lehrers
abzulehnen und den bisherigen in seiner Stellung zu be-
lassen. Damit würde die akademische Schlufsprüfung, welche
nach Art. 3 gefordert wird, je nach Umständen unmöglich
438 BUNZ,
werden. Diese Konflikte könnten aber nur eintreten^ wenn
der Bischof seinem Eide, mit dem er dem Könige und den
Gesetzen Gehorsam und Treue geschworen, untreu würde^
nicht indem er sich, wie bei der Konvention, auf eine Be-
stimmung im Gesetz selbst berufen könnte.
Art X
betrifit das kirchliche Vermögen. Dazu gehörte beim
Abschlufs der Konvention: 1) Die Bistumsdotation, welche
unter gewissen Beschränkungen in der Verwaltung des bischöf-
lichen Ordinariats stand unter Oberaufsicht des Staats.
2) Der Interkalarfond und die vakanten Pfründen. Sie
standen in der Verwaltung des Kirchenrats, welcher je
nach dem mit dem Ordinariate Rücksprache zu nehmen
hatte. 3) Die besetzten Pfründen, verwaltet von den In-
habern und Kapitelskämmerem unter Aufsicht der Staats-
behörde (Kirchenrat), welche sich wieder ins Benehmen mit
dem Bischof setzen konnte. 4) Das Lokalkirchenvermögen
unter Verwaltung des Stiftungsrats der Gemeinde (Gemeinde-
rat und Ortsgeistlicher). Die Aufsicht fährte das gemein-
schaftliche Oberamt (Oberamtmann und Dekan) , Kreis-
regierung und Ministerium des Innern ^
Die Konvention nun führt auch hier das kanonische
Recht ein und nimmt gleich alles Vermögen insgesamt für
die Kirche im allgemeinen in Anspruch. „Das Ver-
mögen, welches die Kirche als ihr Eigentum besitzt, oder
in Zukunft erwerben wird, ist beständig unverletzt zu er-
halten, und wird dasselbe ohne Zustimmung der Kirchen-
gewalt niemals eine Veränderung oder Veräufserung er-
leiden, noch werden dessen Früchte zu andern Zwecken
verwendet werden.*' So ist all das obgenannte Vermögen
dem Prinzip nach in einen Beutel geworfen und wir sehen
auch hier die kluge Voraussicht der Kurie. Wenn sie
später einmal z. B. Lokalkirchenvermögen zu irgendeinem
anderweitigen kirchlichen Zweck , meinethalben zu einer
Mission in England, verwenden wollte, so konnte sie sich
1) Vgl. Golther, S. 93f. 185f. 411.
DAS WÜRTTEMBEKOISCHE KONKORDAT. 439
trauf berufen: „Bona temporaüa, quae Ecclesia propria
Bsidet." Damit diese Bestimmung noch prägnanter aus-
^ .gedrückt sei, heifst es schon jetzt: „Das Kirchenvermögen
^^ wird im Namen der Kirche unter Aufsicht des Bischofs
■von jenen verwaltet, welche nach Vorschrift des ka-
schen Rechts" — jetzt erfolgt ein Zugeständnis
|KTi die bestehenden Verhältnisse — „oder nach dem Her-
kommen, oder durch ein Privilegium und eine besondere
lestimraung fdr irgendeine milde Stiftung zu solcher Ver-
iraltung berufen sind." Doch damit das Prinzip auch hier
[ewahrt bleibe, fährt der Artikel fort: „Alle Verwalter aber
Unnd gehalten, auch wenn dieses auf Grund der oben ange-
ihrten Titel andern gegenüber zu geschehen hat, zugleich
auch dem Bischöfe oder seinem Bevollmächtigten jährlich
I Bechenschaft von ihrer Verwaltung abzulegen." Die Ke-
I gierung war auch hier wieder so naiv, in ihren Motiven
I auszusprechen , dafs hierdurch an den oben angeführten
LOrundsätzen des Verwaltungsedikts vom 1. März 1Ö22 nichts
f ^ändert worden sei. Allein im Orunde ist dadurch das
bis jetzt bestehende Recht in Württemberg allerdings ge-
ändert. Dieses beruhte auf dem Grundsatz des Einzel-
vermögens unter Verwaltung gemischter und Oberaufsicht
der staatlichen Organe, das Recht der Konvention aber
ruht auf dem kanonischen Grundsatz des Gesamnit Vermögens
der Kirche verwaltet im Namen der Kirche (Bona ecclesia-
»tica nomine eccleaiao administrabuntur). Nehmen wir nur
die wirklich bestehenden Verhältnisse, noch nicht einmal die
zukünftigen rechtlich möglichen Ansprüche. Der ätiftungs-
rat verwaltet das kirchliche Lokalvermögen und legt dem
gemeinschaftlichen Oberamt Rechenschaft ab. Nach der
Konvention hat er das Gleiche dem Bischof gegenüber zu
thun. Dieser will eine Änderung in der Verwaltung, das
gemeinschaftliche Oberamt und die Kreisregierung nicht.
Der Bischof sagt: „Bona ecclesiastica nomine Ecclesiae ad-
ministrabuntur." Giebt die Staatsbehörde nicht nach, ist
der Konflikt da. Dies kennzeichnet Rümelin's Behauptung:
„Bei der Verwaltung des kirchlichen Lokalvermögens ist
die Einwirkung der staatlichen Organe eine übei-w legende"
4i^f
(S. 21ff;. Um das Deae Prinzip zu wahren^ werden &
jetzt bestehenden VerfaäknisBe nur einstweileD wieder ab
ausdrückliche Zugeständnisse der Kurie behandek sai
s'ilche können )a jederzeit wiedermfen werden, ohne difc
dadurch der Vertrag im Prinzip aufgehoben wilre. ,, Saudi
ivdes, spectatis peculiaribus rerum circnmstantiii,
consentit, dafs die einzelnen Kirchen&briken , sowie &
übrigem kirchlichen Lokalstiftungen imXamen der Kirche
in dffr Weise auch femer verwaltet werden, wie sie in
I^nde eingeführt ist; nur sollen Pfarrer und Landdeksne
ihre diesfallsigen Verrichtungen im Auftrage des Bischofs
auHüben^' (s. die Ausfuhrung S. 439). Wenn es nm
weiter hreifst: ,, Über die spezielle Ausführung dieser Ange-
legenheit wird die königl. Regierung mit dem Bischole
ein t Jborcinkommen treffen '^^ so wird dies doch nicht
zu dem Zweck in Aussicht gestellt sein, das Verwsl-
tungHcdikt von 1822 wieder festzustellen ^ oder es zn-
gtumtcn den staatlichen Einflusses zu ändern ^ sondern doch
wohl; um dem kanonischen Recht mehr Geltung zu ver-
H(*luifl(!n. Wenn es die Regierung mit ihrer obigen Be-
liimptung ernst meinte (s. S. 438), warum steht etwa nicht
p»nule im dieser Stelle: „An den Grundsätzen des Verwal-
tun^sedikts vom 1. März 1822 wird nichts geändert"?
WiMter: „ lnsui)er Saneta Sedes annuit, dafs, so lange
d i «» Staats k a s s (» zu den allgemeinen oder örtlichen Be-
dinlnissrn dvr Kirehe Beiträge leistet, die vakanten
IMrihulrn und der Interkalart'ond unter der Oberleitung
dt»s lUsi'hot's und im Namen der Kirche durch eine
fttMuiselite KiMnnussii>n verwaltet werden; die eine Hälfte
der Mit:::lieiltM- dioer Kommission erwählt der Bischof haupt-
siu'Mu'h aws lMM>tliehen, die andere die königl. Regierung
a\i*» Katholiken, ilen Vorsitz hat der Bischof oder dessen
Bi \olln\;ukti::ter ** Av.eh hier soll ein ri>oreinkommen mit
iUm Ki'-.urun;: Ja> Naiiore n^coln. Welche I>asis demselben
j> )> h, e. wiiiliU Axui. »l.\> :\>li:t im weiteren: .,Uber die Er-
h.^ij. ;?'..; ih'N i»v. :;'.»]>:. vk> lies Ir.Terkidarlonds, sowie über
\ , MX , i ;% 1 . ; \ . ^ '. . ; T : : V,' • ;: V i »e u essöl i » eu wird die «jenann te
Ko>^n».vvu \. ,.<■;■ kl ..-;:', Keciijurc >tots Gvwifshcit gelten."
DAS W'L'hTTEMBERQISCUE KONKOKDAT. 411
Vorher ist über die Verwendung dea Interkalariboda im
wesentlichea nach den bisher bestehenden Grundsätzen be-
Btimmt, dafa er verwendet werde „vor allem siets zur
Ergänzung der Pfarrgehalte bis zur Kongrua, zur An-
weisung von angemessenen Pensionen, zu den Tischtiteln,
zu den Kosten der Vikarien", Allein es ist die neue
Bestimmung beigefügt: „etwaige Überschüsse aber nur für
andere kirchliche Bedürfnisee verwendet werden" und die
oben (Ö. 426. 429) angeführte Einräumung inbetreff der
Serainarien. Zugleich ist bei der Zusammensetzung der ge-
nannten Kommission dem Bischof der überwiegende, der
Stajitsbehärde der untergeordnete Einflufs eingeräumt und
dem ersteren der vollständige in Aussicht gestellt. RUmelin
stellt dies (S. 219) so dar: „Bei den aligemeinen Fonds
und dem Pfründen vermögen kommt zu dem allgemeinen
Aiifaichtsrecht noch ein wesentlicher Anteil an der Verwal-
tung hinzu", während er andere Bestimmungen als die der
Konvention mit der Behauptung abweist, der Staat könne,
„wiewohl er hinsichtlieh der Verwaltung des Kirchen-
vermögens sein Aul'sichtsrecht vorbehalten kann, doch nicht
einseitig den Anteil beatimmen, welchen die Organe der Kirche
an dieser Verwaltung zu nehmen haben" (Ü. 232). Die
Richtigkeit dieses Satzes vorausgesetzt, würde aber daraus
noch nicht folgen, dafa deshalb der Staat der Kirche die
Verwaltung überlassen mufs, wie dies in Art. X im Prinzip
geschehen ist, und seine etwaige Mitwirkung nur aU eine
Konzession der Kirche auf unbestimmte Zeit sich gestatten
lassen mufs. Allein, wenn irgendwo, so kann hier der
Staat den Anteil bestimmen, den die Kirche an der Ver-
waltung zu nehmen hat bei einem Vermögen, wie es that-
sächlich in Württemberg vorhanden und vom Staat als
solches zu schützen war. Wird freilich all dies Vermögen
trotz seiner verschiedenen Kechts- und Besitztitel in eine
Kasse geworfen und nach kanonischem Recht als „Bona
temporolia, quae Ecclesia propria possidet" (Art. X)
wie ein Privat vermögen der Kurie beti-achtet, dann ist es
allerdings guter AVille des Besitzers, wenn er einen andern
auch noch etwas drein reden läfst. Noch mehr aber ist der
442 Bcsz,
Staat sogar verpflichtet, „den Anteil za be8tiiiiiiieii''y wel-
chen seine Organe nnd also mittelbar, welchen „ die Orgue
der Kirche an dieser Verwaltung za nehmen haben'', wem
er es ist, der seine ilittel zn Kirchenzwecken zor Verfngimg
stellt, wie Rümelin selbst sagt (& 219): „Die Kirche bkibt
überhaupt, wie bisher in ihren ökonomischen Angelegeih
bäten von der staatlichen Beihilfe abhangig.'' Das aller-
dings hat die Konvention zugegeben, dafs das Kirdioh
vermögen „den öffentlichen Lasten und Abgaben, sowie den
übrigen allgemeinen Gesetzen des Königreichs, wie alles
andere Eigentum unterli^". Wenn auch die geeetzÜcbea
Bestimmungen über die „tote Hand" nicht ausdrücklich
erwähnt sind, so können sie doch befafst sein unter d^
„übrigen allgemeinen Gesetzen des Königreichs".
Das Gesetz von 1862 acceptiert nun vor allem d^
kanonischen Grundsatz nicht, als ob die Kirche im ganzen
d. h. die römische Kurie Eigentümerin des Kirchenvermögens
sei, sondern läfst die einzelnen, mit juristischer Persönlich-
keit begabten Besitzer in ihrem Rechte Art 18. „Das den
kirchlichen Bedürfnissen und Anstalten gewidmete Vermögen
unterliegt den allgemeinen Landesgesetzen, insbesondere auch
jenen über öffentliche Lasten und Abgaben, sowie über den
Besitz von Liegenschaften durch die tote Hand.'* Diese
letztere Bestimmung ist besonders aufgenommen und somit
Garantie gegeben, dafs nicht gröfsere Komplexe von Gütern
sich im Besitz kirchlicher Anstalten ansammeln. Von einer
Verwaltung des kirchlichen Zwecken gewidmeten Vermögens
„unter Oberleitung des Bischofs und im Namen der Kirche'*
ist im Gesetz nirgends die Rede. Erst so bleibt es bei den
Bestimmungen des Verwaltungsedikts von 1822. Geändert
wurde dasselbe nur inbetreff des Interkalarfonds , der va-
kanten und besetzten Pfründen , aber mit zugestandener
Absicht, nicht mit verschleiernden Erklärungen. In den
genannten Beziehungen war der Bischof nur auf etwaige
Wünsche beschränkt. Nach Art. 19 stehen Interkalarfond
und vakante Pfründen unter der „gemeinsamen Leitung",
die besetzten Pfründen „unter der gemeinsamen Aufsicht
des Staates und der Kirche". Diese ist folgendermafsen
DAS WÜRTTEMBERGISCHE KONKOBDAT. 443
gwegelL Der Interkalartbnd ist der Staatsbehörde, dem
Kirchenrat, unterstellt Das Ordinariat nimmt Einsicht vom
jährlichen Geachällsbericht desselben und wacht darüber,
dafa die Mittel bestiramungsmälsig verwendet werden. Die
vakanten Pfründen werden vom Kämmerer verwaltet, wel-
cher zugleich staatlicher und kirchlicher Beamter ist. Seine
Eechnungsstellung geht an den Kirchenrat, Die besetzten
Piründen verwaltet der Pfründncr unter Aulsicht und Unter-
stützung vom Kämmerer. Veränderungen im Pfründen-
vermügen werden vom Kämmerer dem Kirchenrat ange-
zeigt. Hat sich in der Konvention die Kurie für die Zu-
kunft gesichert, so sichert der Staat im Gesetz sein Auf-
dchtsrecht auch für solche Fälle, wenn sich in Zukunft
aufser den schon vorhandenen (S, 438) genannten Fonds
noch weitere für kirchliche Zwecke bilden würden, indem
Art 19 fortfahrt: „Von den Verwaltern anderer, den kirch-
lichen Bedürfnissen und Anstalten gewidmeten Vermögen
kann die Staatsregierung, soweit ihr nicht weiter reichende
Befugnisse auf dasselbe zukommen, über die Erhaltung des
Grundstocks und die stiftungsmäfsige Verwendung seiner
Erträgnisse Nachweis verlangen."
Noch hat die Staatsbehörde ihre Mitwirkung und ihr
Oberauf sie htarecht eben wegen der Verbindung von Kiiche
und Staat gewahrt in einem Punkt, welchen die Konvention
ganz dem Bisehof Uherliefs, bo dafs davon gar nicht die
Rede ist. Art 17 des Gesetzes bestimmt: „Die Bildung
neuer kirchlicher Gemeinden und die Abänderung bestehen-
der kirchlicher Gemeinde- und Bezirksein teilun gen kann
von dem Bischof nui' im Einverständnis mit der Staata-
regierung verfügt werden. Dasselbe gilt von der Errich-
tung, Teilung und Vereinigung von Pfründen, auch wena
eine neue kii'C bliche Gcmeludccinteilung nicht damit ver-
bunden ist"
Art XI
der Konvention lautet: „Der Bischof wird mit allen könig-
lichen Behörden unmittelbar verkehren." Voiher dui-fte der
Bischof nur mit dem Kirchenrat und durch dessen Vermitt-
444 BUNZ;
lung mit den sonstigen Staatsbehörden verkehren. Das Ge-
setz hat diese Beschränkung ebenfalls aufgehoben, aber der
Konvention gegenüber doch noch die Bestimmung hinzu-
gefügt, dafs der unmittelbare Verkehr des Bischofs mit den
königlichen Behörden nur in der Weise stattfinden dar^
^^dafs er keine Befehle oder Weisungen an sie erläfst". Es
scheint sich dies von selbst zu verstehen, allein nehmen wir
z. B. nur die bischöfliche Instruktion Abs. 2 zu Art V der
Konvention, wenn die staatliche Mitwirkung zum Vollzug
kirchlicher Strafen in Anspruch genommen wird. W^ürdc
eine im Geiste der Konvention erstarkte bischöfliche Ge-
walt sich so sehr scheuen, einer weltlichen Behörde zur
Leihung ihres Arms Weisungen zu geben? So, sehen wir,
ist nicht einmal in dieser anscheinend ganz nebensächlichen
Bestimmung eine Gleichartigkeit der Konvention und d^
Gesetzes zu finden.
Blicken wir auf die Konvention zurück, so ist ein cha-
rakteristisches Merkmal, das noch nicht ausdrücklich ge-
nannt, auch die Dehnbarkeit in den Händen der Kurie.
Dagegen spricht sich die Konvention dem Staat gegenüber
immer bestimmt aus, wie die besonderen Festsetzungen in
dieser Richtung zeigen. So mufs bei Art. IV die königl.
Erklärung versichern: „Die königl. Regierung wird, wie es
auch seither immer ihre Übung war, auf die dem königl.
Patronat verbleibenden Pfründen nur solche Geistliche prä-
sentieren, welche den allgemeinen Pfarrkonkurs mit Erfolg
bestanden haben."
Durch das „wie es auch seither immer ihre Übung
war*' ist diese Erklärung scheinbar unverfänglich. Der
Satz ist die Angel, an dem auch die Regierung gefangen
ist für ein Gebiet, das ihr noch hätte Freiheit gewähren
können. Dafs der Pfarrkonkurs nach der Konvention ein
ganz anderer ist und somit auch die neue Übung eine ganz
andere als die alte, davon ist nichts gesagt. Bei Art. V
erklärt wieder die Regierung: „Wenn Verbrechen oder Ver-
gehen von Geistlichen deren Verhaftung oder Gefangen-
nehmung notwendig machen, so wird man dabei stets, so
weit dies möghch, die Rücksichten eintreten lassen, welche
DAS WlKTTEMBEBGISCIlE KOKKORDAT. 445
lidie dem geistlichen Stand gebührende Achtung erheischt."
Am l>estimintesteii bindet nuch Art. XII dcu Staat: „Die
ait der vorstehenden Vereinbarung im Wider Spruche stehen-
len königlichen Verordniingeu und Verfügungen treten auiser
[raft; soweit aber gesetzliche BeBtimmungen derselben ent-
igenatehen, werden diese geändert werden" Kunigl. Er-
Irung: „Unter den mit der jetzigen Konvention unverein-
bnren und somit aufser Kraft tretenden Verordnungen ver-
steht die königl. Kegierung selbstverstäodhcii vorzugs-
weise die Verordnungen vom 30. Januar 1830 und 1. März
1863, sowie das Fundationsinstrument vom H. Mai 1626,
soweit solches nicht von der Dotation des Bistums handelt,
nebst Beilagen C und D zu diesem Instrumente." Damit
hat die Kurie das Ilccht in der Hand, auch für die Zukunft
die Änderung der Gesetze, somit auch der Landesverfassung
zu fordern, sobald sie den Nachweis fuhrt, dafs dieselben
„eidem (Jonventioni adversantur ".
Von Interesse wäre es, die württembergische Konvention
auch mit der badischen und besonders mit dem östeiTeichi-
Bchen Konkordat zu vei'gleichen , wenn es hier die Aufgabe
wäre, diese einzelne Erscheinung iu das Licht der ganzen
Zeitent Wickelung zu stellen. Das österreichische Konkordat
war das Vorbild, und es ist gelungen, aucii das württem-
bergische ihm so nahe zu bringen, dafs es oft nur ein
Schritt oder nur die Form ist, welche beide trennt, wenn
sie noch nicht gleich sind. So unterwirft z. B. das öster-
reichische Konkordat den gesamten Unterricht der katho-
lischen Jugend der Autsicht der Geistlichkeit, er mufs nach
demselben in allen Fächern der katholischen Lehre ent-
sprechend sein. Das württenibergisehe Konkordat hat den
Beisatz, dafs dem Bischof der mit der Gesetzgebung und
der einheitlichen Leitung vereinbare Einfiufs gewilhrt werde.
Die Kegierung erkannte damals in ihren Jlotiven selbst an,
dafs damit das Versprechen gegeben sei, sie wolle zu wich-
tigeren, namentlich die inneren Seiten des Unterrichts be-
rührenden Änderangen nicht schreiten , ohne auch die
Kirchen b eh Örde gehört und ihre etwaigen Einwendungen
erwogen zu haben. Selbst in der extiemsten Angelegenheit,
; J
446 BUNZ,
der Ausnahme der Bischöfe von der staatlichen Gericht»-
barkeit in Kriminalsachen, wie sie das österreichische Kon-
kordat bestimmt; hat die württembergische Konvention nichti
geändert; sondern nur mit Rücksicht auf die ZeitverhältDisae
erlaubt; dafs solche Vergehen vor das weltliche Gericht ge-
bracht werden. Nimmt man in Betracht die damalige Be-
mühung Österreichs; seine Stellung in Deutschland immer
mehr zur dominierenden zu machen; durch einen Gbu*antie-
vertrag Preufsen an seine Heeresfolge zu ketten, dasselbe übe^
haupt in seinem Einflufs herabzudrückeU; weiter wie gerade
in Preufsen die römische Kurie ihrer Herrschaf); sicher war,
so sieht man deutlich; wie das Vorgehen auf der ganzen
Linie nicht blofs ein wohl organisiertes war, sondern auch
schon so weit gediehen; dafs nur eine Machtentwickelung
Österreichs; etwa ein Sieg in Italien 1859; noch nötig ge-
wesen wärO; um vollends in die Siegesstellung einzurücken
und die Herrschaft der Kirche über den Staat zur Wahr^
heit zu machen.
Die Konkordate hatten die Rechtsbasis dazu schon ge-
schaffen. So auch das wüiitembergische. Hätte nun der
Staat; sobald Rom mit demselben vollkommen ernst machen
wollte, sieh das nicht gefallen lassen wollen; so wäre ein
schwerer Streit entstanden, wobei aber der Staat nur die
Rolle des schon Besiegten gespielt hätte.
Was die Kurie 1871 verlangte, war nur die Fortsetzung
der Ansprüche Roms, welche immer gleich bleiben. Hatte
man ja schon die Stime, sogar unter dem Volk Petitionen
verbreiten zu wollen, welche verlangten, dafs Deutschland
das Ketzerblut seiner Söhne vergiefse für die Herrschaft
des Vatikans, nachdem es kaum mit Aufbietung aller Kraft
einen mutwilligen Angriff zurückgeschlagen hatte, von dem
derselbe Vatikan höchstens das Mifslingen bedauerte. Noch
aber sind selbst manche protestantische Politiker in der
Illusion befangen, als ob man die durch die Reformation
wieder ans Licht gehobene Anschauung von der gleich gött-
lichen Ordnung weltlicher und geistUcher Gewalt nur so
ohne weiteres auf den Ultramontanismus übertragen könnte,
und von dieser Täuschung geblendet, glauben sie Vertrauens-
DAS WÜRTTEMBERGISCHE KONKORDAT. 447
)11 ZU einem aufrichtigen Bündnis sich hingeben zu können,
^^enn es sich darum handle, die idealen, die hohen sitt-
^^tshen, die christlichen Interessen des Volkslebens zu wahren,
^illerdings nimmt der Ultramontanismus gerne solche 61ie-
ar der Sefoimationskirche auf, aber sie sind ihm keine
Ebenbürtig Verbündeten, sondern Ketzer auf dem Wege nach
■^■^^m. Allerdings spricht der Ultramontanismus von christ-
^ 9chen Interessen, aber er kann sie nur verstehen im römisch-
^^>iierarchischen Sinn. Eine politische Partei, welche sich mit
^^en Anschauungen der Kurie identifiziert, kann als obersten
^^cQrundsatz und letztes 21iel nur die Herrschaft Roms über
i^^e gesamte Chiistenheit festhalten. Ein Bündnis mit ihr
^ist nur möglich unter der Bedingung völliger Unterordnung.
35 Diese Unterordnung wird aUerdings nicht von Anfang an
c^ im Prinzip gefordert, aber nur um. so strenger, wo es sich
3 bei praktischen Fragen um das Ziel des Ultramontanismus
•: handelt Ein Zusammengehen mit demselben in politischer
Beziehung kann nur im einzelnen Fall stattfinden, der zu
^ prüfen ist, ob er nicht blofs als Mittel zum Zweck benützt
werden soll, in kirchenpolitischer z. B., wenn in einem Par-
lament ein Geist zur Herrschaft kommen wollte, wie er sich
seiner Zeit in Frankfurt breit machte, wenn Vogt ausrief:
„Ich bin für Trennung der Kirche vom Staat, aber nur
unter der Bedingung, dafs überhaupt das, was Kirche ge-
nannt wird, vernichtet werde!" Echte Söhne der Refor-
mation können wohl in einzelnen Momenten Schulter an
Schulter mit der ultramontanen Partei schlagen, müssen
aber sogleich wieder Gewehr bei Fufs! in festgeschlossener
Kolonne sich selbständig zur Abwehr aufstellen. Aber auch
in der Gesetzgebung halte man sich nicht auf dem Boden
der abstrakten Theorie, sondern auf dem der Wirklichkeit.
Die evangelische Kirche stellt sich schon in ihrem reforma-
torischen Prinzip und ihrer Praxis ganz anders gegen den
Staat als die römische. Wenn die Kirchengesetzgebung
Rom gegenüber immer ihren Kern darin haben mufs (wie
auch die Geschichte lehrt), dafs unberechtigte Ansprüche
auf Herrschaft über Staat und Ketzer abgewehrt werden,
so ist es einfache Logik, dafs das Gleiche nicht auch der
448 BCXZ, DAS WÜBTTEMBEKISCHE KCKCKOKDAT.
evangeliacben Kirche gik. Wenn sich zwei ungleich gegen
mich Terhalten^ habe ich sie doch nicht gleich zu behandeb.
Aach hier zeigt sich wieder, wie die eigentliche SteUacg
Koms und der wesentliche kirchenpolitische Unterschied
zwischen der Kirche des Mittelalters und der der deutschen
Reformation dnrchans nicht genug gewürdigt wird. Daß
ein einseitiges Vorgehen auch Tom staatsmannischen Stand-
punkt aus möglich ist^ zeigt ja gerade das Beispiel Württem-
bergSy wo das seit 1862 bestehende Gesetz ausdrücklich ge-
geben ist nur zur «^R^elung des Verhältnisses der Staats-
gewalt zur katbolLschen Kirche '^
Aus obiger Ausfuhrung möge für imsere Zeit auch be-
herzigt werden^ was Rom fordert^ selbst und gerade in einem
paritätischen Staat ^ wie fein in erworbenen Rechten An-
sprüche auf weitere enthalten sind.
ANALEKTEN.
1.
\ Eine Würzburger latciDiscbe Handschrift zu den
apokryphen Aposfcigeschichfen.
Von
Dr. Georg Sehepfs in Würzbnrg.
Gelegentlich der Anfertigung eines mir von der Wiener
Kirchenväterkommission aufgetragenen Auszuges aus dem nur
handschriftlich vorhandenen Manuskriptenkatalog der Würzburger
Uuiversitätsbibliothek lenkte u. a. die Nummer Mp. th. f. 78
s. VIII meine speziellere Aufmerksamkeit auf sich. Sie enthält
auf 35 Pergamentblättem (28 cm hoch, 21 cm breit) die Pas-
sionen der Apostel Johannes (die gröfsere erste Hälfte fehlt),
Jacobus frat. Johannis, Thomas, Bartholomaeus, Mat-
thaeus (mit Prolog und Epilog), Simon und Judas (mit
Epilog), Philipp US (nur eine Seite). Nachdem in den vor-
trefflichen Werken von Lipsins ^ , Bonnet ^ u. a. die ver-
wickelte Frage nach der Entstehung und der textlichen Über-
lieferang der Apostelpassioneu neuerlich gründliche Bearbeitung
gefunden hat, soll im folgenden der seither unbekannt gebliebe-
nen Würzburger Handschrift, die ich mit H (= Herbipolitanus)
1) Die apokryphen Apostelgeschichten und Apostellegcnden . . .
von Richard Adalbert Lipsius, 1. Bd., Braunschweig 1883.
(Die inzwischen erschienene Hälfte des zweiten Bandes stand mir
leider noch nicht zugebote.)
2) Supplementum codicis apocryphi, I: Acta Thomae, rec. Max
Bonn et. Lipsiae 1883.
450 AVALE
bezeichnen willy der ihr gebührende Platz im kritischen Apparat
gesichert nnd ihre Benutzung ftlr die noch zu erwartenden Edi-
tionen BonneVs ^ als notwendig erwiesen werden.
Die näheren Angaben Aber Alter, Schriftcharakter nnd son-
stige diplomatische Eigentümlichkeiten der Handschrift für deo
zweiten Teil dieses Anisatzes aufsparend, gehe ich gleich anf
die Textgestalt der Passionen selbst ein und werde mich, da
erschöpfende EinzelkolLitionen hier nur langweilen wtlrden, mög-
lichst kurz zu fassen suchen.
Blatt 1* — 3*: Johannes. Der abrupte Anfang lautet: ad-
dicoa (!) et eugenitis dicerent (!) aposido super (!) misericardiam
docuisti etc. Der Text ist im allgemeinen am näch-
sten verwandt mit jener yerkürzten Fassung des
sogen. Abdias, die bei J. A. Fabricius, Cod. ai>ocr. nori
test. pars III (Hamburg 1719) unter dem Titel Mellitus^
de paasUme 8. Joannis apostdi von Seite 615, 21 — 6 2 3, li
Yorliegt. Auf Blatt 2^ hat der Schreiber nach den Worten tu
conuiuio meo (Fabr. III, 621, 18) offenbar eine Seite oder
ein ßlatt seiner Vorlage ausgelassen, denn er tahrt fort am
me moros (!) me testimonia, was Fabr. 622, 21 steht'; nach-
dem er dann aber das Stück 622, 21 commemoras — 623, 14
effectum ^, amen absol?iert hat, trägt er, in gleicher Zeile und in
gleichgroÜBer Schrift fortfahrend, das ausgelassene Stück der o^sumpfio
621, 18 cum fratribus tuis — 622, 21 ueritatis tue gebührend
nach. Die stärkste Abweichung vom Melitotext besteht darin,
dafs die Gebetsworte ., Fratres et conscrui mei — uocare
dignatur** = Fabr. III, 621, 18—622, 3^ gänzlich fehlen,
wie dies nach der (etwas unklaren) Angabe von Lipsius S. 410 *
auch in einigen Pariser Handschriften und im Mombritiusdruck
der Fall ist \
Wenn in H gegenüber dem vollständigeren Abdias-
texto doöLazius, wie er bei Fabr. II, 531 (bezw. 571, 13ff.)
vorliegt, vor allem der grofse Passus 582, Z. 3 — 587, Z. 1
1 ) Bonnct beabsichtigt zunächst Jobanues folgen zu lassen ; siehe
pracf. p. XXVll.
2) Der seltene Mombritiusdruck (Mailand 1474), welcher nach
Lipsius 411 einen interpolierten Melitotext bietet, war mir nicht zu-
gänglich.
3) Herr Prof. Bonnct teilt mir mit, dafs unter seinen Codices,
di(; sänitlicli jünger als II sind, keiner sei, welcher eine Rückwirkung
dieser in 11 vorliegenden Seiten- oder Blattverschiebung aufweise.
4) Vgl. Lipsius 41)8.
f)) Vgl. Nausea 30»', Z. 28 und Abdias, Fabr. II, 582, 3.
i\) V^'l. Lipsius 139. 175. 412.
7) Bonnot bestätigt mir, dafs dies Gebet gerade in seinen älte-
flten Ilaniiscbriften, resp. den besseren Melitotexten fehlt.
SCHEPäg, ZU DEN APOKRYPHEN APOSTELGESCHICHTEN. 451
fr
9Sa Wegfall kommt, bo hat H mit Abdias doch eine Geihe von
^ Leaarten gemein, die. bei Meüto fehlen. So stehen z. B. in H '
die im Melitotett foblenden, boi Nnusen ' teilweise, bei Fabr. U
aber durchgebends vorliandcnen Stellen:
dum de peccatoribus agerelvr [Fuhr. 11, 572, 13); et cecos
inluminarenl (&73, 2}; cuius mrbo celi firmati sunt (577, 2);
et da f577, 15); aures ut audiant (577. 17); os suum (577, 19);
(aeditianem) fueri (1) pdit silentium fieri et (578, 17); eamtis
et adußluli eius genibus (580, 3); ea uerba (587, 18); nee
ueniat mihi' (588, 6); iiiwi * gui praeceptum (1) patris mun-
dum saluasd qui et spirifum sein tuum nobis distinare dignatus
es ut nos de praeeepiis tuia commoneret per eundem spirifum
tibi gralias referrimus (I) per hifinita secuta saeculoritm (588,
11 ff.; dua bei Fabr. 17 folgende „et cum" fehlt und von tminis
stand uraprttnglich nur „nes").
Übereinstimmend mit Abdias II, 573, 14 fehlt in H, durch
Homoeoteleuton (cadcre) veranUfat, die bei Melito III, 616, 13 ff.
(Tgl. Nauaea 38") stehende Stelle: ecclesiam eins et consentiam
tiobia. Si autcm hoc facere non iwlestis, cgo inuoco nomen
domini mei Jesu Christi et faciam cadere.
Mit Nausea hat unsere Johannespassion vereinzelte Dinge
gemeinsam wie zo 38'', Z. 7 in eonspectu apostoti, zu 38', Z. 35
das Futur aparebit (sie); auch mit seiner Lesart abacbocido
formidare kommt H näher an Nausea 38'', Z. 2 als an Abdias
575 nnd Melito 618 heran; doch mag anderseits kurz hervor-
gehoben sein, daCs der wichtige Abschnitt Aber die Entstehnng
dea Johannesevangeliums bei Nausea 39'', welchen dann auch
der interpolierte Uelito bietet *, in H felilt.
Verquickung der verschiedenen Texte beobachtet man in der
Stelle „apostotum dei in tuo sermone läbore faligare".
Durchgängig ist in der Johannespassion „iohannis" (so
auch im Nom.) und „areslodimus" geschrieben.
3" steht rot; Expit päf fei iohan aposl. et euang. IncipU
fratria eius iacobi aposl. que obseruatur Till. kl. agwstas.
1) Nach Bonnet'a brieflicher Mitteilung stimmen auch in seiuen
be«aercQ Handsctiriften die folgenden Stelleu mit Abdias ül>ereio.
2) Anonymi Philalethi Eusebiani in uitaa miracula passionesque
apoBtolorum rhapsodlae, 1531, Vgl, Lipsiua 408,
3) Vgl. Lipaiua 541.
4) Nausea 40% Z. 14 hat ului, aber die dann folgende Doxo-
lögie Btimrat ku Melito, nicht zu Abdias.
5) LipBius 447.
6) Vgl. Nausoa 39«, Z. 3; Abdias II, 578, 15; Melito HI,
619, 26.
I
452 ANALEKTEN.
7:
m
€d
ri
Blatt 3^— G"": Jakobus d. Altere. Textanfang: A,
dni nri ihu XJPl iacöbus frater leati iohannis apostölid
gellste omnem iudeam et samariam uisitäbat Ingrediens p
sinayogas secundum scripturas** ; es ist dies der Yon lij«
131 bezeicÜDete alte Text = Nausea 26^; bei Fabr. II, &li| ^.
steht ein anderer Eingang. Auch am Schlüsse dieser ha
stimmt die Handschrift zu Nausea, nicht aber zu Abdias -| :
Fabricius; der Schlufs lautet: . ,_^in fronte eius adptk
perfectus in fide dni nri ihü XFI ctetn apostolo um im
simul martir e/fecttis perrexit ad dnm ctii gloria in seak «■
culorum, amen. Dann rot: ExpUcit passio iacobi afsi
Incipit passio apostoU thomae in india gue obseruatur 21
kl ianuarii ^.
Blatt S* — 15^: Thomas. Hier ist sehr beachtenswert, äl
wir zunächst dem nämlichen^ Textanfang begegnen, wie er t«
Bonnet^d ältestem Codex M = Montepessulanus 55 (s. TOI
aut IX), wo allerdings kleine Umstellungen stattfinden, in staika
Gegensa-z zu allen übrigen Handschriften geboten wird, s. BmA
im Apparat zu S. 154, 20. Wir lesen in H: ,, IVedicanft d
docaente scö thoma apostolo in india castitatem et XFM edm
debere tii {au)tem * audiuit misteus rex indorum iratus ä
uade ' et statim iussii ^ mitti ad t{h)o7nam (et) man^ms 9i
ergo ^ legatis adduci ante se et dixit ei quis est isfe dS iu»
qui coniuges etc." Unmittelbar hieran schliefst sich nun aber,
wohl nach gewechselter Vorlage, als zweiter Anfang der be
Bonnet 133 stehende, namentlich durch Parisinus 18298* Ter-
treteue Mombritiustext : ,,Cum apostolus** etc., der dann aoch
fortgetührt wird.
Ich hebe im folgenden aus meiner Kollation (namentlich far
die Partie bei Bonnet 152, 10 — Schlufs) die Punkte hervor,
welche geeignet sind, die enge Verwandtschaft H*s mit dem
schon erwähnten Montepess , sowie auch mit Bonnet*s Codd. G<)
zu beleuchten.
Zu Bonnet 13 3, 5 : ueni et tniitam (tibi — suum fehlt);
1) Stimmt zu keiner der iDskriptioueu bei Bonnet.
2) Die hier eingeklammerten Buchstaben stehen in H über der
Zeile.
3) Lies ualde.
4) Die Stelle „et statim iussit^^ etc. ist aus der passio io die
Miracula S. Thomae eingedruiifjen, die bei Bonnet 96 — 132 stehen
(114, Off.) und die auch iu Abdias (Fabr. II) und bei Xausea Tor-
liegen; vgl. Lipsius 144. 174. 273. S. übrigens unten die Kollation
zu 154. 20 f.
5) Lies a tergo.
6) Vgl. Lipsius 125. 176. 263 Anm.; 143.
SCHEFBS, ZU DEN APOK&YPHEN APOSTELOESCmCHTEN. 453
7: ad fehlt; 12: et ecce; 134, 21: quicqiiid scire; 135, 17:
nuptatn; 138, 10: conpcdialim (das a über der Zeile)
etiucifur; 140, 1: hirophorum; 8: pioaulam senttida salula-
riain in tifrlio'; 9: tricoriiim in quinclo zelas gemaiis; lU:
tpis caustorio: 11: coclnam; 11: colmhif; 12: ?n«)s; 12:
spoilrOHum; 13: arcos; 142, 18: extricabunftir ; 144,16: effu-
gelur: 146, 10: et bis se)ic5Cät steht im Teit; 147, 25: tiiHa
infirmitate; 149, 12: pctcre escam uerhi dei; 150, 10: 0(i
migdeum; 151, 5: migdonius; 152, 10: iniienerunt ; 14: in
to poaslt; 13: e( fehlt; 15: poternt; 21: proihere; 22: j>er
<ii>)mnum,- 23: possi't fehlt; 153, 2: «f non sif feue; 5: ma-
nwm fehlt; 5: omfiium (ff»A qui per ihm XPM (also Lücke);
9: hii; 11: agnoscal ; 12: e< citm,- 19: oscidans; 24: ftciM
oltua; 154, 3: uocanlis ei quia; 4: suscipe; G: quiibi erant;
12f.: Wtam (statt miprfoHiam) ; 14f.: </« apostohim; 16: gwia
«0» polest ; 19: funt» nach tiToreni ,■ 20 : tnigdonia at ergo,
zwischen migil. und at über der Zeile d; hiei'zn am iinterit
Band S Sfalimque iussil mitfi ad thoniam et manibiis*; 21:
ad se; 155, 4; migdeus; 9: migdoiicus; 11: sjc,- 16: ilhim;
16: uertfl,- 22: Hcri//^ rex; 156, 1: caristius; 2: ferreos;
3: exealciari; Ü: regt [statt eO; H: carissi»3i 15: die Worte
jMcfura ?uffl ei qiiomodo vos dimilfifis detim tiestnim et sind
(durch Homi'ioteletitoD) ansgefallen ^; 16 7, 1: carimtis; 1 u. 2:
irascitur; 4: att ei apostoltts; 6: carisius; 9: carissius; 11:
eantanlcs; 20: (löi »(; 21: miHiV; 158, 3: rf (statt «();
4: inferfieio; 4: »»et fehlt; 5: /lOc 5o7i(»t fi/mHiicriim ; 6: mea
fohlt; (7: iiel gw/rf diccret uel cui hquerciur steht im Text,
B. Bonnet praef. XXIII); 10: hac per hoc; II: eum inuocatione
nominis dei mei confrigerit; 17: metallum und idotum ver-
tanscht; 20: aufeiH fehlt; \b^, 4,: grandis seditio; h: tarnen
etatt enim; 19: manum (!) saluatoris scriptum; 160, 1: cmi-
(ada cetulam si qiiando; 3: fitgiunt; 7: peruetiire. amen
Ipraestante — snecwlorwm fehltll *. Suhliefslich maj hier noch
die Durcliflihning der Schreib welao frtptia (statt Trepiia er-
wähnt sein.
Nach peme wir c. «m*» steht rot: Incipit passio bartliolO'
mei apoatoH aub die. IUI. kl. mniaf ''.
1) HetreBs dpr in An- passio S. Tliomoc vorkominendeu Palast-
bescIiTeibDiig 8. „Neaes Archiv f. ältere deuluche GeaclilcheBkuiide" IX,
177, 188; 3t, 378; XI, 399f. — H stimmt öfters geunu lu Orderieos
VJtali».
2J S. S. 452, Anm. 4.
8) Somit ist von Bonnct's Codd. keiner von H abgeschrieben.
4) Vgl. Lipsius 145.
5) Also der 38. April statt des 24. Aug. genannt.
461 ANALEKTEK.
Blatt 15''— 20*': Bartholomaeafl. Der Text beginnt oho»
den von Lipsius 147 erwähnten (im Parisinus 11733 stehenden)
Prolog gleich mit den Worten: Indie tres esse ab historioffrafi$
adsereuni '; prima est india que ad aethiopiam mittit ', tt-
cunda etc. Die Schlufsworte „et coepit in nomine aposlali
Signa facere. fuit autem in episcopato (!) ... et perfectia . . . sf-
ctilorvm. amen" stimmen mehr zu Nausea als zu Pabridiis II.
Auf Blatt 'iO'' steht rot: Explicit paasio harlhoiomeua (!) «ä
apostoH felicHer. Scs matheus aposlolus tt euang. duo magi
et duo draconis (!).
Slatt %0^—%W': Uatthaetis. Der Text beginnt mit dem
von Lipsius I, 1-17 erwähnten (bei Nausea und Fabricius feh-
lenden) Prolog: „Quoniam deo cura" (zn Lips. Z 6: quam eor-
jjoriit» fehlt; 7: vor («morari ist interim interpoliert; 9: d^lto-
minibus steht im Text). Am Schlüsse folgt der bei Fabriciu
fehlende, aber bei Nausea 6C* stehende, Epilog, dessen Lipsios
a. B. 0. gedenVt: Zaroes et arfexar (1) Uli duo magi — segutns
libellus ostendit. amen. Varianten zu Lipsins Z. 2: apostolvs
fehlt; 4: regioncm fehlt, suni ibi nihilominus pciora fadentes;
6: et est homo carum animal dco. Hierauf rot: Explicit pasaio
sancti aposloti malhei, dann zwei Zeilen leer; 29" geht es
weiter: Inctpit passio scörum aposiolr. Simonis itaque (!) ca-
nanei et iudae^ eelolhis dici Itl iulias*.
Blatt 29-— 35": Simon nnd Jnda«. Der Teitanfang „Si-
mon itaque cananeus et ivdas eclothis apostoli dni nt ihu XTI
cum per rewelalionem " stimmt genauer -ta Nausea 66** als in
Fabr. II, 608. Zwischen 33'' und 34', mit velvh letzterem eine
andere Schrift eintritt, resp. zwischen tcnebris ad lumen (== Nan-
eea 71*, Z. 1) und uirorum haptixati sunt (Nans. IV, Z. 36)
ist ein grofaes StQck ausgefallen. Änf den bei Fabr. II, 636, ö
stehenden, bei Naueea fehlenden Schlnfs „illuc meruit (stutt memerint)
peruenire" folgt der von Lipsins 117 (120, 149) erwflhnte wich-
tige Passns: „ticripsit autem — saecitlorum. amen"; zu Lips.
Z. 3 hat H: abdie eulrobo; 4: m decem libris isla descripsi-
mus initia ; 7 : intvminatwem. Die VeTgleichung einer mir von
Bonnet zugesandten Kollations probe aits dem Codex Montepessul.
13 5, B. IX mit H ergab n. a.: Nach paraclitum (Nausea 66',
Z. 3b) steht in beiden Handschriften die bei Nansea ^und Fabr.
1) Nauaea Ö2>>: dicuntur . . . niittil; Fabr. II, 669: aMerrnitur
. . . vergit.
2) Den 1. Juli statt des 28. Okt. findet man u. «. Fabr. II, 636,
Z. 2 (als »atalie, vgl. Weidenbach, Calendariuni hiiL Chrigt,
p. 201) und in Florentinius' „MartyroL Hieronym.", p. 63T
aufgeführt. Im Montepesa. 135 a. IX wird V. Kai. novembr. ge-
u
SCHEPSS, ZU DEN APOKRYPHEN AFOSTELOESCHICHTEN. 46ft
II, 610) fehlende Stelle: Sed rex astriackim (Montepesa.
astriases) licet genülis dixit eis omnibus: notum est iudaeos
(M. iitdeos) crucifixisse ittin et die terlio (M terlia) iilum «-
surrexisse. &ci ilaque apostoli Xi^ iudas etc; — in beiden
Handscbriften felilen wie bei Fabr. II, 611, 28 die bei Nausea
67', Z, 23 ttcbenden Worte et agnitum cdere et colendo eum
adorare; — in beiden Handschriften sieht, ähnlicher in Fabr. U,
614, 2 als zu Naiisea 67'', Z. 27: uentums esse (M esse tieft-
turos) quos tpse misisti. Uenicnl aulem cum eis indorum Ao*
norati qui pactum faerant ' consent ientes ; — beide Hand-
Gcfarifteu haben die bei Nausea 68', Z. 6 und bei Fabr. It,
614, 26 fehlenden Worte: (debeanl) honorari qui uero debeat
condemnari. — Ofimala begegnen in H die Schreibweisen dox
(^ dux) nnd ua rar dach. Nach 35' steht die rote Subacriptio:
Explicit passio scorum apostolorum simoni (!) cananei et iudae
Mclolhis. J^sio sei philippi apost. die kl. maiaf.
Änf 3 5'' beginnt der Philippnateit , die erste Zeile in Un-
cialen: Po^ nscensionem dm saluaioris per annos XX instanter;
Tgl. Fabr. II, 738 und Nansea 59*, LipsiuB 146. Die Seite
und mit ihr die geaamte Handschrift schliefst abrupt mit: die
terlia resurrerisset (!) quomodo pOst resvrrectionem cadem quf
ante passionem ^ Fabr. 740, 8 ; Nansea 59^ Z. 3.
Mustern wir den Bestand der übrigen und, wie ich kanm noch
einmal hervorzuheben brunche, im Vergleich lu U sämtlich jün-
geren BandecLriften, eo finden wir die nämliche Beihen-
folge der Passionen in cod S. Genovefae Paris. H. 1. 3, s. XII '
und in dem oben (za Simon-Judas) herangezogenen verstQmmel-
ten Montepesa. 135, s, IX *; auch in Montepess. 55, s. IX*
herrscht die gleiche Anordnung nnd die engste Verwandtschaft
mit H's Lesarten, doch erinnere man sich immerhin an das,
was oben (Thomas) über diese Handschrift (und Ober Paris.
1) Im MonfepCHB. 135 ist in ferntit vor c ein Buchstatte aua-
rndiert. Dieselbe Erscbeinuog, dafs DÜmlich im Moatepess. uTsprüng-
licb Gleichheit mit H vorlag, später aber durch Haaur eine Änderung
TOrgenommen wurde, liegt z. B, auch in folgenden Fällen vor: ED
NauseA 67*, Z. 33 hatte M wie H habiturui, zu 67>>, Z. 17 ist hinter
Domine eine Rasur, auf welcher das in H stcheude nobi» gestanden
haben mufs. Übrigens wäre es falsch, schÜefHen lu wollen, dafs U
direkt aus H abgeschiieben sei; bo sind t. B. in H die Worte
Nausea 66''. Z. 32 per beatos — Je»um Christum ausgeiallen, wührend
sie im Monlepess. (nach doctorem gut) vorhanden sind.
2) LipaiuB 128. 152. 410.
3) Ebd. 128.
41 Nach dem „ Calalogue gtin^ral des manuscrita . . . des d^
partemeota", T. I.
456 ANALEKTEK.
18298) gesagt wurde. Anch auf S. Genovef. H. 1. 10, 8. XUI^
und Paris. 5296 D, s. XI* möge hier hingewiesen sein» wiewohl
in letzterem Thomas fehlt. — Obgleich abweichend in der An-
ordnung der Passionen sind doch, wie oben nachgewiesen
wurde, auch Bonnet*s cod. G (GenoveC Paris. U. 1. 9, saec. X — XQ
und Q (bibL nat. Paris. 17002, s. X) sehr nahe mit U yerwaodt
Zugestanden nun, daüs die durch H yertretene Oberliefemng
da und doii übertroffen wird durch die übrige Tradition [wii
durch Parisinus 18298 oder Wizanburgensis 48 (und Paris.
5301)], so verdient H dennoch, da er an Alter auch diese
Handschriften überragt, sicherlich die sorgfältigste Be-
rücksichtigung und wird, wie auch Bonnet annimmt, irotx
mannigfacher Fehler, die namentlich durch die Unwissenheit
des Schreibers verursacht sind, besonders für grammatikalisch«
und orthographische Dinge von Wichtigkeit werden. Indem wir
uns hiermit zur näheren Beleuchtung der Altersfrage wenden, so
scheint die von älteren und neueren Würzburger Bibliothekaren
festgehaltene Bezeichnung mit „saec. YIII'' vollkommen richtig
zu sein; ögg, der in seiner Chorographie von Würzburg (1808\
S. 297 — 585 die älteren Manuskripte einer meist nur diplo-
matischen Beschreibung unterzieht, setzt (S. 449) sogar den
Anfang des 8. Jahrhunderts an. Grofse Ähnlichkeit mit der
von Blatt 1 — 33 auftretenden angelsächsischen Schrift hat
Tafel 33 des zweiten Heftes von Amdt's Schrifttafeln 1874
(jedoch hat H von Blatt 1 — 33 stets s, nicht f)"» a'ich die
übergeschriebene Schrift des Palimpsests bei Wattenbach- Zange-
meister 1876 Tafel 17, sowie Tafel 41 (semiuncial) sind nahe
verwandt. Für Blatt 34 und 35 sind Arndt, Tafel 9^ und 12,
sowie die übergeschriebene Schrift bei Wattenb.-Zangem., Taf 30
zu vergleichen. Alle diese Schriftproben gehören aber ins
8. Jahrhundert. Abkürzungen sind, abgesehen von Wörtern wie
dominus, dcus, dicit etc., äufserst sparsam angewandt und End-
silben, die in späterer Zeit allgemein gekürzt werden, erscheinen
noch voll ausgeschrieben; wohl aber begegnen die alten tironi-
schen Zeichen für autem und enim; dem hohen Alter entsprechen
ferner Schreibweisen wie baeatus, haherae, potaest. Von Inter-
punktion ist so gut wie nichts zu bemerken.
Die Schrift von Blatt 1 — 33 ist ruhig, rund, grofs und
deutlich; für Latein hatte der Schreiber wohl nur geringes Ver-
ständnis, denn die Wörter sind zuweilen sinnlos zerrissen oder
anderseits ungehörig mit einander verbunden. Letzterer Um-
stand in Verbindung mit dem Auftreten von Schreibweisen wie
1) Lipsius 128. 152. 154.
2) Ebd. 128.
SCHEPSS, Zu DEN APOKRYPHEN APOSTELGESCHICHTEN. 457
readire, reddire, amfrigerit, conpellirent ', salupre, plasphemus,
hepreits, rupeta, hurburn, discibulus schien darauf hinzuweisen,
dafe unser Schreiber eine Vorlage vor sich gehabt iiabe, welche in
üncialaclirift und ohne Worttrennung geäclirieben war und grofae
Ähnlichkeit von I u. E und B u. P aufwies: dagegen künnen für
einen Archetypus in Hinuskelscbrift geltend gemacht werden: ge-
malis&UtttyemaUshzv.hifmalis, Korrekturen w'id bellaum, auraum,
aälaura, wo « und offenes n der Vorlage verwechselt wurden;
auf Blatt 14'' liest mtin: ronskcdnsrinffos. während es doch con-
fr'uxj-ts heifien innfs; /"und /" massen also in der Vorlage grofafl
ÄhnlichlLeit gehabt haben. Schliersliuh sei erwtllint, dafs häufig
u und ö verwechselt werden und dafa wohl infolge von ver-
schnörkelten Ä- Ligaturen der Vorlage oft Formen erscheinen
wie apareitit , apercite , alleren , aber auch sermeonf- , ipseo,
aguen, Icrlico. — Die iiuf Blatt 34 f. auftretende Hand fiiihreibt
steiler mit ausgeschriebeneren, aber markigen ZQgen und mit
korrekterer Textauffassung. Von dieser Hand sind die roten Über-
schriften zu dem Pensum 1 — 33 eingetragen and eine kleine
Strecke Text (auf 'Ai}^) ist gleichfalls echun von ihr gOHchrieben;
auch die Art und Weise, wie (gleichfalls auf 20'') die rote
Überschritt inr Matthäus passion und der Textinfang ineinander-
greifen, spricht bereut fOr gleichzeitige Arbeit eines ge-
wandteren and eines mehr schülerhaften aber dafür um so deut-
licher schreibenden Librarius.
Die Zeilenzahl, anf dem ersten Blatt 38, sinkt später zu
33, 30 und auf den zwei letzten Blättern zu 29 herab. Von
Schollen und Glossen ist nirgends etwas zu finden. Die anf
einigen Bändern (14'' u. a.) auftauchenden Spuren von Quater-
nionenbezeichnungen sind so unsicher, dafs es zu wenig lohnen
wQrde, hier auf diesen Punkt einzugehen. Auf dem vorderen
Holzdeckel, in welchen die Handschrift gebunden ist, steht von
später Hand unpassend : passionnlis Über de seu bartho(hmaeo) ;
Bchon damals als der Hoizdeckrd angelegt wurde, scheint K zu
Anfang und am Ende verstümmelt gewesen zu sein. — Die
Handschrift gehörte früher dem Dom zu Würzburg; sie wird
unter jenen 183 Manuskripten, die, nachdem sie 1631 vor den
Schweden auf den Dacbstuhl des Domes geflüchtet worden waren,
nm 1720 von v. Eckhart wieder aufgefunden nnd verzeichnet*
1) VerwecbBluiig der dritten und vierten :Konjugation ist aller-
di nga auch «onst in der mitteklterl. Lattnität oft nMuhiuweiHcn.
2} ßeufe. Scrapeum HI (1842), p. 3VX In dem Brief Bischof
Humbert'a an RnbanuB Manru» ^Migue 108, 1107 f.) kann man die
Nennung des passiouale unter den andern Schätzen der Würzburger
Bibliothek, die noch Jetzt besonders reich ist an alten patristiachen
Handschriften, dem ganxen Zusammenbang nach nicht erwarten. In
4M
wnr^ea, mit 3r. 61 aiigifliliit sda „Bumomale J^mttoknmr
fbrma qtMdrftta^ imembr.**.
Zorn SehliMM erwähne ieii für ApoiteUagndaii noch Mgauk
Wünharger Haadschriftgn:
Mp. th. t l:^, 3. Xn «ndiilt Blatt 124iL: B^atio de
tram^niUme A, JtMeald a^pöstali frfxtna Jakmmis (,,Beati Jaaü
0ifoaoli'* tCe.); Xp. tii. <|. 46, 8. Xu, Blatt 121 — 128: Asf»
S, Jöomms et FofuH ^ Snrins 26. Juni, 333. Sna inter-
flgoante alte Haadaehrift, wenn aoch nickt ape&ull die Apost^
betretTend, ist Xp. tb. q. 28**; se biatet o. a. die passio Cae-
eiUae (s. Bonnet praefL p. XVII), Jidiamaey Agmetia^ AgathM
ttad stammt aoa dem 8. — 9. Jahrhwndgt. Aoefa 1^. tfc.
1 34, 8. XI, gieieh Bonnefa W aas d«n berfthmtsi Weifsei-
dem aken Donnkatalog t. IX ^X [Seufs. Senpeom TI (18451
S. 180-182: jet2t bei Becker, Catahigi faiblifftk. antiqm (18»),
8. 38 — 4t] kommt o. a. tot KiXf «o^imma «äoe ptärmm ; ans Benifl'
ADjeabe t>t XII (Becker. Nr. 46*; könnte man ▼jefleicht snppüaen
wollen fyOpöntßiM** xsnd daM an d» Ton lipsins 151 rekons^iiierta
THcl .fUbir pcwti&mtm XII apcgtoiormm** denken, jedoch ist im Ori-
ghMl diese» Katalogs (Mp. tb. £ 40) nach XU dcntiieh an lesen:
„neriptoribus iherrmimi** (die erste Hälfte der näfhaten ZeQe ist
nnleiieriicb; : man wird wabracbeinlicb an das (tqh Bahr, Romliifhft
LHTtteratnr, snpplem. I, S. 120 erwähnte) pgcndohieronjmTaniwehe Bodi
,,df, duodecim floetoribun ad DtMerium^ zn denken haben: des
Hi^onymnÄ „Mmmentarii in duodecim prophetas minores ^ werden
im zwf^U^ Teil des Katalogs einzeln rorgemerkt. — Ich kann bei
dieser Gelegenheit überbaapt die Bemerkung nicht nnterdrücken, dafs
für eine Nenanflage Becker's, die auf Gnind der von mehreren For-
schem beigestenerten Nachträge (s. namentlich Peribach in Hartwig-
Hchnlz's ^Centralblatt für Biblothekswesen" 1885, S. 26. 30 ff.) recht
bald erfolgen möge, dies Original entschieden berücksichtigt werden
mnh, da es an vielen Stellen, die Renfs nicht entzifferte, fuglich ge-
lesen werden kann, wenn auch die erste Seite (bis Becker's Nr. 54
reichend; sehr geschwärzt ist. Die Anordnung des Originals sowohl
anf 8. 1 als auf dem Nachsetzblatt des Codex, welche nicht einen
einheitlichen fortlaufenden Text bietet, sondern auch die Ränder
rechts und links mitbenutzt und auch auf mehrere Schreiber
«(ihliefwen läfst, hätte von Reufs sorgfältiger beachtet werden sollen.
(ihrigenH ruhen jetzt nicht weniger als 46 ehemalige Würzburger
Handucliriften, darunter viele aus dem 9. oder 10. Jahrhundert zu
Oxford in der Bodlciana unter den „Codices Laudiani". — Von sicher
datierten Würzburger Handschriften seien hier erwähnt die einen
we»rntlich jiinireren Bchriftcharakter als H aufweisenden Codd. : Mp.
th- f. 14 ^Hiif Ik'fehl des Bischofs Humbert, 832—841, geschrieben);
Mp. th. f. 21 (geschrieben auf Befehl Bischofs Gotbald, f 855); Mp.
th. f. 124 (unUT Abt Rudolph von St. Stephan, nach 1143). Son-
Hfige merkwürdige Einschritten aus Würzburger Handschriften, von
Ogg oft wunderlich ausgedeutet, s. bei letzterem S. 408. 479. 497 f.
nU). 518. 027. 579—586; vgl. auch Dümmler in den „Forschungen
«ur deutschen Geschichte**, Bd. VI, S. 115 ff.
SS, zu COLUMBA VON LÜIEUIL3 KLOSTERÄEQEL. 459
burger PeUraltloster stammend, bietet nebet acderweitigem In-
halt eine Anzahl Yon Passionen: Agnes, NazariuB, Georgias,
Laurentius, Hippolytua, Xi/stus.
Zu Colamba vod Liiieuils HIosterregel nod
Bulisbiicb.
Von
Dr. 0. Seebafs in Dessau.
Dr. H. J. Schmitz, der yerdiente Verfasser des im Jahre
1863 erschienenen Werkes: „Die Barsbücher nnd die Ba(s-
disziplin der Eir'-.he", hat in dem 51- Bande von Vering's Archiv
fBr katholisches Kirchenrecht, S. 3 ff. meine Dissertation „Ober
Columba von Luienils Ktosterregel und Bufsbuch" (Dresden,
C. BOckner, 1883) einer ausführlichen Besprechung untenogen.
Unter den Ansstellangen und Einwürfen, durch welche er sein
im allgemeinen anerkeDnendes urteil einschränkt, wird man so-
fort diejenigen, welche ihm durch seinen Standpnnkt auf dem
Boden des römischen Rircbentums an die Hand gegeben waren,
von den bis torisch- wissenschaftlichen unterscheiden '. Hier ken-
nen wir es selbstverständlich nur mit den letzteren zn thun
haben.
Den Übergang zu diesen Punkten bildet die Frage nach der
1 komme ich auf die Frage: ColambA
i Scbmiti die Anmerkung auf S. 3
roelaei Dissertation genauer (und in der berichtigten Form aaf S. 2>
gelesen, so würde er wohl kaum den Widerspruch gegen „Colamba
erneuert haben. Ich habe mit der Verweisung auf Ebrard (Iro-
schott. Missionskircbe, S. 16) angedeutet, dafa in dieser Frage durch
den genannten Gelehrten bereits eine endgültige Antwort Kegeben
worden. Wenn Columba in allen seineu Briefen sieb ausscmieralich
dieser iriseben Form seines Namens bedient und gerade diese Form
■o nachdrücklich hervorhebt (Epist 4, Maiima biblioth. patr, Xu,
SIC), v> haben wir keinen Grund, ihm dieselbe femer noch vorxu-
enthalten.
30»
460 JkHALBKTES.
Hissionstbätigkeit Cnlumba's. „Wae S. ^egen die MiKiooiwif-
gab« ColDoibaDS von einem bis mni Anraersten siift«cht ettialu-
oen EremiUntum estgt, steht in direlftem Widerapracb snr hiito-
riBchen Naohriclit". bemerkt Scbmiti S. 8. Nun habe ieb iMr
keineswegs ^elengnet, Aa!s Coiumba überhaupt mi«sioD arisch thitif
genesen; die Bebauptung jedoch, dafs seine Wirksamkeit dts
eines Ap'>stels nur weni^ ähnlich gewesen, halte ich durcfaib
aufrecht Was ich zum Beweise vorgebracht, ist von Lonfi
(Theol. Lilteratuneitong ^883, Nr. 14; s. anch dessen Antiqu.
Brit. Suot. eccl. p. 104 sqq.) anerkannt, von Schmitt nicht «in-
mal versDcht norden zu widerlegen. Indem er auf S. $ iit
Th&tigkeit Columbas ' clmrakterisiert , bietet er allerdings i«n
St«llen, welche besagen, dafs es in Columba*8 Absicht gelrgec,
den Ilei'Ien das Evangelium zn predigen ^ aber beidemal f«hlt
die Apgabe, dar» er diese Absiebt ancb ausgeführt, so daTs C-<-
lumb;! in der Tbut ganz richtig in dieser Beziehung bemeri>t:
sed hnec vota sunt potius in me quam acta (Epist. 3, Nu.
bibi. xir, 27 c).
Es bleibt also nnr der Hinweis anf die Tbfitigkeit Cotumba's
am Bodensee Qbrig. Hier aber hat er sich nur vo rn berge benil
aufgehalten und seine missionarische Wirksamkeit kann sehun
deshalb nicht bedeutend gewesen sein, weit er der alamanniticliea
Sprache nicht mächtig war (S. Vita S. tialli 6, bei Mabill.
Acta II, p. 333). Dafür aber, dafs Colamba die Abstinetii
1) Dcu schärfsten Widerspruch des Herrn Kezensenten hat mein«
Behauptung (Disaert. S. T) hervorgerufen, dafs auch Columbas Reg«!
„eine bedenkliche Hinneigung zu geaetzlicher Aufiassung desChriaten-
■tanÜRB, zu der Hauptuntugend der römischeu Kirche, die Gewiaseo
statt allein an das Guttenwort au die Autorität der kirchlichen Oberen
z« binden" enthalte. Zum Beweise hatte ich voruehmlich auf du
S^amte 'J. Kapitel „de mortificatione", insbesondere auf die Worte
Dgewieseu , dars der Mönch stets sich von dem Ausspruch einej
andern abhängig wissen müsse (hoino semper de ort pendeat ailftii^l,
dafs niemand durch das Zeugnis seines eigenen Gewissens, eondeni
nur nacli Ausforschung seitens eines Gewissensrichters zur inneren
Ruhe gelange (nihil dutciua est conscimtiae securitaie .... quat»
nul?u» sibi ip«i ptr ge potesl traderr.. qune jiroprie aiiorum est na-
minis). Schmitz hat einen langen Abschnitt (S. 6—8) niedergeschrie-
ben, um diese uncbriatliehe Unterwerfung unter das Urteil eines sün-
digen, iirtuinnfUhigen Mitmenschen zu rechtfertigen; aber wenn er
anoh Dutzende von Aussprüchen der patre» und papae ecciesiae lu-
hilfe nehmen könnte, so würde das nicht genügen, um den unmittel-
baren Widerspruch zu beseitigen, in welcfacDi die angeführten Stellen
der columbauischeu Regel mit den Worten Christi und der Apo*tel
stehen: vgl, IJoh. 3, '21: 'iLnc i/ zrcMfCn t,fiB>$' fi'i ■niRj'dviavi; i]ulDv,
nttQQrinlBv i)iofitv n^öf jiv Itföv ; Köm. 14, 5: fxaaro; tv ii^i Hin
voi' nlj]Qoifoi)i(aSio und vor allem Joh. 8, 31: Kai ytwafoSi r^i' ält}-
SEEBASS, ZU COLUMBA VON LUXECILS KLOSTEBREGEL. 461
bis zura aufaeteten getrieben , soUton düoh scboii die von mir
aDgefuiirten Worte der Vita Col. 1 G &U Nachweis genQgen:
erat cibo ita altettuatus, al vix vivere crederetur. Man nehme
uocli hinzu Kap. 14 (AuU II, p. U): Novem jam trana'terant
dies , quo vir Sei cum suis »oh alias dupes capertt , quam
arborum vortkea herbasque saltus.
Die Kesultiite meiner Untursnchungen über du3 7. Kapitel
der Hegel Columbos eignet sich Schmitz an, aber die Art und
Weise, wie er dies thut, iät charukteristisch. Nachdem ei
iltetfelhen in grörater (iiuJ mifsTerslünttliulier) Kürze ungegoben,
fülin er fort (a. a. 0. S. 10): „S. hat recht viele Mähe, diese
einfw^hen VerordnnDgen im Kap. TII DacLzuweisea." Freilich
iieiimeD sich dieeelbeu uiil' S. 24 meiner Dissertation einfach
peuiig aus; von den Schwierigkeiten aber, dieselben aus dem
Text des VII. Kapitels, desaeu DarsteliuBg von Kbrard (Iro-
schott Misäionsl!., S. ii') „äufserst dunkel und schwierig" ge-
nannt wird (s. Mahillun Ann. 11, p. '212: Obacurum eal qtiod
de curau ac ai/naä-t psaimorum prtiescribit) , und bei welchem
eine nicht geringe Zahl teKtkri tisch er Fragen zu erledigen waren
(ä. Menard L'oncord. ßegg. p. 3^7), zu entnehmen, scheint Schmitz
keine Ahnung bekommen zu haben. „Aber", so keifst es weiter,
„ das ist nicht zu verwundoni , da ihm die in der Psalmodie
L'ebrit lieblichen termini tedinici zum gröfsteu Teil ganz unbe-
kiUiDt waren."
Ohne nun für dieses Mal mich in eine genauere Erörterung
die^e^ hymnolagischen Begrifi« einzulasüen, erwidere ich hier nur
äoviel : 1) Au der von mir hervorgehobenen Synonymität der
Auisdrßcke unliphonne paalmorum und chori (cliorac) ist — für
das 7. Kapit«! der Regel Columba's und das 75. Donat's — fest-
zuhalten; der Beweis ist vollatflndig vun mir erbnicht; 2) daia
die ur--prflng!iche Bedeutung von anfiphona richtig von mir an-
gegeben, mag man aus Du Cange's Clossar I, p. ät<2 entnehmen;
3) im übrigen verweise ich auf die llarstellung des columba-
niscLen l'ealmenkur^es bei Greitli, Die ulliriscbe Kirche, S. 282.
Dem hochwürdigen Bischof vun S. Uullen gegenüber, der, wie
icL es gethan, die Antiphonen als Chorgesange neben dem Psalmen-
gesang autfafet, dürfte es Herr Schmitz wobl weniger geraten
linden, an die „lächelnden Chorknaben" zu appellieren.
Auch inbezng auf den Uauptteü der Dissertation erklärt eich
Schmitz mit den Ergtbnisnen derselben einverstanden. Er giebt
zu , dafs die reg. eucnobiiilis nicht nur wirklich von Columba
heiTübte, bondein iinch einen Teil der regula Col. gebildet habe;
auch er erkennt in der leg. coen. H eine jüngere, mehrfach er-
weiterte Fassung der COnobialregel, er halt die von mir gemacht«
Bemerkung fQr richtig, dafs die Becitimmungen der reg. coen, I
462 ANALEKTElf.
Ton Kap. X ab von den Yorhergehenden Kapiteln mk wA ^
Fonn und Inhalt unterscheiden; ja selbst das giebt SdilB v^
noch zu, dals zwischen diesem zweiten Teil der reg. cool I Ml ^
dem letzten des Poenitentiale Colnmbani B (Wasserschlelnl ^
8. 351) eine innige Verwandtschaft bestehe (a. a. 0. S. UtlF
Eben diese Wahrnehmung hatte mich zu der Vermutung gAi^
daCs der zweite Teil der reg. coen. I ursprünglich dem Pteä»!
tial Columbas angehört habe. Dem tritt nun Schmitz scharf n^
gegen. Da er n&mlich die Autorschaft Columbas bezfigiicb k
beiden nach ihm genannten Pönitentialfhigmente leugnet (M
bflcher, S. 593), so kann er auch den Versuch einer Ergiazoi
derselben durch ein anderes columbanisches Bruchstfiek mM
unangefochten lassen. Jedoch ist den Ausführungen Sebnüi'i
gegen meine Untersuchungen über die Cönobialregel schon d»
halb ke^ne wissenschaftliche Bedeutung zuzuschreiben» weil Scbnb
sich in denselben nur auf den Holsten'schen Text, also auf ii
reg. coen. II, deren jQngere Abfassung er zugesteht, gründet ai
sich nicht einmal die Mühe genommen hat, den Text der nf.
coen. I, wie derselbe nicht nur bei Fleming, sondern auch h
der Max. biblth. vorliegt, einzusehen. Dies geht schon aus seiiff
Bemerkung (a. a. 0. S. 19) hervor, dafs er in der tmüm
H&lfte der Cönobialregel 29 Fälle körperlicher Züchtigung ge-
zählt habe, die mit den Ausdrücken verbera, plagae, pereusakma
und prostratio ^ bezeichnet seien, während doch nur dreiml
(nicht zweimal, wie ich irrtümlich auf S. 50 der DissertatiM
angegeben habe) ' in dem zweiten Teil der reg. coen. I yon dir
Prügelstrafe die Bede ist und die Bezeichnangen plagae, per-
cussiones sich hier gar nicht vorfinden. Sodann hat Schmiü
seine Citate stets aus der reg. coen. II (dem Holsten'schen Text)
entlehnt; es ist ganz unbegreiflich, wie er den Anfang des
Holsten'schen Textes für seine Beweisfahruug heranziehen kano,
da ich doch (S. 52 der Dissertation) darauf hingewiesen hatte,
daTs hier der Text der Cönobialregel erweitert worden sei, üb
dieselbe dem Pönitential Columbas täuschend ähnlich zu machen.
Zur vollen Gewifsheit, dafs der Wortlaut der reg. coen. I von
1) prostratio gehört nicht hierher. S. reg. coen. cap. 3; Donat'i
Regel cap. 26.
2) Der Cod. Sangall., aus welchem ich demnächst eine Abschrift
der reg. coen. beibringen werde, liefert noch ein yiertes Mal. Ich
siehe infolge dessen die auf S. 50 meiner Dissertation ausgesprochene
Behauptung, dafs diese Stellen ursprünglich nicht in dem Pönitential
ColumDas gestanden, zurück. Da auch die columbanischen Pöoitential-
fragmeute (,A, IX; B, 26 f."^ die Prügelstrafe erwähnen, so werden wir
lu der Annahme geführt, dafs Columba in der That auch die körper-
Uohe Züchtigung als sakramentale Pönitenz verwandt hat.
SEEBAS5, ZU COLUHBA VOIf LUXEUILS KLOäTERBEOEL. 463
Scbmitz nicht nachgesehen worden, führt seine Bemerkung (S. 16),
„statt ciiicun^e wird es wobi u^icwn^ne heirsen müssen". Denn
die reg. ooen. I bietet nict cuiciinquc, sondern quandocunque
(wie Donat), also ungefähr das, was Schmitz dort zu finden
wänscbte. ^ Der Haupteinwand, den Schmitz gegen die Ver-
weisung des zweiten Teiles der Cönobialregel in das Bufdbuch
Columba's erhebt, tat der, dafs die Strafb estimmun gen desselben
sich „auch nur auf leichte Vergehen gegen klösterliche Ordnung"
bezieben (3. 15) und ebenso wenig wie die des ersten Teiles
als „sakramentale" Pünitenzen aufgefafst werden könnten.
Mit dem eisteren widerspricht Schmitz sich selbst , da er
S. 12 zugestanden hatte, dafs die zweite Hälfte auch inhalt-
lich TOD der ersten sich unterscheide. Was aber den „sakra-
mentalen" Charakter der Pönitenzen in den Kap. X — XV an-
langt, so habe ich (S. 51 d. Dissert.) darüber bemerkt, dafs
im wesentlichen die in diesen Abschnitten erwähnten Ver-
gehen sich eher als solche erweisen, die eine Ausschi iefsung
vom hl. Abendmahl zur Folge haben konnten. „Uierbei", meint
Schmitz (3. 15), „ist S. offenbar von einer Gedankenlosigkeit über-
rascht worden." Nun, während in Kap. I — HI vornehmlich von
Versäumnissen der Mönche hei Tisch und im Hause, in Kap.
V — VIII Ton Qbermüttgem Benehmen, unnützem Kedeo o. dgl,
gehandelt wird, tritt in Kap. X u. XI sofort der eigentliche
ungehorsam gegen den Äbt und die Regel mit scharfen Straf-
ansfitzen .-tuf. Das XV. Kapitel handelt von den Nachlässig-
keiten der Kleriker bei Verwaltung der Sakramente, die mit
Pönitenz bis zu einem Jahre bestraft werden; die mittleren Ka-
pitel von Nachlässigkeiten beim Gottesdienst, von Streit, beharr-
licher Lüge u. .1. Wenn ich hiermit die Berechtigung der Be-
hauptung, diils im wesentlichen in der zweiten Hälfte der
Cönobialregel Vergehen abgeurteilt werden, die eber eine Aus-
schliefsung vom hl. Abendmahl zur Folge haben konnten, nach-
gewiesen zu haben glaube, so verkenne ich dabei keineswegs,
dafs auch in diesem Teile leichtere Veifablungen vorkommen
und manches, was düQ Beütimmungen der ersten Hälfte sehr
ahnlich sieht (vgl. bes. Kap. IV u. XII. XIV). Dafs aber von
Kap. X ab alles eine andere Bedeutung annimmt und in anderen
Znsammenhang gehört, sollte doch schon durch die auffallende
Veränderung in den Strafansätzon klar werden. Von hier lautet
dos Strafurteil gewöhnlich: iinum dicm (duos dies) uno paxi-
matio et aqua oder einfacher in pane et aqua. Bibso Bestim-
mung kommt in den voraufgehenden Stacken durchaus nicht vor *
1) Reg. coen. II bietet (S. 100 bei Holst.): potnitentia in pane
aqua, wo die reg. I t.cap. VIII) nar in potnitentia bat. Wiedet
461 ANALtKTES.
in den PüniteDtiulieii Jugegen refelmäfsig. Wae aber jene fsr 1
«las PBoitential zu laicht befuniienen Vergehen anlangt, so Im
Üildaa in dem seinen (Schmitz, Bursdisziplin , S. 495)
^anze Reihe soluher neben schweren VBrlirecbeii mit berttckaiclc
tigt (a. § -i. 7. ö. 10, 15. J9. 2ä. 26). W«rmu sollte uiihl
auch Oolumba'ä Buf^bucb, dessen Verwandtschaft mit dem i'üni-
lentiul des Gildas ich nachgewiesen, ahnlichu Ansülie entluLttes
können? Nun aber zeigen eich gerade zwischen dem
Teil der re^. coen. I und dem Pünitential des Uildas mehtfacbe
Anklänge. Cf, reg. coen. cp. XV und Uild. 7, 9; cp. SIV ■
und Gild. 17. 19- Auch iät eine für die Seuvteilung dett In-
hältea des Puenit. Col. B. wichtige Stelle von Schmitz unberOiA*
eichligt gelassen. Am Schlüsse desselben (g 30, S. 601) beibt
es nämlich: Confcssioties atilem tiari diUgentius praecipüw,
maxime de commotionibus animi, autequa
missant cattir . . melius est cnitn txpectare dotiec
num fiterit et allenum a scandafo ac invidia . ijuam aceedtn
audacler . . . Skuti ergo a peccaiis capilalibiis caiHmdum td
ante/juam communicandum sit, ifa etiam ab incerliortbus
vitiis et morbis langtientis antmae abstinendum
est . . ante verae pacis conjnnct ionem. Die bBr»or-
gehobenen Worte stellen es doch aurger Zweifel, dafs
betreffenden Bufobnch uoch leichtere Vergehen berücksiglitigl und
daCs auch dte^e mit ihren Pünitcn/en in Beziehung zum J
pfang des hl. Abendmahlec^gcstollf; wc.ieii.
Auf S. 21 beginnt Schmitz t>eino eigene Ansicht Aber die
reg. coen. mitzuteilen: „Es ist durchaus nicht zutreffend, äib
die Strafen, welche in ihr bestimmt sind, iu zunehmender Slti-
gerung geordnet sind; mau wird vielmehr ein anderea Prinzip,
nach welchem ibr lilafs bestimmt ist, entdecken . . . die ver-
schiedene Art der Strafen entspriciit der Eijfenart
der Vorgehen." '
bieso Ansicht länft im Grunde genommen mit der meinigan
zusammen, iu^urern ehen die geringeren Strafen ffir unbedontendB
Vergehen zuerst, die scliwerereu Strafen für Ungehoisam, Wider-
spruch D. n. V. an zweiter Stelle auftieten. Wenn man &ber
berückiiiuhtigt, wie verschiedenattigo Üinge mit einem und den-
selben Etralansatz in einem Kupitel zusammengestelU werden, M
ein Zeichen, dafs bei der letsteu Itcdaktion der Cönobialragel du
Bestreben obwalteti.', dieselbe dem Bursbucb übnlieh zu machen.
1) Der Satz: „In WiedeTholungsfttlleii tritt eine Abbiifsuog diudi
PMimengfbet ein, wie aualiiicklicli in dum ersten Knpitel bemerkt",
i»t falsch. Die ersten acht Kapiti^l erwähnen dos P»alme Usingen«
als Pöuitena mit keiner Syllie, und das neunte nur in auderem Zu-
SEEBASS, ZU COLÜMBA VON LUXEUILS KLOSTEUREGEL. 465
wird man gewifs der von Hertel und mir geboteneu Erklärung
den Vorzug geben, die ich auf S. 46 — 48 m. Dissert. eingehend
begründet habe. —
Die Verschiedenheit des zweiten Teiles der Cönobialregel vom
ersten erklärt nun Schmitz dadurch, dafs der zweite Teil eine
„tabellarische Aufstellung** für den Vorsteher des Klosters ent-
halten habe , welche dem erstoren hinzugefügt sei , um die
Schwierigkeit, das Vergehen und die Art seiner Bestrafung sofort
anfzutinden, zu beseitigen. Aber abgesehen davon, dafs der erste
Teil mindestens ebenso übersichtlich und praktisch geordnet
erscheint als der zweite, so ist diese Anuaiime schon dadurch
ausgeschlossen , dafs die letzten Kapitel eine grofse Zahl von
Bestimmuugeu enthalten, die in dem ersten Teil überhaupt nicht
vorkommen (s. bes. Kap. XII — XV). Es ist zudem von mir aus-
führlich nachgewiesen (Dissert. S. 35 — 42. 48. 51), dafs die
echte und eigentliche Cönobialregel ursprünglich als zweiter Teil
der Begel Columba^s gegolten hat. Behält man nun mit Schmitz
den zweiten Teil der reg. coen. I als solchen bei, so stellt sich
derselbe als zweiter Teil des zweiten Teils der Kegel Columba's
heraus, womit denn doch die Einheit der Hegel angetastet er-
scheint. Ganz unverständlicli mufs an dieser Stelle auch die
Bemerkung von Schmitz erscheinen, düfs bei seiner Auffassung
die wiederholte Erwähnung der Kegel Col. im zweiten Teil der
Cönobialregel erklärlich sei, während ich eine befriedigende Er-
klärung nicht geboten haben soll. Die Sache liegt doch gerade
umgekehlt. Gehört der zweite Teil der re^, coen. I mit dem
ersten zusammen, so gehört er auch zur Rej^el Columba's und
die Erwähnung der Kegel in der Regel bleibt auff-illond; gehört
er aber ins Bufsbuch, so ist die Erwähnung der Ke^^el vollkom-
men verständlich.
Es ist, wie ich zum Schluls bemerken will, bei der Be-
urteilung des Verhältnisses der beiden Teile der Cönobialregel
zu einander wie zu den Fragmenten der Bufabücher Columbas von
der festgestellten Thatsache auszugehen , dafs üer Text der
Cönobialregel, wie er von Benedikt von Aniane im „Codex regu-
larum" unter dem Titel „liber Poenitcntialis" jrcgeben ist, als
die jüngste Rezension derselben anzusehen ist, bei welcher aus
allen unter Columbas Namen überlieferten ScUriftcn pönitentialen
Inhalts Zusätze aufgenommen wurden, um eine möglichst grofse
Ähnlichkeit mit dem columbauischen Bufsbuch herzusteilen. —
Mein Urteil über den Ursprung der unter Columba's Namen Ober-
lieferten Pönitentialfragmente halte ich noch zurück; nur so viel
bemerke ich, dafs die Ausführungen von Schmitz (Bufsdisziplin,
S. 589— 594) mir nicht genügend erscheinen, um dieselben dem
Oolumba abzusprechen.
466 ANALEKTEN.
3.
Zu Luther^s BriefweehseL
Von
Lonls Neustadt.
Seit de Wette seine Briefsammlnng veröffentlicht hat, nsd
namentlich dnrch Seidemann, Voigt, Burckhardt, Eolde vielfadM
Ergänzungen erschienen. Man wird sich der Wahmehmmig nickt
Terschliefsen können, dafs Luther*s Briefwechsel erst dann anf
eine gewisse Vollständigkeit wird Anspruch erheben können,
wenn man auch die Briefsammlungen derjenigen Männer dorch-
sucht, welche nachweislich mit dem Beformator in brieflichoD
Verkehre gestanden haben. Zu diesen gehört der Markgraf Georg
von Brandenburg, ein Vetter des Kurfürsten Joachim L, ans der
fränkischen Linie des Hauses. Aus Beinhardt*8 „ historischen Bei-
trägen zur Geschichte des Frankenlandes" hatte de Wette fünf Briefe
Luther*s an Georg aufgenommen. Spiefs und Lang fügten dun
einige Bruchstücke von Briefen Georges an Luther (Branden-
burgische Münzbelustigungen I, 152; Neuere Gesch. von Bay-
reuth II, 2 2 f. 2 7 f. 29). Dieser briefliche Verkehr bewegt sich
in der Zeit von 1528 bis 1542. Dafs vor 1528, also in den
ersten Jahren der Reformation zwischen beiden Männern Briefe
gewechselt worden sind, ist bisher nicht bekannt geworden.
Nun fand ich in einem Fascikel von Korrespondenzen Georg s,
dem königlichen Kreisarchiv zu Bamberg gehörig, betitelt „All-
gemeine Nachrichten vom Markgrafen Georg von Brandenburg
1499—1550" (Sign. 1943, Nr. 13), das in der Kanzlei zurück-
gelassene vielfach korrigierte Konzept eines Briefes Georg*s an
Luther vom 5. Januar 1523 (Montag nach circumcisionis
domini) ohne Ortsangabe. Herr Prof. Kolde, dem ich hiervon mit-
teilte, machte mich aufmerksam, dafs der Brief schon bei Bichter
(Genealogia Lutherorum 1733, p. 216) stehe, freilich unter
falschem Datum, in das Jahr 1521 versetzt. Dort findet sich
aber nur der eine Teil; die wichtige Cedula, welche uns die
Beziehungen Georges zu Luther enthüllt, fehlt ganz. Dagegen
kann ich für die Litteratur auf jenes Buch verweisen und mich
zum Verständnis des Briefes hier kurz fassen.
Im Jahre 1520 und auch später sollen in Deutschland ver-
E
1
i
NEL'STÄDT, ZU LÜTHEB'S BKIEFWECHSEL. 467
schiedene Hirsgeburten von Kälbern zor Welt gekommen sein.
Bei der Aufgeregtheit, in welcher sich die damulige Welt in*
folge der beginnenden religif^sen Streitigkeiten befand, und bei
der herrschenden Opposition gegen Papattum und Mönchtum wer-
den wir es verstehen, wenn wir hören, dafö man in jenen Tieren
die Gestalt von Möncben ta erblicken glaubte, oder letztere vrs-
□igstens damit lacherlich zu machen suchte, dafs man sie mit
ihnen zusammenreimte. Grofües Aufsehen erregte besonders das
„Mönchskalb" von Freiberg in Sachsen, dem Territorium des
Herzogs Georg von Sachsen, des grimmen Feindes von Luther's
Lehre. Letzterer hat seihst in diesem Falle seine allzeit
streitbare Feder gefübrt. Auch uuser Brief hängt damit zu-
sammen. Das „Monstrum" kam auch an den üof des Königs
Ludwig's U. von Böhmen und Ungarn, der sich zu jener Zuit
iD Prag aufhielt und mit ihm sein ehemaliger Erzieher , eben
der Markgraf. Letzterer hatte bei der Besichtigung des Dinges
einen gerade anwesenden Doktor der Astronomie ganz beiläufig
gefragt, was er wohl davon halte, dieser aber das Wort aufge-
griffen, um in seinem Namen Spottverse auf Lutber zu fabrizieren.
In dem Briefe weist Georg jede Beziehung zu jenem Versifux
znrilck und entschuldigt sieb über den Mifsfall. Aus einem
Schreiben , das Lutber am 23. Januar 152^ an Spalatin ge-
richtet bat (de Wette II, 301, Nr. 406) wiesen wir, dafs der
Brief nicht blofs geschrieben (und zwar in Prag), sondern auch
an seine Adresse gelangt ist, ja dafs Georg noch einen zweiten
ähnlichen luhalts an den Kurfürsten Friedrich den Weisen von.
Sachsen geschickt hat. Tritt schon in dem bereits bei Richter
gedruckten Teile des Briefes die Gesinnung Georg's über den
„Hasser aller Lügen" deutlich hervor, so erfahren wir voUends
ans der Cedula, dafs er schon damals ein eifriger Verteidiger
des Beformators gewesen. Da die Verbindung mit dem Hoch-
meister Albrecht er.'^t in das Ende des Jahres lb'2'i gehört, io
ist dieser Brief zugleich das früheste Zeichen eines Verkehre
zwischen Luther und den fiänkischen Hohenzallurn.
Wenn nunmehr der Nachweis gefübrt ist, dafs Georg be-
reits in den ersten Jahren der Keforraation einen schriftlichen
Veikehr mit Lutber gehabt hat, to bleibt immerhin noch die
Frage offen, ob in dieser Zdit beide Männer auch persönlich zu-
sammengekümmen sind. Faktisch ist die Behauptung bereits
aufgestellt worden. Schon im sechzehnten Jahrhundert hat der
Historiker Dresser (isagoge historica VI, 2, 498) davon zu
^
u
4C8 ANALEKTEN.
erzählen gewofst, mit einer Umätändlicbkeit, welche aof die
mutung kommen läfst, dafa ihm ein Bericht hierüber voii^äep^
habe. Nach il.m habe Georg, selbst schon vom evan^elia^l j
Gliiubeu erfüllt, den Reft)rmat<»r persönlich um BeiehruDg aßg^l
wuUen, auf weiche Weise er seine Lande der neuen Lehrt
besten zugänglich machen könne. Für diese Zusammenkoft
habe er jedes Auf^'ehen %u vermeiden gesucht, nur mit sedi
Dienern sei er nach Wittenberg gekomui«in. 3Iit der Zeit, i
welcher die Begegnung stattgefunden iiaben soll , macht n
Schuelinus näher bekannt , der nächst einer fränki;>cheii fii-
formatiocsgeschichte auch das „Leben des Markgrafen Georgeu'' 17S)
anonym herausgegeben hat Er erzählt nämlicb , nachdem c
von der Umwandlung des Ordcnslaudes in ein Herzogtum gl-
sprechen (§ XIV, S. 43), dafs „Marggraff Georg auf dies«
Reise nach Polen, mit etlichen LMenern in aller Stille luiä
Wittenberg zu D. Lntheru kommen, sich seines guten Baths so-
wohl wegen der Preufsisciieu Affairen als der Reformation balba
zu bedienen. Wie er dann auch seineu Secretarium aus Pol«
defswegen an ihn gesendet, seine Meinung über ein und andee
Begebenheiten zu erfahren*'. Schuelinus folgt hierbei, wie er
anmerkt, dem Bericht Diessers, ferner citiert er Lutheri Epistel
an Spalatiu L. IL p. 88. Aber Veesenmoyer (Litterator-
geschichte der Briefsammlungen Luther's) kennt eine Sammlong
von Briefen Luther*s an Spalcitin weder vor noch nach 1729,
und auf diejenigen Briefsammlungen, welche vor 1729 erschienen
sind, wie die von Obsopaeus und Aurifaber, pafst das Citat
nicht.
Nun citiert aber Seckendorf (Commentarius historicus et
apologeticus de Lutheranismo, lib. I, Sectio 55, § 139, p. 241")
dieselbe Stelle (lib. II, p. 88^) i und da wir in der glücklichen
Lage sind, yr.n Sockendorf selbst zu erfahren, wtlche Ausgabe er
benutzt hat (im Index tertius: in epistolis usus sum volumiuibus
dtobus in quarto primae editionis), so bleibt uns nichts übrig,
als die nicht passende Stelle bei Aurifaber dem Yerstünduis aa-
znpassen. Da stellt sich donn heraus, wie die Stelle in Luther*s
Brief gröblich mirsverstaiiden worden ist. Luther schreibt an
Spalatiu: „Ludovicus Ducis Poloniae a socretis iucundissimus
hospes fuit exccptus", wobei übrigens von Aurifaber falsch ge-
lesen worden ist, statt „Decius** — „Ducis" *. Aus der
gastfreundlichen Aufnahme dts polnischen Sekretärs macht nun
Seckendorf 6ch(»n eine Sendung desselben an Luther in Iteligions«
1) Ferner ist regis fortgefallen. Gemeint ist der bekannte Hu-
manist und Historiker Diez, der in Krakau lange Jahre am Hofe ge-
lebt hat.
KEC8TADT, ZU LUTHER'S BRIEFWECHSEL. 469
Sachen: „Gi P'>loDiiL missnm ad se Recretarium religionh ouusa
meraorat ipxe l>Dtlierii3.'' äcliunlinus bat hSchEtwiilicscbeinlich
den Text des Aurifiibar gar niclit vor Aogen gehiibt, snndern
nur den Scnliendi^rfN. Sonst hült? or kaum daraus muulien kön-
nen, dafs dieser poliiisclje SekretAr von Georg an Luther abge-
sandt worden ist. Dieser [rrtum erklärt sich einfach daraus,
dafd Seokendorf Itarn V')r der SHiiitiing des Sekretärs von der
BegDnsligun^ der neuen Lehre diircli CJeorg erz.llilt hat. Da-
nach ist :ilso an dieser ganzen Sendung nur ein Miraverständ-
nis Secksudorfs und Suliuelinus' Naclililsaig'keiC schnld. Der
Prüfung bodjff um so mehr die erste Version, welche von Dresaer
heirülirt und vielf.icli nni-liflruftlilt wurden ist Palckenetein
(Analoctii Nordgaviensia III, '202) nennt sogar einen der sechs
Diener mit Numen Veit von Lentersheim und fügt hin^ii, daTa
dieser Mann bis an sein Enda katlmlisch geblieben ist.
Da keiner der gonannlen Ilistnriker einen genauen Zeitpunkt
fQr die Wittenberger Iteise Ueor);'a angiebt, so Ideibt nichts
Übrig, als vor dor Hand anf Grund des bekannten Quellen-
matcrialä die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit einer Zusammen-
Icunft zwif^chen Gonrg und Luther zu untersuchen. Nach Scliue-
linna soll sie jedenfalls vor der Belehnung des Hochmeisters
AJbrecht von Preufden, also vor dem S. April 1525 stattgefun-
den haben und zwar „auf dieser Heise nucU Polea". Nun hat
aber Georg bis zn diesem Tage im Interesse seines Bruders
dreimal eine Heise nach Polen unternommen, aufaer I52S noch
1524 und 1521 wenigsten!) nach dem polnischvu Preufsen. Es
fragt flichi ob er in einem dieser Jahre „auf der Keise nach
Polen" Wittenberg besucht haben kann. 15^5 ist Georg auf
der Hinreise wie auf der Rl]ckreise durch Schlesien gezogen
(Neustadt, Aufenthaltsorte des Markgrafen Geor;; von Branden-
burg im Archiv für Oberfranken XV, 3 für 1525).
Nicht anders steht es mit der polnischen Reise des Jahres
152 1. Auch fQr dieses -labr habe ich an anderer Stelle
tabellarisch den Nachwei.s geführt, dafs Georg seinen Weg beide
Male durch Schlesien genommen hat (vgl. Neustadt u. a. 0.
für das Jahr 1521). Am 16. Januar 1.t21 war Georg noch
iu Ofen (Berlin. Geh. Staatsarchiv Kep. 46, 9b, Nr. 2), am
10. Febr. ist or schon in Thnm (Berlin. Geh. Staatsarchiv ßep.
V, 5, fol. 10". 45'. 49"). In der Zwischenzeit, Ende Januar
oder Anfang Februar war er in Poln.-Wartcnberg, einer schle-
siscben Herrschaft, welche damals dem böhmischen Oberstburg-
grafen Zdenko Lew von Bo/mital gehorte, und bei diesem. Ein
altes Ärchivreppftoriuro Georg's aus dem Jahre 1527 lählt unter
anderen Akten .luf: „Handlung was mein gnediger her mit her
Lewen tu Wartenburg gehandelt halt im Rein zihen gein
470 ANALEKTEN.
Prenfsen'' (München. Reichsarchiy Brand. CCY, 14, Kr.i|
fol. 8^). In PreoTsen ist Georg vor 1527 aber nur in di«
Jahre 1521 gewesen. Für die Monate Februar, If&n nnd aal
Teil Yon April lassen sich die Aufenthaltsorte Georg's T^ Ik'
Tag genau durch die oben näher bezeichneten Akten am Ba-
liner Geh. Staatsarchivs feststellen. £r ist während diäter Zi
in PreuDsen, abwechselnd in Thom, Marienburg* nnd Bieseal«^
gewesen. Am 30. April finden wir ihn schon wieder in ScUi*
sien, in Oppeln (cod. dipl. Siles. VI, 168 f.).
FQr das Jahr 15 24 scheint nun der Umstand za spredo,
dafs in diesem Georg*s Bruder Albrecht nachweislich in die Hik
Wittenbergs gekommen ist. Wir haben aus Halle datierte Sckre-
ben desselben (?om 7. u. 17. Mai bei Voigt IX, 716 ff.). Dm
kommt, dafs auch der älteste Bruder Kasimir in diesem Jiint
in Sachsen gewesen ist (München. Reichsarchiy Brand. CLXXXYn,
Yol. I, fol. 137^), freilich erst im November (Biedel, Codn
dipl. Brand. Uly 3, p. 320 sq.). Unglücklicherweise aber wv
Georg gerade im Mai in Polen und hat auch diesmal wiedff
seinen Zog direkt durch Schlesien genommen. Am 3. Mai ist
er in J&gemdorf (München. Beichsarchir Brand. CCVII, %
Nr. 5*) und am 31. desselben Monats in Freistadt bei TesdMi.
In die Zwischenzeit fällt die Reise nach Erakau (München. Beidn-
archiy Brand. CCYII, 2, Nr. 5^). Im Norember war Georg in
Schlesien (München. Reichsarchiy CCYII, 16% Nr. 4).
Wie man sieht, kann Georg auf keiner der drei polniscbea
Reisen den Reformator besucht haben. Gerade die Bemerkung
des Schuelinns, dafs Georg ,,auf der Reise nach Polen" den
Besuch gemacht habe, stöfst auf chronologische Schwierigkeiten.
Ein notwendiger Znsammenhang zwischen dem Besuch in Witten-
berg und der Reise nach Polen besteht dabei nicht. Georg
kann sehr wohl sich bei Luther viel früher Rats erholt haben,
als er seine Reise nach Polen angetreten hat So lange dieser
Zusammenhang urkundlich nicht nachweisbar ist, wird man ihn
billigerweise in Zweifel ziehen, wenn man überhaupt an der Ton
Schuelinus erwähnten und auch sonst yor ihm und nach ihm be-
sprochenen Zusammenkunft noch festhalten will. Für diese aber
finden sich doch noch einzelne Anhaltspunkte. Im Herbst des
Jahres 152 3 ist der Hochmeister Albrecht zweimal bei Luther
in Wittenberg gewesen. Ende September gab ihm letzterer den
Rat, die „alberne und yerkehrte Ordensregel'' aufeuheben (Luther
an Brismann am 4. April 1524 bei de Wette U, 526; Voigt
IX, 687 ff.). Bei der Zusammenkunft im Noyember desselben
Jahres nahmen Luther's Vorschläge schon eine greifbare Gestalt
an (Voigt IX, 701). Luther hat auf Bitten des Hochmeisters
bald darauf ein Gutachten in der Ordensfrage erstattet (de Wette
KECSTADT, ZI' LUTHER'S BRIEFWECHSEL. 471
II, 467). & ist wohl sehr begreiflich, dafs Albrecht zd dieser
zweiten Zusammenhunft seinen Brnder Ueorg hinzugezogen habe,
der jn der Hauptleiter der Verbandlungen zwischen dem Orden
und Polen war. Von Wittenberg ging Albrecht nach Nürnberg,
um dem ßeicbstag beizuwohnen. Hierher kam anch Qeorg, auch
Kasimir, auch der Knrfarst Joachim erschienen (Brief Easimir's
an seinen Vetter Joachim, d. Nürnberg, 9. Januar 1524 im
Bamberger Kreiearchiv 1929, fol. 106 f.)- Georg mufd Tor dem
1. Juli 1524 und noch vor seiner Reise nach Polen in NOm-
berg gewesen sein, denn in einem Schreiben von diesem Tage
nimmt Joachim schon daranf Bezug (Joachim an Qeorg d. l.Jnli
1524 bei SpieCs, Brand. Münzbelust. IV, 14-iff.). Nun war
Georg, wie oben gezeigt worden ist, im Mai in Schlesien und
Polen, am 18. April ist der Nßrnberger Reichstag schon ge-
schlossen worden, in den Mimaten Januar, Februar und März
ist Qeorg in Sishleaien teils im Auftrage des Könige von Ungarn
teils in eigenen Angelegenheiten wirkend (Berlin. Geh. Staats-
archiv Rep. 46, 3', vol. I, fol. 12''. 14. 16; Magyar Törtönelmi
Tar XXV, 310; Voigt IS. 703: Thebesins, Liegnitz. Jabrb.
in, 23; Klose, Breslau III. 2, 1034; München. Eeicbaarchiv
Brand.CCVU, 2, Nr. 5'; Bamberg. Kreisarohiv 1943, Nr. 15 u. 16).
Am 19. Januar erfolgte seine Abreise aus Prefsburg nach Schle-
sien (Sehr. T. 13. Jan. an seinen Bruder Kasimir im Berliner
Geh. Staatsarchiv ßep. 46, 3*, vol. I, fol. 16). Seine Briefe
vom 7-, 8., 9., 13., 17-, 19. Januar sind noch aus Prefsburg datiert;
in der Zeit vom 19. November 1523 bis zum 7. Januar 1524
schweigt sein Briefwechsel. In dieser Zeit war nachweislich sein
Brnder Wilhelm in Ungarn (München. Reichsarchiv CCV, 10,
Nr. 4, d. 17. Dez. 1523). Letzterer hielt sich sonst in Preufsen
auf im Dienste des Hochmeisters (Voigt, Gescb. Preufi^ens IX,
529. 559; Neue Preufs. Provinzialbl. 1846 I, 134. 129. 285;
n, 431). Er hat für die Dauer der Abwesenheit Georg'e vom
ungarischen Hofe die Verwaltung seiner Güter geführt, wie
früher einmal Albrecht (Nene Preufs. Provinzialbl- , 3. Folge,
IX, 121). In den November 1523 gehört der zweite Besuch
Albrecht's in Wittenberg (Voigt IX, 701), Zu dieser Zeit, in
welcher allein Georg in Nürnberg gewesen sein kann, ist er
auch mit Albrecht zusammengetroffen, es w^re möglich, dafa er
znr selben Zeit gemeinGam mit ihm bei Luther gewesen ist.
Sehr wahrscheinlich wird dies noch durch einen Brief vom
7. Mai, in welchem er seinem Bruder Kasimir manche Winke
Über die Sakularisiemug der fränkischen KlOster giebt. Es ist
das erste Mal hier, dafs ein Brandenburger oCTen dafür ein-
tritt, und ee spricht viel daiur, dafs diese Stellung unter dem
unmittelbaren KinflnTs Luther's erfolgt ist (Berlin. EÖnigl. Haue-
472 ANALEKTEN,
archiv B. E. I, 2204, fol. 41 f.). Bestimmtes läfst sich t«.
Jäufi^ liierüber nicht sagen. Das Dunkel , das Ober dieser ii>
gelegenheit wultet, m^ig seinen Gmnd darin habeD, dals im Jaks
1523 Albreclit wohl Veranlassung hatte, seine BeziebnngtB a
Luther nicht vor aller Welt zu zeigen. Er rechnete noeh af
den Schutz von Kaiser und Reich, er begab sich gerade de^| ^
nach Nürnberg, um die Hilfe der Stande nachzusuchen. Dakt
befahl er seinem Hat, den er vor der ersten Zusammenhift
nach Wittenberg schickte , von Luther das Versprechen zu fe-
dern , dafs er alles , was ihm mitgeteilt würde , verscfawdm
wolle. Dann sollte er ihm anzeigen , er werde ihm das HsbI-
schreiben eines Fürsten einhändigen, jedoch mit der Bißt,
dasselbe, sobald er es gelesen habe, zu verbrennen, nicht etn
aus Mifstiauen, sondern damit es nicht in fremde Hände ge^
lange, weil daraus sonst unwiederbringlicher Schaden und Nach-
teil entstehen könnte (Voigt IX, 687 f.). Daher wir auch ii
Luther's Briefen vor 1525 nirgends eine Andentnng finden üök
die Stellung des Hochmeisters oder seiner Brüder zur eT?>
gelischen Lebre.
Beilagen
I.
Georg — Luther. 1523 Januar 5 Prag.
Georg etc.
Wirdiger hochgelerter besunnder lieber I W^ir fugen dir
gnedigcr vnd gueter maynung ain vngeuerlichen vnfersehenlicim
handel zuueinemen. Nachdem iczo in neulichait zu P'rcibur?
ain monszrum von ainer kw knmen sein soll, welhs vus alszdunn.
1) Für die jetzt in Angriff genommene ., kritische Gesamtaui«-
gäbe** der Werke Luther's ist auch das eine notwendige Vorarbeit,
dals sein Briefwechsel überall aus dem Dunkel gezogen werde. Icii
halte es demgemäls für eine Pflicht, nicht nur jenen noch nicht ver-
öffentlichten Brief (ieorg's an Luther an dieser Stelle mitzuteilen, son-
dern auch den von Hocker, Supplement zum Heilsbronnischcu Antl-
quitiiteuschatz, bereits veröffentlichten Briet' Luther's liier noch ein-
mal zum Abdruck zu bringen, da er sich in einem älteren Si»eziai-
wcrke tindet, das dem gelehrten Publikum schon entrückt ist.
NEUSTADT, ZV LÜTHER'S BE1EFWECH8EL. 47J
«7 man p9e^ zethun, hieher ghein Prag zugeschickt worden;
aQn ist hier an kn'' wird zn Hungern und Behmen hof ain
astroDomus, der dann in aeinei narrarei, wj baists astronomei,
seither ain doctor (als er spricht: Bichter) norden ; der ist ongenerd
dortzu komen, da wir solicbs mouszrums form neben anndern
harren besichtigt; vnd wir des gedachten doctors ansichtig
waren, haben wir ongeaerlich vf ain eoliche maynnug za tme
gesagt: „Doctor, was halt ir davon? — Wollet uns auazlegen,
was es bedeut!" In dem hat er die form zu sich genomen;
vnd als wir nymer dazu gedacht haben, hat er seinem wansinnigen
köpf nach etlich versz vf solicb monstrum wider unnsern willen
vnd wissen wider euch, als betten wir ime hefolhen, drucken
lassen.
Da wir nun des (ongeoerlich B.) („am selben tag" im Concept
dnrch strichen) innen worden, seind wir (deshalben R.) nit zu ge-
ringen beswerden und miafallen bewegt, haben demnach (in der
stund K.) dem drucker solich sein druck alle Terbrenuen vnd
ime dem doctor, der dann nit wol vmb den vmblauf bewart ist,
ernstlichen sagen lassen, waher er sich eins soHchen vndersteen
dorff.
Solch ermo^sen , das dj verdachten dits handela gleichwol
vnsern misfallen wol gebmelft vnd empfunden haben. Wir kön-
nen auch wy\ bewegen, das vnns villoicht durch vnnser miaz-
gonner zugedruocken sey. Wj ir dann als der veratendig ans
oberzelten haudlung wol abnnmen mögt.
Nun tragen wir fursorg, es tnocht vielleicht durch dieselbigen
Euch ain soiicher druck vberaendet werden. Wiewol vna der
dmcker bei glauben sagt, das der angottaigt doctor nur das ain
genomen bab, nachdem die anadem alle noch nit fortig gewesen
sein. Daraus ir dann clerlich vnnser vnschuld find.
Ist demnach an euch genedig vieia vnnser gütlich beger vnd
bit, ob euch also ains oder mer wider vnnsern willen vnd wissen
zukomen oder (sonst B.) antzaigt wurd, ir wollet ime kain glau-
ben geben vnd vnns ans obgemeiten vnd daraus volgend (wach-
senden B.) vrsach gntwilliglich entschuldigt vnd die sacben nit
snderszt halten, dann ob es geschee, das wir vnns doch nit
versöhn (dann bis vers. fehlt bei B.), das es vns (wie vorgemelt
B.) also durch vnnser miszgnnner vnpilliglich vnd neben der
warhait zugemessen wurd, des wir vnns doch nit versehen, wie
wir dann nit zweuveln, ir werdet („uns in solichem entschuldign"
im Bamberg. Conc. durchstrichen) auch in solichem als der ver-
stendig vnd hasser aller Lugen vnnserm halben wol wissen ze-
halten. Mit solichem bedacht, v^e wir vnns zu euch versehen
rnd widerumb gein euch in sonderm gnaden zur pillichait gunst-
ZaiUehi. f. K.-O. VIII, S. 31
474
lieh eikeimeB woüeii, daim wir Bind «iieli gnadlgVB willa
lieh genaigt Sollt ms (fehlt hm B.). ....
(Dat. Prag R.) moniaga naeh dreomeiBioiila domini mo
nni* (XV« XXI» b.).
An Luther doetor. (Dem wirdlgvii hoehgelarien Tun
aondem liehen herren Martine Luther der heiligen achryft kdä^
angoatiner xn Wittemherg etc. In aein hnndt. [L. 8.]. i)
(Bis hierher reicht der Ahdmck bei Bichter, G«BHk|k| )ä
Lntherorum 1733, p. 216/9. Die erheblichen Abweichmign «1 v^
dem Bamberger Konzept dnd im Yorfaergehenden in () M^l i^
aichtigt nnd darch ein hinzngeftgtea B. gekennzeichnet veite)l ^^
De
CedulcL I l^
Anch hesonnder lieber geben wir dir zaerkennei (^
im Orig. durchstrichen). Nachdem wir idesmals Tndteni nie,
80 man enmhalbn thnt, parthei halten eors thails (ua Ori|.
dnrchstr.), sein wir von anndem angeredt worden, wie ir «te
lernen solt, es sej nit not, das man das sacrament enchazisä»
anbete, ere, aoch nit von noten in betbnchlein sebeten lai
reliqoiens sanctomm nit ze yenerim ynnd anndere zweiffelhiftigi
frag mer; ynd wir aber ain sonndemn gnadigen willen za Eo^
haben, begem wir abermaln gntlichs vleis bittend« ir wollet Tm
Ton solichen vnnd dergleichn andern fragen» das ir dann Iw
weyst, wed (!) wir Each also in eil anweisen mögen. Euer nndter-
rieht zuschreiben, vnns darnach haben zurichten. Damit wir
Euch desshalben nit ymbsonst geschrieben, haben wir Euch gnä-
diger und guter majnung uit bergen wollen.
Und dieweil wir vns hieriunen kains abslags zn Euch yer-
seben, so begem wir doch von euch deszhalben schriefUidi
andtwort, damit wir wissen mögen, was wir glauben sollen, dann
wir schir verirt drin sein vnd wissen nit, wo hinaus.
Datum ut supra.
(Orig.'Koneept d. Kgl, Kreisarchivs Bamberg 1943, 13.)
Der ganze letzte Absatz ist, wie auch an anderen SteUen
des Briefes hie und da ein Wort, erst nachträglich hinzugef>
worden, sodaTs das Schreiben das Bild eines vielfach korrigierten
Konzeptes gewährt und auf die Sorgfalt schliefsen läfst, welche
der Absender gerade auf einen Brief an Luther verwenden wollte.
Herr Prof. Erdmann, dem ich denselben für sein Buch ,, Luther
nnd die HohenzoUern " zur Verfügung stellte, hat von dem In-
halt bereits Mitteiluug gemacht [p. 208].
Über die „ missgonnor ", von denen Georg spricht, ist wei-
teres ausgeführt bei Neustadt, Markgraf Georg von Branden-
burg als Erzieher am ungarischen Hofe, S. 7 6 ff.
OT^^W^^^W^«
HEDSTADT, ZD LUTUEB 8 BRIEFWECHBEL.
IL
Luther— Georg. 1542 December 13 Wittenberg.
Grtad rad fried Tun Chiisto Tud mein pater nosterl
Durch] e achtiger hochgebomer fürst, ^edi^er herrl Es ist
hiT ein purger AmbroaiuB Reuter, Tntei dem abl za UeiU-
prun geborn, E. f. g. lacdtind, der hat offt mit mir ans liebe
seines Vaterlands gered vnd geratacblagt, vie doch dasselb kloster
mocht zam evangelio Tud rechtem brauch göttliche dienst komen.
Daraus eben ;bm das eiempel vorgeschlagen eines abbte zur
K&nmburg', welchem dasselbe kloster von vnserm gnedigsten
hem curfQisten zu Sacbsaen ganz bevolben , dasz ers zur
schalen macht vnd drinnen beede edle vnd TnedJe aofferzeigt zu
lenten, die man ynn kirchen vnd weltlichen regimenten biaucben
kundte, weil es denn armen za hoch ist ;mn den hohen schulen
sich zn beköstigen. Also ist er des namens ein abt bliben, aber
die kappen vnd müncfaerey ansgeworffen , ehiich worden vnd du
kloster der Jugend vnd kirchen zum besten verwaltet.
Demnach bab eben mich erbitten lassen, solches an e. f. g.
gelangen zu lassen, mit bitte aufs vnterthäniget, E. f. g. solohes
Ton mir gnediglichen veinemen vnd christlich bedenclten. Denn
e. f. g. sehen, wie die schulen zergehen vnd niemand darzu thut,
das man hinfort kirchendiener vnd sonet gelehrte lente erziehe,
on zweiuel, das der leidige satan mit diesem b^sen grifTtein ge-
denckt mit der zeit gottes reich, welches on kirchendiener, pre-
diger und pfarrher nicht kan bleiben, endlich zu verstörn, das
bie meines achtens kein ander rat noch hülfe zu finden sein
will, denn das man der kloster hiezu brauche. Denn anch
vnser vniversitet lu Wittenberg durch vnsem gn. berrn
kurfürsten hat müssen von klostergütem gebessert worden vnd
noch wol etlicher stipendia bedürffe, da man izt mit vmbgehet.
Weil ich nun höre, das das genannt kloster Heilsprun Beer
tOchtig vnd gelegen dazu sein soll, vnd mir auch sagen lassen,
als sey der abt dem evangelio geneigt, vnd e. f. g. on zweinel
gottes reich vnd sein evangeüon gern gefördert sehen, wie sie
bisher fruchbarlichen gethan, so wil ich solchs von e, f. g.
denaütigtich gebeten haben, Sie weiten hiezn helfen vnd raten,
so viel es mSglich sein kann, weil hie nichts gesucht wird, denn
1) Bocker verweiat hier auf ein Boch de» Job. Schameliu«:
„ BistOT. Beschreibung des Klosters zu St, Georcen vor der Stadt
Naamburg" (aus dem er über den genaniitea Abt Thomas Eeben-
■treit einiges mitteilt), sowie anf Luther's Tischreden.
476 AKALEKTEIL
gottea reich ynd ehre, das ist vnser vnd Tieler seelen heil, m
bliebe auch mit dieser weisz das kloster fein bejeinander d«
ganzen land zu trost ynd nuz, da sonst, wo es znrissen wnid^
seiner guter niemand weder sat noch froh werden kuidte, w»
yns Yiel exempel der zerrissen kloster wol zeigen. Der bam-
herzige gott gebe e. f. g. seinen heiligen geist su ihnn seio»
göttlichen besten willen vnd stenre dem widdersacher. ameiil
Und e. f. g. wollen mir dis schreiben gnediglich in gat halten.
Hie mit ynn gottes gnaden befohlen, amen.
Wittenberg, mittwochens nach Nicolai 1542.
E. t g.
williger
Martinns Luther.
Dem durchlauchtigen hochgebomen Fürsten und Herrn Heini
Qeorgen Marggrafen zu Brandenburg, Herzogen %a Stettin uad
Pommern, Burggrayen z. Nurenberg fursten zq Bugen, meiiiMi
gnedigen herm.
Mit aufgedrflcktem Siegel in grflnem Wachs, darstellend eil
Herz in einer Rose.
Hocker, Supplement zum Heilsbronnischen Antiquit&tear
Schatz 1731, S. 39 f. Das Werk ist reich an urkundlichem
Material für fränkische Reformationsgescbichte , wie auch der
Forher erschienene, noch dickleibigere Foliant, zu dem dieser nur
das „Supplement'' ist. Ober Kloster Heilsbronn sind noch sa
Tergleichen die neueren Werke des Pfarrers Muck „G^chichte
des Klosters Heilsbronn'' und seine „Beiträge zur Geschichte"
u. s. w., femer das schöne Buch des Grafen Stillfried „Kloster
Heilsbronn ".
\
KOLDE, LANDGRAF PHILIPP UND KARL V.
^elches Bflchleio sandte Landgraf Philipp J529
aa Karl V.?
D. Th. Eolde in Erlangen.
Mehrfach hat die Forschor die Frage beschäftigt, was wohl
unter dem französischen BQchlain zu verstehen sei, welches der
Landgraf hei Gelegenheit dor Gesandtschaft der pro testieren den
Stande durch den Nürnberger Syndikus Michael von Eaden dem
Kaiser überreichen liefs ', und das diesen derart entzflmte, daTa
der Überbringer ernstlich gefährdet war, und der kaiserliche
Groll darüber sogar noch auf dem Reichstag zu Augsburg zu-
weilen zutage trat. An den Stellen in zeitgenössischen Berichten,
in denen des Büchleins Erwähnung gotlmn wird " , wird uns
leider sein Titel nicht genannt, was sich daraus erklären wird,
dafs das französische ' Büchlein in den evangeliscben Kreisen
Deutschlands kanm Verbreitung gerunden haben dürfte.
1) Vgl. Ranke, Deutsche Gcachichte (6. Aufl.), Bd. UI, S. 137
and besondera Dobel, MenuniDgen im Befonnationszeitalter, Tl. HI
(Augsburg 1877), 5. 27.
a) Analecta Kassiaca ed. Euchenbecker, Coli. XII (Marbure
1712), p. 417sqq 420 «qq; Corpus Ref. II, 191; W. Vogt, Die
Korrespondenz dea Nürnberger Rats mit seinen »um Augsburger
Reichstag von 1530 abgeordneten Gesandten in Mitleil. des Verein*
für Geschichte Nürnbergs, 4. Heft (Nürnberg 1882), S. 25. 27 ; Förato-
mann, Urkundenbuch zur Gcscbicbte des Reichstags zu Augflbaiv
I, 62; Sleidan, Corament. ed. Am Ende I, 389; Hubert LeodiuB,
Annales de vita Friderici Palaüni (Frankfurt lfi24) I, 138f.; Wi-
gand Lauze, Leben , Tbnten des durch). Fürsten Philippi Ma-
ranimi in der Zeitschr. für hcasisch. Gesch. und Landeskunde 1841,
171; J. J. Müller, Historie von der ev. Stände Protestation eto.
(Jena 1705), S. 222f.; Hortleder, Von d. Urs. des deutschen Krie-
ges (Ausg. I(il7). S. 53.
3) DaTs ea franzöeisch gesclirieben, ersiebt man 1) aus einem Be-
richt der Nürnberger Gesandten beim Augsburger Reichstag C. Ref.
II, l'Jl: „(Michael von Enden) zeiget an. seine Notdurft sey, dafs er
hie bleibe und führe seine Sache aus Kais. Mnj, Ungnad halben Ton
wegen des französischen Büchleins so er ihrer Maj, aus Befehl dea
Landgrafen überantwortet bab. Und meldet dabei weiter, er hätte
gleichwohl solch Büchlein mit etlichen der fordersten aus E. W.
478
Die Fonchmig mofsta dch daher an das Wenige halti
Sleidan Ober seinen Inhalt angiebt. Die betreffende Stellt
folgendermaleen: „Lantgrafios dederat abitoro libellnm «1
adomatom ^ qai doctrinae Christianae sanunam pands eoi
bator \ vi Caesari daret: ia per oceaaionem, enm ad ner
Caeear, porrigit: Caesar inoicem episcopo cuidam ffisps
quid rei esset, cognosceret Hie forte in locom illum
Tbl Christas monet apostolos, ne principatum affectent: b*
ipsomm non esse professionis, et gentium reges Tsarp]
talem potestatem. Eum locum anthor inter alia tra
demonstrans , coiasmodi sit officium ministromm ecclesi
ille, com obiter legisset, percontanti Caesari sie refereba
magistratoi Cbristiano ins gladii tolleret libellns et
duntaiat, alienis a religione Cbristiana pennitteref \
Daraus gebt zweierlei henror, was als Anhaltepunkl
konnte, einmal, dafs das Schriftchen „die Summe cbi
Lehre kürzlich begriffen *' enthielt, wie sich schon J. J.
ausdrückt, und zum andern, dals der Sprach Matth.
(od. Luk. 22, 25} in einer leicht miüsTerständlichen Wei
eingeführt worden war. —
Daraufhin glaubte Salig^ den libellus in den Parad
Lambert von Avignon yermuten zu dürfen, obwohl dii
kaum dem Sinne nach darin wieder gefunden werden
und jene Schrift auch sonst nicht dem entsprach, was n
nach den Angaben Sleidan*8 (und Lauze*s) darunter zu
wissen angenommen** — woraus übrigens hervorgeht, dafs a
Nürnberger vorher von der Sache wufsten; 2) aus Hubert L
a. a. 0.: libellum Gallicum; 3) aus einem undatierten Bri
Landgrafen bei Ruchenbecker, Analecta Hassiaca XII, 4
dem er schreibt, „dafs er Kaiserl. Majest. ... ein erstlich in]
Bischer Sprach gedruckt und eingebunden Büchlein . . . zuffi
Letztere Stelle würde freilich allein nichts beweisen, sie kbn
mehr so, dafs man aus dem „erstlich** schliefsen könnte, c
Büchlein ursprünglich französisch verfafst gewesen, vom Lai
aber in einer anderen Sprache übersandt worden wäre; 4)
uete der Landgraf auch in seiner Eintschuldigung gegenüb
Kaiser (bei Cyprian, Hist. d. Augsb. Ronfess. Gotha 1730,
ohne Angabe der Quelle) das Büchlein als französisch.
1) „Mit Sammet und Beschlagk** vgl. Ruchenbecke]
lecU Ilass. XII, 418.
)i) Lauie a a. 0.: „darinnen die fumemesten punkt der
lleiUgeu Geschrift begriffen stunden**.
a> Sleidan, 1. c. L 389.
i) J, J, Müller, Historie von der ev. Stände etc. (Jeu
c^> Salig, Historie der Augsb. Ronfession (Halle 1730) I
SOLDE, LAKDORAF PHILIPP UND KARL V. 479
hftt. Noch weniger glücklich war die Vermutung Biederer's *,
der an Lambert's „Farrago omninm feie remm theologicamm **
mit ihren 365 einzelnen Sätzen dachte, in denen eich übrigens
die betreffende Stelle auch nicht Sndet.
Auf die richtige Fährte ist erst Benrath geliommeD, der in
einem längeren Aufsätze Über die von ihm zuerst wieder in
Deutschland bekannt gegebene „Summa der heiligen Schrift"*
«ine schon früher angedeutete ' Vermutnog des weiteren be-
gründet, dafa man das fragliche Buch in der Summa der hei-
ligen Schrift, näher in der franzMscben Ausgabe derselben eu
sehen habe: „Wie jenes ist es ein ,libellns'. — Der Inhalt
«ntepricht in ganz vorzüglicher Weise den Absichten des Land-
grafen. Die , Summa' bietet in der That eine kurze nicht durch
Polemik den Gegner von vornherein abstofsende, zur Orientierung
über die evangelischen Lehren sehr geeignete Darstellung"*.
Wie ansprechend nun auch diese aus dem Namen des Büch-
leins und aus dem ganzen Tenor der Schrift entnommene Vei^
mntung Benrath 's ist, zu der ich unabhängig von ihm auch ge-
Icommen war , bo läfst sie steh doch nicht aufrecht halten , da,
wie Benrath zugiebt, die betreffende Bibelatelle eich ebenso wenig
in der französischen Ausgabe findet wie in den anderen. Zwar
verweist Benrath auf folgende (Stelle: „Ceali donques qni sont
fermes en la foy et en lamour de Dieu, nont de faire du glaive
de iustice ne du bras secntier. Et ee tout le monde eetoit
ttb; cbrestien (ce cest a dire vray &dele) il ne aeroit nul beaoing
de gounemear; roy, seignenr, glaive ne iusticiers .... Saint
Faul dit: An juste nest mise anlcuno lois mais aui iniustes: cest
a dire a ceulx qui ne sont point encore chrestiene" *, und meint:
„diese eine Stelle würde schon hingereicht haben, um das frei-
lich falsche Urteil äufserlich zu begründen : das Büchlein lehre,
eine christliche Obrigkeit führe das Schwert nicht mit Becht";
indessen lautet die Nachricht des Sleidan i\i bestimmt, als dafi
1) Litterariaches Wochenblatt, oder gelehrte Anzeigen mit Ab-
handlungen, Bd. I (NiirnberB 1770), S. 297f.
2) Die Summa der heiligen Schrift. Ein Zeugpis aus dem Zeit-
alter der Reformation, herausgegeben von Karl Bearath (Leipzig
1880), Der italienUche Text: R Bommario della sacra ncrlttun.
Trattat« del Secolo XVI. Ristampato con prefazione del Prof. Emillo
Comba (Roma, Firenze 1877), dazu Düsterdieck in Gott, gelehrte
Anzeigen 1878, 23. Stück; ders 1881, Stück 1. 2; Möller, TheoL
LitteraturMitung (1801), 3. 62.
3) Jahrbb für protest Theol. 1881, S. 154.
4) Ebd. 1882, 8. 703.
5) Ich eitlere aua Benrath, da mir die franzÖBiicbe Ausgabe
nicht zugänglich.
4S0 ANALEKTEN.
wir niclit jene Bibelstelle oboe Frage citiert erwarten m^tn
und zwar in einer Weise, die die böswillige Mirsdentimg (
Bpanisclien Biscliafä einigermaTaeD eii etützeii imstande war.
Wird aus diesen Gründen von der Summa (in den nn£ r
liegenden Ausgaben) abzuseben sein, so iafst sich aber docli
nachweisen , dafs jener libellus in engster Beziehung in
Summa gestanden hat. Die gesuchte Stelle findet sich i
lieb, was Beurath überseben bat ', in dem lateinischen Doppel-
gänger der Summa, der in Holland wieder aaf gefundenen „Oee<
nomica Chiistiana in rem ChristlanAm inätitaena, quidn
cieditum ingenue cbriatiunum oportet ex evangelicis literis eruta"'
und lautet daselbst im XII. Kapitel (Quo ordine instituendi einDt
consulea, judices, Benaioree magistratus public! , si ad Chrifti
praecepta volunt admiuistraie officium) S. 100: „Audi quomodo
ab ethnico principe Chmtus diBcreverit Chmtiannm; Principe!
igitnr gentium dominantur eorum et qui majores
snnt potestatem esercent in eos, tos autem non aic
etc. ^. Tribuit etbuico principi dominium imperium.
majestatem, regnum, potentiam aliaque id genas Tocabnla, at
Christiane principi non ita. Non sie inquit, eiit tnter
voH, inter quos Hagititratus functio non est imperium, sdmiiii-
Btratio est, non tjrannis." —
Dafd diese Auälaesungen , deren aus dieser Schrift noch an*
1) Auch iu seinem letzten, dritten Aufsatz (Jahrbücher für protc-
BlaoUache Theologie ISHS, S. S^HJf.). in dem er hauptsächlich i
der Lehre der Occonomica handelt.
2) Am Ende: „Fiuis Occonomicae Christi an oe, Argenlinae eicnue
Sesquimillcsimo vicesimo septimo, Septimo Aagusti". Abgedruckt
in MoDumenta Heformationis Belgicae. Tomus prirous qoi
continet Antiquissima volumina ei libria prohibitis originis Belgicae
quae vocautur Oeconomica Chrlstiana et lade ducta Sunmia der
Eodliker acriftureu. Textua receosuit, origincm iudagavit J. J. Tau
Toorenenbergen, Lugduui Batav. ltl8-2. Es liegt aufserhalb du
Rahmens dieses Artikels, auf das Verhältnis Kwischcu der Oeconomica
und der Summa einzugehen, ich verweise vielmehr auf die Atufüli-
ruDgen vau Tooronenbergena in der Eiuleitung zu dem erwShotOi
Werke, denen Benralh (Jahrbücher für prolest. Theol, 1882, S. 694ff)
lUBtimmt. wonach die Occonomica die von Bomelius vielleicht bcIhw
1520 verfafsle Urschrift der Summa wäre, die durch Koorad Getdeo-
haner (aus Geldnot) im Jahre lri27 einem Straftburger Drucker Über-
geben norden wfire (?). Jht aber der betreffende Druck wirklich ein
StTarsburger? J. van Tooreneubi rgeu (S, Mii) nimmt au, Christian
Egenolpb sei der Drucker, da aber der Druck selbst nichts darüber
an die Hand giebt, was immur bcachteuswert ist, wäre die VermutuDg
erst durch eine Vergleichuug der Typ«n zu hegrimdea gewesen.
8) Der Verfasser citiert zueral Matth. 2U, 25 und fährt dann
(Voi autcm non sie) fort nach Luk, 22, 25.
Li
KOIDE, lUNDOOAF PHILIPP ÜKD SABL V. 481
dere ähnliche an die Seite gestellt werden käontea ' , durchaus
dem entsprecbeD, was Sleidan anfQhrt, übrigens auch sehr wohl
Bo Terstanden konnten, wie sie der spanische Bischof auslegte, wird
kaum jemand bezweifeln kennen; dafs ferner auch die Oeconomica
— man vergleiche schon den Titel — bezeichnet werden kann
als ein „libellus, qui doctrinae summam paucis complectebatnr",
bedarf ebenfalls keines Beweises. Ich würde demnach keinen
Anstand nehmen, die Oeconomica direkt als das dem Kaiser
fibergebene Schriftchen zu bezeichnen , wenn nicht die mehrfach
eich findende Angabe, dafs das Scbriftchen französisch geschrie-
ben gewesen sei, daran binderte. Wir mOfsten dann also an eine
französische Übersetzung der Oeconomica denken. Und nimmt
man die allerdings nicht belegte Notiz Seckendorfa ' hinzu,
„libellum — quo capita doctrinae Christianae comprebendebantur
Landgravii cnra conscriptnm", so wäre die Vermutung,
and nur als solche mOchte ich sie ausgesprochen haben , nicht
ohne weiteres von der Hand zu weisen, dafs etwa Lambert
Ton Afignon, wie er die Instruktion für die Gesandten Qber-
aetzt ^ auch die Oeconomica auf des Landgrafen Veranlassung
ins Französische übertragen habe *, und es wäre immerhin denk-
bar, dafs sich diese Übersetzung nocti irgendwo ßinde. Jedenfalls
scheint mir das sicher, dafs wir in der oben citierten Stelle
aus der Oeconomica das Original derjenigen Stelle des Buches
haben, die den Zorn des Kaisers erregt und den zehn Kindern
des Michael von Eaden ' beinah ilireu Vater gekostet hat.
1) Vgl. das ganze sehr raerkwardigc XU. Kap.; in der Aus-
gabe von Toorenenbergen, S. 93a
2) Seckendorf, Hietoria Lutheranismi II, 133.
3) Knchenbecker, Analtcta Hassiaca XII, 4l4aqq.
4) Tooreneabergcn meint eine frauzo^iiscbe ÜberaetEaDg ron
Oeconomica wurde etwa L'ordinaire des chreBtieiis betitelt geweien
sein (S. ixi) ; darüber lüfst sich sctiwer etwas aussageo, da man nicht
wissen kann, wie eng sich der Übersetzer an den schwer zu übersetzen-
den Originaltitcl angesc blossen hat. Man kÖunte auch an L'ordre
chretieu denken , daneben ist aber zumal in Kücksicht auf Sleidan'i
Beschreibuug (qui doctrinae Christiane summam paucis complecte-
batur), der uns Buch sicberlich gekannt, nicht aungescfalossen , dafs
es denselben Titel wie die uns schon bekannte Ausgabe der Summa
geführt bat — La Summe de l'Escripture saiiicte (od. Sommaire
cbretien).
5] Vogt, Die KorrespondenE des Nürnberger Kats in Mitt. des
o) Vogt, JJie KorreapondenE des Aumticrge
Vereiiu für GeHchichte der Stadt Nürnberg, 4. Hi
left {im-i), ;
483 IHALBKTKir.
5.
Zd Lother in Wonns.
Von
Th. Brleger.
Fflr die anf das öifeDiliche Verhör folgenden , teils nidi^
ständischen teils priyaten Verhandlangen des StfindeansschiiMi
und des Trierer KurftSisten mit Luther ist bekanntlich eine te
wichtigsten Quellen eine gleichseitige Flugschrift , welche mte
dem Titel erschienen ist:
Etliche sunderliche flei- \ sige (naehgesekemer w
Ka. Ma. antworth) Handlung \ in Docto: Marttni LuÜim
sacken durch Gagst -liehe vnnd weUliche Furstenn da
Eeichs u. s. w. K
Köstlin (Luthefs Rede in Worms am 18. April 1521
[Halle 1874], S. 28) hat die ansprechende Vermntnng ausge-
sprochen, der Verfasser dieses Berichtes sei ebenso wie der-
jenige der lateinischen „Acta**, welche mit ihm in einem augen-
schoinliohen Verwand tschaflsTerhältnis stehen, niemand anders als
SpAlat in.
Kine arohivaliscbe Notiz, welche urs doch auf eine andere
Fahrte leitet, land ich im Herbst 1884 in Dresden. Das Kgl
Säohsisohe iioh. Staatsarchiv bietet in einem CouTolut ^Miscellanei
Saionioa" v^. :>833. nach dem Kepertorium lu den ^Hom'schen
Manuskripten" cehöriiT"* in Abschriften des 18. Jahrhunderts
einice ai:f Woriv.s be:i;*:!icbe Aktenstücke, nämlich aa£ser der
Ke^io l.i:ther's vom 18. April «, deutsch, auf der Grundlage der
f bersetiiinc Spa'.atir.'s^ die in Reie stehende Flugschrift, jedoch
nach e^.uer Handschrift iiUvi ir.:: einer ..Anieige. worin das ge-
druvk;e Kieuii-ir aVweicbi-; can kinn daraus entnehmen, dab
iu: l^rucvo c-.r.ic* Steiler, aus^'.as^ec sind; ich gehe für jetit
auf diese l^:f!fe:er:er. r:::.: e::;. Bei:h:enswert ist ror alleia
die f >er<cbir'.:'^: .4.:.s U'.»-«.:: .,v ;•; :i'..>i Luifrana postquam
rtsiK-'<r,:s.<^': ,•« .■•."*::..> ::.fm.:.:m^\z*,^ ^^•':.:::r:* fj [sie] amua-
BsnesB, WC lfthex bt wobms. MS
aim nttgiäa Qtädtm a Wmltdorf nfimt imdgttnm Oomi-
tum de Miuufat, 1S21. Ex nd. BtU. Aa^ >
Hienoch wfird« Badolpk tob Wstalarf,
in Hioem filr den Qnfta AltovcU tv« MmmM
Bshchte (Euenaeli, 3. Mai 1&31, dsWatt» I. 603) «rrtlut,
der Verfasser aein (in den TlKlacdea vird er ■!■ Yt^nt Ten
Walldorf eingeföhrt; s. E. A. 64, 373).
Diese Notiz vird uns nicht nngUabwftrdig Toriconunen, wenn
wir auf die ProTenieni der Dresdener Abschriften echten. Du
„Ex cod. Bibl. Ihul." weist n&mlich auf diejenige Hudsdtrift
der Paoliaer Bibliothek bin, welche Fei 1er (OaUlogus Codicum
Mfts. Bibl. Paulinae in Acftd. Lips., Lipsiee 1686) p. 3l38<i. be-
schreibt. Bei einer Nachfrage nach dieser Handschrift auf der
Leipziger UniTersitAtebibliothek erfahr ich im Herbst 1864, dab
sie wahrscheinlich nicht mehr dort Torhanden sei, und dieaes Fehlen
wurde mir dann im Hän d. J. als gewifs beetätigt. NachtTftglioh
iand ich d&DD, dafa sie bereits 1831 venoilst worden ist ^
Wir Beben uns daher, bis die Handschrift etwa anf einer
anderen Bibliothek wieder zum Vorschein kommen sollte, auf die
genauere Beschreibniig derselben in einem älteren handschrift-
lichen Kataloge der Leipziger UniTeraitätsbibltothek angewiesen.
Hier finden wir miter VII c genan denselben Tite!, wie in der
Dresdener Kopie. Die auf Worms bezQglichen Stacke * des ver-
lorenen Codex sind aber, wie der ganze übrige Inhalt, nach
Codex der Febdebrief (mit der Uoterschrift: Buodschuhl kopiert i
Darunter die Notii; Averbach tnisit Iteinero sed et alibi tidimu» c
dem verlris nüi quod numeri 4 hundert et hundert lausenl vocentur.
Fr. Prtzensteitur Comts Luteri ait v hundert et S taueent legüse »e.
Von einem Berichte Petzensteiner's über Worms ist mir biaher nicbta
beksDut. ~ Abgedruckt ist aus dem Cod. Bibl. Paul, dieser Febde-
brief in den Unach. Nachr. 1717, S. 167f. und zwar mit der eben
mitgeteilten Nachschrift. Hicraui geht hervor, was man ohnehin
vermuten mufate, dafa letztere nicht etwa von dem Abschreiber de»
18. Jahrhunderta herrührt, »oudera von dem Zeitgeuoseeu Caspar
Botner (.8 u.).
■i) Damals hat sich Karl Eduard Forstemann vergeblich
nach ihr erkundigt (s. Cofp, Ref. I, 419). Im Jahre 1792 scheint
Job. Friedrich Köhler (Beytritge zur Ergänzung der deutacben
Litterator und Kuoslgeschichle I, l*ipzig 1792, S. 71) die Haud-
achrift ooch gcsebeu zu haben.
3) Aufser der in Rede stehenden Flugschrift noch die anch in
der Dresdener Kopie (b. o.) vorliegende Reds Luther's vom 18-,
dentsch , unter dem auch von dem Ms. Dresd. gebotenen Titel;
P. [Dresd,: D] Luleri renponsum coram Imji. Caroln et prineipibu»
reliquisque Germanicae nationi» j/rimorilia* Vormatiae. D. UuitT
comes e Mansfell D. Doclori Gebstet medieo et consuli
dono miserat. 3. Maii [Drewi.: m. Jtffv'i) i5Sl, unde not
I
484 AKALEKTEN«
Ausweis des Kataloges Ton Caspar Borner ^ gesckriibi
weseo, somit Ton einem Manne , dessen Zeugnis nicht dM
teres abgelehnt werden kann. Hiemach l>edarf aach ä%
nach der Komposition der „Acta** ementer Untersuchung; |^
Immer aber bleibt es wAnschenswert, daXs der
Codex der Bibl. Paulina, dessen sonstiger Inhalt allerdings
weg aus lauter bekannten Stflcken besteht , wiederao^eted ^''^
werde. Zu Nachforschungen nach demselben anzuregen iit k\
Zweck dieser Zeilen. Ich mache daher aus Feller nod tt^l
gende Mitteilungen Aber seinen Inhalt:
1. Apologia pro M. Barthol. Bemhardo a Feltkirehen, f»ln|
Ecclesiae Kemburgensis, pro ducta uxcre, scripta ad Conäonl
Archiepiscopi Magdeburgensis, sed autore Philippo Melandte'
A. 1521«.
2. Epistola Andreae Carolostadii , Joh. Agricolae et Pbi#
Melanchthonis ad Johanuem Episcopum Misnensem pro Ju^
Sadlero [so für Seidler] sacerd., qui uxorem duxerat '.
3. Instruction, was Christianus Geier [so für Beyer], Qu-
fürsten Friedrichs Bath, an D. Johann. Doltzsch, Andreas Cd-
Stadt, Hieron. SchurfT, Nicol. Amsdorf und Philipp MelanchthonB
werben sollen wegen Abschafifung der Messe ^.
4. Erster Bericht des Ausschusses Yon der ünifenittt
Wittenberg der Augustiner halber ^.
porro descripsimus, eine Notiz, die über die Herkunft der Kope
genügenden Aufschlufs giebt und auch wegen des Datums Beacbtoog
verdient Femer das Geleit für Luther mit der Bemerkung: „Irt
durch den Heraldt geanttoort zcu Vittenbergk 27. Mariii 1521" (tnd
dieses Datum ist bei der bekannten Unsicherheit des Tages, an wa-
chem Luther die Citation empfangen bat , zu beachten) ; endlidb
Hutten's Brief an Luther, Ebernburg 15. Mai (s. a.)» ODzweifelhaft
der Brief XV. cal. Maii, Op. Hutt. ed. Böcking IL 55.
1) Geboren etwa 1590, gestorben zu Leipzig im Mai 1547. Ab
diesen Leipziger Gelehrten schrieb Luther seinen berühmten Bxief
über Erasmus, 28. Mai 1522, de Wette II, 200 f. Zwei Briefe Bat-
ner*8 an Pflug in den „Epistolae Petri Mosellani, Casp. Bornen etc.
ad Jul. Pflugimu**, ed. Chr. Gottfr. Müller, Lips. 1802, p. 48qq.
Über Bomer ist zu vergleichen M. Adam, Vitae Germanicorum
(Lugd. Bat. 1707), p. 445— 4fil): vor allem aber Zarncke, Die
urkundlichen Quellen cur Geschichte der Universität Leipzig (Leipzig
1857) passim. (Die Schrift von Diemer, Leben Bomer *s, ist mir
nur dem Namen nach bekannt. ")
2) Steht Corp. Ref. I, 421-442.
3) S. diese Epistola Corp. Ref. I, 418 f.
4) Abgedruckt C. R. 1, 47 1 ff. ; vgl. S. 470.
5) Wohl sicher das Aktenstück C. R. I, 465 ff.
C. R. I,
lOSCELLEN. 485
■ 5. Unterricht nnd Batschlag des Ausschusses der Universität,
1 die Messe betreffend K
i 6. Fpistola D. Casparis Islebii in Monasterio Augustiniano
■ ad civem quendam Noribergensem de iis, quae in templo Augn-
( fltiiiianorum Wittebergae decreta sunt A. 1521 mense Januar.'.
■ Hieran schliefsen sich dann die bereits erwähnten Worma-
6.
Niscellen.
1. Berlohtigung.
In dem ersten Bande dieser Zeitschrift S. 446 — 450 habe
ich im Jahre 1877 unter der Überschrift „Jüdische Proseljten
im Mittelalter" zwei auf den Abfall eines deutseben Geistlichen
Wecelin zum Judentume bezügliche Schriftstücke herausgegeben,
welche ich für ungedruckt hielt. Erst kürzlich entdeckte ich
zufällig, dafs dieselben schon in ein Werk des Metzer Mönches
Alpert Aufnahme gefunden haben, De diversitate temporum I,
c. 7 und II, c. 22. 23 (Mon. Germ. SS. IV, 704. 720—723),
woselbst jedoch die Widerlegung des Abtrünnigen den mehr als
doppelten Umfang hat Aus dieser Quelle ergiebt sich auch,
dals mit dem Kaiser Heinrich nicht der m., sondern der IL
gemeint ist. Die von mir daselbst angeführte Zusammenstellung
Simson*8 über Bodo-Eleazar könnte aus den Werken des Paulus
Alvarus sehr wesentlich ergänzt werden, s. Florez, Espana
sagrada XI, 171—218 oder Migne Patrolog. CXXI, 473—514.
E. DümnUer.
1) C. B. I, 494ff.
2) Dieser Brief Gütters findet sich, von Kapp aas unserer
Handschrift abgedruckt, in den Unsch. Nachr. (Fortgs. Samml.)
1747, S. 168—171. Vgl. Kapp, Kleine Nachlese II, 531 f.
^^^^^W^^^k^^^%.«K^I^H^N>^i^^^^
486 AKALEKTEK.
2. Zu den Lutherhandsohrlflen eben S. 297 El
Das Stflck S. 300 ist aus der Ton Bodemann gefandsnn
Handschrift schon abgedruckt in Wrampelmejer*8 Tagebnd
des Cordatns, und zwar mit richtigem Hinweis daranf , dals m
längst in Luther's Tischreden yeröffentlicht ist Hierza f^ge iek
noch die folgende Notiz.
In einem zu Nflmberg 1533 bei Formschneider gedruckten
deutschen Psalter in 12^ (pf'DeT dentsch Psalter, sampt den
Sammarien durch D. M. Lut. zu Wittemberg'* etc.), der
mir Tor einiger Zeit Yorgelegt war, steht Yom eingeschrieben,
nicht von Luther*s eigener, aber Ton einer gleichzeitigen Hand:
Quid est psalterium, quam ipse
usus, ipse experiencie, ipsa officia, ipsa
exercicia primi praecepti seu prime tabole.
Ysus psalteriL
1 Credens, temptatur et tribulatur
2 Tribulatus, orat et invocat
3 Invocans, ezauditur et consolatur
4 Consolatus, gracias agit et laudat
5 laudans, alios iustruit et docet
6 Docens, hortatnr et promittit
7 Promittens, minatur et urget
8 Qni autem credit minanti et promittenti domino, eundem
circulum currit, easdem res experturus atque gesturus.
Hec est universa summa pietatis
M L- 1536.
Die Fassung von „8*' scheint mir entschieden die ursprüng-
liche gegenüber von der in den Tischreden (FOrstemann IV, 711)
und der bei Bodemann ^. Jtd. Köstlin.
1) Der Hexameter S. 298, Z. 2 ▼. u. kann nicht so Ton Luther
oder sonst einem Manne von Lather's Bildung herrühren, mit dies»
zweiten Versbälfte ,,cOn&ttls nSc ütllls Unquäm*^; sein ursprünglicher
Verfasser hat ohne Zweifel nicht „nee** sondern „ef ge8chri^>en.
NACHEICHTEK
^A^^W^^*-^^^^^^^«^
I.
64* Eine grolsaiüg angelegte historische Zeitschrift; er-
scheint seit Beginn d. J. in London (Longmans, Green,
and Co.): ;;The English Historical Review^', heraus-
gegeben von Rev. Mandell Creighton, Professor der
Kirchengeschichte zu Cambridge.
56« Die ^^Real-Encyklopädie der christlichen
Altertümer'' von F. X. Kraus hat soeben durch Aus-
gabe der 16. bis 18. Lieferung ihren Abschlufs gefunden.
Als rein kirchengeschichtliche Artikel sind in diesen Liefe-
rungen beachtenswert: ,, Römische Toleranzedikte'' von
Görres (S. 885—901) und „Symbole" von Funk (be-
sonders seine Ausfuhrung über das Nicaeno-Constantinop.)
S. 807—814.
56. Die erste eingehende und sehr beachtenswerte
Kritik ron Adolf Harnack's Lehrbuch der Dogmen-
geschichte (Bd. I; Freiburg i. B. 1886) hat Friedrich
Loofs (Deutsch -evangelische Blätter 1886, S. 177 — 200)
geliefert
67« Ein 2^ichen für die Beachtung, welche die Di-
dache auch in Italien gefunden hat, ist das Schriftchen
Alessandro Chiapelli's: „Una recente scoperta, La
dottrina dei dodici Apostoli" (Estratto dalla Nuova Antologia,
Vol. Lm, Fase. XVni), Roma 1885 (19 S. in 8). Nach
TT'
waittar^^ TcAsiüead. — Denelbe Ansor beittodeh in der
Zatang „La Docuauca dd Fncaan-^ (11, 43, Born 2&. Ok-
tober ISSij das Bickef seke Fragment unter der Uber-
wdai&z „H firantmento om scoperto d'im qninto ETSogeSo''.
Sft. LipsinSy der ldd4 die zweite HiKke des zweiten
Bandet seines Bodkes über „ die apokjTphen Aposleigeaeliicliten
nnd AposteDegenden" tot der enten den Actas Petri
et Pnali gewidmeten henuisgeben nmikte, „weQ er die
Actos Petri Vercellenscs nodi nickt wieder, die griechiacken
n^^ug JTer^oc nock gar nickt zn erlangen Termochte^i
ist jetzt in den Besitz einer Abackiift des von Tiackendorf
eingesehenen cod. Patmensis grieckiscker Akten des Petnu
nnd Paolos gelangt ond hat anck einen grolaen Teil der
Actos Petri Vercellenaes al^esckneben erkalten (Jakrb. i
prot Tk 1886, I, S. 86 — 106 ond 175 £). Er veroffsni-
licht an ersterer Stelle die passiones der beiden Apostel ond
bespricht an letzterer die Actus Petri Vercellenses. Die
griechischen Akten sind nach Lipsios' Urteil nicht das ge-
suchte griechische Original^ sondern Kückübersetzungen aus
dem Lateinischen. Dem Text, aus dem sie flössen, stehen
die Actus Petri Vercellenses und die Actus Pauli Monacenses
viel näher als der sogen. Linustext. — Ein Fragment der
passio Pauli e codice Monac. 4554 primum editum folgt
ohne Prolegomena a. a. O. Heft 2, S. 334 — 336.
59« Unter den ^^Apokalyptischen Studien", in
denen Th. Zahn die Verwertung der Nerosage für die Er-
klärung der Apokalypse zu bekämpfen begonnen hat
— Zeitschrift f kirchl. Wissenschaft und kirchl. Leben 1 885,
X, S. 523—529: Einleitendes; XI, S. 561—576: Über die
Zahl des Tieres; 1886, I, S. 32—45: Über den Ursprung
und religiösen Charakter der sibyllinischen Bücher IV, V
[VIII, 1—216; XII u. XIII] (noch unvollendet) — , sind
NACHBICBTEN. 489
> namentlich die letzten von kirchenhiatoriacbem Interesse:
Buch IV ist rein jüdischen Ursprungs, Buch V ist ans zwei
jüdischen Stücken aus den Jahren 71 und ca. 120 von
einem Christen um 150 zusammengestellt, doch rühren von
letzterem nur einige Verse her. — Inbezug auf Buch IV
steht Zahn mit seinem Urteil nicht so allein, wie er meint,
B. gegen Schiirer, Zeitgeschichte, S. 517 Schürer in der
Theo!. Litteraturzeitung 1878 col. 358 und jetzt auch Ge-
schichte des jüd. Volkes II (1806), S. öOl.
60. Auch Hilgenfeld (Zeitschrift f. wiss. Theol. 1886,
I, S. 50 — 59) und Nöagen (Zeitschrift f. kirchl. WisBensch.
und kirchl. Leben 1885, IX, S. 462—470) finden in dem
Bickel'schen Fragment (vgl. Theol. Litteraturzeitung
1885, Nr. 12) kein Fragment eines unkanonischen Evan-
geliums.
ei. In seiner Zeitschrift f, wiss. Theol. 1886, 1, S. 1—26
bringt Hilgenfeld einen Aufsatz „Zum Ursprung des
Episcopats", der mehr der Kritik der Hatch - Harnack'-
Bchen Hypothese als der positiven Darlegung der eigenen
Ansicht gewidmet ist. Die Kritik hebt neben manchem
Belanglosen auch einige wunde Punkte der Hypothese her-
vor, die im Hintergrund stehende, am Schlufs kurz darge-
legte positive Ansicht ist im wesentlichen die vor Hatch bei
uns verbreitete. — Weit mehr ist die Erledigung der Streit-
frage indirekt gefördert durch Schurer's Geschichte des
jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi U (1886). Gegen-
tiber dieser zweiten Auflage der neutestam entlichen Zeit-
geschichte Schurer's ist es unnötig auf die grofse Bedeutung
hinzuweisen, welche dies Buch ftir das Studium der ältesten
Kirchengeschichte im allgemeinen hat; — das ist allbekannt.
Da aber die Anzeige des Buches in der Schürer -Hamsck'-
Bchen Litteraturzeitimg (1885, Nr. 25), eine Selbstanzeige
des Verfassers, nur in einem Abdruck der Vorrede bestand,
80 möge hier wenigstens die besondere Wichtigkeit der
Paragraphen hervorgehoben werden, welche von der jüdi-
schen Gern ein deorganisation und den Beamten der Synagoge
1
490 KAGHRICHTEir.
(§ 27, S. 358 ff. besonders 364—868), von den Juden ii
der Zerstreuung, ihrer Gemeindeoi^anisation und von dei
ProBeljten handeln (§ 31, S. 493 ff. bes. 513 ff. 548 ff.). D»
Nachweise Schürer's sind in hervorragendem Malse geeignel^
die Hatch-Hamack'sche Hypothese zu stützen , aber aodi
zugleich zugunsten eines stärkeren, durch Proselyten Ter
mittelten jüdischen Einflusses zu modifizieren. — Und nicht
nur in der eben erwähnten Einzelfrage helfen die Ausfüh-
rungen Schürer's in § 31 seiner Geschichte o. a. w. die
Kluft zwischen ,, heidenchristlichen'' und ^Judenchristlichen^
Gemeinden imd Gemeindekreisen überbrücken, sondern auch
im allgemeinen sind sie für eine richtige Würdigung des
jüdischen Einflusses im alten Christentum von einschnd-
dendster Bedeutung. Die Frage nach der Zeit der CSemen-
tinen (Hilgenfeld a. a. O. S. 7) oder die nach dem ,, Juden-
christentum'' Hegesipp's (ebenda S. 9) sind von verschwin-
dend geringer Bedeutung gegen die Fragen, welcher Art
die Juden waren, welche auTserhalb Palästinas an Christus
gläubig wurden, und wie hoch etwa die 2^ahl der Proselyten
— des „Thores" würde man sagen, wenn nicht Schürer
diesen Terminus als apokryph erwiesen hätte — in den
ältesteil Christengemeinden des Reiches zu veranschlagen
sei. Beachtet man, dafs die Juden in der Zerstreuung nicht
waren wie die Jerusalemer Judenchristen: Ttavreg tijActrrai
Tof) voiuov (Act. 21, 20) vgl. Schürer S. 553 ff, beachtet
man weiter, welcher Art das Verhältnis der Proselyten zum
Judentum war, und veranschlagt man den Bruchteil der
Christengemeinden, welcher aus Proselyten bestand, so grofs,
als es wahrscheinlich geschehen mufs, würdigt man schliefs-
lich die klärenden Ausführungen Hamack's in seiner, einer
besonderen Hervorhebung bereits nicht mehr bedürftigen
Dogmengeschichte I (1886), S. 215 ff: dann wird die anti-
baursche Auffassung des ersten Jahrhunderts der Geschichte
der christlichen Barche imstande sein, auch den Rest zu
verarbeiten, der bei der bisherigen Verrechnung der Tü-
binger Erbschaft stets noch zurückblieb und den modi-
fizierten Tübinger Anschauungen immer noch eine gewisse
Reaktionskraft liefs. Bemerkenswert ist, dafs auch Holtz-
HACKRICSTrai. 491
mann in einem Aufsatz über den LeBerkrois des Btimer-
briefa (Jabrb. f. protest. Theol. 1686, I, S. 107—131, TgL
Holtzmann's Einleitung in daa Neue Testament 1885, S. 249 f.)^
obne eutBchieden Stellung zu nehmen , dennoch bekannt
(Jahrb. S. 129), „dafa die BcbarfBimiige und beredte Ver-
tretung, welche die heidenchriatÜche Adresse des KömerbriefB
seit 1876 gefunden hat, nicht ohne Wirkung an ihm vor-
übergegangen sei".
62. In beachtenswerten Bemerkungen „über die Ein-
heitlichkeit der didaxt'j" (Jahrb. f. protest Theol
1886, n, S. 302—311) resümiert und vervollständigt Lic
Dr. Bratke die Cb-ünde, welche es nahe legen für dtd.
1 — 6 und die verwandten Texte eine auch vom Bamabas-
brief benutzte Urschrift anzunehtnen, 6tö. 7 — 16 aber
— der KUrze halber lasse ich die Modifikationen dieser rein-
lichen Scheidung beiseite — zeitUch und örtlich von jener
Urschrift getrennt entstanden zu denken. — Übrigens sei
hier auf die höchst dankenswerte Rückschau auf die Ver-
handlungen über die dtdaxi) aufmerksam gemacht, welche
Hamack in der Theol. Litteraturzeitung 1886 Nr. 12 zu
geben begonnen hat.
63. Wie viel noch daran fehlt, dafs die allgemeinsten
Grundsätze geschichtlicher Forschung auch fiir die Dogmen-
geschichte anerkannt seien, zeigt der nur deshalb interessante
Aufsatz von Dr. R. Schenk in Aschersleben in der Zeit-
schrift für kirchl. Wiasenschaft und kirchl. Leben 1885,
VIII, S. 407 — 413. Um die Vorstellung überverdienstlicher
Werke bei Herraaa wegzudeuten, wird der pastor seiner
geschichtlichen Umgebung entnommen und mit Zuhilfenahme
neuerer dogmatischer Begriffe interpretiert. Keiner der an-
deren patres app. ist erwähnt!
64. In seiner Zeitschrift tiir wissenschaftliche Theologie
1886, II, S. 180—206 giebt Hilgenfeld eine neue Text-
rezenaion des Polycarpbriefes auf Orund des bekannten
Materials und trägt gleichzeitig eine Jnterpolationahjrpothew
492 NACHBICHTEK.
vor, die der schon in der Zeitachrift für -wiasenBchaftUcliB
Theologie 1884, S. 374 von Hilgenfeld gebilligten Ritocbl'-
Bellen eng verwandt ist.
65, K. J. Neumann hatte (Theolog. Litteraturzeitung
1881, col. 422) gewifs unter Zustimmung der Mehrzahl der
Forscher geäuiBert, dafs rücksichtlich des Widerspruchs, den
Hartcl und später V. Schnitze gegen den Ebert'schen Be-
weis der Abhängigkeit TertulUans von Minucius Felix er-
hoben hatten, „eine teilweise Neubegründung des Ebert'-
schen Resultates allerdings notwendig geworden, aber aucb
möglich sei". In diesem Sinn handelt „über Minacius
Felix und Tertullian" sorgfältig und erschöpfend weit-
läuftig Prof. Reck in der Tübinger theol. Quartalschrift
1886, I, S. 64—114.
66. E. Nöldechen (vgl. Nachrichten des vor. Heftes
Nr. 3) zerstreut die Resultate seiner minutiösen aber ziem-
lich unfruchtbaren TertuUianstudien in den verschie-
densten Zeitschriften: „die Situation von Tertulliana Schrift
,Uber die Geduld'", Zeitachrift iiir kirchl, Wissenschaft und
kirchl. Leben 1885, XI, S. 577—580; „die Krisis im car-
thagiscben Schleierstreit 206" [Begründung dieser Zahl er-
folgt nicht], ebenda 1886, I, S. 46—56; „ Tertullian'a Ge-
burtsjahr" [Wahrscheinlichkeitsgründe für ca. 150], Zeitachr.
f. wissensch. Theol. 1886, II, S. 207—223; „Tertullian als
Mensch und als Bürger", v. Sybels Histor. Zeitschrift
1885, S. 225 — 260; „ Tertullian's Verhältnis zu Kleinens
von Alexandrien ", Jahrb. f. protest. Theol. 188G, II, S. 279
bis 301; „Am Nil und am Bagradas", 8tud, u. Krit 1886,
ni, S. 549 — 567. Geschichtliche Schilderung und sprach-
lich schöne Darstellung sind dem Verfasser offenbar wich-
tiger als die Förderung des historischen Wissens. Die An-
knüpfung an die Arbeiten anderer mufs sich der Leser erst
BchaSen, das Neue und Eigentümliche in Kleinigkeiten aus
einer Menge des bekannten müheam heraussuchen. Am
wichtigsten wäre der Aufsatz über Tertullian's Verhältnis
zu Riemens (vgl. auch den Schlub des Aufsatzes in Studien
NAOHBICETEK. 493
und Kritiken) , — wenn der Beweis einer Abhängigkeit
TertoIlian'B von Klemens wirklich erbracht wäre und durch
minutiöse Vergleich ung einzelner Gedanken und Wörter
überhaupt zu erbringen wäre.
67> Aus einer allerdings jungen aber auf eine Vorlage
des Jahres 35D zurückgehenden Handschrift des (Hippolyt-
Bchen) sogen, liber generationis in Cheltenham veröffentlicht
Mommsen im Hermes, Bd. XXI (1886), S. 142 — 156 in
einem Aufsätze „zur lateinischen Stichometrie" das am Schlufa
stehende stich ometri sehe Verzeichnis der biblischen Schriften
und der dem Schreiber der Vorlage bekannten Schriften
Cyprian's. „Diejenigen Gelehrten", sagt Momrasen (S. 148),
„die sich mit dem Kanon der biblischen Bücher und mit der
Kritik Cjprian's sowie mit der Stichometrie überhaupt ab-
geben, werden nicht verfehlen, sich mit dem Verzeichnis
eingehender zu beschäftigen," Mommsen selbst begleitet
das Verzeichnis mit „vorläufigen Erörterungen" Über die
Bedeutung desselben für unsere Kenntnis der Stichometrie
und für die cyprianische Kritik. Inbezug auf das erstere
werden die Aufstellungen von Diela (Hermes, Bd. XVU,
S. 377ff. vgl. Theol. Litteraturzeitung 1883, col. 460) be-
stätigt. An den Resultaten der litterarischen Kritik der
opera Cypriani wird das Verzeichnis schwerlich etwas än-
dern, das Fehlen der Schrift quod idola dii non sint z. B.
wird V. Schultze's Zweifel an deren Echtheit (Jahrb. für
protest. Theol. 1881, S. 485 ff. vgl. Möller ebenda S. 757f.)
nicht zu stützen vermögen. Doch für die Geschichte der
Sammlung der epp, Cypr. und für die Handschriftenkritik
kann das Verzeichnis sehr wichtig werden. Es stammt wahr-
scheinlich aus Afrika. Über das Kanonverzeichnis der
Ilandechriil — es hat dieselbe Reihenfolge der Evangelien
wie der angebUche Theophiluskommentar — spricht Zahn
bei Mommsen S. 148, Anm. 2 (Mitteilung ans einem Briefe
Zahn's) und ausführlicher in der Zeitschrift fiir kirchliche
Wissenschaft 1886, HI, S. 113—118. Vgl. jetzt über die
Momtnsen'sche Publikation auch Harnack in der Theolog.
Litteraturzeitung 1886, Nr. 8.
i J
494 NACHBICHTÜr.
A8> Über die Gedichte des Damaaas, ihre Ubov
Uefemng und ihren gescbichtUchen Wert handelt mehr fibo-
sichtlich als erachöpfend de Robb! in aemem BuUetiiio III, I
(1885), S. 5—31.
69* Die in den Nachrichten des vorigen Heftes m Nr. 9
erwähnten Akten zum Schisma des Jahres 530 hat Mo m lö-
sen auf Grund eigener Kollation der Handschrift im Neuen
Archiv XI, 2 (1886), S. 361 — 368 aufs neue herauagegebcD,
und zwar zugleich mit den gleichfalls zuerst durch Amelli
pubUzierten, für die Geschichte des römischen Primats und
fiir die Geschichte des Ephesioum von 449 und des Chalce-
doneoae sehr wichtigen Apellationen Flavians von
Konatantinopel und Eusebs von Doryläum an
den römischen Bischof. — Beide Scbriltatücke waren übri-
gens fast vollständig oach Amelli bereits bekannt gemacht
in der (lunsbrucker) Zeitochr. f. kath. TheoL 1883, S. 191
bis 196.
7t). Eine sehr dankenswerte Rückschau auf die Ver-
handlungen über die Echtheit oder Unechtheit der theo-
lo^schen Schriften des Boethius im letzten Meuschenalter
giebt Dräseke in den Jahrb. für proteat Theol. 1886,
II, S. 312 — 333. Dräseke selbst stellt sich entschieden auf
die Seite derer, welche die Frage zugunsten der Echtheit
entschieden glauben, seit in dem sogen. Anecdoton Holden
(ed. Usener 1877) ein Zeugnis Caaaiodora fiir die Echtheit
vorhegt. — Dafs jedoch über dies „Zeugnis Caaaiodors"
die Akten noch nicht geschlossen werden dürfen, ist zu er-
sehen aus dem Aufsatz von Dr. G. Schepps „Geschieht-
hches aus Boethiushandschriften " im Neuen Archiv XI, 1
(1886), S. 123—140 bes. S. 128.
71> Gegenüber der ersten Lieferung der Ausgabe dea
Über pontificalia von Duchesne begründet Waitz aufs neue
Beine Beurteilung des Catalogus Felicianus (vgL Waitz'B
Art. Über pontif. RE* VIU, 643 f.) im Neuen Archiv XI, 2,
S. 219—229.
NACHRICHTEN. 496
7t. Die vielgenannte Schilderung der religiösen und
sittlichen Zustände der Merowingerzeit ditrch
Löbell, Gregor von Tours und seine Zeit, 2. Aufl. (1869),
S. 209 — 295 giebt zwar jedem, der Gregor nicht selbst
kennt, einen vortrefflichen Einblick in die Verhältnisse jener
Zeit, doch fällt der Hauptnachdruck auf die Mitteilungen
aus den Quellen, nicht auf die Erklärung und Beurteilung
der erschrecklichen Zustände jener Zeit Umgekehrt ist ea
mit dem lesenswerten Aufsatz von Ernest Lavisse „La
foie et la morale des Francs" in der „Revue des deuz
mondes" vom 15. März 1886.
73. Um die Erforschung der wichtigsten Periode der
älteren Kirchengeschichte Spaniens, der Periode,
in welcher nach der glänzenden Regierung des arianischen
Königs Leovigild die Konvertierung des Reiches erfolgte,
hat sich F. Görres seit 14 Jahren vielfach verdient ge-
macht. Folgende einzelne Aufsätze von ihm liegen vor:
l) „Leovigild's Anfänge", Forschungen zur deutschen Ge-
schichte XII (1S72), S. 593—618; 2) „Nachträge zur Ge-
schichte Leovigild's", ebenda XIII (1873), S. 634—645;
3) „Hermenigild", Zeitschrift für histor. Theol. 1873, S. 1
bis 109; 4) „Leovigild's Stellung zum Katholicismus ",
ebenda S. 547 — 604; neuerdings 5) „Beiträge zur apanischen
Kirchengeschichte des sechsten Jahrhunderts", Zeitschrift für
wissensch. Theol. 1885, S. 319—332, vgl. die Nachrichten
des vorigen Heftes Nr. 7; 6) „Leander, Bischof von Se-
villa", ebenda 1886, I, S. 36 — 50. Während man nun
jenseits des Kanals dankbar von ihm gelernt hat (vgl. die
ausgezeichneten Artikel Leovigild, Leander, Hermenigild im
„Dictonary of Christian Biographie") hat Görres Grund, in
I>eutschland — RE' „Leander" von Zöckler ist eine ei>
freuliche Ausnahme — über unverdiente Nichtbeachtung za
klagen. So ist beispielsweise die von Görres längst als un-
zuverlässig erwiesene Nachricht, Leovigild's erste Frau sei
Theodosia, eine Katholikin, gewesen noch in der neuen
Ausgabe des Gregor von Tours in den Monum. Germaa.
wiederholt (Gregor Tur. ed. Arndt I (1884), p. 230, not 1,
496 NACHRICHTEN.
p. 259, not. l). Das ist keine irrelevante Eleinigkeit, m
Gegenteil, wer sie für geschichtlich hält, wird die höchst
interessante spanische Kirchengeschichte jener Zeit gar lüclit
verstehen können. Dennoch ist noch vor kurzer Zeit KE'
XVI, 847 ff. der Artikel „Weatgotisches Reich" mitsamt
jener Legende unverändert aus der ersten Auflage ab-
gedruckt, und Oörrea' Arbeiten sind unerwähnt geblieben.
Um so zeitgemäfser ist es, dafs Görres in den Jahrb. lür
Protest. Theo!. 1«86, I, S. 132—174 in dem Aufsatz „Leo-
vigild, König der Westgoten, der letzte Arianet-
könig" seine Studien mit mancherlei Nachbesserungen nocK
einmal zusammen gefafst hat.
74. Dafs die sogen, instructiones Columbani
d. h. die 13 dem Columba von Luxeuil zugeschriebenea
Predigten {ed. princeps Patricü Fleming!, CoUectanea sacra.
Lovanii 1667) nicht von Columba herrühren, sondern von
einem älteren , gallischen Mönch , der Faustus von Reji als
seinen Lehrer verehrte, hat Prof. Hauck in der Zeitschrül
fUr ku-chl. Wissenschaft 188&, VII, S, 357 — 3()4 bewiesen.
Gleichzeitig konnte Hauck die verloren geglaubte Fleming'sche
Handschrift und neben ihr eine zweite, gleichfalls aus Bohbio
stammende, in Turin nachweisen.
75. A. Nürnberger, der eich schon durch raebrere
umstäudüche Publikationen um die handschrifthche Über-
lieferung des Quelle nmateriala zur Geschichte des Bonifatins
verdient gemacht hat (s. u. und „Zur handschriftlichen
Überlieferung der Werke des heiligen Bonifatius", Beilage
zum Programm des k. Gymnasiums in Neisse 1883/84),
behandelt im Neuen Archiv XI, 1, S. 9 — 41 „die Boui-
fatiuslitteratur der Magdeburger Centuriatoren"
in ähnUcher Weise, wie er ebenda VII, S. 335 ff. über daa
Baronius'sche Bonifatiusraaterial gehandelt hatte: Ein cod.
Fuld. der Briefe Bonifatius' in Flacius' Besitz wird eine noch
zweifelhaftere Gröfse als Nürnberger selbst annimmt Fla-
cius benutzte den hier zuerst mit weitläuftigsler Genauigkeit
beschriebenen cod. 279 August der Wolfenbüttlcr Bibliothek.
NACmUCHTEN. 497
Diesen erweist Nürnberger als eine indirekt iür FlacioB
Teraostaltetfl ÄbHchrift des bekannten cod. Vindobon.
76. Bei dem Wunsche, Art and Mafa der Marien-
verehrung im aasgebeoden Mittelalter zu konstatieren, sah
sich Benrat h bei dem Fehlen brauchbarer Litteratur
— der Tadel triffi nicht v. Lehner, die Marien Verehrung
in den ersten Jahrhunderten 1881 — auf eigene For-
schung angewiesen und bei diesen erwies sich ein Rück-
gang auf die ältere Zeit als notwendig, öo sind Benrath'a
Studien „Zur Geschichte der Marienverehrung",
Studien und Kritiken lö86, I, S. 7 — 94; II, S. 197
bis 267 zu einem lehrreichen Überblick über die ge-
samte vor reformatorische Entwickelung geworden. Für die
ältere Zeit ist beachtenswert der Nachweis verschieden-
artigen Ursprungs der Marien - und Heiligen Verehrung.
Auch das mag hervorgehoben werden, dafa Benrath mit
V. Lehner schon bei Clemens Ales, das virgo in partu et
post partum nachweist. Für die Datierung mancher alt-
kirchlichen Schrift ist dies nicht unwichtig, vgl. Theolog.
Litteraturzeitung 1881, col. 285 und ISÖi, col. 552. — In
diesem Zusammenhang mag auf ein in Carthago neu ge-
fundenes (de Rossi Bullotino III, 1 [l884,Ö5], S. 49—52)
Fragment eines Marienreliefa aus dem vierten Jahrhundert
(nach de Roaai) aufmerksam gemacht werden, weil es fUr
die umstrittene Deutung des ältesten Marienbildes in der
Katakombe S. Priscilla (vgl. Kraus, Realencyklopädie der
dmstL Altertümer II, Fig. 2(j5, S. 362} nicht unwichtig zu
sein scheint. F. Loofs.
77. Mit einer neuen wertvollen Gabe hat uns soeben
der unermüdliche Fleifs Caspari's beschenkt: „Eine Au-
gustin tälschiich beigelegte Homilia de sacrilegiia"
(herausgegeben von der Gesellschaft der Wissenschaften zu
Christiania. — Christiania 1886. — 73 S. in 8). Diese
von Caspari in einer Einsiedler Handschrift des achten Jahr-
hunderts aufgefundene Homilie, deren Text er schon 1881
in der „Zeitschrift für deutsches Altertum" veröffentlicht
498 KACHBICHTDr.
uc
I
und später in einer norw^iflchen Pnblilriifion
kommentiert hatte, erscheint hier in berichtetem Texkil ^
kritischen und sehr eingehenden sachlidien Anmerimig^l ^
sowie von einer Abhandlung (S. 42 — 73) he^läki k| °
letzterer handelt Caspari l) von dem Qegenatand derH^
milie (der Ausübung götzendienerischer Handfamgen iii| ^
heidnisch-abergläubischer Sitten und Br&ache), 2) toh Ar
Einteilung und Form, 3) von ihrer barbarischen, aber Ur
reichen Sprache; 4) von ihren Quellen; 5} ihrer Abfiuwnp
seit (Mitte des 6. bis Ende des 8. Jahrhunderts, wahrscfae»
lieh das 8.); 6) Entstehungsort (wohl die nördlichen 6eg»
den des fränkischen Reiches; der VerfEisser irgendein frii*
kischer Kleriker). Caspari falst sein Urteil über dieM
Schriftstück dahin zusammen , dais es ein höchst meik*
würdiger, für die Kirchen- und Kulturgeschichte, speziefl &
Gteschichte des Aberglaubens und die germanische Mytho-
logie sehr wichtiger, sowie auch sprachgeschichtlich mfa-
essanter Sermon ist Th, K
n.
78. „Pseudoisidor und die Geschichte der
Bischöfe von Le Mans" ist der Titel einer von Bern-
hard Simson (in der Zeitschrift für Elirchenrecht, Bd. XXI,
S. 151 — 169) veröflFentlichten Studie, die darauf aufmerk-
sam macht, dafs die „Acta pontificum Cenonomanensium",
welche „eine erstaunliche Fülle gefälschter Urkunden ent-
haltenes sich sowohl in dem Streben, die Bischöfe dem
Einflufs der weltlichen Macht zu entziehen und sie dem dei
Kömischen Stuhls zu unterstellen, als auch in dem Versuch,
die Kechte der Chorbischöfe zu schmälern, nahe mit den
pseudoisidorischen Dekretalen berühren.
79. Die treffliche Abhandlung Giseke's: „Über den
Gegensatz der Cluniacenser und Cistercienser^'
(im „Jahrbuch des Pädagogiums zimi Kloster Unser Lieben
Frauen in Magdeburg" [Magdeburg 1886], S. 1 — 41) giebt
ungteich mehr als ihr Titel verspricht Sie beschränkt sich
NACHBICHTEir. 499
nicht darauf, aus den offiziellen Schriften deB Cistercienser-
Ordens die Bestimmungen namhaft zu machen, welche die
bewufste Opposition desselben gegen die Gewohnheiten und
Sitten der Cluniacenser bekunden, sondern zeigt uns auch
in einer vorausgeschickten Vergleichung, dafs fast in allen
Punkten die Gebräuche Ciuny's nicht eine Verschärfung,
sondern vielmehr eine sehr ansehnliche Ennäfsigung der
arsprungiichen Regel Benedikt'a bedeuteten.
80. Heinr. Denifle hat in der Studie: „Die Sen-
tenzen Abälard's und die Bearbeitungen seiner
Theologie vor Mitte des 12. Jahrhunderts" (im „ArchiT
für Litteratur- und BlirchengeBchichte des Mittelalters" von
DeniHe und Ehrle, Bd. I [Berlin 1885], S. 402—469 und
S. 584—624} mit der ihn überall in gleicher Weise kenn-
zeichnenden gro&en Gelehrsamkeit wie peinlich berührenden
Geringschätzung seiner Vorgänger die bisher geltende An-
nahme, dafs von einer Schule Abälard's auf dem theo-
logischen Gebiete nicht geredet werden könne, bekämpft,
indem er nachweist, dafs sowohl die von Rheinwald edierten
„Seotentiae Abaelardi" — welche nicht mit Gieseler als
ein nach mundlichen Vorträgen von einem Schüler Abälard'a
niedergeschriebenes Heft anzusehen sind — als auch die
drei bisher unbekannten Sentenzenbücher l) einer St. Flo-
rianer Handschrift, 2) des Magister Roland, des späteren
Papstes Alexander III, und 3) des Magister Omnebene Be-
arbeitungen der „Theologia" Abaelard's, d. h. der bisher
mit Unrecht den Namen der „introductio ad theologiam"
führenden Schrift desselben sind, welche sämtlich in den
dreifsiger und vierziger Jahren dos 12- Jahrhunderts abge-
Eafst wurden. Von hohem Interesse ist die von Denifle
festgestellte Thatsache, dafs der Magister Roland, als er in
Bologna lehrte, seinen Sentenzen die Disposition der „Theo-
logia" Abaelard's zugrunde gelegt und sich hinsichtlich
mehrerer, nicht aller, dogmatischer Punkte wesentlich unter
dem Einflufs desselben befunden hat.
81. „Die Kreuzzüge des Grafen Theobald
von Navarra und Richard von Cornwallis nach
500 NACHRICHTEN.
dem heiligen Lande'' in den Jahren 1239 — 1242 amd
von Röhricht; der sie in seinen ;; Beiträgen zur Q^schichte
der Kreuzzüge'' bereits kurz behandelt hat, von neuem in
den ;, Forschungen zur deutschen Geschichte" (Bd. XXVI,
S. 67 — 102) eingehender untersucht und in ihren Folgen
bis zur Eroberung Ascalon's durch die Ägypter (am 15. Okt
1247) gewürdigt worden.
8^« Ein sehr wertvoller Beitrag: ,;Zur Biographie
Heinrich's von Gent", ist von Fr. Ehrle (im „Archiv
für Litteratur- imd Eirchengeschichte des Mittelalters '', Bd I,
S. 365 — 401) geliefert worden. Derselbe weist nach, dab
die Bulle Innocenz IV. vom Jahre 1247 durch die Heinrich
zum apostolischen Protonotar für Paris ernannt wird, eine
Fälschung ist, sowie dafs der grofse belgische Scholastiker
nie dem Servitenorden angehörte, und spricht weiterhin die
Vermutung aus, dafs derselbe nie ein Mitglied der Sorbonne
gewesen und ohne genügende Gründe der Familie der
Goethals zugezählt wurde. B. ZöpffeL
8S. Von dem neuen Archief voor nederlandsche
kerkgeschiedenis ed. Acquoy, Rogge, Wybrands ist
I, 1 erschienen und bringt unter anderen folgende Beiträge:
von A c q u 0 y , über das alte Osterlied „ Christ ist erstanden ",
Schotel, Gracien of aflaten aan de groote of O. L. Vrouwe-
werk te Doodrecht verliend und Mey boom, Susos 100 ar-
tikeln in Nederland.
84. Femer erscheinen seit 1. Januar d. J.: Blätter
für Württembergische Kirchengeschichte. Beilage
zimi Ev. Eirchen-Schulblatt für Württemberg, herausgegeben
von O. Herrmann. Stuttgart, Greiner und Pfeiffer. Die bis-
herigen Nummern (monatlich erscheint eine) enthalten u. a. : Die
Urpfarreien Württembergs von Pf. B o s s e r t. — Der St Anna-
kultus in Württemberg von demselben, — Die Aufhebung der
Kappenherren in Württemberg von Dr. Schneider.
85* In neuer Gestalt und neuem Verlag erscheint jetzt
auch die Zeitschrift für Geschichte des Ober-
NACHBTCHTEN. 501
rhains, Bd. XL, N. F. I (Freiburg, J. C. B. Mohr, P.
Siebeck) und als Beilage dazu die Mitteilungen der
badiechen hiator. KommisBion; letztere als eine Art
Inventarien der einzelnen Archive: bereits ist hier auch
manches Material Tür kirchliche Ortegeschichte und Statistik,
insbesondere Pfarrvermögen, Stiftungen u. a. w. veröffentlicht
86. Als neues Zeichen für den energisch wiedererwachten
Eifer des Franziskanerordens für seine eigene Geschichte
wird eine neu angekündigte Zeitschrift gelten dürfen: Mis-
cellanea Franciscana di storia, di lettere, di arti ed.
Pulignani in FoÜgno.
87. Von dem Archiv für Littoratur- und Kirchen-
geschichto des Mittelalters von Denifle und Ehrle sind nun
Bd. I, 2 — 4 und II, I erschienen und haben wiederum eine
Fülle wertvollen Materials und tief eingreifender Unter-
suchungen gebracht Denifle veröffentlicht darin 1} die
Sentenzen Abälards und die Bearbeitungen seiner Theologie
Tor Mitte des 12. Jahrhunderts — eine Arbeit von hervor-
ragendem Interesse für die Geschichte der ^Scholastik und
der Stellung Abälards in ihr (s. oben Nr. 80) ; 2) die Kon-
BÜtutionen des Predigerordens vom Jahre 1228 — von
ebenso grofaer Bedeutung fiir die Entstehung und den ur-
aprltnglichen Charakter des Predigerordens wie filr die Ent-
wickelung seiner Gesetzgebung ; 3) das erste Studienhaus
der Benediktiner an der Universität Paris; 4) die päpstlichen
Registerbände des 13. Jahrhunderts und das Inventar der-
selben vom Jahre 1339; 5) mehrere kleinere Mitteilungen,
darunter besonders zu bemerken die Abhandlung über Bal-
dewin von Braunschweig und sein Verhältnis einerseits zur
Chronik des Jordan von Giano und anderseits zu späteren
Chroniken des Ordens. Von Ehrle ist erschienen l) die
Fortsetzung und Vollendung seiner Veröffentlichungen zur
Geschichte des Schatzes, der Bibliothek und des Archivea
der Päpste '); 2) Beiträge zur Biographie Heinrichs von Gent
1) Eine Fortfetzang zu dieser Publikatioa bildet das kürzlich
502 KACHBICHTEN.
(s. 0. Nr. 82) ; 3) über die historischen Handschriften zu San
Francesco; 4) über die Spiritualen und ihr Verhältnis zum
Franziskanerorden und den Fraticellen — aufserordentlich
wertvolles Material aus Handschriften zur Q^schichte der
Streitigkeiten im Orden zu Ende des 13. und Anfang des
14. Jahrhunderts. Bis jetzt sind hier veröffentlicht a) die
epistola excusatoria des Br. Angelo da Clareno von 1317;
b) Auszüge aus der vertraulichen Korrespondenz desselben
Parteiftlhrers mit seinen Gesinnungsgenossen und Freunden;
c) Untersuchung und IJberblick über die Historia septem
tribulationum ordinis Minorum; als deren Verfasser nun
Ehrle doch wieder denselben Angelo erweist Vollständig
mitgeteilt wird die sechste Heimsuchung (ein Teil derselben
[=r Ehrle, S. 142 — 149] ist kurz vorher von Tocco im
Archivio stör. Ital. 1885 veröffentlicht worden). Seither ist
auch n, 2 erschienen, welche die Fortsetzung der zuletzt
genannten Arbeit Ehrle's (tribulatio HI — V samt anderen
kleineren Stücken) sowie einen Aufsatz von Denifle, Zar
Gelehrtengeschichte des Predigerordens im 13. und 14. Jahr-
hundert enthält
88. Nachdem die Herausgabe der Regesten Innocenz' IV.,
Bonifaz' VHI., Benediktes XI. durch die Ecole franyaise k
Rome, sowie diejenigen Leo's X. im Auftrag des gegen-
wärtigen Papstes durch Hergenröther unternommen worden
ist, sind auch diejenigen Giemen s'V. in Angriff genommen
unter dem Titel: „Regestum Clementis papae V. ex vet.
archet. editum cura et studio monachorum O. S. Benedicti
Annus I Romae 1885."
89. Von den Geschichtsquellen der Provinz Sachsen ist
als Bd. XXI erschienen: Päpstliche Urkunden und
Regesten aus den Jahren 1295 — 1352, die Gebiete
erschienene Werk vonM. Faucon, La librairie des papes d'Ayignon;
sa formation, sa composition, ses catalogues (1316 — 1420) d*apr^8 les
registres de comptes et d'inyentaires des archlves yaticanes. T. I.
Paris 1866 (als Teil der ßiblioth^que des ^coles fran^aises d* Äthanes
et de Rome. Fase. 43).
NACHRICHTEN. &03
der heudgen Provinz Sachsen und deren Umlande be-
treffend, herausgegeben von G. Schmidt
94. In der Zeitschrift ftir deutsches Altertum und deutsche
Litteratur XXX N. F. XVin, 2, S. 89—132 handelt
Wolfram über Kreuzpredigt und Kreuzlied, und weiat
nach, dafs der Inhalt der Kreuzlieder des 12, und 13. Jahr-
hunderts fast ganz auf den Kreuz predigten und päpstlichen
Bullen dieser Zeit beruhe. Zugleich wird der Verencb ge-
macht, eine Anzahl Kreuzlieder zu datieren.
91. In den Wärttembergiachen Vierteljahrsheften für
Landesgeschichte VIII, 4. S, 282—289 macht Ö. Bossert
auf die Bedeutung der Kirchen heiligen ftir die älteste Ge-
schichte der Kirchen, ihren Zusammenhang mit anderen
Klöstern und Stiftern, namentlich die Bestimmung des Be-
sitzstandes der letzteren, sowie des ungefähren Zeitalters
ihrer Entstehung, femer den Wechsel der Heiligen und ihre
Ursachen u. a. aufmerksam, giebt eine vorläufige Zusammen-
stellung von Heiligen ftir Württemberg und fordert zur
weiteren Sammlung solcher Listen auf
9%. Zur kirchlichen Statistik veröffentlicht P. Schmie-
der die Matricula episcopatus Fassaviensis saec. XV.
Auf Grund der Handschriften herausgegeben, I. Text (Wels
1885), und Fritz, Das Territorium des Bistums Strafs-
bürg um die Mitte des 14. Jahrhunderts und seine Ge*
schichte, Strafsburg 1885.
9S> Über Rupescissa vgl. Sieber in den Baseler
Beiträgen zur vaterländischen Gesch. XII (N. F. II, 2).
94. In der Germania (ed. Bartach) XXXI (N. R. XIX),
S. 1 — 41 veröfientlicht F. Jostes eine erste Reihe Beiträge
ZOT Kenntnis der niederdeutschen Mystik: Auszüge
und Mitteilungen aus Handschriften l) eine Schrift über die
Gelassenheit von 1501; 2) ein Kompendium der Mystik aus
Franziskaner Kreisen (zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts),
in welchem Riigbroeck stark benützt ist. Der ScbluTs der
504 NACHRICHTEN.
VeröffentUchimg ist in derselben Zeitschrift, Heft ü, S. 164
bis 204 erschienen.
95. Die von mir in dieser Zeitschrift Bd. VI, S. 137,
Nr. 36 erwähnten Aufsätze von Sim^on Luce sind jetzt
mit anderen Studien zusammen, sowie mit gelehrtem Apparat
und reichem bisher ungedrucktem Material, herausgegeben
unter dem Titel: „JeanneD' Are kDomremy. JRecherchei
critiques sur les origines de la mission de la Pucelle^,
Paris 1886.
96. Über die Beguinenkonvente Essens hat
Heidemann eine Arbeit veröSentlicht, die ich noch nicht
gesehen habe (Essen, Bädecker, 1886).
97. Zur Geschichte der Brüderschaften finde ich
von neueren Arbeiten erwähnt: Bauer, Das Bruderschafts-
wesen in Niederösterreich (Blätter des Vereins fiir Landes-
kunde von N. Ö. XIX, S. 1—9 und 201—223, 1885);
Blümcke, Die St. Laurentiusbrüderschaft der Träger in
Stettin (Balt. Studien 1885, 4); Schratz, Auszug aus einem
Sterberegister der St. Wolfgangs - Brüderschaft aus dem
15. Jahrhundert für die Jahre 1201 — 1488 (Verhandlungen
des histor. Vereins für Oberpfalz und Regensburg XXXIX).
98. Über Dietrich von Niem sind nach den in
diesem Band, S. 233, Nr. 8 — 15 zusammengestellten Bei-
trägen kürzlich weitere Arbeiten erschienen in den Mittei-
lungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung VI,
S. 583ff. : 5 Fragmente aus seiner Chronik, herausge-
geben und eingeleitet von Sauerland. Sodann Historisches
Jahrbuch der Görresgesellschaft VII, S. 59 — 66 zu Dietrich
von Niem, De scismate von demselben. Weiterhin hat
Erler die Schrift Contra dampnatos Wiclifitas ent-
deckt und veröflfentlicht in Zeitschrift fiir vaterländische Ge-
schichte, herausgegeben vom Verein fiir Geschichte W^est-
falens, Bd. XLIII (1885), und endlich giebt Lindner eine
Skizze von dem Leben und Wollen des Mannes in der Zeit-
schrift für allgem. Geschichte 11, S. 401 — 416 u. 516 — 538. —
KACHRIGHTBN. 50&
Über Ulrich von Riebe ntal vgl. naeb dem, was icb
S. 247 f. dieses Bandes genannt babe, femer: Forschungen
zur deutseben Gescbicbte XXV, S. 553.
99. Die längst angekündigte Practica inquisitionis
des Bernardus Guidonis ist jetzt von C. Douais her-
ausgegeben (Paris 1886). In welcher Art Douais sich dieser
Sache bemächtigt und den mit der Herausgabe beauftragten
C. Molinier um den Preis seiner Arbeit zu bringen gewufst
hat, habe ich in Theol. Litteraturztg. 1886, Nr. 6 angegeben.
100. Von Wiclif s Werken ist nun von der eng-
lischen Wiclif - Gesellschaft nach den lateinischen Streit-
schriften und dem Werk „De civili dominio" (2. Bd. ed.
R L. Poole) auch der „Tractatus de ecclesia" er-
schienen, von Loserth zum erstenmal aus den Handschrif-
ten sorgfältigst herausgegeben und eingeleitet. In den An-
merkungen sind jedesmal auch die Stellen angegeben, welche
Hus in seinem gleichnamigen Werk aus Wiclif entnommen
hatte ^ Als zweiter Band der VeröflFentlichungen der Ge-
sellschaft wurde gleichzeitig ausgegeben : „ Dialogus sive spe-
culum militantis ecclesiae*', ed. Pollard (XXXVII u. 107 S.).
101. Von J. Loserth ist in den Mitteilungen des
Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen XXIV, 2,
S. 98 — 116 eine Arbeit erschienen: Über die Versuche
wiclif-husitische Lehren nach Osten^eich, Polen, Ungarn und
Kroatien zu verpflanzen. Nach gleichzeitigen Korrespondenzen.
102« In einem Vortrag in der Berliner Akademie hat
W. Wattenbach über Ketzergerichte in Pommern
und der Mark Brandenburg gesprochen (herausg. in
den Sitzungsberichten der Berl. Akademie 1886, IV). Die
Prozesse, um die es sich handelt, sind von 1393f und 1458
und richten sich gegen dieWaldenser vor und nach ihrer
1) Seine englische Einleitung hat Loserth selbst in deutschem
Original abdrucken lassen in Mitteilungen des Vereins fiir Geschichte
der Deutschen in Böhmen XXUI, 3.
Zeitochr. f. K.-Q. YllI, 8. 33
(
506 NAGHBIGHTEBT. ■
Verbindung mit den böhmischen Brüdern. Die Qoebil ab<
eine Wolfenbütteler Handachiift; die schon Flacins bei tam »i
Angaben über die Waldenser vor sich gehabt hatte, kl fau
fuhrlichere Mitteilungen stellt Wattenbach in Aussiclrt I so
lOS* In der Zeitschrift des Harzvereins f&r OcmUiI l
u. Altertumskunde XVUI^ S. 288—324 veröffentlicht £d.Ii-| l
cobs eine Arbeit über den Rektor und die StiflsMUl i
in Wernigerode am Ende des Mittelalters. —übl ]
Volksschulen in der Diöcese Augsbarg wiknill
der zweiten Hälfte des Mittelalters handelt ein Prognial
der Dillinger Studienanstalt von M. Daisenberger 188i I
104. In den Theologischen Studien und Kritiken 1S8S, 1
S. 337 — 366 habe ich die Schrift von Keller (s. dieiel
Zeitschr. VH^ 489 ff.); sowie die beiden Schriflen von Htnptl
und Jostes über den waldensischen Ursprung derBÜNtl
Übersetzung des Codex Teplensis angezeigt. Wenn ich doi 1
der Meinung war, der waldensische Ursprung der Über 1
Setzung sei von Haupt zwar noch nicht fest erwiesen, aber
von Jostes noch weniger widerlegt , so bin ich inzwischei
zu anderen Ergebnissen gekommen ; nicht nur hat Jost»
mir aus Handschriften Material mitgeteilt , das die Streit-
frage in ein ganz anderes Licht stellt^ sondern ich bin auch
durch umfassendere Studien über die Waldenser zu der
•
Überzeugung gelangt; die ich demnächst an anderem Ort
zu begründen gedenke, dafs die ganze angebliche
waldensische Litteratur in der vorhusitischen
Periode ohne Ausnahme aus katholischen Krei-
sen stammt und niemals waldensisch gewesen
ist; dafs infolge dessen auch die Grundlage der Beweis-
führung Haupt's zusammenbricht. Das Material zu dieser
Ansicht läfst sich zum Teil schon aus Herzog's romanischen
Waidensem entnehmen; vollends aber aus der neuen mir
jetzt erst zugänglich gewordenen Arbeit von Montet;
Histoire lit^raire des Vaudois du Pidmont; Paris 1885, deren
Verfasser zwar noch einmal die Traktatenlitteratur zur
Quelle für die Ansichten der Waldenser zu erheben sucht;
NACHRIGHTBK. 507
aber den waldensiBchen Unsprong derselben nicht beweist,
sondern — wie dies schon bisher meist geschehen — ein-
fach voraussetzt; zugleich aber durch sorgfältige Unter-
suchungen einen grofsen Teil der katholischen Quellen der
Litteratur aufdeckt und dadurch sowie durch eine genauere
Übersicht über den Bestand der angeblichen Waldenser-
litteratur jene Ansicht so vorbereitet, dafs der Leser fast
unmittelbar die notwendigen Schlüsse daraus ziehen kann.
Inzwischen sind sowohl von Haupt als von Jostes Erwide-
rungsschriften erschienen, die des letzteren mit neuem Ma-
terial (Der Codex Teplensis. Eine neue Kritik 1886).
Karl Müller.
105. Emile Gebhart's „Recherches nouvelles
sur rhistoire du Joachimisme^' (Revue historique,
T. XXXI [1886, Mai-Juin], p. 66—73) knüpfen an die
Studien Haupt's in dieser Zeitschrift an, unter Berück-
sichtigung zugleich von Denifle's Aufsatz in dem „Archiv
für Litteratur- und Eirchengeschichte des Mittelalters '^
I, 1. — In einer Besprechung der Arbeiten Denifle's imd
Haupfs hat soeben auch Feiice Tocco im „Archivio
Storico Italiano^S Serie IV, T. XVU [1886], p. 241—261
den heutigen Stand der vornehmsten Kontroversen über das
„Evangelium aetemum'^ darzulegen unternommen.
106* L. Schulze in Rostock handelt in der „Zeit-
schrift fiir kirchliche Wissenschaft imd kirchliches Leben''
1886, S. 98—112. 131—137. 189—205 über daa Refor-
matorium vitae clericorum, eine bisher fast gänzlich
unbekannte Schrifk, welche Basel 1494 herauskam imd den
Baseler Geistlichen und Professor Jacob Philippi, einen
Freund Seb. Branfs, zum Verfasser hat Schulze beschäf-
tigt sich zunächst mit dem Verfasser wie mit dem Kreise,
welchem derselbe angehört, um dann die Schrift als „ein
Spiegelbild aus der Zeit vor der Reformation'' zu würdigen.
Philippi steht in seinem Reformatorium jedenfalls imter dem
Einflufs Geiler's wie auch der Brüder des gemeinen Lebens.
Dals L. Schulze diese Schrift der Vergessenheit entrissen
33»
508 NACHBICHTKN.
haty verdient wie auch seine frühere Tbätigkeit auf
Gebiete um so gröfsere Anerkennung, als die ZaU
Theologen, die nicht an jeder Inkunabel scheu TWibh i
gehen, noch immer gering ist Th,B. I (
HL
107. Bei der Bedeutung, welche zahlreiche Publikati(n|
des am 24. Dezember 1885 verstorbenen belgischen &I
Schichtsforschers L. P. Gachard haben, sei hier ai'
A. V. Reumont's biographische Skizze desselben, die wA
reich an bibliographischen Mitteilungen ist, hingewie
Historisches Jahrbuch VII (1886), S. 238 — 265.
108« Eeller's Schrift: „Die Reformation xaASt
älteren Reformparteien'' hat jetzt auch C. v. Weizsicker
beleuchtet („Gott. Gel. Anz." 1886, 1. Mai, Nr. 9, S.35J
bis 361). Nach Charakterisierung „der Methode oder Ui-
methode'' heifst es: „Was man fiir die Kirchengescbidk
aus dem Buche entnehmen kann, das ist übrigens vor sUa
ein Bedürfnis und Wunsch, nämlich dafs in die Seklen-
geschichte des späteren Mittelalters mehr Licht gebradit
werden möge, was nur durch solche wohlbegründete Einsel- '
arbeiten, wie sie Haupt gegeben hat, geschehen kann.^'
109. Luther's Briefwechsel von Enders, Bd. I,
habe ich in der „Theolog. Litteraturzeitung" 1886, 1. Hai,
Nr. 9 rezensiert; desgl. Kolde in den „Gott, Gel. Am."
1886, 1. Mai,*Nr. 9, S. 361—371 den zweiten Band der
„Kritischen Gesamtausgabe'^ der Werke Luthei's
von Knaake.
110. Osw. Weigel in Leipzig (Katal. N. F. Nr. 23,
1886) bietet ein Autograph Luther's und Bugenhagens
aus, das Ordinationszeugnis für Bartolomeus Bomgartner
vom 19. März 1544; bisher; so viel ich sehe, unbekannt
]]]• UberLuther's Beziehungen zu Naumburg
handelt in umsichtiger Weise und unter Benutzung archiva-
NACHRICHTEN. 509
icher Quellen Paul MitzBchko in Weimar in einer
l^aumburger Festschrift: „Martin Luther, Naumburg a 8.
die ReformatioQ ", Naumburg, Jul. Domrich, 1885
[[S6 S. in 8).
HS. Die Leipziger Dissertation von Julius Elter:
„Luther und der Wormser Reichstag 1621" (auch
I Buchhandel erschienen, Bonn, Cohen & Sohn 1886 —
tS2 S. in 8), ein „Versuch, auf Grund des neu publizierten
Haterials [Balan, Brieger] unsere Kenntnis" „der Vorgänge
am Wormser Keichstago in Sachen Luther's" „in etwa zu
fordern ", ist eine fleifsige Arbeit , welche im einzelnen
mannigf'aclien Ertrag abwirft. Doch acheint mir in zu
grorsem Umfange mit der Untersuchung eine erzählende
Darstellung verbunden zu sein. — Bei dieser Gelegenheit
möge bemerkt sein, dafs ich meine Untersuchungen über
den Wormser Reichstag (die 1884 verheifsene Fortsetzung
meiner Schrift: „Aleander und Luther") erst werde ver-
öffentlichen können, nachdem ich noch zwei gröfsere aus-
ländische Archive durchforscht haben werde. Meine bis-
herigen archivalisclien Nachforschungen ermöglichen es noch
nicht, das Dunkel zu lichten, in welches die reichsständischen
Verhandlungen über Luther noch immer gehüllt sind.
113. In den „Forschungen zur Deutschen Geschichte"
XXVI (1886), S. 141 — 145 erörtert J. v. Grüner: „Die
Glaubwürdigkeit der Luther in Worms zuge-
schriebenen Worte" — mit oberflächlicher Kritik (da«
Zeugnis der Acta Wormatiensia über das Wort Luther's bei
Batan führt er auf den Trierer Official Eck zurück!), ohne
die Sache zu tordero. — Weit sorgsamer hat gleichzeitig
Elter (s. Nr. 112) in einem Exkurs (S. 62— 7^) die Frage
untersucht, doch ebenfalls ohne selbständige Kenntnis der
gleichzeitigen Flugschriften; auch er hat die Grenze des
Wertes der aus den Papieren Aleander'a bei Batan mit-
geteilten Relation nicht erkannt. Da der Bericht bei Balan
uns für unsere Frage nichts Neues bringt, wird damit
Elter's Versuch, „durch Heranziehung des von Balan publi-
610 NACHBICHTEir.
zierten neuen Materials die Lösung der Kontroverse za
fördern '% hinfällig. Eine eingehende Untersuchung des
Gegenstandes habe ich für I^ 2 meiner ^^ Quellen und For-
schungen'^ vorbereitet; hier gedenke ich namentlich audi
das Flugschriftenmaterial; ohne welches die Frage nickt
gelöst werden kann^ zum erstenmal in seinem ganzen Um-
fange auszubeuten.
114. Auf ;;die Baierische Politik im Beginne
der Reformationszeit 1519 — 1524 '^ wirft zum ersten-
mal helles Licht die Untersuchung Aug. von Druffel's
(Abdruck aus den Abhandlimgen der kgl. bayer. Akademie
der Wissenschaften; 3. El., Bd. XXVII; Abtl m — München
1885; 112 S. in 4). Ungemein dankenswert sind auch die
in den Beilagen abgedruckten Aktenstücke (S. 73 ff.).
115« Im kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv zu Dresden
habe ich zwei bisher unbekannte Handschriften
der augsburgischen Eonfession; sowie eine verloren
geglaubte Originalhandschrift der Apologie (von
der Hand Spalatin's mit eigenhändigen Korrekturen H e-
lanthon's) gefunden. Letztere hat ohne Frage die Vor-
lage abgegeben für Chyträus' Druck der von ihm so-
genannten „ Prima delineatio Apologiae ". Eine Beschreibung
der Handschriften folgt im nächsten Hefte dieser Zeitschriü
116. In dem Kaisergeburtstags -Programm der Univer-
sität Marburg von 1886 giebt Professor Cäsar die „parti-
cula decima quarta" (und zugleich letzte — 34 S. in 4)
des ;;Catalogus studiosorum scholae Marpurgen-
sis cum Annali bus brevibus coniunctus'^ Damit ist die
1872 begonnene verdienstliche Arbeit abgeschlossen; und es
liegt jetzt das Marburger Album von 1527 bis 1628 voll-
ständig vor.
117. Von Max Lenz' Briefwechsel Landgraf
Philip p's mit Buc er (Publikationen aus den Preufsischen
Staatsarchiven) ist der zweite (Schlufs-)Band im Druck,
NAGHBIGHTBN. 611
welcher tu a. auch neues Material für das Reirensbunrer
Colloqnium von 1641 briinen wird. '^'^ ^
118« Im ,,Ärchiyio della Societk Romana '^ VIII; 101
bis 139 liefart Bartol. Fontana eine lehrreiche Studie
über den Aufenthalt Calvin's in Ferrara (23. März bis
14. April 1536); mit wichtigen Aktenstücken aus den vati-
kanischen und estensischen Archiven.
119« Cornelius verdanken wir eine mit Hilfe der
neuerschlossenen Quellen (der Genfer Ratsprotokolle bei
Am^de Roget; des Thesaurus epist. Calv.^ Herminjard)
unternommene neue Untersuchung der Frage , wie es ge-
gekommen ist; dafs die erste Periode der Wirksamkeit Cal-
vin's in Genf so rasch ein jähes Ende erreicht hat: ;;Die
Verbannung Calvin's aus Genf 15 38^' (München^
EgL Akademie, 1886 — 72 S. in 4). Wir gewinnen hier
namentlich einen klareren Einblick in die Verwickelung^
welche durch die „Bemer Zeremonieen '' hervorgerufen
wurde, und in Calvin's Verhalten dabei.
ISO« Alfred Erichson hat soeben ein Schriflchen
veröffentlicht: ,,L'Eglise fran9ai8e de Strasbourg
au seiziime si^le'' (Strasbourg, C. F. Schmidt, 1886 —
71 S. in 8), welches auf ungedruckte Quellen zurückgeht
121« Den Anfang einer fiir weitere Kreise berechneten
Darstellung des Tridentiner Konzils giebt W. Mauren-
brecher in dem „Historischen Taschenbuch '', Sechste F.
V (1886), S. 147—256 („Tridentiner Konzil. Vorspiel und
Einleitui^'O.
18S« In einem zweiten Beitrage „zur Geschichte der
katholischen Reformation im ersten Drittel des 16. Jahr-
hunderts" (Historisches Jahrbuch VII [1886], S. 1 — 50)
giebt F. Dittrich eine Übersicht über die reformatorischen
Bestrebungen des Bischofs Giberti von Verona.
612 NACHRtCATEK.
1«J. Im Hiatorischen Jahrbuch VII (1886), S. 177
bis 209 behandelt P. Bernard Duhr, S. J., ,;Die Quellen
zu einer Biographie des Kardinals Otto Truchsefs von
Waldburg. Zugleich ein Beitrag zu seiner Charakte-
ristik ^^ Neue Aufschlüsse sucht man hier vergeblich.
124« In der ;, Monatsschrift für die evangelisch -luthe-
rische Earche im hamburgischen Staate '' V, 329 — 344 giebt
W. Sillem ^^Zwei Beiträge zur Reformationsgeschichte
Hamburgs'^ l) behandelt Sillem hier die Frage, ob der
mit den Anfängen der kirchlichen Reformation in Hambui^
verknüpfte Name ;, Johannes Widenbrügge oder Johannes
Osenbrügge*' lautet^ und kommt zu dem Ergebnis^ ,,dals Jo-
nannes OsenbrüggC; seiner Zeit Prämonstratenser im St. Georgs-
kloster zu Stade ; in Wittenberg seine Studien gemacht,
dann in Hamburg und Lübeck in bürgerlichen Kreisen die
heilige Schrift ausgelegt habe, deshalb verfolgt und einge-
kerkert; nach Livland geflüchtet und endlich nach seiner
Heimat in Stade zurückgekehrt*' ist; 2) macht Sillem
einige neue Mitteilungen über einen der hervorragendsten
Gegner der Reformation in Hamburg (und Lüneburg), den
Dominikaner Augustin von Getelen, auf dessen Bedeu-
tung zuerst Uhlhom aufmerksam gemacht hat '.
125. In den „Theologischen Arbeiten aus dem rhei-
nischen wissenschaftlichen Predigerverein" VI (1885), S. 106
bis 148 veröffentlicht Wacht 1er aus dem städtischen
Archiv in Essen „Urkunden aus den ersten Jahren
der Reformation in der freien Reichsstadt Essen
(15G1 — 1576)" mit einem kurzen verbindenden Texte. Die
Publikation hätte fiiglich knapper gehalten werden können.
126. Ebenda S. 149—160 teilt Küster die Kirchen-
ordnung der lutherischen Gemeinde zu Aachen
1) Übersehen hat Sillem, was Veesenmeyer, Kleine Beitrage
zur Gescliichte des Reichstags zu Augsburg 1530 (Nürnberg 1830),
S. 67 f. über Getelen sagt.
NACHBICHTEN. 513
: von 1578 mit, ohne jede geschichtliche Einleitung. Nicht
1 einmal ein Wort über Provenienz!
127« Von dem ^^ praktischen Theologen '', welcher über
die drei ersten Bände von Jansse n's ,, Geschichte des
deutschen Volkes '^ einen ,, Kritischen Bericht geliefert hat,
ist jetzt auch über den vierten Band ein solcher erschienen
(Frankfurt a. M. 1885 — 79 S. in 8). Wissenschaftlichen
Wert kann man diesem Schriftchen aber nicht zuschreiben.
Th. B.
ItS« Feiice Tocco, Verfasser der Schrift über die
H&resie im Mittelalter veröffentlicht eine Schrift über Gior-
dano Bruno (Conferenza tenuta nel circolo filologico di
Firenze. Firenze 1886); welche sich auch über die Stel-
lung Giordano Bruno's zu Religion und Kirche ausspricht
und seinen Prozefs in der Kürze beleuchtet
K, MiOler.
Itd» Unter dem Titel „Urkunden zur Geschichte
des deutschen Pietismus'^ veröffentlicht W. Bender
in den ,, Theolog. Arbeiten aus dem rheinischen wissenschaft-
lichen Predigerverein" VI (Bonn 1885), S. 37—105 eine
Reihe von Akten imd Briefen aus dem Ysenburgischen Ar-
chive zu Büdingen (l. ,, Pietistische Händel in Laubach und
Arolsen" [aus den Jahren 1699 und 1700] und 2. „Ver-
schiedene Akten betr. das Verhältnis der Pietisten in Ysen-
burg-Büdingen, Anhalt und Thüringen zur staatskirchlichen
Obrigkeit '^ [a. d. J. 1700—1738]), deren Bedeutung für die
Geschichte des Pietismus er in einer kurzen Einleitung
(S. 33 — 37) darzulegen unternimmt Abgesehen von dem
„besonderen Interesse'^, welches Bender mit der Veröffent-
lichung dieser Akten zu verfolgen erklärt, „nämlich ge-
nauere Nachweise über den Anteil des Pietismus an der
Entstehung der religiösen Aufklärung in Deutschland zu
geben'', hofft er mit ihr „den Geschichtschreibem des Pietis-
mus zu dienen und dieselben zu weiteren archivalischen
Forschungen anzuregen'': sei es ein Mangel unserer ge-
1^14 NACHRICHTEI7.
samten Kirchengeschichtschreibung , y^dafs dieselbe viehnehr
TheologengeschichtC; wie Geschichte des religiösen Gemeinde»
lebens ist'^^ so mache sich diese Einseitigkeit nirgends so
fiihlbar^ ^fWie bei der Darstellung des Pietismus, der doch
in gewisser Hinsicht geradezu als Emancipation von der
Herrschaft der theologischen Schule bezeichnet werden darf ^.
JBender's Absicht , zu archivalischer Forschung aaf diesem
Gebiete anzuregen, ist lobenswert; ob sie jedoch den un-
verkürzten Abdruck dieser beliebig, wenn schon
nicht ohne jenes „besondere Interesse '^ ausgewählten, der
Mehrzahl nach in der That „ interessanten '^ Akten recht-
fertigt, diese Präge dürften nur wenige Historiker bejahen K
1) Zu meiner Überraschung fährt Bender S. 84 nach dem TorhiD
mitgeteilten Satze fort: „Bereits unter diesem Gesichtspunkte glaube
ich auf das Interesse der Historiker für die Yeröfientli^nng der fol-
genden Pietisten -Akten rechnen zu dürfen, trotsdem die Ton
Brieger in Marburg herausgegebene , Zeitschrift für
Kirchengeschichte' den Abdruck derselben abgelehnt
bat/* Ich würde Bender dankbar verpflichtet worden sein, wenn er
seinen Lesern, denen er Interesse für diese Thatsache zutraut, den Grand
der Ablehnung nicht vorenthalten hätte, um so dankbarer, als ich
nach bald drei Jahren den Inhalt meiner Antwort, von der ich mir
eine Abschrift nicht genommen, nicht mehr im Gedächtnis habe; ich
finde nur die Notiz, dafs ich Beuder's Anfrage vom 29. Juni 1883
am 30. d M. beantwortet habe. Möglich, dafs ich die Ablehnung
mit dem Hinweis darauf begründet, dafs für die „Analekten** der
Zeitschrift noch ein überreicher Stoff des Druckes harre ; möglich,
dafs ich auch mein Bedenken geäufsert habe, die Zeitschrift für
Kirehengeschichte mit Pietisten- Akten des 18. Jahrhunderts zn be-
lasten. Eine Eröffnung letzterer Art würde meinen Redaktions-
Prinzipien nur entsprochen haben — insofern entbehrt es
also nicht der inneren Berechtigung, wenn Bender mich bei seinen
Tjesem verklagt. Historikern gegenüber bedarf es auch keiner Recht-
fsrtiguirg meinerseits. Wer weifs, einer wie sorgfaltigen Auswahl es
-bedarf, wenn es sich um Abdruck von Akten aus der ersten Hälfte
-des 16. Jahrhunderts handelt, wie schon für diese Zeit der Reichtum
unserer Archive in den meisten Fällen nur durch eine Bearbeitung
des weitschichtigen Aktenmaterials gehoben werden kann , der ist
keinen Augenblick über den Weg in Zweifel, den für das 17. und
t8. Jahrhundert und zumal bei einer Bewegung wie der Pietismus
-die archivalische Forschung einzuschlagen hat.
NACHRICHTEN. 515
IM« In Otto Mejer'g neuester Schrift: ,, Biographi-
sches^ ^Ehraibnrg i. B. 1886); dürfen zwei der hier ;,gesam-
vielten Aufiifttse^' der besonderen Auänerksamkeit der Earchen-
liistoriker empfohlen werden: 1) y,Eine Erinnerung an
B. G. Niebuh r'' (S. 58 — 112), ein Versuch sein Verhalten
BU Beligion und Christentum zu bestimmen, und 2) ;,Mi-
BiBter Eichhorn'^ (S. 234—399), eine wertvolle „Studie
sur evangelisch-kirchlichen Verfassungsentwickelung '^
Th. Brieger.
ISl« Die GeselUchaft für pommersche Ge-
schichte und Altertumskunde beabsichtigt, den Brief-
wechsel und kleinere Schriften Bugenhagen's durch Unter-
gflichneten gesammelt herauszugeben. Zur Förderung dieses
.Unternehmens bitte ich alle diejenigen, welche bisher noch
imveröffantlichte, den D. Pommer betreffende Schriftstücke,
insbesondere Briefe von ihm und an ihn, nachzuweisen ver-
mögeni mich geftUigst davon benachrichtigen zu wollen.
Weiietihagen bei 6reif8W(M. Lic. Vogt, ev. Pfarrer.
Berichtigungen.
Bd. Tin, 8. SS8, Z. 16 ▼. 0. tUtt: H«inricli Ton Seoonet lies: Rlobor ron Stnonet.
S. S89, Z. M ▼. 0. rftatt: Oerardinen lies: 0«nirdiner.
Drnek von Frie4r. Andr. Perthet in Gotha.
tJntersnchnngen zur Geschichte Konstantio'sd. Gr. '
Von
Prof. Yiktor Schultze
in GrelfBwald.
IV.
Konstantin and die Hamsploln.
In der Aufzählung der Privilegien und Zuwendungen,
durch welche Konstantin d. Gr. nach seinem Siege über
Licinius die Earche sich verpflichtete , erwähnt Eusebius ^
auch einer kaiserlichen Verordnung, welche die Ausübung
der Divination und damit verwandter religiöser Funktionen
allgemein untersagte. Auch Sozomenos ' weifs von einer
solchen MalÜBregel, möglicherweise aber nur durch Vermitte-
lung des Eusebius. Dagegen lag dem Heiden Zosimus \
dem dritten Zeugen für die Abkehr Konstantin's von der
Mantik, ein eigenartiges Quellenmaterial vor, aus welchem
dieser Historiker sich folgendes Bild gestaltete: Konstantin
hielt den Glauben an die Divination, deren Wahrheit er an
sich und in seinen Erfolgen erprobt hatte, bis nach der Er-
mordung des Krispus (326) fest. Da er aber für diese
Blutthat und die mit derselben in Zusammenhang stehende
1) Vgl. Zeitschr. f Kirchengeschichte, Bd. VII, 3, S. 343—371.
2) Eiweb. V. C. 45.
3) Soz. I, 7: Kai toO lotnoO &vhv amtQfiJO näaiv ^ finvitCaig
xaX TiXiTaig x^/^^a^a».
4) Zos. n, 29.
ZmitBehi, t K.-O. YIII. 4. 34
518 SCHULTZE;
Hinrichtung seiner Gattin Fansta von den Priestern die ge-
forderte Sübnung nicht erhielt, wies ihn ein im kaiserlicboi
Palaste zu Rom verkehrender ägyptischer Mann ^^ mit dem
er eine Unterredung hatte , an die christliche Religion, die
für jede Schuld Sühnung habe. Daher gab er der väter-
lichen Religion den Abschied und äufserte seine ,, Gottlosig-
keit'^ zuerst darin, dafs er die Divination für verdächtig
hielt (rfjg daeßeiag rrjv dgxrjv eTcoii^aaro r^v ficnrex^v IJfCiy
iv iTcoilJtfjc). Doch weil er selbst die Erfahrung der Zu-
verlässigkeit der Mantik gemacht hatte, so fürchtete er, dals
andere sich derselben zu seinem Nachteile bedienen möchten.
„Und in dieser Überlegung wandte er sich dazu, dieselbe
auszurotten."
Die Berichte stimmen in der Thatsache überein, dafs
Konstantin gegen die Mantik eingeschritten ist Darin liegt
auch das wichtigste Interesse. Das Datum und die Motive
dieser Mafsregel kommen erst in zweiter Linie in Betracht
Nach dem urkundlichen Beleg, auf welchen Eusebius und
Sozomenos direkt, Zosimus indirekt hinweist, suchen wir
vergebens. Ja, man könnte überhaupt zweifeln, ob eine
solche Verordnung existiert hat, bzw. ob die Berichterstatter
Glauben verdienen. Allerdings sind uns in dem Codex
Theod. drei offizielle Aufserungen des Kaisers über die
Haruspicin überliefert, aber keine derselben kann als die-
jenige gelten, auf welche etwa jene Historiker sich beziehen.
Datum und Inhalt schliefsen das aus. Die beiden ersten
gehören nämlich dem Jahre 319, die dritte dem Jahre 321
an. Auch enthalten sie kein absolutes Verbot der Mantik.
Doch fragt sich, ob nicht jene Erlasse als Vorstufen eines
solchen Verbotes angesehen werden können , genauer, ob
1) Nach Burckhardt (Die Zeit Konstantin' s d. Gr., 2. Aufl.
1880, S. 358) „wahrscheinlich Hosius'^ Die seit Sozomenos öfters
angestellten Versuche, diese Anekdote des heidnischen Historikers als
ein Märchen zu erweisen, sind überflüssige Mühe, da diese Geschichte
die Spuren der Unwahrheit deutlich genug trägt. Sollte nicht in
Julians ConviTium (Caesares) — p. 431 ed. Lips. Teubn. — die ein-
zige oder Hauptquelle derselben zu suchen sein? Mir ist das sehr
wahrscheinlich geworden.
ÜKTEEfiOCHÜNGElf ZUR GESCH. KOHSTASTIN'B D. GR. 619
nicht ihr Inhalt ein derartiger ist, dafa eine MalBregel, wie
die von den drei Eüstorikern gemeldete, Bich als wahrschein-
liche Konsequenz daraus erweist. Daranf bezieht sich die
folgende Untersuchung.
Am 1. Februar richtete der Kaiser an den römischen
Stadtpräfekten Maxiraus einen Erlafs dieses Inhaltes (Cod.
Theod, IX, 16, 1):
NuUus haruspex Urnen oöerius accedai nee ob alteram
causam, sed hujusmodi kominum, quamvis veius, amicitia
repeSaiur; concremando iUo haruspice, gut ad domutn alie~
nam accesserit et ilh, gui eutn suasionibus vel praemiia
evocaverit, post ademptionem bonorum, in insulam detrudendo.
Superslilioni enim suae servire cupientes poterunt publice
ritum yropriMJM exercere. Acatsatorem autem hujus criminis
non delaiorem esse, sed dignum magis praemio arbitramur.
Die disciplina Eimsca war in Rom schon in den Zeiten
der Republik heimisch; ihre Adepten besafsen die staatliche
Anerkennung ihrer sakralen ProfcBsion und wurden , in
Parallele mit den römischen Sacerdotien, benutzt, ja später
jenen vielfach vorgezogen. Ihre Wissenschaft und rituale
Praxis umfafste die Opferschau, die Prokuration der Blitze
und die Deutung sonstiger Ostenta. Der Prozefs der Be-
fragung und der Beantwortung konnte ein öffentlicher oder
ein privater sein. Tiberius schränkte aus unbekannten
Gründen die private Haruspicin ein, indem er aufser dem
Haruspex und dem Befrager noch Zeugen forderte '; doch
blieb das Recht der privaten Haruspicin unangetastet
Weiter geht die angeführte Verordnung Konstantin' s : es
wird durch dieselbe die private Haruspicin gänzlich be-
seitigt *. Kein Haruspex soll fortan die Schwelle eines
1) Säet., Tib, c. 63: hamspicea secreto ac aine testibus consnll
2) Falsche AaffäHsuDg bei Bcagaot (HIst. de la destructioa da
pagan. en Occideat, p. g2), Chastel (Hist. de la dest. du pag. en
Orient, p. 54) und Burckhardt (a. a. O. S. 349), welche sämtlich
dieses Edikt auf gleiche Stufe mit demjenigen des Tiberius etellen;
indes ein einfacher Vergleich der Teite zeigt den groften Unter-
Kkied.
520 SCHULTZEy
Privathauses überschreiten; jedes ^ ob auch durch cüeZsl ^
geheiligte Freundschaftsverhältnis zu eineni „solchen M»! »
sehen'' soll gelöst werden. Das Strafmafs, mit welchem &| ^
Verächter des kaiserlichen Willens bedroht werden, ist ji| ^
denkbar höchste: für den Haruspex der Feuertod; för da,
der ihn ruft, Güterkonfiskation und Verbannung in inmim. I ('
Zur Denunziation wird ausdrücklich eingeladen. Die Gnai^ | j
welche den Kaiser leiteten, müssen schwerwiegende gewen
sein ; dahin weist der abrupte Eingang, die scharfe FssBOg
der drohende Ton, was alles einen rasch gefeSsten Rntw^^^
verrät. Wohl nicht mit Unrecht ist schon von altera
Kommentatoren vermutet worden, das die private, also m-
beaufsichtigte Haruspicin dem Kaiser politisch verdicbf
geworden sei, weil sie Gelegenheit zu ungünstiger Divinaäi
über die Zukunft des Kaisers und seines Hauses gebei
konnte oder wirklich schon dazu mifsbraucht worden war.
Doch bietet der Text mehr als nur ein politisches IntereseL
Die Worte: superstüioni enim suae servire cupientes pok-
runt publice rüum proprium exercere sind bedeutungsroD.
Mit offenbarer Geringschätzung werden hier die, welche de&
„Drang haben, ihrer Superstition Genüge zu thun'^, an dea
öffentlichen Ritus verwiesen. Man empfängt den Eindruck,
als ob der Kaiser sich selbst aus der Zahl derjenigen, welche
dieses Bedürfnis fühlen, ausnehme und die Freiheit der
öffentUchen Haruspicin im Tone souveräner Verachtung
dieser letzteren weiterhin gewährleiste. In volle Beleuchtung
indes werden diese Momente erst durch den Inhalt des
zweiten Ediktes gestellt
Offenbar hatte der Erlafs in der Bevölkerung Roms eine
gewisse Beunruhigung hervorgerufen; man scheint geglaubt
zu haben, die Haruspicin solle überhaupt aufhören. Daher
erfolgte bereits am 13. Mai desselben eine zweite Verfügung
(Cod. Theod. IX, 16, 2), diesmal unmittelbar ad popuhm
gerichtet. Sie lautet:
Haruspices et sacerdotes et eos, qui huic ritui assdeni
ministrare, ad privatam domum prohihemus accedere vd
sub praetextu amidtiae Urnen aüerius ingredi, poena contra
eos proposita, si coniempserint legem, Qui vero id tMJbis
CNTEBSDCHDNGEN ZÜH GESCH. KONSTAKTIlt'S D. OB. 631
exisiitHaiis condttcere, adite aras publicas atgue deluhra et
amsuetttdinis vesirae celebrate solennia. Wec enim pro-
Mibemns, praeteritae usurpationis officia libera lue« trae-
tari.
Der Kaiser hält hier nicht nur an dem ersten Erlasse
fest, Bondem verschärft ihn noch, indem er die Tragweite
jenes auch auf die sacerdotes et eos qui huic ritui assoknt
minisirarc ausdehnt, also auch die Pontifices und die Au-
guren und deren Hilfspersonal, insofern sie Akte der Ha-
rospicin ausüben. Anderseits wird wiederholt, dafs die
Regierung die öffentliche Haruspicin frei belasse. Die Form,
in welcher diese letztere Versicherung abgegeben wird, ist
wiederum höchst bezeichnend: „wenn aber unter euch
welche glauben, dafs ihnen das etwas nütze, bo
sucht die öffentlichen Altäre und Heiligtümer auf und voll-
zieht dort die altgewohnten feierlichen Akte. Denn wir hin-
dern nicht, dafs die Ausübung eines vorzeiten angeeigneten
Rechtes im Lichte des Tages vollzogen werde".
Bezeichnend sind hier die Ausdrücke consuetudinis
vestrae und praeieritae Jistirpationis officia, die sich ähn-
lichen wie alicna superstilio (Cod. Theod. XVI, 2, 5), inos
veteris observantiae (XVI, 10, J) anreihen. Ein Unbe-
fangener mufste aus den herausgehobenen Worten der bei-
den Verordnungen lesen, dafs der Kaiser innerlich von die-
ser mit dem Volksglauben eng zusammengewachsenen reli-
giösen Disziplin sich gelöst habe, und dafs die Weitergestat-
tung derselben in der Form der Öffentlichkeit nur auf
Gründen der Staatsraison beruhe. Nicht in der Anerken-
nung der öffentlichen Haruspicin liegt die Bedeutung dieser
beiden Edikte, sondern in der hier deutlich genug zum Vor-
schein kommenden Beurteilung der Divinition seitens des
Kaisers '.
1) So weit ich >ebe, bat man bisher nur für das erste Moment
ein Auge gehabt und das zweite gans übersehen oder nicht richtig
ftbgeBchätzI. Manso (Leben Konstantin'a , S. IÜ5) z- B. weifs über
diese beiden und das folgende Edikt nur zu sugen: „noch wird dem
Volke gesetzlich erklärt, es kijnoe in Tempeln und an öfientlicheu
1^
622 SCHULTZE,
Das dritte Edikt endlich vom Jahre 321 zeigt den
E^aiser noch genau auf dem gleichen Standpunkt Die
Veranlassung zu demselben bot die Verletzung des Amphi-
theatrum Flavianum durch einen BUtzstrahl. Die Haruspices
stellten die Prokuration des Blitzes und hatten nun weiter-
hin die Verpflichtung^ die formulierte postuUUio schriftlich
an den Kaiser zu bringen. Der Stadtpräfekt übemabm
die Vermittelung. Indes — oflfenbar weil er die person-
liche Meinung des Kaisers über die Haruspicin kannte —
trug er Bedenken, die Interpretation persönlich einzuhftn-
digen, übergab dieselbe vielmehr zur Weiterbeförderung an
den Magister Officiorum Heraklianus. Daraufhin erfolgte
nachstehender Bescheid Konstantin's an den Prftfekten (Cod.
Theod. XVI, 10, 1):
Si quid de PdkUio nostro atU ceteris operibus publkis
degustcUum fidgore esse constäerii, retento more veteris ob-
servantiae, quid portendcU, ab haruspicibus requirtUur et
diligentissime scriptura collecta ad Nosiram
^cientiam referatur. Ceteris etiam usufpandiie hujus
vansuetudinis licentia tribuenda, dummodo sacrificiis
domesticis abstineant, quae specialiter prohihiia
sunt Eam atäem denunciationem aique irderpreUUianem,
quae de tadu amphithealri scripta est, de qua ad HeracUa-
num tribunum et magistrum officiorum scripseras, ad nos
scias esse perlatum.
Also der Kaiser beschränkt sich darauf, in dem vor-
liegenden Falle — de tactu amphithealri — den Empfang
des Schriftstücks zu bescheinigen, ohne irgendeine weitere
Altären opfern und die Zukunft nach alter Sitte erforschen. Noch
BoUen die Wahrsager über ungewöhnliche Ereignisse betragt und an-
gehört werden**. Noch weitgehender Richter (Das weström. Reich
u. s. w. 1865, S. 85): „er (Konstantin) hatte Erscheinungen, wie «e
nur aus dem christlichen Himmel kommen konnten, und war über-
«eugt von der Unfehlbarkeit der Opferschau, die mit den Olympiern
stand und fiel." Vgl. auch Burckhardt a. a. 0. S. 349; Chastel
a. a. 0. S. 53 f. findet in den Edikten „quelques expressions peu
respectueuses pour Tart divinatoire en g^nöral"; also ist ihm die Be-
deutung jener Urteile doch nicht ganz entgangen.
UKTERSUCHUKGEM ZCR OESCB. KOHBTAHTIM'B D. OB. b%S
Aulsenmg. Als allgemeiaer Satz wird, in Anknüpfung an
diesen Fall, ausgesprochen, dafs die Blitzpro kuration stets
Btattfinden soll, wenn der Blitz den kaiserlichen Palast oder
ein anderes Öffentliches Gebäude trifft, und diese Prokura-
tioD soll sorgfältig aul'gescbrieben und zur Kenntnis des
Kaisers gebracht werden. Zugleich wird das Recht, sich
der öffentlichen Haruspicin zu bedienen, von neuem auch
den Privaten zugestanden, vorauiigesetzt, dafs eich keine
häuslichen Opfer damit verbinden. Von einem Tadel der
Haruspicin als solcher tritt nichts hervor. Doch folgt
daraus noch nicht die Berechtigung, auf eine persönliche
Billigung der Msntik seitens Konstantin's zu schliefsen. Die
kaum zwei Jahre vorher kundgegebenen, oben angeführten
Willensäufserungen des Herrschers stehen dem entgegen.
Oder sollte es denkbar sein, dafs in diesem Punkte Kon-
stantin seit dem 13. Mai 319 wieder rückwärts in der
Richtung nach dem Ueidentume hingegangen sei? D&a
scheint in Jedem Falle ausgeschlossen. Dazu kommt, dafs
offenbar in dem Erlaase das Hauptgewicht auf die schrift-
liche Aufzeichnung und die Zustellung derselben an den
Kaiser gelegt ist. Der die Blitzprokuration am Amphitheater
erwähnende Teil handelt nur davon und zwar in verbältnismälsig
umständlicher Weise. Auch in der das E^kt einleitenden
Anordnung allgemeinen Charakters tritt dies bedeutsam hervor.
Ist diese Beobachtung richtig, so bietet die weitere Interpretation
keine Schwierigkeit: wenn die Umstände noch nicht gestat-
teten, die Haruspicin gänzlich aufzuheben, so war es für
die Regierung von grofser Wichtigkeit, die Kontrolle der-
selben, soweit die Divination auf den Staat sich bezog
— und auf den Staat bezogen sich alle Ostenta am Pa-
latium und an sonstigen öffentlichen Gebäuden — , in der
Hand zu behalten, um einen etwaigen Mifabraucb, der leicht
zu Beunruhigung der Gemüter, ja zu noch Schlimmerem
fuhren konnte, zu verhüten. Das war auf dem von Kon-
Btantin vorgeschriebenen Wege möglich, nicht aber in der
privaten Haruspicin, die sich der staatlichen Aulsicht leicht
entziehen konnte. Irgendein religiöses Interesse fiir die
Haruspicin wird nicht bemerkbar; die matten Bezeichnungen
524 fiCHCLTZB^
mos veteris observaniiae und iaec ccnBududo för den alt-
ehrwftrdigen und hochangesehenen BituB sind vidleicht nichi
nnabtichilich gewählt
Es erhebt sich nun die Frage, ob das, was Eosebim^
Sozomenos und Zosimiis über ein ganzliches Verbot der
Mantik mitzuteilen wissen, vielleicht in diesen zweien bzw.
dreien Edikten seine Erkl&nmg findet Die Möglichkeit,
da(s die Behinderung der privaten Haruspicin von den drei
Berichterstattern auf die Haruspicin überhaupt verallgemei-
nert sei, besteht allerdings, aber dieselbe darf doch erst
dann in Rechnung gezogen werden, wenn sich die Unmög-
lichkeit ergeben sollte, die Berichte so, wie sie uns vor-
liegen, als glaubwürdig festzuhalten. Eine solche Unmög-
lichkeit besteht indes meines Erachtens nicht Denn so we-
nig sich in Abrede stellen läfst, dafs Konstantin, bevor er
die Bahn einer christenfreundlichen Politik einschlug, den
mancherlei Wegen, durch welche nach dem Glauben des
griechisch-römischen Heidentums die Qottheit ihren Willen
an die Menschheit kund thut und deren Deutung Sache der
Mantik ist, gleichgültig oder gar voll Abneigung g^enüber-
gestanden habe, so sind doch anderseits Anzeichen vor-
handen, dafs sich dieser eigenartige selbständige Geist nicht
absolut an diese Fingerzeige der höheren Welt gebunden
erachtete. Der heidnische Panegyriker ^ , der den Si^er
nach dem Maxcntiusfeldzuge anredete, rechnet es mit zu
den Helden thaten Konstantin's , dafs dieser den gefahrlichen
Kriogszug contra consilia hominum, contra haruspicum nuh
nita unternommen habe.
Erwägt man weiter, dafs seit dem Ausgange jenes Unter-
nehmens der Kaiser in engste Beziehung zu christlichen
Bischöfen trat, in einer Reihe von Gesetzen der Kirche sich
geftlllig erwies und in wachsendem Mafse innerlich imd
äufsorlich unter den Einfluls der neuen Lehre kam, einer
Lehre, deren Bekennern die Divinationsriten samt und son-
dern als artes ab angelis desertoribus proditae et a Deo
ifUerdiciae ^ erschienen , so können die beiden Erlasse vom
1) Paneg. lat. IX, 2 ed. Teubn. Lips.
2) Tertull. Apol. 35, wo besonders aucb die Haruspices ge-
miTEB&CCIlllNGEN Z. GESCH. KONSTANTIN'B D. OR. 526
1, Februar und 13. Mai 319 nicLt mebr überraschen. Die-
selben sind mit ihrem abschätzigen Urteile über die Hani-
spicin für uns um so wertvoller, da der Kaiser in dem vor-
li^enden Falle keinerlei Nötigung hätte, seine persönliche
Meinung über die Mantik an die Öffentlichkeit zu bringen.
Dafs er ea dennoch that, ist ein Beweis, wie fest die Ab-
neigung gegen die Zeichendeutung bereits bei ihm ge-
wurzelt war. Der Schritt von hier aus zu einem völligen
Verbote war tür ihn kein grofser. Es ist auch sonst, z. B.
in Beziehung auf die heidnischen Opfer ', das Verfahren der
konstantinischen Religionapolitik gewesen, langsam und stufen-
weise auf das vorgesetzte Ziel loszuschreiten. Das hatte
seinen natürlichen Grund in der Beschaffenheit der Ver-
hältnisse, und es gehört zu den Kuhmestitetn der Staatskunst
Konstantin' B , diese Verhältnisse richtig erkannt und richtig
gewürdigt zu haben*. Wenn noch im Jahre 371 streng
christliche Herrscher die Ilaruspicin unter gewissen Be-
schränkungen frei gaben, weil die Verhältnisse es als wün-
Bchenswert erscheinen liefsen ^, ao ist wohl begreiflich, dafa
nicht schon im Jahre 321 ein allgemeines Verbot der Haru-
spicin erlassen werden konnte; galt es doch, mit den reli-
giösen Gefühlen einer Masse von 70 — 80 Milhonen Unter-
thanen zu rechnen. Wie der Kaiser erst später, nachdem
seine Herrschaft sich fester geordnet hatte und die christ-
nanat wenden. Dam das Urteil des dem Kaisei nahestehenden En-
■ ebins Praep. ev. IV, 1 sqq. (ed. Tuubo. Lips.). Es sei hier be-
merkt, dafs eine auffelleiide Berührung Eiviscbcn dem ersten Edikt«
und dem 2i. Kanon der Sjniodc von Aucjrra (a. '6\.i) statifiDdet; es
werden in diesem mit kirchlicher Strafe bedroht ol xaiuftiirTn-öfifvoi
Xtii Tai( ai-MjtffCnrif iBv itiTDiv (sO statt _y(M)i'iui') (inxoloi'&of-vtff fl
ilaäyovtft Tifiii fit loi'c iai'röv o/jtoit.
1) Siehe den folgenden Abscbnitl.
2) Treffend nufaert Ranke (Weltgesch. III, 1, S. 532) einmal:
„Er (Konstantin) konnle unmöglich »ngeben, dafs aa die Stelle der
Unordnungen der \'erfoigung die vielleicht noch gröfseren einer ge-
walt»aniea Keaktion tiäten." Dieser Satz scbiiefEt das gaiue Ge-
beimnis der konBta.ntini sehen Heligionspolitik auf und wird in der
Special Untersuchung überall seine Bcntätigung linden,
3) Valeutinianus, Valens und Giatian in Coi. Theod. IX, 16, 9.
62S SCHÜLTZE^
liehe Bevölkerung an Zahl und TCinflnfii und Sttrke ^1 ^
wachsen war, ein allgemeines Opferverbot erliels, so kt »I '^
zunehmen, dafs er auch vor dem viel weniger schwerwiq»! ^
den Verbot der Haruspicin nicht zurückgescbreckt so. I ^
Demnach wird daran festzuhalten aein^ dab das A»l ^
einstimmende Zeugnis der beiden Earchenschrifbtelkr oi | ^
des Zosimus Thatsächliches berichtet, d. h. dab nadi kt
Besiegung des Lidnius, und zwar nicht allzu lange nadiki;
ein allgemeines Verbot der Mantik erlassen worden ist
Daraus folgt freilich noch nicht, dala die Divination ■
Gemäf sheit der kaiserlichen Verordnung im ganzen Bäk
aufgehört habe. Auch wenn das Gfegenteil nicht ausdrid;-
lieh bezeugt wäre \ wiederstritte diesem Schlüsse die A»
logie verwandter Vorgänge. Es lag nicht in der Art dieKr
Regierung, ihren religiösen Erlassen durch Gewaltmabr^gdi
den gehörigen Nachdruck zu geben; nur in wenigen A»
nahmefidlen hat sie sich dazu herbeigelassen. Aber der
moralische Eindruck jener Verordnung, welche eine gesets*
liehe Basis wider die Divination schuf, mufa ein grolser g^
wesen sein und hat in Verbindung mit dem Umstände, dsb
in dem Mafse, als die höheren Beamtenstellen in die Hand
von Christen kamen, auch die staatlichen, auf Veranlassung
und im Beisein der Beamten zu vollziehenden Divinations-
akte sich verringerten, dazu beigetragen, dafs die Mantik
mehr und mehr an Boden verlor. Daher konnte kaum
vierzig Jahre später ein angesehener Bischof, der seine
Zeit kannte, in der Auslegung von Ps. 138, 2 voll Freude
ausrufen : templa collapsa sunt, simulacra tnutata suni, haru-
spices inierventu sanctorum silerU, attgurum fides faUU,
unum Dei nomen in omnibus gentibus sanctum est.
Im Anschlufs hieran sei noch bemerkt, dafs zum Be-
weise der heidnischen Qesinnung Eonstantin's mit beson-
1) Ich yerweise nur auf die Expositio totitis mundi (Müller,
Geograph! graeci min. II, p. 513 sqq.) und die Bestimmungen Cod.
Theod. IX, 16, 4 ; 6.
2) Hilar. Pict Tract. in CXXXVH Fs, (Op. ed. Veron. 1780
vol. I, Sp. 559).
UNTERSUCHUNGEN Z. GESCH. KONSTANTIN'S D. GK. 527
arer Vorliebe eine VerordnoDg vom Jahre 321 (Cod. Theod.
kIijC, 16| 3) angeführt wird, die denselben in einem an die
■Ltiiination anstreifenden Aberglauben zeigt. Das betreffende
^Bodikt* erkennt in der That die Wirkungskraft der Zau-
^rei, das maUficium^ an. Aber ist denn nicht bekannt ge-
dafs der Glaube an die Thatsächlichkeit der Zauberei
:}]id ihrer Wirkungen ein allgemeiner Besitz der alten wie
^^er mittelalterlichen Christenheit war? Kirchliche Synoden
^iiiaben sich in diesem Sinne zum öftem ausgesprochen ^ und die
^ arste Bestrafung eines Ketzers an Leib und Lfcben, die Ver-
;. |itrteilung Prisdllian's und seiner Genossen erfolgte nach der
g^Anklage auf rnaleficium '. Ebenso haben spätere Kaiser,
^ deren entschiedene christliche Gesinnung nicht bezweifelt
^wird, gegen das zauberische Wirken gesetzliche Bestim-
^ mungen getroffen *. Es ist demnach ungerechtfertigt, Kon-
^ stantin um einer Vorstellung willen zu tadeln, die er mit
seiner ganzen Zeit teilte.
V.
Der Staat imd das Opfemreaett.
Es wird sich zeigen, dafs die Religionspolitik Konstan-
ün's dem heidnischen Opferwesen gegenüber genau in der-
selben Weise sich geltend machte wie in ihrem Verhalten
zu der Haruspicin, wie sie überhaupt in der Richtung auf
das vorgesetzte Ziel sich konsequent zeigt; in zahlreichen
Unregelmälsigkeiten und Schwankungen der Praxis wird
die gerade Linie, auf der diese Politik im ganzen sich be-
1) Z. B. Synode zu Elvira c. 6: Si quis vero maUficio interficiat
cäterum^ eo quod sine idololatria perficere scelus non potuü, nee in
finem n. 8. w. — Synode von Ancyra im angeführten Kanon.
2) Sulp. Sey. Chron. II, 50, 8. Dazu die beachtenswerten Be-
merkungen Yon Bernays: „Über die Chronik des S. Sev.** (Berlin
1861), S. 14 ff. und Anm. 26.
3) Vgl. Cod. Theod. IX, 16, 5; 10; 11.
528 8CHULTZE,
wegt; immer wieder sichtbar ^ Nur ist auch hier der au 1^
den Quellen yerhältnismäfsig leicht und sicher zu erhebende 1;!
Thatbestand von älteren und neueren Darstellern manni^ |li
fach verwirrt worden.
In der Religion des griechisch - römischen Heidentum»
nahm das Opfer eine hervorragende Stelle ein. Der Staat
und die mannigfach abgestufte Zahl von privaten oder ge-
meindlichen sozialen Bildungen in ihm^ die Familie, die
Gens, die bürgerlichen und die fremdkultischen Genossen-
schaften vollzogen regelmäfsige und aufsergewöhnliche Opfer-
handlungeu; dei*en feste, altüberlieferte Ordnung weder durch
die religiöse Verwilderung in den Endzeiten der römischen
RepubUk noch durch die im zweiten Jahrhundert anhebende
Reformation wesenthch berührt worden ist. In diesem weit
ausgespannten Apparate des Opferwesens trat den Christen
das Heidentum besonders abstofsend und verletzend ent-
gegen. Die Urteile der Kirchenschriftsteller darüber sind
bekannt; dieselben finden ihre natürliche Erklärung darin,
dafs in der Opferhandlung die Götterwelt immer wieder als
lebendig und machtvoll anerkannt und proklamiert wurde.
Daher ist anzunehmen, dafs die christliche Umgebung des
Kaisers ihren Einflufs darauf gerichtet habe, die Beseitigung
dieses Ärgernisses oder wenigstens die Einscliränkung des-
selben zu erlangen. Indes konnten dem Kaiser so wenig
wie seinen Ratgebern die Schwierigkeiten verborgen sein,
welche in der Durchfuhrung einer solchen Mafsregel lagen;
denn das Opfer war der Kern des öffentlichen wie des
privaten Kultus.
So begreift sieh, dafs eine Reihe von Jahren vergeht,
ehe überhaupt von einem staatlichen Vorgehen gegen die
Opfer etwas verlautet. Denn die Schliefsung oder Demo-
lierung einzelner Tempel beseitigte zwar eine Anzahl von
1) So urteilt auch der Heide Eutropius (X, 5) über Konstan-
tin: vir ingens et omnia efficere nitens, quae animo praeparasset. An-
ders Burckhardt, S. 364: „ein konsequentes System wird man bei
einem hierin (d. h. in der Religionspolitik) mit Willen inkonsequenten
Menschen vergebens nachweisen wollen.**
V UNTEBSDCHUNOEN Z, GESCH. KONSTAJJTIS'S D. GR. 529
^F^ SferfltätteD , konnte aber nicht als direkt gegen die Opfer
^PNichtet angesehen werden. Trotzdem erfolgten die ersten
^^^ranabmen gegen die Opfer verhältnismäfsig früh, nämlich
jr dem Jahre 321. Den urkundlichen Beweis dafür finde
^'•i in dem bereits oben angeführten kaiserlichen Reskripte
^"•■om Jahre 321, welches an der hier in Frage kommenden
^.^ielle lautet: Ceteris etiam usurpandae hujus consuetttdinis
^ 'ieentia tribuevda, dummoäo sacrißciis domesticis abstineant,
^^^uae specialiter prokibita sunt (Cod. Theod. XVI,
**0, 1).
^^ Die Worte, welche in ihrer Tragweite nach dieser lUch-
**aDg hin noch nicht erkannt, wenigstens noch nicht ver-
M>wertet sind beziehen sich also auf eine schon vor 321
iierlassene — leider fehlt die Möglichkeit einer genaueren
■HÄJatierung — besondere kaiserliche Verordnung (specialiter),
Mnirelche die Hausopfer untersagte. Ks war ein entschlossener
?■ Angriff auf den religiösen Besitzstand des Heidentums.
Ur Denn das Hauaopfer war, wie überhaupt die Sacra privata,
gl dem Glaubigen vertrauter und wertvoller als die Sacra
r publica. Jetzt sollte das auf alter Sitte ruhende Tischopfer,
f ^H kein frommer Hausvater versäumte ' , zugleich mit den
k mancherlei feriae privatae, welche die Vorfaliren als heilige
I Ordnung gesetzt und von Geschlecht zu Geschlecht über-
liefert hatten, aufhören; ein wichtiger Teil der Religions-
Übung war unter Strafe gestellt. Sogar auch auf einen
Teil der gentiliciachen Sacra erstreckte sich folgerichtig das
Deue Edikt.
Es entzieht sich der Kenntnis, welche Wirkung diese
Mafsregel erzielt hat Obwohl nicht anzunehmen ist, dafa
der Wille des Kaisers mit Nachdruck geltend gemacht sei
— das würde den Grundsätzen der koosfantinischen Re-
ligio nspolitik widerstreiten — so mufs der Erfolg doch ein
solcher gewesen sein, dafs die Regierung damit zufrieden
war. Sonst erklärt sich nicht, dafs schon wenige Jahre
nachher, nämlich bald nach der Besiegung des LiciniuB,
1) J. Marquardt, Rom. StaaUverwaltang, 3. Bd., 3. Anfl.
(Leipiig 1885), S. 126.
530 8GHULTZE,
derjenige Schritt gewagt wurde, welcher die änlserBte Grenze
der gegen das Heidentom gerichteten Ma&nahmen beseicli-
net: das allgemeine Opferverbot Eoaebiiis ^ weist
mehrmals mit Genogthuung auf ein solches Verbot hin;
Zosimus * weüs einen Fall zu erzählen, wo der Kaiser
ostentativ einem militärischen Opferfeste auswich und mit
seinem Tadel bei dieser Qel^enheit nicht zurückhielt Noch
wichtiger ist es, dafs Konstantins 341 in einem scharfen
Erlasse gegen das Opferwesen sich auf eine Verordnung
seines „göttlichen Vaters'' zurückbezieht Das Gesetz lautet
(Cod. Theod. XVI, 10, 2): Cessei superstitio, sacrificionm
äboleatur insania. Nam quicunque contra legem divi prin-
cipis pareniis nostri, et hanc nostrae mansuetudinis ausus
fuerü, sacrificia celebrare, competens in eum vindicta d
prciesens sententia exeratur. Wenn dieses wichtige Zeugms
neuerdings mit den Worten abgefertigt worden ist: „Ein
Gesetz des Konstantins vom Jahre 341 beruft sich sehr un-
bestimmt auf ein allgemeines Opferverbot seines Vaters'",
so ist dagegen zu bemerken, dafs die Rückbeziehung dne
sehr bestimmte ist und dab der Inhalt der neuen Verord-
nung mit dem älteren Edikt Konstantin's deutlich genug
identifiziert wird. Gegenüber einem solchen Quellenzeugnis
wird auch der vorsichtigste Historiker dem Schlüsse nicht
ausweichen können, dafs einmal ein allgemeines staatliches
Opferverbot erfolgt ist. Auch darauf möge noch hinge-
wiesen sein, dafs durch einen kaiserlichen Erlafs vom Mai
323 es strengstens untersagt wurde, Christen zu Lustrations-
1) Euseb. D. L. C. 2. 8. 9. V. C. II, 45; IV, 23. 25 nach letz-
terer Stelle ist das Opferverbot sogar nochmals ausgesprochen, doch
ist möglich, dafs Eusebius dabei das erste, gegen die Hausopfer ge-
richtete Edikt mitzählt.
2) Zos. II, 29: r^^ J^ naiQ^ov xaTaXnßovarjg ioQTfjg, xad^ ijv &väyxft
To OT^aTOTitdop 7,v Uvcn dlg Tu KantTtiiXiov, ävo6ov 6vttd(^tüv ävtädtp^t
X(u Tiji Ifou^ ir/iOTftctg nnoaiaTijaai, (lg fiiaog rrjv ytqovoinv xal rbv
dfifjLOv üv^arriatv.
3) Burckhardt, S. 361, Anm. 2; dazu im Text: „Manche glau-
ben sogar annehmen zu dürfen, dafs Konstantin die heidnischen Opfer
zuletzt irgendwann ganz verbot.**
UNTEBSUCHUNGEN Z. 6E8GH. KOKSTAKTiy'S D. GR. 631
iqpfem und überhaupt zu irgendeinem heidnisch -religiösen
Akte zu zwingen', und dals ebenso noch vor dem allge-
meinen Opferrerbote den Trägem höherer Regierungs- und
Verwaltungsämter die öffentlichen Opfer untersagt wurden ' ;
doch ist der Bericht über letzteres nicht genau genug, um
daraus bestimmte Schlüsse zu ziehen.
So war denn plötzlich das, was die eigentliche Lebens-
ader der heidnischen Religion ausmachte, abgeschnitten; die
grofse Maschinerie des Opferkultus in dem weiten Reiche
BoUte stille stehen. Freilich in Wirklichkeit ist, wie die
spätere Geschichte zeigt, das nicht erreicht worden, und
schwerlich hat der Kaiser sich darüber irgendwelchen Täu-
schungen hingegeben. Die grofse geschichtliche Bedeutung
dieses Gesetzes liegt darin, dafs der durch den Kaiser
repräsentierte Staat das Opfer für einen widergesetzlichen,
strafbaren Akt erklärt Ja noch mehr: derjenige, in wel-
chem verfassungsmäfsig die Oberaufsicht und die Ober-
leitung der Sacra lag, der seit Augustus mit dem höchsten
Träger der weltlichen Gewalt identische Pontifex Maximus
traf diese Bestimmung. Damit war die alte Religion vollends
von der Seite des Staates weggestofsen und diesem unter
die Füfse gelegt als etwas, mit dem als einer Macht vor-
läufig noch zu rechnen sei , das aber keinen religiösen
Rechtsanspruch mehr an den Staat habe. Das feste Gefiige,
in welches die Vorzeit Staat und Religion zusammengeschlossen
hatte, war zersprengt; zersprengt zugunsten einer neuen
Religion. Diese Empfindung mufste eine tiefe Wirkung auf
die noch nach Millionen zählende heidnische Bevölkerung
ausüben und ihr jede Ungewifsheit über die Ziele dieser
1) Cod. Theod. XVI, 2, 5 zunächst Verbot, die ecclesiastici et
ceteri catholicae sectae servientes zu den lustrorum sacrificia zu zwin-
gen. Dann allgemeiner: si quis ad ritum alienM superstitionis cogen-
dos esse crediderit eos, qui sanctissimae legi serviunt, si conditio
patiatur, publice fustibus verberetur; si vero honoris ratio talem ab eo
repeüat injuriam, condcmnationem sustineat damni gravissimi, quod
rebus publicis vindicabitur. Beachtenswert ist die strenge Straf-
androhung.
2) Euseb. V. C. II, 44.
532 8CHULTZE,
Regierung rauben. Es ist mehr als wahrscheinlich, da&
dieser Eindruck zahlreiche Unentschlossene und IndifiSerenie
zur Kirche gefuhrt hat. Aber von noch grölserer Wichtig-
keit war, dafs jetzt den christUchen Beamten eine geseti-
liche Handhabe gegeben war, den Vollzug der Staatsopfer
zu hindern ; und dieses Recht mufste eine um so furcht-
barere Waffe dem Heidentum gegenüber werden, je zahl-
reicher die Christen in den Staatsdienst sich eindrängten ^
Die Folge war, dafs der öffentliche Gottesdienst yerödete
und nur noch da fortdauerte, wo eine starke heidnische
Bevölkerung und eine willige Beamtenschaft Schutz ge-
währte. Die dritte Dezennalienfeier im Jahre 336 zeigt
deutlich, wozu die neueste Entwicklung geführt hatte: die
pompösen Festzüge, die Opferhandlungen, die AuspicatioD,
welche sonst diesen Tag auszeichneten, fielen weg; an ihre
Stelle trat eine durchaus christliche Feier '.
Leider läfst sich die Zeit des allgemeinen Opferverbotes
nicht mit Sicherheit bestimmen. Nur Eusebius bietet einen
gewissen Anhalt, indem er jenes Verbot mit elS^ f^ffi an
die Erzählung des Unterganges des Licinius (324) anreiht ',
was keine sehr grofse Entfernung von jenem Ereignis zu-
läfst. Wäre auf die Chronologie des Zosimus in diesem
Falle Verlafs, so würde sich als Terminus a quo das Jahr
326 — Hinrichtung des Crispus — ergeben, also ein ähn-
Uches Resultat wie das aus Eusebius zu schöpfende.
Ich verzichte hier darauf, aus dem, was sich über das
Verhalten Konstantin's zur Haruspicin und zum Opferwesen
ergeben hat, allgemeine Schlüsse auf die Stellung desselben
zur Kirche und zum Christentume einerseits und zum
Heidentume anderseits zu ziehen. Nur eine kurze Be-
merkung sei gestattet. Es ist gesagt worden * : „ vergebens
suchen wir nach einem Edikt, welches das Bekenntnis zum
1) Darauf weist auch Euseb. V. C. II, 44 hin.
2) Euseb. D. L. C. 2.
3) Euseb. V. C II, 4ö.
4) Brieger, Konstantin d. Gr. als Religionspolitiker (Gotha
1880), S. 21.
UNTERSUCHUNGEN Z. GESCH. KONSTANTIN'S D. GB. 633
iApütterglauben und seine Ausübung verboten hfttte^. Das
■Sfal richtige wenn damit ein allgemeines Verbot des Heiden-
r'tmns gemeint sein soll; ein solches ist unter Konstantin
irniclit g^eben worden. Aber man darf fragen, wie viel
r oder wie wenig dem Heidentume noch gebUeben ist, nach-
- dem das Gesetz ihm die Haruspicin, das Opferwesen und
die Tempel nahm. Denn die Tempelschlielsung liegt in
i der Konsequenz des allgemeinen Opferverbotes ; dieses konnte
aur durchgeführt werden, wenn die Tempel und ihre Bezirke
! unzogänglich gemacht wurden. Freilich wenn Eusebius ^
v^'kündet: „im ganzen römischen Reiche wurden die Thore
des Götzendienstes dem Militär- und Bürgerstande ver-
flcUossen ^', so ist das rhetorische Übertreibung, aber ebenso
unzweifelhaft ist, dafs Tempelschliefsungen in gröfserem Um-
fange stattgefunden haben; denn auch Heiden und Qegner
Eonstantin's bezeugen das ^, und es liegt ein Edikt aus
dem Jahre 326 vor, welches die Wiederherstellung bau-
&lliger Tempel untersagte '. Von einer Parität beider Re-
ligion zeigt die Praxis keine Spur; ebenso wenig ist jene
irgendeinmal im Prinzip ausgesprochen. Wie Julianus ein-
mal seinen Oheim Konstantin charakterisiert hat ^ , indem
er ihn novator turhatorque priscarum legum et moris anti-
quUus recepti nannte, das gilt auch von dem Religions-
politiker Konstantin und zwar bereits vom Tage des Mai-
länder Ediktes an; denn die Religionsfreiheit, die dort pro-
klamiert wurde, war eine Rechtsverletzung an der alten
Religion, die allein im Staate Recht hatte. Mit jenem Pa-
tent ist in WirkUchkeit nur die staatsrechtliche Basis gelegt
fiir eine Politik, die endlich zur Rechtlosigkeit des Heiden-
tums führte. Konstantin hat den Funken entzündet, Kon-
1) Euseb. V. C. IV, 23.
2) Julian. Orat. VIII (p. 228 ed. Spanh.); Eunap. Vita Soph.
in Aed. (p. 461 ed. Boissonade).
3) Cod. Theod. XVI, 1, 3.
4) Amm. Marc. XXI, 10.
Zeitsebr. f. K.-G. vni, 4. 35
S34 BCBCLTZE^
•taolias hat daimos eine Flamme gemacht^ än&ert adäV'^
mal libanios '. Er hat rocht I ^
VI.
Der Uatergmas '^> Mniniwa.
bl
1
Zu dem glänzenden Lebensbilde Konstantin'sy das bl f,
0ebiu8 in mabloflem EnthofliasmaB für den ^^got^dieblal ^
Kaiser '' und sein Regiment gezeichnet hat^ stehen in schaifaii 1
Kontraste zwei durch den Willen des Kaisers vemmcki
düstere Ereignisse y welche eben darum als Beweianilri
haben dienen müssen , um die Geschichtschrdbang da
christlichen Bischofs als eine tendenziöse und be?nilk »
redliche und den^ welchem sie gilt, als einen Heuchler mi
herzlosen Egoisten zu erweisen: der Untergang des LidiBB
und die Hinrichtung des Krispus. Qerade in AnknOpfiog
an den letzten Kampf zwischen Licinius und Konstantin
hat Burckhardt (a. a. O. S. 334f.) die befremdhdia
Worte geschrieben : „ Euseb ist nicht etwa ein Fanatiker;
er kannte die profane Seele Konstantin's und seine kalte
schreckliche Herrschbegier recht gut und wufste die wahren
Ursachen des Krieges ohne Zweifel genau; er ist aber der
erste durch und durch unredUche Geschichtschreiber dei
Altertums. Seine Taktik ^ welche für jene Zeit und das
ganze Mittelalter einen glänzenden Erfolg hatte, bestand
darin y den ersten grofsen Beschützer der Kirche um jeden
Preis zu einem Ideal der Menschheit in seinem Sinne, vor
allem zu einem Ideal für künftige Fürsten zu machen.
I)arob ist uns das Bild eines grofsen genialen Menschen
verloren gegangen, der in der Politik von moralischen Be-
denken nichts wufste und die religiöse Frage durchaus nur
von der Seite der politischen Brauchbarkeit ansah.'' Es
liegt nicht in meiner Absicht, hier als Apologet des En-
n LiWu. II, p. 5HI ed. Morelli.
■ DNTEKSUCHTNGEN Z. 6ESC3I. KOMSTASTIM S D. GR. 535
sebioB und aeioes Helden aoizutreten, sondern es soll nur
durch Prüfiing des Bestandes und des Wertes der über
den Untergang des Licinius Auskunft gebenden Quellen ge-
zeigt werden, dafs der an jenes Ereignis anknüpfende üb-
liche Vorwurf weder den Bischof noch den Kaiser mit Recht
triffL
Den ausführlichsten Bericht über den letzten grofsen and
blutigen Kampf der beiden Herrscher hat Eusebius in seinen
„Denkwürdigkeiten aus dem Leben Konstantin'a" (I, 49ff.).
Licinius, so erfahren wir hier, nahm — der Grund wird
nicht angegeben — mehr und mehr ein feindliches Ver-
halten zu seinem Schwager ein, obwohl dieser ihn stets mit
grofser Liebe behandelt und mit mancherlei Auszeichnungen
und Vergünstigungen bedacht hatte. Der Hafs gegen Eon-
Btantin äufserte sich bald auch in Bedrückung der Eirch^
die in ihren Freiheiten gehemmt und auf verschiedene Weise
bedrückt wurde, bis zu blutiger Verfolgung. Konstantin
nimmt sich der Bedrängten an. Es kommt zwischen beiden
zu einem Kriege, den Konstantin in Vertrauen auf den
höchsten Gott und das Kreuzesbanner, Licinius mit Hilfe
von Wahrsagern und abergläubischem Pomp beginnt. Es
fehlt nicht an wunderbaren Vorkommnissen vor und wäh-
rend des Krieges zugunsten des westlichen Herrschers,
Dementsprechend ist der Ausgang. Licinius wird besiegt
und bietet seine Unterwerfung an; dieselbe wird angenom-
men unter gewissen Bedingungen, zu denen Licinius sich
eidlich verpflichtet (Sgy-oii; ßsßaiQv t>)v niajiv). Doch bald
nachher sammelt er heimlich wiederum Truppen , darunter
sogar Barbaren, und versucht nochmals das Kriegsglück.
Es täuschte ilin auch diesmal ; Konstantin siegte wiederum
entscheidend über die Feinde und die Götzen, und darauf
verurteilt er den Gottverhafsten und die Seinen „nach
Kriegsrecht" zum Tode: (Jr afrbv zbv ^tofitafj y.ai loig
ifif/' aichv vöfi<^ TioXi^ov diaxpi'c«Si ijj nqenovafj
TiaQEÖiäov xtumqlif (II, 18). „Mit dem Tyrannen wurden
zugleich als diejenigen verurteilt und nach Kecht und
Gerechtigkeit hingerichtet, die ihm zum Kampfe geg<^<ii
Gott geraten hatten."
536 8CHULTZE,
Die Erzählung in der firüher abgefieÜBten KirchengfwrJiidite
(Xy 8. 9) steht mit diesem Berichte in Übereinstimmung;
nur sind aus den durch Licinius verhängten Verfolgongoi
noch einige Einzelheiten mitgeteilt, und der Untergang ia
Licinius wird nur in ganz allgemeinen Ausdrücken be-
richtet. Der Schuldige, der zu dem Kriege die Veranlas-
sung gegeben, ist auch hier Licinius; das Motiv war Neid:
diacpO-ovr^D-eig ye toi T(p Ttccveve^yezf] Ttdlefiov draoyj xai
deivörarov nqbg aircbv iiMpiqu (X, 8, 3). Beachtenswert
ist, dafs in beiden Berichten der Ausgang des Kri^es ad
politische Verwickelimgen , die nach Eusebius von Lidniiit
ausgingen, zurückgeführt wird. Erst nachher gestaltete ädi
der Kampf zu einem Religionskriege, in welchem Kon-
stantin das Christentum, Licinius die Sache des Heidentann
verfocht.
Was man in dieser Geschichtschreibung vermüst, ist die
zuverlässig bezeugte Thatsache, dafs dem die Waffen strecken-
den Licinius persönlich oder durch Vermittelung seiner Gattin
Konstantia das Leben eidlich durch den Sieger zugesichert
wurde imd die Hinrichtung erst bald nachher stattfand.
Eusebius begnügt sich damit, zu versichern, dafs die Exe-
kution an Licinius nach Kriegsrecht vollzogen sei. Sollte
sein Schweigen ein absichtliches imd tendenziös motiviertes
sein? Die Frage läfst sich von vornherein mit Bestimmt-
heit weder bejahen noch verneinen. Vergleicht man die an
lebendigen Einzelheiten reiche Schilderung dieses letzten
Elampfes bei Zosimus (II, 18 ff.) mit der aus allgemeinen
Aussagen und Reflexionen zusammengesetzten Darstellung
des Eusebius die nur farbiger imd realer wird, wo sie die
Verfolgungen beschreibt, so kann uns der Ausfall der Schil-
derung des letzten Aktes im Leben des Soldatenkaisers
nicht überraschen. Dem ganzen Kriege widmet Eusebius
in der H. E. nur einige Zeilen; auch in V. C. hat er für
den letzten Kampf nur wenige Sätze übrig. Mit Recht hat
schon T i 1 1 e m 0 n t * bemerkt : il parle pltäost en orat^ur
qu'en historien. Auch Keim (Prot. Kztg. 1875, Sp. 898)
1) Tille mont, Histoire des Empereurs IV, p. 81 (Brux. 1732).
CNTEHBUCmiNGEN Z. OESCB. KONSTAKTIN's D. GE. 637
nmt hier den EuBebiua gegen die absprechenden Urteile
On Görres (Licinian. ChriHtenverfoigung , Jena 1875) in
Dals man aber überhaupt in christlichen Kreisen
i Bedenken darin fand, die Einzelheiten, in welchen der
Untergang des Licinius sich vollzog, offen darzulegen, zeigen
nie Mitteilungen des Sokrates, die hier von um so gröfserem
ind, da sie auf eine sonst nicht bekannte, zuverlässig
icheinende Quelle zurückgehen.
Der erste Verlauf der Verwickelungen wird in Uberein-
Btimmung mit Eusebius erzählt (I, 3. 4). In I, 4 tritt neues
Material ein: Licinius wird bei Chrj'sopolis in Bithynien
besiegt und mufs sich dem Konstantin ergeben. Dieser be-
handelt ihn freundlich {iftXavd^Qionei-eiat), schenkt ihm das
Leben und weist ihm, mit dem Befehl, sich ruhig zu ver-
halten {tjOi^ä^ofia) , Thessalonich als Wohnort an. 'O di
fcgdg 6Xiyov f^vx^oag, {vze^ov ßa^ftä^ois rirag avva-
yaytiiv, dva(ia%iaaaSaL zfp! ^rrav tarcoi^atev. toPto
yvoig 6 ßaatXe^q, ätaife!hf}vai avrdv frgoatra^e' xnt •A£Xcv-
aavcog avzoC ävrjQtihj. Also weil Licinius eine neue Em-
pörung versucht, wird er auf Befehl des Allein herrsch ers
bjngerichtet. Demnach nimmt auch die Quelle des So-
krates an, dafs Licinius nach Kriegsrecht verurteilt sei.
Endlich bezeugt auch der Anonymus Valesü •, dafs die
Hinrichtung des Licinius durch ein aufserhalb des Wil-
lens Konstantins hegendes Ereignis veranlafst sei: Sed
Herculn Maximiani , soceri stti , motus (Constantinus)
exemplo, ne Herum deposUam purpuram in pemidem rei
pubiicae sumeret, tumuÜu militari exigentibus in Thessa-
lonica jussit occiäi. Anderseits hat diese Quelle einige neue
Momente, die bei Eusebius und Sokrates fehlen, nämlich:
Constantia, soror Conslantini, uxor Licinii, ventt ad caslra
fratris et marito vitani poposcit et impetravit. IIa Licinius
privatus fadus est et canvivio Constantini adhibilus et Mar-
tiniano (ein von Licinius zum Cäsar ernannter Tribun).
Sed ßerculii u. s. w. Demnach hat der Anonymus keinen
1) In der Aoigabe des Amm. Marcell. roa Eyuenhardt (Berlin
IB71), 8. 365,
538 8CEIÜLTZE,
eigentlichen Tadel fUr das Verfahren Konstantm's gegil rrt
Licinius. Zonaras (Xm, l) notiert, dab nach eaipl «^
der Senat; welchem der Elaiser die Sache übergab, fal d<
Soldaten ; die unwillig darüber waren, dals Lidnius mil S
getötet war (pi de ye OTQcniQvai ^tiOyro atoCea&oi tir Jtm g
xlwiov, äTtiarov (pavlvxa ftoXXthug xal TvaQaßdvp ^1 8
cw&riyUSv), den Gefangenen überliefert habe, nach ande»! 1
dagegen habe sich Licinius einer Verschwörung schuldig g^ | i
macht und sei daher von Konstantin zum Tode yemiteiitl
Von dieser Quellengruppe; deren einzelne Bestuidtde
in keinem Verhältnis der Abhängigkeit stehen, und dieii
christlichen Kreisen ihren Ursprung hat, unterscheiden vA
mehrere Berichte heidnischer Herkunft, insofern sie verdedd
oder offen den Kaiser der Eidbrüchigkeit zeihen. Zoent
sei genannt eine kurze Mitteilung bei dem jungem Au-
relius Viktor, in welcher, obwohl der Autor mit seinen
Urteil zurückhält, offenbar eine Anklage verborgen liegt
Dieselbe lautet (Epit. c. 36) : Dehinc (d. h. nach der Schlsdtt
bei Cibalis) Constantinus ade potior apud Bithyniam adegii
Licinium pacta salute indumentum regium offerre per
uxorem. Inde Thessalonicam missum patdlo posi enm
Martinianumque jugulari jubet. Offen ist der Vorwurf der
Eidbrüchigkeit ausgesprochen bei Eutropius X, 5 : postremo
Licinius navali et terrestri proelio victus apud Nicomediam
se dedit et contra religionem sacramenii ITiesscUonicae pri-
vatus occisus est. Am bittersten aber hat Zosimus bei die-
sem Anlafs seinen Groll gegen den christenfreundlichen Herr-
scher zum Ausdruck gebracht. „Konstantinus'', so schreibt
er (11, 28), „übergab den Martinianus den Leibwächtern
zur Tötung, den Licinius aber schickte er nach Thessa-
lonich, scheinbar, dafs derselbe dort iü Sicherheit lebe (äg
ßivjödfjiei'ov avTÖd^i ai-v dafpalei(f), aber kurze Zeit nachher
trat er — wie seiner Gewohnheit entsprach — die Eid-
schwüre unter die Füfse und liefs ihn erdrosseln (jiev ov
1) Theophao. (Chronogr. Bonner Ausg. I, S. 28) lehnt sich,
beiläufig bemerkt, an Sokrates an; Licinius sei getötet worden, weil
er darauf ausging, vttortQiCt^v.
UirrEBSUCHCKGEN Z. GESCH. KONSTANTIN'S D. GR. 539
dyx&yjß To€ Cfjv airrbv dq>aiQelTai)". Auch hinBichtlich
des Ursprungs des Eri^es legt Zosimus alle Schuld auf
Konstantm; Licinius habe keine Ursache zum Streite ge-
geben, wohl aber Konstantin, da er, seiner Sitte getreu, die
geschlossenen Verträge brach und I^änder, die zur Beichs-
hfilfle des Licinius gehörten, an sich rifs (U, 18). In Be-
siehung auf letzteren Punkt läfst sich nicht mehr feststellen,
wo die gröfsere Schuld liegt ; die Berichte der Kirchen-
schriftsteiler auf der einen imd die Aussagen des Zosimus
auf der andern Seite schliefsen sich aus. Aber mit Becht
ist hervorgehoben worden ', dais die thatsächlichen politischen
Verhältnisse diesem Elriege mit Notwendigkeit zudrängten
und der Wille des Einzelnen dabei nur geringwertig in
Betracht kam.
Wichtiger ist ftir uns die Frage, ob man ein Becht hat,
von einem Eidbruche Konstantin's zu reden, weil er die
Hinrichtung des Licinius befahl. Wenn Sokrates imd die
eine Quelle des Zonaras, die bei einem Bückfall des Li-
cinius in die Bebellion wissen, recht haben, so kann von
einem Eidbruche nicht die Bede sein '. Denn es ist selbst-
verständlich, dafs dem Besiegten das Leben nur unter der
Bedingung zugesichert worden ist, dafs er sich ruhig ver-
halte und allen politischen Aspirationen entsage. Lidem
Licinius diese Bedingung brach, wurde auch jene Zusiche-
rung hinfällig, und der Besiegte stand dem Sieger wiederum
1) Ranke a. a. 0. S. 514 f.: „Licinius trat als Gebieter des
Ostens, Konstantin als Gebieter des Westens auf. Aber eine solche
Teilung der Gewalt entsprach nicht eigentlich der Idee des römischen
Reiches, und wenn Konstantin die höhere Autorität in Anspruch
nahm, so war Licinius weit entfernt davon, eine solche anzuerkennen."
Und S. 516 f.: „Immer mufs man sich erinnern, dafs Licinius ur-
sprünglich der Korabination des Galerius angehörte, welcher Kon-
stantin sich widersetzte. Ihre Allianz war nicht eine naturwüchsige,
sondern von dem gemeinschaftlichen Interesse herbeigeführt, welche
sich dann wieder auflöste. Dafs es im Reiche zwei ron einander un-
abhängige Potenzen geben sollte, war ein Ding der Unmöglichkeit."
2) Tillemont a. a. 0.: Si cela est, on ne peut pas hlasmer Con-
staniin de luy avoir osti la vie.
540 SCHULTZE,
genau so schütz- und rechtloB gegenüber wie vordemPdtl ^
Dann ist Eusebius im Rechte, wenn er die Exekution AI
nach ^^Elriegsrechf vollzogen bezeichnet und kemW<it|^
des Tadels dafür hat. Auch die Notiz des Anonjrmiu Yi>
lesii, welche durch die zweite Quelle des Zonaras geit&tt
wird, dafs die Hinrichtung auf Drängen der Soldaten «•
folgt sei, wirft noch keine Schuld auf Konstantin. Dil
furchtbare Blutvergiefsen, das die Armee bald nadi kt
Beisetzung Konstantin's in Eonstantinopel in der Verwaoil'
Schaft des Toten anrichtete, um den drei Söhnen die Heff>
Schaft zu sichern, läfst erkennen, welche un^derstdiEek
Gewalten hier verborgen lagen, denen auch ein kriftigff
Kaiser nicht gewachsen war. Doch scheint mir die Erdk-
lung des Sokrates, welcher sich die Aussagen des Eusebhi
sachlich sehr gut anschliefsen, den Vorzug zu verdienend
Aber der Bericht des Zosimus? Es ist anzunehmeo,
dafs dau9 Heidentum die Niederlage und die EBnrichtuBg
des Licinius schwer empfunden hat und dafs daher in heid-
nischen Elreisen leicht solche Nachrichten aufkamen md
verbreitet wurden, welche den Erfolg des Elrieges gegen
Licinius und besonders das Ende dieses letzteren auf ht
triguen und Treulosigkeit seitens des Siegers zurückführten.
Es mufste in der That bei solchen, die mit dem genaueren
Sachverhalte nicht vertraut waren, Befremden und Verdacht
erregen, dafs der eben feierlich begnadigte Augustus bald
nachher auf Befehl Konstantin's getötet wurde. Auch da-
von abgesehen, sind die tadelnden Notizen des Zosimus
über Konstantin mindestens mit derselben Vorsicht au&u-
nehmen wie die Lobeserhebung seines Antipoden Eusebius.
Es ist schon bemerkt, dafs seine Bekehrungsgeschichte Kon-
stantin's (Zos. II, 29 vgl. oben S. 518) eine Fabel ist; es
sei noch hinzugefugt, dafs der heidnische Historiker auch
in seinem Berichte über die Hinrichtung des Krispus (H, 29)
mit der geschichtlichen Wahrheit in argen Widersprach
1) Ranke a. a. 0. S. 520 folgt dem Anonymus Valesii und Zo-
naras: „die Legionen wollten nur noch einen Herrn im Reiche
sehen **.
UNTERSUCHUNOEN Z. OESCH. KONSTAIVTIN'S D. OR. 541
gerät. Danach soll nämlich; im Zusammenhange mit der
Hinrichtung des Krispus^ der Kaiser auch seine eigene
Gattin Fausta haben töten lassen, indem er sie in einem
Bade ersticken liefs. In Wirklichkeit hat Fausta noch im
Jahre 340 gelebt ^ Was bedeutet diesem groben historischen
Irrtume gegenüber, der übrigens, wie es scheint, von den
modernen Historikern (ich finde nur bei Ranke eine. Aus-
nahme) allgemein geglaubt wird, das obige Versehen!
Wie Zosimus so gehörten auch der jüngere AureUus
Victor imd Eutropius dem Heidentume an '. Obwohl sie
in ihrer Beurteilimg Konstantin's gröfsere Gerechtigkeit
zeigen als Zosimus, haben sie doch heidnische Quellen be-
nutzt oder mufsten wenigstens von vornherein geneigter sein,
diesen grölseren Glauben zu schenken als anders lautenden
Berichten von christlicher Hand. Das lag um so näher, da
Ldcinius zugleich als Vorkämpfer für das zurückgesetzte
Heidentum aufgetreten war. Auch vermögen wir diesen
Quellen ein gewichtiges argumentum e silerUio entgegen-
zustellen, das auch noch keine Beachtung gefunden hat.
Warum erwähnt Julianus, der mindestens denselben Hafs
^e Zosimus dem Konstantin entgegentrug und ein Zei^
genösse jener Ereignisse war, da, wo er von der Besiegung
des Licinius spricht, diesen „Treubruch" nicht und hat
überhaupt unter dem mancherlei Tadelnswerten, was er an
Konstantin fand, [nicht einen solchen Vorwurf*? Dieser
Umstand scheint mir wohl beachtenswert.
1) Anonymi Grat, funebr. in Constantinum II (in Eutropius ed.
Haverkamp), c. 4. Hiersdbst die Worte des Panegyrikers: ^ dh aoO
firjfTriQ Tf ßaaiX/dtov x^HoraTr} tc xal (vafßfaTUTTi TOKtihriv nOg fjveyxtv
iLyytXCav; nOg & riv^a^tTo Ttt(p^ .... n^finovaa, öj avt^ yT^gtog xal
ßaxrriQiit vnfjQx^S ^«^ <^</* ov raif.ijafaO-ai n{}ogid6xu. Konstantin kam
im Jahre 340 um. In demselben Jahre wird auch dieser Panegyrikus
l^ehalten sein, in welchem Fausta noch als lebend angeredet wird.
2) Vgl. Teuf fei, Gesch. d. röm. Litt., 3. Aufl. (1875), § 4U.
415 und Bahr, Gesch. d. röm. Litt., 4. Aufl. (1869), II, 1, S. 299.
303.
3) Im Ronvivium (a. a. 0. S. 422) vermag Konstantin zu seinem
Ruhme nichts anzuführen: dvo yitQ rvQfiwovg, «f y€ XQ^ ^' «Ui;^^
542 SGHDLTZEy UNTERSUCH. Z. OESCH. KONSTAHTOrS IX OS.
Aas dieser Sachlage erwächst mindestens die VerpSi
tung, das Urteil über die Hinrichtung des Liiciniiis, wm\
Konstantin dabei in Frage kommt, überhaupt zurückzohiltal
und den Vorwurf, dals die christlichen Schrülsteller dinrfl
ausgingen, ,,das Verbrechen zu beschönigen'' \ abzuwei
Ich glaube aber, dafs auch die vorsichtigste Geschidt-
schreibimg hier weiter gehen und sich entscheiden darf, vd
zwar nach Mafsgabe der christlichen Quellen. Es ist dod
ein seltsames Verfahren vieler unserer neueren Historiko,
da, wo christliche und heidnische Quellen in Beziehung of
ein die Christenheit angehendes geschichtliches Faktum sd
widersprechen, mit Vorliebe diesen letzteren den Vorzog n
geben. Darunter leidet insbesondere die konstantimsde
Gkschichtsdarstellung, imd diese Thatsache l&fst immer wie-
der den Wunsch nach einer umfassenden Prüfung des Weites
der eusebianischen Geschichtschreibung aufkonuneiL Die
Zerspaltung und Zertrümmerung einzelner Stücke dieser
Historik hat zu nichts gefuhrt, ja ist im G^enteil Tim
schädlicher Wirkung gewesen, indem nach einer kleinen
Summe von durchaus noch nicht nach allen Seiten hin et-
probten Ergebnissen das Ganze abgeschätzt wurde und zwar,
wie jedermann weifs, mit sehr ungünstigem Resultate för
dieses Ganze '.
tfxtvttiy xad-rjQijxfi, TÖv fikv än6Xifi6v rt xal fialaxav (Maxentias), ror
(X^iaxtü. Dazu die Stelle S. 431 und die sonstigen Urteile überKoo-
•tantin.
1) Man so a. a. 0. S. 64 u. a.
2) Es sei nun an das Urteil Burckhardt's a. a. O. S. 348 er
innert: „Eusebius hat nach so zahllosen Entstellungen, Verheim*
liohungen und Erdichtungen, die ihm nachgewiesen worden, gar kein
Recht mehr darauf, als entscheidende Quelle zu figurieren/^
IIbs\ Luther's uDd ZwiD^lfs Lehre von der Kirche
mit Rücksicht auf das zwischen denselben bestehende
Verhältnis der Verwandtschaft oder Abhängigkeit
Von
Prof. D. Johannes Oottschlck
in Giefsen.
III ^
Von Hus' Lehre von der Kirche hat Luther bis zum
3. Oktober 1519 nur einzehie abgerissene Sätze gekannt.
Vor seinem Streit mit Eck stehen die Böhmen oder Pi-
carden ihm nur als solche vor der Seele ^ die sich durch
die Trennimg von der Kirche in Lieblosigkeit und Hoch-
mut schwer versündigen. Der Gedanke an die Möglichkeit
einer Verwandtschaft mit Hus rückt erst in seinen Gesichts-
kreis; als Eck am 14. März 1519 ihm den Vorwurf macht,
dals er alte Asche wieder in Flammen setze '. Luther hatte
in den Resolutionen zu den Äblafsthescn 1518 die beiläufige
Bemerkung gemacht^ dafs zu Gregorys I.Zeit die römische Kirche
noch nicht über den Kirchen Griechenlands gestanden habe.
Er war dann in seinen „Acta" über die Augsburger Ver-
handlungen mit Cajetan auf diesen Punkt zurückgekommen,
indem er als Beispiel der Schriftverdrehung durch die De-
1) S. oben S. 345 flf.
2) Disput, et Ezcus. Eccii adv. criminationes Luth., Lutheri opp.
var. tLTg. E. A. IJ, p, 8. antiquos cinercs ignit "LuWiCt eX wi>AQ^aaÄ
nesai Dovam pncfert zlzaniam.
544 GOTTSCHICK,
kretalen Matth. 16, 18 anführte und leugnete, da(s dadurch \\
der Primat des römischen Stuhls über die ganze Kirche
sich begründen lasse. 800 Jahre habe Griechenland und
Afrika nicht unter dem Papst gestanden, und für die Mo-
narchie des Papstes gebe es keinen Beweisgrund als den
Satz aus Rom. 13 über den göttlichen Ursprung aller Ge-
walt ^ Dafs diese Sätze es gewesen sind, die EIck daza
veranlafst haben, die Streitfrage über den päpstlichen Primat
aufzunehmen, darf man aus seiner Klage über Luther's aih
mafsliche Schrift schliefsen ^. Die böswillige Absicht, Luther
mit anerkannten Ketzern und speziell mit Hus in Verbin-
dung zu bringen, verrät nun Eck durch die FornmliCTung
seiner These ^ in Verbindung mit jener Anklage auf das
Aufrühren alter Asche. Er imputiert durch sie Luther den
Satz, der in Kostnitz einen der Anklagepunkte g^en Hna
gebildet hatte, dafs Kaiser Konstantin dem Papst seine
Gewalt verliehen habe. Luther hatte das „ venenahm
aenigma** wohl verstanden imd erklärt in seiner Erwide-
rung, Eck spiele darauf an, dafs von manchen unter die
Artikel des Hus auch der Satz gerechnet werde, die
papalis excellentia des römischen Bischofs stamme vom
Kaiser, er aber habe vielmehr behauptet, dafs dieselbe durch
die eigenen Dekrete der Päpste bewiesen werde *. In der
Resolution über seine XIII. These, welche er noch vor der
Leipziger Disputation veröffentlichte, sucht er femer seine
Ansicht über den päpstlichen Primat von der des Hus da-
durch zu unterscheiden, dafs er diesem den donatistischen Irr-
tum zuschreibt, die kirchliche Gewalt hange von der persön-
1) Opp. var. arg. II, p. 387—389.
2) Ib. II, p. 8: Vidi ctiam et cum multo dolore legi arrogans
scriptum eius actorum apud sc, apud Legatum et Appellationis ad
futurum concilium et uon sine gemitu aliquas propositiones suscepi.
3) Romanam ecclesiam non fuisse superiorem aliis ecclesiis ante
tempora Silvestri negamus. Sed eum, qui sedem beatissimi Petri
babuit et fidem, successorem Petri et vicarium Christi generalem
semper agnovimus.
4) Ib III, p. 14.
646
[ger ab '. Auch in Kostnitz war
1 imputiert worden,
nitation setzt nun Eck seine TakÜk,
in Verbindung zu bringen, fort,
v'a, dais die römische Kirche nicht
f'Aea andern stehe, als wiclifitiBchfip
sich des öftei'ea in gehässigen An-
Luther aber geht nur widerstrebend
, welche Eck der Verhandlung zu geben
tlärt die Verdächtigungen fjck'a fllr un-
' und widerholt seine Müsbiliigung des
' iiisma *. Ejst als Eck aulser dem Satz, der
ndigkett der Anerkennung des rümischen Pri-
luoh noch die zu Kostnitz verurteilten Sätze,
Haupt der römisch-katholischen Kirche weder
m;ii sei, und dafs die Kirche auf Erden kein
i regierendes, ihr sinnlich gegenwärtiges Haupt
[ brauche, herbeizieht^, läfst er sich auf die Sache
leien unter den Artikeln des Hus auch viele höchst
t nnd evangelische, die die allgemeiae Kirche gar
rdammen könne, wie der qtiod tan/um est una
Denselben bekenne die Kirche im
I Symbol, wenn sie bete credo in s. ecclesiam
Sanclorum communionem , und einen solchen
i ariiculus fidei rechne man unter die Sätze de«
Auf Betrieb gottloser Schmeichler sei er mit Unrecht
Bi'dammt. Inbezug auf den Primat des Papstes aber
rauche er sich nicht darum zu kümmern, was Hua oder
f gelehrt, da auch Gregor von Nazianz, Eaailius, Epi-
j. 1) Ib. III, p. 312: at sL Uk diHmus, i«m haereticorum no-
-Torum et antiquorum DoDstistarum errorem renovainua, qui mtüom
«piacopom non esse epiacopum assemerunt, qood abiit a aobie, qtd
nnctae et jnatae ecctesiae miiuBtruin impium et malum
confitemur.
2) Ib. II, p. 27. 36. 55.
31 Ib. p. 50.
4) Ib. p. 56.
5) Ib. p. 55.
fkxaiam , CypruBi ^oa ianadbai toAm gewufiit ^ D»
lautet keineswf^ so^ ab ob Lädier asek Iiier daza b^anM^
Hau (He Fiiwirfct ia «mea wiebdgei fifiiiTM ii— iiilil xn ina<>
da^iken. Er will viriinrfir den Vcz^£idd%iiiigen Eck s wi
Gememaeiiaft mit Hna dadnrek die Spitae abbredfeen, dift
^ herroHiebt, wie selbst eoL Artikel des Sjmbob unter den
Ternrteilteii Sätzen des Hos ack befinde, imd da& deshalb
die Anklage Eck'3 anf Ketaerei^ £e led^Bcb anf dem
GieieUkk»ig semes Salzes mit emem HiBBliflcfaen basiere^
leichtfertig leL Denselben Snn hat es, wenn er qiiter*
imter den cfaristficfaen und erangefiKken Artikdn des Hu,
die die Kirche gar nicht Terdammen könne, anlser xwei
nicht hierher gdiorigen, die beiden Sitze anfokrt: una ei
mnda universalis eccUsia^ quae est praedesünaicrum mni-
verfni۟i and univ. s, eedesia tantum est uma, sicui imUum
unu$ eiä numerus cmnium praedesiinaicrum^ £r fogt näm-
lieh hinzn^ das seien gar nicht Satze, die Hos eigentümlich
seien, sondern sie fanden sich £ist wörtlich bei Aogastin
und wurden vom Lombarden wiederiiolt Eck selbst habe
ja einen andern Artikel des Hos (dafs der Wert der Hand-
lun^'fm sich nach dem Wert des 3Ienschen richte) Karlstadi
V(iT\7J:(\\f:T(:J\ müHSfun, »ei also nach seiner Argumentations-
mf:i\\(An selbst Häretiker. Das Kostnitzer Konzil unter-
«^•.helrle aber unter IIus* Sätzen häretische, irrtümliche, läster-
lif'h^', leichtsinnige, aufrührerische, anstöfsige. Die letzten
Prärlikate konnten auch der lautersten Wahrheit beigelegt
werrlen. Ein anstöfsiger Artikel sei noch nicht falsch, ge-
»fiiweige häretisch. So könne es auch mit dem Artikel
stehen, in Hinsicht dessen ihn Eck der Gemeinschaft mit
HuK und deshalb der Ketzerei beschuldige.
Dieser V^c'rlauf der Disputation zeigt meines Erachtens
deutlieh , dafs Luther keinerlei Bewufstsein einer von Bus
eni|)ranf^enen Anregung zur Ausbildung seines Kirchen-
be^riffes besitzt, sondern des Hus Begriffsbestimmung der
Kirche, di(^ mit seiner eigenen längst gehegten und von
1} II). p. <;i.
2) S. 71. 75.
IXD ZWINGLI.
547
■»Ui^il des Symbols betrachteten
lili und in ihrer epezielien For-
tk'n Lombarden fOr sich hat, nur
^ i^rdächdgung der Ketzerei zu ent-
liu Thatsache stützt, dafs Luther, wie
..IS gicitÜiche ßecht des päpstlicheo Fri-
>(i ihm vor der Leipziger Disputation
«uimten Sätze des Hub überhaupt gegen-
, oder ob er sich erst während der-
Kemitnia derselben verachaflft hat, als
Angriffe Eck's wünschenswert wurde,
iilit'ii ennitLehi, obwohl mau das letztere an-
•, wenn er am 5. Juli zunächst eine unvoll-
von Hua citiert und erst am 6 , als er auf
iit, vier Sätze desselben im Wortlaut anführt
:i('rten Gemeinschaft mit HuB hat er sich auch
erlauf der Verhandluug zu erwehren gesucht
aber die von ihm aU cbrisÜiche angeführten
s über die Kirche bereits durchgedacht hatte,
icJi schon daraus, dafs er auf die Verteidigung des
[Catzes dee Hua von der dor Einheit der Zahl der
irerten entsprechenden Einheit der Kirche sich nicht
hat, als Eck dagegen den Einwand erhob, da-
die in einer Todsünde befindlichen nicht in der
ährend doch Christus in dem Gleichnis von den
m Jungfrauen auch die thöricbten in das Himmelreich
ircchne ',
Am 3. Oktober 1519 empfing Luther von Wenzel Ros-
!iklowsky den Traktat des Hub. über die Kirche*. Und
nnn folgt eine Reihe von Zeugnissen, in denen er sich
freudig zu Hus bekennt, weil er in ihm einen Zeugen der
1) Entachieiien widcratreitet dem berichteten Hergang die Be-
hanptang lieet>erg's a. a. 0. 3. 85: „Anf der Leipziger Disputation
verteidigt er gegen Eck mit Bernfang anf Hua die Uberzengung,
dafs die eine katholische Kirche die Geaamtheit der Prädestinierten
2) Ib. p. 8
3) deWel
e, Luther-B Briefe I, S. 341.
548 GOTTSCmCKy
evangelischen Wahrheit erblickt Schon im November 1519
schreibt er an Eck: articulum J. Htis, cuius muUo pUmm
nunc teneo quam Lipsiae jteneham ^. Seiner gremEenloeea
Überraschung, dafs er, ohne es zu ahnen, bisher laater
Sätze von Hus vertreten habe, giebt er bald darauf in
einem Briefe an Spalatin Ausdruck ^. Von einer irgendwie
von Hus empfangenen Anregung und Förderung weüs
Luther auch hier nichts zu sagen. Dafs er aber über den
Sinn der Sätze des Hus selbst unklar gewesen und dämm
sie in Leipzig nur ungenügend habe verteidigen konneo,
erklärt er in der zweiten, 1520 erschienenen Abteilung seiner
„opercUiones in psalmos'*^. In seiner Antwort auf die
Bannbulle erklärt er es für einen Irrtum, den er widermüen
müsse, dafs er nur einige Artikel des Hus als evangelisch
bezeichnet habe; nicht einige sondern alle Artikel des Hos
seien vom Antichrist und seinen Aposteln auf der Synagoge
des Satans zu Eostnitz verdammt Anderseits verhehlt er
sich nicht, dafs er selbst jetzt viel weiter geht als Hus, der
nur den Anfang mit der Eröffnung des Lichtes der Wahr-
heit gemacht und noch z. B. die Lehre von den evange-
lischen Ratschlägen festgehalten habe, so dafs die boni rirt,
was gut an ihm gewesen, verdammt, was nicht gut, ge-
1) Opp. var. arg. IV, p. 49.
2) de Wette, Luther's Briefe I, S. 425. Ego imprudens hucus-
que omnia Johannis Huss et docui et tenui ; docuit eadem impru-
dentia et J. Staupitz: breviter sumus omnes Hussitae ignorantes:
denique Paulus ot Augustinus ad verbum sunt Hussitae . . . Ego
prae stuporc nescio, quid cogitem, videns tarn terribilia Dei judicia
io bominibus, quod vcritas evangelica apcrtissima iam publice plus
centum annis exusta pro damnata habetur, nee licet hoc confiteri.
Dieser Brief wird von de Wette in den Februar 1520 gesetzt, doch
ist er vielleicht schon früher zu datieren.
3) Opp. lat. E. A. XV, p. 359. Ego sjine ignorabam Lipsiae
sensum articulorum eorum, quorum verba vidi esse christianissima.
Ita Don potui tum sensum, quem adulator papae dedit, confutare.
At nunc cum exstet Johannis Hus Über, ex praccedentibos
et sequentibus video et sensum eorum esse christianissimum. Hos'
Traktat von der Kirche ist 1520 in Mainz und Hagenau gedruckt
worden. (Mitteilung Brieger's.)
TICS, LUTHER UND ZWINQLI.
549
^tHil'tiii ' Zu Hus' Definition von der Kirche, dafa
- ,.,. . . ' vj/its 2)raeif':stinatorum sei, hat er noch in
' iii;on auf dem Wormser Reichstag gegenüber
■i von Trier rückhaltlos sich bekannt, als zu
■.:, mit dessen Verdaramung das Kostnitzer Konzil
ijt»ar6 Wort Gottes und das apoetoUsche Symbol
II habe'. Noch ISaO identifiziert Luther seine An-
L'. dafs niemand zur Kirche gehöre, der nicht recht-
lind deshalb heilig und gerecht sei, ob er gleich
.'ilieliem Wandel unter den Christen lebe oder ein
r]t'?r den Christen habe, mit dem zu Kostnitz ver-
(r^i Artikel des Hub".
ii'sc Übersicht über die Aufeerungen, in denen Luther
:i.- Stellung genommen, macht es von vornherein nicht
^i.'licinlicb , dafü vor seiner Bekanntschaft mit Hus'
:ikiat von der Kirche das wenige, was er von Hus wufste,
^end auf ihn gewirkt hat. Doch kann nur die Er-
;ung der Motive, aus denen sein i-eÜgiöaer Begriff von
• Kirche entsprungen ist, und der Entwickelung, welche
lerselbe genommen hat, entscheiden *,
Nun ist schon in den Schriften des Jahres 1518 der
l^gen tum liehe rehgiöse Kirchen begriff Luther'e In seinen
1 Grundzügen deutlich zu erkennen. Und zwar gewährt den
I tiefaten Einblick in seine Oenesis und in den Zusammen-
hang seiner Momeute die Auslegung des 110. (109.) Psalms ',
die meines Wissens für das Verständnis der Entwickelungs-
geschichte des lutherischen Kircbenbegriffes noch nicht ver-
wertet ist. Danach ist Oiristi Königreich ein geistlich
1) Asscrtio omn. act. D. M. L. per bullam Lcoois X. ilainu.
1620. Opp. var. arg. V, p. 215. 21G.
2) It). VI, p. 18.
3) W. W. 41, S, 72.
4) Natürlich ist es nicht lueioc Absicht, nach Röstllu's klas-
aiBchea Arbeiten im Folgen dun noch eineGeechichle der Eatwickelung
von Luiher'B Anschauung über die Kirche zu geben: nur so neit es
f3r die Bestimmung des VerhältnissCE zu Hus uniimgüiiglich ist,
•ollen die Hauptmomente hier reproduziert «erden.
5) W. W. E. A. 40, S. 1 38.
550 OOTTSCmCKy
verborgen Reich, darin er nach seiner Menschhdt repsiL
im Glauben (S. 8. 9); geistlich ist seine Gewalt, geii£d^l j
inwendig und verborgen sein Volk (S. 28), geisdick ia
Schmuck dieses Volkes, geistlich des Königs Weib, &
christliche Kirche, aus deren Leibe ihm sein Volk p-
boren wird (S. 24). Das Scepter, damit er regiert iii
seine Feinde, Sünde, Sünder, Teufel, überwindet, die Wek
bekehrt und unter sich bringt, ist das unüberwindh'che Wort
Gottes, das heilige Evangelium (S. 10. 11. 13). Sein Vdk
sind „Freiwillige'', d. h. die, welche kein anderes Ghrt
kennen als den Willen Gottes (S. 18), welche durch Christum,
den Gott als Priester ausschreit, Vertrauen zu Gottes Sünden-
vergebender Barmherzigkeit fassen (S. 26) und dämm alk
Feinde, Teufel, Welt, eigenes Gewissen und Fleisch mdil
fürchten (S. 19), willig alles leiden, gewifs, dafs Gott se
nicht verläfst (S. 29), und Christo gleichförmig durch Feind»*
liebe geistlich die Feinde unterdrücken (S. 16), auch die
Gesellschaft der Bösen nicht fliehen und nicht zu ihneo
selbst in den Winkel kriechen, sondern jene suchen, dals ae
ihnen helfen mögen (S. 17). Diese inwendige Reini^eit
des Willens von allen Dingen ist ihr geistlicher Schmuck,
den niemand sieht als Gott und wer Gott sieht und er-
kennt, der nicht allein den andern Menschen, sondern auch
ihnen selber verborgen ist (S. 20. 21). Geboren aber wini
dies Volk der Kinder Christi nicht durch Menschenwerk,
Fleisch oder Blut, sondern von Gott oder aus dem heiligen
Geist (S. 19), doch durch Zuthun der Christenheit (S. 37)
oder der Kirche (S. 24), die in dem Mutterachofs ihrer
Liebe sie durch den Samen des Wortes empfUngt (S. 24).
Nur durch das Wort Gottes und festen wahren Glauben
giebt es Kinder Christi (S. 19); mit dem Wort erwehren
sie sich aller Anfechtung und schlagen sie alle Fümahmen
des Teufels, Fleisch und der Welt nieder (S. 13). Das
Wort aber sendet Gott aus, indem er einen Menschen durch
ordentliche Weise der Christenheit setzt zum Amt des Worts
und er erleuchtet ist aus dem Geist der Schrift; das aber
ist zu erkennen an der eigenen Erfahrung, wenn das Wort
trifit und das Herz erweckt (S. 14). Endlich ist das Evan-
.MNCtu. 553
.".-ti dargelegten religiösen
>!iigtcn. Dieselbe ist kob-
/•ocniientia", den Kesolu-
lii'in deutschen Sermon von
ilfieht doch schon im Jahre
. f]i(i er mit den beiden Ser-
i-.mi hochw. Sakrament des
L 1519 der Herzogin
: I' [triesterlichen Absolution im
i.it Ijuther hier inbezug auf die
I «iiier wesentlich gleichen Auf-
' /.it^ auf das Bufssakrament ftihrt
li wirksame in demselben das Vei>
i , dem ea zu vertrauen gelte und
■iu'ni Gott schon vorher die Schuld ver-
, -ii eingeflöfst habe, unter der Voraus-
■ iiu volle Gewifsheit der Vergebung
.111 allen Gütern Christi gewähre. Bei
'.u Abendmahl tritt an die Stelle des
uitic Zeichen, das Organ der Mitteilung
'i<'iiti.'t, nur wird, indem diese Bedeutung
iiilen und angeeignet wird. Der äinn der
uuioliens und Heraufhebens, ist, dafs Gott
:i f-tns wird eines gnädigen küstlichen Bundes,
ihil's Gott anhebt, den heiligen Geist einzu-
'■iiicm fortgehenden Prozefs der Übung in
und in Leiden Natur und Sünde zu toten,
: r verpflichtet, die in der Natur fortdauernde
<!io orneuten Fehler nicht anzurechnen, der
-irli verbindet, der Sünde abzusterben. Die
, 'S Abendmahls ist die eines göttlichen Zeichens
üijjläiiger, dafs er ein Glied der Gemeinschaft
ii sein und darum aller Güter derselben und
, Lutlier's Briefwechsel 1884, Bd. I, S. 331. Anders
n. Ausgabe II, T09f. , der den Sermon dem Oktober
552 GOTTSCHICK,
destinierenden Willen Gottes zurück; Glaube, Liebe und
Hoffiiung und Wort Christi bedeuten ihm auch etwas gam
anderes als Hus. Der Glaube ist ihm persönliche Gewüs-
heit der Gnade Gottes in Christo, nicht Fürwahrhalten eines
gröfseren oder geringeren Quantums von Lehren, die Liebe
eine Willigkeit des Anschlusses an Gott, die nicht .in einer
insgeheim eingegossenen Gnadenkraft, sondern in der &
fahnmg der Barmherzigkeit Gottes ihren Grund hat, die
Hoffnung nicht nur die auf die Zukunft, sondern die Zu-
versicht gegenwärtig von Gottes Liebe und Macht getragen
zu sein; das Wort Christi ist nicht das Gesetz, das die
einzelnen Handlungen normiert, ohne die Gewifsheit des
Gnadenstandes und der Zugehörigkeit zum Reiche Christi
geben zu können, und das der Ergänzung durch die Sakra-
mente als der Kanäle der zu verdienstlichem Handeln be-
fähigenden Gnade unbedingt bedarf, sondern das EvangeUum,
welches des Gnadenstandes gewifs macht und dadurch den
inwendigen Menschen umwandelt, und darum auch, ohne
dafs der Sakramente ausdrücklich gedacht würde, als er-
schöpfendes Merkmal der Kirche bezeichnet werden kamt
Die Anregung, die Luther von Hus' Definition empfangen
haben könnte, wäre also eine sehr unbedeutende; die Haupt-
sache hätte er immer selbst hinzugethan. Aber jeder Ge-
danke an diese an sich schon vor den Insinuationen Eck's
höchst imwahrscheinliche Möglichkeit wird dadurch ausge-
schlossen, dafs Luther gerade in dieser Schrift der Böhmen
zweimal mit Worten des herbsten Tadels gedenkt, als elen-
der Ketzer und Verräter Christi, die ihre Vernunft über die
Schrift setzen und in Uebloser Hoffahrt eine Winkelgemeinde
herstellen ^
Gleichzeitig hatte Luther, und zwar wiederum von seiner
Heilslehre aus eine Auffassung der Sakramente erreicht,
1) a. a. 0. S. 15 vgl. S. 16. 17: „Wir sind nicht wie die Deut-
schen, wir wollen es aus Gottesfurcht nicht mit der römischen Kir-
chen halten. Das ist so viel: Wir wollen in Gottes Namen zum
Teufel fahren und die Deutschen ins Teufels Namen zu Gott fiahren
lassen/^
BDB, LUTQEK CND ZWINOLI. 553
vermöge deren dieselben in den eben dargelegten religiösea
Kirchenbegriff sich barmoniBch einlugten. Dieselbe ist aas-
gesprochen in dem Sermon „de pocnitetitia", den Resolu-
tionen über die Äblafetbeaeii, in dem deutGchen Sermon von
der Bufse, der nach Enders vielleicht doch schon im Jahre
1518 selbständig erschienen ist, ehe er mit den beiden Ser-
monen von der Taufe und vom hochw. Sakrament des
h. wahren Leichnams Christi zusammen 1519 der Herzogin
Mai^reta gewidmet wurde '.
Von der Bedeutung der priesterlichen Absolution im
BuTasakrament ausgehend, ist Luther hier inbezug auf die
Sakramente überhaupt zu einer wesentlich gleichen Auf-
fassung gekommen. Inbezug auf das Bufssakrament führt
er aus, dafs das eigenthch wirksame in demselben das Ver-
heifsungawort Christi sei, dem es zu vertrauen gelte und
das dem Gläubigen, welchem Gott schon vorher die Schuld ver-
geben und Gerechtigkeit eingeflöfst habe, unter der VorauB-
setzung des Glaubens die volle Gewifaheit der Vergebung
und der Teilnahme an allen Gütern Christi gewähre. Bei
der Taufe und dem Abendmahl tritt an die Stelle des
Worta das bedeutsame Zeichen, das Orgau der Mitteilung
dessen, was es bedeutet, nur wird, indem diese Bedeutung
im Glauben verstanden und angeeignet wird. Der Sinn der
Taufe, des Untertauchens und Heraufhebens, ist, dafs Gott
mit dem Menschen eins wird eines gnädigen köstlichen Bundes,
der dahin geht, dais Gott anhebt, den heiligen Geist einzu-
giefsen und in einem fortgehenden Prozefs der Übung in
guten Werken und in Leiden Natur und Sünde zu töten,
dabei sich aber verpflichtet, die in der Natur fortdauernde
Sünde und die erneuten Fehler nicht anzurechnen , der
Mensch aber sieb verbindet, der Sunde abzusterben. Die
Bedeutung des Abendmahls ist die eines göttlichen Zeichens
für den Empfänger, dafs er ein Glied der Gemeinschaft
der Heiligen sein und darum aller Güter derselben und
1) Enders, Lutlier's Briefwechael 1884, Bd. I, S. 331. Ander»
Knaake, Weim. Ausgabe II, 709f., der den Sermon dem Oktober
1519 zuweist.
Ü
554 GOTTSCmCK,
sonderlich Christi teilhaft sein, sich ihrer Aufnahme temW ^
Sünden und Leiden getrösten and wiederum sich ihr ■ I >>
liebe und Mitgefühl verbinden solL Da es sich hier nl» I ^
all um Güter handelt , bei denen alles auf die penonliek § >
Gewifsheit derselben ankommt, so setzt sich Luther ds
traditionellen Lehre von der magischen Wirksamkeit 1b
Sakramente, nach der sie, im Unterschied von den AmbBA
nur bedeutenden Sakramenten des Alten Bundes, &
Gnade mitteilen soUen, wenn nur kein obex peccati mat^
tdlis vorhanden sei, mit der Erklärung entgegen, dali m
efßcacia signa gratiae nur unter der Bedingung des Gl»
bens seien. Non sacramentum, sed fides sacramenii jicsft-
fic^ ^. Bei dieser Auffassung sind die Sakramente aus da
unbedingt notwendigen Kanälen der Gnade zu relativ wert-
vollen, aber nicht unumgänglich erforderlichen Mitteln g^
worden, den Gläubigen seines bereits vorhandenen Besitxei
des einen Heilsgutes zu vergewissem. Sie sind ledig^
besondere Gestalten des Evangeliums. Und daraus zieht
Luther schon jetzt die Konsequenz, dals das Wort du
eigentlich Entscheidende und Unumgängliche sei, das Sakrif
ment an Wert überrage und darum fiir die Kirche von
höherer Bedeutung sei. Das Wort ist es, welches den
Körper der Kirche vermehrt, indem es den Menschen der
Gewalt des Bösen und des Fleisches entreifst, während das
Sakrament nur zur Erquickimg dessen dient, der schon zu
dem Leibe Christi gehört *. — Scheint dem zu widersprechen,
1) Opp. var. arg. II, 160 vgl. 242. Igitur nee sacramentum nee
sacerdos, sed fides verbi Christi per sacerdotem et officiom eiui
t6te justificat.
2) Resol. opp. var. arg. II, 25G. Quia nihil in eccleaia est
maiore cura tractandum, quam sanctum evangelium, cum ecclesia
aibil habcat pretiosius et salubrius. . . . Melius est enim omitteic
itcramentum quam evangelium non nunciare. . . Plus itaqne poo-
^fig%i evangelium, quam missam Deus, quia sine evangelio non vivit
homo in spiritu , sine missa autem vivit. . . . Deinde missa reficit
qoi jam sunt in corpore Christi, evangelium vero, gladios spiri-
* -•_ j;x D^u^.»,^4.U «A.1i:4- woao fnwtlu at ttntrtkt ««ArniM
IM. dsTorat cames, scindit Behemoth, tollit vasa fortis et äuget corpus
. missa nulli prodest, nisi iam vivo, evangelium prorsus
BUS, LUTHEK UND ZWfflQLI. 555
dars doch den Sakramenten der Bufse, der Taufe, des Abend-
mahls verschiedene Bedeutung vindiziert wird, den beiden
ersten die Bedeutung, der individuellen Sündenvergebung
zu versichern, dem dritten die Bedeutung, die Teilnahme
an der Gemeinschal't der Heihgen zum Trost in aller An-
fechtung dui'ch Sünde, Tod, Welt, Teufel zu verbürgen, so
ist doch die Dißereuz nur eine des Ausdrucks, der das eine
Mai mehr dies, das andere Mal mehr jenea Moment hervor-
hebt. Luther kennt nur e i a Heilsgut , die Teilnahme an
dem Leibe Christi oder an seinem Geiste. Inbezug auf
das Bufesakrament erörtert er in den Resolutionen, dafa
jeder Christ seiion durch den Glauben die Teilnahme an
eilen Gütern Christi und der Kirche besitzt, beides aber so,
dafs die Verbindung des Einzelnen mit Christus durch den
Glauben und durch die Einheit des Geistes oder dafs die Ge-
wifaheit, wie unsere Sünden sein und seine Gerechtigkeit unser
ist, eben als die Teilnahme an den Gütern der Kirche er-
scheint, die wir nur besitzen, indem wir unter einander Glieder
sind und einen Leib bilden '. In unvergleichlicher Weise
hat Luther in der „Tesseradecas" (1519) allen Trost und
alle Kraft, die der Christ wider Sünde und Kreuz hat,
darauf zurückgeführt, dafs er von Christus und der Kirche
getragen wird '.
Von dieser religiösen Anschauung vom Wesen der Kirche
und ihrer Heilsmiltel aus wird nun Luther zur Abweisung
der römischen Ansprüche als mit dem Wesen der Kirche
unverträglicher getrieben. Es ist für unseren Zweck un-
nötig, den Prozefs der Loaiüsung von der Anhänghchkeit
an die Autorität des herrscbeuden Systems mit seinen man-
nigfachen Schwankungen und Widersprüchen im einzelnen
wieder vorzutühren, nachdem dies durch Köstlin und Kulde
mehri'ach geschehen. Nur die Hauptpunkte sollen hervor-
gehoben werden , an denen seine religiöse Anschauung in
Konflikt mit dem System kommt, das auf arbiträre Autorität
Anspruch macht und die unbedingte Unterordnung unter
1) Ib. p. 237. 238.
2) Opp. rar. arg. IV, p. 125-
556 GOTTScmcx,
dieselbe ab Bedingung der Zugehörigkeit zu der Kirche,
anlser der kein Heil ist, hinstellt Was ihm die aner-
zogene und noch lange festgehaltene Pietät gegen dassdbe
raubt y das ist der flagrante Widerspruch, in welchen sich
seine Vertreter ihm gegenüber mit dem Mafsstab des Wortes
Gottes oder des Evangeliums stellen, den er als den för
die Kirche entscheidenden kennt, und der aus einer for-
mellen, hinsichtlich des Inhalts noch unbestimmten Autorität
ihm durch seine Heilslehre zu einer ebensowohl inhaltlich
bestimmten wie in ihrem Sinne imd in ihrer unbedingten
GlÜtigkeit zweifellos feststehenden Gröise geworden ist Zwar
ist es oft genug die formelle Autorität der Schrift, auf die
or rekurriert, aber in Wahrheit ist es nicht das formelle
Schf iiltprinzip, das er vertritt, sondern der Inhalt der Schrift
flült ihm eben mit dem dem Heilsglauben als sein Grund und
Gegenstand korrespondierenden Evangelium von der freien
silndenvergebenden Gnade Gottes in Christus zusammen.
Die römischen Prätensionen auf arbiträre Autorität der
WUnisohcn Kirche und des Papstes waren ihm in krasse-
ster Form in den „ Fundamenten '' entgegengetreten, welche
Silvester Prierias an die Spitze seiner Schrift gegen die
Ablufstheson j^jostellt hatte. Danach sollte die römische
Kirv^ho da^ Haupt allex anderen Kirchen sein, der Papst
virtujilitor dio Kircho in sich befassen xmd selbst der Schrift
orst n>/»Mr \aid OHciorüns verleihen. In gleicher Weise hatte
Oajotmi ihm die Zumut\mg gemacht, anzuerkennen, dafs
mit dorn Ausspruch einer päi>stlichen Dekretale eine Streit-
trÄ^* ein- tiir allemal entschieden sei. Dem gegenüber stellt
Luther in seiner Antwort an Silvester als das Fundament,
auf das hin er die Nichtigkeit der Thesen Silvester's be-
Ivauj^tet^ die Y erpdicht ur^ und die Berechtigung hin, alles
twich dem Maisstab der Sohritlt £u prüfen ^, behauptet, dals
d\e i\Mui^"he Kirv^he ä^ pit wie alle anderen Kirchen sich
t\ach der Koj^t^l d«\i^ Glaubens tu richten habe, nicht aber diesen
%iftrte TY^'^lw >Ä i\lleu *. uud erklärt dem Cajetan, dafs der Papst
HDB. LCTHER DSD ZWINGU. 557
^Bäcbt über, sondern unter dem Worte Gottes stehe ' — er-
^ftennt also nur als Autorität an, was durch Übereinstim-
^HDung mit dieser Norm sich legitimiert. Und er nimmt
^^Cajetan gegenüber tVir jeden Gläubigen das Recht in An-
spruch, über dem Papst zu stehen, wenn er bessere Gründe
tabe ^-
Ist liier das Schriftprinzip abstrakt vertreten und des-
halb Luther's Ablehnung der römischen Prätensionen nicht
au8 dem eigentlichen religiösen Zentrum des Kirchen begriffe»
hervorgegangen, so ist das letztere um so mehr der Fall
hei der Wertschätzung, die er der kirchlichen oder priester-
lichen Schlüsselgewalt beim Bufssakrament widerfahren läfst
Ledighch als Organ des Glauben fordernden Verheifaunga-
wortes kommt hier der Priester in Betracht; an dies Wort,
nicht an die Person des Priesters hat man sich deshalb zu
halten ' ; selbst der Papst ist deshalb der Diener des Gläu-
bigen in der Handhabung der Schliisael. Diese Schlüssel-
gewalt bedeutet also keine arbiträre Herrschaft, sondern
eine an inhaltlich bestimmte Mafsstäbe gebundene Dienst-
leistung *. Und in dem Sermon von der Bufse ist diese
Dienstleistung am Worte Christi sogar von der Gebunden-
heit an besondere amtliche Organe befreit, wie das in der
Konsequenz der bereits vurhandenen Anschauung hegt, nach
der es ja auf die Person gar nicht, sondern nur auf das
Verheifsungswort selbst ankommt, das im Glauben aufge-
nommen durch seinen Inhalt der Vergebung gewifs macht :
nicht nur der Priester, sondern jeder Ohrist kann dem ti-ost-
bedürftigen Bruder das Urteil sprechen: sei getrost, dir sind
deine Sünden vergeben *.
Gleichviel, ob der letztere Sermon wirklich schon aus dem
1) Ib. p. 374.
2; Ib. p. 3?3.
3) Ib. p. löB: i^on in Eocerdote, sed in verbo Christi oititor
renÜBsio iUa.
4) Ib. p. 243: nOD illiuB sunt claves, mese potioa sniit, mihi
donatae, meae ealuti, meae cOQsolationi , paci et quieti i
Pontifei servua est et minister mens in clavibus.
5) E. A. 2. A. W. W. 16, S. 33f.
558 OOTTSCHIGK,
Jahre 1518 stammt, es ist eine einfache Konsequenz ia
bereits erreichten Positionen, wenn in dem Sermon j,i
virtute excommunicationis" die Gültigkeit einer ongerechtei
Exkommunikation für Gott und ihre Fähigkeit^ der GemeiB-
Schaft der Eirche und ihrer Güter zu berauben, bestritia
wird. Das erstere hatte auch Thomas nicht zu behaaptoi
gewagt, wohl aber das zweite vermöge der integrierenden
Bedeutung; die er der bestehenden Rechtsordnung für da
Begriff der Eirche zuschrieb. Hier tritt uns nun Luthei'i
Gesamtanschauung von der Elirche in einem Schema ent-
gegen, das die Distinktion zwischen unsichtbarer und sidit-
barer Kirche noch deutlicher anbahnt, als das in der Aus-
legung des 110. Psalms der Fall war. — Dafs die Kirche
als communio fidelium zu definieren sei, war eine nie ver-
lorene Tradition. Selbst Sylvester hatte sie respektiert,
indem er die Kirche, esseniialüer betrachtet, so definierte:
Und wenn Luther seiner Behauptung gegenüber, dals der
Papst virttialiter die Kirche, das Kardinalskollegium sie
repraesentaiive sei, erklärt hatte, er kenne die Eürche vir-
tualiter nur in Christo, repraesentaiive nur im Konzil ^, so
hatte er jene Definition nicht abgelehnt, wie sie auch schon
in seinen ältesten Vorlesungen über die Psalmen begegnet ^.
Sein Begriff vom Glauben als dem Prinzip der Caritas und
spes einerseits und als dem Korrelat zum Worte Gottes
anderseits, ist es dann, was aus der traditionellen Formel
Luther's Anschauung von der Kirche hat erwachsen lassen.
Denn wenn die persönliche Gewifsheit des Glaubens an die
Vergebung der Sünde an der vom Wort bezeugten Offen-
barung der göttlichen Gnade in Christus ihren einzigen
Grund imd Stützpunkt findet und zugleich der Antrieb und
die Kraft zum christlichen Leben ist, so ist das Wort ledig-
lich durch seinen Inhalt, ganz abgesehen von aller menschlichen
Handhabung desselben, der Grund der Existenz der Ge-
1) Opp. var. arg. II, p. 22.
2) Seidemann, Luther's erste und älteste VorlesuDgeD über die
Psalmen aus den Jahren 1513—1516, Bd. I, S. 81 populom fidelem
ecclesiam meam.
Ht'S, LUTHEB UND ZWIMGU. 559
meiiide der Gläubigen; und der HeiUwert einer über der
Gemeinde der Gläubigen stehenden Anstalt, die mit souvo-
rSner Autorität ausgestattet und mit geheimnisvollen Kräften
zur Eingiefsung verborgener Gnade begabt ist, i^llt dabin,
weil diese Gemeinde an dem als Grund ihres Glaubens ver-
standenen Wort von Christus einen testen Mafsstab bat, an
dem alle Autor ität^ansprücbo sieb erst legitimieren müssen,
und weil sie in dem verstandenen Evangelium die Quelle
gewisser Gnade besitzt. Es ist also die Kirche gemeint,
wenn er von der communio ßdelium in jenem Sermon '
sagt, sie sei eine doppelte, einerseits eine innere geistliche,
nämlich in der Einheit des Glaubens, der Hotfnung, der
Liebe bestehende, anderseits eine äufsere und leibliche, näm-
lich die Teilnahme an den Sakramenten d. b, den Zeichen
von Glaube, Liebe und Hoffnung, wciterhiu an leibÜL'hem
Verkehr überhaupt Die Teilnahme an der ersteren kann
keine Kreatur geben oder nehmen, das steht Gott allein zu,
der altein Glaube, Liebe und Hoffnung geben kann ; durch
die Sünde achliefat sich der Mensch selbst von ihr aus.
Die kirchliche Exkommunikation dagegen betrifft nur die
Teilnahme an den Sakramenten und setzt ihrer Idee nach
die geistliche Selbstexkommunikatioa voraus , auch be-
raubt sie nicht der Güter und Fürbitten der Kirche.
Ist sie ungerecht, so ist sie unwirksam und nicht zu
furchten. Es wäre aber sehr falsch, wollte man hieraus
folgern, dafs für Luther die äufsere Kirche alle Bedeutung
verloren habe und die eigentliche Kirche zu etwas rein
Innerlichem geworden sei ". Dafs ihm die äufsere Gemein-
Bchaft dennoch nicht etwas ist, das für die communio fide-
lium gleichgültig wäre, ergiebt sich daraus, dafs er die
Kirche, welche die Rute führt, als die Mutter bezeichnet
und ihre Gewalt als die Gewalt Christi, und dafs er erklärt,
sie bleibe die süfse Mutter, die Kirche, die Braut Christi,
auch wenn sie durch unwürdige Diener strafe, und ihre
1) Opp. rar, arg. II, p. SuTsq.
2) Kolde, Luther's Stellung luKoozil und Kirche, S.29.
war die Kirche dann überhaupt noch?"
560 G0TT8CHICK,
Rute sei eine heilsame, nicht nur^ wenn me wirklich hm
Zwecke diene , den Gefallenen zurückzuftiliren ^ soudoi
auch; wenn sie ungerecht treffe, weil der, welcher gedaUg
unverdiente Strafe leide , auch gröfsere Gnade erhoiga
werde ^ Für Luther sind ja die Sakramente die Zachea^
welche den Gläubigen seiner Zugehörigkeit zur Gemeiih
Schaft der Gläubigen gewifs machen, und die Cxkommimi-
kation als solche raubt nur deshalb diese Gewilsheit nich,
weil sie die Taufe und vor allem das Wort nicht rauba
kann.
Hatte Luther bisher im Gegensatz zu den Ansprüdioi
auf arbiträre, über jede Prüfung erhabene Autorität ad
damit begnügt, die im Wesen der Kirche liegende Schranke
derselben, dafs sie an einen über ihr stehenden und jedem
zugängUchen Mafsstab gebunden ist, hervorzuheben, so
schreitet er Cajetan gegenüber dazu fort, aus dem von i&
Welt spezifisch verschiedenen Charakter der Kirche oder
des Reiches Christi die prinzipielle Folgerung zu ziehen,
dafs dieselbe ihrem Wesen nach nicht an eine weltlidie
Gröfse, wie es die römische Kirche ist, gebunden sein kann,
so sehr er den thatsächlichen Primat der letzteren noch auf
Grund von Rom. 13, 1 als eine göttliche Ordnung an-
erkennen will *. Damit hatte er einen zentralen Satz von
Hus erreicht und zwar in einer Formulierung, die auch bei
diesem vorkommt ^, wenn auch nur in der Luther damals
noch unbekannten Schrift des Hus. Aber er bedurfte auch
der Kenntnis der letzteren nicht einmal, um auf die For-
mulierung dieses Gedankens zu geraten, der seinem Inhalt nach
in der Konsequenz seiner Anschauung vom Reiche Christi
lag; ist doch jene Stelle des Hus ein Citat aus Augustinus
Homilien zum Johannes. Im übrigen aber trifi% Luther mit
1) a. a. 0. II, S. 310—312.
2) Ib. p. 388: qui nobis ecclesiam Christi tempori et loco
affixgrunt contra verbum Christi dicentis: non veniet regnum Dei
cum observatione.
3) a. a. 0. I, 246. Non in aliquem unum locom corporalem, sed
congregaTit in unum spiritum et unum corpus, cuius caput est
Christus.
HD8, LUTHER USD ZWINOU. 561
■IHos darin zasaimnen, dafs beide allen Anspruch der kirch-
ichen Amtsträger auf göttliche Autorität au die Überein-
■ ■tlmmung mit dem einem jeden zugänglichen Mafsatab der
l ßchrift binden , und dafa sie dem ungerechten Bann die
|£raft, aus der Kirche auszuBcblieiaen , aberkennen. Eine
I DiflFerenz besteht zwischen ihnen insofern, als Hus unter
f dem Worte Christi das evangelische Gesetz, Luther die
«vangeliache Verheifsung verateht, und als Hus beim Bufs-
eakrament aich auf das Genügen der innerlichen contriiio
zurückzieht, um die Gewalt des Priesters einzuschränken,
während Luther diea Beaultat vielmehr durch die Hervor-
hebung der Korrelation zwischen dem Verheifsungswort Christi
und dem Glauben erreicht.
Im März 1519 rückt nun durch Eck der Gedanke an
eine Gemeinschaft mit Hus in seinen Gesichtskreis; wir
Baben, wie sehr er aich dagegen sträubte. Aber ea steht
nun auch so, dafs die Weiterentwickelung seiner Anschauung
von der Kirche nirgends eine Beeinflussung durch die auf
der Leipziger Disputation berührten Sätze von Hus er-
kennen läfst. So weit es sich um die Gesamtanschauung
handelt, wird das bereits 1518 Gewonnene weiter entwickelt,
und polemiEcbes Material gewährt ihm das Studium der
Väter.
In der bereits im Frühjahr gedruckten Auslegung des
2. Psalms bebt er den geistlichen Charakter der Kirche
hervor, der im Gegensatz steht nicht nur zu dem weltlichen
Ehrgeiz der römischen Kurie, sondern auch zu dem An-
spruch, dafs dieselbe an einen Urt gebunden sein soll, während
nie über den ganzen Erdkreis sich zu erstrecken hat '. Die
Kirche ist von Gott über die Welt erhoben durch Glaube,
Liebe, Ho&ung und Tugenden, die Reichtum und Macht
1) Opp. Ist. XIV, p. 0!i: quanquam »ulli loco eit addiutn,
t«mea aecesfiariam erat ut iti aliquo cerlo loco cxordium habcrct (in
Zioo)', uode et pOBtea motSi cat In omtiem tcrram, ut impleretur iilud
Job. 4, ^1. Atque itA eccicsia iam nuUum locum et omnem locum
habet. Cf. p. (i9: bi Deum patrem inendacem facere conantur, ut
qni termmOB terrae Cbrieto aubjecerit, cui ipsi nedum Europam totam
«ubjiciunt
L
562 GOTTSCHICX,
der Welt v^-acbten. Dafe sie jetzt auch hierin erhabei
ist, ist ihr nicht eigentümlich, sondern peregrinus qmilm
Leviathan. Und es ist fraglich^ ob eine Kirche, die so beschain
ist, noch Kirche genannt werden kann. I>ie Kirche k
nur da, wo Christas Christum auf das reinste predigt Der
Anspruch der romischen Monarchie, dafe aulaerfaalb ihrer
kein Christ existiere, steht mit dem geistlichen Charakter
des Königreiches Christi, welches ein in geistlicher He3^
keit heiliges Volk ist, in Widerspruch ^. ZKe R^enug
der Kirche kann allein durch den Dienst des Wortes ge-
schehen cüra fiUum, qui nunc est, episcoporum tumtUiumK
In dem Kommentar zum Galaterbrief, dessen I>rack gleich-
fallp im Frühjahr b^onnen ist, spricht er von der codestii
ecclesia, die weder das mächtige Rom noch das heilige Je-
rusalem nee tdlum locum novit j . . sondern den Vater im
Geist und in der Wahrheit anbetet ', ja er sagt zu GaL
3, 28, sie heifse in der Schrift abscondiia et occulta,
weil sie eine Versammlung nicht der Priester, Mönche,
Bischöfe, sondern der Gerechten sei, die keine weltlichen
Kennzeichen besitzen ^. Und in der deutschen Bearbeitung
des Sermons vom Bann wird eine unsichtliche und eine
sichtliche Gemeinschaft der Heiligen unterschieden; nur
von der letzteren kann ein Bischof oder Papst absondern *^
und im Sermon vom hochw. Sakrament giebt er als Grund,
warum die Gemeinschaft Christi und aller Heiligen ver-
borgen, unsichtlich und geistlich geschehe, und nur ein sicht-
lich, äufserlich Zeichen derselben uns geben werde, n&mhch
im Sakrament, an, dafs wir sonst nicht gestärkt noch geübt
würden, in die unsichtlichen und ewigen Güter zu trauen
oder ihr zu begehren, sondern vielmehr geübt würden, nur
in zeitliche, sichtbare Güter zu trauen ^. Hier ist der Ge-
1) Ib. p. 61. 63. 66.
2) Ib. p. 70. 71.
3) E.-A. Comm. ad. Gal. III, p. 129.
4) Ib. p. 303.
6) W. W. 27, S. 52. 53.
6) a. a. 0. S. 43.
miS, LUTHER DND ZWINOLI. 663
mke der unsichtbaren Eirche, deren Realität freilich durch
ichtbare Zeichen dem Glauben gewährleistet wird, als eine
P Folgerung aus der Art der christlichen Heilsgüter erreicht.
F Dem entspricht ea, wenn er in der vor der Leipziger Dispu-
tation edierten Resolution über die 13. These die Kirche
als regnum fidei bezeichnet, weil ihr König nicht gesehen
sondern geglaubt wird, während die Aufrichtung eines sicht-
baren Hauptes sie zu einem refftium rerum praesenlium
machen würde '. Auch auf die Formel, dafa die Kirche
Gegenstand des Glaubens sei, ist Luther also selbständig ge-
kommen; er verdankt sie nicht der Anregung von Hua.
Der Gedanke von der communio fiilelium war bereit«
im Galaterbrief' zu der Antithese gegen die vulgäre Ansicht
ausgewachsen, dafs die empirisch erkennbaren Amtsträger
als solche die Kirche seien, und doch hatte Luther die Be-
deutung ihres amtlichen Thuns für die Erbauung der Kirche
gewifs nicht in Abrede stellen wollen. Einen wesentlichen
Fortschritt in der Lösung der Aufgabe, das Verhältnis einer
solchen Rechtsordnung zu der Kirche, die ihrem Wesen
nach an Rechtsordnungen nicht gebunden ist, zu bestimmen,
bezeichnet die bereits erwähnte Resolution über die 13- These,
in der Luther die Resultate seiner vorbereitenden Studien
niederlegt, und deren Argumente dann auf der Disputation
von ihm wiederholt werden. Hier tritt zum erstenmal die
Deutung der communio sanctorum des Symbols auf die
Kirche auf, die er dann immer festgehalten hat. Wie Rufin
beweise, sei dieser Artikel erst eine später zur Erklärung
des Artikels „h. katli. Kirche" hinzugesetzte Glosse, und
dadurch sei auf das glücklichste denen vorgebaut, die da
meinen, die Kirche sei ein Prälat oder etwas Ähnliches*.
Ob AuguatJn'a Gedanke von der cotnmunia sanctorum ihm
1) Opp. vnr. arg, 111, p. 383.
2) Bei Hua wird die communio sanctorum wesentlich als Gemein-
schaft der oberen and unteren Gemeinde gefafst und das PiSdikat
der Eeilipkeit für die Kirche nlclit auf die im Glauben gesetxt«
gegenwärtige Qualität ihrer Glieder, eODdem auf die zukünftige Bitt-
licbo VoUendung der Kirche be/ogen.
I
XL äoET FaaKi eetsAem bat? Ei
ADerdiogi
•7 iirar cibiK ne inj:H^ tqil agn Gf im hiiponkt der
•fiift sacft. kier für wmeo
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für Zvfii»±r rL r^v:cxi«:.:»rZ- Zrts^ 5_r:-i*. riLr» ex weiter
Xfc^ji 7.T:.-^r n-^N i-fc j^ I^lz J'jltjsC. rJf2LAz.'i jlis Christas
xiütirv Tfc 5L-: ^jT 1j: HtCTrs. ii^^fr -ir^r GlJec-sr, auch des
pACrKit:* itc^ ii^ "'• .r: ^.zz irfci 5>* r^ii. ifc an nichts
r^: iz-'i-tn. >.c jin. " 'i-iic :::^l t-ji Klcir iä* Kvii^ und
N;>i L^ikz KZii Lfi XirkzujJf £-c Sir:-je in jeder Ge-
ZL^fini- t:rri_-i. 'v-^ K^:.i»f ii J5C ir. ii.^ Evjtr.gelinm ge-
Z!rfi:;r: ^-i'i r^cli.--*' '»^iJ'l Ttidz:^ :>: >fi.r Gemeinde selb-
siL: i-^f Izl:u.>.::— i— »rr i_r::;_?:i»:-L Vf-^ij:: jilLr sind sie
•«••■• Mf
vu^ £:a3l r»ii . :uk' Tv^r»: I>r; gaiitt rer-
3>j'i sx;--.i;> c si*: l»i si: : iz r:^r-: i.;i-r: ^-.irtSk ^-rr: Ferra*, p. Sä5:
HUS, LUTHEK UND ZWINOLI. 565
kdarin eins, dafs sie durch das Wort Gottes gegründet sind;
l^arum hat keine vor der andern ein Privilegium. Christi
eich erstreckt sich üher den Erdkreis ; darum giebt ea
«ch aufser der Obedieoz des römischen Stuhls, nicht nur
Üriechenland , sondern auch in Indien und Äthiopien
risten , wie Luther nach dem Brief des Hieronymus an
Euagnus ausfüln't. Derselbe Hieronymua dient ihm
biuch als Zeuge dafür, dafs die Abstufung vun Bischöfen und
■Presbytern nicht ursprünglich ist. Die Einheit der Kirche
jigt, so erklärt er unter Berufung auf Cyprian auf der
Disputation, nicht von der Einheit des römischen Primats ab,
sondern nach Eph. 4 von der Einheit des Glaubens, der
Taufe und des Herrn.
So war Luther's Lehre von der Kirche, wie sie seiner
Heilslehre entsprach, und in ihrem treibenden Motiv, in der
Korrelation zwischen dem Evangelium von der freien ver-
gebenden Gnade und der persönlichen Gewifsheit des Heila-
glaubens, von der Gesamtanschauung des Hus speziEsch
verschieden war, in allem Wesentlichen zum Absclilufs ge-
langt, nicht nur ehe er Hus' Traktat von der Kirche kenuen
lernte, sondern auch elie Hus' Definition auf der Leipziger
Disputation ihm als eine evangelische zum Bewurstseiu kam.
Daher ist von vornherein zu erwai-ten, dafs es nur ganz
unerhebliche Einzelheiten sein werden, in denen sich nach
dem Eintritt jener Bekanntschaft eine „Anregung" durch
Hus könnte vermuten lasssen. Anderseits ist es völlig be-
greiflieb, dafs Luther von dem Mafs der zwischen ihm und
Hus bestehenden Ubei'einstinimung, das sich ihm bei der
Lektüre von Hus' Traktat aufdrängen mufate, so überwäl-
tigt war, wie es seine Aufserung in dem Brief an Spalatin
zeigt, und dafs die Erkenntnis der tiefgreii'enden Verschieden-
heit zwischen seinem evangelischen Kirchenbegriff und dem
doch nur eine Modifikation des katholischen darstellenden
Begriff des Hus sieb ihm entzog. Gegen Sätze, die denen
des Silvester ganz ähnlich lauteten, hatte Hub geleugnet,
dafs der Klerus die Kirche sei, dafs Papst und Kardinäle
als die Vertreter der römischen Kirche von Gottes wegen
die Obergewalt über die allgemeine Kirche hätten, dafs der
ZiiUebr, f. E.-O. VUl, 1. 37
566 QOTTSCHICK,
Papst das Haupt der letzteren, Petrus und sein Rechtsnachfolger
der Felä sei, auf den sie gebaut, dafs die Einheit der Kirche
auf der Oberhoheit des Papstes beruhe, dafs dem Klerua
ein dominium in der Kirche zukomme, dafa die Entschei-
dungen des Papstes oder des Klerus eine Autorität besäffeo,
die sich der Prüfung entziehe, dafs das Binden und Losen
der Priester ohne weitere Bedingungen für Gott gültig sei.
Und dagegen hatte er die positiven Sätze gestellt . dafs die
Kirche eine geisthche Gemeinschaft sei, durch Glaube, Liehe
und Hoffnung zur Einheit verbunden, gebaut auf Christna
als den einzigen Fels, geleitet von Christus als ihrem einzigeo
Haupte, ausgedehnt über den ganzen Erdkreis, Gläubige zu
ihren Gliedern auch da zählend, wohin des Papstes Herr-
schaft nie gereicht, nicht nur in Griechenland, sondern auch
in Indien, ein Gegenstand des Glaubens, der die Gewifaheit
des Unsichtbaren ist, dafa die ganze Kirciie, nicht Petrus
Inhaberin der clavcs sei, dafs die römische Kirche nur eine
Partikularkirchc neben anderen sei, denen die gleiche Digni-
tät wie jener zukomme, dafs Christus den in entfemtea
Landen Wohnenden nicht zugemutet habe, sich nach Rom
zu wenden , dafs die anderen Apostel dieselbe Gewalt em-
pfangen hätten wie Petrus und gegen ihn selbBtändig ge-
wesen seien, dafa die Schrift der unbedingte Mafsstab für
die Berechtigung alles Handelns in der Kirche sei , dafs es
bedeute, den Anspruch auf gottgleiche Verehrung erbeben,
wo man sich weigei-e zuzugestehen, dafs jeder Einzelne be-
rechligt und verpflichtet sei, an diesem Mafsstab alle Äu-
torltätsansprüche zu prüfen und den Gehoi-sam zu verwei-
gern, wo sie diese Prüfung nicht bestehen, dafs auch die
drohende Exkommunikation an der Ertullung dieser Pflicht
nicht hindern dürfe, weil sie im Falle der Ungerechtigkeit
nicht imstande sei von der Kirche zu trennen, dafs Gott,
nicht der Priester es sei, der die Sünde vorgiebt, dafs der
letztere nur als Diener Gottes und der Kirche fungiere, dafs
nicht nur die faktische Verweltlichung der Kiuie und des
Klerus, vermöge deren sie die Schafe scheren, statt sie als
Lehrer zu weiden, sondern schon der Anspruch auf do-
minivm und maiorilas mit dem nicht - weltlichen Charakter
H«S, LUTHER CSD ZWINOLI. 567
B^ss Reiches CbriBti in Widerspruch stehe. Alle diese Sätze
Loden ja bei Lather ihre oß wörtlichen Parallelen.
Dagegen sind es lediglich irrelevante Einzelheiten, bffl
denen man an eine „Anregung" durch Hub denken kann.
Rolde glaubt eine solche in der Ausführung über die Kirche
zu Psalm 16, 4 zu finden, tion congrcgabo conveniicala
eorum de sangitinibus , wo Luther eich energisch zu dem
jetzt vorliegenden Buch des Hub bekennt; dieselbe sei ganz
aus Hus' Traktat entnommen. Luther nennt die Kirche
dort eine congregalio spirÜualis hominum non in aligtiem
locum sed in eandem fidem speni et charitatem. Das klingt
allerdings an ein Citat aus Auguatin bei Hus an (I. 246),
aber an eins, das Luther schon vorher verwertet hatte. Hus
nennt auch, so viel ich habe finden künnen, nirgends die
Kirche eine cotigregatio spirilualis. Nur den Ausdruck
amgregatio kann man vielleicht wirklich auf Hub' Rechnung
setzen. Denn Hus beginnt damit, dafs ecclesia das grie-
chiaclie Woi-t für cffiigregalio sei (I, 243), das Weitere aber,
dafs der Artikel „katholische Kirche" im Sj-mbol die con^-
munio sanctorum bedeute, steht nicht bei Hus, und ebenso
ist das folgende, dafs, was unter die Kategorie Fleisch und
Blut falle, Person, Ort, Zeit, nicht zur Kirche gehöre, nichts,
was nicht Luther schon vorher ausgesprochen hätte. Der
Terminus spirUuaUs fidelium collectio kommt dagegen bei
Hus nicht vor.
Mehr Anklänge weist die Schrift „ Vom Papsttum zu
Born" (1520) auf- Das äufsere Schema, in dem Luther
Alveld darüber belehrt, was die Kirche heifse, ist Hus ent-
lehnt, der zu Anfang seines Traktats, sowie weiterhin die Be-
deutungen registriert, in denen der Terminus ecclesia über-
haupt genommen werde. Man versteht, sagt dieser, darunter
ein flauB zur Gottesverehrung ; femer die Kleriker einer
Kirche; man redet von einer Kirche der Böcke und der Schafe
(I, 24.'i). Kirche kann vere und nuncupative genommen
werden, das erste pro praedestinatis , das zweite für die
Versammlung der praesciti (I, 255). Oder aber fiir die
im Stande der praesens justitia befindhchen; oder für die
Mischung der letzteren und der Prädestinierten (I, 256).
37«
568 OOTTSCmCK,
So stellt auch Luther neben den richtigen schriftgemificii
Gebrauch von Kirche andere Weise von ihr zu reden, wo-
nach man die Kirche heifst eine Versammlung in ein
Haus, Pfarr u. s. w., und vor allem den geistlichen Stand,
die Bischöfe, Priester und Ordensleut, endlich die Häuser
zum Gottesdienst erbaut K Die Beschreibung der Kirche
im wahren Sinn, dafs sie sei die Versamndung aller Christ-
gläubigen auf Erden , die im rechten Glauben , Hoffnung
und Liebe leben und ob schon leiblich von einander geteilt
tausend Meilen, doch eine Versammlung im Geist heifsen,
weil ein jeder prediget, glaubet, hoffet, liebt wie der andere,
die in geistlicher Einigkeit steht, ohne welche keine Eimg-
keit der Statt, Zeit, Person, Werk eine Christenheit macht,
die auch nicht an Kom gebunden ist * — diese Beschreibung
klingt natürlich an Hus an, der gegenüber der gleichen
Behauptung, dafs die Christenheit auf Erden, um nicht zu
zerfallen, ein leibliches Haupt, den Papst, haben müsse, in
ähnlicher Weise dem politischen Kirchenbegriff einen reli-
giösen entgegensetzt, ähnlich von der gegenwärtigen Einheit
der Elirche redet, aber dabei sofoi-t auf die Einheit des
Ghrundes in der Prädestination zurückgeht, deren Luther
gar nicht gedenkt. Aber so hat Luther auch schon sonst
geredet. Ebenso klingt es an Hus an , wenn er diese
Christenheit als Glaubensgegenstand bezeichnet mit der Be-
gründung, „denn was man glaubt, das ist nicht leiblich
noch sichtHch'*. Doch hatte er so auch schon früher sich
ausgedrückt. Und von den beiden Merkmalen, auf die er
dies Prädikat der Kirche hinausführt, dafs man nicht weifs,
wer heilig oder gläubig, und dafs diese ganze Christenheit
nicht nach dem Leib an einem Ort versammelt werden
könne ^, findet sich nur das erste bei Hus, aber in der
Abwandlung, dafs die gratia perseverantiae an den Einzel-
nen unerkennbar sei (I, 254). Ebenso wenig findet sich
bei Hus die ergänzende Erklärung, dafs Taufe, Sakrament
1) W. W. E. A. XXVII, 101—103.
2) a. a. 0. S. m. 97.
3) a. a. 0. S. 108. 102.
HÜ8, LUTHER UND ZWINQLl. 569
>d Evangelium als die, welche Cliriaten machen, Zeichea
ÄK^d, an denen man äuraerlich merken kann, wo dieselbe
^iiche in der Welt ist (S. 108). An Hus klingt ferner an,
^%k.fe allein Christus daa Plaupt der Christenheit sein könne,
^*"^il er aliein die Funktion des Hauptes erfülle, dafs es in
^"^ine Gliedraafae einfliefae allea Leben, Sinn und Werk,
^^laube, Liebe und Hoffnung ', oder dafsLuther hervorhebt, wie
*-**. der römischen Einigkeit das mehrere Teil dea Haufens
^*»n ihres Unglaubens und bösen Lebens willen nicht in der
fe«iatlichen Einigkeit ist, wie also die Zugehörigkeit zur em-
X*irischen Kirche nicht über die Gliedschaft an der wahren
S.irche entscheidet ". Das sind aber sämtlich ganz gleichgültige
Kleinigkeiten. Eine wirklich belangreichcEinwirkungvonHus
luge vor, wenn er sich durch das von ihm entlehnte Schema
verschiedener Bedeutungen des Wortes Kirche, welches ohne-
bin Hus' Gesamtanschauung gar nicht deuthch macht, da
derselbe nicht verschiedene wirkliche Kirchen, sondern ver-
schiedene Anwendungen des Wortes Kirche einander gegen-
überstellt, zu der Nebeneinanderstellung von geistlicher und
leiblicher Christenheit, die in dieser Schrift vorliegt, hätte
filbren lassen. Das Verhältnis der leiblichen und äufser-
liehen Christenheit zu der geistliehen wird ja erst zuletzt
seiner eigentlichen Ansicht entsprechend gefafst, wenn er
W^ort und Sakrament als Grund und Zeichen der letzteren
nennt. Vorher giebt er sehwankende und ungenügende Be-
BÜmmungen. Zuerst heiTst es: von der leiblichen, wo sie allein
ist, steht nicht ein Buchstab in der Schriit; dann: sie verhält
sich zur geistlichen, wie der Leib zur Seele; sie ist not-
wendig, weil, wenn auch die im Glauben einträchtige Ge-
meinde sich nicht an einem Ort verBamraehi kann, doch
ein jeglicher Haufe an seinem Ort leiblich versammelt wird ;
sie macht keinen wahren Christen, aber sie bleibt nimmer
ohne etliche, die wahrhaftige Christen sind.
Ohne diese Nebeneinanderstellung hätte er seine wirk-
liche Anschauung viel klarer entwickeln können , wenn
1) a. «. 0- S. 104-105.
i
570 GOTTSCHICK,
er sofort auf die sichtbaren BediDguDgen der geisdichen
Christenheit reflektiert, die Notwendigkeit der Übertragung
der Ausübung der Schlüssel an bestimmte Personen mid
die daran sich möglicherweise anschlielsende Inkongraens
zwischen beiden Christenheiten aufgezeigt hätte. Die Dar-
stellung seiner Lehre von der Kirche in dieser Schrift ist
es vornehmlich, welche an den späteren Fehlem in der
Distinktion zwischen der unsichtbaren und sichtbaren Kirche
die Schuld trägt, während die in der Konsequenz seiner
Anschauung von der Zusammengehörigkeit der GremeiDde
der Gläubigen und dem Worte Gottes gel^ene Beantwortung
der Frage, wie das Prädikat der Kirche der empirischen
Gemeinschaft, welcher Heuchler beigemischt sind^ zukommen
kann, in späteren Schriften viel zutreffeoder ausgefallen ist
So, wenn er in der Auslegung des 118. Psalms von 1530
die gottlosen Päpste und Bischöfe mit Wiederholung de»
Bildes von Augustin und Hus mit Speichel, Rotz, Eiter,
Schweifs u. s. w. vergleicht, die auch in und am Leibe
sind und die der Leib tragen mufs, ohne dafs sie zu ihm
gehören ^ Oder, wenn er im grofsen Kommentar zum Ga-
laterbrief von 1535 erklärt, der ganzen Gemeinde, die Wort
und Saki*amente habe, komme um deswillen das Prädikat
der Heiligkeit zu, weil, was von dem Teil gelte, an dem die
Heilsmittel wirklichen Erfolg haben, ^)er synecdochen auf
das Ganze übertragen werde ^. Oder wenn er in der
Schrift „V'on Conciliis und Kirchen*' (1539) von den dem
Volke Gottes, welches als Subjekt und Effekt des Wortes
Gottes durch den Glauben zu statuieren ist, heimlich beige-
mischten falschen und ungläubigen Christen sagt, dafs sie
das Volk Gottes nicht entheiligen ^, Oder wenn er in der
Schrift „Wider Hans Wurst" (l54l) bei aller Anerkennimg,
dafs unter dem Papsttum wegen Wort und Sakrament
u. 8. w. rechte Christen sind, die päpstliche Kirche als des
Teufels Kirche oder Hure bezeichnet, die in der Kirchen
1) W. W. XU, S. 72.
2) E.-A. Comm. in Ep. ad. Gal. I, p 40. 41.
3) W. W. XXV, S. 363.
HU8, LUTHER OND ZWlHGLt. 571
, aufgerichtet wird , von solchen , welche nicht von der
. Kirchen oder nicht Glieder der Kirche Bind, wie auch im
Alten Bunde und zur Zeit ChriBti Heuchler in der Kirche
gewesen sind '. Hier überall ist die Kirche als einheitliche
Gröfse aufgefarst, die, obwohl ihrem Wesen nach aus Gläu-
bigen bestehend, doch gar nicht, auch nicht vorlSufig, wie
in der Schrift vom Papsttum zu Rom, ohne die Gemein-
schaft an Wort und Sakrament vorgestellt wird. Das ist
freilich nicht die Meinung, als ob es Luther's Anschauung
eigentlich widerspräche, wenn man das Wesen der Kirche
nach der Beschaffenheit der einzelnen Glieder, also noch
ilirem Glauben bestimmt, wie das bei einem neueren Be-
bampfer eines atomistischen Gemeinachaftsbegriffea und Ver-
treter von Luther's Kirchen begriff fast so herauskommt, und
als ob die so zu sagen unperaönlichen Gröfsen von Wort
und Sakrament für sich als Merkmale der Kirche aus-
reichten. Das jffürde zweifelsohne wieder darauf hinaus-
führen, die Kirche als Anstalt mit sachlichem Gepräge zu
&ssen. Es ist vielmehr durchaus erforderlich , um jene
Merkmale der Kirche nach Luther richtig au verstehen,
dafs die Gläubigen als ihr Subjekt nicht minder wie als
ihre Wirkung mitgedacht werden. Die Kirche als Gemein-
schaft des Evangeliums und als Gemeinde der Gläubigen
sind für Luther Wechsel begri ffe ; aber eben deshalb ist
auch die Nebeneinandersteilung einer geistlichen und leib-
lichen Christenheit, die sich wie konzentrische Kreise ver-
halten, kein adäquater Ausdruck tiir seinen Gedanken,
nach welchem die Kirche eine einheitliche GrÖfse ist, die,
obgleich eine in den Funktionen von Wort imd Sakrament
sichtbare Gemeinschaft, doch unsichtbar heifsen mufs, weil
lediglich das Urteil des Glaubens in Wort und Sakrament
die Gewähr fiir das wirkliche Vorhandensein der wahren
Kirche erkennt.
Trotz der in der Schrift gegen Alveld vorliegenden
relativen Inkongruenz der Darstellung mit Luther's früheren
and späteren Ausführungen dürfte es dennoch nicht aweifel-
1) W. W. XXVI, S. 28. 29. 37. 38. 47.
572 GOTTSCmCK,
los sein, dafs der Ghrond der vorläufigen Nebeneinander \%
Stellung der geistlichen und der leiblichen Christenbeit in
einem Müsverständnis hassischer Schemata zu suchen ist In
dem (Gegensatz gegen AlTeld's rein empirische Anffassnng
der Kirche nach Analogie einer irdischen Gemeinschaft, aat
der derselbe die Notwendigkeit eines leiblichen Hauptes der
Kirche gefolgert hatte, dürfte doch eher der Grund dsfiur
zu suchen sein, dafs Luther den prinzipiell geistlichen, über
weltlich poUtische Mafsstäbe hinausliegenden Charakter der
wahren Kirche ^ in den Vordergrund gestellt and durch
den Unterschied derselben von der empirischen , leiblichen,
mit Ungläubigen untermischten äuTserUchen Christenheit, die
wirklich „durchs geistUche Recht und Prälaten'" r^ert
wird, illustriert hat.
Dag^en dürfte es nicht zu bezweifeln sein, dafs Luther
Hus die oben dargelegte Aneignung der augustinischen For-
meln verdankt, nach welchen die Ungläubigen, wenn in
der Kirche, doch nicht von der Earche sind, oder für
die gläubige Beurteilung der Kirche nicht in Betracht kom-
men. Denn in dem kleineren Kommentar zum Galaterbrief
vom Frühjahr 1519 hat er bei der Auslegung der Adresse
ecclesiis Galatiae, die ihm im grofsen Kommentar den An-
lafs zu der vorher erwähnten Ausfuhrung über den synek-
dochischen Gebrauch des Prädikates Kirche gegeben hat,
auf Anregung von Hieronymus das Problem aufgeworfen,
wie die vom Irrtum depra vierten Gemeinden doch Kirchen
heifsen können. Aber er hat es nicht dogmatisch, sondern
nur ethisch gelöst, indem er sich gegen die Häretiker er-
klärt, welche die Kirche ein Babel nennen, weil sie Böse in
sich schliefst, während sie sich allein als Heiligen den Na-
men der Kirche anmafslicherweise vindizieren. Wenn es
Böse gebe in einer Gemeinde, so sagt er, so gebiete
es die Liebe , alle Mittel aufzuwenden , damit sie zu
1) W. W. XXVII, S. 103. Wie kann hier ein Mensch regieren, das
er nicht weifs noch erkennet? Wer kann aber wissen, welcher wahr-
haftig gläubig ist oder nit?
2) a. a. 0. S. 102.
HUSy LUTHER UND ZWINGU. 573
^ Guten werden, nicht aber dürfe man ein Schisma an-
■ richten ^
^ Femer mag Luther eine Befestigung in dem Gedanken,
i da(8 der Papst der Antichrist sei, der ihm gelegentlich des
i Studiums der Dekretalen schon aufgestiegen war ', der Lektüre
I von Hus verdanken. Wenigstens spricht er es im Juni 1520
1 zuerst mit voller Schärfe öffentlich aus, dafs der Papst der Anti-
; Christ, Rom Babylon und die römische Kurie die Synagoge des
I Satans sei '. Und als er 1521 gegenüber Ambr. Catharinus von
i dem Gefüge der päpstlichen Gewalt und seiner Untergebenen,
I das dieser mit der Elirche identifiziert, erklärt, derselbe
könne nicht nur nicht beweisen, dafs dies die Kirche sei,
sondern gebe die Synagoge des Satans, in der der Geist
des Satans herrsche, als die Kirche aus, die doch der Geist
Gottes regiere, so ist er sich der Übereinstimmung mit Hus
sehr wohl bewufst; denn er fährt fort: noli hie clamare
Hussiiam, clamor non solvü argumenta *. Wenn er hier
vorher in ähnlicher Weise wie Hus leugnet, dafs die rö-
mische Kirche, ja eine äufsere Kirche überhaupt, die Matth.
16, 18 gemeinte sei, weil die wahre Kirche ohne Sünde
sein müsse, weil über sie die Pforten der Hölle keine Ge-
walt haben, während es zutage liege, dafs der Papst und
die in sichtbarer Verwaltung ihm Unterworfenen sündigen
und gesündigt haben ^, so hat er nicht nur dies Argument
schon vor der Leipziger Disputation vorgetragen (vgl. S. 564,
opp. var. arg. HI, 307), sondern es besteht auch jetzt der
Unterschied, dafs Luther die Gesamtheit der jeweilig Gläu-
bigen als diese gegen Sünde und Hölle gesicherte Kirche
denkt, während Hus die sich damit nicht deckende Gröfse
der Zahl der Erwählten vor Augen hat **. Endlich mag
1) E. A. Comm. in ep. ad. Gal. III, p. 151. 152.
2) DeWette, Luther's Briefe I, S. 219.
•0 Opp. var. arg. II, 79.
4) Ib. V, 300.
5) Ib. V, 294. 295.
6) a. a. 0. I, 257, 1 : videtur . . ecclesia accipi pro omnibus . .
qoi post resurrectionem eius erant superaedificandi in ipso per fidem
•t per gratiam consummantem.
IV.
Die frühesten AufserungeD; aus denen sich Zwingli's An-
schauung von der ELirche entnehmen läfst, finden sich in
dem Archeteles von 1522; dieselben stimmen überein mit
den Ausfuhrungen über das Wesen der Eärche, die in einer
Reihe von Bekundungen der Jahre 1523 bis 1525 vor-
574 OOTTSCHICKy
die Bduamtachaft mit Hos mii disa beigeftngen hmben, dii K
er im Jahre 1520 die mngiutimache Stmataidee in der L
Wendong Tertreten hat, dab die wdtliche Obrigkeit ab li^
Glied des christlichen Körpors vor Qott Pflicht und Reck ||
habe, die Reform der Sjurche selbsttndig und auch wider
den Willen der Hierarchie ansnstreben.
So Iftlkt sich denn behaupten, dals Luther seinen eigen»
tOmlichen Kirchenbegriff nicht dner Anregung yon Eh»
▼erdankt, sondern ihn von seiner HeiUehre aas hinaichtlidi
seiner religiösen Ghrmdgedanken TöUig sdbstSndig entwiekek
hat, und dafs auch die später angetretene Bekanntscbsft
mit Hus ihm keineriei wesentliche Förderung hat gewihrea
können. Insbesondere mu6 noch darauf hingewiesen
den, dafs er den Schlulsstein seines Eirchenbegriflks,
Erkenntnis, dafs unter den Christen vermöge des allgemei-
nen Priestertums kein Unterschied ihres geistlichen Cha-
rakters obwaltet, dais die regelmäfsige Verkündigung des
Worts und die Verwaltung der Sakramente nur die Ausübung
eines an sich allen zustehenden, nur um der Ordnung wiUen
von der Gemeinde auf taugliche Einzelne übertragenen Amtes
ist, völlig selbständig gewonnen hat Von den Prämissen
seiner Heilslehre aus hatte Hus keinen W^ zum Bruch
mit dem katholischen Priesterbegriff und damit zu der Er-
kenntnis gefunden, die erst die rechtlichen und religiösen
Merkmale der Kirche in das Verhältnis setzt, durch welches
der katholische Kirchenbegriff definitiv ausgeschlossen ist
HUS, LUTHER TND ZWINOLI. 675
Bgen '. Damit ist die Möglichkeit in viel stärkerem Mafse
» bei Luther begründet, dafa Hub auf seinen Kirchen-
f^iff Einflufs geübt; denn er hat damals Hus' Traktat
.Tber die Kirche längst gekannt, scliickt er ihn doch schon
Pfin 6. Juli 1520 an Myconius mit der Bitte um Rück-
IBlldung *. Allerdings hat er auch die Schriften gekannt,
"^ft welchen Luther's neuer Kirchen begriff zum Durchbruch
nskommen war. Ustcri hat kürzlich den Nachweis geliefert^
*wfe er Luther's Resolutionen über die Äblafstheaen , die
'tpchriften gegen Prierias, die Sermone „de poeniteniia", „de
Hndtiigenliis", „de virtute &rcotnmunicalionis", die auf die
• Leipziger Disputation bezüglichen Schriften , insbesondere
"die Ausiiihrungec über die 13. These in Besitz gehabt".
Zwingli unterscheidet nun bekanntlich in seinen letzten
Schriften von 1530 und 1531 sichtbare und unsichtbare
Kirche, definiert die letztere als Gemeinschaft der Erwählten,
' und stellt beide so nebeneinander, dafs es nicht unberech-
■ tigt ist, zu sagen, Kirche sei ihm nur der gemeinsame Aus-
druck iur zwei begrifflich ganz verschiedene Gröfsen, für
eine religiöse und für eine politisclie Gemeinschaft. Für
Kraufs und Seeberg ist es eine sei bstvers ländliche Voraus-
setzung, dafs Zwingli dort unter dem direkten Einflufs von
Hufs stellt. Kraufs schreitet sogar zu der Behauptung fort,
es sei nicht möglich, Zwingli's Lehre darzustellen, ohne dafs
man diese Anschauung, als die ursprüngliche, von der die
Reformation ausgegangen sei, in den Vordergrund stelle, und
fUlirt demgemäfs auch die Lehre der oben bezeichneten
1) 67 Scblulsredeu für die I. Züricher Disputation (29. Januar
1623); „Uilegnng" derwibcn u. Akten der Disputation, vgL Zwingli'g
Werke hcrauagegebeo von Scbulcr und Schulthefs I, S. 114 — 424;
„ de amonc mis»ae rpichirexis " vom Augast 1523 (Opp. lat. 111, p. 8.tgq.) ;
Akten der n. Züricher Disputation vom 36.-2«. Oktober 1523 (W.W.
I, 4595.); „der Hirt" rom Frühjahr 1524 (W. W. I, G31)i „Antiltolon
advenma Hieronymum Emteiinn canonü mwsae adnertorei't" vom
August 1524 (Opp. ist. III, p. 12lBq.); AntiruTt au Valentin Compar
von 1526 (W. W. II, 1 ff.).
a) Opp. VII, p. 139.
3) Thcol. Studien und Kritiken 188G, Heft 1(J
576 00TT8CHICK,
Schriften der ersten Jahre, nach denen Kirche das eine
Mal die Zahl aller Christgläubigen und das andere Mal die
einzelne Ealchhöre bedeutet, aut Abhängigkeit von Hut
zurück ^ Seeberg dagegen findet die Abhängigkeit von
Hus nicht wie Kraufs „in die Augen fallend'*, weil der
Prädestinationsgedanke noch nicht in mafsgebender Weise
auf den Kirchenbegriff übertragen sei, sondern meint, Zwingfi
habe hier in allem Wesentlichen dieselbe VorstellungsweiBe
wie J. V. Wesel und J. Wessel, ist aber im übrigen damit
einverstanden, dafs Zwingli schon hier für begrifflich ganz
verschiedene Dinge denselben Ausdruck Kirche gebraucht hat,
und urgiert die spezifische Verschiedenheit der Anschauung
Zwingli's von der Luther's. Ich hoffe darthun zu können,
dafs beide Gelehrte in ihrer Auffassung sich geirrt haben,
dafs Zwingli vielmehr in den oben genannten Schriften in
der weitgehendsten Weise von Luther abhängig ist
Für die irrtümliche Auffassung beider Gelehrten dürfte
zunächst der Grund darin zu suchen sein, dafs sie unter-
lassen haben, sich die Frage zu stellen, aus welchem prak-
tischen Bedürfnis Zwingli's Aufserungen über die Kirche
entspringen. Derselbe sieht sich nun zu solchen durchweg
veranlafst durch den Anspruch der Römischen, dafs Papst
und Bischöfe oder Konzil die Kirche Christi seien, der alle
Hoheitsprädikate gebühren (Leib und Braut Christi, die
eine allgemeine heilige Kirche, ohne Flecken und Runzel,
die er mit seinem Blut erworben, die nicht irren kann), dafs
demgemäfs die Reformationsbestrebungen eine Empörung
wider die göttliche Ordnung und eine Sünde wider die
Kirche seien. Von dieser Voraussetzung aus hatte der
Bischof von Kostnitz die Anklagen erhoben, auf die Zwingli
im Archeteles * antwortet, hatte Martin von Tübingen auf
der ersten Züricher Disputation erklärt, dafs die auf den
Konzilien versammelte Kirche nicht irren könne ^ , war
Zwingli von Sebastian Hofmeister auf der zweiten Züricher
1) a. a. 0. S. 21.
2) Opp. I, p. 53. 70 etc.
:i) W. W. I, S. 189.
HUS, LUTHER UND ZWISQLl. 577
putation gebeten, darzulegen, was die Kirche sei, da die
Der behaupteten, die rümische Kirche müsse es alles
eine Versammlung wie die ihrige hier sei gänzlich
elugt '. Eb diirl'te sich schon aus dieser praktiacheu
b'veckung abnehmen lassen, dafa es nicht genügen konnte,
c»» Zwingli mit der Aufstellung eines ganz unfafsbaren
&.len Kirche ubegrifFea die Ansprüche der Römischen ab-
ö»; das positive Bedürfnis, das eigene reformatoriache
ndeln als kirchhch legitimiert darzuthun, war damit noch
fat erfüllt.
ZwingU stellt allerdings zunächst die verschiedenen Be-
deutungen des Wortes Kirche einfach neben einander. Aber
Lese empirische AufzShlung hat keine andere Bedeutung
lIs die, festzustellen, in welchem mehrfachen Sinne das
Vort Kirche in der Schrift gebraucht werde, um dadurch
.en römischen Prätenaionen von vornherein den Grund zu
Dtziehen *, da die Schrift nichts davon wisse, dafs die Bischöfe
ie Kirche seien. Darum präjudiziert diese vorläufige Neben-
inanderstcUung dem gar nicht, dafs für Zwingli die he-
'efienden Gröfsen innerlich notwendig auf einander bezogen
ind.
Kirche, so sagt nun Zwingli, als Übersetzung von Kahal
der tAAX^aia, ist nicht ein Haus, sondern eine Versamm-
ung, eine Gemeinde oder ein Volk. Die Schrift redet aber
on ihr in zwei Bedeutungen. Einmal hat sie dabei die
iahl aller Christgläubigen oder aller frommen Christen
m Auge. Sie ist es, von der Matth. 16, lüff. redet, die
lemeinde der auf Christus den Fels Gebauten, die Menge
lerer, welche bekennt, so wie Paulus bekannt hat '. Und
iwar ist es der Glaube im spezifisch evangelischen Sinn, den
>wingli dabei im Auge hat, als persönliches Vertrauen zu der
a Christus geo&enharten, Sünde vergebenden Gnade *. Schon
1) W. W. I, s. ins.
2) W. W. I, S. 197.
3) W. W. I, 197. 198. 409,
4) W. W. I, 469. 656; die kikh wird eiuest ... Tür alle die ge-
lommen, die all ihr Euveraicht UDd aicherung des heila uf Cliriatua
;ebuiTet haben. Opp. lat. III, 136. 67 uticuli I— VIO.
578 OOTTSCfflCK,
dies begründet einen wesentlichen Unter8chied von J. v. Weid
und J. Wessel; bei denen die fides als ckaritaie formsk
über die Zugehörigkeit zur Kirche entscheidet. Dagega
hat Seeberg darin Recht, dafs der Prädestinationsgediab
in den diesen Zeitraum erfüllenden Auseinandersetzanga
mit den Römischen noch keinen bestimmenden G^
flufs auf ZwingU's Eirchenbegriff ausübt , obwohl er
auch jetzt schon einmal die Kirche aJs ^>die gands-
same aller userwählten glöubigen^' definierte So g^
wifs er so gut wie Luther die Prädestinationslehre tob
Anfang an geteilt hat; so ist doch fiir seine reformatorisde
Thätigkeit und Anschauung nicht sie, sondern das Evaih
gelium von der Vergebung in Christus mafsgebend. In
diesem evangeUschen Glaubensbegriffe ist es femer begründel,
dafs jeder, der zur Barche gehört, um seine Gliedschaf^ an der
Kirche oder an Christo weifs, dafs die Kirche insofern Lob
Christi ist, als Glieder desselben alle sind, die durch den
Glauben in ihm, dem Haupte leben (Art. 8) *. Die Kirche
in diesem Sinne ist ferner identisch mit der Gemeinde der
Heiligen, von der das Symbol redet. Die hier gemeinte
Heihgkeit ist eine gegenwärtige Beschaffenheit der Christen,
die mit dem Glauben gegebene Gerechtigkeit, welche Christas
durch sein Blut erworben. Der betreffende Passus des
Symbols darf nicht auf die Vollendeten im Himmel bezogen
werden. Rufin's Schweigen über denselben beweist, dafs er
erst später hinzugesetzt ist, um anzudeuten, was unter ecclesia
catholica zu verstehen sei ^.
Aus dem wesentlichen Merkmal der Kirche , welche
Gegenstand des Glaubens ist, ergiebt sich ihr Umfang, den
das Symbol mit dem Prädikat der Allgemeinheit bezeichnet
1) W. W. I, 198.
2) W. W. I, 204 hat er all sein Zuversicht, hoffnuDg und trost
zu Gott durch Christum Jesum, so ist er in der kilchen.
3) art. VI 11 ecclesia seu communio sanctorum W. W. I, 200.
Opp. lat. III, 127 : Uua forinosa columba, ab omni labe libera . . sunt
quotquot sc Christi sanguine redemptos ac ei velut speciosam sponBsm
copulatos inconcusse credunt. Qui in Christo nitontur, sine mga
sunt et macula, eo quod Christus sine bis ipsis est, qoi noeter est.
BVR, LCTHEB UND ZWINGU. 679
Derselbe erstreckt sieb durch alle Zeiten und Räume. „Also
und alle glüubigeo, die je warend und iemer mee werdend,
nur ein kilch, die ein gemabel Jesu Christi ist; denne er
hat sich für ay hingegeben" '. Zum anderen lautetauf die
Frage, wo diese Kirche sei, die Antwort: „durch das ganze
£rdi'eicb hin" '.
Liegt es im Wesen der Kirche, Versammlung zu sein,
Bü ist femer zu fragen, wo sie zuBammenkommt und also
lür uns eine empirische Gröfse wird. AVegen ihrer Er-
streckung durch alle Zeiten und Räume kann sie liier auf
Erden nie zusammen kommen. Als die eine tmd allgemeine
wird sie sichtbar versammelt erst am Tage des Gerichts.
Bis dahin ist sie tiir uns ein Gegenstand des Glaubens, der
nur vor den Augen des Geistes als Wirklichkeit dasteht.
Nur im Geist Gottes und im Glauben ist sie jetzt bei ein-
ander. Kurz, sie ist als Ganzes, wie hinsichtlich der Ein
zelnen, die zu ihr gehören, uns jetzt nicht sichtbar. Gott
allein, der das zeitlich und räumlich Getrennte gegenwärtig
schaut und die Ueneen prüft, kennt sie in ihrer Einheit
und Allgemeinheit so wie nach der Zahl ihrer öneelnen
GUeder ».
I) W. W. 1, 4G9. Seeberg hat diese Stelle übersehen, wenn er meint,
dsTa Zwingli auf die Erstreckung der Kirche durch alle Zeiten erst
später im direkten Zasanimenhang mit dem Prädestiualtonsgedanken
reflektiert habe. Auch sonst rechnet Zwingli schon in dieser Zeit
die altteatamentlicbe Gemeinde mit eut Kirche (Opp. lat. III, 126X
■2) W. W. I, V.>1: Opp. kt. I, 469; III, 'Jl also dal«, welcher in
ladia ist und gloubl, dafs uns Gott Binen sun J. Christum eu einem
Heilacd geben hat, der ist ein glied der gxnzeii glöubigen gemeind
gljrcb als wol als der za Zürich wont und den glouben hat.
3^ W. W. 1, 1518. Ist sy ein Versammlung, wo kummt sy zemmen?
Antwurt: Hie kämmt sy durch den geist gotles zemmen in einer
hoffnUDg, und dort bei dem einigen Colt. Wer kennt sy? Gott. —
I, '200 in derselben sind nlle frommen Christen, die erst by Gott
weseutlicli versammelt werden nach diaem eyt ; aber diwyl sy hie iat,
■D lebt sy allein in der Hoffnung und kummt sichtbarlich nÜntmer
:n, aber iu dem liecht iles göttlichen geista und gloubens istsy
leb alle weg bey einaudreo, das ist aber nil siebtbar. —
8. Zum ersten wirt die cbriatenlich kilch g«Doinmen tax die
580 GOTTSCmCK,
Durch diese Universalität und Geistlichkeit der Kircb^
sind die römischen Prätensionen ausg^chlossen. Es k
selbstverständlich, dafs eine so partikulare Gröfae^ wie &
Versammlung der Bischöfe, oder der Papst, oder die n-
mische Kirche nicht die Kirche sein kann. Von einer
eccl, repraesentaiiva weifs die Schrift nichts. An Orte aal
Personen kann die allgemeine Kirche nicht gebunden sein \
Es kann nun keinem Zweifel unterliegen, dals die \kr
herigen Aussagen Zwingli's über die Kirche nicht nur imt
denen Luther's übereinstimmen, sondern direkt von dieaea
entlehnt sind. Insbesondere hat die Schrift ,, Vom Pifst-
ganze menge der glöubigen, welche allein gott bekannt ist, der aBe
ding gegenwärtiglich ansieht. Dann wir alle, die ^löabig sind, wer-
dend die kilch nit sehen, bis dafs sieandem jüngsten tagTorden
richter Christo aemmen kommen wird. — Opp. lat. II I, 91. Com enisi
dicimus universam credentium concionem abivis gentiam sparsam hac tm
salvam fieii, si uno Christo fidat, negant, se hanc concionem capere;
qaum nos eam dicimus soli deo cognitam et exploratanif
nobis autem intellectu tantam conceptam, iterum se in-
telligere negant ; quasi vero capere nequeant, si quis dicat, non omnes
esse Romanos qul intra promoeria Romani imperii degant, sed eos
modo qui animi virtute ac fide Romani sint, sive apud Indos degant,
sive apud penltus toto divisos orbe Britannos eos nempe haue
esse ecclesiam, qui illibata fide Christo haereant, cuius conspectai,
ubiubi sunt, patent, quamvis nostram lateant; quod ea
concio, dum hie percgriuamur , numquam coeat, oculis tarnen fidelis
mentis cernitur.
1) W. W. 1, 198. Sind aber nit die bischof, die gemeinlich concilit
haltend , ouch dieselb kilch ? Antwurt : sy sind allein glider der
kilchen, wie ein jeder ander christ, so fer sy christum für ir haiipt
habend. Sprichst du: sy sind aber ecclesia repräsentativa. Antwort:
davon weifs die heilig gschrift nüts. Opp. lat III, 127. Una igitor
ista famosa columba .... non aliquot Pontifices sunt, etiam sancti
pii immaculati. Sed quotquot .... credunt. Non enim se in
tam angustum contrahi patitur, ut intra pauca et sibi solis hunc h<^
norem arrogantia membra contineatur; sed per Universum orbem sese
extendens ubique membra sumit, et quanto vastior ac amplior, tanto
et speciosior est. — III, 130. Dizimus hanc christi sponsam ecdesiam
per Universum orbem ubicunque fideles sunt dispersam, ne tam misere,
instar alligatae Hierosolymis asinae, Christi oves aut Romae aot
Alexandris Juliis Lieonibus Hadrianis perpetuo astringerentur.
nus, LurnBH und zwinoli. 58i
I zu Kom" ganz unverkennbar ihm ala Vorlage i^edient.
luch sia will nach lier Schrift die Bcdciitunt^en des Wort«
tirclie angeben. Auch nie bestimmt die Kirche erstlich ala
mmlung niler Christgläubigen auf Erden und identi-
fiziert sie mit der Gemeinschaft der Heiligen, die das Sym-
bol bekennt, hebt liervor, dais sie eine Versammlung im
Geist ist, wenn auch die Einzelnen leiblich von einander
durch tausend Sleilcn getrennt sind ', erklärt, daft sie nach
dem Leib nicht map an einem Ort versammelt werden ',
und dafs Christi Iteieh durch die ganze Welt allzeit ge-
wesen ', betont, dals sie nicht an liom, noch an Htalt, Zeit,
Person gebunden ist, sondern existiert, so weit die Welt
ist, gicbt endlich als die Gründe der Unsichtbarkeit der
Kirche an, dafs die VersamralHug nur im Glauben, nicht
leiblich stattfinden kann und dafs niemand siohet, wer
heilig oder gläubig sei V Das Beispiel der Christen aus
1) W. W. XXVII, ilii.
a) a. a. 0. 1U2.
•d) a.. a. 0. Ul.
4) a. a. O, !)7, 107. IDS. Schon diese Stelle Liilhor'» idgt, dafs
Luther, wenn er die Kirche unsiclilbar ucmit, nuch die Uiimög-
liehkeit im Atige hat, ibro ciiizrlnen Oii»k'r pmpirineh aufzuwciaen,
was Sccbcr[r (a, a. 0. S. Dl) Icufipiet. Ab<>r auch die Stelle, auf
welche Secbcrg sich ausdrücklich beruft, die Stelle aus der Schrift
gcgcu Ambr. Ciithariiius, in nduhcr Luther dcu Terminus eccle*ia
iuriniliilin xum crülcmnal braucht, uachücm er die Sache sclinn 1519
mchrfiich auHgCKprochcii, beweist, ilaOt cit Luthrr bei diesem I'rildikat
ahne Zweifel auch „auf einzelne Pentoiieu angekommen int, Ton denen
man keine nicherc Kunde hat". Ks handelt »ich dort darum, in Ge-
märnheit des Pdidikatea der KircJic, data dii: Pforten der IIüllc sie
nicht ühenvinduD können , dictit'lbe aufzuweinen. I)<'r Papst und die
IQ flichtliarer Vrrwnltung ihm Unlerwurfcnen können es nicht scia,
da nie uft sündigen und gekündigt hüben, ja keine externa eccletia
ül>(>rhanpt, da bei ihr immer nnnicher sein mufg, ob sie nicht in Sün-
den und unter der fiewalt der Hölle nei, sondern es kann nur Chriatui
und mit ihm seine im Geist heilige Gemeinde eein. Wie nun dieiier
BÜndlosc Fels unBichtbitr und gclsllich min l'ide iicrceplilrilin ist, so
mufs auch seine sündloitG Gemeinde unsichtbar und geistlich, nur
durch den Glauben konKlHliurhnr sein. Eh handelt sich hier ohne
alle Fragen um die einzelnen Glieder der Kirche.
582 GOTTSCmCK,
Indien und die genauere Bestimmung des Sinns der Heifig-
keit der Gläubigen und die Bemerkung über das Fdka
des Artikels cammunio sandorum im Symbol bei Rufin nod
den Grund der späteren Hinzufägung stammen aus derB^
Solution über die 13. These gegen Eck. Auch darin k
Zwingli in der ;, Auslegung'^ lediglich Luther'a Vorgang in (kr
erstgenannten Schrift gefolgt, dafs die konatitutiTe B^
Ziehung der Gemeinde der Gläubigen auf das Wort nidit
sofort hervorgehoben, sondern erst nachträglich ansgesprochoi
wird, nachdem er das Verhältnis der geistlichen und ]sSh
liehen Christenheit erörtert ist
Aber das wird nun eben Zwingli von Seeberg schuld
gegeben, dafs er diese konstitutive Beziehung überhaupt ver-
erkannt und die Kirche nicht als Produkt des Wortes
Gottes begriffen habe. Diese Behauptung ist schon äuAefst
befremdlich angesichts der Thatsachen, dafs die These über
das Wesen der Elirche (67 Art., Nr. VIII), deren Auslegang
oben reproduziert ist, in einem Zusammenhang steht, in
welchem von Anfang bis zu Ende (1 — 16) das Evangelium
von der Offenbarung des Gnadenwillens Gottes und von
der Versöhnung in Christo den Grundgedanken bildet liHt
der Unabhängigkeit des Evangeliums von der Bewährung
der Kirche, mit seinem Inhalt und seiner ausschliefslichen
Heilsbedeutung beginnen die Artikel. Danach ist es zu be-
messen, wenn die an Christus Gläubigen als sein Leib und
seine Kirche bezeichnet werden. Eine solche konstitutive
Beziehung zum Evangelium wird vorausgesetzt, wenn das
Hören auf das Haupt allein und die Übereinstimmung mit
Christus als chai'akteristisches Merkmal der Glieder der
Kirche erscheint. Endlich wird es Art. 13 imd 14 direkt
ausgesprochen, dafs das Hören des Wortes das Mittel der
Erkenntnis des göttiiehen Willens und die Bedingung der
Wiedergeburt durch den Geist ist, und dafs darum die
Verkündigung des Evangeliums das oberste Anli^en der
Christen, d. h. der Glieder der Kirche ist ^ Den prägnsn-
1) Niemeyer, CoUectio, p. 4. 5. Art. 13: Verba d» qwam war
seuhant liomine«, pure et sjnceriter Toluntatem dei diaeaiit. Deinde
H BUS, LÜTHEB UND ZWIHOLI. 688
H testen , wörtlich mit Luther übereinstimmendeii Ausdruck
H bat die konstitutive Beziehuag der Kirche zum Worte Qottea
Hin der ersten der der Berner Di Bputation 1528 zugrunde ge-
H legt«n Thesen gefunden, die Zwingli mit der unbedingten Bitte
■ um eventuelle Änderung nach seiner Ansicht übergeben waren,
p Dieselbe lautet: „die heilig christenlich kilch, deren einig
■ houpt Christus ist, ist us dem wort gottes geboren,
in demselben blybt sy und hört nit die stimme eines
frömden" '. Aber auch in den von Seeberg benützten
Sdirii^en fehlt es an Ausfuhrungen nicht, in denen das
Wort als doB die Kirche gründende bezeichnet und die
Zusammengehörigkeit der evangelischen Auffassung vom
Worte Gottes und von der Kirche hervorgehoben wird *.
Das Wort ist also als Mittelbegriff zu denken, wenn es
IJI, 337 von der Kirche heifst: haec per spirÜum gignitur,
niUrUur ac conservatur. Alter nicht nur als Grund des
Glaubens, sondern auch als die beständige Nahrung der be-
reits Gläubigen ist das Wort Gottes mit dem Begi-iff der
Kirche verbunden. Darum sieht Zwingli in dem Gleichnis
vom guten Hirten ein Bild der Kirche. Nur die sind Schafe
Christi und Kirche Gottes, sind es aber auch wirklich,
die auf die Stimme des Hirten hören und keine andere
Weide sich gefallen lassen ^. So wird denn auch von
per spiritum dei ia deum trahuntur et veluti transformantur. — 14;
Summo igitur studio huc UDum in prtmis curent omiies Christiaoi, nt
Evangelium Cbriati uuice et B^ncenter obique praedicetur.
1) W. W. n, 67. 68 vgl, Lutheri opp var. arg. III, 309 quae
verbo dei geuita verbum dei audit et eoufitetur pene^erant^r in
2) Opp. III, 130: fateor tibi ignOBceudum erae, Emsere, dum verbi
Tim QOD aentis, quod etiam hanc de ecclesia aentenUam dod capia.
Nnmquam caim acies quae ait eucleüla, quae labi uou potest, nisi ver-
bum agnoBcaa, quod ecclesiam conatttuit, dum eo fidere lacit
et eam ab eirure defendit, dum aliud verbum audire Don permittit;
Tgl. VI, 302; W, W. I. 198. 656.
3} Opp. ni , p- 129. Adbuc tamen esse oportet apecioiain
eecleiiam, quaa rugam non habet neque maculam, advenu« quam
etiam infeiorum muaitiones atqne portae nihil potsiut, et secuudiun
Uta, quae labi et errare neociat. £ain igitut Cbriati pulcberrima
584 OOTTSCHICK,
Zwingli das Wort als Kennzeichen der ^virahren SüixJie Ter-
wertet, wenn gleich hervorgehoben wird, dafs dämm im
Einzelnen, die dem Worte anhängen, nur Gott erkennbar
seien, weil Heuchelei möglich sei K Damit hat Zwin^
ebenso wie Luther den kritischen Kanon gnefunden, an den
sich bewährt, ob, was sich empirisch als Kirche giebt, Eirdie
ist oder nicht, den Kanon, an dem die Ansprüche der Bö-
mischen, die Kirche zu sein, zu Schanden werden, und dnrd
den die reformatorischen Bestrebungen ihr kirchliches Bedit
bekommen. Das Wort ist somit auch flir Z^ngli das Mittel,
durch welches die Kirche in die Erfahrung nicht nur des
einzelnen Gläubigen, sondern in die gemeinsame Erfahrung
hineinreicht. Die Einigkeit im Worte Qottes ist der einzige
empirische Beweis für die Einigkeit im Geist, die das Kenn-
zeichen der wahren kirchlichen Einheit ist. Lediglich in
der Treue, mit der die Gläubigen auf das Wort Gottes sich
stützen, ist die Irrtumslosigkeit der Kirche begründet Da&
man einig werden müsse durch das Concilium, ist ein leeres
Gerede, man mufs einig werden durch das Wort Gk)ttet.
An dem Widerspruch der Konzilien und weiterhin d^
ganzen Papstkirche mit dem Worte Qt)ttes, das von keinem
anderen Gegenstand des Vertrauens weifs, als Christus und
Gott, bewährt es sich, dafs sie nicht Kirche Christi, son-
dern ecclesia malignarUium , Diener des Antichrists sind,
OYium et pastoris parabola ostendit, ibidem docens, quod ores vocem
pastoris 8udiant, si sit pastor, et quod eum seqoantur, sed alium non
sequantur. . . . Haec tandem sola est ecclesia labi errarcquc nescit)
quae solam pastoris dei vocem audit: nam haec sola ex Deo est
Qui enim ex Deo est, yerbum Dei aadit. Et rursus, vos non auditis,
qoia ex Deo non estis. Ergo qui audiunt, dei oycs sunt, dei ecclesia
sunt. W. W. I, 656: si sulltind sonst wohl wüssen, dafs die kiicb
gottes oder die schaaf gottcs oder das volk gottes, wie du es nennen
willt, mit gheiner andern weid weder mit dem wort gottes gespyst
werden mag. Cf. Lutheri opp. var. arg. 1X1, 309 ecclesiam . . qnae
rerbo Dei geuita verbum Dei audit et confitetur perseveranfer in
finem, non aliquando non sapiens, quae dei sunt et retro abire jussa
sicut Petrus.
1) Opp. III, 130: non istic esse ecclesiam ubi aliquot Pontifices
congeminant, sed illic ubi verbo Dei haeretur.
UU8, LUTHEB UND ZWIKGU. bib
well ue st alt auf Gott auf Men sehen ihr Vertrauen
setzen '.
Die Vürauäsetzung, unter der das Wort Gottes als Fun-
dament der Kirche alle Autorität der Träger der kirchlichen
Rechtsordnung bedingt oder in Wegfall kommen läfst, ist,
dafs es eine seinem Inhalt nach im Prinzip festateheude,
jedem Christen zugängliche und durch sich selbst zweifellos
gewisse GrÖfse ist. Das alles ist nun für Zwingli ebenso
wie für Lullicr das Wort Gottes, sofern es das Evan-
gelium von der Vergebung in Christo in seinem Korrelat-
verhältnie zum Heilsglaubeo als persoiüicher Gewifsheit der
ia CliristuB erschlosacuen Gnade ist. Das Evangelium in
diesem Sinne und in dieser Selbständigkeit ist für ihn der
ßechtsgrund tür seine reformatorischen Bestrebungen und
der Schlüssel zu seinem Kirchenbegriff, wie er ihn den Rö-
miscben gegenüber entwickelt. Dcmgemäfs lautet die erste
der 67 Schlufsredeu : Quicunque Evangclion nihil esse di-
cunt. nisi ecclesiae calculus et adpidbiUto accedat, erratU et
äeum blaspliemant. Er hat mehrfach die entgegengesetzte
prinzipielle Ansicht auf das bekannte Di k tum August in 's
zurückgeführt, ego evangdio non crederein, nisi ecclcsta
approbasset evangelittm oder nisi crederem ecclesiae oder
„die kilch zwunge mich denn"". Obwohl er zugesteht, dafs
1) W. W. I, 140: dio sdbig kilch . . . regirt nit nacli dem Fleisch
gewaltig uf erdi^ch, berrscht oucU uil us jrem eignen mutwillen,
sondern hangt und blybt allein an dem wurt und willen
gottea; die kilcb mag nit irren. — 1, 201: Hie sprechend s^, nu
tnufii man ja einig werden durch die ituammengesandten väter. Ant-
wurC: nein, man ntufB einig werden durch das einig wort
gottes . . ob der geist gottes by uch syg, erfindt aich xum ersten,
Bo jr sin wort üwercn wegfürer band, 21*2 (vgl, Lulheri opp. V, Sil.
In bis coim eiguis (Taufe, Abendmahl, Evangelium) yult noa Chriitoi
concordarc . . . Ubi vero Evajigelium non esse videris (»icul in
Byuagoga papistarum . . . vidcinua) ibi uou dubitcs ecclesiam noo
esic . . . sed Babyloucu ibi esau scia>. Eraogelium cnini proe paue
et baptisino unicum ecrtiaBimum et nobilisaimuin ecclesiae symbolum
est), — I, TO; Opp. in, Dl. Supereat ut concursantium episcoporum,
ne dicam cunspirantiuni eccicsia non lit alia quam cui propheta
maliguantiuiii nomen dedit.
2) Opp Hl, p. 53-55. W. W. U, S. 11. 13.
586 QOTTfiCHIGK,
Augustin das Wort nicht im Sinne der P&pstler gemek
habe ', bezeichnet er es doch unverblümt als eine hoAä
unvorsichtige Aufserung desselben *. Erstlich ist es eise
offenbare Gottlosigkeit, zu behaupten, dafs das Göttliche ent
von Menschen seine Autorität bekommen aolle \ Kim
dieses Argument sich auf die formelle Autorität der Sdmft
beziehen, auf die sich ja Zwingli oft genug beruft, so bt
er doch einen ganz bestimmten Gedankengehalt im Auge,
wenn er von dem Evangelium, als einer schlechterdingi
selbständigen, den Gläubigen von jeder äulaeren Autoritit
befreienden Norm redet Die Sunmie des Evangeliums, das
die Elirche nicht erst zu bestätigen hat, ist nach Art 2 der
Schlufsreden, dafs Christus der Sohn Gottes uns den Willen
Gottes geoffenbart und uns mit Gott versöhnt hat, oder es kt
der gnädige Handel, den Gott mit dem armen menschlichen
Geschlecht gehandelt hat durch seinen Sohn, oder Christus
selbst ist ihm das Evangelium, Bote und Botschaft zugleidi,
das „pfand und Sicherheit der barmherzigkeit Gk>ttes^^
Wer nun dies Evangelium versteht, d. h. an dasselbe glaubt,
nämlich sich auf die in Christus aufgethane Gnade zweifel-
los verläfst, der weifs, wie lächerlich nichtig der Anspruch
von Menschen ist, das Evangelium und den Glauben be-
währen zu wollen ^. Denn wie kommt dieser Glaube zu-
stande? Dafs des Menschen Wort nicht gläubig macht,
beweist schon der Umstand, dafs viele das Evangeliunr
hören und doch nicht gläubig werden. Der Glaube kommt
nicht aus menschlicher Vernunft, Kunst oder Erkenntnis
noch daher, dafs der Mensch den Glauben erwählt, weil er
eine so grofse Menge von Menschen dem Evangelium an-
hangen sieht (das ist Augustinus Meinung), oder weil Papst
und Bischof das Evangelium approbieren, sondern allein von
1) W. W. U, S. 13.
2) Opp. in, p. 53.
3) Opp. III, p. 64.
4) W. W. II. S. S. 10.
5) a. a. 0. S. IS.
li HtlS, LUTHER UND ZWIMGLI, 587
Wem erleuchtendeD uud ziehenden Qeist OotteB oder dem
KsiDerlichea Zuge des Vätern zum Sohne, dem unmittelbar
nich auiBchliefsenden Zutrnucn zu der in Christus dtu-gebote*
kxien Gnade Qottea. yVer aber so das Evangelium vei-stan-
iAea und und seinen Trost erlahren hat, der hat auch eine
iGelbstgewirsIieit , die nicht nur keiner Bestätigung durch
iUenschenautorität bedarf, sondern diese vertaciit und zurück-
'■weiat '. —
II Das sind Ausführungen, die es aufser Frage stellen,
. dafs die Lehre Zwingti's von dem Verhältnis der \^'ii-kiuig
Ton Wort und Geist, oder äuferem und innerem Wort,
nicht, wie ea gewöhnlich dargestellt wird, einen schwärm
geistigen Anflug tragt oder an einer metaphysischen An-
schauung vom Verhältnis der unendlichen Ursache zu den
endlichen Ursachen orientiert ist, sondern der evangelischen
Glaubensertahning entstammt, die das eigene Verständnis
des Evangeliums von dem geschichtlich geoffenbarten Heile
als ein Werk Gottes kennt. Denn das zeigt ja der Zu-
sammenhang deutlich, dafs es sich hier nicht um beliebige
unmittelbare G eiste b wirk ungcn , sondern um die innere Be-
glaubigung des geschiclitUchon EvangeUums handelt. Und
wenigstens zwischen ZwingU und Luther begründet es keine
Differenz, wenn ersterer regelmäfsig die Wiikung des äufseren
"Wortes und die auf das Verständnis desselben bezogene
innerhche Erleuchtung unterscheidet, letzterer beides bald
identifiraert bald unterscheidet. Und für die reproduzierte
1) W. W. II, S. 11. 12; I, S. ITSfl. Opp. III, p, 51. Fingite
■StoiliaxTOf aliquem ... in corde divioitus illustrari coasolationernque
Kccipere, quod Evangeüum esse negare oemo poteet; numquid baeei-
tabit EvotigeUiim esse donec patrea adprobarint? Sic tandem Evan-
gelium ea»e discite , ubi gratia sua deus homiuein gratuito digoatur
illustrare, ad se trahero, apud se couBolari ac quietun reddere libera-
ttun ab oinui labe peccati: quod dum misor sentit, mirum quantuin
geBtiat ac eiultet ab iaaudito inspiratoque auDcio. — III, p. 130:
Hanc rem aolae piae mentca uorunt. Neque CDim ab hominura dii-
ceptatione pendet, aed in aairais homiDum teoaciBaime aedet. Ex-
perieotia est: nam pii ooiucs eam experti sunt; vgl. W.W. I, S. !J3ä:
Ob num glycbwol den predgenden haben mufa, ao macht er doch
daa hen nit gläubig, der geist uud wort gottes thimd du.
588 G0TT8CHICK,
Gedankenreihe ist nun wieder bei Luther die wörtlkke
Vorlage zu finden. In dem Bericht an SpaJadn über die
Leipziger Disputation setzt auch er sich mit der Instanz
des augustinischen Diktums auseinander, und weist die
Deutung desselben auf eine Approbation der offiziellen Eirciie
zurück, weil es eine Gottlosigkeit, wie die des Lucifer wäre^
wenn Papst u. s. w. sich über das Evangelium d. h. über
Gott setzen wollten, und begründet, dafs es von Augastm'§
eigenem Glauben nicht gemeint sein könne, mit dem Hin-
weis darauf, dafs der Glaube allein durch den Oeist Gott»
im Herzen entspringt und eine Gewifsheit besitzt, die der
ganzen Welt gegenüber selbständig ist K
Durch die aufgewiesene Beziehung des inneren Wortes
Gottes auf das gläubige Verständnis des geschichtUchen
Heiles in Christo weixien auch die Ausführungen Zwingli's
vöUig unverfänghch , in welchen er von einem Urteilen
über das äufsere Wort durch das im Herzen der Gläubigen
sich bezeugende innere Wort spricht. Es geschieht dies^
indem er Emser gegenüber die Irrtumslosigkeit der Kirche
d. h. der Gemeinde der Gläubigen begründet und die Art^
wie diese über das gepredigte Amt zu urteilen imstande sind^
klar legt ^. Er denkt da, da er an das Evangelium Gläu-
bige vor Augen hat, nicht von weitem an unmittelbare
Offenbai*ungen beUebigen Inhalts, sondern das verbum fidei,
guod in metUibus fidelium sedet und von niemand beurteilt
wird, selbst aber alles äufsere Wort beurteilt, ist eben die
innerliche Selbstgewiisheit, welche dem gläubigen Verständ-
nis Christi, des Gnadenpfandes eignet ^. Darum setzt er
anderswo iür das subjektive Vei^ständnis, dem das historische
O Lutheri opp. var. arg. Ill, p. 287. An non crederes, etiamsi
totuü orbi« insaniat contra evangelium? — Ibid. . . de sua propria
fid«, quae uou uUorum auctoritate, sed spiritu solo Dei oritnr in
ciu\ie. — lUid. alioquin (alsissime diceret, cum solus spiritoa sanctos
Ikoiat oredere quemque.
^^ Autibolon Opp, III, 129—132.
3^ Dieaer Zusammenhang verbietet es gSnilicb, selbst eine Wen-
dung wie die 111« Xd^t tameisi fides non sit ex exlemo rerho über
deu bisher erörtefteu Sinn hinaus xa Terallgemeinem.
(IIUS, LUTHEK UND ZWINGLI. 589
Öl>jekt immaDeDt tat, die objekive GrüFse ein und bezeichnet
Ciu'istuin als den Goldstein, au den man aller Menschen
Anaehen, liatachlag, Urteil zu »treichen hat; „tUrbt es nun
Christum, so ist es us dem Geist Gottes" '.
Aber nicht nur in Hinsicht der Aulla«sung des Inhalts
und der Wirksamkeit des Evangeliums und der Bedeutung
desselben iür den Kirclien betriff herrscht in dieser Periode
zwischen Luther und Zwingli volle Übereioatiiumung. Zwingli
weifs sich auch mit Luthi^r Jetzt noch in der Schätzung der
Sakramente, wenigstens der Taute und des Abendmahls
einig. In Art. 11:1 der ächlulsredeu hatte er die Messe als
sacrificü in crucc scmel oblali commcmorationein et quasi
sigillum gewürdigt. Und er erklärt dann in der „uslegung",
dafs die verschiedenen Bezeichnungen, welche Luther und
er vom Abendmahl gebraucht liaben, wenn jener es ein
Testament, er ein Wiedergedächtuis nennt, keinen Gegen-
satz bedeuten. Lutlier habe das Saki'ament nach »einer
Katur und Eigenschaft genannt, er nach dem Brauch und
Verhandlung; Christus und Paulus hätten beide Bezeich-
nungen gebraucht, und er wolle gern mit der seinigen wei-
chen *. Und so llilii't er denn ganz in der \\'eise, wie
Luther es 15111 und lb'2U gethnn, den Gedanken aus, dafs
die (Sakramente sigiUa seien, d. h den bereits vorhandeueu
Glauben an den Heilswcrt den Todes Chiisti vorsichernde
and darum heilsame Zeichen, und zwar so, dafa er dies
auch aul' die Taute bezieht *.
1) W. W. I, 178.
2} w. w. I, -ivi. aä.;.
3) W. W. I, '■I'j'i. Noch hat CbriHtuB, duniit das wosentUch«
teatameDt begi7flicher i*äre, den einfaltigcu iiape Ivclm&Piis ei» spyi-
lichc gestult gegebeu, nämlich das brut, uud siuea blutcs das trink-
geBchirr oder trank, dafs sy in dem gloubcu mit einen) aicht-
baren baudel vursichert wurdind; (j-ljeliwic iu dem touf du
tuuken nit ahväscht die HÜnd , der getoufte gloube denn dem beil
des evaagelii, d. i. dur gnädigen erlösuug Christi; vgl. I, '■^Ü: so fer
jr aber sacntmeutum nennen wellticd ein aicber zeichen oder
■ igcl, BD mag ich wol lyden, dafs jr den ieicbnam uud blut Chriati
ein aacrameiit neuuind.
590 OOTTSCmCK,
So steht es also bei Zwingli mit der Unsiclitbarkett der
Kirche nicht anders als bei Luther. Die b^^ffliche Zu-
sammengehörigkeit von Glaube und Wort Oottes bewirkt,
dafs dieselbe für den Glauben eine wahrnehmbare Ghrolse wird.
Das wird vollends deutlich, wenn wir uns zu der zweiten
Bedeutung wenden, welche nach Zwingli das Wort Earche in
der Schrift hat. Damit wird zweitens die eedesia speeidUs,
pectdiaris, particülaris , die Eilchhöre d. h. die Exadr
gemeinde bezeichnet ^ Dafs diese die eigentlich bereciitigten
Subjekte kirchlichen Handelns sind, jede in ihrem Kreise^
weist er besonders aus MattL 18, 17 nach. Die Einzel-
gemeinde sei es, die von Christo die Vollmacht erhalten
habe, den Bann zu üben, da man mit der Klage über den
Sünder doch nicht zur allgemeinen Kirche laufen könnet
Dieser Sprachgebrauch der Schrift ist eine neue Wa&
gegen die römischen Prätensionen. Keine Einzelgemeinde
kann die Herrschaft über die ganze Kirche beanspruchen,
die römische so wenig wie die zu Appenzell \ Die Päpste,
Kardinäle, Bischöfe zusammen aber sind weder die allge-
meine Kirche noch eine Kilchhöre. „Also folgt, dafs sy os
der gschrift nieman bewähren mögend, dals sy ein kilch
syend, daran wir gloubend". Von einer ecclesia reprae-
sentativa aber weifs die Schrift nichts *.
Die Hauptsache aber ist, dafs Zwingli die empirischen
Gröfsen der einzelnen Elilchhören keineswegs unvermittelt
neben die eine allgemeine Kirche stellt, welche Gegenstand
1) W. W. I, 199. Das sind je so grofse meDginen oder ge-
meinden, so Til wol und kommlich mögend zemmen kummen, bj
einandren das gottswort hören und lernen. Opp. m, 92: ecclesia
quae aut universalis est aut particülaris: quarom illa hie nmnquam
convenit, conveniet in mundi consummatione neque errare potest,
quia uni verbo Dei haeret; ista, quae usus exigit, secondom regulam
diyini verbi discemit, abjicit impudentem, revocat poenitentem, aimul
verbo Dei pascitur, simul corpore et sanguine Christi alitar.
2) W. W. I, 199. 469; U, 13. Opp. I, 131. Hamm est et de
pastore judicare et de doctrina.
3) W. W. I, 656. Denn sy nur ein besunder kilch ist, ob sj
den glouben Christi hat.
4) I, 469.
HUS^ LUTHER UND ZWINOU. 591
des GlaubenB ist ^, sondern vielmehr eine innere Beziehung
zwischen beiden statuiert In einer Reihe von Stellen,
welche SlrauTs und Seeberg einfach übergangen haben, be-
zeichnet er die Einzelgemeinden als die Teile oder Glieder
der allgemeinen, nach dem Bestand ihrer einzelnen Glieder
und nach ihrem Gesamtumfang nicht sichtbaren Kirche, oder
fiklst umgekehrt diese als die Summe der Einzelgemeinden
auf. Die Kilchhören sind die Organe, durch welche die
eine allgemeine Kirche, welche hienieden nicht zusammen-
konmien kann, die ihr zukommenden Funktionen ausübt
Der Idealbegriff der allgemeinen Kirche dient also für
Zwingli keineswegs zur Entwertung der historischen Ge-
meinschaft, sondern ist eins der Mittel, durch welche die
kirchlichen Rechte von der Hierarchie auf die Einzelgemein-
den übertragen werden '.
Nun ist es natürHch nicht Zwingli's Meinung, dais die
empirischen Glieder der einzelnen Kilchhören sämtlich Glieder
der wahren Kirche sind, und ebenso wenig will er die arbiträre
Autorität von den Bischöfen auf die Einzelgemeinden übertragen.
Es müssen also die Bedingungen und Mittelglieder aufgezeigt
1) Dafs er gelegentlich auch die Kilchhören als Gegenstand des
Glaubens bezeichnet (I, 4G9), hat keine Bedeutung; denn das heifst
nicht mehr, als dafs die Schrift den Terminus Kirche auch auf sie
bezieht, während sie von der Versammlung der Bischöfe schweigt.
2) W. W. I, 199. Hie ist gewüfs, dafs kilchen genommen wer-
dend für die pfarren oder kilchhören; denn sust ist nit mee
denn ein kilch oder allgemeine Versammlung, dero der nam Vorteils
und eigenlich ziemet, die ein gemahel Christi ist; und diese nach-
genämten sind nur glieder der allgemeinen kilchen, die
aber all mit einandren ein kilch sind. Opp. I, 131: Sic
passim in literis sacris de peculiaribus ecclesiis sermo sit. Sed omnes
istae ecclesiae una ecclesia, Christi sponsa sunt, quam
Graeci catholicam, nos universalem appellamus. Quae non est onmium
episcoporum collectio, sed sanctorum h. e. fidelium omnium commuuio.
p. 134: Judicium ergo hoc peculiaribus ecclesiis non ita tribuitur, ut
aolis tribuatur: est enim ecclesiae, Christi spousae. Quoniam vera
illa hie numquam coit, judicat per partes et membra sua.
m, 338 : Neque ecclesia ob hanc partitionem magis discemitur, quam
corpus, si membra singula numeres; vgl. III, 92.
592 GOTTSCHICK^
werden, aus denen die Berechtigung folgt, die Einzelg^noih
den als Teile der wahren Kirche zu betrachten.
Die Einzelgemeindeu erweisen sich nun als Teile <b
wahren Kirche ^ oder als gläubige zunächst dadurch, da&
sie das Wort Qottes zui* Richtschnur ihres kirchlichen Uta-
delns machen. I, 656 wird die päpstliche Kirche als ebe
,,besundre kilch^' bezeichnet, „ob sy den glouben hat^.
Das ist aber erkennbar an ihrem Verhältnis zum Woit
Gottes. Macht sie dies zum Mafsstab ihres kirdilidieD
Thuns, so hat sie das Recht zu der Zuversicht, ak doe
Kirche, die nicht irren kann, autzutreten ^. Zwingli übt
aber ähnlich wie Luther anfangs noch eine solche ideaUstbche
Beurteilung der Gemeinden, dafs er der guten Zuveracht
lebt, die in ihnen vorhandenen Gläubigen und der in ihnen
wirksame Geist werde mit Gottes Hilfe bewirken, dafs afle
Handlungen der Gemeinde dem Evangelium gemäfs geratoi,
entgegenstehende Bestrebungen leicht erkannt und UDte^
drückt werden, so dafs also von dem Wegfall der arbiträreo
römischen Autorität nichts weniger als eine Verwirrung der
Kirche zu befürchten stehe ^.
1) W. W. I, 470: „Die kilcli, die in gott gründet ist und in
einem wort, mag nit irren .... Hierus folgt auch, dafs diese unsre
Zemmenhufung, die nit (als etlich meinend) zu uachteil einiger christcu,
Bunder das ciuig wort gottes zu verhören, von den . . . herren von
Zürich versammelt ist, nit irren mag; denn sy nüt setzen noch ent-
setzen undemiomit, sunder allein hören will, was in gemeldten spanen
im wort gottes erfunden wird.'' Hiermit hat Zwingli den Erweis er-
bracht, den Beb. Hofmeister von ihm verlangte. S. 4G8: „Und so
mau erfindt, dafs hie ein christenliche kilchc ist und auderswa: dafs,
so man mit dem wort gottes handlet und sich dcfs haltet, dafs sich
BÖlichs einer jeden kilchhöre gebürt, so bcfindt sich darin, dafs man
unbillig schilt, man habe hie nüt zu handeln/*
2) Opp. in, 131. 132. Ubicunque igitur fides vera est, ibi et
Spiritus coelestis esse cognoscitur; ubicunque autem spiritus coelestis
est, ibi Studium unitatis et pacis esse nemo ambigit. Fit igitur, ut
quicunque fidelis pi'opheta sit, sicubi iguorat et errat, corrigeutem et
docentem ultro admittat, etiam infimum quemque. Neque est peri-
culum, ut in ecclesia confusio fiat, uam si per deum ecclesia congre-
gata est, ibi ipse est in medio eorum; et quotquot fideles sunt, ad
unitatem et pacem tendent. Ac si qui vel arrogautius vel odiosios
HU8> LUTHER UND ZWIVGLI. 593
Das andere Problem aber^ wie die Einzelgeroeinden,
irotzdem sie eventuell heuchlerische Mitglieder haben, den-
noch als Teile der einen allgemeinen Kirche gelten dürfen,
die keinen Flecken noch Runzel hat, weil sie aus lauter
Gläubigen besteht, hat Zwingli in der Periode der Aus-
einandersetzung mit den Römischen noch nicht näher be-
schäftigt Anerkannt hat er die Thatsache Emser gegenüber
und dort sogar auf Grund besonders der Gleichnisse von dem
Unkraut unter dem Weizen, dem Netz, den zehn Jung-
frauen ausgesprochen, dafs die Schrift noch eine dritte Be-
deutung des Wortes Kirche kennt, nämlich die Gesamtheit
derer, die sich zu Christo bekennen, unter denen es Böse
und Ungläubige giebt, die wir in der Regel nicht kennen.
Die Inkongruenz mit der Idee wird hier nur dadurch aus-
geglichen, dafs es im Sinne Christi sei gegen etliche der
naetri, von denen die Kirche jetzt noch befleckt sei, Konni-
venz zu üben, wobei der Nebengedanke obwaltet, dafs
Christus für die ein öffentliches Ärgernis gebenden Sünder
den Bann angeordnet hat *. Von dieser vollständig em-
pirischen Gröfse, die von der allgemeinen Kirche und ihren
Gliedern, den Partikularkirchen, noch unterschieden wird,
heilst es das eine Mal, dafs das Zusammenwohnen der
Heuchler mit den wahren Christen den Namen der Ecdesia
€Ld hunc modum a^cepta nicht ändere (Opp. III; p. 126),
das andere Mal in derselben Schrift (Antib. adv. Ems.),
dafs sie nicht die Braut Christi sei und dafs das Symbol
sie nicht meine (III, p. 134).
Zwingli stellt aber diese Kirche jetzt noch nicht als die
sichtbare der eigentlichen Kirche, welche Gegenstand des
Glaubens ist, als der unsichtbaren gegenüber. Denn die
Partikularkirchen, die doch sichtbar sind, hat er nicht als
Teile der ersteren, wie Seeberg meint, sondern der letzteren
gedacht. Die Kirche als Gegenstand des Glaubens ist eben
nicht schlechthin, sondern nur beziehungsweise unsichtbar.
contendere perstiterint, stAtim olfaciunt quinam ex adfectibus, qui ex
cbaritate et dei spiritu loquantur, et garrulos compescent.
1) Opp. III, p. 126.
594 GOTTSCHICK^
Für die Auseinandersetzung mit den Römischen ist « ila
von fundamentaler Wichtigkeit, die Zufianimengehöngkä
derjenigen Partikularkirchen, welche sich an das lautere
Wort Gottes halten, mit der Kirche, die Gt^enstand da
Glaubens ist, mit der Gemeinde der Oläubigen, und daimt
ihre Berechtigung zu selbständigem kirchlichen Handek
nachzuweisen. Das faktische Verhältnis ist naturlich dai,
dafs die Kirche als Gesamtheit derer qui Chrisio nome»
dederufU einerseits die beziehungsweise unsichtbare (Jemeb-
Schaft der Gläubigen, anderseits aulser den fünzelgemeinden,
die den Glauben haben, auch diejenigen Gemeinden um-
fafst, die wohl Christen heifsen, aber doch wegen ihres Ge-
horsams gegen den Papst nicht als rechte christliche Ge-
meinden gelten können.
Erst der Kampf mit den Wiedertäufern hat ihn eine
genauere Antwort auf die Frage geben lassen, wie Gemem-
den, die nicht aus lauter Gläubigen bestehen, doch wirklick
Christi Kirche sein können. Er bringt das Bestreben der-
selben mit einem besonderen Ideal von der Kirche, das sie
hegen, in Zusammenhang. Sie seien, so erzählt er, an ihn
mit der Aufforderung herangetreten, eine neue Kirche ans
denen zu bilden, die Christo nachzufolgen bereit seien, and
er formuliert ihre Absicht dahin, dafs sie eine Kirche sam-
meln wollten, die ohne Sünde sei, ja er fuhrt als eine ihrer
Behauptungen an, die Kirche habe keine Sünder. Sie hätten
dann später in der Verwerfung der Kindertaufe und in der
Aufrichtung der Wiedertaufe ein geeignetes Mittel gefunden,
ihre Kirche zu sammeln. Und jetzt erklärten sie, dafs sie
die Kirche seien; wer nicht zu ihrer Kirche gehöre, sei
kein Christ *. Zwingli stellt dies ihr Verfahren in Parallele
mit dem des Papstes, der auch „ ohne gunst und willen der
rechten kilchen sich selbs fiir die kilchen usgeben'^ Hier
wie dort erhebt sich die Prätension, die wahre Kirche hin-
sichtlich des Bestands ihrer Glieder empirisch au&uweis^
hier auf Grund empirischer Sündlosigkeit der Einzelnen,
dort auf Grund rechtlicher Privilegien.
1) W. W. II, Vom Touf, 8. 231.
BUS, LUTHEK UND ZWWQU, 595
Um diese Bestrebungen zurückweisen zu können^ mufste
Zwingli nachweisen ; dafs die empirischen Gemeinden, trotz
des Vorhandenseins von Ungläubigen und Sündern in ihnen,
nicht etwa nur auf Grund des Bekenntnisses zu Christo
ein Anrecht auf den blofsen Titel der Elirche haben, son-
dern in einem innerlich notwendigen Verhältnis zu der
Kirche stehen, welche die Gemeinschaft der Gläubigen ist.
Und hier ist es nun nichts anderes, worauf er das Urteil
stützt, die Sonderung von den empirischen Gemeinden be-
deute eine Sonderung von der Eoi'che, als die Thatsache,
dafs in den evangelischen Gemeinden das Wort Gottes im
Schwange gehe. Wenn er den Wiedertäufern das Unrecht
vorhält, das sie begehen, indem sie „diese dinge one ver-
willigung gemeiner kilchen angerichtet haben '% wenn er
ihre lieblose Ungeduld rügt, die „der blöden schäflein nit
will warten, bis dafs sy euch hernach kummend'', so fügt
er jedesmal hinzu: „ich red hie allein von denen gemein-
den, in denen das gotteswort ofFenlich und trülich gefuhrt
wird " ^ Und jenes Ansinnen , eine Gemeinde der aktiv
Heiligen zu sammeln, weist er zurück, indem er daran er-
innert, dafs von der Predigt des Wortes Gottes der Erfolg
der Mehrung der Gläubigen mit Zuversicht zu erwarten
sei '. Sich selbst für sündlos ausgeben , ist eitel Heuchelei
Die Schrift weifs nichts davon, dafs man sich um seiner
Frömmigkeit willen von andern sondern solle, sondern nur
davon, dals man die „ Verbösernden '^ aus der Kirche auszu-
schliefsen habe ^. Ferner hat man keinen Beweis dafür, dafs
die Kirche der Täufer eine Kirche Gottes ist, und man hat
kein Recht, sich zu sondern von „seiner kilchen'', oder.
1) W. W. II. S. 259.
2) Contra Catabaptistas Opp. III, 363. Yerbi continua actione istud
Bolum promulgandum quod omnes nosse oporteret, nisi saluti suae
velint ipsi deesRe. Haud ambigere me futurum, ut fidelium numerus
citra turbam amplior atque amplior irrcmissa verbi administratione
fieret, non corporis in multas partes discerptione. W. W. II, 234:
als wir das täglich bessern und zunehmen des worts gesehen, haben
wir zu keiner sunderung nit wollen wUligen.
3) Opp. VI, 338. 448.
596 GOTTSCmCK,
was damit gleichbedeutend ist, „von denen, deren Herz und
Vertrauen auf Gott und Christus gebaut ist " *. Diese x(ä-
ständige Qleichsetzung der einzelnen Gemeinde, von der der
Täufer sich sondert, mit einer Gemeinde der Gliiubi|rai
wird eben zu vollziehen sein durch die Vermittelung des
vorher ausgesprochenen Gedankens, dafs die Vcrkiindigang
des Evangeliums das Vorhandensein und Wachstum der
Gemeinde der Gläubigen garantiert.
So hebt denn die durch die Methode, die Schnllaussagen
zu registrieren, bedingte äufserliche Nebcneinanderstelhing
der Kirche, die als Versammlung aller Gläubij^cn im Geist
nicht sichtbar wird, und der empirischen Partikularkirchen
sich in der Sache vollständig auf. Die empirische Kirche
1) Opp. III, .S38 (in Ky. Matth.)- Quacre cos qiii kc Auabaptistis
jungunt et ecclcsinm eorum summis veliiuit lanüibus, quis cos certos
faciat qiiod catabaptistarum ecclcsia ccclcsia sit l>ei? Quum ergo de
hac iion sunt certi, cur uon maneiit in sua ccclesia, a qua turpiter
dcficiunt? Aul quomodo Catubaptista na ab iis separarc potcsi, qao-
rum corda in Christo Runt fundata et qui vera fide Christo adhacrent
(vgl. ebd. S. 448: „Denn, wenn du schon zu Tcuffeni lu ir kilchen
gabst, wer macht dich gwüfs, dafs sie ein kilchen gottes oder
warlich gläubig sigind? Du magst ja nit gwüfs sin. Warum blibst
denn nit in diner kilchen? Wie mjig sich der Teuffer sündem von m-
dron, deren hertz und vertruwen warlich uff gott gebuwcn ist"). Die
Erklärung von Matth. 18, 17, in welcher dieser I'assus sich findet,
enthält noch weitere Ausführungen über universale und partikulare,
orthodoxe »iiid häretische Kirche , Kirche als Gemeinde der Gläu-
bigen und als blofse Gesamtheit der Bekenner. Es dürfte aber un-
thunlich sein aus dieser Stelle des Kommentars ein Gesamtbild der
Anschauung Zwiiigli's von der Kirche herstellen zu wollen , weil ein-
mal der Kommentar überhaupt aus Notizen Zwingli's für Vorlesungen
und Predigten hergestellt ist, die zu verschiedenen Zeiten gehalten
sind, und weil speziell diese Stelle den Charakter des Mosaiks deut-
lieh verrät. In ilas ursprüngliche Schema der beiden Hauptbedeu-
tungen von Kirche (f0iivcrsaivt und partic^ilans) sind Bemerkungen
gegen die Täufer und Ketzer eingeschoben, wobei von der Partiknlar-
kirchc schon vorher die Rede ist, ehe sie an die Reihe kommt, nnd
dieselbe nur als Gemeinde der Hekenner und Getauften definiert
wird. Auch ist d(M' ursprünglichen Definition der allgemeinen Kirche,
dafs sie die Versammlung der Gläubigen ist, die andere, dafs sie die
Gesamtheit der Erwählten ist, an die Seite gestellt.
HÜS, LUTHER UND ZWINGLI. 597
«ils Gesamtkeit der Bekenner Christi ist in dem Mafse mit
der allgemeinen Kirche als der Gemeinde der Gläubigen
identisch, als das lautere Gotteswort, das Glauben weckt,
dessen Verkündigung das oberste Anliegen der Gläubigen
ist und das den IMafsstab für ihr kirchhches Handeln be-
deutet, in ihr oder ihren Teilen im Schwange geht.
Fragen wir nun nach dem Verhältnis der zuletzt ent-
wickelten Gedanken Zwingli's zu denen Luther's, so liegt
es auf der Hand, dafs es nicht erst, wie Kraufs * meint,
der „praktische Schweizer" gewesen ist, der den Begriff der
-allgemeinen Kirche als Gegenstand des Glaubens durch den
„ganz greifbaren Begriff der einzelnen Kirchgemeinde" er-
gänzt hat. Das hat schon der unpraktische Sachse, Luther,
gethan. Dafs jede Partikularkirche eine gegen alle anderen
selbständige Inhaberin der Schlüsselgewalt ist, hat Lutlier
schon 1519 in der Resolution über die 13. These hervor-
gehoben. In der Schrift an den christlichen Adel hat er
gefordert, dafs eine jegliche Stadt aus der Gemeine einen
gelehrten frommen Bürger erwähle und ihm das Pfarramt,
die Regierung der Gemeine durch Predigt und Sakrament,
auftrage ^. Dieselbe Anschauung ist ausführlich begründet
in der Schrift von 1523, „dafs eine christliche Vei-samm-
lung oder Gemeinde Recht und Macht habe, alle Lehre zu
urteilen und Lehrer zu berufen, ein- und abzusetzen: Grund
und Ursach aus der Schrift " ^, so wie in der Schrift an die
Prager (le instittimulis ministris *.
Auch Luther hat also die Einzelgemeinden als die be-
1) a. a. 0. S. 2.;.
2) Luther W. W. XX r, S. .^22. Auch Zwingirs Loliro vom
Predigtamt ist die Lutlicr's. Die Sclilüsselgcwalt ist allen Gläubigen
gegeben und wird ausgeübt von denen, so mit dorn Gotteswort binden
oder entledigen (W. W. I, 221)). Ein Priester ist nichts als ein ehr-
samer Verkündiger des Wortes Gottes; das ist ein Amt, nicht eine
Würde mit besondorc-m Charakter. Man soll dazu in allen Pfarren oder
Kilchhören die ältesten, züchtigsten, ernsthaftesten auslesen (T,
415).
:j) W. W. XXII, S. 151 ir.
4) Opp. var. arg. VF p. 41)2 sq.
ZeiUclir. f. K.-G. VI II. 4. iV.)
598 GOTTSCmCK,
rechtigten udcI selbständigen Organe der einen allgemaiiei| ^
Kirche aufgefafst, nattLrlich unter der Voraassetznng; dafc
sie das Evangelium zur Norm ihrer Thätigkeit mscho.
Auch in der Schrift vom Papsttum zu Rom ist dies ■
einer Weise angedeutet, welche zeigt, dals Zwingli nur Li-
ther's Gedanken ausfuhrt , wenn er sagt, da die aUgemdtt
Elirche hier auf Erden nicht zusammenkommen könne, m
urteile sie durch ihre Teile und Glieder. Reifst es dod
bei Luther: ,,also auch die christlich Versammlung, utA
der Seelen, ein Gemeine in einem Glauben einträchtig, wi^
wohl nach dem Leib sie nit mag an einem Ort versammdl
werden, doch ein jeglicher Häuf an seinem Ort versammdl
wird" *.
Dafs die Stellung, welche Zwingli zu dem täuferisches
Bestreben, eine sündlose Kirche empirisch durch Absonde-
rung herzustellen, einnimmt, wenn er dies Bestreben als
Heuchelei und unchristliche Lieblosigkeit beurteilt und den
Anspruch der bestehenden Gemeinden auf den Namen Kirche
darin begründet sieht, dafs das Wort in ihnen im Schwange
geht und das Vorhandensein so wie die Mehrung der Gläu-
bigen in ihnen verbürgt, auch die Stellung Luther's ist, be-
darf keiner Ausführung. Wenn er aber die KÜrche als
empirische Gesamtheit der aus Gläubigen und Ungläubigen
gemischten Bekenner Christi von der Kirche im rechten
Sinne als Gemeinde der Gläubigen und von ihren Teilen, den
evangelischen Gemeinden, unterscheidet, wenn er leugnet, dafs
sie die Braut Christi und die im Symbol gemeinte Kirche sei,
und wenn er ihr Verhältnis zu der Gemeinde der Gläubigen
nicht näher bestimmt, als wie es in jener Definition gegeben
ist, dafs die Gläubigen in ihr enthalten sind aU ein engerer
Kreis, so hat er auch darin Luther zum Vorgänger, der die
leibliche Christenheit oder „alle, die im äufscrlichen Wesen
für Christen gehalten werden, sie seien wahrhaftig gründlich
Christen oder nit" der geistlichen Christenheit an die Seite
setzt und das Verhältnis zwischen beiden dahin bestimmt,
dafs die erstere nimmer bleibe ohne etliche, die auch daneben
1) W. W. XXVII, S. 102.
HU8, LUTHER VSD ZWIJJGIJ. 599
ralirliafEige Christen seien, oder dahin, dafa die geistliche
Ririfitenheit sich zu der leibhchen verhalte, wie die Seele
um Leibe, die im Leibe lebt und — auch wohl ohne den
^jeib '. Dafs die geistliche Christenheit auch wohl ohne
len Leib leben könne, diese nach Luther's eigentlicher An-
ichauung höchst bedenkliche Wendung findet sich Lei
Ewingli nicht. Das Mangelhafte dieser Verhältniabeatimmung
Bndet seine Korrektur, wenn Zwingli die empirischen Ge-
meinden, die am reinen Worte Gottes ihr Merkmal haben,
■is Teile und Glieder der Gemeinde der Gläubigen be-
urteilt, weil da wahre Kirche sei, wo man sich an das Wort
tGottes als an die Speise hält, deren man bedarf, und wo
dasselbe die Zahl der Gläubigen vermehrt, und wenn er eben
I deshalb von den ungläubigen Gliedern dieser Gemeinschaft
I atstrahiert. Es ist das sachlich dasselbe, wie wenn Luther
das Woit als das Kennzeichen des Vorhandenseins der
' ^Fahren Kirche bezeichnet, weil Gottes Volk nicht ohne
Gottes Wort und Gottes Wort nicht ohne Gottes Volk sein
lE&nn.
Im Vergleich mit dieser über alle wesentlichen Momente
des Begriffes sich erstreckenden Abhängigkeit von Luther
Bind die Spuren eines Einflusses der Lektüre von Hus ver-
schwindend an Zahl und Bedeutung. Zwingli beginnt wie
Hus {aber auch Luther) damit, die verschiedenen Bedeutungen
des Wortes Kirche zu registrieren, rechnet einmal in die
Kirche die Gläubigen aller Zeiten ein, bezeichnet gelegent-
lich die Gläubigen als Erwählte, reflektiert auch einmal auf
die Engel, .zu denen Gott die Gläubigen zugesellt'. Das
sind doch gänzlich irrelevante Einzelheiten. Ebenso wenig
\) W. W. XXVII, 102, Ea ist höchst unbegründet, aiigesicbla
der Deutung, irelche Luther diesem Bilde vou Seele und Leib gicbt,
in demselben den Ausdruck einer besonders wertTollen Atucbauuog
SU finden und Zwingli schuld zu geben, dafs bei ihm vielmehr „eine
äursere Parataxe" vorliege. Die Parataxe findet sich auch bei Luther,
nud die Meinung, dals die Gemeinde der Gläubigen ein Teil der Ge-
meinde derer sei 7»« Ohristo nometi dtderunl, auch bei Zwingli (gegen
Seeberg a. o. 0. S. »6. 87),
2) W. W. I, 198.
600 GOTTSCHICK,
trägt es für den EirchenbegrifF etwas aus, dafs ZwingU da
„Priesteni" die Pflicht einschärft, auch durch ihr Vorbild
in den Tugenden der Selbst- und Weltverleugnung auf die
andern zu wirken, was ja, an sich auch auf evangelischem
Standpunkt selbstverständlich, doch durch Hus ihm nahegelegt
sein mag. Ob es Hus ist, dem Zwingli die theokratiscbe
Anschauung über das Verhältnis von Staat und Kirche ver-
dankt, mufs wie bei Luther dahingestellt bleiben. Ym
Luther abgesehen, der seit 1523 im Prinzip mit ihr ge-
brochen, ist ja auch die Wendung, welche sie im Protfötan-
tisraus genommen hat, so vielfach vorbereitet, dafs gar keine
Notwendigkeit vorliegt, an Hus' Einflufs zu denken, um so
mehr, als Luther selbst, dem wir Zwingli in dieser Periode
überall folgen sahen, sie 1520 vertreten hatte.
Der Kampf mit der wiedertäuferischen Bewegung ist es
nun, in dem die zwischen Luther und Zwingli ursprünglich
bestehende völlige Gemeinschaft der Anschauung über die Mitte!
des Heils und damit über die Kirche sich gelockert hat Aucb
hier mufs man sich zunächst den immerhin noch breiten
Boden der Übereinstimmung gegenwärtig halten. Derselbe
besteht in der schon oben inbezug auf Zwingli dargelegten
Erkenntnis, dafs das Bestreben der Täufer, eine sündlose Ge-
meinde empirisch darzustellen, eine Verleugnung der evan-
gelischen Prinzipien ist, auf Werkgerechtigkeit hinführt, und
dafs die Absicht der Anabaptisten, die Taufe erst zu er-
teilen, wo man über den Glauben gewifs geworden ist,
dahin fuhrt, sie niemals gewähren zu können *. Beiden Re-
formatoren hat die Kindertaufe den Wert, die. Kirche als
eine erziehende Gemeinschaft, in der alle Stufen des christ-
lichen Lebens Raum haben und die allein die Gewähr iiir
eine gleichmäfsige und umfassende Pflege des christlichen
Glaubens und Lebens giebt, zu erhalten '^. Aber in der
1) W. W. II, 250. Opp III, r>7(i.
2) W. W. II, 300. ,.E.s sind ouch besundcrc gute stück, die us
dem kindertouf folgend, daran wir die göttliche Weisheit wol mögend
erkennen, warum die die üfscrlichcn Zeichen gegeben hab. Das erst
ist, dafs wir alle in einer christlichen leer erzogen werdind . . . das
HUS, LUTHER UND 2r^^NGU. 601
Bekämpfung der Anabaptisten gehen beide verschiedene
Wege, wenn auch Zwingli einige von den Argumenten
Luther's sich angeeignet hat. Zunächst ist es der Sakra-
mentsbegrifF, den beide in entgegengesetzter Richtung um-
bilden. Hatte Luther bei demselben allen Wert auf das
Wort gelegt, so hatte dieses Merkmal doch schon ursprüng-
lich eine amphibolische Bedeutung gehabt und konnte des-
halb nach der einen oder der andern Seite gewandt wer-
den. Das auf das Sakrament bezügliche Verheifsungswort
konnte bald mehr als eine Konkretisierung der allgemeinen
Gnadcnverheifsung des Evangeliums aufgefafst werden, so
dafs der zum heilsamen Gebrauch des Sakraments erforder-
liche Glaube nichts anderes als der allgemeine evangelische
Heilsglaube war. Bald konnte es mehr als eine statutarische
Einzelzusage Christi betrachtet werden , mit der er der
sakramentalen Handlung einen bestimmten Segen verheifsen
hat, und die als solche einzelne Verheifsung anerkannt oder
geglaubt werden will. Im letzteren Falle wird das Sakra-
ment aus seiner Subordination unter das Evangelium in
eine selbständige Stelle neben dasselbe gerückt; es wird
zum spezifischen Gnadenmittcl. Das ist die Richtung, in
welche sich jetzt Luther begiebt. Speziell , was die Taufe
anlangt, wird das bei ihr wiederholte Stiftungswort jetzt
von ihm als ein magisch wirksames Organ aufgefafst, durch
welches Gott erstÜch in den Kindern auf die Fürbitte der
Kirche den eigenen Glauben wirkt, der nach seiner auch
jetzt festgehaltenen Anschauung conditio sine qua non des
heilsamen Empfangs des Sakraments ist, und zweitens den
effektiven Heilsbe^itz den Kindern unmittelbar aneignet
Damit hat sein Sakramentsbegriff wieder in die katholische
Richtung eingelenkt. Zwingli dagegen wird durch die Schwie-
rigkeiten, in welche Luther's Begi'iff, dafs das Sakrament ein
den vorhandenen Glauben vergewisserndes Unterpfand der
ander ist, dafs die kioder genötigt werdend christenlich von jagend
uf zc leben, und die eitern sy christlich ze erziehen . . . das dritt ist
trägheit des leercns. Wurd jedermann sin verziehen von kindlichen
tagen ze leeren mit dem wort verantwurten : es ist noch früh genug/'
602 GOTTSCHICK,
göttlichen Gnade sei, gerade g^entiber der Praxis ds
Kindertaufe verwickelte, zur Lossagung von demselben ge>
drängt, eine Lossagung, die ihm um so leichter wuide, ah
er die Stimmung Luther's, iUr die solche sichtbaren Uata>
p&nder der göttlichen Gnade neben dem Worte einen be-
sonderen Wert besitzen, fiir seine Person nie geteilt hatte
Ihren Wert fUr die Blöden und Einfältigen hatte er zb-
gestanden; ihm für seine Person, der das Auf- und Ab-
schwanken der religiösen Stimmungen nicht in dem Ma(ie
wie Luther erfahren, besafs der Glaube an dem EvangelimD
von Christo, dem „Gnadenpfand Gottes", von jeher emc
unerschütterliche Stütze der Selbstgewifsheit. Und dafs die
Kraft des leiblichen oder mündlichen Wortes als solchen
nicht gröfser ist als die des leiblichen Wassers, dafs nur
Christus oder das Evangelium es ist, was, wenn Gott muer-
lieh zieht oder mit dem Geiste tauft, unsere Seele erquickt,
steht ihm fest. £inc Magie des äuferen Einzelworts, wie
Luther sie jetzt lehrte, lag ihm gänzlich fern (vgl. W. W.
II, 256. 246; Opp. IV, 119). So bricht er denn schon
1525 im „Commcntarius de vera d falsa religionc" mit
Luther's Begriff, dafs die Sakramente den Glauben be-
festigen * und widerruft dabei ausdrücklich, was er vor
Äwei Jahren mehr tempori als rei aus Rücksicht auf die
Schwachen gelehrt ^. Die Motive dieser Änderung spricht
er in der Schrift „Vom Teuf" 1526 deutlich aus. Da die
Kinder nicht glauben können (denn die Versuche etlicher,
den Glauben der Kinder zu bewähren , sind vergebens '),
so mufs man von diesem Sakramentsbegriff aus „dem
kindertouf Widerreden " *. Fiel ihm nun dies Moment des
lutherischen Sakramentsbegriffes fort, wenn er auch noch
später es gelegentlich hat gelten lassen ^, so blieb ihm von
1) Opp. III, 228 sq.
2^ Ib. 2:J0.
3^ W. W, II, 292.
4^ Ä. a, O. 244.
r*'' Expos. Christ, fidei cf. Niemeyer, Collect, conf. p. 51 aaxilium
\"^MfrA\\uo uvlferunt fidei.
HUS, LDTHER UND ZWINQU. 603
H dem Sakrameiitsbegriff, den Luther in den Sennonen des
■ Jahrea 1^19 entwickelt hatte, nur das ethische Moment,
■ dafs der am Öakrament sich Beteiligende sich durch dies
B Zeichen verpflichtet, ein Moment, das in Luther'a Sermon
von der Taufe sogar im Vordergründe gestanden hatte ; an
diesen Sermon aber schliefst Zwingli z. B. in der Ver-
T^ertung von Riim. G, 3 ff. sich auf das engste an.
Die Berechtigung, das Zeichen, durch das man sich zur
Kirche Christi bekennt, auch den Kindern der Christen zu
gewähi-en, Jie noch nicht glauben, begründet aber ZwingU
aufser mit fragwüi'diger Exegese zunächst mit zwei Argu-
menten: Die Kinder, die noch keine aktuelle Sünde haben,
jedenfalls die Christen kind er sind nach Matth. 18, 3 und
iKor 7, 12 — 14 Kinder Gottes; wie kann man da die
äufsere Taufe abschlagen? Ferner sind die Kinder der
Israeliten zum Vulk GottiiS gerechnet worden und haben
das BundesBcichen, die Beachncidung , empfangen. Nun ist
aber der Alte und der Neue Bund in der Hauptsache iden-
tisch , nur dafs jetzt die Heiden an die Stelle der Juden
eingeruckt sind und dafs durch die Erfüllung der Glaube,
der im Alten und im Neuen Testament qualitativ der gleiche
ist , seinen Gegenstand deutlicher kennt. Es ist eine
Kirche in beiden Testamenten '. Da kann unsere Lage
keine sehlecliterc sein als die der Israeliten ; unsere Kinder
müssen dieselbe Verheifsmig haben, wie die jener, dafs sie
zur Kirche gehören, und müssen daher auch die der Be-
schneidung entsprechende Taufe empfangen. Durch beide
Argumente, von denen Luther das zweite teilt, ist natürlich
zu viel und darum nichts bewiesen.
Gegen diese Begründung wird ihm nun von den Wieder-
täufern ein Einwand erhoben , der ihn , indem er denselben
zwar zugesteht, aber sofort als Waffe gegen die Gegner der
Kindertaufe benützt, zu einer neuen Formulierung des
Kirchenbegriffes iührt. Nachdem er nämlich in der Schrift
„elenchus contra Cutabaplistas " (1527) seine bisherigen
Argumente wiederholt hat, entwickelt er im Anschluls an
1) III, 430. Couflt una ei istia ac uobia ccclesia.
604 OOTTSCmCK,
Rom. Sf 28, daTs Paolos dem fflaaben nur synekdodosd
das Heil zoschreibe; die dgentliehe HeilskaasalitiU Ikge a
der freien göttlichen Erwählong, die an nichts gebonda
sei^ nicht nor über Taofe ond Beschneidimg , sondern loek
über Glaube ond Predigt stehe. Sie verwirkliche sich u
den Einzelnen durch das Mittel der wirksamen Berufimg.
die allein in Gottes Hand stehe ^ ond der Glaobe sä nur
das gewisseste Zeichen für das in der Erwählung begröih
dete ewige Heil, nicht seine Ursache '. Und nun fahrt er
fort: haec arhitror brevia esse sed dara et fimui. Ät \%
quem usum? In hunc, ut Catahaptistis respon-
deamus ^. Dieselben liaben nämlich, so erzahlt er, unter
Berufung auf das Beispiel des Jakob und Esao (Rom. 9, 1 1 —13)
ihm eingewandt, dafs im Alten Testament zu den Kindon
Gottes gehört haben oder de ecclesia gewesen seien keines-
wegs alle Kinder der Hebräer, sondern nur die Erwählten.
Gewifs, 80 erwidert Zwingli, gehört zum Volke Gottes nie-
mand als den er erwählt, aber auch jeder, den er erwählt
hat; die Erwählten sind aber Kinder Gottes, bevor sie
aktuell glauben, also — ist die Ansicht der Wiedertäufer,
die erst die aktuell Gläubigen durch die Taufe in die Kirche
zulassen will, nach ihrem eigenen Argumente falsch. Wir
dürfen diesen Mafsstab nur bei den Erwachsenen anwenden,
bei denen Glaube oder Unglaube gegenüber dem gepredigten
Wort das Zeichen der Erwählung oder Verwerfung ist,
nicht bei den Kindern, denen die Erwählung abzusprechen
oder die von der Kirche auszuschliefsen bei diesem Ver-
hältnis von Erwählung und Glaube gottlos sein würde.
Die Umbildung des Kirchenbegriffes, welche Zwingli
von diesem die Gegner allerdings schlagenden Ai-gumente
aus vornimmt, liegt vor in der ,jFidei Ratio" (Juli 1530).
Nachdem Zwingli in dieser Schrift mit seinen bekannten
Argumenten das Anrecht der Christenkinder auf die Zu-
gehörigkeit zur ecclesia visibilis Christi oder zu der Zahl
derer, die unserem Urteil für Erwählte gelten, verteidigt hat,
1) III, 424-420'.
2) III, 426.
HD8, LUTHER ÜSD ZWINQLI. 606
registriert er in derselben Weise wie früher die verschiede-
nen Arten des Gebrauehs von ecclesia in der Schrift und
bekennt deinf^emäfa , dafs die Kirche in diesem mehrfachen
Sinne fUr ihn Gegenstand des Glaubens ist. Dies Prädikat
bedeutet hier zunächst diu-, dafa auf Grund der Schrift das
Wort so oder so anzuwenden ist; aber es liegt dabei der
Gedanke zugrunde, dafs wegen dieser Autorität der Schrift
man es sich nicht berausnebinen darf, die empirische kirch-
liche Gemeinschaft, weil sie Ungläubige einschliefst, zu ver-
achten oder gar durch eine empirische j^ammlung der sünd-
losen und vollkommenen Christen zu ersetzen Auch dia
gemischte Gemeinschaft besteht nach dem Willen Gottes
und hat demgeraäfs Wert. Dieser acceptiones ecclesiae, we-
nigstens der erwähnenswerten, sind nämlich drei. Einmal
bedeutet Kirche die Erwählten. Das ist die Kirche ohne
Flecken und Kunzel. Sie ist hinsichtlich ihrer Glieder nur
Gott bekannt, weil allein Gott weife, wer erwählt ist, wenn
auch die Erwählten, nachdem sie zum Glauben gekommen
Bind , an der unerschütterlichen Zuversicht zu Gott das
Ft'nnd des Geistes und damit die Gewifsheit ihrer Mitglied-
schaft an der Kirche in diesem Sinne haben, während sie
vorher um ihre dennoch vorhandene Gliedsehnft nicht
wufsten. Von dtin engeten ICreise derer, die denselben
heiligen Geint haben, bekennt er weiterhin seinen Glauben,
dafü die ecclesia derselben ttna sei und in den Kardinal-
punkten des Glaubens nicht irren könne. Zweitens wird
Kirche l^r die insgesamt gebraucht, weiche sich zu Christo
bekennen und an den Sakranieuten teilnehmen, obwohl unter
ihnen auch rq/robi und innerlich Ungläubige sind. Sie ist
scnsibilis, obwohl sie in dieser Welt nicht zusammenkommt.
Auch sie ist umi, soweit sie die vera confessio testhält.
Zu ihr gehüren quicunque nomett Uli Juiit juxta vcrbt Dei
praescriptum ei promissionem. De hoc ecclesia sind die
getauften Kinder, deneu als Ohristenk indem schon vor der
Taufe nach der Analogie des Alten Testaments die Ver-
beifsung gegolten hat, dafs sie zu dieser Kirche, zu dem
Volk Gottes in diesem Sinne gehören. Diese ecclesia uni-
versalis sensibilis ist hominum judicio die Kirche Gottes
606 GOTTSCHICK,
und empfängt darum die Ehrenprädikate der crsteren, wie
wir ja auch die sich zu Christo Bekennenden für glaabi|
und erwählt zu halten verpflichtet sind. Endlich heifo
Kirche auch quivis partictdaris coetus huius universalis at
sensihilis ecclesia '.
Hier wird also die ecclesia electorum und die ecclesia
fidelium einerseits, die ecclesia sensihilis derer, die sich
äufscrlich zu Christo bekennen und an den Sakramente
teihiehmcn, anderseits unterscheiden, und in der letzteren
wieder den Unterschied der ecclf^ia universalis und parii"
cularis gemacht, sowie endlich die Möglichkeit einer aber-
maligen Unterscheidung angedeutet, indem die richtige cm-
fessio und das dem Gebot und der Verhcifsung Gottes ent-
sprechende ei nomen dare als Bedingung ihrer Einheit
bezeichnet und demgcmäfs die Aussicht darauf cröfiiict wird,
dafs es Gemeinschaften des Bekenntnisses zu Christo und
der Teilnahme an den Sakramenten geben kann, die aus
der gottgeordneten wahren Einheit der ecch:sia sensihilis
herausfallen, dafs also eine abermalige Differenzierung des
Kirchenbegriffs in Gestalt einer vera und einer falsa ecclesiü
sensihilis eintreten kann *. Von Zwingli's früherer Lehre
über die Kirche unterscheidet sich diese Ausführung erstlich
darin, dafs der Kreis der aktuell Gläubigen in einen wei-
teren Kreis, den der Erwählten, eingeschlossen wird (der
Name ecclesia invisihilis oder spiritualis wird auch hier
noch nicht gebraucht), dafs die Partikularkirchen als Teile
nicht mehr der Kirche bezeichnet werden, von der es früher
1) Nicmcyer, Collect io, p. 21 --24.
2) Viel weniger Yollstäiidig ist die Darlegung der Lehre von der
Kirclie in der wenig späteren fjidei crjtontio**. Da ist nur von der
einen heiligen allgemeinen Kirche die Rede. Dieselbe ist entweder
unsichtbar oder sichtbar. Unsichtbar als die allein Gott bekannte
Zahl der Gläubigen in der ganzen Welt, welche im heiligen Geist
Gott erkennen und umfassen. Die sichtbare Kirche ist nicht der
Papst und die Priester, sondern tfiiotrpwt per Universum oi'betn (Christo
nomen dedenint. In ihr giebt es auch solche, die innerlich keinen
Glauben haben und darum nicht Glieder illius electae ac tnri'«7/i7t.s
sind (vgl. Nicmcyer a. a. 0. S. 5'J).
ins, MiTiiEu VST» «wixrttj. 607
IJücfH, (lafs sie im Synibul bekannt werde, sondi;ra nls Teile
Kider Biclitbaron oder sinnlich wahmdimlüircn allgomeinon
^"L'rcfie der IJekenner Christi, dafs liinsiclitlicli der om-
pjrischcn Kirdic eiu Unterschied der wahren und fiilBclion
irclio gf^inacht wird, der nicht mehr hlofs wie frülicr den
Gegensatz gegen das Papsttum, aundcm auch den gegen die
rWicdcj-täufcr üum Grunde hat. Aus der Einheit der wahren
uchtbaren allgemeinen Kirche llillt die pilpHtlichc Kirche
hoj-auR, weil sie niclit die vera confcssio hat, alwr ancli die
Gemeinschaft der Wicdertäuler, weil sie da« nomr.-n ecdcRtac
dttTc nicht nacli Vortwhrift und Vcrheifsung des gJittliclien
"Wortes vollzieht.
Auf die Motive dieser Änderung fitUt un»weidcutige9
Licht diu'ch die aus dorn Nnvcmhcr 15^0 frtnmmcnde Be-
antwortung der .StJiwonkfeld'Bchen „quai^tionns de satra-
mctUo huplismi", welche L. Brunner an Zwingli gesandt
hatte. Den AngrifTen desselben nuf die Kindurtjmfc lag die
Ansieht s-.iigrundc, dal's die Taufe erst zu erteilen sei, wo bo-
wiifstcr Glaube konatutiert werden könne, und dafs der Vei-such
gemacht werden müsse, die Kirche als Gemeinde der bewuPat
Oläubigen empirisch zu realisieren. Indem die Frage nach
der Berechtigung der Kind er taufe die Frage nach dorn
Wesen der Kirihc nacli sieh /ug, wurde die ] ^schaffen holt
des Kiiizclnen »um Ausgangspunkt itir die Bestimmung des
Wesens der Kirche. Zwingli sciüekt nun di-r Beantwortung
der einzelnen Quästiencn Axiome voraus. In denselben
wii'd die ewige Jirwähluiig resp. Verwerfung als der allein
entscheidende Grund des Heils oder der Verdammnis gel-
tend gemacht und darauf hingewiesen, wie das menschliche
Urteil hinsichtlich der /ugchörigkeit der Einzelnen sei es
am- ecdcftia primiiivorwn (Ehr. 12, aa), sei es nur cccl.
paditorutn mit dem thatsächlichcn , in Gotte« verborgenem
Willen begründeten iSachverhalt nicht zusammentrügt '. Wenn
1) Opp. in, 5T2. Latrn ijuod lul humanuni Judiciuni attiiict,
cuiuain ccclcniue , Ucl an ])is)ii)li accunschntur? Sic ut Julias.
Ndpiid illn pcrilitimim , hie vr.ro clccIorumV cum ii]mJ l><;urn illR
clocliu l.-»»oI et de ccvlüniiL primilivorutii, liiu vuni il<: ctcIcHi» ilikmnil-
J
608 GOTTSCHICKy
nun bei der Zulassung in die empirische Kirche , um
die es sieb bei der Taufe handelt, menschliches Uitd
jedenfalls niafsgebend sein muTs, so wird dei* Bestiod
der letzteren mit dem Bestand der Kirche, welche nicht
Makel noch Runzel hat, sich niemals decken. Sie wiid
ä
immer Verworfene einschliefsen , Erwählte von sich aui-
schliefsen ^
Der Mafsstab aber, den die Wiedertäufer anlegen,
dafs der Glaube an das gepredigte Evangelium das Ent-
scheidende ist, ist kein solcher, nach dem menschliches
Urteil die Einzelnen beurteilen darf. Nach ihm könnte
überhaupt niemand getauft oder in die empirische Kirche
zugelassen werden, weil man von einem anderen niemali
wissen kann, ob er wirklich Glauben hat *.
Jener Mafsstab gilt aber auch an sich nicht ftir jede
Zeit; er gilt erst, wenn für den Einzelnen die finale Stel-
lung zu dem ihm gepredigten Evangelium entschieden ist
Wir haben die Pflicht, in die ELirche alle autzunehroeO)
die sich zu Christo bekennen, ohne dafs wir über ihre
wirkUche Zugehörigkeit zu der Kirche, die keinen Flecken
noch Kunzel hat, ein zutreffendes Urteil fkUen könnten.
Die Kirche, in die wir sie durch die Taufe aufnehmen, die
ecdcsia visibilis wird in der JSchrift durch die Gleichnisse
von der königlichen Hochzeit, den zehn Jungfrauen, dem
Unkraut unter dem Weizen u. s. w. beschrieben ^. So
giebt es nach der »Schrift eine ccclcsia spiritualis und eine
ecclesia saisibilis, die ersterc die der Erwählten, die zweite
die Gesamtheit derer, die sich zu Christo bekennen, die
nach unserem, allerdings irrtumsiahigen , aber doch pflicht-
mäfsigen Urteil zur Kirche gehören. Beide decken sich
vielfach nicht. Das Bestreben, die erstere Kirche empirisch
1) Ibid. Ergo in ccclcsiam visibilem . . . ceiisentur hi quoque,
qui upud Dcurn repudiati sunt, dumrnodo nostro judicio satisfaciant ;
et contra alieni ab ecclesia nostra judicantur, qui tarnen de ecclesia
primitivoruin sunt.
2) Ib. p. 570.
'S) Ib. p. 573.
HÜS, LUTHER UND ZWINGU. 609
ZU realisieren; läfst sich auch durch die Schriftstellen nicht
begründen, in denen die Hoheitsprädikate der ecclesia spiri-
tualis auf die empirischen Gemeinden angewandt werden;
denn hier findet die Figur der Synekdoche statt, der ge-
inäfs auf das genus übertragen wird, was nur von einem
Teil gilt, oder von einer species ausgesagt wird, was sich
auf eine andere bezieht K Die sichtbare Kirche, welche
auch Kirche Christi ist und heifst, hat also nach Gottes
Willen Glieder sehr verschiedener Art, einerseits sowohl
Verworfene wie Erwählte, beides Kinder wie Erwachsene,
anderseits sowohl Gläubige wie Ungläubige, die letzteren
wiederum teils solche, die einst gläubig werden, teils solche,
die es nie werden *. Während in der geistlichen Kirche
nur Erwählte sind, müssen wir in die sichtbare alle aufneh-
men, denen wir nach den für uns geltenden Mafsstäben das
Bürgerrecht in der Kirche zuzuschreiben verpflichtet sind.
Das ist aber bei den Erwachsenen das Bekenntnis des
Glaubens zu dem gepredigten Evangelium, bei den Kindei^n
die Darbringung der Eltern auf Grund der aus der Ana-
logie des Alten Testaments gefolgerten göttlichen Vcr-
heifsung, dafs die Kinder der Christen zum Volke Gottes
gehören ^.
Dafs hier auch von Hus stammendes Begrififematerial
(die geistliche Kirche = Zahl der Erwählten, die mannigfache
Verschiedenheit der Glieder der sichtbaren Kirche) verwandt
worden ist, mag keinem Zweifel unterliegen, aber ebenso
wenig auch, dafs es nicht die eigene Anziehungskraft dieser
Gedanken ist, denen sie ihre Wiederaufnahme durch Zwingli
verdanken. Der Grund für die neue Gestalt des Kirchen-
begriffs und für die Abweichung von Luther liegt vielmehr
in der sich aufdrängenden praktischen Aufgabe, den Wieder-
1) Ib. p. 574. Spirituali« ccclcsiae iniinera seDsibili quoquc
tribuuntur, scd dicta ratlonc, cum in ecclesia electi siiit. — ac rcprobi
. . . . Jam toti ecclesiac tribuitur, quod mclioris in ea parti.s tan-
tum est.
2) Ib. p. 575.
3) Ib. p. 577.
610 GOTTSCHICK,
täufcrn mit einer Lehre von der Kii-ehe entgegenzutreten,
bei der die Aufnahme von Kindern in die Kirche gerecht-
fertigt war, uhne dafa wie bei Luther ein Rückfall in die
katbülischo Sukramentsmagie und eine Erdichtung
Glaubens der Neugeborenen stattfand. Kinder können
zur Kirche im Vollsinne des Wurtes geliören, obwuhl sie
noch keinen Glauben haben; denn der Glaube ist nur die
zeitliche Erecheinung der ewigen Erwählung. Alle ChriBten-
kinder gehören nach der Verhcifsung Gottes, wenn auch
nicht zur Kirche der Ejwählten, doch zu einer Kirche Gottes,
die demgenaäfs nach Gottes Willen auch Nichlgläubige und
Nichterwählte umfassen mufa. Die vollkommene Gemeinde
läfat sich nicht empirisch reahsiercn; denn das DienschUcht!
Urteil kann nicht einmal das Vorhandensein wirklichen Glau-
bens, geschweige das der Erwählung mit Sicherheit kon-
etatieren. üo entspringt die Gegenüberstellung der boidea
sich schneidenden Kreise der nur Gott bekannten Kirche
der Erwählten und der ecclesia visibilis. Während in der
Zeit des Kamples mit den Römischen die evangelischen
Einzelgemeinden wegen ihres Verhältnisses zu dem einen
Worte Gottes als die Teile und Glieder der, kurz gesagt,
unsichtbaren allgemeinen Kirche betrachtet wurden und
daraus ihr Recht zu selbständigem kirchlichen Handeln ab-
geleitet wurde, ist jetzt die Kirche, welche auch Nichtglan-
bende in sich befafst und als Erzieherin derselben Wert
hat, eine gottgeordnetc Gemeinschaft, Kirche Christi, und
die Partikularkirchen, die natürlich ebenfalls aus Gläubigen
und Ungläubigen, Erwählten und Nichtcr wählten gemischt
sind, verlieren im Kample mit den Wiedertäufern nichts,
wenn sie als Teile der sichtbaren Kirche aulgefalst werden.
Denn diese ist eine göttliche Ordnung. Dafs gerade auch
die Einzelgemeinden durch das Wort Gottes sanktioniert
werden, hat seinen bedeutsamen Wert gegenüber der Rütterei
der Täufer, die sich fälscldich auf die Vcrheifsung berufen,
dafs, wo zwei oder drei versammelt sind im Namen Christi,
er mitten uuter ihnen sein wolle. Zwei oder drei oder
hundei-t Gläubige sind keine der Kirchen, von denen da«
Wort Gottes redet, sondern nur eine grüfsere oder geringere
HU8; LUTHER UND ZWINGU. 6 1 1
Zahl von Gliedern der Kirche ^ Auch ftir die Kirche^
welche begriffsmäfsig Verworfene und Kichtgläubige zu
ihren Gliedern hat, gilt, damit sie in der wahren, ihr von
Gott vorgeschriebenen Einheit bleibe, eine Bedingung: sie
hat bei ihrem kirchlichen Handeln sich nach dem Worte
Gt>ttes zu richten. Darum fallen aus ihrer Einheit eben so
heraus die Täufer, welche die den Christenkindern gegebene
Verheifsung misachten, als die Päpstlichen, welche nicht die
Vera confessio bewahren. Noch in einer anderen Beziehung
als den besprochenen beherrscht der Gegensatz gegen die
Täufer die Ausführungen der „fidei ratio" und auch der
„fidei exposiiio". In der ersteren wird nämlich der gött-
liche Wert des Predigtamtes und der weltlichen Obrigkeit
hervorgehoben * und in der zweiten die Notwendigkeit der
letzteren für die Vollkommenheit des kirchlichen Körpers
ausdrücklich damit begründet, dafs es in der sichtbaren
Kirche viele contumaces und perduelles gebe *.
So wenig es zu leugnen ist, dafs Zwingli's Kirchen-
begriff jetzt eine gewisse Gespaltenheit an sich trägt, so
darf man doch nicht übersehen, dafs er auch jetzt die zum
Glauben gelangten Erwählten als das eigentlich handelnde
Subjekt in der wahren sichtbaren Kirche betrachtet und
wesentlich wegen ihrer Zugehörigkeit zu dei*selben die sicht-
bare Kirche als eine solche, die Kirche Christi nicht nur
heifst, sondern ist, angesehen hat. Die Behauptung, dafs
durch die Figur der Synekdoche, was nur von dem besseren
1) Opp. VI, 341 zu Matth. 18, 20. Ex bis verbis colligunt Cato-
baptistae suam ecclcsiam seu potius sectam. Nam et ipsi a Christia-
nis 8C separant. Verum est hoc, quod quicunque Dcum praescntem
habet, mcmbrum est Christi et ecciesiac, nee tarnen ob id sequitur,
quod sit de ecclesia illa, quae potestat«m habet cxcommuuicandi et
alios excludendi .... Christus . . non de ecclesia hie loquitur, sed
de singulis membris, quasi diceret: non ecciesiam duntaxat exaudio
precHntcm, sed singulos, qui nomine meo convenerint ; vgl. W. W.
II, 2'.M. Ein jede kilch soll in den offnen dingen handleu und ur-
teilen, nit einer oder glych hundert besundcr, als wir wol ermessen
mögend. Matth. 18, 17; IKor. 14, 29; Phil. 3, 16.
2) Nicmeyer a. a. 0. S. 31. 32.
3) a. a 0. S. 53. 54.
612 OOTTSCHICK,
Teile der Kirche gilt, auf das Ganze übertragen werde (vgl
S. 609 Anm. l), hat nämlich nicht etwa den Sinn, dab
die Prädizierung der sichtbaren Kirche als Kircbe Chiisd
lediglich eine Redefigur sei, sondern das ist die Meinm^
dafs das Ganze nach dem besseren oder hauptsachlichei
Teil beurteilt, dafs von dem anderen abstrahiert werden
müsse ^ Auch Luther hat ja auf dieselbe Weise das An-
recht der gemischton Gemeinschaft auf das Prädikat Kirche
begründet. Es ist deshalb der Abstand auch der zweiten
Gestalt der Lehre Zwingli's von der Luther's nicht so Loch
zu veranschlagen, als es gemeinhin geschieht.
Die Probe auf die Richtigkeit des versuchten Nach-
weises über die Gründe der in Zwingli's Anschauung von
der Kirche eingetretenen Wandlung Hefert die Erwägung,
ob etwa die stärkere Betonung der Erwählungslchre dazu
geführt hat, dafs für ihn die historischen Heilsniittel über-
haupt ihren Wert verloren haben und die Bedeutung des
Evangeliums von Christus durch die Annahme einer gänz-
lich unvermittelten Geisteswirkung als dem Korrelat der an
nichts Creatürliclics gebundenen Erwählung vernichtigt wor-
den ist. Seeberg hat dies wieder behauptet.
Bekanntlich hatten sich Zwingli und die sächsischen
Reformatoren auf dem der Abfassung der l^chrift „de pro-
vichntia" unmittelbar vorhergehenden Marburger Kolloquium
auch über den Satz geeinigt: Spiritus saticius, übt vult, dat
et efficit fident in nostris cordihtis, aim Evangelion seu
vcrhum Christi andimus ^, nachdem dem ei-steren von den
letzteren Münzerisclie Schwarmgeisterei schuld gegeben war.
Collin berichtet nun über die diesen Punkt betreffenden Ver-
handlungen, Melanchtlion und Zwingli seien darüber eins
1) Opp. VI, p. o40. Saopc fit, quuin duo contraria in cadem
rc sirnul iiivcniantur, iit (lonominationcm falls res accipiat a princi-
paliori. In ecclesia Christi et mali rcperiuntur. Kt coetus, qui bonos
et inalos simul coinjdrctitur , ecclesia nüiiloniinus dicitur Christi,
quuin tarnen mali aut irnpii nequaquam sint in ecclesia
(ob hier vielleicht tlc cchslfi zu emendiercn ist?) . . Praccipuum in
ecclesia Christi sint lioni, a quibus et ecclesia denominatur.
2) Zwinglii Opp. lat. IV, p. IHl.
I
HUS, LUTHER UND ZWINßLl.
613 ^^M
ermittelnde |
geworden, dafs das die WirkBamkeit des Geistes vermittelnde
Wort nicht maierialiter , sondern als gepredigtes und ver-
. «tandenea Wort d. i. als mens et medtdla verbi gemeint oder
pro ipsa seiUentia et mcnlc Dei, allerdings in menschliche
„ Worte gekleidet, genommen sei; dann erfasse das mensch-
liche Herz die Meinung des göttlichen Willens, wenn es
vom Vater gezogen werde '. — Das war ja nun Zwingli'a
Meinung nicht minder wie die Luthcr's immer gewesen, und
er bedui-fte in dieser Beziehung der Belehrung nicht, die
Melauchthon sich rühmt ihm in der Geschwindigkeit hahen
angedeihen zu lassen *. Nichts anderes aher hat Zwingli
dann in der Schrift „de Providentia" wieder auseinander-
gesetzt, wenn er z. B., dafs nach Paulus der Glaube ex
auditu kommt, dahin erklärt, dafs der vicinior et nobis
notior causa zugeschrieben werde, was streng genommen
allein dem Geiste gebühre ^. Luther'a eigene, auch mit der
Prädestinatioualeln-e zusammenliängcnde Formel, dafs Gott
durch das AVort den Geist gebe, wo und wann er wolle,
ist ja hiermit vollständig gleichbedeutend. Zwingli sowohl
wie Luther leugnen, dafs das gepredigte Wort durch seinen
verstandenen Inhalt schon den Glauben bewirke; um dies
zu erzielen, mufs eine spezitische, eben darum unmittelbare,
durch das Wort nicht vermittelte Geistes wir kung hitizukom-
men. Wenn Zwingli in dieser Öchrift gegen die Über-
schützung der externa praedicatia durch die Sakramentarier,
wie auch er jetzt Luther und seine Anhänger betitelt, sich
abweisend auasprieht, so bat er eben Luther's jetzigen, ihm
nicht mit Unrecht als katliolisiereud verdächtigen Sakra-
mentsbegriff im Auge, nach welchem die Kraft der vom
Diener z. B. bei der Taufe ausgesprochenen Worte das
äulsere Zeichen zum sicheren Vehikel der Gnade machen
1) Ib, p. 173.
2) Ib. p. 185.
3) Ib. p. I2b. NoQ est alia mena Puull quam necesse esa<3 . . .
ut praedicetur vcrbuin, quo deinde, quJ iucreioentum dat Deua, velut
iQHtrumeDto fidein plaiitat, aod sua viciaiore ac propria manu. Est
enim et aijoatoli opus a Dei manu, sed medium; ipse rero tractua
internus immediate operantiB est spiritUB.
E4lUehr. t K.-a. VIll. «. 4U
614 GOTTSCODCK,
BoU ^ Lediglich gegen die Sakramentsmagie sei es katbo-
lischer, sei es neolutherischer Art; ist auch der Satz der
„fidei ratio" gerichtet; den Seeberg mit Unrecht so Ter-
allgemeinert hat, dafs er auch das Erangeüum einschliehfi
solle : dtix vel vehiculum spirüui non est necessarium K Und
wenn Zwingli eben dort von den Sakramenten sagt, dals ae
sichtbar der fiorche einigen, nachdem der Empfänger derselbea
unsichtbar in dieselbe aufgenommen sei, dafs der Qeist tot
dem Sakrament wirksam dagewesen sei und invisibüiter ä
insensibiliter ihn gezogen habe ^, so bt nicht die mindeste Be-
rechtigung vorhanden; ihm zu imputieren, dafs er die Vermitte-
lung durch das gehörte und verstandene Evangelium day(m
auss^hliefse. Der ganze Zusammenhang handelt lediglich tod
den Sakramenten. Die Wendung spirüu Spiritus generaim,
non rc corporea begegnet ohne jede Restriktion auch da, wo
auch der ungerechteste Polemiker das gehörte imd verstan-
dene Evangelium von Christus als Mittelglied nicht sns-
schliefsen kann, wo nämlich Zwingli von dem im Abend-
mahl stattfindenden geistlichen Oenufs von Fleisch und Blut
Christi redet*. Und S, 32 erklärt Zwingli bei aller Be-
tonung dessen; dafs der Geist der autor tum doctoris Um
auditoris sei, dafs die äufsere Verkündigung des Evangeliums
dem Glauben als Regel vorausgehe, dafs die Sendung von
Boten des Evangeliums ein Zeichen sei, dafs Oott sich seinen
Erwählten offenbaren wolle, die Verweigerung derselben ein
Zeichen seines drohenden Zornes **. Wie er die Erwählung
in ihrer Abz weckung auf Christus aufgefafst hat, so hat ja
auch seine ganze Anschauung vom christlichen Leben die
Bürgschaft der göttlichen Gnade, welche die Person Christi
bedeutet, und damit das gepredigte Evangelium zu ihrem
unveräufserlichen Korrelate. Wogegen er sich erklärt hat,
1) Ib p. 119.
2) Nieraeyer a. a. 0. S. 24.
3) Beim Kinde geht an Stelle des Bekenntnisses des vom Geist
gewirkten Glaubens die göttliche Verheifsung für die ChristeBkinder
vorher.
4) Ib. p. 29.
5) Ib. p. 32.
HU8, LUTHER ÜKD ZWIMQLI.
iss iet die Magie des verhum materialiter accepttan. Weim
kber Seeberg, mn Zwingli die erwünschte Theee imputieren
SU können, sich darauf beruft, dafs derselbe auf Grund von
Böm. 2, 14 ff. die Möglichkeit offen halten will, dafs die
gßttliche Erwähiung nicht nur in Israel, sondern auch unter
Heiden sich an etlichen verwirklicht habe, die an Fröm-
migkeit den Päpsten vorzuziehen sein, wie z. B. Seneka und
Bokrates, so dürfte zu bedenken sein, ob es auch nur in
Ler konfessionellen Polemik, geschweige denn in der hiato-
RBchen UnterBuchung zulässig ist, die das Zentrum der Gle-
danken Zvringli's bildende reform atorischc Heilslehre durch
liehe nebenbei laufende Residuen älterer Anschauungen eli*
minieren zu wollen. Mit dem gleichen Recht kann man ja
auch Luther die Konsequenz imputieren, dafs er das ge-
Bchichtllche Christentum entwertet habe, weil er nicht minder
wie Zwingli daran festgehalten hat, dafs die alttestament^
liehen Frommen denselben Glauben gehabt haben wie die
Christen und dafs die chriatliclie Kirche von Anfang der
Welt an existiert hat.
Vergegenwärtigt man sich nun, dafa Zwingli auch in der
„fidei ratio" nur die Gemeinde der aktuell Gläubigen als die
eine Kirche bezeichnet, die nicht irren kann, dafs er in der
„fidei cxposilio" das Prädikat der ccclesia invisibilis nur
auf sie bezogen, also beide Mal die Formel, dafs die Kirche
die Zahl der Erwählten sei, neutralisiert hat, dafa er in der
Antwort auf die Fragen „de sacramento haptismi" dieselbe
Gröfse als den tnelior pars der ccclesia vislbilis auffafst, der
über den Wert des Ganzen entscheidet, dafs er die Ver-
kündigung des \A'ortB als eine hauptsächliche Funktion der
visibilis ccclesia denkt, dafa er die Gläubigen auch in dieser
Periode als Effekt wie als Subjekt doa Wortes vorstellt, dafs
er die sichtbare Kirche als dJe durch Erziehung und Unter
rieht im Worte alle ihre Glieder von Jugend auf zum Glau-
ben heranbildende Gemeinschaft betrachtet, so bleibt natür-
lich das Urteil ungeändcrt, dafs die von ihm vorgetragene
Gesamtformulierung aller dieser Momente die Einheit der
Kirche nicht ao zutreffend ausdrückt, wie dies Luther aller-
dings nicht in der Schrift „ Vom Papsttum bu P ' ir
616 Gomcmcx: hus^ lutheb vhd jewutgu.
doch nachhiff gelungen ist; aber das „syBtestDsÜBchß Ungb-
■ebick^y das er in der „fidei ratio** bewiesen, darf doch iddii
dagegen blind machen, daüs seine eigentliche Anschaanog
Ton der Kirche anch in dieser Periode mit der msprüiig-
lichen Lutber^s übereinstimmi Und auch dies systematitcfae
Ungeschick findet seine Entschuldigung , wenn man erwig^
da(s er die Geschlossenheit der Fonnuliemng des Eircheo-
b^griflbs auch den Wiedertäufern gegenüber nicht wie Luti»
mit einer katholisierenden Wendung des evangelischen Sakn-
mentsb^riffes hat erkaufen wollen. Denn, dafs JLuther die
Unterscheidung einer geistlichen und leiblichen CSiristailieit
spftter nicht wieder aufgenommen hat, trotzdem er die nea
getauften Ejnder in die ecclesia proprie dida einrechnete^
das ist ihm eben möglich gewesen, weil er einen Kinder-
l^uben statuierte und dadurch den Weg fiuid, die Kinder
taufe als Mittel unmittelbarer Mitteilung des effektiTen
Heilsbesitses an die Ejnder zu denken.
REGISTER
Von
Lic. Adolf Link in Marburg.
«M^^^^^^W^^h^l^^^%
I.
Yerzeichnis der abg^edruckten Qnellenstücke.
[Saec. yni.]: Würzburger lateinische Handschrift zu den ap<h
hryphen Apostelgeschichten Mp. th. f. 78 s. Vm (Collationen)
450—455.
1521 April 25: IXephan Eöpfenstein an König Christiem IL
d. Worms 291 f.
1521 April 25: üf. Beinhard an König Christiem IL d. Worms
(Neudruck) 289 ff.
1523 Januar 5: Georg, Markgraf von Brandenburg an Luther
d. Prag 472—474.
1526 Juni 25 bis August 17: Belation über die Yerhandlungen
des Beichstags zu Speyer von 1526: 302 — 317.
1527 Sept. 2: Luther an Gerard fiiscampius o. 0. (genauer
Neudruck) 295 f.
[1528] Februar 28: Luther an Abt Heino Ton Uelzen (Varianten)
296 f.
1533 Dez. 21: Luther an den Rat der Stadt Münster d. Witten-
berg (genauer Neudruck) 293 f.
[1536]: Luther: Usus psalterii (in doppelter Redaktion) 300.
486.
1537 Juli 27: Luther an Fr. Mjconius o. 0. (genauer Neu-
druck) 294 f.
[1537]: Luthers Motto zu den Schmalkaldischen Artikeln (yer-
besserter Neudruck) 319.
618
UEGISTEH.
1542 Dezember 13: Luther an (xeorg, Markgraf Ton Branden-
bürg d. Wittenberg (Neadmck) 475 f.
1543: Ltdher: Fidelis anime yox ad ChrUtnm 299.
r?1: Gebet Ton Luther: OmnipotenB eterne Dens etc. 299.
[?J: Distichen Luthers mit der Überschrift: Cum ignoramus quid
agendam sit, ocnli nostri ad te tolluntor 298.
[?]: Distichen Luther' s: Nullius est foelix conatns etc. 298 f.
Tgl. 486.
[?]: Drei Bibelworte , Yon Luther unter der Überschrift Regula
Yitae zusammengestellt 299.
n.
Verzeichnis der besprocheDen SchrifteB.
AbhandLd. bayer. Akad. d.W.
8. KL XVH: 335; XX VU:
510.
Acquoy, J. G., De krouiek van
bet Fraterhois te Zwolle 271
vgl. 268.
— , Het Klooster te Windesheim
272 f. vgl. 269.
A m r h e i n , Das Archidiakonat
AschafTenburg und seine Land-
kapitel 267 vgl. 265.
AnalectaFranciscana I: 276.
334 f.
Anz. f. Schweizer Gesch. N. F.
XII: 260 f.; XIII: 261 vgl. 260;
266 f. vgl. 265.
Apollinaire, St Bernardin de
Sienne 276 f. vgl 270.
Archief voor nederl. kerk-
gesch. I, 1: 500.
Archief vor de geschiedenes
van Utrecht 1875 Bd. II,
1878 Bd. V: 271 vgl. 269; 1883
Bd. X: 273 vgl. 269.
Archiv für kathol. Kirchen-
recht LI: 459-465; LUI: 320.
336.
Archiv f. Litt.-Gesch. XIII:
343.
Archiv f. Litt.- u. Kirchea-
gesch. d. Mittelalters I:
336-340. 499 ff.; U: 501 f.
Archiv für österr. Gesch. LII:
259 vgL 254; LIX: 250 vgl
225; LX: 258 vgL 254; LXIV:
276 vgl. 270.
Archiv des histVereins von
Unter franken u. Asch äff en-
burgXXVn. XXVUI: 267 vgl
265,
Archivio stör. Ital. IV. Ser.
T. IV: 248 vgl. 225; T. XVU:
507.
Archivio della Soc. Rom. VIII:
511.
Bai an, Monumenta reformationis
Lutheranae 341.
— , Monumenta saec. XVI. historiam
illnstrantia I: 341.
Baltische Studien 1885: 504.
Basel er Bei tr. zur vaterl. Gesch.
XII, N. F. n: 503.
Bauer, D. Bruderschaflswesen in
Niederösterreich 504.
Becker, Catalogi biblioth. anti-
qui 458.
Becker, J., Een brief van Joh.
van Schoenhoven 273 vgL 269.
Bender, W., Driranden znr Ge-
BchichU des deutschen PietismuB
513 t.
Benrath, K., Zur Qeacb. der
Harienverelirung 497.
Bernhardt. W., Der Eioflufs de»
EardinalkaUeg auf die Verhand-
luDgcn des Eonstanzer Konzils
251 vgl. 225.
Bertram, Ad., Theodoreti Cy-
reDsifi düctrinft cbmtologica bä F,
Bezold, F. V, Sigmund nnd die
Reicbskriege gegun die Bositen
259 vgl 254,
Bibli.
icolei
auf. d'Ätliines et de Rorae,
Fase. 43: 502.
Bibliothek des litter. Vor-
eins etc. Stattgart, CLVni:
247 f. vgl. 224.
Birt, Tb , De fide cbrUt. qnao-
tnm Stilichonia aetate in aula
imperatoria occid. ralaerit dis-
putatio 322.
Bizonard, St. Colette 276 vgl
270.
Blätter des Ver. f. Landes-
kunde T. N.-Ö XIX: 504.
Blätter fnr Württemberg.
Baltati di S t. Pierre, J., Framm.
di storia del papato nel aec.
XV.: 247 vgl. 224,
Bonet-Uaury, G^rärd deGrtwte
2G8.
Bessert, G., Bedeutong der Eir-
chenbeiligen fQr die älteste Ge-
Bchichle der Eircben 503.
Brandt, S., Die Fragm. v. Rand-
■chriften Utein. KircheuBchrift-
ateller in Cod. 169 von Orleans
327.
Biatke, Die Einbeitlicbkeit der
^«rarii 491.
Brersler, R., Die St^UuDg der
deutschen Universitäten zun Ba-
•eler Konzil 2(53 f. vgl. 260.
Brieger, Tb., Eoostantin d. Gr.
als ReligionepoUtiker 532f.
— , Qaellen und Furachungen I, 1:
341.
Bronn er, Lex Atamannorum 325 f.
Bryenniüs, ^iJorij 74.
Bnobwkld, Poacbs handsduifU.
PER. 619
Saintnl. der ongedr, Predigten
Luther's 341.
Bncbwald, Bitgenhageniana sni
Abschriften Rotb'H 342.
Bück, M. R.. Ulricb's vonBicben-
tal Chronik des Konstanzer Kon-
zils herausgegeb. v. 247f vgl.
224.
Baddensieg, R., Wiclifs Lnt.
Streitsch rillen , berausgeg. und
bearb. v. 255 vgl. 253.
— , Studien zu Wiclif 25Ö vgL
253.
— . Wiclif D. seine Zeit 255f- »gL
253- 347
Bnlle'tino' lU, 1885: 494.
Barckbardt, Die Zeit Konstan-
tin's d. Gr. 2. Aufl. 518 t 522.
528 530. 534, 542.
Burrows, Hantagu, WiclifB Place
in bist. 256 vgl. 253.
Caesar, Catal. stadioa. scholae
Marpargi;nBls 510.
Caro. J., Ans der Kanzlei Kaiser
Sigismands 250 vgl. 225.
— , Das Bündnis von CanUrbory
250 f. vgl. 225.
— , Liber oancellariaa Stanislai
Ciolek ed. 259 vgl. 254.
Caeopis tnasea kiälorstoi feskebo
LIIl: 254.
Caspari, Alte und neue Qaelleo
95.
— , Eine Anguatio fäUcblich bei-
gelegte Homilia de Bacrilegüi
497 f.
— , Mart V. Bracara 323.
C b i a p e 1 1 i , A., La dottr. dei dod.
Apostoli 487 f.
— , II frainm. ora scoperto d'un
quinto Evang. 488.
Conferenza tenuta nel circolo
filul. di Firenze 1886; 513.
Cornelias, Die VerbaRonng Cal-
Tin's aus Genf 511.
CreigbtoD, M., Hist. of papacy
dnring tbe period of the rcfor-
matiun 225 vgL 222.
Dabert, St. Fraii9oiB de Paule
277 vgl, 270.
Daisenberger, H., Tolksscholen
in d. Diöceoe Angsbarg 506.
t J
620
UEGISTER.
De li tisch, Das Lehraystem der
röiD. Kirche 352.
Del place, L., Wyckliffe and his
teachlng conceming tbe primacy
256 ?gL 253.
Denifle, H., £?g. aet and die
Kommission zn Anagni 337 ff.
— , Die Sentenzen Abalard^s u. d.
Bearbeitung seiner Theolog. Yor
Mitte des 12. Jahrb. 499. 501.
Denis, £., Hoss et la guerre des
Hnssites 257 f. vgl. 254.
Dentsch-evang. Blatt. 1886:
487.
Dictionary of christ. biogr.
III: Artikel Methodios von Sal-
mon 19.
Dillinger Stndienanstalts-
Progr. 1885: 506.
Dittrich, F., Zar Geschichte der
kathol. Ref. im ersten Drittel
des 16. Jahrh. 275 vgl. 270;
511.
Domenica del Fracassa, La,
II, 43 Rom 1885 Okt. 25:
488.
Dom m er, A. v., Aatotypcn aus
d. Reformationszeit II, 1 : 340 f.
Dorner, Gesammelte Schriften 92.
— , Theodor! Mopsvcstcni doctrina
de Imagine Dei 92.
D 0 o a i s , C, Practica inquisitionis
505.
D r ä s e k c , Die thcol. Schriften des
BoSthius 494.
— , Zu Mart. v. Bracara 323.
Dresdener An nen-Rcalsch ul-
Programm 1881: 246 vgl.
223.
Draffel, A. v. , Die Bayerische
Politik 1519—1524: 510.
Dablin Review 1 884: 256 vgl.
253.
Duchesne, Lib. pontif. 327fr.
494.
Dahr, P. B., Die Quellen zu einer
Biogr. d. Kard. Otto Truchsefs
V. Waldb. 512.
D ü m m 1 c r , £. , Jüd. Prosely ten
im Mittelalter 485.
Bhrle, Zur Gesch. dos Schatzes,
der Bibliothek u. d. Archivs der
Päpste im 14. Jahrh. 337.
— , Zur Biogr. Heinrich's v. Gent
500.
Elter, J., Luther and d. WoTBia
Reichstag 1521: 509 £
Enders, Briefwechsel Luther*« I:
341. 508.
Engelbardt, M. ▼., DasCbiista-
tum JastiD*8 d. M. 11. 49 68.
Erichson, A.« L*£glise fraaf de
Strasbourg 511.
Erler, G., Zur Gesch. des pisu.
Konzils 247 TgL 224.
— , Contra dampoatos Widifitif
504.
Er misch, H., Mittel- ond ITieder-
Schlesien 1440—1452: 267 f. TgL
265.
Estratto dalla Nnova Antologit
LllI, Pasc. XVill: 487 f.
Eubel, Heinr. ▼. Lutzclburg 331
Ewald, P., Akten zum Schisma
von 530: 323 f.
Fabisz, St. F., Quidnam PoloDi
gesscrint adv. schisma occid. syn-
odosque Constantiensem et Ba-
sileensem 252 f. 262. vgl. 225.
Falk, Zur Gesch. d. Borsfelder
Kongreg. 275.
Faucon, M. , Librairie des papes
d'Avignon 1: 502.
Finkf, H., Sigmund*8 reichsstäd-
tische Politik 265.
— , Der Strafuburgcr Elektcnprozefs
vor dem Konstanzor Konzil 2651
vgl 2G4.
— , Die gröfsere Verbrüderung des
Strafsburger Klerus von 1415:
2GG vgl 264.
— , Zur Beurteilung d. Akten des
Konst. Kunz. 248 vgl. 224.
— , Zur GcBch. der liolstein. Klö-
ster im 15. u. 16. Jahrh. 275 f.
vgl. 270,
Fontana, B., Calvin in Fermra
511.
Forschungen zur deutschen
Geschichte XIX: 244 vgl
223; XXI: 244 vgl. 223; 245
vgl. 223; XX 111: 248 vgl. 224;
XXV: 248 330-33.1. 343. 505;
XXVI: 500. 509.
Freiburger Diöcesanarchiv
XU: 267 vgl. 265.
Fricdländer,M, Patristische u.
talmudische Studien 61 f.
Friefs, G. E., Gesch. der östexr.
Minoritenprov. 276 vgl. 270.
REQI&TGB. 621
Friti, Dm Tmitoriam des Ba-
tans StrarBbnrg im 14. Jahrh,
Nilt. V, Cusa 1451: 274 f. vgl.
6oa.
26Ü.
:Fruiiimann. Krit. Beitr. mr Ge-
-, Beitr. zu Dictr. EngelhuB 275
sdiiclitc der Florentiner K irclien-
vgl, 2(i9.
vemnigangTonl«!»; 201 f. vgl.
— , BuBch'B Libri IV ref. monaat
2C0.
Sax. u. CbroDJkon WindcBlieimeDae
274.
Grüner, J. v., Die Glaubwiirdig-
Cebhkrilt, v.,-Harnaclt, Teite
koit der Lutlicr in Wurm« zuge-
Bcbricb. Werte 509.
23 f.
Günther, Das Leben des heiligen
Gebhart, il. , Rech nouf. aar
Gerhard aai.
l'hiBt. du JoftcLiiniBine 5<)7.
Gülersloher Gymn. - Progr-
1 Ge«i>ink, Ger. Zerbaldt van Zotfen
IBÖl: 22Ü. 232r. 2a5 f. vgl. 223.
272 Tgl. 2liÖ.
Gerits, R, Juliann II. t. Mainz.
I: Sein Bcgicrungaan tritt iJ-'C
UaltcBches Ostcrprogramm
1 Tgl. 223; 2i;& vgl. HÜ4.
V. If-ÖÖ: 343.
Germnnia XXXI, N. R, XIX:
Harnaok, A.. Dogmengcach. 1:
WKlf.
487.
aeachichtsqaelicn der Prov.
— , Zur Qoellenkritik der Geach.
SachMO XXI : 502.
dea GnoaticisiDiia 3Ü, — s. v. Gcb-
Giaeke, Cluniacciiacr und Cister-
liardt-Harnack.
cicnacr 498 f
Hartfelder, Hub. Thom. Leüdius
Glatr, K. J., Das Landkapit«!
343.
Rüttwttil a. N. 207 vgl. 2(15-
Hatcij, GeaellHchaftsverraBBung d.
Göbal, Willi V. Ravensburg und
diristl. Kirche 137.
Oubelinna Persona 244.
Goldfahn, A. H., JiMaaa Mar-
i'M.
tyr und die Agada 02.
Golther, v, Dit Staat und die
Hauiit, Die rclig. Sekten vor der
IM. in Franken 259.
kathol. Kirche iu Württemberg
18a. 1U2.
Teplensi» 50Üf.
QörrcB, F., Ik'itr. zur Hagio-
Heidamann.i). BogBincnkunvente
graphic der griocli. Kirelio 3Ti.
Ewons 504.
— . Beitr zur apan. Kirdieng^ecb.
Hering, Der btreit Tiber d. Echt-
dcB 6. Jabrh. -XSt. 495.
heit einCB LuthorrundcB 341.
— , Leander, Biaciiof von Sevilla
— , tlecbs Predigten Buginhogen'B
4!)5.
;(42.
— , Leovigild, König der Westgoten
Hcrmea 1880, XXI: 493.
4iHl.
Herrmann, K, Ein kiirzes Vor-
Gßttingei gel. Anieig. 1680:
wort in den Öohiualkald. Artik.
508.
318.
Gottlob, A, Raim, Peraudi :t3(J.
Heyok. E., U. v. Riehen tal 348.
GozzudiDi, G., Manne Gazzadini
Hilgenfeld, A. , Das Bickeraeha
B Baldaaaani Coaaa pui Giovanni
Fragni. 489.
XXIII: 248 vgl. 224.
— . Zum Uraprung dea KjiiakapatB
Gtoracnhainer Realachul-
489.
Prograitini 1882; 247 vgl.
— , Der Tcit des PulvkarpbricteB
224.
491 f
Grabe, K., Gerh. Groot 27t. 27!«
HirBcbe, K., Proleg. zu einer
Tgl. 2G8.
neoen Ausg. der Imitotio Christi
— , Littcrar. Tliätigkeit d. Windes-
I n. Jl: 273 vgl. 2ti9.
hcimer Kungrcgatiun 27LI vgl.
— . Brüder dea gemeinaaiucn Le-
2Ü9
bens 271 vgl. 2(;n.
— , Job. Busch 273 f. vgl. 2(10.
Hiflt Jahrb. der Görrosgea.
622
BEGISTEB.
I: 274f. vgl. 269; IH: 275 vgL
269; Y: 245 vgl. 223; 275 vgL
270; 332f.; VI: 332£ 336;
VII : 504. 508. 511 f.
Eist. litt. XXIX: 335.
Historical Bev., The Engl. 487.
Hifltor. Taschenbach, VL F.,
V: 511.
Hist polit Bll. 1875, LXXV:
276; 1877, LXXIX: 276.
Höfler, K., Abhandig. ans der
alav. Gesch. II: Der Streit der
Polen und der Deutecb^i vor
dem Konstanzer Konzil 252 YgL
225.
Höfling, Sakrament der Taufe
76 f.
Hofmann, J. H., De broeders Tan
het gemeene leven en de Windes*
heimsche Klooster - Vereeniging
271 vgl. 269.
Holtzmann, H., Der Leserkreis
des Römer briefs 491.
Honben, Tbeodorich v. Nieheim
245 vgl. 223.
Huckert, H. £., Die Politik der
Stadt Mainz nnter Johann IL:
265 vgl. 264.
Hüffer, G., Handschriftl. Stndien
znm Leben des H. Bemard332f.
Hnnger, K. , Zar Geschichte Jo-
hannas XXIII. : 246. 248 vgl
224.
Jacobs, £., Rektor nnd Stifts-
schale in Wernigerode am Ende
des Mittelalters 506.
Jadart, H., Jean de Gerson 247
VgL 224.
Jansse n*s Gksch. des dentschen
Volkes, Bd. IV , Krit. Ber. über,
V. einem prakt. Theol. 513.
— , Zweites Wort an meine Kri-
tiker 157.
Jahrb. f. deatsche Theolog.
XX: 246 vgl. 224; XXII: 261 L
vgl 260.
Jahrb. f. protest. Theologie
1882: 479f.; 1883: 480; 1886:
488. 491 f. 494. 496.
Jahrb. d. Pädag. zamKloster
U. L. F. in Magdebarg 1886:
498 f.
Jahrb. des histor. Vereins
für Minden nnd Ravensburg
1877: 244.
Johannenm zu Hamborg, Zeit-
schrift desselben zum &0. G^
bnrtstag Ba^nhagen^s 3^
Jostes, Die Bibelübenetzoog da
Cod. Teplenna 506 f.
— , Der Cod. Teplensis. Eine oeoe
Kritik 507.
— , Drei nnbek. deutsche Sehr, tob
Joh. Vegbe 336.
— , Beitr. zur Kennto. der niedo^
deutschen Mystik 503 f.
— , Joh. Veghe 272.
Jungmann, Diasertationessebelie
in hist eccl. T. Y: 330.
Jusserand, La vie nomade et
les rontes d*An£^leterre au mofa
&ge 256.
Katholiek, De, 1884. 1885:273
vgl. 269.
Katholik, D., LX: 245 vgL 223:
LXI: 273 vgL 269.
Kayser, Nik. Y. nnd die Judei
336.
Keller, Die Beformation und die
älteren Beformparteien 508.
Kerler, D., Deutsche Beichrtags-
akten unter König Bupreefai
Bd. I, unter Kaiser Sigismund.
Bd. I u. II, heransgeg. von 225
vgl. 223.
Kettle well, Thom. a Kempis.
New cd. 269.
Kihn, H., Theodoros von Mopsu-
hestia 88.
Kolde, Th. , Die deutsche Au-
gastinerkongreg. u. Joh. v. Stau-
pitz 277 VgL 270.
— , Lather's Stellung zu Konzil u.
Kirche 346. 559.
Koller, J., Worin äulserte sich
das Wesen des Hositismus? etn,
2ö8f. VgL 254.
Kölling, Gesch. der arianischea
Häresie 95.
Königsberger Gymn.-Progr.
von 1875: 87.
Kopallik, CjrilluB V. Alezaodrien
88.
Köstlin, Luther*s Bede in Wonns
482 ff.
Krause, K. E. H., Dictr. v. Niem,
Konr. V. Vechta, Konr. v. Soltau
244 vgl. 223.
— , Nochmals Dietr. v. Niem etc.
244 VgL 223.
~
KEGI8TEH. 6^3 "
Kranfs, Ä, Das prot. Dogma v.
Lipaiüs. E., Die PasBionea Petri
d«r nnsichtb. Kirche 345 f. 349.
und Pauli 488.
360. 3G5. 575f. 591. 597.
— , Die Actus Petri Vereell. 488.
Kreise], Adolf v. d. Mark 336.
-, Pr»giti. der Passio Pauli e Cod.
Eöater, Die KirclienordiiuDg da
Monao. 4554: 488.
Inth. Gera. lu Aachen v. 1578:
Löbell, GregorvTour92,Aufl.495.
512 f.
L 0 ö f s . F.. Ob. Harnack's Dogmen-
gesch. I: 487.
Loserth, J, Hub n. Wiclif 256f.
L«nKen, Gmk d. rBm. Kirche
358 vgl. 253.
bis auf Leo 1,: 140. HGf. 156.
— . Neuere Erschein, d. Wiciiflitt.
158 t. 330.
257 vgl. 253.
Lafisse, E, La foie et 1& niomle
— , Verpflanznog der Wiclifie nach
des Francs 495.
nahmen 256 f. »gl. 254.
Lechlcr. Johann v. Wiclif 11:
— . Beitr. zur Gesch. der huait.
3G2.
Bewegung UI: Der Tractatn»
Leger. Hüft et leg HaasiteB 254.
da bngaevo scbiatnate von todolf
LehiDaDD, E-, Zar Teitiirlt n.
V. Sagan 258 vgl, 254.
— .WiclifsTractataa deeecleaia505.
Volkurecbta 326.
-, Versuche, wiclif-busit. Lehren
Lehner, v., Die Marienverehrung
nach Österr. etc. zn verpflanzen
in den ersUn Jalirimoderfcn 497.
505.
Leipziger Gjmn.-Programm
Löwenfeld, Epiat. Pontificnra
1884: 247 vgl 224.
inefl. 329.
■Lenz, M, Drei Tralitate aus dem
SchrifUccvliliu des Kan»tanzer
Densdedit 331.
KoMil«: 246 252 vgl. 223.
Lnce.S., Jeanned'Arc et lesordres
— , Der Rechen seh aftebcr. Pbilipp's
meiidiana 277 vgl. 270.
d. Gr. aber den Donanfeldzug
— , Jeanne D'\rc i Domrerny 504.
1546: 342,
Luther'« Werke, ed. Knaake,
— , Bee. von TschackerfB Pet. v.
Bd. 11: 508.
Ailli in Bey. biet. IX: 229.232.
240. 343.
Leonii, L.. Giovanni XXIII ed il
Magde burger D..maehul-Pro-
Conimune di Todi 2iH vgl. 225.
gramm von 1872: 323.
LibercancellariaeStaniBlai
Malla, F. de, El cüdc. de Con-
Ciolet cd. Caro 259 vgl. 254.
«tanza 248 vgl, 22B.
Liberpontificalieed. Duchesoe
ManBO, Leben Koiiatantins 521 f.
327 ff. 494.
542,
Marborger Dniv.-Programm
des Koniils von Bawl, Aog.
S. 8. 1885: 322. W. S. 1885:
14321 2G: vgl. yiiO.
342 ; KaisergebutUtage - Progr.
Lindner, Th., Urban VI.: 225
1886: 510.
vgl. 223.
Martin. P.. s. Pitra.
— , Gesch. d. deutschen Beicha vom
Massebicau, L-onseignement de«
Ende de* 14. Jahrh. bia zur Re-
donze ap6treB 78.
formation 1. Abth.: ont- König
Matthew, The Engl. Works of
Wenzel. Bd. I o. 11: 225f 236
Wyclif. ed. bj 254 t vgl. 253.
vgl. 223.
Maurenbrecher, W. Trident
— , Beiträge zn Dietr. ». Niern 245
Konz., Vorspie] u. EinL 511.
vgl. 223
Maj, J.. D^T Begr. Jnatitia bei
— , Dietr. V. Niem (in Zeilschr. f.
Gregor VII.: 331.
»IJg. Gesch. II): 504.
Meier. 0., Biographische« 515.
Linseomajr, Kirchl. Faaten-
MinSgoz in .,1^ T^moignage"
disiiplin 76.
vom 16. Märi! 1885: 79.
Lipains, R, D. Apokr. Apostel-
Menaik, Ein Lied über die An-
geschicbteu 488.
nahme des Kelch« 254.
MA
Miiefllftae» FraBciieaB»
501.
MiieelUsea di StorU lULXX:
247 TcL 2^
Mitteil. <L bad. bist. KoBm.
ÖOI.
Mitteilasgen des Yereiss L
Geaeb. der Devtaebes is
Bdbmes XXII: 256£TgL3&4;
XXIU: 506: XXIV: 505.
MitteilnngeD aoa d. Hamb.
StadtbibL U-IY: S40f:
Mltteil. deilnatit t öaterr.
Geaek-Foraeb. VI: 335.504.
Mitxaebke,?., ILLntber, Nftom-
borg ft. 8, IL d. Bei 508t
Moll, W., Geert Grotes Dietaebe
Teitalingen 271 vgl 268.
Moromsen, Die Akten z.8cb]siiui
von 530; die Appellatioiien Flo-
mn'i T. Konstant, o. Enseb'a
▼. DoryL 325. 4d4.
^, Zur lat. Sticbometrie 493.
Monatsscbr. f. d. eTang.-lntb.
Kircbe im bamb. Staate
V: 512.
Moor ad, D. Q., D. erste Kontro-
verse Ober d. Ursprung d. apoet.
Glanbensbek. : Lanr. Valla o. d.
Konzil za Florenz 262 f. TgL
260.
Hontet, Eist. lit. des Vandois
du Pigment 506 f.
Monnmenta Franciscana II:
276.
Müller, Tb., Frankreichs Unions-
versuch 1393/98: 226. 232 f. 235 f.
vgl. 223.
Muralt, £ v. , Urkunden der
Kirchenversaromlungen zu Basel
und Lausanne 260 t
Neues A roh. f. alt. D. Geschichts-
kunde X: 323 ff. 326. 329. 331.
334; XI: 494. 496.
Nöldechen, E., D. Situation von
Tertullian's Sehr. „Über d. Ge-
duld" 492
— , D Krisis im Karthag. Schleier-
streit 492.
— , TertuUian's Geburtsjahr 492.
— , Tert. als Mensch u. als Bürger
492
— , Tertullian's Verhältn. zu Klein.
Alex. 492 f.
— , Am Nil u. am Bagradas 492.
Kdldeek», K, Lekre
Mntbf bei d. cbriatL Lebm
dei xvcitea Jabrhimderta 32L
Noages, Du BS^^ache Fngs.
489.
Nftrs berger. A , D. Booifiiti»-
litteratnr der Kagdeb. Ceataria-
toren 496.
tebeskowkai, t.. Die wiit-
acbaftHebe Lage Esglaiida an
Sebloia des MitteLdtera 255.
Obnesorge, W., Der AnoojiBai
Yaleui de C<»Bta]iti]io 921.
Olmttzer Oberg7iiin.-Frogr. voa
1883 m. 1884: 258£ rgL 254.
PipatL Urkunden iLBegesten
1295—1352: 502 t
Pennington, Wielif 256 vcL
253.
Picks Monatsscbr. U: 244:
VU: 274.
Pitra (-Martin), Analecta aacra,
SpidL Soleamensi parata, lY:
3f. 5f. & 16.
Pollard, Wicllfs Dialogoa 505.
Preger, W., D. Polit. Joh.'a XXIL
inbez. auf Italien und DentachL
335.
Probst, Lehre und Gebet 72. 77.
Puauz, Frank, La responsabilit^
de la r^voc. de T^dit de Nantes
343.
R a n k e , L. V., Weltgesch. III : 525.
539 f.
Rattinger, D., Dietr.'s v. Niem
Sehr. : „ De bono Rom. pontificis
regimine" 245 vgl. 223.
Real-Encyklopaedie (Her-
zog), 2. Aufl. 271 vgl. 268.
318. 495 f.
Real-Encykl. d. christl. Alter-
tümer 487.
Reck, Minucius Felix u. Tertulli&n
492.
Reese, Die staatsrechtl. Stellung
d. Bischöfe Burgunds u. Italiens
unter Friedrich I.: 278 ff. 282.
333.
Reformationsgeschichte,
Schriften des Vereins für 2aöf.
vgl. 253; 347.
BEOKTEB. 62K 1
teeeata Pontiticnm Bomnn.
Konrtanz bis auf Th. Berlowor "
261; vel. 2G5.
Beeeeturn ClemeDtie T. An-
RBmelin, v.. Beden o. Anfsätce
nnB I; 502.
188f. 210—213. 216-220, vgl.
Reichst Eigaakten, Deottiche,
395-445.
unter König Weniel. Bd. Ill;
225 f. vgl. 222.
Beininger, N., D. Archidiakone,
SadoT, Bessarion de Niice 262
Offiziala n. General - Vikare des
vgl. 260.
Bist WUrzburg 207 vgl 205.
Salmon s. Dictionary.
beamont, A. T., L. P. Gachard
608.
vgl. 269.
Bevisladecienciat biet. p.p.
Sanorland. H. v.. Das Leben
Sanpere y Miquel lUetlV: «48
dea Dietr. t. Hiebcim 244. 245
Ygl 225.
vgl. 223.
BeTBa bist. IX: 229. 232. 2«.
— , 5 Fragm. aua der Chronik des
243;XIX:25e;XX:256;X!lX:
Dietr. v. Niem 504.
343; XXXI T 507.
— , Za Dietr. v. Nlem, de seisnata
Eevne des dem mondeBlSSl:
604.
277 vgl 270; ISeü: 495
Schenk, E. OberverdienstL Werke
bei Hermas 491.
nö« 1881. T- XXXI: 2b0.
Scheppa, G, Geschieh tlichcs aua
Eibbeck, W., Der Traktat über
Boethius-Handeohriften 494.
, die PapstWDhl voll 1159: 333.
Scheret, v., Ist die sugcn. Lehre
L Biehcndal.U., Conc, zeCoatcnz,
der zwBlf Apostel echt? 320.
I photolitbogr. AuBg. d. Aiilen-
Sehieler, Job. Nieder 276 vgL
1 dorftr H S., «ranst. r. Sevio
270.
r «47 vgl. 224.
Schraieder, P., Matricula episc.
Eichental, ü.'b v. R. Chronik
PasBaviensia ac. XV.: I: 503.
des Konstanier Konzilfl ed. Bück
Schmitz, H.J, Seebafs' Dissert. !
247f. vgl. 224.
Columba v. Luxeoirs Kloster-
Siebter, 0., D, Organisation «.
rcgel u. Bufäbuch 459-465.
Schraitz, Job., D. frani. Politik
EonzilB 260.
a. d. Uliionsverhandlungen des
Einn, H., Znni Qedächtn. Bngen-
Konzils V. Konstanz 248. 249 f.
hsgen'B 342.
vgl. 225.
BitBohl, A., Sichtb. u. nnsichtb.
Eircbe 34öf. 362.
me.
Eodenberg, Die Kegister Ho-
SchDorr v. Oarolsfetd. F.,
noriuB III,, GregorlX., Innoü. IV. :
Melch, Aeoiitiüfl 343.
334.
Schratz, Sterb,-reg d. St. Wolf-
Eogere, J. E, Th., Loci e libro
Sohuberth, G., Ist Nik. v. CW-
veritatam 2Ö6.
mangea Verf. des Bachs: „De
comipto eoclesiae atatn"? 247
vgl. 265
Tgl. 224.
Eöhricht, D. Krenzzflge Theo-
Schnitze, L., Heint. v. Ahaoa
bald'B V. Navana u. ßichard'B
272 vgl. 269.
T. Cornwallis 499f.
Sohultze, W-, Gerb. v. Btogna
EolUod. St. Franccis de Paule
330 f.
2. ed. 277 »gl. 270.
Schulze. L„ Refonuatoriuin vitae
EöBsi, De. D. Qeiiichte dea Da-
clericorum 507 f.
mMOB (BulletiDo III, U: 494,
Scherer. Gesch. des jüd. Volkes
Both V. Schreckenstein, Der
im Zeitalter Christi 11: 489ff.
Gehortsstand d. Domherren zu
Schwab, Geraon 227. 229. 243.
Konstanz 2t;6 vgl. 264.
246.
— , D. Zeitfolge der Biecböfe von
Seebafa, Columba v. LuienU'a
626
BEGISTEB.
Klosterregel n. Bnlsbiich 459-465,
bes. 462
Seeberg, D. Begr. d. cbristl.
Kirche I: 346 f. 352. 360—365.
547. 575 f. 578 f. 581 f. 591.599.
612. 615.
Sello, D. EionOle d. Hositen in
Brandenburg 259 vgl. 254.
Sepp, Chr., Kcrkhist. Stnd. 340.
Sevin, U. Bichendal, Conc. ze
Costenz, photolitbogr. Ausg. d.
Aulendorfer H. S., Teranst. v.
247 vgl. 224.
Siebeking, H., Beitr. zur Gesch.
d. grofsen Kirchenspaltung 246
vgl. 223.
Sieber, Bnpescissa 503.
Sieglin, W., Karte d. Entwickl.
id. röm. Beichs 327.
Sillem, W., Zar Bcformations-
geschichte Hamburgs 512.
Simson, Bernh. , Psendoisidor
und die Bischöfe von Le Mans
498.
Sitzungsberichte der Berliner
Akad. d. W. 1885: 325 f.; 1886:
505 f.
— d. Wiener Akad. d. W. XCV:
252 vgl. 225; CIX: 326 f; CX:
327.
Stöber, F., Vita S. Joannis Eeo-
roaensie 32Gf.
Strafsburgcr Stadien III:
2G5 f. vgl. 2r,4.
Stadien und Kritiken 1859:
345 f. 3G2; 1885: 341; 1886:
342. 492. 497. öOGf.
Stud. u. Mitteil. a.d Benedikt. —
0. III: 275.
SybeTs bist. Zeitschr. 1885:
257 vgl. 253; 492.
TcDioignage, Le, vom 16. März
1885: 79.
T heol. Arbeiten aus d.rhein.
wissensch. Predigerverein
VI: 512 ff.
Tbeolog. Litteraturzeitung
1886: 491.
Thcol. Quartalschrift 1886:
492.
Toeco, F., Giordano Bruno 513.
— , Evang. aet 507.
Tomek, W., Zizka 259 vgl. 254.
Travauz de TAcad. dcBeims
1881 : 247 vgl. 224.
Tschaekert, P., Peter v. Aü
227—244 vgl. 223.
— , Peter v. Ailli u. d. Sehrifta:
„ De dif&caltate reforiDatioDii i
conc. uniy.'' und y,M(Hiita k
necessitate reformationis in c^
et merobr." 246 vgl. 223.
— , Die Unechtheit der angeUkI
Ailli*5cben Dialoge: „Le qm-
relis FraDciae et Angliae*' od
„De iure snccessioiiia utronnDq«
reguro in regno FraDciae** 224
— , Pseudo - Zabarella*B „ca^ti
agendonun*' 252 Tgl. 224.
Taesen, J., Ud projet de trus-
lation du concile de BaleaLj«
(1436): 260.
Vast, Le Card. Beseearion 262.
YerhandeliDgcn der kon. Abi
van Wetenschappen 1880: 271
vgl. 268.
Yerhandl. d. hist. Vereins i
Oberpfalz u. RegeDsb. XXXII:
504.
Yerslagen en Mededeelingeo
der kon. Akad. van WetenachappeD
1879: 271 vgl. 268.
Vregt, J. F., Eenige ascet. twct
afkomstig van de Deventertsche
Broederschap 273 vgl. 269.
Wächter, F., Entschuldung des
Interims halben 1548: 34.3.
Wächtler, Urkunden aus den
ersten drei Jahren d. Reform, in
Essen 512.
Wahl, Jos., Andr. v. Regcnsborg
248 vgl. 224.
Waitz, Die Ital. Handschriften d.
Lib. pontific. 329.
— , Catalogus Felicianus 494.
Waltz, Auf Carlstadt's dänische
Reise bezügliche Aktenstucke 285.
287 ff.
Warschauer, Ad., Die Quellen
zur Gesch. des Florentiner Kon-
zils 261 f. vgl. 260.
Wattenbach, Ketzergerichte in
Pommern u. Brandenburg 505 f.
Weidner, Formula honest vitae
herausgeg. v. 323.
Weiland, Zwei ungedr. Briefe
Benediktes HL: 380.
lUBGISTBR.
'627
Weizs&cker, C. v., Keller*f Buch :
D. BefonDfttioD etc. 508.
Weizsäcker,!., Deutsche Beichs-
tagsakten unter König Wenzel.
Bd. III, heiansgegeb. von 226 f.
▼gl. 222.
Wenck, Pipstl. Schatzverz. des
13. n. 14. Jahrh. n. ein Yerz.
d. päpstL Bibliothek von 1311:
335.
Westdeutsche Zeits.chr. III:
266 vgl. 264.
W i c 1 i r 8 Lat Streitschriften, her-
ansgeg. n. bearb v. B. Bodden-
sieg 255 vgl. 253.
Wiclif- Gesellschaft, Ver-
öffentlichnngen der engl. 505. —
B. Wyclif.
Wiedemann, M., Gregor YII.
und Manasses I. von Bheims
331 f.
Wiesen er, Znr Bechtfert. Her-
bord*8 332.
Wolff, A., Das ehem. F^anzis-
kanerkloster in Flensburg 276
vgl. 270.
Wolfram, Krenzpredigt n. Kreoz-
lied 503.
Wolfsgrnber,' Joh. Gerson 273.
Wratislaw, A. H. , John Hus
254.
Württemberg. Vierteljahrs-
hefte fftr Landesgesch. VIII:
503.
Wvclif, The Engl. Works of, ed.
by MaUhew 254 f. vgl. 253.
Zahn, Th., Das Eanonverzeichnis
der Cheltenham'schen Handschr.
des lib. gener. 493.
— , ApokaL Studien 488 f.
Zange meister, K., DieSchmalk.
Art. nach Luther*s Autograph
318.
Zeitschr. f. deutsches Altert,
u. Litt. XXX, N. F. XVUI:
503.
Zeitschr. f. allg. Gesch. II:
504.
Zeitschr. f. vaterl. Gesch.
XI.I1I: 504.
Zeitschr. des Harzvereins
XVUI : 506.
Zeitschr. f. Kirchengesch,
I: 252 vgl. 224; 485; II: 285.
287ff:; ni: 225 vgl. 223; \U:
120. 280 ff. 338 f.
Zeitschr. für Kirchenreoht
XVU: 318; XX: 330; XXI:
498.
Zeitschr. f. Gesch. ^d. Ober-
rheins XXVIU: 266 vgl 265:
XXIX: 266 vgl. 265; XL: 500t
Zeitschr. d. Ver. f. Gesch.
u. Altert. Schlesiens XIII:
267 f. vgl. 265; XIX: 343.
Zeitschr. d. Ges. f. Schlesw.-
Holst-Lauenb. Gesch. 1883
XIII: 275 f. vgl. 270; 1884,
XIV: 276 vgl. 270.
Zeitschr. f. bist. Theol. 1874,
1875: 255 vgl. 253.
Zeitschr.' f. kath. Theologie
(Innsbr.) 1883: 494.
Zeitschr. f. wissensch.TheoL
1885: 120f 320 321. 323.495;
1886: 489. 491 f. 496.
Zeitschr. f. kirchl. Wissen-
schaft und kirchl. Leben
1882: 272 vgl. 269; 1885: 488 f.
491 f. 496; 1886: 488 f. 492 f.
507 f.
Zimmermann, A., Die kirchl,
Verfassungskampfe im 15. Jahrh,
253 vgl. 225.
BEaiSTBR^ ^^^^^^^^H
^^H
Saeh- nnd Namenregister. j
Aachen, Kircheoordn. der loth.
rgl. Il8f.; A. Ober Gregor t«i
Gera, in, 1578: 612f.
Naz. 98 vgl. 119; A. bber die
Abälard, Die Sentenzen A.'a □.
Trinitat lUff. »gl. Iiat; ÄU-
d. Bearbeitungen SPiner TheoL
TQr Mitte des 12. Jahrh. 499.
denz B6; A. n. Jalianiu ApoeUU
Acontius, Melchior und Balth.
120. — S. BasilioB.
343-
Apoüinaristen, Fälschongen
Adolf T. d. Mark 33G.
der 89 f.
Ae Pinna 342.
Aglaophon 4.
510.
Abujs, Hendr. 272.
ApoBtelgeacbichten (Pasiio-
AilM, Pctr. V. 22S-244. 24S.
nen), Apokryphe 75.488; Wfir»-
bnrger Handschriften zu denselb.
252.
AUmannornni. Lei 325f.
458 ; eine Würzburger lat Hand-
Albin OB, Akoljthua 13a.
schrift lu den Passionen der
Älbrccht, Herzog v. Preo&en,
Apostel (Mp. th. f. 78 8. VlII)
Lother ond 470E
419; Collation deraelb. mit an-
Aleander 287.
deren Teilen 450—455; Verhält-
Alexander lU.: 499: V.: 249.
nis in d. and. Teiten, AltCT,
253.
Schrirtcharakter nnd soDsttgt
Aleiandria, Synode v., im Jahr
diplom. Eigentamlichkrit*n der
362: 121 f.
Haodschr.. Schicksale der». 455
bis 458
fosBor.
Apoatellehrc, D. Echtheit d«r
AlypioB 127r. 131.
320; Einheitlichkeit 491; die
AniiDon » Adrianopel 15.
OberBchrift derselben 80 f.; die
Anagni, Kommiaaion »on A. t.
Bestimmungen der AL. eher die
1255: 337 f.
Taufe nnd das Verfaältn. Jurtin'i
Ancyra. Synode t., (314): 625.
d. M. zu denB. 74-83 vgl. C«
527.
bis 74; d. Darlegnng der tws
Andreas y. Regenebarg 248.
Wege ale Beatandteil d. Tanf-
Angelo da Clareno 6U2.
liturgio 79 f.; d. Tnofformcl n.
Anhalt, PletiElen in 513.
d. AL. 80: zu Cap. 7. 2 (fi^M
Anima, Roaviz in Rom 245.
(■av) 74; zn 9. 4: 83; d. Eq-
Ann». Knitaa der St.A. in Würt-
cbariBtie in d. AL. n. d. Ver-
temberg 500.
hältnis Jnstio'a d. M. m i.
AnniverBarBtiftnngen 267.
Aussagen Bber dieaelbe 83f.; -
Anthropologie der Väter
Litt, ober d. AL. 487 f. 491.
32f.
Apostolikam, D. Svmb. . auf
Apiarins 140.
dem Florentiner KonzU 2IJ2f.
Apokalypse, Die Neroaage nnd
Aquino s. Thomas.
die 488.
ApolUnarios von Laodicea,
Eleraa durch bischöä. Koiumi»-
BiographiBchcs lOü; seine Stel-
säre statt durch 267.
lang im arianiicbcD Streit 121/.
1^
Arg 08, JBd, Kolonie in 5*. |
IL .
^H
niscfaer Streit 108—111.
121t. vgl. llöt.
' * liDDiu. Sj'Dode von 109f.
_ Ben, PietüUD io 613.
I Aacbaffen buTg, Arcbidi&liotiat,
T o. seine I.andkapitel ^67 vgl. 2i>5.
I Athalarich a24f. vgl. «4.
Lnasioa 121f.
A ttieoagoras, Die Apologie d. 12.
Aa rerHtehniig, Lehre v. d., bei
d Vätern 9. KU. 30-33. 35.
Acgabarg. VolksBcbdeD in der
Diöceee 506.
Angust&na, Cocf älO.
AngDstin, Sihtufa der Stadien
über ihn: V.: D. Epiat. u. die
Kirche ; d. Episit. a. i. tum.
Stnbl: d. Kuazil a d. Traditino;
d. Infallibitität: Reaalt;ite 184
faiB 187. — Zweite Hälfte der
Studie (vgl. Bd. VII, S. 199ff.)
124—184. — A.'b pers. Bezie-
boDgi^n za d. gli-ichzeitigea rSm.
EiHchöftn 124-131. iWi, Bom
röm. Prcab. äiitus («|jäter Papst
S.II1.)131 — 134; d kirclieniiolit
Autorität dv» röiu. Kpiskopata
nacb A. 134-140. 185; Kui'tdi-
nation der BiBctiöl'i; 128. 162.
185; d. TcrniiDM »i-dL-B apoKtoüca
134fr.; seine Schätzung d. löm.
Epiakopata als dea Bürgen der
Irirchl Lchrtradition 14 1 — 1 tjä.
18ti; daa Wort „Roma locuta
eat" 156-159; A.öber d. Digni-
tit dea Petrus lattt 159-162.
184E vgl. 16ör-: die kathul.
Kirche ale infallible Verküuderin
der IVaditiun u damit di-r cath.
«ritaa 163-183. 186t.T die
kath. Wahrheit u. d. Tradition
I70f. 182f. 187; Tradition und
h. Schrift 182 f.; der Künaenaua
d. Apostel 164ff.; d. Tradition
«. d. Episkopate IGllf ; d. Au-
torität der Konzilien 158 f. 167
bis 183. 180; Begr. d Häre«<e
176r.; Verhältnis der Lehre A.'s
QbiT d. Episk. zu derj C^prian's
137. 184; Klerus u. Laien 1H4-,
A.'s AmtabegrifF, sacr. ordinis
J84f.i d. Notwendigkeit d. In-
quisition 132f. 158; Beine Teil-
nahme an d. Synoilen von Kar-
thago 140; seine Stellung 7.n
Bom im pelag. Streit 141 — 146;
der ZnaimOB-Fall 146-156.162.
rEB- 629
186 vgL ]26f.; ep. faroil. 126.
141-146; ep CCIX ad Caelest.
139; libri contra dnas ep. Pelag.
129; A. aber d. dritte Konzil i.
Karthago (1. Sept. 256]: 168,
über d Konzil zd Arlea (314):
172. I74f.; Dauer seiner Betie-
bangen zum Hanicbäismns 125,
— Eine ihm fälsc blich beige-
legte ßomilia de sacrilegiia 497 f.
AoguBtiner Chorherren in
ScbleBien 258.
AugUBtinerurden im Mittel-
alter 277.
Anrelius von Carthago 132.
Anrelina Viktor d.J. 538. 641.
Bälde
501.
, Lud 275.
QarnabHBbrier 491.
Saeel. Konzil von 245. 259. 260
bia 2G4. 267 f.
Basilios, Biograph ischea 103f.
119 f.; seine Stellang tarn aria-
niBchen Streit 108—111; seine
Bt'ziehnngen zu Gregor v. Nax.
98 vgL 97; lOgff., zu Apolü-
narioa von Laod. 91. 99—102.
lU5f; unechte Briefe von und
anB. 95; Vertilgung von Briefen
desB. an ApollinarioB 92f.; Dm-
fang Beines Briefwecbsela mit Ap.
98—102 vgl. 97; Drucke, biv
hertge Beurteilung seines Brief-
wechHela mit Ap. 85-96; Wort-
laut zweier Briefe des B. an Ap.
96f. lir>f ; Echtheit. Datjemng
97-111. U7f.; Wortlaut zw.
Briefe des Ap. an B. H2r. IlSf.;
Echtheit. Datierung 113—116.
119-122.
Begoinen in Essen 504.
Beheimsteiner Vertrag 259.
Benedikt HL; 330; XIII: 234
bis 237. 2.H9- 247 — h. Schisma.
Benediktiner 275. 501.
Bernardinu von Siena d. A.
277.
mhart, Fred, in HOneter 293. i
630
REGISTER.
Bessarion 261f.
Beten o. Fasten, die Ansdrficke,
bei den Vätern 78 f.
Bettelorden, Mittelalter!. Be-
formen unter den 275 ff.
Beyer, Hartmann, in Frankfurt
343.
Bibel, Niedersacbsuicbe 342.
Bickerscbes Fragment 488f.
Biscampins, Ger., Brief Luther*B
an 29öf.
Bistum, unffenanc Bezeichnung
eines B. in d. alten Kirche dur<£
den Namen d. ganzen Landschaft
16.
Bodo-Eleazar 485.
Boethius 494.
Boldewin, Acta Boldewini IL:
296.
Borogartner, Bartol. 508.
Bonifatius, Winfr., D. B.-Litt.
der Magdeburger Centuriatoren
496; B.L: 127—130; IL: 324 f.
Tgl. 494; Professio Bon. an
Karl VL: 248; s. Schisma.
Borner, Easp. 484 vgL 483.
Bracara, Mart. v. 323.
Breslau, Hochstift, v. 1440-1452:
267 f.
Brogne, Gerh. v. 330f.
Brüder des gemeinsameuLe-
bens 271—275. 507.
Brüderschaften, Zur Gesch. d.
504.
Bruno, Giordano 513.
Bugenhagen 342. 508. 515; —
Eine bisher unbek. Oktavausgabe
des lat. Psalters von 297.
Bursfeld er Kongregation 275.
Busch, Joh. 273 flf.
Bufsprazis, Böm., im 9. Jahrb.
330.
Calvin in Ferrara 511; seine
Verbannung aus Genf 511.
Carobrai, Diöcese, zur Zeit des
Schismas 238.
Canterbury, Bündnis v. (1416):
250.
Capita agendorum 252.
Carlstadt, sein angebl. Aufent-
halt in Dänemark 283—292 ; sein
Charakter 289.
Cassian 21 f.
Cataloguesdes ^glises de France,
Ancients 335.
CenonoiDmneniiQm,AetapQilh ll
ficum 498.
Centnrimtoren, Magdeburg
Die Boni^Ettiiis - Litt der 486;
von ihnen bcDQtzte Qoelka fks
die Waldenser 506.
ChaleedoDy Konzil t. 494.
China, Mission der Minoritei ■
334.
Christ ist erstanden, Osta-
lied 500.
Christiern n. y. Dinemark »>
winnt Reinhard nnd Gahkr ilr
Kopenhagen 285 f.; sucht m-
geblich Lnther (286 f.) u. CU-
stadt dorthin zu ziehen 285-2S^
VgL 289—292; Lobüed Gahkri
auf ihn 284 f.; Briefe an ik
über d. Beichstag zn Worms S89
bis 292.
Chronica ms. Prov. Argeni 336;
anonyma £r. Minomm germamae
835.
Cistercienser 498f.
Claudian 322.
CUmanges 247.
Cluny 498f.
CoislinianuB, Cod. 22fL
Cölestin L, Augustin und 130f
Cdlestiner, P^iriser 238.
Cölestius 147—156.
Colette, h 276f.
Colamba von Luxeuils, Co-
lumba od. Colnmban? 459; seine
Missionsthätigkeit 4601; sein
unevang. Autoritatsprinzip 460;
Hymnologisches zu C. 461; C.*8
Klostcrregel und Bulsbuch 461
bis 465 ; C. u. d. Pönitential des
Gildas 464; die sog. introduetio-
nes C 's 496.
Commentariolum de Yeneta
prov. refor. S. Antonii 335.
Contestatio senatus y. 530:
324 f. VgL 494.
Corn Wallis, Bich. v. 4991
Cossa, Baldassare 248.
Craroaud, Sim. 233. 235L
Cues, Nik. v. 274f.
Cyprian, seine Lehre vom Epi-
skopat und Verhältnis ders. zur
Augustin*scheu 137. 184; über
traditio (consuetudo) u. (catbolica)
veritas 187. — C.-Fragm. in
Cod. 169 V. Orleans 327. — s.
Uippolytus.
REGISTER.
631
Bamasns, Augostin und 125;
Gedichte des 494
Dänemark s. Christiern II.
De corrnpto ecclesiae statu,
Traktat 247.
Dederoth 275.
De difficnltate reformationis in
eoncilio, Traktat 246.
De inodis nniendi ac reformandi,
Traktat 246.
De necessitate reformationis in
eapite et membris, Traktat 246.
Denfdedit, Kanonsammlnng des
Kard. 331.
^^ifccyi? 8. Apostellehre.
Diest, Wilh. v. 265f.
Dietrich y. Kiem 244-247.
504.
Diez, Haraanist und Historiker
468.
Dionysios, Eapitelzahl d. kirchl.
Hierarchie 104.
Dioscu r, Papst (530): 324f. YgL
494.
D 0 m i n i c i , Joh., Brief des Satans
an 246.
Dominikaner, Stellung der D.
zu den polit. Parteien Frankr.
u. zu der Univ. Paris während
des Schismas 230 f.; Reformen
unter d. D. 275 f.
Dorotheos von Mitylene 261.
V. Tyrus 19.
Dortmund, Mitwirkung Dietr.
V. Niera in einem Prozefs der
Stadt 245.
Douceline, S. 335.
Dresdener Geh. Staatsarch., dort
befindliche, auf Worms (1521)
bezGgliche Aktenstäcke in Mis-
cell. Sax. 3833: 482 ff.
Bccleston, Thom. 334f.
Egenolph, Drucker 480.
Eichhorn, Minister 515.
Elektenprozefs, D. StraTsburger
266.
Engelhus, Dietr. 275.
Ephesus, Conc. v. 449: 494.
Ephraem beruft sich auf einen
Brief des Basilios an Apollinarios
y. Laodicca 98 f.
Epiphanius, Methodius bei 5.
Episkopat, Ursprung des 489 f.
Erfurt und das Baseler Konzil
263.
Essen, Beguinen in 504; Refor-
mation in 512.
Etrusca, Disciplina 519.
Eucharistie in der z/^a/j} und
bei Justin d. M. 83f.
Eugen IV.: 260. 267.
Eusebius und Methodius 11; E.
und die Apologie des Athena-
goras 12; £. über d. Ort d. Ge-
sprächs im Justin. Dialog 47 f.;
über Tryphon 61; über d. Ab-
kehr Eonstantin's v. d. Mantik
517 f. 524 ff.; über Eonstantin*8
Stellung zu d. Opfern 530. 532;
über Konstantin u. Licinius 534
bis .542.
Eusebius v. Doryläum 494.
Eustathios von Sebaste 99.
Eutropius 528. 538. 541.
Evangelium aeternum dSlfL
507.
Eymerichs* Directorium inqui-
sitionis 339.
Facundus von Hermiane 92f.
Fahrende Leute, Wiclifsche
Reiseprediger unter ihnen 256.
Familiaris, Epistola fam. 126.
141—146.
Fasten bei der Taufe in der
alten Kirche 75—78; Beten und
Fasten bei den Vätern 78 f.
Fausta 541.
Fehdebrief 483.
Felicianus, Catalogus 494.
Felix IV., Papst 324 f. vgl. 494.
Fell er s. Pauliner Bibl.
Firm US, Presb. 131.
Flavian v. Konstantinopel
494.
Flensburg, Franziskaner in 276.
Florenz, Konzil zu 261 ff.
Florilegien, Altkirchliche 24 f.
Formikarius 276.
Franck, Kasp. 340.
Frankfurter Konferenz von
1818, Deklaration derselben über
die deutsch-kath. Kirche 191 f.
Franz v. Assisi 502.
Franz v. Paula 277.
Franziskanerorden 276f.502.
Fraticellen 502.
Friedrichl.Barbarossa, seine
Handhabung des Wormser Kon-
kordats bes. in Burgund u. Italien
278-283.
41*
632
REGISTER.
Friedrich d. Weise in Witten-
berg (1521), Reorganisation der
Univ. 288; ChriHtiern II. von
Däni'niark bittet ihn nm Witten-
berger Gelehrte für Kopenhagen
285—292.
Friedrich, König v. Württem-
berg 191, sonst s. Württemberg.
Froissart 2a6f.
Gabler, M. 284f. 28<>.
Ganfridns Antissiodorensis
332.
Gaza 21.
Geiler 507.
Georg, Markgraf v. ßrandenburg
in Poln.-Wartcnbcrg bei Zdcnko
Lew V. Rozniital 4(>9; versch.
Reisen Gcorg's 4G9ff. — s. Luther.
Gerard 339.
Gerhard von Zutphen 272.
Gcrson 239. 241 f. 247.
Getclen, Augustin v. 512.
Giberti v. Verona 511.
Gildas, Ponitential derf 464.
Giustina, Sta, in Padua 275.
Glapio 287.
Gnouiologiecn, Altkirchlichc 24f.
Gozxadini 248.
Gramis 2ü7f.
Gregor VII.: Der Kegr. Justitia
bei 331; G. u. Manasses I. von
Rhoiius 331 f.; Register ^31.
Gregor von Nazianz und der
Apollinarisnius 90. 1H> vgl. 98;
seine IJriefc an Theodor von
Mopsulie8tia92 f. ; seine He/ichun-
gen zu Banilios 98 vgl. 97; 103 ff.
Gregor v. Tours 495.
Grote, Gerh. 270 f.
Hag gada bei Juntin d. M. (Sl.
H a g i 0 g r a p h i e der gricch. Kirche
323.
Hamburg, zar Rcfonuationsgcsch.
H.'h 512.
Hürcsie, Begr. d., bei Aagustin
170 f.
Haruspicin s. Konstantin, Ti-
berius.
H c i 1 b r 0 n n , Luther rät Markgraf
Georg, das Kloster H. in eine
Erzioliungsanstalt zu verwandeln
475 f. „ , ,
Heilige, Kirchen-, ihre Bedeutung
f. d. Gesch. d. Kirebn; - ji
Wfirttembenr 5A3.
Heino, Abt w. Olzen 296.
Heinrich V., Handbaboig ii
WormscT Konkordats io Bo^
und Italien seitens R Y.: ftt,
seitens H. VL: 2S0
Heinrich y. Chicmseeä3i
Heinrich von Gent 5Ü0.
Heinrich von Latzeibtrg,
Minor! t ^334.
Herbert von Besan^on 280l
Hernias, Cod. CanncL des 3älh,
d. liChre von d. fiberferdioiL
Werken bei H. 491.
Herzog. Placid. 3;M.
Hcfs, Joh,, Kefarmator in Ikeän
297.
Hieronynins als Zeuge für da
BischofKsitz des Metliodius läi
18(r.; H. n. J(u<tin d. M. :)5£
Hicronynius v. Prag 257.
H i p p 0 1 y t u s , Li b. geiieratioBis,
das sticlionietr. Vemseichn. biiiL
und Cyprian "scher Schriften aa
Schlüsse einer Oheltenhaio*iKbni
Handschr. des 4*Jii\ II. über i
Taufritcn seiner Zeit 73; Tarf.
Zeiten bei If. 7(>.
Holstein, d. Arbeit d. Borsfelder
KongH'g. in 275; Observanten
in 276.
Honiilia de sacrilcgiiti, Kine
Augustin fäbiclil. beigelegte VJlt
Hopfenstein, StepJi. 28<;. 290ft
Hosius 518.
Humanismus 2<j^.
Hus, Drucke seines Traktats v. d.
Kirche 548; Lit. und bi.sherige
Ansichten üb. d. Vcrhältn. sciucr
Lehre v. d. Kirche zu dcrj. Lu-
ther's u. Zwingli 8 ;M5ir. ; tiuellcn
für seine lAilire v. d. Kirche
3.57 f.; liChre v, d. Kirche .'»T»?
bis :VM. 503. .5<;5f. 5<;7ff., Y. d.
Cnadenmitt<;ln 3r»r>f., v. Priestcr-
tam :MW> f. a78-;{8S ; win GotU-»-
begriff .371 f; Verhültn. d. hns'-
sclien Ticlire v. d. Kirche zur
augustinisch - mittolaltcrl. 373 f ;
zur kathol. :i9ü-:J91; zur Ge-
nesis seiner antikatliul. Ansicht
V. d. Kirche ;J71; d. Bi-gr. d.
GcKCtzt-s (Jhristi .'{77 ; sein Schrift-
prinzip .*)77f. ; Kirche u. Staat
382; Urteil über die (kriechen u.
Juden 38G; IT. und Wiclif »KV.
1
r
Sö6ff.; Antdehnnog d. Hii«itcn-
tQma, Hniiiteiilcricge , ä. Hiuitcn
und doa Basier Konzil '2ö'J.
Imitfttio Christi ÜT^f.
Innocenz I., AugQRtiniind 125r.;
Bp. ffttniliaria an 1. o. Antwort
I.'b l'Jd. 141— 14Ü. — Innoc. IV.:
2W. Ml).
In<(aieition, AiiRiutin über die
NütwendiKkcit dur Vd'it 15H.
Interim, ICntadinldaiiß dm Rats
V. KrijBluu des I. halben 154S:
•M-.i. — H. Mflanthon.
Invont&r, rii|istl., von I33!l;
OÜl,
InvcHtitur nntor Fricdr. 1. in
Uurt^nd u. Italien li3S.
Ireniius zu Gen. it, 'Jl; Itä; I.
IL Juatin i:(f. :il— 34; Aofcr-
■tehunt'Hlchre und AntlirojKilogie
laf. am.
Jftnmann, Doinbapitul&r 19U.
Jounna d'Arc -2TT. t*t^l.
Jetiaja I, li> — 20 in der ältesten
'ruiifliturtria (19.
Joachim von Ploriii SSld.
mi.
Johann XXII.-. 245.:i:ir>; XXIII.:
Johann II. V. Main» 2"^;. '2m.
JohanniH UconiaenHiB, Vita
si. aai;r
Jona«, Mr>nc1i v. Iluhbio :m.
Jordan v. Uinno 334. Wl.
Juden, Itci d. Kirchenvätern vor-
kuiniucndc ii'if.; Nikol. V. u. dio
J. Xif,.
JiilianuHA{>nKtata,nn|^hlQriGf-
wechsul ili'tiBi^lbc'n mit Itaiiilios
iifi; ApoIIinariw v. Laodieca u,
j. lau.
JnlianUK von Kclannm I2Hr.
Jntitin d. M-, ul> d, Apotufriecn
u. d. UialuK ein vollxt. llild v.
•einu&i (^liriHtuntDiii ^ehen 11 ;
citicrt den runlau lüf. vgl. 5
bin lU; KinlUhmngHrormcIn Tiir
J. IfCi d. Viitern 1'2; J.'uAnthro-
polufric and Auf«rKtehun(,'Blchr<
;väl.\ ilaH jutttin'Hche li'nigm. bei
Otto ir, aW, Vll : .(7 ; — H ■
Sutirift Ubvr die AofcTstchoDg,
«33
das Citat Prokopins' v. Gaza ans
derselben 21 — S4 ; die in den
Paralleta aacra anfbehaltenen
BtQcke dcTselbeu, Echtheit, Voll'
ständigkeit '22 — 20; mutmaftL
Ort des Prukopina'achcn Citati
zwischen den Krogni. der Parall.
Sacra '28; Zugehörigkeit eines
CitAto bei Hethuditu' (fiff.) zu der
jnfltiniBchcn Seht, ober die Anf-
enitchung 29—34; Ort desselben
in den Pragn. d. Parall. sacn
29; Eclitheit der Kclirift über d.
Aarersichnng 84 f. 37; Alter der«.
29; ob dieselbe einen Teil der
Schrilt gegen Marcion bildct35fF.;
Verliiiltnis den Ircnnaa zu ders.
ül— 34,d«aTertollian:H ; Mangel-
hafte Uberliefernnt; d. AtMiIogiecn
37, des DialogH 37-48 ; Teilung
dcsDialugs in zwcillQclier 44f. ;
Dichtung u. Wuiirlieit ini Dialog
41)— 6li. bes. lidf.; AbfaKBUigB-
zcit d. D. 49 - 52. CU; Urt des
Gcaprüclit4li(r, ;OcM:hichtlichkcit
der üiaputatiun liO. GG; der
Barkoch bukrieg im Dislog 49
bis .'■)2: 'l'rjjilioH KJ -Ö7. (11— GS;
seine Iki^luiter fiT — lil, Mnsseas
54; Markus Poinpcius 4l); der
cphcainiaclic Aufenthalt Juatin's
f>2. (>ri; aeinc llekclirung 4t). 52(1.;
J.'d MianinnBthätiKkcit 4'.l ; seine
ATlicIio Uilduiig mimr.; Hag-
gada bei ihm til; KntBtclmngB-
zeit der 1. Apol. !rü; Kinfngung
juatiniachcr Fragm. in den Dia-
log bezw. in die ApologiL'en44f. ;
J. über die Tanfu ti'.t. fUE 74
bis 78; seine Itcmfung auf einen
ApostolKpruch zur llcgründung
fTir Kcino Ilcnierkungen Über die
Tauro Apol. I, r,l: 66— Sl; J.
n, d. Apodtellehrc bezüglich der
Taufi) 74-83, der Kucliaristie
Ktf. ; „Myah.Tium der Palin-
gencsia" bei JoHtin .'tu; Justin
bei IrcniiuH 13 f., bei Hturony.
muB .'IfilT., bei Mcthodios a. die-
sen ; vgl I'aemlojuHÜn.
Raden, Mich. v. 477. 4K1.
Karion, Ncutoatl., a. IlippulytnB.
Kanzlei, PiiiBtl. Vib.
Kai>itclku8HC von lluttwoil n. N.
2(17.
LJ
684
BBGI8TER.
Kappenherren in Württemberg
EardiDalskolleg., Eompromifs
SigmQDd*s mit dem 250; d. E.
und das grofiBe Schisma 251.
Earl IV., ürkande desselb. Tom
17. Jnni 1369: 250. — E. V.
B. Philipp d. Grofsm. — E. VI.
y.Frankr. 232.2361; Bedeutang
der Parteiongen an seinem Hof
fftr d. Gesch. d. Schismas 230
bis 243. 249 f.
Earthago, Augustinus Teilnahme
an den Synoden von 140; das
dritte Eonzil zu E. (1. Sept. 256)
168.
Eassiodor und BoSthios 494.
Eeller, Bisch, v. Bottenbnrg 194.
196 — 199; sonst s. Württem-
berg.
Eirche, Lehre v. d., s. Hns, Lu-
ther, Wiclif, Zwingli, Thomas
Y. Aquino.
Eirchengeschichte d. 14. n.
15. Jahrb., Die Arbeiten ans
den Jahren 1875—1884 zur: II
(vgl. Bd. VII, eiflf): d. Zeit der
Eirchenspaltang nnd der Reform-
konzilien: 222—277.
Elarissinen in Frankreich 276.
Elemens VII : 231. 233f. — s.
Schisma. — E. Alezandrinns 21.
492 f. — 8. Pseudokleraens.
Eonkordat, s.. Wormser E.,
Württemberg., Osterreich. E.
Eonrad IIL, Kaiser 278.
Eonrad v. Breslau 267 f.
Eonstantin d. Gr., ünter^
suchungen zur Gesch. K. d. Gr.
(vgl. Bd. VII: 343-371): 517
bis 542^ K. u. d. Haruspicin
517—527; sein Edikt von 321
(Cod. Theod. IX. 16, 3): 527;
E. u. d. Opferwesen 527—534;
ToropelschlieCsungen seitens E.
533; Allgemeines über seine Re-
ligionspolitik 533; K. und Li-
cinius 534—542; K. u. Fausta
541.
Eonstantin, Anonymus de E.
321.
Eonstantinopolitanuro, Ni-
caeno-, Symb. 487.
Eonstantius' Erlafs gegen das
Opferwesen (341): 530.
Eonstanz, D. Geburtsstand d.
Domherren zu E., Zeitfolge der
%
Bi8cfa5fe bü auf Tk
266; Archidiakoiies i.
sarien im Bist. E. 2S7;
EonzU 226 f. 242 t 247--!
266.
Eonzil, Die Bezeiehmnni ¥
gionar^ n. Flenar-E. iaZcitali
Augnstin^B 172.
Eopenhagen, üniTm.,a(lB>
stiem IL
Ereuz-Lieder, Predigioi 5(& -
E.-Zfige 4991
Lambert ▼. ATignon 4SL
Lanfrid, Herzog ▼. Aknuni
326.
Langenstein, Heinr. v. 2^
Laodicea, Bischöfe Ton, imZdl>
alter des Apollioarios 106.
Laterculns Polemii Silrii 321
Laubach, Pietisten in 513.
Lausanne, Investitur in, ia
Mittelalter 279.
Leander von Sevilla 323.
Lehre der zwölf Apostel i.
Apostellehre.
Leiningen, Gottfr. v. 226.
Leipziger Univ.-BibL s. Pas-
liner Bibl.
Lentersheim, Veit v. 469.
Leo, Akolythus 132.
Leodius, Hub. Thom. 343.
Leontios 93.
Leovigild 323. 495f.
L i b a n i 0 s , sein angebl. Briefweeb-
sel mit Basilios 95.
Liber generationis s. Hippo-
lytus.
Licinius, Eonstantin und 534
bis 542.
L i p p , V., Bisch, v. Rotten buig 208.
2(Äf. — sonst s. WörttembeiTf.
Litteratur, Grund für die Ein-
teilung eines Werkes in Bücha
in d. altkirchl. L. 45 ; Zueiguang
von Schriften an einzelne Per-
sonen in der altkirchl. L. 46.
Lothar, Eaiser 278.
Lotther, Melchior, inWittenbeig
und in Leipzig 341.
Ludolf V. Sagan 258.
Lull US, Raymundus 335.
Luther, Briefe von ihm : Er warnt
d. Rat d. Stadt Munster vor d.
Zwinglianern und Wiedertäufern
293 f.; gratuliert Myconios zur
CebQrteineBSobiieB294f, schreibt
an BiECSDipios n. a. Über den
Fortgang seines Sachaija-Kamin.
295f. , schreibt an Abt Heino
Y. Olzen 296f.; an Bcine Frau
341; bittet brieH. Georg ?. Bran-
denburg um Umwandlang des
Kloetew Heilbronn in eine Er-
siehangsaDBtalt 475 f. ; hand-
acbriftlicbe lat. Aafzeichnnngen :
Gebete etc. , ein Wort über den
P«alter297— 300. 486; ein Aato-
graph Lntfaer'a a. Bugenhagen's
(Ordinationszen^JB für Bomgart-
ner) 508; L."s Briefwechael mit
Georg ». Brandenburg 466 f.; ein
Briet Georg'a an ihn 472—474;
d. Brief I,.'h bei de Wette I, 4-25 :
&48. — Luther- Dm cke auf der
Hamb. SUdtbibl. 340 f. ; d. Prae-
lectio in libr. Jud. 341; die
Poacb'Bche Sammlang ungedr.
Predigten L.'a 341; aelbstand.
Ansgabe des deatscben tJermoDS
Y. d. Buöe 553; TiBchreden4«i!;
L. bedient Eich des lat. pBalten
T, Bngtnhagen 207: L. u. Her-
aog Albr. V. Preufsen 470 ff.; d.
Frage nach einer KuBanrnicnkanft
Georg's V. Brandenburg mit L.
467—472; seine Beziehungen zu
Naomburg a. S. 508 f.; d. Be-
mUhntigei], ihn für Dänemark zu
gewinnen 286f. vgl, 28!)ff. —
Lnther anf dem Reichstag von
Worms ; Zur Bestimmung des
Tages , an welchem er d. Cita-
tion empfangen hat 484; die L.
in Worms zngeachr. Worte äO!l f. ;
eine die Bede L.'s vom 18. April
in dentscher Wiedergabe bietende
Handschrift 432; d. Acte und
die Flugschrift Etliche . . Hand-
Iniie in . . Lutbeis Sachen (Qbcr
d. Nachverhand langen in Worms)
482fr. — Litt 0. bieh. Ansichten
Aber d. Terbältnis seiner Lehre
T. d. Kirche za derj. (Wiclifa)
Hob' und Zwingli's 345E; ge-
Bctaichtl. Überblick über d. fort-
schreitende Bekanntschaft mit
Hub 543 — 649; Entwickclangs-
gescbicbte □. Feststellung seines
Kirchenbegriffs, VerhältniH zum
Hns'Bchen &4!) — 574. 581, —
Zwingli's Verhältnis zu Lnltier
B. Zwingli.
Mainz unter Johann II.; 265.
Maizi^res, Phil. v. 238.
Mamas, Märt. 323.
Manasses I. t. Gheims 332.
Mans, Le, Pseudoisidor und die
Bischöfe von 4D8.
Marborg, Uaiv.-Album 610.
Marcbe, Guido de la 335.
Maria semper virgo 497; ein in
Karthago gefund. Marienrelief ans
dem 4. Jahrb. 497; Marienbild
in d. Katak. S. PriscUU 497;
zur GeBcbichte d. Marienknltni
497.
Mattin V.: 253. 266,
i 323.
a 323.
Maiimus Confcssor, Teitkrit.
zu seinem Zeugnis über den
Bischofssitz des Uethodius in d.
Schulien zum Areopagiten (hier,
eccl, c. 7) 15; ValesiuB und Leo
AllatiuB zu seinen Angaben 15.
Melanthon'B Verhalten in der
Interiraaaohe 154Hf.: 343.
Menaeen 323.
Menologieen 323.
Merovingerzeit, Die relig. a.
sittl. Zustände der 495.
Methodius, ßischufsaitz des 15
bis 2<); seine Beziehungen zn
Side in Pamphj'lien 18; sein
Martyrium 19; Charakteristik d.
M. 11 f.; seine Bcdcntung für d.
christl. Poesie 12; sein Dialog
über die Auferstehung 4 f. 17;
Abdr. u. Krit. des Textes eines
Frogm. BUB dem zweiten Buch
seines Dialogs über die Anferat.,
in welchem er Justin d. M.
citirt 5fr.; Überlieferung seiner
Schriften, bes. d. belr, Fragm,
2-5. 7 f. 10. 17 vgl. 13f.;
Grenzen des Citats aas Just. If.
7—10; Weiteres über seine Be-
kanntschaft mit Just, 12 f.; Eoseb
n. M. 11,
Miggenes, Franz :t:J4.
Miteve, Schreiben der Väter de«
Konzil» zu M. von 410: 126.
636 EEGISTEiR. %.
Miro 323.
Otto V. B&mberg, IMe ^tu da ,
Mission der Minoriten in China
332. '
334.
Otto Ton Freising 278ffi ,
MoDtBon, Joh. T. 230f.
Münster, Loth. warnt briefl. d.
Rat d. Stadt M. xor d. Ziring-
Padna, Sta Oiastina in 275.
lianern und Wiedcrtänfem 293 f.
naXiyyivtaia 30 f. 34f.
Mjoonina, Fr., Luther gratuliert
Papst-Briefe 329; P.-Boch 32T«.
ihm brieflich zur Gebort eiocs
494; P.-Regesl«n 329. 502; P.-
Sohnes 2Mf.
RegistorSSl. 334. 601; p^
MjBtik, Quellen för d. Gesch. d.
Schati, InTentar, BibL, Arebit
niederdeotschen 503 f.
335. 337. ÖUlf.
Parallela Sacra älterer BcMniicm.
Nantes, D. Aufhebang d. Edikts
2f. Tgl. 5fr,; 8. 10. 2-2f. -L
Ton 343.
Justin d. M,
Narbonner Vertrag 250,
Paris, üniT., s. Satbonne.
NatioDBlkottzilc, Frsnzljs., in
Parva chronica proph. seraph.
der Zeit des Schismas 235 f. 239.
reform. 335.
240.
Passau, Matrikel d. Bist. 603.
Naumburg, Umwandlong des
Passionen 459. — a. Aportd-
Klosters St. Georg zu N. in eine
geschichten.
Dnterrichtsanstalt in der Bcfor-
Paula, Franz v. 277.
mationszeit. Luther Qber dieselbe
Pauliner Bibl., die roo Fell«
475; Lnther's Beaiebungen zu
Catal. Cod. Mss. Bibl. Paolin«
N. a. S. & IM f.
in Acad. Lips. p. 2138q. be-
Navarra. Tlieobald y. 4Q9f.
schriebene verlorene Handschrift
Nerosage, Die, und d. Apocal.
der 483 ff.
486.
Pelagianischer Streit 141 Ini
Nicaeno-ConstantSjuib. 487.
15«
Nider. Joh. 27U.
Petaudi, Bftim, 336.
Niebahr, B. G. 515.
Persona, Gobclinus 244.
Nieder, Joh. 276.
Petit, Jean 210—243.
Niem, Dietr. t. 244—247. 504.
Petzensteiner ober d. Worrwer
Nike, Synode von lOflf.
fieichatag 483,
Nikolaus V.: 268, 336.
Philipp d. Grüfsmutige, du
Nikolaus von Cues 274r.
»on ihm 1529 an Karl V. ge-
Nominalisinns 228.
sandte franz. Büchlein 477— 481;
sein BechenscbafUbericht abcf
im Schisma 241.
d, Douaufeldzug v. 1&4Ü ; 342.
Nowag, Pet. 268.
Philippi, Jac. 507.
PbilostorgioB 107.
PhotiuB 2f. 5ff. 35.
Oberrheinische Kircben-
Pietismus, Urkunden zur Getdi.
provinz, Kampf zwischen der
kathol. Kirche nnd den Staaten
d, deuUchen 513 f.
Pikarden, SteUung derselben im
in derselben von 1851 nn 200
Schisma 240-242.
bis 203 ; »gl. bes. Wörlteroberg.
Pisa, Konzil ». 226. 239.
Oeconomica Christiana 480f.
Poesie, ChrisU,, Bedeutung it»
Methodins für die 12.
Stadt und den Berg 20.
Pülaoky 258,
Oranebene, Mag. 4!fil,
Poljkarp, Brief des 491 f.
Orleans. Cod. 169 von 327.
Pompeius, Markos, im jostio-
Orosius 321.
schen Dialog 49,
OsenbrBgge. Joh. 512.
Porcellet, PhUippiac de 335.
ÖsterreichisohesKonkordat
Prediccrurdcn 5011
445 r.
PrisciUiao 527.
SEQISTEB.
637
ProkluB Midensis bezw. SidensiB,
Sidetes 18.
Prokopius von Gaza 21. —
Vgl. Justin d. M.
Fr otoplasten 321.
Psalter s. Bugenhagen, Luther.
Psendoisidor 498.
PiendoJQstin, Qaaestiones et
respoosiones ad Orthodoxes 22;
Qoaest. gent. ad Christian, de
incorp. etc. 23; ixd^fatg n(aT€tog
24.
Psendoklemens, Fasten bei der
Taufe in Recogn. n. HomiL 75 f.;
Tanfzciten 77.
Randnf, Andr. y. 246.
Bavensberg, Wilh. v. 244.
Beformation K. Sigismund^s
251 f.
Be formen, Mittelalter!. Kloster-
R. 272-277. 330 f.
Begeneratio 30f.
Begensbnrger Colloquinm
y. 1541: 511.
Begesten, Register s. Papst.
B e i m s . Zasammenknnft KarFs VI.
mit Wenzel in R. (1398): 236.
Beinbard, Martin 284. 285f.
289 ff.
Benantiatio 71. 81f.
Beater, Ambr. 475.
Bichental 247 f. 505.
Boger von Lansanne 279.
Boland, Mag. 499.
Bolle, Heinr. 340.
Bom, Bischöfe von, s. Angustin;
die Bezeicbnang des röro. Bist.
als sedcs apostolica bei Angustin
u. seinen Zeitgenossen 134 ff. —
Der Satz „Roma locuta est'^
156—159.
Bottweila. N, Kapitel 267.
Bozmital, ZdenkoLcw von 469.
Bugbroeck 503.
Bümelin, v., s. Württemberg.
Bupescissa 503.
Sachsen, Prov. , Päpstl Urkun-
den etc., S. betreffend 502 f.
Salvantius 324-f. vgl. 494.
Sarbonne, znr Zeit d. Schismas:
ihre Stellung zu den Bettclorden
230 f.; zu den polit. Parteien in
Frankr. und zum Schisma 239
bis 243. 249 f.; d. erste Studien-
haus der Benediktiner an der S.
501.
Schisma von 530: 32301 494;
von 1378—1417: 225-243.245.
247-253. 2.58.
Schlesien, Mittel- und Nieder-,
von 1440—1452: 267 f.
Schmalkaldische Artikel,
Urschrift derselben, Drucke der
letzteren, Luther^s Motto zu d.
Art. 318 f.
Schoonhoven 273.
Schwenkfeldianismus 340.
Seleucia, Synode von 109 f.
Senones, Richer v. 338 (vgl. Be-
richtig. S. 515).
Septaaginta, Justin im Dialog
über Fälschungen in der 55 f.
vgL 65 f.
Sibyllinischen Bücher, Die
488 f.
Sie na, Bemhardino v. S. d. A.
277.
Sigismund 248-251. 259f.
Siivius, Laterculas Polemii S.
321.
Siricius, Augustin und 125.
S ixt US, Presbyter, später Papst,
Augustinus Beziehungen zu ihm
131-134.
Sokrates über Konstantin und
Licinius 537 -540.
Sozomenos über d. Abkehr Kon-
8tantin*s v. d. Mantik 517 f. 524ff.
Spalatin ist nicht d. Verf. der
Acta u. der Flugschr. Etliche
sundcrliche ßcisige . . . Hand-
lung in . . . Luthers Sachen . . .
(über d. Nachyerbandl. in Worms)
482 ff.; seine Übersetzung d. Rede
Luther's v. 18. April )1521: 482.
Spanien, Ältere Kirchengesch.
Spaniens 323. 495 f.
Speyer, Reichstag von 1526 zu,
Relation über die Verhandlungen
desselben 300-317.
Spiritualen 502.
Stettin, Brüderschaften in 504.
Stichometrie 493.
Stilicho 322.
Strafsburg unter Wilh. v. Diest,
die conf ratern itas des Klerus v.
1415, der Elektenprozefs 265 f.;
d. Straüsburger Minoritcnprovinz
276; d. Bist, im 14. Jahrb. 503;
d. franz. ICirche v. St. im 16.
Jahrb. 511.
638
Sadermknn 310.
Summa der h. Bohr. 479«.
Snao 271. 500.
STRDing, J. 284 Tgl. 286.
SjneainB, Rede de« S. u Är-
oadios 822.
Sjropol 261 r.
Tinfein d. &11«d Kirche: im Fieien
74, in lebcod. WasBer 74, Aoi-
ziehen d. Schuhe b«i der T. 72;
Tanfzeiten 76 ff.; FuBteo bei der
T. 75-78; zac älteten Tauf-
litQrgie69 79— 82; Tanfnlübde
71. 8ir.; Bechtfertiguie d.Taaf-
riten hei den Vätern 73.
Tepleneia, Cod. 506f.
Tertnllian 30f. 34. 71. 13t.
76 f. 492 f.
Theodoret 25.
Theodoroa toq Mopenheetia,
Britfe Gregorios' von Nazianz
an üSf.
Theophanea 538.
Thomaa t. Aqnino, seine T^hra
'■. d. Kirche 347—357.
Tboi
8 273.
ThDriiigen, Pietisten in 513.
Tiberius a. d. Hariupicin 510.
Todi u. Johann XXllI.: 248.
Toleranzedikte, lUm Ische 487.
Traktat über die Fapstwahl von
HS!): ;m.
TribuUtioncs, IHst. acptem t.
ord. Min. 502.
Trient, Konzil von 511.
Truchsefs V. Waldburg, Otto,
Katdin. bl>.
Trjphon 111-65 vgl. 53-57,
Tyrus, Bischöfe von 18t'.
Ulrich V. Richental 217 f. 505.
Universitäten, I). Stellung der
deulHchen U. zum Roseicr Kon;iil
•2t;:tf.
Urban V,: 215; VI.: 225. — a.
ScliiEnja.
Urbarbuch von St. Urban im
Luzemer Staatearchiv 261.
Valcaius a. Maiimus Confessor.
Anonvnius Valesii :W1. Tiil ( 540.
ValU. Laur. , »eine Kritik des
AiK)8tulieuiDs auf d. Florentiner
Konzil 2r>2f.
V a 1 1 a d 0 1 i d , BenediktineifcaagRt.
in 275.
Tatikaniache BibL, tni Vk-
geschiebte der 337 tcL 3^
Vatikanna 3761, Co£ 329.
Vegbe 272. 336.
TelfliuB, Juitoa 340.
Viocenz Ton Panla, St.Barm-
henige Scbweatem des. Statuta
dea Ordena denelh. in Wärtttn-
bvg 410.
Vjndob., Cod. 32%:
VorreformatorBDiBerecbl
dieses Titela 347. 369. 377
itigimg
7f.
ffaldaaser, Tenirteilimg t.
in Pommern n. Br«nd«ib. SKf
W.-Litt in Torbnsitiach. Zdt
öOGf.
Watzdorf, Rad. (Votrst) t. 4^3.
Wecelin 485.
Wenzel, König 236.
Wernigerode, Stiftaachnle in 50e.
Westhemer, Bachdraeker 297.
Wiclif 254—258. 365 f. 377. 5(&
Widenbrflgge, Job. 512.
Wilde, Steph. 288.
Wilhelm Ton Bar 3.t5.
Wilhelm, Biach. von StraTsbu^,
OriginaUchreiben von ihm über
den Sj^eyerer Reichstag t. löÄ:
■Ml.
Wilhelm v, St. Thierry XVH.
Wilhelm, König v. Württ«mb.rg
I',)ll. 2ü5ff. sonat a. WürttemU-ig,
Windesheimer BrQderBcbaft
239. 272—275 vgl. 271.
Wittenberg a. Frkdr. d. W.
Worms, Konkordat v. 27«--.>^il;
Reichstag V.W. (1521): Briefe u
Ohristiem II. v. Dänemark übet
dcnBelbon2M9— 2;i2; PetzcnsUiwr
über denselben 4H;(; d. AcU a.
d. Flugsclir. : Etliche eunderlicbe
. . . Handlung in . . . Latben
Sachen (über d. Nach verhandig)
4«aff; auf W. be7.ügl. Stücke d.
von Feiler (Cat. Ood M^s. BibL
Paul, in Acad. Lipa. p. 2l;Ss4.)
beschrieb, verlorenen Handschtift
4S:Jt. — s. Lutlicr,
Württemberg. Urpfarrcien, St
A n n uku 1 tu 3 , .\ u fhcbu n g d. K appen-
bcrren in W. filKI; Heilige inW.
5():t; d VcrrassangSQrkunde von
25. Scpt 1819: ItOiC; d. Staat
REGISTER.
639
u. d. kath. Kirche In W. Ton
1808—1857: 190—204. 208; d.
wfirttemb. Konkordat (od. Kon-
Tention, TgL 8. 210 f. 221) von
1857, Entstehung n. Verwerfang
desselben durch die Kammer 2(&
bis 217. 189 ; die Verbindlichkeit
d. Konrention, — Konrention od.
Konkordat? 210-216; d. würt-
temb. Oes. betr. „die Begelang
d. Verhältnisses d. Staatsgewalt
zur kath. Kirche" von 1862: d.
G€8. Tor d. Kammer 189. 401.
403; Vergleich der Konvention
mit d. Oes. in d. Reihenfolge d.
Artikel der Ersteren, Beorteilnng
der Bestimmungen 395—448 yrI.
217—221. 189; Verhältnis des
wflrttemb. Konkordats zum öster-
reichischen 445 f. — 8. Vincenz
▼. Paula, St.
W ü r z b u r g , Bischofsversammlung
in W. vom 12. Okt. 1848: 199 f.;
Archidiakone, Offiziale, Oeneral-
▼ikare des Bist. 267; Wfirzburg.
Hand8chriften458f.— vgl. Apostd-
geschichten.
Tsenburg-Büdingen, Pietisten
in 513.
Zabarella 252.
Zauberei, Ansichten über die Z.
im Christi. Altert, u. Mittelalt 527.
2i2ka 259.
Zonaras 538f.
Zosimus, Augustin und 126 f. 146
bis 156. 162 186; Z. üb. Konstan-
tin d. Or. 517 f. 524 ff. 538—541.
Zutphen, Oerh. v. 272.
Zwinffli kennt Hu8*Traktat v.d.
Kirche 575; seine Bekanntschaft
mit Schriften Luther*s 575; bish.
Ansichten über d. Verhaltn. seiner
Lehre v. d. Kirche zu deij. Hui'
u. Luther*8 345 ff. 575 f.; seine
Lehre v. d. Kirche 574-616, in
ihrem Verhaltn. zu Hus 575 1
599 f. 609; ursprüngl. bestehende
Übereinstimmung in seiner Lehre
von der Kirche mit Luther 575
bis 599; v. Luther abführende
Wandlung in seinem Kirchenbegr.
•600-616; Z. u. Job. v. Wesel,
Joh. Wessel 576. 578.
Zwölle, Fraterhaus in 271.
I
r
IfAnnlLO ■ STANFORD UNIVERSITi
LIBRARIES STANFORD UNIVERSITY
XBIES STANFORD
UNIVERSITY
FORD UNIVERSITY LIBRARIES STANFORD
TAN FORD UNIVERSITY
STANF
NIVERSITY LIBRARIES STANFORD UNIVEF
iBRARIES STANFORD UNIVERSITY LIBRAR
ZoS
JNIVERSITY LIBRARIES
TY LIBRARIES ■ STANFORD UM
NFORD UNIVERSITY LIBRARIES STANFO
IVERSITY UBRARIES , STANFORD UNIVER!
Stanford Vnirenitjr Libraries
Stanford, California
KMgn tUi book ob or b«fon data dM.
INFORD