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Full text of "Zeitschrift für Kirchengeschichte"

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ZEirSCHRIFT 


fOb 


KIRCHEFGESCmCHTE. 


ZEITSCHRIFT 


aRCHENGESCHICHTE 


IN  VERBINDUNG  UH' 


D.  W.  GASS,  D.  H.  EEUTEB  und  D.  A.  RITSOHL 


HEItAliSdEGEBEN  VON 


D.  THEODOR  BRIEGER. 


VIII.  Band. 


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GOTHA 

FRIEDRICH  ANDREAS  PERTHES 


ited  with  the  permission  of  Ehrenfried  Klotz  Verlag  Sluttgart 


By  arrangement  with  the  original  publishers,  pages 

containing  advertisements  in  the  original  edition  have 

either  been  left  blank  in  this  reprint  or  entirely  omitted. 


First  reprintin^,  1968,  Johnson  Reprint  Corporation 
Printed  in  the  United  States  of  America 


Inhalt. 


Erstes  und  zweites  Heft. 

(Ausgegeben  den  12.  Dezember  1886.) 

Seit« 

Untersuchungen  und  Essays: 

1.  Th.  Zahn,  Studien  zu  Justinus  Martyr 1 

2.  J,  Drä9eke,  Der  Briefvfecbsel  des  Basilios  mit  Apolli- 
narioB  Ton  Laodicea 86 

3.  H.  Beuter,  Augnstinische  Studien  V  (zweite  Hälfte)   .  124 

4.  Bung,  Das  Württembergische  Konkordat  (erste  Hälfte)  188 

Kritische  Übersichten: 

1.  K,  Müller,  Die  Arbeiten  zur  Kirchengeschichte  des  14. 
und  16.  Jahrhunderts  aus  den  Jahren  1875^-1884  .     .    222 

Analekten : 

1.  G,  Wolfram,  Zum  Wormser  Konkordat 278 

2.  Th.  Kolde,  Carlstadt  und  Dänemark 283 

3.  E,  Bodemamn,  Handschriften  Luther's 292 

4.  J,  Ney,  Analekten  zur  Geschichte  des  Keichstags  zu 
Speier  im  Jahre  1626 300 

6.  Miscelle  von  Th.  Kolde 318 

Nachrichten 320 


VI  INHAI.T. 


Drittes  Heft. 

(Ausgegeben  den  3.  Juli  1886.) 

Untersachungen  and  Essays: 

1.  Jöh.   Gottschick,  Hus\  Luther *8   und  Zwingli's  Lehre 

von  der  Kirche 34£ 

2.  Bunz,  Das  Württembergische  Konkordat  (zweite  Hälfte)    39C 

Analekten : 

1.  O,  Schepfa,  Eine  Würzburger  lateinische  Handschrift  zu 

den  apokryphen  Apostelgeschichten 44S 

2.  0.  Seebafs,  Zu  Columba  von  Luxeuils  Klosterregel  und 
Bufsbuch 459 

3.  L.  Neustadt,  Zu  Luther*s  Briefwechsel 466 

4.  Th  Kolde,  Welches  Büchlein  sandte  Landgraf  Philipp 
1599  an  Karl  V.? 477 

5.  Th.  Brieger,  Zu  Luther  in  Worms 482 

6.  Miscellen  von  E,  Dümmler  und  J.  Köstlin .     .     .     .  486 

Nachrichten 478 


Viertes  Heft. 

(Ausgegeben  den  10.  November  1886.) 

Untersuehangen  und  Essays: 

1.  Viktor  Schnitze,   Untersuchungen  zur  Geschichte  Kon- 
stantin's  d.  Gr.  (Sohlufs) 517 

2.  Joh.   Goitschickf   Hus\   I-uther's    und  Zwingli*s  Lehre 
von  der  Kirche  (Schlufs) 543 

Register : 

I.  Verzeichnis  der  abgedruckten  Quellenstücke     ....    617 

ir.  Verzeichnis  der  besprochenen  Schriften 621 

111.  Sach-  und  Namenregister 628 


Studien  zu  Justinus  Martyr. 


Von 

Theodor  Zahn. 


•   Jiistlniis  bei  Methodliis  und  Paulus  bei  Justlnufl. 

Dem  SammlerfleiTs  E.  Grabe's  war  das  durch  Photius 
aufbewahrte  Fragment  der  Schrift  des  Methodius  jj  über  die 
Auferstehung  ^^  nicht  entgangen,  in  welchem  dieser  sich  auf 
«inen  Ausspruch  des  ,,  Justinus  aus  Neapolis,  eines  der  Zeit 
^vie    der   Tugend    nach   den    Aposteln   nicht   fernstehenden 
Mannes  ^^  berufen  hatte  ^.     Aber  Grabe  hatte  nicht  erkannt, 
^e  weit  sich  das  Citat  aus  Justin  erstrecke,  oder  vielmehr 
yvo  es  eigentlich  erst  beginne.     Die  Herausgeber  der  Werke 
Justin's    und    die    von    ihnen    abhängigen  Litterarhistoriker 
folgten  dem  zuverlässigen  Führer,  ohne  die  nächstliegende 
Quelle,  das  Myriobiblion  des  Photius  und  den  Zusammen- 
hang, in  welchem  dieser  die  Berufung  des  Methodius  auf 
Justin  uns  darbietet,  selbst  zu  prüfen  '.     So  Jbis  heute ,  ob- 
wohl  schon  vor  zwanzig  Jahren  A.   Jahn  Grabe's  Irrtum 
aufgedeckt  und  die  Grenze  dessen,  was  Methodius  aus  Justin 
anfuhrt,  richtiger  bestimmt  hat'.     Jahn  scheint   die  Sache 
für  so  evident  gehalten  zu  haben,  dafs  eine   umständliche 


1)  SpicUegium  SS.  Patrum  (Oxford  1698.  1699)  U,  193  =  Pho- 
tius, Bibl.  cod.  234  ed.  Bekker,  p.  298  >". 

2)  Justini  opp.  ed.  Otto  (3.  Aufl.  1879)  T.  II,  p.  2548q.  vgl. 
Harnack,  Texte  und  Untersuchungen  I.  1,  133 f.  Eine  dort  unter- 
gelaufene Verwechselung  wurde  von  mir  im  Theolog.  Litteraturblatt 
1882  S.  213  berichtigt.    Otto^s  Quellenangabe  ist  die  richtige. 

3)  Meihodii  opp.  (Halle  1865),  p.  93,  Anm.  2. 

Zeitsclir.  f.  E.-O.  VIII,  1.  2.  1 


Beweisführung  überflüang  Bei    Das  zeugt  tod  einer  litl^ 
leicht  zu  günstigen  Mdnung  über  die  Art,  wie  die  pstnüdb  I  j^ 
Forschung  in  den  theol<^ischen  Kreisen  unserer  Zeit  iil^ 
fortbewegt.     Das  Versäumte  nachzuholen  würde  in  derTkli^ 
ein  ziemlich  mühsames  und  des  Erfolgs   bei   den  bestip  I  ^ 
Patristikem   keineswegs   sicheres  Untemefamen    sem,  ^^Ite 
nicht  jüngst  unverhofft  neue  Mittel  zur  T!fi*M^iM*i<^nBg  da&l|L^ 
J.  B.   Pitra   und    seinen  Pariser   Oehilfen   P.   Martin  ia- 
geboten  worden  wären.     Die  Wichtigkeit   der  Sadie,  ^  is 
sich  bald  herausstellen  wird,  wird  es  rechtfertigen ,  dalkkk 
das  Fragment  des  Methodius  vollständig,  soweit  es  in  B^ 
tracht  kommen  kann,  nochmals  vorl^,  vorher  aber  über 
die  Quellen  berichte,  aus  welchen  wir  es  zu  schöpfen  haben. 

Die  erste  ist,  wie  gesagt,  die  Sammlung  von  Excerptei 
aus  des  Methodius  Schrift  negt  dvaavdauog  bei  Photius  coi 
234.  Es  ist  zu  beachten,  dafs  Photius  die  einzelnen  Ex- 
cerpte  aus  dieser  Schrift  in  der  Regel  durch  Sri  (ptfil  esst 
leitet,  worauf  entweder  nur  eine  Wiedergabe  des  Gedankens 
in  indirekter  Redeform,  oder  wörtliche  Gtate  folgen,  letztere 
manchmal  aufserdem  noch  durch  ein  hiyBi  ydQ^  durch  iii 
(fiiaiv  ö  Syiog  Med^ödtog  u.  dergL  als  solche  charakterisiert 
(p.  297a,  6.  41;  298b,  15).  Was  zwischen  solchen  deut- 
lichen Einftihrungsformeln  der  eigentlichen  Citate  in  direkter 
Redeform  und  dem  nächstfolgenden  Srt  yija/V  steht,  ist  nie- 
mals durch  Zwischenbemerkungen  des  Photius  imterbrochen  K 
So  läuft  auch  in  dem  fUr  jetzt  in  Betracht  kommenden  Teil 
die  direkte  Rede  des  Methodius  ununterbrochen  fort  von 
p.  297»,  41 — 298b,  13.  Nur  viele  Auslassungen  hat  sich 
Photius  erlaubt,  wie  die  Vergleichung  mit  den  Parallelen 
bei  Epiphanius  und  anderwärts  oder  auch  schon  ein  Blick 
in  die  Anmerkungen  Jahn's  zeigt. 

Kine  zweite  Quelle  sind  die  Parallela  sacra  älterer  Re- 
zension, gewöhnlich  Par.  Rupefucaldina,  früher  auch  manch- 
mal Claromontana  genannt  nach  einem  vom  Kardinal  Roche- 
foucauld  dem  Jesuitenkollegium   zu  Paris  geschenkten   Co- 


1)  Auch  das  (frjafv  p.  298*,  10  gehört  vielleicht  nicht  dem  Pho- 
tius sondern  dem  Methodius  an  und  hat  den  Paulus  zum  Subjekt. 


STUDIEN  Zu  JUSTIN.  3 

des  ',  woraus  zuerst  Combefis  Stücke  des  Metbodius  heraus- 
gab ',  darunter  auch  das  unsere.  Die  Unabhängigkeit  dieser 
Qnomologie  von  Photiua  ist  schon  aus  chronologischeu  Grün- 
den selbstverständlich.  Überdies  greifen  die  Excerpfe  in 
den  Parallela  weit  über  die  Excerpte  bei  Photius  hinaus. 
Ebenso  aber  auch  umgekehrt.  Ohnehin  ist  zweifellos,  dafs 
Photius  das  Werk  des  Methodius  in  der  Hand  gehabt  hat. 

Drittens  kommen  in  Betracht  zwei  syrische  Florilegien, 
aus  welchen  P.  Martin  unter  anderen  Fragmenten  des  Me- 
thodius auch  das  unsere  herausgegeben  hat '.  In  welchem 
Verhältnis  zu  einander  die  beiden  Byrischen  Handschriften 
liehen  mögen,  ist  für  uns  gleichgültig,  sehr  wichtig  dagegen, 
dals  die  ältere  von  ihnen,  welche  unser  Fragment  vollstän* 
jiger  darbietet  als  die  jüngere,  nach  W.  Wright's  Urteil  dem 
1.  Jahrhundert  angehört*,  so  dafs  die  Unabhän^gkeit  des 
Citats  von  Photius  nicht  erst  bewiesen  zu  werden  braucht. 
Ebenso  gewifs  ist  die  Unabhängigkeit  des  syrischen  Flori- 
legiums  von  den  Parallela  sacra  und  umgekehrt  dieser  von 
jenem.  Ein  flüchtiger  Einblick  in  die  ausführlichen  Inhalts- 
bberaichten  bei  Wright  macht  dies  zweifellos.  In  beiden 
lyrischen  Handschriften  (S'  und  S')  geht  unserem  Frag- 
ment unmittelbar  voran  ein  anderes  mit  der  in  S'  etwaa 
abgekürzten  Uberbchrift:  „Von  dem  heiligen  Methodius, 
dem  Philosophen,  Bischof  von  Lycien  und  Märtyrer  aus  der 


1)  Nach  emer  beiläufigen  BemerkuDg  von  Pitra,  Aoalecta  11, 
p.  XXI  jetzt  in  Oxford. 

2)  Amphilochü,  Methodü ,  et  Andreae  Cretenais  opp.  Pari«  1644 
[mir  nicht  zagänglicb)  wiederholt  bei  GalUndi  III,  779  (Ed.  II, 
nSS),  In  seiner  AuBgalie  des  Johannes  Damaac.  11,  763  hat  Letjuien 
DSF  das  Lemma  toO  ai-ioO  (i.  e.  AIi9odlov)  und  die  Anfangsworts 
mitgeteilt. 

3'>  Pitra,  Analecta  eacnt,  Spicil.  SolesoienBi  parata,  vol.  IV  (die 
Tom  P.  Martin  bearbeiteten  Orientalia  enthaltend)  p.  SOI.  202,  dam 
eioe  nicht  gerade  empfehlenswerte  lat.  Übersetzung  des  Herausgebers 
p.  43Ö. 

4)  Catalogae  of  Sjr.  Mbb.  p.  915>.  Die  Stellen  aus  Methodius 
UChgewiesen  p.  SIT».  Die  Handschrift  ist  Addit.  17214,  bei  Martin 
■h  A  bezeichnet.  Die  jüngere  HandBchrift,  bei  Marlin  B,  Addit. 
17191,  gehört  nach  Wright  p.  1009  dem  9.  oder  10.  Jahrh,  an. 


Schrift  über  die  Auferstehong,  welche  gegen  Ongenesi^j 
richtet  ist  und)  welche  genannt  ist  Aglaopkcn^  K  Qttli 
dem  80  eingeführten  ersten  Citat  folgt  ein  zweites  imi  kli 
Überschrift:  y,Und  nach  anderem  (sagt  er  folgendes),  ral^ 
erwähnt  wird  auch  der  heilige  Justinus,  der  Philosoph  nll^ 
Märtyrer" «.  l^ 

Endlich  ist   noch  zu   erwähnen   die    altslavische  rWl^ 
Setzung,  auf  welche  zuerst  Pitra  uns  Occidentalen  zTsSnA- 
sam  gemacht  hat  '.     Die  dunkle  Gtestalt  des  Methodins  liil 
in  helles  Licht  gerückt  werden,  und  die  Ordnung  derifr 
fangreichen   griechischen    Fragmente   wird    erst    dann  ibI 
Sicherheit  unternommen  werden  können,  wenn  die  in  te 
nltslaviscbcn    Handschriften    Rufslands    bisher     b^rabeoa 
Schätze  der  gelehrten  Welt  zugänglich  gemacht  sein  werdo. 
Der  Gewinn  wird  grofs  sein,  auch  wenn  der   Ubersete, 
wie  Pitra  (IV,  614b)  bemerkt,    sich  viele  Auslassungen  «^ 
Inubt  hat.     Leider  ist  das  auch  bei  imserem  Fragment  der 
Fall,   wie  mir  Prof  Bonwetsch  in  Dorpat,  welcher  im  vo- 
rigen Winter  die  (oder  eine)  Moskauer  Handschrift  genauer 
untorsuclito,  mitzuteilen  die  Freundlichkeit  hatte. 


l)  HuchBtIlblich  Aglaophotos  (Martin  p.  201,  Wrigbt  917»  im 
«woiton  C'itiit,  dancbeu  eben  dort  im  ersten  Citat  und  p.  1012,  Nr.  37 
c^xti*.  n  Martin  p.  203  ricbtigcr  Aglaophontos),  Es  ist  das  unge- 
Nuhli'kt  wiirtlioho  Üborsotzung  der  griecbiscben  Citationsformel  ix  toC 
/M(»)  i\nwni0tM^'  Xoyov  .  .  .  toO  xnXovfx^vov  (oder  lniy€yQaju.fi^vov) 
W;'Ait(»«/-A)i'rok'.  Aglaopbon  ist  eine  Hauptperson  des  Dialogs,  ein  Arxt 
In  Piitum,  in  doNRon  Haus  das  Gespräcb  stattfindet  Die  Nacbahmmig 
das  IMato  xoigt  sich  auch  hier  in  der  Benennung  des  Ganzen  nach 
ohior  lluuptrollo.  Wahrscheinlich  jedoch  hiefs  nur  das  zweite  Bach 
Afilaophon ,  das  erste  dagegen  Ihvklua  (Epiphan.  haer.  64,  17  Über- 
schrift) uaoh  einer  anderen  Person  des  Dialogs.  Man  vergleiche  die 
Titel  ihr  einzt^lnon  Xoyoi  des  Symposion  des  Methodins.  Übrigens 
oitiort   auch    Pn)copiu8   in   Genesin    (Mai,  Class.  auct.  VI,  205)  iv 

2)  Martin  S.  435  Übersetzt  hier  wie  an  anderen  Stellen  ungenau, 
macht  willkürlich»  und  unpassende  Abteilungen.  Um  diesem  Orien- 
talisten gegenüber  sicher  zu  gchn,  erbat  ich  mir  in  dem  nachher  zu 
erörternden  Hauptpunkt  Prof.  Nestle's  llat,  welcher  durch  Brief  vom 
2.  Februar  d.  J.  freundlichst  erteilt  wurde. 

3)  Analecta  III,  602.  612-617. 


STUDIEN  Zu  JUSTIN.  5 

Noch  sei  bemerkt,  dafd  das  nachfolgende  Fragment  dem 
iweiten  Buch  des  Dialogs  über  die  Auferstehung  und  zwar 
der  zweiten  Hälfte  desselben  angehört.  Erst  aus  der  sla- 
Tjschen  Übersetzung  ersehen  wir,  dafs  der  Dialog  in  drei, 
■tatt  wie  man  bisher  annahm  in  zwei  Bücher  geteilt  war, 
und  auch  die  Grenze  des  ersten  und  zweiten  ist  bisher  nicht 
richtig  bestimmt  worden.  Das  erste  Buch  schliefst  mit  den 
Worten',  die  bei  Epiphanius  haer.  64,  55  (Petav.  p.  581 C) 
»ufbewahrt  sind  xat  avtä  ei'eijzürct,  bei  Jahn  S.  86  vor- 
letzte Zeile.  Dafs  hier  der  Übergang  zum  zweiten  Buche 
itattfinde,  bestätigt  auch  Photius,  welcher  den  weiter  folgen- 
den Excerpten  die  neue  üTierschrift  giebt  (p.  204»,  22): 
änyvdiaSTi  toü  ai'ioE  h.  zov  aviot  Myor  ünoazoXixav 
^-ricCiy  Jp/njv«'«  '/.aiä  m'yoii'iv.  Nur  bis  zur  Mitte  des  zweiten 
Buchs  und  somit  des  Ganzen  hat  Epiphanius  sebe  Iklittei- 
longen  ausgedehnt  (haer.  64,  G3,  p.  591 A).  Erst  jenseits 
dieser  Grenze  liegt  unser  Fragment. 

llethodius  schreibt  im  Dialog  übei-  die  Auferstehang, 
Buch  II  [genannt  Aglaophon]  nach  der  Mitte  folgendes: 

Ei  ya^  diä  tö  fitj  ihvifegtiiaai  ri^r  aäg/.a  x.oi  äva~ 
Oif^cat  aägy.a  iffÖQtaa;  Ti  Y.ai  7iEQiaaQ^  aÜQy.a  itfö^Et, 
ij»  o'viE  a&aai  ovce  dvaacfiOai  TgoijgiiTO ;  d)J.'  odöiv 
flfwotäg  notel  ö  viös  roC  ■ffeoF.  oi''<  üqa  ävoMfE}.Cig 
r^y  ftO^tjV  roO  Soitov  mihaßev,  älhd  nqbi  rü  ävaffr^-  & 
Out  zß(  aQaai  .  di.r^!^lJig  ya^  Svl^^torcog  lyivETO  xai 
[äh^^Qg]  äntöavE,  zßi  ot  Tili  dorne,  äXK    iV«  (Jiiji^Og 

1)  Pitra,  ÄnalGcta  III.  6U.    Dadurch  ist  also  die  von  öhler 

in  den  Äddcnda  zu  EpiphaduB   p    BBS   und   von   JhIid   zu   Methodios 

p.  91  gebilligte  LA.  des  Venetus  in  Epiph.  haer.  G4,  63  I6yt!i  a    statt 

F  WjTO  .  Ä  iriderlegt.     Die  Dreiteilung  der  Schrift  bezeugt  auch  daa 

frische  Eicerpt   im    cod,   addit.   12158  fol.    70'.     Wright.   Catal. 

I   «5»;  Manin-Pitra  IV,  205. 

:   beginnRD   S'S';   den   griech.   Text   geben   die  Par[sllela 

IjSlera);  Pholius  bat  alles  bis  Zeile  9,  obenBo  wie   anderes,  was   voran- 

[^ng,  stillscbweigcnd   ausgeatorscn.    )     I.     7iii>ian&i   auch   S'S*.   viel- 

'Beht  aber  mit  utichgeatelltem  xiU.     Martin  hnt  in  seiner  Übersetzung 

■wiseht.      I      3.     oi'Sfv    Par. ,    wahrscheinlich    oi'rfi    iv    S.      | 

ijjffßi   X.   u.   auch   S,   Martin    übersetzt   wieder  ganz   willkür- 

T.     [(UijÄOj]   nach   S'S'  cf.   Ignatius   ad  Smym.  i:  fehlt   in. 


'J 


ZABX, 


nqtatdvovuog  dya^wg  top  v&L(föyy  xii¥  xoXx^fOxo^ 
ug  oifdviop  xat  vdv  9vt[tiii¥  ug  d&dvatw.   7ot)0n|' 

dnoavdhav  oifr«  rgf  iqtt^j  xlfiQOiyofieia&ai  fih  lii 
^vfjOTunff  TckijQoyofitip  de  tö  CCip  Idyu^  xal  Satohifm 
fiiv  odQTux,  C^v  di  vipf  ßaaiXüay  x&p  oßQOPCiv.   idm 
de  odQTux  6  IlaClog  tloI  alfia  fiij  dAfoa&ai  tipf  ßoft- 

u  leiav  toC  d'eoO  7LXfi((W0fifjoai  ^Ytl*  ^^  ^  ix^ovl^if, 
(fffily  Tf}g  aaQTLÖg  vi^v  Tcakiyyeywicnf  d7toq>aiyt€aiy  JUi 
diödoTUüy   od   TÜLrifoyofielad'ai  ßaaiXua»  d-eoCj   (uißm 
htdqixovaav  ^(oi^^  ind  toö  atifiovogf    dXlä   %d  cQß 
irtb  %fjg  tiafjg.     d  ydf  inJLijQoyofJieiTO   ^  ßaCiXüa  vk 

30  i^£o€f  hiö  roCf  adfiOTogy  ^ioij  indqjijovca  ^   awißaufO  h 
%r^v  ^wi^  inb  Ttjg  g>d'0(iäg  TLtnamvea&ai.     rCp  di  d 
Te&yrjyLÖg  ^  Ciaij  yd'qgovofjiäf  iva  elg  vinLog   iuxvano9^  i 
d^avaxog  ircb  vfjg  CwfjQy  Tun  tö  q>dtt((Tdp  Tf}g  dq^^oföla; 
xvfjfjia  dvatfcnjj,  ileö&SQoy  fiiv  d-ardvov  xai    dfiofda; 


Par.  Im  folgenden  liegt  der  umständlichen  tjrischen  Übenetsmm 
kein  anderer  Text  zugrunde.  Martin*8  Abteilung  S.  202  Z.  4  ist  sinn- 
los, und  die  Übersetzung  des  im  STrischen  treu  nachgebildeten  Fuü- 
cipialsatzes  durch  Terrenas  vero  .  .  .  effeeit  p.  435  ist  ^Bdsch. 

9.  Zu  S\  welcher  ununterbrochen  bis  zum  SchluTs  des  obiga 
Textes  fortläuft  und  der  slayischen  Version  tritt  hier  (^iovarivoq  ^^ 
PhotiuB  (Bekker  p.  298%  37).  Dagegen  hat  Par.  Z.  9—13  Qiov 
auvof  —  ovQavQv)  aüsgestofsen.  S*  hat  den  An£uig  bis  äjtwnöUn 
Z.  11,  woran  er  sofort  anschliefst  dnorav  Z.  13.  |  10.  di  and 
S^S*,  porro  übersetzt  Martin.  |  13.  ö/rörov:  hier  tritt  Par.  wied« 
ein  bis  zum  Schlufs.  Dagegen  hat  der  Slare  Z.  13 — 19  {dnörmf  — 
Ctofji)  aüsgestofsen.  |  u.  J/ Phot.:  ovp  Par.  S'S*.  |  U.  /lii  iw 
hier  Phot.  (S***?):  hinter  xlrigwofifjaM  Par.  |  t^:  om.  Par.  | 
15.  ixifavUCtav  Phot.  S'S*:  ix  (favXrig  Par.  |  16.  (friai  Phot  S'S 
(darüber  nachher):  om.  Par.  |  älkä  Phot.:  &ll^  o»;  Par.  |  18.  aw 
fiuTog  Phot.  Par.  S':  fAovov  fügt  S"*  hinzu.  Die  folgenden  Ton  S'S' 
treu  übersetzten  Worte  giebt  Martin  unglaublicherweise  wieder  durel 
Hd  a  corpore  vivo  statt  sed  corpus  a  vita.  |  22.  u&vrixdg  Phot. 
d^vljaxov  Par.  S'S',  also  wohl  echt.  Warum  übrigens  Martin  in  seinei 
Übersetzung  vor  vCv  6i  durch  drei  Punkte  eine  Lücke  hat  anzeigei 
wollen,  yerstehe  ich  nicht  Der  syr.  Text  ist  ebenso  yollständig  wi< 
die  griechischen.  |  22.  xaxano^  Phot  S*S'  hier:  Par.  hinter  ^a 
paxot,     I     24.     Avatf^av^  Phot:   xa\   xf^g  ad^avaaias  yavjj   Par.   S'S* 


STUDIEN  ZU  JUSTIN. 


'^*       difdagalag   tö   aQfnx  rj,    /ai    fifj    roP   oiöftacog  ^ 

Die  Frage,  wieweit  die  Mitteilung  des  Metbodius  aas 
^^*-^tiiiuB  sich  erstrecke,  iUllt  zusammen  mit  der  anderen,  ob 
//^«  fpr^ai  Z.  16  von  Photiua  in  sein  Excerpt  eingefügt  sei 
^j^d  somit  den  Metbodius  zum  Subjekt  habe,  oder  ob  es 
^On  Methodius  geschrieben  sei  und  somit  den  Justinus  zum 
Subjekt  babe  '.  Ersteres  setzte  Grabe  voraus,  letzteres  be- 
lauptete  Jahn;  und  biefiir  entscheidet  die  von  Photius  ua- 
ibhängige,  mindestens  150  Jahre  vor  Photius  entstandene 
aus  dem  Griechischen  übersetzte,  überdies  nicht  re- 
sriei-ende,  sondern  direkt  und  vollständig  aus  Methodius 
ntierende  syrische  G-nomologie.  Ohne  Kenntnis  des  grie- 
bischen  Originals  wäre  die  syrische  Übersetzung  hier  aller- 
icgs  ein  wenig  dunkel.     Man   könnte   dann   versucht  sein 

übersetzen:   „Wenn  nun  Paulus  sagt  ,   so   spricht 

'  ((f^ot)  nicht  als  einer,  der  die  Palingenesie  des  Fleisches 
■▼erachtet."  Aber  dann  bliebe  das  bieraul  folgende  Verbum 
I^CC  (=  dnoffaivEjai  oder  ärco^aivS^evog)  unerklärt  und 
anübersetzbar.  Es  unterliegt  keiner  Frage,  dafs  der  Syrer 
sowohl  9>7j(7t'  als  dnoffaivezat  in  seinem  griechischen  Text 
gelesen  hat,  und  es  ist  ziemlich  gleichgültig,  ob  der  überall 
sklavisch  treu  verfahrende  Übersetzer  in  der  That  geglaubt 
hat,  das  parenthetische  <fijai  so  übersetzen  zu  dürfen  in  der 
Erwartung,  dafs  das  ein  syrischer  Leser  gleichfalls   so   rer- 

diese  wenigstens  sicher  für  den  Zusatz  |  fliC^fgoi'  fiii-  Fbot:  äiptror 
fiiv  xal  t)jii»ri}oy  Pftr.  S'S'  |  ^«■n'ro4^  —  j-iy.  Phol.:  »avtlrou  yirö- 
pttvov  JHil  äfiBQilaf  Par.  |  26.  J  Phot. :  t!t\  ib  oßun  rrijua  Par.  cf.  S'S*. 
1)  Die  dritte  Möglichkeit ,  dafs  Paalus  das  Subjekt  sei ,  gleich- 
fiel  von  wem  das  <fia(  geschrieben  wäre,  erledigt  sich  sofort  dadurch, 
daTs  Paulas  Tielmehr  Subjekt  zu  <i.T07«/wn.i  Z.  IG  ist,  —  Dafs 
ferner  Photiaa  selbst  die  Sätze  von  änoinv  an  nicht  für  eigene  Worte 
des  Methodius,  sondern  fiir  ein  Citat  aus  dem  vorhergenannten  Justin 
gehalten  bat,  ergi«bt  sich  daraus,  dafs  er  das  nächstfolgende  Excerpt 
am  Methodius  mit  der  umständlicbeo  Formel  einführt  6  &yioi  Mt96- 
JiO!  oCtui  ifial  p.  298l>,  15.  An  der  eiodgen  sooBtigea  Stelle,  wo 
■ich  ziemlich  das  Gleiche  findet  p.  297  ■,  41  geht  gleichfalls  die  Mit- 
teilung der  Ansichten  anderer  voran,  dort  der  Origeoisten. 


8  ZAHN, 

stehe,  oder  ob  er  das  (priai  in  den  Satz  hereingezogen,  auf 
Paulus  als  Subjekt  bezogen  und  dann  das  überschüssige 
und  jämmerlich  nachhinkende  äTtocpalverai ,  so  gut  es  eben 
ging,  noch  untergebracht  hat  ^.  Es  kommt  nur  auf  den 
griechischen  Text  an,  den  er  vor  sich  hatte.  Dieser  ent- 
hielt q>riaL  Also  hat  dies  nicht  Photius,  sondern  Methodius 
geschrieben.  Es  bezieht  sich  auf  Justin  als  Subjekt,  und 
Methodius  zeigt  an,  dafs  er  hier  Justin's  eigene  Worte  an- 
führe. Bei  dieser  einfachen  Lage  der  auf  den  ersten  Blick 
so  verwickelt  erscheinenden  Sache  ist  noch  deutlicher,  als 
es  schon  vor  Bekanntwerden  des  syrischen  Textes  war,  dafe 
das  Fehlen  des  (fyrjüi  in  den  Parallela  nichts  auf  sich  hat 
Es  mufste  fehlen,  da  dieser  Gnomolog  die  vorangehende  &- 
wähnung  Justin's  gestrichen  hatte  (s.  vorher  zu  Z.  9  und 
13).  Dadurch  war  die  Grundlage  fiir  das  qn^ai  beseitigt, 
und  der  Gnomolog  bewies  durch  Streichung  desselben  erst- 
lich, dafs  er  nicht  ganz  gedankenlos  arbeitete,  und  zweitens 
ebenso  wie  durch  Beseitigung  des  vorangehenden  Satzes, 
dafs  es  ihm  nicht  sowohl  um  einen  berühmten  Autor  als 
um  einen  wertvollen  Gedanken  zu  thun  war.  Ob  das  ein 
Gedanke  des  Methodius  oder  des  Justinus  war,  galt  ihm 
nichts  ^.  Anders  dachte  zum  Glück  der  syrische  Ghiomolog 
oder  der  ältere  Grieche,  dessen  Sammlung  uns  in  syrischer 
Übersetzung  erhalten  ist.  Schon  die  oben  S.  4  mitgeteilte 
Überschrift,  welche  er  seinem  Citat  gab,  zeigt,  dals  ihm  die 
Anführung  des  altehrwürdigen  Märtyrers  Justin  in  die  Augen 
stach. 

Vielleicht  ist  es  hiemach  überflüssig,  auch  noch  zu  zei- 
gen, dafs  die  Sätze  von  S/tötav  an  (Z.  13 — 26)  auch  sach- 


1)  So  übersetzt  Martin  p.  435:  Quando  igitur  Paulus  ait  .... 
non  loquitur  iudicis  more^  tamquam  secundam  camis  naiivitatent 
aspernens  (lies  aspernans). 

2)  Es  konnte  ihm  um  so  gleichgültiger  sein,  da  er  in  seine 
Sammlung  unmittelbar  vorher  sehr  umfangreiche  Excerpte  aus  einer 
Schrift  Justin's  über  die  Auferstehung  aufgenommen  hatte.  Die 
Beihenfolge  ist  dort  Irenäus,  Justinus,  Methodius  s.  Lequien  II,  75S 
bis  763. 


STUDIEN  2D  JDSTIN.  9 

'  Hct  betrachtet  nicht  die  eigenen  Worte  des  Methodius  sein 
können.  Aber  es  liegt  am  Tage,  dafs  Methodius  selbst  die 
Stelle  iKor.  15,60  ganz  anders  deutet  als  sie  hier  gedeutet 
wird.  Kurz  vorher  '  hat  Methodius  ausdrücklich  bestritten, 
data  Paulus  dort  unter  aÖQ^  das  Fleisch  selbst  verstehe;  er 
meine  vielmehr  „den  unvernünftigen  Trieb  des  Fleisches  zu 
den  geilen  Lüsten",  und  nicht  dem  Fleisch,  nicht  dem  Ver- 
derbten, sondern  dem  Verderben,  wodurch  das  Fleisch  ver- 
derbt worden  sei,  werde  von  Paulus  der  Besitz  dea  Reiche» 
Guttes  und  der  Un Vergänglichkeit  abgesprochen.  In  unserem 
Fragment  dagegen  wird  „Fleisch  und  Blut"  eigentlich  ver- 
Bt&nden;  und  die  in  der  alten  Kirche  so  oft  empfundene 
Schwierigkeit,  den  Satz  des  Paulus  *  mit  dem  Kirchenglauben 
von  der  „Auferstehung  des  Fleisches"  auszugleichen,  wird 
dadurch  beseitigt,  dafs  auf  das  xXrtQovo/itlv  als  ein  selbst- 
thäliges  Besitzergreifen  Nachdruck  gelegt  wird.  Nur  dies 
soll  Paulus  abgelehnt  haben.  Nicht  der  Leib  des  Mensclien 
agne  sich  das  Reich  Gottes  und  das  unvergängliche  Leben 
gleichsam  als  einen  von  Rechts  wegen  ihm  zustehenden 
Beutz  an,  sondern  umgekehrt,  das  Reich  Gottes  und  das 
Leben  nehme  Besitz  von  dem  in  den  Tod  geratenen  Leib, 
ersäufe  und  verschlinge  den  dem  Leibe  anhaftenden  Tod 
tind  mache  den  von  Tod  und  Sünde  zugleich  befreiten  Leib 
in  seinem  gehorsamen  Knecht  und  Besitztum.  Auch  von 
hieraus  ergiebt  sich  also,  dafs  Methodius  hier  die  Gedanken 
änes  anderen  reproduziert,  und  zwar,  wie  das  ffr^ai  zeigt^ 
in  dessen  eigenen  Worten,  und  endlich ,  da  f^oi  keine  an- 
dere Unterlage  hat  als  den  Namen  Justinus  im  voranstehen- 
den iäatz,  Gedanken  und  Worte  dieses  alten  Autors.  Der 
vorangehende  Satz,  in  welchem  die  Ansicht  Juatin's  in  in- 
direkter Redeiorm  kurz  angegeben  wird,  dient  nur  als  Ein- 
leitung und  Vorbereitung  des  naclifolgenden  wörtlichen  Ci- 
Utj,  in  welchem  derselbe  Gedanke ,   aber  nun   erat  deutlich 


1)  PhotiuB  p.  298-,  8-17. 

2)  Irenuna  sagt  (V.  9,  1;  13.  2  p.  303.  3(J8  Massuet),  dafs  der- 
Klbe  von  allen  Häretikern  ausgebeuMt  werde.  Vgl.  Tertall.  reaurr. 
nmi»  c.  48  in.,  19  po»  med.,  50  i  August,  retract.  I,  17;  II,  3. 


10  ZAHN, 

und  vollständig  ausgedrückt  ist^     Es  ist   ja  möglich,  dals 
schon  dem  Satz  in  indirekter  Rede  bestimmte  Worte  Justin's 
zugrunde  li^en;    ich   halte   das  sogar   fbr   wahrscheinlich. 
Aber  um  dieser  kurzen  und  noch  sehr  rätselhaften  Andeu- 
tung willen  hätte  es  sich   gar   nicht   gelohnt,    die  Ansicht 
Justin's  zu  erwähnen  und  die  Würde  des  alten   Kirchen- 
lehrers so  stark  zu  betonen.    In  dieser  flüchtigen  Andeutung 
•derselben  ist  noch  nichts  enthalten,  was  Methodius  im  Kampf 
mit  Proklus  und  Aglaophon  unmittelbar  verwerten  konnte; 
man  hätte  nur  erraten   können,   auf  welche   für    die   ob- 
«chwebende  Streitfrage  wichtige  Bibelstelle  sie  sich  bezieht, 
und  —  ich  wiederhole  das  —  sie  drückt  eine  andere  exe- 
getische Auffassung  der  gemeinten  Stelle  aus,  als  die,  welche 
Methodius  selbst  vorher  ausgesprochen  hatte.    Aller  dieser 
Unzuträglichkeiten  entledigte  sich  Methodius,  indem  er  die 
eigenen  Worte  Justin's,   welche  ein  altehrwürdiges  Zeugnis 
für  den  auch  von  ihm,  jedoch   mit   anderen   exegetischea 
Mitteln  vertretenen  Glauben  an  die  Auferstehung  des  Flei- 
sches waren,  von  ÖTtövccv  de  an  wörtlich  anftlhrte.     Von  diu 
bis  zum  SchluTs  ist  der  Zusammenhang  unzerreilsbar,   mm 
auch    alle    alten  Excerptoren:  Photius,    der  Redaktor    der* 
ParalleU  und  der  syrische  Gnomolog  unabhängig  von  ein- 
ander bis  zum  gleichen  Wort   ihre  Mitteilung   ausgedehnte 
haben.     Also  die  Zeilen   13—26   des  vorhin  abgedruckten. 
Stückes  sind  Fragment  einer  Schrift,  welche  Methodius,  der 
Bischof  von  Oljmpos  in  Lycien  *  am  Ende  des  3.   oder  in 
den  allerersten  Jahren  des  4.  Jahrhunderts  unter  dem  Namen 
Justin's  des  Märtyrers  gelesen  hat 

Ist  Methodius  hier  nicht  das  Opfer  eines  litterarischen 
Betrugs  geworden,  so  erfahren  wir,  dafs  Justin  in  einer 
Schrift,  die  wir  nicht  mehr  oder  jedenfalls  nicht  mehr  voll- 
ständig besitzen,  unter  Nennung  des  Paulus  seine  Auffassung 
von  iKor.  15,   50  und  54  vorgetragen   hat.     Es  will  mir 


1)  Daher  war  die  Abkürzung  der  jüngeren  syrischen  Gnomologie 
eine  sehr  vernünftige  und  diejenige  in  den  Parallela  eine  um  so   yer- 
zeihlichere  s.  oben  S.  6  zu  Z.  9  und  S.  8,  Aum.  2. 
\  darüber  den  unten  folgenden  Exkurs. 


STUDIEN  ZU  JDSTIN.  11 

dafs  diese  Thatsache  mehr   wert  sei    als   manche 

^tändliche  ReäexioneD,  welche  über  das  Verhältnia  JuEtin's 

Paulus  angestellt  worden  sind.     Es  zeigt   sich   hier  aa 

'«m   unzweideutigen  Beispiel,   wie  verkehrt   es  Ist,   auzu- 

^^^men,  dafs  man  aus  den  an  Heiden  und  Juden   gerichte- 

Schriften   JuBtin's,    welche    allein   uns   vollBtändig   oder 

"^^•lieBU    vollständig    erbalten    sind ,    unmittelbar    entnehmen 

wie   er   über   das   Christentum   und  die  Autoritäten 

'^Öer  Christen,  über  die  Apostel  und  deren  Schriften   gedacht 

^liat  und  zu   seinen  Glaubensgenossen   in   den   für  diese   be- 

«timmtcn  Schriften  zu  reden   gewohnt  war.     Es   wäre  doch 

-wichtig,  auch  a  posteriori   die  Unrichtigkeit  von  Sätzen  bo- 

«reisen  zu  können,  deren  Irrigkeit  einem  unbefangenen  Sinne 

«I    priori    einleuchtet,    wie   z.   B.   des   Urteils   M.  v.  Engel- 

hardt's':  „Apologieen  und  Dialog  ergänzen  sich  gegenseitig. 

Durch    gleicLmäfsige    Benutzung    dieser    Schriften    gewinnt 

man  ein  vollständiges  Bild  vom  Christen tume  Justin's." 

Aber  ist  Methodius  ein  unbedingt  zuverlässiger  Zeuge? 
Soweit  es  überhaupt  solche  giebt,  hat  auch  Methodius  einen 
hohen  Anspruch  darauf,  dafür  zu  gelten.  Allerdinga  ist  er 
einer  der  wenigst  Gekannten  unter  den  bedeutenden  Kircben- 
echriiitstellem  der  vomicänischen  Zeit.  Die  Scheelsucht 
•eines  jüngeren  Zeitgenoasen  Eusebiua  hat  ihm  weder  ab 
«inem  der  Märtyrer  der  letzten  Verfolgungszeit,  noch  als 
«inem  fruchtbaren  Schriflateller  einen  Platz  gegönnt,  weil 
Methodius  ein  Gegner  des  Origenes  war  *.  Aber  völLg  ihn 
totzuschweigen    bat    er    nicht   vermocbi      Auch   schon  ehe 


11  Da*  Christentum  Jusün's  des  Märtyrers  S.  329.  Ich  betone 
4bs  Wort  „ ToiUtÄadig ",  der  Verfasser  selbst  vielmehr  die  beiden 
letitCD  Worte.  Übrigeas  halte  ich  die  Daralellang  des  thatsächlichen 
TerhÜltnlBses  Justin's  zu  Paulus  bei  Engelhardt  S.  352—365  fär 
pU'  nicht  HO  unrichtig ,  irie  ea  das  unrichtige  Axiom  erwarten 
Vefse. 

S)  Wie  gut  ihn  Eosebius  gekannt  hat,  erfahren  wir  durch  Hieron. 
e.  Bofinum  I,  11  (Vallarsi*  11,  466):  Im  ö.  Buch  seiner  Apologie  für 
Origenes  hat  Euaebius  gesagt :  Quomodo  ausut  est  Methodius  nunc 
emlra  Origenem  icribere,  qui  haec  et  haec  de  Ortgenii  loquulus  est 
dogpiatibus. 


I 


12 

die  nur  in  altsUviflcbor  Ubenetzong  eriudtenen  Schriften 
zagäng^ch  gemacht  und  die  nur  fragmentarisch  im  Original 
auf  nns  gekommenen  Schriften  mit  Hilfe  derselben  Version 
besser  als  bisher  werden  geordnet  sein,  kann  man  sich  ein 
ziemlich  deotliches  Bild  von  Methodins  machen.  Der  Zeit 
nach  in  der  Mitte  stehend  zwischen  Qrigenes  und  fiosebins^ 
in  der  klassischen  litteratnr  der  Griechen  sehr  belesen;, 
ohne  irgendwie  mit  (jelehrsamkeit  zu  prunken ,  als  christ- 
licher Schriftsteller  allem  Anschein  nach  recht  originell  \ 
ein  eifriger  Gegner  der  alexandrinischen  Theolc^e  und  doch 
nichts  weniger  als  ein  eyaLXtfJiaariTüög  im  Sinne  jener  Schule, 
sondern  ein  im  dialektischen  wie  im  exegetischen  Kampf 
frisch  und  kräftig  sich  bew^ender  Theolog:  das  ist  ein 
auch  in  Sachen  der  älteren  christlichen  Litteratur  Vertrauen 
erweckender  Zeuge.  Methodius  zeigt  sich  auch  mit  solcher 
christlichen  Litteratur  bekannt,  welche  dem  Eusebius  un- 
'bekannt  geblieben  ist  £r  ist  der  erste  Zeuge  für  die  Apo- 
logie des  Athenagoras  K  Methodius  kennt  die  (gröfsere) 
Apologie  Justins.  Schon  die  Bezeichnung  Justin's  als  Neapo- 
liten  (oben  S.  6)  wird  auf  die  Überschrift  der  Apologie  zu- 
rückzuführen sein ' ;  denn  in  der  sonstigen  Tradition  bei 
Tatian,  Irenäus,  Tertullian  und  den  späteren  wird  er  nicht 
80;  sondern  entweder  einfach  Justinus^,  oder  noch  der 
Philosoph  und  Märtyrer  ^  genannt     Femer  ist  nicht   wohl 

1)  Seine  Bedeutung  für  die  Kunstfonnen  der  christlichen  Poesie 
hat  jüngst  W.  Meyer,  Anfang  und  Ursprung  der  lat.  und  griech. 
rythmischcn  Dichtung  (Aus  den  Abhandl.  der  bayer.  Akad.  I.  Kl., 
XVII.  Bd.,  II.  Abtl.),  München  1885,  S.  45flF.  107  hervorgehoben. 

2)  De  resurr,  bei  Epiphanius  haer.  64,  28,  p.  544  Pet.;  Photius 
cod.  234,  p.  293^,  6.  Vgl.  dazu  die  Bemerkungen  Jahn's  im  Method. 
platonizans  p.  93,  aber  auch  was  ich  aus  Anlafs  der  Vermutung  Har- 
nack's,  dafs  Eusebius  die  Schrift  gekannt,  aber  falschh'ch  dem  Justin 
zugeschrieben  habe,  im  Theol.  Litteraturblatt  1882  S.  211  bemerkte. 

3)  Just.  apol.  I,  1 :  tQv  und  <i*Xaoviug  AV«?  noXitag  rfjg  2i^vQiag 
JhiX(aaT(vii^.  Auch  Eusebius  h.  e.  IV,  11,  11  u.  c.  12  wiederholt 
nicht  eine  traditionelle  Kunde,  sondern  teilt  diese  Urkunde  mit. 

4)  Tatian  orat.  18.  19;  Iren.  I,  28,  1;  IV,  6,  2;  V,  26,  2;  p.  107. 
233.  324  Massuet. 

5)  TertuU.  c.  Valent.  c.  5;  Hippol.  refut.  VIII,  16  ed.  Gott 
-    -oo   22. 


^^^^H  STUDIEN  ZU  IS  ^^^1 

^^PflieBtreiten ,   dafa   das,   waa  Methodiua  über   die  Kreuzea-  M 

^^^rtalt  der  kaieerlichen  vi:xilla   und   über   die  Macht   dieses 
'^■^Tchens  über  die  See  sagt,  aus  Justin  geäüssen  ist '.     Wei- 
ss Suchen   in   den   bisher  bekannten   und  den   noch  «n- 
kannten  Schriften  des  Methodiua  wird  solche  Belege  aicher- 
h  vermehren. 

Eine  Stütze   erhält   das   an    eich    schon    schwer   eu   be- 
standende   Zeugnis    des   Methodius    noch    dadurch,    dafa 
Dem  Anschein  nach  schon  Irenäus  die  gleiche  Stelle,  welche 
Methodius  einer  Schrift  Justin's  entnommen  hat,  gelesen  und 
■  Trerwertet   hat  *.     Man    mag    über   die   Deutung   von  1  Kor. 
C!lfi>  öO  in  unserem  Fragment  urteilen,  wie  man  will,  ingeniös 
ind  originell  ist  sie  jedenfalls,     Sie  ist  auch  nicht  zur  herr- 
Kjheuden  Tradition  geworden.     Tertullian  hat  sie  sich   nicht 
ogeeignet.     Nur  bei  Irenäus  findet  sie  sich  wieder  in  desseo 
»sfiihrhcher    Erörterung    der    „von     allen    Häretikern     für 
Iren  Wahnsinn  vorgebrachten"  Stelle.     Nachdem   er  schon 
weimal  V,  9,  2  den  Gedanken  ausgesprochen  liat,  dafs  der 
teist  im  Christen  dessen  Fleisch  in  Besitz   nehme   und   da- 
I  bei  die  Schwachheit   des  Fleisches   absorbiere,   nachdem   er 
sodann  den  Zusammenhang  der  Stelle  erörtert  und  sie  selbst 
wörtlich  wiederholt  hat,   spricht   er  Gchherslich  das  so   vor- 
bereitete Paradoxon  aus :  eI  yd^  Sei  TakuiitiQ  liycn;  ov  zAij- 
QOvo/iei,  dXhi  /Jkr^^ovofiiiTai    ^   Oqq§    (g    3,    p.    303    Maas.). 
Dieser  Gedanke   wird   dann  weiter   ausgettihrt,  durch  Ana- 
logieen   und   Bibelstellen   bestätigt.     Immer  aufs   neue  aber 
wird  man  an  die  von  Methodius  in  direkter  und  indirekter 
Redeform    citierten    Worte   Justin's    erinnert   z.   B.  §   4:   ^ 
aäQ$  Mt^    favii^   ßaatXeiav  Stoß  y.XriQOvOfifjaai    ov  diTazat, 
yi}.i\qovofiii&fp'at   äi  cig  ßaailEtav  loi)  &eoD    ßinaxai.     z^.ij- 
^Ki^ei  yöp  6  l€>v  lä   xof   Tersittrij/dtoi,',   und   dann   noch 
lateinisch   erhalten;   haereditatt    enir, 


26,    von   Jahn   p.    103    UDter   die    Übersulirift 
(p.  102)  gestellt.    Cf.  Just.  npol.  I,  55. 
Spie.  11,  194,    wies    bereits    auf   eine   Parallele   be! 
Fvagincut  hin,  welcbes  er  dem  Metliodius  selbst 


14  ZAHN, 

nie,  gui  vivil,  kaerediiate  at^em  acguiritur  caro.  Aucli  der 
Qedanke,  dals  das  Geerbte  und  in  Besitz  Genommene  eben 
damit  dem  Erbenden  dienstbar  und  gehorsam  gemacht  werde, 
womit  unser  Fragment  schliefat,  kehrt  bei  Irenäus  wieder: 
zä  öi  {xi.TjQovofiot^'fiEi'a)  {-noTiiaxTai  Aal  i-Tta-Miset  xai  xv- 
QiE^Eiai  Itiö  Tot)  xATjßovo/ioCiTOg.  Waren  nun  die  Gedanken, 
welche  Irenäaa  hier  mit  sorgfältiger  Vorbereitung  und  nach- 
träglicher, ausfiihrhcher  Rechtfertigung  und,  was  den  ent- 
scheidenden Punkt  anlangt,  mit  dem  ausgesprochenen  Ge- 
fühl der  Kühnheit  des  Gedankens  vorträgt,  in  einer  dem 
Methodius  unter  Justin's  Namen  zugekommenen  Schrift  kurz 
und  bündig  ausgesprochen,  so  hat  sie  Irenäus  auch  aus 
dieser  Hchrift  sich  angeeignet;  und  es  wäre  höchst  sonder- 
bar anzunehmen,  dafs  Irenäus  zwar  diese  Schrift  gekannt 
habe,  aber  ohne  den  Namen  Justin's  oder  unter  einem  an- 
deren Namen  '.  Denn  was  sollte  in  dem  Jahrhundert,  wel- 
ches zwischen  Irenäus  und  Methodius  liegt,  der  hier  in 
Frage  stehenden  Schrift  den  Automamen  Justin's  ver- 
schafft haben,  wenn  sie  ursprüngHch  einen  anderen  trug? 
Es  entspricht  die  Art,  in  welcher  Irenäus  hier  den  Ge- 
danken des  älteren  Autors  verwertet,  durchaus  seinem  son- 
stigen Verfahren;  und  es  unterhegt  ja  keiner  Frage,  dafa 
Irenäus  nicht  nur  an  den  zwei  Stellen,  wo  er  den  Justin 
namentlich  citiert  *,  sondern  auch  sonst,  ohne  ihn  zu  nennen^ 
diesem  gefolgt  ist '. 

Leider  hat  uns  Methodius  nicht  den  Titel  der  Schrift 
Justin's  genannt,  woraus  er  schöpfte.  Es  liegt  nur  nahe  zu 
vermuten,  dafs  Methodius  bei  Ausarbeitung  einer  Schrift 
tieqI  dvaaTtiaeiog  eine  ebenso  betitelte  Schrift  des  von  ihm 
so  hochgestellten  Justin  zurate  gezogen  hat,  wenn  es  eine 


1)  Letitetea  wäre  das  Näh  erliegende,  denn  TÖUig  anonyme  Schrift- 
Bteilerei  war  in  der  alten  Kirche  uichts  Gewöhnliches, 

2)  IV,  6,  2;  V,  26,  2  p.  233.  324  Masaaet. 

3)  Ein  weilerer  Beweisführung  nicht  bedürftiges  Beispiel  ist 
Iren.  I,  23,  1  p.  O'J  =  Jusl.  apol.  I,  36.  Das  dicitur  des  IroiSi» 
darf  durch  a  Juetino  ergänzt  werden. 


STUDIEN  ZU  JUSTIN. 


che  Schrift  gab.     Dies  sei  der  Gegenstand  der  folgen- 
Untersuchung. 


^^     Exbars:  Über  den  Bischofssitz  des  Methodlus. 

^^  Die  älteste  biographische  Kunde  über  Metbodius  giebt 
^^DB  leider  kein  besserer  als  Hieronymus,  welcher  de  t.  ill. 
a.  83  mit  den  Worten  beginnt;  Metkodius  Olympi  Lyciae 
Jfl  postea  Tyri  episcopus.  Der  nächste  Zeuge  Socrstes  h.  e. 
tTI,  13  sagt  nur  xffi  iv  Avm({  tzSKei^s  XiyofitvrjQ  'Olv^ntov 
jTrttTAOTcog.  Eben  dies  bestätigt  Maximus  Confesaor  in  dea 
Scliolien  zum  Areopagiten  (hierarch.  eccles.  c.  7}  trotz  der 
"Verworrenheit  dea  Textes  ohne  Vermischung  mit  einer  an- 
deren  Überlieferung'.     Die  syrischen   Handschriften,    dar- 


1)  Dioajsü  openi  ed.  P.  LanseUins  et  B.  Corderiiu  (Ed.  nora 
Paris  1644)  II,  p.  92A:  £vi!}-yia9i  MiSoälau  loS  Aylov  fiiiQTi-QOi  xiü 
' OXvfinlov  MQHcvovnöUms  fittaxonoi'  jljg  jiiiilitt  th  xht  niinß  (ge- 
gen OrigeoeB)  in'  ainStv  nipi  iWaaTilOfiuf  yQitifd^a.  Valesiiis  ta 
Eos.  h.  e.  VI,  24  anoot.  p.  124  glaubte  helfen  txt  kÖDaen  durch  die 
ÄDdemDg  'Oli-fiJiov  und  durch  Streichung  von  in'  ai'iav.  Ersterea 
iit  zweifellos  richtig,  war  auch  schon  von  Leo  AUatius  gefordert 
(Metbod.  ed.  Jahn,  p.  8,  Anm.  '2),  welcher  aufserdem  aber  auch 
'jfi^avovnöliuf  strich,  weil  es  ein  solches  in  Lycien  nicht  gebe. 
Aber  BO  bequem  wird  man  weder  diesen  Sladluamen  noch  das  auf 
mehrere  Schriftsteller  hinweiseDdc  in'  aitQv  los.  Es  müssea  die 
Angaben  über  zwei  antiorigenistische  Autoren,  welche  über  die  Auf- 
erstehung geschrieben  haben,  durch  die  AbBchreiher  mit  einander 
vermengt  worden  sein.  Denn  lu  Dionys.  hierarch.  cod.  c.  7  (in  der- 
telben  Ausgabe  p.  24 A,  auf  der  zweiten  so  bezifferten  Seite;  es  sind 
dort  BBtnlicb  die  Zahlen  22  —  26  zweimal  hinler  eioauder  iu  der 
SeiteucähluDg  verwendet)  bemerkt  derselbe  Maximus:  lof'ro  TilBrCrt- 

tor  nBQtai^  l-ififiürv  6  'iäptavornoiCirit  tv  Joi(  Tifpt    in^aaiiianac  nii0 

anrn  'ii(iiy/vof(  yiyQafififpoii  Xöyoi;.     S,  über  diesen  Scbriftsteller   in 

Eürae  Dict.  of  Christ,  biogr.  I,  101,  Nr.  1.     Auf  diesen   beliebt   sich 

1   alM  die  überflüssige  Ortsangabe  in  dem    zuerst   angeführten  Scholion 

und  er  ist  n>it  Metfacrdius  in  dem  in'  ititiät'  insammen- 

Dem  letzteren  allein  gehört  'OXi-finlov  (oder  'Olt'/inof)   int- 

tljt  jiwiui  an.    Jenes  Adrianopel  ist  dasjenige  in  Thracien. 


16  ZAHN, 

unter  eine  des  7.  Jahrhunderts,  nennen  den  Methodius  nur 
,, Bischof  von  Lycien"  *  d.  h.  einen  lycischen  Bischof*. 

Statt  Olympus  nennt  zuerst  Leontius  von  Byzanz  oder 
Jerusalem  um  600  das  gleichfalls  in  Lycien  gelegene  Patara 
als  Bischofssitz  des  Methodius  '.  Ihm  folgte  Johannes  von 
Damaskus  ^  im  8.  Jahrhundert,  die  griechischen  Menologien 
und  Synaxarien,  auch  wohl  die  meisten  Sammler  und  Ab- 
schreiber der  späteren  Zeit. 

Patara  und  Olympus  liegen  soweit  auseinander,  dals  die 
Annahme  Lequien's  (Oriens  Christ.  I,  976.  977),  Methodius 
sei  Bischof  beider  Städte  zugleich  gewesen,  zumal  in  An- 
betracht der  ziemlich  späten  Zeit  wenig  Wahrscheinlichkeit 
Air  sich  hat.  Es  wäre  ferner  schwer  zu  erklären,  dafs  kein 
einziger  Schriftsteller  dies  auch  nur  durch  ein  Schwanken 
zwischen  beiden  Namen  andeutet  Ebenso  bestimmt  wie 
die  einen  nur  Olympus,  nennen  die  anderen  nur  Patara. 
Jenes  aber  bezeugen  die  älteren  und  in  jedem  Betracht  be- 
achtenswerteren Zeugen.  Es  läfst  sich  aber  auch  erklären, 
wie  der  Irrtum  der  jüngeren  Tradition  entstand.     Aus  dem 


1)  Wright  Catologue  p.  917».  1005b.  1012»  (Nr.  37  am  Ende). 
1013».  Wenn  er  wirklich  einmal  Bischof  von  „Laodicea"  genannt 
wird,  p.  967»,  so  kann  das  nur  Schreibfehler  für  „Lycia"  sein.  Aber 
Wright  teilt  hier  den  syrischen  Text  nicht  mit,  und  in  Martin's 
Sammlung  der  Fragmente  (Pitra,  Anal.  IV,  201—206)  finde  ich 
zwar  die  Handschrift,  worin  das  stehen  soll  (Addit.  14532),  zweimal 
citiert  p.  202,  n.  10,  p.  206,  n.  1,  aber  nicht  die  von  Wright  ange- 
gebene Stelle.  Und  doch  gehört  dieselbe  auch  zum  Buch  von  der 
Auferstehung ! 

2)  So  verstehe  ich  dies  nach  Ignatius  Rom.  2,  2  vgl.  meinen 
Jgnatius  von  Ant.  S.  308.  Ein  anderes  Beispiel  giebt  Hieronjmus 
de  V.  ill.  62:  Alexander  episcoptis  Cappadociae, 

3)  De  sectis,  actio  HI,  1  (Gallandi«  XH,  633)  vgl.  über  ihn 
Gafs  in  Prot.  RE«  VIII,  593. 

4)  De  imagin.  III  opp.  ed.  Lequien  I,  389 E,  vgl.  femer  Jahn 
p.  8  unter  Nr.  XII,  XIII,  die  Überschrift  der  Rede  auf  Hanna  und 
Symeon  S.  105,  die  Note  zu  S.  94  auf  S.  128.  Dabin  darf  man  auch 
wohl  alle  die  zählen,  welche  ohne  Angabe  des  Bischofstitels  ihn  AU- 
^o^ioi  IlaTdQiüv  nennen,  wie  die  Parallela  Rupef.,  welche  älter  als 
Job.  von  Damascus  sind,  Lequien  II,  763 A,  eine  Catene  bei  Mai, 
Script,  vet.  nova  coli.  IX,  680  u.  s.  w. 


P  STUDIEN  ZU  JTSTIN.  17         ^^| 

^ng    des   Dialogs   über   die   Auferstehung  >   ergiebt  sich        ^^^| 
^ich,  dafs  Fatara  der  Schauplatz  des  Dialogs  war.   Keiue       ^^^1 
ift    des  Methodiua  ist  aber  annähernd   so   viel   gelesen 
eo  oft  exoerpiert  worden   als   dieser  Dialog.     Aus   die- 
vor   allem    kannten    die   Sammler    den    „Bischof   und 
^rrer"  oder  „Philosophen  und  Bischof "  Methodius.    Aus 
.   Anfang   desselben   schöpften   sie   die   Meinung,   er   sei 
khof  von  Patara  gewesen.    Es  ist  das  gelehrte,  also  wert- 
Tradition.     Bei    sorglaltigerer   Lesung   hätte   man   aus 
lelben  Stelle  vielmehr  erkennen   sollen,   dafs  Patara   ge- 
Eäe   nicht   der  Wohnsitz   des   Methodius   war.     Er   kommt 
DU  auswärts  mit  einem  Freunde  angereist,   um  einem  vor- 
ehmen  Herrn,  Namens  Theophilus,  der  durch  Sturm   nach 
itara  verschlagen   und   dem  Vernehmen   nach   länger  dort 
I  verweilen  gewillt   war,   einen  Besuch   zu  machen.     Also 
pht    Patara,    sondern    Olympus    wird     sein    Wohn-    und 
ischofssitz  gewesen  sein.     Dem  widerspricht  es  keineswegs, 
iTs  Methodius  im   zweiten  Buch   des  Dialogs  '   bei  Erwäh- 
ing  des  Berges  Olympus,  an  dessen  Fufs  die  gleichnamige 
adt  Ug,   die  Bemerkung   einsieht,   dafs   das   ein  Berg  in 
jrcien  sei.     Das  läfst  sich  nicht  daraus  erklären,  dafs  Me- 
odius  den  für  diesen  Dialog  angenommenen  Standort  fest- 
Llt;  denn  auch  in  Patara  wäre  diese  Bemerkung  lächerlich 
iwesen.     Sie  erklärt  sich  aber  sehr  natürlich  aus  der  Rück- 
cht   des  Schriftstellers   auf  einen   weiteren  Leserkreis,   der 
ei   dem   Nameu   Olymp   sonst   sofort   an   den   berühmteren 
■ölterberg    gedacht    haben    würde.      Wir    dürfen    demnach 
'lympua   mit  Sicherheit   als  Bischofssitz   des  Methodius  be- 
liehnen. 

Daneben  kann  es  nicht  in  Betracht  kommen,  dafs  er 
n  Titel  der  slavischen  Übersetzung  einer  bisher  unbekannten 

1)  Nach  dar  altslaTischen  Übersetzung  von  Pitra,  Anal.  III,  613 
.teiuiscb  raitgeteilt. 

2)  Photius,  p.  298i>i  GaUaudi,  p,  780D.  Beide  Eicerptoren 
ibeD  die  Glosse;  sie  stammt  also  vom  Schriftsteller  selbst.  Der 
ntteche  Übersetzer  (Analecta  IV,  202)  bnt  seine  Sache  nur  schlecht 
bftcht:  „Denn  ich  habe  mit  meinen  Augen  geseheu  an  einem  Ort 
^plympogi  eiuer  Stadt  m  Lycieo,  auf  einem  Berggipfel"  u.  s.  w. 


18  ZAHN, 

Schrift  „über  den  Ausaatz  an  IsteÜuB"  oder  „SiatelioB" 
Methodius  episcc^ius  Philippensis  genannt  wird  (Pitra, 
Anal.  III,  616'')-  Das  kann  nur  durch  Mi  fsver  ständnis  des 
z.  B.  in  den  syrischen  Excerpten  häufiger  vorkommenden 
Me96diog  rpildaofog  tTzlaxo^og  (tf^g)  ^vniag  -xiX.  ent- 
standen sein.  Ebenso  wenig  ist  eine  anderweitige  Tradition 
über  Beinen  Bischofssitz  durch  das  in  späteren  Sammelwerken 
öfter  vorkommende  Lemma  Me&oÖiov  — (iJijs  '  bezeugt  Ent- 
scheidend ist  schon,  dafs  es,  soviel  ich  sehe,  niemals  heifst 
FTcia'^önov  — /djjs"-  Liegt  dem,  was  ja  wahrscheinlich  ist, 
irgendwelche  Tradition  zugrunde,  und  ist  an  einen  anderen 
Methodius  nicht  zu  denken,  so  wird  unser  Bischof  von 
Olympus  in  Lycien  aus  dem  nicht  allzu  fernen  *  Side  in 
Pamphylien  gebürtig  gewesen  sein  oder  dort  das  Bürger- 
recht besessen  haben. 

So  einfach  bis  dahin  alles  sich  zurechtlegte,  so  rätselhaft 
steht  die  durch  keine  Spur  anderweitiger  Überlieferung 
unterstützte  Behauptung  des  Hieronymus  da,  dafs  Methodius 
nachmals  noch  Bischof  von  Tyrus  geworden  sei.  So  gläubig 
wie  Lequien  (II,  S03)  könnte  man  das  auch  dann  nicht 
hinnehmen,  wenn  man  nicht  wüfste,  wie  zahllose  und  boden- 
lose Irrtumer  Hieronymus  in  seinem  Schriflatellerkatalog 
meist  infolge  flüchtiger  Benutzung,  manchmal  auch  Mifsver- 
ständnisses  seiner  griechischen  Quellen  sich  hat  zu  Schulden 
kommen  lassen.  Wäre  Methodius  zuletzt  Bischof  von  TyruB 
gewesen  und  als  solcher  ein  gefeierter  Märtyrer  geworden, 
Bo  wäre  nicht  wohl  zu  begreifen,  wie  dies  völlig  aus  der 
griechischen  Tradition  hätte  verschwinden  können.  Dazu 
kommt  aber,  dafs  in  der  Keihe  der  Bischöfe  von  Tyrus 
schwer   ein  Platz   für  ihn  ausfindig  zu   machen   ist '.     Ea- 


1)  Metbod.  ed.  Jahn,  p.  117  Anm.;  Pitra,  Anal.  IH,  603  Anm., 

604  Anm.,  605  im  Text 

2)  Auf  dem  direkten  Wege  d.  h.  ziXT  See  etwa  ebeDSO  weit  wie 
Patara  von  Oljmpus.  Auf  eine  VerbiDdang  des  Metbodius  mit  Sid« 
würde  es  hinweisen,  wenn  der  Proklua,  welcben  die  slaviscbe  Uber> 
■etzuDg  einen  Midemi»  nennt,  nach  Pitra's  Vermutung  vielmehr  ein 
SidtMia  oder  SideUs  würe  (AnaJ.  UI,  613). 

3)  Vgl.  SalmoQ  im  Dicüonary  of  ehriet.  biogr.  m,  909. 


BlUDIKN  ZD  JDSnil.  1 9 

Bebiiu  h.  e.  VIII,  13,  3  nennt  unter  den  hervorragenden 
Märtyrern  der  Provinz  Phönice  während  der  diokletianischen 
Verfolgung  den  Tyrannio,  Bischof  von  Tyrus.  Ist  MethodioB 
nach  Hieronymus  ad  extremum  novissimae  persecutionis,  daa 
eoll  doch  wohl  heifsen  um  311  unter  Maximinus  Märtyrer 
geworden,  so  könnte  er  nur  der  Nachfolger  des  Tyrannio 
und  der  unmittelbare  Vorgänger  des  Paulinue  gewesen  sein, 
des  Freundes  des  Eusebius.  Dieser  aber  scheint  nach  dem 
Zusammenhang  von  Eus.  h.  e.  X,  4  unmittelbar  nach  dem 
Sturz  Maximin's  bereits  Bischof  von  Tyrus  gewesen  und 
nicht  erst  geworden  zu  sein,  so  dafs  für  Methodius  ebenso 
wie  für  den  fabelhaften  Dorotheas  '  kein  Zeitraum  bleibt 
Femer  hat  zwar  Eusebius  seine  oft  geübte  Kunst  dee 
Schweigens  zweifellos  auch  auf  Methodius  angewandt  (s.  ob. 
S.  ll);  aber  es  würde  doch  kaum  zu  erklären  sein,  dafs 
er  ihn  h.  e.  VIII,  13;  IX,  6  gänzlich  übergangen  hätte, 
wenn  Methodius  als  Bischof  von  Tyrus  zwischen  304  und 
312  Märtyrer  geworden  wäre.  Qanz  anders  lag  die  Sache 
für  ihn,  wenn  Methodius  als  Bischof  des  fernen  Olympus  in 
Lycien  das  Martyrium  erlitt.  Sein  Martyrium  überhaupt 
sn  beanstanden,  wie  Salmon  thut,  scheint  mir  nicht  aus- 
reichend veranlafst  *  durch  die  unsicheren  Angaben ,  mit 
welchen  das  erste  Zeugnis  für  den  Märtyrer  Methodius  bei 
Hieronymus  verknüplt  ist.  Theodoret  kennt  ihn  doch  auch 
■Is  solchen  ^  Nur  mit  seiner  Behauptung,  dafs  Methodius 
Bischof  von  Tyrus  gewesen  und  zwar  am  Schlufs  seines 
Lebens,  steht  Hieronymus  allein  und  befindet  sich  im  Irr- 
tnm.     Es   wäre  aber  angenehm,   sich   den   Irrtum   erklären 


1)  Theophanea  ed.  de  Boor,  p.  24,  21;  48,  2Taqq.  Lequien, 
Or.  Christ.  II,  803,  ^ebt  die  Reihe:  Tyrannio,  Methodius,  Dorotheus, 
PanlinuB. 

2)  Es  liefee  sich  noch  geltend  machen,  dafa  Methodius  in  dem 
Slteaten  Martyrerkalender  fehlt,  welcher  uus  in  eioer  syrischen  Hand- 
seliiift  vom  Jahre  412  erhalten  ist  und  in  seiner  grofseren  ersten 
Hälfte  Übersetzung  eines  griechischen  Knlenders  aus  der  zweiten 
Hälfte  des  vierten  Jahrhunderts  ist.  Aber  derselbe  stammt  ans  aria- 
aiachen  Kreisen;  vgl.  meioen  Cypriau  von  Antiochien.  S.  95f,  Anm.  1. 

3)  Dialog.  I  Immutabilia  (Opp.  ed.  Schulze  IV,  5ö). 


20  ZAHN, 

ZU  können.  Salmon  vermutet  einen  Schreibfehler  in  der 
Vorlage  des  Hieronymus:  Töqov  statt  TlavdQtiüv.  Aber  ab- 
gesehen davon,  dafs  die  Formen  nicht  gerade  zum  Ver- 
wechseln ähnlich  sind,  so  scheitert  diese  Annahme  daran, 
dafs  Patara  als  Bischofssitz  des  Methodius  eine  erst  lange 
nach  Hieronymus  aufgekommene  gelehrte  Fabel  ist 

Dagegen  darf  man  sich  daran  erinnern,  dals  die  Stadt 
Olympus  ebenso  wie  der  Berg,  an  dessen  nördlichem  Ab- 
hang sie  lag,  aufserdem  auch  OoivixoCg  hiefs  ^,  und  dals 
dieser  Name,  statt  dessen  zur  Zeit  des  Strabo  und  des  Si- 
teren Plinius  Olympus  üblicher  gewesen  zu  sein  scheint,  in 
späterer  Zeit  wieder  auftaucht  Ich  denke,  man  bürdet  dem 
Hieronymus  keine  gröfsere  Fahrlässigkeit  auf,  als  er  sie 
manchmal  begangen  hat,  wenn  man  annimmt,  ihm  habe  ein 
griechischer  Text  etwa  folgenden  Wortlauts  vorgel^en: 
Me^d^iog  ^OkvfiTtov  rfjg  ^VTLiag  rof?  Tuxt  0oivi7U>fh^og  ini- 
o-MTtog.  Hieronymus  las  flüchtig,  hörte  etwas  von  Phönicien, 
also  von  einem  phönicischen  Bischof  heraus.  Und  wo  hätte 
der  Gegner  des  Porphyrius  besser  residieren  können  als  in 
Tyrus! 

Thut  man  dem  Hieronymus  mit  dieser  Vermutung  zu 
viel  oder  zu  wenig  Ehre  anjedenfalls  ist  auf  sein  Ze^uB 
für  den  tyrischen  Episkopat  des  Methodius  nichts  zu  geben. 


II.   Justln's  Sehrift  über  die  Auferstehung. 

Die  am  Schlufs  der  ersten  Abhandlung  ausgesprochene 
Vermutung,  dafs  Methodius  die  Worte  Justin's  über  iKor. 


1)  Strabo  XIV,  3,  8,  p.  666.  S.  andere  Stellen  bei  For biger, 
Handb.  der  alten  Geogr.  II,  260  Anm.  35.  Einiges  auch  bei  Lequien 
1.  1.  I,  976.  Vielleicht  ist  nicht  überflüssig  zu  bemerken,  dafs  4Hnvt' 
xovq  zu  den  maskulinen  Stadtnamen  gehört.  Bei  Theophanes  ed.  de 
Boor,  p.  332,  16;  345,  28  heifst  es  6  4>oivil  Vgl.  auch  Ranke, 
Weltgeschichte,  V.  1,  158. 


STUDIEN  ZD  JUSTIN.  21 

15,  50  aus  einer  Schrift  desselben  „über  die  Auferstehung" 
geacliüpft  habe,   wäre  ohne  Wert  und  Berechtigung,    wenn 
nicht    zu    beweisen    wäre,    dafs  Justin    eine    Schrift    dieses 
Titels  geschrieben  hat.     Prokopius  von  Gaza  ',  der  „  christ- 
liche  Sophist",   wie   er   sich   selbst   genannt   hat,   aus   dem 
Ende  des  5.  und  Anlang  des  6.  Jahrhunderts  zählt  in  seinem 
kürzeren  Kommentar  über  den  Oktateuch  eine   lange  Reihe 
von  Kirchenlehrern  auf,  welche  der  Deutung    der  Fellrücke 
in  Gen.  3,  21  auf  die  Leiber  der   ersten  Menschen   wider- 
flprochen  haben,  darunter  auch  Justin  '.   Zur  Kennzeichnung 
des  Zeugen   möge  ein  Teil   des  Verzeichnisses  hier  stehen: 
„Riemens  im  dritten  Stromateus,  und  Dionysius  der  alexaji- 
driniscbe  Bischof  in  seiner  Auslegung  des  Ekklesiastes,  und 
Petrus,  Bischof  derselben  Stadt  und  Märtyrer  in   der  ersten 
Bede  über  die  Seele,  und  Athanasius,  wiederum  Bischof  von 
Alexandrien,   in   der   zweiten  Rede  gegen   die  Arianer   und 
im  Leben   des  grofsen  Antonius  ....  und  Irenäus  Bisciiof 
Ttiii  Lugdunum   im   dritten  Buch   seines  Werkes  gegen   die 
Hlresieen,    im    Kapitel    59   und  65,    und    Justinus    der 
Philosoph    und    Märtyrer    in    dem   Buch    von    der 
Auferstehung,  und  BasiUus  der  Kappadocier  im  21.  Ka- 
pitel des  Ilßxaemeron  und  in  der  Homilie  über  den  1.  Psalm" 
u.  g.  w.     Gelehrter   kann   man   nicht   citieren.     Zur  Probe 
der  Genauigkeit  vergleiche  man,  um  bei  den  Ältesten  stehen 
zu  bleiben,    die   hiesigen   C'itate   aus  Irenäus   und  Kiemena 
mit  unseren  Ausgaben.     Klemens  verwirft  Strom.  III,  §  95 
(p.  &54  Potter)  ausdrücklich  jene  Deutung  der  Kleider   aus 
Fellai,  als  deren  Vertreter  er  den  C'assian  nennt';   und   es 


1)  S.  über  ihn  meine  Forschungea  zur  Gesch.  des  Kbdodb  U,  239. 
I41--251,  besonilers  S.  253,  zur  allgememeQ  CliarakteTlaUb  Stark, 
'iu*  and  die  philiatäische  Küele  (ltJ52),  S.  63Tf. 

2)  Mai,  Clttsaic.  aoct,  T,  Vi,  204.  In  dem  ausführiJcheren  Werk, 
*o»on  dieaes  Dur  der  Äusfug  ist,  würde  man  die  eigenen  Worte 
Juttn'i  finden  (Mai  1.  1.  p.  1),  Icli  kenne  keine  Ilandacbrift  dieaes 
noch  ungedrockten  Riesen ■rerkii.  Der  Mooacensis  gr.  358  saec.  IX 
Qitliilt  nach  Hardt  nur  die  Epitome. 

3)  Vgl.  meine  ForecbanKen  IIT,  24  (wo  Prokopius  hinzuznfügen 
'H).    Die  TOD  Clemens  dort  in  Aosaicht  gestellte  Widerlegnag,  folgt 


IJ 


M  XAmr. 


ist  wirUidi  das  drille  Bodi  wtiam  groben  Werkes,  worin 
Ireniiis  swar  mcbt  ansdröcklicli  g^goi  jene  hiredache  Mei- 
mmg  polenrisierty  aber  doch  gans  deadich  seine  rechlg^- 
Irige  Ansidit  Ton  der  Ersdiaftn^  des  Leibes  Adams  und 
Ton  den  immeae  pettieeae  ausspricht  K 

Bei  solcher  Lage  der  Dinge  ist  es  sdiwer  begreiflich, 
wie  man  das  CStat  des  Prokopiiis  auf  die  psendojiislimschen 
Qnaestiones  et  reqKmsiones  ad  Qrlhodozos  hat  besiehen 
mdgen  ';  denn  wie  sollte  der  gdehrte  Prokopins  diese  bunte 
Sammlnng  mit  h  r^  mQi  Svaardoitag  Uytf  dtieren  und 
swar  mit  Rücksicht  aof  einen  Abschnitt,  in  welchem  Ton 
Aoferstehong  gar  nicht  die  Bede  ist  Aach  handelt  es  sich 
dort  gar  nicht  um  den  Gtegensats  der  genannten  häretischen 
Deutung  Ton  G^en.  3,  21,  sondern  um  die  Meinung  „einiger 
Frommen^,  dals  Gt>tt  jene  Böcke  nicht  aus  dem  Fell  wirk- 
licher Tiere  gemacht  habe.  Dals  Prokopius  ein  Buch  xmter 
Justin's  des  Mftrt]rrer8  Namen  und  mit  dem  Titel  n^qi  dya- 
ardaeofg  in  seiner  reichen  patristischen  Bibliothek  gehabt 
hat^  kann  nicht  Gegenstand  litterargeschichflicher  Diskussion 
sein. 

Unter  demselben  Automamen  und  Buchtitel  haben  zwei 
Florilegien,  oder  vielmehr  zwei  Handschriften  des  unier  dem 
Namen  der  Parallela  Sacra  Bupefucaldina  so  oft  citierten 
Florilegiumsy  drei  amfiemgreiche  Fragmente  aufbewahrt  d.  L 
alles,  was  in  den  Ausgaben  Justin's  seit  Pr.  Maran  als 
dessen  Buch  Ttegl  dyaoTdaecjg  abgedruckt  zu  werden  pflegt 
nachdem  zuerst  P.  Halloix,  dann  sorgfältiger  M.  Lequien 
die  Fragmente  publiziert  hatten  K    Dies  Florilegium,  welches 


in  ecl.  proph.  §  17  Forsch,  in,  29.  Über  Cassian,  den  „AnfiLnger 
der  DokcBe"  (ClemenB  ström.  EI,  §  91,  Potter  p.  552)  vgl  For- 
•chungeo  I,  7;  13  Anm.  1;  14  Anm.  1;  285. 

1)  Iren.  III,  21,  10;  22,  1;  23,  5,  p.  218 sq.  221  Massuet. 

2)  So  Otto  zu  Just.  opp.  Ed.  3,  T.  m.  2,  72. 

8)  Dieser  aus  dem  Cod.  Rupefucaldinus   in  Jo.  Dam.  Opp.  H, 
756—763.    Eine  Collation  des  Cod.  Coislinianus  276  gab  Nolte  bei 
Migne,  Patrol.  gr.  6,  1795—1800.    Über  die  Handschr.  vgl.  Mont- 
faucon,  Bibl.  Coislin.,  p.  389  sq.     Ob   sie   durchweg   nur   als   eine^= 
sweite  Kopie  der  im  Rupef.  enthaltenen  Gnomologie  zu  betrachteite-i 


BTDDIEK  TO  JU8TIN.  23 

den  Namec  des  Joh.  von  Damaskus  mit  Unrecht  trägt  und 
nach  Lequien  um  ein  Jahrhuadert  älter  ala  dieser  ist,  zeichnet 
sich  vor  allen,  welche  ich  näher  kennen  zu  lernen  genötigt 
-war,  durch  genaue  Bezeichnung  seiner  Quellen  aus  '.  Man 
sollte  meinen,  es  sei  selbstverständlich,  dafa  der  Sammler 
aus  demselben  Buch  geschöpft  habe,  wie  ein  volles  Jahr- 
hundert vor  ihm  Prokopius.  Gtrabe  erkannte  das  an*;  die 
neueren  Gelehrten  beetreiten  es  vielfach.  Während  Otto 
in  der  vorhin  beleuchteten  Art  das  Citat  des  Prokopius  aus 
der  Welt  schafft,  setzt  Hamack  als  ganz  eelbstverstäudlich 
voraus,  dafs  dessen  Citat  sich  auf  eine  andere  Schrift  be- 
gehe. „Niemand  hat  abgesehen  von  den  8S.  Parallela  die 
SchiiA  citiert"*.  Das  müfste  aber  doch  bewiesen  werden, 
da  der  Titel  bei  Prokopius  und  in  den  Parallela  genau 
übereinstimmt  und  beide  Zeugen  sich  nicht  nur  der  Zeit 
nach  ziemlich  nahestehen,  sondern  auch  beide  den  Schein 
gelehrter  Sorgfalt  für  sich  haben.  Hatte  Prokopius  eine, 
wie  Hamack  flir  möglich  hält,  echte  Schrift  Justin's  in 
Händen,  bo  wird  es  ja  dadurch  nicht  erklärlich,  sondern 
gerade  recht  sonderbar,  dafs  mau  nicht  allzu  lange  nachher 
eine,  wie  Harnack  urteilt,  fremde  Schrift  über  die  Auf- 
entehung  dem  Justin  unterschob,  und  zwar  eine,  wie  jeder 
einsieht,  uralte,  gegen  allen  Verdacht  einer  Fiktion  unter 
Justin's  erborgtem  Namen  sichere  Schrift  *.    So  etwas  pflegt 


Mi,  wage  ich  nicht  cu  eDtecheiden.  ^  Im  Coial.  fehlen  die  eiug»- 
Uunmerten  Worte  des  Lemma :  ToO  äyCou  'lovatlvov  lao  (filoa6ipov 
ul  fiäfnt'QOi  {(x  toO)  ntp)  «vomoiTdu;. 

1)  Vgl.  ForBchmigeD  III,  120f. 

i)  Spicil.  II,  ItiT.  Wenn  derselbe  S.  195  sagt:  nusquam  alibi 
Juttiai  Tractatum  de  resun'ectione  aUegatum  reperio,  eo  aoU  das  na- 
töilich  mcbl  zu  Prokop  alleiu,  sondern  zu  allem  S.  177  —  194  Mit- 
geteilten den  Gegensatz  blldeu. 

3)  Gebhardt-Harnack,  Texte  und  Unt«raneh.  I.  1,  164- 

4)  Wenn  Harnack,  S.  164  Anm.  150,  auf  „eine  dritte  Schrift 
niqi  ävnatäaioi; ,  die  Justin  beigelegt  norden",  sich  beruft,  so  ist 
du  doch  ein  wenig  kühn  geredet;  deiin  die  Quaestiones  gentiles  ad 
Chriitianos  de  incorporeo  et  de  deo  et  de  resurrectione  mortuorum 
(Otto  m.  2,  32G— 367),  welche  Harnack  (,S.  168)  damit  meint,  bs- 
liuideb  doch  nur  ganz  am  Sehlufs  die  Frage  nach  dar  Auferstehung. 


Li 


24  ZAHN, 

doch   gemeiniglich  nur  geschehen   zu    sein,    wemi  mini 
einem  durch  die   Tradition   berühmten   Titel  die  dm  ;► 
hörige  Schrift  nicht  mehr  besafs.     Hier  aber  handelt  aeb 
um  einen  Titel,  welchen  kein  alter  Kirchen-  undLittenl» 
historiker  dem  Justin  zugeschrieben  hat,  und  es  handdt  ai 
anderseits  um  ein  Buch,  welches  Prokopius  ebenso  wie  k 
anderen  dort  citierten  in  Händen   gehabt  hat   und  ala  W 
kannt  voraussetzt.   Woher  ako  und  wozu  die  UntencU^ 
eines  nach  Inhalt   und  Form   ganz   harmlosen  Wechsd^i 
im  Lauf  des  Jahrhunderts  nach  Prokopius?    Könnte  im 
diese  Frage  beantworten,   so  wäre  der  Beweis  immer  vßk 
erst  zu  fuhren ,  dafs  die  nächstliegende  Annahme  der  Uft* 
üiät  des  von  Prokopius   und  des  in  den  Parallela  citietta 
Werkes  undurchführbar  sei.   Die  Stelle  des  Beweises  schosk 
bisher  die  Meinung  zu  vertreten,  dafs  uns  die  ParalleU  & 
Schrift   von    der  Auferstehung    beinah    vollständig   erhalta 
haben.     Aber  der  Sammler  fuhrt  sein  Citat  mit  ex  roCf  nffi 
dvaardaeiog  ein,  und  es  ist  mir  nicht  bekannt,  dafs  Gnomo- 
logen   dieser  Art  überhaupt  vollständige  oder   beinah  voll- 
ständige Traktate  aufgenommen  und  so  eingeführt  hätten  \ 
Wer  sich  ein  wenig  mit  dieser  Litteratur  zu  befassen  hatte, 
weifs  femer,  dafs  die  Gnomologen  unzählig  oft    ohne  jede 
Andeutung  einer  Lücke   Sätze  auslassen,  welche   uns  sehr 
wichtig    erscheinen.     Ein    Beispiel    aus   den    Par.    Rnpefuc 
wurde  oben  S.  8  besprochen.     Nun  hat  aber  der  Sammler 
aufser  durch  seine  Überschrift  auch  noch  einmal   durch  die 
Formel   xai   /aev^  oliya   und  bald  darauf  durch  die  gleich- 
bedeutende xai  fievä  ßqaxia  *  angezeigt,  dafs  er  nur  Bruch- 
stücke gebe ;  und  es  beruht  nicht  auf  Erfahrung,  wenn  man 
annimmt,  die  durch  diese  Worte  bezeichneten  Lücken  müfs- 
ten  unerheblich  sein.     Ich  erinnere  mich,  sonst  auch  manch- 


1)  Das  Beispiel  des  Coisl.  120,  welcher  die  pseudojustinisclie  «r- 

d^tatg  nCarttag  gröfstenteils  enthält,  ist  von  Otto  II,  p.   XLV   nicht 

glücklich  gewählt;  denn  diese  Handschrift  ist  keine  Gnomologie  und 

iberdies  fehlen  darin   aufser  dem  Anfang  und   Schlufs  jener  Schrift 

lOch  viele  einzelne  Sätze,  s.  Otto  III,  p.  XI sq. 

2)  Lequien  II,  761E.  762B  =  Otto  c.  8,  p.  240;  c.  9,  p.  244. 


STUDIEN  ZV  JUSTm.  25 

fie&    JVepa,  aber  niemals  fietä  no^.ä  gelesen  zu  haben. 

dnd  das  abgeseliliffene  Formeln,  welche  in  den  grie- 
ehiachen  und  syrischen  Florilegien  immer  wiederkehren  und 

so  weniger  nach    ihrem  Wortsinn    zu    pressen    sind,    als 

I  nicht  weifs,  woran  diese  an  sich  relativen  Ausdrücke 
gemessen  sein  wollen,  und  als  es  im  Interesse  des  Sammlers 
lag,  das,  was  er  bot,  möglichst  bedeutend  and  was  er  ibrt- 
Eefs  als  unerheblich  erscheinen  zu  lassen.  Ein  naheliegen- 
des Beispiel  wird  zum  Beweise  dafür  geniigen,  dafs  solche 
Formeln  über  ■viele  Folioseiten  hinwegführen  können  '.  Un- 
mittelbar vorher  hat  unsere  Gnoinologie  zwei  Citate  aus  dem 
iunften  Buch  des  Irenäus  durch  -Mtl  futä  ßga^ta  mit  ein- 
ander verbunden  {Lequien,  p.  756A},  deren  erstes  V, 
S,  2 — 3,  1  Mass.  p.  294Eq.  und  deren  zweites  V,  12,  2 
(gegsa  Ende)  und  §  ^  p-  306  sich  findet.  In  der  Aus- 
gabe von  Harvey  *  liegen  27  Seiten  dazwischen.  Dieserhalb 
iiaben  wir  demnach  die  vollste  Freiheit,  uns  den  Traktat,  aus 
welchem  dieser  Gnomolog  seine  drei  justiniscben  Citate  ge- 
■chöptt  hat,  doppelt  und  dreifach  so  grols  zu  denken,  als  diese 
Fragmente;  und  schon  das  eine  Citat  des  Prokopius,  gegen 
dessen  Zusammengehörigkeit  mit  den  Citaten  der  Parallela 
tlcein  Orund  vorgebracht  worden  ist,  lebrt  uns,  dafs  nicht 
blofs  einige  entbehrliche  Flickworte  vom  Gnomologen  aua- 
f^elassen  worden  sind.  Dasselbe  aber  ei^ebt  sich  auch  aus 
der  Betrachtung  der  grofseren  Citate  selbst. 

Es  ist  schon  von  vornherein  sehr  unwahrscheinlich,  dafs 
der  Verfasser  einer  Schrift  über  die  Auferstehung  mit  so 
allgemeinen  .Sätzen  aus  der  christlichen  Erkenntnistheorie 
begonnen  haben  sollte,  ohne  entweder  vorher  das  besondere 
N^hema  bezeichnet  zu  haben,  das  ihn  zu  diesen  Erörterungen 
■»eranlafst ,  oder  beim  Übergang  vom  Allgemeinen   zum  Be- 


ll Caepari,  Alte  und  neue  Quellen  (1879),  S,  83f.,  macht  eq- 
viel  Umstände  mit  einem  solchen  fiir'  üiya  bei  Tbeodoret. 

2)  S.  324  schlierst  das  erste,  S.  351  beginnt  das  zweite.  Da- 
nrischen  ilehen  auch  griechische  PraRmente,  unter  anderem  auch 
.ans  Sacra  Par. ,  aber  nicht  aus  dieser  Stelle  der  Par.  Rupefuc,  ge- 
seböpfte.  Es  folgt  in  den  Par.  durch  fx  loC  avioii  Xüyov  eingeführt 
du  Citat  ans  Iren.  V,  13,  ä,  p.  3U9  Massuet,  p.  357  Harrey. 


iä 


26  ZAHN, 

sondern  das  Thema  und  die  Veranlassung  zu  dessen  Be- 
handlung deutlich  anzugeben  ^  Die  Worte,  mit  welchen 
unser  Verfasser  von  jenen  allgemeinen  Sätzen  zum  Thema 
übergeht:  ,,Es  sagen  die,  welche  Schlechteres  lehren,  es 
gebe  keine  Auferstehung  des  Fleisches ''*,  sind  nahezu  sinn- 
los, wenn  das  Fragment  den  Anfang  der  Schrift  bildete. 
Dafs  vorher  p.  212,  16  einmal  Christus  als  Verleiher  der 
Totenauferstehung  und  des  ewigen  Lebens  bezeichnet  war, 
kann  den  Mangel  nicht  ersetzen,  erscheint  vielmehr  selbst 
mindestens  geschmacklos,  wenn  nicht  schon  gesagt  war,  dafs 
die  ganze  Erörterung  über  Erkennen  imd  Beweisen  um 
dieser  Frage  willen  angestellt  worden  sei.  Somit  fehlt 
uns  erstlich  der  Anfang  der  Schrift.  Es  fehlen 
aber  auch  nicht  wenige  Sätze  an  der  ersten  Stelle, 
wo  der  Excerptor  eine  Lücke  angezeigt  hat,  p.  240,  37. 
Nur  fUr  eine  wenig  eindringende  Betrachtung  ist  ein  schein- 
barer Zusammenhang  dadurch  hergestellt,  dafs  vor  und  nach 
der  Lücke  von  Christus  die  Rede  ist  Aber  in  wie  ver- 
schiedener Weise  und  zu  wie  verschiedenem, Zweck!  Vor- 
her wird  das  Gebot  Christi  von  der  Feindesliebe  angewandt 
zum  Beweise  dafür,  dafs  Gott  sich  erst  durch  die  Errettung 
des  ihm  fremdartigen,  nicht  verwandten  Fleisches  ab  den 
Guten  beweise,  und  dafs  somit  die  gegnerische  Behauptung, 
das  Fleisch  habe  keinerlei  Verheifsung,  hin&Uig  sei.  Nach- 
her dagegen  werden  die  Heilungen  und  Totenerweckungen 
Christi  als  positive  Beweise  und  Bürgschaften  für  die  zu- 
künftige Totenauferstehung  geltend  gemacht  In  dieser  Aus- 
ftLhrung  aber  stöfst  man  auf  Gedanken,  welche  in  den  vor- 
angehenden Kapiteln  gar  noch  nicht  zur  Diskussion  gestellt 
waren.  Sie  beginnt  gleich  mit  der  Voraussetzung,  dafs 
Christus  selbst  nach  der  gegnerischen  Behauptung  des  Flei- 
sches zu  gar   nichts   bedurft   habe.     Gleich   darauf  wird   in 


1)  Vgl.  einerseits  Tertull.  de  resurr,  camis  1  und  anderseits 
Athenag.  thqI  avaaxdanüg  vtxoQv  c.  1,  Note  22 — 28;  Otto,  p.  190. 

2)  c.  2,  p.  214,  1  Otto.  Ich  citiere  im  Folgenden  nach  den 
Seiten  und,  da  die  Zeilen  nicht  gezählt  sind,  nach  den  auf  die  Noten 
verweisenden  Ziffern  der  dritten  Ausgabe  von  Otto. 


^^^H  STUDIEN  ZU  JUSTIN.  27 1 

T-    gleichen  rhetorischen  Form  die  gegnerische  These,  dafa 
►      Auferstehung  lediglich  eine  geistige  sei,  bekämpft.     Bei- 
»     war  zwar  in  der  allgemeinen  Übersicht  der  häretiechen 
^'4ithesen  c.  2  bereits  angedeutet.   Fleischliche  Auferstehung 
"de  nicht  geschehen,  hiefs  es  p.  216,  12,  und  gleich  dor- 
^^*^,   dafa   Christus   nur    dem   Schein    nach   im    Fleisch  er- 
"^^tkieuen  sei.     Aber  daraufhin  konnten  die  in  c.  9  hekämpf- 
^^^»1,    zugespitzten   Thesen   und  Termini    nicht   als    bekannt 
^Orau^eaetzt  werden.     Es  widerspräche  das,  auch  abgesehen 
"on  dem  grofsen  Zwischenraum,  welcher  c.  9  auf  alle  Fälle 
!   trennt,   der   Art   und  Weise   der  bisherigen   Dia- 
Trotz  jener   allgemeinen   Übersicht  (c.  2)   werden 
Folgenden    die    einzelnen    Thesen    und    Argumente    der 
!gner  umständlich   vorgeführt,   ehe   zu   ihrer  Widerlegung 
schritten  wird  '.     Derartiges  mufs  demnach  auch  vor  c.  9 
I  geetanden  haben.    Ferner  hatte  der  Verfasser  c.  2,  p.  216,  17 
Aussicht  gestellt,  dafs  er  zuerst  die  Einwürfe  der  Gegner 
riderlegen,  dann  den  positiven  Beweis  fuhren  werde.    Wenn 
;  nun  p.  223,  11  so  scheint,  als  ob  der  erste  Teil  beendigt 
,  so  zeigt  doch  gleich  der  erste  Satz  p.  224,  1  und  alles 
«reifer  Folgende  bis  p.  240,  37,   dafs   alles   dies   noch   dem 
raten  Teile  angehört.     Der  Unterschied,  welcher  die  Rede- 
'  Wendung  p.  222,   11    veranlafst  hat,  besteht  nur  darin,  dafs 
laie  dahin  gewisse  absurde  Konsequenzen,  welche  die  Qegner 
aus  der  kirchlichen  Auferstehungslehre   ziehen ,   abgewiesen 
wurden,  während  im  Folgenden  die  direkt  gegen  die  Mög- 
lichkeit und  Gotteswürdigkeit   der  Auferstehung  ge- 
richteten Angriffe  zurückgewiesen  werden.   Dieser  Disposition 
p.    224,    1 — 4     entspricht    einigermafsen    die    Ausführung 
(c,  5 — 6;  7 — 8).     Aber  alles  dies  bis  zur  ersten  Lücke   ist 
doch   noch   nicht   der  angekündigte   positive   Beweis  dafür, 
„dafs   das   Fleisch  Heil    (zu    hoffen)    hat".     Wenn    einmal 
solches  mit  unterläuft,  was  zu  positivem  Beweis  sich  eignet, 
ao  wird  auf  die  später  folgende  Darlegung  verwiesen  p.  226, 
20.     Hinter  der   Lücke  dagegen   befinden    wir   uns   mitten 


222,   1—4;  c,  6,  p.  224,  1- 
3;  p.  240,  25-27. 


28  ZAHN, 

im  zweiten  Teil.  Dafs  auch  dieser,  d.  h.  dafs  die  ganze 
Schrift  polemisch  gehalten  ist,  kann  den  wesentiichen  Unter- 
schied nicht  verhüllen ,  dafs  vor  der  ersten  Lücke  lediglich 
Abwehr  der  gegnerischen  Einwürfe,  hinter  derselben  positive 
Beweisführung  für  den  Auferstehungaglauben  angestrebt 
wird,  und  dafs  uns  das  zweite  Excerpt  mitten  in  die  letztere 
hineinversetzt.  Nur  25  Zeilen  hinter  der  Lücke  ruft  der 
Verfasser  bereits  aus:  „Wenn  einer  nach  allem  bis  dabin 
Gesagten  noch  Beweise  für  die  Auferstehung  fordert,  so 
unterscheidet  er  sich  in  nichts  von  den  öadducäem."  Eb 
folgt  ein  kraftvoller  Öchlufssatz,  der  an  die  Gedanken  der 
Einleitung  anklingt.  Der  Verfasser  ist  also  schon  längst 
mit  den  id/of  d/todeotnxo/,  mit  der  angekündigten  positiven 
BeweisruhruDg  beschäftigt  und  nicht  nur  ein  kurzer  Über- 
gang vom  ersten  zum  zweiten  Teil,  sondern  ein  bedeuten- 
des Stück  der  Schrift  lallt  in  die  erste  Lücke.  In  derselben 
kann  auch  das  gestanden  haben,  was  Frokopius  bei  Beioer 
Anführung  im  Sinn  hatte. 

Hinter  den  zuletzt  besprochenen  Sätzen  p.  244,  24  be- 
findet sicli  die  zweite  vom  Excerptor  angezeigte  Lücke. 
Was  alles  darin  gestanden  hat,  läfst  sich  nicht  einmal  er- 
raten. Nur  eins  zu  vermuten,  ist  durch  die  Tendenz  der 
Schrift  nahe  gelegt.  Sie  ist  zur  Bestärkung  der  Recht- 
gläubigen aber  Schwachen  im  Glauben  an  die  Auferstehung 
des  Fleisches  geschrieben,  aber  eben  deshalb  von  Anfang 
bis  zu  Ende  polemisch  gegen  die  gnostische  Leugnung  oder 
Verflüchtigung  dieses  Glaubensartikels  gerichtet  '  und  be- 
müht, deren  teils  aus  der  Natur  der  Sache,  teils  aber  auch 
aus  der  Bibel  geschöpfte  Argumente  zu  widerlegen.  Nun 
wissen  wir  aber,  dafs  die  häretischen  ScbiUen  des  zweiten 
Jahrhunderts  nicht  nur  überhaupt,  sondern  gerade  auch  in- 
bezug  auf  die  Auferstehungslehre  die  Briefe  des  Paulus,  ins- 
besondere auch  1  Kor.  15    stark   in  Anspruch   nahmen    und 


1)  p.  214,  23  iiv,i!,oXif,ir,-  r.'tv  (dem  Teufel  und  seinen  Werk- 
leugeD ,  den  Irrtebrem)  Jis  loi'c  üoSiviif.  p  226,  21  at-yyvii/i^ 
alroifiivoi  nnpB  iSv  i^;  älijSila;  r/xvoiv.  Da«  Bind  die  Leser,  sa£' 
«ntfhe  der  Verfasser  mD&ehst  rechnet. 


STUDIEN  ZU  JUSTIN.  39 

Katfaoljkea  dadurch  ins  Gedränge  brachten  '.  Es  witre 
daher  echwer  zu  erklären,  dafs  eine  Schrilt  des  angegebenen 
Zwecks  nicht  auch  auf  die  apostolischen  Briete  eingegangen 
m^e.     Eine  passendere  Stelle  aber  liiertUr  wäre   schwerlich 

finden  als  die,  welche  die  zweite  Lücke  bezeichnet,  hinter 
der  sichtlich  zu  einem  ieierlicheu  Abschlufs  gelangten  Be- 
irei&ßihnuig  aus  dem  Leben  und  der  Lehre  Jesu.  Dann 
-Irtre  hier  auch  der  geeignete  Platz  fUr  das  Citat  des  Me- 
•Aodins. 

Endlich  aber  spricht  nichts  dafür,  dafs  das  kleine  ätück, 
Ichea  der  Excerptor  hinter  der  Lücke  noch  mitteilt,  der 
Schluis  der  ganzen  Schrift  gewesen  sei.  Die  Wendung  auf 
die  moralischen  Konsequenzen  der  häretischen  Lehre  ent- 
qiricht  zwar  im  allgemeinen  dem  Charakter  eines  Buch-^ 
achlusses;  aber  vom  rednerischen  Standpunkt  aus  mufs  man 
nrteilen,  dafs  die  letzten  Sätze  verloren  gegangen  sind.  Wir 
■ind  also  sehr  weit  entfernt,  die  von  Prokopius  und  dem 
Bedaktor  der  Parallela  Rupef  benutzt«  Schrift  unter  dem 
Titel  „Justin's  des  Märtyrers  und  Philosophen  Euch  von 
der  Auferstehung"  vollständig  zu  besitzen.  Um  so  er- 
wünschter wäre  es,  die  Fragmente  desselben  um  ein  inhalt- 
raches  Stück  vermehren  zu  können. 

Da  die  Schrift  nach  den  erhaltenen  Fragmenten  von 
fcemem  Kenner  der  kirchlichen  Litteratur  der  nachkonatan- 
töiiscben  Zeit  zugeschrieben  werden  wird,  sondern  auch  von 
denen,  welche  Justin  nicht  für  ihren  Verfasser  halten,  ins 
zweite  Jahrhundert  gesetzt  wird  ',  ao  besteht  die  Vermutung 
IPJ  Recht,  dafs  Methodius  aus  ihr  sein  Citat  über  iKor. 
Ja,  50  geschöpft  hat.  Aus  einer  Schrift  imter  Justin's 
Kamen  hat  Methodius  es  genommen;  Justin's  Namen 
trug  unser  Traktat  um  500  und  um  600,  und  es  fehlt  jeder 
Anhalt  liir  die  Vermutung,  dafs  er  um  300  einen  anderen 
Aatomameu  getragen  habe.  In  einer  Schrill  „von  der 
Aaferetehung"   citiert  Methodius  Worte  Justin's.    Da  es 


1)  a.  den  entea  Artikel  S.  9,  Aom.  2. 

2)  Vgl.  s.  B.  Harnack,   Überticfenuig  der  griecb.  Apologeten 
&  163. 


so  ZAHK, 

eine  Schrift  gleichen  Titels  unter  Justm's  Namen  gd^ 
80  ist  nichts  wahrscheinlicher;  als  dalk  eben  diese  vonh' 
thodios  bei  dieser  Gtelegenheit  benatst  wnrde.    Sdn  Qä 
handelt  aber  nicht  nur  überhaupt  Ton  der  Auferstehung  ii 
unser  Traktat^  sondern  handelt  dayon  auch  in  dem  f^eifia 
Gt^ensatz  wie  dieser.    Es  geschieht  hier  wie  dort  im  Geg» 
satz  gegen  solche,  welche  das  menschliche  Fleisch  ab  ds 
Erlösung  und  Auferweckung  unwert  bezeichnen  und  diftr 
Beweise    aus    dem    Neuen   Testament   vorbringen  K    T» 
wenig  umfangreich  das  Citat  ist,  so  ist  doch  eine  aoffllEp 
Übereinstimmung  des  Sprachgebrauchs  zwischen    ihm  ml 
den  grolsen  Fragmenten  der  Parallela  Rupef.  zu  konstatierai 
Weder  in  der  Bibel  war  es  unmittelbar   begründet,  nodi 
entspricht   es  dem  gemeinen  kirchlichen  Sprachgebraadi^ 
dafs  die  Auferstehung  und  Verklftrung  des  Lieibes  im  Gilt 
bei  Methodius  ^  Ttjg  aaQxbg  ftaXiyyeyeaia    heilkt     Meintt 
Wissens  haben  Athenagoras,  Tertullian  und  Methodius  selbit 
in  ihren  Schriften  über  die  Auferstehung  nicht  so  geredet 
Dagegen  findet  sich  genau  der  gleiche  Ausdruck  nidit  irt- 
niger  als  dreimal  in  den  grofsen  Fragmenten  (c.  6,  p.  328;  8; 
c.  8,  p.  228;  20;  c.  10;  p.  246,  5).     Dem  im   Citat  danü 
verbundenen  Prädikat  hupctvXiCuv  entspricht  sehr  genau  der 
für  den  gleichen  Gedanken  gebrauchte  Ausdruck  xomSLur 
ztpf  odqyLa  ^.   Eine  Anspielung  an  die  im  Citat  bei  Methodius 
mit  herangezogene  Stelle  iKor.  15;  53  f.  fehlt  auch   in  den 


1)  Z  B.  c.  2,  p.  216,  10;  Matth.  22,  30.  Auf  denselben  ewi- 
gelischen  Zusammenhang  bezieht  sich  der  Verfiisser  selbst  c  8, 
p.  220,  29;  c.  9,  p.  244,  22. 

2)  Im  Anschlufs  an  Matth.  19,  28  oder  den  gemeinen  Sprach- 
gebrauch gebraucht  es  Clem.  Rom.  IKor.  9,  4  von  der  Sintflut  und 
ihrer  Folge,  im  Anschlufs  an  Tit.  3,  5  im  Sinne  von  iLvayfwf^ig  yon 
der  sittlichen  Erneuerung  des  Lebens  Clem.  AI.  ström  II,  §  146, 
p.  507  Potter.  Wenn  man  regeneratio  nach  Tit  3,  5  Vulg.  als  Über- 
setzung von  naXiyyiviaCa  gelten  läfst,  so  gebraucht  es  Tertullian  nur 
von  der  geistigen  Wiedergeburt  (de  came  Christi  c.  4.  20)  und  stellt 
es  (de  resurr.  47)  der  restitutio  und  redintegrcUio  camis  ab  Bild 
gegenüber. 

3)  c.  2,  p.  214,  4  cf.  c.  7,  p.  232,  1  roitg  ArifidCovrag  r^  aä^a, 
c.  10,  p.  248  vor  n.  16. 


STUDIEN  ZU  JUSTIN.  31     ' 

ren  Fragmenten  nicht '.  Besäfsen  wir  einen  geordneten 
^ind  vollständigen  Text  der  Schrift  des  Metbodtus  von  der 
^"^Aferstehung ,  so  würde  es  sich  lohnen,  genauer  zu  unter- 
^^dlcben ,  ob  Metbodius  aus  der  Schrift,  deren  Excerpte  die 
*  Parsllela  darbieten,  auch  ohne  namentliche  Citation  geschöpft 
^i«t.  Eins  ist  jedenfalls  zu  beachten.  Die  Worte  de  reaurr. 
=  <S.  10  ävänTaoi^  tau  zoP  rrBTiTioy.dzog  aaq/iiov,  irvevfia  yd^ 
4>&  ntTzitt  drucken  in  aphoristischer  Un Vollständigkeit  einen 
■Gedanken  aus,  welchen  dann  Tertullian  *  kräftig  ausgeführt, 
«näus  *  leise  berührt  hat  Vollständig  kehrt  er  wieder  bei 
lletbodius  *.  Ea  ist  mindestens  sehr  wahrscheinlich,  dafa 
Ue  von  Methodius  namentlich  citierte  Schrift  Juatin's  iden- 
«h  ist  mit  derjenigen  Schrift  unter  Justin's  Namen,  mit 
I welcher  er,  ohne  Justin  zu  nennen,  in  einem  originellen 
f  Gtedanken  bis  auf  den  Wortausdruck  zusammentrifft. 

Die  Wahrscheinlichkeit  steigert  sich  zur  Gewifaheit,  wenn 
man  das  Verhältnis  des  Irenäus  sowohl  zu  dem  Citat  bei 
Ifethodius  als  zu  den  Excerpten  in  Parallela  Rupef.  ins 
&uge  fafst.  Es  ist  längst  bemerkt  und  meines  Wissens  nie 
^1>e8tritteu  worden,  dafa  Irenäus  Eich  von  diesen  Excerpten 
in  seiner  Darstellung  der  Auferstehungslehre  abhängig  zeige  '. 
Die  Berührungen  ziehen  sich  hindurch  durch  den  ganzen 
Abschnitt  Iren.  V,  2,  1  — 13,  5.  Nach  dem,  was  vorhin 
über  den  Gebrauch  von  Ttaliyytveaia  =  regeneraiio  be- 
merkt wurde ,  mufs  es  auffallen ,  dafs  Irenäus  nur  hier ' 
die  Auferstehung  und  Leibesverklärung  so  bezeichnet:   Vani 


1)  c  9,  p.  246,  10  mit  Otto's  Anmerkang. 

2)  De  resurr.  caniia  c.  18;  adv.  Marc.  V,  9. 
8)  Iren.  V,  13,  3:  manifestum  e»t,  qnoniam  corpus,  quod  est 

I    earo,  quae  et  hunuliatar  cadens   in  terram.     Cf.  V,   13,  3:  Noq   enim 
alind  est,  quod  moritur  et  aliud  quod  vivificatur. 

4)  Ed.  Jahn,  p.  80  aua  Epiphan.  haer.  64,  52  (auch  ajriach  er- 
halten  hei   Pitra,  Anal.  IV,  202)  övdataat!  r»9  o™  ^"1  r""  f't 

I    jltntuiKÖio;,  bH'  tni   loB  ntnjuixötoi  i,(yliai  xal  ärttjtafiivov  rrL 

5)  Vgl.  Semiflch,  Justin  d.  Märtyrer  I,  147f ;  Otto  zu  reBOrr. 
C  8,  p,  238,  n.  16;  c.  9,  p.  242,  n.  2;  c.  10,  p.  2«,  n.  3. 

6)  Sonit  die  an  die   Taufe  geknüpft«  Wiedergeburt  IH,  17,  1, 
L  p.  308  Haw.  ».  auch  Harrey'a  Note  dazu. 


32  ZAHN, 

auiem  omnimodo,  qui  .  .  .  camis  sdltUem  ^  negant  et  regem- 
rationem  ejus  spemutU.  Gegenüber  der  gnostischen  Behaup- 
tung,  dafs  Gk>tt  wohl  die  ihrer  Natur  nach  unsterbliche 
Seele  am  Leben  erhalte,  aber  nicht  das  an  sich  vergäng* 
liehe  Fleisch  wieder  lebendig  mache,  argumentieren  beide 
Schriftsteller  auf  Qrund  der  Güte  und  der  Macht  Gottes, 
beide  aber  so,  dafs  auf  erstere  das  gröfsere  Gewicht  gel^ 
wird '.  Während  Justin  hier  nur  die  Seele  nennt ,  fögt 
Irenäus  den  Geist  hinzu  et  quae  sunt  alia.  Dasselbe  zeigt 
sich  bei  der  von  jeher  besonders  auffällig  gefundenen  Paral- 
lele zwischen  resurr.  c.  8,  p.  238,  16  und  Iren.  V,  6,  1, 
p.  299.  Während  Justin  entwickelt,  dafs  weder  die  Seele 
für  sich  noch  der  Leib  für  sich,  sondern  nur  das  aus  Leib 
und  Seele  zusammengesetzte  tdov  h>yvA/)v  Mensch  heilse, 
und  daher  auch  die  Berufung  des  Menschen  zu  Leben  und 
Auferstehung  die  Verheifsung  der  Leibesauferstehung  in  sich 
schliefse,  hat  Irenäus  in  der  zweimal '  kurz  hinter  einander 
gegebenen  Reproduktion  dieses  Gedankens  beidemale  zu 
Leib  und  Seele  den  Geist  hinzugefügt.  Wie  wenig  dies 
aber  in  einer  abweichenden  Anthropologie  beider  Autoren 
begründet  sei,  kann  man  einerseits  aus  Iren.  II,  29,  3  sehen, 
wo  Leib  und  Seele  als  die  einzigen  Wesensbestandteile  des 
Menschen  an  sich,  des  natürlichen  Menschen  angegeben 
werden,  und  anderseits  aus  resurr.  c.  10,  p.  246,  2,  wo 'die 
sogenannte  trichotomische  Anschauung  ausgesprochen  ist 
Es  wäre  weitläufig  zu  entwickeln,  dafs  die  an  die  biblische 
Ausdrucksweise  sich  anschliefsenden  anthropologischen  An- 
schauungen der  älteren  Kirchenlehrer,  insbesondere  auch 
des  Irenäus  beide  Betrachtungsweisen  zulassen.  Es  liegt 
aber  auch  auf  der  Hand,  dafs  zumal  die  Art,  wie  resurr.  10 


1)  Dies  kehrt  sehr  oft  wieder  in  positiver  und  polemisch  nega- 
tiver Form  z.  B.  V,  14,  1  dreimal;  es  ist  aber  auch  ein  immer  wieder- 
kehrender Ausdruck  in  de  resurr,  von  der  Angabe  der  Disposition 
an  c.  2,  p.  216,  17. 

2)  Iren.  V,  4,  1,  p.  297  Mass.  =  resurr.  c.  8,  p.  240,  25  sqq. 

3)  Gewöhnlich  wird  nur  die  zweite  Stelle  angeführt  Harvey, 
p.  335  ntqjAe  enim  plasmatio  etc.  Aber  schon  zu  Anfang  des  §  1 
Harvey  p.  333  steht  wesentlich  dasselbe. 


^H  STUDIEN  ZU  JUSTIN.  33   I 

1   der   Seele   ab    dem   Wohnhaus   des  Geistes    und   vom 

ist  als  dem,  was  überhaupt    nicht   dahiufallt,   gesprochen 

keinerlei  Widerspruch  gegen   dia   dichotoinische   An- 

.auung  c.  8   enthält.     Die  Kritik,   welche   daa  nicht   mit 

Inder  reimen   kann,   und   daraufhin   in  c.  10   flugs  eine 

«rpolation  annimmt,  ist  doch  gar  zu  naiv.     Gerade   auch 

an  jene  Zusammen  Stellung   von  Leib,   Seele  und   Geist 

—HIT.  c.  lU  sieb  anscbliefsenden  Worte  tit  ip/a  dk  zaCia  rotg 

"■^-"JTf'da  EiXiXQivFj   xai   -.Tianv   adidzpiroi'  tv   t>^   It-eiii   i'xovai 

^^^u^/jOecai  haben  ihresgleichen  in  demselben  Zusammenhang 

*^i   Irenäus  V,  6,  1    und   somit   an   Irenäus   einen   Zeugen 

^"^   rer  Echtheit.     An   ein   Citat   aus   iThess.  5,   23   schliefst 

renäuB  die  Frage:   Et  quam   tUique    causam  kabebai,   his 

h&us  id  est  animae  et  corpori  et  sptriiui  nUegram  et  per- 

f.Jectam  persevtrantiam  precari    in  advcntum   domini   etc.  '. 

1  Der  Gedanke  Justin's   (rea.  10,  p-  244,  l),   dafs   im  Wort- 

der  ävätnaaig    bereits    entbalten    sei,    dafe    es    sich 

Erbebung   des  Gefallenen,   also   des   Leibes  und   nicht 

^ea  Geistes  bandele,   ist  bei  Irenäus  wenigstens  nicbt   ohne 

'Spur  geblieben  (s.  oben  S.  31  Amn.  3).     Die  Beweislübrung 

aus  den  Heilungen  und  Totenerweckungen  Jesu  bei  Irenäus 

V,  12,  5;   13,   1  erinnert  in  ihrem  Anfang  selbst  durch  den 

Wortlaut  an  die  gleiche  Beweisführung  bei  Justin  *. 

Nun  hat  sich  aber  oben  S.  13  f.  herausgestellt,  dab  Irenäus 
auch  die  bei  MethodJus  citierte  ätelle  Justin's  gekannt  und 
verwertet  bat,  und  zwar  mitten  in  dem  Kreis  der  so  eben 
Toi^eluhrten  Parallelen  zu  der  dem  Prokopiua  und  dem 
Redaktor  der  Parallela  Rupef.  vorgelegenen  Schrift  über  die 
,  Auferstehung  unter  Justin's  Kamen.     Wäre  es  schon  an  sich 


1)  Die  tri cbotomi sehe  BetraclilUDgaweiae   war   Cur  Treiiäus  hier 
TOD   besonderer  Wickti^kcit   für   seine   Aualegung   vun  1  Kor.   lä,  50. 

I   Das  Kcigt  sich  beBonders  deutlich  V,  D,  ],  p.  302  vgl.  auch  II,  33,  5, 
168  ma  a<^/i,t,,<,  li.-ti  il'i'xäi,  tiiu  nvtiifi«in, 

2)  res.  c.  9,  p.  242,  2  il  xal  .'»(^J.ifwifv  b^iij*;  Iren.  V,  12,  5 
\  {MMR  eni'm  causam  habebat  cetrrtü  mCffiAra  cware  etc.    Dai  Weitere 

t  in  vergl.  mit  res.  c.  4,  p.  222,  !f. 

l  K.-0.  VIII,  1.  i.  3 


84  ZAHH, 

ein  AaTserates  von  Unwahnchemlichkeity  daA  Irenaus  soiiU 
diejenige  angeblich  justimscbe  Schrift,  aas  welcher  Metho&i 
eine  Erörterong  über  die  Auferstehung  angefahrt  hat,  ä 
diejenige  angeblich  justinische  Schrift,  welche  nach  Proko|Hi 
und  den  Parallela  neQl  äraardaetog  betitelt  war,  neben  eb- 
ander  benutst  haben  sollte,  so  wird  die  Annahme  einer  T» 
schiedenheit  dieser  beiden  Schriften  völlig  dadurch  aop- 
schlossen,  dafs  es  ein  kleiner  in  sich  geschlossener  AbsdoiB 
des  Irenäus  ist,  in  welchem  er  sich  als  dankbarer  Lenr 
sowohl  der  durch  die  Parallela  als  auch  der  durch  Meft»- 
dius  uns  aufbewahrten  Stücke  unter  Justin's  Namen  leigL 
Es  ist  also  nur  eine  einzige  Schrift,  welche  Irenäus  gelen^ 
offenbar  auch  Tertullian  und  zwar  noch  viel  stärker  benott 
hat,  welche  Methodius  als  eine  Schrift  des  Märtyrers  Jutii 
citiort,  von  welcher  Prokopius  zuerst  bezeugt,  dafs  sie  da 
Titel  7CBqI  dvaatdauoq  führte,  und  aus  welcher  die  PanJMi 
unter  Anwendung  des  gleichen  Titels  und  Automaroens  drei 
gröfsere  Bruchstücke  excerpiert  haben. 

Die  Frage,  ob  diese  Schrift  den    Namen   Justin's  mit 
Recht  trug,  ist  damit  nicht  entschieden.   Aber  in  dem  Halky 
als  es  unwahrscheinlich  ist,   dafs  diese  Schrift   erst  in  der 
Zwischenzeit  zwischen  Irenäus  und  Methodius  zu   dem  Na- 
men Justin's  gekommen  sein  sollte  (s.  oben  S.  14),  ist  auch 
die   äufsere   Bezeugung  ihrer  Ab&ssimg  durch  Justin  eine 
glänzende.     Besser  als  diejenige  der  Apologieen    und   des 
Dialogs  ist  sie  auf  alle  Fälle;  denn  für  diese  haben  wir  das 
Zeugnis  erst  des  Eusebius,  für  unsere  Schrift  dasjenige  des 
merklich  älteren   und  in   keinem  Betracht  geringer  zu  ach- 
tenden Methodius.     Die  Beweisführung  von  Semisch  für  die 
justinische    Abfassung    ist    der    Verbesserung    und    Vervoll- 
ständigung bedürftig;  aber  widerlegt  worden   ist  sie   nicht. 
Mit  Erfolg  kann   das  Für   und  Wider   nur  im  Zusammen- 
hang   einer    litterargeschichtlichen    Behandlung     sämtlicher 
Schriften   Justin's  erörtert   werden.     Doch   mochte    ich   auf 
drei  Einzelheiten  schliefelich  noch  aufmerksam  machen. 

Ist  der  Begriff  der  7taXiyyeveaia  in  der  Schrift  von  der 
Auferstehung  mit  Recht  betont  worden  (S.  30.  31),  so  ist 
es   auch    höchst   beachtenswert,    dafs   derselbe   im   Dialog 


STUDIEN  ZU  JUSTIN.  3fi  \ 

mtiich  ebenso  wiederkehrt '.     Die  Wiedergeburt  in   tin- 

)rem  Sinne  des  Worts  heifst  auch  bei  Justin  duayiwifltg  *, 

^^d   schon   deshalb   ist  schwer    denkbar,    dafa    unter   dem 

"Mysterium    der    Palingeneäa"    die   Taiife   verstanden   sein 

«Ute.     Gemeint    ist    vielmehr   die    zweite    Schöpfung,    das 

^IfoawerdeQ   auch   der   körperlichen   Natur  bei    der  Paruaie 

^nles    Erlösers.     Das    beweist    die    Charakteristik    derjenigen, 

"welchen  solche   Paliagenesis   in   Aussicht  gestellt  wird.     £a 

*«nd   die  Christen   und   alle,   welche   die  Wiedereracheinung 

^    Christi    in  Jerusaieni    erwarten    und    sich    bestreben,    durch 

'    'Werke  ihm  wohlzugefallen.   Die  Palingenesis  ist  also  das  Ziel 

*  eschatologischen  Erwartung  und  der  Lohn  des  frommen 

f  andele.     Dasselbe  beweist  der  Wortlaut  der  citierten  pro- 

ichen  Stelle.     Sie  enthält  kein  Wort,   welches  auf  die 

istliche   Taufe   bezogen  werden   konnte.     Dagegen    läuft 

I  hinaus  auf  die  Freuden,   welche   von  dem  „Einzug  der 

Herrlichkeit  des  Herrn"  in  Jerusalem  aueströmen.     Die  Ge- 

iburtswehen    der  Erde    und    die   Geburt  der  Kinder   Zion^ 

(reiche   diesem   Einzug    unmittelbar    vorangehen,    bedeuten 

■dem  Justin  die  Auferstehung  der  Frommen. 

Orabe'a  Vermutung  *,  dafs  die  von  Methodius,  Prokopius 
und  den  Parallela  citierte  Schrift  kein  selbstÜDdiger  Traktat, 
sondern  ein  Teil  der  Schrift  gegen  Marcion  sei,  suchte  ver- 
geblich einen  Anhalt  in  der  renommistiacben  Phrase  des 
Hieronymus,  welche  dami  durch  Vermittelung  der  griechi- 
schen Übersetzung  seines  Schriftstellerkatalogs  wie  so  man- 
ches andere  auch  in  Photius'  Bibliothek  übergegangen   ist  *. 


1)  c.  85,  p.  308  Otto  heifat  es  inbeiug  auf  die  gleich  nachher 
Ugefilhrten  Worte  aus  Jea.  66,   5—11    (v  ol;  xa\    t&   fivojii^ov   rlje 

I  näliv  (die  Codd.  miXiv  jijs)  yivfotaii  tjfiSiv  xnl  änX^;  näviiav  jBSv 
I  TÖr  XfMiridv  fv  'IfQoi'aal^u  if«v^ia&iti  npoaioxii-tatv  xal  St'  ioyuv 
1    fda^drtii'  airt^  anovdaiövtiav. 

2)  Apol.  I,  61  Otto,  p.  1G4,  6-7;  16G,  11—18.  Difd.  138  Otto, 
p.  486,  7. 

3)  Spicil.  II,  166aq.    Das   billigte  Otto,  De  Justioi  scriptis  et 
doetrioa,  p.  72  sq. 

4)  Hier.  t.  ill.  23;  PhotiDi  cod.   125  ed.  Bekker  p.  96>:  xatü 
■fnfvfBwoc  ivrtyxiiiot  i.6ym. 

3« 


36  ZABN, 

Wenn  nämlich  Hieronymus  contra  Marcumem  insigma  » 
lumina  anführt,  so  zeigt  seine  Berufiing  auf  die  Anfuhi^i 
derselben   bei  Irenäus,   welche  er   durch    Vermittelai^  iß 
Eosebius  kannte ;  dals  dieser  grolsartige   Plural  dne  Ver 
suerung   des  Hieronymus   ist.     Denn   Irenäus  spricht  gm 
einfach    von  der  Schrift    g^en  Marcion  *.      Dafs  diesefte 
aus  mehreren  Büchern  bestanden,  und  eines   derselboi  m 
der  Auferstehung  gehandelt  habe,  ist  an  sich  eine  jedes  in- 
halts  entbehrende  Vermutung,  wäre  aber  auch  auf  unaoe 
Schrift  ganz  unanwendbar.     Denn  diese  hat  es  mit  sll'  da 
Irrlehrem  zu  thun,  welche  die  Auferstehung   des  Fleisda 
bestreiten,  und  nichts  in  derselben  weist  speziell  auf  Harda 
hin.     Im  Gegenteil,  es  wäre  unverständlich ,   dafs  Jostm  is 
einem  gegen  den  Heidenchristen  und  Antijudaisten  Maran 
gerichteten  Schrift  es  so  darstellen  konnte,   als  ob  die  Tom 
Teufel  ausgesandten  Irrlehrer  aus  dem  Volke  derer,  wdche 
den  Heiland  gekreuzigt  haben,  hervorgegangen  seien  ^,  obe 
auch  nur  mit  einem  Worte  darauf  hinzuweisen,  dafs  der, 
dessen  Lehre  und  Schule  er  zunächst  in  diesem  Werke  sa 
bekämpfen  sich  vorgesetzt,  ein  Heidenchrist  sei,  welcher  die 
aus  dem  Volke  Israel  hervorgegangenen  Irrlehrer  noch  über- 
boten habe.     Aber  abgesehen  von  dem  besonderen  Orunde, 
welcher  in  einem    gegen  Marcion    gerichteten  Werke  eine 
solche  Zurückführung  der  häretischen  Gnosis  auf  das  jüdisclie 
Volk  unwahrscheinlich  machen  würde,  entspricht  die  hiesige 
Darstellung    wohl    den    Anschauungen  Justin's.     Er    nennt 
als  die   von   den   Dämonen  ausgesandten   Menschen,   deren 
Anhänger  sich  fälschlich  den  Namen  Christen  beilegen,  vor 
allem  Simon  den  Magier  und  den  Menander,   beides  Sama- 
riter', und  er  rechnet  die  durch   angebliche  Herkunft,  Ge- 


1)  Iren.  IV,  6,  2  =  Eus.  h.  e.  IV,  18,  9. 

2)  Resurr.  10,  p.  248  ixki^d/Liivoi  avrous  ix  rßv  araiiHoauvTtav 

3)  Apol.  I,  26,  56;  Dial.  120.  llber  das  o/  t\nu  tovjmi^  ÖQ^ta- 
fjifvoi  .  .  X(uaTiavo\  xaloüvrai  vgl.  GöttiDger  gel.  Anz.  1873,  S.  1543. 
Die  Behandlung  der  Stelle  bei  Harnack,  Zur  Quellenkritik  der 
Gesch.  des  Gnosticismus,  S.  20,  und  Lipsius,  Quellen,  S.  9.  22 f., 
befriedigt  nicht. 


STUDIEN  ZU  JL'STIN.  St'9 

BSbeobachtung  fBeschneidung)  und  Measiaacrwartiing  den 
^^llden  gleichstehenden  Samariter  mit  den  Juden  zusammen 
^"|l  dem  Hause  Jakob'a  und  Volke  Israel,  von  welchem  nach 
^'ite  prophetischen  Weißsagung  nur  wenige  und  weniger 
^^i^te  als  aus  den  Heiden  an  Christus  gläubig  geworden 
ibid '.  Also  nicht  von  den  Heiden ,  sondern  von  den 
^Äiristusfeindlichen  Volksgenossen  und  Landsleuten  Jesu  iat 
^  "^Bch  den  anerkannten  Schriften  Justin's  wie  nach  der  an- 
^gefocJitenen  Schrift  über  die  Auferstehung  die  dämonische 
Irrlehre  überhaupt  und  die  Leugnnng  der  Auferstehung  ins- 
-    besondere  ausgegangen. 

Sehr  beaelitenswert   ist   endlich,   dafs   der   Satz   rfjg    dt 
Eltj^e/ai,-   laxi'^ötiQOv   oiÖiv   {resurr.    1,   8}   beinah   wörtlich 
riederkehrt  in  einem  durch  mehrere  Florilegien  dem  Justin 
iriebenen  Fragment  (Otto  II,  258,  Nr.  VII  b.  unten 
K9.  44  Aom.  a). 


im.    DiohtDcg   and  Wahrheit  In  Jnatin's  Dialog   mit 
dem  Jnden  Tryphon. 

Wie  »ich  die  Darstellung  Justin's  in  dieser  Schrift  zu  wirk- 
lichen Erlebnissen  Justin's  und  sonatigen  in  dieser  Schrift  be- 
rührten Thatsachen  verhalte,  würden  wir  vielleicht  ein  wenig 
deutlicher  erkennen,  wenn  die  einzige  Handsclirift,  auf  welcher 
der  Text  des  Dialogs  wie  der  Apologieen  beruht ',  uns  den 
Dialog  vollständig  erhalten  hätte.  Eine  in  der  Handschrift 
durch  nichts  angezeigte  Lücke  nach  der  Mitte  des  gedruckten 
Textes  ist  anerkannt,  aber  nicht  genügend  gewürdigt  worden  *. 


1)  Apol.  I,  53.  p.  142,  4-144,  13. 

3)  Eb  ist  der  Paris,  gr.  450,  geschrieben  a,  13li4,    von   welchem 

1    der   BOgeoainite  Claromonttuius,  jetzt  in  Cheltenham ,   eiue  junge  Äb- 

I   achriftiat.    Vgl.  Uurnack,  Überlieferuug d.  gricch.  ApologeUo,  S.  B8. 

3)  Dial.  c.  74  Otto',  p.  2li6,  d.   7.     Sehr  flüchtig   ist  Pr.  Maran, 

dem  sieb  Otto  anBchlicrst,  auch  in  den  Prolegg.  (abgedr.  in  Otto'a 

Corp.  apol.  IX,  23^—235)  über  die   Frage  nach  der  Integrität  hin- 

Ehcuso  Semisch,  Justin  I,  lU4f.    Bei  Engelhardt, 

,   Überlief,  der  Apol.,  S.  149.   173 f.    finde  loh 

■  SOI  Sache. 


38  21BV, 

Die  Annahme  Maran'si  dals  dort  nur  ein  Paar  das  CStat 
aas  Deut  31,  16 — 18  einleitende  und  vorne  vervollst&n- 
digende  Worte  ausgefallen  seien,  hätte  nicht  die  triftigen 
Bemerkungen  älterer  und  besserer  Patristiker  verdrängen 
sollen.  Man  mag  sonst  von  Justin's  schriftstellerischer  Kunst 
sehr  gering  denken,  die  äuiisere  Einrahmung  des  Dialogs 
ist  nicht  ungeschickt  Der  Eingang  wie  der  Schluls  des 
Ganzen  giebt  ein  anschauliches  Bild  der  Situation.  Aber 
auch  im  Verlauf  der  breiten  theologischen  Erörterung  wird 
die  Scenerie  und  der  Fortschritt  der  Handlung  nicht  aoiser- 
acht  gelassen.  In  der  Frühe  eines  Tages  beginnt  das  G^ 
sprach  in  den  Spazierwegen  eines  Gymnasiums  (c.  1,  n.  2); 
es  bleibt  nicht  unbemerkt,  dals  nach  langer  Verhandlung 
der  (Tag  bereits  weit  vorgerückt  sei  (c.  66  vor  n.  37). 
Wenn  Tryphon,  der  hierauf  aufinerksam  macht,  zugleich 
bemerkt,  dals  er  und  seine  Genossen  auf  die  Disputation 
nicht  vorbereitet  gewesen  seieu;  so  scheint  Justin  auf  beides 
zugleich,  auf  die  bevorstehende  Auflösung  der  Gesellschaft 
fUr  diesen  Tag  und  auf  die  dadurch  gegebene  Möglichkeit 
einsamer  Beschäftigung  mit  den  Gegenständen  der  Verhand- 
lungen hinzuweisen,  indem  er  kurz  vor  der  Lücke  (c  74, 
n.  2)  seinen  Gtegnern  die  unbefangene  Erwägung  eines  vor- 
her citierten  Psalmworts  empfiehlt  und  dies  durch  die  Ver- 
sicherung bestätigt:  „Denn  so  werdet  ihr  auch  viele  andere 
Aussprüche  des  heiligen  Geistes,  wenn  ihr  in  euer  Quartier 
gekommen  seid  ^,  verstehen  können.'^  Bald  nach  der  Lücke 
aber  sehen  wir»  dafs  inzwischen  ein  zweiter  Tag  angebrochen 
ist  Es  wird  auf  das  Gespräch  des  vorigen  Tages  zurück- 
gewiesen, und  das  wiederholt  sich  nicht  weniger  als  sieben- 
mal '.  Auch  dafs  der  zweite  Tag  sich  zu  Ende  neige, 
wird  bemerkt  (c.  137,  n.  14).  Dazu  kommt,  dals  die  Ge- 
sellschaft eine   sehr  andere  geworden  ist.     Nachdem   schon 


1)  So  ist  nach  der  Situation  das  xaO-^  iavrovs  y€v6fA€voi  zu  Yer- 
stehen. 

2)  c.  78,  n.  14  (cf.  c.  70,  n.  8—14);  c.  85,  n.  15.  16  (cf.  c.  36?); 
c.  85  zwischen  n.  24  u.  25;  c.  92,  n.  11—12;  c.  94,  n.  8—9;  c.  118, 
n.  14—15 ;  c.  122,  n.  6—7. 


BTVUIES  ED  JUSTIN. 

ziemlich  zu  AnfaDg  des  ersten  Tages  zwei  von  TiyphoQ's 
Begleitern  apottead  über  den  Eifer  der  Zurückbleibenden 
Ton  dannen  gegangen  sind  {c.  9,  n.  6),  bleiben  aufser  Justin 
nnd  Tryphon  noch  mindestens  vier  zurück  (c.  56,  n.  30). 
Am  zweiten  Tage  ist  die  Gesellschaft  eine  viel  zahlreichere. 
„Wie  im  Theater  schrieen  einige  von  den  am  zweiten  Tage 
Gekommenen  auf"  (c.  122,  n.  6).  Es  hat  sich  ein  form- 
ficfaer  Zuhörerkreis  um  die  Hauptpersonen  gesammelt,  wei- 
hten Justin  mit  ausnahmslosem  Erfolg  zu  einer  zustimmen- 
den  Erklärung  auffordert  (c.  129  extr.,  13U  in.).  Einer  der 
Heuhiozugekommenen  wird  gelegentlich  Mnaseaa  genannt 
(e.  85,  vor  n.  25);  ein  zweiter  wird  ohne  Namen  redend 
«Dgeführt  (c.  94,  n.  8).  Mit  Rücksicht  auf  diesen  Zuwachs 
wird  manches  rekapituliert,  was  schon  am  Tage  vorher  ver- 
lundelt  worden  ist  oder  sein  soll  (c.  76,  n.  14;  c.  85,  n.  15; 
a  92,  n.  11;  c.  118,  n.  U;  c.  137,  n.  12),  Es  bedarf 
(loch  wohl  keiner  weiteren  ÄusfUhi-ung,  dafs  es  dem  Cha- 
nkter  der  Schrift  vollständig  widerspricht  anzunehmen,  dals 
Jnstia  diesen  Wechsel  der  Scene  mit  Stillschweigen  üher- 
guigen  habe.  Dafs  einer  lächelt  (c.  1,  n.  17),  andere  laut  auf- 
lachen (c.  6,  n.  8),  dafs  Justin  den  Tryphon  anblickt  (c.  122, 
n.  6 — 7),  oder  Tryphon  ihm  durch  Zunicken  seine  Zustim- 
aong  zu  erkennen  g^eht  (c.  123,  n.  23);  dafa  der  verhal- 
tme  Zorn  auf  dem  Gesicht  des  einen  sich  widerspiegelt, 
und  die  Absicht  der  Beschwichtigung  in  der  gedämpften 
Stimme  des  anderen  sich  ausdrückt  (c.  79  in.);  dalä  ein 
Teil  der  Gesellschaft  auf  einer  Stfiinbank  sitzend  über  einen 
ganz  anderen  Gegenstand  sich  unterhält  (c.  9,  n.  7);  das 
Vorrücken  der  Tageszeit,  für  den  Inhalt  gleichgültige  Eigen- 
Bunen  u.  dgl.  m.  hätte  Justin  zur  Belebung  der  Darstellung 
rachlich  angebracht,  und  den  das  Ganze  in  zwei  Hälften 
tölenden  Scenenwechsel  hätte  er  sogar  anzudeuten  Tergeeaen! 
r  In  Wirklichkeit  hat  die  Besclireibung  des  Schlusses  des 
ersten  und  des  Anfangs  des  zweiten  Gesprächstages  in  der 
Lücke  gestanden.  DaCs  aber  nicht  nur  der  Scenenwechsel 
sondern  auch  noch  manches  andere  ausgefallen  sei,  ist  längst 
Imnerkt  und  nur  durch  unzuüeffende  Ausreden  wieder  be- 
rtrittea  worden. 


u 


40  ZAHN; 

Am  zweiten  Tage  sagt  Tryphon  *:  ;,Sage  mir,  bekennt 
ihr  in  Wahrheit;  dafs  dieser  Ort  Jerasalem  wieder  auf- 
gebaut werden  wird,  und  erwartet  ihr,  dab  euer  Volk  ver- 
sammelt werden  und  mit  Christus  sich  freuen  werde  samt 
den  Patriarchen  und  Propheten  und  den  Heiligen  von  un- 
serem Geschlecht  oder  auch  mit  denjenigen,  welche  vor  der 
Ankunft  eures  Christus  Proselyten  geworden  sind,  oder  bist 
du  nur,  um  in  der  Disputation  einen  scheinbaren  Si^  über 
uns  zu  gewinnen,  dazu  geschritten,  dies  zu  bekennen ?'' 
Justin  antwortet:  „So  ein  elender  Mensch,  o  Tryphon,  bin 
ich  nicht,  dafs  ich  anderes  sage,  als  ich  denke.  Ich  habe 
dir  also  schon  früher  bekannt,  dafs  ich  meinerseits  und 
viele  andere  so  denken,  so  dafs  wir  durchaus  wissen,  dafs 
dies  geschehen  wird.  Dafs  aber  anderseits  auch  viele  An- 
hänger dos  reinen  und  frommen  Christenglaubens  dies  nicht 
anerkennen,  habe  ich  dir  angedeutete^  Schon  die  Frage 
Tryphon's  und  vollends  die  Antwort  Justin's  läfst  darüber 
keinen  Zweifel,  dafs  Justin  an  einer  früheren  Stelle  des 
Dialogs  nicht  nur  die  chiliastische  Lehre  in  der  hier  beschrie- 
benen Fassung  vorgetragen,  sondern  auch  auf  Meinungs- 
verschiedenheiten hierüber  unter  den  übrigens  glaubenseinigen 
rechtgläubigen  Christen  hingewiesen  hat.  Letzteres  Moment 
ist  jedenfalls  an  keiner  einzigen  der  Stellen  des  erhaltenen 
Textes ',  worauf  man  hier  eine  Rückverweisung  hat  finden 
wollen,  zu  finden;  aber  auch  die  übrigen  Momente,  insbe- 
sondere dafs  dieses  wirkliche,  jetzt  verwüstet  daliegende  Je- 
rusalem wieder  aufgebaut  werden  wird,  kann  man  nur 
zwischen  den  Zeilen  lesen ,  und  auch  dies  nur  .  in  weiter 
Entfernung  von  unserer  Stelle.  Also  haben  diese  Dinge  an 
einer  jetzt  abhanden  gekommenen  Stelle  d.  h.  entweder  am 
Ende  des  ersten  oder  am  Anfang  des  zweiten  Gesprächs- 
tages, in  der  Lücke  c.  74  gestanden.  Man  sieht  auch  noch 
deutlich  genug,  woran  Justin  die  ausgefallene  Erörterung 
angeschlossen   hatte.     Nachdem   er   c.   73   zuerst  einen   ein- 


1)  c.  80  in.     Ich  folge   Otto's  Text,  nur  dafs  ich  p.  288,  n.  5 
Intamad^tti.  lese. 

2^  Otto  citiert  vergeblich  c.  25.  26.  35.  40.  45.  49.  51. 


^^^  STUDIEN  ZU  JUSTIN.  41    ^^H 

Hp&en,  angeblich  von  den  Juden   f^efltlschten  Spruch,   dnnn  ' 

HBrn  ganzen  Text  des  95.  (al.  96)  Psalms  citiert  liat,  erbittet 
BUhr  mch  c.  74  für  die  nun  vorzutragende  Auslegung  deBselbeo 
Baganz  besonders  die  Aufmerksamkeit  der  Zuhörer;  sie  soll 
■iÜiiien  ein  Leitfaden  für  ihr  einsames  Nachdenken  über  viele 
'"  tdere  Bibelworte  sein.  Nachdem  er  dann  kaum  über  die 
wrmals  vorgeführten  drei  ei-sten  Verse  des  Psalms  ange- 
igen  hat  sich  zu  verbreiten,  reifst  der  Faden  ah.  Es 
rateht  aicli  daher  von  selbst,  dafs  zunächst  die  weitere,  so 
^wichtig  angekündigte  Auslegung  des  Psalms  gefolgt  sein 
Biafs.  Diese  aber  mufste  auf  das  Thema  vom  zukünftigen 
Königreich  Christi  führen.     Das  schon  c.  73  besonders  her-  ' 

isgehobene  Wort:  „Saget  unter  den  Völkern,  der  Herr 
t  König  geworden  vom  Holze  her",  mochte  ja  an  sich 
F  eine  mit  der  Erhöhung  Jesu  beginnende  Königsherr- 
laFl:  bezogen  werden,  aber  nicht  im  Zusammenhang  dieses 
iilmes,    aus    welchem    Justin    zum    Schlafs    citiert:    „Er  I 

kommt,  er  kommt  zu  richten  die  Erde.     Er  wird  den  £rd> 
Iboden   mit   Gerechtigkeit  und  Völker   mit  seiner   Wahrheit 
I  lichten," 

I  Auf  ein  drittes  ausgefallenes  Stück  weist  c.  79,  n.  1  hin. 
f  Cteschlagen  durch  die  von  der  Lücke  an  fast  ununterbrochen 
fortlaufende  exegetische  und  historische  Beweisführung  Justjn's 
schickt  sich  Tryphon  an,  einzelne  von  Justin  vorgetragene 
Auslegungen  und  Meinungen  als  künstlich  und  sogar  läster- 
lich zu  bestreiten.  Als  Beispiel  führt  er  an,  dafs  Justin  von 
Engeln  spreche,  welche  böse  geworden  imd  von  Gott  ab- 
gefallen seien.  Die  Unterlage  dafür  sucht  man  doch  völlig 
vergebhch  in  c,  77,  n.  20,  wo  „die  Macht  von  Damascus 
und  die  Beutestücke  Samarias"  auf  die  Slagier  gedeutet 
werden,  welche  als  arabische  Heiden  eine  Beute  des  in 
Damascus  hausenden  bösen  Dämons  gewesen  seien.  Wenn 
Mch  Tryphon  auf  diese  Stelle  bezöge,  wo  der  Name  Engel 
gar  nicht  vorkommt  und  vollends  vom  moralischen  Fall 
irgendwelcher  Engel  gar  keine  Rede  ist,  so  hätte  er  erstens 
unglaublich  viel  in  eine  beiläufige  Bemerkung  Justin's  hin- 
p  eingelegt  und  zweitens  mit  einem  ganz  unzutreffenden  Aus- 
Vdruck  die  Meinung    beatritten,    dafs    auf   dem   Gebiet   dQft 


4S  ZäSB, 

Heidentums  böse  Dftmonen  ihr  Wesen  traibeiL  l^d  Ab 
könnte  man  sich  auf  eine  etwas  weiter  sarück]i^;eQde  Siele 
berufen,  wo  ganz  beilttufig  neben  die  von  Gottes  Wik 
abgefallenen  Menschen  auch  ebensolche  Ekigel  gestellt  icr 
den  K  Aber  auch  diese  genügt  nicht  als  Unterlage,  nlit 
▼ielmehr  ihrerseits  eine  vorangegangene  auadrfiddidie  & 
klftrung  hierüber  voraus.  Dab  mehr  auf  die  Engel  iml 
Dämonen  Besügliches  im  voUstindigen  Text  des  Dialop 
gestanden  hat,  zeigt  die  Bechtfiartigung  Juatin's.  Dsnadi 
ist  auch  eine  (Gegenrede  Tryphon's  ausgefisUen,  worin  dien 
sich  auf  SacL  3,  If.  und  Hiob  1,  6  berufen  hatte'.  Di 
beide  Stellen  dAmonologischen  Inhalts  sind,  so  darf  miB 
vermuten,  dals  Tryphon  sie  in  demselben  ZusammeDhaDg 
angeführt  hat,  in  welchem  Justin  die  anstöikige  Bemerinog 
über  gefallene  Engel  gethan  habe.  Sicher  aber  ist,  dab 
dies  in  der  Lücke  c  74  gestanden  hat 

In  c   85  entschuldigt   sich  Justin  ausführlich   darüber, 
dals  er  mit  Rücksicht  auf  die  am  zweiten  Tage  neu  hnisit- 
gekommenen  Zuhörer  eine  schon  am  ersten  Tage  angefblirtB 
Psalmstelle  noch  einmal  vorbringe.    Und  zwar  will  er  sie 
damals  angeführt  haben,    um  zu   zeigen,   dals  GK>tt  selbst 
lehre,  es  gebe  Engel  und  Eri^sheere  im  Himmel     Es  ist 
aber  weder  der  Psalm  148,  dessen  Anfang  hier  citiert  wird, 
noch  eine  ähnliche  Stelle  zu  dem  hier  angegebenen  Zweck 
in  dem  vorangehenden  Teil  des  Dialogs  angeführt   worden. 
Also  hat  auch  dies  in  der  Lücke  und  sswar  in  dem  ver- 
lorenen   SchluTs  des   ersten    Qesprächstages  gestanden.     In 
c.  105  beruft  Justin  sich  darauf,  dafs  er  aus  der  Geschichte 
von   der  Hexe  zu  Endor  die  Fortexistenz   der  Seelen  be- 
wiesen habe.     Der  Versuch  unter  Berufung  auf  die  gram- 
matischen  Handbücher  dem  Aorist  dTcidei^a  ifuv  die  Be- 


1)  c  76,  n.  11  xal  roifg  änoajdptag  rffs  fioviffg  avtoO  dfioim^  äv 
d-qtanovg  i)  äyyiXovg. 

2)  c.  79,  n.  8  wj  xal  avrög  ifAvfjfjiovtvaas ,  n.  11  (u;  xal  avrog 
tifprig.  Auf  eine  abhanden  gekommene  Äufserung  Tryphon*8  scheint 
«ich  auch  c.  80  in.  zvl  beziehen  ilnov  nQÖg  at  xrX.  Es  folgt  dann  die 
Berufung  auf  die  bereits  besprochene  eschatologische  Äufserung 
JD0tin*8. 


8TDDKN  Zu  JUSTIN.  43 

ntong  tu  geben:  „das  will  ich  euch  hiennit  bewiesen 
scheitert  nicht  nur  an  der  Analogie  der  justiDlschen 
*,  aoudem  vor  alicm  daran,  dafs  man  danach  eine 
^hwirklicte  Beweisführung  erwarten  mlifste.  Statt  dessen  wird 
■^  Sofort  zu  einer  Verallgemeinerung  des  angeblich  inbezug  auf 
[Duel    Bewiesenen    fortgeschiitten.     Also    auch   diese  Be- 

irung  ist  ausgefallen. 
Am  Schlufs  des  Ganzen  spricht  Tryphon  in  einer  Weise 
wn   der   Absicht  Justin's,    sobald    als   möglieb    in   See   zu 
,  dals  eine  darauf  bezügliche  Mitteilung  Justin's  an  ihn, 
.  bifl  dahiu  ihm  völlig  Unbekannten,  vorangegangen  sein 
paaTs.     Und   wo    könnte   eine   solche   passender   angebracht 
gewesen  sein  als  am  Scblufs  des  ersten  Tages,  bei  der  Jjn- 
idung,  sofort  am  nächsten  Tage  das  Gespräch  fortzusetzen. 
Es  ist  nicht  jedem  gegeben,  in  alle  dem  die  Sorgfalt  des 
pßchriftstellera  zu  bewundem  *,   welcher   das   im  ersten  Teil, 
absichtlich,   sei   es    aus  Nachlässigkeit  Weggelassene 
i  der  Form   solcher   trügerischer  Citate   im   zweiten   nach- 
B^bolt   haben   soll.     Es   tolgt   vielmehr,   dafs  in   der  Lücke 
Tc.  74  ein  nicht  ganz   unbeträchtlicher  Teil   des  Werkes  ge- 
I  standen  hat.     Wem  das  durch  vuratebende  Darlegung  noch 
f  nicht    bewiesen    sein    sollte ,    den    wird    auch  vielleicht  die 
einfache  Beobachtung  nicht  überzeugen,   dafs  alle  diese  Be- 
rufungen auf  früher  Gesagtes,   deren  Unterlage  in   unserem 
Text  nicht  wiederzufinden  ist,  hinter  der  Lücke  vorkommen, 
und  zwar   mit  Ausnahme   von  Tryphon's  Schlufswort,   wel- 
ches ja  keine  tormliche  Berufung   auf  früher  Gesagtes   ent- 
hält, sämtlich  in  den  zunächst  auf  die  Lücke  folgenden  Ka- 
I  piteln  75 — 85,  und  dafs  dagegen  die  Berufungen  auf  früher 
Gesagtes,   welche   in   dem   ersten  Teil   vor  der  Lücke   sich 
finden,  sämtlich  auch   in   dem  Vorhergehenden   ihre   Unter- 


1)  Vgl.  «.  B.  c.  na,  n,  12;  c.  lU,  n.  7,   wo  Otto  den  richtigen 

Sinn  aicht  verksnut,  nelchen  Justin  c.   140,  n.  15   durch  ein   Iv   loic 

fft!JiKMi»fr  nur  verdeutlicht.    Die  schwierige  Stelle  c.  115,  n.  7  Ubh« 

ich  auf  sich  beruhen.    Vgl.  aber  c.  36,  n.  11. 

■  2)  So  Blaran  ProU.  bei  Otto  IX,  235  und  ähnlich  zu  mehrere^ 

H  besprochenen  Stellen.    Ebeiuo  Otto,  de  Joatini  scriptiB,  p.  2li, 


^ 


44  täsx, 

läge  haben  K  Wenn  irgendwo,  dann  gilt  doch  wohl  hier, 
da(s  daa  posl  hoe  zo^eich  ein  propier  hoc  ist  Die  Lücke 
mofii  unabsichtlich,  etwa  durch  Ausfidl  einer  oder  mehrerer 
ffiattlagen  entstanden  sein,  denn  im  anderen  Fall  würde 
der  letzte  Sats  vor  der  Lücke  nnd  das  Citat  nach  derselben 
nicht  onToDständig  gelassen  worden  sein.  Es  ist  zu  be- 
klagen, dsJs  dieser  Ausfidl  eines  jeden&lls  inhaltreichen 
Stückes  gerade  den  Schlols  des  ersten  und  den  Anfang  des 
zweiten  Gesprächstages  betroffisn  hat;  denn  eben  hier  wür- 
den wir  der  Natur  der  Sache  nach  einige  Aufklärung  mehr 
über  die  Situation  erhalten.  Wahrscheinlich  hat  auch  schon 
Justin  selbst  der  Teilung  des  Stoffes  in  zwei  Tage  ent- 
sprechend die  Schrift  in  zwei  Bücher  geteilt  Sowohl  die 
ältere  als  die  jüngere  Sammlung  der  Parallela  Sacra  *  citiert 


1)  Z.  B.  c.  86,  n.  11;  c.  56,  d.  34;  c.  62,  n.  4.  5;  c.  63  vor 
n.  2.  12;  c.  64,  n.  3.  5.  10.  18;  c.  68,  n.  20.  Otto  hatte  froher  c.  64, 
n.  18  als  ein  BeiBpiel  unbegründeter  Selbstanfohrung  genannt  (de 
JoBtini  Bcr.,  p.  26),  aber  wie  die  Anmerkung  zu  der  Stelle  aeigt, 
Beinen  Irrtum  später  eingesehn.  Es  beruht  aber  auch  auf  MiTsrei^ 
ständnis,  wenn  Otto  nachMaran  und  Semisch  (Justin  I,  104  Anm.  3 
erstes  Citat)  c.  67,  n.  11  sich  auf  eine  vorher  nicht  zu  findende  Aus- 
sage Justin*s  sich  beziehen  läfst  Wie  Tryphon  (c.  67,  5),  so  setzt 
auch  Justin  (nach  n.  10)  als  thatsächlich  voraus,  dafs  Jesus  nach 
dem  mosaischen  Gesetz  gelebt  habe.  Sie  sind  nur  uneinig  darüber, 
ob  dies  der  Grund  seines  Messiasseins  sei.  Tryphon  aber  greift  jene 
von  Justin  anerkannte  und  ausgesprochene  Voraussetzung  auf  und 
unterbricht  ihn  mit  dem  Zuruf:  „Da  hast  du  uns  ja  zugestanden, 
dafs  er  sowohl  beschnitten  wurde  als  auch  die  übrigen  Gebote  Mose*s 
beobachtet  hat."  Man  könnte  den  Satz  auch  als  Frage  £usen.  Die 
Antwort  fehlt  nicht.    Vgl.  Frage  und  Antwort,  c.  80,  n.  1^-4. 

2)  Jo.  Damasceni  opp.  ed.  Lequien  p.  357  (e  cod.  Vaticano), 
p.  754  (e  cod.  Rupefucaldino)  =  dial.  c.  82,  n.  6.  Nicht  im  cod. 
Rupef.,  wohl  aber  in  der  jüngeren  Sammlung  des  cod.  Vatic. ,  femer 
nach  Grabe  (spicil.  II,  175)  in  einem  Baroccianus  143  und  auch 
in  der  Melissa  des  Niccphorus  (cod.  Monac.  429,  fol.  117*  vgl.  meine 
Forsch.  III,  8  f.)  geht  voran  ein  anderes  Fragment  Justins  (^oöra  tö  (fß^  xrX. 
bei  Otto,  firagm.  VII,  T.  II,  258  s.  ob.  S.  37),  welches  Grabe  dem 
Dialog  zuweisen  wollte.  Aber  gerade  der  Umstand,  dafs  der  Cod. 
Vatic.  der  Parallela  es  nur  einfach  dem  Justin  zuschreibt  und  erst 
das  Folgende  dem   „zweiten  Buch   an  Tryphon",  spricht   dagegen. 

lochte  man  das  andere  Fragment,  welches  in  Parall.  Bupef. 


STUDIEN  ZU  JUSTIN.  4S" 

i  Stelle  aus  dtal.  82,  n.  6,  also  aus  dem  Bericht  über 
zweiten  Tag  des  Gesprächs  mit  dem  Lemma  r/.  roß 
TQi'iftova  ß'  ?.6yov.  Es  besteht  um  so  weniger  Ur- 
ihe,  diese  Teilung  in  zwei  Bücher  für  eine  später  einge- 
*Älirte  zu  halten ,  als  der  Dialog,  selbst  so  unvollständig  wie 
w  uns  erhalFbn  ist^  den  gewöhnlichen  Umfang  der  einzelnen 
■^Bttcher  in  der  altkirchlichen  Litteratur  bedeutend  über- 
^ttcthmtei  Ea  wird  zum  Beweise  hierfür  keiner  umständ- 
■Hchen  Berechnung  sondern  nur  einer  oberflächlichen  Ver- 
•  gleichung  mit  des  Irenäus  fünfteiligem  'Werk,  den  Stromateis 
■  dea  Clemens,  den  Büchern  des  Urigenes  gegen  Celsus  und 
■  Kirchengeschichte,  der  Präparatio  und  der  Demonstratio 
I  EusebiuB  bedürfen;  und  es  ist  nur  noch  zu  bemerken, 
iafs  diese  Autoren  nicht  selten  mit  ausgesprochener  Rück- 
■ticht  auf  die  schickliche  Länge  eines  Buches  ihre  Werke 
I  in  Bücher  eingeteilt  haben  '. 

Die  Lücke  in  der  Mitte  ist  nicht  das  einzige  Stück  des 
KalogB,  welches  uns  verloren  gegangen  ist.  Es  fehlt  leider 
Iknch  der  Anfang,  was  wiederum  für  die  litterargeachicht- 
"Uclie  Untersuchung  mehr  zu  beklagen  ist,  als  es  der  Ver- 
lust irgendeines  anderen  Teiles  wäre.  Am  Schlufa  des 
Ganzen  redet  Justin  einen  gewissen  Marcus  Pompejus  an ', 
welchem  das  Werk  nach  einer  auch  bei  den  christlichen 
Autoren  jener  Zeit  sehr  verbreiteten  Sitte  in  der  Art  ge- 
widmet war,  dafs  das  ganze  Buch  als  an  ihn  zunächst  ge- 
liebte^ gleichsam  wie  ein  Brief  an  ihn  sich  darstellte.     Der- 


p.  7ö4  dem  Satz  tMs  dial.  82  vorangeht,  dem  Dialog  zuschreiben, 
[in  es  nur  niclit  daa  rätselhafte  Lemma  bält«  fx  toB  t'  pfpovi  t^ 
Anoltyyftti  avToi>  [e.  auch  Otio,  T.  II.  p,  '262,  Nr.  XIII).  AufTalleod 
lat  jedoch,  data  die  im  Dialog  eo  gewöhnliche  Aorede  <u  iVvir^ifv  (dial. 
C.  23,  n.  4;  24  in.;  110  in.;  124  in.;  125  in.;  138  in.)  Wer  wieder- 
kehlt. In  eine  Apologie  an  den  Kaiser  pafst  sie  jedenfalls  nicht, 
wohl  aber  in  ein  Gespräch, 

1)  Clem,  ström.   II  and  III   am  SchtuTs   Tgl.    meine  Forschungen 
m,  115;  Orig.  c.  Celsum  III,  81  I.Delaruo  1,  501);  Euseb.  praep.  er. 

I  XI  am  Schlufs, 

2)  C.  41,  n.    ]&:  rdör»   ilniäy,    A  ifantjt    M,l^a^    fruiinn-t,    ?"«<- 


4fl 

selbe  ist,  ohne  dafa  sein  Name  genannt  wird,  schon  c.  6, 
n.  8  mit  (plXTcnc  angeredet.  Es  würde  nun  schon  die  na- 
mentliche Anrede  am  Schlufs,  voUenda  aber  die  namenlose 
in  e.  8  allem  Geschmack  und  allem  sohriftstelleriscken  Oe- 
brauch  '  ins  Gesicht  schlagen,  wenn  nicht  eine  kurze  Zuschrift 
an  diesen  Pompeju»  oder  eine  die  Form  einer  'Deditations- 
epistel  an  sich  tragende  Vorrede  oder  it^ndeine  den  Leser 
darüber  orientierende  Angabe  an  der  Spitze  des  Werkes 
gestanden  hätte.  Mir  wenigstens  ist  kein  Beispiel  einer 
solchen  Ungeschicktheit  aus  der  Litteratur  der  drei  ersten 
Jahrhunderte  bekannt,  so  dafs  ich  in  jedem  Fall,  welcher 
beigebracht  werden  sollte,  darin  den  ausreichenden  Beweis 
finden  würde,  dafs  das  betreffende  Werk  um  seinen  Anfang 
gekommen  sei  *.  So  aucb  der  Dialog  mit  Tryphon ,  und 
zwar  hat  das  verlorene  Stück  nicht  nur  in  einer  einzeiligen 
Adresse,  sondern  wie  das  ganz  überwiegend  Brauch  war,  in 
einem  an  Marcus  Fompejua  gerichteten  Proömium  bestanden, 
worin  unter  anderem  auch  der  Ort  des  Gesprächs  genannt 
war.  Das  ergiebt  sich  einigermafsen  schon  aus  c.  2,  n.  lO. 
Die  allein  zulässige  Erklärung  des  dortigen  «V  n;  ^fisziffq 
7i6Xei,  womit  Justin  den  Ort  bezeichnet,  an  welchem  er  an 
Schüler  der  platonischen  Philosophie  und  darauf  ein  Christ 
geworden,  ist  die,  dafs  er  damit  auf  die  Stadt   hinweist,   in 


1)  Einige  Beispiele  sind:  Joseph.  Antiqu.  pnef.  g  2;  rita  76; 
c.  ApioD.  J,  1;  It,  1.  41;  Artemid.  Oneirocrit.  I,  1  q.  82;  11,  1  o. 
70;  m,  1  u.  66;  IV,  1  u.  84  (iJ  iCxKiv);  Lucian,  de  morte  Peregr. 
1.  37.  38  (il  /rnfp).  45  (cJ  if-tl6iJig);  apologia  1.  3.  15;  macrobü  1. 
39;  Hippol.  de  Anüchr.  1.  76;  Orig.  exb.  nd  mart.  1.  14.  50:  de 
oratioue  2.  33.  Es  ist  oatürlicli  nicht  selten,  dafe  nar  lu  Anfang, 
nicht  aber  im  Verlauf  oder  am  SchluTs  des  Baches  die  Anrede  sieh 
andet  wie  bei  Lucas  Et.  1,  3;  Act.  1,  I,  bei  Lncian  Nigrinus  1 
nnd  Eusebius  h.  e.  X,  1;  praepar.  ev.  1,  1. 

2)  Die  Frage  kann  dabei  ofien  bleiben,  ob  ein  Schriftsteller  den 
Nomen  des  Freundes  oder  Gönners,  dem  er  seine  Schrift  zugedacht, 
unter  Umständen  überhaupt  UDgenaunt  lassen  mochte,  oder  ob  der 
Adressat  bei  der  Weiterverbreitung  denselben  sn  unterdrück ea  für 
gut  fand,  oder  ob  das  allemal  ein  erst  nachträglich  entrtaudenez 
Defect  ist.  S.  z.  B.  die  Proömieo  aller  fünf  Bücher  des  Ireuäns, 
auch  den  Schlols  tod  lib.  IV. 


^■^B  STUDIEN  ZU  JUSTIN.  47  1 

■■m«»   XyBtus  er   mit   Tryphoa    das   Gespräch    hält '.     An 

S.lavia  Neapolia,    den   Geburtsort  Jufltin's   ist    erstlich   schon 

^■tiaram  nicht  zu  denken,   weil  Justin   in   dem   ganzen   weit- 

Htfa£geii  Buch  nicht  ein  einziges  Mal  von  sich  in  der  Melir- 

^^abl    redet,   sondern  unter  „wir"   entweder    sich   mit   allen 

^■jOhristen,  oder  si«Ji  mit  Trjphon   und   seinen  Genossen   zu- 

■■«unmenfarst.     Ein  Mitbürger  Tryphon's   ist  er  aber  nicht; 

V  (denn   sie    sehen    sich    bei   Gelegenheit    des   Gesprächs    zum 

^  erstenmal,  und  bei  der  Vorstellung  wird  nur  konatatieit,  dafs 

Tryphon    ein    bis    vor    einiger    Zeit    in    Palästina    lebender 

„Hebräer  aus  der  Beschneidung"   sei,   dessen  Heimat  doch 

Iaicherlich  nicht  die  heidnische  Kolonie  im  Lande  der  Sa- 
na&riter  ist.  Also  kann  „unsere  Stadt"  nur  diejenige  sein, 
in  welcher  sich  Justin,  wie  es  scheint,  seit  längerer,  Trjqihoa 
■eit  kürzerer  Zeit  aufhält.  Dazu  stimmt  es,  dafs  der  Ort 
des  Gesprächs  eine  Seestadt  ist  (c.  142,  n.  3),  ebenso  aber 
»ach  jene  Stadt,  wo  Justin  sich  bekehrte;  denn  nicht  eine 
Reise  *  sondern  ein  Spaziergang,  auf  welchem  er  damals 
eines  Tages  seinen  Gedanken  in  der  Stille  nachgehen  wollte, 
föhrte  ihn  an  einen  Platz  in  der  Nähe  des  Meeres  (c.  3  in.). 
Tryphon  jconnte  ihn  nicht  uufaveratehen.  Aber  der  Leser? 
Ist  es  wahrscheinlicb ,  dafs  Justin  diesen  über  die  unter- 
geordnetsten lokalen  Verhältnisse  orientiert,  dagegen  aber 
den  Namen  der  Stadt  verschwiegen  und  da,  wo  sie  erwähnt 
wird,  als  bekannt  vorausgesetzt  haben  sollte?  Der  zweite 
Grund,  warum  vielmehr  behauptet  werden  mufs,  dafs  der 
Ort  des  Dialogs  in  dem  verlorenen  Proömium  an  Marcus 
Pompejus  genannt  war,  liegt  in  der  Art,  wie  Eusebins  (h.  e. 
IV,  18,  6)  Epheaus  als  solchen  angiebt.  Dieser  spricht  das 
ja  nicht  als  seine  Vermutung  aus,  sagt  auch  nicht,  dafs 
diee  eine  Überlieferung  sei,  sondern  teilt  es  ebenso  wie  alles 


n  Vgl.  Semisch  I,  18-21. 

2)  Gegenüber  der  Meinuiig  Otto 's ,  daTe  eiae  ßeise  von  Kcapolla 
in  die  Eiaude  am  Toten  Meere  gemeint  sei,  veifa  ich  nur  die  unbe- 
&ngene  Lesung  der  Stelle  zu  empfehlen.  Soll  der  christliche  Greis 
(c.  3)  sieb  an»  Tote  Meer  begeben  habcu,  um  aich  nncb  stünen  ver- 
leibten AngebÖrigen  imuEusehen? 


48  iJLM, 

andere,  was  er  über  den  Dialog  zu  sagen  hat,  als  gegebene 
Thatsache  mit,  d.  h.  er  schöpft  es  aas  dem  ihm  noch  voll- 
ständiger als  uns  vorliegenden  Buche  ^  Daran  zu  zweifeln 
hat  man  um  so  weniger  Anlals,  als  gar  nicht  vorstellig  zu 
machen  ist,  wie  Eusebius  oder  ein  anderer  vor  ihm  auf  die 
Vermutung  gekommen  wäre,  oder  wie  eine,  sei  es  richtige, 
sei  es  falsche  Tradition  solchen  Inhalts  das  Buch  durch  die 
beinah  zwei  Jahrhunderte  von  seiner  Entstehung  bis  zur 
Besprechung  desselben  durch  Eusebius  begleitet  haben  sollte. 
Bei  dieser,  wenn  ich  recht  sehe,  sehr  einfachen  Lage  der 
Dinge  wird  es  nicht  mehr  nötig  sein,  nochmals  die  Gründe 
zu  wiederholen,  welche  gegen  Credner's  Hypothese  entscheid 
deh,  dafs  Korinth  der  Ort  des  G-esprächs  mit  Tryphon  ge- 
wesen sei  ^.  Es  darf  vielmehr  als  historisch  gelten,  dals 
Justin  in  Ephesus  sowohl  zum  Christenglauben  bekehrt  wor- 
den ist,  als  auch  die  Begegnung  mit  einem  oder  mehreren 
Juden  gehabt  hat,  welche  sich  als  historischer  Anlafs  zur 
Ab£Bi8Sung  des  Dialogs  darstellt. 

Damit  bin  ich  schon  in  die  Beantwortung  der  in  der 
Überschrift  und  den  ersten  Sätzen  dieser  Abhandlung  an- 
gedeuteten fVage  eingetreten.  Dafs  der  Dialog  ^nicht  ein 
nach  protokollarischer  Genauigkeit  trachtender  Bericht  über 
ein  einzelnes  zwei  Tage  hindurch  in  Ephesus  zwischen 
Justin  und  Tryphon  geführtes  Wortgefecht  ist,  liegt  so  sehr 
auf  der  Hand,  dafs  es  heute  wohl  allgemein  anerkannt  wird. 
Anderseits  gilt  der  Satz  Tertullian's  hier  auch:   Nemo  tarn 


1)  Es  läfst  sich  z.  B.  in  keiner  Weise  yergleichen,  dafs  Eosebios 
h.  e.  VI,  28  den  Protoktetus,  welchem  zugleich  mit  dem  bekannteren 
Ambrosius  Origenes  seine  „Elrmunterung  zum  Martyrium '*  gewidmet 
hat,  ohne  Anhalt  im  Text  dieser  Schrift  (Orig.  ed.  Delarue  I,  274  A; 
283  B;  310  A)  einen  Presbyter  der  Kirche  vonCäsarea  nennt.  Eusebius 
ist  eben  ein  Bischof  derselben  Kirche  und  ein  Schüler  der  dortigen, 
auf  Origenes  zurückgehenden  Theologenschule,  der  das  sehr  wohl 
durch  Überlieferung  wissen  konnte,  zumal  die  Zwischenzeit  zwischen 
der  Abfassungszeit  des  Buches  und  dem  Zeugnis  des  Eusebius  nicht 
einmal  ein  Jahrhundert  beträgt. 

2)  Beiträge  zur  Einl.  ins  N.  T.  I,  99;  Einleitung  in  das  N.  T. 
I,  735.    Halbwahr  ist  jedoch  seine  Bemerkung:  „Hätte  Justin  an 

\cht,  so  mufste  er  .  .  .  dies  irgendwie  andeuten«" 


STUDIEN  Zu  JUSTIN.  49  I 

1  feriur  stUo,  ut  materias   hohem  ßngai.     Auch  ohne 
•He  verlorene  Vorrede  &a   den  selbstrerständlich  historisclicii 
VarcuB    PompejuB  '    können    wir    mit    ziemlicher   Sicherbeit 
^OD  m&nchem  Thatsäcblichen,  das  im  Dialog  vorkommt,  be- 
"twapteD,  dafs  es  rein  geschichtlich   ist.     Eh   ist   kein  Grund 
— •am  ersinnen,   warum  Justin,  wenn   es   sich   anders   verhielt, 
^  gedichtet  haben  sollte,  dafa  er  um  die  Zeit  des  letzten  grofsen 
-^jüdischen  Kriegs   (a.    132—135)    in   der  Tracht   des   Philo- 
iphen  sich  an  öffentlichen  Plätzen  zu  Ephesua  gezeigt  und 
iderholt  die  Gelegenheit   benutzt   habe,   mit  Leuten   ver- 
hiedenster  Plerkunft  als  ein  Missionar  des  Christenglaubens 
äspräche   anzuknüpfen  '.     Aber  es  ist   bereits   ein   Fehler, 
I  Trelcber  in  den  Verhandlungen  über  die  Abfassungazeit   der 
I  ßcbriften    Justin's    eine    ungebiüirlich    grofse    Kolle    gespielt 
I  lukt,    wenn   man   dies   Zeitverhältnis    des   hier    dargestellten 
1  CJeaprächs  zu  dem  betreffenden  Krieg  ohne  weiteres  zur  Be- 
Btiimnung    der  Abfassungszeit   des  Buchs    verwendet    hat '. 
jDas    führte    entweder    zu    den   unwahrscheinlichsten  Erklä- 
■.nuigen   der   betreffenden  SteUen   des  Dialogs,   oder   zu  un- 
T  baltbaren  Änsetzungen  seiner  Abfaesungszeit.     An  sich  wäre 
ja  die  Aussage  Tryphon's  (c.  1,  n.  8),  dafa  er  vor  dem  vßv 
ya'6fiEvog  7t6).tfiog,  (aus  Palästina)  geflüchtet  sei,   in  chrono- 
logischer Hinsicht  ziemlich  elastisch;   denn  Justin  selbst  be- 
dient Eich  des  gleichen  Ausdrucks  unter  deutlicher  Bezeich- 


1)  Wer  dieser  war,  verraag  ich  aicbt  zu  ermitteto.  Ältere  Ver- 
mtitUQgeD  Terzeichnet  Otto,  de  Jastioi  scriptis,  p.  23.  Ich  kecae 
nur  drei  Christen  mit  dem  sehr  genöhnlichen  Vom  amen  Marcus, 
-•reiche  der  Zeit  nach  irgend  in  Betracht  kommen  koanten,  den  ale- 
xardrinischen  Bischof  (Eus.  h.  e,  IV,  11,  6  cf.  IV,  19  und  da- 
»wischen  über  Justin  Eus.  IV,  U,  7;  c.  12;  c.  IG— 18),  den  von  Je- 
nuRlem  (Etts.  IV,  6,  4;  12,  11,  und  den  bekannten  Gnostiker,  der 
vordem  orthodox  gewesen  sein  kann. 

2)  Auf  JuBtin's  Gewohnheit  in  dieser  Weise  als  Missionar  ma 
irirken,  wird  hingeniesea  c.öOin.:  c.  58  in.;  c.  64,  n.  4;  c.  82,  n.  6; 
C  126,  n,  1—6;  cf.  u.  8,  a.  5;  c.  38,  a.  3;  c.  44  in. 

3)  So  von  Scaliger  an,  gegen  welchen  dann  Grabe,  Spicil.  II, 
162.  158  unter  der  gleichen  Voraussetzung  polemisiert«.  Ebenso 
meines  Wissens  alle  bis  zu  Engelhardt,  S.  79 f.,  letzterer  besondera 
onverhüllt  am  Schlafs  des  Abschnittes  S.  SO. 

Z«it>cbt.  f.  K.'Q.  V]JI,  J.  J.  4 


50 

nang  dee  jüdischen  EjriegeB  unter  Barkochba  aach  in  k 
Apologie,  welche  firühestens  im  Jahre  144,   alao  mfmUiiii 
neun  Jahre  nach  dem  Ende  dieses  Krieges  geschrieboi  ml 
gegen  jeden   Verdacht   einer    poetischen    Zorftckvenetoun 
sicher  ist  ^     Dais  Tryphon  seit  seiner  Flacht  von  Paliitai 
in  Argos  gewesen  und  meistens  in   Griechenland  und  be- 
sonders in  Eorinth  sich  angehalten  hat ',  hat  bei  num^ 
freilich  ohne  Ghrund,   die  Vorstellang  erweckt,  als  ob  diie 
längere  Reihe  von  Jahren   zwischen    der    Beendigni^  fa 
Krieges  und  dem  G^prftch  zu  Ephesus  liegen  scÄte.   Di- 
gegen  entscheidet  aber  die  andere  Stelle  c.  9,   n.  8.   Dk 
Begleiter   Tryphon's   unterhalten    sich   beim    Eüntritt  einer 
Pause  in  der  Disputation  über  den  Krieg   in  JudSa  olrne 
jede  andere  Veranlassung,  als  dals  einer  von  ihnen  das  Ge- 
spräch darauf  gebracht  hat,  und  ohne  dais  irgendein  Zweck 
ersichtlich  würde ,  zu  welchem  Justin  eben   dies   als  Thema 
eines   Seitengesprächs   genannt   hätta     Es  gehört   ledi^kb 
zur  Staffitge,   wie  die  steinernen  Bänke,    auf  welchen  die 
Gesellschaft   sitzt     Den  Juden  in  Ephesus  liegt  der  Eiieg 
in  Palästina  im  Sinn^  wie  uns  die  politischen  TsgesereigniflN. 
Wollte  ich  hier  beispielsweise  eins  nennen,  so  würde  sidi 
in  der  Zwischenzeit  zwischen  der  Au&eichnung  dieser  Zeflen 
und  der  Veröffentlichung  derselben  vielleicht  eine  ähnliche 
Inkongruenz  herausstellen,  wie  sie  zwischen  dem  mündlichen 
Gespräch  und   dem   geschriebenen  Dialog  hier  zutage  tritt 
Das  Gespräch  giebt  sich   als  ein   solches,   welches  zur  Zeit 
des  Barkochbakriegs    gehalten    worden  ist     DaTs   derselbe 
bereits  beendigt  sei,  ist  nicht  einmal  deutlich  gesagt';  was 
Tryphon  über  seinen  Aufenthalt  in  Griechenland  sagt,  hat 


1)  Apol.  I,  81.  Seit  meiner  Darlegang  des  Standes  der  Frage 
in  dor  Theol.  Litteraturzeitung  1876,  S.  443—446  scheint  niemand 
die  Chronoloffie  dor  Schriften  Justin's  neu  untersucht  zu  haben.  Vgl 
llarnaok,  Überlief,  der  Apologeten,  S.  180,  Anm.  67. 

2)  c.  1,  n.  8.  8.  Ganz  unrichtig  wird  z.  B.  bei  Fabric.  bibl.  gr. 
ed.  Harles  VII,  62 sq.  rä  nolXci  durch  multo  tempore  übersetzt. 

8)  In  Erinnerung  an  die  bekannten  Streitigkeiten  über  Job.  18, 2 
möchte  ich  nicht  weitläufig  über  röv  vOv  ytvdfAfvov  TtdUfiop  diaL  1 
und  /!#())  roO  xatä  tifp  ^iovdatav  yiPOfAivov  noX/fiov  dial.  9  reden. 


TöUig  Baum  innerbalb  des  S^jährigen  Verlaufs  des  Krieges  *; 
und  erst  später  und  ganz  beiläufig  wird  auf  das  kaiserliche 
Edikt  Rücksicht  genonmien ,  welches  nach  Vollendung  des 
Erieges  den  Juden  den  Eintritt  in  Jerusalem  verbot  *. 
Anderseits  ist  das  Buch  erst  nach  der  Apologie,  also  &ilh- 
ilens  um  145,  wahrscheinlich  noch  einige  Jahre  später  ge- 
iciirieben  worden.  Zwischen  der  innerhalb  des  Gesprächs 
Torausgesetzten  Situation  und  der  Abfassung  des  Buches 
li^  mindestens  ein  Decennium.  Dafs  Justin  die  nur  zur 
Zäl  der  Abfassung  des  Buches  möghche  Berufung  auf  die 
Apologie  sich  selbst  im  Gespräch  mit  Tryphon  in  den  Mund 
legt  (c  120,  n.  20),  ist  eine  offenbare,  aber  völlig  harmlose 
Vermischung  der  Gegenwart  des  Schrii'tatellers  mit  dem 
rergangenen  Moment,  in  welchen  er  seine  Leser  zurilck- 
Tersetzt  hat  Sie  steht  keineswegs  allein.  Der  angenomme- 
nen Situation  entspricht  es,  wenn  Justin  dem  Tryphon  an- 
kündigt, dafs  er  das  ganze  Gespräch  so  vollständig  wie 
n^lich  Bohriftlich  aufzeichnea  werde  (c.  80,  n.  8).  So 
wird  denn  auch  meistens  auf  frühere  Stellen  des  Dialogs 
mit  Trqoeinov ,  Tiqoiif^y,  le  /rpoAfÄt/fifva  zurückgewiesen. 
Zuweilen  aber  vergifst  der  Autor  oder  ignoriert  es  vielmehr, 
dalis  er  ein  früher  stattgehabtes  Gespräch  zu  reproduzieren 
lut,  und  sagt  vom  Standpunkt  des  Schriftstellers  aus,  wel- 
cher das  ganze  Gespräch  erst  jetzt  schreibend  schafft,  &g 
it^iy^anTm  ,  5tä  t&v  nQoyeyQafifjiyujv  X&ytav '.  Dann 
braucht  man  sich  auch  nicht  abzuquälen,  um  die  einander 
widersprechenden     Angaben     durch     schlechte     exegetische 

I  Künste  mit  einander  auszugleichen.  Die  zu  Anfaug  des 
bea  (c.  1,  n.  8;  c.  9,  n.  8)  dem  Tryphon  und  seinen 
[eitern   in    den   Mund    gelegten    Bezugnahmen   auf  den 

I  Bii^ochbakrieg   als    ein   Ereignis   der   nächsten  Vergangen- 


1)  Vgl.  Schfln 

2)  DiaL  c.  16,  i 

3)  c.  43,  D 


,  Nentestam.    Zeitgesch.  S.  355— 3C1. 
7;  c.  92,  n.  7;  deutlicher  Apol.  I,  47. 

.   3   (hier   sogar   mit    der  Anrede    ifitv). 


I  Ab  «nderen  Stellen  wird   das   dadurch  Termieden,   dafs  Justin   in   er- 
I  Alcndem  Ton  die  dramatische  Darstellung  unterbricht:  c.  78,  d 
a  '''oitl^ii  ^  Kai  n^ty^atpa  .  .  niquioTiiiv.     Ebenso  c.  128,  n.  2 


62  ZAHN, 

heit  bezeichnen  die  Zeit^  in  welcher  das  Qesprich  sa  S^^ie« 
SOS  Btattgefunden  haben  soll  Die  Bernfiing  auf  die  Apo- 
logie (c.  120)  bezeichnet  den  Zeitpunkt,  nach  welchem  der 
Dialog  abgefafst  ist  Es  fragt  sich  nur,  ob  die  gleichftlls 
an  die  Apologie  erinnernden  Bemerkungen  über  die  Aus- 
weisung der  Juden  aus  Alia  Capitolina  und  über  ihr  gegen* 
wärtiges  Unvermögen,  die  Christen  thatsächlich  zu  verfolgen 
(c  16.  92),  ebenso  wie  jene  förmliche  Berufimg  auf  die 
Apologie  als  harmloser  Anachronismus  zu  beurteilen  sind, 
oder  ob  dadurch  die  Situation  des  Gesprächs  in  Ephesus 
dahin  näher  bestimmt  werden  soll,  dafs  der  Ejri^  damals 
völlig,  wenn  auch  kürzlich  erst  beendigt  und  seine  Folgen 
ftkr  die  jüdische  Nation  bereits  in  der  Welt  bekannt  ge- 
worden waren.  In  letzterem  Falle,  welchen  ich  für  den 
weniger  wahrscheinlichen  halte,  würde  das  Jahr  135,  im 
anderen  Falle  die  Jahre  132 — 135  als  die  Zeit  des  Ge- 
sprächs dem  Leser  vergegenwärtigt  sein.  Es  ist  kein  Grund 
abzusehen,  warum  Justin,  als  er  um  150  das  Werk  aus- 
arbeitete, das  Gespräch,  in  dessen  Form  er  seine  Apologie 
dem  Judentum  gegenüber  einkleidete,  in  jene  merklich 
frühere  Zeit  und  nach  Ephesus  verlegt  haben  sollte,  wenn 
er  nicht  wirklich  um  135  nach  längerem  Aufenthalt  jene 
Stadt  auf  dem  Seewege  verlassen  und  vorher  Gelegenheit 
gehabt  hätte,  mit  Juden  zu  disputieren. 

Diesen  ephesinischen  Aufenthalt  Justin's  als  einen  meh- 
rere Jahre  andauernden  vorzustellen,  ist  einmal  dadurch 
nahegelegt,  dafs  im  anderen  Falle  die  Bezeichnung  von 
Ephesus  als  i}  fj^ez^qa  7c6hg  befremdlich  erscheinen  müfste, 
sodann  aber  durch  die  Erzählung  von  seiner  Bekehrung  in 
eben  dieser  Stadt  (c.  2—8).  Dafs  er  inzwischen  auswärts 
gelebt  habe,  ist  nicht  angedeutet  Seit  seiner  Bekehrung 
aber  mufs  er  sich  eine  geraume  Zeit  mit  dem  Studium  der 
alttestamentlichen  Schriften  beschäftigt  haben,  nicht  nur  ehe 
er  ein  Buch  wie  dieses  schreiben  konnte,  sondern  auch  um 
sich  auf  solche  Disputationen  mit  Juden  einzulassen,  wie  er 
sie  um  135  gehabt  haben  will.  Gegen  die  wesentliche  Ge- 
schichtlichkeit der  Bekehrungsgeschichte  im  Dialog  ist  ein 
beachtenswerter  Grund  nicht  vorgebracht  worden  und  nicht 


8TDDIEII  Xa  JUSTIN.  53 

voriubringen.  Nicht  der  sonstige  tbeolo^scbe  Inhalt  des 
Dialügs  und  nock  weniger  die  gegDerische  Hauptperson  dea- 
lelben  hat  gerade  diese  Darstellung  hervorgerufen.  Sie 
tingt  gleicbBam  an  dem  Bicherüch  lüsto riechen,  weil  im  an- 
deren Fall  höchst  lächerlichen  Philosophen mantel,  welch«' 
dem  Justin  den  ersten  Grufs  Tryphon's  einträgt.  Sie  stimmt 
ferner,  wie  Semisch  I,  16  f.  gut  gezeigt  hat,  in  entscheiden- 
den Punkten  mit  den  Andeutungen  der  Apologie,  der  Schrift 
Ton  der  Auterstehung  und  dem  Martyrium  Juatiu'e  überein. 
Der  wesenthche  Unterschied  besteht  darin,  dafs  nach  der 
i^logie  der  Eindruck  von  der  sittlichen  Hoheit  und  Rein- 
ieit  des  Lebens,  insbesondere  auch  von  der  Miirtyrerfreadig- 
küt  der  Christen  ihn  von  der  Unwahrheit  der  gegen  sie 
VnUufenden  Verleumdungen  überzeugt  und  der  christlichen 
tiäm  geneigt  gemacht  habe  ',  ein  Zug,  welcher  in  der  Be- 
kehrangsgeschichte  des  Dialogs  nicht  wiederkehrt.  Aber  so 
vriditig  wie  die  Betonung  dieses  doch  immer  nur  vorbe- 
rciteoden  oder  bestätigenden  Moments  für  den  Zweck  der 
w  die  Regierenden  gerichteten  Apologie  war,  so  ungehörig 
wSre  eine  Betonung  desselben  im  Dialog  gewesen ,  wenn 
anders  der  Charakteristik  Tryphon's  wirkliche  Eri'ahrungen 
Mgmnde  liegen,  und  Justin  durch  seinen  Dialog  auf  Leute 
»on  Tryphon's  Denkweise  zu  wirken  beabsichtigte.  Denn 
Tryphon  zeigt  sich  von  vornherein  über  die  landläufigen 
Verleumdungen  der  christlichen  Moral  erhaben.  Die  den 
Christen  schuldgegebenen  Greuel  streiten  zu  sehr  gegen 
f,die  menschliche  Natur",  als  dafs  sie  der  Ausdruck  der 
flrundgätze  einer  grofsen  Gesellschaft  sein  könnten.  Zudem 
l»t  Mch  Tryphon  durch  eigene  Lektüre  des  Kvangehuma 
Ton  der  sitthchen  Hoheit  der  christlichen  Lehre  überzeugt  ■, 
Daher  genügte  es  dem  Apologeten  vollkommen,  diese  Zu- 
psländniBse  dem  Widerpart  in  den  Mund  zu  legen.  DsJÄ 
«  selbst  vor  seiner  Bekehrung  jenen  Gerüchten  wirklichen 
Glauben  geschenkt  habe,  sagt  Justin  auch  in  der  Apologie 
tuäA,  und  dafs  er  bei  seiner  Bekehrung  zugleich   von  der 


1)  Apol.  11,  12.  13  cf.  Apol.  I,  16,  n.  4— G. 
ä)  DiaL  c.  10,  D.  2-4;  c.  18,  n.  1. 


tl 


64  ZAHN, 

sittlichen  Makellosigkeit  des  Christentoms  sich  überzeugt 
habe,  war  so  selbstverständlich,  dafs  es  an  sich,  abgesehen 
von  dem  besonderen  apologetischen  Zweck,  welcher  bei 
Abfassung  der  Apologie,  nicht  aber  des  Dialogs  obwaltete, 
dar  Erwähnung  nicht  bedurfte. 

Von  der  am  ersten  Tag  kleineren,  am  zweiten  grölseren 
Gtesellschaft,  welcher  gegenüber  Justin  das  Christentum  zu 
vertreten  hat,  werden  nur  zwei  mit  Namen  genannt:  Tryphon 
und  Mnaseas.  Namentlich  letzteres  fiLllt  auf,  da  Mnaseas  nur 
eine  höfliche  Zwischenbemerkung  von  der  Länge  einer  Zeile 
sa  machen  hat  (c.  85,  n.  24).  Viel  ausführlicher  und  inhalt- 
reicher ist,  was  ein  anderer,  der  unbenannt  bleibt,  zu  sagen 
hat  (c.  94,  n.  8).  Der  Name  Mnaseas  scheint  eine  geschicht- 
liche Person  zu  bezeichnen.  Wichtiger  ist  die  Frage,  wer 
und  was  Tryphon  und  seine  Begleiter  seien,  und  zwar  vor 
allem,  als  was  sie  sich  innerhalb  des  Dialogs  darstellen,  der 
jedenfalls  in  irgendwelchem  Mafse  Wahrheit  und  Dichtung 
mit  einander  mischt  Eben  dies  zeigt  sich  an  den  Wider- 
sprüchen in  der  Charakteristik  zunächst  des  Tryphon.  Er 
soll  ein  echter  Nationaljude  sein,  ein  „Hebräer  aus  der  Be- 
schneidung'', welcher  bis  vor  kurzem  im  Mutterlande  ge- 
lebt hat  (c.  1,  n.  7).  Erst  seit  seiner  Flucht  aus  der  durch 
den  Krieg  des  Barkochba  beunruhigten  Heimat,  seit  er 
sich  in  Griechenland,  besonders  in  Korinth  aufgehalten, 
scheint  er  griechische  Philosophie  und  die  gesellschaftlichen 
Sitten  der  gebildeten  Griechen  kennen  gelernt  zu  haben. 
In  Argos,  wo  es  ebenso  wie  in  Korinth  schon  seit  langem 
eine  jüdische  Kolonie  gab  ^,  hat  er  von  einem  sonst  unbe- 
kannten „Sokratiker  Korinthos''  gelernt,  jedem  Träger  des 
Philosophenmantels  höflich  zu  begegnen  und  womöglich  von 
ihm  zu  lernen  (c.  1,  n.  3).  Die  Form,  in  welcher  er  dies 
mitteilt,  mufs  die  Vorstellung  erwecken,  dafs  er  solche  Leute 
bis  dahin  als  Jude  verachtet  hat.  Aber  er  hat  in  der 
kurzen  Zeit  offenbar  viel  gelernt  und  noch  mehr  verlernt 
Während  seine  Begleiter  den  christlichen  Philosophen  manch- 


1)  Philo  leg.  ad  Caium  §  36 ,  p.  587  Mangey.    Inbezug  auf  Ko- 
rinth Actor.  18,  1—17. 


t 


STUDIEN  ZU  JUSTIN.  55 

mal  durch  rohes  Lachen  und  abeichtliche  Unaufmerksam- 
keit Btören,  bedient  sich  Tryphon  von  Anfang  an  der  höf- 
lichsten Formeo.  Ein  „urbanes  Lächeln"  '  spielt  manch- 
mal um  seine  Lippen,  er  unterdrückt  seinen  Unmut  (c.  79  in.); 
seinem  gesitteten  Betragen  und  seinem  lernbegierigen  Ent- 
gegenkommen ist  es  nicht  zum  wenigsten  zu  danken,  dafa 
der  Ton  des  Geaprächs  immer  freundlicher  und  die  sach- 
liche Übereinstimmung  immer  gröfser  wird,  so  dafs  er  am 
Schlafs  in  seinem  und  seiner  Begleiter  Namen  sagen  kann : 
„Wir  fanden  mehr,  als  wir  erwarteten  und  irgend  erwarten 
konnten.  Wenn  wir  öfter  ao  mit  dir  verhandeln  könnten, 
würden  wir  noch  gröfseren  Gewinn  haben  ....  Weil  du 
aber  im  Begriff  biat  abzufahren,  so  lafa  dich's  nicht  ver- 
diiefsen  unser  als  Freunde  zu  gedenken,  wenn  du  geschie- 
den bist"  Von  der  griechiachen  und  besonders  der  plato- 
nischen Philosophie  hält  Tryphon  hoch  genug,  um  sie  als 
eine  ganz  pasaende  Vorschule  für  den  jüdischen  Glauben 
anzuaehn  (c.  8).  Er  weifs  auch  die  formale  philosophiach- 
rbetorische  Bildung  nicht  nur  zu  würdigen,  indem  er  es  für 
Ironie  erklärt,  dafa  Justin  sich  selber  nur  ein  geringes  Mab 
derselben  zuspricht  {c.  58  in.);  der  Verfasser  dea  Dialog» 
läfst  ihn  in  dieser  Hinsicht  auch  durchaus  nicht  hinter 
Beiner  eigenen  Person  zurückstehen.  Dagegen  fehlt  ihm 
alles,  was  mau  bei  einem  palästinensischen  Juden  von  ge- 
lehrter Bildung  zu  finden  erwartet.  Justin  erhebt  immer 
wieder  den  Vorwurf,  dafa  die  Juden  die  Septuaginta  ge- 
fälscht haben,  indem  sie  teils  Worte  und  Sätze,  welche  den 
Christen  wichtig  sind,  getilgt,  teils  neue  der  christlichen 
Deutung  entgegengesetzte  Übersetzungen  einzelner  Stellen 
eingeführt  haben  '.  Er  setzt  dabei  voraua,  dafs  Tryphon 
nnd  seine  Begleiter  nur  solche  gefälschte  griechische  Bibel- 
tezte  kennen,  ja  von  diesen  Fälschungen  nicht  einmal  ge- 
hört haben  (c.  3,  n.  14).     In  der  That  läfat  er  den  Tiypbon 


t 


1)  c.  1  eitr.;  c.  8,  n.  8. 

2)  c.  13,  n.  21;  c.  G8,  n.  17;  c.  71,  d.  1;  c.  72—73;  c.  120, 
11—15;  c.  124,  n.  1—4;  c.  131,  n.  1-3;  c.  137,  n.  10—13  (of. 
17,  n.  10;  c.  133,  n.  4;  c.  136,  n.  7). 


66  ZAHN, 

darauf  bestehen ,  dals  die  nach  Irenäus  von  dem  Epheser 
Theodotion  und  dem  Pontiker  Aquila  in  antichriBtlichem 
Sinn  aufgebrachte  oder  aufgenommene  LA.  veävig  statt  naQ- 
9'ivog  in  Jes.  7,  14  die  echte  LA.  sei  ^  Gegenüber  der 
christlichen  Anklage  auf  TextfiÜschungen  ist  Tryphon  völlig 
wehrlos.  Er  hält  es  zwar  für  wenig  wahrscheinlich ,  dais 
die  jüdische  Obrigkeit  sich  solches  habe  zuschulden  kommen 
lassen,  mufs  aber  die  Entscheidung  darüber  Gott  überlassen 
(c  73,  n.  11).  Obwohl  sich  nach  Justin  hier  und  da  in  den 
Synagogen  noch  unverfälschte  Exemplare  der  Septuaginta 
finden,  weil  die  im  antichristlichen  Geist  redigierten  Exem- 
plare erst  in  neuerer  Zeit  aufgekonmien  seien  (c.  72,  n.  8), 
80  hat  Tryphon  in  der  That  keinen  anderen  als  diesen  mo- 
dernen Septuagintatext.  Es  fällt  diesem  „  Hebräer '^  aus 
Palästina  gar  nicht  ein  zu  sagen,  dafs  die  angeblich  von  den 
Juden  ausgemerzten  Stellen  vielmehr  von  den  Christen  inter- 
poliert seien,  und  dafs  die  angeblich  falschen  Übersetzungen 
in  den  meisten  griechischen  Bibeltexten  der  Juden  genauer 
seien  als  die  wirklichen  oder  angeblichen  Übersetzungen 
derselben  Stellen  in  der  ursprünglichen  Septuaginta,  und 
dies  beides  durch  Berufung  auf  den  Grundtext  zu  beweisen 
oder  zu  behaupten,  dafs  sich  das  beweisen  lasse.  Dieser 
„Hebräer"  weifs  nichts  vom  Grundtext,  scheint  auch  kein 
Wort  hebräisch  zu  verstehen.  Es  wirkt  beinah  komisch, 
wenn  Justin  einmal  andeutet,  dafs  seine  Gegner  aus  Bos- 
heit mit  ihrer  hebräischen  Sprachkenntnis  hinter  dem  Berge 
halten  und  den  Namen  „  Israel '^  darum  nicht  etymologisch 
deuten  wollen.  Vielleicht  ist,  wie  Justin  bemerkt,  auch 
wirkliche  Unkunde  der  Grund;  und  der  Heidenchrist  Justin 
trägt  dann  dem  Hebräer  Tryphon  und  seinen  Genossen  eine 
sehr  kühne  etymologische  Erklärung  von  „Israel"  vor,  wie 
früher  schon  eine  ebensolche  von  „Satanas"  (c.  103,  n.  17). 
Kurz,  der  Tryphon  des  Dialogs  ist  abgesehen  von  seiner 
Selbsteinfiihrung  in  c.  1  ein  völlig  hellenisierter  Jude.  Nur 
seinem  Glauben  nach  ist  er  noch  ein  echter  Jude,  dem  Ge- 
setz treu   und   voll  Eifer   für   die  Ausbreitung   seines  Glau- 


1)  c.  67,  n.  1;  c.  71,  n.  4;  c  84,  n.  3—10.    Iren.  III,  21,  1. 


STUDIKK  ZU  JUSTIN.  67 

bena.  Wenn  er  Bich'a  angewöhnt  hat,  mit  gebildeten  Hei- 
den sich  ins  Gespräch  einzulassen,  so  geschieht  das  min- 
destens ebenso  sehr,  um  ihnen  zu  nutzen,  d.  b.  sie  zum 
Judentum  zu  bekehren,  als  um  von  ihnen  zu  lernen  (c.  I, 
n.  5).  Dem  ersten  Versuch  des  christüchen  Missionars,  ihn 
dem  Christentum  geneigt  zu  machen,  begegnet  der  Missionar 
des  Judentums  mit  dem  unverhüllten  Kat  an  Justin,  das 
Judentum  anzunehmen  (c.  8).  Trjphon  acheiat  in  dieser 
Richtung  auch  nicht  ohne  Erfolg  thätig  zu  sein;  denn  we- 
nigstens ein  Teil  seiner  Genossen  besteht  aus  Heiden,  welche 
er  ftir  das  Judentum  gewonnen  zu  haben  scheint.  Als 
Justin  am  ersten  Tag  auf  eine  schwierige  Frage  weder  von 
Tryphon  noch  einem  seiner  vier  Begleiter  eine  Antwort  er- 
hält, erwidert  er:  „Darum  will  ich  dir,  o  Tryphon,  und 
denjenigen,  welche  Proselyten  werden  wollen,  eine  göttliche 
Lehre  verkündigen"  {c.  23,  n.  4).  Dafs  hier  7cqoü7'jXv%oi. 
nicht  zum  Christentum  bekehrte  Juden,  sondern  zum  Juden- 
tum bekehrte  Heiden  bedeute,  sollte  doch  selbstverständbch 
sein.  Freilich  heifst  dem  Justin  die  Bekehrung  zum  Chriatea- 
glauben  ein  ngoat^x^uifai  Tqi  XQioTtJi  oder  6id  xoD  A'gt- 
OToC  T(p  ."^e^  imd  die  dazu  Bekehrten  nqoa^jXvToi  toC  Xqi- 
(jroE  im  Gegensatz  zu  den  nqoat'jXvTOi  toD  naXaioiJ  vöftov  K 
£s  ist  auch  ohne  derartigen  Zusatz  und  deutlichen  Gegen- 
satz durch  den  Zusammenhang  unmifsverständlich ,  wenn 
Justin  im  Verlauf  einer  dringenden  Mahnung,  seinen  Be- 
weisen aus  Schrift  und  Geschichte  ohne  Zögern  sich  gläubig 
ZM  unterwerfen,  einmal  sagt:  ßqaxv^  olrog  vftiv  TcegtXeine- 
rai  Tr^oanji-öaEfiig  xq6vog  (c.  28,  n.  4).  Aber  nachgebildet 
iat  dieser  Ausdruck  doch  dem  gewöhnlichen  Ausdruck  lur 
die  Bekehrung  zum  Judentum,  und  er  ist  hier  passend  an- 
gewandt, wo  Justin  gleich  darauf  von  dem  Gegensatz  der 
religiös  wertlosen  äufseren  Beachneidung  und  der  Herzens- 
beschneiduDg  reden  will.  Das  ändert  aber  nichts  an  der 
That«ache,  dafs  ihm  wie  seinen  Gegnern  TZQoa^Xvjog  ein 
ohne   jeden  Zusatz   verständlicher  Kunstausdnick,    ein  mit 


1)  c  122,  n.  7  cf.  c.  11,  n.  U;  o.  83,  n.  9;  c.  17,  n.  3.     Origen. 
Hatth.  T.  XV,  26  Delarue  III,  eSlB:  d  n^^i^of  ^ih  ^<uSc- 


68  ZAHN, 

Qiar  sjnonjmer  Name  fUr  die  zum  Judentum  bekehrten 
Heiden  ist  ^  Solche  Proselyten  wollen  die  B^leiter  Tryphon's 
werden,  keineswegs  aber  Christen.  Es  wäre  ja  auch  beides 
gleich  unbegreiflich,  sowohl  dals  Justin  dies  gleich  am  An- 
fjRng  des  Gesprächs  von  ihnen  voraussetzt,  als  dals  er  es 
nur  von  ihnen,  nicht  aber  von  Tryphon  voraussetzt,  der 
dch  doch  vom  Anfang  an  viel  teilnehmender  als  jene  zeigt 
Aber  gerade  im  Unterschied  von  ihm  dem  „Hebräer  aus 
der  Beschneidung^'  nennt  Justin  dessen  Begleiter  Leute, 
welche  Proselyten  werden  wollen.  Sie  sind  solche  „Gt>ttes- 
fürchtige  ^^  *,  welche  bereits  teilweise  die  jüdische  Lebenssitte 
angenommen  und  der  Autorität  der  Sabbinen  sich  unter- 
geordnet haben.  Ihnen  ruft  Justin  zu,  um  sie  vor  dem 
letzten  Schritt,  der  Annahme  der  Beschneidung  zu  warnen: 
„Bleibt,  wie  ihr  geboren  seid'^  (c.  23,  n.  7).  Mit  Anspielung 
auf  ihre  übliche  Benennung  ruft  er  ihnen  in  biblischen 
Worten  zu:  „Kommt  her  mit  mir  alle,  die  ihr  Gott  fürch- 
tet, die  ihr  das  Glück  Jerusalems  sehen  wollt  Kommt 
her,  alle  Heiden,  lafst  uns  nach  Jerusalem  uns  versammdn'' 
(c.  24,  n.  7).  Von  ihnen,  die  er  in  diesem  ganzen  Zu- 
sammenhang anredet,  bis  Tryphon  wieder  das  Wort  er- 
greift (c.  25  extr.),  unterscheidet  Justin  die  in  dritter  Person 
eingeftlhrten  selbstgerechten  und  auf  ihre  Abrahamssohn- 
schaft pochenden  Juden,  indem  er  sagt:  „Mit  euch  '  werden 
ein  sei  es  auch  kleines  Plätzchen  zu  erben  begehren  die, 
welche  sich  selbst  rechtfertigen  und  sagen,  dafs  sie  Abraham's 
Kinder  sind."  Die  schriftstellerische  Kunst,  mit  welcher  Justin 
hier  wie  anderwärts  von  der  Anrede  an  den  Hebräer  Tryphon 
zur  Anrede  an  seine  entweder  sämtlich  oder  doch  gröfstenteils 


1)  c.  122,  n.  1  (s.  dazu  Otto);  n.  4  und  vor  n.  6;  c.  123,  n.  1.  2. 
3  und  nach  n.  4;  Tertull.  c.  Jud.  c.  1  proselyto  Judaeo;  c.  2  prost* 
hftos  ex  gentihus;  Matth.  23,  15;  Act.  2,  10;  6,  5;  13,  43. 

2)  c.  10,  n.  9  oi  (foßovfxfvoi  top  d^töv  (diese  gehören  zu  den  AX- 
Xoyfvelg  n.  7);  Actor.  10,  2;  13,  16.  26;  ol  atßofitpoi  xbv  d^töv  Actor. 
13,  43.  50;  16,  14;  17,  4.  17;  18,  7. 

3)  c.  25,  n.  1.  Es  beruht  auf  einem  durch  Obiges  wohl  hin- 
reichend widerlegten  Mifsverständnis ,  wenn  Otto  gegen  die  Hand- 
schriften (jtfv  ^uip  (statt  vfiiv)  in  den  Text  setzte. 


l 


STCDIEN  ZU  JUSTIN.  59 

Leidnisch  geborenen  und  noch  unbeBchnittenen  Begleiter 
Obei^ht,  läfat  manches  zu  wUnecbeo  übrig.  Nachdem  bis 
c.  9  Tryphon  allein  angeredet  war  ',  werden  c.  10  in.  zum 
erstenmal  die  Begleiter  mit  ina  Ciespräch  hereingezogen  und 
Tryphon  antwortet  auch  in  ihrer  aller  Namen.  In  der 
Entgegnung  hält  Justin  vorwiegend  die  Anrede  an  den 
einen  Tryphon  fest ' ,  und  wenn  hier  das  „  Du "  ge- 
legentlich in  ein  „Ihr"  übergeht,  so  bezeichnet  letzteres 
zücht  sowohl  die  anwesende  Oesellschaft  als  das  jüdische 
Volk,  dessen  Vertreter  Tryphon  ist.  Durch  die  Anrede  (3 
SvÖQeg  zieht  dann  Justin  (c.  23,  n.  2 — 3)  die  Begleiter  wie- 
der herein  und  leitet  dadurch  die  vorhin  besprochene 
Unterscheidung  zwischen  Tryphon  und  den  angehenden 
Proaelyten  in  seiner  Begleitung  ein.  Es  ist  ungeschickt, 
dafs  der  Schriftsteller  nicht  deutlicher  mit  Worten  ausdrückt, 
was  im  wirkhchen  Gespräch  durch  eine  Zuwendung  des 
Blicks  oder  eine  Handbewegung  verdeuthcht  wui-de,  dafs 
nämUch  alles  Folgende  bis  c.  25  extr.  den  Begleitern  im 
Unterschied  von  Tryphon  gelte.  Vielleicht  empfanden  die 
Leser,  welche  das  verlorene  Proomium  noch  beaafsen,  dies 
stilistische  Ungeschick  weniger  als  wir.  Von  c.  26  an  ist 
wieder  durchweg  Tryphon  die  zunächst  angeredete  und  ge- 
meinte Person.  Hin  und  seinesgleichen,  jüdische  Lehrer, 
welche  auch  Heiden  zu  Schülern  zu  machen  wissen,  hat 
Justin  im  Auge,  wenn  er  einmal  sagt:  „Höret  auf,  euch 
selbst  und  die,  welche  euch  hören,  in  die  Irre  zu  führen" 
*(c  32,  n.   17). 

Eine  besondere  Beziehung  des  weiterhin  Folgenden  auf 
die  Begleiter  Tiyphon's  wird  auch  c.  118  extr.  119  in.  an- 
gedeutet. Nachdem  Justin  zum  Schlufs  einer  langen  Erörte- 
rung den  Tryphon  mit  Namen  angeredet  hat,  erklärt  Tryphon, 
dafs  wie  er,  so  auch  seine  Begleiter  selbst  Wiederholungen 
von  früher  Gesagtem  gerne  anhören  werden.  Sie  alle  mit  (3 
KvdQeq  anredend,  spricht  Justin  hierauf  aust^hrlich  über  die 
Berufung  der  Heiden.     Die  Weissagungen,   worin  er   diese 

1)  S.  ^.  B.  c.  8,  n,  5-7;  c.  9  in, 

2J  c.   11  in.;  n.  3.  7;  c.  18  in.  uud  eitr. 


60  ZAHN, 

bezeugt  findet,  deaten  die  Juden  und  Judengenossen  auf 
die  Proseljten  des  Judentums.  Justin  entgegnet:  dann 
würde  Christus  diesen  Prosei jten  ein  dies  bestätigendes 
Zeugnis  ausgestellt  haben;  statt  dessen  habe  er  bezeugt, 
dafs  sie  doppelt  so  sehr  wie  die  sie  bekehrenden  Juden 
Kinder  der  Hölle  werden  ^  Dies  drückt  nun  aber  Justm 
so  aus:  ,^Nun  aber  yirerdet  ihr,  wie  er  gesagt  hat,  in  doppel- 
tem MaTse  Kinder  der  Hölle/'  Dafs  hier,  wo  es  sich  gerade 
um  den  Gegensatz  von  bekehrungseifrigen  Juden  und  durch 
sie  bekehrten  Proselyten  handelt ,  nicht  Juden  so  angeredet 
und  ungenauerweise  Proselyten ,  die  gar  nicht  anwesend 
sind,  mit  ihnen  zusammengefaTst  sein  können,  liegt  auf  der 
Hand.  Die  darauf  hinauslaufende  Erklärung  Maran's,  bei 
welcher  sich  Otto  beruhigt,  ist  doch  nur  ein  trotziges  Aus- 
sprechen des  Sinnwidrigen,  und  fiir  eine  Textänderung  bietet 
sich  keine  Handhabe.  Nein,  Justin  hat  auch  hier  die  Be- 
gleiter Tryphon's  als  Heiden  angeredet,  die  im  Begriff 
stehen,  das  Judentum  anzunehmen.  Die  vorhin  beschriebe- 
nen Mittel,  wodurch  Justin  dies  vorbereitet  hat,  sind  wie- 
derum ungenügend,  und  sehr  ungeschickt  ist  es,  dafs  er 
bald  darauf  wieder  die  Hauptperson,  den  Repräsentanten 
des  jüdischen  Volks  ins  Auge  fassend,  sagt:  „Die  Proselyten 
glauben  nicht  nur  nicht,  sondern  lästern  doppelt  so  arg  wie 
ihr  den  Namen  Christi '*  u.  s.  w.  Hier  schon  und  nicht 
erst  fünfzehn  Zeilen  später  hätte  er  der  Phantasie  des  Le- 
sers durch  die  Worte  l'yijv  aTtiäcjv  nqbg  töv  TQijq>iava  zu- 
hilfe  kommen  sollen.  Aber  mehr  als  ein  Ungeschick  der 
Darstellung  wird  sich  weder  hier  noch  sonst  nachweisen 
lassen.  Die  nicht  immer  glücklich  durchgeführte  Absicht 
des  Schriftstellers  war  es,  den  Juden  Tryphon  von  einem 
Elreis  angehender  Proselyten  umgeben  darzustellen.  Das 
wird  um  135  in  Ephesus  eine  nicht  ganz  seltene  Erschei- 
nung gewesen  sein;  und  ich  wüfste  nicht,  was  dagegen 
spräche,  dafs  Justin  damals  das  eine  oder  andere  Mal  ge- 
rade auch  einer  so  zusammengesetzten  Gesellscbaft  begegnet 
sei.      Nur  durch   häufigeren   Verkehr    mit    gelehrten   Juden 


1)  c.  122,  n.  1—6.    Matth.  23,  15. 


STUDIEN  ZU  JUSTIN.  61 

kann  er  seine  ziemlich  beträchtliche  Eenntnia  der  rabbini- 
achen  Exegese  und  Dogmatik,  der  Haggada  '  erworben 
haben.  Aber  nur  durch  hellenistische  Juden ,  wie  sich 
Trjphon  im  Dialog  darstellt,  ist  sie  ihm  vermittelt  worden. 
Der  Widerspruch  zwischen  dem  Charakter  Tryphou's  als 
eines  mit  griechischer  Bildung  vertrauten ,  durchaus  an  die 
griechiacLe  Bibel  gebundenen  Hellenisten  und  der  Angabe, 
Aals  er  ein  Hebräer  aus  Palästina  sei,  erklärt  sich  niu-  dar- 
aus, dafs  jenes  die  den  Drtahningen  Justin's  entsprechende 
"Wahrheit,  dieses  aber  entweder  seine  Dichtung  oder  eine 
▼on  jenen  Erfahrungen  unabhängige  Thatsache  ist,  welche 
Justin  vermöge  freier  Komposition  mit  den  Erinnerungen 
an  seinen  Verkehr  mit  hellenistischen  Juden  verknüpft  hat. 

Hat  Eusebius  in  dem  verlorenen  Proömium  gelegen,  dafs 
SphesuB  der  Hchauplatz  des  Gesprächs  war,  so  wird  er 
auch  dorther  gewuf&t  haben,  was  er  in  demselben  Satze 
sagt,  dafs  jener  Trjphon  einer  der  angesehensten  oder  be- 
rühmtesten unter  den  Hebräern  jener  Zeit  gewesen  sei  *. 
Dann  kann  aber  auch  kein  anderer  der  Hauptfigur  des 
Dialogs  seinen  Namen  geliehen  haben,  als  der  bekannte 
Babbi  Tarphon ,  wie  schon  Cave  und  Grabe  eingesehen 
haben.  T^itfiov  ist  allerdings  ein  seit  Alexander's  Zeiten 
ziemlich  gewöhnlicher   griechischer '   Name ,    welchen    auch 


1)  Ä.  H,  Goldfaha,  JubHdus  Martjr  und  die  Agada;  M.Fried- 
länder,  PatrUtUche  und  Ulmudiacbe  Studien,  S.  88— 13G,  besonder* 
8.  llOff.  137. 

2)  Euseb.  h.  e.  IV,  IS,  6  npo;  T,>v'fiora  tiäf  lori  '£jit;alBxv  tni- 
oi;/i6tntuv.  Friedlätider  a.  a.  O.  S.  13lj  übereetzt,  als  ob  i6r  vor 
tOv  stände,  wodnrcb  dann  eine  sinnlose  Übertreibung   berauskommt, 

3)  Nicht  wie  Friedlünder  9.  IStl  andeutet,  griechische  Äna- 
spiache  eines  hebräischen.  Dagegen  entscheidet  doch,  dais  TQÜifwn, 
wie  es  »on  einem  griechiachea  Slamm  regelrecht  gebildet  ist,  bei 
Oriechea  sehr  häufig,  bei  Juden  verLältDiamäraig  selten  ist.  Aafser 
dm  oben  genannten  finde  ich  in  Papc's  Eigene  amen  wörterhuub  und 
in  Fabric.  bibi.  gr.  keinen  Trüger  dieses  Namens ,  der  irgendwclcheu 
Anspruch  darauf  hätte,  för  einen  Juden  zu  gellen.  In  Jerus.  Biccu- 
rim  II,  1  in.   finde   ich   mit  Hilfe   von    Zunz,   Gesammelte   Schriften 

|<K[,  1  einen  Tryphon  (ponü)  ais  Vatei-  eines  Rabbi  Tbanchum  ge- 


62  ZABSf 

mehrere  ans  bekannte  Juden  getragen  haben.  So  ein  Glied 
der  jüdischen  G^erosia  zu  Alexandrien  zu  Philo's  Zeit 
(c  Flaccum  c.  10),  femer  ein  Kabbi  zu  Eleutheropolis  im 
4.  Jahrhundert,  der  Pflegevater  des  Kirchenvaters  Epiphanias 
(Epiph.  vita  c.  4).  Vielleicht  war  auch  der  Barbier  He- 
rodes  des  Gr.  ein  Jude  (Joseph,  antiqu.  XVI,  11,  6;  bell  I, 
27,  5).  Es  entspricht  aber  aller  Analogie,  da6  die  Juden 
sich  diesen  griechischen  Kamen  ein  wenig  mundgerecht 
machten  oder  vielmehr  ihn  durch  einen  anklingenden  Namen 
hebräischer  Bildung  ersetzten  und  ihn  hebräisch  itü^c  (T&r- 
phon)  ^  oder  yttnu  (Tarpon)  *  sprachen  und  schrieben.  Dafs 
so  dieser  hebräische  Käme  entstanden  ist,  wird  besonders 
dadurch  wahrscheinlich,  dafs  er  äufserst  selten  zu  sein  scheint 
Abgesehen  von  der  rein  griechischen  Kebenform  ym^ü 
(S.  61  Anm.  3),  soll  in  der  talmudischen  Litteratur  nur  ein 
einziger  Tarphon,  eben  der  berühmte  Rabbi  aus  der  Zeit 
des  Akiba  und  des  Justinus  vorkommen '.     Jedenfalls  hat 


1)  So  wird  gewöhnlich  gedruckt,  auch  z.  B.  Ton  Strack  in  seiner 
Ausgabe  der  Pirke  Aboth  II,  15,  S.  23. 

2)  So  Levy,  Neuhebr.  Wörterbuch  11,  198. 

3)  Deren bourg,  Histoire  et  g^gr.  de  la  Palestine,  p.  376. 
Unter  den  vielen  kühnen  Behauptungen  M.  Friedländer's,  wie  z.  B. 
dafs  im  Neuen  Testament  ein  Tryphon  vorkomme,  gehört  auch  die, 
dafs,  wo  ein  Kirchenlehrer  mit  einem  Juden  in  Berührung  komme, 
dieser  in  der  Regel  Tryphon  heifse.  Gesetzt,  dies  wäre  wahr,  woher 
sollte  denn  der  Name  typisch  geworden  sein,  wenn  nicht  daher,  da(s 
in  einer  angesehenen  altkirchlichen  Schrift  der  mit  dem  Christen 
disputierende  Jude  so  hiefs?  Damit  kann  doch  aber  nicht  erkl&rt 
werden,  wie  dieser  Name  in  jene  altkirchliche  Schrift,  also  in  unseren 
Dialog  hineingekommen  ist.  Die  abenteuerliche  Meinung  von  Gold- 
fahn  1.  c.  S.  5 f.,  dafs  Justin  den  Namen  TQvtfxavy  der  bekanntlich 
„Schwelger"  bedeutet,  wegen  seiner  Verwandtschaft  mit  ^guntta  ge- 
wählt und  damit  auf  „das  gebrochene  und  doch  grofsthuende  Juden- 
tum" hingewiesen  habe,  wird  doch  wohl  keiner  Widerlegung  be- 
dürfen. Aber  die  Behauptung  Fricdländer*s  ist  auch  durchaus  un- 
richtig. Origenes  nennt  meines  Wissens  von  den  Juden,  mit  welchen 
er  verkehrt  hat,  nur  einen  einzigen  mit  Namen,  einen  Patriarchen 
*IovkXog  (Selecta  in  Psalmos,  Delarue  II,  514 A).  Ein  Schüler  des 
Origenes,  von  dem  wir  durch  Hieronymus  wissen  (v.  ill.  57),  hiefs 
Tryphon,  war  aber  kein  Jude.    Epiphanius  nennt  weder  seinen  oben 


STUDIEK  ZV  JUSTIM.  63 

es  um  jene  Zeit  keinen  berühinten  Juden  Tryphon-Tarphon 
aufser  jenem  Rabbi  der  jüdiaühen  Tradition  gegeben;  mit 
diesem  also  hat  Justin  selbst,  wenn  nicht  alles  trügt,  in  der 
Vorrede  an  Marcus  Pompejus  den  Tryphon  seines  Dialogs 
mehr  oder  weniger  deutlich  identifiziert.  Die  Zeit  steht 
nicht  im  Wege  ' ;  denn  obwohl  Tarphon  als  Jüngling  noch 
den  Tempelkultus  vor  dem  Jahre  70  gesehen  hatte,  so  hat 
er  den  Krieg  unter  Hadrian  doch  noch  erlebt,  vielleicht 
überlebt.  Wie  der  Tryphon  Justin's  hat  R.  Tarphon  bis 
mim  Krieg  des  Barkochba  in  Palästina  gelebt.  Die  her- 
Torragende   Rolle,   welche   Tarphon  als   Lehrer  und  Schul- 


erwSluiIen  Fflegerater,  noch  aoust  einen  Joden  Tryphon,  wohl  da- 
gegen einen  Juden  und  nachmaligen  Christen  Joseph  von  Tiberiaa 
und  nach  dessen  Erzählungen  einen  Patriarchen  EUel  (Hellel,  Hillel) 
und  dessen  Nachfolger  Juda  (haer.  30,  4—12  vgl.  Grätz,  Gesch. 
der  Juden  IV,  386  f.).  Hieronymns  nennt  von  seinen  hebräisehen 
Lehrern  nur  einen  Bar-Aniua  mit  Namen  (Zöckler,  Hieroaymua, 
S.  56  f.  154  f.).  Auch  in  der  apologetisch  -  polemischen  Litteratur  in- 
bezug  auf  das  Judentum  kommt  meines  Wissens  kein  einziger  Jude 
Tryphon  vor.  Aristi3n  von  Pella  nannte  den  Juden  Papiscus,  den 
Christen  Jason  (Otto,  Corp.  apolog.  IX,  äbS  vgL.  m.  Forschungen 
m,  li).  la  späterer  Zeit  nsnnt«  Euagrius  den  Juden  Simon ,  den 
ChiiBteo  Theophilus  (Gebbardt-Harnack,  Teite  und  Untersuch. 
I,  3,  15ff.).  AU  Vertreter  des  Judentums  im  Disput  mit  Christen 
figuriert  Philon  bei  Prochorus  (m.  Acta  Joannis,  p.  110—113),  ebenso 
;m  zweiten  Juden  Namens  Papiscus  in  einem  ungedruckten 

I  Dialog  (ebendort  Einleitung  p.  liv,  n.  S),  ebenso  gegenüber  dem  Chri- 
Mten  Mnason  aus  Act.  21,   16  in   einem  Dialog,   ivelchen   der  jüngere 
Ammonins  in  einer  Schrift   gegen  Julius   von  Haükamafs   citiert   hat 
[iikch  Änastasius,  Migne  89,  col,  244,  in  besserem  Te»t  bei  Gramer, 
Catenae,  vol.  II ,  p.  V).     Dieser  Ammonius   selbst   hat   es  mit   einem 
-^discben  Sophisten  Koluthos  oder  Akolutbos  i\i  thim  gehabt  (Migne 
80;    Cramer  I.   c.).     Anderwärts   beifst   der  Jude   Aquila, 
der  Christ  Timolheus  (Mai,   Spicil.   Rum.,  T.   IX   praef ,  p.   XI sq., 
Hontfaucon,   BibI,  Coislin.,   p,  415),     Auch   Zaccbaeus   (Lambecü 
L.  de   bibl.   Caes.   ed.  Eollar.  V,    28ö)   und   Herben   (Migne  86, 
eoL  621)  kommen  als  Namen  disputierender  Juden   vor.     Ein   zweiter 
f  Tryphon  dürfte  nicht  so  leicht  zu  finden  sein. 

1)  Vgl  überhaupt  über  ihn  J.  Chr.  Wolf,  Biblioth.  hebr.  U, 

Derenbonrg,  p.  376-383.  421   Anm.  1.  436;  Gräte, 

Bell,  der  Joden  IV,  73.  112f.  186.  196.  605f.;  Goldfahu  a.  a.  0. 


64  ZAHN, 

haupt  in  Ljdda  und  Jahne,  also  in  nächster  Nähe  der  Hei- 
mat Jostin's  gespielt  hat,  macht  es  sehr  wahrscheinlich,  da& 
Justin  schon  vor  seiner  Bekehrung  zum  Christenglauben 
dessen  Kamen  manchmal  hat  nennen  hören.  Der  Tryphon 
Justin's  hat  „das  Evangelium '^  d.  h.  „die  Evangelien ''  der 
Christen  gelesen  K  Auch  R.  Tarphon  kennt  sie.  Es  ist 
nicht  nur  der  Ausspruch  von  ihm  aufbewahrt,  da£s  er  „die 
Evangelien  und  (sonstigen)  Schriften  der  Minäer  '^  trotz  des 
Namens  Gottes,  der  darin  steht,  verbrennen  werde,  wenn 
sie  ihm  in  die  Hände  kommen  sollten,  sondern  er  scheint 
auch  durch  Polemik  gegen  einzelne  Sprüche  wie  Matth.  7,  3 
seine  Kenntnis  ihres  Inhalts  zu  bekunden  *.  Endlich  ist 
doch  auch  das  zu  beachten,  dafs  Tarphon  in  der  von  Justin's 
Dialog  jedenfalls  unabhängigen  Tradition  der  Nazaräer  als 
einer  der  berühmten  christenfeindlichen  Rabbinen  fortgelebt 
hat». 

Was  man  dagegen  vorgebracht  hat,  dafs  Justin's  Tiyphon 
dieser  Tarphon  sein  soUe,  beruht  auf  Verkennung  der  Kom- 
position des  Dialogs.  Freilich  erkennt  man  in  Tryphon 
den  gelehrten  und  fanatischen  Tarphon  nicht  wieder.  Ein 
hervorragender  Rabbi  wie  dieser  würde  in  einer  wirklichen 
Begegnung  mit  Justin  ganz  andere  Waffen  zur  Verfügung 
gehabt  und  die  seinigen  besser  gebraucht  haben,  als  dieser 
höfliche  HeUenist  des  Dialogs.  Aber  denselben  Widerspruch 
trägt  ja  der  Dialog  selbst  in  sich.  Da  Justin  in  demselben 
nur  zusammengefafst  hat,  was  er  im  Verkehr  mit  hellenisti- 
schen Juden  in  Ephesus  und  sonstwo  vom  Judentum  imd 
dessen  Einwendungen  gegen  das  Christentum  erfahren  hatte, 
so  wäre  es  ganz  unverständlich,  warum  er  den  Repräsen- 
tanten   des    Judentums    aus    Palästina    verschrieben    hätte. 


1)  Dial.  c.  10,  n.  4;  c.  18,  d.  1  cf.  Apol.  I,  66,  n.  5. 

2)  Vgl.  Derenbourg  p.  379f.;  Delitzsch,  Neue  Untersuch, 
über  Entstehung  der  kanon.  Ev.  I,  18;  Wünsche,  Neue  Beiträge 
zur  Erläuterung  der  Evangelien  aus  Talmud  und  Midrasch,  S.  100  f. 

3)  Hieron.  comm.  in  Jes.  8,  11  (Vallarsi*  IV,  123).  Dafs  Tel- 
phon  od<jr  Delphon  dort  ein  Schreibfehler  für  Tarphan  sei,  ist  längst 
erkannt  und  wohl  nie  bestritten  worden.  Vgl.  aufser  Vallarsi's  Anm. 
auch  Grätz  IV,  505  f. 


STUDIEN  XII  JrSTIN.  G5 

wenn  sich  ihm  nicht  der  berubnit«  Palästinenser  TarpLon 
als  wardigeter  Repräsentant  des  mit  dem  Christentum  sich 
reibenden  Judentums  seiner  Zeit  empfohlen  liiitte.  Dafs  er 
diesen  nun  reden  läl'st  wie  einen  Hellenisten,  und  ihn  nicht 
sowohl  wie  einen  tonangebenden  Rabbi,  sondern  wie  einen 
durch  die  Autorität  der  Rabbinen  gebundenen  Juden  an- 
redet (c.  3  in.;  c.  02,  n.  4;  cf.  c.  38,  n.  1;  c.  73,  n.  11), 
pafst  freilich  nicht  zu  dem  berühmten  Namen,  aber  ebenso 
wenig  zu  der  Selbatcinführung  Tryphon's  ira  Dialog.  Was 
und  wie  der  echte  Tarphon  und  seinesgleichen  zu  Ichren 
und  zu  disputieren  pÖegten,  konnte  Justin  nicht  darstellen, 
weil  er  es  nicht  wufste.  Trotzdem  kann  er  sehr  wohl  dem 
Rabbi  Tarphon  in  seinem  Leben  einmal  begegnet  sein,  und 
darum  der  Hauptfigur  dieses  Dialogs  dessen  Namen  gegeben 
haben.  Die  Angabe  des  Eusebius,  wenn  sie  auf  Justin'a 
Vorrede  ziu'ückgeht,  macht  das  sehr  wahrscheinheh.  Wir 
würden  bestimmter  urteilen  können ,  wenn  wii"  Justin's 
Proömium  besäfiien.  Uomüglich  ist  nicht  einmal  das,  dafs 
er  eine  Begegnung  mit  Tarphon  gerade  in  Ephesus  zur 
Zeit  oder  nach  Beendigung  des  Barkoclibakriegs  gehabt 
hat 

Als  geschichtlicher  Gehalt  des  Dialogs  dürfte  demnach 
etwa  Folgendes  anzusehen  sein:  Mehrere  Jahre  vor  135  ist 
Justinus  in  Ephesus  für  den  Christenglauben  gewonnen 
worden,  hat  sich  dann  dauernd  dort  aufgehalten,  eifrig  mit 
dem  Studium  des  griechischen  Alten  Testaments  und  der 
christlichen  Litteratur  beschäftigt,  hat  dann  um  135  Ephesus 
auf  dem  iSeewege  verlausen,  also  wohl  mit  der  Absicht,  in 
westlicher  Richtung  einen  anderen  Wohnsitz  (Rom?)  auf- 
zusuchen. In  dieser  Zeit  hat  er  häufig  mit  hellenistischen 
Juden  und  Proselyten  verkehrt,  hat  sich  mit  deren  Exegese, 
religiösen  Meinungen  und  Traditionen  ziemlich  genau  be- 
kannt gemacht  und  unter  anderem  auch  von  den  neueren, 
im  Gegensatz  zum  Christentum  entstandenen  griechischen 
Übersetzungen  des  Alten  Testaments,  welche  sich  damals 
I  in  der  jüdischen  Diaspora  zu  verbreiten  anfingen  (Aquila, 
■Tfaeodotion),  wenigstens  einige  materielle  Kunde  empfangen, 
^p^e  jedoch,  soviel  man  sieht,  über  das  Verhältnis  derselbeii 


66  ZAHN, 

zur  Septuaginta  eine  richtige  EinBicht  zu  gewinnen.  Es  ist 
möglich  y  dals  eine  kurz  vor  seinem  Aufbruch  von  Ephesus 
stattgefundene  einzahle  Disputation  mit  Juden  und  Proselyten 
ihm  als  besonders  bedeutsam  vor  anderen  in  der  Erinnerung 
haften  blieb  und  ihm  mindestens  zehn,  vielleicht  auch  erst 
fünfzehn  oder  zwanzig  Jahre  später,  nachdem  er  inzwischen 
seine  Schrift  ;,  gegen  alle  Häresieen'^  (ApoL  I|  26)  und  seine 
Apologie  geschrieben  hatte,  den  AnlaTs  zur  Ab&ssung  des 
Dialogs  mit  dem  Juden  Tryphon  gab;  welchen  er  einem 
Christen  Marcus  Pompejus  widmete.  Die  Hauptperson  des- 
selben ist  an  sich  historisch,  vielleicht  auch  ihre  persönliche 
Begegnung  mit  dem  Verfasser  des  Dialogs;  Dichtung  aber 
ist  ihre  Verschmelzung  mit  den  hellenistischen  Juden  von 
Ephesus,  denen  Justin  öfter  begegnet  ist 


IV.   JnaUnna  und  die  Lehre  der  ziir51f  Apostel. 

In  der  Beschreibung  der  Taufe,  welche  Justin  ApoL 
I,  61  giebt,  führt  er  zur  Begründung  ihrer  Notwendigkeit, 
Wirksamkeit  und  sittlichen  Bedingtheit  zuerst  ein  Wort 
Christi  (Joh.  3,  3 — 5)|  darauf  eine  längere  Stelle  aus  Jesaia 
(1,  16 — 20)  an,  woran  sich  in  der  einzigen  Handschrift,  auf 
welcher  der  Text  der  Apologie  bisher  beruht,  der  Satz  an- 
schliefst: yuxl  Idyov  di  dg  xofho  7taqä  Tdv  änoaxdhav  if^a- 
d'OfiBv  ToCrov.  Das  kann  nicht  anders  verstanden  werden, 
denn  als  Einfuhrung  eines  nun  folgenden  Wortes,  sei  es 
nun  eines  wörtlichen  Citats  aus  einer  apostolischen  Schrift, 
oder  einer  freien  Wiedergabe  der  Gedanken  einer  solchen, 
oder  einer  nur  mündlich  fortgepflanzten  apostolischen  Para- 
dosis.  Es  folgt  aber  nichts,  was  der  hierdurch  erregten 
Erwartung  entspricht  Im  Hauptsatz  der  folgenden  Periode 
und  den  sachlich  davon  imtrennbaren  weiteren  Sätzen  wird 
nämlich  gesagt,  dafs  über  den  Täufling  der  Name  des  All- 
vaters und  Herr -Gottes  gesprochen  werde,  ohne  dafs  der 
Täufer  einen  anderen  Namen^  einen  eigentlichen  Eigennamen 


STUDIEN  ZU  JUSTIN.  67 

Gottes  hinzufüge;  femer  dafa  die  Taufe  und  warum  sie 
ifiüTiafjög  genannt  werde;  und  endlich  dafa  der  Täufling 
auch  auf  den  Namen  Christi  und  auf  denjenigen  des  hei- 
ligen Geistes  getauft  werde.  Dies  alles  ist  aber  oSenbar 
kein  X6yos,  welchen  die  Christen  von  den  Aposteln  gelernt 
haben,  sondern  ist  eine  Beschreibung  von  Gebräuchen,  wie 
sie  thatsächlich  geübt  werden.  Es  kann  hier  insbesondere 
nicht  Braug  genommen  sein  auf  Matth,  28,  19  als  einen 
Bestandteil  der  äyrofiyrifiovevfiaca,  denn  wie  frei  immer  die 
Reproduktion  der  hetreffeDden  Stelle  sein  mag,  so  konnte 
doch  überhaupt  als  Reproduktion  derselben  nicht  eine  Be- 
schreibung des  zu  Justin's  Zeit  üblichen  Verfahrens, 
Bondem  nur  die  Anführung  des  von  den  Aposteln  aufge- 
zeichneten Gebots  Christi  '  gelten.  In  eine  solche  konnten 
ftuch  nicht  so  fremdartige  Dinge  eingemischt  werden  wie 
hier  das  über  den  Namen  (fturiafuig.  Viel  genauer  hatte 
Justin  kurz  vor  unserer  Stelle  (Otto,  p.  164,  n.  6)  die 
Taufformel  angegeben,  wo  er  sich  gar  nicht  den  Anschein 
giebt,  ein  apostolisches  Wort  zu  citieren,  als  hier  wo  er  sich 
nach  dem  überlieferten  Text  diesen  Anschein  giebt.  Wollte 
Justin  zu  der  Beschreibung  des  christLchen  Taufritus  be- 
Btfitigend  hinzufügen,  dafs  dies  nicht  ein  auf  unsicherer 
Überlieferung  beruhender  Brauch  sei,  oder  nicht  ohne  guten 
Grund  für  eine  Stiftung  Christi  gehalten  werde,  so  mufste 
er  nach  seiner  Gewohnheit  bemerken,  dafs  „dies  in  den 
Denkwürdigkeiten  der  Apostel  auch  geschrieben  stehe"', 
oder  dafs  die  Christen  es  „aus  diesen  Denkwürdigkeiten 
gelernt    haben" '.     Solches    würde    aber    auch    seine    allein 


1)  Cf.  Apol.  1,  6G:  ol  yi'iQ  Anöaioloi  tv  iwc  y^vuf^(voli  vn'  a6- 
(Oi'  äitafiyifjiivivfiaaiv  ■  .  oCiaii  nofiiiiiaBV  (rTuäl&ai  aäTOi';.  Es 
folgen  die  Eioaetzungsirorte  des  Abendmahls.  Cf.  Apol.  67  eitr.,  wo 
hauptilchUch  an  die  EinsetEODg  der  Taufe  durch  den  Auferstaudenea 
zu  denken  ist. 

2)  Dial.  88,  Otto,  p.  320,  n.  9;  e.  100,  p.  35G,  n.  12;  c.  101 
eitr.,  p.  Se2;  c.  103,  p.  372,  n.  19;  c.  104,  p.  874,  n.  4;  c.  106, 
p.  378,  n.  7;  p.  380,  n.  8. 

3)  Dial.  106,  Otlo,  p.  376,  n.  4;  p.  378,  n.  13.  Cf.  Apol.  I,G6 
Utittz^v^"  •  ■  ■  oi  r'V  üntiaioiot  taX.  —. 


68  £AHR, 


puBcnde  Stelle  hinter  der  zunächst  nur  als  Bestandteil  der 
kirchlicben  Tradition  angeführten  Taufhandlong  oder  Tauf- 
(onDfA  finden  y  nicht  hinter  einem  langen  CStat  aus  Jesaia. 
Man  bringt  einen  erträglichen  Sinn  auch  dadurch  nicht  in 
imaere  Stelle,  daTs  man  unter  dem  l6yog  inbezug  auf  die 
Taufe,  welchen  die  Christen  von  den  Aposteln  gelernt  haben 
aoDm,  die  ratio  huius  rei  *  oder  einen  Ghrund  fiir  die  Not- 
wendigkeit der  Taufe  verstehen  und  diesen  hiermit  ange- 
kündigten hoyo^  in  dem  Vordersatz  der  folgenden  Aussage 
statt  in  dem  Hauptsatz  und  seinen  Fortsetzungen  finden 
wollte.  Denn,  abgesdien  davon,  dals  dann  Justin  sich  in 
syntaktischer  Hinsicht  sehr  ungeschickt  ausgedrückt  hätte, 
indem  er  den  Hauptsatz  mit  allerlei  für  seinen  Zweck 
ganz  irrelevanten  Dingen  überlud,  statt  ihn  einfach  die  For- 
derung der  Taufe  aussprechen  zu  lassen:  welches  wäre  denn 
die  kanonische  oder  apokryphe  Apostelschrift,  aus  welcher 
Justin  gelernt  hätte,  die  Menschen  müfsten  sich  taufen 
lassen,  weil  sie  bei  ihrer  ersten  Geburt  ohne  Wissen  und 
Wollen  infolge  fleischlicher  Qeschlechtsgemeinschaf);  geboren 
worden  seien,  und  damit  sie  nicht  Kinder  des  Zwangs  und 
der  Unbewufstheit  bleiben,  sondern  Kinder  der  Freiheit  und 
des  Wissens  werden  und  Sündenvergebung  erlangen?  Ich 
suche  in  der  Justinlitteratur  vergeblich  nach  einer  AuTse- 
rung  der  Verwundenmg  über  diese  Stelle  *  und  vollends 
nach  einer  Lösimg  der  Schwierigkeit  Sie  ist  nur  dadurch 
zu  beseitigen,  dals  man  das  xofjxov  am  Schlufs  des  oben 
mitgeteilten  Satzes  ebenso  streicht,  wie  man  ein  htiq  und 
ein  zoütov  wenige  Zeilen  später  längst  entweder  gestrichen 


i 


1)  Dioiio  Übersetzung  findet  man  noch  bei  Otto.    Sie  ist  einfacl 
falfich,  weil  dann  Xdyog  mit  dem  blofsen  Genetiv,  allenfalls  auch  mit 
nt()C  0.  f(ün.  stehen  müfste. 

2)  Somisch  II,  426-434  vgl.  S.  402;  Engelhardt,  S.  102ff.; 
Otto  z.  d.  St.  schweigen  überhaupt.  Auch  in  dem  Streit  darüber, 
ob  Justin  du!  Taufformel  Matth.  28,  19  gekannt  habe,  finde  ich 
das  nahüliogondo  Problem  nicht  berührt  bei  Semisch,  Die  apostol. 
DonkwUrdigkoitun,  S.  307;  Ililgenfcld,  Krit.  Untersuchungen  über 
dio  Ew.  Justin*s,  8.  250 f.;  Volkmar,  Justin  und  sein  Verhältnis 
lu  dou  EvaugoUou,  S.  41. 


STirOIEN  ZI-  JUSTIN.  69 

lodcr  geändert  hat'.  Ein  Leser  und  Abschreiber,  welcher 
neiatc,  Justin  müsse  hiermit  auf  ein  bestimmtes  Apostel- 
fort  hinweisen,  setzte  es  zu.  Aber  mit  Unrecht,  denn  es 
Ifclgt  kein  solches.  Der  Satz  weint  gar  nicht  aufs  folgende, 
'  sondern  aufs  vorige.  Nachdem  die  Taufhandlung  mit  ihren 
Vorbereitungen  kurz,  aber  umfassend  beschrieben  ist,  wird 
im  Rückbhck  auf  das  eine  Moment  derselben,  dafs  die 
Taufe  eine  „Art  von  Wiedergeburt"  bewirke,  das  Wort 
Christi  von  der  Notwendigkeit  der  Wiedergeburt  citiert; 
ferner  mit  Rücksicht  auf  das  andere  Moment  der  Beschrei- 
bung, dafa  ein  Versprechen  des  sittlichen  Lebenswandels  die 
Vorbedingung  der  Taufe  und  der  darin  dargebotenen  Güter, 
darunter  der  Sündenvergebung,  sei,  das  Wort  aus  Jesaia  *. 
Die  übrigen  Momente,  das  Beten  und  Fasten  der  Tüuflinge 
und  der  Gemeinde  vor  der  Taufe,  das  Taufbad  selbst  an 
einem  Ort,  „wo  Wasser  ist",  und  das  Taufen  auf  den  Na- 
men des  Dreieinigen  werden  nicht  durch  einzelne  autorita- 
tive Worte  bestätigt,  sondern  statt  dessen  abschliefsend  ge- 
sagt: „Wir  halten  aber  auch  ein  hierauf  bezügliches  Wort 
(Lehre  oder  Anweisung)  von  den  Aposteln  gelernt."  Was 
weiter  folgt,  ist  Justin's  eigene  theologische  Reflexion  über 
den  Wert  der  Taufe,    wobei   gelegentlich   noch   ein   kleiner 


1)  S.  Otto,  p.  IGT,  n.  14  u.  15.  Erstere  Andenmg  ist  übrigens 
völlig  überiliisaig. 

2]  Eb  ht  der  Zuaammenhang  zu  beachten,  in  nukhem  Justin 
schon  Apol.  1, 41  dieselbe  Stulle  citiert  hat.  Es  geht  nümlieh  dort  die 
AnfTordeniDg  zu  deßni'tivcr  Wahl  zwischen  dem  Guten  und  dem  Bösen 
aus  Deut.  3U,  1&.  1!)  voran.  Dieselbe  Stelle  aus  Jesoia  citiert  Justin 
ihrem  Anfang  nach  uuch  Dlal.  c.  18,  n.  2  cf.  c.  l'd,  n.  1;  c.  14  in., 
wo  er  von  der  Taufe  handelt.  Dieselbe  citiert  volUtändlger  Hippo- 
iylus  in  der  Predigt  Über  die  Taufe  Jesu ,  weiche  mit  einer  Ein- 
ladung zur  Taufe  (c.  8—10)  sebUcftt,  und  er  bezieht  sie  auf  das  Ab- 
legen der  Waffenrüatung  des  Teufel»  und  das  Anlegen  des  Panzers 
rIcE  niaubcns  (cd.  Lagardc,  p.  42,  20)  oder  auf  das  iiaiäaaea9tti 
,•»  ;ionjt»r,  (=  ünoTilSaaän,  tTj  nlnrfC«  9i\»!  p.  148,  18)  und  <laB 
n-*r»ao*»r.'M(  [m  Xomu;,  bei  der  Taufe  (p,  42,  28).  Tertullian  be- 
zieht zwar  Scorpiocc  c.  12  Jcs.  1,  18  auf  das  Martjriutn,  stellt  dieses 
abei  mit  der  Tuufe  in  vergleichenden  Gegensatz.  Dies  alles  weist 
aaf  Elemente  der  älteaten  TanflitaTCie. 


70  £AHK, 

Naching  zur  Beachrabung  der  kirchlichen  UbuDg  gelieiert 
wird,  daffl  man  nämlich  die  Tmofe  auch  wamafiög  nenne. 
Alles  Übrige  ist  nur  lehrhafte  Entfiütong  des  vorher  kurz 
beschriebenen  Ritus. 

Es  entsteht  die  Frage,  welchen  von  den  Aposteln  her- 
rfihrenden  li/og  Justin  bei  seiner  allgemein  gehaltenen  Be- 
rufung im  Sinne  hatte.  Die  Anordnung  der  Tauf  handlang 
selbst  kann  er  nicht  auf  die  Apostd  zur&ckgefuhrt  haben; 
denn  es  giebt  keine  Tradition,  welche  dazu  das  Recht  ge- 
geben hätte,  und  Justin  selbst  hält  vielmehr  die  Taufe 
ebenso  wie  das  Abendmahl  für  eine  Stiftung  Christi  (s.  oben 
S.  67  Anm.  1).  Es  kann  also  nur  eine  apostolische  An- 
weisung über  das  Wie  oder  über  den  Wert  der  Tauf  hand- 
lung gemeint  sein. 

Insbesondere  an  die  Formen  der  Taufhandlung  zu  den- 
ken, ist  dadurch  sehr  nahegelegt,  dals  die  angeführten  Worte 
Christi  und  des  Propheten  sich  gar  nicht  direkt  auf  diese 
Formen,  sondern  nur  auf  die  Wiedergeburt,  das  Abthun 
der  Sünde  und  die  Sündenvergebung  beziehen.  Es  werden 
also  wohl  die  übrigen  Momente  der  Beschreibung,  die  ein- 
zelnen Stücke  des  beschriebenen  kirchlichen  Brauchs  sein, 
mit  Bezug  worauf  Justin  sich  eines  von  den  Aposteln  als 
Lehrern  empfangenen  „Wortes"  erinnert  Es  wird  nützlich 
sein,  diese  einzelnen  Stücke  etwas  schärfer  ins  Auge  zu 
fassen. 

Das  erste  Stück  ist  in  der  Charakteristik  der  zu  taufen- 
den Personen  ausgesprochen:  „AUe  die,  welche  davon  über- 
zeugt wurden  und  glauben,  dafs  das,  was  von  uns  gelehrt 
und  gesagt  wird,  wahr  sei,  und  welche  versprechen,  so  leben 
zu  können"  *.  Dasselbe  wird  c.  65  noch  einmal  kürzer 
ausgedrückt,  indem  der  Täufling  bezeiclmet  wird  als  einer, 
„der  überzeugt  ist  und  seine  Zustimmung  erklärt  hat". 
Es  ist  also   vorausgesetzt   ein   auf  die  Taufe   vorbereitender 


1)  c.  61  :"Oaot  ttv  ntiaih&ai  xnl  Ttiattvtoaiv  akrj&rj  tnüTtt  ta  w/»* 
^ußv  ^tdaoxofitvn  xai  Xfyofitvtt  iivm,  xal  (iioöv  ovtojg  dvvna&ai  vni- 
(T/vfi)vTat.  Dazu  c.  65:  furu  ro  ovrtag  XoOani  töv  mnuafiivov  xnX 
ai'^'xaraTtd'Hfi^vov. 


STUDIEN  ZU  JUSTIN.  71 

Unterricht,  welcher  die  Zustimmung  zum  Glauben  der  Ge- 
meinde und  den  Enkchlurs  zu  entsprechendem  Lebenswandel 
zum  Ergebnis  hat.  Die  Ausdrücke  lauten  nicht  so,  als  ob 
dieser  Unterricht  in  einem  der  Taufhandlung  unmittelbar 
vorangehenden  Bekenntnis  einerseits  und  Gelübde  anderseits 
seinen  Abschlufs  gefunden  habe.  Inbezug  auf  ersteres  ist 
nur  von  Glauben  und  Uberzeugtheit  die  Rede,  und  inbezug 
auf  den  Lebenswandel  wird  zwar  eines  Versprechens  ge- 
dacht, dieses  aber  nicht  geradezu  als  ein  zu  christlichem 
Wandel  verpflichtendes  Gelübde  bezeichnet,  sondern  viel- 
mehr als  eine  den  Charakter  des  Versprechens  an  sich  tra- 
gende Erklärung  des  Taufkandidaten,  dafs  er  sich  im- 
stande fühle',  so  zu  leben,  wie  er  vorher  gelehrt  worden 
ist.  Es  handelt  sich  also  hier  nur  erst  um  eine  vorläufige 
Feststellung  des  Resultats  der  auf  die  Taufe  vorbereitenden 
Unterweiaung  und  Erziehung,  um  ein  Scrutiniura,  wobei 
den  Fragen  des  Lehrers  oder  Täufers  allerdings  ein  Ja  des 
Taufkandidaten  antwortet,  aber  ein  solches,  welches  nur 
erst  die  Voraussetzung  eines  fiir  immer  verpflichtenden  Be- 
kenntnisses und  Gelübdes  bildet  *.  Dafs  letzteres  mit  der 
Tauihandlung  selbst  verbunden  war,  ist  selbstverständlich. 
Noch  ist  zu  bemerken,  dafs  die  Verpflichtung  zu  christlichem 


1)  Jenes  rfrtnotfm  c.  61  übersieht  z,  B.  Probst,  Lehre  und 
Gebet  in  den  drei  ersten  Jahrb.,  S.  88,  völlig. 

2)  Möglicherweiae  ist  c.  ß5  iu  dem  niyxmatt^iaSni  beides  bu- 
ntnincngefarst .  das  der  TaufhanilluDg  als  Conditio  »ine  qua  lum 
Torangcbende  und  dtis  einen  Bestandteil  derselben  bildende  „  Ver- 
sprechen"; denn  dem  Xornat  selbst  geht  auch  letzteres  roran.  Deut- 
lich bezeugt  Encrat  TertuUian  de  Corona  c.  3  die  doppell«  Renuntlatio: 
o^uant  adituTt  ibidem,  aed  et  oliqMimto  priug  in  ecclegia  ȟb  anligti- 

I  tii  manu  coniestamur ,   nos  renunfiare   diabolo  et  pompat   et   angtUt 

Itüt».  Cf.  de  spectac,  c.  13:  qai  bis  idoli»  renutitiavimua  (a.  dazu 
Oehler).  Daher  im  Gelübde  bei  der  Taufe  de  spectac.  C.  4  nicht 
renuntiare,  aondrra  renitntian»e.  Auf  jene  frühere,  der  Taufe  manch- 
mal ziemlich  lange  vorangehende  Renuntiatio  der  Audientes  berieht 
■ich  Tcrtullian  poenlt.  c,  ti,  auf  die  spätere  liei  der  Taufe  spectac. 
C.  24;  de  Corona  c.   l;J.   —    Die  erste  Spur   eines   die  Losaagung   von 

I  der  Sünde  einschliefacndcn  Tanfgclübdes  finde  ich  bei  Ignatiun  Ephea. 

114,  2  Tgl.  meinen  Ignatius  v.  Ant.,  S.  690  f. 


7^  ZJLHSy 

Wandel  wenigneos  in  den  Worten  Jusdn's  stärker  hervor- 
tritt als  da»  Bekenntnis  des  Glaubens.  Besonders  aach  das 
C*itat    AUi    Jesaiä    hÄtet    den    BGck    auf   jene    moralische 


Dai3  zw^te  Stück  enthalten  die  Worte:  ^(Die  so  vor- 
bereiteten Personen)  werden  gelehrt,  unter  Fasten  zu  beten 
und  von  Gott  Vergeboi^  der  früb^  begangenen  Sünden 
zu  erbitten,  während  wir  mit  ihnen  fiisten  und  beten.''  Ob 
letzteres  tou  der  ganzen  Gemeinde  gut,  ist  nicht  mit  Sicher- 
heit zu  sagen.  Justin  gebraucht  auch  vorher,  wo  vom  vor- 
bereitenden Ldiren  und  gleich  darauf,  wo  vom  Hingeleiten 
zur  Tau&tätte  die  Bede  ist  ein  solches  „Wir'',  welches  dem 
Kaiser  gegenüber  die  Christen  überhaupt,  die  ganze  Ge- 
meinde bezeichnet,  der»!  Brauche  hier  beschrieben  werden. 
Das  8chlie(st  aber  nicht  aus,  dals  sie  das  Einzelne  durch 
besonders  hierzu  berufene  Personen  vollzieht  Während  es 
c.  61,  n.  4  heilst:  „Sie  werden  von  uns  dahin  gefuhrt,  wo 
Wasser  ist",  liest  man  c  61,  n.  15  von  dem  einzelnen 
Mann,  „welcher  den  zu  Taufenden  zum  Bade  fuhrt".  Es 
ist  demnach  nicht  zu  entscheiden,  welche  Personen  nach 
Justin's  Bcsclireibung  und  zu  dessen  Zeit  an  dem  Fasten 
und  Beten  des  Taufkandidaten  teilzunehmen  hatten.  Sicher 
ist  nur,  dafs  der  Täufer  dazu  verpflichtet  war. 

Das  dritte  Stück  ist  die  Taufhandlung  selbst,  betreffs 
welcher  nur  Zweierlei  deutlich  gesagt  ist  Sie  wurde  (in 
der  Kegel)  nicht  innerhalb  eines  geschlossenen  Raumes,  son- 
dern im  Freien,  im  Flufs  oder  See  vollzogen,  und  es  wur- 
den im  Moment  der  Eintauchung  des  Täuflings  die  Namen 
des  Vaters,  des  Sohnes  und  des  Geistes  gesprochen.  Dafs 
auch  das  Ausziehen  der  Schuhe,  welches  sich  für  den  Täuf- 
ling, der  ins  Wasser  steigt,  von  selbst  versteht,  als  eine 
synibülirtch  bedeutsame  Nebenhandlung  betrachtet  worden 
und  auch  für  den  Täufer  verbindlich  gewesen  sei,  ist  eine 
unbegründete  Vermutung  *. 

Ist  nun  nach  obiger  Ausfiihrung   die  Frage   unumgäng- 

1)  Von  Probst,  Lehre  und  Gebet,  S.  8Gff.,  unter  Berufung  auf 
Just,  iipol.  I,  G2;  Clem.  ström.  V,  §  56,  p.  679  Potter. 


STUDIEN  ZU  JUSTIN.  73 

lieh,  auf  welchen  von  den  Aposteln  als  Lehrern  empfange- 
nen l6yos  Justin  sich  fiii'  diese  Riten  beruft,  so  wäre  es  ja 
an  sich  nicht  undenkbar,  dafa  er  nur  eine  mündlich  sich 
fortpflanzende  Überheferung  im  Sinn  habe,  welche  besagte, 
dal'a  dJCHö  Bräuche  von  den  Aposteln  eingeführt  worden 
H^en.  Dagegen  ist  aber  mehr  als  eins  zu  bedenken.  Erstens 
haben  die  neueren  Entdeckungen  auf  dem  Felde  des  kirch- 
lichen Altertiuns  immer  wieder  von  anderer  Seite  gezeigt, 
daSa  in  der  alten  Kirche  das  geschriebene  Wort  eine  viel 
grölaere  Rolle  gespielt  bat,  als  man  ihm  im  Vergleich  mit  der 
laUndlichen  Überlieferung  friUier  einzuräumen  geneigt  war. 
Zweitens  hat  es  nachweislich  keine  mündliche  Überlieferung 
dea  Inhalts  gegeben,  dafa  die  Apostel  die  einzelnen  Formen 
des  kirchlichen  Taufritus  angeordnet  haben.  Tertullian 
führt  diese  Formen  als  Beispiel  dafür  an,  dafs  auch  solche 
Bräuche,  welche  aller  Stütze  in  einer  aucioritas  scripta  er- 
mangeln, in  der  Kirche  zu  Kecht  bestehen;  aber  er  macht 
dabei  nicht  den  geringsten  Versuch,  diesen  Bräuchen  zum 
Ersatz  für  die  mangelnde  lex  scripturamni  durch  Behaup- 
tung einer  Stiftung  durch  die  Apostel  die  erforderliebe 
Grundlage  zu  geben  (de  Corona  ',i.  4).  Ilippolytus  weifs 
nur  durch  kühne  allegorische  Deutung  der  Geschichte  der 
Susanna  zu  beweisen,  dafa  die  zu  seiner  Zeit  in  der  Kirche 
übhcben  Taufriten  nichts  Fremdartiges  und  Willkürliches 
seien  >.  Tertullian  und  Hippolytus  kannten  keinen  auf  diese 
Dinge  bezüglichen  hiyoi^  der  Apostel  wie  Justin.  In  der 
Behauptung  mündlich  fortgepflanzter  apostolischer  Tradition 
ist  man  aber  bekanntlich  im  Fortschritt  der  Zeit  nicht  be- 
scheidener, sondern  immer  külmer  geworden.  Drittens  aber 
neht  der  von  Justin  gewäldte  Ausdruck    nicht    danach    aus, 

mfi^  wollte  er  sagen:  Diese  Formen  und  Bräuche  haben,  wie 
glaubwürdig    überliefert    ist,    die    Apostel    eingcfüln-t. 

iVielmehr  sind  wir  veranlafst,  ein  die  kirchliche  Praxis  auf 


1)  Hippol.  cd.  Lagardi!   p.  H8,    10— l(i.     VrI.   auch   p.    147, 
Kvd  ty  Tj  Ixxkt^otif  n(Hmiiiifi'a  mit  p.  148,  12  ril  pCi'   yfvü/iifii    (1.  ; 
r«)   fv   i\i    ixKliinlif.     Im   allgemeinen   vgl.   ßardenhcwor,   L 
i,  Hippoljtua  DatüelkotiiRientar,  S.  74  f. 


74  ZAWX, 

den  Wegen  ihrer  Verbreitung  und  Fortpflanzung  b^leiten- 
des  Wort  der  Anweisung  und  Belehrung  zu  suchen,  welches 
fiir  ein  Wort  der  Apostel  galt  Wir  finden  aber,  was  wir 
suchen,  in  der  von  Bryennios  herausgegebenen  ,, Lehre  der 
zwölf  Apostel",  in  einer  Schrift,  welche  jedenfidls  mehrere 
Jahrzehnte  vor  der  Apologie  Justin's  geschrieben  ist 

Gehen  wir  die  Reihe  der  in  Justin's  Beschreibung  zu 
unterscheidenden  Hauptstücke  in  umgekehrter  Ordnung  durch, 
so  finden  wir  das  letzte  in  der  AL.  (Apostellehre)  c.  7,  nämlich 
die  trinitarische  TaufFormel  und  das  Taufbad  in  fliefsendem 
Wasser  K  Die  dort  daneben  angedeuteten  Ausnahme&lk, 
in  welchen  man  auch  anderes  frisches  Wasser    und    sogar 


1)  Unter  iv  ij^ari  C<ChTi  will  Bryennios  „eben  aus  dem  Brannen 
geschöpftes  Wasser"  verstehen.  Die  Häufung  der  weiter  von  ihm 
hinzugefügten  Synonyma  trägt  nichts  zur  Rechtfertigung  dieses  Mifs* 
Verständnisses  bei.  „Lebendig"  hdfst  von  jeher  nur  das  von  selbst 
hervorquellende  und  fliefsende  Wasser  im  Gegensatz  zu  allem  stehenden, 
insbesondere  zu  dem  in  Cistemen  angesammelten  Begenwasser.  Wenn 
das  Wasser  gegrabener  Brunnen  im  letzten  Grunde  aus  unterirdischen 
Quellen  fliefst,  und  der  einen  Brunnen  Grabende  sich  freut,  bald  auf 
solche  zu  stofsen  (Gen.  26,  19  f.),  so  ist  doch  darum  das  im  Brunnen 
sich  sammelnde  und  daraus  geschöpfte  oder  gepumpte  Wasser  noch 
kein  ,, lebendiges  Wasser".  Letzterer  Ausdruck  bildet  z.  B.  Job.  4, 
10—14  eine  Steigerung  über  das  aus  dem  Jakobsbrunnen  geschöpfte 
Wasser  vgl.  Job.  7,  38.  Gen.  16,  7.  14.  Hobel.  4,  15.  Jer.  2,  13; 
17,  13;  Diamart.  Jacob!  c.  1  (Clementina  ed.  Lagarde  p.  4,  25  Aya- 
yövjn  tt vTov  inl  noraudv  ^  TiriyrfVf  vnfQ  larlv  CQv  v^iOQ,  ^fv&a  ^  rOv 
dtxnCoiv  yivtrai  «v«yA^??(Tt?} ;  Clem.  hom.  IX,  19  (aevdot  notttfiqi  ^ 
Titjyy  (n^C  yt  xäv  ^aXiiaGfj  nnolovadfievoi)  '^  XI,  26  {O^ari  C<S>'^*  nQoa- 
tX^ftv)',  XI,  35.  36;  XIV,  1  (Beispiele).  Auch  das  äyeiv  i(p'  €StoQ 
in  der  Beschreibung  der  Bräuche  der  Markosier  Iren.  I,  21,  3  und  4 
Massuet  p.  95.  96  zeigt  wie  der  ähnliche  bei  Justin,  dafs  die  Taufe 
im  Freien  vollzogen  wurde.  Vgl.  auch  Bamabas,  c.  XI,  10  sq.  und 
dazu  Probst,  Sakramente  und  Sakramentalicn,  S.  113;  auch  Hippo- 
lytus  cd.  Lagarde,  p.  160,  27 sq.  Wie  sehr  dies  noch  später  die 
Regel  war,  zeigt  Tertull.  de  bapt.  4:  Ideoque  ntdla  distinctio  est, 
fnari  quis  an  stagno,  fluminc  an  fönte,  lacu  an  alveo  diluatw,  nee 
quicquam  refert  inter  eos,  qtws  Joannes  in  Jordane  et  qtios  Petrus 
in  Tiheri  tinxit.  Erst  an  sechster  Stelle  nennt  er  die  Wanne  {alveus 
=  axnffri  Acta  Thomae  ed.  Bonnet,  p.  73,  4,  ebendort  p.  68,  27  und 
auch  wohl  p.  82,  14.  16  Taufe  in  der  Quelle). 


STUDIEN  7.V  JITSTIN. 

warmea  Wasser  zum  Taufbad  gebrauchen  dürfe,  und  dift- 
jenigen,  in  welchen  die  AL.  anstatt  dee  Taufbades  eine 
blofse  dreimalige  Überglefaung  des  Hauptes  mit  Wasser  ge- 
stattet, hatte  Justin  selbst  verständlich  nicht  zu  berücksich- 
tigen, wo  er  der  heidnischen  Obrigkeit  den  gemeinen  Brauch 
der  Christenheit  beschreibt. 

Das  zweite  Hauptstück  in  Justin's  Beschreibung  finden 
wir  gleichfalls  in  AL.  c,  7:  Nicht  nur  der  Täufling,  sondern 
auch  der  Täufer  und  wer  sonst  dazu  in  der  Lage  ist,  soll 
vor  der  Taufe  fasten,  und  zwar  der  Täufling  einen  oder 
zwei  Tage.  Von  hier  aus  erliält  das  oben  S.  72  erörterte 
„Wir"  bei  Justin  seine  nähere  Bestimmtheit;  und  es  spricht 
nichts  dagegen,  dafs  der  von  ihm  beschriebene  Gebrauch 
genau  dieser  Vorschrift  der  AL.  entsprach.  Es  ist  nun  aber 
sehr  zu  beachten,  dafs  aufser  der  AL.  und  Justin  nur  noch 
eine  einzige  altkirchlichc  Schrift  das  Mitfasten  des  Täufers 
und  anderer  GonieindegUeder  mit  dem  Täufling  bezeugt; 
das  ist  der  Klemensroman  *.  Zufällig  ist  es  daher  auch 
nicht,  dafs  der  Bearbeiter  der  AL.  in  Const.  apost 
Vir,  22  das  Fasten  auf  den  Täufling  beschränkt  hat  Der 
Brauch  des  Mitfastens  des  Täufers  und  anderer  Gemeinde- 
glieder  mit  dem  Täufling   war  abgekommen.     Wenn   man 


1)  Clem.  recogn.  Vn,  37:  Voa  et  cgo  robiscum  hoilie  ji-junemu! 
cum  ipsa  et  crastino  baptieabituT  sagt  PetruH  su  Äquita,  Nicctit  und 
ClemenB  inbeiug  auf  Matthidia.  Wenn  jd  der  Parallel  stelle  Clem. 
homil.  XIII,  12  Jutfiiivikifin'  ohne  (y  tj  vqoiti'i.i  ui-sprUiiglicber  Teit 
ist,  Eo  wird  das  Fehlen  einer  deutlicliün  Aiigahe  üher  das  Mitfaaten 
des  Täufers  Petrus  und  der  übrigen  nicht  sufUllig  sein.  Wie  so  oft 
hat  auch  hier  der  Redaktor  der  Ilotnilicen  Altertümliches  verwischt, 
was  in  den  Recognitionen  erhajtea  ist.  Inbezug  auf  die  besonders 
feierliche  Taufe  des  Faustinianiis  beifst  es  S,  T2  von  Petrus:  Indixit 
auletn  j^uniuvi  omni  pUbi  rt  venieiite  die  damiiiiai  liaplizaml  eum. 
Die  sonstigen  ältesten  Zeugnisse  für  das  Fasten  des  Täufliugs  sind 
Clem.  AI.  epit.  ex  Theodoto  i;  84,  p.  ÜSS  Potter;  Tcrtull.  bapt.  ÜO 
(ohne  Angabe  der  Dauer);  Clem.  bomil.  III,  73;  XI,  35  (mohi-ere 
Tage);  XIII,  9—11  cf.  recogn.  VIT,  34—37  (wenigstens  einen  Tag); 
recogn.  III,  61  (jejunü»  frcquentibus  nährend  einer  dreimonatlichen 
VorbercitungBzeit),  AufTällig  ist  das  Fehlen  jeder  Andeutung  in  den 
Acta  Thomae  cd.  Bounct  p.  68.  73.  81  f. 


76  ZAHN, 

gearteilt  hat ',  was  Justin  vom  Mitfasten   anderer  mit  dem 
Taufkandidaten   sage,    finde  ,, seine  natürliche  Erklärung^' 
in  dem  Umstände,  da(s  diejenigen  Taufkandidaten,  welche 
SU  Ostern  getauft  wuiden,  „schon  frühzeitig  mit  den  Gläu- 
bigen  das  40tägige  Fasten  gehalten  haben'',   so  setzte  man 
sich  erstens  leichten  Fulses  darüber  hinweg,  dals  bei  Justin 
ebenso  wie  in   der  Apostellehre  nicht  von  einem   Mitfasten 
der  Taufkandidaten  mit  der  Gemeinde,  sondern  umgekehrt 
von  einem  Mitfasten  anderer  Gemeindeglieder  mit  dem  Tauf- 
kandidaten die  Rede  ist     Es  ist  femer  übersehen,  dals  eine 
Mitbeteiligung  der   Taufkandidaten  an  einem   ganz    anders 
gemeinten  Fasten  ideell  etwas  ganz  anderes  wäre,   als  was 
die  AL.   fordert,   Justin    und    Pseudoclemens    beschreiben. 
Letzterer  belehrt  uns  sehr  nachdrücklich  darüber,   dafs  ein 
(dme  bestimmte  und  ausschliefsliche  Beziehung  auf  die  nach- 
folgende Taufe  gehaltenes  Fasten  das  erforderliche  Tauffasten 
nicht   ersetiEen   könne '.      Endlich  aber  ist  jene  Erklärung 
des   Mitfastens   anderer   mit   dem   Täufling  nicht  nur    im- 
natürlich,  sondern  einfach  unmöglich,  weil  sie  nur  auf  die- 
jenigen Taufkandidaten   passen  würde,    welche   zu    Ostern 
die  Taufe  empfingen.     Nun  wissen  wir  aber,   dals  zu  Ter- 
luUian*3  Zeit  und  in   den    folgenden  Jahrhunderten    neben 
i>*torn  auch  andere  Festzeiten  der  Kirche  solenne  Taufzeiten 
^arrni  \  >Hur  allem  die   Pentekoste   und   in   vielen  Kirchen 


l""  |«iu«ovimAvr,  Entwickelong  der  kirchlichen  Fastendisziplin, 
S.  ^^  N^l  Ss  ^^     Ähnliches  bei  Probst,  Lehre  und  Gebet,  S.  90. 
^^  VHvm  h^wü,  Xlll,  11;  rccogn.  VII,  36. 

ci,^   (X'^mllx   Ut^    b*pt.    19:    (Uem    baptismo    soüemniorem    Basclia 
»/iVAAuw  .  KWM»lf  DrHtecoste  ordinandis  lavacris  laetissimum  sjia- 

t.\..*    s>*.     SvW^w  \Wv  \\\\*hsol  «wischen  dies  und  spatium  zeigt  ebenso 
y\a     u    AvMivAv  AwM\^hruuj:,  dafs  Pontecoste  hier  in  dem  bekannten 
yxv.vxKii  \j»u*c  iVM»viul  ij^t.     Für  Pascha  als  Taufzeit  cf  Hippol.   ed. 
L  ^^^,*  v\   »s  U*  .   ^Kv^      VNir    Kpiphiuiion   vor   allem   die   oben  S.  69 
\         :    * "«^v.v'^xav  ^Ki)vh.^w\ouimHligt  des  Ilippolytus,  über  welche 
'A.i;.s^,  V  IkKwhl    \Yi»s,  iJv^^T),  S.  33f.  etwas  zu  bemerken 
.    vv..    v^aw^v    <ivHXv^x   anhing   Höfling,    Sakrament   der 
^*.     ..sM'     ^.^t^  ^v^N'^  ^^^^'<  ^'  »^^*»^^f-  vertretene  Meinung,  dafs 
vv        s  . .     N  .**  S^  -^  ^^  v>^^sMiK^rt  w»i,  und  dafs  die  Päpste  Siricius 
V     As.     'nw.mA  n^^nV^  *^*^  ^^^  un vermischte  abendlän- 


X     \       ^       A 


STUDIEN  ZU  JL'STTN. 


I  Besonders  des  Orients  auch  Epjphanien.  Gesetzt  nun,  diese 
»  Bindung  der  Taufe  an  jene  Zeiten  wäre  aclion  für  Justin's 
oder  gar  der  AL.  Zeit  anzunehmen,  wie  Üefae  eich  denn 
die  ganz  allgemein  gehaltene,  für  alle  Tauten  gültige  An- 
ordnung der  AL,  und  Beschreibung  Justin's  aus  dem  Oster- 
fasten  der  gesamten  Gemeinde  erklären?  Wenn  der  Tauf- 
katididat,  der  am  Pfingstfest  oder  zwiaclien  Ostern  und 
Pfingsten  die  Taufe  empfing,  nach  den  vorhandenen  Zeug- 
nissen aus  den  verschiedensten  Jahrhunderten  zweifellos  ohne 
Rücksicht  auf  die  Kirchenzeit  durch  Pasten  auf  die  Taufe 
sich  vorbereitete,  so  iat  es  ja  ganz  undenkbar,  dafs  der 
taufende  Geistliche  oder  gar  ein  grofserer  Teil  der  Gemeinde 
in  dieser  Freudenzeit  der  Kirche  '  gefastet,  und  somit  am 
Fasten  des  Täuflings  sich  beteiligt  habe.  Die  Voraussetzung 
ist  aber  auch  ganz  unhaltbar,  dafs  zur  Zeit  Justin's  oder 
gar  der  AL.  Ostern  eine  besonders  beUebte  Taufzeit  ge- 
wesen sei.  Die  AL.  enthält  gar  keine  Andeutung  über  die 
Taufzelt.  Justin  deutet  nur  an,  dafs  gewöhnlich  am  Sonn- 
tag getauft  wurde  * ;  auch  in  den  Rekognitionen  dos  Kle- 
mens  kommt  der  Fall  vor  *.  Also  in  den  einzigen  altkirch- 
lichen Schriften,  welche  des  Mitfastens  des  Täufers  und  an- 

dische  Praxis  vertreten,  halte  ich  für  irrig  und  zwar  nicht  nur  wegen 
jener  Predigt  des  Hippolytus,  deren  Echtheit  angezweifelt  wird. 

1)  Iren,  fragm.  gr.  VI]  cd,  Ilarvey  II,  478 sq.;  TertuU.  de  orat. 
23  (al.  18);  de  corona  3;  Can.  Nieaen.  2Ü. 

2)  Dial,  c,  41.  Dasaelbe  ergiebt  sich  aus  Apol.  I,  64  inaofem, 
als  vorausgesetzt  iat ,  dafs  am  Tauftagc  die  Gemeinde  zum  Gottes- 
dienst und  insbesondere  zur  Abend  mahl  sfeier  versammelt  war.  Die 
Beweisführung  von  Probat,  Lehre  und  Gebet,  S,!llf  vgl,  desselben 
Sakramente  und  Sakramentalien ,  S,  111,  wonach  Justin  Ostern  als 
rcgelmäfsige  Tanfzeit  auch  nur  angedeutet  haben  soll,  bedarf  keiner 
Widerlegung.  Ebenso  haltlos  ist  die  Meinung,  dafs  das  Tauffasten 
nach  TertaUian  (de  bapt,  20  cf,  Const,  apost,  VII,  22)  40  Tage  gc- 

(dauert  habe  (Probst,  Lehre  und  Gebet,  S.  90.  171).  Das  gehurt 
■päteren  Zeiten,  an  vgl.  Höfling  I,  228,  373.  9(i. 
3)  X,  72:  veniente  die  iloniiiiica  cf,  IH.  67:  die  festo;  III,  72: 
tum  advenisset  dtei  festun.  Sollte  hierunter  nicht  der  Sonntag  zu 
merstchcn  sein,  so  wäre  nur  an  Pfingsten  zu  denken  cf  Tertull.  de 
bkpt.  19:  dient  pr^teeosttg ,  qui  fs(  prnprie  dies  fentiis:  Joseph,  ant. 
HL  1&  6:  Tn  Ttn^mroffTn.  n»  'liäoaiai  'Aant>»A  xaluoaiv. 


78  ZASa, 

derer  Gemeindcgfieder  mit  dem  Täufling  gedenken^  fehlt 
jede  Spur  dnYcm,  dalk  die  Taufen  hftofig  oder  gar  regel- 
mi£i%  am  Osterfest  stattfanden.  In  keiner  der  Schriften 
dagegen,  wdche  Ostern,  Pentekoste  oder  Epiphanien  als 
solenne  Tao&eiten  beaeichnen,  ist  Yon  jenem  MitfEisten  an- 
derer mit  den  Tanfkandidaten  die  Bede.  Also  hat  dieses 
letztere  mit  dem  Fasten  der  Gfemeinde  von  Haas  aus 
schlechterdings  nichts  zu  schaffen  Nor  der  Untergang  der 
Sitte  des  Mitfimtens  mit  den  Tanfkandidaten  kann  und  wird 
mit  der  Fixierung  der  Taufreiten  in  Zusammenhang  stehen. 
Inbezug  auf  diejenige  wdche  zu  Ostern  die  Taufe  empfingen, 
ging  das  Mitfasten  des  Tiufiers  und  einiger  Brüder  in  dem 
allgemeinen  Osterfasten  der  Gemeinde  unter.  Inbezug  auf 
diejenigen,  wdche  zu  Pfingsten  oder  zwischen  Ostern  und 
Pfingsten  getauft  wurden,  mulste  das  Mitfasten  der  übrigen 
in  W^fidl  kommen,  weil  es  für  die  Gemeinde  der  Gläu- 
bigen mit  dem  ausprägten  Charakter  der  Pentekoste  un- 
verträglich war. 

Kehren  wir  nach  dieser  unvermeidlichen  Abschweifung 
zur  Vergleichung  der  AL.  mit  Justin  zurück,  so  bedarf  es 
vieUeicht  kaum  der  Erwähnung,  dals  die  AL.  hier  nur  ebenso 
wie  anderwärts  eines  abgekürzten  Ausdrucks  sich  bedient, 
wenn  sie  neben  dem  Fasten  nicht  ausdrücklich  noch  des 
Betens  gedenkt,  welches  Justin,  Tertullian  u.  a.  im  gleichen 
Zusammenhang  damit  verbinden.  Bittgebet  und  Fasten  ge- 
hören iiir  christliche  Denkweise  von  jeher  als  ein  untrenn- 
bares Paar  zusammen  ^  Wie  sehr  das  für  den  Verfasser 
der  AL.  gilt,  zeigt  sich  besonders  deutlich,  wenn  er  in  freier 
Reproduktion  von  Matth.  5,  44.  Luk.  6,  27  f.  schreibt: 
„Betet  für  eure  Feinde,  fastet  für  eure  Verfolger."  Um 
einen  hebräischen  Parallelismus  membrorum  zu  erzielen, 
verwendet  er  „beten"  und  „fasten"  als  gleichwertige  Syno- 
nyma *.     Auch  der  Gegenstand   des   von  Fasten  begleiteten 

1)  Luk.  2,  37.  Matth.  17,  21.  Act.  13,  2f.;  14,  23.  Matth.  6, 
5-18. 

2)  c.  1 .  Es  ist  mir  unbegreiflich,  wie  Massehieau,  L'enseigne- 
meut  des  douze  apotres,  p.  14  hierin  einen  materiellen  Gegensatz  zum 
evangelischen  Text  finden  mag. 


STUDIEN  ZU  JUSTIN.  79 

lOebetes,  welchen  Jubüq  ausdrticklicli  angiebt,  war  diu'cb 
I  dea  Anlafs  des  Betena  und  das  begleitende  Fakten  so  selbst- 
verständlich gegeben,  dala  in  einer  lakonischen  Kiichenord- 
Dung  der  Mangel  einer  darauf  bezüglichen  Anweisung  nichts 
bedeutet,  und  zwar  um  so  weniger,  je  mehr  man  sich  den 
Verfasser  in  judischen  Anschauungen  lebend  voratclit,  denn 
für  die  Juden  bedeutete  „das  Fasten"  schlechthin  den  grofsen 
Versöhnungstag  '. 

£3  tehlt  in  der  AL.  auch  nicht  das  erste  Hauptstück  der 
kirchlichen  Tautpi-axis,  welches  sich  aus  Justin's  Beschreibung, 
allerdings  nicht  mit  der  wü.nschens werten  Deutlichkeit,  er- 
kennen tiefs.  Wenn  bei  Justin  das  Gelübde  zu  christlichem 
Lebenswandel  viel  deutlicher  als  das  Bekenntnis  zu  chriet- 
liebem  Glauben  als  das  Ergebnis  des  auf  die  Taufe  vorbe- 
reitenden Unterrichts  sich  darstellte,  so  entspricht  dem  die 
Taufordnung  der  AL.  durch  die  auf  c.  1 — 6  zurückweisen- 
den Worte  zaC-ta  Tiävza  nqoEinüvcEQ,.  Die  Darlegung  der 
zwei  Wege  des  Lebens  und  des  Todes  ist  hier  nicht  un- 
mittelbar als  ein  Gegenstand,  geschweige  denn  als  der  ein- 
säge Gegenstand  des  auf  die  Taufe  vorbereitenden  Unter- 
richts, sondern  als  ein  Bestandteil  der  Taufliandlung  selbst 
bezeichnet '.     Das    ist   der  nach   dem   Wortlaut  zweilellose 

1)  Act  37,  9.  Just.  dial.  40.  d.  9. 

2)  Vgl.  BielenBtein,  Warum  Qothält  die  Siäu^'i  "üv  JuHTfni 
Anoatükiov  nichts  LehrhafUs?  Riga  1885,  dazu  meine  BezcuBion  im 
Theol.  Litt«raturblatt  1885,  S.  123  f.  Dieselbe  Ansicht  oder  vielmehr 
Einsicht  bat  Prof.  M^ut'goz  bei  Gelegenheit  einer  akademische:!  Dia- 
pDtation  an  der  protcstantiscli  tbcolog.  Fakultät  ku  Paris  schon  tun 
10.  Müra  d.  J.  und  diirauf  in  der  Kirchcnseittuig  „Lc  T^moignage" 
vom  16.  März  entwickelt.  Von  hier  aus  wird  doch  auch  erst  reclit 
begreiflich  die  durchweg  aingulariaclie  Anrede  in  c,  1— (3  im  Unter- 
schied von  c.  T — 16,  das  sechsmalige  lixfiv  ftuv  c.  3.  4.  Auch  in 
C.  T  ist  keine  Andeutung  davon  vorhanden,  daTs  mehrere  zugleich 
getauft  werden.  Ks  hat's  der  Tüufer  mit  dem  einzelnen  TüufUog  ku 
thuu.  Aber  er  spricht  zu  ihm  in  Anweaenbcit  anderer  Gemeinde- 
gtieilcr.  Der  Übergang  in  die  Mehrzahl  der  Am'ede  erkljirl  sich 
überall  leicht.  In  c.  1,  p.  5  bot  die  Bergpredigt  die  Form,  o.  4,  p.  21 
frird   der  Täufling  mit   dcjn  Bruder   zusammeugefafst,   gegen   den  er 

I  nicht  geizig  sein  soll.     Die  Ermahnung  aii  den  Täufling  inbezug   auf 
h^diu,  Tt>cbter,  Kueeht,  Uogd  wird  c.  4,  p.  22  unterbtochea  dux«^ 


I 


80  ZAHN, 

Sinn  des  Satzes:  j^Was  aber  die  Taufe  anlangt,  sollt  ihr 
also  taufen:  Nachdem  ihr  dieses  alles  (c.  1 — 6)  vorher  ge- 
sprochen habt,  taufet  auf  den  Namen  des  Vaters,  des  Sohnes 
und  des  hL  Qeistes  in  fliefsendem  Wasser/'    Die  moralischen 
Anweisungen  in  c.  1 — 6  sind  demnach  ein  Stück  der  Tauf- 
liturgie,   eine   „rituelle  Vermahnung   des   Täufers    an  den 
Täufling^.     Die  historische  Anknüpfung  für  diese  litmgische 
Form   ist  sowohl  rückwärts  als  vorwärts  leicht  zu  finden. 
Jene  „lehrhafte  Anweisung  zur  Beobachtung  alles   dessen, 
was  Jesus  den  Jüngern  geboten  haf ,  welches  in  Verbin- 
dung mit  der  „  Taufe  auf  den  Namen  des  Vaters,  des  Sohnes 
und  des  hl.  Geistes''  von  den  Aposteln  als  Mittel  gebraucht 
werden    soll,    um   „alle  Völker  zu   Jüngern    zu   machen'^ 
(Matth.  28,  19  fX  ist  hier  in  die  feste  Form  einer  geschrie- 
benen „Lehre  der  zwölf  Apostel '^  gebracht,  welche   dem 
Täufling  in  dem  Moment,  da  er  ins  Wasser  steigen  will, 
vorgetragen  werden  soll.   Alles  weist  hier  auf  Matth.  28,  19  f. 
zurück  und  zwar  darum  mit  Sicherheit,  weil  die  Koinzidenz- 
punkte mannig&ltig   und   zahlreich   sind,   nämlich   l)  trini- 
tarische  Formel,  2)  die  Verbindung  des  Taufakts  mit  einem 
didda-/£iv,  einer  didax^j  3)  mit  einer  „Lehre  der  zwölf  (bei 
MattL  11)  Apostel",  4)  mit  einer  Lehre  dieses  bestimmten 
Inhalts,  einer  Reproduktion  der  evrolai  tlvqIov  ^,  insbesondere 
auch   derjenigen,  welche  Jesus  seinen   Jüngern   in   der 
Bergpredigt  gegeben   hat;   endlich   5)    die   Bestimmung  für 
die  edyri  *,  sofern  sie  zu  Jüngern,  zu  Gliedern  der  Gemeinde 


eine  kurze  Mahnung  an  die  anwesenden  Sklaven.  Ein  kurzes  Votam 
für  alle  schliefst  die  Schilderung  des  Todeswegs  (c.  5  cxtr.).  Ganz 
individuell  für  den  Täufling  berechnet  ist  dagegen  der  Schlufs  der 
ganzen  Ansprache. 

1)  Der  Ausdruck  z.  B.  AL.  c.  4,  p.  22  Bryenn.,  c.  2,  p.  10,  c.  G, 
p.  26  8Xov  rov  ^vyov  toö  xvqCou  cf.  Matth.  11,  29. 

2)  AL.  c.  1  zweite  Überschrift.  Ohne  von  dem  in  den  For- 
schungen III,  286  f.  und  im  Theol.  Litteraturblatt  1884,  S.  218,  hier- 
über Bemerkten  etwas  anderes  zurückzunehmen  als  den  Vorschlag, 
vor  ToTg  tO-vfaiv  zu  interpungieren ,  darf  ich  doch  darauf  hinweisen, 
dafs  das  Verständnis  dieser  llbcrschrift  durch  die  Bemerkungen  von 
Bielcnstein  und  Mcncgoz  vollends  sicher  gestellt,  und  durch  obigen 
Nachweis  des  Verhältnisses  zu  Matth.  28,  19  die  Echtheit  derselben, 


STtTDIEN  ZU  Ji:STIN.  81 

vcmacht  werden  sollen.  Anderseits  weist  dies  Stück  der 
A.L.  auf  die  slcherHcli  bis  in  ihre  Abfassungazeit  hinauf- 
reichende Renuntiatio  bei  der  Taul'e  hin  (oben  S.  71  Anm.  2). 
Unmittelbar  ist  das  in  der  AL.,  aber  auch  bei  Justin,  nicht 
iiuagesprochen,  dafs  dor  Täufling  beim  Taufakt  dem  Teufel, 
ilem  Götzendienst  und  allem,  was  dazu  gehurt,  entsage. 
j\ber  mittelbar  ist  das  in  anderer  Weise  durch  die  AL. 
nucli  acherer  bezeugt  als  durch  Justin.  Denn  wozu  sollte 
es  dienen,  dafs  dem  Täufling  innerhalb  der  Taufagende,  in 
tlem  Momeni  unmittelbar  vor  der  Eintauchung  die  beiden 
Wege  des  Lebens  und  des  Todes  vorgehalten  werden,  wenn 
er  nicht  in  eben  diesem  Moment  für  immer  die  entscheidende 
Walil  treffen  und  aussprechen  d.  h.  also  das  Gelübde  ab- 
legen soll,  dafs  er  den  Weg  des  Todes  verlassen  und  den 
Weg  des  Lebens  inbezug  aul"  das  sittliche  Verhalten  be- 
schreiten wolle.  Auf  ein  unmittelbar  nach  der  Ansprache 
lies  Täufers  au  den  Täufling  folgendes  Gelübde  des  letzteren 
wdsen  besonders  deutlich  die  Schiufaworte  der  Ansprache 
hin.  Der  Täufling  soll  nicht  erschrecken  vor  der  Hoheit 
der  sittlichen  Ansprüche,  zu  deren  Erfällung  er  durch  das 
Gelübde  sich  verpflichten  soll.  Darum  wird  ihm  ermutigend 
Zugerufen:  „Wenn  du  das  ganze  Joch  des  Herrn  (Mattb.  11,29) 
Inigen  kannst,  ao  wirst  du  vollkommen  sein  (Matth.  5,  48); 
Beim  du  es  aber  nicht  kannst,  so  thue,  waa  du  kannst. 
Inhezug  auf  die  Nahrung  aber  trage,  was  du  kannst.  Vor 
dem  Götzenopfer  aber  hüte  dich  sehr;  denn  es  ist  ein  Kultus 
loler  Götter."  Nach  dem  Taufbefehl  Jesu  soll  den  Heiden, 
difl  getauft  werden,  zwar  alles,  was  er  seinen  Jüngern  ge- 
Iwten  hat,  zur  Nachachtung  vorgetragen  werden.  Das  ist 
das  Ideal,  auf  welches  sie  sofort  liingewiesen  werden.  Die 
Verpflichtung  aber,  welche  sie  bei  der  Taufe  unbedingt  und 
»fort  übernehmen,  ist  eine  nach  dem  wirklichen  Vermögen 
und   bezieht   sich  vor   allem   auf  die 


■Ikt  anch  ihre  Geschränkunji;  auf  c.  1  — T  völlig  gesichert  ist.  Dies 
^cktaach  die  Handschrift  sichtbar  aus,  a.  das  Faksimile  bei  Schaff, 
mchigg  of  the  tw.  ap.,  p.  4.  irm  so  irillkürljcher  ist  ea,  die  erste 
•Jlgemeine  LTierathrlft  für  eine  spätere  Zathat  auBzugcben. 


1 


82  2AHK, 

von  jeder  Berährang  mit  dem  Gtötzendieiuit  In  der  Sprache 
des  folgenden  Jahrhunderts  heilst  das:  ,,dem  Teufel,  seinem 
G^rftnge  und  seinen  Engeln  entsagen^. 

An  das  viermalige  üvaaai  (ßiyjß)  in  AL.  c.  6  erinnert 
auch  äulserlich  der  Ausdruck  Justin's  ßioijv  oSrwg  dü^a^ai 
htiax^^öprai.    Einen  sachlichen  Unterschied  zwischen  Justin 
und  AL.  begründet  auch  das  nicht,  dab  in  letzterer  die 
Verpflichtung   zu   christlichem  Wandel   als  Bestandteil  des 
Tau£Bikts  selbst  erscheint,   während  die  Darstellung  Justin's 
uns  nötigte,   an  eine  den  Taufakt  und  dem  darauf  vorbe- 
reitenden Fasten  vorangehende  Vorprüfung  und    eine   nur 
vorläufige  Bereiterklärung  zu  denken.     Das  eine   ist  aber 
nicht  ohne  das  andere  zu  denken.     Man  konnte  doch  nie- 
mand zur  Taufttätte  führen  auf  die  Gefahr  hin,  dals  er  sich 
weigern  werde,    das  ihm  abgeforderte  Gelübde  abzul^en. 
Es  mufste  also  vorher  konstatiert  worden   sein,    dais   der 
Taufkandidat  dazu  entschlossen  sei,  das  GMübde  zu  über- 
nehmen.    Ebenso  selbstverständlich  ist,  dafs  ein  hierauf  vor- 
bereitender Unterricht  vorangegangen  sein  mufs.     Die  drei 
Momente  der  Unterweisung,  der  dieselbe  abschlielsen- 
den  Prüfung  und  Bereiterklärung,   und  der  definitiven 
Verpflichtung  oder  des  Gelübdes    gehörten    der  Natur 
der  Sache  nach  ähnlich  wie  bei   unserer  Konfirmation  auch 
bei  der  altkirchlichen  Taufe  Erwachsener  zusammen.     Auf 
das  zweite  Moment  bezieht  sich  Justin,   auf  das   dritte  die 
AL.     Sehen  wir  von  dieser  Verschiedenheit  der  Darstellung 
ab,  so  enthält  die  AL.  auch  das  erste  der  drei  Hauptstücke 
kirchlicher  Tauipraxis   nach  Justin's  Beschreibimg,  und   sie 
enthält   keine   anderen   Bestimmungen    über  die  Taufe  als 
diese   drei   Stücke.     Solche  Kongruenz  zwischen   einer  um 
den  Anfang    des    zweiten  Jahrhunderts    geschriebenen  An- 
weisung und  einer  um  die  Mitte  desselben  Jahrhunderts  ge- 
schriebenen Darstellung  des  thatsächlichen   Brauchs    würde 
an  sich  schon  auf  einen  Zusammenhang  zwischen  Anweisung 
und  Brauch  zu  schliefsen  berechtigen,  sei  es  nun,  dafs  man 
sich   den  Brauch   als   Folge   der  Anweisung,   oder  die  ge- 
schriebene   Anweisung    als    Kodifizienmg  des  noch    älteren 
Brauchs  denkt,  oder  ein  Mittleres  zwischen  beiden  Möglich- 


► 


STUDIEN  7.V  JUSTIN.  83 

keiten  annimmt.  Nun  aber  findet  aich  die  AnweiBiing  in 
einer  uralten  Schrift,  welche  den  Titel  führt  „Lehre  der 
zwöll  Apostel " ;  und  der  den  Brauch  seiner  Zeit  hescbreibende 
Justin  beruft  aich  bieriUr  auf  ein  Wort,  welches  die  Chri- 
sten von  den  Aposteln  gelernt  haben,  auf  ein  apostobschea 
Wort,  das  wir  sonst  nirgendwo  nachweisen  können.  Daraus 
ergiebt  eich,  dafs  Justin  die  ÄL.  gekannt  und  dieselbe  an 
dieser  Stelle  im  Sinne  gehabt  hat. 

Es  läge  nahe,  auch  in  der  Beschreibung  der  chiistlichen 
Abend mahlsfeier  hei  Justin  Spuren  desselben  Einflusses  zu 
suchen.  Die  Sache  lag  aber  inbezug  auf  die  Eucharistie 
fUr  Justin  wesentlich  anders.  Erstlich  konnte  er  sich  ftir 
das  Wesentliche  dieser  Handlung  auf  die  eigene  Stiftung 
Christi  und  den  evangelischen  Bericht  darüber  berufen,  und 
er  tbut  dies  Apol.  I,  66.  Sodann  hatte  sieb  inbezug  auf 
dieses  Sakrament  in  der  Zwischenzeit  zwischen  Anfang  und 
Mitte  des  zweiten  Jahrhunderts  eine  wesentliche  Änderung 
in  der  Kirche  durchgesetzt,  die  Loslösung  der  Eucharistie  voa 
der  Agape.  Dadurch  war  die  AbendmahlsÜturgie  der  AL. 
antiquiert,  womit  nicht  gesagt  sein  soll,  dafa  nicht  manche 
charakteristische  Züge  derselben  in  den  Liturgieen  späterer 
Jahrhunderte  wiederzuerkennen  seien '.  Nur  der  Mangel 
an  genauer  Kongruenz  zwischen  der  Vorschrift  AL.  und 
dem  von  Justin  beschriebenen  Brauch  und  die  Abwesenheit 
einer  erkennbaren  Bezugnahme  Justin's  auf  die  AL.  in  die- 
sem Pimkte  wird  hierdurch  erkJärt.  Immerhin  ist  zu  be- 
achten, dafs  AL.  und  Justin  beide  mit  Nachdruck  sagen, 
Getaufte  dürfen  an  der  Eucharistie  teihiehmen ',   femer 


1)  Vgl.  meine  ForBchungcn  III,  293—298.  Dahin  gehöH  auch 
der  Vergleich  der  Vereinigung  der  Kürner  znin  Brot  des  Abi^ndmahla 
mit  der  Vereiuiguug  der  Glüubigcn  zur  Gemeiude  AL.  c.  9,  p.  36; 
Theoph.  in  evang.  I,  34,  p.  G2,  6  meiner  Ausg.  *);  Cyprian  ep.  ü9,  b 

^■d  Magnnm  ed.  Hartel,  p.  754. 

H        2)  AL.  c.  9  extr.    Juat.  apol.  I,  06  in. 

L 


*)  Bei  ElnfObruiiK  d«  Theoph Uai-KoDimaatan  uIi  einei  HltMi  Zaugaa  darf 
KediktioD  nolil  bemerlieu.  Jafi  ilie  Zaitscbrift  iiüdist«aa  clnsD  Aufuti :  „Zar 
Theophi]u«lr&Ee"  bringeu  uird.  ärirgrr. 


84  ZAHXj  STTINES  ZT  JTSTIK. 


dmCi  bdde  dieselbe  Stelle  MjJ.  1,  lOff.  auf  das  Opfer  der 
Encharisde  anwenden  \  endlich  da(s  bei  beiden  in  den  auf 
die  Encharistie  besägtichen  Gebeten  die  Danksagung  tur 
die  Scböpfiing  und  die  natüifiche  Nahrung  eine  bedeutsame 
Stelle  einnimmt  ^ 


1)  AL.  c  14.    Just  dkL  e.  41.  117  cf.  c.  28.   29.    116.    For 
tchmigeii  III,  281. 

2)  All.  c  10.  Just  dkL  41,  n.  3,  womit  mach  apol.  I,  13  und 
67  trotz  der  sllgemeiiieren  Beziehmig  dieser  SteUen  zu  Ter^leicheu 
•ind. 


Der  ßrirrwrrtisrl  des  Bnsilios  iiiil  Apollinarios 
von  Laodicea. 

Von 
Dr.  Johannes  Driisekc  in  Wundsbeck. 


Dafa  die  Bcnrteilung  der  Echtheit  oder  Unechtheit  von 
Schrill  werken  des  Altertums  eine  sehr  schwierige  Sache  iat, 
und  dafs  man  'dabei  nicht  minder  den  Aufstellungen  und 
Annahmen  der  jeweiligen  Beurteiler  wie  der  Überlieferung 
Mifatrauen  und  Bedenken  entgegenzubringen  berechtigt  ist, 
dafür  lioi'em  die  unter  des  Märtyrers  JustinuB,  Gre- 
gorios  Thaumaturgos,  Athanasios  und  der  römischen 
Biachiife  Julius  und  Felix  Namen  überlieferten  Werke 
zahlreiche  Helege.  Wenn  diese  Namen  sich  so  häufig  als 
bewufste  Fälschungen  späterer  Zeit  erwiesen  und  viele  der 
mit  ihnen  versehenen  Schrillen  sich  als  Werke  des  Apolli- 
narios von  Laodicea  herausgestellt  haben,  so  hat  dies 
Ei^bnis,  um  dessen  Anerkennung  immer  noch  mit  den 
Anhängern  des  Alten  und  Hergebrachten  gekämpft  werden 
mufs,  nur  durch  gleichmäfsige  Heranziehung  und  Verwertung 
der  äulaeren  Uherlieferung  wie  des  inneren  Gehaltes,  der 
bei  Seh  rif tot  ollem  der  alten  Kirche  uns  erhaltenen  Anfüh- 
rungen aus  jenen  Werken  wie  der  besonders  in  ihnen  aus- 
geprägten Glaubenslehren  erzielt  werden  können.  Weit  un- 
günstiger liegt  die  Unterauchimg  bei  Briefen  überhaupt  und 
bei  den  vier  vun  Cotelicr  im  zweiten  Bande  seiner  „Ec- 
clesiae  Oraccae  monumcnta"  S.  84fF.  „Ex  Harlaeano  MS." 
veröffentlichten  vier  mit  den  Namen  des  Basilios  und 
Apollinarios  versehenen  Briefen  im   beaondereti.     Von 


86  DKÄSEKEy 

Apollmarios  wissen  wir,    dafii  er  einen  sehr  ausgedehnten 
Briefwechsel  geführt;  in  der  von  seinem  Schüler,  Bischof 
Timotheos   von    Berjtus   verfiBi&ten    Eirchengeschichte 
waren,  wie  uns  Leontios^  berichtet,  sämtliche  von  Apolli- 
narios  an  die  hervorragendsten  Männer  seiner  2ieit  gerichte- 
ten Briefe   und    deren  Antwortschreiben  gesammelt     Wie 
klar  würden  wir  die  für  die  Entwickelungsgeschichte  der 
Lehre  von  der  Person  Christi  so    wichtigen  letzten  Jahr- 
zehnte des  4.  Jahrhunderts  und  in  ihnen  gerade  des  Apolli- 
narios  Anteil  an  derselben   überschauen,    wenn   uns   diese 
Briefsammlung  erhalten  wäre!     Die  zahlreichen,  besonders 
von  Leontios  ans  überlieferten  Brachstücke  von  Briefen  des 
Apollinarios  verdanken  ihre   Erhaltung  hauptsächlich  ihren 
dogmatisch  mehr  oder  weniger  bedeutenden  Ausführungen; 
und  ihnen  steht  eine  des  Laodiceners  Urheberschaft  gewähr- 
leistende sichere  Überlieferung  zur  Seite.     Nicht  in  gleich 
glücklicher  Lage  befinden  sich  die   vier   zavor   genannten 
Briefe.     Sie  sind  plötzlich  am  Ende  des   17.  Jahrhunderts 
aufgetaucht,  von  Cotelier  a.  a.  O.  im  Jahre   1681    zuerst 
veröffentlicht   und    von   den   Benediktinern    im    dritten 
Bande  der  Werke  des  Basilios  am  Schlüsse  der  Briefe  als 
anerkannt  unechte  unter  den  Nummern  361 — 364  im  Jahre 
1730  einfach  wieder  abgedruckt  worden;  aufser  den  Über- 
schriften, wie  sie  Cotelier  in  der  ihm  zugebote   stehenden 
Handschrift    fand,    zeugt  äufserlich  nichts  für  sie.     Sollten 
sie  trotz  dieses  Mangels  nicht  wirklich   echt  sein    können? 
Es  wäre  überaus  unbesonnen   und  voreilig,   diese   Möglich- 
keit sofort  in  Abrede  zu  stellen.     Es  würde,   da  mir  nicht 
bekannt,  ob  irgendwo  die  äufsere  Bezeugung  der  Briefe  so- 
wohl als  ihr  eigenes  Äufsere,   die   sprachliche  Form,   ernst- 
lich geprüft  worden  sind,   doch   vor  allem   auf  die  inneren 
Merkmale  geblickt  werden  müssen.   Aber  es  ist  merkwürdig, 
diese    Briefe    haben    sich  eine   gleiche   Beurteilung   gefallen 
lassen   müssen  wie  diejenigen,   welche  des  Demosthenes 
Namen   tragen,   sie  sind   geradezu   ohne  Untersuchung  und 


1)  Contra  Nest,  et  £ut.  IIb.  III,  c.  40  bei  Mai,  Spicileg.  ßom.  X, 
zweite  Hälfte,  S.  22  ff. 


BRIEFWECmEL  DES  BÄ8IL10S  MIT  APOLLINARIOS.  87 

80  ZU  aagcD  UDverhorter  Sache  verurteilt  worden.  Und  das 
bangt  zuDächat  vielleicht  mit  der  allgemeinen  wiasenHchaft- 
Üchea  Strömung  der  Zeit  zusammen,  in  welcher  Cotelier 
Beine  „EccIeeJae  Graecae  monuraenta"  veröflentlichie.  Denn 
nachdem  Bentley  die  Briefe  des  Phalaria,  dann  an- 
dere zahlreiche  weitere  Briefe  berühmter  Männer  als  Fäl- 
schungen dargethauj  glaubt  man  bei  dieser  Art  von  Schrift- 
Btücken  kaum  eine  Untersuchung  mehr  nütig  zu  haben:  was 
Brief  ist,  wird  fast  von  vornherein  verworfen.  Wenn  e»  nun, 
um  bei  jenem  aus  dem  klassischen  Altertum  entlehnten  Bei- 
spiele zu  bleiben,  Blafs  '  gelungen  ist,  im  Gegensatz  zu 
den  oberflächlichen  Urteilen  Taylor's  und  Dobree'a  und 
des  von  diesen  abhängigen  Westermann,  mit  überzeugen- 
den Gründen,  die  er  aus  der  sorgfältigen  Beobachtung  der 
Sprache  und  des  geschichtlichen  Inhalts  der  sechs  des  De- 
mosthenes  Namen  tragenden  Briefe  entnahm,  zu  beweisen 
(a.  a.  0.  S.  1 1),  „dafa  die  umfangreichsten  und  bedeutsamsten 
Stücke  der  Sammlung,  der  zweite  und  dritte  Brief,  jeden- 
falls dem  Dcmostbenes  angehören ,  während  der  kürzere 
erste  Brief  wenigstens  kein  vollendetes  Werk  desselben  ist 
—  unecht  ist  der  vierte  und  auch  der  fünfte  Brief;  über 
den  sechsten  läfst  sich  nicht  urteilen  "  — :  so  wird  es,  denke 
ich,  keine  fiir  die  Kirchengescbichtc  überäüssige  Mühewal- 
tung sein,  im  Widerspruch  gegen  Cotelier'a  Verwerfunga- 
urteil,  welchem  die  Benediktiner*  ohne  weiteres  beige- 
treten sind,  einmal  die  vier  mit  Basilios'  undApolli- 
narios'  Namen  versehenen  Briefe  hinsichtlich  ihres 
Inhalts  genauer  zu  prüfen,  beziiehentlicb  ihre  Ecbt- 
hcit  zu  erweisen. 

Soviel  ich  habe  ermitteln  können,  hat  sloh  von  prote- 
stantischen Forschem  nur  J.  A.  Fabricius'  unbefangen 
für  die  Echtheit  ausgesprochen,  eine  Thatsacho,  welche  trotz- 


1)  Friedrich  Blurs,  Über  die  Echtheit  der  Demoithenes'  Na- 
men tragenden  Briefe.  Jahresbericht  über  das  Königl.  Wilbelma- 
GymnasiuiD  zu  Kiioigsberg  i.  Pr.  1875. 

2)  Vita  Basilii  Cap.  XXXIX,  4.  S.  tu);iii,  C, 

3)  Bibliothcca  Gracca,  B<i.  VIR,  S.  585. 


88  drIseke, 

dem  dafs  derselbe  sein  Urteil  zu  begründen  unterlajwen  hat, 
um  so  gröfsere  Beachtung  verdient,  als  die  Gründe,  welche 
Cotelier  veranlafsteu,    den  Briefen    die   Echtheit    abzuer- 
kennen, ersichtlich  solche  sind,   welche  die  wissenschaftliche 
Befangenheit  des   katholischen  Standpunktes   ihres  Urhebers 
verraten.     Ich  habe  schon  in  anderem  Zusammenhange  dar- 
auf hingewiesen  ',  wie  sehr  u.  a.  sich  der  um   die  Patristik 
hochverdiente  Vorsteher  der  vatikanischen  Büchersammlung, 
Zacagni;  gelegentlich  durch  des  Ny sseners  Gregorios  geist- 
volle, wohl  durch  Origenes  beeinflufste  Ausftihrungen  pein- 
lich berührt  gefühlt  hat,   wie  emsig,   aber  falsch   geschätiig 
er  beflissen  gewesen  ist,  die  Rechtgläubigkeit  desselben  vor 
seinen  Vorgesetzten,  besonders  vor  dem  Papste,  dessen  Frei- 
gebigkeit  ihm    seine    wertvollen  Veröffentlichungen   ermög- 
lichte, zu  retten;  auch  die  Benediktiner  haben   in  dem- 
selben Sinne  das  bedenkliche  Schwanken  in  den  dogmatischen 
Überzeugungen    des    Basilios,    sein    Hinneigen    zu    den 
Semiarianem  hinwegzubeweisen  gesucht ',  damit  nur  ja  der 
Schild   der  Rechtgläubigkeit    des    berühmten   Kirchenvaters 
in  römischem  Sinne,  d.  h.  im  Sinne   unwandelbarer  Einheit 
und  Übereinstimmung  in  der  Lehre  während   seines  ganzen 
Lebens,  fein  blank   und   glänzend   und   über   allen  Zweifel 
hieb-  und  stichfest  sei  *.     Ahnhch  liegt   die  Sache   bei  C  o  - 
tclier. 


1) 'Zeitschrift  für  Kirchengeschichte,  Bd.  VI,  S.  54G. 

2)  In  der  Pracfatio  zum  3.  Bande   ihrer  Ausgabe  des   Basih'os, 

S.  IV — XXII. 

3)  Auch  die  neueren  Veröffentlichungen  katholischer  Forscher 
legen  für  dieselbe  Thatsache  Zeugnis  ab.  VerhältnismUfsig  wonig 
tritt  die  wissenschaftliche  Gebundenheit  z.  B.  bei  Heinrich  Kihn 
in  seinem  sehr  gründlichen  und  verdienstlichen  Werke  über  Theo- 
doros  von  Mopsuhestia  (Freiburg  i.  Br.,  Ilcrder'schc  Verlags- 
handlung, 1880)  hervor,  besonders  auffallend  aber  in  Kopallik's 
„Cyrillus  von  Alexandrien"  (Mainz,  Kirchheim,  1881)  und  in 
Ad.  Bertram's  Schrift  „Thoodoreti  episcopi  Cyronsis  doctrina 
christologica**  (Ilildcsheim,  Borgmeyer,  ISS.J).  Dafs  in  Ictzteirr  die 
geschichtliche  Wahrheit  infolge  unberechtigter  dogmatischer  Aus- 
legungskünste und  unstatthafter  Annahmen  an  zahlreichen  Stollen 
nicht  zu  ihrem  Rechte  kommt,  hat  besonders  W.  Möller  in  seiner 


BRIEFWEaiSEL  DES  BASIIJOS  MIT  APOIXINARIOS. 

Derselbe  äufsert  sich  zu  der  Frage  nach  der  Urheber- 
I  »cliaft  jener  vier  Briefe  in  folgender  Weise:  „QuanavU  ex 
^£piphanio,  Hieronyrao,  Socrato,  Sozomenu,  Theodoreto,  Vi- 
sntio  Lirinensi,  nliis,  certuui  ait,  Apollinarem ,  virum  mag- 
Bom,  aDtequam  liaeresiin  nominis  sui  aperte  propugnaret, 
"  cansaimum  t'uisse  Atlianaeio  et  omnibus  catfaolicis,  atque 
Ingenii,  eruditioaia,  pietatis  laudibus  claruissc;  quamvis  lega- 
mus  in  Edicto  luetiniani  de  Hde  orfhodoxa,  quod  Damasus, 
Athanasius  et  Basilius  Apollinarium  collaudaverint;  quamvis 
I  denique  a  Basilio  ipso  Epist.  73.  (=  Bened.  226.)  82.  ('244.) 
'  203.  (265.)  345.  (224.)  382.  (l31.)  idem  Apollinarius  pro 
amico  ad  quem  litteras  dcderit  agnoseatur  Üliusque  Echisma 
Gregorio  Nazianzeno  Orat.  14.  fratemum  dieeidium,  ödeAifin^ 
tvyofiayjn,  dicatur:  adduei  tarnen  non  posaum,  ut  crodam 
haa  quatuor  cpistolae,  Bitsilii  duas  et  diias  Apollinaris,  ge- 
Duinas  esse".  Man  mufs  gestehen,  das  Gewicht  der  Ein- 
räumungen, wcU'lie  Cotelier  seinem  Verwerfungsurteil 
vorausschickt,  ist  ein  recht  bedeutendes,  und  nach  so  zahl- 
reichen, von  ihm  angeführten  Umständen,  welche  lür  die 
Echtheit  der  Briefe  Aussclüag  gebend  sein  sollten,  erwartet 
man  um  so  gewichtigere  Gründe,  welche  für  dieselbe  zu 
sprechen  durchaus  verbieten.  Man  höre  Cotelier  selbst 
und  überlege,  ob  seine  Gründe  als  stichhaltige  und  voll 
überzeugende  anerkannt  werden  können.  „Arbitror  magis" 
—  tahrt  er  fort  —  „contictas  fuisse  ab  Arianis  vel  ab 
Apoliinaristis,  famosia  huiiiscemodi  suppositiuuum  artiÜcibus, 
quo  celeberrirai  nomin is  doctorcs  ApoUinarismi  suspectos 
redderont;  qua  de  auspicione  eonqueruntur  ambo,  Grcgorius 
KpisL  I.  ad  Ctedonium,  Basilius  vcro  tum  locis  iam  laudatia, 
tum  epist.  50.  (129.)".  Hier  ist  von  einer  Erdiclitung  seitens 
der  Arianer  oder  Ajiollmaristen  die  lledc.  Eine  Erdichtung 
mufs  doch  immer  irgendeinen  ersichtlichen,  bestimmt  er- 
kennbaren Zweck  haben,  welcher  sollte  der  hier  sein? 
Wenn  zrur  Zeit,  als  der  apollinaristische  Streit  bewondera 
iKappadocien  erfüllte,  der  kränkliche  Grcgorios  von  Nazianz, 

■SesjirecliDiig  Jpt  Si;hrift  (DeutBclit!  Littcratur?.eiliuig  V,  Nr,  'i,  H.  41) 
tchgewiespu. 


90  DRiSEKEy 

nach  dem  Jahre  381,  aus  der  Stille  seines  väterlichen  Land- 
sitzes zu  Arianz  in  seinen  berühmten  beiden  Briefen  an 
Kledonios  den  ApoUinarismus  bekämpfte^  und  (Ep.  I,  S.  84 
=  S.  542  GoldL)  von  den  Gegnern  klagt,  Sti  xal  fjn&v 
nuxTaiffcödovrai  tbg  ö^odd^atv  nuzi  6^oq>Q6v(aVy  so  ist  doch  das 
noch  etwas  ganz  anderes,  als  Cotelier  anführt  Gb^orios, 
welcher  von  der  durch  des  Apollinarios  Christologie  mehr 
und  mehr  zwischen  diesem  und  den  Nicänem  sich  be- 
festigenden Kluft  eine  wenn  auch  nicht  völlig  klare  Ein- 
sicht gewonnen  hatte,  war  eben  hierdurch  berechtigt,  sich 
derartige  Berufungen  vonseiten  der  ApoUinaristen  zu  ver- 
bitten, zumal  die  zweite  allgemeine  Kirchenversammlung  zu 
Konstantinopel  381  dieselben  als  Ketzer  aus  der  kirchlichen 
Gemeinschaft  gewiesen  hatte.  Den  Apollinaristen  konnte 
man  anderseits  das  Recht  nicht  wehren,  sich  auf  den  ihnen 
mit  den  rechtgläubigen  Bischöfen  gemeinsamen  Ghrund  und 
Boden  ihrer  dogmafischen  Überzeugungen,  das  mcänische 
Bekenntnis,  zu  berufen,  wenngleich  sie  gelegentlich  wohl 
da,  wo  es  ihnen  zum  Behuf  äufserer  Ausbreitung  und  An- 
erkennung zweckdienlich  zu  sein  schien,  die  von  ihrem 
Meister  aus  jener  gemeinsamen  Grundlage  gezogenen  Fol- 
gerungen zu  verschleiern  kein  Bedenken  trugen. 

Noch  weit  anders  verhält  es  sich  mit  dem  von  Cotelier 
gerügten  Fälscherverfubren  der  Apollinaristen.  Dasselbe  ist 
allerdings  recht  weit  von  der  ihnen  untergelegten  Absicht, 
jemanden  verdächtig  zu  machen,  entfernt.  ApoUinaristen 
haben  weidlich  die  Überschriften  der  Werke  ihres  verketzer- 
ten Meisters  gefälscht  und  die  leuchtendsten  Namen  der 
alten  Kirche  an  Stelle  jenes  gesetzt;  aber  nicht  etwa  zu 
dem  Zwecke,  einen  Mann  wie  Justinus,  Gregorios  Thauma- 
turgos,  Athanasios  apoUinaristischer  Ketzerei  verdächtig  zu 
machen,  sondern  um  ihres  gefeierten  Meisters  Schriften,  be- 
sonders kleinere,  wenig  bekannt  gewordene,  in  denen  des- 
selben eigenartige  Anschauungen,  welche  verurteilt  waren, 
wenig  oder  gar  nicht  zutage  traten,  der  lürche  zu  erhalten. 
Das  geschah  in  den  ersten  Jahrzehnten  des  5.  Jahrhunderts. 
Ein  gleiches  Verfahren  etwa  bei  den  mit  des  Basilios  Na- 
men  versehenen   Briefen  anzunehmen,    würde    völlig    abge- 


BBIErWECH&EL  DES  BA»IU03  UlT  APOLLIXARIOS.  91 

Bchmackt  und  ainnlos  sein,  die  Briefe  geben  dazu  auch 
nicht  den  geringsten  Anhalt  Beide  Annahmon  treten  viel- 
mehr mit  den  aus  den  Briefen  sich  ergebenden  Zeitverhält- 
idsBen  und  geachithtlichen  Umständen  in  unlösbaren  Wider- 
spruch. Was  hat  also  Cotelier  mit  jener  den  Apollina- 
risten gemachten  Unterstellung  sagen  wollen?  Sollte  nicht 
doch  eine  Zeit  im  Leben  des  Baailios  sich  aufweisen  lassen, 
fiir  welche  diese  Briefe  als  völlig  uuBchuldige,  in  keiner 
Weise  verdächtige  Zeugen  auch  heute  noch  autzutreten  im- 
stande wären?  Auf  diese,  nach  der  Zurückweisung  jener 
wunderUchen,  durch  nichts  erklärbaren  Unterstellung,  so 
naheliegende  Auskunft  fuhrt  uns  Cotelier  selbst  im  An- 
Bchlufa  an  den  zidetzt  erwähnten  59.  Brief  des  Basilios  un- 
mittelbar hin.  „Sentontiao  meao  ratio  est"  —  iJilirt  er 
□Kmlich  fort  —  „quod  cum  Basiliu  uhicerentur  litterae  ad 
ApoUinarem  scriptae,  respoudit  UIc,  eas  de  fide  non  fuisse, 
sed  Bimi)lit;is  et  aniicae  salutationis ,  nee  se  pracceptoria  vel 
discipuU  locum  umquam  obtinuisse  erga  cum,  tum  epistolam 
illam  in  manus  Interpol atrices  incidisse".  Da  denn  doch 
aus  diesen  Worten  und  sonstigen  zahlreichen  Beziehungen 
und  Nachrichten  unbedingt  feststeht,  dafs  Basilios  zu  Apolli- 
narios  in  früheren  Jahren,  d.  h.  etwa  bis  zum  Jahre  373, 
wo  er  in  einem  Briefe  an  Meletios  von  Antlochia  (Epist.  129 
aL  59)  keine  Gemeinschaft  mehr  mit  ein  ein  Manne  wie 
ApoIlinarioB  zu  pflogen,  ja  von  Anklagen  gegen  denselben 
vor  dieser  Zeit  nichts  gewufst  zu  haben  versichert,  in  freund- 
lichem Verhältnis  gestanden  hat,  warum  sollen  die  in  den 
mitgeteilten  Worten  geschilderten  Briefe  an  Apullinarios 
nicht  eben  die  uns  heute  noch  vorliegenden,  von  Cotelier 
Tcröfifen dichten  sein? 

Doch  hier  komme  ich  eben  auf  den  vorher  gerügten 
Umstand,  die  mit  dem  katliolischcn  Standpunkt  Cotclier's 
sasammenhängcnde  wiesen  schuftliche  Befangenheit  zurück. 
Cotelier  hat  sich  offenbar  gescheut,  die  Thatsache  unum- 
wunden anzuerkennen,  beziehentlich  zu  erklären,  dafs  und 
wie  der  von  der  rechtgläubigen  Kirche  hochgepriesene,  der 
^griechischen  wie  der  römischen  Kirche  gleich  verebrungs- 
wUrdige  Erzbischof  von  Cäsarea  mit   dem  von   einer  öku- 


Vi 


92  DRASEKE; 

menischen  Kirchenversammlung  verurteilten  Ketzerhaupte 
Apollinarios  in  näherer  Verbindung  gestanden.  Vielleicht 
aber  thun  wir  Cotelier  mit  der  Annahme  dieser  G^anken- 
verbindung  unrecht,  er  hat  am  Ende  nichts  weiter  gethan^ 
als  dem  allerdings  schon  ebenso  beschränkten  Verfahren 
der  alten  Earche  zugestimmt,  welche  nicht  blofs  die  Schrift- 
werke der  Ketzer,  z.  B.  des  Apollinarios  und  des  Theodoros 
von  Mopsuhestia,  schonungslos  vernichtete,  sondern  auch  mög- 
Kchst  die  Spuren  zu  tilgen  beflissen  war,  die  für  eine  wenn 
auch  nur  vorübergehende  engere  Verbindung  jener  statt 
vieler  genannten  Männer  mit  den  Säulen  der  Rech^läubig- 
keit  zu  zeugen  geeignet  waren.  Derartige  Erwägungen 
sind  unzweifelhaft  bei  der  Sammlung  von  Brie- 
fen der  grofsen  rechtgläubigen  Kirchenlehrer 
mafsgebend  gewesen.  Wenn  die  Beseitigung  solcher 
der  späteren  beschränkten  Rechtgläubigkeit  nicht  ganz  un- 
bedenklich erscheinenden  Schriftwerke  nicht  völlig  gelange 
so  können  wir  uns  nur  über  das  gütige  Geschick  freuen, 
das  uns  hier  und  da  wenigstens  noch  einige  spärliche 
Bruchstücke  erhielt,  welche  über  sonst  dunkle  Punkte  er- 
wünschten Aufschlufs  geben.  Nur  der  Eifer  des  mannhaft 
für  den  grofsen  Lehrer  der  antiochenischen  Schule  Theo- 
doros von  Mopsuhestia  eintretenden  Facundus  von 
Hermiane^  hat  uns  Briefe  des  greisen  Gregorios  von 
Nazianz  an  den  jugendlichen  Antiochener  aufbehalten,  die 
von  der  gedrückten  Stimmung  des  um  die  Ausbreitung  des 
ApoUinarismus  tief  besorgten  Nazianzeners  und  der  hohen 
Meinung  desselben  von  den  Fähigkeiten  des  jungen  Strei- 
ten für  den  Kampf  mit  den  gefiirchteten  Gegnern  eine 
lebendige  Anschauung  gewähren.  Die  spätere  Verurteilung 
des  Theodoros  zu  Konstantinopel  553  hat  höchst  wahrschein- 


1)  Pro  defcnsionc  trium  capituloruin  VII,  7,  S.  (J2  des  10.  Ban- 
des der  Ma.xima  bibliotlicca  vct.  Patr.  etc.  Lugd.  1()77.  Dorn  er 
führt  iu  seiner  Schrift  „Theodori  Mopsvostcni  doctrina  de  Iinaginc 
Dci"  (Gesammelte  Schriftou  [Berlin,  Hertz,  1883J,  S.  452,  Aum.)  diese 
Stelle  des  Facundus  irrtümlich  als  dem  8.  Buche  der  Verteidigungs- 
schrift desselben  zugehörig  an. 


BRIKPWECHREI-  DKS  BASILIOS  KT  APOLI.IKAUIOS.  93 

lieh  zur  Folge  gehabt,  dafs  die  UrBchrift  des  einen  verloren 

ging,  die  des  anderen  dagegen,  ihrer  bezeichnenden  Auf- 
schrift berauht  und  damit  in  ihrem  Zweck  und  ihrer  Be- 
deutung nicht  mehr  kenntlich,  fortan  namenlüB  Iierumirrte  '. 
Äufl  gleichem  Grunde,  meine  ich,  sind  auch  aus  der  Samm- 
lang  der  Briefe  des  Basilios  die  an  Apollinarios  ge- 
richteten ausgeschieden  und  getilgt  wurden;  der  Zufall  hat 
sie  uns  unter  allerlei  anderen  griechischen  Bruchstücken  der 
älteren  und  jüngeren  Zeit  erhalten.  Wir  werden  gerade  im 
Hinblick  auf  die  so  hinfMigen,  allgemeinen  Ausstellungen 
Cotelier's  um  so  dringender  uns  aufgefordert  erachten 
miXsseii,  die  Briefe  auf  iliren  Zweck,  ihren  Inhalt  und  ihre 
Abfaasungszeit  genauer  zu  untersuchen.  Wir  werden  dann 
sehen,  dafs  von  Einscbwärzungen  und  Fälschungen,  von 
denen  Cotelier  in  der  zuletzt  angeführten  Stelle  redet, 
keine  Bede  sein  kann. 

Wie  oberäächlicb  erscheint  die  Untersuchung,  wenn  Co- 


1)  Da  mir  auf  der  Hamburger  Stailtbibliotliek  nur  eine  Kolner 
AoBgabc  des  NaziHJizeners  vom  Jalire  Ui'M  xugcbule  sticht,  ao  vermag 
ich  in  diesem  Pmikte  nicht  vüUig  klar  EU  Bellen.  Icli  wcifs  nicht, 
ob  die  Benediktiner  in  ihrer  Ausgabe  betrefTs  des  iu  der  Külucr  Aus- 
gabe auler  der  Nummer  8K  (,S.  843)  mitgcteilteu  Briefes  auf  Grund 
Qirer  Handschriften  oder  auch  eigener  Nacbforschungen  das  Kjchtige 
gegeben  haben.  Da  der  «8.  Brief  ebenso  wie  der  H7.  in  der  Kolner 
Ausgabe  die  Aufschrift   T'ü  nOriTi  trägt,  der  81!.  Brief  jedoch  den  Na- 

n  des  Emprängers  nennt;  ^tioyiii;!,  so  würde  auch  der  88.  Brief 
Dach  Ausweis  der  von  den  frijheren  Herausgebern  des  17.  Jahrhun- 
derts benutzten  Handachriften  als  an  einen  gewissen  liContiou  ge- 
tiebtet  gelten  müssen.  Hier  tritt  nun  aber  das  wichtige  Zeugnis  des 
~  cunduB  von  Hermiane,  des  beredten  Verteidigers  des  Antio- 
ebcnen  Theodoros  ein.  Der  88.  Brief  des  Nazianzencrs  ist  närolicb 
die  Urschrift  desjenigen  Briefes,    welchen  Facm^dus  als   von  Grc- 

rios  an  den  jugendlichen  Theodoros  geschrieben  im  7.  Kapitel 
7.  Buches  seiner  Schutzschrift  in  wörtlicher  lateinischer  Über- 
•etzung  mitteilt.  Ob  diese  Thatsache  bekannt  ist,  vermag  ich  iiiclit 
1  sagen,  sollte  sie  es  nicht  sein,  so  würden  die  Namen loeigkeit  des 
fetxterea  Briefes  in  der  griechiachcti  Sammlung  und  das  Fehlen  des 
ersteu  von  Facundus  mitgeteilten  meine  Ansicht  über  Grund  und 
Veranlassung  von  derartigen  Ausfüllen  im  allgemeinen  wie  in  dem 
TOTÜi'gcndeu  Falle  im  besonderen  iu  erwünschter  Weise  bostäligen. 


\l 


94  DRASEKB, 

teuer  den  Widersprach  dessen;  was  von  Basilios  mit  Be- 
zog anf  ftriefe,  die  er  an  ApoUinarios  gerichtet,  versichert 
wird,  einfach  durch  die  Behauptung  meint  dargethan  zu 
haben:  ,,At  epistolae  nostrae  de  fide  et  sancta  trinitate  sunt 
ac  de  scripturae  sacrae  lods  di£Scilibus,  supponuntque 
magnum  fuisse  commercium  litterarum  inter  Apollinarem  et 
Basilium  Gr^oriumque:  sed  et  in  üs  Apollinaris  tamquam 
magister  et  unicus  ecclesiae  doctor  a  Basilio  interrogatur'^ 
Was  soll  endlich  der  Schreckschuls:  ^^Quid  quod  Arianismi 
et  ApoUinarismi  velut  sparsa  videntur  continere  semina''? 
Der  gelehrte  Benediktiner,  welcher  des  Basilios  Leben  schrieb, 
gesteht  nichts  davon  bemerkt  zu  haben  ^.  Ist  es  denn  Co- 
telier  seiner  Zeit  entfigdlen,  dafs  Basilios  in  jüngeren  Jahren 
sich  den  Semiarianem  zuneigte?  Der  SchluTssatz  endlich: 
,,Caeterum  etsi  suppositiciaCy  magni  faciendae  sunt  epistolaei 
per  quas  nimirum  cemere  est  veterum  haereticorum  ma- 
litiam,  fraudem,  errores''  —  krönt  in  würdiger  Weise  jenes 
dem  ängstlichen  katholischen  Standpunkt  entstammende  Hirn- 
gespinst von  der  Bosheit  der  alten  Ketzer.  Die  ganzen 
Ausführungen  Cotelier's  enthalten  keine  Spur,  ja  nicht 
den  geringsten  Ansatz  zu  einem  wirklichen  Beweise.  Ver- 
suchen wir  einen  solchen  zu  geben. 

Wenn  der  beschränkte  Eifer  der  rechtgläubigen  Sammler 
von  Briefen  so  hervorragender  Kirchenlehrer,  wie  Qregorios' 
des  Theologen  und  Basilios',  diejenigen  echten  Schriftwerke 
derselben  verwarf  oder  beseitigte,  aus  welchen  in  irgendeiner 
Beziehung  nachteilige  Schlüsse  auf  die  Rechtgläubigkeit 
ihrer  Verfasser  hätten  gezogen  werden  können:  so  steht  auf 
der  anderen  Seite  nicht  weniger  die  Thatsache  fest,  welche 
als  die  Umkehrung  jenes  wissenschaftlich  so  verwerflichen 
Verfahrens  bezeichnet  werden  mufs,  dafs  von  geschäftigen 
christlichen  Schriftstellern  zahlreiche  Briefe  erfunden  und  in 
die  Sammlungen  echter  Schriftstücke  eingeschwärzt  wurden, 
um  die  Bedeutung  ihrer  angeblichen  Verfasser  wissenschaft- 
lich oder  geschichtlich  hervorragenden  zeitgenössischen 
Persönlichkeiten    gegenüber    in    um    so     hellcrem    Glänze 


1)  Basilii  oper.  vol.  m.   Vita  S.  Basiüi,  Cap.39,  IV,  S.173C. 


[,  DES  BASlLins  HIT  APOLLINARIOS.  95 

■tnbleD  zu  lassen.  Oerade  in  der  Sammlung  der  Briefe 
BasilioB  haben  mehrere  solcher  Einschaltungen  Platz 
gefunden.  Die  dort  überlieferten  Briefe  des  Basilios 
SD  Libanios,  den  berühmtesten  damaligen  Lehrer  der 
Bedektmst,  sowie  die  zahlreichen  Briefe  dea  letzteren 
•n  jenen  '  werden ,  weil  sie  unverkennbare  Spiu-en  der 
TTnechtheit  an  sich  tragen ,  heutzutage  mit  Itecht  bean- 
standet '.  Die  ersteren  verdanken  ihre  Entstehung  offenbar 
dem  Wunscbe,  die  aus  der  blofs  wahrscheinlichen  Tliatsache, 
iab  Baailios  als  Jüngling  den  gefeierten  Sophisten  in  Kon- 
stantinopel kennen  lernte,  ohne  weiteres  gefolgerte  Tliatsache 
einer  näheren  und  vertrauteren  Bekanntschaft  der  beiden 
Ranzenden  Vertreter  des  Christentums  und  des  Heidentums 
Uiren  späteren  Mannes  jähren  durch  briefliche  Kund- 
gebungen mannigfaltiger  Art  zu  bekräftigen.  Der  gleichen 
Thätigkeit  eines  Unberufenen  entstammt  der  jetzt  allgemein 
als  unecht  anerkannte  Brief  des  Basilios  an  den 
Kaiser  Julianus',  auch  er  in  der  Absicht  verfafst,  des 
Basilios  Mannhaftigkeit  dem  verhafsten  Abtrünnigen  gegen- 
tiber  kräftig  hervortreten  zu  lassen.  Wenn  die  Fälschung 
der  Briefe,  die  hier  zur  Veran  schau  liebung  des  Je  dann  und 
wann  im  Altertum  beliebten  seh riflstelleri sehen  Veri'ahrena 
rähnt  worden  sind,  überhaupt,  so  ist  insbesondere  die 
Unechtheit  des  zuletzt  erwähnten  an  der  Unmöglichkeit  der 
Torauagesetzten  Thatsachen  und  an  den  in  den  angenomme- 
geschichtlichen   Verhältnissen     offen    zutage    tretenden 


1)  Bdde  Reihen  von  Briefen  im  3.  Bande  der  Benediktiner- Aat- 
pite  dea  BasiUos  vom  Jahre  1730  onter  den  Nummcra  335—359. 

S)  Dafs  Külliag  in  seiner  „Gcaclilchte  der  arianischcn  Iläreaie", 
Bd  11  (Gütersloh,  BorteUmann,  1883),  S.  341  die  Briefe  ^r  echt 
ati8ii:ht  und  ilIs  solche  behsndolt,  kann  denjenigen  nicht  Wunder 
aehmcn,  der  dieses  Mannes  ergentiimliche  Quellen  heu  rtelluiigakuQst  in 
<li:iD  genannten,  nach  einigen  seiner  bcrvorstcclieudeteii  Mängel  von 
mir  Khon  in  dieser  Zeitachnft  (Bd.  VTI,  S.  134,  Anm.  1)  gekenn- 
»iclmeten  Werke  genauer  kennt. 

3)  Brief  41  bei  den  Benediktinern,  desgl.  gcßUcht  des  Kaisers 
Brief  40  bei  dm  m^nedlktinem  =  74  in  Hertlein's  TeuLner'schcr 
Aiugftbe  des  Jalianus. 


1 


96  DRASERE, 

Widersprüchen  erkannt  worden.  Auf  diese  innerenMerk- 
male  also  wird  es  auch  bei  den  des  Basilios  und  Äpolli- 
narios  Namen  tragenden  Briefen  ankommen;  dieselben 
werden  dann  in  demjenigen  Falle  als  echt  und  damit  die 
ihnen  durch  die  Überlieferung  als  Ocleitsbrief  mitgegebenen 
Überschriften  als  der  Wahrheit  entsprechend  angeschen  wer- 
den müssen^  wenn  ihr  geschichtlicher  und  dogmatischer  In- 
halt mit  dem  uns  sonst  von  den  beiden  Männern  Über- 
lieferten genau  zusammenstimmt  Gehen  wir  zu  diesem 
Zwecke  die  Briefe  durch,  deren  schwer  zugänglichen  Wort- 
laut ich  im  Folgenden  in  mehrfach  gereinigter  und,  was 
besonders  die  Accente  und  Satzzeichen  angeht,  verbesserter 
Grestalt  folgen  lasse,  um  in  dieser  geschichtlich  wichtigen 
Frage  volle  Klarheit  zu  erzielen. 

Der  erste  Brief  lautet  folgendermafsen : 

T(ü  öeaTtdvt]  fiov  aid€0if.i(üTaTqf  ArtoXXivaqUi}  Baaileiog. 

nq&ueqov  fiev  aoi  Ttegi  t(üv  ev  räig  yQOipaig  daaq>wv 
€7t€aviXlofAeVy  ymI  rjv(pQaiv6fded-a ,  oig  ce  i7t€f47reg,  on; 
T€  vniaxvot\  vDv  dt  fieiKiov  fjfuv  Inf.Q  ^blUviov  ij 
5  (pqovtlg  TTQoaeXfjXvd-ev ,  eig  f]V  ovd^.va  €ceqov  l'xofisv  iv 
TÖig  vüv  dvD^Qiü/coig  toioütov  '/mivwvöv  '/ml  7rqoGTdTr(if 
i7cr/MXiaaaO'aiy  öicoiov  ai  ymI  iv  yvioaei  'Aal  iv  Ao/w 
dvLQißfj  TS  öfio€  YMi  evTCQoaiiov  6  d-eög  fjfilv  iöcjQtjaavo. 
i7tel  ovv  o\  7tdvva  tfvQOvveg  vial  loyiov   '/ml   urjrrifÄdKov 

10  i^tjv  oi'AOciitivrjv  i/iTtXi^aavieg  zd  r^c;  ovaiag  (ivofia,  wg 
dlXoTQiov  t(üv  O^etcov  loytior,  i^ißaXov^  '/Mva^uoaov  fjf.ih 
ariinßvat  y  o/tiog  le  oi  7caTiQ€g  adrot  ixQ^joavrOy  '/mI  et 
ftridaftov  e^Qsg  iv  rij  yQcc(fj]  'A,elf.iEvov,  tbv  yäq  iiciovoiov 
iiqiov  /.ai  xbv  Xabv  zöv  Ttegiovaiov  y   '/ml  el  vi  toiovzov, 

15  wg  oudiv  t'xovta  '/olvov  diajtxvovöiv.  tJteLza  (.livroL  ymI 
7CEQL  avTüd  foC  öjnoovaiüv  y  o?  tvE/^^  7)yo€f^aL  zavra 
'Aazao'AEvd^Eiv  adtorg,  ßad-icog  ztjv  ovaiav  diaßdXXovragy 
t/rEQ  Toü  (.itjÖEf^iav  x^^Q^^  ^H^  6/J00vau(t  '/.aiaXijCEiVy 
dtu)MßElv  fj^Aiv  ;c}m€vceqov  ßovh'jlhin,  xlva  xi^v  öidvoiav 

20  ^X^i,  yMt  7r<j)g  liv  vyidig  Xiyoiio  iff    (ov  ovte  y/vog  'aolvöv 

1\IEQ'JLeIi.IEV0V    O^EWQElZaL  y     OriE    vXrAOV     Ö/CO/ElfJEVOV     jCQO- 


BRIEFWECHS&L  des  BASUJOS  HIT  APOLLINAIilOS. 

wta^ov,    oike  äfrofieQia/iög    loD    n^ottqov   elg    lö    dei- 
sfißoy.      rrög    oiv   xe>)    ^V***'    ^f*oot''aiov    tdv    viifv    Tip 
ntn^l,  £ig  fiijäeftiav  l'wotav  rßv  eiQrj^itvtm'  iiaTajti/cTov- 
tag,  &tXrflov  fjfttv  TnXacvTCQOv    (JiaptfpOda/.     Ijfielg   (liv  2 
fd^    vnetXi'j<fa(itv ,    Sneq    Uv    elvai    xatf     Ind^caiv  toB 
•mngög   owri'a  krj<f!)ij ,    tovco    elrai    uävrioq  övayAaiov 
■i   lijV   toC  vioC  hxfißöma'&at.     lüatE   et    ifCt^i    >'Oijiü>' 
itov  dyiwrjTOV  tijV  loS  ?torpöe  ovalav  rig  Ityoi,  <piü<i 
t{tw   ätäiov   /ewjiÄc  Kai   tijV    tov   noroyeyoüg   otaiav  3 
El.     Jigdg   äi   Ttpr  Toiaikifv  t'yyotay   öokei   ftoi   ?)   roP 
^KOpaJUcixcttK;  ifioiov  qiiovi)  (läXXov  ipceg  ij  ioI3  öfioov- 
giov  äQfiörtEiv.     ifQg  yä^  ifiutl  fxi^äEfiiav  iv  zi^  f.täHoy 
luxi  fjitov  rf/y  öttKpoQäy  ixov,  ravföv  fiiy  ody.  Eivat,  öi6ti 
tf  \Aicf  jttqi.yqaff')    tf/g  ovatag  iazly  fjuiiEQOv,  Sfiotov  dt  3 
xav'  oi-aiav  äxfißßg  xai  d/iaQalXoKTiog,  dqi>&g  Sv  olftat 
Xiyea&at.    ute  olv  wna  za^tas  xp'}   äialiyEOitai   tag 
brvoiag,  ei'xE  hi^ag  ftsiCoug  övrilaßEiv,  ü^  aoifög  lazQÖg 
(xat  yäf  i^Etf/jyaftiy  aoi  rö  iv  tij  yuxqditf)  zö   ftiv  ttg- 
futaroEv  'i'aaat ,   td   de  aadQÖv  hcoot^^iiov  ■   jcavii   de  4 
tfj6ti:ti>  ßeßaibiaov  ^fiäg.     zoig  ^lerä    vTjg    EiXaßeiag   oov 
'idäeX^ig  äarcäZofiai  xai  d§iQ  fxEzd  aoS  evyjEaäai    iitriQ 
^fUüy,  7va   aui&&ftEV.     6   hat^og    rqiff6qtog,   töv  fietä 
TÖv   yovitav   tXöfteyog    ßioy,    avroig    avvEOTiy.      byiatvtav 
hti  TtXEiaiov  (pvXaxifEiiig  ^ftiv,  linfEXQv   /j^täg   xai   zaJg  4 
if^als  Mxl  z^  yvwOEi. 


)1.  olHf  anofiHiiitfiiii]  ovx  ÜTio/inua/iiii  Cot.  Bcned.  —  36.  *(ilj 
notwendig,  fehlt  bei  C.  imd  IJ.  —  37.  stiti«)  feLlt  bei  C.  und  B.,  cr- 
Khdnt  dem  Zusammen! uwgc  nach  notwendig.  —  39.  Die  Klammer, 
nierat  von  den  Bencd.  gesetzt,  dürfte  dvii  Gcdatiken  kliircr  uud  nii- 
gemesBener  hervortreten   ksseu.  —     t&.   fnl   nifiataf]   {mniiionn-  C. 

QDd  B. 

Der  Eingang  des  Briefes  (Z.  2  8*.)  setzt  jedenfalls  oiu 
Schreiben  des  BasUius,  welches  auf  Sclirii'terklürung  bezüg- 
liche Anfragen  entliielt,  und  eine  hierauf  erfolgte,  denselben 
erfreuende  und  beü-iedigende  Antwort  vonaeiten  des  Apolü- 
narios  voraus.  Hiernach  allein  dürfte  es  kiiuni  ziilüssig  sein, 
wie  L'otelier  thnt,  von  einem  regen  ÜriefwecLael  zwischen 

Züticki.  r.  K.-e.  VII),  1. 1.  1 


98  DRASEKSy 

Apollinarios  und  Baailios  zu  reden  und  gar  noch  Ghr^rios 
von  Nazianz  in  diese  Verbindung  hineinzuziehen.  Denn 
von  Gregorios  wird  am  Ende  des  Schreibens  nur  erwähnt, 
dafs  er  sich  nicht  mehr  bei  Basilios  befindet,  sondern  zu 
seinen  Eltern  zurückgekehrt  ist;  und  am  Schlüsse  seines 
zweiten  Briefes  sagt  Apollinarios;  dafs  Gri^orios  nichts  von 
sich  hören  lasse.  Es  fragt  sich  zunächst,  in  welche 
Zeit  die  in  dem  Briefe  selbst  enthaltenen  An- 
gaben führen. 

Bezeichnend  für  die  zahlreichen  gefälschten  Briefe,  deren 
Erwähnung  geschah,  und  f&r  derartige  Fälschungen  über- 
haupt ist  bekanntlich  der  Umstand,  dafs  meist  die  äufseren, 
geschichtUchen  Umstände,  welche  ein  Späterer  in  sein  Mach- 
werk verwebte,  um  demselben  das  Gepräge  der  Echtheit  zu 
verleihen,  sich  als  imgenau,  zerflossen  und  widerspruchsvoll 
erweisen.  Auch  der  vorliegende  Brief  enthält,  wie  nicht 
minder  die  folgenden,  eine  Reihe  von  geschichtlichen  An- 
deutimgen  und  Beziehungen,  auf  deren  richtiger  Deutung 
fUr  das  Verständnis  alles  ankommt  Weder  von  Cotelier 
noch  von  den  Benediktinern  ist  ein  nennenswerter  Ver- 
such in  dieser  Richtung  gemacht.  Achten  wir  da  ja  auf 
des  Basilios  eigene,  unbezweifelt  echten  Briefen  angehörige 
Aufserungen,  die,  wie  wir  gesehen,  von  Cotelier,  freiUch 
in  nicht  ausreichender  Weise,  berücksichtigt  worden  sind. 

Dafs  Basilios  mit  Apollinarios  in  brieflicher 
Verbindung  gestanden,  wird  allgemein  zuge- 
geben, doch  herrscht  Meinungsverschiedenheit  über  den 
Umfang  dieses  Verkehrs.  Ein  wenig  beachtetes,  aber  wohl 
hierher  gehöriges  Zeugnis  ist  jedenfalls  auch  das  des  zeit- 
genössischen Syrers  Ephräm,  der  (bei  Photios,  Cod.  229, 
S.  255b,  9)  zum  Beweise  der  kirchlichen  Lehre,  dafs  der 
göttliche  Logos  im  Fleische  gelitten  habe,  während  die  Geg- 
ner in  lästerlicher  und  verwerflicher  Weise  von  einem  Lei- 
den der  göttlichen  Natur  redeten  (S.  255  a,  31 — 34),  sich 
auch  auf  einen  Brief  des  Basilios  an  Apollinarios 
beruft  Der  Brief  kann  sehr  wohl  in  dieselbe  Zeit  und  in 
dieselbe  Reihe  von  Briefen  gehören,  aus  der  uns  nur  die 
vier    vorliegenden    erhalten    sind.     Wenn   die   Benediktiner, 


HRIEFWECnSEL  DES  nASII.IOS  M!T  APOLUNAniOS.  99 

deren  Angabe  über  Zweck  und  Absicht  der  Berufung 
Ephrätn's  entschieden  unzutreflfend  iat,  jenen  von  dem  An- 
tiochener,  der  wahrliaftig  seiner  Zeitgenossen  und  im  be- 
sonderen seines  Landsmannes  Apolünarios  Briefwechsel  ge- 
nauer zu  kennen  in  der  Lage  war ,  genannten  Brief  de« 
Bosilioe  an  ApoUinarios  einfach  aus  dem  Grunde  für  unecht 
erklären  ',  weil  Basilios  niemals  an  ApoUinarios  über  Glaubens- 
angelegenheitcn  geschrieben  habe,  so  ist  das  eben  ein  Verfahren, 
welches,  wie  sich  zeigen  wird,  vor  einer  genauen  Prüfung 
der  eigenen  Aussagen  des  Basilios  nicht  bestehen  kann.  — 
Cotelier  nun  ist  beflissen  gewesen,  auf  Grund  der  letz- 
teren den  Umfang  des  Briefwechsels  lieider  Männer  als 
möglichst  geringfügig  darzustellen,  ja  er  redet  schhefslich 
nur  von  einem  einzigen  Schreiben.  Die  Verdäch- 
tigungen der  Gegner  des  Basilioa,  besonders  des  Eustathios 
von  Sebaste,  welche  ihm  Verbindung  mit  Apollinarioa  vor- 
werfen und  ihn  infolge  derselben  zu  einem  Genossen  und 
Anhänger  des  Laodiceners  machen  möchten,  würden,  als 
völlig  aus  der  Luft  gegriffen,  bei  den  Zeitgenossen  nicht 
den  geringsten  Eindruck  gemacht  haben,  wenn  ihnen  nichts 
Thatsächliches  zugrunde  gelegen  hätte.  Basilios  kommt  des- 
halb mehrfach  auf  diesen  Punkt  zurück;  aber  wir  dürfen 
dabei  nicht  aufseracht  lassen,  dafs  ihm  vor  allen  Dingen 
daran  liegen  mufste ,  die  Verdächtigungen  möglichst  als 
haltlos  und  unbegründet  darzustellen.  Seine  Äufserungen 
tragen  darum  auch  nicht  überall  das  gleiche  Gepräge. 

Um  des  Eustathios  Unterstellung,  des  Basihos  Brach  mit 
ihm  sei  erfolgt,  weil  jener  in  Briefwechsel  mit  ApoUinarios 
gestanden,  zurückzuweisen,  schreibt  Basilios  im  Jahre 
376  an  Bischof  Patrophilos  (Epist.  244,  al.  82):  „Ich  habe 
ApoUinarios  niemals  für  einen  Feind  gehalten,  ja  es 
sind  Gründe  vorhanden,  derentwillen  ich  den  Mann  verehre; 
jedoch  habe  ich  mich  nicht  derart  mit  ihm  verbunden,  dafs 
ich  die  Anschuldigungen,  die  gegen  ihn  erhoben  werden, 
auf  mich  nehme,  da  ich  auch  Einiges  an  ihm  auszusetzen 
habe,  nachdem  ich  einige   seiner  Schriften   gelesen.     Jedoch 


1)  Vita  S,  Hiwilii  p.  CLXXni,  c.  34,-4. 


100  ÜRÄSE^ 

erinnere  ich  mich  nicht^  eine  Schrift  über  den  heiligen  Geist 
von  ihm  erbeten  oder  erhalten  zu  haben.  Vielmehr  höre 
ich;  dafs  er  zum  Vielschreiber  geworden  sei;  nur  wenige 
aber  von  seinen  Schriften  habe  ich  gelesen  ....  Was 
geht  es  mich  an,  wenn  jemand  etwas  schreibt,  was  einem 
andern  nicht  behagt?  Gleichwohl,  wenn  einer  ftir  den  an- 
dern Rechenschaft  ablegen  soll,  so  möge  der,  welcher  midi 
betreffs  des  ApoUinarios  anklagt,  sich  mir  gegenüber  recht- 
fertigen wegen  seines  eigenen  Lehrers  Arios  und  wegen 
seines  eigenen  Schülers  Aetios.  Ich  bin  in  keinem  Punkte 
weder  Lehrer  noch  Schüler  desjenigen  gewesen,  dessen  Lehr- 
anstöfse  mir  zum  Vorwurf  gemacht  werden*'. 

Der  Brief  ist  bezeichnend  für  die  rein  menschliche, 
freundliche  Stellung  des  Basilios  zu  ApoUinarios.  Der 
Schlufs  sagt  nur  eine  Thatsache  aus,  welche  durch  den 
Lehrgehalt  der  Schriften  beider  Ejrchenlehrer  durchaus  be- 
stätigt wird  und  mit  dem  Inhalt  des  ersten  Briefes,  in  wel- 
chem Basilios  ApoUinarios  fireundschaftUchst  um  eine  be- 
iriedigende  Erklärung  des  Wortes  ovaia  ersucht,  so  wie 
dieselbe  dem  Sprachgebrauche  der  Väter  und  der  heiligen 
Schrift  entspricht,  wohl  zusammenstimmt.  An  ein  Schüler- 
verhältnis des  Basilios  zu  ApoUinarios  nötigt  die  ganze  Fas- 
sung des  Briefes  durchaus  nicht  zu  denken. 

Die  hier  besonders  in  Betracht  kommenden  Aufserungen 
des  Basilios  gehen  bis  in  das  Jahr  373  zurück.  In  die- 
sem Jahre  schrieb  er  an  einen  ihm  befreundeten  Bürger 
von  Neocäsarea,  Olympios  (Episi  131,  al.  382):  „Wenn  ich 
einst  vor  vielen  Jahren  an  ApoUinarios  oder  irgendeinen 
anderen  geschrieben  habe  {hciateiXa)^  so  darf  man  mir 
daraus  keinen  Vorwurf  machen.  Denn  ich  selbst  mache 
niemandem  einen  Vorwurf,  wenn  er  etwa  infolge  irgendeines 
Umgangs  in  Irrlehre  gerät  (ihr  kennt  ja  die  Männer,  auch 
wenn  ich  keine  Namen  nenne),  weil  jeder  doch  nur  fiir 
seine  eigene  Sünde  sterben  soll"  .  .  .  „Ich,  Bruder  Olympios, 
rede  weder  von  drei  Göttern,  noch  habe  ich  Gemeinschaft 
mit  ApoUinarios". 

Dei'  biör  gyjbrauchte  «Ai^sdruck  (^hriavfXkEiv)  sowie  die 
Verbindung,    in    welcher  er   mit  dem  Folgenden  erscheint. 


BBIEPWECHSEL  DES  BASILIOS  MIT  AP0LLINARIO8.         101 

läfst  durchaus  darauf  schliefsen,  dafa  meliriacli  Briefe  zwischen 
beiden  Männern  gewecliaelt  sind;  wie  sollte  auch  aus  der 
Thatsachc,  dafs  vor  vielen  Jaliren  ein  vertrauliches  Schrei- 
ben vonseiten  des  Basilios  an  Apollinarios  gelangte,  ein  so 
schwerer  Vorwurf  entnommen  werden  können?  Sind  die 
Ausdrücke  in  diesem  Briefe  an  Olynipios  unbefangen  und 
eröffnen  sie  einen  weiteren  Blick  in  das  Verhältnis  zwischen 
den  beiden  Kirchenlehrern,  so  erscheinen  bei  zunehmender 
Gefahr,  durch  die  Verdächtigungen  seiner  Gegner  in  den 
Augen  der  Welt  auf  Apollinarios'  Seite  gedrängt  zu  werden, 
die  Aufserungen  des  Basilios  zugespitzter  und  ängstlicher. 

So  schreibt  er  im  Jahre  375  an  seine  Müncbe  (Epist.  226, 
aL  73):  „Wenn  jemand  in  Syrien  schreibt  (Apollinarios), 
so  ist  mir  das  gleichgültig.  ,Denn  aus  deinen  Worten', 
heifst  es  (Matth.  12,  37),  .wirst  du  gerechtfertigt  werden 
und  aus  deinen  Worten  wirst  du  verdammet  werden '.  Meine 
eigenen  Worte  mögen  mich  richten:  wegen  trerader  Irr- 
tümer aber  möge  mich  niemand  verurteilen  und  mir  nicht 
Briefe  zum  Vorwurf  machen,  die  ich  vor  zwanzig  Jahren 
geschrieben  {rag  /rpö  eixofftv  tcßv  y^arpeiaag  :caq  fj^idiv 
irrtarolät;) ,  um  zu  beweisen,  dafs  ich  jetzt  noch  Gemein- 
schaft habe  mit  denen,  welche  jene  Dinge  geschrieben  haben. 
Als  Laie  an  Laien  habe  ich  vordem  geschrieben,  ehe  noch 
jemand  irgendwelchen  Verdacht  gegen  jene  erregte;  auch 
habe  ich  nichts  über  den  Glauben  geschrieben,  noch  der- 
artiges, wie  jene  jetzt  verleumdoriacb  wider  mich  herum- 
tragen, sondern  einfache  Begrufauiigen,  welche  die  Obliegen- 
heit freundschaftlichen  Verkehrs  erfüllten". 

Dieser  Brief  scheint  mir  die  Auslegung  dos  vorigen  zu 
bestätigen:  es  steht  danach  fest,  dafs  mehrere  Briefe 
von  Basilios  an  Apollinarios  gerichtet  worden 
sind,  und  Basihos  hat  Dinge  geschrieben,  für  die  er  die 
Verantwortung  zu  übernehmen  gern  bereit  ist.  Diese  freie 
Aussprache  ist  seinen  München  gegenüber  wohl  erklärlich 
und  gowiffi  durchaus  am  Platze,  Gewundener  lauten  die, 
wie  die  Ausdrücke  beweisen,  auf  dieselbe  Sache  bezüglichen 
Aufserungen  in  einem  Schreiben   aus  demselben  Jalire  375 


102  DKÄSEKE; 

Mit  Bezug  auf  das  Streben  der  Gegner ,  ihn  zu  emem 
Genossen  und  Anhänger  des  Apollinarios  zu  machen 
(S.  343 A)^  sagt  Basilios  daselbst  (S.  343 B):  ,,Wemi  sie 
auf  Grund  offenkundiger  Thatsachen  mir  Gemeinschaft  mit 
demselben  vorwerfen,  so  mögen  sie  doch  kanonische  Briefe 
zeigen,  die  ich  an  ihn  oder  die  er  an  mich  geschrieben^ 
oder  den  Verkehr  der  Kleriker  mit  einander,  oder  wen  von 
ihnen  ich  jemals  zur  Gebetsgemeinschaft  zugelassen.  Wenn 
sie  aber  einen  Brief  aufweisen,  den  ich  übrigens  vor 
25  Jahren  an  ihn  geschrieben  (et  di  enia%oXr(v  TtQotpiQovai 
Tov  XoiTidv  nQÖ  Tie'  ivCtv  yQaq>Eiaav  avvfit),  als  Laie  an 
einen  Laien,  und  auch  diesen  nicht  einmal  als  von  mir 
geschrieben,  sondern  gefälscht  (Gott  weifs  von  wem),  so  er- 
kennet daraus  das  Unrecht,  welches  darin  liegt,  dafs  man 
doch  einen  Bischof  nicht  dafür  unter  Anklage  stellen  kann, 
was  er  vormals  als  Laie  in  irgendeiner  gleichgültigen  An- 
gelegenheit etwa  unbedacht  geschrieben,  und  zwar  nicht 
einmal  etwas  über  den  Glauben,  sondern  einfach  einen  Brief 
mit  freundschafUichen  Versichenmgen ". 

Hier  ist  nur  von  einem  Briefe  die  Rede,  während  in 
den  vorigen  von  mehreren.  Sollte  das  zufallig  sein?  Die 
Gegner  haben  als  die  offenkundigen  Thatsachen,  auf  Grund 
deren  sie  Basilios  Gemeinschaft  mit  Apollinarios  vorwerfen, 
ohne  Zweifel  die  Briefe  angesehen,  von  deren  Vorhanden- 
sein sie  wufsten,  oder  die  sie,  wenigstens  was  einen  anlangt, 
dem  Wortlaut  nach  kannten,  sonst  würde  nicht  Basilios  mit 
solchem  Nachdruck  eine  Reihe  anderer  Thatsachen  in's  Ge- 
fecht führen,  die  sein  Verfahren  als  Bischof  auch  nicht  dem 
geringsten  Makel  aussetzten. 

Wichtig  für  die  Frage  der  Abfassung  des  ei-sten  oben 
im  Wortlaut  mitgeteilten  Briefes  sind  nun  die  in  den  Briefen 
220  und  224  enthaltenen  Zeitangaben.  Im  131.  Briefe 
aus  dem  Jahre  373  ist  ganz  allgemein  von  vielen  Jahren, 
in  den  beiden  anderen  aus  dem  Jahre  375,  im  226.  von 
20  (//)  Jahren,  im  224.  von  25  (/.c')  Jahren  die  Rede. 
Welche  von  letzteren  beiden  Zahlen  ist  die  richtige?  Die 
Antwort  hierauf  kann  nicht  zweifelhaft  sein.  Die  Be- 
nediktiner   erklären    sich    für    die    erstere    und    wollen 


8KIEPWECHSEL  DES  BASILIOS  MIT  APOLLINARIOS.         103 

die  zweite  danach  verbessert  wiaaen  '.  Aber  Bollten  nicht 
alle  beide  falsch  d.  h.  verschrieben  seinV  Zu  dieser  An- 
nahme aind  wir,  wie  mir  scheint,  durch  den  Umstand  ge- 
nötigt, dafs,  sei  nun  die  Zahl  /'  oder  x«'  als  richtig  ange- 
nommen, wir  den  Briefwechsel  des  BasiUoa  mit  Apoilinarios 
in  die  fünfziger  Jahre  verlegen  müfsten.  In  dieser  Zeit 
aber  weilte  Basilios  in  Konstantinopel  oder  Athen,  woselbst 
er,  zu  den  Füfsen  gefeierter  Lehrer  sitzend,  unter  deren 
Leitung  nachweislich  völlig  aufging  in  der  Durchforschung 
und  sorgfältigen  Aneignung  der  gesamten  hellenischen  Wissen- 
schaßen,  vor  allen  der  Rhetorik,  Grammatik  und  Philosophie. 
Alles,  was  wir  von  diesen  Leiu--  und  \A'an  der  jähren  des 
Basilios  wissen,  verbietet  es  uns  durchaus,  an  einen  Brief- 
wechsel desselben  mit  Apoilinarios  wälirend  derselben  zu 
denken.  EUner  eindringenderen  Durchforschung  der  heiligen 
Schrift  widmete  sich  Basilios  erst,  nachdem  er,  um  das  Jahr 
358,  in  sein  Vaterland  heimgekehrt  war.  Der  Beginn  die- 
ser Bemühungen  läfst  sich  aber  noch  genauer  feststellen. 
Dem  Wunsche  seiner  Mitbürger  entsprechend,  scheint  er 
zunächst  einige  Zeit,  sicherlich  aber  nicht  lange,  in  seiner 
Vaterstadt  als  Rhetor  gewirkt  zu  haben,  ehe  er  den  Ent- 
schlufs  fafste,  in  gänzlicher  Zurückgezogen beit  von  dem  ver- 
wirrenden Treiben  der  Welt  ein  streng  mönchisches,  ein- 
siedlerisches Leben  zu  fuhren.  Um  das  Mönchslebeu  aber 
aus  eigener  Anschauung  kennen  zu  lernen,  unternahm  Ba- 
silios im  Winter  des  Jahres  3üO  eine  gröfsere  Reise 
durch  Syrien,  Palästina  und  Ägypten,  von  der  er 
erst,  nachdem  er  lungere  Zeit  durch  Krankheit  in  AJexandria 
zu  weilen  gezwungen  war,  im  Winter  des  folgenden  Jahres 
zurückkehrte,  um  sich  dann  sofort  in  die  schon  von  seiner 
Mutter  und  Schwester  zuvor  erwählte  Einsamkeit  in  Pontus 
zurückzuziehen.  Hatte  er  anfangs  gehofft,  als  Genossen 
seinen  Freund  Gregorios  von  Nazianz  dahin  mitzu- 
nehmen, 80  raulate  er  diesem  Wunsche  bald  entsagen,  da 
Gregorios  Pflichten  gegen  seine  alten  Eltern  zu  erfüllen 
hatte,  sich  somit  dem  Mönchsteben  ausschliefslich  zu  widmen 

L       t)  ViU  S.  Basilü,  C^.  II,  5,  S.  XLUID. 


104  DRASEKE, 

verhindert  war.     Nur  auf  kurze  Zeit  folgte  dieser  den  wie- 
derholten,   dringenden   Einladungen    seines    Basilios    in   die 
Einsamkeit     Hier  lebten    nun   beide    Freunde    einzig   sich 
selbst  und   ihrem   Ootte  in   erhebender  Gebetsgemeinschaft 
und  gemeinsamer  Arbeit  in  Garten  und  Haus;  hier  durch- 
forschten beide  gemeinsam  vor  aUem  die  heiUge  Schrift  und 
fertigten  jene  Auszüge  aus  den  weitläuftigen  Schrifterklärun- 
gen des  OrigeneSy  die  wir  unter  dem  Namen  der  Philokalia 
(Socr.  Hist.  eccl.  IV,  26)  noch  besitzen;  hier  sammelte  Ba- 
silios die  sittlichen  Vorschriften  aus  dem  Neuen  Testamente. 
Dies  ist  der  Zeitpimkt,  in  welchem  wir  von   einer  ersten 
eindringenden  Lesung  und  Durchforschung   der  hl.   Schrift 
durch  Basilios  wissen.     Wenn  also   der  unter  des  Basilios 
Namen  überlieferte  erste  Brief  an  Apollinarios  echt  sein  soll, 
so  mufs  er  in   dieser  Zeit,   d.  h.   im  Jahre  361   ge- 
schrieben sein.     Es  wäre   somit,   statt  der  beiden  Zahl- 
angaben im  226.  und  224.  Briefe:  x'  und  xc',  zu  schreiben: 
u'  (d.   h.    15   Jahre),    Zahlzeichen,   aus    welchen   sich    die 
Entstehung  der  ersten  beiden  durch  einfache  Verschreibung 
sehr  leicht  erklärt.     Mit  dieser  so  einfachen  Textesbesserung, 
wie   sie   in  hundert  ähnlichen  Fällen   in   Schriftwerken  des 
Altertums  bei  Zahlangaben  hat  vorgenommen  werden   müs- 
sen *,  setzen  wir  nicht  nur  den  unbezweifelt  echten  Basilios 
mit  sich  selbst  in  die  notwendige  Übereinstimmung,  sondern 
gewinnen  auch  durch  diese  15  Jahre  für  eine  geschicht- 
lich zutreffende  Auslegung  des  angezweifelten  Briefes 
den  einzig  richtigen  Gesichtspunkt. 

Grcgorios  von  Nazianz   hat  den  Berichterstatter  wieder 


1)  Ich  verweise  z.  B.  auf  Suidas,  der  die  Kapitelzahl  der 
kirchlichen  Hierarchie  des  Dionysios  auf  15  {it')  angicbt, 
während,  wiellipler  in  seinem  „Dionysius,  der  Arcopagite**  (Regens- 
burg, Manz,  18f)l),  S.  130  überzeugend  nachweist,  jedenfalls  statt  w' 
nur  t  zu  lesen  ist,  so  dafs  das  berühmte  Werk  des  Dionysios  fünf 
Kapitel  enthielt.  Diese  Zahl  wird  nicht  nur  aus  des  Schriftstellers 
sorgfaltiger  Gliederung  des  Inhalts  als  die  richtige  erkannt,  sondern 
auch  durch  den  syrischen  Kommentar  des  Johannes  von  Dara 
bestätigt,  der  nur  fünf  Kapitel  enthält,  ohne  dafs  die  Handschrift 
auch  nur  die  geringste  Spur  der  IJnvollständigkeit  zeigte. 


BRIEFWECHSEL  DE!  BASIUOS  MIT  APOLLtNARIOS.         105 

verlassen,  wie  es  am  Schlüsse  des  Briefes  teifet:  zbv  (tera 
■tOv  yovetov  Uö^evo^  ßlov  avroig  at'-veaciv,  er  hat  Pflichten 
gegen  aeinen  greisen,  von  Gegnern  bedrängten  Vater  zu 
erfüllen  gehabt  und  iat  von  dem  Freunde  wahrscheinlich 
kurz  vor  Weihnachten  des  Jahres  361  wieder  geschieden, 
Dafs  aber  nicht  etwa  der  zweite  Besuch  des  wider  Willen 
zum  Presbyter  geweihten  und  vor  der  Anerkennung  dieser 
Thatsache  flüchtenden  Gregorios  bei  Basilios  um  das  Epi- 
phanienfest  3(>2  gemeint  ist,  von  welchem  er  gegen  Ostern 
362  nach  Nazianz  zurückkehrte,  dafür  dürfte  sich  der  Ein- 
gang des  Briefes  geltend  machon  lassen.  Gerade  des  Ba- 
silios Reise  durch  Syrien,  Palästina,  Ägypten  giebt  hier,  wie 
ich  meine,  den  Schlüssel.  In  den  Anfang  der  sechziger 
Jahre  fiUlt  die  Blütezeit  des  Ruhmes  des  Laodiceners.  Höchst 
wahrscheinlich  hatte  Basilios  denselben  persönlich  kennen 
gelernt  oder  doch  durch  Hörensagen  überaL  in  Syrien  einen 
gewaltigen  Eindruck  von  dem  Manne  bekommen,  der  da- 
mals als  der  beredteste  und  schneidigste  Verteidiger  des 
Christentums  auf  dem  Plane  stand,  der  gegen  den  gefürch- 
teten  Forphyrios  und  seine  fünfzehn  Bücher  „Wider  die 
Christen"  ein  bewundertes  Werk  von  dreifsig  Büchern  ge- 
schrieben hatte  und  das  Nicänum  gegen  Axianer  und  Se- 
miarianer  mit  Nachdruck  und  Geschick  fort  und  fort  in 
Schutz  zu  nehmen  nicht  müde  ward.  Was  Wunder,  wenn 
der  jugendliche  und  für  die  Schrift  begeisterte  harmlose 
Basilios,  gleich  dem  bi  Glaubensdingen  doch  so  viel  vor- 
wchtigeren  und  argwöhnischen  Epiphanios  später,  voll  Be- 
wunderung zu  Apollinarios  aufschaute  und  in  der  Ahge- 
Bchiedenheit  seines  poetischen  StUUebens  bei  Durchforschung 
der  heiligen  Schrift  bei  ihm  aufstofsendcn  Schwierigkeiten 
sich  an  keinen  Besseren  und  Kundigeren  um  Rat  und  Aus- 
kunft zu  wenden  wufste  als  an  den  Laodicener  Apollinarios? 
„Als  Laie  an  einen  Laien"  erklärt  Basilios  an  Apollinarios 
geschrieben  zu  haben.  Was  will  er  damit  sagen?  Der 
Ausdruck  scheint  mir  eine  zwli-fachc  Möglichkeit  der  Er- 
klärung zuzulassen.  Vielleicht  wollte  Basihos  durch  den- 
selben andeuten,    dafs  er   selbst  nicht   blol's   um  die  ange- 


106  DRiSKKEy 

dals  auch  ApoUinarios  damak  noch  Laie  war,  was  wir  nicht 
aicher  wissen.  Noch  im  Jahre  359  nämlich  auf  der  Synode 
za  Seleucia  in  Isaurien  tritt  als  Bischof  von  Laodicea  ein 
gewisser  Georgios  auf.  Im  Jahre  362  dag^en  bei  Ge- 
legenheit der  von  Athanasios  berufenen  Kirchenversamm- 
lung in  Alexandria  erscheinen  dort  bevollmächtigte  Abge- 
sandte des  ApoUinarios,  was  doch  wohl  nur  einen  rechten 
Sinn  hat,  wenn  ApoUinarios  damab  schon  Bischof  war  K 
Die  andere  MögUchkeit  der  Auf£EU»ung  jener  Worte  des 
Basilios  würde  die  sein,  dals  derselbe  durch  den  in  den 
beiden  Briefen  vom  Jahre  375  wiederkehrenden  Ausdruck 
nur  den  Ton  und  das  aUgemeine  Gepräge  seiner  Briefe  als 
harmlos,  vertrauUch,  mit  keinem  dogmatischen  Maisstab  zu 
messen,  im  Gegensatz  zu  der  amtUchen,  auf  die  verant- 
wortungsvoUe  SteUung  besonders  in  Glaubenssachen  stets  ge- 
bührend Rücksicht  nehmende  Ausdrucksweise  des  Bischöfe 


1)  So  nennt  ihn,  wie  ich  der  Anmerkung  Henri  YaloiB*  xa 
Philostorg.  Vni,  15  entnehme,  Athanasios  in  dem  von  ihm  im 
Jahre  362  nach  der  alexandrinischen  Rirchenversanmilung  an  Ensebioe 
und  Lucifer  gerichteten  Schreiben:  naQfjaav  «fi  xa(  Tiveg^^nolXtvaQCov 
ToO  imaxonov  juovaCovTfg,  nuQ*  auroO  ttg  toüto  TTffJKffd-^vTfg.  Wie  hier 
nun  aber  zu  vermitteln  ist,  vermag  ich  mit  Sicherheit  nicht  zu  sagen. 
Denn  es  ist  auffallend,  dafs  unter  den  Unterzeichnern  des  von  der 
Versammlung  zwar  arianisch  gesinnter,  damals  aber  ans  Liebedienerei 
gegen  den  Machthaber  dem  Nicänum  zustimmender  Bischöfe  in  An- 
tiochia  an  Kaiser  Jovianus  im  Jahre  363  gerichteten  Schreibens 
(Socrat.  ni,  25;  Sozom.  VI,  4)  noch  ein  gewisser  Pelagios  als 
Bischof  von  Laodicea  genannt  wird,  betreffs  dessen  Sozomenos  aus- 
drücklich das  die  Stadt  von  dem  gleichnamigen  Laodicea  „am  Li- 
banon*' unterscheidende  Merkmal  „das  syrische"  {iTildyiog  6  Aao- 
dtxtlag  jfig  2:v(Hav)  hinzufügt,  womit  eben  die  Stadt  unseres  ApoUi- 
narios gemeint  ist.  Hat  etwa  ApoUinarios  ähnlich  wie  einst  Origenes 
und  später  Lucianus  in  Antiochia  als  di^aaxakog  rfjg  ^xxXr^alag^  we- 
nigstens in  den  Jahren,  von  denen  hier  die  Rede  ist,  aufserhalb  der 
Kirche  von  Laodicea  gestanden,  besonders  seitdem  er,  wie  Lucianus, 
mehr  imd  mehr  Haupt  einer  Schule  wurde  ?  Diese  Frage  darf  jeden- 
fiiUs  hier  aufgeworfen  werden.  Vgl.  Harnack's  „Lehre  der  zwölf 
Apostel**  in  „Texte  und  Untersuchungen  zur  Geschichte  der  alt- 
christUchen  Litteratur**,  Bd.  H,  S.  136  u.  137  mit  den  Anmerkungen 
59  und  60. 


BRIEPWKCUSEL  DES  BASIL108  MIT  APOLLINARIOS.         107 

habe  kennzeichnen   wollen,   wofür  man   Bicb  beaonderH   auf 
die  ans  dem  224.  Briefe  mitgoteilten  Worte  benilen  könnte. 

Doch  schon  die  Thataache  allein,  dafs  BaailioB  sich  an 
ApollinarioB  wie  an  einen  Lehrer,  ja  wie  an  den  einzigen 
Lehrer  der  Kirche  fragend  gewendet,  ist,  wie  wir  gesehen, 
Cotelier  unangenehm  und  verdächtig  gewesen.  Ich  frage, 
aus  welchem  Grunde?  Ist  es  nicht  bekannt,  dafa  Philo- 
storgios  den  Apollinarios  als  Lehrer  der  Kirche  u.  a.  weit 
über  AthanasioB  stellte.  Ja  dafs  er  den  letzteren  im  Ver- 
gleich zu  ApollinarioB,  Basilios  und  dem  Nazianzencr,  einen 
ScLulknaben  zu  nennen  kein  Bedenken  trug?  Man  wird 
dagegen  einwenden,  dafs  des  Philostergioa  als  eines  Arianers 
Urteil  über  AthanasioB,  das  Haupt  der  siegreichen  gläubigen 
Kirche,  parteiisch  und  befangen  und  deswegen  überhaupt 
zu  beanstanden  sei  ^.  Nun  wohl;  aber  an  wen  sollte  sich 
denn  BasilioB  damals  überhaupt  wenden ?  Athanasios  war 
356,  zum  drittenmal  verbannt,  in  die  Wüste  verschwunden, 
aus  deren  geheinmisvollen  Verstecken  er  erst  nach  Kon- 
stantius'  Tode  (3.  November  361)  durch  Julianus'  alle  ver- 
bannten Bischöfe  zurückberufende  Verfügung  im  Anfang 
des  Jahres  362  zu  seinem  bischöflichen  Sitze  heimkehrte. 
Als  BasilioB  in  Alexandria  weilte,  fand  er  daher  Athanasios 
jedenfalls  nicht  vor,  ja  er  hat  vielleicht  nicht  einmal  das 
geringste  von  seinem  Aufenthalte  gehört,  da  dieser  nur  den 
Vertrautesten  bekannt  sein  konnte.  Wenn  zu  ii^ondeiner 
Zeit,  so  stand  damals  Apollinarios  unbestritten  als  die 
glänzendste  Leuclite  der  christlichen  Wissenschaft  da,  und  es 
war  nur  naturgewäfs,  wenn  ein  so  hervorragender  jüngerer 
Vertreter  derselben,  wie  BasiHos,  sich  an  Apollinarios,  den 
er,  wie  ich  schon  bemerkte,  höchst  wahrscheinlich  auf  seiner 
Reise   persönlich   kennen   lernte,   um  Rat   und   Auskunft  in 


1)  Von  phüoBophiscb  bervorragendeii  ChriBten  wird  aileiu  Apolli- 
narios Ton  NomesioB  in  seinem  Werke  Ilipi  ifCaimg  üvägünou 
dreim&l  angcfüLrt  uad  berücksichtigt,  OrigCDCS  DUr  zneimal, 
EnnomioR  eiomal,  von  allen  anderen  sonst  gefeierten  zeitgenöaai' 
sehen  Lehrern  der  Kirche  niemand,  leb  denke,  diese  Zahlen  reden 
auch  eine  Sprache,  und  zwar  eine  solche,  die  mit  des  arianischea 
Oeschichtschreibers  Urteü  vortrefilich  KUaammenstimmt. 


108  DRASEKEy 

Fragen  wandte,  wegen  deren  BchriftgemäTser  B^ründung 
der  angehende  Schriftforscher  noch  in  Verlegenheit  war, 
ohne  dafs  darum  zwischen  beiden  Männern  von  einem  Ver- 
hältnis des  Schülers  zum  Lehrer  die  Rede  zu  sein  braucht, 
was  ja  auch  von  Basilios  im  244.  Briefe  ausdrücklich  in 
Abrede  gestellt  wird. 

Bis  hierher  sehen  wir  die  in  dem  des  Basilios  Namen 
tragenden  Briefe  berührten  geschichtlichen  Verhältnisse  und 
Voraussetzimgen  auf  das  beste  mit  den  uns  sonst  bekannten 
Thatsachen  aus  dem  Leben  des  Basilios  im  Einklang.  Das- 
selbe ist  aber  auch  inbezug  auf  den  weiteren  Inhalt 
des  Briefes  der  Fall. 

Basilios  hatte  auf  seiner  Reise  durch  Syrien,  Palästina 
und  Ägypten  im  Jahre  360  überall  die  verschiedenen  Mönchs- 
gesellschaften besucht  und  sich  an  dem  Vorbilde  jener  ein 
so  entsagungsvolles  Leben  fuhrenden  Männer  gestärkt  und 
zur  Nachfolge  begeistern  lassen,  nur  eine  Erscheinung,  die 
ihm  allerorten  entgegentrat,  trübte  ihm  diese  Zeit  der  Be- 
geisterung för  die,  wie  er  mit  vielen  seiner  Zeitgenossen 
meinte,  höchsten  Ziele  der  christlichen  Sittlichkeit:  es  waren 
die  unseligen  Zerwürfnisse  und  Spaltungen  inner- 
halb der  Kirche,  von  denen  der  Osten  besonders  in 
jenen  Jahren  wiederhallte.  Ja  heimgekehrt  hatte  er  in  seiner 
eigenen  Vaterstadt  Cäsarea  an  dem  Beispiel  des  Bischofs 
Dianios  nicht  minder  wie  an  dem  Geschick  des  Bischofs 
von  Nazianz,  Gregorios,  des  Vaters  seines  vertrautesten 
Freundes,  in  welches  dieser  selbst  vermittelnd  und  versöhnend 
einzugreifen  höchst  wahrscheinlich  gerade  zu  oder  unmittel- 
bar nach  der  Zeit  seines  Aufenthaltes  bei  Basilios  in  Pontus 
berufen  war,  die  unheilvolle  Wirkung  der  damaligen  Glau- 
benszänkereien persönlich  kennen  gelernt.  Es  handelt  sich 
hier  besonders  um  die  Bestimmungen  der  von  Kon- 
stantius  im  Jahre  359  nach  Ariminum  für  die 
abendländischen  Bischöfe,  und  nach  Seleucia  in 
Isaurien  für  die  morgenländischen  Bischöfe  aus- 
geschriebenen Kirchenversammlungen,  deren  Ver- 
handlungen und  WechselfiQle  zu  erzählen  natürlich  nicht 
meine  Absicht   ist     Es   soll  hier  nur  das  Wichtigste  und 


BRIEFWECHSEL  DES  BASILIOS  MIT  APOLLINAHIOS.         109 

zum  VeratändniB  unseres  Briefes  Motwesdigstc  bervorgelioben 
werden. 

Gegen  des  Kaisers  Willen  hatten  die  in  Ariminum  ver- 
sammelten Bischöfe  das  nicänische  Glaubensbekenntnis  voll 
und  ganz  bealäligt,  insbesondere  hatten  sie,  unter  Abwei- 
sung und  Verurteilung  der  arianischen  Meinungen  im  all- 
gemeinen, wie  im  besonderen  der  Haupt  Verteidiger  derselben, 
den  Gebrauch  des  viel  umstrittenen  Wortes  „Wesen  "  (ola!a) 
gebilligt,  hatten  aich  dann  aber  unter  den  Willen  des  von 
den  Arianern  geleiteten  Kaisers  gebeugt,  als  dieser  auf  einer 
Jdeineren  zu  Nike  in  Tliracien  abgehaltenen  Versammlung 
der  von  deu  verurteilten  Arianern  vorgelegten  Glaubens- 
fonnel  die  kaiserliche  Bestätigung  erteilte.  Die  Hauptsätze, 
auf  welche  es  da  ankommt,  sind  die  gegen  das  Nicänum 
gerichteten,  von  den  arianischen  Führern  Ursacius  und 
Valens  in  einer  schon  zu  Ariminum  veröffentlichten  Glau- 
benserklärung also  gefafsten  (öocr.  II,  37,  S.  133):  „Ea 
erschien  (aber)  angemessen,  die  Bezeichnung  Wesen  (oiaia), 
wegen  des  einfacheren  Gebrauchs  derselben  seitens  der 
Väter  und  weil  sie,  als  dem  gewöhnlichen  Volke  unbekannt 
Änlafs  zu  Ärgernis  giebt  und  eich  in  den  heiligen  Schriften 
niclit  findet,  zu  beseitigen  und  des  Ausdrucks  Wesen  (odai'a), 
wenn  von  Gott  die  Rede  ist,  in  Zukunft  überhaupt  gar 
keine  Erwähnung  zu  thuu,  weil  die  heiligen  Schriften  nir- 
gends des  Wesens  des  Vaters  und  des  Sohnes  erwähnen: 
für  ähnlich  (Sftoiov)  aber  erklären  wir  den  Sohn  dem  Vater 
in  allen  Beziehungen  (xairä  !cäyza),  wie  auch  die  heihgen 
Schriften  aussagen  und  lehren".  —  Bezeichnend  für  die 
Schwankungen  innerhalb  der  nicänischen  Partei  sind  auch 
die  Vorgänge  auf  der  im  September  359  zu  Soleucia  in 
laaurien  eröffneten  Kirchcnversammdung.  Auch  hier  stan- 
den sich  Arianer  und  Nicäner  schrofl"  gegenüber,  an  der 
Spitze  jener  Äkakios,  an  der  Spitze  dieser  Bischof 
Georgios  von  Laodicea  in  Syrien.  Während  Akakios, 
ebenso  wie  Ursacius   und  Valens,   in   seiner   Glaubenserklä- 

Lrung  aussagte  (Öocr.  U,  40,  S.  149):  „Da  (aber)  die  Aus- 
drücke dftoovaiov  und  öfioioi'viov  in  den  vergangenen  Zeiten 
viele  verwirrt  haben  und  noch  jetzt  verwirren,  ...  so  ver- 


110  ÜSAREKS, 


wir  beide  BaMchnimgen  als  der  Schrift  fremde; . . . 
die  Ähnlichkeit  des  ScJines  aber  mit  dem  Vater  (jö  di 
Sfioum  To6  vioB  n^ög  rdr  Ttari^)  bekemien  wir  ausdrück- 
lich^ — :  rtand  die  Gegenpartei  fest  zum  nicanischen  Glau- 
benabdLenntnisy  verwarf  aber  merkwürdigerweise  das  dfjooi^ 
Ci€w.  —  Za  den  Bischöfen ,  welche  der  kaiserlichen  Gewalt 
gewichen  waren,  d.  h.  das  m  Nike  fiss^gestellte  arianische 
B^enntnis,  wdches  dann  auch  von  den  in  Ariminom  ver- 
sammelten nicinisdi  gesinnten  Vitem  erzwungen  war,  unter- 
schrieben hatten,  gehörten  auch  Dianios,  der  Bischof  von 
Cisarea,  ein  ehrwürdiger  Mann  voll  priesterlicher  Würde, 
SU  welchem  BasiUos  schon  von  Kindheit  an  mit  Liebe 
empoi^blickt  hatte,  und  der  alte  Bischof  Oregorios  von 
Nazianz.  Basilios,  der  um  dieses  Schrittes  willen  alle 
kirchliche  Gemeinschaft  mit  dem  alten  Bischof  abgebrochen 
hatte,  versöhnte  sich  mit  Dianios,  als  er  361  an  das 
Schmerzenslager  des  todkranken  Greises  gerufen  wurde; 
Gregorios  der  Jüngere  mufste  zu  gleicher  Zeit  ftir  seinen 
Vater  eintreten,  um  die  über  den  durch  die  Not  erzwunge- 
nen Schritt  desselben  auf  das  äulserste  erbitterten  Mönche 
zu  beruhigen  und  den  dadurch  gestörten  Frieden  in  der 
Gemeinde  wieder  herzustellen. 

Das  sind  die  geschichtlichen  Verhältnisse,  auf  die  unser 
Brief  blickt,  aus  denen  heraus  er  geschrieben  worden  ist 
Auf  nichts  anderes,  meine  ich,  ab  die  Umtriebe  und 
Erfolge  der  Arianer  beziehen  sich  die  Worte  des 
Briefes:  ol  ndvra  (p^QOvrsg  yuxl  I6ya}v  xat  Cijnjfccrrcciy  zijv 
oixovfiivqv  ifiuXi^ccyTeg  zd  Tfjg  ovaiag  (ivofia,  dfg  dHArgiov 
Td/y  xkeiwv  XoyiufVy  e^ißaXov,  Innerhalb  dieser  Streitigkeiten 
konnte  einem  edlen,  friedliebenden  Geiste  wie  Basilios,  der 
eben  in  die  christliche  Wissenschaft  und  die  sie  bewegen- 
den Fragen  die  ersten  Schritte  that,  wohl  beklommen  wer- 
den. Die  Gegner  verwarfen  auf  Grund  der  Schrift  die 
Hauptbestimmung  des  Nicänums,  wer  hatte  nun  recht?  Er 
selbst,  noch  in  den  Anfangen  der  Schriitforschung  stehend 
und  darum  unikhig,  sich  ein  selbständiges  Urteil  zu  bilden, 
weifs  nichts  Besseres  zu  thun,  als  sich  an  den  grofsen  Lehrer 
Apollinarios  nach  Laodicea  zu  wenden   mit  der  Bitte,   ihm 


SRIEF WECHSEL  DES  BASILIOS  MIT  APOLLWABIOS,         111 

Auakunft  zu  erteilen ,  S/rcog  re  o'i  TtaitQEg  avti^  f'xß^nvto, 
Tuti  —  die  Bchnftgemäfse  Begründung  liegt  ihm  besonders 
am  Hetzen  —  ei  (i^SafnAj  sJgeg  bv  tIj  y^aiff  xelpevoi',  bo- 
dann  aber  wünscht  er  auch  eine  genauere  Aufklärung  be- 
treffs des  öiiooi'-aiov:  riva  r^  Siävoiav  t%Et,  xal  jcö^  ff»- 
lyt^g  XiyoiTQ  ftp  Siv  oiVe  yivog  yuiivov  vTiEQ/Mfievo)'  5'cwpcT- 
zai,  o'i'ie  i'kfxdv  v7T0-/i£i (taov  srgoijVropjfov,  oi'-te  dTfOfJBQta/.tdg 
ToC  nqoTfqov  äg  z6  deöiEqov.  Die  Bitte  ttQ^  ovv  xP^  liyeiv 
öfioo^-atov  TÖv  riär  T'Ji  Ttazgi,  elg  ftride/iiav  ei^otav  T&y 
uqriftiviov  xaxaTziTtrovcag,  ^IXt^üdv  f^filv  Tikaiiktgor  öiag- 
&Q(!iaai  —  begründet  er,  ganz  seiner  auch  sonst  im  Anfang 
hervortretenden,  dem  semiariaiiischen  sich  nähernden  Stand- 
punkte '  entsprechend,  mit  der  Wendung:  ^fieii;  fiiv  yä(j 
irrEthjfpafiey,  Siceg  öv  sivai  zaS  inöiteatv  toE  naz^üg  oüaia 
illj^S^,  ToCio  Eivai  nävuaq  dvayxaiov  xal  tijv  tot  vloß  }.afi- 
ßävea&ai.  üJök  et  (füg  yorjiäv  didiov  ayfyyijfoy  t^v  toS 
nax^bg  ovaiav  ri?  kiyoi,  <f(lig  vor^zitv  äidiov  yewijTdv  /.al 
lipi  roP  juocoyeroög  oäoiav  tgel.  n^hg  de  rijv  roiavvqv 
twotav  doAEi  fioi  ^  TOD  äjca^alläxziog  d^ioiov  fotvtj  fiäk- 
Xo*  fjTSQ  ^  ToB  öfioovaiov  ä^fiörreiv. 

Alle  bisher  dargelegten  Umstände  sprechen  fiir  die  Ab- 
fassung im  Jahre  361,  und  die  dem  Schreiben  zugrunde 
liegenden  persönlichen  und  allgemein  geschiclitlichen  Be- 
ziehungen sind,  ganz  abweichend  von  der  Art  und  Weise 
bewufster  Fälschungen,  so  deutliche  und  bestimmte  und  mit 
den  liorvorgehobenen  Verhältnissen  so  genau  übereinstim- 
mende, dafs  wir  kein  Bedenken  tragen  dürfen, 
den  Brief  als  ein  echtes  .Schreiben  des  Basilios 
anzuerkennen. 

Mit  der  Feststellung  dieser  Thatsachc  ist  gleichzeitig  zu- 
nächst für  den  in  der  Handschrift  als  Antwort  des 
ApoUinarios  überlieferten  Brief  ein  günstiges  Vorurteil 
geschaffen.     Lassen  wir  zuvörderst  den  Wortlaut  des  Briefes 


1)  In  der  Praefetio  zum  Jt.  Rande  ihrer  Ausgabe  der  Werke  des 
BuiliM  bemühen  sich  die  Benediktiner  redlich,  desselben  volle  Recht- 
gläabigkpit   zu   erweisen   und   grgcii   nlli?   erhobenen   Zweifel   zd   ver< 


112  ÜRASEfCE, 

folgen;    es    mangelt    ihm    eine    förmliche   Aufschrift,    wir 
lesen  nur: 

Baaii£i(^  ^TcolXivaQiog. 

0i]io&t(ag  maxtvug  tuxI  q>iloX6y(og  Crireig,  xal  Trag' 
tjlAChf  %b  TiQÖdvfiw  dq^eikevai  dut  tijv  dyaTcr^Vy  ei  yiai 
TÖ  ixttpor  T^  Idytfi  fir^  %7toixo  did  xe  xö  fjfdixeQOv  ivdetg 
s  Tial  TÖ  Toü  n^ayiAazog  iue^qn^ig.  ovaia  fiia  ovx  aQi- 
&^ip  ia6vo¥  Xiytxaiy  üairtQ  Jityeigy  aal  tö  iv  fn^  jciqi- 
yQCtqffjj  äXlct  %ai  idltog  dvd^^niov  dio  tuxI  äXlov  droimr 
xCiv  xavä  yiyog  eviCofiiyoßv '  woze  tcwtt]  ye  tloi  dio  xai 
nleiovag  tovtöv  ävai  xard  vr^v  ovaiccv,  tux&ö  tuxI  Ttdviic, 

10  Sr&QO^Ttoi  AdafjL  ia^ev,  äg  oweg,  tloI  Jaßid  6  to€  Jaßld 
viog^  dßg  Tccvvdv  luv  ex£it^*  7ia&d  xat  tÖv  vloy  Xiyti^; 
TioXög  ToOro  ärai  xarä  rt/v  ovaiavy  Stibq  6  TtariJQ. 
ovdi  ydq  eve^iog  Sy  f/v  &€dg  6  vldg^  hög  ö^oloyovfitvov 
xal  fiirov  &eoO  toü  TroTQÖg'  äg  tcov  xal   dg  *Addfi,  6 

IS  dy&QW7t(üv  yevdqxnSy  xat  elg  /Jaßiö,  6  ro0  ßaaileiov 
yivovg  ag^ijy^nj^.  vaikf]  yi  toi  xxxl  )h  elvai,  yevoQ 
ineQTLei^cvov  1]  fiiav  i}Xrp^  inoxeifiiyqv  inl  ncciqög  xal 
vioi)  TteQiaiQB&^erai  vdiv  i/tovoiavy  Svav  xrpf  yevaQxi-' 
xijv  TtagaXdßüifiey  WicJnjTa  rfjg  dvarrdzw  d^x^S  ^^l  '^d  Ix 

20  T<öy  yevaQX^  y**^  ^Qog  tö  ix  Tfjg  fnäg  oQx^g  fiovoyeveg 
yiyyqfia.  fievQiog  ydq  xd  Toiadra  elg  öfioiüiaiv  tqx^ci^j 
xjad^  fifjdi  To€  Addfiy  tbg  d^eonXdavov  y  xal  fjfitdVy  c^ 
dy&QüPTtoyeyy^Twv,  Ibv  iniqxuxai  yivogy  dXX'  avrög  dv- 
d^qdTtüJv  dqx^'  fii^e  CAij  xoivf)  avrofj  xe  xal  fj^&Vy  dlX 

2ft  airxi^  ij  ndmav  dvd-QÜTcov  iTiöd-eaig'  fiijre  iat^v  toD 
daßld  xal  Tof)  yivovg  toO  /Jaßlö  TtQoemvoelTai  y  xaO-o 
Jaßidy  eneineq  ij  to€  Jaßld  ididxrig  and  to€  Jaßiö 
eqxsiaiy  xal  fj  htdd^eaig  t(üv  i^  avroC  Ttdvrwv  avrog. 
dXX\    ineidtj    zaCra    dTtoXeiTterai. ,    xad-d    eiaiv    h^eqai 

90  xoivdvrireg  dvd-Qwnajv  dndvxtüv  nqbg  dXktjXovgy  olai  ßv 
ddely)(avy  enl  de  TtazQÖg  xal  viof)  toioVvov  ovx  eaziv, 
dXld  zö  SXov  TtaTijQ  dqx^i  ^ccl  viög  ix  zfjg  a^^g. 
ovxoOv  ovdi  aTtOfieQiCfiög  roO  nqoxiqov  dg  %b  devregov, 
üaireq  iid  awfidfioVy  dXX^  d;ioyewrjaig'  ovdi  ydq  i) 
36    jtatqbg    Idtovijg    xai^d/ceQ  elg   viov   dico^iqiataiy   diX 


UE1EFWECH6EL  DES  BASüJOS  UIT  AFOLLLNAKI08.         113 

-fj  ToB  v'toB  IvL  t!]s  toS  TcaiQÖQ  hi7ci(piipe,  Toücbv  h 
ftCQÖi^ii  'itai  Xteqov  bv  laviöiTjTi  ■  -/.aitd  Xiyeiai.  reaiiga 
ävat  iv  vti^  TLai  vi6v  tv  Ttar^t.  ölte  yäg  ^  IrE^fJTi]; 
änXäig  tpii^^u  tij»  äXi}9eiav  rf/g  wJdrijrog,  oVie  ^  Tav- 
lörrjg  ai  TÖ  ä(.tiQtazov  x^  inoaiäaECüg'  äXX  h^e^ov  40 
a^ftTiloxov  'Aal  ivoEiStg,  Tavtbv  erf^ws  -wii  i'«po>  t&ffaiJ- 
cug'  Xva  Tig  id  ^fj^ata  fi^  tfpLy.voi(iEva  zi]q  äjjltiiaEtug 
E'Kßiäaritai-  ßEßaioZ-vzog  i)füv  joß  xv^iov  jijV  tvvoiav 
xai  iy  zip  ^titova  fiiv  iv  laäcijii  naQtavävai  %6v  71a- 
itgct,  ibv  de  v'tov  iv  inoßäaEi  tÖ  iaoy  t'xoy^a-  bnsQ  4i 
idiäa^tv  iv  öftotidet  {.liv,  itfEi/^ivt^  di  tf-aiii  voeXv  zov 
vi6v,  fti)  vijv  oiai'av  i^alkäviovrag,  äXlä  t6  aviö  iniq- 
ßefiXr^xös  v.al  iv  fifiati  ättiigoüptag.  01  fitv  yä^  lijv 
oiaiav  iv  oiÖEfti^  raviÖTijTi  na^adE^äfievoi,  ti)v  öfioiuaiv 
i^ta^EV  tptQovvEg,  tt7,  v'tu)  ^iqoaiiiHaaiv  8  dfj  lUti  &og  lo 
äv&QÜntwv  diaßaivu  zQv  bfioiovfMtviüv  i(,5  ^cji.  oi  öi 
vipi  SfiOuiMJiv  TOig  Tcoi^fiaat  nqntovaav  u56v£g,  tv  zav- 
TtSrjjn  ftiv  röv  viöv  avvänTovat  TcaxQi'  iqiEiftivJj  di  tf^ 
favcöiJiit '  i'va  fii)  aiiög  6  Tiaz fj^  1/  fj  ftQog  ^caiQÖg, 
&  dvvaiiiig  fta^iatavai  vtp  „iiXXog  uiös".  oVzuig  &E6g,  n 
oix  '^  ixslvog,  äi-i.  dig  ii  iiuivov,  ov  tö  ftgutönirtov, 
^V.  EV/uiv.  oVtojg  ifiooiaiog  i^rjgri^ivtog  naqa  nöyza 
%ai  liiaC6vzmg,  oiy,  thg  rä  öfioyevfj,  oöx  '"b"  ^d  djtoftEQi- 
^6ficva,  diX  (hg  iv.  zoB  ivög  yivovg  /.ai  Etdovg  zf^g  &e6- 
Tijzog  tv  TLoi  fxövov  änoyiyvijua,  ddiatqizi{>  xal  datitfxä-  lo 
Till  Tiqoödi^'  yji&  fjv  fiivov  z6  yerviSv  iv  zjj  äyEvvjzt^ 
iäiöftici  TiQü^Xitev  tig  vijV  yEvvfitfAijv  läwit^ia. 


i.  nXtiova;]  nXiCova  C,  am  Kaode  f.  nlifovai,  ebeuao  B.  — 
3B.  Jok  II,  10.  —  44.  fit(;ori!  fiiv  tv  toÖTi)!!]  fiiliur  fiii-  laöiij- 
r»  C,  f.  fiti;o''a  fjtv  (•>  ia.  am  Raudü,  ebeoso  B.  —  Job.  14,  28.  — 
■  4.  l]  uotireadig,  wohl  wegen  des  fulijeuden  {  von  einem  flücbtigen 
Schreiber  &usgekssen,  fehlt  bei  C.  uud  B.  —  n.  oütttisl  oinot  C.  B.  — 

«1.  d/d^r^f]  ytvvriiKc^  C.  B.  —  al.   it;  trpi  ytimifiuciiir]  C.,  f.  ytivifiip/ 

am  Bande,  tr  r^  yiimtiKrii'  B.  sinnlos,  Bm  Bande  ytwtijrft. 

Wenn  Cotelier  in  übertriebener  Besorgnia,  die  Hecbt- 
gläubigkeit  des  Basilios  zu  retten,  äämtÜt^be  Briefe   für   ua- 


114  DRiSEKE, 

echt  und  zwar  im  besonderen  für  Fälschungen  vonseiten 
der  Apollinaristen  erklärte ,  so  werden  wir  wenigstens  für 
die  des  Apollinarios  Namen  tragenden  Briefe  von  vornherein 
annehmen  dürfen  ^  dafs  sie  das  Gepräge  der  Lehrweise  und 
vielleicht  auch  der  Lehrbesonderheiten  des  Apollinarios  zei- 
gen werden.  Ja  Cotelier  vermeinte  wie  überhaupt  aria- 
nische  Lrlehren,  so  insbesondere  apollinaristische  Ketzereien 
in  den  Briefen  entdeckt  zu  haben.  Wenn  aber  sogar  die 
Benediktiner,  wie  ich  zuvor  schon  bemerkte,  versichern, 
dergleichen  nicht  bemerkt  zu  haben;  so  wird  eine  andere 
Begründung  gesucht  werden  müssen.  Weil  Apollinarios 
nun  einmal  ab  Ketzer  verdammt  wurde,  so  muls  auch  alles, 
was  von  ihm  herrührt,  anrüchig  und  verdächtig  sein.  Co- 
telier hebt  selbst  hervor,  dafs  die  Briefe  von  schwierigen 
Schriflstellen  und  von  der  heiligen  Trinität  handeln,  läTst 
aber  dabei  völlig  die  Thatsache  aus  den  Augen,  dafs  Apolli- 
narios in  der  Lehre  von  der  Dreieinigkeit  durchaus  recht- 
gläubig lehrte,  dafs  er  ein  höchst  verdienstvoller  Bestreiter 
der  Arianer  war  und  neben  Gregorios  von  Nazianz  und 
Basilios  als  ein  tapferer  Verteidiger  des  Nicänums  genannt 
wird.  Es  ist  darum  vergebliche  Mühe,  in  dem  vorUegenden 
Briefe,  welcher  auf  des  Basilios  Frage  nach  der  Bedeutung 
des  Begriffs  ovaia  genau  eingehend,  diesen  sowie  seine  Stel- 
lung in  der  Dreieinigkeit  sorgfältig  erörtert,  apollinaristische 
Ketzereien  zu  suchen,  die  ja  bekanntlich  erst  zutage  traten, 
ab  Apollinarios,  jedenfalls  später  als  361,  es  unternahm, 
die  bisher  auf  dem  Ghrunde  des  Nicänums  gewonnenen  trini- 
tarischen  Ergebnisse  fiir  die  Christologie  zu  verwerten.  Das 
ganze  Schreiben  bewegt  sich  auf  dem  Boden  des 
Nicänums  und  ist  in  jeder  Beziehung  der  Trinitätslehre 
entsprechend,  welche  wir  auch  sonst  ab  die  des  Apollinarios 
kennen.  So  hat  er  sie  im  dritten  Teile  der  erhaltenen 
Karä  fiiqog  niazig  ^  so  in  der  von  mir  aus  der  pseudo- 
justimschen  ^EA^d^eaig  niaTeaig  herausgeschälten  Schrift  ile^t 


1)  Im  Anhange  von  Lagard e*8  Ausgabe  des  Titus  Bostrenus 
contra  Manichaeos.  S.  106,  17—107,  34  und  in  Migne's  PatroL 
Graec.  X,  S.  1109  C— 1112  D. 


BRIEFWECHSEL  DES  BASILIOS  MIT  APOLLINÄBIOS.         115 

T^iädog  *  niedergelegt.  Der  den  Inhalt  des  Briefes  bildende 
Nachweis,  wie  das  eine  Wesen  der  Gottheit  {fti'a  oiaia) 
begrifflich  zu  fasseii  und  mit  dem  Wesen  des  Sohnes  zu 
vermitteln,  oder  wie  das  6{toovoiov  zu  denken,  hat  besonder» 
durch  die  Verwendung  des  Beispiels  Adam's,  des  Anfangs 
und  der  Grundlage  des  Menschengeschlechts  (Z.  23  auidg 
äv^qüiri-wv  (ipZ'?!  2-  ^5  adcdg  Ij  rcävciüv  äv9-qt!)jTtiiv  ino^eaig), 
viel  Ähnlichkeit  nicht  blofs  mit  den  Ausführungen  des 
Gregorios  von  Nazianz ',  sondern  ganz  besonders  mit 
der  völlig  gleichartigen,  ebenfalls  an  das  Beispiel  Adam's 
and  dessen  VerhUltnis  zum  men achlichen  Gesclilecht  ge- 
knüpften Daratellung  in  JleQi  rfjtädog,  S.  373 CD. 

Wenn  der  Schreiber  dem  Baailios  bestätigt:  xai  riy 
widr  iJyctg  xa/tDg  zodro  eivai  Mitä  ztjv  ovaiav ,  Sueq  6 
Tiai^Q.  ov6i  yoQ  izißtag  üv  fjV  &t6g  ö  viög,  hdg  dftoloyov- 
fiivQv  -luzi  jiüfov  &£oü  toC  naTqdg,  so  erinnert  das  an  die 
gegen  die  drei  Personen  {jQta  jcqdatajta)  des  SabellioB  ge- 
richteten Aussprüche  in  des  Apollinarioa  Katä  ftigog 
ffiatig,  besonders  S.  107,  20  £f.:  oijtüi  öfj  vial  i)-EÖv  i'va 
tpafAtv  xijv  TQiäda,  dhh  ovy,  thg  £■<  ovri^taeiog  zi^iGiv  %va 
u6&teg  {liiqog  yäq  ürrav  dvEXig  t6  [ex]  nvl^tactag  iipiazd- 
fieyov),  diX  iÄig,  UneQ  iodv  6  Ttazijg  dßxf''«3s  i«  '*<''■  yevyi)- 
zitUüs,  toCeo  Sit«  zov  v'i6y,  ciAÖi'a  xal  yivm^fta  zod  ^ccczQÖg 
Auch  der  Z.  43ff.  gegebene  Nachweis,  warum  der  Vater 
gröfser  genannt  wird  als  der  Solm,  weil  nämlich  die  letzte 
Ursache  vom  Sein  des  Sohnes  im  Vater  liegt,  ist  sacblicli 
völlig  übereinstimmend  mit  der  des  Nazianzeners '.  Wie 
venig  Cotelier  imstande  war,  Apollinarios  in  diesem  Punkte 
Gerechtigkeit  widerfahren  zu  lassen,  beweist  seine  Bemer- 
kung   zu    der   Erörterung   des   Briefes   Z.  43  tf.    ßEßaiotvtoq 


1)  Zeitschrift  für  Kirche  ngeachichte  VI,  S.  1—45  u.  S.  503—549 ; 
Jahrbücher  für  proteat.  Theol.  X,  S.  32G— 341 ;  Zeitachr.  für  wüsen- 
■chaftl.  Theol.  XXVI,  S.  481-496. 

2)  Orat  XXXI,  15,  S.  365.  Ulimann,  Gregoriua  von  Naiiam, 
8.  239. 

3)  Orat.  XXX,  7,  S.  544,  .  .  .  h  i^i.ov  Sri  tö  ^(ffm  /ifr  tart 
t^(  atilat,  T^  ii  laov  i^f  ifCaiuii-  UUmann,  GtcgoriuB  Toa  Naziani, 
8.  250. 


116  DKASEKEy 

fyiiw  ToC  xt'^'ot-  T^  an^oiap  xai  ey  Tt^ß  iiuCova  fiiv  iv  loo- 
n/ti  naqifftcntai  xdr  natiqa^  xbv  de  vidv  ey  ivtoßdaet  tö  l'aov 
Qforra:  „Dooet  nos  hktoria  et  antiquitaa  ecdesiastica,  Apolli> 
Daran  instar  Protei  yarium  de  trinitate  et  incamatione  di- 
Tenimode  scripsisse;  atqae  aperte  quidem  circa  posterius 
mysterinm  blaspb^naase,  circa  prias  vero  aliqaando  catho- 
Kce  locutnm,  amplectendo  fidem  Nicaenam  roCf  6fioovaioi\ 
ddiexisae  interdnm  ad  Sabellianismnm,  vel  ad  Arianismum, 
et  qaemadmodom  hoc  in  loco  distinxisse  gradus  dignitatum, 
quae  est  xXJfia^  ovx  eig  ovQovby  Syovoa,  dkk*  i^  ovQaroü 
Tuna/ovoOf  at  eleganter  observat  Gr^.  Naz.  orai  51/'  Dafs 
die  Hineinziehnng  der  späteren  christologischen  Lehren  des 
Laodiceners  und  die  Berufung  auf  die  gleichfalls  späteren 
Aulsemngen  des  Nazianzeners,  der  nachweislich  in  seinem 
Übereifer,  die  apoUinaristische  Bew^^g  im  Anfang  der 
achtziger  Jahre  wissenschaftlich  zu  vernichten,  des  Apolli> 
narios  Lehre  milsverstanden  oder  doch  Folgerungen  aus 
ihr  gezogen  hat,  welche  Apollinarios  niemals  anerkennen 
konnte,  hier  durchaus  am  unrechten  Orte  stehen,  bedarf 
hoffentlich  keines  besonderen  Beweises. 

Da  wir  des  Basilios  Brief  an  Apollinarios  als  echt 
haben  anerkennen  müssen,  und  da  die  auf  diesen  Brief 
ausfuhrlich  bezugnehmende  Antwort,  welche  des  Apollinarios 
Namen  trägt,  mit  der  uns  sonst  bekannten  rechtgläubigen 
Trinitätslehre  des  Apollinarios  genau  stimmt,  so  wird 
es  keinem  begründeten  Bedenken  unterliegen 
können,  den  Brief  als  ein  echtes  Schreiben 
des  Apollinarios  anzusehen;  ja  dessen  Wert  wird  für 
uns  dadurch  noch  erhöht,  dafs  es  aus  einer  Zeit  stammt, 
aus  welcher  uns  dogmatische  Aufserungen  des  Laodiceners 
verhältnismäfsig  wenige  erhalten  sind. 

Bei  dem  folgenden  kürzeren  Schreiben  des  Basilios 
können  wir  ims  gleichfalls  kürzer  fassen.     Es  lautet: 

TdjJ   deaTcÖTTj    fiov    t<>5   aldeai^iordzi^   ddeXcpt^  ^AnoXXivaqiii} 

Baaikeiog. 

/^irifiaQvoftev  %(üv   7tQoq)dae(ov ,  dt    lov  ivffi^   Ttgoaei- 
Tteiv  aov  tfjv  evkdßeiav,   TLahoi  ye  ijdiwg  Uv  inl  Tolg 


BRIEFWECHSEL  DES  BASILIOS  MIT  APOLUNARIOS.  117 

yffäfifiaaiv    fTuivoig    i/iiatEiXavreg.      as    yäf   iv  onamj  b 
xartx^tv  x^v  ^ovijv  in    inEtvotg   ija^T^ftev-     on<ag   yaß 
^füv  tdo^ag  olog  ntjwva&at  (xQv  t^firjvEvdvrtuv  di  axiai 
äüaovaiv)  oVicag  in:     mnpaXoCg    1^5    diavoiag   Tijv    t'^ij- 
jTjöiv  Syiov.     Aal   vDv   ö^    nXiov    6   t'^tüg    tfjg    yviiiaEtog 
z<öv  äettaf  loyiinf  ämtxai  %^g    V'Z^S    ^f"-     nqoßaXäv  10 
(tiv  ohi  aoi  rüiv   ä/ioQOVfiivojv  rivä   ÜTioxyO,  fiij   d6iiit 
Tiiqa  ToC  fiizqov  ififfio^eiaifai   zTjg   jcaQQtjoiag'   atianSv 
di  rräUv  ov  •/.aqiE^Gt,  ääivcov  /uii  ext  nqoaXaßEiv  t(pii- 
ftEvog.     Sqiaxov  oJ>v  fioi  xareyßMj   Ttv&ia&ai   aov,  fcd- 
te^v  iffiiig  fj^^y,  tl  ifavfiäaie,  fQioiär  xi  xQv   dnoQOu-  is 
fiivtiiv,  ^  xp^  *^'}''  ^"Z'ß*  äyeiv.     ÖTCÖxtqov  d'  Sy    äno- 
x^i>7;,  xoirro  qtvlä^ofta'  xofj  loinoE.     tQ^tufityov   xe   -/.ai 
^u^ftQV  xai  iitE^ev%6fievov  typt^iiv  at  ätairavidg. 


7,  Homer.  Odfss.  x,  495. 

Der  Brief  iat  ein  überaus  verbindlicher  und  den  Apolli- 
narioB  ehrender.  Offenbar  weil  der  Inhalt  am  wenigsten 
bedeutsam  und  von  irgendwelchen  Glaubenslehren  völlig  frei 
ist,  dürfte  Cotelier  auf  den  Gedanken  gekümmeu  sein,  in 
ihm  elwa  dasjenige  Schreiben  zu  sehen,  von  welchem  Ba- 
ülios  in  der  zuvor  ausgeliobeneu  ätelle  des  22i.  Briefea 
mitteilt,  es  sei  von  seinen  Gegnern  gefälscht  worden.  „An 
haec  epistola"  —  sagt  er  —  „sit  iUa  Basilii  interpolata,  de 
qua  superiue,  iuxta  cum  ignarissimis  scio".  Gewifs,  mög- 
lich ist  es,  dafs  gerade  dieser  Brief  Gegnern  in  die  Hände 
fiel  und  von  ihnen  gemifsbraucht  wurde,  aber  weiter  läfst 
eich  auch  nichts  darüber  aussagen.  Zweierlei  nur  bleibt 
wunderbar,  einmal,  warum,  wenn  es  doch  einmal  auf  Ver- 
leumdung und  Verdächtigung  des  Basilioa  abgesehen  war, 
die  Gegner  sich  gerade  dieses  unbedeutenden  Schrei bena 
Bellten  bemächtigt  haben  imd  nicht  triEchweg  das  ihrem 
Zwecke  Entsprechende  selbst  erfanden;  sodann,  wie  über- 
haupt, bei  Cotelior's  Annahme  der  Unechtheit  des  Briefes, 
Arianer  oder  Apollinaristen  auf  den  Gedanken  gekommen 
Bein  sollen,  einen  derartigen  Brief  dem  Basilios  unterzuschie- 
ben,  in   welchem  doch   von  Lehren  und   theologischen  An- 


118  DRJLSEKEy 

lichten  gar  nicht;  sondern  nur  von  freundflchafllichen  Be- 
ziehongen  zu  Apollinarios  die  Rede  ist,  welche  ja  Basilios 
an  mehreren  Stellen  seiner  Briefe  unumwunden  zugiebi 

Weit  wichtiger  und  bedeutender  und,  was  für  diese 
kleine  Briefsammlung  wertvoll  erscheint,  zeitlich  bestimmbar 
ist  das  Schreiben  des  Apollinarios,  welches  die  Ant- 
wort auf  des  Basilios  Brief  bildet    Es  lautet: 

vaqioq  iv  xv((i(f  xaiquv. 

Jlo0  iih  Ijfirp^  ctirögy  dianoxa^  noC  de  ^  ^cod-eivo- 
Tcfn}  füfvij  xat  yQdfifia  zd  aiiyti&eg;  ri  de  ov  naQwv 
6  dfiiveig,  ^  xal  dndnß  naQOxeXehiy  nolifAOv  Toaovrov 
xord  Tfjg  evaeßeiag  iQQwyörogy  xal  ^fiöv  olov  ev  fiiajj  t^ 
TtaQari^ei  ßoiavTOiv  nqbg  xobg  eraiQOvg  did  xipf  hc  t&v 
Ttolsfiiiav  ßiav.  ai  di  oid  Sjtcjg  Sy  tijn^oijUfy,  ^Ofie»* 
iTtü   fifidi   oi  Tvyxdveig    dioxqißwv  eögioTiOfiev,      aiX* 

.0  iCi^rriaa  fiiv  iv  ty  KaTCTtaöoyUüVy  iTtel  aal  oErtjg  ^- 
yeXkov  Ol  iv  n6w(fi  ooi  TteQirvxivTeg^  ejcriyyii^ai  at 
d^xrov  STtcnnj^eiV  oi%  cSqov  di  ev&a  ijkrcitoy.  WV  di 
Irt  ae  xard  Tr)v  aivijv  ötdyovra  xdiqav  SrMiiaag^  ev^vg 
ry  fifiwrg  %ai  xb  yqdfji^ia  ivBXBiqriaa.     SneQ   de^d^eyog 

15  /i^  Tuxt  Tof)  dvriyQaipeiv  dTtöaxg,  (hg  Yxxi  xoAtov  awa- 
Ttodri^ofhrvog.  iad-i  öiy  (hg  iv  t(i)  fieza^i  yiyovey  im- 
(jyuiTtüfv  iTttöfjfjiia  xQv  du  Aly^rcrov  tuxI  yga^ifiara 
diedddri  aijf^qxava  nalaiöig  yodfjfiaaiVy  rdig  rt  d^eioig 
aitdig  tuxI  Toig  %a&*  ö^oqxaviav  rdv  ^eiuv  iv  Nixai(f 

10  yQa(p€'iaiv.  dvay%aXa  öi  ijv  ^  f^er*  i^riyfjtJ&ag  tGv  ovrOv 
i7cavdXfi4ng  öid  rfjv  ovx  V?  ^^^  :uifiiv(ov  naq^ifffti" 
aiv,  fjv  elafjyov  ol  ndhxL  /uey  HvxiY^vg  dvriXeyovvegy  vCv 
di  Ti)v  dvtdoyiav  i^riyifjümg  oyfit^(xxi  fisd^odeiaccvTeg' 
^v&a  ijv  ij  To€  dfioovoiov  xaxoü^yog  dvaiqeaigy   (bg  ovk 

25  dfBilovTog  voeia»ai  xar'  oidtfiiav  ÜQvrjaiv  ^JElAijwxjJy 
dvTBiaayuiyi)  öi  rof}  df^oovalov  rd  Sfioiov  ymt  ovaiccv, 
bntq  iTtarqdeii&ri  yvdaio}g  dvofiaa&iv  xat  xaxoij^iog 
vofl&iv  inuSfi  ij  öfioidtrig  töv  iv  ovai(f  i(niv,  ov  rOy 
oiaKodav*  Xva  d^  olTWg  (hfiOKOfiivri  ovaia  vofjtai,  olog 
90    Sy  eifi  xat   dvögidg    nQÖg   ßaaiUa.     nqbg   äntq    oirc- 


«a 


BRIEFWECHSEL  DES  BASEUOS  HIT  APOLUNARIOS.         : 

ygäfT]  tb  iiTzd  Tßf  eiaeßßy  ei66z<i>v  xai  ßovXofiivfav, 
Srt  a£x  llfOioy  *«(»,  äXlä  i^e^v  (Jijiot  xd  Sftoovaioy,  wg 
fiy  yiwrifia  yv^atov  xal  ztjg  cnktjg  oiaiag  Ttfi  yeyeyyij- 
x6ti.  awEioJ^yeio  Si  xat  td  negi  nvei^azos,  c&g  hjt6 
Tßy  fiaziQfüv  ly  ty  avrfj  niaru  rfj)  9e^  xai  r^"»  v'u^  j 
yi£ififvov,  Sil  tativ  iv  ifj  avzfi  tfeönjii.  zf/v  oh'  zf)g 
tvatßeiaq  zavzrig  ttqtaßeiav,  ziva  elxög  ^  oVziag  ftETEi- 
yat,  (5g  tdv  a7zovdai6zazov ,  ä^ta  ti^t  äeoTiÖTi]  ftov  r^ij- 
yofiili,  dg  o6d  avzdg  ovdaftdd^ey  y^aq>ei,  aide  oij/^a/vei 
xa&äna^  oi-div.    i'^tffao  Siaicoza  7io9Eiv6tati. 


f.    Ttn^BxtUvH   oder    auch    na^mNitüg]    na^aialtÜHs    C    fi.   - 
ijj  notwendig,  fehlt  bei  C.  B.  —  b-  /xijii]  ^ij  di  C.  B. 


Die  Eingangszeilen  zeigen  uns  ApollinarioB  von  der 
liebenswürdigtsten  Seite,  er  lehnt  des  Basilios  AuBzeichnungen 
fein  ab,  iodeni  er  es  ausspricht,  wie  lebhaft  er  den  gewohn- 
ten freundschaftlichen  Ton  vermisae.  Sodann  erfahren  wir, 
dara  er  Basilios  vergeblich  in  Kappadocien  gesucht,  trotzdem 
Leute,  die  ihn  in  Pontus  getroffen,  ihm  den  kappadocischen 
Aufenthalt  desselben  mit  des  Basilios  Zusage  baldiger  Rück- 
kehr  mitgeteilt;  Apollinarios  hat  darum,  auf  die  weitere 
Kunde,  dafs  Basilios  noch  in  Kappadoclen  weile,  seinea 
Brief  eben  dahin  gerichtet  und  bittet  Basihos,  dem  Über- 
bringer ja  doch  sofort  Antwort  mitzugehen.  Der  hier 
g^emeinte  Zeitpunkt  ist  so  deutlich  wie  nur  mög- 
lich bezeichnet  Es  ist  das  Jahr  362.  In  diesem 
Jahre  starb  nämlich  Bischof  Dianios  von  Cäsarea.  Als 
derselbe  todkrank  lag,  verliefs  Basilios  zum  erstenmal  seine 
pontische  Einsamkeit,  um  sich,  wie  ich  schon  erwähnte,  mit 
dem  verehrten  Manne,  der  leider  auch  zur  Unterschreihung 
des  Qlaubensbekenntnissea  von  Ariminum  gezwungen  war, 
Tor  seinem  Ende  auszusöhnen.  Basilios  benutzte  darauf  die 
Gelegenheit,  da  er  doch  einmal  „Flüchtling"  aus  seinem 
Kloster  geworden,  seinem  bereits  Ende  des  Jahres  361  wie- 
der nach  Nazianz  zurückgekehrten  Freunde  Gregorios  einen 
Besuch  zu  machen.  In  dieser  Zieit  der  Abwesenheit  von 
Cttaarea  traf  jedenfalls  des  Apollinarios   Bote   dort  ein,   er 


180  DRA8EKE 


•> 


mnlkte  nnverrichteter  Sache  znrückkehreD.  Als  darauf  Apolli> 
Darios  erfuhr,  Basilios  weile  noch  in  Elappadocien,  d.  h.  znr 
Zeit  etwa  in  Nasianz,  so  sandte  er  seinen  Boten  dorthiD. 
Für  diesen  Zusammenhang  der  Ereignisse  und  Nachrichten 
scheint  mir  die  Thatsache  zu  sprechen,  dafs  Apollinarios  am 
Schlüsse  ausdrücklich  des  Or^orios  erwähnt  und  sich  über 
seine  Saumseligkeit  im  Brie&chreiben  beklagt  Konnte  das 
wirkungsvoller  geschehen  als  so,  dafs  diese  Klage  in  einem 
Briefe  laut  ward,  den  Basilios  in  des  Or^orios  Hause  em- 
p&ngen  und  lesen  und  dem  Freunde  mitteilen  mufste? 
Und  —  frage  ich  gleich  weiter  —  konnte  ein  Fälscher  auf 
so  eigenartige  persönliche  Beziehungen  geraten,  die  merk- 
würdigerweise mit  den  uns  bekannten  Verhältnissen  auf 
das  trefflichste  zusammenstimmen? 

Für  die  Abfassung  des  Briefes  im  Jahre  362 
spricht  nun  aber  auch  der  folgende  Inhalt  des- 
selben. Apollinarios  klagt  über  den  Kampf,  der  gegen 
die  Frömmigkeit  sich  erhoben,  er  selbst  stehe  inmitten  der 
Schlachtordnung  und  rufe  die  Freunde  zum  Beistande  wider 
die  Gewalt  der  Feinde  auf.  Offenbar  beziehen  sich  diese 
Aufserungen  auf  die  ersten  feindseligen  Mafsregeln 
des  Kaisers  Julianus,  welche  die  Wiederherstellung 
des  Hellenismus  zum  Zwecke  hatten  und  die  gesamte 
Christenheit  schwer  trafen  '.     Genaueres  entnehmen  wir  dem 


1)  Apollinarios  ist  derjenige,  welcher  in  demselben  Jahre  dem 
bekannten,  feindseligen  Gesetze  des  Kaisers  vom  17.  Jan!  362  seine 
von  Sozomenos  (V,  18)  mit  Recht  gerühmte  Schrift  *YntQ  aiiy- 
i^(£ttg  entgegensetzte,  von  welcher  ich  in  dieser  Zeitschrift,  Bd.  VII, 
S.  257—302,  bewiesen  zu  haben  glaube,  dafs  sie  uns  in  der  falsch- 
lich dem  Märtyrer  Justinus  beigelegten  Schrift  ^öyog  naQai- 
viTtxog  7iQÖg''FAXTiv(tg  noch  vorliegt.  In  dieser  Arbeit  habe  ich 
S.  260  aus  Hilgenfeld's  Besprechung  der  von  Harnack  in  seiner 
Abhandlung  „Die  Überlieferung  der  griechischen  Apologeten  des 
zweiten  Jahrhunderts  in  der  alten  Kirche  und  im  Mittelalter"  (Texte 
und  Untersuchungen  I,  Heft  1)  niedergelegten  Ansichten  (Zeitschr. 
f.  wissensch.  Theol.  XXVI,  S.  33)  den  Schlufs  gezogen,  dafs  Hi  Igen- 
feld  den  .Hoyog  naQatvfTtxdg  nQÖg  "nXkrjvag  noch  für  eine  echte 
Schrift  des  Märtyrers  Justinus  halte.  Wie  ich  aus  Hilgenfeld^s 
Verwahrung  gegen  diese  Schlufsfolgerung  (Zeitschrift  für  wissensch. 


BRIEFWECHSEL  DES  BASILIOS  MIT  APOLUNABIOS.  Hl 

folgenden  Berichte  des  ApoUinarioe  über  die  aue 
Ägypten  zurückgekehrten  BiBcböfe  und  Möncha 
Oemeint  können  nur  diejenigen  syrischen  Bischöfe  und 
Mönche  sein,  unter  letzteren  einige  Abgesandte  und  Ver- 
treter des  ApollinarioB,  welche  im  Jahre  362  an  der  bald 
nach  seiner  Rückkehr  von  Athanaaios  in  Alexandria 
abgehaltenen  Kirchenversaramlung  teilgenommen  hatten. 
Das  Schreiben,  welches  sie  mitbrachten  und  in  Umlauf 
setzten,  aifttf'tora  ziaXaiotg  -/QÜ/jfiaaiv,  zotg  te  detoig  avroXg 
xai  xoig  xa!^  öfKxffui'iav  ztlir  O^eluir  iv  NtAattf  yqatfüaiv, 
kann  nur  das  äy nodalschreiben  des  Athanasioa 
sein.  In  demselben  wird  selbstverständlich  das  dfiooi'-aiov 
des  Nicänums  festgehalten,  und  die  Verhandlungen,  deren 
Ergebnisse  darin  niedergelegt  sind,  zeigen  deutlich,  wie 
sehr  es  dem  alternden  Atlianasios,  der  sein  Leben  lang 
ftir  den  äieg  des  öfioovaiov  gekämpft,  nur  um  dies  wesent- 
lichste Stück  des  Glaubens  zu  thun  war  und  ,,wie  wenig 
er  auf  die  näheren  dogmatischen  Begriffsbestimmungen  gab, 
in  denen  er  nur  unnützen  Wortkram  und  Ursache  zu  neuen 
Scheidungen  erkannte"  '.  Wie  notwendig  dies  Festhalten 
am  Nicänum  war,  lehren  uns  in  vortrefflicher  Weise  die 
vorliegenden  briefheben  Äufscrungen  des  Apollinarioa.  [/tvay- 
■xaia  ds  —  sagt  er  —  fjV  ^  fin  fSijy^^auig  tQv  ctvxQv 
(d.  h.  der  nicänischen  Glaubensaätze)  ircavälriipig  diä  t^ 
ovx  iytfj  T(Dv  Miftivmy  nageSi'jyrjaiy ,  ijv  Eiafffov  o'i  ntihxi 
fifv  ävtiAQvg  ävTiXiyovvsg ,  vCv  öi  t^  dviiXoyian  *fj;/ijff£wg 
oX'/^ott  fn!}o6£i-aarzet;.  Bestätigt  werden  diese  Worte  durch 
die  Mitteilungen  des  Athanasios  in  seinem  Synodal scb reiben ; 
dort  sehen  wir,  wie  eifrig  er  darauf  bedacht  war,  die  Geg- 
ner mit  ihrem  oft  so  weit  abweichenden  Standpunkte  für 
seine  Auffassung   zu    gewinnen,   und   wir   lesen   es   in   und 


Theol.  XXVIII,  S.  256)  ersehe,  ist  mir  da  in  der  Hitze  des  GefechU 
ein  bedaucrlicliea  Mifs verstund nis  untcrgdaufcn,  äaa  hiermit  susdriick- 
lich  zurückzunehmen  ich  nach  noclimaliger  PrüfuDg  des  Zusaminen- 
banges  kein  Bedenken  trage. 

1)  Böhriuger,  Atbanasius  und  Ariua  (Stuttgart,  He:rer&Ze11er'i 
LVttlag,  1ST4),  S.  5&8. 


122  DRÜJSEKE, 

EwiBchen  den  Zeilen,  welche  fast  gewaltsamen  Aualegangs- 
kttnste  angewandt  werden  mnlsten,  um  das  ersehnte  Ziel 
allgemeiner  Veremigong  zu  erreichen.  Welcher  Art  die 
Oegner  waren,  ist  aus  Athanasios  und  teilweise  auch  aus 
ApoUinarios  deutlich  zu  erkennen,  es  waren  zum  Teil  die- 
selben,  deren  verwirrende  Lehren  Basilios  ein  Jahr  zuTor 
veranlalst  hatten,  ApoUinarios  um  Auskunft  zu  bitten,  welche 
—  wie  ApoUinarios  Z.  24  ff.  sagt  —  das  öfiootSaiav  ver- 
warfen und  das  Sfioiov  xar'  oiaiccv  einführten.  Wo  sich's 
um  die  nicänische  Lehre  von  der  Gleichwesenheit  des  Va- 
ters und  des  Sohnes  handelte,  durfte  auch  die  vom  heiligen 
Gteiste  nicht  fehlen,  welche,  wie  Sokrates  (IQ,  7)  aus- 
drücklich berichtet,  zu  Alexandria  verhandelt  wurde:  ey&a 
xai  TÖ  Syiov  Tcveß^a  -S-eoXojn^artegy  sagt  er  von  den  ver- 
sammelten Bischöfen,  ry  öfÄOOvaitfi  TQiddi  owaveXafÄßavovro, 
Mehr  besagt  auch  des  ApoUinarios  Bericht  nicht  am  Schlüsse 
des  Briefes:  ovyeiai^yeTO  de  tuxI  tö  neqi  nv&iiAorogj  co^  inb 
%&v  TrariQtav  ev  r^  aiv^  Ttiarei  z(p  d-efp  tuxI  %i^  v\(^  yuu- 
fiivov,  fki  eOTiv  iv  rj  avtj}  d-eAftivi.  Wie  Cotelier  dazu 
kommen  konnte,  mit  Bezug  auf  diese  SteUe  aus  dem  82. 
(Ben.  244.)  Briefe  des  Basilios  die  Worte  anzuführen:  ov 
fifjv  ntgi  TOÜ  Ttvei^arog  troff  äyiov  Vj  alzi^jcag  avrbv  (d.  h. 
den  ApoUinarios)  olda  ßißllov  ?^  d/coaraXiv  ifvode^dfievog  — 
ist  mir  durchaus  unerfindlich,  da  von  Übersendung  einer 
Schrift  über  den  heiligen  Geist  in  den  angeführten  Worten 
keine  Rede  ist  und  gar  nicht  sein  kann.  —  Auch  hier 
wiederum  drängt  sich  die  Frage  auf,  wie  in  aUer  Welt  wohl 
Fälscher  darauf  gekommen  sein  soUten,  so  genauen  Bericht 
über  eine  Eorchenversammlung  zu  erstatten  und  des  ApoUi- 
narios SteUung  zu  einigen  ihrer  wichtigsten  Beschlüsse  so 
richtig  zu  kennzeichnen. 

Ich  hoffe  durch  meine  Darlegungen  den  Beweis  dafür 
erbracht  zu  haben,  dafs  die  fast  ohne  jede  ernstliche  Prü- 
fung der  Briefe  erfolgte  Verurteilung  derselben  durch  C!o- 
teUer  und  die  Benediktiner  in  jeder  Beziehung  ein  wissen- 
schaftliches Unrecht  war.  Es  liegt  nicht  der  geringste 
Grund  vor,  die  Briefe  nicht  für  echt  zu  halten. 
Dieselben  sind  vielmehr  als  wertvoUe  Denkmäler  der  freund- 


BBIEFWECHSBL  DBS  BABIUOS  KT  iLFOLLINASIOS.         138 

scbaftlicben  Gegjnnnng  und  des  Entwickelimgaganges  deat 
Lehre  jener  beiden  hochherrorrsgenden  Z^elirer  der  Kirche^ 
des  BaiitioB  und  des  Apottinarios  von  Laodicea, 
zu  betrachten,  als  Denkmäler,  die  fUr  uhb  um  bo  schätzens- 
werter änd,  als  sie  eine  Lücke  in  tuuerer  Kenatnia  des 
Lebens  beider  Männer  in  vortrefflicher  Weise  aiuMlen,  die 
weniger  htä  Basilios  als  Tielmehr  hä  dem  in  nur  spärlichen 
TrUmmwn  seiner  einst  so  reichen  Bchriftstelleriscfaen  Hinter» 
laasenscbaft  uns  erhaltenen  ApoUinarios  fühlbar  war. 


An^DstiBische  StndieB. 

Von 

Hermann  Keuter. 


V. 

Der  Episkopat  und  die  Kirche.    Der  Episkopat  und  der  rö- 
misohe  Stuhl.    Das  Konzil  und  die  Tradition.  —  Die  In- 

fEdlibiUtat. 

(Zweite  Hälfte.)^ 

15.  Unbeschadet  seiner  Lehre  von  der  Koordination  aller 
katholischen  Bischöfe  erkennt  Augustin  den  Primat  des  rö- 
mischen an.  In  welchem  Sinne?  —  Das  soll  demnächst  (§  18) 
untersucht  werden  ^  nachdem  zuvor  das  geschichtliche  Ver- 
hältnis zu  den  ihm  gleichzeitigen  römischen  Bischöfen  aus- 
gemittelt  sein  wird. 

Am  nächsten  liegt  die  Frage^  ob  er  irgendwelchen  unter 
ihnen  persönlich  kennen  gelernt  habe.  Diese  ist  inbezug 
auf  diejenigen,  welche  vor  dem  Termin  seiner  Rückkehr* 
nach  Nordafrika  (388  ?)  regierten,  mit  höchster  Wahrschein- 
lichkeit zu  verneinen.  Ein  persönlicher  Verkehr  wäre  nur 
möglich  gewesen  seit  der  Ankunft*  in  Rom   (383?)  — 


1)  Vgl.  Erste  Hälfte,  Bd.  Vn,  S.  199. 

2)  Benedict.  Vitae  Augustini,  lib.  III,  cap.  I.  Augustini  Opera 
opera  et  studio  monachorum  ordinis  Benedicti  e  congregatione  St.  Mauii 
(Bassani  MDCCXCVn),  T.  XV,  p.  133.  Till^mont,  Memoire» 
pour  servir  k  Thistoire  ecclesiastique  des  six  premiers  si^cles  (Paris 
MDCCX),  T.  XIII,  p.  122. 

3)  L.  1.  lib.  II,  cap.  I,  T.  XV,  p.  43.  Till^mont,  T.  Xffl, 
p.  46. 


-"- 


1 


REÜTEE,  AUGUSTINISCHE  STUDIEN.    V.  125 

und  doch  auch  nicht.  Obwohl  unser  Autor  schon  vor 
dem  Zeitpunkt  seiner  Abreise  von  Mappalta  an  der  Halt- 
barkeit dea  Manichäiamua  irre  '  geworden ,  war  er  dennoch 
aus  dieser  Sekte  noch  nicht  förmlich  ausgeschieden.  Als  er 
in  Rom  angekommen  war,  nahm  er  sogar  Quartier  bei  einem 
manichäi sehen  Gaatfreundc  '.  ^Vie  hätle  er  also  in  Betracht 
Beiner  damaügen  Stimmung,  seines  Umgangs  auch  nur  auf 
den  Gedanken  kommen  können,  sich  von  dem  Bischof  Damasua 
eine  Audienz  zu  erbitten?  —  Er  kann  ihn  zufällig  gesehen 
haben.  Das  darf  man  nicht  als  eine  Unmöglichkeit  be- 
streiten. Aber  wäre  das  auch  geschehen,  es  müfste  doch 
im  Interesse  unserer  Untersucliung  als  eine  durchaus  gleich- 
gülüge  Thatsachc  gewürdigt  werden.  —  Als  er  nach  dem 
Empfang  der  katholischen  Taufe  in  Mailand  demnächst  von 
hier  abreiste  (387),  um  sieh  nach  Afrika  zu  begeben,  hat 
er  freilich  die  Reise  durch  einen  mehrere  Monate  dauern- 
den Aufenthalt  in  der  römischen  Kapitale  ^  unterbrochen, 
als  junger  Katholik  wohl  das  Bedürfnis  fühlen  können, 
dem  vomchraaten  Bischof  seiner  Kirche,  dem  Siricius  sieh 
vorzustellen;  aber  dafs  es  dazu  wirklich  gekommen,  ist 
durch  nichts  zu  beweisen.  Und  nach  seiner  Wiederankunft 
in  Afrika  hat  er  dieses  Heimatsland  niemals  wieder  ver- 
lassen. Ebenso  wenig  ist  von  irgendwelchen  Reisen  der 
gleichzeitigen  römischen  Bischöfe  dahin  irgendetwas  bekannt. 

Somit  könnte  nur  die  littcrarische  Korrespoudcnz  oder  die 
Vermittelung  durch  Gesandtschaften  ein  näheres  Verhältnis 
zu  den  letzteren  begründet  haben. 

Aber  was  die  schon  erwähnten  Damasus  und  Siricius 
angeht,  so  ist  weder  ein  Brief  Augustins  an  den  einen  oder 
den  anderen  noch  ein  Brief  des  einen  oder  dea  andern  an 
ihn  auf  uns  gekommen.  Höchstwahrscheinlich  sind  der- 
gleichen gar  nicht  geseh rieben  worden. 

Von  Innocenz  I.   hat  Augustin   einmal   —    in    welchem 


1)  Biudemaaa,  Der  heilige  Augustinus,  Bd.  I  (BerUa  1814), 
.  173  f. 

2)  Benedict.  Vit,  Üb.  11,  cap.  I,  §  4. 

3)  L.  1.  Üb.  ir,  cap.  XIV. 


1S6  BXDTKB, 

Jahre?  ist  gmr  nicht  auBxomachen  —  durch  Vennittelaiig 
des  uns  sonst  unbekannten  Staatsbeamten  ^  Cäcilianns  ein 
Privatschreiben  emp&ngen  ',  welchem  er  einen  hohen  Wert 
beilegt  Um  so  bedauerlicher  ist  es,  dals  wir  weder  das 
letstere  besitMu  noch  die  Antwort,  welche  doch  ohne  Zweifel 
unser  Autor  abgetalst  haben  wird,  sondern  nur  einen  Brief 
desselben  an  jenen  Vermittler,  welcher  nichts  enthält,  aas 
dem  wir  irgendwelchen  Schluls  auf  den  Inhalt  des  verloren 
g^angenen  machen  können. 

Das  von  Augustin  mit  unterzeichnete  Schreiben '  der 
Väter  des  EonzUs  zu  Mileve  (416)  und  die  sogenannte  £p. 
fioniliaris  \  deren  Eonzipient  jener  gewesen  sein  dürfte  ^,  an 
den  erwähnten  romischen  Pontifex  sind  freilich  in  kirchen- 
politischer und  dogmengeschichtlicher  Beziehung  (s.  §  20) 
wichtige  Urkunden;  aber  gerade  in  Betracht  der  Motive 
der  Abfassung  um  so  weniger  brauchbare  Denkmale  der 
Kenntnis  eines  etwa  bestehenden  eigentümlich  persönlichen 
Verhältnisses  unseres  Schriftstellers  zu  dem  Adressaten.  — 
Ebenso  wenig  ist  selbstverständlich  ein  solches  aus  den  bei- 
den Antworten  (s.  §  2l)  des  letzteren  zu  erkennen. 

16.  Auch  des  Zosimus  besonderer  Vertrauensmann  ist 
der  Bischof  von  Hippo  Regius  nicht  gewesen.  Allerdings 
wir  erfahren  gelegentlich,  dafs  dieser  einmal  von  jenem 
einen  besonderen  Auftrag«),  die  Weisung  erhalten  hat,  in 


1)  —  (§  2)  talem  et  tantum  vimm  in  peregrinis  positom  caris- 
que  publicis  laborantem  etc.    S.  die  folgende  Anmerkung. 

2)  Augustini  £p.  ad  Caecilianom,  Ep.  CLI,  §  2,  T.  U,  p.  674D. 
Cum  enim  accepissem  mihi  a  Viribus  epistolam  missam  sancti  et 
praecipuis  meritis  venerandi  papae  Innocentii,  quam  per  toam  prae- 
Btantiam  ad  me  datam  certis  declaratur  indiciis  etc. 

3)  Augustini  Ep.  CLXXVI,  Op.  T.  H,  p.  807. 

4)  Ib.  Ep.  CLXXVII,  Op.  T.  H,  p.  809. 

5)  Walch,  Entwurf  einer  vollständigen  Historie  der  Ketzereien, 
Bd.  IV  (Leipzig  1768),  S.  624.  625. 

6)  Aug.  Ep.  CXC  ad  episcopum  Optatum  §1,  Op.T.II,  p.912C. 
Quamvis  tuae  sanctitatis  nullas  ad  me  ipsum  datas  acceperim  literas, 
tamen  quia  illae,  quas  ad  Mauretaniam  Caesariensem  nüsisti,  me  apud 
Caesaream  praesente  venerunt,  quo  nos  injuncta  nobis  a  venera- 
bili  papa  Zosimo  apostolicae  sedis  episcopo  ecclesiastica   necessitas 


AÜGÜSTINISCHE  STUDIEN.    V.  127 

Cäsarea  in  Mauretanien  eine  Angelegenheit  zu  erledigen; 
aber  bedeutender  Art  scheint  sie  nicht  gewesen  zu  sein.  In 
jedem  Falle  ist  diese  Thatsache  nicht  geeignet,  die  Annahme 
einer  intimeren  Beziehung  zu  b^ründen.  —  Wenn  Augustin 
nach  dieses  Papstes  Tode  als  sein  verhältnismäfsiger  Ver- 
teidiger in  der  Weise  auftritt,  wie  §  22  gezeigt  werden  soll, 
wenn  er  in  Ausdrücken  der  Verehrung  von  ihm  redet:  so 
ist  zu  bedenken,  dafs  auch  diese  im  Dienste  der  apologeti- 
schen Tendenz  gewählt  sind  und  darum  nicht  als  Beweise 
einer  persönlichen  Sympathie  verwendet  werden  dürfen.  — 
Wir  vermuten  demnach,  dafs  damals  die  Beziehungen  zu 
St  Peters  Stuhl  nicht  engere  geworden  sind  als  vordem. 

Des  zeitweiligen  Schismas  ^  zwischen  Eulalius  und  Boni- 
facius  I.  gedenkt  unser  Autor  nirgends.  Als  aber  der  letz- 
tere sich  in  dem  Besitze  des  bischöflichen  Amts  befestigt 
hatte:  kam  es  allerdings  zu  Schritten  der  Annäherung.  Den 
ersten  hatte  der  Papst  gethan,  —  wie  sogleich  erörtert 
werden  soU^;  es  folgte  als  zweiter  der  des  Augustin,  in- 
dem er  die  libri  quatuor  contra  duas  epistolas  Pelagianorum 
jenem  zuschickte  und  widmete.  Die  denselben  vorgesetzte 
Widmungsepistel  ^  liest  sich  wie  eine  Huldigungsurkunde. 
Augustin  hatte  bereits  durch  das  weit  sich  verbreitende  Ge- 
rücht, durch  viele  und  glaubwürdige  Berichterstatter  er- 
fahren, in  welchem  Grade  von  Gott  begnadigt  der  gegen- 
wärtige Bischof  von  Rom  sei.  Weitere  Kunde  aber  ist  ihm 
durch  den  Alypius  ^  mitgeteilt ,  welcher  den  vielgepriesenen 


trazerat  etc.    Marii  Mercatoris  Op.  ed.  Garnier,  T.  I,  p.  22,  zweite 
Spalte. 

1)  Langen,  Geschichte  der  römischen  Kirche  bis  zum  Ponti- 
fikate  I^'s  I.  (Bonn  1881),  S.  763—771. 

2)  S.  S.  129. 

3)  Op.  T.  XIII,  p.  511. 

4)  Ib.  contra  duas  epistolas  Pelag.  1. 1,  cap.  I.  Sed  postea  quam 
te  etiam  praesentia  corporali  frater  mens  vidit  Aljpius  acceptusque  a 
te  benignissime  ac  sincerissime ,  mutua  miscuit  dictante  dilectione 
colloquia  tecumque  convivens  et  parvo  licet  tempore,  magno  tibi 
junctus  affectu,  se  simul  et  me  refudit  animo  tuo  teque  mihi 
reportavit  in  suo,  tanto major  in  me  tuae  sanctitatis  est  facta  no- 
titia,  quanto  certior  amicitia.    Neque  enim  dedignaris,  qui  non  alta 


128  REUTEBy 

nicht  nur  mit  eigenen  Augen  geschauet,  sondern  auch  mit 
ihm  hat  persönlich  verkehren  dürfen.  Wiederholentlich  ist 
dieser  von  ihm  empfangen  in  der  kurzen  Zeit  des  Aufent- 
halts in  der  Welthauptstadi  Noch  ganz  hingerissen  von 
der  Macht  des  Eindrucks  dieses  „Zusanmienlebens^'  hat  er 
nach  der  Wiederankunft  in  Hippe  R^us  des  Papstes  Bild 
dem  Verfasser  vor  Augen  gestellt^  so  zu  sagen^  nach  Airika 
mitgebracht  K  Je  umfassender  die  Kenntnis  des  Wertes 
seiner  Person,  desto  fester  ist  „die  Freundschaft"  geworden  *. 
Hält  es  doch  Bonifacius,  ein  Mann  so  hoher  Würde,  nicht 
unter  dieser  Würde,  ein  Freund  der  Niedrigen  zu  sein,  die 
Liebe,  welche  man  ihm  entgegengetragen,  zu  erwidern! 

Man  hat  kein  Recht,  an  der  Aufrichtigkeit  dieses  Be- 
kenntnisses zu  zweifeln,  wohl  aber  daran  sich  zu  erinnern, 
dafs  sehr  bestimmte  kirchlich -dogmatische  Interessen  den 
Verfasser  beschäftigten,  als  er  dasselbe  ablegte. 

Die  Pelagianer  hatten  zwei  ostensibele  Briefe,  den  einen 
(wie  Augustin  vermutet*,  von  Julian  von  Eclanum  ver- 
£Ekfst,  —  dieser  aber  hat   die  Autorschaft  abgelehnt  ^)    nach 


sapis,  quamvis  altior  praesideas,  esse  amicus  homilium  et  amorem 
rependere  repensum.  Quid  est  enim  aliud  amicitia,  quae  non  aliunde 
quam  ex  amore  nomen  accepit  et  nusquam  nisi  in  Christo  fidelis  est, 
in  quo  solo  esse  etiam  sempitema  ac  felix  potest?  —  Unde  et  accepta 
per  eum  fratrem,  per  quem  te  familiarius  didici,  majore  fiducia  ausus 
sum  aliquid  ad  tuam  beatitudinem  scribere  de  his  rebus  etc. 

1)  S.  die  vorige  Anmerkung.  —  Das  BewuCstsein  von  der  Koordina- 
tion der  Bischöfe  spricht  sich  aus  auch  in  dem  Fragm.  ep.  adClassicianum, 
T.  II,  p.  1145 B.  Es  ist  fraglich,  ob  man  um  des  Vergehens  eines 
Familiengliedes  willen  über  die  ganze  Familie  das  Anathema  ver- 
hängen solle.  Aug.  erklärt:  über  diese  Frage  et  in  concilio  nostro 
agere  cupio  et  s i  opus  fuerit,  adSedem  apostolieam  scribere,  ut 
in  his  causis  quid  sequi  dcbeamus,  concordi  omni  um  auctoritate 
constituatur  atque  firmetur. 

2)  S.  S.  127,  Anm.  4. 

3)  contra  duas  epistolas  Pelag.  lib.  I,  cap.  III,  §  3. 

4)  Julian,  ap.  Aug.  Oper,  imperf.  lib.  I,  cap.  XVIU,  Op.  T.  XIV, 
p.  1086.  Facit  quoque  cpistolao  mentionem,  quam  a  me  ait  Ro- 
mam  directam;  scd  per  verba,  quae  posuit,  nequivimus  quo  de 
Bcripto  loqueretur,  agnosoerc.    Nam  ad  Zosimum,  quondam  illius 


AUGUSTINISCHE  STUDIEN.    V.  129 

Rom  gesandt,  um  die  Gesinnungsgenossen  zu  stärken,  bis 
dahin  Andersdenkende  zu  „verfuhren"^,  den  anderen,  von 
Julian  der  eigenen  Aussage  nach  geschrieben  ^,  von  acht- 
zehn Bischöfen  unterzeiclinet,  an  den  Bischof  von  Thessa- 
lonich,  um  denselben  auf  iiire  Seite  zu  ziehen.  Beide  waren 
von  dem  regierenden  römischen  Bischof  unserem  Autor, 
welcher  bis  dahin  mit  denselben  unbekannt  gewesen,  mit- 
geteilt ^.  Und  das  wai*  allerdings  nicht  blofs  ein  Beweis 
des  höchsten  Vertrauens,  sondern  auch  ein  wichtiger  Dienst. 
Denn  unser  Schriftsteller  war  nunmehr  imstande,  die  neuen 
Verleumdungen  und  Verdächtigungen  seiner  Lehre  zu  wider- 
legen, eine  neue  Ejitik  der  pelagianischen  Häresie  zu  liefern. 
Wir  lesen  dieselbe  in  den  genannten  Ubr.  conti*a  duas  episto- 
las  Pelagianorum,  welche  im  Auf  krage  des  dankbaren  Autors 
durch  den  schon  erwähnten  Vermittler  dem  römischen  Kol- 
legen übergeben  wurden  nicht  in  der  Absicht,  ihn  zu  be- 
lehren, sondern  mit  der  ausdrücklichen  Bitte,  den  Inhalt  zu 
prüfen  *,  —  was  der  Verbesserung  bedürfe,  anzumerken.  — 
Dazu  wird  Bonifacius  I.,  vornehmlich  für  ku*chlich-politische 


civitatis  episcopum,  super  bis  quacstionibus  duas  epistolas  destinavi, 
verum  eo  tempore,  quo  adhuc  libros  exorsus  nou  cram. 

1)  contra  duas  epist.  Pelag.  lib.  I,  cap.  I,  §  3.  —  credo  ut  per 
illam,  qnos  posset,  suos  aut  inveniret  aut  faceret.  Op.  imperf.  lib.  I, 
cap.  XVIII.  Haec  epistola  nou  est  ad  Zosimum,  sed  ad  eos  sedu- 
cendos,  qui  Romac  possent  tali  suasione  seduci  etc.  S.  die  Admonitio 
der  Benediktiner,  Op.  T.  XIII,  p.  510.  K lasen,  Die  innere  Ent- 
wickelung  des  Pclagianismus  (^Freiburg  i.  Br.  1882),  S.  71. 

2)  S.  die  von  Ganiier  in  Marii  Mercatoris  Op.  Paris.  1673  in 
Dissert.  I  de  primis  auctoribus  et  defensoribus  baeresis  Pelagianae, 
p.  147  erste  Spalte  excerpierte  Stelle.  —  quod  tarn  uefarium  est  ut 
cum  a  nobis  in  epistola,  quam  ad  Orientera  misimus,  fuisset  objec- 
tum  etc.  Appendix  ad  dissertat.  VI,  388  erste  Spalte.  Den  Text 
des  ganzen  Briefs  bat  Garnier  a.  a.  0.  S.  334.  335.  wiederberzu- 
stellen  versucht,  contm  duas  epistol.  Pelag.  lib.  I,  cap.  I,  §  3;  lib.  II, 
cap.  I,  §  1.    K lasen  a.  a.  0.  S.  72,  Anm.  1. 

3)  contra  duas  epistol.  Pelag.  lib.  I,  cap.  I,  §  3. 

4)  L.  1.  haec  ergo  —  —  ad  tuam  potissimum  dirigere  sancti- 
tatem  non  tarn  discenda  quam  examinanda  et  ubi  forsitan 
aliquid  displicuerit,  emendanda  constitui  etc. 

ZeiUchr.  f.  K.-Q.  YHI,  1.  8.  9 


130  R£UT£B, 

Dinge  interessiert  ^ ,  wohl  nicht  gemeint  haben ,  den  Berul 
zu  haben.  Vielleicht  aber  hat  das  devote  Benehmen  des 
berühmten  dogmatischen  Meisters  in  Numidien ,  die  ge- 
flissentliche  Betonung  der  Autorität  des  apostolischen  Stuliles 
dazu  gedient  den  dermaligen  Inhaber  desselben  in  der  anti- 
pelagianischen  Stellung  zu  befestigen.  — 

17.  Im  September  422  ^  folgte  ihm  Cölestin  I.,  der  letzte 
römische  Papst;  dessen  Zeitgenosse  Augustin  war.  Wir 
wissen ;  dals  er  diese  Wahl  mit  Freuden  begrülste  '.  Der 
neuerkorene  war  ihm  bereits  näher  getreten^  als  er  das  Amt 
eines  Diakonus  der  römischen  Kirche  bekleidete.  Damab 
hatte  er  einen  Brief  an  den  Bischof  von  Hippo  Regius  ge- 
schrieben^  —  wir  erfahren  nicht  in  welchem  Jahre,  welchen 
Inhalts.  Aber  aus  des  Emp&ngers  Antwort  ^  ist  zu  schlie- 
fsen,  dafs  in  jenem  ein  überaus  herzlicher  Ton  angeschlagen 
war;  eben  dieser  hat  dem  Augustin  so  wohl  gethan,  dals  er 
seine  Stimmung  in  einer  schwungvollen  geistreichen  Be- 
trachtung über  die  Herrlichkeit  des  Gbbens  und  des  Nehmens 
innerhalb  des  Freundschaftsverhältnisses  auszuprägen  sich 
gedrungen  fiihlte.  Die  Liebe,  welche  darin  waltet,  vermehrt 
sich  gerade,  indem  sie  giebt.  Das  Geld,  welches  wir  be- 
sitzen, wird  gemindert  durch  die  Bezahlung  unserer  Schuld. 
Die  Liebe  dagegen  nimmt  zu,  indem  wir  anderen ,  denen 
wir  schulden,  zahlen  ^. 

Von  Dingen  dieser  Art  ist  in  der  zweiten  ^  Epistel  nicht 
die  Rede.  Geschrieben  bald  nach  der  Stuhlbesteigung  spricht 
sie  offenbar  in  Erinnerung  an  die  Ereignisse  des  Jahres 
418,  wo  der  Zustand  in  Rom  ein  so  ganz  anderer  gewesen, 
die  Freude  darüber  aus,  dals  dieselbe  friedlich,  ohne  Zwie- 
spalt des  Volks  vollzogen   sei.     Dann  aber  wird  weitläufig 


1)  Laagen,  Geschichte  der  römischea  Kirche  bis  zum  Episkopat 
Leo's  I.  (Bonn  1881),  S.  763.  Vgl.  die  Ezcerpte  aus  den  Briefen  bei 
Jaffe,  Regesta  pontif.  ed.  II,  N.  348—365. 

2)  L.  1.  Ed.  II,  p.  53. 

3)  Ep.  CCIX,  Op.  T.  1011. 

4)  Ep.  CXCII,  1.  1.  925.  926. 

5)  Ib.  §  2. 

6)  S.  Anin.  3. 


AcoüsninscnE  STUDIEN,  v.  1,31 

ein  beätimniter  in  das  Kirchen reclit  einsclilagfindei-  Fall  er- 
örtert, Her,  so  wiolitig  er  in  der  erwähnten  Beziehung  ist, 
doch  der  Natiir  der  Uinge  ii.tL-h  liier  '  uiflit  in  Betracht 
kommen  kaini.  — 

Nur  daran  mag  noch  erinnert  werden,  dal'a  Augnatin 
mit  dem  i-üiniscben  Presbyter  Sixtus,  dessen  Episkopat  er 
nicht  mehr  erlebte,  Itorrcspundiert  Iiat. 

Der  letztere  liattc  an  ihn  und  den  Bischof  Alypins  ein 
weitläufiges  *  Öchi-oiben  geriehtet ,  welches  der  Presbyter 
Ftrmiis  ^  beiden  zu  überbringen  und  den  Inhalt  durch  niilnd- 
ficlie  Bezeugungen  zu  bekrülligcn  *  beauftragt  war,  dabei 
Torau^eaetzt ,  dafs  beide  Adressaten  zur  Zeit  der  Ankunft 
4cs  Boten  in  Numidien  an  einem  und  demselben  Orte  sich 
befinden  würden  Indessen  als  Firmus  in  lüppo  Regina 
Sfdangte,  war  Augustin  daselbst  nicht  anwesend;  nichts- 
destoweniger gab  er  des  Sixtus  Brief  in  des  erateren  Woh- 
nung  ab ,  um  sofort  weiter  zu  reisen  ^.  Augustin  konnte 
daher  denselben  erst  nach  der  Rückkehr  in  seine  Bischofs- 
'Btadt  allein  lesen*.  Und  kaum  war  das  geschehen,  als 
lUich  schon  der  Gedanke  an  die  Antwort  ihn  beschäftigte. 
Sie  mufste,  wie  er  urteilte,  rasch  zu  Papier  gebracht,  nicht 
bis  ziir  Ankunft  des  Alypius  aufgeschoben  werden,  konnte 
also  nur  eine  besondere  werden,  nicht  eine  gemein ac haftliche. 
Er  übergab  sie  dem  mittlerweile  in  Hippo  Regius  wieder 
angekommenen  Sendboten  mit  der  Weisung  zunächst  dem 
Alypius  den  an  diesen  mitadressierteu  Brief  des  römischen 
Presbyters  zu  überbringen,  von  demselben  ebenfalls  ein 
itwortschreiben  entgegenzunehmen,  dann  beide  Schriftstücke 
der  Hand  die  Rückreise  nach  Rom  anzutreten. 
Sixtos,  welcher  nur  einen  Brief  geschrieben  hatte,  er- 
:1t  auf  diese  Weise  zwei '  Antwoi-ton  oder  vieiraehr  drei. 

1)  Vgl.  aber  unteu  §  tii,  S.  V.id  und  Langen  a,  a.  O-  S.  7M. 

2)  8.  8.  13-2,  Anm,  4. 

3)  Ep.  CXCI,  g  I,  Op,  T.  II,  p.  !tä3. 

4)  Ep.  CXCIV,  §  li,  T.  II.  p.  raSA, 

5)  Ep.  CXCI,  §  I,  T.  II,  p.  933D. 

6)  L.  1. 
)  L.  1.    Qnod  Eutcm  (juibos  simul  acripaisli ,  tunc  qod  eraimu 


I 


132  REüTERy 

Denn  Augußtin,  welcher  Gelegenheit  gefunden,  des  von  dem 
römiflchen  Akolythus  Leo  überbrachte  Schreiben  des  Sixtus 
an  den  Bischof  Aurelius  von  Carthago  zu  lesen  *  und  zu 
kopieren  y  aus  diesem ,  wie  aus  dem  an  ihn  und  an  den 
Alypius  gerichteten  Briefe  des  Verfassers  Zustimmung  zu 
seiner  Lehre  von  der  Gnade  erkannt,  hatte  sich  nicht  ent- 
halten können,  in  einem  ersten  kürzeren  Schreiben  ^,  wel- 
ches sein  eigener  Akolythus  Albinus  nach  Rom  tragen 
sollte  ',  seine  hohe  Befriedigung  ^  hinsichtlich  der  konfessio- 
nellen Haltung  des  römischen  Presbyters  auszusprechen. 
Derselbe  wird  als  tapferer  Verteidiger  der  göttlichen  Gnade 
gepriesen,  aber  doch  noch  ein  Weiteres  gewünscht  Die 
am  meisten  charakteristischen  Stellen  des  ganzen  Schriftstücks 
predigen  von  der  Notwendigkeit  der  Einrichtung  der  In- 
quisition^ in  Rom  zum  „Schrecken  aller  Widersacher 
Gottes".  Nicht  blofs  sollen  —  beantragt  er  —  diejenigen 
mit  heilsamer  Strenge  gestraft  werden,  welche  den  dem 
christlichen  Namen  feindseligsten  Lrtum  frei  zu  äufsem  sieb 
erkühnen ;  sondern  es  sind  in  Rücksicht  auf  die  schwächeren 
und  weniger  fähigen  durch  die  Wachsamkeit  der  Hirten 
auch  diejenigen  zu  behüten,  welche  leise  und  schüchtern 
von  diesen  Dingen  reden.  Ja  selbst  jene  sollen  nicht  aufser- 
acht  gelassen  werden,  welche  aus  Furcht  die  bösen  Ge- 
danken nicht  über  die  Lippen  zu  bringen  wagen,  die  sie 
doch  hegen.     Denn  einige,    welche   früher   geredet   haben, 


simul,  ideo  factum  est,  ut  singulorum  singulas,  non  onam  amborum 
opistoiam  sumeres. 

1)  Ep.  CXCI,  §  1,  Op.  T.  n,  p.  924AB;  Ep.  CXCIV,  §  1. 
—  tuae  quoque  literae  ad  Yenerabilem  aenem  Aurelium  consequutae 
sunt,  quae  tametsi  breves  erant  etc. 

2)  Ep.  CXCI. 

3)  Ep.  CXCIV,  §  1.  In  epistola  (CXCI),  quam  per  carissimum 
fratreni  nostrum  Albinum  acolythum  misi,  prolixiorem  me  missurum 
0880  promisi  per Firmum  etc. 

4^  Ep.  CXCI,  gl,  T.  n,  p.  924B  quanta  nos  putas  ista  tua 
prolixiora  scripta  cxsultatione  legisse  etc.  Ep.  CXCIV,  §  1,  T.  II, 
p.  J)32.    Nunc  vcro  apertius  etc. 

ö^  Ep.  CXCI,  §  2,  T.  II,  p.  924CD.  925A.  Vgl.  Ep.  CLXXVÜ, 
M  8.  15. 


ADGUSTINISCnE  STUDIEN 


133    ^^M 


schweigen  jetzt,  nachdem  „diese  Pestilenz"  durch  das  Ur- 
teil des  apoHtolischen  Stuhls  verdammt  iet.  Aber  das  ist 
nicht  genug.  Denn  ob  sie  in  der  That  Bich  bekehrt  haben, 
kann  daraus  nicht  sicher  erfahi'en  werden,  dal's  sie  die  bis- 
herige Häresie  nicht  mehr  mit  dem  Munde  lehren,  „Bundem 
nur  daraus,  dafs  sie  mit  demselben  Eifer,  mit  welchem  sie 
VDi-dem  das  falsche  Dogma  predigten,  nunmelir  positiv  das 
wahre  verkündigen  und  verteidigen.  Tliun  sie  das,  dann 
hat  man  sie  als  „Genesene"  zu  beurteilen.  Aber  selbst 
wenn  das  nicht  der  Fall  ist,  hat  man  sie  dech  milder  zu 
behandeln  als  die  ofFen baren  hüretisclion  Lehrer.  Der 
Schrecken  hatte  ihnen  ja  bereits  die  Zunge  gelähmt  Warum 
soll  man  sie  noch  mehr  schrecken V  Aber  freilich  aufser- 
avht  darf  man  sie  auch  nicht  lassen!  Sic  sind  weiter  zu 
unterrichten,  so  jedoch,  dafs  der  Schrecken  den  Unterricht 
unterstützt.  — 

Der  Verfasser  begnügte  sich  nicht  mit  dieser  Epistel. 
Er  setzte  sich  abermals  nieder,  um  demselben  Adressaten 
eine  zweite  zu  widmen.  Der  Gedanke  daran  kam  ihm 
nicht  erst  jetzt;  er  hatte  die  Abfassimg  schon  damals  be- 
absichtigt, als  er  die  erstere  schrieb.  Ja  er  meinte  bereits 
in  dieser  dem  Sixtus  augekündigt  zu  haben,  dafs  eine 
weitere  briefliche  Erörteining  demnächst  folgen  werde;  was 
aber  doch  nicht  der  Fall  ist.  Wohl  aber  sollte  man  in 
Kom  aus  dieser  zweiten  Epistel  die  Motive  erfahren, 
welche  den  Briefsteller  bei  der  Abfassung  der  erstercn 
geleitet  hatten.  Darin  war  der  Stimmung  der  Freude  dar- 
über Ausdruck  gegeben,  welche  die  Kunde  von  des  Sixtus 
konfessioneller  Stellung  gemacht  hatte.  Jetzt  sollte  dieser 
darüber  aufgeklärt  werden,  welche  Sorgen  Augustin  bis 
dahin  um  seinetwillen  geltabt.  Man  hatte  ihn  in  gewissen 
Kreisen  als  Freund  und  Beschützer  der  Widersacher  der 
echten  Lehre  von  der  Gnade  vorgestellt.  Vor  kurzem  aber 
war  er  durch  des  Verklagten  eigene  Zellen  von  der  Un- 
richtigkeit dieser  Ansicht  überzeugt  worden.  Begreiflich 
genug,  dafs  es  zu  einer  freudigen  Enttäuschung  kam.  Ein 
angeschener  römischer  Kleriker  hatte  so  geschrieben,  wie 
Augustin   las:    die    „römische   Kirche"    demnach    lehrte 


134  REUTEK, 

jetzty  wie  vordem,  so,  wie  Augustin  erwartete  und  verlangte. 
Der  Nuncius  dieses  Römers  versicherte  übei*die8  mündlich, 
dals  das  in  der  £p.  CXCI  empfohlene  inquisitorische  Vcr- 
fieJuren  bereits  eingeleitet  worden.  Die  römische  Eorche 
handelte  also  bereits  der  Lehre  entsprechend.  Nichts- 
destoweniger hielt  es  der  Bischof  von  Hippo  Regius  nicht 
für  überflüssig,  neue  Ratschläge  zu  erteilen,  derselben  (von 
der  er  also  voraussetzt,  dafs  sie  durch  die  Diplomatie  der 
Pelagianer  könnte  getäuscht  werden)  Unterricht  zu  erteilen. 

Das  war  in  der  That  eine  Zudringlichkeit,  welche  mög- 
licherweise das  Selbstgefühl  der  Römer  verletzen  konnte. 
Der  Briefsteller  scheint  das  erkannt  zu  haben.  Wenigstens 
läfst  sich  bei  dieser  Annahme  der  Schlufs  der  £p.  CXCIY, 
§  47  am  ehesten  erklären.  Die  daselbst  ausgesprochene 
Bitte,  die  römische  Geistlichkeit,  falls  sie  eine  noch  zweck- 
mäfsigere  Methode  der  Polemik  gegen  die  Pelagianer  als 
die  von  dem  Verfasser  angewandte  kenne,  möge  ihn  mit 
derselben  bekannt  machen,  hatte  —  so  läfst  sich  wenigstens 
vennutcn  —  den  Zweck,  den  Eindruck  zu  ermäfsigen,  wel- 
chen die  allzu  dreisten  Ermahnungen  machen  konnten.  Diese 
sind  aber  auch  in  anderer  Beziehung  bemerkenswert  Man 
kann  in  denselben  indirekte  Bekenntnisse  inbezug  auf  die 
kirchliche  Stellung  Roms  sehen.  — 

18.  Wie  Augustin  darüber,  zunächst  (I)  über  die 
kirchenpolitische  Autorität,  den  Rang  und  die  Macht 
des  römischen  Bistums  denke,  soll  nimmchr  der  angekün- 
digten (§  15)  Aufgabe  entsprechend  erörtert  werden. 

Der  römische  Episkopat  heifst  dem  vorherrschenden 
Sprachgebrauch  des  ganzen  Zeitalters  gemäfs  auch  bei  ihm 
sedes  apostolica,  aber  doch  nur  vornehmlich,  nicht  in  aus- 
sclilicfslicher  Weise.  Denn  neben  der  römischen  giebt  es 
noch  andere  sedes  apostolicao  oder  apostolorum.  In  den 
berühmten  Stellen,  in  welchen  die  Kennzeichen  der  wahren, 
die  Autorität  der  katholischen  Kirche  gewürdigt  werden, 
lesen  wir   den    Pluralis  ^    wie   den  Singularis,   den   letzteren 


1)  S.  Bd.  VIT,  S.  254,  Aum.  1   dieser  Zeitschrift.    Daneben  hat 
sich  als  Reminiscenz  aus  der  älteren  Zeit  auch  bei  Aug.  ein  be- 


AL-GÜSTINISCHE  STUDIEN.    V. 

K,  B,  de  utilttatc  crctJoiidi  cap.  XVII,  g  3ä  '.  Hioi-  Btehcn 
einaniier  gegenüber  „usquo  ad  confessionem  generis  humani" 
und  ab  „apostolica  sede",  der  End-  und  Anfangspunkt.  Der 
erstere  ist  die  Zeit ,  in  welcher  das  MenschengGscUecht 
- —  nach  der  unhistorischen  Vorstellung  des  Verfassers  — 
allgemein  zu  dieser  Kirche  sich  bekannt  hat  Der  letztere 
ist  die,  seit  welcher  die  sedes  apoatoüca  existiert  *.  Seit  der 
Kxistenz  derselben  hat  diece  Kirche  das  hücliste  Ansehen 
behauptet  Wenn  es  nun  weiter  heifst  per  successiones 
cpiscoporum:  bu  könnte  man  allerdings  an  die  Inhaber 
aller  Episkopate  denken,  aber  doch  nur  dann,  wenn  alle 
Bischöfe  als  Inhaber  der  einen  sedes  apostolica  gedacht 
wären.  Dann  würde  sedes  apostolica  als  Kollektivname  für 
die  Anlange  aller  einzelnen  Bischofsreihen  zu  Ijetiachten  sein. 
Indessen  da  an  den  meisten  Stellen  *  unser  Schriftsteller 
diese  Phrase  gebraucht,  wo  er  ohne  Frage  den  römischen 
Episkopat  bezeichnen  will :  so  wird  man  auch  an  der 
unsrigen  denselben  Gedanken  vorauszusetzen  haben,  wenn 
nicht  zwingende  Grunde  daran  hindern  Dieser  Art  scheint 
nun  allerdings  der  Pluralis  successiones  episcoporum  zu  sein- 
In  der  That  nötigt  derselbe  eine  gewisse,  ich  möchte  sagen, 
Ungleichmäfsigkeit  des  Gedankens  und  des  Ausdrucks  an- 
zunehmen. Indem  Augustin  „ab  apostolica  sede"  schrieb, 
dachte  er  in  erster  Linie  an  den  römischen  Episkopat 
(gemafs  dem  im  Oceidente  vorwiegenden  Sprachgebrauche}; 
aber  da  er  noch  andere  *  sedes  apostolicae  aufser  der  ni- 
■  chränkter     Sprachgebrauch     erhalten.       De     Joctriaa    christiana 

lib.  n,  cap.  vin.  §  la,  t,  ni,  3ob. 

1)  Op.  T.  X,  81EP.  Cum  igitur  tantum  suiilium  Dei.  tantum 
profectum  fructumque  videamus,  dubitahimus,  nos  ejus  E^clesiac  coa- 
derc  gremio,  quae  UHque  ad  confeasioDem  geoeris  bumaui  ab  apostoiica 
Scdo  per  BUccesuioues  episcoporum,  fnistra  hocreticis  circumlatraiitibu6 
ut  partim  plebis  ipsius  judicio.,  partim  cODciliorum  gravitat«,  partim 
eütia  miraculonim  mnjeslate  damuatis,  culmen  auctoritatis  obtinuit? 

ICui  Dolle  primas   dare   vel   auminae  profecto  impielatia   est   *el   prae- 
eipitii  arrogant iae. 
•2)  la  manchen  Stellen  Aiefsea  beide  Gedanken  susammeu.   Bd.  VII, 
B.  2Ö0  dieser  Zeitschrift. 
3)  Vgl.  oben  g  13,  Bd.  VII.  253  dieser  ZeitBChrift. 
i)  EpUt.  CCXXXII,  §  3,  T.  II,  1098  A.     —  a  radice  Cbriitianae 


136  KEUTER, 

mischen  kannte^  weiter  die  Phrase  successiones  episcopo- 
rum  (ai  diaioxai  z(ov  chcoazoliüi')  seit  dem  Ende  des 
zweiten  Jahrhundei*ts  die  in  den  Aussagen  über  die  katho- 
lische Kirche  übliche  war:  so  hat  er  statt  des  vielleicht  be- 
absichtigten succesionem  (£p.  LIII  per  ordinem  epis- 
coporimi)  gesetzt  per  successiones.  Vgl.  Psalm,  ad  partcm 
Donati  Op.  T.  XII,  p.  8G.  Numcratc  sacerdotes  ab  ipsa 
sede  Petri  etc.  contra  Cresconium  Donat  lib.  Ill,  cap.  XVIII, 
§  21,  T.  Xn,  661.     Vgl.  Bd.  VII,  S.  253.  254. 

Der  römische  Stuhl  ist  also  von  ihm  bevorzugt,  diese 
Bevorzugung  als  eine  durch  die  Tradition  geheiligte  anerkannt 
Indessen  wir  lesen  auch  Sätze,  welche  einen  höheren  autori- 
tativen Rang  auszusagen  scheinen.  Z.  B.  Ep.  XLIII,  §  7, 
T.  II,  122  A:  —  fiomanae  ecclesiae,  in  qua  semper  ApostoUcae 
cathedrae  viguit  principatus.  contra  Julian,  lib.  I,  cap.  IV, 
§  13,  T.  XIII,  623  (Innocentius)  —  etsi  posterior  tempore, 
prior  loco.     contra  duas   epistol.  Pelag.   lib.  I,  cap.  I,   §  2 

ad   Bonifacium   episcopum  Romanae   ecclesiae.     Cum 

communis  sit  omnibus  nobis,  qui  fimgimur  episcopatus 
officio  (quamvis  ipse  in  ea  praemineas  celsiore  fastigio) 
specula  pastoralis  etc.  Aber  in  diesen  allgemeinen,  voll- 
tönenden Phrasen  vernehmen  wir  nichts,  was  den  Umfang 
der  (h(*)heren)  Autorität  charakterisierte,  nichts  Bestimmtes 
über  den  Kreis  der  rechtlichen  Befugnisse.  Und  dieser 
Mangel  wird  nicht  etwa  ergänzt  durch  genauere  Aussagen 
über  die  Stellung  des  Petrus  als  Apostels  und  ersten  rö- 
mischen Bischofs;  sondern  die  hierher  gehörigen  Aufse- 
rungcn  sind  ebenso  schwankend  wie  die  anderen.  Petrus 
heifst  Apostolorum  primus*;  ihm  kommt  zu  diejenige 
principalitas  apostolatus,  der  kein  episcopatus  zu  vergleichen 
ist*.     Indessen  diese  Schätzung  wird  wieder  herabgestimmt 

soclctatis,  quae  per  sc  des  Apostolorum  et  successiones  episcoporuin 
certa  per  orbcm  propagatione  difiundilur.  —  contra  Julian,  lib.  I, 
cap.  IV,  T.  XIII,  623 C  apostolica  srdcs  et  Romana. 

1)  SermoLXXVI,  §  1,  T.  VII,  415.  Scrmo  CCXCV,  §  1.  Conti-a 
Julian,  lib.  I,  cap.  IV,  §  13.  —  in  qua  primum  apostolorum  suoruni 
voluit  Dominus  gloriosissimo  raartyrio  coronare. 

2)  de  baptismo  lib.  II,  cap.  1,  §  2,  T.   XII,   125  G.    Caeterum 


AUQD8T1H1SCHE  STODfEN,    V. 

durch  die  schon  oben  berücksichtigte  Lehre,  dafs  jener 
Apostel  l)  als  der  l^präecntant  aller  Apoate!  ',  2)  der 
ganzen  Kirche  *  anzusehen  sei.  Den  letzteren  Ge- 
danken würdigen  wir  erst  dann  in  »einer  Bedeutung,  wenn 
wir  erwägen,  dais  unser  Schril'tsteller  nirgends  Cyprians 
Vorstellung*  wiederholt,  episcopum  in  eeelesia,  ecclosiam 
(Kirt'he)  esse  in  cpiscopu.  Nicht  in  Betracht  des  apo- 
»tolischcn  Amte«,  mit  welchem  Petras  an  und  für  sich  in- 
vestiert worden  war  *,  sondern  um  des  pcrsonliehon  Glau- 
bens und  Bokennens  {M.-ittli.  IG,  18),  um  seines  der  Hei- 
ligung sich  widmenden  Lehens  willen  cmplUngt  er  die  Gewalt, 
welche  z.  B.  Scrmo  CCXCV ,  ^  2  beachriohen  wird,  — 
die,  welche  dio  Gewalt  der  Kirche  ist.  Die  clavcs  coe- 
lorum  wurden  ihm  nicht  zuteil  als  einem  privilegierten 
einzelnen  Apostel,  sondern  als  dem,  welcher  ipsius  univer- 
eitatis  et  unitatis   ccclesiae  iigura   war  ^     Und   diese 

mHgiti  vcrcri  debeo,  ne  io  Pctruin  contuineliosne  eiiatcm  (im  Ver- 
gleiche mit  CyprianuH  cpiacopus).  Qui:  cnim  nescit  illum  Apoato- 
lattia  priiK'ipatura  cuilihct  episcnpiliii  pra^ferendumV 

1)  S.  Bd.  VII,  S.  251—253  dieaer  Zeitschrift.  Tractat.  CXIX 
in  evaiiR.  Joann.  cap.  XIX,  g  4,  T.  IV,  1058, 

2)  S.  Bd.  Vn,  S.  25a,  Anm.  2  dieser  Zeitsclirift.  Truulat.  L  in 
Evangelium  Joaiiuis  1;  12,  T.  IV,  838CD.  Nam  si  in  Potro  non 
esMt  eccIeaiaD  sacmmcntum,  non  ei  diceret  Dominus,  Tibi  dabo  clavM 
regni  iiui'lorum  ete.  —  —  ei  hoc  ergo  in  Ecclosia  fit,  rdru»  r|Qando 
cliivcü  accepit,  Eccleaiam  Banctsm  aignificat.  Ilatch,  Die  Gesell- 
gchaftsverfassung  der  chrietl.  Kirche  u.  b.  w.  (Giefsen  1883) ,  S  10«, 
Anm.  48.  Die  andiTe  daselbst  citicrtc  Stelle  de  catechiamdia  rudibui 
e.  31  beruht  auf  Irrtum. 

3)  S,  die  eiccrpierten  Stellen  bei  Kothc.  Anfänge  der  cliriBtt, 
Kirche  and  ihrer  Verfaüaung ,  Bd.  I ,  S.  648.  6411.  In  dem  Satse 
quando  Eccleaia  in  episcopis  et  clero  et  in  omuibua  Htantibua 
ait  constituta  etc.  bedeutet  ceclcsia  „die  Kiuzclgemeiadc",  nicht 
die  Kirche.  Otto  Ritschi,  Cypriau  von  Karthago  und  die  Ver- 
fssBung  der  Kirche.  Eiuc  kirchengeschichtliche  uud  kirchenrcchtlictie 
UntersuchoDg  (Göttiugen  1885),  S.  91  f.  und  die  gute  Erörterung 
S.  153  f. 

4)  Sermo  CCXXXII,  §  3,  T.  VII,  981. 

5)  Ebenso  de  agone  Chriatiano  cnp.  XXX,  §  32,  T.  XI,  fiSOG. 
Non  sine  causa  inte r  omnea  apostolos  hujus  eceleaiae  catholicae  per- 
Mtnam  «utinet  Petnu  i  huic  euini euclesiae claves  refcm  caeVotvuu  duu& 


138  SEÜTER, 

universitas;  die  tota  ecclesia  besteht  nicht  in  erster  Linie 
in  den  zur  Einheit  zusammengcfarsten  Bischöicn  als  au- 
toritativen Aratsträgem^  —  freilich  die  unitas  pasto- 
rum  ist  in  Petrus  dargestellt;  aber  nur  der  bonorum'  — 
sondern  in  der  Gesamtheit  der  (gläubigen)  „Christen''^, 
also  auch  der  Laien.  Bemerken  wir  überdies  schon  hier^ 
daTs  der  primus  Apostolorura  ausdrücklich  als  die  figiira 
auch  der  Schwachen  in  der  Art  von  Augustin  voi^gestellt 
wird,  wie  unten  §  24  erörtert  werden  soll:  so  wird  wohl 
deutlich,  in  welchem  Grade  durch  diese  Vergleiche  der  Pe- 
trinische, der  römische  Primat  der  autoritativen  Macht, 
des  Rangs  ermäfsigt  wird. 

19.  Derselbe  ist  nicht  eine  selbständige  Gröfse,  sondern 
erscheint  (wie  bei  Cyprian  *)  als  Mittel  zum  Zweck,  die 
Einheit  der  Kirche  zu  repräsentieren.  Das  ist  der  all- 
gemein ausgesprochene  theoretische  Gedanke.  In  wel- 
cher Weite  aber,  innerhalb  welcher  Schranken  diese 
Repräsentation  vorzustellen  sei,  darüber  schweigt  der  Autor. 
In  der  Stelle  Sermo  XL  VI,  cap.  XIII,  §  30  *  wird   freilich 


sunt,  cum  Pctro  datac  sunt.  Et  cum  ci  dicitur,  ad  omnos  dicitar 
Amas  me?  —  Pasce  oves  meas.  Debet  ergo  ecclesia  catholica 
correctis  et  pietate  firmatis  filiis  li  beut  er  ignoscerc,  cum  ipsi 
Petro  personam  ejus  geHtanti  —  —  —  videamus  veniam  esse 
concessam.  —  Enarrat.  in  Ps.  CVIII,  §  1,  T.  VI,  545 A.  —  Wer  er- 
innert sich  hier  nicht  an  die  Stelle  des  den  Schmalkaldischen  Artikeln 
beigefügten  tractatus  de  potestate  et  primatu  Papae  p.  345,  §  24 
bis  27?  — 

1)  Des  sacramentum  ordinis  wird  in  keiner  der  hierher  gehörigen 
Stellen  gedacht.  Ein  Beweis  für  die  Richtigkeit  des  Bd.  VII,  S.  246. 
247  Erörterten. 

2)  Sermo  CXLVII,  §  2,  T.  VII,  702  D.  In  uno  Petro  fi^rabatur 
unitas  omnium  pa  stör  um,  sed  bonorum,  qui  sciunt  oves  Christi 
pascere  Christo,  non  sibi.  Cf.  Sermo  XLVI,  cap.  XIII,  §  30,  T.  VII, 
240 DE.     Vgl.  oben  Bd.  VII,  S.  214.  215. 

3)  S.  Bd.  VII,  S.  253,  Anm.  1.  2.  Sermo  CCXXXIII,  cap.  III, 
§  3,  T.  VII,  981 G.  Fides  meruit  audire  etc.  Tract.  CXIX  in 
Evang.  Joann.  §  4  —  quia  uuiUs  est  in  omnibus  etc.     S.  Anm.  5. 

4)  Vgl.  Otto  Ritschi  a.  a.  0.  S.  92-95. 

5)  Op.  T.  Vn,  240  E-G.     hie   unus  praedicatur,   quia  unitas 


AÜOÜ8TINI8CHE  STUDIEN.    V.  139 

(wie  auch  ia  so  vielen  anderen)  &n  des  Herrn  Wort  „Weide 
meine  Schale"  erinnert,  aber  hier  wie  andcrsww  in  erheb- 
lich anderer  Art,  als  dasselbe  von  den  liiemrchi schon  Päpslea 
erklärt  worden  ist.  Nicht  des  autoritativen  Kirchenregi- 
men ts  gedenkt  dieselbe,  aondcrn  der  pasloralen  seelsorge- 
risclien  Leitung  der  Herde  Christi;  von  der  bonitas  pasto- 
rum  ist  in  dem  ganzen  Paragraphen  die  Rede.  „Überhaupt, 
wenn  die  Schafe  gut  sind,  sind  auch  die  Hirten  gut;  denn 
aus  den  guten  Schafen  gehen  die  guten  Hirten  hei-vor." 
„Alle  guten  Hirten  sind  in  einem,  sind  eins."  Indem  jene 
weiden,  weidet  dieser,  da  in  jeneu  sein  Wort,  in  jenen 
seine  Liebe  ist.  In  Betracht  der  Liebe  des  Petrus  wird 
ihm  von  dem  Heim  das  Amt  (des  Weidena)  übertragen. 
Damals  als  das  geschah,  hatte  er,  der  früher  erklärt:  Ich 
werde  weiden  meine  Schafe,  einen  gefunden,  welchem  er 
befehlen  konnte,  weide  Du  meine  Schafe.  Jetzt  aber  lebt 
dieser  Petrus  nicht  mehr,  —  er  ist  aufgenommen  in  die 
Schar  der  Märtyrer.  Deshalb  kann  man  vielleicht  das 
Wort  Jesu:  Ich  werde  weiden  meine  Schafe,  auf  diese 
unsere  Gegenwart  beziehen  und  sieb  trösten  in  dem  Ge- 
danken, talls  ctiva  keine  guten  Hirten  vorhanden  sein 
■ollten,  würde  der  Herr  selbst  die  Schafe  weiden. 

Das  ist  wahrlich  nicht  Beschreibung  der  hierarchi- 
Behen  Autorität,  der  Macht  des  Petrinischen  (romischen) 
Primats.  Aber  auch  sonst  ist  über  diese,  —  über  den  Um- 
fang der  Jurisdiktion  bei  Augustin  nichts  zu  lesen. 
Die  darauf  bezüglichen,  die  Fragen  nach  der  rechtlichen 
Kompetenz  des  rumischen  Bischofs  im  Verhältnis  zu  den 
übrigen  interessieren  ihn  gar  nicht.    Ein  starkes  persönliches 

tOefUhl  für  Wahrung  der  Selbständigkeit  seines  Bistums  dem 
ifimischen  gegenüber  offenbart  sich  nirgends  '.  Ebenso  wenig 
«ommondatur.  Ep.  LDl,  g  2,  T.  JI,  ItlOB.  Seririo  XLVl,  cap.  XII, 
(30,  1.  L  240E  Idudo  et  in  ipso  Petro  unitatem  commendavit. 
1)  Die  schon  oben  8.  130  berücksichtigte  Ep.  CCIX  ad  Cuclesti- 
Dum  Op.  T.  n,  lull  sq.  (nur  in  der  vnlikanischen  HaudBohrift  über- 
liefert  ■.  die  Note  G  der  Benediktiner  p.  1014)  redet  eine  pictätavoUe 
^^Spnche  §  6:  Esüstunt  ezctnpla,   ipaa  Scde  apoatoltca  judicanta 


I 


140  REUTER, 

finde  ich  ii^gendwo  in  seinen  Schriften  einen  Beweis  dafür, 
dafs  er  die  gemeinsamen  bischöflichen  Rechte  gegenüber 
den  römischen  Ansprüchen  in  besonderer  Weise  ^  zu  ver- 
teidigen beflissen  gewesen  wäre.  Der  berühmte  Apiarius- 
fall  *  hätte  ihm  dazu  Gdegenheit  geben  können.  Freilich 
ist  auch  Augustin  auf  der  Generabynode  zu  Karthago  am 
25.  Mai  419  anwesend  gewesen  und  hat  sich  an  der  da- 
selbst beschlossenen  Remonstration  beteiligt;  indessen  das 
war  unter  den  damaligen  Umständen  nicht  wohl  anders 
mögUch.  Wie  er  aber  als  Synodale  sich  geäufsert,  darüber 
ist  nur  wenig '  überliefert  Und  selbständig  aus  eigenem 
Antriebe  hat  er  sich  nirgends  litterarisch  über  die  Ange- 
le^nheit  ausgesprochen.  Ich  glaube  daraus  schliefsen  zu 
dürfen,  dafs  er  derselben  eine  erhebliche  Aufinerksamkeit 
nicht  gewidmet  habe^ 

Um  so  mehr  beschäftigen  ihn  Gedanken  über  die  Grund- 
lagen der  Geltung  des  traditionellen  katholischen  Dogmas, 
somit  auch  über  die  Bedeutung  des  römischen  Episkopats, 
als  des   autoritativen  Bürgen   der  kirchlichen  Lehrtradi- 


vel  aliorum  judicata  firm  ante  quosdam  pro  culpis  quibusdam 
nee  episcopali  spoliatos  honorc  ncc  relictos  omnimodis  impunitos  etc. 
§  9:  Non  sinas  ista  fieri,  obsecro  tc  per  Christi  sanguinem,  per  apo- 
stoli  Petri  memoriam,  qui  Christianorum  praepositos  populorum  mo- 
nuit,  ne  violenter  dominentur  in  fratres. 

1)  In  dem  Fragm.  ep.  ad  Classicianum  Op.  T.  II,  1145  B  hcifst 
es  vielmehr  Ego  propter  eos,  qui  pro  peccato   unius  animae  totam 

domum  ejus  id  est  plurimas  animas  anathcmate  ligant adjuvante 

Domino  et  in  concilio  nostro  agere  cupio,  et  si  opus  fuerit,  ad 
Sedem  apostolicam  scribere,  ut  in  his  causis  quid  sequi  de- 
beamus,    concordi    omnium    auetoritate    constituatur    atque 

firmetur. 

2)  S.  darüber  Gerh.  Joan.  Vossius  Historia  de  controversiis,  quas 
Pelagius  ejusque  reliquiac  movcrunt  Tract.  theol.  T.  V,  579.  He  feie, 
Konziliengeschichte  (zweite  Auflage),  Bd.  II,  S.  120  f  133  f. 

3)  Ebcnd.  Bd.  II,  S.  124  unten.  Langen,  Geschichte  der  rö- 
mischen Kirche  bis  auf  Leo  I.,  S.  773. 

4)  Gegen  Langen  a.  a.  0.  S.  798.  799.  Inwieweit  A.  an 
der  Abfassung  des  Synodalschreibens  der  neuen  Synode  zu  Karthago 
(424?)  Mansi,  Acta  Concil,  T.  IV,  515  beteiligt  gewesen,  ist  nicht 
auszumittehi. 


ADGÜSTlNISCnE  STUDIEN.    V.  Ul 

tion.  —  Diese  zu  erforschen,  ihr  VerstÄndniB  atiszumitteln 
■oll  das  weitere  (II)  Thema  dieser  Studie  sein. 

30.  Es  ist  überflüssig,  durch  eine  besondere  Untersuchung 
festzustellen,  ob  von  unserem  Schriftsteller  die  römisclie 
Kirche  (speziell  der  römische  Episkopat ,  der  römiacho 
Bischof)  als  eine  wichtige  Trägerin  der  kirchlichen  Lelu"- 
traditiun  anerkannt  worden.  Als  echter  Sohn  der  damaligen 
katholischen  Kirche,  als  Gegner  der  Donatiaten  mufste  er 
diese  Anerkennung  äursern.  Dafs  ist  freilich  ein  Schiufa, 
aber  nicht  ein  lediglich  logischer  (welcher  auf  gescliicht- 
liebem  Gebiete  niemals  unbedingt  zwingende  Kraft  hat), 
sondern,  so  zu  sagen,  ein  historißcher,  ein  Schlufs,  dessen 
Berechtigung  durch  alle  im  Folgenden  zu  erörternden  Stellen 
bekräftigt  wird.  Nicht  das  kann  die  Frage  sein,  ob,  son- 
dern in  welchem  Grade  er  sich  zu  der  römischen  Au- 
torität bekannt  habe,  ob  sie  ihm  hinsichtlich  der  Lehre 
eine  unbedingte  gewesen  oder  aber  nicht. 

In  dieser  Beziehung  kommt  vor  allem  die  Stellung  der 
Nordafrikaner,  des  Augustin  inabesondere  während  des  Pe- 
lagianischen  Streits'  in  Betracht. 

Der  letztere  hatte  die  bereits  oben  S.  126  erwähnte 
epistola  familiaris  mitunterzeiclinet .  welche  darauf  ausging 
den  römischen  Innocenz  I.  zur  Billigung  des  Lehrbegriffs 
der  (von  Augustin  dogmatisch  geleiteten)  nordafrikani sehen 
Kirche  zu  bewegen.  Man  erkennt  deutlich,  wie  wichtig  den 
Konzipienten  dieselbe  in  Betracht  der  hohen  kirchlichen 
Stellung  des  dortigen  Bischofs  sei;  aber  auch  ein  anderes, 
die  Spuren  der  Horge,  ea  möchte  derselbe  durch  die  Accora- 
modation  der  Pelagianer  an  den  „kirchlichen"  Sprach- 
gebrauch sich  täuschen  lassen,  die  Methode  derUmdeutung 
der  üblichen  Kategorien  nicht  verstehen.  Um  den  hohen 
Leser  dazu  zu  befähigen,  wird  ihm  in  höflicher  Weise  eine 
Instruktion    erteilt,    ein  Exemplar    des  Buclis    de    natura*, 

1)  Wie  A.  die  römiache  Tradition  über  die  Ketzertanfe  be- 
urteile, auf  sie  sieb  berufe,  das  ku  crürtem  mars  ich  mir  hier  atu 
Hange)  e.a  Raum  versagen. 

2)  Walch,  Entwurf  einer  vollBländigen  Historie  der  Ketzereien, 
Bd.  IV,  S.  Ö57,  Arnn.  z.  N.  VI. 


14S  BtEOTSS, 

welches  Pelagitis  verfalkt  haben  soll,  beigelegt,  in  welchem 
die  bedenklich  klingenden  Stellen  notiert  sind.  Die  Brief- 
steller beabsichtigen I  den  Adressaten  zu  bestimmen,  ge^n 
die  Urheber  der  in  Nordafrika  verurteilten  Lehre  ein- 
suschreiteni  sie  setzen  dieser  gegenüber  ;,die  (apostolische 
mid)  kirchliche  Wahrheit  ^^  ^  auseinander  in  der  Sprache  des 
Überzcugtseins,  aber  nicht  in  der  Erwartung,  dafs  diese 
Lehre  von  ihm  zu  bekräftigen  wäre,  damit  sie  als  kirch- 
liche gelte.  Wohl  aber  soll  er  „prüfen^  (§19  hoc  a  te 
probari  volumus  etc.  Das  zu  Anfang  eben  dieses  Para- 
graphen vorkommende  „judicabit'^  bezieht  sich  auf  den 
Prozefa  des  Pelagius).  Diese  Aufserungen  *  können  die 
Interpretation  leicht  in  die  Irre  führen.  —  Die  Verfasser 
vei*wahren  sich  gegen  die  Vorstellung,  als  ob  sie  durch  ihre 
Darstellung  der  Gnadenlehre,  welche  sie  einem  geringen 
„ Bächlein ^^  vergleichen,  „die  Quelle '^  in  Rom  zu  verstärken 
beabsichtigten,  während  jenes  doch  aus  dieser  abgeleitet  sei. 
D.  h.  sie  bekennen,  mit  dem  Christentume  die  Tradition  aus 
Rom  erhalten  zu  haben.  Hieraus  scheint  das  Recht  der 
Forderung  zu  folgen,  dafs  die  Echtlieit  der  (jetzigen)  nord- 
afrikanischen Tradition  an  der  römischen  erpi*obt  werde. 


1)  Kp.  CLXXVII,  §  3:  Et  cum  inventus  fuerit  (Pelagius)  lianc 
üioore  (g^tium))  quam  docet  ecclesiastica  et  apostolica  veri- 
ta»,  tuno  —  —  absolvendus  est.  §  G.  7.  8:  De  hac  gratia  quaestio 
vertebatur  oto.  —  lianc  apostolica  doctrina  gratiam  uou  im- 
merito  isto  nomhio  appellat  etc.  §  9:  Cum  itaque  de  Lac  gratia 
fidelibui  oathüUcisquo  iiotissima  etc. 

)l)  L.  1.  §  19:  Dabit  sane  nobis  veniam  suavitas  mitissima  cordis 
tui|  quod  prolixiorem  epistolam  fortassis  quam  velles  tuae  misiraus 
lanotitati.  Nou  oiiim  rivulum  nostrum  tue  largo  fouti  äugende 
rofundimuii;  Mod  in  hac  non  tamen  parva  tentatione  tcmpo- 
riH  (uude  uou  Uborot,  cui  dicimas  Ne  nos  infcras  in  tentatiouem), 
utrum  otiam  nostor  licet  exiguus  ex  eodcm,  quo  etiam  tuus 
abundunN  emanot  oapite  Huentorum,  hoc  a  te  probari  volamus 
tulsquo  roscriptis  de  oommuni  participatione  gratiac  consolari.  — 
In  der  £p.  CLXXV,  §  4  (geschrieben  von  den  in  Karthago  ver- 
•ammolten  Dischüfcn)  wird  die  durch  die  Erklärung  der  Infallibilisten 
berühmt  gewordene  Stelle  Luk.  22,  32  angefülirt^  aber  gar  nicht  in 
dem  beseichncton  Interesse  verwendet. 


i 


AL'GUSTINISCIIE  STUDIEN.    V.  143 

Indessen  diese  wird  in  den  folgenden  Sätzen  gerade  ab- 
gewiesen: Iiicr  nennen  die  Verlaaser  die  rümisclie  und  die 
nurdafnknnUclic  beide  „]}äclie",  die  rüraisclie  einen  „wei- 
teren", „  iiliersti  ümenden ",  die  nordalrikanische  ollei-dinga 
iiiclit  zuni  zweitenmal  „einen  geringtUgigen  Bach";  nber 
das  Bild  wird  auch  liier  in  seiner  Geltung  voniusgesetzt. 
Denn  beide  untci'sebeidet  unsere  Epistel  von  der  geniein- 
eaineii  Urquelle.  Die  Bitte,  welche  sie  um  Scbhisse  aus- 
spricht, ist  die,  Iniiocenz  I.  wolle  „prüfen"  (darüber  richten), 
ob  die  nordnfrikanisclie  Tradition  aus  der  letztgenannten 
ebenso  abgeleitet  sei  wie  die  römische.  Das  idem  caput  ist 
die  apoBtoUsche  IJrtradition.  Folglich  scheinen  die  nord- 
afrikanische  und  die  niraischc  der  Voraussetzung  der  Brief- 
stellei'  gemiils  gleicherweise  aus  jener  herstammend  gleichen 
Wertes  zu  sein.  Das  ist  auch  wirklich  der  eine  Gedanke. 
Aber  der  andere  wird  in  den  Schlufsworten  der  über- 
wiegende, dafs  der  römische  Bischof  an  der  römischen  (da 
sie  —  wie  aus  dem  vorhin  gebrauchten  Bilde  sich  ergiebt  — 
die  reichere  sei)  die  nordafrikanische  zu  niessen  vermöge, 
um  die  Frage  zu  entscheiden,  ob  beide  zusammenstimmen. 
Wenn  ihm  aber  dies  Recht  eingeräumt  wird,  so  auch  in- 
direkt, wie  es  scheint,  das  andere,  die  Echtheit  der  in 
Nordafrika  überlieferten  l<ehre  au  der  römischen  abzuschätzen. 
Denn  wenn  diese  die  vollere  genannt  wird:  so  ist,  wie  mau 
gesagt  hat,  die  begehrte  Prüfung  der  (vorausgesetzten)  Über- 
einstimmung der  einen  mit  der  andern  doch  nur  dadui-cli 
zu  leisten,  dafa  über  die  Echtheit  der  nordafrikanischen 
Tradition  nach  dem  Maisstabe  der  römischen  Muster- 
kirche geurteilt  wi-d.  Die  Überzeugung  der  Briefsteller  ist 
doch  die  —  so  könnte  man  meinen  den  Gedankenpruzefa 
rekonstruieren  zu  können  — ,  ihre  Überlielemng  sei  von 
den  Aposteln  abzuleiten,  ebenso  die  römische.  Nun  aber 
wird  der  Papst  ersucht,  in  der  Art  sich  zu  erklären,  wie 
angegeben  worden.  Gesetzt  der  Konsensus  beider  würde 
von  ihm  verneint:  so  würde  man  also  nunmehr  der  anders 
lautenden  römischen  zu  folgen  haben.  —  Indessen  das  kann 
keineswegs  der  Sinn  der  schwierigen  Schlufssälze  aein.  Denn 
was  ich  oben  (subjektive)  Überzeugung  genannt  liabe,  war 


144  REUTEBy 

vielmehr  die  unerschütterliche  Überzeugung  der  Ver- 
fasser^  nämlich,  dafs  ihre  Kirche  die  echte  apostolische  Lehr- 
überlieferung habe,  —  wie  der  ganze  Inhalt  ihrer  Epistel 
bis  §  18  Ende  zeigt.  Verhielte  es  sich  nicht  wirklieh  so^ 
80  hätte  die  Frage  dahin  formuliert  werden  müssen ,  wie 
weit  die  nordafrikanische  Tradition  mit  der  apostolischen 
stimme,  deren  lautere  Erkenntnisquelle  in  Rom 
sei.  Dieselbe  lautet  aber  vielmehr  so,  wie  wir  sie  in  dem 
Text  lesen.  Der  römischen  Kirche  wird  nur  ein  relativer 
Vorzug  zugestanden:  sie  hat  eine  reichere  Lehre,  aber 
darum  nicht  eine  wahrere.  Die  Petenten  wollen  keines- 
wegs die  wahre  erst  von  Innocenz  erfragen  und  erfethren, 
sondern  ihre  ganze  Epistel  zeigt,  dafs  sie  sich  im  Besitz 
wissen.*  Nur  darauf  kommt  es  ihnen  an,  dafs  alle  anderen 
ELirchen,  vornehmlich  die  römische  (von  der  sie,  wie  be- 
merkt worden,  das  Christentum  empfangen  haben)^  in  jetziger 
Zeit  die  Übereinstimmung  ausdrücklich  deklarieren.  —  In- 
dessen obwohl  diese  Erklärung  meines  Erachtens  die  rich- 
tige ist,  so  doch  nicht  die  allseitige  ^  Die  Auffassung, 
welche  ich  anfangs  als  eine  mögliche  hinstellte,  dann  aber 
durch  wichtige  Gründe  bewogen  einschränkte,  soll  damit 
keineswegs  als  eine  völlig  verfehlte  bezeichnet  werden. 
Sie  wird  sogar  dem  Wortlaute  in  untergeordneter  Weise 
gerechter  als  die  zweite.  Diese  ist  nur  weniger  einseitig 
als  die  erste;  sie  deckt  die  wirklichen  Gedanken  der 
Briefsteller  auf.  Diese  aber  sind  in  den  sprachlichen  Wen- 
dungen ausgedrückt  und  zugleich  verhüllt,  —  in  Ausdrücken, 
welche  nicht  ohne  Absicht  mifsverständlich  sind.  Wenn  im 
Anfange  des  §  19  „Quelle^'  genannt  wird,  was  hätte  Fluis 
oder  Bach  genannt  werden  müssen:  so  ist  das  schwerlich 
eine  aus  der  stilistischen  Unbeholfenheit  oder  Sorglosigkeit 
zu  erklärende  Ldkonzinnität.  Wir  sehen  darin  vielmehr  die 
Spuren  des  Interesses,  welches  die  Nordafrikaner  unter 
den  obwaltenden  Umständen  („sed  in  hac  non  tamen 
parva  tentatione  temporis^')  hatten,  durch  eine  hyperbolische 


1)  Langen  a.  a.  0.  S.  732  (vgl.  S.  726.  728). 


AUGüSTINISCHE  STUDIEN.    V.  145 

Phrase  den  römischen  Bischof  zu  einer  beifalligen  Aufserung 
zu  veranlassen. 

21.  Diese  erfolgte  inhaltlich  nach  Wunsch,  formell 
aber  vielleicht  anders,  als  Augustin  erwartet  hatte.  Inno- 
c«nz  I.  ^  nahm  bekanntlich  die  Miene  an,  als  ob  die  dogma- 
tischen Erklärungen  der  Nordafrikaner  erst  durch  seine 
Autorität  zu  bestätigen  seien.  Unser  Autor  aber  sah  in 
dessen  Antworten  nur  Bekenntnisse,  wie  sie  dem  damaligen 
Inhaber  des  apostolischen  Stuhls,  wenn  er  anders  daftir 
gelten  wollte,  geziemten  ^.  Sie  werden  als  Bezeugungen  der 
an  und  f&r  sich  schon  feststehenden  Lehre  ',  nicht  als  nun- 
mehr erst  erfolgte  Definitionen  der  letzteren  beurteilt.  Da- 
gegen spricht  nicht,  dafs  in  der  in  Rede  stehenden  Epistel  * 
bemerkt  wird,  wenn  jemand  fortan  anders  lehre:  so  würde 
er  die  Autorität  des  apostolischen  Stuhls  •'*  verletzen.  Denn 
will  man  nicht  zugestehen,  dafs  dieselbe  sich  in  Widerspruch 
mit  sich  selbst  verwickele,  so  bleibt  nur  übrig,  diese  Aufse- 
ning  aus  der  Absicht  herzuleiten,  „die  Feinde  des  Glau- 
bens" einzuschüchtern,  nicht  aber  vorauszusetzen,  die  Mei- 
nung sei,  die  Kirchenlehre  sei  nun  erst  sanktioniert.  Das 
ist  so  wenig  der  Fall,  dafs  unser  Scliriftsteller  in  derselben 
Urkunde  sich  sogar  über  alle  irdische  selbst  apostolische 
Autorität  auf  „den   Lehrer   und  Herrn   der  Apostel"^   be- 


1)  S.  Jaffe,  Regosta  Uomjuiorum  pontificum,  Ed.  II,  N.  321. 
323.  324. 

2)  Ep.  CLXXXVI,  §  2  Kiidc,  T.  II,  »SiJf).  Ad  omnia  nobis  re- 
scripsit,  60  modo,  quo  fas  erat  atquc  op ort  (»bat  apostolicae  sedis 
antistitem. 

3)  Contra  Julian,  lib.  I,  cnp.  IV,  S  13,  T.  XIII,  <;23C.  Quid 
enim  potuit  illo  vir  <;anc'fns  Afrioani«  rosjioudoro  conciliis,  nisi  quod 
autiquitus  apostolica  sodcp  ot  Koinana  cum  caetoris  tenot  perse- 
vemnter  EcclcsiaV 

4)  Ep.  CLXXXVI. 

5)  Ib.  §  28,  T.  II,  H7<i(!.  Et  contra  Scdis  apostolicae  auctori- 
tatem  etc.  Es  ist  der  ganze  ij  2S  und  s^  27  im  Zu sammeu hange 
zu  lesen  und  zu  erwägen. 

G)  Ib.  §  29.     Si   autem   cedunt  Scdi   apostolicae  vel   potius   ipsi 
magistro   et   Domino   Apostolorum,    (jui    dicit,  non   habituros   vi- 
Zeilschr.  f.  K.-G.  VIII,  i.  2,  10 


146  RfiUTERy 

ruft,  nicht  aber  erwartet ,  dafs  dieser  in  der  Gegenwart  auf 
eine  wunderbare  Weise  seine  Lehre  offenbaren  werde,  son- 
dern die  in  dem  historischen  Evangelium  Johannis  venir- 
kündete  Aussage  selbst  auslegt;  ohne  der  Beihilfe  des  sl^o- 
stolischen  Stuhls  zu  bedürfen.  — 

Wenn  in  dem  schon  S.  133  berücksichtigten  Schreiben 
die  römische  Kirche  als  Musterkirche  der  rechten  Lehre  wenn 
nicht  genannt  wird,  so  doch  vorausgesetzt  zu  werden  scheint: 
so  ist  zu  erwägen;  dafs  das  nicht  geschieht  in  Betracht  der 
anerkannten  autoritativen  Gewalt;  sondern  dafs  die  Motive 
dieser  hyperbolischen  Würdigung  dieselben  sind;  welche  wir 
so  eben  inbezug  aui  £p.  CLXXXVI  dargelegt  haben.  Dafs 
in  Rom  wirklich  die  Doktrin  vertreten  werde,  welche  Au- 
gustin in  Erfahrung  gebracht  hat;  konnte  gar  nicht  anders 
von  einer  ecclesia  erwartet  werden,  in  welcher  deremst 
Paidus  das  Evangelium  von  der  Gnade  verkündigt  hat. 
Die  Übereinstimmung  jener  mit  diesem  gilt  als  das  Kriterium; 
an  welchem  die  echte  Kirchlichkeit  Roms  abzuschätzen 
ist  Dainmi  weil  durch  des  Adressaten  Schreiben  bezeugt 
worden;  dafs  auch  jetzt  daselbst  jenes  Apostels  Lehre,  die 
nach  Augustins  Urteil  wahre  Lehre  verkündigt  wird,  ist 
das  freudige  Vertrauen  zu  dieser  Kirche  wiedergekehrt  ^ 

22.  Einer  abermaligen  Erwägung  —  trotz  der  bereits 
vorhandenen  darauf  bezüglichen  tüchtigen  Arbeiten  ^  — 
scheint  mir  unseres  Schriftstellers  Verhalten  in  dem  Zosimus- 
Fall  zu  bedürfen,   da  Lange n's'  Urteil  zu  einer  Prüfung 


tarn  in  se  ipsis,  nisi  mauducaverint  carncm  filii  hominis  (Joan.  cap.  VI) 
et  biberint  sanguinem  etc. 

1)  Ep.  CXCI  ad  Sixtum  presbyterum,  §  1,  T.  II,  H24B.  Quid 
enim  gratius  legi  vel  audiri  polest,  quam  gratiae  Dei  tarn  pura  de- 
fcnsio  advcrsus  inimicos  ex  ore  ejus,  qui  corumdcm  inimicorum  magni 
moraenti  patronus  ante  jactabatur?  —  S.  oben  §  l^»  S-  130. 

"2)  Walch,  Entwurf  einer  vollständigen  Historie  der  Ketzereien, 
Bd.  IV,  S.  «2*J.  ()42f.  GGlf.  und  die  daselbst  citierten  Autoreu,  vor- 
nchmUcIi  Garnier,  Marii  Mcrcatoris  Opera  (Paris  1Ü73),  T.  I,  13. 
C  o  r  n  e  1.  J  a  n  s  c  n  i  u  s ,  Augustinus ;  tomus  primus  (^Lovanii  1G40),  p.  47. 
He  feie,  Kon«ilicnge8chichtc  (2.  Aufl.),  Bd,  II,  S.  114. 

3)  Geschichte  der  römischen  Kirche  u.  s.  w,,  S.  748.  7&3.  «CO. 


AüÖUSTINISCnE  STUDIEN.    V.  147 

verpflichtet.  Ich  beschränke  meine  Aufgabe  und  deren  Lö- 
sung, ohne  genötigt  zu  sein,  mich  zu  entschuldigen ;  viehuehr 
liihle  ich  mich  versucht,  mich  dieserhalb  zu  rühmen.  Denn 
die  so  oft  den  Lesern  dargebotenen  Wiederliolungen  dessen, 
was  andere  schon  ebenso  gut  gesagt  haben,  sind  nicht 
Hebel  des  Fortschreitens  sondern  meines  Erachtens  eher 
Hemmungen  zu  nennen.  —  Ich  will  hier  ja  nicht  die 
ganze  Geschichte  des  erwälmten  Bischofs  unter  Verwendung 
aller  Quellen  sondern  lediglich  Augustinus  *  Mitteilungen 
nnd  apologetische  Darlegungen  analysieren,  nicht  um  zu 
untersuchen,  ob  die  ersteren  glaub wiU*dig,  die  zweiten  halt- 
bar seien,  sondern  unter  völligem  Absehen  von  allem 
diesen  auszumitteln  versuchen,  wie  jener  über  die  Lehr- 
autorität des  Zosimus  in  dieser  Angelegenheit  gedacht  habe. 

Von  Cölestius  —  so  bemerkt  unser  Verfasser  —  war 
in  Rom  ein  libellus  herausgegeben*,  welcher  im  Verhältnis 
zu  seinen  früheren  Aufstellungen  in  Karthago  von  einem 
Fortschritt  zu  zeugen  schien.  Schon  hier  hatte  er  freilich 
den  Vollzug  der  Taufe  der  Kinder  nicht  beanstandet,  aber 
das  Recht  der  auf  diesen  Usus  basierten  Lehre  abgelehnt, 
dafs  dieses  Sakrament  darum  zu  einteilen  sei,  weil  sie  mit 
der  von  Adam  stammenden  Sünde  behaftet  seien  (vgl.  Bd.  IV, 
S.  17  dieser  Zeitschrift).  Dort  hingegen  war  die  Taufe  der 
Kinder  positiv  verlangt ',  damit  sie  nach  Christi  Aussage  des 
Himmelreichs  teilhaftig  werden  könnten,  ja  sogar  gegen  die 
Fomiel  „zur  Vergebung  der  Sünden"  nichts  eingewandt 
unter  der  Bedingung,  dafs  der  Gedanke  an  die  P]rbsünde 
nicht  damit  verknüpft  werde  *.  Selbst  die  Hiesis ,  dafs  der 
Mensch    sine    ullo    vitio    peccati    originalis    geboren    werde. 


1)  In  dem  Hb.  de  poccato  origiiiali  cap.  V,  §  5  bis  cap.  VIII 
und  contra  diias  opistolas  Polu^.  lib.  II,  cap.  HI,  8  •'*^'  I^pi«t.  XCX 
ad  Optatum  T.  IT,  fnt>;  Ej).  CCXV  ad  VaUMitinum,  §  2,  T.  II,  1033 
contra  Julian.,  lib.  I,  cap.  IV.  i?  1.*^  T.  XllI,  f>23BC. 

2)  De  poccato  ori^j^inal.  cap.  V,  §  f). 

3)  L.  1.  Op.  T.  XllI,  318. 

4)  Ib.  cap.  VI,  §  «. 

10* 


148  REITTER, 

hatte  er  in  dem  libellus  nicht  ausdrücklich  verteidigt  \  son- 
dern eingestanden,  dafs  er  über  diesen  Punkt  eine  feste 
Ansicht  nicht  habe,  unter  Anerkennung  seiner  Fallibilität 
inbezug  auf  diese  und  andere  Kontroversen  der  Autorität 
des  römischen  Stuhls  sich  unterstellt  ^. 

Von  Zosimus  war  jener  libellus  einmal  „catholicus"  ge- 
nannt',  —  ein  Name,  welcher  bei  nicht  wenigen  Anstofs 
erregt  hatte.  Augustin  bemüht  sich,  denselben  zu  heben. 
Cölestius  —  meint  er  —  hat  sich  allerdings  als  einen  guten 
Katholiken  bewährt  ^.  Denn  katholisch  ist  es  gerade,  wenn 
man  über  irgendeinen  Glaubenspunkt  anders  zu  denken  ge- 
neigt ist,  als  die  Wahrheit  fordert,  diese  seine  Gedanken 
nicht  eigensinnig  abzuschliefsen,  sondern  nur  zweifelnd  unter 
Vorbehalt  besserer  Belehrung  zu  äufsern,  wenn  diese  aber 
erfolgt  ist,  jene  aufzugeben.  Schreibt  doch  der  Apostel  die 
Mahnung  Phil.  3,  15  nicht  an  Häretiker,  sondern  an  Ka- 
tholiken ^.  —  Durchaus  nach  Mafsgabe  derselben  ist  man 
damals  in  Rom  verfahren.  Zosimus  liefs  dem  Cölestius 
Zeit,  sich  zu  unterrichten;  unterrichtete  ihn  selbst.    In  eben 


1)  contra  duas  epistol.  Pelag.  lib.  II,  cap.  III,  §  5,  Op.  T.  XIII, 
538. 

2)  de  pcccato  origin.  cap.  VI,  §  7.  —  quia  supcrius  in  eodom 
libello  suo  de  hujusmodi  quaestionibus  locuturus  ante  praedixerat: 
„Si  forte  ut  hominibus  quispiam  ignorantiae  error  obrepsit,  vestra 
sententia  corrigatur."    S.  S.  149,  Anm.  4. 

3 }  contra  duas  epist.  Pelag.  lib.  II,  cap.  III,  §  5 ,  T.  XIII ,  538. 
539.  Et  propterea  libellus  ejus  „catholicus"  dictus  est  etc.  quod 
ab  illa  (sedc  apostolica)  dictum  erat,  cum  libellum  esse  „catholicum". 
Der  Ausdruck  ist  in  der  Ep.  Zosimi  Jaffe  ed.  II,  N.  329.  Op.  T.  XVI 1, 
2709.  Walch  a.  a.  0.  Bd.  IV,  S.  ^53,  Anm.  2  zu  N.  III  nicht  ge- 
braucht. 

4)  contra  duas  epist.  Pelag.  lib.  II,  cap.  III,  §  5,  Op.  T.  XIIl, 
538 E.  Et  propterea  libellus  ejus  catholicus  dictus  est,  quia  et  hoc 
catholicae  montis  est,  si  qua  forte  aliter  sapit  quam  veritas  exigit, 
non  ea  cortissimc  definire,  sed  detecta  ac  demonstrata  respucre.  Noii 
enim  haereticis,  sed  CJitholicis  Apostolus  loqucbatnr,  ubi  ait.  quot- 
quot  ergo  porfccti  hoc  sapiamus  et  si  quid  uliter  sapit,  id  quoque 
Dens  vobis  rovolabit.  —  Cf.  do  baptismo  lib.  IV,  cap.  XVI,  §  23, 
T.  XII,  17:-). 

5)  S.  Anm.  4. 


AUGCaTINlSaiE  STL"DIEK.    V.  149 


den  Taycn,  in  wololicn  aus  Nordafrika  die  Antwort  auf'  des 
Papulcs  Erklärung  erwartet  wurde  ',  verhandelte  er  mit  dem 
Vorklagten  über  zwei  Punkte:  1)  er  solle  die  von  PawlinuB 
von  Mailand  excerpierten,  aul'  der  Synode  zu  Karthago  ihm 
vorgelegten  Sätze  nunmehr  verurteilen;  2)  den  in  dieser  An- 
ßoiegenheit  von  Innoceuz  I.  au  die  Nordafrikaiier  geBehriebencn 
Brieten  auHdrücklich  heistirainen  ^.  Die  erstere  Forderung 
wies  er  ab';  die  zweite  zu  erlüllen,  war  er  nicht  allein 
bereit,  dondern  erklärte  sogar,  er  wolle  alles  das  verdammen, 
was  der  römische  Stuhl  verdammen  werde  *,  —  Damit  hatte 
sieh  also  Cölestius  gefesselt  ^.  Was  unter  den  Umständen 
au  erreichen  war,  hatte  Zosimus  in  seiner  Weisheit  durch 
das  zwcckmäfsige  Temporisieren  wirklicii  erreicht:  jener 
hatte  sieh  ausdrücklich  dazu  verpflichten  uiiissen,  sieh  bc- 
Ichifn  zu  lassen  *. 

Dazu  ist  es  nun  l'reilich  nicht  gekommen,  —  aber  ohne 
Schuld  dicacs  Papsteti,  meint  der  Bischof  von  Hippo  Itegius. 
IJaa  Drängen  seiner  Kollegen  in  Nordat'rika,  ihr  schroff  ab- 
weisendes Benehmen  hat  dessen  Absichten  vereitelt. 


1)  De  pectali»  orij;.  na]).  VIII,  S  H,  uoutra  duas  cpist.  Pi^lag. 
IIb.  II,  cap.  III.  §  5. 

2)  coutni  Uuas  upist.  Pulug.  lib.  II,  cap.  III,  S  5,  T.  XIH, 
.■»n^FG.  MHA;  cap,  IV,  S  '»,  T.  XIII,  üloAU.  541B.  de  puccalo 
«rig.  eap.  VII,  g  M  ut  {1/  uu,  quac  illi  ii  diacoiio  PauMuu  fuuraut 
tibj»its,  damnnrtt  iiI'[Up  (Ü)  ut  aodis  apö(.tolic»e  liloiiü  —  —  prae- 
Ixiret  aiwusum  etc.  —  Ubnr  dos  PauliuuH  von  Mailand  libcllus  siehe 
Walch  a.  a.  O.  H.  1141,  Aii.n.  1  xa  g  XXXVU. 

:i)  L.  I.     At  ille  noluit  quidcm  objccta  diaconi  damnurc  etc. 

4)  L.  t.  ~  snd  bcati  p:ipac  Iiiiicccntü  literis  non  est  ilusuh  oh- 
MstJ^rc,  immo  ar.  omnia,  quae  scdcs  lila  damnarct,  tc  dainimturuin 
cüMC  jiromiiiit.  Noch  goiinuerc  Augabcn  contra  duas  cpistol,  Pelug. 
tap.  in.  §  5,  T.  XIII,  &ÜJC;  cap.  IV,  S  SA,  ölllBCD. 

^)  Colligatus  et  vineulo  iialuberriino  obstrictus  contra  duiw  Cpii<l. 
Prlag.  lib,  II,  cap.  IV,  S  '>,  T.  XIII,  539  unten,  de  pcccalo  oriK. 
cap.  VI ,  §  T  inuluit  cum  aODBim  suis  inlurrogationibus  et  illius  rc- 
apnOHiiiDibuK  coltigare  clu. 

Ii)  dl!  jiccuato  any;.  1.  1.  T.  XIII,  3lt)B.  —  rcsipiatcndi  ei  loeut 
eub  iputdain  meilicinuli  scntüiitiue  Iciiitatc  conccsitUB  est.  contra 
dnas  epi!,toki  l'ula(,nanorum  1.  1.  '1'.  XIII,  53'JDE. 


1 50  REUTER, 

AI»  der  l&ngst  erwaiiete  Brief*  derselben  von  Nord- 
afrika in  Rom  anlangte,  oi-bah  man  daraus,  dafs  jene  sich 
mit  dem  so  eben  ci*zälillon  Vereinbarungsversuche  nicht  be- 
gnügen wollten  ^.  Sie  stellten  im  Gegenteil  das  Dilemma: 
entweder  solle  Zosimus  den  Cölobtius  nötigen,  dasjenige  aus- 
drücklich zu  widerrufen,  was  von  ihm  in  dem  libellus  un- 
bedingt oder  bedingt  gelehrt  worden,  oder  aber  man  würde 
den  dermaligen  Inhaber  des  ai^ostolischen  Stuhls,  welcher 
denselben  katholisch  genannt  habe,  für  einen  dem  Ver- 
klagten Gleichgesinnten,  also  für  einen  Altkatholiken  erachten. 
Um  diesem  in  Aussicht  gestellten  Schicksale  zu  entgehen, 
fügte  sich  Zosimus  nunmehr  der  ei*steren  Zumutung.  Er 
beschied  den  Cölestius  zum  Zweck  einer  sti*engeren  Prüfung 
zu  sich.  Dieser  aber  anstatt  zu  gehorchen  ergriff  die 
Flucht  \ 

Ist  dieserhalb  der  vielgenannte  Papst  anzuklagen?  — 
Kein  man  hat  ihn  vielmehr  um  seiner  seiner  pädagogischen 
Klugheit  willen  zu  beloben.  Er  kannte  die  Zustände  in 
Rom,  den  bedeutenden  Anhang,  welchen  Cölestius  und  Pc- 
lagius  daselbst  hatten  *,  —  die  Empfindlichkeit  dieser  Leute, 
welche  durch  ein  schroffes  Vorgehen  gegen  den  erstgenannten 
auf  (las  tiefste  verletzt  werden  mufsten.  Er  erwog  weiter, 
dafs  derselbe,  ein  Mann  überaus  lebhaften  Geistes,  der  schon 
mit  einem  Fufse  auf  dem  Boden  einer  schiefen  Ebene  stand, 
iu  den  Abgrund  der  Irrung  gestürzt  werden  könnte  •**,  wenn 


1)  Nicht  mehr  vorhanden.  Indessen  scheinen  sich  die  Angaben 
bfi  Prospcr  Aq.  advcrsus  Collatorcin  cap.  V,  §  15.  O}).  Aug.  Ba.sbani 
\V.)1,  T.  XVII,  28'JOE  auf  ilic«c  Ep.  zu  beziehen. 

'2)  (l(r  peccato  originah*,  cap.  VII,  §  H,  T.  XIU,  .-JIOB.  contra 
fluus  cpistol.  Pelag.  lib.  II,  caj).  111,  §  5A,  530 A.  —  Bericht  des 
l'rospcr  Aquitanicus  I.  1.  T.  XVII,  2715. 

.*J)  contra  duas  epistol.  etc.  lib.  II,  cap.  III,  §5;  cap.  IV,  §  6, 
T.  XI II,  540 DE. 

i]  I.  1.  T.  XIII,  5JJ8C:  —  „quaiido  ilhi  ingenia  quarnvis  nefando 
n*n»rc  porvcrsa,  noii  tarnen  contcmptibiha'*  etc.  5.")hE:  „in  hoininc 
aceriinii  ingenii,  qui  profecto  si  corri^crctur,  [»lurimis  profuisset**  etc. 

5)  de  peccato  orig.  cap.  VI,  i^  7.  —  ubi  cum  vidit  ferri  tanta 
praesnui])tione  praecipitem,  taintpiain  furentcin,  doncc  si  posset  fieri, 
resipisceret,  maluit  cum  scnsim  suis  iuterrogationibus  et  illius  rcspou- 


AU0USTINI8CHE  STUDIEN.    V.  151 

er  sofort  durch  eine  allzu  schartb  Ccnsur  orscliüitert  werden 
würde  ^  Um  dieses  Unheil  zu  verhüten ,  behandelte  ihn 
der  verdächtigte  Bischof  mit  jener  Milde  ^,  der  zarten  Rück- 
sichty  welche  nur  den  Zweck  hatten  ^  ihn  zur  Besinnung  zu 
bringen y  zu  bessern;  —  die  also  nicht  in  irgendwelchem 
Schwanken  des  dogmatischen  Urteils  oder  gar  in  positiver 
Billigimg  der  pekgianischen  Irrlehre  begründet  gewesen 
sind  '.  Diese  dem  Zosimus  zuzuschreiben  ist  durchaus  un- 
gerechtfertigt. In  der  ganzen  hierher  gehörigen  Urkunden- 
Sanmilung  findet  sich  keine  einzige  Stelle ;  durch  welche 
man  das,  was  man  will;  beweisen  könnte  ^ ;  auch  nicht  e  i  n 
Bericht  über  eine  mündliche  *  Aulserung  dieser  Art,  welche 
er  gethan  haben  soll,  ist  glaubwürdig.  Nur  das  mag  man 
sagen,  das  zeitweilige  Verfahren  desselben  scheine  mit  der 
normalen  strengen  Disziplin  ^  nicht  in  Einklang  gebracht 
werden  zu  können.  Aber  dies  Urteil  gründet  sich  auf  den 
SatZ;  jene  sei  unter  allen  Umständen  in  durchweg  glei- 
cher Weise  anzuwenden.     Derselbe  ist  aber  kein  kanoni- 


sionibus  coUigare  quam  districta  feriendo  scntcntia  iii  illud  abruptutn, 
quo  jam  propeudere  videbatur,  impellere  etc. 

1)  S.  150,  Anm.  5. 

2)  S.  Anm.  Ü. 

3)  contra  duas  epist.  etc.  lib.  II.  cap.  III,  §  5,  T.  XIII,  538 CD. 
Tot  cnim  et  tantis  inter  Apostolicam  sedem  et  Afros  cpiscopos  cmTcn- 
tibus  et  rccurrentibus  scriptis  ecciesiasticis,  ctiam  gestis  de  hac  causa 
apud  illam  sedem  Caelestio  praesentc  et  rcspondente  coufectis,  quacnam 
taiidem  cpistola  renerandae  mcmoriac  papae  Zosimi,  quae  intcr- 
locutio  reperitur,  ubi  praeceperit  credi  oportere,  sine  ullo  vitio 
pcccati  originalis  hominem  nasci?  Numquam  prorsus  hoc  dixit, 
numquain  omniuo  couscripsit  etc.  538  E:  „voluntas  omeudationis, 
uon  falsitas  dogmatis  approbata  est/^  Cf.  de  peccato  orig.  cap.  VII, 
S  ^S;  cap.  VIII,  §  9  und  S.  152,  Anm.  6. 

4)  S.  Anm.  3. 

5)  S.  Anm.  3. 

6)  contra  duas  epist.  Pel.  1.  l.  T.  XIII,  530  E.  —  profecto  quid- 
quid  intcrca  Icnius  actum  est  cum  Codestio,  scrvata  dumtaxat 
antiquissimac  et  robustissimae  fidci  firmitatc,  coirectionis  fuit  clemeu- 
tissima  .suastio,  uou  approbatio  cxitiosLssima  pi-avitatis.  Ib.  538  C: 
aliquaiido  Icnius  quam  sevcrior  postulabat  Eccle.siae  discipliua.  Ib. 
cap.  IV,  §  7,  T.  XIII,  540G. 


152  RKUTERy 

scher ;  im  Gegenteil  ein  anfechtbarer  ^  Der  mitleidige - 
Papst  hat  sich  in  diesem  Falle,  wie  gesagt,  von  Gedanken 
der  Weisheit,  der  Kücksiclit  nehmenden,  erwägenden  Politik 
leiten  lassen.  Er  hat  als  einsichtsvoller  Arzt  '  ,^  einen  Wahn- 
sinnigen'',  welcher  so  vieles  Schlimme  verschulden  konnte, 
wenn  er  gereizt  wurde,  der  so  vorteilhaft  zu  wirken  in  der 
Lage  war,  wenn  es  gelang,  seine  Geisteskrankheit  zu  heilen, 
durch  beschwichtigende  Mittel,  durch  Anwendung  der  Me- 
thode „der  Überredung"  *  wiederherzustellen  *  versucht  Der 
Glaube  in  Rom  war  immer  der  echte  ^.  Aber  Glauben  und 
Bekennen  schienen  allerdings  eine  Zeit  lang  auseinander- 
zugehen ^,  bis  sie  demnächst  zur  vöUigen  Harmonie  ausge- 
glichen wurden.  Dafs  dieses  wirklich  geschehen,  daiiir  1^ 
die  Epistola  tractoria  ^  das  imzweideutige  Zeugnis  ab.  — 
Cölestius  hat  die  römische  Elirche  nicht  „bis  zu   Ende''^ 

1)  Dies  Urteil  ist  mittelbar  gefallt  in  der  Erklärung  contra  duas 
ep.  Pelag.  lib.  II,  cap.  IH,  §  5,  T.  XUI,  538. 

2)  de  peccato  origin.  cap.  VI,  §  7,  T.  XIU,  318 ER 

3)  S.  S.  149,  Anm.  6. 

4)  S.  S.  150,  Anm.  5. 

5)  correctionis  fuit  clementissima  suasio,  non  approbatio  exitio- 
sissima  pravltatis  s.  S.  151,  Anm.  6. 

6)  S.  S.  151,  Anm.  6  und  die  Fortsetzung  der  daselbst  excer- 
picrten  Stelle:  Et  quod  ab  eodem  saccrdotc  postca  Coelestius  etPe- 
lagius  repctita  autoritate  damnati  sunt,  paulnlum  intermissae,  jam 
necessario  proferendae  ratio  severitatis  fuit,  non  praevari- 
catio  prius  cognitae  vel  nova  cognitio  vcritatis. 

7)  S.  Anm.  6.  9. 

8)  Jaff(5,  Regesta  Pont.  Roman,  ed.  II,  N.  343.  Vgl.  die  bis- 
her unübortroffen  gebliebene  Erörterung  Garniers  in  Marii  Mer- 
catoriH.  Oper.  T.  I,  p.  19.  Walch  a.  a.  0.  Bd.  IV,  S.  647.  656. 
659  (von  Langen  a.  a.  0.  S.  747  gar  nicht  berücksichtigt).  — 
AugUHt.  contra  duas  cpist.  etc.  lib.  II,  cap.  III,  §  5  de  peccato 
origin.  rap.  XXI,  §  24,  T.  XIII.  3i^7CD:  —  alia  quoque  ipsius  in 
urhc  Honm,  ubi  diutissimo  vixenit  atque  in  his  fuerat  priüs  sermoni- 
bu«  o<»ntontionibuw|uc»  vcruHtus,  cura  fidelium  fmtrum  prolata  pa- 
tuorunt,  ipiHf^  Htorl«  sui«,  <|Utt8  conscripsit  per  orbem  catholicam  per- 
fonMului«  |mpa  /«oiiimuii  rx^coranda,  »icut  legere  potestis,  adtexuit.  Ep. 
C\i\  H  5i5l,  T.  II,  \m\\i  Kp,  CCXV,  §  2,  T.  II,  1033 D. 

9)  Do  pmmto  oHgh».  onp.  XXI,  §  24,  T.  Xin,  327C.  Visus 
08t  tarnen  ad  ttiinpun  allqutd  dioort«,  quod  fidei  catholicae  conveniret: 


l 


AUGL'STIKISCHE  STUDIEN.    V.  153 

lauschen  können.  Die  lieliauptung  der  Pdagiaiier,  Zusinius 
sei  (in  der  Ep.  tractoriii)  von  seiner  eigenen  l'rülicren  Lehie 
abgel'aücn,  der  praovaricatio  anzuklagen  ist  nichtig.  Ebenso 
die  Aubsoge  der  Vcrrnsscr  „der  beiden  Briete",  die  lii- 
niiächcn  Kiei-ikci'  hätten  lediglich  cingoschUditert  und  wider 
die  eigenn  Überzeugung  die  oben  ciivähnte,  die  pclagianiselie 
Lehre  vci'ihiuiniende  Urkunde  unterzeichnet,  durch  dieac 
Untcnteiclinung  das  zurückgenommen  ',  was  früher  als  ka- 
tholisches Dogma  im  Sinne  des  C'üleatiua  von  ihnen  selbst 
gelehrt  worden. 

Aber  selbst  wenn  geschehen ,  was  Gott  in  Gnaden  ver- 
hüten möge',  wenn  damals  In  „der  romisclien  lürche" 
gelehrt  wäre,  was  dereinst  l'apst  Innocenz  verdammt  liälle: 
so  würde  doch  die  „nota  pracvaricationis "  vielmehr  „dem 
rnmist'hcti  Klerus"  ^  zuzuerteiien  sein  —  „als  dem  römischen 
HiEehiif  /^usimus"  scheint  man  ergänzen  zu  müssen. 

l>ie  römische  Tradition  hat  sich  also  ununterbrochen  als 
die  wiiln-c  bewährt,  wenn  man  nur  veititeht,  die  Thatsachen, 
llandUuigcn  und  deren  Motive  in  jener  kritischen  Episode 
richtig  zu  würdigen. 

In   diesem   Satz    glaubte    ich    das  Resultat   der   Bcweis- 


Bi'il  illHiii  M'ticm  iisriuc  «rt  fiiic.m  fallcre  iirjii  ]iiiliijl.  Ih.  cnj).!/'!!!, 
i;  !t,  1.  I.  .'HÜCD.  Fefnllit  CDJin  jiiiliciam  rslarstiimm;  proptprea  ibi 
viilHiir  esM)  purgatUB.  Romaiiain  vero  occlcsimn,  ubi  iium  bskp  no- 
fiwiuiuia  acitin,  falbrc  usquciiiiiiquc  iioii  potult.  —  Corncüi  Jaoicnii 
AktgustiuuH.  TointiK  priinuH  I^vanii  164ü,  T.I,  49  C.  Itctraut,  üb.  11, 
ti»\i.  L.  PoBtcaquaiii  I'iüagiaiia  hacrCHiH  cum  Buiü  uuctoribus  ab 
BiiiHOOpia  EccIcKtai!  Komaiiau  priiia  IiitHjucDtio ,  di?iii(tc  Zosimo 
coopci'RiitibuH  coiiuiliorum  Africiiiioi-um  iitcrit  cniivicla  alque 
rfamiiHta  est  cta. 

I)  trtntra,  duas  i'p.  clc.  üb,  II,  cap,  111,  g  b.  conti:!  Julian. 
lih   VI,  cap.  XII,  g  37,     Corii,;!.  J.iiiKOuius  I.  I.  «. 

•i)  contra  duan  cpisl.  etc.  I.  1.  T.  XIII,  5:^!)C.  Rtd  si,  rjiiod 
ulinil,  ila  tunc  fuiüuul  du  CodcHtiu  vi:I  Pckt;io  in  Ituinaim  i.<i:ulcsin 
judiiMtutn,  ut  illa  coruin  dugmiLta,  qua«  in  ipHÜ  et  cum  ipNi«  Fapa 
Iiin(H:entiuK  damnavci-al ,  approbHoda  et  tunnnda  pniiiuntiuroulur,  <^\ 
hoc  potiuB  es.sL-t  „ pracvaricatiouis "  nota  Itomani»  cicricis  iiiureuda 
«Ic.    Ib.  cap.  IV,  g  8,  1.  1.  51iCD.  -  WaUh  a.  a.  0   IV,  Ü«, 


1 64  RECTEB, 

flihrung  Augustin's  in    seinem   Sinne  zusammenfassen   zu 
können. 

23.  Das^  was  zunächst  in  die  Augen  &llty  ist  die  e^ 
heblichc  Differenz  zwischen  dem  Urteil  Augustinus  und  dem 
der  nordafrikanischen  Bischöfe  ^  über  die  Haltung  des  rö- 
mischen Episkopats  (in  jener  Zeit).  Die  letzteren  sind 
augenscheinlich  auf  dem  Punkte,  an  SiOsimus  irre  zu  werden 
oder  schon  irre  geworden:  sie  schrdben  ihm  vor,  wie  er  zu 
handeln  habe,  wenn  sie  ihn  für  katholisch  halten  sollten. 
Ihr  Auftreten  ist  schroff  und  rücksichtslos  gewesen.  Au- 
gustin dagegen  hat  —  ohne  sich  über  das  Verfahren  der 
nordafrikanischen  Kollegen  tadelnd  zu  äufsem  —  nichts- 
destoweniger die  Purifikation  des  von  ihnen  verklagten  (be- 
reits mit  Tode  abgegangenen)  Bischofs  angestrebt:  er  scheint 
ihm  sogar  im  Unterschiede  von  „den  römischen  Klerikern" 
eine  gewisse  eximierte  Stellung  vorbehalten  zu  wollen.  Ja 
an  jener  einzelnen  Stelle,  welche  S.  153  mitgeteilt  ist,  soll 
das  vielleicht  wirklich  geschehen.  Zwar  hat  man  zu  be- 
achten, dafs  er  daselbst  gegenüber  den  römischen  Klerikern, 
welche  er  nennt,  den  römischen  Bischof  nicht  nennt;  aber 
das  potius  ist  doch  kaum  anders  zu  verstehen  als  durch 
Annahme  der  von  mir  oben  vorgeschlagenen  Ergänzung. 
Gleichwohl  würde  man  in  die  Irre  gehen,  wollte  man  diese 
Einzelheit  als  eine  prinzipale  Lehre  beurteilen  und  aus  der- 
selben logische  Konsequenzen  ziehen.  Denn  das  in  Rede 
stehende  Schriftstück  ist  nichts  weniger  als  eine  dogma- 
tische Erörterung  über  die  Lehrautorität  der  römischen 
Kirche  sondern  eine  durch  und  durch  tendenziöse,  zu  einem 
ganz  bestimmten  Zweck  abgefafste  Apologie.  Pelagius 
und  Cölestius  hatten  sich  mit  grofsem  Geschick,  mit  nicht 
unerheblichem  Erfolge  auf  den  römischen  Stuhl,  auf  die 
Genehmigung  ihrer  Lehre  durch  Zosimus  berufen,  ja  sich 
mit  auffälliger  Üstentation  als  Kömlinge,  nahezu   als  Infalli- 


1}  Indem  Augustiu  sich  in  den  bezüglichen  Stellen  durchweg  dcb 
Ausdrucks  Afri  bedient,  bezeugt  er  meines  Erachtcns  seine  Nicht- 
beteiligung  an  den  erwähnten  Schritten.  Die  numidischen  Bischöfe 
scheinen  sich  passiv  verhalten  zu  haben. 


ACGÜSTINI8CHE  STUDIEN.    V.  155 

biliaten  '  gezeigt.  Darum  und  in  Betracht  der  viilgUr- 
kathoUsL-hen  Verehrung  von  der  scdcs  aiiostulica  galt  es, 
das  Recht  dieser  Berufung  zu  bestreiten,  den  nachhaltigen 
Eindruck,  welche  diese  auf  viele  „Kathnlikon"  gemai'lit 
hatte,  zu  verwischen  oder  doch  abzuschwächen.  Das  konnte 
nicht  anders  bewirkt  werden  als  durch  den  Nachweis,  dafs 
die  ThaL-uifhen  und  die  bezuglichen  Urkunden  von  den  bei- 
den „Häretikern''  und  ihren  Anhängern  „entstellt  worden". 
Dftl's  das  geschehen  sei,  stand  unserem  Autor  von  vornherein 
fest,  ehe  er  die  Feder  ergriff.  Statt  einer  kritischen  Unter- 
Buchung  im  Interesse  der  historischen  Wahrheit  achrieb  er, 
wie  gesagt,  eine  „Verteidigung",  —  die  freilich  in  unter- 
geordneter M'eise  Entstellungen  aufdeckt,  —  die  aber  im 
ganzen  eine  viel  bedenklicliore  Entstellung  geworden  ist  aU 
die  den  Pelagianern  '  vorgeworfene.  Vor  allem  die  einmal 
beschlossene  Reinigung  des  viel  genannten  römischen 
Bischofs  mul'ate  geleistet  werden.  Unter  den  Umständen 
ward  sie  unvermeidlich  eine  Verherrlichung  desselben,  eine 
einseitige  Übertreibung  der  Bedeutung  der  römischen  Au- 
toritiit,  welche  nicht  ganz  im  Einklang  steht  mit  der  all- 
Rcraeinen  Grundansicht  Augiistin's. 

Allerdings  war,  wie  ea  acheint,  noch  eine  andere  Me- 
thode anwendbar,  den  Erfolg  der  Agitationen  der  l'clagianer 
zu  vereiteln,  ftfan  konnte  das  röniiacho  Bistum  ala  das  an- 
erkennen, was  dasselbe  damals  in  Wahrheit  war,  als  deren 
Schutzmacht,  aber  nur  um  es  desto  verächtlicher  au  behan- 
deln, d.  h.  die  zeitweilige  Gutheifsung  ihrer  Lehre  in  Rom 
als  ein  t^r  die  Beurteilung  des  kirchlichen  Wertes  dor- 
»elben  gleichgültiges  Ereignis  betrachten,  —  den  Bischof 
Zosimus  dem  Verdachte  der  Häresie  preisgeben.     Sic   ist 


1)  Darüber  werde  icli  in  der  künftij;  lu  veröffentlicheuilcD  Über- 
arbeitung (s.  iiuten  §  Si)  dieses  ArtikelH  inicli  äurscm. 

21  Die  Nordafrikaner  uud  diu  spUtereu  Peluginner  »tiintnti'n 
in  dem  Urteile  ubereia,  üafs  in  der  römiacheii  Kircbu  dicLclire  niuht 
eine  bestündige  gewesen.  Zwo]  gcgnerisclic  Parteien  gaben  ein  zu- 
sammenstimmen des  Zeugnis  Hb,  Das  war  eine  bcdciikliuh  gravierende 
AMm».  Aami  Reckt  schlcchterdinKs  entarüudet  werden  sollte,  — 


156  BELTEK, 

wirklich  von  den  nordafrikanischcn  Bischöfen  erwählt.  Aber 
in  diesem  Falle  war  das  Zugeständnis  unvermeidlich,  dals 
der  Konsensus  der  Lehrtradition  nicht  in  allen  Episkopaten 
nachweisbai'  sei.  Ja  in  dem  angesehensten  unter  allen  er- 
gab sich  wenigstens  zeitweilig  ein  erheblicher  Dissensus, 
Dagegen  Augustin  verfolgte  jenen  anderen  Weg,  und  der 
war  in  Betracht  der  damaligen  Konjunkturen  der  weniger 
gefährliche,  —  ja  nachdem  Zosimus  unter  dem  Drucke 
der  von  den  Augustineni  geleiteten  römischen  Staatsgewalt 
nachgegeben  hatte  ',  —  für  einen  Katholiken  damals  der 
einzig  mögliche.  Aber  notwendig  mufste  er  sich  auf  dem- 
selben verirren,  d.  h.  dazu  verführt  werden,  unbequeme  That- 
sachen  zurechtzulegen,  —  in  Hyperbeln  sich  zu  ergehen. 
Das  so  entstandene  Schriftstück  kann  uns  demnach  nicht 
als  primäre  Quelle  dienen,  aus  welcher  unseres  Autors 
LehrbegrifF  über  die  römische  Autorität  zu  schöpfen  wäre. 
Und  doch  lesen  wir  selbst  in  diesem  jene  charakteristische 
Aufserung,  welche  sein  besseres  Wissen  verraten  hat.  Die 
emphatische  Erklärung,  dafs  Cölestius  den  römischen  Stuhl 
„nicht  bis  zu  Ende^^'  hat  täuschen  können,  scheint  nahe- 
zu in  dem  Tone  des  Triumphs  gegeben  zu  werden,  ist  aber 
doch  das  Zugeständnis,  dafs  derselbe  zeitweilig  getäuscht 
worden.  —  Ist  aber  das  wirklich  geschehen,  wozu  dann  die 
panegyrischen  Reden  über  die  (vermeintliche)  pädagogische 
Weisheit  des  so  hart  verklagten  Kirchenfürsten?  — 

24.  Es  erübrigt  noch,  die  Stelle  zu  erörtern,  welche  mit 
dem  Worte  „Roma  locuta  esf  so  häutig  von  infallibi- 
listischen  Katholiken  citicrt  wird.  Dieselbe  ist  freilich 
im  Gegensatz  zu  diesen  von  Langen^  verhältnisraäfsig 
richtig  zu  interpretieren  versucht,  aber  dieser  Versuch  doch 
meines  Eraehtcns  nicht  ein  (positiv)  genügender  zu  nennen. 


1)  Dir  libri  de  giatia  Cliristi  et  de  pcccalo  orip^inali,  contra  duas 
opistolas  Pclagiauorum  sind  nach  dorn  Kilals  der  opistola  tractoria 
dos  ZosiiniiH  abgcfafst.     Rctract.  lih.  II,  cai>.  L,  cap.  LXI. 

2)  S.  oben  S.  1.V2,  Anin.  U. 

3)  a.  a.  0.  S.  bGö.  Böhringcr,  Die  Kirche  Christi  und  ihre 
Zeugen  (Stuttgart  1872),  Bd.  XI,  S.  194. 


AUGUSTINISCHE  STUDIEK.    \-.  IR? 

Zuvürderat  sei  daran  erinnert,  dafs  die  erwähnte  Phrase 
so,  wie  sie  lautet,  sich  nirgends  bei  unserem  Kirchen- 
vater findet.  Sie  kann  also  nui-  die  kurze  Definition  des 
Sinnes  einer  Stelle  sein,  welche  dem  Citierenden  vorschwebt. 
Und  dicHi  ist  aUerdlngs  eine  ganz  beatinunte,  welche  aber 
nicht  da  gelesen  wird,  wo  sie  nach  den  Angaben  neuerer 
Autoron  zu  finden  sein  soll,  Janssen,  Zweites  Wort  an 
meine  Kritiker,  S.  40,  citiert  de  anima  et  ejus  origine  hb.  IT, 
caj).  XII.  Ebrard,  Konservative  Monatsschrift  für  das 
eliriatliche  Deutachland,  Jahrgang  1883,  Jmiiheft  S.  637 
schreibt  das  nach.  Allein  in  dem  genannten  Buche  ist  die- 
selbe weder  da,  wo  man  sie  suchen  soll,  noch  an  irgend- 
einem anderen  Orte  zu  finden.  Lib.  II,  cap.  XII,  §  17, 
T.  Xin,  455  E  lesen  wir  Novelloa  haei'eticos  Pclagianos 
justissirae  conciliorum  catholicorum  et  aedis  apostohcae  dam- 
navit  auctoritas.  Dagegen  heilst  es  allerdings  Serrao  CXXXI, 
cap,  X,  §  IC,  T.  VIT,  645 D:  Jnm  enlm  de  hac  causa  duo 
concitia  missa  sunt  ad  sedem  apostolicam ;  inde  etiam  i-eseripta 
venerunt.   Causa  finita  est,  utinain  aliquando  error  finiatur! 

Augustin,  welcher  ia  diesem  Sermo  über  Johaun  VI. 
handelt,  kommt  g  4  auf  die  IiTtümer  derjenigen,  welche  die 
Zuhiirer  als  Pelagianer  kannten,  die  aber  hier  mit  diesem 
Namen  nicht  bezeichnet  werden.  Es  wird  versucht,  wesent- 
lich durch  biblische  Argumente  diejenigen  zu  widerlegen, 
welche  kraft  ihres  natürlichen  Willens  „die  Lehre  des  Ge- 
setzes" beobachten  zu  können  wähnen,  die  nicht  der  Gnade 
sondern  der  hiiriosen,  ohnmäclitigen  Natur  das  zuschreiben, 
was  sie  leisten,  nicht  erwägen,  dafs  jene  „Freiheit"  (§  C), 
von  der  sie  reden,  allerdings  der  erste  Meiiscli  dereinst  gehabt, 
aber  verloren  habe.  Auch  von  ihnen  gilt,  was  Paulus  Riim. 
10,  2  sagt.  Aber  die  Zuhörer  sollen  Leute  dieser  Art  nicht 
verbergen  aus  verkehrtem  Mitleide,  „Widerlegt  die  Wider- 
sprechenden und  fuhrt  die  Widerstrebenden  zu  uns!  Denn 
es  sind  ja  bereits  die  Keschlütise  zweier  Konzillen  an  den 
apostolischeu  Stuhl  geschickt.  Von  diesem  kamen  auch  Re- 
»kripte.  Die  Sache  ist  beendigt.  Möchte  doch  auch  der 
Irrtum  beendigt  sein!"  — 


158  RBUTERy 

den  flindruck  des  Aufiälligen  macht  Ich  kann  mich  des- 
selben nicht  erwehren.  Abgesehen  von  §  10  ist  der  ganzr 
Sermo  erbaulich  belehrend,  darauf  gerichtet,  dui-cli  sachliche 
Erörterungen  zu  unterweisen.  Dann  folgt  mit  einem  Male 
eine  Eiiuahnung  zur  Inquisition,  weiter  die  Mitteilung  über 
den  Prozefs,  welchen  die  nicht  genannten  definitiv  ver- 
loren haben.  —  Indessen  ist  zu  beachten,  dafs  sie  nur  ge- 
macht wird,  um  zu  dem  erwähnten  praktischen  Zwecke  zu 
ermutigen.  Die  Zuhörer,  dui*ch  die  Predigt  von  dem  hä- 
retischen Gehalt  der  Lehren,  wie  vorausgesetzt  wird, 
überzeugt,  sollen  sich  nunmehr  auch  als  praktische  Bekenner 
der  katholischen  Kirche  bewähren,  indem  sie  zu  einer  tliat- 
süchlichen  Verfolgung  derer  schreiten,  welche  sie  verbreiten. 
Um  jedes  Bedenken  zu  heben,  ob  man  es  wirklich  mit  einer 
(türm liehen)  „Häresie"  zu  thun  habe,  wird  schliefslicli 
mitgeteilt,  dafs  der  Prozefs  in  allen  Instanzen  entschieden 
sei.  Die  Pelagianer  sind  „durch  alle  kirchliche  Autoritäten 
vorurteilt". 

So  könnte  man  meinen,  den  Sinn  der  Stelle  im  ganzen 
witulei^geben  zu  können.  Indessen  „Autoritäten"  ist  Pluralis. 
Ka  tnigt  sich  aber  gerade,  wie  die  Autorität,  welche 
iHinoiliu  genannt  wird,  zu  derjenigen  sich  verhalte,  welche 
HodoM  npoHtolica  heifst.  Langen  a.  a.  0.  hat  zur  Verglei- 
chun^  Kp.  CXC,  §  22  hei-angezogen,  wo  gesagt  wird,  durch 
ilio  Wttohwimkeit  der  bischöflichen  Konzilien  mit  Unter- 
MtUtMunn:  doi^  Umlands,  welcher  seine  Kirche  schütze, 
nuoh  von  dou  vorohrungswürdigen  Vorstehern  des  aposto- 
lUohon  StiihU,  dem  Papst  Innocenz  und  dem  Papst  Zosimus, 
Hollen  Poli4(iuH  und  (Xilestius  auf  dem  ganzen  Eixlkreise  ver- 
dun\n\t  i\\v  dou  Füll,  dafs  sie  nicht  als  Gebesserte  Bufse 
lolMtoh    wUnIm\  V     liier   weixlen  also  in  erster  Linie  die 


0  \n\ji\\n  \v\  auotoiY«  vol  oorte  ucerrimi  uotissiiniquc  suasores 
vum  IVlHgh\'t  v\  r«rlo«tlu»  oxstiti^siMit,  coiicilioniin  episcopalium  vi- 
^ilH\^tU  U\  m^vitorio  «Sulvutoriii,  i(ui  .siiuin  tuctiir  ccclcsiaiii, 
\A\^\\\  \S  duuhuM  voiiomhililiUM  miti.stitibus  apostolicae  Sedis  papa 
UuuHHmliu  \s\  V\\\\{\  'AMiiiiu,  \iU\  curiH)ctl  otiam  ogeriiit    poenitcntiain, 


AliQllRTINIBCIIE  STrDIEN.    V.  15tl 

Konzile,  eret  in  zweiter  (etiaiii  a  venembilibua  antisti- 
bns  etc.)  die  röimBchen  Päpste  genannt.  In  unserem 
äerniu  dagegen  lauten  die  I'j'kJiirungen  docli  andere.  Die 
Kunzile  liaben  ilire  scripta  an  den  apustoüsclicn  Stultl  ge- 
scliickt;  von  diesem  sind  die  rescripta  gekommen ,  welche 
die  causa  „beendigt  haben".  Derselbe  ist  also  die  liühere 
Instanz.  Nur  dieser  Gedanke  wird  dem  Wortlaute  imserer 
Stelle  gerecht.  So  oft  ich  auch  dieselbe  erwogen  Labe;  ich 
kann  mir  eine  andere  Intei'pretation  nicht  begründen.  Ist 
sie  aber  die  echte:  dann  kann  man  das  Urteil  nicht  zurück- 
lialten,  dafs  der  Satz  in  dem  citiertea  Sernio  niciit  mit 
dem  aus  der  erwähnten  Ep.  excerpierten  stimme.  Von  dem 
letzteren  auszugehen,  mich  MaTsgabe  desselben  die  be- 
rühmte Stelle  in  dem  Sernto  zu  erkläi-en,  dazu  kann  ich  mich 
nicht  verstehen.  Müglicli  wäre  allerdings  diese  von  Lan- 
gen vorgeschlagene  Auskunft,  wenn  man  voraussetzen  düi-fte, 
es  sei  dem  Augustin  damals  darauf  angekommen,  durch 
eine  pointierte  Breviloquenz  auf  seine  Zuhörer  zu  wirken; 
er  habe  in  seinen  Gedanken  die  Koordination  der  concilia 
und  der  sedes  apostuUca  vollzogen,  in  den  Worten  aber 
die  Uberordnung  der  letzteren  ausgesprochen.  Indessen  die 
philologisclie  Intei-pretation  kann  nur  die  in  den  \\' orten, 
tlie  wir  lesen,  ausgeprägten  Gedanken  ermitteln  wollen,  nicht 
irgendwelche  Hintergedanken,  Somit  ist  das  Resultat: 
beide  Stellen  Imrmuniei'en  nicht.  Die  Autorität  des  ro- 
niisehen  Stulils  wird  in  dem  Scrmo  so  hoch  gestellt,  dnfs 
man  sagen  mufs,  die  bezüglichen  Worte  kiJnnte  ein  echter 
Kömling  geschnoben  haben.  Aber  im  Vergleich  mit  seinen 
sonstigen  Lehren  bilden  sie  eine  gewisse  Anomalie. 

25.  Denn  dafs  unser  Autor  in  seiner  Gesamt  Überzeugung 
weder  dem  römischen  Bistum  noch  viel  weniger  dem  rö- 
miachen  Bischoi'  eine  untrügliche  Lehrautorität  hat  zuschi-ei- 
Ijcn  küimen,  ei-gicbt  sieh  auf  das  deutlichste  aus  den  inter- 
essanten Aufaerungen  über  die  Dignität  des  Apostels  Petrus, 
des  ersten  römischen  Bischofs. 

Ist  dieser  selbst  doch  nicht  unbedingt  rein  gewesen 
wedoi'  in   dem  Leben  noch  in   der  Lclirc.     Kann   er   doch, 


160  REUTER, 

wohl  aber  sehen  wir  in  ihm  das  Bild  >  unseres  empirischen  - 
Christenlebens  (vgl.  oben  §  13,  Bd.  VII,  S.  253)  in  seiner 
Unstätigkeii  Was  der  Evangelist  Matthäus  Kap.  14  er- 
zählt, zeichnet  die  Zustände  der  Christenheit,  den  Wechsel 
unserer  eigenen.  Bald  wandelte  er  im  Glauben,  bald 
schwankte  er  zitternd  '.  Sein  gläubiges  Vertrauen  ist  der 
Typus  der  Starken  *  in  der  Kirche,  —  die  nicht  gegründet 
wurden  auf  Petrum  sondern  auf  Christum;  sein  Schwanken 
der  der  Schwachen  *.  Er  schritt  auf  dem  (stürmischen) 
Meere  einher.  Das  vermochte  er  nicht  in  seiner  mensch- 
liclien  Schwachheit  sondern  in  der  Kraft  des  Herrn,  in  der 
Zuversicht  zu  seinem  befehlenden  W^orte  (§  5),  zu  seiner 
kräftigenden  Unterstützung  (§§  5,  8);  er  sank,  sobald  er 
sich  selbst  vertrauete.  —  Und  das,  was  wir  bei  dem  ersten 
Evangelisten  lesen,  ist  nicht  einmal  der  einzige  Fall,  nicht 
einmal  ein  Ausnahmefall  in  seinem  Leben  gewesen.  Be- 
richtet uns  doch  auch  Johannes  Kap.  18  von  einer  posi- 
tiven Verleugnung  des  Herrn  ^.  Freilich  es  giebt  Leute, 
welche  diu^h  den  Parteieifer  geblendet  den  Petrus  zu  recht- 
fertigen unternahmen '.  Hat  dieser  doch  —  so  meinen 
810  —  nur  erklärt,  ich  kenne  diesen  „Menschen"  nicht,  — 
idso  nur  den  Menschen,  nicht  den  Q ottmenschen  ver- 
Knignot  *".     Aber    hat  er    denn   nicht    selbst  diese   Meinung 

V  VkI  Ud.  VI],  S.  253  dieser  Zeitschrift. 

IJ^  Srnno  l*XXVIK  cap.  I,  §1;  cap.  III,  §4  qui  tunc  erat  figura 

a^  \W  T,  VII.  417AB,  cap.  IV,  §  G;  cap.  I,  §  5,   1.  1.  415D; 

i^  Ih.  onp.  IV,  55  1>.  Fidc  valuit,  quod  humana  infirmitas  iion 
xhUmvI      lli  Hunt  iu'ini  Kcclesiae. 

J^'  U»  0H|»  111%  §  4.  Pix)iiHlc  quia  Ecclosia* Christi  habet  firinos 
\\*kW'\  Ol  iulii'uuvs  uoo  sino  finnis   potest  esse   noc   siiio    iniinnis   etc. 

iw  \\\\y  sM^\»  UMo  A|Hvstolo utruinqiic  gemis  significaiidum  fuit; 

\s\  0*1  i\\\\\\  ot  iutivuu,  qiiiu  sim»  utroquo  non  est  ccclesia. 

u^    r^Hot    iu  oviui|ji»l.  Jinmn.  tmct.  CXIII,  §  2,  T.  IV,  10;]9A. 
Oh    I   §  ^-V  is  tfttot.  LXVI,  §  2,  T.  IV,  894. 
S^  I«    I,  *\\  IV,  Hi>r»A.     Quasi  vero  qni  honiiuom  Christum  iiegat, 
Mv^kU1ivUt\Uu  \\\%^\  H  hoc  in  eo iio^it,  quod  factus  est  propter  nos, 


AÜGUSTINISCHE  STUDIEN,    V.  161 

I  widerlegt,   indem  er   seine   Schuld   in   den  Bufsthränen   be- 

I kannte?   —   Wahrlich   ein   schwacher  Bekenner    ist   er  ge- 

ien,   schwächer  als  manche  nicht    hlofs   gereifte  Männer, 

I  Bondem  auch  Jünghnge  und  .rungfrauen,   welche  mutig  um 

Christi  willen  in  den  Tod  gegangen   sind  '.  —  Also  für  ein 

Muster  unseres  Lebens  kann  er  nicht  gelten.     Aber  auch 

in  der  Lehre  ist  er  nicht  personlich  infallibel  gewesen. 

Er  hat  dereinst  in  furchtsamer  Nachgiebigkeit  gegen  die 
Juden  die  Idee  von  dem  alleinigen  Heile  in  Christo  ver- 
dunkelt, den  Heilswert  des  Evangeliums  beeinträchtigt,  ist 
von  dem  Apostel  Paulus  getadelt  und  berichtigt  *,  wie  dieser, 
der  Verkündiger  der  echten  von  der  ganzen  Kirche  '  fest- 
gehaltenen und  bewahrten  Heilslehre ,  selbst  uns  erzählt. 
Man  kann  unbeschadet  der  Verehrung  vor  dem  Petrus  „als 
Apostel"  dem  keiner,  wie  weit  er  auch  fortgeschritten  sein 
mag,  sich  vergleichen  darf,  dennoch  das  Recht  des  Urteils 
nicht  in  Abrede  stellen,  dafs  derselbe  damals  irgendwie  an- 
ders dachte,  als  die  Wahrheit   fordert*,   welche  Paulus 


ae  periret  quod  fecerat  nos.  ErgD  qui  ita  confitetur  Chriatntn  Dettm, 
at  hominem  neget,  qod  pro  illo  mortuus  est  Christus,  qoia  secun- 
dum  hominem  mortnns  est  Christus.  Qui  negat  hominem  ChriBtonj, 
non  reconciliatur  per  mcdiatorem  Deo, 

1)  Tract.  in  evaog.  Joann.  CXm,  §  2,  T.  IV.  1039CD. 

2)  de  baptismo  lib.  IV,  cap.  VI,  §  8;  Üb.  VI],  cap- 1,  §1,  T.XII, 
238.  —  er  iUo  errore,  iu  quem  Petrus  devians  a  Paulo  revocatus 
eat  etc.  Cf,  üb.  11,  cap.  I,  S  2,  1. 1,  125DEF.  —  de  unico  baptismo 
contra  Fetiliauum  cap.  XII,  ^  22,  T.  XII ,  6T6.  Eipositio  epist.  ad 
Galat.  §  15,  T.  IV,  1254A,  —  Ebenso  hatte  sich  übrigens  schon  auf 
dem  Konzile  in  Karthago  256  Zosimua  von  Tbarassa  geäufaert.  Cy- 
priani  Op.  ed.  Uartel  454  Augustiu  de  baptismo  lib.  III,  cap.  VI, 
§  10. 

3)  de  baptismo  Üb.  VI,  cap.  U,  §  3.  Gentes  enim  nemo  judai- 
sare  nunc  cogit  oec  ideo  tarnen  quisquam  nunc  in  ecclesia  quanttim- 
libet  profecerit,  Petri  apostolatui  conferendus  est.  Contra  Cresconium 
Donat.  lib.  II,  cap.  XXXII,  §  40,  T.  XII,  544B.  —  Die  Apostel 
überhaupt  gelten  nicht  als  unbedingte  Vorbilder,  sind  keine  Heili- 
persönlichkeiten  Sermo  LXXVI,  cap,  HI,  g  5,  T.  VII,  417. 

4)  de  bapüamo  lib.  III,  cap.  VI,  §  10.  —  si  potuit  aliquid 
etiam  Petrus  aliter  sapere  quam  veritas  babebat,  quam  Paulo 
apostolo  auctore  didicimua. 


162  REÜTEB, 

uns  gelehrt  y  dals  er  im  Widerspruch  ^^mit  der  Kegel  der 
Wahrheit '^  die  Judenchristen  nötigte  zu  judaisieren  wider 
besseres  Wissen.  Denn  er  war  nicht  etwa  befangen  in  An- 
hänglichkeit an  die  jüdischen  Gewohnheiten,  sondern  lebte 
unter  Heidenchristen  nach  heidnischer  Art,  dagegen  in  An- 
tiochien  erheuchelte  ^  er  eine  andere  Überzeugung,  als  er 
wirklich  hatte;  verkündigte  also  zeitweilig  durch  sein 
Verhalten  eine  falsche  Lehre,  war  zeitweilig  fallibel. 

Daraus  folgt,  dafs  auch  die  Nachfolger  auf  dem  rö- 
mischen Stuhl  demselben  Schicksal  preisgegeben  seien.  In- 
dessen diesen  Schluls  hat  unser  Schrifteteller  nirgends  aus- 
drücklich gezogen;  wohl  aber  den  allgemeinen  Satz  ohne 
alle  Einschränkung  angestellt,  dals  die  einzelnen  Bischöfe 
irren  können ',  gegen  den  Anspruch  irgendwelches  auf  den 
Titel  episcopus  episcoporum  sich  erklärt',  endlich  aller  ent- 
gegengesetzter apologetischer  Absicht  ungeachtet  doch  die 
Möglichkeit  (die  Wahrscheinlichkeit?)  nicht  in  Abrede  stellen 
können,  dafs  Zosimus  wirklich  zeitweilig  getäuscht  wor- 
den, der  römische  ELlerus  zeitweilig  von  der  echten  Lehre 
abgefallen  sei. 

Unter  diesen  Umständen  kann  die  eine  S.  153  bemerkte 
Stelle,  wo  die  Exemtion  des  römischen  Bischofs  (von  der 
Fallibilität)  noch  dazu  gar  nicht  ausdrücklich  ausgesprochen 
ist,  sondern  nur  logisch  erschlossen  werden  zu  können  scheint, 
nicht  in  Betracht  kommen. 

Demnach   sagen   wir:  Augustin    hat  nicht  „die  Infalli- 


1)  Expositio  epistolae  ad  Galatas  §  14.  15.    Op.  T.  IV,  1253. 

1254. 

2)  de  unitate  ecclesiae  cap.  XI,  §  28,  T.  XII,  460  E  und  S.  167. 
Ü)  de  haptismo  contra  Donat.  lib.  III,  cap.  HI,  §  5,   T.  XII, 

142  F  wird  die  bekannte  Äufserung  Cyprians  (Op.  ed.  Hartel  436) 
mit  aiigouacheinlichor  Beistimmung  angeführt:  „Neque  enim  quis- 
quam  no»trum  cpiscopum  se  episcoporum  constituit  aut  ty- 
iiiimico   torroro   ad   obsequendi   necessitatem   collegas    suos    adigit" 

Quid   mauMuminH?   qi-d   humilius? „Quando   babeat,   inquit, 

owul«  opi»copuH  pro  licentia  libcrtatis  et  potestatis  suae  arbitrium 
pwurium  tawquo  judicari  ab  alio  uon  possit  quam  nee  ipse  potest 

aUuu\  Judioaro**  etc. 


AUOCSTOnSCHE  STUDIEN.    V.  163 

1  liilität"  der  römlBchen  Kirche  (die  durch  die  Autorität 
bedingte  Unmöglichkeit  des  Irrens)  noch  viel  weniger  die 
des  rümischen  Bischofa  gelehrt. 

26.  Aber  wer  ist  denn  das  einheitliche  Subjekt  derselben? 
Als  Antwort  scheint  der  Satz  erwartet  werden  zu  müssen: 
die  Kirche  als  katholische.  Indessen  für  so  berechtigt  man 
denselben  halten  mag,  man  findet  doch  meines  Wissens 
keinen  diesen  Gedanken  unzweideutig  aussagenden  Satz 
bei  Augustin.  Während  wir  contra  Cresconium  Hb.  II, 
cap.  XXXm,  §  39,  T.  XII,  516  lesen  quoniam  sancta 
Scriptura  fallere  non  potast  etc.:  habe  ich  eine  dieser 
Theaia  korrespondierende  inbezug  auf  die  Kirche  vergeben» 
gesucht.  Die  Erklärung  „extra  ecclesiam  nulla  salus"  wird 
nirgends  ergänzt  durch  die  andere  „ecclesia  errare  non 
potest".  Man  kann  versuchen,  dieses  Fehlen  begreiflich  zu 
machen.  Weder  Pelagianer  *  noch  Donatisten  *  haben  das 
Recht  des  Gedankens  an  die  Infallibilität  der  Kirche  be- 
etritten, im  Gegenteil  dasselbe  vorausgesetzt.  Folghch  hatte 
Augustin  keine  Veranlassung,  dasselbe  zu  betonen,  während 
dagegen  die  Lehre  von  der  Kirche  als  der  ausseblierslicben 
Sphäre  der  Seligkeit  in  den  anti-donatistiscben 
Schrillen  erörtert  werden  mufste.  Dagegen  scheint  es  so, 
als  ob  die  Vorstellung  von  der  Infallibilität  der  Kirche, 
wenn  aie  anders  unser  Schriftsteller  hatte,  in  den  anti- 
manichäischen  (vgl.  §  14)  Schriften  nicht  hätte  unbe- 
rührt bleiben  dürfen.  Und  das  ist  auch  nicht  geschehen: 
wenn  gleich  wir  der  oben  pracisierten  Formel  darin  nicht 
begegnen,  so  doch  der  wichtigen  Prämisse  derselben.  Diese 
sehe  ich  in  den  uns  bekannten  feierlichen  Aussagen  über 
die  höchste  Autorität  der  Kirche  *.  Der  berühmte  Satz 
evangelio  non  crederem,  nisi  me  commoveret  ecclesiae  ca- 
tholicae  auctontas  *  kann  wenigstens  so  interpretiert  werden, 
ftla  sei  d&rin  die  Untriiglichkeit  inkludiert   Diese  wird  über- 


1)  8.  164,  Anm.  3. 
3)  3.  1G4,  Anm.  i. 
3)  a  Bd.  Vn,  S.  261  dieser  Zeitscbrift. 


164  REUTERy 

dies  mittelbar  verkiindigty  wenn  de  baptismo  Üb.  11^  cap.  lY, 
§  5;  T.  Xn,  127  O  von  der  concordisaima  auctoritas  eccle- 
siae  catfaolicae  und  an  vielen  anderen  Stellen  ^  von  der  „ca- 
tholica  veritas'^  geredet  wird. 

Diese  Phrase  ist  dem  Augustin  nicht  eigentümlich,  son- 
dern eine  vulgär '-katholische.  Wir  lesen  sie  bei  den 
Pelagianem '  und  Donatisten  ^  ebenso  wie  bei  ihm.  Sie  ist 
auch  nicht  ohne  weiteres  gleich  der  anderen  y,die  katho- 
lische Kirche  hat  die  Wahrheit '^  Denn  catholica  veritas 
kann  nur  sein,  wie  es  scheint^,  der  Inhalt  der  katho- 
lischen Lehre,  die  Kirche  dagegen  nur  als  das  formelle 
Subjekt  derselben  vorgestellt  werden,  als  die  Macht  diese 
zu  deklarieren.  —  Aber  von  dieser  (nicht  unberechtigten) 
Unterscheidung  sehen  wir  ab,  um  die  Bedeutung  der  er- 
wähnten Formel  zu  erwägen. 

Die  catholica  veritas  kann  selbstverständlich  nur  auf 
Tradition  beruhen,  nur  eine  empfangene,  von  den  Aposteh 
empfangene  sein,  deren  Gesamtlehre  (l)  als  einhellig, 
(2)  als  unfehlbar  vorauszusetzen  ist  Indessen  das  eine  wie 
das  andere  Prädikat  zu  erteilen,  hatte  sich  ein  Autor  über- 
aus schwer  gemacht,    welcher  über  den  Dissens   zwischen 


1)  Vgl.  Bd.  IV,  S.  26.  41  Anm.  1;  Bd.  V,  S.  383.  —  eccle- 
siastlca  veritas  £p.  CLXXVII,  §3.  sensus  catholicus  Bd.  IV, 
S.  41,  Anm.  1  veritatis  regula  de  baptismo  lib.  11,  cap.  I,  §  1.  — 
Über  den  Gebrauch  des  Begriffs  ,, veritas'*  bei  Cyprian  siehe  Otto 
Ritschi,  Cyprian  von  Karthago  und  die  Kirchenverfassung  (Göt- 
tingen 1885),  S.  97.  98. 

2)  Epist.  Zosimi  papae.  Ep.  Romanorum  pontificum  ex  rec. 
Constantii  ed.  Schoenemann  N.  III,  §  8,  p.  680  eos  —  a  corpore  nostro 
et  catholica  veritate  numquam  fuisse  divulsos. 

3)  Bd.  IV,  S.  41,  Anm.  1  dieser  Zeitschrift. 

4)  Gesta  coUationis  Carthaginiensis  prim.  cognit.  N.  XTV  Optat 
Milev.  libr.  VII.  Opera  A  studio  M.  Ludovici  Dupin  p.  249  erste 
Spalte.  —  et  caeteri  sincerae  christiauitatis  episcopi  et  catholicae 
veritatis.  G.  secundae  cognit.  N.  X,  1. 1.  290  zweite  Spalte  Episcopos 
nos  veritatis  Christi  Domini  nostri  et  dicimus  et  saepe  actis  pu- 
blicis  dictum  est. 

5)  Dafs  der  Sinn  der  Phrase  bei  Augustin  ein  noch  vertiefterer 
ist,  darüber  s.  §  28  Ende,  §  33  Ende. 


AÜODSTnnSCHE  STUDIEN.    V.  165 

Petrus  und  Paulus  so  sicli  äufserte,  wie  wir  erfahren  haben  \ 
Allein  dieser  ist  ja  ein  nur  zeitweiliger  gewesen,  nach 
unseres  Verfassera  Urteil  durch  die  Belehrung  des  einen 
durch  den  andern '  gehoben,  —  dadurch,  könnte  man  mei- 
nen in  seinem  Sinne  sagen  zu  können,  die  Einheit  der  Lehre 
wieder  hergestellt  Indessen  diese  Wiederherstellung  setzt  die 
früher  schon  gewesene  Einheit  heider  voraus,  und  die 
letztere  kann  doch  nur  der  Zeiger  des  Lehrkonsensus  des 
G e a a m t apostolats  sein.  Demnach  entsteht  die  Frage,  wie 
AogUBtin  über  den  Ui-sprung  und  die  ßeschafTenheit  eben 
dieses  dachte. 

27-  Ich  gestehe,  dafs  meine  Bemühungen,  eine  klare 
Antwort  auf  dieselbe  zu  finden,  vergeblich  gewesen.  Mir 
ist  nur  eine  Stelle  bekannt,  in  welcher  er  sich  über  den 
fraglichen  Punkt  äufsert,  und  das  ist  die  nändiche,  welche 
wir  in  anderer  Beziehung  schon  oben  ^  berücksichtigen 
muTsten.  Aber  hier  wird  nur  erörtert,  a)  dafa  und  warum 
Paulus  sich  zum  Ananias  begeben,  b)  dals  die  collatio 
zwischen  den  Uraposteln  und  dem  Apostel  Paulus  in  Je- 
rusalem (Äpostclkonzil)  unam  docti'inae  speciem  exclusa 
omni  varietate  monstrabat.  Indessen  die  Kontroverse  zwi- 
schen Paulus  und  Petrus  in  Antiochien  fallt  ja  später 
als  das  Apostelkonzil.  Daselbst  hatte  der  letztere  die 
una  species  doctrinae  nicht  gewahrt;  er  war  ja  von  aeinem 
Mitapostel  eines  wirklichen  error  *  überführt.  Und  wenn 
gleich  Petrus  infolge  der  Überführung  mit  Paulus  sich  ge- 
(ünigt  haben,  weiter  zu  der  gemciuBamen  apostoÜBchen 
Lehre   zurückgekehrt  ^   sein   mag   (was   alles   mehr    voraus- 


1)  S.  S.  161. 

2)  S.  ebd.  Anm.  4. 

3)  S.  Bd.  VII,  S.  212  dieser  Zeitachrift. 

4)  EipOHJtio  Epistolae  ad  Galat.  §  15,  T.  IV,  13&4A.  Qaod 
autcm  hoc  ci  corain  ommbiiB  diiit,  necessitas  coegit,  ut  omnes 
(Bamabaa  und  die  zum  Judalaieren  mitrerfährti^D  Gemeindeglicder) 
sanareatur.  Non  caim  utile  erat  errorem,  qiii  pa,1am  noceret,  in 
secreto  cmendarc. 

5]  Da  alle  Apostel  auf  dem  Apostelkondl  als  in  der  Lehre  einig 
neb  jteaeigt  hatten,  au  Antiochien  Petrus  und  alle  mit  ihm.  Judü.- 


166  EEOTEB, 

gesetzt  und  angedeutet  ^  als  ausdrücklich  erklärt  ist) :  so  ist 
doch  in  allem  diesen  die  Beantwortung  der  von  uns  aufjge* 
worfenen  Frage  nicht  sowohl  gegeben  als  ebenfalls  voraus- 
gesetzt. —  Ich  irre  vielleicht  nicht,  wenn  ich  vermute,  unser 
Schriftsteller  habe  überhaupt  dieselbe  nicht  in  besonderer 
Weise  erwogen,  sondern  als  guter  Katholik  den  Konsensus 
der  Apostel  axiomatisch  gelehrt 

Von  diesen  ist  derselbe  übergegangen  auf  die  Kirche,  — 
das  wird  allerdings  meines  Wissens  nirgends  ausf&hrlich 
erörtert,  aber  doch  angedeutet  imd  vorausgesetzt  *.  Die 
(eine)  Elirche  besteht  fireilich  nicht  lediglich  durch  die 
Episkopate,  aber  doch  nicht  ohne  Episkopate;  alle  die, 
welche  auf  der  cathedra  unitatis*  sitzen,  müssen  also  mit 
der  nämlichen  ^  (Lehr-)Tradition  betrauet  sein;  alle  lehren, 
was  sie  gelernt,  von  den  Vätern  empfangen  haben.  Was 
sie  verkündigen,  ist  „Gottes  Wort*'^ 

Das  ist  die  eine  Reihe  von  Sätzen,  welche   man  mehr 


derenden  „von  dem  Irrtum"  geheilt  wurden  (s.  die  vorige  Anmerk.), 
von  den  übrigen  Aposteln  nicht  erzählt  wird,  dafs  sie  in  diesen 
Irrtum  geraten  seien,  vielmehr  selbstverständlich  ist,  dafs  sie  in  der 
Einigkeit  der  Lehre  beharrt  hatten:  so  ergiebt  sich,  dals  infolge  der 
Belehrung  des  Petrus  durch  den  Paulus  die  Einigkeit  aller  Apostel 
wieder  hergestellt  worden. 

1)  S.  die  vorige  Anmerkung. 

2)  Zu  erschliefsen  aus  der  Stelle  contra  Julian,  lih.  11,  cap.  X, 
§35,  T.  XIII,  679 F.  Quod  invenerunt  in  Ecclesia,  tenaemnt, 
quod  didicerunt,  docuerunt,  quod  a  patribus  acceperunt,  hoc  filüs 
tradiderunt  in  Verbindung  mit  contra  Cresconium  lib.  I,  cap.  XXXIII, 
§  39,  T.  XII,  516.  —  hoc  facimus,  quod  universae  jam  placuit 
Ecclesiae  etc.  Ep.  CLXXVI,  §  19. 

3)  Ep.  CV,  cap.  V,  §  17,  T.  II,  397  B.  —  Augustin  betont  übri- 
gens nicht  in  sonderlicher  Weise  den  Gedanken,  dafs  die  Tradition 
an  die  Episkopfate  gebunden  sei.  S.  z.  B.  de  baptismo  IIb.  II, 
cap.  VII,  §  12.  —  Die  Zeugen  gegen  den  Pelagianismus  sind  meist 
Bischöfe,  aber  nicht  sowohl  um  ihrer  bischöflichen  Autorität  als  um 
ihrer  schriftstellerischen  Leistungen  willen  kommen  sie  in  Betracht 
contra  JuUan.  lib.  H,  cap.  IX,  §  31,  T.  XIH,  675  A. 

4)  Ep.  CLXXVI  zu  vergleichen  mit  den  Anmerkung  2  citierten 
Stellen. 

5)  De  utilitate  credendi  cap.  XI,  §  28, 


AÜQUSTINISCHE  STUDIEN.    V. 

oder  weniger  deutlich  in  Auguatin's  Schriften  findet,  — 
Dieser  aber  lälst  sich  eine  zweite  gegenüberstellen. 

Alle  einzelnen  BiBcböfe,  mügen  sie  noch  so  bedeutend, 
mögen  sie  Märtyi-er  sein  (de  bapÜBmo  lib.  I,  cap.  XVIII, 
§  28;  lib.  II,  cap.  I,  §  2;  cap.  IV,  §  5;  cap.  X,  §  15), 
sind  fallibel ',  seibat  der  romische  *.  Keinem  Bischof  wäre 
beizustimmen,  wenn  er  etwas  gegen  „die  heilige  Schrift"' 
lehren  wurde.  Die  Traditionen  der  einzelnen  biscböfiichen 
Kirchen  sind  nicht  krafl  der  bischöflichen  Autorit&t  als 
apostolisch  verbürgt. 

Sollten  beide  Reihen  nicht  etwa  durch  einen  eingetrage- 
nen ,  sondern  durch  einen  von  dem  Verfasser  wirklich  ge- 
hegten Gedajiken  vereinbart  werden  können?  — 

Die  Bischöfe  sind  Repräsentanten  der  Kirche;  aber  nicht 
als  einzelne,  sondern  in  ihrer  Gesamtheit,  —  aber  auch 
nicht  in  ihrer  Gesamtheit  ohne  ihr  Zusammentreten  die 
Repräsentanten  der  einen  Kirche ,  deren  Eigenschaft  der 
Infallihilität  wir  imtersuchen,  —  könnte  man  etwa  si^en. 
Die  Bischöfe  lehren  iur  gewöhnlich  in  einzelnen,  räumlich 
getrennten  Kirchen;  ihre  empirischen  Traditionen  können 
möglicherweise  auseinandergehen.  Sind  sie  vielleicht  aus- 
zugleichen, wenn  die  Bischöfe  sich  vereinigen?  —  Ist  die 
Repräsentation,  die  höchste  Repräsentation  der  einen 
infallibelen  katholischen  Kirche  etwa  das  Konzil,  —  dieses 
also  selbst  infallibel?  — 

28.  Aber  der  Konzile  gicbt  es  viele:  man  unterscheidet 
Lokal-,  Provinzial-,  Regionär*-  und  Plenar '-Konzile. 
Die  Provinzialkonzile  haben  eine  gewisse  Autorität,  — 
sie  dürfen  z.  B.  die  Ansichten  einzelner  Bischöfe,  ihre 
mtindlichen   und   schriftlichen  Aufserungen   „tadeln"^;   dafa 


■     1)  De  baptismo  lib.  U,  cap.  III,  g  4.    Vgl    S.  169. 

8)  8.  oben  S.  leo. 

3)  SeriDO  XLVI,  cap.  X,  §  21.  De  unitute  cccl.  uap.  XI,  S  28. 
Quia  D c c  CKthoiicis  cpiscopis  consentieDitutn  est  sicubi  forto 
alluntur,  ut  contra  canonicas  Dei  Scripturas  aliquid  scntianl. 

L4)  8.  S.  1G9.  172. 
5)  S.  ebendaselbst. 
£)  de  b^ptismo  lib.  II,  cap.  III,  §  4  epitcoponim  autem  litetu 


168  REUTER; 

aber  der  VerÜEusser  ihnen  nicht   eine  unbedingte  (Autorität) 
zuerkenne^  hat  er  auf  das  unzweideutigste  dargel^  in  der 
charakteristischen  Kritik  ^  des  dritten  Konzils   zu  Karthago 
am  1.  Septembar  256   über  die  Ketzertaufe  (Lipsius, 
Chronologie  der  römischen  Bischöfe,  S.  216;  Otto  Ritschi, 
Cyprian  von  Karthago  und  die  Verfassung  der  Kirche  [Göt- 
tingen 1885],  S.  112.  163)  unter  Cyprian,   in  den  Urteilen, 
welche  er  über  diesen  selbst  fällt     Cyprian  hatte  die  Be- 
schlüsse des  die  Angelegenheit  der  lapsi  regelnden  Konzils 
zu  EArthago  (251)  ausdrücklich   auf  den  heiligen  Geist  zu- 
rückgeführt *,  also  vielleicht  (?)  auch  die   des  erstgenann- 
ten, —  auf  das  deutlichste  aber  das  Recht  der  Verneinung 
der  Gültigkeit  der  Ketzertaufe  durch  die  Berufung  auf  die 
consuetudo  darthun  zu  können  gemeint,  den  bezüglichen  Be- 
weis zu  liefern  gesucht,  —  schliefslich  jedoch  auf  die  noch 
höher  stehende  veritas  rekurriert  \  Augustin  dagegen  glaubte 
zeigen  zu  können,    dafs  das  Konzil    vom  Jahre   256  von 
dieser  letzteren  abgewichen  sei,  —  geirrt  habe  ^.     Indessen 
viel  wichtiger  ist  das  Allgemeine,  was  er  über  das  Synodal- 
institut  überhaupt   sagt     Provincial-    und   Regionarkonzile 
sind  keine  sicheren  Bürgen,  nicht  die  Stätten,  wo  das,  was 


^  —  et  per  sermonem  forte  sapientiorem  cujuslibet  (!)  in  ea  re  peritio- 

rla  et  per  allorum  epiacoporum  graviorem  auctoritatem et  per 

ooucilia  licere  reprehendi,  si  quid  in  eis  forte  a  „veritate**  de- 
viatum  est  etc.  —  De  unitate  eccl.  cap.  XI,  §  28  Fortsetzung  der 
8,  167,  Anm.  8  excerpierten  Stelle.    Sed  etc. 

l)  S.  Aurelii  Augustini  Responsa  ad  episcopos  in  concilio  sep- 
limo  Carthaginensi  suflfragantes  ex  libris  ejus  de  baptismo  VI  et  VII 
d«*uinU  Routh,  Reliquia  sacrae  Ed.  II  (Oxonii  1848),  vol.  V,  207. 

anläse,  Handbuch  der  Polemik  gegen  die  römisch-katholische 

Kin^he  (.dritte  Aufl.),  S.  17.  n-     Ä   r  a 

l^^  Cypr.  ep.  LXXIII,  §  13,  Hartel  219.  -  Die  Aufserung  des 
Ui.chofH  llonoratus  auf  dem  Konzil  -  K-thago  über  vent^  und 
muuotudo  bei  Augusün  de  baptismo  hb.  II,  cap^  IX,  §  ^2,  T.  M^^ 
U^.  >^  Übt^r  Cyprian  persönlich  s.  namentlich  ebd.  hb.  II  cap.  VII  . 

I  I»  VVYIT.  IJh   III   cao   II,  ^  3;  üb.  IV,  cap.  VI;  hb.  VI, 

i  lli;  vap.  AAAll;  HD.  lu,  cap.  aa,  >,     *      «.>   m   ^11   677 

4^  ao  b.pti..no  bb.  VI.  cai.   II.  §  3  cont« 
UK  n,  ««p.  XXXI,  §  89;  cap.  XXXU,  §  40.    i^P-  a^^. 


AüQüSTINISCHE  STUDIEN.    V.  169 

echte  apoBtolisclie  Lehrtradition  ist,  ohne  Irrung  auege- 
mittclt  werden  kann,  sondern  Versammlungen  derer,  welche 
dieselbe  zu  erkennen  suchen*.  Einzelne  Bischöfe,  von 
denen  jeder  für  eich  über  einen  gewissen  Punkt  unsiclier 
ist  *,  treten  hier  zusammen  in  der  Hoffnung  durch  gemein- 
same Beratungen  und  Unterredungen  diese  Unsicherheit  zu 
überwinden,  —  ein  Sicheres  zu  tinden  *.  Der  eine  sucht 
den  andern  zu  belehren ;  —  man  streitet  mit  einander,  man 
disputiert  *  zum  deutlichen  Beweise ,  data  keiner  die  Wahr- 
lieit  hat.  Endlich  kommt  es  zum  Beschlüsse  infolge  einer 
snfalligen  Majorität;  aber  eben  darum  folgt  daraus  nicht  im 
geringsten,  dafs  in  demselben  die  echte  apostolische  Tra- 
ktion ,  die  cathülica  veritas  deklariert  sei  ^.  Ein  Konzil 
dieser  Art  kann  neben  einem  anderen  Konzil  gleichzeitig 
tagen;  beide  können  Verschiedenes^  dekretieren,   nicht   um 

t  1)  de  baptiwno  lib.  II,  cap.  IV,  §  5;  cap.  IX,  §  14;  lib.  III, 
lIHf.  III,  §  5.    Noverat  enim  quaatam  BacraniGiiti  profunditatem  tuno 

fiiiliiii  Eccicaia  varia  diäputatione  veraabat,  liberumque  fauiebat 
H|nsereutli  arbitrium,  ut  eiamiiiata  veritaa  panderetur.  —  Cf.  de 
eceloBiae  cap.  XII,  §  31,  T.  XII,  454C.    Ha»  (ecdeBias)  cnim 

accepimus  dod  ci  conciliis  conteDdentiam  episcoporum  etc. 

2)  de  baptismo  lib.  II,  cap.  VII,  §  12.  Noodum  «rat  diligenter 
Ula  baptismi  quaestio  pcrtraclata  etc.  —  cf.  ib.  lib.  II,  cap.  III,  §  4; 
cap.  IV,  §  5.  Quomodo  potuit  lata  res  tautis  altercatiotiuin  nebuÜB 
involuta  ad  pleoarii  coacilii  luculeutam  illuBtratiunem  coiifirmatiunem- 
qne  pcrduci,  uisi  primo  diutius  per  orbis   terrarum   regiones   multia 

peitractaU  constarctl  —  lib-  IV,  cap.  VI,  g  8,  T,  XIII,  163D-F; 
Sb.  I,  cap.  VII,  §  9  contra  Cresconium  lib.  I,  cap.  XXXII,  §  38. 

3)  S.  Anm.  '2  und  S.  170,  Anm.  4. 

4)  de  baptismo  lib.  Ill,  eap.  IX,  ef.  lib.  I,  cap.  VII,  g  El ;  lib.  II, 
cap.  IV.  §  5.  —  Hier  plt  der  Sat«:  Nulla  (!!)  nos  certe  ancto- 
ritaa  delerret  a  quaorondo  verum  1.  I.  lib. HI,  cap.lH,  §5.— 
Oonebea  die  Aussage,  dafs  einem  EinKclocD,  einem  Ungelehrten  (auf 

KoiixilV)  etwas  „offenbart"  werden  könne,  de  baptinmo  lib.  II, 
rV,  §  5:  cap.  VIII,  §  13;  lib.  II,  cap.  III,  §4  (cf,  Cyprian. 
LXUI,  cap.  II,  p.702,  lin.  3  aed  quando  aliquid  Deo  inspirante 
et  Dtandante  praecipitiu:), 

5)  Dies  ergiebt  sich  ans  der  eben  angeführten  Stelle  de  baptismo 
lib.  II,  cap.  VllI,  g  13  und  cap.  IX,  §  14. 

6)  Ib.  üb,  I,  cap.  VII,  §  9,  T.  XII,  llOE. 


> 


Diu 

Lden 
■le^i. 
fMp.] 


170 


dabei  eadgühig  xa  Teriiarren;  aondeni  gende  der  Gedanke 
nmis  der  latende  8eiii  \  djds  das  Ddoetierte  durch  dasjenige 
▼erbeaaert  werden  könne,  was  auf  eansm  späJterea  festgesetzt 


werde.  Alle  Beschlüsse  eines  ProTiiizialkonzils  aber  wer 
den  emendiert '  durch  die  eines  concHigm  ,,plaEiariam^,  wie 
aelbst  Cyprian  *  in  theai  anerkannt  hat  Denn  ein  Teil  ist 
geringer  als  das  Ganze;  die  niedere  Autorität  mufs  der 
höheren  weichen.  —  Erst  durch  das  condlnun  plenarium 
wild  die  zeitweilig  vorhanden  gewesene  DLaharmonie  zwi- 
schen der  consu^udo  (emprisch^  Tradition)  und  der  (echten) 
Teritas  au^elöst*,  diese,  bis  dahin  in  t&uschender  Ver- 
hüllung verborgen,  wird  nun  enthüllt^,  was  bis  dahin  von 


1)  S.  Anm.  2. 

2)  de  bsptismo  Hb.  I,  cap,  VI,  §  9;  Üb.  HI,  cap.X,  §  U;  Ub.U, 
cap.  m,  §4. 

3)  1.  L  üb.  n,  cap.  Vra,  §  13,  T.  XU,  133;  Hb.  VI,  c^).  I, 
§  3,  ib.  208A;  IIb.  II,  cap.  IV,  §  5.  —  Cyprian  gcwäbrte  allen 
BiBchofen  das  gleiche  Recht  der  MeinungsaaTseniiig.  Darin  sollen 
wir  seine  Nachfolger  sein  ib.  lib.  V,  cap.  XVII,  §  23. 

4)  1.  L  lib.  II,  cap.  IX,  §  14.  Nondom  antem  factum  erat,  quis 
consuetudinis  robore  tencbator  orbis  terrarum  et  haec  sola  op- 
ponebatur  inducere  volentibos  novitatem,  quia  non  poterant  appreben- 
dere  yeritatem.  Postea  tarnen  dum  inter  multos  ex  utraque  parte 
tractatur  et  quaeritur,  non  solum  inventa  est,  sed  etiam  ad  plenarii 
concilii  auetoritatem  roburque  perducta  etc.  lib.  II,  cap.  III,  §  4; 
Üb.  III,  cap.  II,  §  2.  —  Ib.  lib  V,  cap.  XVII,  §  23,  T.  Xn,  196C: 
—  sicut  totius  orbis  Chnstiani  plenario  concilio  rationabilis  (!) 
consuetudo  firmata  est. 

5)  Die  „catholica  veritas"  ist  nach  Augustin  immer  „in  der 
Kirche"  und  doch  auch  nicht,  je  nachdem  das  Sein  gedacht  wird. 
Im  empirischen  Sinne  ,,i8t"  dieselbe  nicht  da  zu  allen  Zeiten  in 
der  (empirischen)  katholischen  Kirche,  sondern  nur  das,  was  man  für 
apostolische  Tradition  hält,  was  empirisch  betrachtet  das  auch 
wirklich  „ist"  (vgl.  Bd.  IV,  S.  219;  Bd.  VII,  S.214).  Im  ideellen 
Sinne  „ist"  die  catholica  veritas  immer  da,  aber  verborgen  unter 
dem,  was  für  apostolische  Tradition  erachtet  wird,  —  die  wahre  Tra- 
dition unerkennbar  gemischt  mit  falscher.  —  Die  katholische  ELirche 
hat  immer  die  catholica  veritas  nach  Mafsgabe  des  zweiten  Ge- 
dankens; sie  hat  sie  nicht  nach  Mafsgabe  des  erstcren,  —  sondern 
mufs  sie  erst  suchen,  indem  sie  kritisch  untersucht,  von  der  vorgeb- 
lich apostolischen  Tradition  die  echte  unterscheidet.    Man  wird  abo 


i 


AUQU9TIN18CHE  STODIEN.    V.  171 

Suchenden  nur  dunkel  erkannt  worden,  nunmelir  in  licKt- 
-oller  Weise  defiaiert '. 

Man  wird  mcht  in  Abrede  stellen   können,   dafs  diese 

■Deduktion,  an  katholischen  Prinzipien  gemessen,  einen  wider- 

l-^ruchalosen   Zusammenhang    der    Gedanken    biete.     Wäre 

■das  bisher   Dargestellte    das   Ganze    der    hierher   gehörigen 

pLehrc,    so   wäre   sie   deutlich   und    im   Hinbhck    auf  jenen 

Mafsatab  vielleicht  haltbar  zu  nennen.     Indessen  wir  kennen 

bis  jetzt  nur,    so  zu  sagen,   die  eine  Hälfte  derselben;   die 

andere    bringt    aber    eine    bedenkliche  Beleuchtung  dessen^ 

was  sich  uns  zunächst  als  das  Ganze   derjenigen  Theorie 

darstellt,   welche  auf  die  g  27    (Ende)   aufgeworfene  Frage 

scheint  antworten  zu  wollen  und  doch  nicht  *  ausschliefs- 

lich  auf  dieselbe  antwortet. 

29.  Es  fragt  sich  vor  allem,  von  welcher  Beschaffenheit 
das  Konzil  sei,  welches  von  unserem  Verfasser  als  „ple- 
narium "  bezeichnet  wird.  Es  gilt  ihm  augenscheinlich  als 
ein  zaldreicherea,  gewichtigeres,  als  eine  Versammlung  von 
noch  höherer  Autorität  als  die  aus  den  Bischöfen  einer 
Provinz,  mehrerer  Provinzen  berufene;  —  vgl.  die  Stellen 
de  baptismo  lib.  III,  cap.  II,  §  2,  Op.  T.  Xu,  140  nußo 
quidem  sive  plenario  sive  saltera  regionali  concilio  etc. 
ib.  Üb.  VII,  cap.  LIII,  §  102,  T.  XU,  258C;  ib.  lib.  I, 
cap.  VII,  §  9:  —  ut  diu  conciliorura  in  suis  quibusque 
regionibua  diversa  statuta  nutaverint  donec  plenario 
totius  orbis  concilio  quod  saluberrime  sentiebatur,  edam 
remotis  dubitationibus  firmaretur:  ex  Evangelio  profero 
certa  documenta ,  quibus  —  —  demonatro  etc.  Äu- 
gustin    neigte    also    damals,    als    er    diese    Worte    schrieb, 

lu  urteilen  haben,  die  catholica  veritaa  ici  die  Wahrheit  der  Tradi- 
tion, zu  finden  von  der  kathuliHchen  Kirche,  so  weit  sie  von  einem 
Konzile  (de  baptismo  ILb.  III,  cap.  IX,  S  12  Ende,  T.  XU,  145C) 
repräsentiert  wird,  b.  g  2Ü.  30.  —  de  baptismo  lib.  IV,  cap,  IV,  §  7. 
Hoc  pltme  verum  est,  qaia  ratio  et  veritas  consuetudint  praeponenda 
I  cum  conBuetudini  veritaa  Euffragatur:  nihil 
oportet  firmina  retiueri, 

1)  S.  die  vorige  Aninerkuug. 

2)  S.  S  30.  31. 


172  BEOTEB, 

dahin  y    conciliiim    regionale    und   conciliam   pknariam   za 
unterscheiden,  während  dag^;en  der  Torwi^ende  Usus  in 
Nordafirika   dazu   anleitete ,  gröbere  concilia  regionaria  als 
plenaria  zu  bezeichnend     Und  der  zeigt  seine  partielle 
Nachwirkung    auch    in    unseres    Autors    Sprachgebrauche. 
Kein  Konzil  wird  von  ihm  so  oit  genannt,  keins  so  enthu- 
siastisch (aus  leicht  b^reiflichen  Gründen)  so  verherrlicht 
als  das  zu  Arles  (314).     Er  bezeichnet  es  wiederholentlich 
als  plenarium,  aber  die  Zusätze  beweisen,  dafs   es   ihm 
über   denjenigen    steht,    welche    herkömmlich   so    genannt 
wurden.  Ich  citiere  die  Stellen  de  baptismo  lib.  V,  cap.  XVIIi 
§  23;  lib.  VII,  §  9  plenario  totius  orbis  concilio.     Es 
heifst  ib.  lib.  VIL,  cap.  LIQ,  §  102:  Sed  nobis   tutum   est 
in  ea  non  progredi  aliqua  temeritate  sententiae,  quae  nollo 
in    caiholico   regionali    concilio  coepta,  nullo  plenario 
terminata  sunt:  id  autem  fiducia  securae  vocis  asserere,  quod 
in  gubematione  Domini    —    universalis   Ecclesiae    con- 
sensione  roboratum  est  (Arelataner  Beschlufs).     Ep.  XLTTT, 
§  19,  T.  U,  128D:  restabat  adhuc  plenarium  Ecclesiae 
universae  condlium  (vgl.  §  20).     Hier  wird  ausdrücklich 
behauptet,  dort  sei  die  universa  Ecclesia  zu  Worte  ge- 
kommen; ebenso  de  baptismo  lib.  lU,  cap.  X,  §  14,  T.  XU, 
145  G:  Dicit  sane  de  hac  re  non  unum,  sed  duo  vel  amplius 
facta  concilia,  sed  tamen  Africana.     Nam   et  in    quodam 
septuaginta  et  unum  episcopos  fuisse  commemorat,   quorum 
omnium  auctoritati  universae  Ecclesiae  cum  longepluri- 
bus  episcopis   toto   orbe  diffusae  auctoritatem   non   dubi- 
tamus  cum  Cypriani  pace  anteponere.     Daneben   lesen    wir 
auch  universale  concilium  de  baptismo  lib.  11,   cap.  IX, 
§14    (nicht    in    immittelbarer  Beziehung    auf  Arles),    was 
doch  identisch  sein  mufs  mit  einem  plenarium   universae 
ecclesiae   totius   orbis    concilium.     Es   scheint    also   keinem 
Zweifel  zu   unterliegen,   dafs  auch  an  Stellen,   wo   die  Zu- 
sätze fehlen,  wo  nur  plenarium  concilium  gefunden  wird 


1)  Hcfele,  Konziliengeschichte  (zweite  Auflage),  Bd.  I,  S.  4- 
Bd.  II,  S.  203  und  Tübinger  theologische  Quartalschrift,  Jahrg.  1852, 
S.  406;  Paci,  Critica  ad  Baronium  ad  an.  314,  N.  19. 


k 


ADQCSTimsCHE  STUDIEK.    V.  175 

dieses  im  Sinne  von  universal,  ökumenisch  genommen 
nerden  könne.  Man  hätte  also  anzunehmen,  dafB  der 
Veriasaer  zwischen  einem  relativen  plenarium  coiicilium 
(welchen  nur  als  ein  besonders  zahlreich  besuchtes  Regionar- 
koQzi!  vorzustellen  wäre)  und  einem  abaoluten  im  Ge- 
lUnken  immer  unterschiede,  diesen  Unterschied  aber  nur 
auweilen  auch  in  Worten  ausprägte.  JedenfaUs  steht 
M  fest,  dafs  er  keine  noch  höhere  Instanz  kennt  als  das- 
jenige concihum  plenarium,  welches  er  durch  die  schon  er- 
«ihnten  Zusätze  ausdrückhch  auszeichnet  (vgl.  noch  de 
bapt  lib.  II,  cap.  IV,  §  5  universae  ecclesiae  concordiasima 
nctoritas). 

30.  Also  wäre  ein  solches  die  allerhöchste,  —  die 
wirkliche  Repräsentation  der  infalliblen  katholischen  Kirche, 
somit  selber  infallibcl.  Ein  infallibeles  Konzil  ist  aber  nicht 
n  „emendieren";  die  Beschlüsse  eines  solchen  müsBen  als 
definitive  gelten. 

Allein  dieser  Schlufs  wird  nicht  nur  nirgends  von  Au- 
gostin  gezogen,  sondern  das  reine  Gegenteil  würde  von  ihm 
ausgesagt  werden,  wenn  die  unterstrichenen  Worte  in  der 
Wiihmten  Steile  de  baptiamo  lib.  II,  cap.  III,  §  4,  T.  XII, 
IS7D:  et  ipsa  concilia,  quae  per  singulas  regionefl  vel  pro- 
TiDcias  Sunt,  plenariomm  conciliorum  auctoritati,  quae  Sunt 
K  universo  orbe  terrarum,  sine  ullis  ambagibua  cedere: 
ipsaqne  plenaria  saepe  (!)  priora  posterioribua 
emendari:  cum  aliquo  experimento  rerum  aperitur,  quod 
clausuni  erat  et  cognoscitur,  quod  latebat  von  den  ab- 
soluten Plenarkonzilien  zu  verstehen  wären.  Gegen  das 
Recht  dieses  Verständnisses  scheint  der  Umstand  zu  sprechen, 
daJfl  darin  die  Häufigkeit  der  Berufung  solcher  Versamm- 
langen vorausgesetzt,  von  denselben  wie  von  einer  erfah- 
rungsmäfsig  bekannten  Gewohnheit  gerodet  wird,  während 
doch  in  Wahrheit  der  Autor  kein  einziges  derartiges,  d.  i. 
ein  wirklich  absolutes  Plenarkonzil  (ökumenisches)  erlebt 
hat;  für  dasselbe  dies,  dafs  die  Worte  quae  Bunt  ex  uni- 
verso orbe  terrarum  unmittelbar  vorhergehen  und  darum 
in  dem  Satze  ipsaque  —  —  emendari  scheinen  ergänzt 
werden  zu  miiasen.     Geschiebt  das  aber,  so  ist  zu  urteilen, 


174  BBOTEB, 

dalfl  dann  das  ^^saepe''  nicht  allein  aufflülig,  sondern  ge- 
radezu unerklärUch  wird.  Im  en^egengesetzten  FaUe  in- 
dessen  bereitet  die  unvermeidliche  Annahme  des  rapiden 
Wechsels  9  der  plötzlichen  Einschränkung  des  Begriffs  oon- 
cilium  plenarium  eine  kaum  weniger  geringe  Schwierigkeii 
Hat  der  VerfiEusser  durchweg  an  concilia  plenaria 
totius  orbis  gedacht^  so  ergiebt  sich  die  Lehre,  dafs  die 
einander  folgenden  ökumenischen  Synoden  eine  kon- 
tinuierliche Fortschrittslinie  bilden,  sofern  die  spätere  die 
frühere  emendiert.  Gerade  sie  sind  die  Träger  einer  nicht 
blofs  scheinbareni  sondern  wirklichen  dogmengeschichtlichen 
Entwickelung.  Allerdings  ein  überaus  anziehender  Qedanke! 
Aber  ob  haltbar  im  Zusammenhange  des  katholischen  Sy- 
stems? —  Allerdings  in  einem  Falle,  wenn  man  nämlich 
annehmen  dürfte,  auf  einer  späteren  Synode  sollten  die  Be 
Schlüsse  der  früheren  nm*  ergänzt,  genauer  bestinmit  werden. 
So  ist  die  Stelle  wirklich  erklärt  worden  z.  B.  von  He  feie, 
Konziliengeschichte  (zweite  Auflage),  Bd.  I,  S.  57,  Anm.  1. 
Es  läfst  sich  nicht  leugnen,  dafs  dies  Unternehmen  durch  die 
Schlulsworte  cum  aliquo  experimento  rerum  aperitur,  quod 
clausum  erat,  et  cognoscitur,  quod  latebat  gerechtfertigt 
zu  werden  scheint  Erinnern  dieselben  doch  an  die  be- 
rühmte Stelle  Novum  Testamentum  in  Vetere  latet,  Vetus 
in  Novo  patet  (Diestel,  Geschichte  des  Alten  Testaments 
in  der  christlichen  Kirche  [Jena  1869],  S.  91,  Anm.  2G). 
Demnach  hätte  unser  Verfasser  die  Lehre  des  Vincentius^ 
bereits  völlig  anticipiert,  durch  die  Konzüe  werde  der 
Kirchenglaube  nicht  fortgebildet,  sondern  nur  (formell)  klarer 
exponiert,  was  unklarer,  substantiell  längst  vorhanden  war; 
nicht  ein  Fortschritt  der  Veränderung  finde  statt,  sondern 
ein  Fortschritt  der  Erhaltung.  Indessen  diese  Inter- 
pretation unserer  Stelle  ermittelt  schwerlich  den  echten  Ge- 
danken des  Autors.  Zu  Arelate  ist  die  catholica  veritas 
gefunden,  welche  die  vordem  zu  Karthago  gehaltenen 
Provinzial-  oder  Regionarversammlungen  vergebens  gesucht 
hatten.     Dort  wurde  die  genuine  katholische  traditio,  welche 


1)  Commomt.  ed.  Herxog  Vratislaviae  |839,  cap.  XXXU,  p.  40. 


ADGÜSTINlSCnE  STUDIEN. 


allerdings  in  der  Kirche  immer  vorhanden  war, 
sicher  erkannt,  aber  doch  nicht  in  der  Art 
dafs  daselbat  nur  näher  entwickelt  wäre,  was  hier  bereits 
unsicher  erkannt  worden,  ^  sondern  aufgehoben,  was  man 
früher  beschlossen  hatte.  Dieser  Hergang  der  Dinge  könnte 
nun  insofern  als  unanstöfsig  erscheinen,  als  das  Arelataner 
Konzil  eine  höhere  Inatanz  war  als  die  früheren  nord- 
afrikanischen Provinzialkonzile.  Aber  de  baptismo  üb.  HI, 
cap.  III,  §  4  wird  ja  erklärt,  dafs  „häufig"  frühere  Plenar- 
konzile  von  späteren  PlenarkonzUen  „emendiert"  werden. 
Diese  emendatio  raufa  doch  nach  Analogie  derjenigen 
(emendatio)  vorgestellt  werden,  welche  spätere  Plenaikonzile 
in  Beziehung  auf  Beschlüsse  früherer  Provinzialkonzile  voll- 
ziehen —  sonst  würde  in  dem  gesamten  Kontext  kein  ein- 
heitlicher Gedanke  sein  — ,  also  als  kritische  Kevision. 
Und  diese  ist  ohne  wenigstens  partielle  Verneinung  gar 
nicht  miiglich.  Kommt  es  aber  dazu,  so  wird  damit  die 
Infallibilität  der  früheren  Synode  erschüttert,  aber  auch  die 
der  späteren  bedroht;  denn  auch  ihr  kann  ja  eine  andere 
folgen.  Ja  diese  Succession  dauert  so  lange,  als  es  eine  ka- 
tholische Kirche  giebt!  —  Auch  die  ökumenischen  Ver- 
sammlungen obwohl  imstande,  Decrete  der  partikularen  ver- 
hältnismärsig  zu  zensieren,  sind  doch  keine  definitiven 
Zensoren,  sondern  auch  nur  „suchende".  Die  an  sich  in- 
fallihele  Kirche  zeigt  diese  Eigenschaft  in  einer  Reihe  von 
Dekreten,  von  denen  das  spätere  als  weniger  fallibel  er- 
scheint als  das  frühere,  aber  auch  das  späteste  nicht  ala 
intiallibel  gelten  darf.  Ja  niemand  kann  wissen,  ob  dem 
vorgeblich  „späteaton"  doch  nicht  noch  ein  anderes  folgen 
wird.  Nicht  allein  ist,  was  auf  diesem,  was  also  „zuletzt" 
beschlossen  worden,  allen  vorhergehenden  Generationen, 
welche  nur  die  älteren  Konzile  erlebt  haben,  „verborgen" 
geblieben,  sondern  auch  diejenigen,  welche  Zeitgenossen  des* 
jenigen  sind,  welches  sie  für  das  letzte  erachten,  müssen 
nach  Mafagabe  der  citierten  Stelle  darüber  ungowifs  bleiben, 
ob  nicht  von  einem  zukünftigen  (Konzil)  jenes  „emendiert" 
werden  wird,  was  das  letzte  als  cathoüca  veritas  kund  ge- 
macht hat  (aperuit  de  baptismo  üb.  lU,  cap.  IX,  §  12  vgl. 


175  ^B 

endlich  ^^H 

definiert,  ^^H 

er  bereits  t 


176  BEDTERy 

überhaupt  §  8 — 14).  Wäre  nun  nach  unseres  Ver&saen 
Meinung  die  von  dem  Universalkonzil  definierte  catholica 
veritas  dem  Dogma  gleichzuachten  und  die  Kenntnis 
nnd  Erkenntnis  des  letzteren  die  Bedingung  der  Teil- 
nahme an  dem  Besitz  der  ersteren,  somit  notwendig  zur 
Seligkeit:  so  würde  durch  alle  diese  Sätze  der  SchluTs  auf- 
genötigt, dafs  Tausende  und  Abertausende  derselben  ye^ 
lustig  gegangen,  ja  der  Verfasser  selbst  und  seine  Zeit- 
genossen inbezug  auf  dieselbe  unsicher  bleiben  mülsten. 

31.  Indessen  dieser  SchluTs  darf  nicht  von  uns  gezogen 
werden,  weil  Augustin  die  hypothesisch  gesetzte,  wie  uns 
schien,  berechtigte  Prämisse  nicht  nur  nicht  genehmigt,  son- 
dern dieselbe  sogar  (indirekt)  in  einer  beachtenswerten  Qe- 
dankenreihe  bestreitet  —  In  zahlreichen  Stellen,  in  welchen 
über  Cyprian's  Stellung  in  dem  Streite  über  die  Ketzertaofe 
gehandelt  und  dessen  (von  dem  Konzil  gebilligte)  Ansicht 
bestritten  wird,  spricht  er  sich  darüber  sehr  lobend  aus, 
dafs  dieser  Bischof  die  seinige  nicht  ^  für  die  absolut  iir- 
tumslose,  unbedingt  mafsgebende  erachtet,  —  Andersdenkende 
nicht*  für  Schismatiker  oder  Häretiker  erklärt  (Otto  Ritschi, 
Cyprian  von  Karthago,  S.  113),  sondern  als  Brüder  be- 
urteilt, den  Frieden,  das  Band  der  Liebe  bewahrt*,  ge- 
rade damit  sich  als  echten  Katholiken  erwiesen  habe. 
Und  doch  hat  er  die  catholica  veritas  nicht  besessen,  — 
nicht  weil  er  sie  geleugnet,  sondern  weil  er  sie  nicht  ge- 
kannt Häresie  ist  nicht  jede  Abweichung  von  dem  In- 
halte der  catholica  veritas,  sondern  von  der  von  der  ka- 
tholischen Kirche  autoritativ  kundgemachten,  der  Erkennt- 
nis enthüllten*,  —  beruht  auf  dem  bewufsten,   dauernden. 


1)  do  bapüsmo  Üb.  II,  cap.  IV,  §  5;  lib.  IV,  cap.  IV,  §  7. 

2)  l  l.  lib.  I,  cap.  XVIII,  §  27;  üb.  U,  cap.  IV,  §  6;  lib.  D, 
cap.  XXXIII,  §  41. 

a)  l  l.  Hb.  III,  cap.  I,  §  1 ;  lib.  VII,  cap.  I,  §  1. 

4)  l.  l.  IIb.  IV,  cap.  XVI,  §  23,  T.  XU,  173FG.  -  Es  ist 
schwor,  don  Ho^riiT  der  Häresie  zu  bestimmen.  Ep.  CCXXII,  §  2, 
T.  II,  IDUÖC.  Libor  do  haeresibus  Praef.  gegen  Ende.  Corporis  haere- 
Biologici  tom.  prim.  od.  Oehlcr,  Berol.  1856,  p.  194.  Quid  ergo 
fiiciat  haeretloiun,  regulär!  quadam  definitione  comprehendi  sicut  ego 


hartnäckigen  '  Wideratreben  wider  die  klar  erkannte 
"Wahrheit.  Cyprian  dagegen  war  willig  zum  Eikennen  der- 
selben, aber  er  gelangte  nicht  dazu.  Sein  Nichterkennen 
ist  nicht  gewesen  ein  Nicht-anerkennen-wollen ',  aUo  kein 
häretisches.  —  Ahnlich  hat  man  zu  urteilen  über  die  Aufse- 
rungen  derer,  welche  vor  Ausbruch  des  pelagianiachen 
Streits  die  Natur  der  Gnade  zu  bestimmen  versuchten.  Die 
älteren  Autoren  —  heifat  es  an  einer  Stelle '  — ,  welche 
von  dieser  jüngsten  Häresie  noch  nichts  wufsten,  hatten 
eben  deshalb  keine  Veranlassung,  keine  Verpflichtung  mit 
dieser  schwierigen  „Frage"  sich  zu  beschäftigen,  über  die- 
selbe in  präciser  Weise  zu  lehren.  Sie  haben  ihre  Ge- 
danken über  diesen  Punkt  nur  gelegentlich,  unbestimmt  an- 
gedeutet, weil  niemand  die  Lehre  der  Kirche  bestritt. 

Diese  Worte  sind  allerdings  nicht  ganz  iin zweideutig. 
Sie  können  aussagen  1)  dals  die  in  Rede  stehenden  Zeugen 
die  Kenntnis  der  catholica  veritas  gehabt,  sie  nur  nicht 
in  ihren  Schriften  ausgeprägt  haben;  aber  auch  2)  dafs 
ihnen  die  eratere  beziehungsweise  geraangelt  und  dämm  die 
schriftlichen  Darstellungen  mangelhatt  seien.  Dieses  (zweite) 
Verständnis  scheint  in  Betracht  der  Worte  „non  habuerunt 
necBsutatem  in  hac  difScili  ad  solvondum  quaestione  ver- 
Bsii"  vollzogen   werden    zu   müssen.     Geschieht   dies,   so 


exiatimo,  aut  omnino  Qon  potesl,  aut  üifficillime  potest.  —  contra 
Creacoiiium  DoDatiGtain  lib,  II,  cap.  III,  ^  4;  cap,  IV,  g  Ü;  cap.VIl, 
g  9.  —  Manche  ZeitgeDOssen  Augiistin's  halten  den  UiitiTBchied  des 
KathuücismuB  unA  Doualismu!)  für  einen  gleichgültigen:  iie  sagen, 
auf  beidea  Seiten  werde  dersolbe  Gott  verehrt.  Senno  XLVI ,  cap. 
VII,  §  15,  T.  VII,  233A. 

1)  Ep.  XLTII,  cap.  I,  %  I, 

2)  Ib,  §  I,  T.  II,  llöC,    de  baptiamo  lib,  IV,  cap.  XVI,  S  93. 

3)  de  praedestiiialioue  Sauctonim  cap,  XIV,  g  27.  Quid  igitur 
opus  est,  ut  eorum  scruteniur  opuscula ,  qui  prios  quiun  illa  haeresis 
oriretur  non  habuerunt  ncceiBitatem  in  hiic  difficili  ad  aohendnin 
[(uaestione  versnriV  quid  procul  dubio  faccreut,  si  reepondere  lalibus 
CDgercntur?  Uiide  factum  est,  ut  de  gratia  Dei  quid  sentirent,  brevi- 
ter  quibnsdam  MCi'iplorutn  suorum  locis  ''t  tranaeunte»  attingerenf  etc. 
contra  Julian,  lib,  II,  cap,  X,  S  34,  T.  Xlll,  CMD.  —  Klaaep,  Die 
Zntwickclung  dca  Pclagjauisuiu«,  S.  '14, 


178  IlSDTEBy 

ergiebt  sich,  dafs  der  Verfasser  (auch)  hier  den  Besitz  der 
catholica  veritas  nicht  bedingt  denkt  durch  den  Grad  der 
Klarheit  der  Erkenntnis ;  also  eine,  man  möchte  sagen,  par- 
tiell latente  Existenz  derselben  zugesteht  —  Somit  ist  in 
Erwägung  dieses  augustinischen  Gedankens  die  Unsicher- 
heit inbetreff  einer  definitiven  emendatio  für  den  Katholiken 
doch  nicht  so  quälend ,  als  wir  S.  175  glaubten  annehmen 
zu  müssen;  noch  viel  weniger  aber  in  Betracht  eines  an- 
deren. 

Wir  lesen  in  den  nämlichen  lib.  de  baptismo  den  be- 
rühmten Satz,  welcher  lehrt,  dafs  nicht  in  allen  Fällen  Kon- 
zilienbeschlüsse notwendig  seien,  wenn  man  das  wahrhaft 
Apostolische  erfahren  wolle.  ,,  Was  die  ganze  Kirche  ,hält^, 
wenn  es  auch  nicht  von  Konzilien  festgestellt,  das,  was  im- 
mer bewahrt  ist,  wird  als  apostolica  auctoritate  traditum 
geglaubt ''  heifst  es  de  baptismo  lib.  IV,  cap.  XIV,  §  31 
und  ebendaselbst  lib.  U,  cap.  VU,  §  12  „vieles,  was  nicht 
in  den  Schriften  der  Apostel  sich  findet,  auch  nicht  in  den 
Konzilien  der  späteren,  gilt  für  tradiert  von  den  Aposteln,  weil 
es  im  Bereich  der  ganzen  Kirche  beobachtet  wird'';  womit 
zu  vergleichen  ist  Ep.  LIV,  §  4,  T.  II,  154:  lila  autem,  quae 
non  scripta,  sed  tradita  custodimus,  quae  quidem  toto  ter- 
rarum  orbe  servantur,  datur  intelligi  vel  ab  ipsis  ApostoUs 
vel  plenariis  conciliis,  quorum  est  in  Ecclesia  saluberrima 
auctoritas,  commendata  atque  statuta  retineri  (wo  frei- 
lich von  rituellen  Dingen  die  Rede  ist).  —  Ja>  damals  als 
nach  dem  Erlafs  der  Epistola  tractoria  des  Zosimus  die 
Pelagianer  diesem  Richter  gegenüber  als  den  einzig  kom- 
petenten Richterrat  ein  Konzil  verlangten  ^  imd  eine  ganz 
neue  rationelle  Methode  erörterten,  wie  dasselbe  zusammen- 


1)  S.  die  UrkuDde  Aug.  Op.  Bassani  1797,  T.  XVH,  2733  G. 
certa  sit  sanctltas  vestra  nos  ad  audientiam  pleuarii  synodi  provo- 
care.  Julian  ap.  Augustin.  Opus  imperf.  lib.  II,  cap.  X.  Walch 
a.  a.  0.  Bd.  IV,  S.  680,  §  35—37  {cl  lib.  I,  cap.  X,  §  34:  Nee 
608  —  —  incertae  sunt).  Kl  äsen,  Die  innere  Entwickelung  des 
Pelagianismus.  Beitrag  zur  Dogmengeschicbte  (Freiburg  i.  Br.), 
S.  67. 


AUliUSTlKISCHE  STUDIEN,    V. 

gesetzt  und  eingerichtet  werdea  müsse  ' :  remonstrierte  Au- 
gustin aut'  das  heftigste  nicht  allein  gegen  diesen  unerhörten 
Wahhnodus,  sondern  gegen  das  Zusammen tretea  eines  aol- 
chen überhaupt.  Die  Ansicht,  dafs  eine  Häresie  nur  durch 
„ein  Konzil"  gerichtet  werden  könne,  ist  gr  und  verkehrt ; 
eine  Versammlung  dieser  Art  wird  nur  „selten",  in  Fällen 
berui'en  *,  wo  Zweifel  (inbezug  auf  die  catliolica  veritaa) 
zu  losen  sind.  Die  Lehre  der  Pelagianer  aber  hat  sich 
selbst  als  eine  evidente  Häresie  dem  sensus  catholicus  offen- 
bart: sie  würden  und  werden  nicht  durch  ein  episkopales 
oder  rationales  Gericht,  sondern  durch  das  ganze  Denken 
und  Leben  der  katholischen  Kirche  in  Vergangenheit  und 
Gegenwart,  —  durch  das  gesamte  katholische  Volk  ver- 
urteilt *.  Und  begehrt  man  durchaus  einen  io  ausdrück- 
lichen Worten  abstimmenden  Richterrat,  hat  sich  derselbe 
nicht  bereilB  konstituiert,  allgeniciaer  als  der  irgendwelcher 
(„allgemeinen")  Synode?  —  Wollte  man  alle  diejenigen, 
welche  den  Pelagiaiiismus  richten,  den  Augustinisnius  für 
Kirchenlehre  erklären,  versamraoln,  —  wo  wäre  ein  Lokal 
zu  finden,  welches  diese  Zahl  fassen  könuie  *.  —  Die  De- 
klaration der  catholicft  veritaa  inbezug  auf  die  hier  vor- 
aisgesetzten  Lehren  ist  bereits  erfolgt,  aber  nicht  durch 
Akte  des  synodalen  Instituts.  — 

32.  Kehren  wir  nach  dieser  unvermeidlichen  Digression 
mit  bereicherter  Kenntnis  des  Quellenmaterials  zu  der 
Stelle  zurück,  welche  uns  S.  173  beschäftigt  hat:  so  ist  klar, 

1)  3.  die  vorige  Anmerkuag.    Klaaeo  a.  a.  0. 

2)  contra  duas  epiatol.  Pelag.  lib.  IV,  cap.  XII,  §34,  Op.  T.XIU, 
610,  Aut  vero  c.'ijgTcgaUone  ayDixli  opus  erat,  ut  aperta  pemiciea 
iloninaretur :  quasi  nulla  bacresiB  aliquonüo  iiisi  aycodi  coogrcgatione 
daumata  Bit,  cum  potius  rariasima  inveniaiitur,  propter  quas  dam- 
naadas  necesaitas  talis  cxBtiti'rit  etc.  —  Nicht  jede  Frage  soll  so- 
fort auf  ciuem  Uiuverxulkoiizil  (.'riedigt  werticii,  de  baptismo  lib.  11, 
cap.  IV,  §  5,  T.  Xli,  128HC.  —  Gewisse  Diflereiizeti  können  un- 
beschadet der  katholischeti  Einheit  in  der  Kirche  geduldet  werdeu, 
conira  Faustum  lib   XI,  cap.  11,  T.  X,  iölE, 

3)  Vgl.  oben  &i,  IV,  S.   2:i  und  41  dieser  Zeitschrift.    Contra 

ra.  Üb.  II.  cap    X.  «  34.  35.  30. 
1)  contra  JuUau.  üb.  II,  iiap.  X,  §  37,  T.  XIU,  Ü82Aß. 


180  a£üT£Ry 

dafs  sie  als  einzelne  von  uns  in  aufserordentlicher  Weise 
überschätzt  worden.  Durch  andere  sind  wir  belehrt, 
a)  dafs  das  KonzÜ  durchaus  nicht  das  einzige,  nicht  das 
unbedingt  notwendige  Organ  sei,  durch  welches  die  ca- 
tholica  veritas  liir  die  Erkenntnis  erschlossen  werde;  wei- 
ter b)  dafs  die  letztere  durchaus  nicht  durch  ein  solches, 
nicht  durch  eine  Reihe  solcher  in  allen  Fällen  feierlich 
verkündigt  werden  müsse^  wenn  sie  Autorität  gewinnen  solle, 
sondern  dafs  c)  an  manchen  Stellen  die  Vorstellung  sich 
finde,  das  echt  Apostolische  verkündige  sich  selbst  durch 
die  thatsächliche  Universahtät  —  also  in  formloser 
Weise  — ,  die  catholica  veritas^  nicht  der  Deklaration  durch 
ein  Konzil  bedürftig,  leuchte  allen  Katholiken  von  selbst 
ein. 

Dals  diese  mit  derjenigen,  welche  der  VerÜEisser  de 
baptismo  lib.  U,  cap.  lU,  §  4  darlegt,  nicht  übereinstimmt, 
ist  ebenso  evident  als  der  Satz,  dafs  (empirische)  Thatsache 
und  Elritik  einander  ausschlieisen.  Dort  lehrt  der  Autor, 
die  catholica  veritas  sei  nicht  zu  suchen,  -  sie  fisJle  mit 
der  faktischen  Tradition  zusammen,  werde  dem  sensus 
catholicus  unmittelbar  erkennbar;  hier  und  in  den  schon 
oben  S.  170  berücksichtigten  nahezu  gleichlautenden  Aus- 
sagen, heifst  es,  diese  und  jene  sei  verschieden,  das  Faktische 
nicht  das  Wahre.  Nun  haben  wir  um  so  weniger  das 
Recht,  die  berühmte  so  eben  wieder  citierte  Stelle,  welche 
den  Gedanken  von  den  Konzilien  als  den  notwendigen  He- 
beln des  Fortschritts  des  Erkennens  ausspricht,  einseitig  zu 
bevorzugen,  als  Augustin  nirgends  anderswo  diesen  Ge- 
danken mit  solcher  Präcision  wiederholt  hat. 

Ich  kann  denselben  schlechterdings  nicht  für  einen  prin- 
zipalen, nicht  für  den  fundamentalen  halten,  auf  welcher 
man  eine  systematische  Theorie  von  den  Konzilien  auf 
zubauen  versuchen  müsse.  Das  würde  gar  nicht  gelingen 
wenn  nicht  die  Mittel  einer  verkehrten  Harmonistik  ange 
wandt  werden  sollten.  Aber  dies  Unternehmen  überhaupi 
wäre  nichts  weniger  als  seinem  Sinn  entsprechend.  Dem 
dieser  Schriftsteller,  welchen  zu  verstehen  hier  unsere  ein- 
zige Aufgabe  ist,  hat  —  wie  seine  divergierenden  Gedanken 


AUGDSTINISCHE  STUDIEN,    V. 


181  I 

Ausdruck  ] 


die  sogar  in  der  nämlichen  Sciirift '  zum 
kommen,  zeigen  —  gar  nicht  das  BediirlhiB  gehabt,  eine 
Theorie  der  bezeichneten  Art  zu  entwickeln ;  vielmehr  haben 
ihn  Opportunitätariieksichten  geleitet,  als  er  die  Worte  de 
baptismo  IIb.  II,  cap.  III,  §  4  schrieb:  ihm  kam  ea  darauf. 
an,  die  —  ihm  peinliche  —  Autorität  des  von  den  Dona- 
tiaten  30  hoch  gefeierton  Konzils  zu  Karthago  unter  Cy- 
prian  durch  eine  überraschende  Digreaaion  zu  brechen,  nicht 
Paragraphen  eines  Lehrbuchs  des  Kirchenrechte  zu  for- 
muUeren. 

33.  Erwägen  wir  diea  und  das  §  ai  Erörterte,  so  tritt 
die  ganze  Konzilsfrage  in  ein  neues  Licht  Wir  hatten 
§  28 — 30  angefangen  zu  untersuchen,  wo  die  allerhöchste 
Repräsentation  der  infalhbelen  katholischen  Kirche  zu 
finden.  Jetzt  hat  sich  uns  ergeben,  dafs  Konzile  in  ihren 
verschiedenen  Graden,  selbst  absolute  Plenarkonzile  (öku- 
menische) in  seinem  Sinne  wohl  als  unter  Umständen  zweck- 
mäfsige  Repräsentationen  gelten,  —  kein  einziges  aber 
als  die  Repräsention,  —  ata  definitive  Autorität,  als  ab- 
solut erforderlich,  als  zweifellos  infallibeH  bezeichnet  wer- 
den dürfe.  Die  Frage  nach  eben  dieser,  also  die  Frage, 
welche  wir  §  27  (Ende)  meinten  erheben  zu  müssen, 
hat  ihn  eben  gar  nicht  als  systematischen  Kirchen- 
rechtslehrer beschäftigt,  —  sondern  mir  insoweit  als  die 
Zeitverhältnisse  dazu  veranlatsten.  Da  diese  sich  veränder- 
ten, so  veränderten  sich  auch  die  Antworten,  wie  die  augen- 
acheinljchcn  Widersprüche  zeigen.  —  Wie,  von  wem  das 
Konzil  zu   berufen  * ,   wie   es   zusammengesetzt   sein   müsse, 


1)  de  bnptismo  lib.  II,  cap.  VIl,  §  12. 

2)  1.  I. 

3)  Epist.  LXXXIV,  §  4.  Sed  haec  (unmittelbar  vorher  in  9  3 
iet  Ton  dem  Judidiim  cpUcopalr  apud  Arclatum  datum  die  Rede 
gewesen)  hitmniia  jodicia  deputentur  et  circumveniri  ac  fiilli  vel 
etiam  comimpi  dicanfur  (allerdings  —  in  erster  Linie  —  von  den 
Donatisten;  aber  der  Satz  bleibt  desnen  ungeachtet  ein  merk- 
würdiger). 

i)  Er  bemerkt  ganz  unbefaiigco  contra  epistol.  PannGDiani  lib.  I, 
c^,  V,  g  10,  T.  XII,  33B  Cef.  Epiat  XLIU,  cap.  V,  g  14  BrCTic. 


18S  BEUTSRi 

wenn  man  et  für  ein  rechtm&biges   halten   solle  \  ob  die 
Dekrete  desselben  in  rieh  gültig,   ob  und  von  wem  ne  n 
bestätigen   seien  —  ob  Papst?  ob  Konzil?  '  — ,   über  alk 
diese  Dinge  hat  er   rieh   nicht   ernstlich,    nicht  in  der 
skrupulösen  Weise  wie  die  Liberalen  im   15.   Jahrhond^ 
den  Kopf  zerbrochen;  —  keine  alle  Fälle  regelnden  SStze 
aufgestellt^  —  aufstellen  wollen,  —  können.    Dazu  fehl- 
ten in  seiner  Theologie  die  unveräufserlichen  Vorbedingungen, 
nämlich    a)    eine    klare    in    rieh    harmonische    definitive 
Lehre  über  das  Verhältnis  von  catholica  veritas   zur   tra- 
ditio (was  wir  oben  S.  170   erörtert  haben,   ist   nicht  eine 
solche,  sondern  —  wie  rieh  uns  ergeben  hat  —  eine  ge- 
legentlich g^bene  Auskunft,  eine  Lösung  der  Schwierig- 
keit, welche  er  in  gewissen  Zeiten  für  eine  glückliche  er- 
achten mochte,  von  der  er  aber  bei  anderen  Oelegenheiten 
wieder   gänzlich    absah) ,   weiter   b)   eine   widerspruchslose 
Theorie  über  das  Verhältnis  der  mündlichen  Überlieferung 
zur  heiligen   Schrift     Dafs  eine  solche  bei  ihm  nicht 
zu  finden,  mufs  ich  hier  als  bewiesen  voraussetzen  '  und  mich 
begnügen  an  die  berühmten  Stellen  ^  zu  erinnern ,   welche, 
als  einzelne  betrachtet,    die  heilige   Schrift  als  die  einzige 


collat.  cam  Donat.  coli,  tertii  diei  cap.  Xu,  §  24,  T.  XII,  711 EF, 
Ep.  LXXXIX,  §  3),  dafs  das  Konzil  in  Rom  von  Konstantin  berufen 
worden. 

1)  Betrachtungen  darüber  können  ja  ebenso  wenig  wie  über  die 
rechte  Methode  der  Reformation  der  Kirche  im  voraus,  lediglich  theo- 
retisch angestellt  werden,  sondern  nur  in  thatsächlichen  gegen- 
wärtigen oder  eben  erlebten  Zuständen  der  Not.  Augustin  kannte 
diese  aus  eigener  Erfahrung  nicht.  Die  nicenische  Synode  war  eine 
längst  geheiligte  Autorität.  Wie  er  über  die  Konstantinopolitanische 
dachte,  wissen  wir  nicht,  da  er  sie  gänzlich  ignoriert  (Bd.  V,  S.  377 
dieser  Zeitschrift).  Das  wirkliche  Zusammentreten  der  Ephesiner  hat 
er  nicht  mehr  erlebt  (ebd.  S.  3G0).  Wie  hätte  er  daher  dazu  kom- 
men können,  über  den  im  Text  erwähnten  Punkt  sich  auszusprechen? 

2)  S.  oben  S.  158. 

3)  Dorn  er,    Augustinus,   S.  237;    Schmidt,   Jahrbücher    für 

deutsche  Theologie,  Bd.  VI,  S.  23G. 

4)  Z  B.  Ep.  LXXXII,  §  3,  T.  U,  252 AB  contra  Cresconium 
Donat.  lib.  I,  cap   XXXIII,  §  39.    de  natura  et  g.  c.  LXI,  §  71. 


ACQCSTINISCHE  STUDtEN.    V.  188 

absolute  Norm  bezeichnen,  welcher  alles,  selbst  die  der 
mündlicben  Tradition  der  Kirche  weichen  müsse,  me  an 
jene  anderen,  welche  die  Autorität  der  letzteren  feiern. 

Ohne  Zweifel  hat  er  den  Glauben  an  diese,  an  die 
Infallibilität  derselben  ß;ehabt,  aber  niemals  eine  dem  ent- 
sprechende dialektische,  vollständige  Lehre  entwickelt.  Der 
Episkopat,  der  römische  Episkopat,  der  Episkopat  und  der 
riimiscbe  Episkopat  (Bischöfe  und'  sedes  apostolica),  dos 
Konzil  sind  Formen  fnicht  die  Formen)  ihrer  Autorität, 
ihrer  vornnsgesetzten  Infallibilität.  Diese  Gröfsen  werden 
alle  bisweilen  neben  einander  genannt,  bald  in  der  Art  er- 
wähnt, dafs  die  eine  höher  geschätzt  zu  werden  scheint  als 
die  andere  *.  Es  wird  aber  auch  von  allen  diesen  abge- 
lehen:  die  Autorität  der  Kirche  gebraucht  Formen,  ge- 
braucht sie  aber  auch  nicht;  sie  bedient  sich  gewisser  an- 
staltlicher Organe,  —  aber  kein  einziges  ist  das  Organ. 
Die  Tradition  und  die  cathohca  veritas  gelten  einerseits 
als  verschieden,  —  diese  wird  als  die  (ideelle)  Wahrheit 
jener  angesehen;  anderseits  erscheint  die  (empirische)  Tra- 
dition als  das  laute,  freie  und  doch  autoritative  Gesamt- 
Bekenntnis  der  katholischen  Christen  °,  dieses  als  die  nicht 
▼erborgen e ,    der    Untersuchung    nicht    bedürftige,    sondern 

(  offenbare  catholica  veritas.  — 

34.  Indessen  es  ist  Zeit,  dafs  ich  diesen  Artikel  schliefse. 

fc&  ist  länger  geworden,   als  ich  dachte,   als    ich    denselben 

[ftnszuarbeiten    begann.     Und    doch    habe    ich    im   Interesse 
er  Zeitschrift  in  §  32  und  33  manches  kürzen,   ja  dem 

I Drucke   vorläufig   entziehen   müssen,    was   bereits  von   mir 


1)  Ep.  CXC.  cap.  VI,  §  22,  T.  II,  921  B;  Ep.  CLXXXVI,  §  3 
1  SAem  TCra   et  catholica   tenet  aemper  Eccicaia.     Ep.  LXXXIX, 

)  S.  oben  g  2?,  S.  153 ;  g  24,  S.   158. 

8)  de  btiptismo  lib,  II,  cap.  V,  §6,  T.XU,  12fiF.     contra  Juliiui. 

.  I,  cap.  VII,  8  32;  IIb.  II.  cnp.  X,  g  3H;  —  quamvis  propitio  Deo 

B  hac  fiele,  cui  contradkitU,  catholica  santiin  sapiat  multitudo. 

.,  T.  XIII,  «38.    Vgl.  oben  §  18,  S.  136,  Anm.  2,  wo  gecagt 

iTs  die  Häretiker  teils  durch   die  Volksstimme  teils   durch 

B  Terdammt  seien. 


I 


184  SEUTERy 

konzipiert  worden  ist.  Es  soll  in  der  von  mir  beabdch- 
tigten  Überarbeitung  sämtlicber  Stadien,  welche  als  selb- 
ständiges Buch  erscheinen  werden,  nachgetragen,  das  Man- 
gelnde nach  Mafsgabe  meiner  Kraft  ergänzt  werden.  — 
Somit  bleibt  mir  nur  übrig,  die  Hauptresultate  dieser 
Studie  zu  formulieren. 

a)  Die  Voraussetzung  der  Lehre  Augustinus  von  dem 
Episkopat  ist  zwar  die  Cyprian's,  —  aber^  so  zu  sagen,  die 
Stimmung  beider  Lehren  ist  nicht  gleichartig.  Diese  Un- 
gleichartigkeit  erklärt  sich  teils  aus  der  Verschiedenheit  der 
Verhältnisse,  unter  denen  beide  lebten  Bd.  VII ,  S.  200  bis 
203,  teils  aus  der  Dififerenz  der  Naturen.  Augustin  war 
kein  Eirchenpolitiker  S.  202.  256. 

b)  Das  Hierarchisch -Episkopalistische,  was  die  —  we- 
nigstens vorherrschende  Ansicht  Cjprian's  charakterisiert, 
ist  von  Augustin  erheblich  ermäfsigt,  die  Vorstellung  von 
der  göttlichen  Stiftung  des  Episkopats,  von  dem  Rechte,  d^ 
Kirchen  regier  ung  nirgends  ausdrücklich  betont,  ebd. 
S.  203—207.  213.  248,  überhaupt  die  Bedeutung  desselben 
für  die  Kirche  nicht  in  dem  Mafse  gewürdigt,  wie  von  Cy- 
prian,  ebd.  S.  249—256. 

c)  Nirgends  wird  die  Unterwerfung  unter  den  Bischof 
als  Bedingung  der  Gliedschaft  an  der  Kii-che  in  den  Vorder- 
grund gerückt  Ebd.  S.  207—209.  Die  „Mittlerschaft" 
der  Bischöfe  nirgends  deutlich  gelehrt,  sogar  an  manchen 
Stellen  (Bd.  IV,  S.  210)  ausdrücklich  geleugnet. 

d)  Der  Unterschied  zwischen  Klerus  und  Laien  wird 
nicht  nur  nicht  geschärft,  sondern  abgeschwächt,  ja  hier 
und  da  ignoriert,  die  Idee  des  allgemeinen  Priestertums 
mehrfach  in  ergreifender  Weise  verkündigt,  ebd.  S.  207 — 211; 
der  Apostel  Petrus  als  Repräsentant  und  Typus  (figura) 
der  Christen  im  ganzen  (jhne  Rücksicht  auf  den  Unter- 
schied des  Klerus  und  der  Laien  angeschen,  Bd.  VII,  S.  252; 
Bd.  Vm,  §  25,  S.  160.  161. 

e)  Es  finden  sich  Aussagen  über  das  Verhältnis  des 
Amts  zu  der  persönlichen  Beschaffenheit  des  Amtsträgers, 
welche  den  Donatismus  streifen  (Bd.  VII,  S.  215 — 218)  im 
Widerspruche   mit  jenen   anderen,    welche    schon    Bd.  IV, 


APGüSTINISCHE  STUDIEN.    V.  186 

S.  211  gewürdigt  wurden,  —  Die  Differenzen  erklären  sich 

aus  dem   doppelten  Kirchenbegriffe   Bd.  VII,   S.    216   (vgl. 
Bd.  IV,  S.  219.  221.  233.  235). 

f)  Die  Lehre  von  dem  Sacraraentum  ordinia  (Bd.  VII, 
S.  231 — 242),   welche  Augustin   begründet   hat,   ist   nicht 

I  durch  hierarchische  Interessen,  nicht  durch  irgendwelche 
I  dogmatische  Kupidität  motiviert,  sondern  durch  die  Tenden«, 
donalistische  KonBequenzen  (welche  —  merkwürdig  genug  — 
in  einer  Stellenreihe  bei  Cyprian  vorbereitet  sind,  S.  219 
bis  225}  abzuschneiden,  tür  den  KathoUciBmua  unBchädlich 
zu  machen,  —  durch  Opportunitätsrücksichten,  S.  229.  243. 
Sie  ist  zumal  bei  Vergleicliung  anderer  augustin ischen 
Lehren  eine  diBharmomsche  zu  nennen  (Bd.  VH,  S.  242). 

Es  läfat  sich  keine  Stelle  bei  Augustin  ausmitteln,  welche 
bewiese,  dafs  die  Lehre  von  dem  Sacramentum  ordinis  von 
ihm  selbst  zur  Steigerung  der  priesterlichen  Würden  im 
Unterschiede  von  dem  Stande  der  Laien  verwendet  worden, 
ebd.  Ö.  247. 

g)  Augustin  hat  höchst  wahrscheinlich  keinen  der  gleich- 
zeitigen römischen  Bischöfe  gekannt.  Auch  der  briefliche 
Verkehr  war  kein  lebhafter,  Bd.  VIII,  S.   124  f. 

h)  Alle  Bischöfe  als  Nachfolger  der  Apostel,  Bd.  VII, 
S.  249,  als  Inhaber  der  sedea  apostolicae,  gelten  im  grofsen 
und  ganzen  als  koordiniert.  Ebd.  ö.  251;  Bd.  VIII,  S.  162, 
Anm.  a.  —  Petrus  wud  betrachtet  als  Repräsentant  der  ein- 
ander gleichstehenden  Apostel,  Bd.  VII,  S.  253,  der  pa- 
Btores  boni,  Bd.  VIII,  §  19,  S.   139. 

i)  Nichtsdeatoweiiiger  nennt  Augustin  denselben  wieder- 
holt den  ersten  der  Apostel  und  schreibt  dem  römischen 
Bischof  als  dessen  Nachfolger,  als  Inhaber  der  sedes  apo- 
Btolica,  Bd.  VIII,  §  18,  S.  134,  im  Interesse  der  Einheit 
der  Kirche,  ebd.  §  19,  S.  138,  eine  relative  höhere  Au- 
torität nach  Rang  und  Macht  zu,  ebd.  §  18,  S.    13G. 

k)  Der  Umfang  der  Jurisdiktion  wii-d  aber  nicht  sicher 
beschrieben,  wie  denn  überhaupt  Augustin  für  kirchenrccht- 
liche  Dingo  ein  nur  geringes  Interesse  zeigt.  Ebd,  §  19, 
S.  139. 

1)  Die  sedes  apostohca  in  Rom  gilt   ihm   als   eine  ange- 


186  REüTEEy 

sehene  Trägerin  der  kirchlichen  Lehrtradition  (§21.  22) 
Es  küiinuen  Stellen  vor,  in  welchen  ilu'  Inl'allibilität,  die 
höchste  Entscheidung  in  Lehrstreitigkeiten  ihi-  scheint  zuge- 
schrieben werden  zu  sollen.  Ja  einzelne  Sätze,  in  dieser 
Einzelheit  festgehalten,  unbefangen,  ohne  Eintragung  erklärt, 
sprechen  die  Anerkennung  des  Rechts  der  letzteren  wirklich 
aus,  §  16,  S.  129,  §  24  namentlich  S.  155—159. 

m)  Dieselben  können  aber  nicht  als  Beweise  dafür  gel- 
ten, dafe  Augustin  die  Lehre  von  der  Infallibilität  vertrete^ 
weil  anders  lautende  ganz  unzweideutige  Erklärungen  den- 
selben entgegenstehen,  Bd.  VIII,  §  20.  21,  S.  146.  Sogar 
der  Apostel  Petrus  ist  fallibel  in  Lehre  und  Leben  ge- 
wesen, Bd.  Vin,  §  25,  S.  159. 

Der  Versuch  einer  Apologie  des  römischen  Bischofs  Zo- 
simus  zeigt  bei  richtiger  Würdigung,  dafs  Augustin  weder 
der  römischen  Eai*che  noch  viel  weniger  dem  römischen 
Bischöfe  Infallibilität  zuei-teilt  Ebd.  §  22,  S.  146,  §  25, 
S.  159. 

n)  Der  Satz  de  baptismo  lib.  11,  cap.  HI,  §  4,  in  wel- 
chem das  emendari  des  früheren  Konzils  durch  das  spätei^ 
ausgesagt  wird,  mit  den  Prinzipien  des  Katholicismus  nicht 
vereinbar,  ist  von  Augustin  nicht  mit  Bewufstsein  als  ein 
prinzipieller,  allgemeiner  ausgesprochen,  sondern  aus  Oppor- 
tunitjltsrücksichten  zu  erklären,  Bd.  VIII,  §  28,  S.  167, 
g  30,  S.  173;  §  31,  S.  176. 

0)  Die  Idee  der  Infallibilität  der  Kirche  gehört  zu  Au- 
ßustiu's  vulgär-katholischen,  in  seinem  katholischen  Glauben 
wurxehulon  Grundvoraussetzungen.  Sie  ist  von  ihm  nirgends 
unmittelbar,  nii-gends  ausdrücklich  dargelegt,  dogmatisch 
ei'örtort  \  S.  181.  183. 

\A  Schon  darum,  aber  auch  aus  anderen  Gründen  konnte 
or  das  HiHUlrfnia  nicht  haben,  eine  erschöpfende  präcise 
Doktrin  über  die  Kopräsentation  der  (der  Voraussetzung 
nach)  int'allibolou  Kirche  auseinanderzusetzen,  §  32. 

{\)   Der    Kpiskopat    und    die    ri<mische    sedes  apostolica, 

1)  Woahrtlb  uiohtV  —  darüber  getlenke  ich  später  (s.  §  34  zu 
Anfang")  mich  su  üuf^oru. 


AroDsmnscHE  Studien,  v.  187 

sämtliche  relativ  koordinierte  sedes  apostolicae,  das  rcktive, 
das  absolute  Plenarbonzil  gelten  als  Repräsentationen  der 
(infallibelen)  Kirche;  aber  keine  dieser  Gröfsen  bildet,  nicht 
alle  zusatamengenomnien  bilden  die  (infallibele)  Repräsen- 
tation der  (infallibelen)  Kirche  (g  33,  S.  181).  Diese  htit 
kein  unbedingt  sicheres,  sie  u  n  zweifelhaft  reprSsentiereDdes 
anstaltliches  Organ,  ebd.  S.  181. 

r)  Die  Begriffe  traditio  (conauetudo)  und  (catholica)  veri- 
tas,  welche  in  Cjprians  Lehre  beziehungsweise  neheneinander- 
standen,  sind  auch  von  Äugiistin  nicht  mit  Pt^tsion  aus- 
geglichen, ebd.  §  33. 

[Göttingen  im  Hai  1686.] 


Das  WOrttembei^isdie  Konkordat  von  1857. 


Von 

Dr.  Bnnz. 


I. 

Herr  Kanzler^  Staatsrat  Dr.  v.  Rümelin  hat  in  seinen 
9,  Reden  und  Aufsätzen '^  1881  nach  dem  Ableben  seines 
einstigen  Nachfolgers  als  Departementschef  des  Kultus^ 
Dr.  V.  Golther,  einen  ,, Aufsatz"  veröffentlicht  „Zur  katho- 
liscben  Kirchenfrage".  Hier  stellt  er  eine  Behauptung  auf, 
WfJoho  von  den  Lesern  wohl  einfach  als  richtig  hingenommen 
wird,  weil  nicht  leicht  einer  sich  die  Mühe  einer  eingehen- 
den Voi'gloichung  der  Konvention  und  der  Gesetze  geben 
wird»  und  es  auch  hier  gilt,  was  Rümelin  von  seinen  Mo- 
tiven «ur  Konventionsvorlage  sagt:  „Ich  bin  nicht  einmal 
»ichcr,  ob  mein  mühsames  Werk  auch  nur  irgendein  Mensch 
durchgi^losen  hat."  Er  selbst  unterläfst  es,  „auf  ein  Detail 
tnnnugohon,  welches  die  Leser,  die  ich  im  Auge  habe,  er- 
müden müfste." 

Wenn  Rümelin  die  Dreiteilung  der  Golther'schen  Schrift 
„Der  Staat  und  die  katholische  Kirche  im  Königreich 
Württtnnborg"  bezeichnet  als  Hegersche  Trilogie,  so  könnte 
wohl  (lolther  nicht  unschwer  diese  formelle  Charakterisierung 
iu  uuitoriollor  Hinsicht  zurückgeben,  indem  in  der  ganzen 
Ht^haniUung  der  Konkordatssaclie  bis  in  die  letzte  Abhand- 
l\iug  horab  oin  Hauch  Ilegerscher  Philosophie  zu  verspüren 
und  (larauH  numehcs  zu  erklären  ist. 

Dit^  Hehauptung  Rümelin's,  welche  hier  gemeint  ist,  geht 
«lalün,  dafa  das  württembergische  Gesetz,  „betreffend  die  Re- 


BlINZ,  DAS  WCKTTEMBERGISCHE  KONKORDAT.  IBÜ 

gelang  des  Verhältnisses  der  Statitegewalt  zur  katholischen 
Kirche"  von  1862  nichts  anderes  sei,  als  die  Konvention 
mit  Rom  von  1857  (ti.  207  u,  a.}. 

Die  Richtigkeit  dieser  Behauptung  kann  bei  Vergleiehung 
von  Konvention  und  Gesetz  nicht  besteben,  was  im  Verlauf 
naclizu weisen  ist,  ebenso  wenig  wie  die  Voraussetzung  Rli- 
mehn's,  als  ob  die  Konvention  vor  Konflikten  mit  Rom  be- 
wahrt bätte.  Im  Gegenteil  wird  nachgewiesen  werden,  wie 
gerade  die  Konvention  Konflikte  in  ihrem  Schofse  barg. 

Kümelin  behauptet,  wenn  man  die  Konvention  im  ein- 
zelnen mit  dem  Gesetz  vergleiche,  so  werde  man  finden, 
„dafs  sie  sich  in  allen  Hauptpunkten,  Zug  für  Zug,  Artikel  zu 
Artikel  entsprechen"  (S.  209),  Ferner  versichert  er,  die 
Regierung  habe,  um  den  Inhalt  zu  retten,  nur  die  Form 
verändert  (S.  208),  das  Gesetz  sei  nui-  die  Fortsetzung 
der  Konvention  gewesen  (S.  207).  Wenn  obige  Behaup- 
tungen wahr  sind,  warum  wurde  denn  das  Gesetz  nicht 
von  den  gleichen  Abgeordneten  angenommen,  welche  für 
die  Konvention  stimmten?  Die  letztere  wurde  mit  63  ge- 
gen 27  Stimmen  abgelehnt,  die  Kircli  enge  setze  mit  67  ge- 
gen 13  Stimmen  angenommen.  Allerdings  hat  die  Regie- 
rung seibat  in  der  von  Golther  unterzeichneten  Erklärung 
an  Kardinal  Staatssekretär  AntoncUI  vom  12.  Januar  1861 
unter  anderem  erklärt:  „Was  jedoch  den  Inhalt  des  neuen 
Gesetzentwurfs  betrifft,  so  ist  es  die  Absicht  der  kgl.  Regie- 
rung, dafs  die  Regelung  der  einschlägigen  VerbältniBse  nach 
Mafsgabe  der  in  der  i'rüheren  Konvention  enthaltenen  Di- 
rektiven herbeizuführen  gesucht  und  dafs  der  materielle  In- 
halt der  früheren  Konvention  der  beabsichtigten  neuen 
Staatsgesetzgebung  zugrunde  gelegt  werde",  eine  Erklärung, 
auf  die  sich  natürlich  Rümelin  besonders  stützt  (S.  208  f) 
und  die  sich  auch  sehr  eigentümlich  ausnimmt  Die  Regie- 
rung hat  zwar  hinzugesetzt,  „unbeschadet  der  Rechte  und 
Interessen  des  Staats  und  der  in  demselben  befindlichen 
andern  Konfessionen",  allein  diese  Stelle  für  sich  genommen, 
rechtfertigt  doch  die  Darstellung,  als  ob  es  der  Regierung 
nur  darum  zu  thuu  gewesen  sei,  die  Form   zu  ändern,  um 


190  BUKZy 

urteilen;  die  Regierung  habe  in  ihrem  Schreiben  die  Form 
der  Kurie  gegenüber  retten  wollen,  um  den  Inhalt  der  Be- 
stimmungen ändern  zu  können.  Denn  das  wird  eben  die 
nachfolgende  Vergleichung  zeigen,  dafs  der  Inhalt  der  frü- 
heren Konvention  den  Qesetzen  jedenfalls  nicht  insofern  za- 
grunde liegt,  dafs  derselbe  materiell  identisch  wäre.  Weim 
obige  Erklärung  der  Kurie  g^enüber  abgegeben  wurde,  so 
konmit  es  sehr  darauf  an,  was  es  heilst:  der  materielle  In- 
halt der  Konvention  soll  der  neuen  Qesetzgebung  zugrunde 
gelegt  werden.  Wir  werden  sehen,  dafs  es  nicht  in  dem 
Sinn  der  Identität  beider  geschah. 


7> 


Württemberg  *  wurde  bekanntlich  erst  1803  ein  pari- 
tätischer Staat  und  die  Religionsedikte  von  1803  und  1806 
bezogen  sich  zunächst  nur  auf  die  persönliche  Gewissens- 
freiheit und  Gleichheit  vor  dem  Gesetz.  Zur  Wahrung  der 
Souveränitätsrechte  gegenüber  der  katholischen  Kirche  wurde 
1806  der  „geistliche  Rat"  eingesetzt,  der  1816  den  Namen 
katholischer  Kirchenrat"  erhielt.  Durch  diesen  wurde  1808 
der  Interkalarfond  errichtet  und  die  Pfarrkonkurs-Prüfungen 
eingeführt.  Eine  Übereinkunft  mit  Rom  scheiterte  nach 
ofiiziellem  Grunde  an  dem  Befehl  Napoleons,  dafs  Baiem 
imd  Württemberg  zusammen  unter  seinen  Augen  mit  Rom 
paktieren  sollten.  Die  plötzliche  Erklänmg  des  Kardinals 
della  Genga,  die  Verhandlungen  abzubrechen,  läfst  aber 
auch  fiir  die  Deutung  Raum,  Rom  sei  die  Übereinkunft 
nicht  zweckentsprechend  erschienen.     Hatte  doch   die   latei- 


1)  Für  die  nachfolgende  einleitende  geschichtliche  Übersicht  ist 
die  hier  zugruude  gelegte  Darstellung  von  Golther  zu  vergleichen 
(Der  Staat  und  die  katholische  Kirche  im  Königreich  Württembergi 
Stuttgart  1874,  S.  29—159);  für  die  ersten  Konkordatsverhandlungen 
Mejer,  Zur  Geschichte  der  römisch  -  deutschen  Frage  I  (Rostock 
1871),  259—280;  II,  2  (1873),  165 ff.  215 ff.;  als  Quelle  vergleiche  z.  B. 
württembergisches  Regierungsblatt;  s.  aufserdem  Ho  facker,  Das 
TTÜi'ttembergische  Konkordat  u.  s.  w. 


DAS  WÜRTTEMBERGISCHE  KONKORDAT.         191 

nisclie  „Übersetzung"  scIiod  wesentliche  Änderungen  des 
fraüzösischcn  Textes  vorgenommen.  Dieser  Latte  überall 
die  Konvention  aul'  die  „katholische"  Kirche  eingeschränkt. 
Der  Nuntius  Uefa  dies  in  dei'  Übersetzung  weg  und  suchte 
überhaupt  dem  kanonischen  Recht  Geltung  zu  verschaffen. 
Dies  ist  aber  auch  durch  spätere  unfruchtbare  Verhandlungen 
nicht  geschehen.  König  Friedrich  hat  die  Ordnung  der 
Verhältnisse  der  kathoHschen  Kirche  in  seine  Hand  genom- 
men und  ist  in  josefinischem  Geiste  autokratisch  zu  Werk 
gegangen,  ohne  aber  die  definitive  Organisation  zu  erleben. 
Doch  hat  ihm  Pius  VII.  das  Zeugnis  ausgestellt:  „Au- 
gustiasimum  Würtembergiae  Kegem,  qui  in  illam  aubditonun 
auorum  partem  valde  propensus  atque  ita  animo  coniparatus 
est,  ut  roedia  Catholicis  omnia  subministrare  studeat  ad  hoc, 
ut  tranquille  et  coramodius  quam  profitentur  religionem 
exercere  valeant." 

König  Wilhelm  setzle  die  Bemühungen  um  Ordnung  der 
katholisch  kirchlichen  Verhältnisse  fort.  Es  ist  aber  für 
unsern  Zweck  nicht  erforderlich ,  die  bekannten  Erfolge  in 
Errichtung  eines  inländischen  Bistums  und  Ileianbildung  der 
kathohschen  Geistlichkeit  histoiisch  näher  vorzuiühren.  Wäh- 
i-end  Pius  VII.  im  April  1817  den  Wunach  aussprach,  „der 
König  werde  durch  einen  Gesandten  Unterhandlungen  zu 
einer  Übereinkunft  mit  Rom  anknüpfen",  suchte  sich  dieser 
zunächst  mit  anderen  deutschen -Regierungen  in  Verbindung 
zu  setzen. 

Das  wai"  sicher  der  richtige  Weg,  nachdem  einmal  der 
Versuch,  eine  deutsche  Nationalldrche  zu  errichten,  auf  dem 
Wiener  Kongrcaae  gescheitert  war.  Noch  auf  der  Frankfurter 
Konferenz,  die  am  24.  März  1818  eroiTnet  wurde,  ist  frei- 
lich von  dem  Ziel  einer  deutaclicn  Nationalkirche  geredet 
worden;  noch  ward  die  Hoffnung  featgebaltcn ,  dafs  wenig- 
stens die  dort  verb'etenen  Regierungen  zusammenstehen  und 
dasjenige  vorkehren  würden,  „was  die  Würde  der  deutschen 
Nation  imd  die  Freiheit  der  deutsch-kathohschen  Kirche  er- 
fordert, welche  von  den  Regierungen  der  einzelnen  Bundes- 
staaten bei  dem  päpsthchen  StuJile  nach  gleichen  Grund- 
aützea  gciueinauui  vertreten,  diesem  wieder  als  deutscKe  ^&^ 


192  BUNZy 

tionalkirche  erscheinen  wird''  K  Wenn  es  auch  zu  der  von 
den  verbündeten  Regierungen  beabsichtigten  VereinbaruDg 
mit  Rom  nicht  kam^  so  gab  doch  das  Fondationsinstnunent 
vom  14.  Mai  1828  und  die  Verordnung  vom  30.  Januar 
1830  für  Württemberg  den  Grundsätzen  [der  Frankfurt 
Deklaration  Ausdruck  und  ordnete  die  kirchlichen  Verhält- 
nisse auf  Gbnmd  der  dortigen  Vereinbarungen  als  gemein- 
schaftliche Sache  der  Regierungen.  Im  Fundationsinstrument, 
wie  auch  in  der  Verordnung  „sind  die  Eigenschaften,  die 
zur  Wahl  eines  Bischofs  oder  Mitglieds  des  Domkapitels 
notwendig  sind",  festgesetzt  Es  kann  gewils  nur  eine 
Forderung  der  Gerechtigkeit  sein,  wenn  bestimmt  wird,  dafi 
zum  Bischof  nur  ein  Deutscher  von  Geburt  gewählt  werden 
könne,  der  wenigstens  Büi^r  des  Staates  ist,  in  welchem 
sich  der  erledigte  Bischofssitz  befindet,  und  wenn  es  dann 
weiter  heifst:  „Nebst  den  vorgeschriebenen  kanonischen 
Eigenschaften  ist  erforderlich,  dafs  derselbe  entweder  die 
Seelsorge,  ein  akademisches  Lehramt  oder  sonst  eine  öffent- 
liche Stelle  mit  Verdienst  und  Auszeichnung  verwaltet  habe, 
sowie  auch  der  inländischen  Staats-  und  Kü'chenverfiELSsung, 
der  Gesetze  und  Einrichtungen  kundig  sei."  „Zu  Dom- 
kapitularstellen  können  nur  Diözesangeistliche  gelangen, 
welche  Priester,  dreifsig  Jahre  alt  und  tadellosen  Wandels 
sind,  vorzügliche  theologische  Kenntnisse  besitzen,  entweder 
die  Seelsorge  oder  ein  akademisches  Lehramt  oder  sonst 
eine  öffentliche  Stelle  mit  Auszeichnung  verwaltet  haben, 
und  mit  der  Landesverfassung  genau  bekannt  sind/*  Die 
VckTurduung  von  1830  hat  auch  mit  wenigen  Ausnahmen 
kinuo  Einschränkung  der  verfassungsmäfsigen  Autonomie  der 
Kiivho  \i\  iniioivn  Angelegenheiten  enthalten  *.  Dafs  Diözesan- 
nymnion  nur  mit  Genehmigung  des  Landesherm  zusammen- 
btunitVni  und  im  Beisein  landesherrlicher  Kommissarien  ge- 
haltou    weniou    köimen    (§  18),    ebenso   Provinzialsynoden, 


1)  Kri>ft\iuugHrtHlo  doa  Vorsitzenden,  württembergischen  Ministers 
.von  Wmi^nihoim.    Uolther,  S.  51. 

2)  Mmi  vt^rgloioht)  dan  viell<^icht  vorsichtiger  gefafste  UrteU  G Gi- 
lberts, a  U5-UKK  Anm,  der  Bedaktian, 


ÜAS  WÜBTTEMBEROISCHE  KONKORDAT.        193 

(§  9)  ist  wohl  ZU  weitgebend,  ebenso  wenn  zu  allen  kirch- 
lichen Verordnungen  ausdrückllcb  die  ätaatsbewilligung  ver- 
langt wird  (§  4). 

Das  in  §  4  und  5  festgestellte  landesherrliclie  Placet 
wallte  subcin  183U  der  ständische  AusBcbufs  als  zu  weit 
ausgedehnt  beanstanden.  In  der  That  Würde  §  5  '  eine 
ungerechtfertigte  Beschränkung  der  kirclilichen  Autonomie 
enthalten,  wenn  er  so  zu  verstehen  wäre,  als  ob  in  jedem 
einzelnen  Fall  die  Erlaubnis  eingeholt  wei*den  müfste,  wenn 
irgendeine  päpstliche  Verordnung  angewendet  werden  wollte, 
als  ob  dem  Staat  das  Hecht  beigelegt  wäre,  durch  eigene 
Verordnungen  Kirchensatzuugen  selbst  in  G taube nssachen 
aufzuheben.  Allein  schon  1830  und  iti'i'i  erklärte  der 
königliche  Geheimrat,  dafs  es  sich  nur  uin  Genehmigung 
früherer  päpstÜcher  Verordnungen  handle ,  welche  bisher 
nicht  im  Gebrauch  waren,  und  ebenso,  dafs  sich  das  Recht 
der  Staatsgewalt,  bisher  schon  geduldete  oder  ibrmlich  ge- 
nehmigte kirchliche  Verordnungen  aufzuheben,  keineswegs 
auf  Glaubenslehren  und  wesentliche  Rehgiona handln ii gen  be- 
ziehe, sondern  nur  auf  solche,  die  mit  dem  tilaatszwecke  in 
Widerspruch  stehen.  Darin,  dafs  kein  tridentinisches  Ijeminaj-, 
sondern  katholisch  theologische  Lehranstalten  und  Fakul- 
täten der  Landesuni versität  in  Aussicht  gestellt  shid  (§  2ö) 
und  die  Prüflingen  von  den  Staats-  und  bischoflichen  Be- 
hörden gemeinschaftlich  vorgenommen  werden  sollen  (§  27. 
29),  kann  man  unbefangen  keinen  KingrifT  in  die  Autonomie, 
wohl  aber  in  die  Autoki'atie  der  Kirche  erbhcken.  Der 
Staat  raufs  jedenfalls  eine  Garantie  für  die  Erziehung  und 
Ausbildung  der  Kleriker  haben,    und  wenn    er  nun    so    viel 


I)  „Alle  römischen  H «Heu,  Brevcn  und  sonstigen  ErlaBse  müsBen, 
ehe  sie  kund  gemacht  und  in  Anwendung  gebracht  wei-den,  die  laiides- 
berrliche  Geuehmigong  erhalten,  und  seibat  für  augenominüne  Bullen 
dauert  ihre  verbindende  Kraft  und  ihre  üültigke        a  laug       als 

nicht  im  Stiate   durch   neue  Verordnungen   etwns   aud  g  fuhrt 

wird.    Die  Staatsgeiiehmiguiig  ist  aber  nicht  nur  für  all  rb  h 

den  päpstlichen  Bullen  und  Konatitutiuneii  erford    11  d  m  au  h 

für  alle   früheren   päpstlichen  Anordnungen,   sobald   du     n  P  b    üb 
gemacht  werden  will." 


194  BÜNZy 

Eintracht  voraussetast;  dals  Staatsbehörde  und  Bischof  mit 
einander  zu  dem  einen  Ziel  tüchtig  gebildeter  Örtlicher 
sich  vereinigen  können^  so  liegt  der  Fehler  nicht  am  Staat 
Auch  die  Mitaufsicht  des  Staats  über  die  Kirchenpfründen 
und  einzelne  kirchliche  Fonds  ist  gewifs  nur  heilsam^  wenn 
ausdrücklich  bestimmt  ist;  dals  sie  dazu  dienen  muls,  dals 
diese  in  ihrer  Vollständigkeit  erhalten  und  auf  keine  Weise 
zu  andern  als  katholisch  kirchlichen  Zwecken  verwendet 
werden  können  (§  38). 

Dagegen  sagt  die  Verordnung:  ;,Der  Staat  gewährt  dem 
Geistlichen  jede  zur  Erfüllung  ihrer  Berufsgeschäfte  erforder- 
liche gesetzliche  Unterstützung  und  schützt  sie  in  dem  Ge- 
nuTs  der  ihrer  Amtswürde  gebührenden  Achtung  und  Aus- 
zeicnnung^'  (§  35).  Überhaupt  ist  von  einem  feindseligen 
oder  nur  mifsgünstigen  Sinne  g^en  die  katholische  Kirche 
so  wenig  die  RedC;  dals  gerade  die  Thaten,  vor  allem  der 
württembergischen  Regierung;  von  unverhohlenem  Wohlwollen 
und  Fürsorge  für  die  katholische  Kirche  sprechen.  Wir 
rechnen  dahin  ^  namentlich  auch  die  unablässige  Bemühung 
zur  Ordnung  der  äufseren  Angelegenheiten  ^  besonders  des 
Bistums  im  Einverständnis  mit  der  Kurie ;  die  reichliche 
Dotation  der  Kirche,  die  Uberale  Fürsorge  fiir  alle  ihre  Be- 
dürfnisse; besonders  aber  die  umfassenden  Einrichtungen  für 
Heranbildung  der  Kleriker,  welche  nur  mit  erheblichen 
Opfern  aus  Staatsmitteln  bewerksteUigt  werden  konnten; 
Einrichtungen;  welche  Bischof  Keller  1839  selbst  als  „herr- 
liche Institutionen"  bezeichnete.  Wenn  also  noch  Wünsche 
in  der  oben  bezeichneten  Richtung  übrig  geblieben;  so  hätten 
die  Regierungen  nicht  blofs  kraft  der  von  der  Kirche  heilig 
zu  haltenden  göttlich  auferlegten  Pflicht  des  Gehorsams  und 
der  Ehrerbietung  gegen  die  Obrigkeit,  sondern  auch  auf 
Grund  ihres  eigenen  Entgegenkommens  mit  allem  Recht 
erwarten  können,  dals  die  Bischöfe  diese  Wünsche  in  einer 
passenden  Form  angebracht  hätten. 

Zu  den  oben  bezeichneten  hatten  etwa  noch  konmien 
können    die   Verleihung    der   Pfründen,    welche    von  König 


1)  Vgl.  Golther,  S.  95. 


DAS  Wt'RTTEMBERGISCHE  KONKORDAT.  195 

Friedrich  als  landesheiTlicheB  Patronat  in  Anspruch  genom- 
nien  wurde,  eine  etwas  gröfeere  Ausdehnung  der  bischöf- 
lichen Disziplinargewalt,  welche  übrigens  184i  von  König 
"Wilhelm  bereitwillig  gewährt  wurde,  eine  entsprechendere 
Featstellung  des  Ehereclits,  welches  in  den  ehemals  vorder- 
Saterreichischcn  Landesteilen  die  Ehesachen  ausschlief sl ich 
den  bürgerlichen  Gerichten  unterwarf,  und  nach  welchem 
überhaupt  der  katholische  Pfarrer  gezwungen  war,  ein  Ehe- 
paar zu  trauen,  auch  wenn  es  nicht  katholische  Einder- 
erziehung vereprach. 

Auch  ein  gröfserer  Einflufs  des  Bischofs  auf  die  Heran- 
bildung der  Theolügen  hätte  hillige  Wünsche  noch  nicht 
überschritten.  Allein  dem  römischen  Standpunkt  war  und 
bt  es  um  die  Herrschaft  des  kanunischen  Rechts  d.  h.  um 
die  Herrschaft  de«  Papsttums  über  Staat  und 
Kirche  samt  Ketzern  zu  thun.  Diese  aber  zu  er- 
langen, ist  nicht  ohne  Kampf  möglich,  und  so  wurde  zuerst 
innerhalb  des  Klerus  jene  echt  religiöse,  nationale  Richtung 
unterdrückt,  wie  in  Deutschland  das  traurige  Schicksal  des 
edlen  Wessenberg  bezeugt.     Dann  ging  es  gegen  den  Staat. 

Die  verbündeten  Regierungen  der  oherrheiuisclien  Kirchen- 
provinz  hatten  in  der  Bulle  „Ad  dominici  gregis  custodiam" 
ausdrücklich  die  Weglassung  der  Art.  5  und  6  verlangt 
nnd,  als  dies  nicht  geschah,  förmlich  gegen  dieselben  prote- 
stiert und  erklärt,  dafs  sie  diese  Artikel  niemals  anerkennen 
werden.  Auch  wurde  diese  Bulle  mit  der  verwandten  „Pro- 
■rida  Bolersque"  im  „Regierungsblatt"  veröffentlicht  mit  der 
bestimmten  Erkläning,  dafs  sie  angenommen  worden  seien, 
„insoweit  solche  die  Bildung  der  oberrheinischen  Kirchen- 
provinz" u.  B.  w.  (überhaupt  die  aufserc  Organisation)  „zum 
Gegenstand  haben",  „ohne  dafs  Jedoch  aus  denselben  auf 
irgendeine  Weise  etwas  abgeleitet  werden  könnte,  was  un- 
seren Hoheitsrechten  schaden  oder  ihnen  Eintrag  tbun  möchte, 
oder  den  Landesgesetzen  und  Regierungsverordnungen,  den 
erzbischöflichen  und  bischöflichen  Rechten,  oder  den  Rechten 
der  evangelischen  Konfession  und  Kirche  entgegen  wäre"'. 

11  Golther.  S.  86f. 


196  ᚁZy 

Art  5  verlangt  nämlich  bischöfliche  Seminarien  ad  formam 
Decretomm  Sacri  Concilii  Tridentini  und  Art  6,  dafs  die 
Bischöfe  pleno  jure  Episcopalem  Jurisdictionen!  exercebimt, 
quae  juxta  Canones  nunc  vigentes  et  nraesentem  Ecclesiae 
disciplinam  eisdem  competit. 

Unter  Gregor  XVI.  begann  wieder  die  unbedingte  Herr- 
schaft  der    Jesuiten.      Derselbe    wollte   gegen    Deutschland 
überhaupt  vorgehen.     Er  begann   in  Hannover^   wo   er  ab- 
gewiesen wurde,  und  in  Preulsen,  wo  sich  der  Streit  fort- 
spann bis  in   den  Regierungswechsel  hinein.     Gleicherweise 
erklärte  Gregor  XVI.  in  einer  Note  an  die  oberrheinischen 
R^erungen  vom  5.  Oktober  1833 ,  dals  dieselben  die  mit 
Ron^  eingegangenen  Stipulationen  verletzt  haben,  und  pro- 
testiert  gegen    alle   nach    der   genannten   Bulle    erlassenen 
landesherrlichen  Verordnungen.     PreuTsen  hatte  1838  durch 
seinen    Bundestagsgesandten    die    übiigen     protestantischen 
Staaten  zu  Konfei*enzen  aufgefordert,  um  über   die  Mittel 
zur  Abwehr  gegen  Rom  zu  beraten,  aber  vergebens.     Dies 
war  der  Kurie   vollständig  bekannt.    König  Wilhelm  hatte 
auf  seiner  itaUenischen  Reise  mit  Rom  zugunsten  Preulsens 
verhandeln  wollen,   aber  auch  der   östeiTeichische  Gesandte 
stand  aufseiten  der  Kurie.     Damals  fiel  wieder  eine  jener 
Aufsenmgen,  welche  die  Geringschätzung  und  Feindseligkeit 
der  mafsgebenden    römischen  Kreise   gegen    die  Deutschen 
überhaupt  schon  so  verschiedene  Male  dokumentierten,  indem 
der   Kapuzinergeneral    sagte:    „Die    Deutschen    sind    zwar 
gründlich,    aber    aus    dem  Grund    verderbt"     Nun   wurde 
vorwärts  gedrängt,   offen  durch  ein  Schreiben  des  Papstes 
vom   29.  November  1839,   worin   er  die  Bischöfe   ermahnt, 
auf  die   Beseitigung  der  Verordnuugen  hinzuwirken,   unter 
der  Hand  durch  ein  gewaltiges  Treiben,  von  dem  auch  der 
sanftmütige,  friedliebende,   im  josefinischen  Geiste   gebildete 
Bischof  Keller   von   Rottenburg   fortgerissen    wurde.      Noch 
1839  hatte  er  in  der  Kammer  sich   in   der  mildesten  Form 
über  die  Verordnung  von  1830  ausgesprochen.     Er  bekennt 
sich   zuerst   durchdrungen   von    daakbaren   Gefühlen  gegen 
„die  herrlichen  Institutionen,  die  wir  durch  die  hochsinnige 
Intention  des  Protektors  unserer  Kirche  geschaffen  sehen". 


DAS  WfRTTEMREllGlSCriE  KONKOKDAT.  197 

Er  wagte  von  der  Verordnung  von  1830  nur  scliüchtem  zu 
sagen,  dafs  sie  „allei-dings  nicht  olmc  Gel'ahr  einer  Verletzung 
der  Autonomie  der  Kirche  zu  sein  scheint". 

In  den  Gnesen -Posen 'sehen  Streit  und  die  Kölner  Wirren 
in  Preufson,  wo  der  Staat  sich  endlich  angeschickt  hatte, 
energisch  vorzugehen,  aber  bereits  in  der  Kabinetts  ordre  vom 
28.  Januar  1838  wiederum  zurückgewichen  war,  fipl  der 
Thronwecliael  von  1840.  Unter  dem  wohlmeinenden,  ro- 
mantiBchcn  König  Friedrich  Wilhelm  IV.  ergab  sich  der 
Staat  halb  unbewulat  der  konsequent  vorwärtsgehenden 
Kurie. 

In  Württemberg  schien  der  greise  Bischof  Keller  der 
Kurie  nicht  geeignet.  Er  wurde  im  Oktober  1841  nach 
Mimchen  zum  Nuntius  berufen,  der  ihn  zum  freiwilligen 
Rücktritt  aufforderte,  aber  vergebens.  Er  scheint  sich  eher 
bereit  gezeigt  zu  haben,  seiner  Natur  imd  seiner  Vergangen- 
heit zuwider  vorgehen  zu  wollen.  So  trat  er  in  der  Kammer 
der  Abgeordneten  am  8.  November  1841  plötzlich  mit  einer 
Motion  hervor:  „Seine  K.  M.  zu  bitten,  (üv  die  Aufrecht- 
erhaJtung  der  durch  die  württembergische  Verfassungs Urkunde 
zugesicherten  Autonomie  der  katholischen  Kirche  die  geeig- 
neten Mafaregeln  —  zur  Erhaltung  des  Kirchen- 
friedens (!)  —  treffen  zu  wollen."  Er  fafst  seine  For- 
derungen in  Besc  h  werde  p  un  kte ,  welche  wegen  ihrer  nega- 
tiven Form  nicht  klar  darlegen,  was  verlangt  wird,  und  ao 
mehr  einer  Klage  über  Verfolgung,  als  einem  Wunsch  nach 
Vei-ständigung  nahe  kommen.  Die  Kirche,  indem  sie 
sich  anschickt,  den  Kampf  heraufzubeschwören, 
stellt  sich  als  dieschon  bekämpfte,  als  die  ver- 
folgte dar.  Die  BtaatsrechtUche  Kommission  der  Kammer 
wies  den  Bischof  darauf  hin,  begründete  Anträge  an 
die  Regierung  zu  bringen,  welche  denselben  die 
gehiirige  Berücksichtigung  zuteil  werden  lassen 
werde.  Statt  diesem  Rat  zu  folgen,  trat  der  Bischof  mit 
einem  Nachtrag  auf,  welcher  im  heftigsten  und  bittersten 
Ton  gehalten  war  '. 

1)  Golther,  S.  107. 


198  BUNZy 

So  war  also  der  Eörchenäieden  gestört     Es   war  offen- 
bar von  kirchlicher  Seite  der  Weg  des  Kampfes  gewählt, 
und  nicht  der  friedlicher  Verständigung^  wie  ihn  sowohl  der 
vorgenannte   Antrag  der  staatsrechtlichen  Konunission,  als 
der  des  Domkapitulars  Jaumann  1842  angab:  ^^Die  Kam- 
mer möge  zu  Protokoll  aussprechen  ^  sie  sei  des  vollen  Zu- 
trauens zu  der  Staatsregierung^  dieselbe  werde,   wenn  die 
vorliegende  Angelegenheit  durch  das  bischöfliche 
Ordinariat  an  sie  gebracht  werde,  dieser  ihre  ganze 
Aufinerksamkeit  schenken  und  Mifsstände,  wie   und  soweit 
sich  solche  ergeben  sollten,  beseitigen/'    Die  Kanmier  nahm 
diesen  Antrag  mit  80  gegen  6  Stimmen  an.     Domkapitolar 
Jauipann   bedauerte   den   vom  Bischof  eingeschlagenen 
Weg;    wie  er  selbst  in  der  Sitzung  vom   15.  März  1842 
sagte.     Er  fUgte  hinzu,  dals  die  Kirche  oft  in   den  Ejreis 
des  Staates  übergegriffen  habe,   und  wohl  ebenso  oft  auch 
der   Staat   in    die    Sphäre    der  Kirche.     Jaumann    stimmte 
ebenso   gegen  die  Motion   des  Bischofs  in  Sachen  der  ge- 
mischten Ehen,  wo,  wie  oben  bemerkt,  nach  dem  Religions- 
edikte von   1806   der  katholische  Priester  zur  Einsegnung 
auch    bei    nicht    katholischer   Kindererziehung   gezwungen 
werden  konnte  *.   Ebenso  stimmte  er  gegen  die  Motion,  weil 
sie   sich   gegen   das  Religionsedikt  überhaupt  richtete.     Ira 
Verlauf  der  Debatte  fiel  nun  in   ausgesprochener  Renitenz 
gegen  §  47  der  auch  vom  Bischof  beschworenen  Verfassung, 
welche    ebenfalls    unter    die    „lierrlichen  Institutionen"   ge- 
hörte, gegen  die  „von  dankbaren  Gefühlen   durchdrungen" 
zu   sein   derselbe  Bischof  noch   1833   erklärte,   es  fiel  zum 
erstenmal  das  Wort,   mit   dem   die   römische  Kirchengewalt 
immer  den  Kampf  eröffnet:   Man   rauTs  Gott  mehr   ge- 
horchen   als  den   Menschen!     üie   Kurie   wollte   den 
Kampf! 

Wiederholt   wurde   dem    Bischof  vom  Ministertische   aus 
und  von  einzelnen  Rednern  vorgerückt,  dafs  der  erste  Fehde- 


1)  Diese  Vorschrift  wurdo  übrigens  von  deu  Geistlichen  bis  1830 
ohne  Austand  eingehalten  und  vom  Biscliof  anerkannt  (s.  Golther, 
S.  HO). 


f 


DAS  WiJRTTEMBERGlSClIE  KONKORDAT.  1  99 

brief,  der  Nacbtrag  zu  seiner  Motion,  nicht  von  ihm,  son- 
dern „das  Ergebnis  verschiedener  Federn"  sei,  „einiger 
kampl-  und  streitlustiger,  ohne  Zweifel  iioc)i  junger  Au- 
toren "  (wie  Minister  Schlayer  sich  ausdrückte).  Der  Bischof 
vermochte  nicht  zu  widersprechen  und  brach,  vollständig  in 
die  Enge  getrieben,  endlich  in  die  verzweifelten  Worte  aus: 
„Ich  erkläre  nur  das,  dafa  aus  meinem  Gemüt  nichts  kom- 
men kann,  was  die  Liebe,  die  ich  als  Diener  der  Religion 
in  meinem  Herzen  trage,  verletzen  kömite.  Aber  wenn  die 
Holle  sich  ziisaramengemacht  und  gegen  mich  verschworen 
hätte,  so  wurde  sie  keine  so  bösartige  Frage  ausgeboren 
haben  wie  die  an  mich  gerichtete." 

König  Wilhelm  achlug  1843  ein  energisches  Zusammen- 
gehen der  Regierungen,  ja  die  ^Viederherstellung  des  Corpus 
Evangelicorum  mit  Preufsen  an  der  Spitze  vor.  Im  Jahr 
1845  formulierte  er  seine  Vorschläge  näher.  Aus  den  Ver- 
ÜQBstaaten  sollen  alle  Orden  und  Vereine  ausgeschlosBen 
werden,  welche  dem  Protestantismus  feindlich  sind,  der 
Elems  soll  sorgfältig  überwacht,  ein  abgesetzter  Greiatlicher  von 
einem  andern  Staat  auch  nicht  als  Lehrer  angestellt  werden. 
Die  Bistümer  seien  nur  mit  konfessionell  verträglichen  Män- 
nern zu  besetzen,  bei  den  Geistlichen  müfate  die  nationale 
Gesinnung  betont,  das  Recht  der  Bischöfe  dem  Papst 
gegenüber  staatlich  gewahrt  werden.  Eine  Vei^ 
unsgesandtschaft  in  Rom  sei  einzurichten. 

Als  nun  die  Ereignisse  von  1848  eintraten,  die  Regie- 
rungen schwankten,  haltlos  und  zum  Teil  schwach  waren, 
stärkte  dies  die  Ansprüche  der  römischen  Kurie,  welche 
Kch  schon  auf  den  Kriegspfad  begeben  hatte.  Die  Tren- 
nung von  Kirche  und  Staat,  welche  ja  damals  auch  in  den 
Glrundrechten  durchgeftilirt  wurde,  ist  der  römischen  Hier- 
archie ebenso  forderlich,  als  dem  Volksleben  schädlich. 
Wenn  auch  diese  Trennung  nicht  in  die  Gesetzgebung  der 
Eiozelstaaten  überging,  so  nahm  sie  doch  die  Biachofsversanmi- 
Inng  in  Wurzburg  vom  22.  Oktober  1848  de  facto  in  An- 
spruch. Sie  forderte  „die  vollste  Freiheit  und  Selbständig- 
keit". Die  Bischöfe  wollten  jetzt  bei  ihrer  günstig  scheinen- 
der Lage  nicht  einmal  mehr  eine  Vereinbarung.     Auch   ein 


900  BüKZy 

Konkordat  kann  Rom  noch  zu  wenig  sein.  Sie  forderten 
einfach  und  zwar  gänzliche  Lossagung  von  aller  Aufsicht 
des  Staats  auf  dem  Gebiet  der  Disziplin  und  der  Erziehung. 

Demgemäfs  gingen  die  Bischöfe  der  oberrheinischen 
Eirchenprovinz  vor  in  ihrer  Denkschrift  vom  März  1851. 
Es  ist  wieder  der  Elrieg,  wenn  die  Verordnung  von  1830 
als  ein  System  der  Unterdrückung  der  Kirche  und  der  Ver- 
letzung der  wesentlichsten  Rechte  derselben  erklärt  wird  ^ 
Die  Denkschrift  denkt  wieder  nicht  an  eine  friedliche  Ver- 
einbarung. Sie  verlangt  einfach  die  freie  Besetzung  aller 
Kirchenämter  ^  die  unbeschränkte  Errichtung  von  Erlöstem 
imd  geistlichen  Vereinen,  gänzliche  Aufhebimg  des  landes- 
hei^lichen  Placet,  sowie  jeder  Aufsicht  des  Staats  über  die 
Disziplinargewalt  ohne  jeglichen  Rekurs. 

Jeder  Versuch,  den  recursus  ab  abusu  zu  gebrauchen, 
wird  als  „Auflehnung  gegen  die  gesetzlich  normierte  Au- 
torität der  Kirche '^  bezeichnet,  „ein  Unterfangen,  welches 
der  heilige  Stuhl  mit  excommunicatio  latae  sententiae  belegt 
hat'^  Dagegen  wird  der  Beistand  des  weltlichen  Armes 
bei  Ausübung  der  Disziplinargewalt  mit  einer  naiven  Drei- 
stigkeit gefordert,  als  wäre  der  Staat  nur  einfach  der  Diener 
der  Kirche. 

Femer  beansprucht  die  Denkschritt  die  vollständige  Er- 
ziehung des  Klerus  in  tridentinischen  Seminarien,  also  ganz 
unter  kirchlicher  Leitung,  samt  dem  Examen  ohne  Staats- 
kontrolle und  ohne  das  Recht  des  Staats,  unwürdige  und 
untaugliche  Kandidaten  au&zuscliliersen ,  sowie  die  Abschaf- 
fung des  landesherrlichen  Tischtitels.  Nicht  minder  soll 
nicht  blofs  der  religiöse  Unterricht  unbeschränkt  von  der 
Kirche  in  den  sonstigen  Schulen  geleitet,  sondern  auch  der 
profane  überwacht  und  kontrolliert  werden.  Endlich  ver- 
langen die  Bischöfe  freie  Verwaltung  des  kirchlichen  Ver- 
mögens, auch  der  Lokaltbnds,  welche  sie  für  die  ganze 
Kirche  beanspruchen. 

Dafö  die  Wahlen  des  Bischofs,  der  Domdekane  und 
Domkapitulare  nur  nach  den  päpstlichen  Bullen   vorgenom- 


1)  Vgl.  Golther,  S.  135. 


DAS  WÖETTEBIBEHeiSCHE  KONKORDAT.  20l 

raen  werden  dürfen  und  der  Bischof  vollatändige  Freiheit 
inbetreff  der  Wahl  der  Generalvikare  und  ihrer  Oi-dinariate 

[  haben  soll,  versteht  sich  von  selbst. 

'  So    stellte    sich    der   Episkopat   als    kriegfiihrende   Pftrtei 

auf.  Noch  vereinigten  sich  die  Regierungen  zur  Abwehr, 
wenigstens  gelang  es,  die  der  oberrheinischen  Kirch enprovine 
noch  zusammenzubringen  in  Karlsruhe,  mit  Ausnahme  Preufsens 
(ür  Hohenzollem.  Die  Regierungen  stellten  sich  im  Prinzip 
den  Bischöfen  entgegen,  gaben  aber  in  der  Wirklichkeit 
nach,  freilich  in  einigen  Punkten,  in  welchen  die  Beaufsich- 
tigung des  Staats  wohl  nachgelassen  werden  konnte,  allein 
faktisch  hatten  die  Bischiite  eben  doch  Boden  gewonnen. 
Zudem  regellen  die  Regierungen  das  Vei-hältnis  nicht  auf 
dem  Wege  der  Gesetzgebung,  um  eine  dauernde  Rechtsbasia 
zu  schaffen,  sondern  auf  dem  der  Verordnung  (vom  1.  März 
1853),  so  dafs  auch  noch  weitere  Konzessionen  erwartet 
werden  konnten. 

Inbetreff  des  Piacet  wurde  die  Genehmigung  des  Staats 
beschrankt  auf  solche  Anordnungen,  welche  zu  etwas  ver- 
pflichten, was  nicht  ganz  in  dem  eigentümlichen  Wirkungs- 
kreis der  Kirche  liege.  Alle  andern  Erlasse  seien  der  Staats- 
behörde gleichzeitig  mit  der  Verkündigung  zur  Einsicht  mit- 
zuteilen. Die  besondere  Beschränkung  der  päpstlichen  Bullen 
wurde  autgehoben  und  dieselben  nur  als  vom  Bischol  ver- 
kündigt den  obgenannten  Beatimmungen  unterworfen.  Ebenso 
sollte  zu  den  Provinzialsynoden  nicht  mehr  durchaus  die 
Genehmigung  der  vereinten  Staaten  nötig  sein,  sondern  nur 
eine  Anzeige  dei-selben,  wenn  Dinge  zui'  Sprache  gebracht 
werden  sollten,  welche  des  Piacet  bedürfen.  Eine  ähnliche 
Bestimmung  galt  den  Diiicesansynoden.  Der  Verkehr  mit 
dem  Kirchenoberhaupt  wurde  freigegeben.  Auch  für  die 
Prüfung  der  ins  Prieaterseminar  aufzunehmenden  Kandidaten 
wurde  bestimmt,  dafs  nur  ein  landesherrlicher  Kommissär 
denselben  beizuwohnen  habe,  dem  das  Recht  der  Einsprache 
zustehe. 

Diese  ZugcBtündnissc  stärkten  nur  den  Kampfeseifer  der 
BiBcböfe.  Es  ertblgto  am  12.  April  1853  ein  Protest  wieder 
mit  der  Erieffsdevise :  Man   roufa  Grott  mehr   eehort^Vi^ii  a^ 


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Dk  It- 


Dm  &  V 


det  luEoigs  der  kriegerisckem  Haltmng  der 
Bisek^fe  gegenüber  aofdcB  einzig  ricktigen  Sund- 
pvnkt  Ererk&MeyderKon^kabeBntBefraBdeBftBBdeBöbcr- 
gebeoeo  Aktenstfidcen  endKD,  dafr  der  BhdMf,  obsckon 
Zeuge  der  ttoermfideteii  BemakmngeB  Sl  IL,  dis 
Wohl  der  katholischen  Kirche  und  ihre  unge- 
hemmte  Wirksamkeit  zu  fördern,  et  habe  aber  sich 
gewinnen  können,  einem  sedchen  Schritt  sauer  KoD^en  sich 
anzuschlieljen.  S.  IL  der  Konig  wisse  eine  Ankündignng 
der  Xichtachtnng  der  Staatsgesetze,  wie  sie  jene  fjngabe 
un verhüllt  an  den  Tag  lege,  mit  der  am  Schluls  bdgefüg- 
ten  Versicherung  unerschütterlicher  Standhaftigkeit  in  der 
schuldigen  Unterthanentreue  nicht  in  Einklang  zu  bringen. 
Jedenfalls  aber  flühle  sich  der  König  gedrungen,  hierauf  un- 
umwunden zu  erklären,  dafs  wenn  von  iigendwem  der  Ver- 
such gemacht  werden  wollte,  Grundsätzen  thatsäch- 
lieh  Folge  zu  geben,  welche  mit  den  vom  Bischof 
beschworenen  Staatsgesetzen  und  der  Landes- 
verfassung im  schneidendsten  Widerspruch  ste- 
hen, der  König  von  der  Ihm  von  Gott  ver- 
liehenen Gewalt  den  Gebrauch  machen  werde, 
welchen  die  Erfüllung  der  Regentenpflichten 
erheische. 

Diese  Erklärung  des  Königs  wurde  vom  Bischof  gar 
nicht  beachtet.  Er  schlofs  sich  vielmehr  der  am  18.  Juni 
1863  eingereichten  Denkschrift  der  oberrheinischen  Bischöle 
an,  wolcho   im  Kampfe  wieder  einen  Schritt   weiter   ging. 


DAS  WÜHTTEMBEROISCHE  KONKORDAT.        303 

V  Sie  erklärten  die  Un^tigkeit  aller  staatlichen  Normen  und 
Gesetze  gegenüber  der  Kirche  und  stellten  ein  thateäehlichea 
Vorgehen  auf  Gnind  dieser  Autüassung  in  Aussicht.  Sie 
verlangten  einfach  die  Gültigkeit  des  kanonischen  Rechts. 
Dabei  beriefen  sie  sich  auf  den  westfltlischen  Frieden  und 
den  Rejchsdcputationshauptachlufs  von  1803.  Abgesehen 
davon,  dafs  diese  Staats  vertrage  sich  mit  den  hier  in  Frage 
kommenden  Konflikten  gar  nicht  bescliäftigen,  hat  ja  gerade 
die  Kurie  dieselben  niemals  anerkannt.  Dennoch  beruft 
man  sich  darauf. 

Femer  beriefen  sich  die  Bischöfe  auf  diejenigen  Artikel 
(5  und  6)  der  Bulle  Ad  Dominici  Gregis  custodiam,  welche 
ausdrücklich  von  den  vereinigten  Regierungen  1826  und 
1827  nicht  anerkannt  wurden. 

Diese  Denkschrift  beantworteten  die  Regierungen  nicht 
Bekannt  ist  das  nunmehrige  Vorgehen  des  badischen  Erz- 
bischofs. Auch  der  Bischof  von  Rottenburg,  von  Lipp,  eine 
mildere  Persönlichkeit,  trat  in  den  thatsäch liehen  Kampf 
ein:  in  einem  Erlafs  vom  26.  Juli  1853  verbot  er  jede  Be- 
teiligung der  Staatsbehörde  an  den  PfaiTkonkurs-Prüfungen. 
Den  Mitgliedern  des  katholischen  Kirchenrats  drohte  er  fiir 
den  Fall  der  Mitwirkung  bei  einer  staatlichen  Prüfung  mit 
kirchlichen  Zensuren,  desgleichen  den  Kandidaten  der  Theo- 
logie fiir  den  Fall  der  Abtegung  der  Staatsprüfung.  Die 
Regierung  erhielt  von  dieser  Verfügung  nicht  einmal  amt- 
liche Kenntnis.  Ihre  Autwort  bestand  in  der  sofortigen 
Einleitung  zu  einer  staatlichen  Dienstprüfung  und  in  der 
Eröffiiung  an  die  Kandidaten,  dafs  diejenigen,  welche  eine 
Prüfung  unter  staatlicher  Beteiligung  nicht  bestanden  haben, 
weder  tlir  Kirchenstellen  im  königlichen  Patronat  vorge- 
sc-lilagen,  noch  auf  solchen  des  Privatpatronata  bestätigt  werden 
würden  '.  Zugleich  aber  nahm  sie  gegonüber  der  Anmafsung 
des  Bischofs  Stellung  mit  der  Erklärung:  .., Die  königliche 
Regierung  darf  nicht  geschehen  lassen,  dafs  die  Kandidaten 
für  Kirchenämter,  wenn  sie  sich  den  Anordnungen  unter- 
werfen, welche  der  Staat  an  sie  zu  machen  sich  für  berech- 


304  BÜKZ, 

tigt  erachtet,  von  der  kirchlichen  Gewalt  gestraft,  und  daf? 
königliche  Diener  für  den  Fall  der  Erfüllung  beschworener 
Dienstpflichten,  welchen  sie  sich,  ohne  ihr  DienstveiMltms 
aufzugeben,  nicht  entziehen  können,  mit  kirchlichen  Zen- 
suren belegt  werden;  sie  darf,  wenn  sie  nicht  sich  selbst 
preisgeben  will,  nicht  dulden,  dafs  königliche  Diener 
Übergrifien  der  geistlichen  Gewalt  wie  die  angedrohten 
ausgesetzt  seien  und  dafs  der  bischöfliche  Stuhl  sich 
zum  entscheidenden  Richter  über  staatliche  Ge- 
rechtsame aufwerfe"  ^ 


1)  Wir  haben  Yon  der  Ver&ssiingsurkunde  vom  25.  September 
1819  bisher  keine  Notiz  genommen  (Golther,  S.  57  ff.).  Einmal 
wäre  der  ganze  Streit  ebenso  verlaufen  auch  ohne  dieselbe.  Das 
YerhSltnis  Ton  Staat  und  Rircbe  bewegt  sieb  ja  yon  An&ng  sn 
nicht  auf  dem  Boden  der  Einzelstaaten,  sondern  der  yereinigteD 
Staaten.  Dann  aber  sind  die  Tagen  Bestimmungen  der  Yerfusmig 
derart,  dafs  sich  jede  Partei  darauf  berufen  konnte  und  berufen 
bat,  obwohl  alle  zusammengenommen  und  die  Rechtsanschauung  der 
Zeit  in  Betracht  gezogen,  leicht  zu  erkennen  ist,  dafs  dieselbe  nicht 
im  Sinn  der  Kurie  verstanden  werden  kann.  Auf  der  einen  Seite 
stehen  §  71.  „Die  Anordnungen  inbetreff  der  inneren  kirchlichpn 
Angelegenheiten  bleiben  der  TerfassungsmäTsigen  Autonomie  einer 
jeden  Kirche  überlassen.*'  (Was  sind  innere  Angelegenheiten  und 
Autonomie  nach  kanonischem  Recht?  Es  sind  dies  alle  Angelegen- 
heiten, welche  die  Kirchengewalt  in  ihren  Bereich  zu  ziehen  für  gut 
findet,  und  Autonomie  ist  unbeschrankte  Herrschaft  der  Kirche  über 
jede«  Ton  ihr  beanspruchte  Gebiet)  §  78.  „Die  Leitung  der  inneren 
Angt'lcgt'uK^^ten  der  katholischen  Kirche  steht  dem  Landesbischof 
wl»t  \Unu  IX^ukapitt*!  «u.  Derselbe  wird  in  dieser  Hinsicht  mit  dem 
Ka^mM  «iIW  \l^^j^ui^u  Rechte  ausüben,  welche  nach  den  Grund- 
itÄlt<*w  si^t  kj*thoUsehen  Kirchenrechts  mit  seiner  Würde 
wf>iii>^U*s^^  \<?fbuuvien  sind." 

Vnt  sk*  >^kHk^*'M  Seitt?  »teht  §  72.  „Dem  König  gebührt  das 
^KK^^ssKvN*ilw,vhv^  ^>hat4  und  Auf  sieht*  recht  über  die  Kirchen. 
V  v^ukv^^^  sK^v**^^'u  köuacu  diki  Yeivixljiitügi?u  der  Kirchengewalt  ohne 
\vw^Au^*^v^  ^i\u,\Kiht  «Jui  Uouvhuiiguu^  des  Staatsoberhauptes  weder 
Wj^^uuvKv^  uv^K  wvlUvv^oa  wor^ieu  "  §  79.  ».Die  in  der  Staatsgewalt 
^n^iiiHuM,^  KvvKk^  a^cr  dio  katholische  Kirche  werden  von  dem 
Kv^^^^  vtuivli  v^^o  )^Uj«  ki^tb<4ivHcWu  Mitgliedern  bestehende  Behörde 
^svi^vvtU^  vkvivW  i^^^^ibk  b<ji  lW<*eUuu^  ^>i:^tUcher  Amter,  die  Ton  dem 
Kvvui^iv  ikW^Äu^^,  jMvUmumü  uiw  ih*v  Wr^chlä^  Temommen  wird." 
'^vu  wvuVmv**  .\\uK;gVLu^  dvÄ  5^MCiA  v;^  Yt?rt!ad»uBg  dient  auch  §  47, 


UAS  WÜRTTEMBEKOISCIIE  KONKORDAT.  206 

So  Btauden  der  Episkopat  und  der  Staat  einander  kriegs- 
bereit  gegenüber.  Der  Staat  war  gewifs  in  seinem  vollen 
fiechte,  wenn  er  die  Anmaläimgen  der  Bischöfe  oder,  da  er 
ja  nur  mit  dem  von  Uottenburg  unterhandeln  wollte,  dea 
JBiflchoi's  zurückwies.  Statt  dafs  man  nun  etwa  den  Aus- 
i  bruch  des  Eamplea  hätte  erwarten  sollen,  steht  auf  einmal 
vier  Jahre  nachher  am  22.  Juni  1B67  die  Konvention 
fertig  da,  in  welcher  der  Staat  auf  der  ganzen  Linie  zum 
£ilckzug  blasen  läfat  und  die  Kirchengewalt  die  Fusition 
gewonuen  hat,  welche  sie  vor  allem  einnehmen  wollte,  um 
von  ihr  aus  ilye  „liechte",  d.  h.  die  Geltung  des  ka- 
nonischen Rechts  durchsetzen  zu  können,  üiese  Schwen- 
kung erscheint  überraschend:  es  können  weder  Staats-  noch 
kircbenrechtliche  Gründe  den  Ausschlag  gegeben  haben, 
sondern  mehr  persönbche,  psychologische,  intimere,  welche 
der  äufseren  Wahrnehmung  nicht  so  zugänglich  sind.  Kü- 
meliu  deutet  dies  an,  wenn  er  S.  '255  sagt:  „Eönig  Wilbebn 
hatte  an  der  katboÜachen  Kirchen  trage  eitrigen  und  persön- 
lichen Anteil  geuoraraeu;  der  Konflikt  mit  dem  persönlich 
Lochst  achtungs werten ,  wohlgesinnten  und  friedliebenden 
Bischof,  die  Sistierung  der  Besetzung  der  geistlichen  Amter 
und  der  theologischen  Prüfungen  waren  ihm  in  hohem  Grade 
unangenehm.  Er  sprach  sich  gegen  mich  und  andere 
wiederholt  in  der  Weise  aus:  sein  Hauptgesichtspunkt  in 
der  Sache  sei  der  Wunsch,  dafs  seine  neuwiirttembergischen 
und  katholischen  Untertbanen  die  gleiclie  Anhänglichkeit  an 
das  Land  und  an  seine  Dynastie  gewinnen,  wie  die  Alt- 
württemherger  und  Protestanten  j  sie  sollen  ihre  Blicke  und 
Sympathieen  nicht  nach  Österreich  kehren,  dem  sie  früher 
angehörten,  oder  enge  verbunden  waren.  Dazu  sei  vor 
allem  nötig,  data  sie  in  ihren  kirchlichen  Verhältnissen  keinen 
Grund  zur  Beschwerde  tindeii,  sich  nicht  als  durch  prote- 
stantische Anschauungen  majorisiert  fühlen.  Man  solle  sie 
in    diesen    Dingen    möglichst   zufrieden    stellen.     Mit    den 

durch  welchen  die  katholischen  Geistlichen  iu  diazipliaarer  Beziebnng 
den  übrigen  StaatBilieneni  gleicbgeatellt  aiuii,  deren  Entlassung  oder 
Versetnuig  durcli  den  König  verfügt  werden  kann. 


306  BÜNZ, 

Spezialfragen  war  er  nicht  näher  vertraut  Aul 
das  allgemeine  landeaherrliche  Patronat  zu  verzichten,  falle 
ihm  nicht  schwer;  ob  er  hundert  Pfarreien  mehr  oder  we- 
niger zu  besetzen  habe,  lasse  ihn  wer  er  sei." 

Aus  dieser  Eathullung  dürfte  viel  zu  erklären  sein. 
Wenn  Bischof  Lipp  ein  „wohlgesinnter  und  friedliebender 
Mann"  war,  wem  hätten  da  nicht  umsomehr  die  Augen 
darüber  aufgehen  sollen,  dafs  ea  sich  hier  um  die  geflissent- 
liche Herbeiführung  eines  Streites  zur  Unterjochung  des 
Staates  unter  die  römischen  Ansprüche  handle,  wenn  gerade 
dieser  Bischof  auf  so  brüske  Weise  an  einem  Punkte  be- 
ginnt, den  der  Staat  jederzeit  in  seinem  vollen  Rechte  fest- 
halten raufs,  wo  auch  der  Kirche  nicht  der  geringste  Scha- 
den zugefügt  werden  kann,  nur  ihre  Allgewalt  beschränkt 
wird,  bei  der  Prüfung  der  künftigen  GeiBtlichen.  Nach  der 
Verordnung  von  1853  ordnete  der  Bischof  die  Prüfung  zur 
Aufnahme  ins  Priesterseminar  an,  die  Aufnahme  geschah 
durch  die  bischöfliche  Behörde,  Dieser  Prüfung  wohnt  nur 
ein  landesherrlicher  Kommissär  bei,  „welcher  sich  die  Über- 
zeugung zu  verschaffen  hat,  dafs  die  Kandidaten  den  Qe- 
setzen  und  Vorschriften  des  Staats  Genüge  geleistet  haben, 
und  nach  Betragen  und  Kenntnissen  der  Aufnahme  würdig 
sind".  Es  waren  beim  König  Wilbelm  gemütliche  Bedürf- 
nisse und  falsche  politische  Erwägungen.  Data  die  katlio- 
Uachen  Württeraberger  ihre  Blicke  und Sympathieon  noch  1857 
nach  (Österreich  kehren,  kann  ihm  nur  vorgeredet  worden  sein. 
Die  katholische  Bevölkerung  stand  dem  ganzen  Streit  fem 
und  war  eher  von  „jenen  dankbaren  Getuhlen  für  die  lierr- 
hchcn  Institutionen  durchdrungen " ,  sie  stand  der  Sache 
noch  bei  Aufhebung  des  Konkordats  und  der  Gesetzgebung 
von  1862  so  fem,  dafs  selbst  ein  katholischer  Beamter  aufs 
höchste  erstaunt  war,  als  ihn  der  Verfasser  versicherte,  dafs 
er  schon  mehr  als  zwölf  Jahre  lang  unter  den  nahezu  glei- 
chen Gesetzen  schmachte,  wie  er  sie  in  Preufsen  als  Ver- 
folgung nachbetete, 

Üaterreichiache  Sympathieeu  waren  geschwunden  durch 
den  Unterschied  des  wirtschaftlichen  und  politischen  Zu- 
standes  beider  Länder,  der  zugunsten  Württembergs  sprach. 


DAS  WÜRTTEMBERGISCHE  KONKORDAT.         207 

kirchenpoIitiBche  Gesetzgebung  in  jenen  Teilen  war 
leJiniscb,  nicht  kanonisch,  wie  wir  namentlicli  inbetreflF 
s  Eherechts  sehen  werden.  Allerdings  ist  nicht  abzusehen, 
i  eine  künstliche,  böswillige  Agitation  aus  der  katholischen 
•  Beröikerung  hätte  machen  können.  Waren  es  nicht  viel- 
leicht die  Sympathieen  des  Königs  Wilhelm  selbst,  welche 
ucb  damals  in  seiner  Politik  sehr  nach  Österreich  richte- 
ten? Hatte  er  auf  der  andern  Seite  am  Ende  über  Rom 
noch  die  falsche  Ansicht,  die  er  1839  Ton  dort  mitbrachte, 
übrigens  mit  vielen  seiner  philosophisch  gebildeten  Zeit- 
genossen teilte,  dal's  „Rom  ein  Fetrefakt  sei,  auf  dessen 
Wurmstichigkeit  man  bauen  soll"?  —  „Mit  den  Spezial- 
lragen war  er  nicht  näher  vertraut."  Darin  scheint  der 
Kern  der  Sache  zu  liegen.  Es  fehlte  dem  König  ein  Rat- 
geber, welcher  ihn  auf  dies  Km-ialsystem  aufmerksam  ge- 
macht und  die  Notwendigkeit  des  principiis  obsta  ihm  nahe 
gelegt  hätte. 

Das  einzig  Richtige  wäre  auch  jetzt  gewifs  gewesen, 
was  schon  1841  die  staatsrechtliche  Kommission  der  württem- 
bergischen zweiten  Kammer  bezeichnete,  und  was  Dom' 
kapitular  Jaumann  zu  einem  Antrag  formulierte,  zu  erklSren, 
„dafs  die  Staatsregierung,  wenn  begründete  Anträge  von- 
seiten des  Bischofs  an  sie  gebracht  werden  würden,  den- 
selben die  gehörige  Berücksichtigung  werde  zuteil  werden 
lassen". 

Nur  in  diesem  historischen  Zusammenhang  ist  auch  die 
Frage  zu  beantworten,  ob  überhaupt  eine  Konvention  (oder 
Konkordat)  mit  Rom  abzuachliefsen  der  richtige  Weg  war. 
Auf  diesen  historischen  Grund  gestellt,  wird  die  Frage  mit 
„Nein"  zu  beantworten  sein.  Der  Bischof,  als  ein  Glied 
in  der  Kette,  von  Position  zu  Position  gegen  den  Staat 
vorgerückt,  beginnt  den  ersten  feindsehgen  Akt  mit  seinem 
Erlafe  über  die  Pfarrkonkurs  -  Prüfungen.  Rom  rückt  in 
Schlachtordnung  gegen  den  Staat  heran.  Der  erste  Schub 
ist  abgefeuert.  Da  erklärt  der  Angreifer,  offenbar  in  dem 
Bewufstsein,  den  Gegner  eingeschüchtert  zu  haben,  sich  zu 
Unterhandlungen  bereit.  Die  Regierung  geht  bereitwillig 
darauf  ein  imd  überliefert  sich  dem  Angreifer  so  voUfitändi^, 


ä08  BUNZy 

ab  wäre  nicht  blols  eine  erste  Schlacht,  sondern  der  ganze 
Feldzug  verloren.  Die  römische  Kurie  ist  selbst  mit  diesem 
Sieg  nicht  zufrieden.  Sie  verwirft  die  Übereinkunft  mit 
dem  Bischof,  weil  dieselbe  ihr  noch  zu  wenig  bietet  in 
den  einzelnen  Punkten,  dann  aber  auch,  weil  es  nicht 
der  Papst  ist,  der  dieselbe  abgeschlossen  hat,  sondern  der 
Bischof  ^  Man  kann  hier  nicht  in  materielle  und  formelle 
Gründe  trennen,  denn  der  letztere  Grund,  so  sehr  er  auch 
ab  blofs  formell  und  daher  unverfänglich  hingestellt  wird; 
ist  ebenso  materielL  Man  muls  sich  überhaupt  Bom  gegen- 
über den  philosophischen  Irrtum  abgewöhnen,  ab  ob  es  iur 
das  Kuriabystem  einen  Unterschied  zwischen  formalen  und 
materialen  Fragen  gäbe.  Daraufhin  zieht  sich  die  Regie- 
rung aus  Furcht  vor  dem  Kampf  wieder  weiter  zurück  und 
überläfst  dem  Gegner  die  gewünschte  Position.  In  diesem 
geschichtlichen  Zusammenhang  war  das  Konkordat  die  gröfste 
Demütigung,  die  Impotenzerklärung  des  Staates. 

m  m 

Die  Frage,  ob  eine  Übereinkunft  mit  Rom  überhaupt 
geschlossen  worden  könne,  oder  ob  es  rätlich  sei,  eine  solche 
zu  schliefsen,  ist  von  untergeordneter  Bedeutung.  Allerdings 
wollte  schon  König  Friedrich  1807  ein  Konkordat  mit  Rom 
abschliefseu;  und,  wie  oben  bemerkt,  suchten  die  verbün- 
deten Regierungen  1819  mit  dem  päpstüchen  Stuhl  Ver- 
handlungen über  ihre  Deklaration  anzuknüpfen;  auch  war 
bei  denjenigen  über  die  württembergische  Verfassung  vom 
gleichen  Jahr  zwischen  König  und  Ständekammer  ernstlich 
von  einer  „Übereinkunft'*  die  Rede,  welche  „die  katho- 
lische Kirchenfreiheit  mit  der  ätaatsfreiheit  näher  bestimmen'' 
werde,  über  „die  Grenzen  zwischen  der  geistUchen  Gewalt 
und  den  IStaatshoheitsrechten "  —  allein  schon  1807  schei- 
terte der  Plan  an  dem  Umstand,  dafs  der  König  die  Ein- 
Bchmuggelung  dos  kanonischen  Rechts  nicht  dulden  wollte; 
die  verbündeten  Regierungen  fanden  in  Rom  kein  Entgegen- 
kommen, weil  ihre  Deklaration  nicht  den  dortigen  An- 
schauungen entsprach;  endlich  bei  den  Verfassungsverhand- 
lungen  wurde  die  Weglassung  des  Fintwurfs  von  der  Uber- 

1)  Golther,  S.  168. 


DAS  wi^RTTEMBEHGISCHE  KONKORDAT.  209 

,  einkunft  mit  Rom  damit  motiviert,  dafs  es  nicht  pasBend  sei, 
tbei    den    Schwierigkeiten    solcher    Unterhandlungen    die    Re- 
perung  durch  eine  bestimmte  VerfaBsungs Vorschrift   in   eine 
mgünstige  Lage  zu  versetzen. 

Dennoch  nber  Bchlofa  die  Regierung  eine  Konvention 
üt  Rom  zu  einer  Zeit,  wo  die  Ansprüche  der  Kurie  sich 
3er  jenen  friihei-en  Zeiten  weaentlich  gesteigert  hatten. 
!Es  kommt  nicht  sowohl  darauf  an,  oh  ein  Konkordat  ab- 
geschlossen wird,  sondern  welche  Bestimmungen  dasselbe 
enthält  (vgl.  auch  das  französische  Konkordat).  Rom  selbst 
wird  die  Frage  nach  der  Möglichkeit  eines  Konkordats  mit 
einem  protestantischen  Staat  nur  dann  bejahen,  wenn  es 
gUnstigc  Bedingungen  erhalten  kann. 

Dafs  es  der  Regierung  nicht  ganz  wohl  bei  der  Sache 
war,  geht  aus  ihrem  ganzen  Verbalten  hervor.  Die  Kon- 
vention enthielt  wesentliche  Bestimmungen,  welche  nach  der 
Verfassung  die  Zustimmung  der  Stände  erheischten.  Ea 
kam  hier  in  Betracht  der  zweite  Absatz  von  §  72  über 
das  Placet,  §  47.  48  inbetreff  der  Disziphnargewalt,  Aufser 
diesen  schon  oben  genannten  sind  es  noch  folgende  Bestim- 
mungen. Das  Patrouati'echt  war  ein  weltliches  und  gehört 
somit  unter  den  Begriff  des  Staatseigentums,  das  ohne  Zu- 
Btimjnung  der  Stände  nach  §  85  nicht  an  Auswärtige  und 
nach  §  107  nicht  an  Inländische  veräufsert  werden  darf. 
Die  Konvention  setzte  ein  bischöfliches  Gericht  mit  Appel- 
lation nach  Freiburg  und  Rom  ein  ohne  ataatlichea  Ober- 
aufsichts-  und  Beschwerderecht.  Dies  involviert  eine  Än- 
derung von  §  36 — 38.  78  und  92.  Durch  die  Überlassung 
des  Tiachtitels  an  den  Bischof  wurde  §  74  alteriert.  Durch 
Qesetz  vom  6.  Juli  1842  wurden  dem  Kon  vi  kts  vorstand 
Staatsdienerrechte  verliehen.  Durch  die  Konvention  hing 
seine  Ernennung  vom  Bischof  ab.  Trotzdem  trat  die  Re- 
gierung nicht  mit  der  Konvention  offen  vor  die  Stand e- 
kammer,  sondern  suchte  dieselbe  so  nach  und  nach  im  Vei"- 
ordnungswege  zur  Geltung  zu  bringen.  Auch  die  öffentliche 
Meinung  und  selbst  die  Volksvertretung  verhielt  sicli  an- 
&ngs  gleichgültig.  Erat  die  Vorgänge  in  Baden  öffneten 
io  Württerabeig    die    Augen,    und    die   Regierung  sah   sich 


210  BUNZ, 

veranlafst,  am  26.  Februar  1861  einen  Glesetzentwurf  sa 
ihrer  Dui*chiUhrung  einzubringen,  fast  vier  Jahre  nach  dem 
Abschlufs  der  Konvention.  Rümelin  sagt  selbst  S.  220: 
„daTs  die  Regierung  Änderungen  bestehender  Gesetze  nicht 
im  Wege  eines  Übereinkommens  mit  der  Kirche  ins  Leben 
rufen  kann,  bedarf  keines  Wortes.  Der  Öesetzgebungsweg 
ist  also  unerläfslich  in  dieser  Sache,  sobald  und  soweit  die 
Konvention  Bestimmungen  enthält,  die  in  den  Bereich  der 
Gesetzgebung  fallen.'^ 

Dab  dies  der  Fall  vrar,  ist  eben  gezeigt     Warum  also 
so  lange  warten  und  neben  anderen  namaitlich   eine  Be- 
stimmung der  Konvention  durchzuführen  versuchen,  weldie 
ganz  entschieden   nur  auf  dem  Gesetigebungsw^e  Gteltimg 
erhalten  konnte,  die  schon  oben  genannte  Ernennung  des 
Vorstehers   des   WilhehusstLUs?     Römdin    b^ont    so   sehr 
d«[i    Unterschied    von   Konvention   und  KonkiMrdat     „Nur 
ein  Konkordat   würde  Staats-  und  Kirchengeaet»  in  einer 
F^iäsung  gewesen  sein.   Diese  Unteisclieiduii^  berührt  keines- 
weg»  blofs  den  Kamen  und   die  Au&erlichkeiteQ,   sondern 
ist  auf  die  ganze  Bduüidhukg  und  sUatsrechtlidie  Bedeutung 
der    Konventton    von    ein|nr>eireiider    Bedeutung''    (S.    217). 
Kanliiud  Kou^salvi  erklärte  l^i^,   die  Meinung,   als    werde 
der   r^mi^^he   Hvja   mit   pxv»tefrtuiti^lien   Fürsten   kein  Kon- 
kivrdat  schüeiWn.  ^  ;^uscK  im  Ge^:«zkteii  sei  die  Konkordats- 
K^rttt  d;e  hec^e  und  leichtesste  Art.  >Äcii  über  jeden  Satz  und 
Au^siruck    la    v>»$(äu:;fdi$^f£i«    u&d    «>»m    dann    beide   Teile 
uutvrscturxebeti  bAnen.   si(>   kv^ccie  :car  kein  Zweiiel  und  An- 
$t;u^  ttÄet.r  «rtK»l»ett  wvrdecK    U^^LSsteÜ^  sigt  ■  c^  ^-io) :  „  Nenne 
ttMux  ecs  ::uu  KvvrJivvua;  «.^fier  KvVLT«fL6c«L  Uberanknntt  oder 
Vec^ibN^vd;;;^^^  t\/;s:k;a:k'<i  ^"^^r  Frv^r^uiat^  es  sind  gegen- 
seitige   Verytk:cht:i«Lire:i    ^b^rz^ommen,    Zusiche- 
r*5i4Ce-    ^e^^besi   .cr:d    *r4:er,"»»3tea   worden,    die 
ke;»   W:*  /.xci  4e;rLi»  S;f.:*ier:  wieder  einseitig 
A>4;i;i^ru    >.  l.^     £»   ^:s:    xxLttr.    wae    «suah    die    gleich 

x^t:fc   *>«:    ?v7r,^jL.    i>?  Vt^^.-    xa^^«^r5«L   w:.^.   ^   der   Staat 
w^    j.r   Vv«-' :    JIr   jL^itf    ,V.Ttfc   P-ccsjääil   icsni    aofcb   tur 

x\.  :k.A''rv    ^  .'Cl.k.'XLHSS«?    4^:;^C.  '•  .C>iö5Ä;a-X3^IL    :iAttk  g^ttllWohl 


DÄSWÜRTTEUBERaiSCHE  KONKORDAT.  211 

eine  beengende  Fessel  aeiner  weiteren  inneren  Entwickelung 
angelegt  habe,  so  miiTa  dieselbe  verneint  werden." 

Die  Gründe,  welche  Rümelin  (S.  242 — 244)  iÜr  diese 
letztere  Behauptung  beibringt,  sind  solche,  welche  gegen  die 
ewige  Gültigkeit  jegLchen  Vertrags,  ja  aller  menschlichen 
Dinge  anzuiuhren  sind.  Jedenfalls  steht  über  der  ganzen 
Konvention:  „Pius  Episcopua,  Servus  Servorum  Dei.  Ad 
Perpetua m  Memoriam."  Das  wird  der  Papst  auch  nicht 
blofa  als  eine  leere  Phrase  gemeint  haben.  Die  Frage  liegt 
auch  gar  nicht  so,  sondern  es  handelt  sich  darum,  ob  in 
der  Konvention  selbst  eine  Vuraussetzuug  liegt,  dafs  der 
ätaat  nicht  gebunden  sei.  Keineswegs.  Äufseiten  der  Kurie 
ist  dies  der  Fall,  denn,  wie  wii-  bei  der  Einzelbetrachtung 
sehen  werden,  hat  die  Kurie  sich  bei  verschiedenen  Punkten 
vorgesehen :  temporum  ratione  babita  permittit,  non  recusat  etc. 
Der  Staat  aber  ist  nach  der  ganzen  Fassung  der  Konvention 
an  die  Beatimmungen  so  gebunden,  wie  überhaupt  ein  Ver- 
trag unter  Menschen  nur  binden  kann.  Der  Streit  „Kon- 
kordat" oder  „Konvention"  ist  nur  ein  WortatreJt  und  der 
Kurie  auch  völlig  gleichgültig.  Sie  nahm  jedenfalls  die 
Konvention  oder  das  Konkordat  dem  staatlichen  Kontrahenten 
gegenüber  in  dem  vollständig  bindenden  Sinn  eines  Staata- 
vertraga.  Es  ist  bezeichnend  tur  den  Standpunkt  des  da- 
maligen Kultdepartementschefs,  wenn  er  über  die  bündigen 
Erklärungen  der  Kurie  in  diesem  Sinn  mit  der  Anschauung 
hinw^geht  (S.  248):  ..,Sie  hatte  nur  eben  jene  Zusammen- 
stellung des  Vereinbarten,  eingekleidet  in  die  übliche 
Kirchensprache  ^!)  in  Form  einer  Bulle  für  die  Diöcese 
Rottenburg  zu  verkündigen."  Diese  Bulle  ersclüen  am 
31,  Dezember  1857  im  „  Hegierungsblatt  tur  das  Königreich 
Württemberg"  (nicht  für  die  katholische  Diöcese  Rotten- 
burg) und  zwar  als  „Königliche  Verordnung"  mit  folgen- 
der in  der  Hauptsache  wiedergegebenen  Einleitung :  „  Es 
ist  unter  dem  ö.  April  v.  J.  eine  Vereinbarung  zustande 
gekommen,  weicher  Wir  nach  Vernehmung  unseres  Geheimen 
Rates,  unter  Vorbehalt  der  ständischen  Zuatimuiung  zu  den 
eine  Änderung  der  Landesgeaetzgebung  in  sich  sclUiefseii- 
den  Punktou  Unsei-e  hocliste  Genehmigung  erteilt  haben.  — 


'J 1 2  HIJNZ, 

Da  die  in  jenen  Artikeln  der  katholischen  EÜrehe  einge- 
räumten Rechte  und  Freiheiten  teils  in  den  in  besonderen 
Beilagen  zu  dem  Hauptvertrag  vereinbarten  näheren  Fest- 
setzungen über  deren  Ausübung ^  teils  in  der  Landesgesetz- 
gebung, soweit  sie  von  der  Vereinbarung  unberührt  bleibt, 
diejenige  Umgrenzung  finden ,  unter  welcher  die  in  der 
Verlassungsurkundc  der  katholischen  Kirche  zugestandene 
Autonomie  in  ihren  inneren  Angelegenheiten  mit  Unserem 
ebenfalls  verfassungsniäfsigen  und  unveräufserlichen  oberst- 
hoheitlichem  Schutz-  und  Aufsichtsrecht  im  Einklang  steht, 
so  ist  die  genannte  päpstliche  Bulle  von  uns  an- 
genommen worden  und  bringen  Wir  nunmehr  dieselbe 
andurch  zur  allgemeinen  Kenntnis.  Hinsichtlich  der  Voll- 
ziehung. —  —  —  Gegeben,  Stuttgart,  den  21.  Dezember 
1857.  Wilhelm.  Der  Minister  der  auswärtigen  An- 
gelegenheiten: Hügel.  Der  Departementschef  des Kirchen- 
und  Schulwesens:  Rümelin."  Jetzt  folgt  die  Bulle:  Cum  in 
sublimi. 

Wenn  Rümelin  sagt  (S.  238):  „Es  versteht  sich  von 
selbst,  dafs  die  Konvention  kein  Staatsvertrag  im  inter- 
nationalen Sinn  ist,  da  sie  nur  innere  und  keine  auswärtigen 
Verhältnisse  berührt,  dafs  sie  zwar  mit  einem  auswärtigen, 
von  der  Regierung  völlig  unabhängigen  Kontra- 
henten abgeschlossen  ist,  dieser  aber  dabei  in  keiner  an- 
dern Eigenschaft  als  in  der  des  Vertreters  einer  inländischen 
Korporation  nach  ihrer  autonomen  Sphäre  in  Betracht 
kommt"  —  so  lautet  dies,  wie  noch  manches  andei'e,  ganz 
schön,  wenn  nur  auch  in  der  Konvention  selbst  ein  Sterbens- 
wörtchen davon  stünde.  Ganz  entschieden  hätte  sich  die 
Kurie  stets  allein  an  den  von  der  Regierung  autorisierten 
authentischen  Text  ihrer  Bulle  gehalten  und  nicht  an  aka- 
demische Glossen,  kommen  sie  auch  von  hoher  Seite.  Mit 
der  Wendung,  über  welche  Rümelin  so  leicht  glaubt  hin- 
weggehen zu  können,  „eingekleidet  in  die  übliche  Kirchen- 
sprache" war  es  der  Kurie  voller  Ernst.  Die  Konven- 
tion soll  „kein  Staatsvertrag  im  internationalen  Sinn"  ge- 
wesen sein,  und  doch  wurde  sie  vom  Minister  der  aus- 
wärtigen   Angelegenheiten    unterzeichnet    wie   jeder    andei'C 


i 


DAS  Wl'IITTKMTiEKRISCUK  Kft.VKnitnAT.  213 

[ißtaa tsvertrag,  wovon  im  gleichen  „Regierungsblatt"  nur 
44  äeiten  vorher  eine  ParaUele  zu  sehen  ist  an  deni  Ver- 
trag mit  der  Republik  de!  Uruguay.  Ebenso  beginnt  die 
Konvention  mit  dein  feierlichsten  Anfang  der  Staatsverträge: 
In  nomine  Sanctissimae  et  Individuao  Trinitatis.  Gewifs 
hätte  die  Kurie  es  niemals  als  blofse  Einkleidung  „in  die 
übliche  Kirchensprache "  gelten  lassen,  wenn  die  vorn  Staat 
„angenommene"  Bulic  im  Eingang  sagt:  „Itaque  summo 
gaudio  affecti  fiiimus,  ubi  Serenissimus  ac  Potentissinrms, 
Princepa  Guilielmus  I  Virtcmbergae  Rex  IlIuatriB  a  Nobis 
efflagitavit,  utecclesiasticainsuoRegnonegotia 
componere  vellemus"  (der  Papst  ist  der  Ordner,  und 
zwar  nicht  der  kirchlichen  Angelegenheiten  in  dem  zur  rö- 
mischen Kirche  gehiirigen  Teil,  sondern  im  ganzen  König- 
reich. —  ,, Die  übliche  Kirchensprache!"),  wenn  es  dann 
am  Schlüsse  heilst:  ,, Nulli  ergo  omnino  hominum  liceat, 
hanc  paginam  Nostrae  concessionis,  adprobationis,  rati- 
ficationie ,  acceptationis,  promissionis,  sponsionis, 
monitionis,  hortationis ,  d e c  r e  t i ,  derogationis ,  statuti, 
mandati,  voluntatis  infringere  vel  ei  ausu  temerario 
contraire.  Si  quis  autem  hoc  attentare  praesumpserit, 
indignationem  (Jranipotentis  Dei,  ac  Bcatonun  Petri  et  Pauli 
Apostolorum  Kjus  se  noverit  incursurum." 

Über  die  Verbindlichkeit  der  Konvention  wurde  auch 
in  der  endlich  herbei  geführten  Kammerverhan  dlung  1861 
viel  gestritten.  Die  aus  fünf  protestantischen  und  vier  ka- 
tltolischen  Mitgliedern  bestehende  staatsrechtliche  Kommission 
der  Kammer  der  Abgeordneten  teilte  sich  in  eine  Mehrheit 
für  und  eine  Minderheit  gegen  die  Konvention  oder  das 
Konkordat.  Die  Mehrheit  bediente  sieh  eines  schlauen  Ver- 
fahrens. Dafs  die  Konvention  anzunehmen  sei,  stand  ihr 
fest,  wie  sie  ja  erklärt,  dafs  „der  Inhalt  der  Konvention 
mit  den  Prinzipien  übereinstimme,  welche  der  Regelung  des 
Verhältnisses  zwischen  Staat  und  Kirche  zur  GrundJage 
dienen  müssen".  Dagegen  beatritt  sie,  dafs  die  Konvention 
ein  bindender  Vertrag  sei.  Ja  sie  «teilte  den  Antrag,  dafs 
„die  Kammer  in  die  Beratung  des  vorgelegten  Gesetz- 
ßntwurla    nur    unter    der    Bedingung    einzutreten    vormöge, 


214  BUNZy 

wenn  dieses  Gesetz  nicht  in  Ausführung  eines  Vertrags, 
sondern  wie  andere  Gesetze  unter  dem  Vorbehalte  der  Än- 
derung durch  die  künftige  Gesetzgebung  erlassen  werde  ^. 
So  schien  es,  als  ob  die  Kommission  Rom  gegenüber  dne 
reservierte  Haltung  einnehme.  Aber  materiell  woUte  sie 
nur  vier  Punkte  der  Zustinmiung  der  Kammer  anheimgeben, 
die  bischöfliche  Gerichtsbarkeit  in  Ehesachen^  die  Unter- 
suchung in  Disziplinar&Uen  gegen  Kleriker,  das  landesherr- 
liche Placet  und  die  Ernennung  des  Vorstandes  des  Wil- 
helmsstifts  ^  Alles  Übrige  blieb  jedenfalls,  wie  es  war.  Es 
macht  die  ganze  Verhandlung  den  Eindruck,  als  hätte  zu- 
erst der  Berichterstatter  der  Kommission  diese  und  dann 
die  Mehrheit  derselben  wieder  die  Kammer  durch  das  for- 
male Manöver  der  Aberkennung  der  Vertragsqualität  und 
einer  scheinbaren  Opposition  gegen  die  Regierung  dazu 
bringen  wollen,  den  Inhalt  der  Konvention  zu  genehmigen. 
Der  Kurie  konnte  diese  akademische  Begriffsstreiterei  gleich- 
gültig sein,  wenn  nur  erst  die  Konvention  angenommen  war. 
Sie  hatte  dann  ihre  Bulle  mit  dem  festen  Vertrag.  Die  Re- 
gierung schien  von  Anfang  an  auf  dem  entgegengesetzten 
Standpunkt  zu  stehen,  indem  sie  den  Vertragsbegriff  der 
Konvention  festhielt.  Die  Koramissionsmehrhcit  hatte  ihr 
zwar  schon  in  ihrem  Nachtragsbericht  zu  veretehen  gegeben, 
dafs  sie  es  nicht  so  bös  meine,  dafs  die  Regierung,  „wenn 
man  auf  das  eigentlich  praktische  Resultat  sehe,  der  Auf- 
fassung der  Kommissionsmehrheit  nicht  eben  so  ferne  stehe"*, 
und  damit  auch  ausgesprochen,  um  was  es  dieser  Mehrheit 
zu  thun  war. 

Die  Regierung  scheint  den  Wink  verstanden  und  ein- 
gesehen zu  haben,  dafs  der  Feldzugsplan  der  Kommission 
eher  zum  Siege  führen  küiine,  als  das  Festhalten  an  dem 
Vertragsbegriff.  Um  den  Inhalt  zu  retten,  opferte  sie  mehr 
oder  weniger  die  Form.  Während  vorher  die  Regierung  in 
den  Motiven  den  oben  S.  210  angegebenen  Standpunkt  ver- 
trat,  dafs   gegenseitige   Verpflichtungen    übernommen   seien. 


1)  Vgl.  Golther,  S.  106. 

2)  Golther,  S.  202. 


I 


DAS  WÜRTTEMBEBGISCRE  KnXKflunAT.  215 

welche  „kein  Teil  nach  seinem  Belieben  wieder  einseitig 
abändern  boII",  war  sie  jetzt  sehr  geneigt,  den  Vertraga- 
charakter  der  Konvention  abzuschwächen  und  preiszuj^eben. 
Der  Chef  dea  Kultdepartemcnts  erklärte  unter  anderem,  die 
Krage,  ob  die  Verordnungen  und  Gesetze a vorlagen  inbetre£F 
der  Konvention  einen  andern  Charakter  haben,  als  andere 
Verordnungen  und  Gesetze,  sei  zu  verneinen,  und  hiermit 
falle  allerdings  das  charakteristische  Merkmal 
der  Vertrags  form  weg.  Die  Bürgschaft  ftlr  die  Dauer 
der  Sache  könne  rein  nur  in  der  Natur  der  Verhältnisse 
gefunden  werden,  unter  denen  die  Konvention  abgeschlossen 
werde,  nicht  in  einer  rechtsverbindlichen  Form. 
Auch  der  Minister  des  Innern  sprach  sich  in  ähnlicher  Weise 
aus.  Sehr  naiv  ist  der  Sdilufs  seiner  Rede,  wo  er  unver- 
hiillt  darlegt,  um  was  es  sich  nach  Absicht  der  Regierung 
und,  wie  wir  gesehen,  der  KommiBsionsmehrheit  handelte, 
wenn  er  sagt:  „Wenn  ich  Ihnen  nun  meine  Meinung  sagen 
ßoll,  so  gebe  ich  ihnen  vollkommen  frei,  welches  Urteil  Sie 
über  die  rechtsverbindliche  Kraft  der  Konvention  in  sich 
tragen  und  hier  aussprechen  wollen,  aber,  wenn 
Sie  praktisch  zu  Werke  gehen  wollen,  wenn  Sie  so 
zu  Werke  gehen  wollen,  wie  es  der  Natur  der  Ver- 
hältnisse allein  entspricht,  so  müssen  sie  zuerst 
Sachen,  nach  dem  Inhalt  der  Konvention  den 
Rechtszustand  der  katholischen  Kirche  inWurt- 
temberg  zu  ordnen," 

Das  war's,  auf  was  es  besonders  audi  der  Kurie  ankam. 
War  einmal  die  Gutheifsung  der  Konvention  da,  diese  an- 
scheinend nur  formelle  Sanktion  der  Kammer  vorhanden,  so 
konnte  man  den  Streit  über  den  Vertragscharakter  ganz 
wolil  den  Theoretikern  überlas  Ben,  während  die  beati  possi- 
dentes  die  Konvention  auf  Grund  der  legislatorischen  Be- 
stätigung durch  fiibrten. 

Die  Minderheit  der  Kommission  ging  aber  nicht  „prak- 
ÜBcIi  zu  Werke"  nach  dem  Sinne  der  Regierung.  Sie  stellte 
den  Anlnig:  „Die  Kammer  wolle  beschliefaen ,  dafs  sie  die 
mit  dem  päpstlichen  Stuhl  zur  Ilegelung  der  Angelegen- 
bciton  der  katholischen  ICirche  in  Württemberg  abgeschlossene 


216  BUNZ; 

Vereinbarung  als  unverbindlich  betrachte^  demgemäls  g^n 
den  Vollzug  Verwahrung  einlege  und  an  die  königL  Staats- 
regierung die  Bitte  richte,  in  dieser  Erwägung  die  Verord- 
nung vom  21.  Dezember  1857,  betreffend  die  Bekannt- 
machung jener  auf  die  Verhältnisse  der  katholischen  Kirche 
bezüglichen  Vereinbarung,  aufser  Wirkung  zu  setzen 
und  diese  Verhältnisse  im  Wege  der  Landesgesetz- 
gebung zu  ordnen/' 

Diesem  Antrag  trat  die  Kammer  bei  und  verwarf  somit 
die  Konvention.  Dies  geschah  mit  63  gegen  27  Stimmen. 
Unter  ersteren  waren  2,  unter  letzteren  23  Katholiken.  Wenn 
Rümelin  diese  Thatsache,  ohne  besondei*e  Behauptungen 
darauf  zu  gründen,  doch  so  ins  Licht  stellt,  dafs  deutlich 
zu  sehen  ist,  wie  er  dem  Leser  zu  bedenken  geben  will, 
ob  nicht  konfessionelle  Parteilichkeit  dabei  den  Ausschlag 
gegeben  hat,  so  ist  es  nicht  einmal  nötig,  auf  diese  Frage 
näher  einzugehen  und  Baden  damit  zu  vergleichen  \  wo 
fünf  Vierteljahr  vorher  gerade  die  katholischen  Abgeordneten 
gegen  eine  ganz  ähnliche  Konvention  gestimmt  hatten.  Nein, 
es  war  geradezu  Pflicht  der  protestantischen  Abgeordneten 
gegen  ihre  Kirche  und  den  Staat,  in  ihrer  Eigenschaft  als 
Protestanten  einem  Vertrag  entgegenzutreten,  wenn  er  nichts 
weiter  enthalten   hätte  als   den   Eingang:    Cum    in   sublimi 

Principis  Apostolorum  Cathedra universam  ca- 

tholicam  Ecclesiam  Nobis  ab  ipso  Christo  Domino  com- 
missam  regere  et  tueri,  vorausgesetzt,  dafs  sie  soviele  histo- 
rische und  kanonistische  Kenntnisse  hatten,  um  diesen  Satz 
in  seiner  ganzen  vom  römischen  Stuhl  stets  festgehaltenen 
Tragweite  zu  verstehen,  wie  derselbe  auch  genau  in  dem  Sinne, 
wie  er  von  der  Kurie  gemeint  ist,  in  der  im  Regierungs- 
blatte  beigesetzten  authentischen  Übersetzung  lautet:  „die 
ganze  Uns  von  dem  Herrn  Christo  selbst  anver- 
trauten Christenheit  zu  lenken  und  zu  schützen." 
Oder  soll  es  nur  ein  Recht  und  eine  Pflicht  katholischer 
Abgeordneter  sein,  ihre  Kirche  in  allen  Forderungen  zu 
unterstützen,   nicht  aber  diejenige  protestantischer  Abgeord- 


1)  Golthcr,  S.  210—213. 


DAS  WtRTTEMBERGTSCHE  KONKORDAT.         217 

neter,  ihre  Kirche  vor  den  Übergriffen  der  römischen  Kirche 
wenigstens  tueri?  Oder  soll  es  ein  Zeichen  staatsmännischer 
Weisheit  sein,  den  Ansprüchen  Roms  mit  hofinänni scher 
Coulance  entgegenzukommen?  Oder  ist  es  am  Ende  philo- 
sophische Erhabenheit,  in  der  Kurie  einen  antiquierten  Schwär- 
mer zu  sehen,  dessen  naive  Ansprüche  man  als  überwunde- 
nen Standpunkt  mitleidig  gewährt  im  Bewufstsein,  auf  der 
Hiihe  der  Zeit  zu  stehen,  wo  die  Staatsgewalt  im  Besitz  der 
Macht  jederzeit  das  letzte  Wort  roden  kann?  Wir  werden 
sehen,  da(s  die  Konvention  gar  verschiedene  Punkte  ent- 
hielt, welche  die  Protestanten  als  solche  verptUchtete,  dagegen 
zu  stimmen,  die  aber  eben  Konsequenzen  des  genannten  an 
die  Spitze  gestellten  Obersatzes  waren.  Dazu  kommt  noch 
die  Frage  in  Betracht,  ob  nicht  die  protestantischen  Ab- 
geordneten eher  imstande  waren,  die  Konvention  gerade 
vom  staatsrechtlichen  Standpunkt  ans  unbefangener  zu 
prüfen. 

Von  dem  inzwischen  eingetretenen  nfluen  Chef  des  Kult- 
departements Staatsrat  Dr.  v.  Goltlier,  wurde  nun  der  Ent- 
wurf eines  Gesetzes,  betreffend  die  Regelung  des  Verhält- 
nisses der  Staatsgewalt  zur  katholischen  Kirche  vorgelegt. 
Derselbe  wurde  angenommen  und  am  30.  Januar  1862  als 
Gesetz  verkündigt '. 


Dieses  Gesetz  soll  nun  nach  Rümelin  (S.  209  ff.)  nur 
formell  von  der  Konvention  verschieden  sein.  Nur  „nehmen 
sich  dieselben  Bestimmungen  sehr  ungleich  aus,  wenn  sie 
aus  dem  als  Weisung  des  Papstes  an  den  Bischof  gedachten 
Text  in  den  stolzen  Imperativ  der  staatlichen  Gesetzessprache 
übertragen  werden."  Wie  schon  S.  21lff.  gezeigt,  ist  die 
Konvention  keine  „Weisung  an  den  Bischof",  sondern  ein 
Staats  vertrag.  „Quo  circa  ejusdem  Serenissimi  Principis  votis, 
quae  et  Nostra  vota  erant  diuturna,  et  impcnsisaima,    quam 


11  S.  den  Entwurf  bei  Goltbor,  S.  402— ^40,  da»  GMetx  S.MI 
bis  547. 


tii 


^  &  IL  E>  xTPesoTternm 

Cmrfaaiem  i^  Bfiwth  pKCzffe.  Axträa.  ae  pmdentia  spec- 

ct  iBstractioiubQs  dcpnta- 
TXtecm  FXo  XobiE  *Yxio  Adolä>  Ebero 
Bsrose  de  Oir,  qn  cfiLwie«  YirtCBbev^ae  Be»  apnd 
CÜsemcaa  et  ApoütoGeam  Ibjeststn  lEnistor  PlenipoteD- 
terios  ad  Xos  ram  Ebem  mandatw  nisBas  fberat,  rem 
aamem  ledolo  di^ailarqve  tucUunfam,  et  conficiendam 
cviaici.  —  Et  ennn  post  sraiifauB  consonaticns^iii ,  cpuun  rei 
gniritas  pfauie  postulabat,  Conreiitio  ipesa  idmilms  articolis 
diftmcta,  et  a  W.  F.  F.  K  S.  S.  R  E  CardinaKbns  Con- 
gr^ratkmis  necrotH«  eccl^'-^ia^ticis  extraordiaarns  praepositae 
examinata  cam  eodem  Serrntsräno  Bege  fint  inita,  atqne 
ad  optatnm  exitnm  perdncta.  Cum  antem  fjnsdein  Con- 
rentianiÄ  articnli  tum  a  Xostro  tnm  a  Regio  I^enipotentiario 
die  octavo  monri«  Apniis  hnjos  anni  ^nbscripti  fnerint .  ."  — 
Die«e  Be^fimninn^  enthalt  die  von  der  Regierung  veröffent- 
lichte Einllahning?bnlle.  Man  konnte  bei  keinem  Staats- 
vertrap^  korrekter  vordrehen. 

Wr-nn  nun  Kümeh'n  einzelne  wenige  Bestimmungen  des 
OesefzfÄ  anfiiliren  kann,  welche  mit  der  Konvention,  wie 
wir  sehen  werden,  iihoroinjitiinmen,  so  hat  die  Gesetzgebung 
nirgend«  pir*h  darauf  benilen,  keinr-rlei  Konzessionen  gegen- 
über dem  früheren  Verhältnis  zu  machen,  imd  so  kann 
in  einzelnen  Punkten  Konvention  und  Gesetz  zusammen- 
treffen. Bei  Kümeh'n  aber  niufs  der  Schein  erweckt  werden, 
als  bestehe  nur  ein  l'ntorschiod  der  Form,  wenn  er  sagt 
(S.  210):  „Wo  die  Konvention  sncrt:  Der  Bischof  wird  sich 
vorher  ins  Einvernelnnen  mit  der  kfaiigl.  Kegierung  setzen, 
heifst  es  im  Gesetz  natinlich:  die  staatHche  Genehmigung 
iftt  crfordorlieh."  Dieser  Au.<ilrnc-k  kommt  in  der  Konvention 
nur  einmal  vor.  hei  Art  \\\  ir.  wo  es  sich  um  Einiilhrung 
von  rrh'gioscn  Orden  hamU-lt.  Dnraut  worden  wir  später 
zurückkonimen.  Sonst  tindct  sich  (liest-  Bostiminuni'  in  der 
dem   Bisehof  vom  Papst  zur  Auslührung  erteilten  Instruktion 


I 


DAS  wtRTTESIBERGlSCHE  KOKROBDAT.  219 

nocb  zweimal,  bei  Art.  IV  und  VI.  Es  ist  im  Art.  IV  von 
biachöäicben  Erlassen  die  Rode.  Wie  aber,  wenn  dieses 
„Ins-Einvcrnebmcn-aefzen"  zu  keinem  Kesullat  der  Einigung 
führt?  Dann  lint  der  Bischof  das  Seiiiige  gethan  und  kann 
mit  dem  Erlafa  vorgehen.  Wo  nber  die  staatliche  Geneh- 
migung erforderlich  ist,  da  darf  der  Bischof  bei  Meinungs- 
verachiedenheit  nicht  veröffentlichen.  Weiteren  Unterschied 
wird  die  Einzelnusfühmng  zeigen,  und  wir  vei-weisen  inbetreff 
der  Deutung  des  „  Ina  -  Einvernehmen  -  setzen ",  wie  sie  die 
Konvention  seibat  giebt,  auf  Art.  VI.  Das  Gesetz  wurde 
durch  die  Konvention  notwendig,  d.  b.  weil  die  Regie- 
rung so  weit  gegangen  war,  muffte  endlich  eine  gosctzhche 
Regelung  eintreten,  aber  das  Gesetz  war  so  wenig  erst  durcli 
die  Konvention  möglich,  wie  Rünielin  boliauptet,  dafs  ja 
der  Mangel  eines  Gesetzes  bei  dem  ganzen  bisher  gezeigten 
liistorischpu  Gang  der  Hauptfehler  war.  Auf  ein  Gesetz 
wies  ja  die  staatsrechl liehe  Kommission  der  Kammer  schon 
1P41  hin  (s.  oben  P.  197).  Petzen  wir  den  oben  genannten 
Fall  inbetreff  der  bischöflichen  Erlasse  als  Beispie!  für  alle, 
so  wäre  noch  die  Frage  übrig:  Was  dann,  wenn  der  Bischof 
auch  jetzt  nach  Erlafs  des  Gesetzes  ohne  staatliche  Ge- 
nehmigung verüfTentlicht  ?  oder  allgemeiner  gefafst:  wenn 
die  Gesetze  nicht  gehalten  werden?  Bestimmte  Strafen  sind 
nicht  vorgesehen.  Dies  ist  Tür  Rünielin  ein  bedeutendes 
Argument  dai\ir,  dafs  „das  Gesetz  von  18G2  seinem  Inhalt 
nach  nur  die  in  andere  Formen  umgegossene  Konvention 
ist".  Der  Bischof  sei  dem  Gesetz  gehorsam,  nur  weil  er 
„in  dem  Gesetz  den  Inlialt  der  Konvention,  nur  in  anderer 
Form  und  Fassung  wieder  erkenne".  „Sobald  einmal  ein 
Fall  des  Widerstandes  und  ein  Konflikt  eintritt,  wäre  das 
Gesetz  von  lt<li2  sofort  unzureichend  und  machtlos"  (R.  S.  211 
bis  aj;j}.  Lassen  wir  die  beiden  Ge-ichtspunkte  beiseite, 
nach  welchen  in  AVürttemberg ,  besondei-s  Dank  der  Er- 
ziehung der  Klerikei',  von  jeher  ein  extremen  Tendenzen 
abholder  Geist  des  Friedens  herrschte,  und  dafs  das  Gesetz 
von  1862  dem  Kirchenregiment  Konzessionen  erteilte  gegen- 
über den  Bestimmungen  vor  1857.  Halten  wir  uns  an  die 
Frage,  ob  denn  das  Gesetz   bei   etwaiger  Renitenz   wirklich 


220  BÜNZ, 

nur  in  der  Luft  stände.  Näher  wird  die  Frage  bei  der 
Betrachtung  der  einzelnen  Gesetzesartikel  beantwortet  wer- 
den. Es  sei  hier  hingewiesen  auf  die  Konvikte  zur  Erziehung 
der  Kleriker,  wo  ja  der  Staat  die  letzte  Gewalt  hat,  die 
eingehenden  Vorsichtsraafsregeln  gegen  geistliche  Orden,  die 
staatlichen  Rechte  inbetreff  der  Verwaltung  des  Kirchen- 
yermögens,  die  Bestreitung  der  kirchlichen  Bedürfnisse  aus 
Staatsmitteln.  Gegen  eine  oben  angenommene  Veröffent- 
lichung bischöflicher  Erlasse  wäre  schon  das  1862  geltende 
Strafgesetzbuch  von  1839  zuständig  gewesen  im  Art  447  u. 
448. 

Inbetreff  der  Ehegerichtsbarkeit  ist  indes  ausdrücklich 
bestimmt,  dafs  im  Fall  einer  Kollision  zwischen  dem  staat- 
lichen und  kirchlichen  Eherechte  die  bürgerlichen  Gerichte 
in  Thätigkeit  zu  treten  haben,  welche  nach  den  staatlichen 
Normen  entscheiden  (Gesetz  Art  9).  Übrigens  stände,  so- 
bald Ungehorsam  der  Kirchenbehörde  einträte,  immer  der 
gesetzgeberische  Weg  offen,  auf  welchem  besondere  Repressiv- 
mittel festgestellt  werden  könnten.  Will  man  es  dem  Gesetz- 
geber von  1862  zum  Vorwurf  machen,  dafs  er  dies  nicht 
that,  weil  keine  Veranlassung  dazu  da  war,  und  weil  das 
Vertrauen  gehegt  wurde,  es  werde  die  Kirchenbehörde  auch 
in  Zukunft  keine  solche  geben? 

Rümelin  betont  verschiedene  Male,  dafs  „auf  dem  Ge- 
biete der  inneren  kirchlichen  Angelegenheiten  keine  fremde 
Macht,  also  insbesondere  keine  Staatsbehörde,  einseitig  be- 
fehlend, positiv  anordnend  auftreten  kann,  dafs  das  Unter- 
lassen sakramentaler,  gottesdienstlicher  und  kirchlicher  Hand- 
lungen niemals  vom  Staat  mit  Strafe  bedroht  werden  kann " 
(S.  225.  229.  233).  Davon  ist  aber  im  Gesetz  auch  nir- 
gends die  Rede.  Dasselbe  beschäftigt  sich  lediglich  mit 
dem  jus  circa  sacra. 


In  einem  zweiten  Artikel  werden  wir  nunmehr  die  ein- 
zelnen Bestimmungen  der  Konvention  und  des  Ge- 
setzes näher  zu  betrachten  haben,  um  einerseits  zu  erkennen, 
ÖÄfs  das  Gesetz  nicht  die  in  eine  andere  Form  umgegossen© 


DAS  WLRTTEMREßGISCnE  KONKOKDAT. 


2S1 


iJ)iiTeiitioii  ist,  anderseits,  wie  letztere  statt  den  Konflikten 
L  Ende  zu  maclien,  nur  Zerwürfniaae  in  sich  barg,  sobald 
Bfter  Staat  sich  nicht  dem  kanonischen  Recht  vollständig  unter- 
werten  wollte.  Nebenbei  werden  wir  auch  bemerken,  wie 
das  Gesetz  ohne  ausdrückliche  Strafbestimmungen  doch  die 
Durchführung  vielfach  garantiert.  Wir  vergleichen  nach  der 
Ordnung  der  Artikel  der  Konveution  und  gebrauchen  diesen 
Ausdnick,  weil  er  der  offizielle  ist,  ohne  aber  den  Unter- 
schied von  „Konkordat"  einsehen  zu  können,  da  beide^ 
jedenlalls  im  Sinn  der  Kurie,  gleich  verbindlich  sind  '. 


1)  Vgl.  übrigens  die  BuUe  selbst,  am  Schlufs:  Gnni  igitur  hujus- 
modi  Conreiitionis  pacta  et  coacordata  etc.  —  Wir  hielten  ima 
deshalb  auch  fiir  vollberechtigt,  in  der  Überschrift  dieses  Aufaatses 
den  sich  durch  Prägnanz  cmpfehleuden  Ausdruck  „Konkordat"  an- 
zuwenden. 


Kritische  Übersichten 

Aber  die  kirrhengeschichtlichen  Arbeiten 

der  letzten  Jahre. 


^^^%^^l^^W^ 


I. 

Die  Arbeiten  zur  Eirchengeschichte  des  14.  und 

15.  Jahrhunderts 

aus  den  Jahren   1875 — 1884. 

Von 

Prof.  D.  Karl  MOUor. 


II.   Die  Zeit  der  Kirchenspaltung  und  der  Reform- 

iconzilien  \ 

A.   Das  Schisma   und   die  Konzilien   von   Pisa   und 

Konstanz. 

1.  *M.  Cn^iirUton,  Ilistory  of  papacy  duriog  the  period  of  the  re- 
fonimtlou.    2  lidc.     1882. 

'it  DfUtMclio  UolcllHtasrüakteu  unter  König  Wenzel.     Bd.  III:   1397 
Mm  I \ y HV     Uurauügegebon  von  J.  Weizsäcker.    München  1877. 


^^  Vgl  au^s0  '^fioitschrlft  VII,  61  ff.  —  Ich  möchte  hier  bemerken, 
{\^(k  loh  um  dv'i'  groi'üüii  Ausdehmuig  des  litterarischen  Materials  willen 
uiul  woil  flu  gutlbor  Teil  desselben  doch  längst  Gemeingut  gewor- 
ü«u  i»t,  \\m  uur  noch  diojeuigou  Schritten  genauer  besprechen  will, 
diu  iu  tUuologi^cUiUi  Zeitschriften  nicht  oder  in  einem  von  meiner 
Aniiioht  abwoichuudcu  Sluue  angezeigt  worden  sind.  Für  den  dritten 
Teil  godcuke  ich  groi&imtcnU  mit  blofser  Zusammenstellung  der  Ar- 
beiten auMJukommen. 


MÜLLER,  KÜtCHEKGESCHICHTE  DES  11.  U.  15.  JAintH.       223 

(V  u.  335  8,  4'.)  —  D.  RA.  unter  Konig  Ruprecht.  Bd.  I:  1400 
bis  14ÜI.  Gotha  1882.  (XXIU  u,  531  S.  4°.)  —  D.  RA.  unter 
Kaiser  Sigmund.  Bd.  1  u.  IL  HerauBgegeben  Ton  D.  Kcrler. 
(.453  u.  550  S.  4°.) 
.  Th.  Lludner,  Papst  Urban  VI.  [in  dieser  Zeitschrift  III,  409  bia 
438  u.  526—5461. 
4,  — ,  Geschichte  des  Deutncben  Reichs  vom  Ende  des  14.  Jahi^ 
hunderte  bia  zur  Reforuiatiun.  1.  Abteilung :  Geschichte  des 
Deutücheu  Reichs  unter  König  Wcniel.  BrauDschweig.  Bd.  L 
1875  (43Ü  S.  8°);  Bd.  II.  1876  und  1880  (545  S.  8°). 

6.  Riehard  Gerits,  Zur  Gp.schichte  dea  Erzbiachofs  Johann  11.  von 
MaiuK  13!)<J^14I9.  I.  Sein  Heg ierungsautritt.  Hallenser  Dissert. 
1882.     (5U  S.  8'.) 

8.  Paol  Tschuekert,  Peter  von  Ailli  (Petrus  de  AUiaeo).  Zur  Ge- 
schichte dea  grofsen  abend!  ändiachen  Schisma  und  der  Reform- 
konzilien VDQ  Pisa  uud  Konstajiz.  Auliang:  Petri  de  Alliaco 
anecdotorum  partes  aelectae.  Gotha,  Pei-tlies,  1877.  (XVi,  382 
u.  [53]  S.  gr.  8°.) 

7.  Th.  Müller,  Frankreleha  Unionsversuch  unter  der  Regentschaft 
de»  Herzogs  von  Burgund  1393/98.  Jahresbericht  des  evang, 
Gymnasiums  na  Gütersloh  1881.     (28  S.  4'.) 

8.  H.  y.  Sauerland,  Das  Lehen  des  Dietrich  von  Nieheim 
nebat  einer  Übersicht  über  dessen  Schriften.  Göttingen  1875, 
{86  8.  8».) 

9.  K.  E.  H.  Krause,  Dietrich  von  Nicm,  Konrad  von  Vechta,  Kon- 
rad von  Sollau,  Bischöfe  von  Verden  1395— 1407  (in  Forachungen 
s.  deutscheu  Geschichte  XIX  [1879],  S.  592—610). 

10.  — ,  Nochmals  die  Bischöfe  von  Verden,  Dietrich  von  Niem  und 
Kourad  von  SoltflU  (ebd.  XXI  [1882J,  S.  248—251). 

11.  Th.  Liiiiluer,  Beitrüge  zu  dem  Leben  und  den  Schriften  Diet- 
rich's  von  Niem  (ebd.  XXI,  Ii7— 92). 

12.  Houbeu,  Eine  Studie  über  llicodorich  roa  Nieheim  („Der  Ka- 
tholik" 188Ü,  Bd.  LX.    N.  F.  XLIH,  S   57-75). 

13.  D.  Kattlu^'cr,  8.  J.  Dietrich'»  von  Niem  Schrift  „De  bona 
Romaui  pontificis  regimine"  [Hist.  Jahrb.  d.  Görresges.  V  [1884], 
S.  163— 17H). 

14.  Hu^  Siebekiu?,  Beitrüge  zur  Gaschichtc  der  grorscn  Klrchen- 
apaltung  (Programm  der  Annen -Realschule  zu  Dresden  [Dresden, 
Teuhner,  1881|,  S.  1-20). 

16.  Ma\  Lenz,  Drei  Traktate  aus  dem  Sehriftencyklus  des  Koa- 
Htanzer  Konzils  untersucht.     Marburg  1870.     (98  S,  8".) 

16.  Panl  THchuckcrl,  Dur  Kai-d!nal  Peter  von  Ailli  und  die  beiden 
ihm  Kugeschi-iebenCQ  Schriften  „De  difficultate  rcformHliaiüft  % 


224  Britische  Übersichten,  i.  müllsb, 

concilio  oniversali'^  und  „Monita  de  necessitate  reformationis  io 
capite  et  membris*'  (in  Jahrb.  f.  deutsche  Theologie  1875  XX, 
272-310). 

17«  Paul  Tschackerty  Die  Unechtheit  der  angeblich  Aillischen  Dia- 
loge „De  quaerelis  Franciae  et  Angliae'^  und  „De  jure  succes- 
sionis  utrorumque  regum  in  regno  Franciae^'  aus  den  Jahren 
1413—1415  (in  dieser  Zeitschr.  I,  149—156). 

18.  — ,  Pscudo-Zabarellas  „capita  agendorum"  und  ihr  wahrer  Ver- 
fasser (in  dieser  Zeitschr.  I  [1877],  S.  450—462). 

19.  *  Henri  Jadart,  Jean  de  Gerson  1363—1429;  recherches  sur  son 
origine,  son  village  natale  et  sa  famille.  Reims  1881.  (VIII  o. 
280  S.  u.  12  Tafeln.)    (S.  A.  aus  den  Travaux  de  rAcaddmie  de 

Reims.) 

20.  G.  Schuberth,  Ist  Nikolaus  v.  Cl^manges  Verfasser  des  Buchs 
„De  corrupto  ecclesiae  statu  "?  (Programm  der  Realschule  zweiter 
Ordnung  zu  Grofsenhain,  Ostern  1882.    48  S.  4°.) 


21»  G«  Erler,  Zur  Geschichte  des  pisanischen  Konzils  (Programm 
des  Kikolalgymnasiums  in  Leipzig.     Ostern  1884.    40  S.  4®). 

22.  J.  Bollati  di  St.  Pierre,  Frammcnto  di  storia  del  papato  nel 
secolo  XV.  (in  Miscellanea  di  Storia  Italiana  edita  per  cura  della 
regia  deputazione  di  storia  patria,  T.  XX,  p.  611—623.  Torino 
1882). 


23.  Uolrich  Richendal,  Concilium  ze  Costenz  1414—1418.  Photo- 
lithographische Ausgabe  der  Aulendorfcr  Handschrift.  Karlsruhe 
1881.  (595  S.  fol.)  Veranstaltet  von  D.  th.  Herm.  Sevin;  Licht- 
druck von  Bäckmann  in  Karlsruhe. 

24.  Ulrich^s  Ton  Richental  Chronik  des  Konstanzer  Konzils  1414 
bis  1418,  herausgegeben  von  M.  R.  Bück  (Bibliothek  d.  litterar. 
Vereins  etc.  Stuttgart,  Bd.  CLVIII.    Tübingen  1882.    255  S.  8«). 

25.  Jos.  ^Vahl,  Andreas  von  Regensburg,  ein  Geschichtschreiber  des 
15.  Jahrhunderts.  Ein  Beitrag  zur  Quellenkunde  der  husitischen 
Reformation.     Göttinger  Dissert.  1882. 

26.  U.  Finke,  Zur  Beurteilung  der  Akten  des  Konst.  Konz.  (For- 
schungen z.  deutschen  Geschichte  1884  XXIII,  501—520). 

27.  Karl.  Hunger,  Zur  Geschichte  Papst  Johannas  XXIII.  Bonner 
Dissert.  1876.     (52  S.  8«.) 

28.  "  Glov.  Gozzadini ,  Nanne  Gozzadini  e  Baldassare  Cossa  poi 
Giovanni  XXin.    Bologna  1880  mit  1  Titelbild. 


ABBEITEK  ZUR  KIHCUKNQESCH.  DES  M.  V.  15.  JAURH.      2'ih 

IS.  Lorenzo  Leunil,  Giovanni  XXIU  ed  il  Commune  di  Todi  [Är- 
chivio  atorico  Itaüuno.     IV.  Ser.     T-  IV  (1879],  p.  184—197). 

10.  Job.  Schmitz ,  Die  fraozös.  Politik  u.  die  UnioDaverhaudluiigea 
dea  EonzÜB  von  EonBtanz  (1414—1416).  Düren  187!).  Bonner 
Diaaert.     {H8  S.  8'.) 

11.  J.  Caro,  Aus  der  Kanzlei  Kaiser  SigiBmunda.  Urkundliche  Bei- 
tifige  zur  Gesciucbte  dea  Konstaiuser  Konzila  (in  Arcbiv.  f.  ÖBterr. 
Geacb.  LIX  |I8«Ü|,  S.  1—175). 

12.  — ,  Das  Biindnia  von  Canterbuiy.  Eioe  Episode  aus  der  Ge- 
schiclite    des    Konsljuizer    Konzils.      Gotha    188ü.       (Vlll    und 

12Ü  s.  a-.) 

53.  Felipe  de  Halla,  el  concilio  de  Conatonza  (iu  der  Reviata  de 
cienciaa  bistoricas  p.  p.  8.  Sanpere  y  Miquel,  T.  III  el  IV). 

54.  W.  Beruhurdt,  Der  EinQaTa  des  Kardiualkoücgiuiaa  auf  die  Ver- 
handlungen des  Konatanzer  Konzils.  Leipziger  Diasert.  1877. 
(30  S.  8".) 

36.  KoDBt.  UUfler,  Abhandlungen  aus  dem  Gebiet  der  slaviacbeu 
Geachichte.  II.  Der  Streit  der  Polen  und  der  Deutschen  vor 
dem  Konstanzer  Konzil  (Wiener  Sitzungsberichte  lä79.  XCV, 
875—838). 

36.  Altr.  Zimmermann ,  Die  kirchlichen  VcrfaBBiingakämpfe  im 
15,  Jahrhundert.     Eine  Studie.     Breslau  1882.     (136  S.  8°) 

37.  Slanisl.  Franc.  Fablsz ,  Quidoom  Poloni  geaaerint  adveraus 
achisma  oceidentale  sjuodoeque  Conatautieusem  et  Basileeuaem. 
Würsiburger  theol.  Doktordisaert.     Wirceburgi  1879.    (174  S.  8'.) 

Die  Entstehung  des  Schismas  '  und  die  Person 
Urban's  VI.  hat  Lindner  in  Nr.  3  auf  Grund  der  For- 
schungen seines  gröfsereu  Werks  (Nr.  4)  und  teilweise  in 
wörtlicher  ^Viedergabe  desselben  den  Lesern  dieser  Zeitschril't 
vorgeführt.  Denn  nachdem  in  den  Reiebstagsakten 
(Nr.  2)  für  die  politische  innere  Oesehichte  Deutschlands 
eine  Fülle  von  neuem  oder  mit  peinlicber  Sorgfalt  neu  her- 
ausgegebenen Materials  gesammelt  und  eine  Menge  müh- 
samer Einzel untersuchurigon  geliefert  waren,  hat  Lindner 
in  Nr,  4  zum  erstenmal  eine  zusammenhängende  gelehrte  Ge- 


■    hie 
HGuk 


1)  Bedauerlicherweise  kann  ich  hier  dBH  Werk   von  Creightnn 
(Nr.  1)  über  das  Papsttum  in  dieaer  Zeit  nicht  vorführen ,  da  es  auf 
hiesiger  Bibliothek  jetzt  erst  angeschaflt  werden  soll.    S.  über  das- 
Wlbe  die  aehr  giiaaiigen  Urteile  von  Kolde  (D.  L7>.  1883,  IV,  Nr.  29) 
id  UcurHtli   i,Tl.,   I./..   I.SS,-.,  N,-.   It;,. 


326  tCRITIBCHE  ÜBERSICHTEN.  I.  UOUJSB, 

schichte  der  Zeit  Wenzel's  gegeben.  Wie  die  Reichstagsakten 
auch  der  Geschichte  des  Schismas  zu  gut  kommen ,  sofern 
durch  dieses  jederzeit  die  innerdeutschen  Verhältnisse  wie 
die  auswärtige  Politik  des  Königs  und  der  Fürsten  beein- 
flufst  werden,  so  bringt  auch  Lindner's  Werk  unter  den  Er- 
eignissen der  deutschen  Geschichte  überhaupt  selbstverständ- 
lich auch  die  Bewegungen,  welche  infolge  der  Schismas  in 
der  Hierarchie  wie  im  weltlichen  Fürstentum  und  Adel 
entstanden  sind,  nicht  minder  die  Beziehungen,  in  welche 
König  imd  Stände  durch  das  Schisma  zu  den  benachbarten 
Staaten,  insbesondere  Frankreich  getreten  sind.  Für  die 
Zeit  Bonifaz'  IX.  und  Benediktes  Xm.  kommen  aus  Lind- 
ner's  Band  II  insbesondere  die  Kap.  32  f.  35  f.  39  mit  Beilage 
12.  14—16.  21—24  in  Betracht:  sie  fallen  in  die  Zeit  der 
Unionsverhandlungen,  für  welche  Lindner  einzelne  Punkte, 
besonders  den  gesandtschaftlichen  Verkehr,  das  Werben  beider 
Päpste  bei  Wenzel  und  den  Kurfürsten,  neu  und  groisenteils 
im  Gegensatz  gegen  die  Ansichten  Weizsäcker's  in  den 
Reichstagsakten  (Nr.  2)  zu  bestimmen  sucht  Eine  Episode 
in  der  Geschichte  des  Haders  der  beiden  Päpste,  wie  er 
sich  in  Deutschland  wiederspiegelt,  bildet  der  Kampf  des 
Ei^zbischof  Johann  IL  von  Mainz  mit  seinem  Gegner,  Gott- 
fried von  Leiningen :  nach  den  Reichstagsakten  und  Lindner 
hat  ihn  Gerits  dann  noch  zum  Gegenstand  einer  beson- 
deivn  Abhandlung  gemacht  (Nr.  5).  Hier  wird  zugleich 
die  Stellung  der  rheinischen  Kurfürsten,  deren  siegreicher 
Kandidat  Johann  ist,  zum  Schisma  und  das  Motiv  ihres 
AuHohlu^^^os  an  dio  französische  Neutralitätspolitik  neu  be- 
louohh^  K^^  Sx^li^U?^  Gt^rits  leicht  —  im  Gegensatz  gegen 
l.uulnor  }h>\\<'  l\vlitik  als  nicht  vom  Interesse  der  kirch- 
Uoh^n  ha^^l^s  M.  *v^ult^ru  ItHliglieh  von  dem  ihrer  eigenen  Stel- 
Ivuv^'  (n^Uovvtjts't^  4U  «^Awt^i^^en.  Gerits  denkt  namentlich  an 
lM\(jt^fV(K''t^Uv\  vUv^  vUb^üi  ^m^oht  werden  sollten  ^ 

Kx^^  Wv^K,  Uiu  vlW  g«m»t>  Getjohichte  des  Schismas   wie 
vt^^  (h^n^s^v  s^<*Wu  KvvuaUhjm  berührt*  i$t  die  Biographie  Ailli's 


r  W  s"^«^^  >  Uv^'  WvN^'kV   vKVi'vivii  di^($«^  IVuktv   zum  Teil   auch  is 


I^EtTEIf  ZUR  KIRCRENGKSCH.  DES  14.  U.  15.  JAHRH. 

von  Tschackert  fNr.  6).  Das  Material  für  die  Geschichte 
Ailli'B  ist  hier  sehr  vollständig  zusaDimengi? tragen,  kritisch  ge- 
sichtet und  durch  bisher  unbekanntes  erweitert  Ein  Teil  der 
Arbeit  über  Ailli  war  schon  durch  Lenz  und  Schwab  getan. 
Die  Tradition,  dafs  er  der  Hauptheld  im  Kampf  gegen  das 
Scbisuia  wie  gegen  die  Allmacht  des  Papsttums  und  fiir 
die  Reform  gewesen,  ist  schon  durch  Schwab  und  Lenz 
gründlich  erschüttert  und  insbesondere  durch  den  letz- 
teren für  die  Zeit  des  Konstanzer  Konzils  gänzlich  um- 
geworfen worden.  Lenz  hatte  sich  namentlich  das  Ver- 
dienst erworben,  AiUi  durchaus  in  engem  Zusammenhang 
mit  den  lebendigen  Interessen  seiner  Zeit,  seiner  Nation 
und  der  Partei  kämpfe  derselben  aul'zufaasen.  Vielleicht 
hatte  er  hierbei  die  nationalen  Interessen  zu  ausschlieft  lieh, 
das  Standesinteresse  des  Kardinals  zu  wenig  berücksichtigt. 
Aber  es  war  durch  jene  Auffassimg  einer  lebensvolleren 
und  TerstÄndlicheren  Geschichte  des  Konzils  wie  einer  seiner 
Hauptpersonen  der  Weg  gebahnt  und  die  Aufgabe  gestellt, 
Männer  wie  AiUi  küni"tig  überhaupt  nicht  mehr  nur  als 
theologische  Gelehrte  und  Veri'echter  bestimmter  theoretisch 
formulierter  Reformprograrame,  sondern  in  den  lebendigen 
Verhältnissen  ihrer  Heimat,  üi  der  Wechselwirkung  der  sich 
drängenden  Ereignisse  wie  der  Parteien,  mit  einem  Wort 
nicht  blofs  theologisch,  sondern  universal  aulzufassen.  Lei- 
der hat  Tschackert  auf  dieser  Grundlage  nicht  weiter  ge- 
baut, sondern  mit  Ausnalime  derjenigen  Partieen,  iür  welche 
Lenz  die  Arbeit  in  seinen»  Sinn  schon  gethan  hatte  (letzte 
Zeit  des  Konstanzer  Konzils),  seinen  Ailli  wieder  in  der 
engen  Weise  behandelt,  die  ihn  wachsen,  sich  entwickeln, 
wirken  und  kämpfen  läfat  nach  Theorieen,  die  auf  der  Schul- 
bank gezeugt  sind;  er  hat  diese  Entwickelung  verfolgt  an  der 
Hand  von  Schriften,  die  doch  kaum  mehr  sind  als  scho- 
lastische, nach  dem  Zeitgeschmack  aus  philosophischen  Prin- 
zipien abgeleitete  nachträgliche  Kechtfertiguogen  eines  Han- 
delns, fiir  das  sie  nicht  mehr  Bedeutung  gehabt  haben,  als 
die  Motive,  welche  etwa  heutigen  Tags  in  den  liedcn  des  Zen- 
trums vorgetragen  werden,  tiir  dessen  innere  Politik  besitzen. 
So  werden  die  Kämpfe  lebendiger  Interessen  zu  einem  Sti'eit 


228  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.  I.  MÜLLER, 

um  Theorieen  herabgesetzt,  und  es  ist  deshalb  ganz  bezdch- 
nend,  wenn  Tschackert  den  letzten  Grund  für  Ailli's  schillern- 
des und  stets  wecliselndes  Verhalten  in  den  grofsen  die 
Kirche  bewegenden  Fragen  in  nichts  anderem  sieht ,  als  in 
seinem  Nominalismus ,  der  weder  Gewilsheit  subjektiven 
Glaubens  und  die  dadurch  bedingte  religiöse  Selbständigkeit, 
noch  auch  sichere  kirchenpolitische  Prinzipien  habe  auf- 
kommen lassen,  da  ja  die  Geltung  des  historischen  Rechts 
von  dem  inhaltlosen  Belieben  Gottes  abhängig  seien  and 
darum  alle  unsere  Theorieen  nichts  helfen.  —  Nun  haben 
auch  Ailli  und  seine  Genossen  von  Theorieen  gewifs  nicht 
das  HeU  der  Kirche  erwartet,  sondern  vom  Handeln.  Sie 
sind  aber  auch  nicht  solche  Puppen  ihrer  Schulweisheit  ge- 
wesen. Oder  sind  etwa  Theologen  oder  Philosophen,  die 
alles  Geschehen  in  der  Welt  auf  imabänderliches  Natur- 
gesetz oder  auf  GK)ttes  überwältigende  Kausalität  zurück- 
fuhren, eben  darum  konsequenter  und  starr  gesetzmälkiger 
in  ihrem  Handeln  als  andere,  oder  lassen  sie  sich  durch 
ihre  theoretische  Weltanschauung  vom  eigenen  Handeln  ab- 
halten, alles  Gtottes  Wirken  überlassend?  Gottlob  gilt  das 
Wort  Fichte*s:  „Von  jeher  ging  es  so  mit  den  Spekulationen 
der  Idealisten  und  Skeptiker,  dafs  sie  dachten  wie  niemand 
und  handelten  wie  alle'*  nicht  blols  von  diesen  beiden  Philo- 
sophenklassen! Und  gewifs  gilt  es  von  keiner  Zeit  mehr, 
als  vom  ausgehenden  Mittelalter:  niemals  hat  die  Theorie 
das  Hiindolu  woniger  bestimmt  als  damals,  gerade  weil  man 
alles  mit  aWüTÄktwi  Deduktionen  umspann,  die  sich  gar 
nicht  am  wirkUcJww  LA^xm  gebildet  hatten  und  darum  auch 
nicht  dio  M<^h>hk^t  U^^K^iu  die  Richtschnur  des  Handebs 
AbÄ\^^'^Wn  ^V  ^*VN^i  iwuwt  Kmchtens  zu  den  ersten  For- 
d<^m^^  wii^HNN^iMV^^  KvMf^'^huug*  dafs  man  sich  durch 
!«i>JoV»<^\  N^V«»^  v^^^  i^^^l^b^  tuVl*  s^mdem  auf  die  Er- 
kw^^w^*  H^N»^  N>Ai*>N^  ux'^tn^ifeU^  IVRÜLtischen  Motive  aos- 
^1  ^V^WvV^  ^ÜKx^^UvIUM  ^uc  Srfcücfete  dt^  Dunkels  und  der 
^-y^^^,^y^;^Viv*Ä  sW*  i^l^eifcLtmNöirtx  Lebens  nach  der 
i^VnV^Yr.  y«Vr^  s^*»'^  Wii^^Uv^^  v,»i:^i^M[ritctt  ^  vidüi*:>  man  damals  im 
H^StNv^^n  ^s^vjfv^vM  Ws^^  ^'^  ^»^'i  A'Jtsfeif^  vwkehrte,  handelte, 
Nsy^N^V^  v^N^   vx^  IH^**^  J^'   ^<i*   ij^t^ytt  TasT^,  dafs  die 


ARBEITEN  ZDR  KIRCHENOESCH.  DES  H.  V.  16.  JAHRH.      229 

titeresaen,  welche  damals  das  Leben  belierrschteE,  im  ganzen 
Beselben  gewesen  aiod  wie  in  unseren  Zeiten,  nur  dafs  man 
jutigen  Tags  eher  einfach  sagt,  was  man  will,  als  damals  — 
ime  Gewolinheit,  der  sich  ja  sogar  das  Zentrum  und  seine 
Verwandten  nicht  immer  ganz  entzielien  können.  Die  pö- 
tischen  Historiker  sind  denn  auch  längst  im  allgemeinen 
iber  diesen  Grundsatz  einig  und  nur  wir  unverbesserlichen 
tbeoretiker  von  der  Theologie  halten  immer  wieder  an  der 
■Iten  Gewohnheit  fest. 

Obs  alles  hat  schon  Lenz  in  seiner  eingehenden  und 
wertrollen  Rozensioii  '  gegen  Tschackert  eingewendet.  Und 
dafa  man  mit  jener  Fordening  an  die  Geschichtachreibung 
Kuch  an  diesem  Punkt  keine  unbilligen  Ansprüche  erhebt, 
dafür  möchte  ich  nur  einige  Beweise  hier  anfügen,  leb 
k&na  durchaus  nicht  sagen,  dal's  ich  die  Quellen  dieser  Zeit 
vollständig  durchforscht  habe:  ich  habe  auch  in  diesem  be- 
grenzten Umfang  meine  eigenen  Untersuchungen  noch  nicht 
auf  die  ganze  Geschichte  des  ät^hismas  und  der  Konzilien 
ausgedehnt.  Ich  lege  auch  im  folgenden  einen  Teil  meiner 
noch  unfertigen  Resultate  nur  darum  vor,  weil  ich  nicht 
sobald  auf  dieses  Thema  zurückkommen  werde  und  doch 
vielleicbt  einige  Andeutungen  zeigen  können,  wie  reichlich 
eich  hier  eine  abermalige  genauere  Durcharbeitung  lohnen 
müfste  *.  KatUrlich  beschränke  ich  mich  auf  einige  Haupt- 
punkte, und  hebe  mit  absichtlicher  Einseitigkeit  die  po- 
litische Seite  hervor.  Ich  meine  dabei  natürlich  nicht, 
dafs  Ailli's  Arbeit  an  der  kirchlichen  Reform  nur  im  Dienst 
des  politischen  Parteikampfs  unternommen  sei :  es  soll  nur 
darauf  hingewiesen  werden,  wie  sie  in  den  letzteren  ver- 
flochten ist,  sich  teilweise  auf  seinem  Boden  abspielen  mufs. 
Schon   die   Darstellung   in  Schwab's  Gerson,   vollends 


1)  Revue  Wstorique  IX.  464  ff, 

'/)  Als  Puiikte,  die  für  eine  uigcne  Behandlung  besonders  dank- 
bar wären,  hebe  ich  zwei  hervor;  die  Stellung  der  Universität  Parii 
lom  Schisma  uiid  zu  den  politischen  Parteien  der  Zeit  und  sodann: 
das  Verhältnis  der  beiden  Bettelorden,  Minoriten  nnd  Prediger,  zu 
denselben  Zeil  fragen. 


330  KBITISGHB  ÜBERSIGHTEK.  L  MOLLEB, 

aber  jede  französische  Geschichte,  vor  allem  TieUeicht  £e 
von  Michelety  die  ja  zwar  im  einzelnen  nicht  mehr  aof  isx 
Höhe  der  Forschung  stehen  mag,  aber  um  so  mehr  in 
der  AufiGEissung  der  grofsen  Entwickelungspunkte  und  der 
ausschlaggebenden  Faktoren  ihre  bleibende  Stärke  hat, 
zeigt,  dals  die  Geschichte  des  Schismas  in  engstem  Zu- 
sanmienhang  mit  den  Parteiungen  am  französischen  Hof 
E^arl's  VT.,  vorzüglich  mit  dem  Gegensatz  von  Burgund  and 
Orleans  zu  behandeln  ist  Die  ganze  Bedeutung  dieser  Ver- 
hältnisse für  das  Verständnis  von  Ailli's  Wirken  hat  Tschackert 
völlig  verkannt:  Orleans  ist  ihm  ein  Gönner,  Burgund  ein 
erbitterter  Feind.  Aber  warum,  wird  kaum  gesagt,  und 
jedenfSEills  kommt  der  Gegensatz  der  beiden  Prinzen  für  die 
Geschichte  Ailli's  gar  nicht  zu  seiner  Bedeutung. 

Derjenige  Punkt  im  Leben  AiUi's,  in  dem  die  Bedeutung 
der  französischen  Hofparteien  zum  erstenmal  klar  zutage 
tritt,  ist  sein  Kampf  gegen  den  Dominikaner  Johann  von 
Montson  und  dessen  Leugnung  der  unbefleckten  Cmpfimg- 
nis  der  h.  Jungfrau,  sowie  seine  darauf  folgende  Ernennung 
zum  Beichtvater  des  Königs  1387.  Dafs  hier  lediglich  theo* 
logische  oder  religiöse  Interessen  im  Spiel  seien,  hat  schon 
Lenz  für  unmöglich  erklärt;  die  Verknüpfung  mit  den  po- 
litischen Bewegungen  ist  denn  auch  klar  genug.  Die  Kata- 
Strophe  der  Dominikaner  Mt  beinahe  zusammen  mit  dem 
Sturz  des  Regiments  der  Herzöge  von  Burgund  und  Berry, 
das  seit  dem  Abgang  Anjous  bestanden  hatte.  An  der 
Spitze  der  Opposition,  die  in  den  Kreisen  des  niedem  Adels 
und  des  Bürgerstands  ihre  Anhänger  fand,  standen  die  Räte 
des  verstorbenen  Königs  Karl  V.  und  nach  dem  geldrischen 
Feldzug  des  Jahres  1388  setzen  sie  endlich  ihre  Absichten 
durch:  der  König  entläfst  seine  Oheime  und  räumt  den 
Häuptern  der  „  Marmousets '*  die  mafsgebende  Stelle  in  sei- 
nem Rat  ein  (Anf.  Nov.  1388).  Gleichzeitig  mit,  oder  viel- 
mehr schon  etwas  vor  dieser  Erhebung  hat  nun  jener  Streit 
über  die  imbefleckte  EmpfUngnis  begonnen,  in  welchem  die 
theologische  Fakultät  gegen  die  Dominikaner  steht.  Es  ist 
der  alte  Streit  zwischen  Universität  und  Bettelorden,  der 
darin  zum  Ausdruck  kommt;  der  aber  schon  einmal  in  den 


ARBSTTEK  ZUK  KIRCHENOE8CH.  DES  H.  IT.  1&.  JABTRB.      231 

let&ten  Jahren  (l  384)  gerade  an  diesem  Punkt  durchgebrochen 
war.  Nun  ist  aber  eben  die  Stellung  der  Dominikaner  auch 
darcb  ihr  Verhältnias  zum  Hof  gesichert,  an  dem  sie  als 
Beichtväter  des  KönigB  und  des  Herzogs  von  Orleans  wie 
durch  ihre  Verbindung  mit  dem  mafsgebenden  Herzog  von 
Borgund  eine  bedeutende  Holle  spielen.  Da  bietet  eben 
das  Auftreten  Montson's  den  pasaenden  Hebel.  Die  Agi- 
tation der  politischen  Opposition  verbindet  sich  mit  der 
Universität,  und  nachdem  der  Stura  der  Herzöge  im  No- 
vember 13ö8  gelungen  ist,  liifat  sich  im  Januar  darauf  auch 
Riemens  VII.  bewegen ,  Montson's  Sätze  zu  verdammen. 
Daraufhin  werden  die  Dominikaner  von  der  Universität 
auageschlossen  und  wird  endlich  der  letzte  Schlag  damit 
geführt,  dafs  es  den  Siegern  im  März  1369  gelingt,  die 
letzte  Stutze  der  bisher  herrschenden  Partei  den  domini- 
kanischen Beichtvater  des  Königs  und  ebenso  den  des  Her- 
zogs von  Orl^na  zu  stürzen  und  ihren  Wortführer  in  der 
Emplangnisfrage,  Ailli,  an  die  Stelle  des  Dominikaners  zu 
schieben.  —  Tschackert  sieht  in  diesem  Streit  über  Monteon 
Lediglich  eine  dogmatische  Kontroverse,  in  der  Ernennung 
Ailli's  nur  die  Wirkung  des  tiefen  Eindrucks,  den  die  Dis- 
putation desselben  mit  Montson's  Oesinnimgagenossen  ge- 
macht hat.  Aber  dals  der  Zusammenhang  mit  den  politiachen 
Dingen  von  mir  nicht  willkürlich  ersonnen  ist,  mag  sich  auch 
daran  erweisen,  dafs  die  Dominikaner  immer  wieder  als  die 
entschiedensten  Parteigänger  Burgunds  hervortreten  und 
überall  sich  Ailli  entgegenstellen.  —  So  hat  man  denn  auch 
damals  in  dem  plötzlichen  Tod  des  Erzbisehofs  von  Reims 
i.  J.  1390  das  gemeinsame  Werk  des  Burgunders  wie  der 
Dominikaner  gesehen ;  denn  der  Erzbischof  hatte  sich  ebenso 
als  Gegner  der  letzteren  in  der  Frage  der  unbefleckten  Em- 
pfängnis, wie  als  Hauptperson  beim  Sturz  der  Herzoge  er- 
wiesen und  eine  hervorragende  Rolle  bei  der  königlichen 
Reise  in  die  Languedoc  gespielt,  deren  Spitze  sich  gegen 
die  Mi  fs  wir  tschaft  des  Herzogs  von  Berry  kehrte. 

Zeigt  es  sich  so,  dafs  wir  in  AiiU  ein  hervorragendes 
Mitglied  der  Partei  zu  sehen  haben,  welche  sich  überall 
gegen    das    hurgundiache   Regiment  erhebt,   das   dem  trän- 


332  KRITISCHE  ÜBEHSICHTEN.  I.  Ht^LLER, 

zörischen  Nationalinteresse  widerstreitet,  so  wird  diese  Hal- 
tung yermutlich  auch  in  seiner  kirchenpolitischen  Stellung 
zutage  kommen.  Wenn  Tschackert  freilich  Recht  hätte,  so 
wäre  hier  Ailli  lediglich  von  seinen  theologischen  und  dog- 
matischen Ansichten  über  das  Wesen  der  E[irche  und  die 
Stellung  des  Papstes  in  ihr  geleitet  gewesen,  —  obwohl  ilim 
auf  dieser  Grundlage  immer  noch  die  verschiedenartigsten 
praktischen  Entschlüsse  und  mehrere  erhebliche  Schwan- 
kungen möglich  gewesen  wären.  Lenz  ist  ihm  auch  hier 
mit  Recht  entgegengetreten. 

Einschneidend  ist  hier  vor  allem  der  Übertritt  AiUi's  zu 
Benedikt  XIII.  und  seine  Ernennung  zum  Bischof  von 
Cambraj.  Dafs  bei  dem  ersteren  Schritt  Ailli  durch  die 
aufrichtige  Verehrung  geleitet  worden  sei,  die  er  bei  näherem 
Kennenlernen  für  Benedikt  gefafst  habe  (Tschackert)^  halte 
ich  fUr  die  denkbar  imwahrscheinlichste  Erklärung:  ich 
suche  sie  vielmehr  in  den  politischen  Parteiverhältnissen. 

Wir  verdanken  der  trefflichen  Abhandlung  von  Th.  Müller 
(Nr.  7)  ^  die  Erkenntnis,  dafs  Burgund's  Eirchenpolitik  von 
Anfang  an  selbständig  durchaus  im  Interesse  seiner  Haus- 
politik und  darum  in  anderen  Bahnen  als  die  der  französischen 
Regierung  unter  Karl  V.  und  Anjou,  aber  auch  als  die  der 
Pariser  Universität  sich  entwickelt  habe :  Burgund  bedarf  der 
Vereinfachung  der  kirchlichen  Lage  dringend  im  Interesse 
seiner  eigenen  Macht.  Der  Ausbruch  der  Geisteskrankheit 
Karls  VI.  1392  verdrängt  die  Marmousets  und  stellt  den 
Herzog  wieder  an  die  Spitze  der  Regierung.  Nim  aber  kreuzt 
sich  bei  diesem  die  bisherige  durchaus  avignonesische  Hal- 
tung des  französischen  Königtums  seit  Karl  V.  mit  derjenigen 
seiner  eigenen  flandrischen  Erbschaft,  die  mit  gröfster  Ent- 
schiedenheit zu  Bonifaz  IX.  hält  und  ohnedies  im  G^en- 
satz  gegen  Burgund  mit  dem  gleichfalls  römischen  England 
in  engster  Interessengemeinschaft  steht.  So  benützt  denn 
Philipp  seine  Stellung  als  Leiter  der  französischen  PoUtik, 
um   die  Herstellung    der    kirchlichen    Union   durchzusetzen. 


1)  Der  Name  des  Verfassers  ist  auf  dem  Titelblatt  nicht  genannt, 
ich  entnehme  ihn  aus  der  Arbeit  yon  Erler  (Nr.  21). 


ASBETTEK  ZUR  KIRCHENGESCH,  DES  H.  ü.  15.  JAHBH.      233 

Es  ist  wiederum  ein  Verdienst  Th.  Müller's,  nachgewiesen 
KU  haben,  dafs  Burgiind  liier  durchaus  nicht  toh  den  längst 
wiederholten  Vorstellungen  der  Universität  geleitet  worden 
JBt,  aondem  nur  diese  für  seine  Zwecke  ausgenützt  hat,  so- 
fort aber  auch  über  ihr  Programm  hinausgeht,  sofern  er 
der  Forderung  freiwilliger  Abdankung  beider  Pftpste  nicht 
den  Schiedsspnich  oder  den  doch  nur  zaghaft  vorgetragenen 
Gedanken  eines  Konzils  zur  Seife  stellt,  sondern  kurzweg 
das  Dilemma  so  formuliert :  entweder  freiwillige  Abdankung 
oder  erzwungene  d.  h.  Aufkündigung  des  Gehorsams  von- 
seiten aller  beteiligten  Mächte. 

Nun  erfolgt  aber  im  September  13J)4  der  Tod  Kle- 
mens'  VTI.  Daraufhin  vereinigen  sich  alle  Parteien,  Hof 
und  Universität  zu  gemeinsamen  Vorstellungen  bei  den 
Kardinälen,  um  eine  Neuwahl  zu  hindern.  Als  Gesandte 
an  ihn  werden  vorgeschlagen  der  Patriarch  von  Alexandrien 
Simon  Cramaud,  und  Ailli.  Die  Wahl  ist  verständlich; 
jede  Partei  wünscht  eine  ihrer  Hauptpersonen  in  die  Ge- 
sandtschaft zu  bringen:  Cramaud  ist  die  „  Vcrtraueneperson, 
wenn  nicht  der  Bevollmächtigte  des  Herzogs  von  Burgund ", 
er  hatte  die  ganze  Sendung  angeregt.  Ailli  aber  ist  Vertreter 
der  Gegenpartei.  Aber  seine  Wahl  wird  durch  den  Herzog 
von  Berry  verhindert:  Ailli's  Stellung  am  Hof  ist  natürlich 
seit  dem  Sturz  der  Marmousets,  denen  er  sein  Emporkommen 
vordankt,  und  seit  dem  Wiederaultreten  der  Herzöge  unter- 
graben. Doch  ist  der  König  in  den  nächsten  Jahren  im- 
mer noch  mit  Unterbrechungen  im  Stand ,  eigene  Ent- 
scbliefsungen  zu  treften,  und  daher  dem  burgundiachen  Ein- 
flufs  nicht  völlig  hingegeben.  Diesem  bietet  vielmehr  eine 
Partei  die  Spitze,  als  deren  Haupt  schon  damals  der  Herzog 
von  Orl<5ans  hervorzutreten  beginnt.  Der  Gegensatz  beider 
Parteien  ist  keineswegs  durch  die  kirchliche  Frage  beherrscht, 
er  ist  vielmehr  auf  anderem  Gebiet  erwachsen  '.  Aber  er 
erpreift  dieselbe  und  zieht  sie  in  sich  hinein,  und  aufser- 
dem  sind  thatsächlich  die  beiderseitigen  politischen  Interessen 


1)  Vgl.  darüber  die   ausgezeichnet   klaren  Darlegungen   i 
clet  4,  99ff. 


234  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.  I.  MÜLLBB, 

an  derselben  derart^  dafs  die  Gegensätze  durch  sie  yerscli&rfi 
werden.  Indem  die  burgundische  Macht  in  einer  für  Frank- 
reich immer  bedrohlicheren  Weise  sich  entwickelt,  die  ganze 
französische  Nordost-  und  Ostgrenze  umschlieist,  eine  An- 
zahl der  diese  Grenze  beherrschenden  festen  Plätze  und 
Häfen  erwirbt^  mit  England,  dem  alten  Gegner  Frankreichs, 
durch  Flandern  in  nächste  Interessengemeinschaft  gebracht 
wird  und  da  zudem  Herzog  Philipp  als  der  zeitweise  Leiter 
der  französischen  Politik  die  Mittel  der  französischen  R^ening 
im  Dienst  seiner  burgundischen  Hausmacht  verwendet|  sieht 
sich  die  orl^nistische  Partei  in  ihrem  Widerstand  gegen  diese 
bedrohliche  Entwickelung  naturgemäfs  genötigt,  alle  Mittel 
heranzuziehen  y  die  Frankreichs  innere  Stärkung  zu  fördern 
vermögen.  Sie  kann  daher  auch  unmöglich  auf  das  Bündnis 
mit  dem  spezifisch  französischen  Papsttum  von  Avignon 
vemchten  imd  schliefst  sich  darum  im  Gegensatz  gegen 
Burgunds  Unionspolitik  um  so  enger  an  Benedikt  an  ^. 

Man  hat  nun,  wie  ich  glaube,  Ailli's  Stellung  zum  Papst- 
tum hier  zu  plötzlich  umschlagen  lassen  und  diesen  Um- 
schlag —  so  eben  Tschackeii;  —  lediglich  an  die  Sendung 
Ailli's  an  Benedikt  XIII.  (Ende  1394)  angeknüpft.  Allein 
die  Thatsache,  dafs  Ailli  schon  von  Klemens  VH.  die  Dom- 
propstei  Cambrai  übertragen  und  das  Bistum  Laon  wenig- 
stens angeboten  erhalten  hatte  (Tschackert  84) ,  sind  doch 
Spuren  einer  schon  länger  andauernden  Verbindung  mit 
Avignon  *.     Wenn  dann  Ailli  von  jener  Sendimg  an  Bene- 


1)  Dieser  Gegensatz  der  Substraktionspolitik  Burgunds  und  der 
avignonesischen  Orleans  zieht  sich  denn  auch  gauz  beharrlich  durch 
die  Jahre  bis  zum  Pisaimm  hindurch.  So  oft  die  Forderung  der 
Substraktiou  auftritt,  findet  sie  sich  vertreten  durch  die  Orgaue  Bur- 
gunds; wo  sie  bekämpft  wird,  geschieht  es  durch  Anhänger  der  or- 
l^anistischeu  Partei. 

2)  Ich  verkenne  dabei  nicht,  dafs  es  gerade  der  Eiuflufs  des 
Herzogs  von  Berry,  damals  noch  Freundes  Beucdikt's  XIII.  ist,  der 
Ailli  von  der  oben  erwähnten  Gesandtschaft  ausschliefst.  Aber  es 
handelt  sicli  dabei  otTenbar  um  Fernhaltung  eines  Mannes  der  an- 
dern Hofpartei.  Die  kirchliche  Stellung  Ailli'ß  braucht  in  dieser 
Zeit,  da  sich  die  Gegensätze  erst  herausbilden,  gar  nicht  allgemein 


AHBEITEN  ZUR  SUtCBENGESCH.  DES  U.  C.  15.  JAHHH.   23& 

dikt  Xm.  Ende  1394  zurückkehi-t  und  nur  die  freiwil- 
lige Abdankung  beider  Päpste  ah  den  einfachsten  Weg  zur 
kirchlichen  Einheit  empfiehlt,  so  wirft  daa  eben  ein  Licht 
auf  den  Sinn,  den  man  hier  mit  dieser  freiwilligen  Ceasiou  all- 
mäblich  verbindet.  Diese  ist  ja  jetzt  auch  das  Programm 
der  Kurie  von  Avignon  selbst.  Denn  man  weifa  hier  ganz 
genau,  dafs  man  die  AuBluhrung  desselben  niemals  zu  be- 
fürchten habe.  Das  nuifste  man  abej-  in  Paris  ganz  genau 
ebenso  gut  wissen.  Und  darum  ist  es  auch  nicht  richtig, 
wenn  Tschackert  91  meint,  das  Jvationalkonzil  vom  Februar 
1395  hätte  sich  mit  grofser  Majorität  iur  AiUi  entschieden. 
Hört  man  freilich  nur,  dafs  es  sich  für  die  via  ceBsionis 
entschieden  habe,  so  scheint  dies  der  Fall  gewesen  zu  sein. 
Aber  da  daa  Konzil  unter  der  Leitung  Cramauds  gestanden 
und  nach  i-eif lieber  Beratung  „einmütig"  eine  Denkschrift 
redigiert  hatte,  welche  die  Norm  für  eine  Gesandtschaft 
an  Benedikt  abgeben  sollte,  bo  wird  die  wahre  Meinung  der 
SIehrheit  dieser  Denkschrift  zu  entnehmen  sein.  Hier  aber 
war  der  Forderung  der  freiwilligen  Cession  beinahe  die 
Hauptsache  angeiugt,  nämlich  die  Erkläi'ung,  dafs  wenn 
der  Papst  keinen  prompteren  M'cg  vorzuschlagen  wiifste, 
als  die  beiderseitige  Abdnnkimg,  dann  zu  vermuten  stunde, 
dafs  der  König  diesen  AN'eg  auf  jede  \A"eise  bei  Königen, 
Fürsten  und  Unterthanen  der  beiden  Obedienzen  beti-eiben 
und  nicht  ruhen  würde,  bis  er  ihn  durchgesetzt,  und  dafa 
er,  falls  der  Papst  die  Cession  ablehnte,  sich  abermalige 
Mafsn ahmen  vorbehalten  würde.  Hier  war  also  mit  der 
Forderung  der  Cession  völlig  Ernst  gemacht  und  damit  der 
Gedanke  der  burgundischeu  Politik  zm-  Annahme  gelangt 
(Th.  Müller  12)  mid  Th,  Müller  weist  des  näheren  nach, 
wie  sich  Biu'gund  in  den  nächsten  Jahren  immer  wieder 
an  die  Durchlührung  dieser  Absichten  gemacht  hat. 

Bei  dieser  Anschauung  gewinnen  aber  auch  die  Be- 
mühungen um  die  Uuiou  im  Jahr  1398  und  die  Beteiligung 
Ailli'a  daran  ein   etwas   anderes  Aussehen.     Die  Zusammen- 


bekaont   gewesen     pdfr    wcuigstetis    uicbl    bcriieksicUtigt    irordcij 


236  KBITISCHE  ÜBERSICHTEN.  L  MCLLEB, 

kunft  von  Reims  zwischen  Karl  VI.  und  Wenzel  im  Harz 
1398  hat  zwar  ohne  Zweifel  den  Erfolg  gehabt,  dals  man 
von  beiden  Seiten  die  Betreibung  der  Cession  beschlossen 
hat  (s.  Lindner  II;  Beil.  24  und  Th.  Müller  21).  Aber  wem 
Lindner  von  Wenzel  die  begründete  Ansicht  hat,  d&b  es 
ihm  durchaus  nicht  sehr  ernst  mit  dieser  ,,  Betreibung''  ge- 
wesen sei,  so  gilt  ganz  dasselbe  auch  von  Karl  und  den 
Gesandten  beider  Könige;  AillL  Hat  doch  die  Zusammen- 
kunft unter  dem  entscheidenden  Einflufs  des  Herzogs  von 
Orions  gestanden^  der  in  diesem  Augenblick,  da  die  Krank- 
heit des  Königs  eine  längere  Unterbrechung  erfuhr  \  dessen 
Ohr  besafs  und  die  Verhandlungen  mit  Wenzel  selbst  leitete^ 
während  Burgund  gar  nicht  anwesend  war.  ^Ebenso  ist 
aber  auch  Ailli's  Verhalten  zu  deuten:  bei  der  ersten  Er- 
klärung  Benediktes,  ohne  seinen  Kollegen  nicht  abzudanken, 
ist  der  ganze  Versuch  sofort  zu  Ende.  Die  Reise  nach 
Rom,  die  Tschackert  aus  Froissart  aufnimmt,  hat  Ailli  gaxu 
gewifs  nicht  gemacht '.  Diese  Art  von  Einigungsversuchen 
mufste  also  Benedikt  eher  in  seinem  Vorhaben  bestärken, 
und  schon  deshalb  war  es  nicht  umsonst,  wenn  sich  Ailli 
gerade  auf  dieser  Reise  den  Nachstellungen  Burgunds  ent- 
ziehen mufs  (Tschackert  101  und  102). 

Der  Wiederausbruch  der  Krankheit  des  Königs,  der  am 
Schlufs  der  Tage  von  Reims  erfolgt  war  *,  läfst  den  bur- 
gundischen  Einflufs  wieder  obenauf  kommen:  das  National- 
konzil vom  Mai  1398  wählt  wieder  Cramaud  zum  Vor- 
sitzenden und  beschliefst  die  Substraktion.  Seine  Verhand- 
lungen sind  aber  auch  ein  interessanter  Beleg  für  die  wahren 
Bestrebungen  derjenigen  Partei,  welche  die  fipeiwillige  Cession, 
aber  nicht  mehr,  verlangt  Es  giebt  immer  noch  eine  durch- 
aus   avignonesische    Partei;    aber    sie    darf   es    nicht    mehr 

1)  Chron.  du  Rel.  de  St.  Denis  II,  570. 

2)  8.  Lindner,  Beil.  24,  wozu  ich  noch  den  ganzen  Charakter 
von  Froi8«art*ß  Bericht  betone,  von  dem  Tschackert  seihst  alle  mög- 
lichen Stücke  abweisen  mufs.  Treffend  ist  die  Kritik,  die  Tschackert 
dabei  (S.  103,  n.  1)  an  den  damals  von  Ailli  angeblich  gehaltenen 
Reden  übt,  die  schon  Verwirrung  genug  angerichtet  haben. 

8)  Chron.  du  Rel.  de  St.  Denis  II,  570.  578.  582. 


ABBEITEK  ZDB  KUUJBENQEäCU.  DEÜ  li.  U.  IS.  JäMBH.      237 

wagen,  die  CesaioaBfurderung  überhaupt  zu  verwerlen.  S^e 
muTa  sich  daraul  bescLränkeo,  Mafsrcgeln  vorzuschlagen, 
deren  Ausaichtslosigkeit  sie  kennt:  nochmalige  Aiü'forde- 
ruQg  Benedikt'»  und  dann  die  Berufung  eines  Kunzils  der 
ganzen  Übedienz.  Orleans  giebt  noch  weiter  nach:  er  ist 
bereit,  der  Weigerung  Bcuedikt's  mit  Substraktiun  und  An- 
wendung von  Oewalt  zu  begegnen,  nur  will  er  vorher  eine 
nochmalige  Aufforderung  an  den  Papst  ergehen  lassen.  Die 
Annahme,  dafs  er  dies  ernstUcli  gewollt,  wurde  sowohl  seinem 
bisherigen  wie  seinem  künftigen  Verhalten  widersprechen. 
Offenbar  denkt  er  nur  Zeit  zu  gewinnen,  bis  günstigere 
Verhältnisse,  huhtc  Stunden  beim  König  u.  ä.  wiederkehrten, 
im  Notfall  aber  die  Anwendung  von  Gewalt  in  seinem  Sinn 
zu  handhaben.  In  der  That  wird  Orleans'  Vorsclilag  vom 
König  angenommen,  und  nun  Ailli  mit  der  friedlichen  Sen- 
dung ',  der  Marschall  Boucicaut  mit  der  etwaigen  Exekution 
beauitragt.  Aber  ehe  die  letztere  durchgeführt  war,  machte 
sich  in  der  That  der  Einflufs  Orleans  in  einer  Weise  gel- 
tend, die  mit  der  Erleichterung  der  Einschliefsung  des 
Papstes  begann  und  mit  seiner  von  Orleans  begünstigten 
Flucht,  sowie  mit  der  erneuten  Unterstellung  Frankreichs 
unter  ihn  endigte  am  29.  Mai  X40J  —  ein  vollständiger  Sieg 
Orions,  der  bezeichnenderweise  wiederum  mit  einer  zeit- 
weisen Gesundung  des  Königs  zusammcutallt '.  Dafs  man 
aus  dieser  Zeit  wenig  von  Ailli  hört,  ist  kein  Grund,  an 
seiner  Teilnahme  an  diesen  Vorgängen  zu  zweifeln:  in  den- 


I  1)  Froiasart'H  Bericlit  über  dieselbe   ist   aber  biei  ebenso  gcwib 

Phaatasieprodukt  wie  die  von  ibtn  mitgeteilte  Rede  des  Jahres  1394. 

2)  Vgl.  Kel.  do  Sl.  DyniB  III,  62,  wo  das  Hin-  und  Herwegen 
der  Parteien  über  diese  Frage  geschildert  und  berichtet  wird,  wie 
durch  die  persönliche  Entscheidung  des  Königs,  der  Ende  Februar 
1403  aus  lÜQgerem  Zustand  der  Gcistcsuinuachtung  erwacht  war,  die 
Berufong  der  hoben  Kronvasallen  und  der  Keichssynode  bcschlossea 
wird.  lU,  76  erzählt  er  dünn  von  einem  neuen  Anfall,  der  aber 
Ende  April  wieder  aufhört,  so  dafs  der  König  in  der  That  die  Zeit 
der  Synode  über  selbst  au  den  Geschäften  sich  beteiligen  kann  und 
die  Entscheidung  der  Synode  schliefslich  durch  Orli^ans  ausdrücklich 
„im  Eiuveratiinduis  mit  dem  König"  herbeigefübrt  wird  (UI,  90). 


388  KRinSCHB  ÜBEBStCHTEir.  I.  UÜLLBM, 

selben  Wochen,  da  Orleans  mit  der  Aufhebung  der  Sub- 
straktion  den  entscheidenden  Sieg  errang,  hat  Ailli  in  sä- 
nem  Testament  iür  den  König  sowie  für  ,,  seinen  wahren 
Herrn'',  den  Herzog  von  Orlöans,  Seelenmessen  gestiftet 
(20.  Juni  1403;  s.  diese  Thatsache  bei  Tschackert  119, 
Nr.  3)  K 

In  diese  politischen  Gegensätze  hinein  hätte  nun  selbst- 
verständlich auch  AiUi's  Erhebung  zum  Bischof  von  Cambru 
gestellt  werden  müssen.  Woher  schreibt  sich  denn  die  Wnt 
Burgunds  über  Ailli's  Ernennung?  Woher  die  immer  wieder 
kehrenden  Nachstellungen?  Warum  ist  der  Herzog  Ailli's 
„Feind''?  Die  Diöcese  Cambrai  gehört  ihrem  grölsten  Te3 
nach  zum  Erbgut  des  Sohnes  Philipp's  und  hat  sich  bis 
dahin  als  eine  Insel  in  der  römischen  Umgebung  beim 
avignonesischen  Papsttum  gehalten.  Nun  da  die  Crledigong 
eintritt,  mufs  es  natürlich  des  Herzogs  erstes  Bemühen  sein, 
diesen  avignonesischen  Keil  aus  seinem  Land  hinauszutreibeD 
und  nach  Cambrai  einen  der  Union  im  burgundischen  Sinn 
geneigten  Bischof  zu  bringen.  Ebenso  aber  muls  natürlich 
der  avignonesischen  Partei  alles  daran  liegen ,  diese  henne- 
gauische  Stellimg  um  jeden  Preis  zu  retten.  Dafs  gerade 
Ailli  dazu  erwählt  wird;  der  hervorragendste  geistliche  Ver- 
treter der  orläanistisch-avignonesischen  Richtung^  hat  diesen 
Schlag  fiir  Burgund  nur  um  so  empfindlicher  gemacht 

Aus  dem   weiteren  Verlauf  bis  zum  Pisanum   hebe  ich 
nur  noch  eines   heraus.     Der   Tod   Herzog  Philipp's  (April 


1)  Noch  füge  ich  hier  einen  Zug  an,  welcher  von  Tschackert 
nicht  verwertet,  das  nahe  Verhältnis  Ailli's  zu  Orleans  beleuchten  kann : 
die  gemeiDsame  Freundschaft  der  beiden  mit  den  Pariser  Cölesti* 
nem  und  i leren  Gönner  und  Gast,  späterem  Mitglied,  Philipp  yon 
Maizi^res  Verfasser  des  Somnium  Viridarü  (vgl.  für  Orleans  Mi- 
chelet  4,  142f.  154  n.  1,  für  Ailli  Tschackert  142-144  und 
S.  42  n.  3).  Maizi^res  gehört  zu  jenen  Räten  Karl's  V.,  die  dem 
Begiment  der  Herzöge  von  Burgund  und  Berry  von  Anfang  an  ent- 
gegentreten und  als  „  Marmousets  *'  ein  zeitenweises  Ende  bereiten. 
Über  Maizi6res  Devotion  zur  unbefleckten  Jungfrau  Maria  s.  meinen 
Aufsatz  über  das  Somnium  Viridarii  (Zeitschr.  f.  Kirchenrecht  XIY,  2 
im  S.  A.,  S  35). 


^BBITEN  ZUK  KIBCHEKQEäCH.  DES  14.  U.  15.  JAHRH.      339 

1404)  schien  zunächat  Orl&ina'  Stellung  nur  befestigt  zu 
h&ben.  Allein  der  wachsende  Widerapruch  gegen  seine  Re- 
gierung zwingt  ilin  achlleislich,  zu.  weichen  und  dem  jungen 
Herzog  Johann  von  Burgund  Platz  zu  machen.  Im  Zu- 
sammenhang damit  gewinnt  auch  aotbrt  die  Substraktion 
neuen  Anhang,  und  im  Januar  1407  wird  sie  durch  das 
Nationalkonzil  beschlossen.  Noch  wird  ihre  Auaftihrung 
zurückgehalten  (bis  Mai  1408)  und  wiederum  tritt  Ailli  mit 
der  orliianistiachen  Partei  für  Benedikt  ein,  bis  die  Er- 
mordung Orleans',  im  November  1407  seine  Partei  fiir  einige 
Jahre  zersprengt  und  die  Haltung  Benedikt's  aelbst  schliefs- 
lich,  insbesondere  seine  unkluge  Bulle  gegen  Karl  VI.,  auch 
Beine  ehemaUgen  Anhänger  mehr  und  mehr  davon  überzeug^ 
dala  mit  ihm  nicht  weiter  zu  kommen  ist.  So  tritt  denn 
achliefalich  auch  Ailli,  noch  vor  kurzem  eine  Art  Märtyrer 
aeines  Benedi ktinertums,  zurück,  ohne  doch  eine  andere  ent- 
schiedene Stellung  einzunehmen:  es  fehlt  ihm  offenbar  die 
maßgebende  politische  Person  und  Partei,  an  die  er  sich 
halten  kann.  Er  schwankt  hin  und  her  und  verdirbt  es 
auch  mit  seinen  alten  Parteigenossen.  Aul'  dem  Pisanum 
hat  er  schon  deshalb  ebenso  wie  Gerson  gar  keine  Rolle 
gespielt,  weil  das  Konzil  ganz  im  burgundischen  Sinn  ge- 
leitet war.  Erat  zur  Zeit  des  Konstanzer  Konzils,  da  er 
inzwiachen  Kardinal  und  auch  die  politischen  Verhältnisse 
Frankreichs  wieder  klarer  geworden  waren,  finden  wir  ihn 
wieder  in  die  öffentliche  Thätigkeit  einti-eten,  wiederum,  wie 
sich  zeigen  wird,  als  einen  der  Haupttuhrer  der  antiburgun- 
dischen  Partei  V 

Es  iat  dies  der  geeignete  Ort,  einen  Augenbhck  auf  die 
Stellung  der  Universität  zu  den  politischen  Parteien 
und  zum  Schisma  einzugehen  und  wenigstens  einige  Punkte 
davon  anzudeuten. 

Wie  eng  auch  ihre  Stellung   zum  Schisma   mit  den   na- 


1)  Über  Ailli's  Legatiou  in  Nioderdeutachlaiid  und  bgIdc  Stellung 
zu  den  WindeBheimerii  (Tachackert  174)  a.  jetit  die  Regesten 
seiner  Urkunden  aus  dem  Jnhre  1413  bei  Acqiioy,  Het  klooBter  te 
WindeBheim  etc.,  be».  111,  282—287. 


ä40  KRITISCHfi  ÜBERSICHTEN.  I.  MÖLL^ 

tionalen  und  den  politischen  Parteien  verwachsen  ist,  ergiebt 
sich  schon  aus  der  Thatsache^  dals  von  den  vier  Nationen 
der  Artisten  gerade  diejenigen,  deren  Heimatländer  zum 
röntischen  Papst  stehen,  die  Deutschen  mit  den  Engländern, 
und  die  Pikarden  (Nordfrankreich  und  vor  allem  Flandern) 
sich  um  keinen  Preis  dem  französischen  Papsttum,  das  ihnen 
au%edrungen  werden  soll,  fUgen  und  lieber  die  bekannte 
Sezession  des  Jahres  1381  unternehmen. 

Viel  deutlicher  wird  diese  Verwachsenheit  mit  den  po- 
litischen Parteien,  sobald  der  Gl^ensatz  von  Bui^und  and 
Orleans  aufüiti  Schon  Lenz  hat  in  seiner  Rezension  darauf 
au&Qierksam  gemacht,  dafs  man  die  politischen  Parteünteressen 
nirgends  so  durchsichtig  vor  sich  habe,  als  in  dem  Streit 
über  die  Thesen  Petits.  Das  gilt  nun  auch  für  die  Stellung 
der  Fakultäten:  wie  im  Jahre  1405  der  junge  Bui^gund  dss 
Übergewicht  brechen  will,  das  Orleans  nach  Herzog  Phiüpp's 
Tod  erlangt  hat,  gesellen  sich  zu  ihm  von  der  Universität 
aulser  dem  Rektor  auch  eine  grofse  Menge  Doktoren  und 
Magister  in  beiden  Rechten  ^  —  Bei  den  Verhandlungen 
über  die  Substraktion,  die  durch  Burgund  sofort  wieder  in 
Flufs  kommen,  erklärt  sich  die  nunmehrige  Majorität  der 
Universität  für  dieselbe:  ihr  Wortführer  ist  der  fanatische 
Parteigänger  Burgunds,  Jean  Petit  von  der  theologischen 
Fakultät  Gegen  diesen  Beschlufs  der  Universität  hält  nun 
Ailli  auf  dem  bald  darauf  folgenden  Nationalkonzil  eine 
Rede,  die  auch  Tschackert  im  Auszug  mitteilt  (S.  124). 
Ihr  Kern  ist:  die  Gesamtheit  der  Universität  habe  gar  kein 
Recht  gehabt,  über  diese  Frage  zu  verhandeln.  Man  hätte 
das  der  theologischen  Fakultät  überlassen  sollen.  Denn 
zur  Begründung  des  Substraktionsvotums  habe  man  den 
Papst  für  einen  Häretiker  erklärt.  Zu  einer  solchen  Er- 
klärung aber  sei  die  Dekretistenfakultät  am  wenigsten, 
vielmehr  ausschliefslich  die  theologische  berechtigt  —  Wird 
man  nun  in  diesen  Ausführungen  ledighch  das  Standesgefuhl 
des  alten  Theologieprofessors  erkennen  und  nicht  vielmehr 
Lenz   recht    geben,    der    in    diesen    Kompetenzstreitigkeiten 


l)  Chron.  du  Rel.  de  St.  Denis  III,  296. 


ARBEITEN  ZCK  KIRCQEKOESCH.  DES  H.  V.  13.  JAHBH.      241 

lediglich  eine  Verhüllung  anderer  Gründe  sieht  und  diese 
letzteren  in  den  ParteiverhaltniBsen  der  UniverBität  sucht? 
Diese  treten  aber  auch  last  handgreiflich  hervor.  Die  De- 
kret! sten  Fakultät*  ist  —  vgl  obige  Nachricht  aus  dem  Jahre 
1405  —  der  Herd  der  burgundischen  Partei;  in  der  theo- 
logischen Fakultät  dagegen  überwiegt,  sobald  man  nur  die 
entschiedenen  Parteigänger  ansieht  und  die  mit  den  wech- 
selnden Verhältnisien  schwankenden  Personen  aulser  Be- 
tracht läTst,  die  orl^aniatischfl  '.  Wie  dann  später,  1413, 
die  orläanistisch-armagnakische  Reaktion  ertolgt  und  im  Zu- 
Bammenhang  damit  die  siegreiche  Partei  sofort  die  Verdam- 
mung der  Sätze  Petit'»  einleitet,  schiebt  sie  die  Universität 
in  den  Vordergrund.  Hier  aber  schliefsen  sich  nun  die 
Theologen  mit  der  tranzösischen  Nation  der  Artisten  unter 
Gerson  zusammen,  um  die  Verurteilung  zu  vollziehen;  und 
um  die  Entscheidung  der  theologischen  Fakultät  zuzuwen- 
den, stempeln  sie  den  Streit  zu  einer  rein  theoretischen, 
dogmatischen  Frage  und  lassen  alles  Personliche  aus  dem 
Spiel.  Dabei  Bnden  sie  aber  den  schroffen  Wideretand  der 
Dekretisten  und  der  pikardischen  Nation,  derselben,  in  wel- 
cher schon  1382  das  flandrische  Interesse  mafsgebend  ge- 
vesen  war  und  die  seither  noch  unbedingter  auf  diesem 
Standpunkt  festgehalten  worden  ist  durch  die  Stärkung  der 
burgundischen  Stellung  Im  Norden  Frankreichs,  zumal  im 
jetzigen  Augenbhck,  da  in  dem  grofsen  Kampf  zwiacheo 
Burgund  und  der  armagnakischen  Partei  der  Norden  Frank- 
reichs dem  Süden  und  Osten  in  wildem  Hafs  gegenüber- 
stehen *.     Mit  den  Dekretisten  und  Pikarden  verbindet  sich 


1)  1d  dem  vorliegenden  Fat]  ist  fireilich  auch  bei  den  Theologen 
eine  Majorität  von  42  gegen  27  Stimmen  im  Sinn  der  burgundi schon 
Politik  zustande  gekommen.  Aber  die  Bedeutung  dieses  VerhiOt- 
nissee  schwindet  völlig,  wenn  man  bedenkt,  wie  abhängig  von  den 
wechselnden  Parteiherrschaften  sich  ein  gTofser  Teil  der  Professoren 
Oberhaupt  erwiesen  hat  und  wie  viele  namentlich  bei  dem  entschieden 
ausgesprochenen  Willen  des  Königs  weggeblieben  sein  mögen. 

2)  Nur  bei  der  Wiederherstellung  der  Obedicoz  Beoedikt's  im 
Jahre  1403  haben  sich  die  Pikarden  zu  den  Franzosen  hinüberziehen 
laifn,  während  die  Noimannen  bei  der  Substraktion  blieben  und  die 


843  KRITiaCaBB  0BER8ICHTEK.  L  HOLLSB, 

dmnn  eine  IGnorität  von  Theologen,  nm  mit  jenen  die  Auf- 
achiebong  jeder  Entscheidang  über  diese  Sache  oder  ihre 
VerweiBang  an  den  Papst,  ein  allgemeines  Konzil  oder  an 
die  hohen  weltlichen  G^chtshöfe  durchzosetBen  —  und 
deshalb  bleiben  sie  mit  allem  Eifer  dabei,  dafs  es  sich  nicht 
nm  eine  dogmatische  Lehre  sondern  um  Personen,  vor  allem 
den  Herzog  von  Burgond  handle;  oder  sie  verlangen  we- 
nigstens die  Behandlung  der  Angelegenheit  durch  Kom- 
missionen, die  nicht  blofs  aus  Theologen,  sondern  auch  aus 
Dekretisten  beständen.  Gerade  das  Übergehen  der  letzteren 
wird  immer  wieder  hervorgehoben.  Liegt  hier  nicht  deut- 
lich der  Eounpf  zweier  groben  Parteien  vor,  von  denen  jede 
die  ^^ache  vor  ein  Forum  bringen  will,  von  dem  sie  selbst 
nichts,  die  Gegenpartei  aber  womöglich  die  sichere  Ve^ 
urteilung  zu  befürchten  hat?  Mit  anderen  Worten:  ist  hier 
nicht  Uar,  dafs  die  Majorität  der  Theologen  wie  der  fran- 
zösischen Nation  in  den  Händen  der  orlöanistisch-armagiia- 
kischen  Partei,  die  der  Dekretisten  sowie  der  Pikarden  in 
denen  der  burgundischen  sind?  Es  ist  dabei  nicht  einmal 
mehr  nötig,  besonders  zu  betonen,  dafs  die  Dekretisten  wie 
die  Pikarden  in  ihren  Beschlüssen  die  enge  Freundschaft 
hervorheben,  die  sie  von  jeher  mit  Burgund  verbunden  habe. 
Aber  es  ergänzt  das  ganze  Bild^  das  diese  Thatsachen 
bieten,  wenn  man  hört^  dafs  der  König  am  19.  November 
1414  der  Universität  befiehlt^  den  Widerspruch,  der  sich  in 
ihrer  Mitte  gegen  die  Verurteilung  Petit's  regt,  nicht  zu 
dulden,  nur  Abgeordnete  von  durchaus  sicherer  Haltung  in 
dieser  Frage  nach  Konstanz  zu  schicken  und  ihnen  sogar 
einen  Eid  abzunehmen  ^  der  nach  dieser  Seite  Bürgschaft 
gebe  ^ ;  und  wenn  nachher  der  König  selbst  das  Haupt  der 
antiburgundischen  Partei  an  der  Universität,  Gerson,   zum 


I>eut8chen  (Engländer)  sich  in  dieser  Angelegenheit,  die  nur  Frank- 
reich anging)  neutral  hielten  (Rel.  de  St.  Denis  III,  94).  So  iiat  also 
auch  bei  dieser  aus  verschiedenartigen  Bestandteilen  zusammengeseti- 
ten  pikardischen  Nation  die  gleichgültige  oder  unselbständige  Schichte 
mit  der  augenblicklich  siegreichen  Partei  gestinunt. 
1)  Opp.  Oerson.  V,  888. 


343        ^^M 

ings   gar        ^^M 
Üb  ,    daTe       ^^H 


ARBEITEN  ZUR  KIKCHEKOESCH.  DES  U.  IF.  15.  JAURH. 

Qeaandten  am  Konzil  emeniit.  Und  es  ist  allerdings 
nicht  ohne  Bedeutung  fiir  den  Gang  des  EonzilB, 
dasselbe  von  Frankreich  aus  in  diesem  Sinn  beschickt  war. 
Nachdem  dann  die  Verurteilung  der  Sätze  Petit's  in  Paris 
durch  das  bischöfliche  Gericht,  den  Inquisitor  und  eine  An- 
zahl theologischer  Professoren  vollzogen  war ,  bringt  die 
burgusdleche  Partei  die  Sache  auch  noch  vor  das  Kon- 
Stanzer  Konzil,  und  abermals  werden  von  beiden  Seiten  die 
alten  Kunstgriffe  gegen  einander  ausgespielt:  von  burgun- 
discher  die  Behauptung,  dafs  es  sich  um  die  Person  des 
Herzogs  handle  und  dafs  darum  das  Pariser  Gericht  in- 
kompetent gewesen,  vonseiten  der  Gegner  insbesondere  Ger- 
Bon's  und  Ailli's,  dafs  es  eich  lediglich  um  eine  dogmatische 
Frage  bandle,  bei  der  die  Personen  vollständig  aus  dem 
Spiel  bleiben,  —  ein  Sachverhalt,  den  freilich  Tschackert, 
wie  schon  Lenz  hervorgehoben,  total  verkennt  und  meist 
geradezu  ins  Gegenteil  verkehrt,  und  .dem  gegenüber  er 
Ailli  eine  Rolle  andichtet,  die  dieser  nimmermehr  gespielt 
hat  >. 

Um  nicht  zu  auafiihrlich  zu  werden,  breche  ich  hier  ab. 
Man  könnte  aber  in  dieser  Weise  noch  lange  fortfahren 
und  würde  doch  immer  wieder  das  Ergebnis  erhalten,  dafs 
man  Ailli's  Wirksamkeit  nur  auf  dem  politischen  Boden 
seiner  Heimat  verstehen  lernen  kann.  So  allein  gewinnt 
sein  Bild  auch  einen  einheitlichen  Charakter,  der  ihm  bei 
Tschackert  völlig  fehlt.  Weil  er  hier  im  ganzen  immer 
nur  nach  der  einzelnen  Handlung  beurteilt  und  auch  diese 
in  keinen  gröfseren  Zusammenhang  gestellt  wird,  so  erscheint 
er  bald  als  der  „energische  Professor",  oder  „der  mutige 
Professor"  oder  wird  bald  seine  reine  Selbstlosigkeit,  sein 
schonungsloser  Mut,  seine  Offenheit  und  sein  Idealismus  ge- 
rühmt, bald  zeigt  er  sich  in  einem  Licht,  in  welchem  von 
allen  diesen  Eigenschaften  auch  nicht  das  Mindeste  erscheint. 
Und  auch  die  Schlufscharakteristik  geht  doch  über  jene 
Aufgabe  einer  einheitlichen  Erfassung  glatt  hinweg. 

1)  Das  ist  um  »o  mehr  zu  verwundern,  als  Schwab  die  Sache 
in  ihren  Haoptaiigau  sclioa  volbtändig  zutieSeud  dargestellt  liat.f:. 


2ii  K£1T18CH£  ÜBEB8ICHTEM.  L  iCÜLLEE, 

Glücklicher  ist  Tschackert  in  der  Sammlung  der  nocb  lii 
ungedruckten  Werke  Ailli'a  gewesen.  Er  hat  hiervon  im  jü 
Anhang  eine  reiche  Sammlung  veröffentlicht  (15  Nummern, 
53  S.)  imd  ihnen  manche  wertvolle  Notiz  fiir  die  Bi(^raphie 
wie  die  litterarische  Kritik  der  Werke  Ailli's  entnommen. 
Auch  inbezug  auf  die  letztere  hat  er  manche  wertvollen  Re- 
sultate gewonnen  (s.  unt)  imd  schlielslich  in  einer  dankens- 
werten Tabelle  S.  348—366  die  Werke  Ailli's  und  ihre 
Drucke  zusammengestellt^  Echtes  und  Unechtes  scheidend. 

Die  publizistische  Litteratur^  welche  im  Zu- 
sammenhang mit  Schisma  und  Konzil  erwachsen  ist,  hat 
überhaupt  mehrere  wertvolle  Arbeiten  auf  sich  gezogen.  Sie 
haben  sich  insbesondere  um  Dietrich  von  Niem  ge- 
sammelte Den  Grund  hierzu  hatte  Sauerland's  Disser- 
tation (Nr.  8)  gelegt,  in  welcher  der  bodenlosen  Willkür 
und  der  ungeheuerlichen  Tendenzkritik  der  Jesuiten  Dam- 
berger  imd  Schüz,  welche  natürlich  lediglich  den  unbequemen 
Nachrichten  eines  so  nahen  Beobachters  über  das  Treiben 
der  Kurie  galt,  entgegengetreten  und  das  Leben  wie  die 
litterarischen  Arbeiten  Dietrich's  auf  sichereren  Boden  ge- 
stellt wurde.  Nach  ihm  sind  dann  aber  erhebliche  weitere 
Fortschritte  gemacht  worden.  Die  Frage,  ob  Dietrich  wirk- 
lich Bischof  von  Verden  gewesen  sei,  hatte  Sauerland,  wenn 
auch  nicht  unbedingt,  bejaht  und  später  g^en  Lorenz  noch 
einmal  verteidigt  *.  Er  hat  darin  in  Krause  einen  Bundes- 
genossen gefunden  (Nr.  9  und  10),  der  schlielslich  auch  aus 
der  inzwischen  gedrucken  Matrikel  der  Elrfurter  Upiversität 
den  urkundlichen  Beweis  dafür  geliefert  und  aus  denselben 
Akten  auch  das  weitere  Amt  Dietrich's^  das  eines  erzbischöf- 
lich mainzischen  Kanzlers  nachgewiesen  hat  Bischof  im 
vollen  Sinn  ist  allerdings  Dietrich  nie  gewesen,  sondern  nur 


1)  Die  Arbeit  tod  Gobel:  ^Wilhelm  twi  RaTensberg  und  €ro- 
beUniis  Persona.  Ein  Cresehichtsbikl  ans  den  Zeiten  des  iMipstlichen 
Schisma''  ^Jahn^sb.  des  histor.  Vereins  für  Minden  nnd  RaTensbeig. 
Bielefeki  1877^  habe  ick  nicht  erhalten  können.  Es  seheint  darin  be- 
soiiden  das  Reiv\nnprogrmnun  dieses  sw>eiten  westfälischen  Publiaisten 
atts  der  Zeit  des  Schisaouii  behand^  in  sein. 

:i)  Pick*a  Monataehr.  U,  44S. 


ARBEITEN  ZUR  KKCHENOESCH.  DES  14.  U.  15.  JAHRH.      245 

„  Erwählter":  er  hat  auch  bald  auf  das  Bistum,  dag  er  ledig- 
lich als  päpstlicher  Kanzleibeamter  durch  Provision  erhalten, 
wieder  verzichten  müssen,  weil  er  zu  starken  AViderstand  ge- 
funden hatte.  —  Sodann  hat  Th.  Lindner  (Nr.  11)  Mittei- 
lungen über  Dietrich's  handschriftliche  Werke  „De  stilo"  und 
„  Läber  cancellariae"  gemacht :  ersteres  (Cod.  lat.  Monac.  3063) 
eine  kurze  Übersicht  über  das  Verfahren  und  den  GeschäftB- 
gang  beim  aacrum  palatiura  und  Tür  den  Gebrauch  der  prozes- 
sierenden Parteien  verfafst;  das  zweite  von  Dietrich's  eigener 
Hand  geschrieben  und  ausHchhefslich  zum  Handbuch  fiir  päpst- 
liche Kanzlei beamten  besdnimt,  auch  die  Kanzleiregeln  seit 
Johann  XXII.  enthaltend.  Aus  der  ersteren  Schrift  ergiebt  sich, 
dafs  Dietrich  schon  unter  Urban  V.  (1362 — 1370)  als  Notar 
beim  Sacrum  palatium  angestellt  war  und  zwischen  1378  und 
1380  Abbreviator  der  päpstlichen  Kanzlei  geworden  ist. 
Weiter  hat  Lindner  Dietrich's  Mitwirkung  in  einem  Prozefs 
der  Stadt  Dortmund  geschildert  und  endlich  die  Schrift 
„Privilegia  aut  jura  imperii"  genauer  datiert  und  den  Ur- 
sprung der  darin  enthaltenen  Anschauungen  und  Daten 
untersucht.  —  Ho  üben  (Nr.  12)  teilt  aus  dem  Nachlafa 
des  verstorbenen  Vorstehers  der  Anima  in  Rom,  deren  Mit- 
begründer Dietrich  gewesen  ist,  eine  Studie  mit,  welche  ihn 
gerade  im  Verhältnis  zu  dieser  Stiftung,  namentlich  seine 
Fürsorge  fiir  deren  Vermögen  behandelt  und  sich  auf  das 
urkundliche  Material  des  Hospizarchivs  gründet '.  —  Der 
Jesuit  Rattinger  (Nr.  13)  scheint  zwar  wieder  Lust  zu 
haben,  in  der  Art  seiner  Ordensbrüder  Dietrich's  Schriften 
„De  schisniate"  und  „Nemus  unionis"  f^  Fälschungen  der 
Protestanten  des  16.  Jahrhunderts  zu  erklären,  wagt  es  aber 
doch  nicht  mehr  gerade  heraus  zu  sagen.  Über  die  von 
ihm  neu  entdeckte  Schritt  a.  diese  Zeitschrift  VTI,  337, 
Nr.  36.  Er  weist  bei  dieser  Gelegenheit  auch  eine  Anzahl 
Handschriften  zur  Geschichte  des  Schismas  und  des  Baseler 
Konzils  nach  und  vermehrt  die  von  Sauerland  und  Lindner 
gesammelten  Subskriptionen  Dietrich's  in  päpsthchen  Bullen. — 

1}  Das  Konfratemitütabuch  der  Anima   h.  im   dritten  Teil   dieser 
Übeidclit. 


S46  KBITI8GHE  ÜBEBffiGHTBU.  L  ICOLLBR, 

Die  Geschichtachreibang  Dietrich's  wird  geprüft  in  den  nodi 
itt  besprechenden  Arbeiten  von  Hanger  und  Schmitz 
(Nr.  26  und  29).  Siebeking  (Nr.  14),  dessen  Programm- 
Schrift  durch  Schuld  einer  Krankheit  nicht  über  die  Vor 
arbeiten  hinausgelangt  ist,  giebt  eine  Übersetzung  der  Erzäli- 
lung  Dietrich's  vom  Anüang  der  Kirchenspaltung  and  spricht 
als  seine  Vermutung  aus,  dafii  der  Brief  des  Satans  an  den 
Ersbischof  von  Ragusa,  JoL  Dominici,  von  Dietrich  sei 

Viel  besser  begründet  und  beinahe  völlig  sicher  ist  du 
Ergebnis   von   Lens   in   der   Schrift  Nr.  15,    welche   den 
Verfasser  der  drei  Traktate  „De  modis  uniendi  ac  refbr- 
mandi'',  „De  dif&cultate  reformationis  in  concilio''  and  „De 
necessitate  reformationis  in  capite  et  membris'^  nachweist 
Er  *nimmt  hier  die  Forschungen,  besonders  SchwaVs  und 
Tschackert's  (Nr.   16)  wieder  auf,  welch'   letzterer  die 
von  Schwab  bewiesene  Unmöglichkeit,   dafs   Ailli  Ver&sser 
von  „De  dif&cultate ''  und  „De  necessitate^^   sei,   noch  ein- 
mal begründet  hatte,   und  bestätigt   in   neuer   schlagender 
Beweisführung  die  Annahme  Schwab's,  dafs  die  letztere  von 
Dietrich  von  Niem  verfafst  sei.     Dagegen  stellt  er  die  Re- 
sultate Schwab's  über  das  Verhältnis  und  die  Verfasser  der 
beiden  Schriften  „De  modis '^  und  „De  difficoltate^'  auf  den 
Kopf      Schwab's  scharfsinnige  und  ziemlich  allgemein  an- 
genommene Vermutung,  dafs  „De  difficultate''  von  Dieüdch 
von  Niem,  „De  modis ^^  von  Andreas  von  Randuf  stammte  und 
dafs  letztere  die  Antwort  auf  die  erstere  sei,  hat  Lenz  fär 
inmier    widerlegt:    beide  Schriften,   in  dem  Verhältnis  von 
Materialiensammlung  oder  Rohentvnirf  und  Ausflihrang  ste- 
hend, stammen  vielmehr  von  einem  Verfasser.     Dieser  aber 
könne  Randuf  nicht  sein,  schon  darum  nicht,  weil  der  na- 
tional  deutsche   Standpunkt   der    ihm    von    Schwab   zuge- 
schriebenen Schrift  bei  einem   Spanier  undenkbar  sei.     Der 
Schein,  den  Schwab's   Vermutung  für   sich  hatte,   schreibe 
sich  auch  nur  daher,   dafs  der  Verfasser  die  kanonistischen 
Schriften  Randuf s  benutzt  habe.     Beide  Schriften  seien  viel- 
mehr von  Dietrich  von  Niem  verfafst.     Wenn   auch  g^en- 
über  den  übrigen  Schriften  Dietrich's  neue  Qedanken  hier 
nicht  vorkonmien,  so  sind  diese  Ergebnisse  doch  bei  der 


ABSEITEN  ZUR  KIRCHENQESCH.  DES  14.  U.  15.  JAHBE.      24T 

Bedeutung  der  beiden  Schriften  von  gröfatera  Interesse  fiir 
die  Schätzung  von  Dietricb's  Publizistik. 

Die  Schrift  von  Jadart  über  Gerson  (Nr.  19)  kenne 
ich  nur  aus  der  Besprechung  in  der  „Revue  critique"  1882, 
nr.  35 :  sie  enthält  danach  flir  Gerson's  Leben  nichta  Neues, 
teilt  aber  eine  französische  Schrift  Gerson's  mit:  „L'ABC 
dea  simples  gens".  —  Endlich  bat  Schuberth  (in  Nr.  20) 
die  von  Miiotz  unternommene,  von  Schwab  und  Voigt  be- 
kämplte  Bestreitung  der  Autorschaft  Cl^mange's  an  der 
Schläft  „De  corrupto  ecclesiae  statu"  mit  Aufbietung  allen 
Materials,  aller  äufseren  und  innern  Gründe,  die  dabei  in 
Frage  kommen  können,  widerlegt. 

Noch  habe  ich  zwei  kleinere  VerÖfTentlichungen  flir  die 
Geschichte  der  Unions versuche  zu  nennen:  die  Arbeit  von 
BolUti  di  St.  Pierre  (Nr.  22)  enthält  „Articuli  et  trac- 
tatufl  super  substractione  Benedict!  XUI"  ein  Bruchstück 
von  Verhandlungen  zwischen  Benedikt  und  seinen  Eardinälen 
über  die  Cession,  deren  Notwendigkeit  und  Bedingungen. 
Bollati  setzt  sie  allgemein  zwischen  1396  und  1403  an.  Ich 
Iiabe  sie  noch  nicht  näher  geprüft.  —  Die  Überschrift  der 
Abhandlung  Erler's  (Nr.  21)  trügt  (vgl.  diese  Zeitschrift 
Vn,  335,  Nr.  30). 

Indem  ich  nunmehr  zur  übrigen  Litteratur  über  das 
Konstanzer  Konzil  übergehe,  eteUe  ich  einige  Arbeiten 
für  die  Quellen  desselben  voran.  Von  den  berühmten  Hand- 
schriften von  Richentals  Chronik  sind  nunmehr  zwei  ver- 
schiedene Nachbildungen  erfolgt:  zu  der  1869  durch  den 
Pbotographen  Wolf  veranstalteten  Ausgabe  der  Eonstanzer 
Handschrift  (die  ich  nicht  kenne)  ist  1671  die  photoütbo- 
graphische  Auegabe  dcBAulendorferCodexgekonunen(Nr.23). 
Dafa  man  bei  solchen  Nachbildungen  die  Farben  sehr  ver- 
milat,  ist  selbstveretändlich.  Einen  Abdruck  derselben  Hand- 
schrift aamt  den  Varianten  der  Konstanzer  hat  Bück 
(Nr.  24)  veranstaltet  und  mit  einer  Einleitung  veraeheD,  in 
welcher  er  seine  früheren  Studien  wieder  aufhimiut:  er  hält 
die  Äulendorfer  Handschrift  für  die  älteste  und  treueste 
Kopie  des  uns  verlorenen  Originals  und  hält  an  der  wohl- 
begründeten Ansicht  fest,  dafs  der  Chronik  umfangreichere 


748  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.  I.   MÜLLKB, 

und  lateinisch  geschriebene  Tagebücher  zngronde  gelegen 
haben  K  —  Die  Dissertation  von  Wahl  (Nr.  25)  bat  iür  das 
Eonstanzer  Konzil  insofern  Interesse,  als  sie  auf  den  Cod. 
Vindob.  3296  eingeht  Dieser  enthält  nämlich  das  Sammel- 
werk des  Andreas  von  Regensburg  ,,Acta  Concilii  Con- 
stantiemds'',  und  zwar  eine  Reihe  von  Aktenstücken  in  einer 
von  den  Drucken  bei  v.  d.  Hardt  und  Raynald  erheblich 
abweichenden  Redaktion  * ,  aufserdem  zu  einzelnen  Stücken 
wertvolle  Anmerkungen ,  die  in  den  Drucken  fehlen:  so 
z.  B.  bei  der  professio  Bonifaz'  IX.  an  König  Karl  VI.  — 
Einen  Beitrag  zur  Kritik  der  Konzilsakten  liefert  Finke 
in  Nr.  26  (s.  diese  Zeitschrift  VI,  607,  Nr.  166)  \ 

pie  Verhandlungen  des  Konzils  über  die  Unions- 
frage berühren  die  Arbeiten,  welche  das  Vorleben  Jo- 
hannas XXm.  zum  Gegenstand  haben.  Von  Hunger's 
Schrift  (Nr.  27)  kommt  nur  ein  kleines  Stück  in  Betracht 
(S.  26  ff.).  Johann's  Verhältnis  zur  Wahl  Sigismund's  haben 
seither  auch  die  RTA.  VII,  5  und  24 ff.  berührt,  ohne  je- 
doch neues  Material  beizubringen.  Gozzadini  (Nr.  28) 
behandelt  die  Beziehungen  Baldassar's  als  päpstlichen  Le- 
gaten zu  Gozzadini,  dem  Haupt  einer  der  grofsen  Parteien 
Bolognas,  und  die  Verwickelungen  des  Papstes  und  seines 
Legaten  in  die  städtischen  Parteikämpfe  daselbst;  Leonii 
(Nr.  29)  endlich  die  Kämpfe  Todi's  um  seine  Unabhängig- 
keit gegenüber  dem  Versuch  Johann's  XXUI.,  die  Stadt  an 
König  Ladislaus  von  Neapel  zu  verpfänden:  der  Aufsatz 
umfafst  die  Jahre  1408—1413. 


1)  Während  des  Drucks  ist  dazu  gekommen:  Ed.  Heyck,  Ulrich 
von  Richental  (in  Forschungen  z.  Deutschen  Geschichte  XXV,  553  ff.). 
Der  Aufsatz  gieht  Ergänzungen  zu  Bück  und  teilt  neues  Material 
für  Ulrich's  Person  mit. 

2)  Wahl  nennt  namentlich  die  Stücke  „Xllconclusiones  cardinalis 
Gameracensis  de  concilio  Pjsano  approbando  an  non  approbando'^ 
(y.d.  Hardt  II,  192),  sowie  die  „Informationes  archiepiscopi  Januensis 
super  reformatione  ecclesiae**  (y.  d.  Hardt  I,  XV,  812). 

3)  Die  Abhandlung  von  de  Malla  (Nr.  33)  habe  ich  s.  Z.  in 
Berlin  gesehen,  aber  weil  sie  noch  unvollendet  war,  nicht  genauer 
gelesen  und  mir  daher  nur  die  kurzen  Notizen  darüber  gemacht,  die 
in  dieser  Zeitschr.  VI,  134,  nr.  32  mitgeteilt  sind. 


\ 


ARBEITEN  ZÜH  KFRCHENOERCH.  DES  H.  V.  16.  JAHRH.      249 

Einen  bedeutsamen  Gegenstand  behandelt  in  einsichtiger 
Weiae  Schmitz  (Nr.  30):  er  konstatiert  zunächst,  dafs  die 
Universität  Paris,  obwohl  zuJohann'sXXIII.  Obedienz  gehörig, 
doch  schon  1411  zur  Beilegung  des  Schisma  ein  &lIgemeineB 
Konzil  und  die  Unterstellung  der  Päpste  unter  dasselbe  ver- 
ilangt  habe.  Ich  möchte  vermuten,  dafs  dies  damit  zu- 
;|Mramenhängt ,  dafa  Alexander  V.  Bettelmönch  und  unter 
burgundischem  Einflufs  gewählt  mit  der  Universität  sehr 
bald  in  scharfen  Konflikt  gekommen  ist  durch  seinen  Erlafa 
zugunsten  der  Bettelorden,  und  dafs  sich  anderseits  Burgond 
durch  seine  Sfeuermafaregeln  seit  1410  für  längere  Zeit  die 
Universität  entfremdet  hat.  Dagegen  hat  der  Sturz  dea 
burgundi sehen  Regiments  im  August  1413  die  Stellung  des 
Hofes  zu  Johann  XXIII.  nicht  mehr  verändern  können. 
Für  sie  war  vielmehr,  wie  Schmitz  richtig  hervorhebt,  der 
Gegensatz  gegen  Sigmund's  Anspruch  auf  Leitung  dea  neuen 
Konzils  raafsgebend,  um  an  Johann  festzuhalten.  Die  Ver- 
träge Sigmund's  mit  Karl  VI.  haben  dann,  wie  schon  Lenz 
betont  hat,  dem  Könige  die  Wege  geebnet,  das  Konzil  doch 
noch  zu  beschicken.  Aufserdem  aber  mufs  man  hier  meines 
Erachfens  das  Interesse  in  Betracht  ziehen,  welches  die 
neue  Regierung  an  dem  Konzil  darum  nehmen  mufate,  weil 
die  Wiederaufnahme  der  Sache  des  veratorbenen  Jean  Petit 
durch  die  burgundiache  Partei  des  Konzils  zu  erwarten  stand. 
Kine  aktive  Beteiligung  an  der  Beschickung  der  Synode 
war  schon  darum  notwendig,  weil  z.  B.  die  Universität  ihre 
Gesandten  von  den  einzelnen  Fakultäten  und  Nationen  hatte 
wählen  lassen  '  und  eben  darum  eine  erhebliche  Vertretung 
der  burgundischen  Partei  sieher  war.  Solchen  Wahlen  konnte 
man  nur  begegnen,  wenn  man  sich  selbst  energischer  am 
Konzil  zu  beteiligen  begann.  In  diesem  Zusammenhang 
wird  der  bereits  angeführte  Erlafa  des  Königs  an  die  Uni- 
versität vom  19.  November  1414  (s.  S.  242)  von  Bedeutung, 
der  dem  ersten  Beschlufs  der  Universität  um  einige  Wochen 
nachfolgt.  —  Schmitz  weist  dann  übrigens  nach,  wie  die 
königliche  Regierung  auf  der  Konstanzer  Versammlung  an- 

1)  Bulaens  V,  375. 


960  KRITISCHE  ÜBEB8ICHTBN.  I.  üfiLUES, 

dere  Wege  geht  als  die  Kirche  und  Univenitäty  indem  tk 
sich  von  dem  steten  Gegensatz  gegen  Sigmund  leiten  labt 
und  auf  Johann's  Seite  schlägt;  bis  ihr  die  Absetsung  des- 
selben den  Boden  entzieht  und  sie  nun  zu  Benedikt  VIII, 
dem  alten  Schützling  der  orl^anistischen  Partei  übertritt, 
ihn  während  der  Verhandlungen  von  Perpignan  in  sein» 
Hartnäckigkeit  befestigt,  aber  freilich  auch  hier  Bchliefalich 
durch  den  Narbonner  Vertrag  überwunden  wird.  Und  doch 
hat  dann  schlielslich,  wie  bekannt^  die  Politik  der  R^erong 
über  Universität  und  Kirche  gesiegt  und  die  französische 
Nation  von  der  englischen  und  deutschen  Nation  weg  ^  zu 
den  Kurialen  hinübergezogen. 

Die  Ursache  dieser  Wendung  hat  Lenz  in  seiner  Schrift 
über  Sigmund  und  Heinrich  von  England  in  dem  g^en 
Frankreich  gerichteten  Bündnis  dieser  beiden  Könige  von 
Canterbury  1416  Aug.  16  erkannt  Die  Qeschichte  dieses 
Bündnisses  hat  Caro  auf  Grund  des  von  ihm  in  Nr.  31 
neu  veröffentlichten  Materials  in  Nr.  32  abermals  untersucht 
Die  neuen  Urkunden  sind  auch  zur  Geschichte  des  Konzüs 
teilweise  von  Belang ' ,  berühren  aber  allerdings  mehr  die 
politische  Geschichte  insbesondere  Frankreichs  und  Englands. 
Hier  ergiebt  sich  nun  namentlich  als  sehr  wahrscheinlich, 
dafs  die  Verbindung  Sigmund's  mit  England  gegen  Frank- 
reich nicht  schon  seit  1414  bestanden  hat,  sondern  erst  1416 
ziemlich  rasch  und  wesentlich  als  Folge  der  vorangegangenen 

1)  Beiläufig  sei  erwähnt,  dafs  Schmitz,  S.  13  swar  den  usiir- 
patorischen  Charakter  des  Zustandekommens  der  Abstimmung  nach 
Nationen  festhält,  aber  auf  Grund  der  bei  v.  d.  Hardt  4,  1198  er- 
wähnten „Constitutio  quod  nihil  legi  debeat  nisi  sit  concordatom  in 
nationibus**  für  einen  nachträglichen  Beschlufs  in  dieser  Richtung 
eintritt.  —  Als  Gegner  der  Abstimmung  nach  Nationen  hat  T  sc  h  ackert 
Ailli  erwiesen  (S.  204  u.  208):  Ailli  ist  nur  für  Erweiterung  des 
Stimmrechts  eingetreten. 

2)  Unter  anderem  ist  hier  der  Kompromifs  König  Sigmond's  mit 
dem  Kardinalskollegium  wegen  der  Priorität  von  Reform  oder  Papst- 
wahl zum  erstenmal,  mit  dem  Datum  des  12.  Juli  1417  veröfientlicht; 
bisher  hatte  nur  die  undatierte  Gegenurkunde  der  Kardinäle  vorge- 
legen. —  Die  Urkunde  KarFs  IV.  vom  17.  Juni  1369  im  Anhang 
ist  auch  hier  noch  einmal  als  unbekannt  veröffentlicht  (s.  dagegen 
Mosheim,  de  begh.  356.ff.  und  diese  ZeiUchrift  VI,  140>  Nr.  42), 


AKBEITEN  ZUR  KIRCHENOESCH.  DES  U.  V.  15,  JÄHRH.      251 

TäuecbuDg  Signmnd'a  durch  Frankreich  erfolgt  ist  und  dafs 
demgamära  die  Verbindung  Sigmund'B  mit  den  beiden  Staaten 
in)  Jahr  1414  nichts  weiter  als  gewöhnliche,  speziell  im 
Hinblick  auf  das  Konzil  abgeBchlosseoe  Freund  sc  haftsverträge 
^aren.  Dagegen  vermag  ich  Caro  durchaus  nicht  bei- 
zustimmen, wenn  er  meint,  Lenz  hätte  die  Einwirkung  der 
politincben  Verhältnisse  auf  das  Konzil  überschätzt;  der  Um- 
schlag in  der  Entwickelung  des  letzteren  aeit  1417  sei  ledig- 
lich durch  die  Überspannung  von  Sigmimd'e  Einwirkung 
anf  dasselbe  zu  erklären.  Auch  in  andern  Punkten,  ins- 
besondere in  der  Auffassung  der  Mission  des  Bischof  von 
Winchester  wird  man  weder  Lenz  widerlegt,  noch  Caro'a 
Ansicht  besser  begründet  finden  können. 

Die  Politik  des  Kardinalkollegs  während  des  Kon- 
zils vorzüglich  in  dessen  Ret'ormarbeit  und  in  der  zweiten 
Hälfte  überhaupt  verfolgt  in  sehr  geschickter  und  lebendiger 
Weise  Bernhardt  (Nr.  34).  Überall  weist  diese  Schrift 
als  das  treibende  Motiv  die  bodenlose  Selbstsucht  des  Kol- 
legiums nach,  die  grenzenlose  Frivolität,  mit  der  man  kein 
Mittel  verschmäht  und  in  dieser  äufsersten  Rücksichtslosig- 
keit allerdings  oft  in  wahrhaft  virtuoser  Weise  die  geeig- 
neten Mittel  findet  und  bandhabt:  das  wühlende  Arbeiten 
unter  dem  Boden,  die  vollendete  Obstruktion smetbo de,  das 
perfide  Spielen  mit  neuen  Schismen  und  die  in  diesen  Kreisen 
bekanntlich  bis  auf  den  heutigen  Tag  übliche  Art,  darauf 
zu  rechnen,  dafa  der  Gegenpartei,  mit  der  man  unterhandelt 
oder  streitet,  mehr  an  der  Kirche  und  ihrem  Wohl  gelegen 
sein  werde,  als  der  Leitung  der  Kirche  selbst  und  dafs  man 
daher  ruhig  auf  dieses  Interesse  spekulieren  und  seinerseits 
lieber  alles  in  die  Brüche  geben  lassen  könne,  wenn  die 
verlangten  Zugeständnisse  nicht  gemacht  werden,  —  Zu  be- 
dauern und  zu  verwundern  ist,  dafs  Bernhardt  die  Arbeit 
von  Lenz  nicht  gekannt,  jedenfalls  nicht  benutzt  hat  und 
dafa  ihm  darum  die  Verbindung  des  französischen  wie  des 
Kardin  alsinteresaes  in  einem  Mann  wie  Aillj  entgangen  ist 
Gerade  dadurch  wäre  die  Politik  des  Kollegiums  seit  Ende 
1416  noch  klarer  geworden  '. 

1)  Meikwüidigerweiae  sieht  Bernhardt  auch  in  der  „Reformation 


352  KRITISCHE  ObEBSICHTEN.  L  UßUJSR, 

Für  die  Reform  arbeit  des  Konzils  hatte  schon  Habler 
die  hohe  Bedeutung  der  Capita  agendomm  hervorgehob^ 
die  unter  ZabareUa's  Namen  gingen.  Nachdem  abcn-  schon 
Steinhausen  an  der  Abfassung  durch  ZabareUa  Zweifd 
erhoben  hatte,  hat  Lenz  (Nr.  15.  S.  86^  n.  l)  Aüli  ab 
Verfasser  wahrscheinlich  gemacht  und  Tschackert  (in 
Nr.  18)  hat  dann  diese  Vermutung  auf  Grund  handschrilt- 
licher  Zeugnisse  zur  Gtowilsheit  erhoben.  Während  aber 
Lenz  die  Entstehung  der  Schrift  in  die  Zeit  vor  dem  Konzil 
Johann's  XXIII.  1412  ansetzte,  l&fst  Tschackert  in  dies^ 
Zeit  nur  den  ersten  Entwurf  dazu  entstehen  ^  setzt  aber  die 
letzte  Redaktion  zwischen  Mai  1413  und  November  1414 
und  sieht  in  ihr  eine  Umarbeitung  behufs  Vorlegung  auf 
dem  Eonstanzer  Konzil.  Auf  Qrund  dessen  ist  Ailli's  Be- 
deutung für  die  Eonstanzer  Reform  erheblich  gesteigert^  da- 
durch aber  wieder  herabgesetzt  worden,  dafs  Tschackert 
(Nr.  6.  S.  273,  n.  2)  die  nicht  unbedeutende  Abhängigkeit 
des  Ailli'schen  Reformprogramms  von  den  Forderungen  Hein- 
richs von  Langenstein  erwiesen  hat 

Eine  Episode  aus  der  Geschichte  des  Eonzils  behandelt 
auch  Höfler:  den  Streit  der  Polen  und  Deutschen  auf 
demselben  (Nr.  35).  Er  hebt  dabei  hervor,  wie  die  beiden 
grofsen  slavischen  Nationen,  Cechen  und  Polen,  beide  aus 
verschiedenen,  jede  aber  aus  nationalen  Gründen  mit  dem 
Eonzil  im  höchsten  Grad  unzuirieden  sind,  wie  dann  aber 
die  kirchliche  Entwickelung  der  beiden  Völker  nach  dem 
Eonzil  auseinandergeht,  indem  sich  in  Polen  die  kirchlichen 
Verhältnisse  auf  Grund  einer  nationalen  kirchlichen  Be- 
wegung rasch  sehr  erheblich  konsolodieren,  während  infolge 
der   husitischen  Bewegung   in  Böhmen  sich  alles  aufzulösen 

droht. 

Die  Schrift  von  Fabisz  (Nr.  37)  über  die  Stellung  der 
Polau  zum  Schisma  und  den  Eonzilien  legt  in  einem  zum 
'IVil  höchst  barbarischen  Latein  die  korrekte  Haltung  der 
lN4ou  »u  den  „  legitimen '^  d.  h.  römischen  Päpsten  dar  und 

K    IU||i«mMud*»*^  noch  eine  Schrift,  die  auf  des  Königs  Veranlasaiug 
iu  KvMulMl«  tiMTbr^itot  worden  sei! 


ARBEITEN  ZUR  KIRCHEKOESCH.  DES  11.  U.  15.  JAHRS.      253 

entschuldigt  die  leidige  Thatsache  der  AnerkeDnimg  der 
beideu  „Bchismatiachen  Paeudopäpste "  Alexander'a  V.  und 
Johann's  XXLU.  durch  die  katholische  Nation  mit  der  völ- 
ligen Verwirrung,  in  der  aich  Europa  damals  befunden. 
Auch  die  Hintansetzung  der  ,j  gebührenden  Unter werfting 
unter  den  Papst"  auf  dem  Konstanzer  Konzil  hat  ihren 
Grund  nur  in  dem  übergrol'sen  Eifer  für  die  kirchliche 
Einheit. 

Über  Zimmermann  (Nr.  36)  s.  diese  Zeitschrift  VT, 
135,  Nr.  33:  der  Widerspruch  des  Verfassers  gegen  Hübler's 
Beneis,  dafs  Martin  V.  das  Dekret  Sacrosancta  anerkannt 
habe,  hat  mir  nicht  eingeleuchtet. 


B.  fficllf,  Hub  und  der  Husitismus  bis  za  den  Koni- 
paktaten. 

1.  Tbe  Eiifllgh  WorkB  of  Wyclif,  hitherto  nnprinted.  Edited  bf 
F.  D.  Matthew.  Pubüslied  for  tlie  earl;  Englisb  teit  Society. 
London  1880.     (LI  u.  572  S.  8°-) 

2.  Johann  Wlclirs  Lateiaigche  Streitschriften.  Ana  den  Hand- 
Bcbriflen  zum  erslenma,!  herausgegeben,  kritisch  bearbeitet  und 
sachlich  erläutert  von  Itud.  Buddensieg.  Mit  einer  Schrift- 
tafel.   Leipzig  1883.     (C  u.  840  S.  gr.  8°.) 

3.  R.  BaddenslCf,  Studien  m  Wiclif  (in  ZeitBcbr.  f.  hiator.  Thenl. 
1874,  S.  293-342,  501-543;  1875,  S.  3—37). 

4.  — ,  Johann  Wiclif  und  seine  Zeit.  Zum  50()jährigen  Wiclif- 
jubüäum,  31.  Dezember  1884  (in  den  Schriften  des  Vereins  für 
Bcfonnationsgeschichte  8  u.  SO-   Halle,  Niemeyer,  1885.  (ai4S.  8°.) 

6.  *Pennlng1on,  John  Wiclif,  life  and  times.    London  1883. 

6.  *L.  Delplaee,  Wjckliä'e  and  hiit  teaching  conceming  tbe  pri- 
macj:  taken  from  state  papers  (In  Dnblin  Review  1884,  Januar, 
S.  23-62). 

7.  *Hoiitaeit  BurrowB,  Wiclifs  Place  in  history.  Three  lecturei 
deÜTered  before  tbe  University  of  Oxford  1881.  London  1882. 
(VI  u.  129  S.) 

8.  Johaun  Loserth,  Hua  und  Wiclif.  Zur  Oeneais  der  liusitiscbeu 
Lehre.    Prag  und  Uipzig  1884.     (X  u.  314  S.  B"! 

5.  — ,  Neuere  Erscheinungen  der  Wicliflitteratnr  (in  Sybel's  bistor, 
ZeitKhr.,  Bd.  Uli,  N.  F.  XVU  [1885],  S.  43-Ü2). 


264  KBtTlSOHB  ÜBSBaiCflBTlEK.  L  UALLOL, 

10.  Joluuui  Loserth,  Zur  Verpflaniiiiig  der  Wielifie  nach  Böbma 
(Mitteilungen  des  Vereins  f.  Geschichte  d.  Deatsehen  in  fiobnM 
XXU,  220—225). 

11«  *  Leger,  Jean  Hofs  et  les  Hnssites  d'apr^  les  noaTeuz  docB- 
ments  (Biblioth^ue  oniTerselle  1879  Jan.,  Mars,  Mai). 

12.  *  A.  H«  WratislaW)  John  Hos.  The  commencement  of  lesistinee 
to  papal  authoritj  on  the  part  of  the  inferior  elergy.  New-Yoik 
und  London  1882.    (Vm  u.  408  8.) 

18«  Emest  Denis,  Hoss  et  la  gaerre  des  Hnssites.  Paris  1878. 
(Xn  u.  506  S.  gr.  8^) 

14.  J.  Loserth,  Beiträge  rar  Geschichte  der  hositischem  Bewegimg. 
UL  Der  Tractatns  de  longacTO  schismate  des  Abtes  Lodolf  fot 
Sagan,  mit  einer  Euüeitnng,  kritischen  und  sachlichen  Aniner 
hangen  heraosg.  (Archiv  f.  osterr.  Gesch.  LX,  343 — 561). 

15«  Job.  KoUeri  Worin  äolserte  sich  am  deutlichsten  das  Wesen 
des  Hosiüsmos  und  wie  verhielten  sich  die  Dentschstldte  MSbrenf 
SU  demselben  (bis  1488)?  (Programm  des  deutschen  k.  k.  Stssti- 
obeigymnasiums  in  Olmüts,  1883  n.  1884,  36  u.  34  S.  gr.  8^. 

16«  Belle,  Die  Einfalle  der  Husiten  in  der  Mark  Brandenbnig  und 
ihre  Darstellung  in  der  m&rldschen  Gteschichtschreibnng  (Zeitsdur. 
f.  preuls.  Gesch.  u.  Landeskunde  1882,  XIX,  614—666). 

17.  Liber  cancellarlae  Stanislal  Ciolek.  Ein  Formelbnch  der  pol- 
nischen Königskanslei  aus  der  Zeit  der  husitischen  Bewegung, 
herauBg.  von  J.  Claro  (Archiv  für  österr.  Gesch.  [XLV,  1871, 
S.  319—545  und]  LH,  1875,  S.  1—273,  auch  separat). 

18«  Filedr«  v.  Bezold,  König  Sigmund  und  die  Reichskriege  gegen 
die  Husiten.  3  Bde.  München  1872,  1875,  1877.  (156  u.  168 
u.  178  S.  8^) 

19.  W*  WladiwoJ  Tomek,  Johann  Zizka.  Versuch  einer  Biographie 
desselben.  Übersetst  von  Dr.  V.  Prochaska.  Prag  1882. 
(246  S.  8^) 

20.  ^Menzlk)  Ein  Lied  über  die  Annahme  des  Kelchs  (in  Öasopis 
musea  krilorstoi  öeskeho  [1879],  Bd.  LIII). 

Für  Wiciif  ist  zunächat  das  Material  in  grölaerem 
Malflstab  zugänglich  gemacht  worden.  Was  von  englischen 
Schriften  desselben  noch  nicht  gedruckt  war,  hat  Matthew 
(Nr.  1)  veröffentlicht.  Der  Ertrag  dieser  Publikation  ist 
nach  Buddensieg  (DLZ.  1881,  U,  921)  mehr  für  die  Sprach- 
geschichte bedeutsam.  Bei  vielen  der  Schriften  ist  auch  die 
Abfassung  durch  Wiciif  sehr  fraglich^  bei  manchen  nicht 
viel  mehr  als  eine  willkürliche  Annahme  —  nicht  des  Her- 


I       ARBEITEN  ZDB  KIRCHSKOESCB.  DES  U.  U.  15.  JAHRH.   365 

'  «.oagebers,  der  hier  vielmehr  sehr  kritisch  2u  Werke  geht, 
'  sondern  der  HandBchriilen.  Von  erheblicher  Bedeutung  da- 
gegen ist  Buddensieg's  Ausgabe  der  uocb  ungedruckten 
lateinischen  Streitschriften,  im  ganzen  2G-  Zwar  waren  alle, 
mit  Auanahme  einer  einzigen  von  Shirley  in  den  Hand- 
schriften nachgewiesen  und  von  Lechler  benutzt  worden. 
Aber  einen  Einblick  in  die  Zusammenhänge  und  Entwicke- 
lung  dieser  Polemik  hatte  man  bisher  doch  kaum  gewinnen 
können.  Buddensieg's  Ausgabe  ist  ausgezeichnet  durch 
^Öfste  Sorgfalt,  Gründlichkeit  und  Vollständigkeit:  es  ist 
»ehr  erfreulich,  dafa  die  durch  Buddensieg's  Bemühungen 
ins  Lehen  gerufene  englische  Wiclif gesell schaft  nun  endlich 
auch  die  letzten  noch  nicht  gedruckten  Werke  Wiclif  s  her- 
ausgeben will  und  dabei  Männer  wie  Buddensieg  und  Lo- 
serth  in  ihren  Dienst  gezogen  hat. 

Auch  die  Wiciifforschung  hat  Buddensieg  gefördert 
In  seinen  ersten  Studien  (Nr.  3)  hat  er  in  den  Hauptsachen 
überall  die  Gleichheit  der  Resultate  seiner  Forschung  mit 
derfenigen  Lecher's  konstatiert,  dagegen  in  einzelnen  Punkten 
(namentlich  Geburt,  Doktorat  in  der  Theologie,  Mitglied- 
schaft des  Parlaments  von  1366)  abweichende  Resultate  be- 
gründet In  jüngster  Zeit  ist  dann  Buddensieg  zu  einer 
Gesamtbiographie  Wiclifs  fortgeschritten  (Nr,  4),  einer  vor- 
trefflichen auch  in  der  Form  ausgezeichneten  Darstellung. 
Ihr  Unterschied  von  der  viel  umfangreicheren  Arbeit 
Lechler'e  liegt  wohl  besonders  darin,  dafs  Buddensieg 
Wiclif  nicht  vorzugsweise  in  der  Gesamtent Wickelung  der 
Kirche  sondern  vielmehr  in  der  Ent Wickelung  des  eng- 
lischen Staatswesens,  der  englischen  Kultur,  der  sozialen 
Zustände  Englands  in  jener  Zeit  zu  fassen  sucht,  ohne 
Zweifel  ein  Vorteil,  der  es  ihm  ermöglicht  hat,  eine  Dar- 
stellung EU  geben,  die  den  Wurzeln  der  Kraft  und  des  Auf- 
tretens Wiclits  überhaupt  noch   näher   kommt '.     Denn   der 


1)  Anlser  den  Arbeiten,  die  BuddeuHieg  ueDot,  und  denen,  die  ieh 
VII,  115,  Anm.  B  zuBsmmeiigeBtellt  habe,  sind  für  die  BOzialen  Ver- 
bKltnisse  EnglKuds  vor  und  nach  Wiclifs  Zeit  von  Intereaae 
auch  T.  Ochenkowksi,  Die  inrlschsMche  Lage  Englands  am 
ScUufs  dcB  Mittelalters  Cl^''^),  bes.  S.   13—24.    Auch  in  den  Auf- 


S66  KRITISCHE  ÜBERSIGHTEK.  I.  UOUJSR, 

Einflols  der  festländischen  kirchlichen  und  theologischeD 
Entwickelang  auf  Wiclif  ist  im  ganzen  ein  sehr  unerheb- 
licher gewesen,  während  der  im  weitesten  Sinn  nationale  Chi- 
rakter  seines  Werks  auf  Schritt  und  Tritt  hervorleuchtet  — 
Die  weiteren  Arbeiten  über  Wiclif  sind  mir  nicht  zugäng- 
lich gewesen:  ich  kenne  sie  nur  aus  Buddensi^  imd 
Loaerth   (Nr.    9    und   vgl    meine   Nachrichten    Vn,   485, 

Nr.  56). 

••  

Der  Übergang  von  Wiclif  zu  Hus  wird  gemacht  durch 
das  ausgezeichnete  Buch  von  Loserth  (Nr.  8).  Die  be- 
deutendsten Ergebnisse  desselben  sind  wohl,  l)  da(s  die 
ganze  religiöse  Bewegung  vor  Hus  in  Böhmen  —  die  übri- 
gens noch  nie  so  vortrefflich  dargestellt  worden  ist  —  durch- 
aus kirchlich  gewesen  ist,  sich  nirgends  im  Punkt  der  Lehre 
oder  des  Kultus  der  Kirche  entgegengestellt  hat  und  2)  dab 
Ha&  von  seinen ,,  Vorläufern'^  gänzlich  unberührt  geblieben 
il^  dafo  viehnehr  3)  die  ganze  Wendung  bei  ihm  ausschUelB- 
Kcli  durch  die  yyWiclifie^'  bedingt  war,  ja  dafs*  diese  erst 
dM»  tiefe  allgemeine  Erregung  in  Böhmen  hervorgebracht 
und  der  Mittelpunkt  der  E^mpfe  geworden  und  geblieben 
iii  Die  Frage  wann  und  durch  wen  die  theologischen 
^'hrilVen  Wiclifs  —  denn  sie  allein  und  nicht  die  früher 
iiach  Biiiuuen  gekommenen  philosophischen  ^  haben  jene  Be- 
wwttug  Yiuranlalst  —  aus  England  nach  Böhmen  gebracht 
w^Mden  iiiui»  hat  Loserth  mit  besonderer  Sorgfalt  erwogen. 
U  d«r  Abhandlung  Nr.  10  gewinnt  er  das  Resultat,  dtJs 


_^  tv«  <lu*»erand,  La  vie  nomade  et  les  routes  d^Angletene 
IM  MWij^  **♦  vXlV  8.)  (Rerue  hiator.  1882,  XIX,  265  ff.  u.  XX,  Iff.) 
qji^^  ^>^  kuhuij^^itohiobtliches  Material,  das  sowohl  die  Gegenstände 
.j^  \\\sj)to\<'WttlVl«nük  als  auch  die  Agitation  Wiclif  s  selbst  mannig&ch 
^Üunlft^l  l  uUT  den  ,, fahrenden  Leuten**  Jusserand^s  treten  nicht 
^*u^  ^  IMlv^luk^itt^'he«  Ablafskrämer,  Reliquienhändler,  sondern  auch 
^  \\hn»NnJ^»u  K^beprediger  auf.  Das  Werk  von  J.  E.  Th.  Ko- 
V  .\>  ^  \SH  t  UW  twitatum.  Passages  selected  from  Gascoigne'i 
i^KWVWN'^  j^^ij4K>»ary  iUus»tr.  the  condition  of  church  and  state  1403 
V^.  VvV  \\^^V  Au^aU^Miuct  W.  facs.  Oxford  1881.  (254  S.  4*) 
\fcX  s^  ♦»v^  lli.wtwfn  können.  Herr  Dr.  Buddensieg  macht  mich 
Ak    V^jcC^*^  i>i»i»lWn  in  der  Academy  vom  11.  Juni  1881   auf- 


» 


ARBEITEN  ZUR  KIRCHENGE3CH.  DES  U.  Ü.  16.  JAHBH.      267 

•  Hieronymus  von  Prag  jedenfalls  einer  der  ersten  und  Haupt- 

■  Termittier  gewesen  Ist.  Sehr  interessant  ist  nun  der  Kach- 
k  Treis,  wie  auch  die  ZeitgenoBsen,  Freunde  und  Gegner,   als 

■  den  Mittelpunkt  der  Bewegung,  die  daraufhin  in  Böhmen 
:  beginnt,  durchaus  die  „Wiclifie"  ansehen,  die  Frage  ob  WicUf 
I    rechtgläubig  oder  Ketzer  sei;   wie  dann  erst  allmählich   seit 

den  zwanziger  Jahren  das  Wort  Husait  aufkommt  und  den 
Namen  Wiciiät  mehr  und  mehr  verdrängt  Die  einzelnen 
Stadien  des  Kampfes  weist  dann  Losertb  geradezu  in  der 
Stellung  Huaaena  zur  Wielife  nach.  In  der  Zeit  des  Streits 
um  Wiclif  1403 — 1409  ist  Hub  von  diesen  Schriften  bereits 
beeinflufst:  schon  ganze  Wendungen  und  Sätze  nimmt  er 
ans  Wiclif  8  Schriften  auf,  fufst  auch  z.  B.  in  der  Angelegen- 
heit des  heiligen  Bluts  in  Wilsnack  aui"  ihm.  Seit  dem  Sieg 
des  Cechentums  an  der  Universität  1409  dagegen  tritt  Hus 
aus  seiner  vorsichtigen  Haltung  hervor  und  stellt  sich  offen 
an  die  Spitze  der  Wiclifiten.  Von  da  an  sind  seine  Schriften 
nur  noch  Auszuge  aus  Wiclif,  und  der  Nachweis,  in  wel- 
chem Mafs  das  der  Fall  ist,  ist  geradezu  verblüffend.  Nicht 
einen  einzigen  originalen  Gedanken  führt  Hus  vor  und  doch 
kann  Loserth,  der  die  betreffenden  Schriften  Wiclifs  meist 
nur  bandschriftlich  hatte  benutzen  können,  bereits  mitteilen 
(Nr.  9),  dafs  durch  Buddensieg's  Publikation  der  Umlaug 
der  Entlehnungen  noch  erheblich  vermehrt  werde.  Auch 
in  der  Zeit,  da  nicht  mehr  die  Wiclifie,  sondern  das  Papst- 
tum Gegenstand  des  Kampfes  ist,  von  1411  an,  wird  dies 
Dicht  anders:  der  Kampl  wird  geführt  mit  Wiclifs  Waffen, 
deasen  Schriften  werden  wörtlich  abgeschrieben.  Endlich 
gipfelt  die  Darstellung  darin,  dafs  auch  in  Konstanz  Hub 
nicht  um  seiner  eigentümlichen  Ketzerei  willen,  sondern 
durchaus  als  Wichfit  veiiirteilt  worden  sei. 

Durch  Loserth's  Buch  sind  die  älteren  Meinungen  über 
das  Verhältnis  von  Wiclif  und  Hub  abgetan.  Das  Buch 
von  Denis  (Nr.  13)  hat  gerade  hierüber  Ansichten  ent- 
wickelt, die  Losertb  zu  dem  Urteil  berechtigen,  dafs  der 
Verfasser  die  Schriften  keines  der  beiden  Männer  gelesen 
haben  könne.     Denis  ist  Franzose,  schreibt  aber   mit  einem 

SaUMlu.  t  T.-0.  TIU,  1.  1.  17 


258  EJEUTISCfiE!  ÜBERSICHTEN,  t  KÜLLKSy 

Eifer  für  die  öechische  Bewegung,  ala  ob  er  selbst  Öeche 
wäre  und  versichert  zum  Schlufs  diese  Nation  der  glühen- 
den Sympathieen,  welche  die  Nachkommen  der  ersten  sieg- 
reichen Verteidiger  der  Freiheit  in  Frankreich  finden.  Vor- 
läufig wäre  es  vielleicht  besser  gewesen ,  wenn  er  weniger 
glühende  Begeisterung  und  mehr  eigene  Forschung  an  sein 
Buch  gewandt  hätte:  dasselbe  stützt  sich  fast  durchaus  auf 
die  deutsche  und  öechische  Forschung,  es  ist  sehr  breit, 
wenig  scharf  und  nicht  ohne  verkehrte  Ansichten,  mag  aber 
für  Frankreich  als  einzige  neuere  Gesamtdarstellung  des 
Husitismus  immerhin  brauchbar  sein. 

Für  die  weitere  Geschichte  der  wiclifitischen  und  husi- 
tischen  Bewegung  hat  Loserth  im  Anhang  seines  gröfseren 
Buchs  manches  wertvolle  ungedruckte  Stück  veröfientlichi 
Er  hat  aber  auch  in  der  Arbeit  über  Ludolf  von  Sagan 
(Nr.  14)  einen  eigenen  Beitrag  dazu  gegeben.  Ludolf  s  Traktat, 
von  Palacky  entdeckt  und  wegen  seines  schroff  deutschen 
und  darum  auch  schroff  katholischen  Standpunkts  ungünstig 
beurteilt;  hat  schon  bei  Aschbach  und  nun  auch  bei  Lo- 
serth, der  ihn  zum  erstenmal  vollständig  herausgiebt,  bessere 
Beurteilung  gefunden.  Loserth  giebt  auch  eine  Biographie 
des  Mannes  samt  einer  Übersicht  über  seine  litterarischen 
Leistungen.  Die  Darstellung  seines  Lebens  wird  zugleich 
zur  Schilderung  der  bezeichnenden  Zustände,  welche  in  Lu- 
dolf s  Kloster  (Augustiner  Chorherren  in  Schlesien)  herrschten, 
ehe  imter  Ludolf  s  eigener  Mitwirkung  1383  die  Reform 
eingeführt  und  das  Kloster  unter  seiner  Abtsregierung  (seit 
1394)  auf  eine  blühende  Höhe  gebracht  wurde.  Der  Traktat 
selbst  ist  bald  nach  Beendigimg  des  Schismas  begonnen  und 
ursprünglich  nur  auf  eine  Geschichte  des  letzteren  angelegt, 
wurde  aber  viel  weitläufiger  bis  1422  weiter  gefuhrt  und 
so  zugleich  zu  einer  Schilderung  der  husitischen  Beweg^g. 
Im  Anhang  veröffentlicht  Loserth  auch  Auszüge  aus  Ludolf  s 
Schrift  Soliloquium  de  schismate. 

Ohne  selbständigen  Wert  ist  Koller' s  Schrift  (Nr.  15): 
inbezug  auf  den  rein  nationalen  Charakter  der  husitischen 
Bewegung  —  denn  ein  religiöses  Moment  will  er  in  der- 
selben gar  nicht   erkennen   —    schliefst   sie    sich    dicht    an 


RH.     259 


AKUeXTEK  zun  RIKCHENGESCH.  DES  14.  C.  IS.  JAHRH. 

tUr  &□,   und   die   sozialen   Verhättnisee    des   HuBitentuma 
der  Verfasser    zum    grofsen   Teil,    ohne    es    zu   sagen, 
rilicii  aus  Bezold  abgeschrieben. 

Die  Ausdehnung  des  Husitentums  in  die  benachbarten 
pder,  nanienthch  die  Spuren  husitiecher  Sjmpathieen  sind 
verechjedenen  Arbeiten  verfolgt.  Sehr  soi^iältig  bat  sie 
fcapt'  für  Franken  gesaniinelt;  tür  Süddeutschland 
eHiaupt  hat  v.  Bezold  im  dritten  Bandchen  seiner  Dar- 
Uung  der  Uusitenkriege  (Nr.  18)  manches  hervorgehoben, 
t  die  Mark  Brandenburg  weist  sie  Sello  nach  (Nr.  16), 
är  die  Einflüsse  des  Husitentums  auf  Polen  sind  die  Ar- 
iten  TonLosertb  und  Prochaska  zu  vergleichen,  von 
1  ich  Bd.  VII,  S.  485,  Nr.  56  kurze  Nachricht  gegeben, 
■dem  aber  die  VeröffentUchuDgen  von  Caro  (Nr.  17), 
welchen  sich  sehr  wertvolle  Urkunden  zur  Geschichte 
I  Verhältnisses  der  polnischen  Parteien  zu  König  Sigmund 
)  zum  Husitentum  finden. 

Für  die  Huaitenkriege  endlich  hat  v.  Bezold  (in 
18)  seiner  Kultui^eschichte  des  Husitentums  ausgezeich- 
!  Beiträge  folgen  lassen.  Es  möge  genügen,  diese  eine 
kirbeit  zu  nennen,  da  die  Husiteakriege  als  solche  nicht  in 
!  Übersicht  gehören  *.  Spezielles  kirchengescbichtlicheB 
esse  bietet  daraus  insbesondere  in  Bd.  III  die  Unter- 
■chung  über  den  Beheimsteiner  Vertrag  vom  Februar  1130, 
:  die  Grundlage  des  Geleites  für  die  Husiten  zum  Baseler 
[onzil  und  so  auch  der  Auseinandersetzung  mit  den  Böhmen 
ittif  Grund  gleicher  Bedingungen  geworden  ist  (S.  46  ff.), 
sowie  die  Schilderung  der  allmähhchen  Anbahnung  dieser 
Wendung  auf  der  einen  Seite  durch  die  furchtbaren  Schlage 
g^;en  die  Kirche,  auf  der  andern  durch  das  Flend  und 
die  innere  Zerrissenheit ,  die  der  Krieg  über  Böhmen  ge- 
bracht 


1^  „Die    rcligiÖBen   Sektea  Tor    der  Reformation    in  Franken" 
1882.     Die  Schrift  wird  im  dritten  Abschnitt  noch  bCBondera  erwähnt 

2)  Auch  die  Biographie  ^izka's  Ton  Tomek  (Nr.  19)   behandelt 
vorsuganeiw  die  kriegerische  Thätigkeit  des  HuMtenfühTerv.  _^ 


260  KRmSOEEE  ÜBERSICHTSN.  L  MÜLLEB, 

C.  Das  Baseler  Konzil. 

1.  Otto  Rleliter,  Die  Organisation  und  G^eachäftsordnimg  des  Baader 
Konzils.    Leipziger  Diss.    Leipzig  1877.    (36  S.  8^) 

2.  J.  Taeseiiy  Un  projet  de  translation  da  concile  de  Bftle  i  Ljon 
en  1436  (in  Beyue  des  qaesüons  historiqaes  XV«  ann^  1881, 
T.  XXXI,  p.  561—568). 

3.  £•  T.  Mandt,  Urkunden  der  Kirchenversammlongeii  zu  Basd 
und  Lausanne  (Anzeiger  f.  Schweizer  Gesch.  N.  F.  Xu,  1^ 
Nr.  5). 

4.  Tk.  T.  LiebenaUf  Verhandlungen  des  Konzils  von  Basel  Aag. 
1432  (Ebd.  N.  P.  XIU,  S.  109—111). 

&•  Frommmiiiiy  Kritische  Beiträge  zur  Geschichte  der  Fiorentiner 
Kircheneinigung  von  1439  (Jahrb.  f.  D.  TheoL  1877,  Bd.  XM, 
S.  529—598). 

€•  Ad«  Warsehauer,  Über  die  Quellen  zur  Geschichte  des  Floren- 
tiner Konzils.    Breslaner  Dissert.  1881.    (23  S.  8^) 

7.  *SadoT,  Bessarion  de  Ni^ce,  son  r61e  au  concile  de  Feiran- 
norence,  ses  oeuvres  th^logiques  et  sa  place  dans  l'histoire  de 
lliumanisme.    St.  P^tersbourg  1883.    (XX  u.  282  S.  8^) 

8«  D.  G.  Monrad,  Die  erste  Kontroverse  über  den  Ursprung  dei 
apostolischen  Glaubensbekenntnisses.  Laurentius  Valla  und  du 
Konal  zu  Florenz.  Aus  dem  Dänischen  von  A.  Mich  eisen. 
Gotha  1881.    (277  S.  gr.  8«.) 

9.  Herm.  Brefslerf  Die  Stellung  der  deutschen  Universitäten  zum 
Baseler  Konzil  und  ihr  Anteil  an  der  Reformbewegung  in  Deutsch- 
land während  des  15.  Jahrh.    Leipzig  1885.    (85  S.  8^) 

Der  lebhaften  Thätigkeit  auf  dem  Gebiet  der  Geschichte 
des  Konstanzer  Konzils  entsprach  nicht  eine  gleiche  Fülle 
Y\>n  Arbeiten  fiir  das  Baseler  Konzil  Die  Organisation  und 
GMchaftsordnung  desselben  behandelt  in  sehr  brauchbarer 
Uttd  gründlicher  Weise  O.Richter  (Nr.  l),  ein  Seitenstück 
»u  Siebeking's  entsprechender  Arbeit  für  das  Konstanzer 
l^^ximil.  —  Vaesen  veröflfentlicht  (in  Nr.  2)  Briefe  über 
kWiuühungeu,  die  im  Jahre  1436  aus  Anlafs  der  Absicht 
Kug^u'»  IV.y  das  Konzil  von  Basel  wegzimehmen,  gemacht 
wnmxIou  ädud,  um  dasselbe  nach  Lyon  zu  ziehen:  der  König 
«KNlWt  hat  den  Anlafs  dazu  gegeben,  die  Stadt  Lyon  thut 
l|lvii\kädU  Schritte,  aber  umsonst  —  E.  v.  Muralt  (Nr.  3) 
Wiis^t^  ^hw  Uandschriflen  mit  bekanntem  und  unbekaim- 


ARBEITEN  ZtlR  EtBCHENGESCB.  DES  IJ.  D.  IE.  JAHRH.      261 


■  tem  Material   zur   Gescbichte   des   KonziJs    in   Baeel,   Lyon 

■  «nd  Genf.     Th.  v.  Liebenau  giebt  einige   hiBtoriacbe  No- 
^    tizen  aus  dem  XJrbarbucb  von  St  Urban  im  Luzemer  Staata- 

archiv. 

I  Zur  Geschichte  der  Giiechanunioii  und  dea  Floren- 
tiner Konzils  hat  Frommann  (Nr.  5)  in  Fortsetzung 
seiner  gröfaereu  Arbeit '  neue  Studien  veröffentlicht.  Es 
bandelt  sieb  um  die  Schätzung  der  Quellen,  speziell  um 
töne  Auseinandersetzung  mit  Hetele  über  den  Wert  der 
griechischen  Akten  und  des  Syropul,  von  denen  Hefele  den 
letzteren,  Frommann  die  ersteren  l<ir  unzulässig  und  par- 
tüiBch  erklärt.  Es  wii'd  Frommann  nicht  schwer,  seinem 
Gegner  die  Unbrauchbarkeit  der  griechischen  Akten  noch 
einmal  nachzuweisen.  Warschauer  (Nr.  U)  hat  dann 
diese  Quellen  sowie  die  sogenannten  lateinischen  Akten  von 
neuem  untersucht  Inbetreff  der  griechischen  Akten  weist 
Warschauer  zunächst  nach,  dafs  sie  weder  von  Dorotheos 
von  Mityleue  (besonders  Frommann  und  ihm  nach  Hefele) 
noch  von  Bessarion  (so  wieder  besonders  Vast)  verfafst  seien, 
dafs  man  überhaupt  von  keinem  Verfasser,  sondern  nur  von 
einem  Abschreiber  reden  könne:  es  seien  eben  Aktensamm- 
lungen. Ihre  Redaktion  dagegen  sei  allerdings  durchaus 
parteiisch,  aber  nicht  im  Interesse  der  Lateiner,  sondem 
im  Interesse  des  Kaisers:  erst  seit  der  Spaltung  der  Grie- 
chen in  zwei  Parteien  vertreten  sie  energisch  das  lateinische 
Interesse,  aber  nur  weil  sich  der  Kaiser  dieser  Partei  zuwende. 
Die  einerseits  unvollständige  und  nachlässige,  anderseits  par- 
teiische, Jalscbendc  Art  derselben  wird  gebührend  ins  Licht 
gesetzt '.  Dagegen  hält  Warschauer  die  Protokolle  in  den 
lateinischen  Akten  trotz  mancher  Naclilässigkeiten  und 
kurialistisch ■  parteiischer  Züge  für  das  zuverlässigste,  waa 
wir  über  das  Konzil  haben,  die  kurzen  verbindenden  Texte 
derselben  dagegen  tur  das  schlechteste,  durchaus  papalistisch 
tendenziös.     Für  Syropul,   dessen   hiatoriache  Kunat  War- 


1)  Kritische  Beiträge  zur  Floreotiiier  KirchcneiaigUDg  1872. 

2)  Auf  iboen  beruht  aber  gerade  Hefele'a  DarstelluDg  gans  über- 


262  SBinSCHB  ÜBERSICHTEN.  L  MOLLEB, 

schauer  sehr  hoch  stellt^  wird  zwar  natürlich  die  streng 
orthodoxe  Parteistellung  und  leidenschaftliche  Eingenommen- 
heit gegen  den  Kaiser  anerkannt,  aber  ebenso  auch  das 
Streben  nach  aufrichtiger  Ehrlichkeit  der  Berichterstattang 
der  Thatsachen.  —  Der  Rest  von  Frommann's  Arbeit  be- 
handelt spätere  russische  Quellen  zum  Florentinnm,  aus  der 
Unionsperiode  des  16.  Jahrhunderts  stammend,  und  sacht 
wenigstens  einige  Nachrichten  darin  auf  ihren  historischen 
Wert  zu  prüfen. 

Die  Rolle  des  Kardinals  Bessarion  auf  dem  Konzil 
schildert  die  Arbeit  von  Sadov,  mit  welchem  Erfolg  kann 
ich  nicht  sagen,  da  mir  das  Buch  hier  so  wenig  zugäng- 
lich war  als  die  Monographie  von  Vast,  Le  Cardinal  Bessa- 
rion etc.,  Paris  1879  ^  In  der  Schrift  von  Fabisz  (s.  ob. 
S.  225,  N.  37)  ist  die  Partie  über  das  Baseler  Konzil  inter- 
esselos '. 

Eine  Episode  aus  der  Zeit  des  Florentiner  Konzils  be- 
handelt die  Arbeit  von  Monr  ad  (Nr.  8).  Die  Partieen,  welche 
das  Konzil  selbst  behandeln,  sind  ohne  weiteren  Wert:  sie 
geben  nur  bekanntes  und  sind  eine  imnötige  breite  Ein- 
leitung zum  Hauptthema.  Denn  Valla  ist  nach  Monrad's 
Meinung  auf  die  Kritik  des  Apostolikums  geführt  worden 
durch  die  Erklärung  der  Griechen,  dais  ihnen  dieses  Sym- 
bol überhaupt  unbekannt  seL  Der  Rest  des  Buches  enthält 
manche  Forschungen  über  die  Schicksale  Valla's  in  seinem 
Handel  mit  der  Inquisition,  der  auf  jene  Behauptung 
hin  erfolgt  war,  und  bietet,  wie  ich  schon  in  DLZ.  bemerkt 


1)  Bezold  (histor.  Zeitochr.  XLVI,  152ff.)  urteilt  über  letzteres 
Werk,  dafs  es  viel  schiefes  und  einseitiges  enthalte,  aber  für  die 
Lebeusumstände  Bessarions  wohl  auf  lange  hinaus  abschliefsend  sein 
werde. 

2)  Die  These  des  Konzils  von  der  Superiorität  des  Konzils  über 
dem  Papst  wird  in  einem  eigenen  Kapitel  widerlegt  mit  folgenden 
Gründen:  1)  quia  continet  contradictionem ;  2)  quia  repugnat  effiitis 
8.  scripturae;  3)  quia  rep.  ss.  patrum  doctrinae;  4)  q.  r.  praxi  uni- 
versalis ecclesiae;  5)  q.  r.  decisionibus  Rom.  pontificum;  6)  q.  r. 
decretis  legitimarum  synodorum;  praesertim  vero  7)  q.  r.  definitioni 
solemni  novissimi  sacrosancti  concilii  Vaticani.  Warum  fehlt  q.  r. 
rationi?    Das  hätte  auch  hübsch  werden  können. 


k 


ARBEITEN  ZUR  KIBCHENGE8CH.  DES  14.  V.  IS,  JAHRH.      263 

habe,  ein  charakteriatischea  Bild  von  dem  ZuBammeiistofs 
zweier  Strömungen:  auf  der  einen  Seite  einen  dummdreisten 
mönchischen  Fanatismus,  der  historische  Fragen,  wie  Fragen 
des  Rechts,  der  Grammatik,  Rhetorik  und  Dialektik  voi- 
das  Inquisitionetribunal  zieht,  einfach  weil  sie  dem  wider- 
sprechen, was  man  auf  diesen  verschiedenen  Gebieten  als 
Herkommen  bequem  weiterschleppt;  und  auf  der  anderen 
Seite  den  charakterlosen  nufgeklärten  Humanismus,  der  mit 
dem  Gefühl  intellektueller  Überlegenheit  diesem  Obskuran- 
tismuB  höhnisch  entgegentritt  und  doch  nicht  den  Mut  hat, 
ihm  gegenüber  seine   I'berzeugung  zu  vertreten. 

Eine  sehr  tüchtige  Arbeit  ist  die  von  Brefsler  (Nr.  9). 
Sie  zeigt,  welchen  Wert  das  Konzil  seibat  wie  die  allgemeine 
Meinung  in  Deutschland  auf  die  Teilnahme  der  Universitäten 
am  Konzil  gelegt  habe,  wie  vollständig  die  letzteren  in  die 
konziliare  Bewegung  eingegangen  sind  und  wie  nur  meist 
durch  die  ungenügenden  Mittel,  die  Folge  einer  sorglosen 
Wirtschaft  und  Verwaltung  der  zum  Teil  reichen  Fonds, 
die  längere  Zui-ück  haitun g  oder  die  vorzeitige  Abberufung 
der  Gesandten  notwendig  gemacht  worden  ist.  Hier  bat 
nur  das  gerade  wenig  reich  dotierte  Erfnrt  eine  ehrenvolle 
Aaanahme  gemacht,  indem  es  sofort  beim  Ausbruch  dee 
Konflikts  zwischen  Papst  und  Konzil  seine  Gesandten  zum 
letzteren  schickt  Auch  im  zweiten  Stadium  1437 — 1446, 
das  durch  die  Frage  der  Neutralität  beherrscht  wird,  stehen 
die  meisten  deutschen  Universitäten  aufseiten  des  Konzils 
und  gegen  die  Neutralität.  Aber  es  zeigen  sich  erhebliche 
Schwankungen,  die  Brefsler  überaJl  dahin  zu  deuten  vermag, 
dafs  die  Theologen  und  Artisten  entschieden  für  das  Konzil, 
die  Juristen  dagegen  für  die  Neutralität  eintreten,  die  Me- 
diziner, wie  immer  unselbständig,  sich  schliefslich  den  Ju- 
risten anscliliefaen.  Bei  den  Juiisten  ist  das,  wie  Brefsler 
richtig  hervorhebt,  nicht  etwa  persönliche  Liebedienerei  gegen 
die  Fürsten  und  ihre  Neutralitätspolitik,  sondern  es  erweisen 
sich  für  sie  dieselben  nationalen  und  staatlichen  Tendenzen 
als  mafsgcbend,  welche  die  Fürsten  zur  Neutralitätspolitik 
veranlafst  haben.  Juristen  sind  die  Erfinder  der  Neutralität 
und  sie  arbeiten  auch  durch  dieselbe   im  Interesse   des.  mo- 


264  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.  L  MÜLLEB, 

dornen  Staats^  indem  sie  der  blofsen  Hauspolitik  der  Fürsten 
eine  staatliche  Richtung  geben.  Die  Theologen,  obwohl 
gleichÜEtlls  in  grofsem  Umfang  die  Ratgeber  der  Fürsten, 
bleiben  doch  die  Vertreter  der  alten  kirchlich -universalisti- 
Bchen  Gtedanken.  Der  dritte  Abschnitt  endlich  verfolgt  den 
Sieg  der  römischen  Partei  1447  f.  auch  an  den  UniversitäteD. 
Diese  springen  teils  gesinnimgstüchtig  mit  einemmal  in  das 
Lager  des  Siegers  hinüber,  teils  haben  sie  die  Wirkungen 
der  mehr  und  mehr  eintretenden  Verstaatlichung  zu  em- 
pfinden, teils  müssen  sie  sich,  nachdem  sie  den  römischen 
Kniffen  imd  Chikanen  eine  Zeit  lang  Widerstand  geleistet, 
den  übermächtigen  Thatsachen  ftigen.  Brefsler  kommt  dabei 
auch  auf  die  konziliare  Theorie:  ich  mufs  aber  hier  ähn- 
lichen Widerspruch  erheben,  wie  dem  Buch  Tschackert's 
gegenüber.  Die  Universitätsgelehrten  waren  eben  nicht  bloüs 
solche  Theoriker,  wie  auch  Brefsler  trotz  richtiger  Andeu- 
tungen (z.  B.  S.  72)  meint:  schon  die  Thatsachen,  die 
Brefsler  selbst  anführt,  beweisen  vielmehr,  dafs  sie  nach 
lebendigeren  Interessen  handeln  als  nach  blolaen  grauen 
Theorieen  über  kirchliches  Recht  und  kirchliche  Verfassung, 
die  gar  keine  realen  Gröfsen  mehr  sind.  Die  Theorieen 
dehnen  sich  auch  bei  ihnen  je  nachdem  die  Bestrebimgen 
es  verlangen,  die  das  Leben  mit  sich  bringt 


D.  Geschichte  nnd  Statistik  einzelner  kirchlicher  Ge- 
biete Deutschlands. 

1.  Gerits,  Zur  Geschichte  des  Erzbischofs  Johann  II.  von  Mainz 
1396-1419  (s.  0.  S.  223,  Nr.  5). 

2.  H.  E.  Haekert)  Die  Politik  der  Stadt  Mainz  während  der  Re- 
gierungszeit des  Erzbischofs  Johann  II.  1397—1419. 

3.  H.  Finke,  Der  Strafsburger  Elektenprozefs  vor  dem  Konstanzer 
Konzil  (in  den  „Strafsburger  Studien"  herausg.  von  Martin  und 
Wiegand  1884.    III,  101-112.  285—304.  402-430). 

4.  — ,  Die  gröfsere  Verbrüderung  (confratemitas)  des  Strafsburger 
Klerus  von  1415  (in  der  Westdeutschen  Zeitschrift  III  [1884], 
S.  372—385). 

5.  Roth  TOB  Sehreekenstein,  Unteraachongen  über  den  Geburts- 


ARBEITEN  ZUR  KIRCHEN0E8CH.  DES  14.  U.  IG.  JA&RH.   266 

stand  der  Domherren  zn  Konstanz  (Zeitschr.  f.  Gesch.  d.  Obei^ 
rheins  XXVIII  [1876),  1-37). 
t.  Roth  JOB  Schrecbeasteln ,  Die  Zeitfolge  der  Bischöfe  von  Kon- 
stanz   bU   auf  Thomas  Berlower   (f  149G),   (ebd.   XXIX   [1877], 
'260-204), 

7.  Bohrer,  Archidiakonen  und  KomniiBBarieu  im  Bistum  Konstani 
{Anz.  f.  Schweizer  Gesch.  1882,  N.  F.  XIII,  IG— 19). 

8.  K.  J.  Glatz,  Beiträge  zur  Gesch.  d.  Landkapitels  Rottweil  a,  N. 
(Preiburger  DiÖzesanarchiv  1878,  XII,  1—38). 

9.  *ir.  Belnfn^r,  Die  Archidiakone,  Offiziale  und  Generalvikara 
des  Bistums  Würzburg  (^Archiv  des  bist.  Ver.  von  Unterfranken 
und  Ascbaffenburg  XXVIR  [188.^].  S.  1—265). 

10.  Amrhein,  Beiträge  zur  Geschichte  des  Archidiakonata  Ascbafien- 
burg  und  seiner  Landkapitel  (Archiv  des  hist.  Ver.  von  Unter- 
franken  und  Aschaffenburg  XXVII  [1884],  84  ff.). 

11.  Hob.  Ennlsch,  Mittel  und  Niederacblesien  während  der  königa- 
losen  Zeit  144«— 1452  (Zeitscbr.  d.  Ver.  f.  Q.  u.  A,  Schlesien» 
1876f.  Xm,  1-72  und  291—342). 

Die  Schrift  von  Gerits  habe  ich  schon  oben  besprochen. 
Die  Regierung  Johanns  II.  von  Mainz  ist  diuin  nur  in 
ihrer  ersten  Hälfte  verfolgt.  Die  Dissertation  von  Huckert 
(Nr.  2)  stellt  gleichfalls  die  Zeit  dieses  Erzbiscliofa  dar,  aber 
fast  ausachlierslicli  die  politischen  Bezieh ungen  der  Stadt. 
Für  Strafsburg  giebt  Finke  (Nr.  3)  einen  wertvollen 
Beitrag  ' :  wir  sehen  zunächst  die  über  alle  Mafsen  liederliche, 
raubsüchtige,  betrügerische  Verwaltung  eines  erwählten  Bischofs 
Wilhelm's  von  Dieat,  der  von  kirchlicher  Art  auch  nicht 
eine  leise  Spur  besitzt;  wie  zuvor  das  Bistum  Utrecht,  das 
er  bis  1393  verwaltet  hatte,  so  wird  jetzt  das  Strafsburger 
Bietuni,  sein  Kirchengut,  die  bischöfliche  Justiz,  die  kirch- 
liche Zucht,  selbst  der  äufsere  Anstand  ^   vollends  in   gänz- 


1)  Finke  hatte  die  Sache  schon  in  seiner  Dissertation:  „König 
Sigmund's  reichsstädtische  Politik  "  (Bocholt  1880, 130  S.  8")  S.  90—130 
verfolgt.  Die  neue  spezielle  Arbeit  (Nr.  3)  zieht  das  archivaliacbe 
Material  noch  reicher  herbei  und  vermag  so  einige  Seiten  noch  drasÜ- 
•cher  zu  beleuchten. 

2)  Wilhelm  hat  sich  auch  die  Tonsur  nicht  erteilen  lasseu,  weil 
diese   in   den    betreffenden  Gegenden    zu   sehr  der  VerachtuDK  kui- 


&66  KBITISCHE  ÜBERSICHTEN.  I.  MOLLEB, 

liehe  Auflösung  getrieben.  Alle  Formen  der  päpstlichen 
Wirtschaft  wiederholen  sich  hier  in  einem  kleineren  Raum, 
nur  dafs  noch  die  Anwendung  der  nackten  Gewalt  bei  allen 
Erpressungen  dazu  kommt.  Es  ist  bezeichnend,  dals  schließ- 
lich die  Verschleuderung  des  Eirchenguts  die  Malsregeln 
des  Domkapitels  —  auch  der  Stadt  Strafsburg  —  heraus- 
fordert: man  beginnt  mit  einem  Handstreich  auf  den  Elekten 
und  seiner  Gefangennehmung  1415.  Zum  weiteren  gemein- 
samen Vorgehen  aber  wie  zur  Besserung  der  Zustände  im 
Hochstift  schliefst  man  sich  in  drei  grolse  Bünde  zusammen, 
deren  Wesen  und  Inhalt  der  Aufsatz  Nr.  4  klar  stelll  Der 
ProzelB  kommt  dann  schliefslich  vor  das  Konzil,  das  hier 
auch  als  der  höchste  Verwaltungsgerichtshof  der  Christenheit 
auftritt  und  das  sogar  noch  eine  Weile  nach  Martin's  V. 
Wahl  bleibt  Könige  und  Kardinäle  mischen  sich  drein 
und  bieten  ein  Bild  unglaublichster  Korruption^  unablässigen 
Bestechens  und  Sich- bestechen -lassens,  Feilschens,  Bietens 
und  Uberbietens,  bis  schliefslich  ein  Kompromifs  zustande 
kommt;  der  den  lediglich  ökonomischen  Charakter  der  In- 
teressen des  Kapitels  darthut.  Die  Erhebung  des  trefflichen 
Elekten  zum  Bischof  durch  Papst  Martin  V.  schliefst  das 
Bild  in  würdiger  Weise  ab. 

Zur  Geschichte  des  Konstanzer  Domkapitels  hat  Roth 
von  Schreckenstein  in  Nr.  5  Beiträge  geliefert,  deren 
erster  namentlich  nachweist,  dafs  die  Liste  der  Konstanzer 
Domherren  nicht,  wie  man  meist  behauptet,  nur  Herren  aus 
dem  Adel  aufweist,  dafs  vielmehr  der  Altbürgerstand  zwar 
um  seiner  kaiserlichen  Haltung  willen  durch  Innocenz  IV. 
grundsätzlich  zurückgedrängt  und  das  Kapitel  daftir  den 
Andrang  der  Kurialen  ausgesetzt  worden  sei  (ebenso  wie  in 
Worms,  Basel,  Regensburg),  dafs  aber  die  Bürgerb'chen  in 
Konstanz  niemals  wie  in  anderen  Kapiteln  durch  Statut 
oder  faktisch  ausgeschlossen  worden  seien.  Die  beig^ebene 
Liste  der  bürgerlichen  Mitglieder  des  Domkapitels  von  1300 
bis  1500  weist  die  bezeichnende  Thatsache  auf,  dafs  seit  dem 
Konstanzer  Konzil  unter  den  bürgerlichen  Kanonikern  die 
Graduierten  überwiegen.  Der  Inhalt  des  Aufsatzes  Nr.  6 
ist  durch  seine  ÜberBchrift  genügend  bezeichnet.    Rohr  er 


ASBETTEN  ZUR  ETRCHENaESCH.  DES  14.  O.  15.  JAHRH.      267 

in  Nr.  7  will  eher  eine  Anfrage  BteLen  als  selbet  Beiträge 
liefern.  Doch  finden  sich  bei  ihm  auch  einige  Winke  für 
die  Frage,  wann  bischöfliche  Kommissäre  an  SteUe  der 
Archidiakonen  die  Visitation  des  Klerus  überkommen  haben : 
die  Andeutungen,  die  er  giebt,  weisen  tur  Eonstanz  auf  die 
erste  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts.  Natürlich  ist  hier  für 
jedes  Bistum  eine  andere  Entwickelung  anzunehmen.  Zur 
Diöcese  Konstanz  gehört  das  Landkapitel  Rottweil  a.  N. 
G-latz  (Nr.  8)  veröffentlicht  u.  a.  die  Bestätigung  der 
37  Statuten  des  Kapitels  vom  15.  März  1441  durch  Bischof 
Heinrich,  mit  einem  Anhang  bis  1477,  sodann  eine  1441 
gefertigte  Liste  der  rel'ectiones  d.  h.  der  Beiträge,  welche 
die  Kirchen  des  Kapitels  zur  Kapitelskassa  zu  entrichten 
haben,  und  die  Anniversarstiftungen  aus  dem  14.  und  16. 
Jahrhundert.  —  Nr.  9  zur  Geschichte  des  Bistums  Würz- 
burg  habe  icb  nicht  bekommen,  kann  daher  auch  nicht 
einmal  sagen,  wieweit  es  speziell  für  unseren  Zeitabschnitt 
dient     Über  Nr.  10  vgl.  VII,  336,  Nr.  33. 

Vei'liältnisse  des  Hochstifts  Breslau  und  die  kirchliche 
Lage  Schlesiens  schildert  ein  interessanter  Aufsatz  von  Er- 
misch (Nr.  ll):  es  ist  ein  Stück  aus  den  nationalen 
Kämpfen  zwischen  Deutschen  und  Polen,  wie  den  kirch- 
lichen zwischen  Kapitel  und  Bischof,  Bischof  und  Metropolit. 
Bischof  Konrad  von  Breslau  ist  der  Vorkämpfer  des  Deutsch- 
tums gegen  das  Slaventum  in  Schlesien,  die  Seele  aller 
schlesischen  Unternehmungen  in  den  Hu siten kriegen ,  eifrig 
bemüht,  aDe  Polen  von  den  guten  Pfründen  seiner  Kirche 
fernzuhalten.  Aber  wie  er  sich  durch  seinen  energischen 
Polenhafs  die  systematische  Verlästerung  der  polnischen  Ge- 
schieb tschreibung  zugezogen  hat,  aus  der  ihn  erst  Ermisch 
mit  Hilfe  urkundlichen  Materials  wieder  in  das  rechte  Licht 
gesetzt  hat ,  so  bat  ihm  sein  rücksichtsloses  Eintreten  für 
die  deutsche  und  kirchliche  Sache  in  grofse  Schulden  und 
dadurch  in  Streitigkeiten  mit  dem  Kapitel  verwickelt  Dieser 
Konflikt  äufsert  sich  denn  sofort  auch  in  dem  Verhältnis 
zu  Papst  und  Konzil.  Konrad  hält  zu  Eugen  IV.,  das  Ka- 
pitel zum  Konzil;  die  Hauptperson  des  Kapitels,  der  Dom- 
propst QramtB  ist  selbst  Mitglied  des  Konzils  und  Kollektor 


266  KRITISCHE  ÜBEKC^T«  '      ,^gg(ff.  l  KULLER, 

liehe  Auflösung   getrieben.  ^.^gs  Sieaem   in   Böhmen  und 

Wirtschaft  wiederholen   sich  Ht     ^iUtsses  fUr  die  Griechec- 
nur  dafs  noch  die  Anweiuliin*.'     ^^  and  Lebus.     Ein  milslmige- 
Erpressungen  dazu  kommt.    ^  .^-tflinü  und  seine  Gklder  k 
lieh    die  Versehleuderung    H>     ^.ftfs.    Neue  Konflikte,  deren 
des  Domkapitek  —  auch  d*     ^  i»  Geldes  und   die  Abgren- 
fordert:  man  beginnt  mit  ^i^^i^gr  xvischen  Bischof  und  Ka- 
und  seiner  Gefangennchmur*  .1^^  Fehden    entwickeb  ach 
samen  Vorgehen  aber  wie      ^^«Ä  *n  Polen  an.    Der  Bischof 
Hochstift  schliefst  man  siri'     ^0mi  dann  aber   die  Regierang 
deren  Wesen  und  Inhalt  ^     ^rJB>6R  siegreich  zu  Ende,  bb 
Prozels  kommt  dann   seh'   _..idc^er  R^erung  stirbt.    Sein 
auch  als  der  höchste  Vei-      ^  ^Kmaligen  Hauptgegner  Peter 
auftritt  und  das  sogar   :    _^-r"  des  Ejipitels   das  Suffragan* 
Wahl   bleibt     Könige   •     ^jdwschof  von  Onesen,  das  unter 
und  bieten  ein  Bild  un^*'  .  ,^  ier  Mitte  des  14.  Jahrhundats 
Bestechens  und  Sich  •  h*  "^^  jod  durch  Konrad   so   gut  wie 
und  Überbietensy  bis   '^^^  ^iw  *^<*  ^u  Nikolaus  V.  über- 
kommt, der  den  leHicri.^  .j^Sapitel  bisher  immer   noch  Be- 
teressen des  Kapitels  Z .  ^  ^MnK^t  erhalten  hatte.      Nur   sehr 
Elekten  zum   Bischf*     ^  jii  kirchlichen  und  finanziellen  An- 
Bild in  würdiger  W^'     ^j^^ 

Zur  Geschichte  'T 
von  Schrecken 

erster  namcntlieli  «^i#i<^  ^^^  MOnchtnms. 

Domherren  nicht.  \r-  ,      .     ^^^^  __.._    ^^_ 

.  ;s«,|i  und  seine  Stiftungen.    Köln  1883. 

dem  Adel  aufweist,      **^ 

um  seiner  kaiserli;*:  öfoote. 

grundsätzlich   ^.uruAijfc  -^^.^^^^^^^  vertalingen  (in  Verhandelingen 

Andrang  der  Kiriii*^   "^^  Wdenschappen.     Afdeel.    Letterkunde 

Worms,  Basel,  F  «N?*-     ^^  «115  S.  4^]). 

Konstanz   niornai  ■   *^     ^^^jdwsnien  Lebens  (RE«  II,  678—760). 

oder  faktisch  au,  ''•*      ^  «ivai^Il   ^*°   ^^^  Fraterhuis    te   ZwoUe. 

Liste  der  biii>:C;:-^<^^.  w*-*  ^•"  **^*  inwendig  leven  der  firater- 

bis  1500  weist  üi^*^  "*  "  «  üMtnleclingen  der  kon.  Akademie  tm 

Dis  löOO  wei.t  «"^^„.j^  •  t^iorkundc.    2^«  Reeks.  deel  IX.  S,  i 

Konstanzcr  Km  '"^ 

Graduierten  üb 


—       ^^  ud9i«rd  /prboldt  van  Zutfen.    Thedog. 
ist  durch  sein**  ^^»"f*^   A»»«*»"^*"^  ^^'^^-    C^^^  ^-  ^"^O 


KIRCHENGESCH.  DES  U.  C.  16.  JAHRH.      269 

Abana,  Stifter  der  Brüder  dea  gemein- 
Deutachland  (Zcitacbr.  f.  kirchl.  Wiasenachaft 
Bd.  m,  S.  38-48.  93—104). 
Kempie    and   tbe   brothers   of  common 
London  1884. 

broedera    van    het    gemeene    leven    en    de 
£looBter-VereeDigiiig    (im   Arcbief  Tor    de  ge- 
aartbiadom  ütrecbt  1875,  Bd.  11,  S.  217-275; 
—152). 
Acquoy,  Het  Klooster  te  Windeafaeim  en  zjn  invloed, 
door    bet   Provinciaal    Utrechtscb    Gr^notsclmp    tod 
WcBenachappen.     3  Bde.     Utrecbt  1875,  1876,  1880. 
S86  u.  434  S.  gr.  8'.) 
(tmtie,   Litterariache   Thätigkeit   der   Windeabeimer   Kon- 
in  (Der  Katbolik  1881.     Jahrg.  LXI,  S.  42—59) 

IChe^  Frolegomcna  zu  einer  neuen  Ausgabe  der  Imitatio 
.h  dem  Autograph  des  Thomas  von  Kempen.    Zugleich 
Bämtliche   Schriften    des   Thomas   sowie   ein 
fSnäoh  KU  endgültiger  Foststellung  der  Thatsache,  dafa  Thomas 
ein  anderer  der  Verfasser   ist.     [Bd.  I,  1873].     Bd.  II,   kri- 
eieget.  Einleitung  in  die  Werke  dea  Tboniaa  v.  Kempen, 
einer  reichen  Blumenleae  aus  denaelben ,  auf  Grund  band- 
■ehriftlicher  Forschungen.     Mit    15  Tafeln   photolitbogr.    Nach- 
bildungen handschriftlicher  Stellen.     Bertin  1883.     1.LXXX1I  und 
504  8.  gr.  8°.) 

J.   F.    Tregt ,    Eenige    ascetiacbe    tractaten   afkomatig  van   de 
Deventertsche  Broederschap  vaji  het  gemecne  Leven,  in  verband 
gebragt  met  het  Boek  van  Thomas  a  Kempis  „De   navolginge" 
(Arcbief  voor  de  geschiedenia  van  het  aartbisdom  Utrecbt  1863, 
Bd.  X,  S.  341-408). 
k  *J.  Becker,  Een  brief  van  Jobannes  van  Schoenhoven  (in  „De 
kathoUek",  Okt.  u.  Dez.  1884  und   Febr.   1885.     dl  LXXXVI 
[Leiden   1884],  S.   199  —  210.  352—361.     dl  LXXXVII  [1886], 
S.  126-141). 
I.  Karl  Grube,  Johannes  Busch,  Augnstinerpropst  zu  Hildeshein. 
Ein  katholischer  Befarmator  des  15.  Jahrhuuderta.     Zugleich  ein 
'      Beitrag  zur  Geacbicbte  der  Wiudeaheimer  und  Bursfelder  Kon- 
f       gregationeo.     (Sammlung  historischer  Bildnisse.)     Fretbarg,  Her- 
\       der,  1881.    (VI  u.  302  S.  gr.  8".) 

|S(  — ,  Die  Legationareise  dea  Kardinals  Nikolaua  von  Cuaa  durch 
Norddeutachlaud  im  Jahr  1451  (i.  d.  Iiiator.  Jabrb.  der  Görresgea. 
1880,  I,  393-412). 
17.  — ,  Beiträge  zum  Leben   und  Scbriften  d  Engethus 

(ebd.  1882,  III,  49-66). 


270  KBtnsCHB  tBESSiCämaX.  l  UÜtAJSSL, 

18.  F.  DIttrIdi,  Beiträge  sor  Geschichte  der  katholischen  Eeht- 
mation  im  ersten  Drittel  des  16.  Jahrh.  (Histor.  Jahrbnch  der 
Görresges.  1884,  V,  319—398). 

19.  H.  Fiiike,  Zur  Geschichte  der  holsteinischen  Klöster  im  15.  und 
16.  Jahrh.  (Zeitschr.  der  Ges.  fnr  Schleswig -Holstein -Lsnen- 
borgische  Geschichte  1883,  XIU,  143—248). 

20.  Sehleier,  Blag.  Johannes  Nieder  aus  dem  Orden  der  Prediger- 
brüder.  Ein  Beitrag  sor  Earchengesch.  des  15.  Jahrhonderts 
mit  Unterstützung  der  GörresgeseUschaft  herausgegeben.  Mainx 
1885.    (XVI,  423  S.  gr.  S\) 

21.  Q.  £•  Friells,  Greschichte  der  österreichischen  MinoritenproTinz 
(Archiv  f.  österr.  Gesch.,  Bd.  LXXV,  1,  S.  79—245  und  separat 
Wien  1882.    [167  S.  gr.  8*]). 

22.  A.  Wolff,  Das  ehemalige  Franzbkanerkloster  zu  Flensburg  (Zeit- 
schrift der  Ges.  für  Schlesw.-Holst.-Lauenb.  G^esch.  1884,  XIY, 
S.  157—198). 

28.  Bizonardy  Histoire  de  St  Colette  el  des  Ciarisses  en  Bouigogne 
(Anzonne  et  Seurre)  d*apr^s  des  documents  inWts  et  des  tn- 
ditions  locales.    Paris  1881.    (296  S.  8^) 

24.  Apollinaire^  Etüde  sur  la  vie  et  les  oeuvres  de  St  Bemardin  de 
Sienne,  franciscain  de  rObserrance.  Paris  und  Poitiers  1882. 
(XVI  u.  204  S.  gr.  S\) 

25.  Sim^on  Luee,  Jeanne  d*Arc  et  les  ordres  mendians  (Berue  des 
deuz  mondes  1881,  Mai  1,  S.  65—103). 

26*  *Dabert,  Histoire  de  St.  Fran9oi8  de  Paule  et  de  Fordre  des 
Minimes.    Paris  1875. 

27.  ^Bollandy  Histoire  de  St.  Fran^ois  de  Paule,  fondateur  de  Tordre 
des  Minimes  et  de  son  convent  de  Piessis-les-Tour.  2.  ed.  Paris 
1876.    (404  S.) 

28.  KoldCy  Die  deutsche  Augustinerkongregation  und  Johann  von 
Staupitz.  Ein  Beitrag  zur  Ordens-  und  Reformationsgeschichte 
nach  meistens  ungedruckten  Quellen.  Gotha  1879.  (XIV  und 
466  S.  gr.  8^) 

Zur  Geschichte  der  bedeutsamen  religiösen  Bewegung, 
die  sich  in  unserer  Epoche  in  den  Kiederlanden  vollzogen 
und  von  da  weiter  verbreitet  hat;  sind  eine  Beihe  ausge- 
zeichneter Arbeiten  erschienen. 

Zunächst  hat  der  Mann^  von  dem  sie  vornehmlich  aus- 
gegangen und  ihre  breite  Strömung  gewonnen  hat,  Gerhard 
Grote,  eine  einheitliche  Darstellung  auf  Grund  der  reich- 
sten Mittel  imd  langjähriger  durch  mehrere  Publikationen 


ABBEITEK  ZÜE  KIRCHENGESCH.  DES  H.  D.  16.  JAHKH.     271 

bezeugter  Arbeit  durch  das  vorzügliche  Werk  Acquojs 
■erhalten,  in  -welchem  auch  das  Verhältnis  der  beiden  Stif- 
tungen, die  auf  Gerhard's  Wirken  zurückgehen,  vollkommen 
klar  gestellt  wird.  Eine  vielfach  ansprechende  und  vollständige 
DarBtellung  des  Lebens  und  Wirkens  Gerhard's  giebt  auch 
Grube  (Nr.  1);  kürzer  aber  insbesondere  durch  aeine  ge- 
nauen bibliographischen  Nachweise  vortrefflich  ist  die  Skizze 
Ton  Hirsche  in  dem  Artikel  Hr.  4.  Aus  dem  Nacblafa 
W.  MoUs  und  in  dessen  Auitrag  hat  J.  G.  R.  Acquoy 
die  Nr.  3  herausgegeben,  eine  höchst  gewiaaenhafte  und 
reiche  Arbeit,  welche  die  Übersetzerthätigkeit  Grote's  be- 
handelt und  von  dessen  zahlreichen  Übertragungen  alt- 
testamentlicher  Psalmen  und  ähnlicher  biblischer  Stücke,  la- 
teinischer Hymnen  und  Hören,  sowie  der  „Horae  de  aetema 
aapientia"  Susos  Proben  mitteilt.  — 

Hirsche' B  Artikel  ist  aber  vor  allen  Bingen  eine  voll- 
ständige Monographie  über  die  Brüder  des  gemeinsamen 
Lebens:  es  ist  nur  zu  bedauern,  dafs  sie  in  der  RE'  er- 
schienen ist.  Denn  dahin  gehört  sie  ihrem  Umfang  nach 
nicht.  Sie  ist  weitaus  das  vollständigste  und  beste,  was 
man  bisher  hatte,  ausgezeichnet  durch  genaueste  und  um- 
fassendste bibliographische  Kenntnis  wie  durch  sorgtaltige 
Forschung  und  reichen  Inhalt '.  Dafs  dabei  mit  UUmann's 
Darstellung  überall  aufgeräumt,  und  der  durchaus  mittel- 
alterliche Charakter  des  ganzen  Wesens  der  Brüder  überall 
hervorgehoben  wird,  ist  noch  besonders  anzuerkennen. 

In  den  Rahmen  dieser  vortrefflichen  Arbeit  fügen  sich 
die  übrigen.  So  die  Abhandlung  J.  G.  R.  Acquoy's  über 
die  handschriftliche  Chronik  des  Fraterhauaea  in  Zwolle 
(Nr.  5),  welche  die  Schilderung  des  inneren  Lebens  dieses 
Hauses  und  seiner  Mitglieder,  ihrer  Askese  und  Arbeit,  ihrer 
Thätigkeit  ab  Abschreiber  und  Lehrer,  als  Seelsorger,  als 
Organisatoren  und  Leiter  auswärtiger  Brüder-  und  Schwestet^ 
faäufler  auf  Grund  der  Chronik  unternimmt  und  in  allen 
Stücken  mit  der  Arbeit  Hirsche's  zusammenstimmt,  —  ferner 
die  noch  unvollendete  Urkundenedition  Hofmann's  (Kr  9), 


1)  Vgl  auch  UöUer  ia  diewt  ZeiUchrift  Bd.  in,  136f. 


S7S  KBinSCBB  fiBEBStCHm.  L  HfiLUBB^ 

auch  die  Arbeit  Geesinck's,  welche  in  memficher  Breite 
und  nicht  immer  adir  scharf  das  Leben  und  insbeeondere 
die  Schriften  Geriiard's  von  Zachen  Torfohrt,  auch  genauere 
Mittriinngen  macht  über  die  von  CSaiiaae  wieder  entdeckte 
Handschrift  von  Qerhard's  „Scriptum  pro  qnodam  inordinate 
gradus  ecdesiasticos  et  praedicationis  officium  aflbctante^.  ^ 
Ubor  die  Gründung  dar  asten  BrüderfainBer  in  Deatachland, 
Münstar,  Kahl,  Wesel,  durch  Hendrik  Abays  (f  1439)  wie 
über  dea  Gründor  sdbet  beichtet  Schultxe  Gknaaeres  in 
Nr.  IK 

Die  Geschichte  der  Windesheimer  Kongregation, 
wdcbe  durch  die  Arbeiten  hoDindischa'  Gdehrten  in  den 
letzten  Jahraehnlen  immer  weifear  gefördert  worden  war^  ist 
adilie&Iich  durch  Ac  ^uo/s  gro&es  Werk  ^r.  10)  £ut 
zum  AWhhi&  gebracht  worden.  Auf  Grund  einer  aolser- 
ordenthchen  Kf?nntnh  der  handn  hi  iflliAen  and  gedruckten 
QiieUen  wiid  hier  aanichst  das  Kketer  Windedieim  sethst, 
aeme  Gelinde,  wie  seine  Bmiditni^  and  YerfiMsang  be- 
schrieben, dann  in  eingdiender  and  hodst  interesaanter 
Wene  das  innere  LAca  in  denuelben,  die  Askfae  und  De- 


Torgdtuhit.  Der  xwwe  Band  gaebc  die  Gesdiichte  der  Kon- 
gre^^^Mn,  ihi«  Arbeit  auf  dem  Gebiet  des  Untemchts  and  des 
Absdireibens^  der  Wksieischaft  cnd  b^ooders  der  Geschieht- 
schraboiiji^  der  Kuikk  und  der  eiBaefaMn  Kansie.  ihren  Glaaben 
und  ÜKokiirie«  ihi«  Sisse  und  Ethik  die  E^gemamKrhkpit  ihrer 
Frteuara^mt  uoid  ihner  ErbassBcsfiBKrator«  ihr  Verhältnis 


iKtt£ifh   d:;:n:li   VecmittebuBr  der  Lbtsb».    anf  ihre 


V>.4*^^**"^ 


Vom  ^fiaKV 


I 


ÄHBKITEN  ZUR  KJKCHENQESCH.  DES  14.  V.  IS.  JAHHH.      273 

I  Klöatev  und  eine  mit  bewunderungswürdiger  Sorgfalt  ge- 
arbeitete Zusammenstellung  der  tiir  jedes  einzelne  Kloster 
vorhandenen  (Quellen,  Litteiatur  und  aller  Nachrichten  dar- 
über, die  in  Acquoys'  Werk  selbst  vorkommen.  Darauf 
folgen  noch  lUO  Seiten  Quellen,  QueUeuauszüge  und  -nach- 
weise. 

Grube' s  Arbeit  über  die  litterarische  Thätigkeit  der 
Kongregation  ist  für  einen  weiteren  katholischen  Leserkreis 
berechnet,  enthält  jedoch  seihständige  Studien,  geht  aber 
nur  bis  zum  Tod  des  Priors  Wilhehn  (1455).  Das  Werk 
von  Hirsche  über  die  Iraitatio  (Nr.  12)  ist  in  eelnem 
zweiten  Baude  schliel'shch  eine  Art  Monographie  über  die 
litterarische  Thätigkeit  des  Thomas  von  Kempis  ge- 
worden, die  jedenfalls  von  grofaem  Wert  bleiben  wird,  ob- 
wohl durch  Denifle  die  Undurchiiihrharkeit  seiner  Anschauung 
von  der  eigentümlichen  Interpunktion  der  Schriften  des 
Thomas  erwiesen  ist,  und  selbst  wenn  sich  nach  den  An- 
gi-iffen  desselben  Gelehrten  Hirsche's  Resultat  über  die  Ab- 
fassung der  Imitatio  durch  Thomas  nicht  behaupten  liefse, 
eine  Besorgnis,  die  übrigens  bisher  noch  durchaus  nicht  fest 
gegründet  ist*.  Der  Aufsatz  von  Becker  (Nr.  14),  deasen 
Kenntnis  ich  ebenso  wie  Nr.  3  der  Güte  Acquoys  verdanke, 
giebt  „nur  den  Text  des  Briefs  mit  kurzem  unbedeutendem 
Vorwort"  (im  übrigen  über  Schoonhoven  zu  vergleichen 
Acquoy,  Het  Kiooster  etc.  II,  3ia).  Grube's  Schrift  über 
Johann  Busch  (Nr.  15)  ist  eine  sehr  brauchbare  und 
frisch   geschriebene  Darstellung  der  Arbeit   dieses   bedeutau- 

1)  Die  Frage  iiach  dem  VerfasHer  der  Imitatio  hat  allmählich 
eine  solche  Menge  von  Werken  und  Abbandlnngeu  hervorgerufen, 
dafi  man  Schwierigkeit  hat,  zu  folgen.  AufBerdem  macht  eich  hier 
vielfach  ein  ermüdender  DiletlantiamUB  und  in  Werken  wie  Wolfs- 
gruber'a  „Johann  Gerseii"  etc.  eine  Borniertheit  oder  einfache 
FäUcbung  der  Thatsache  breit,  die  nur  abschrecken  können,  aich  in 
diese  Flut  zu  vertiefen.  Ich  habe  über  eioiges  kurz  berichtet  (Bd.  VI, 
8.137,  Nr.  38  u.  S.  609,  Nr.  171)  und  verweise  auf  die  orientierenden 
Anfafitze  von  Funk  (Hialor.  Jahrb.  der  GÖrresgea.  II  d.  Vi  sowie 
iosbesoodere  Keppler  (Theolog.  Quartalschr.  LXII),  auch  Schaltfe 
ia  RE^  Bd.  XV,  S.  598  ff.  Dazu  nenne  ich  den  wenig  bekannt  ge- 
wordeueu  Aufsatx  von  Vregt  (Nr.  13). 


KRi:  .^^  .; 


auch  die  Arbei' 

und  nicht  itnii. 

^  _^^aee  tieechichte  dieses  Muuu 

die  Schriften  C 

Mitteilungen  m 

^   a  im  dnzelnen    Stationen  to 

Handschrift  v 

.^   ^»  and  Schaffen     und    h&t  e 

^rsdus  ecclesi:i 

^.^  äMT  Reformarbeit   zu  einen 

XJber  die  Grüi,-! 

^  ^Me9L    Infolge  dessen    bleibt  }m 

HUnster.  Külii. 

'"     '              JK  iMiS-    ^^  vermiese  insbeson- 

über  den  Qrü-.- 

^ «  an  G»ng,  in  dem  diese  Re- 

Nr.  7  '. 

"    '  .  _^  Ä  *ie  bei  allen  KloBterreforaen 

Die  Geuhi. 

~"    '    ^^g.  nit  der  ökonomiBchen  Wiedn- 

welche   durch   ■ 

■  ■   ■■"■  ~_^^^^3DS  ^^  alten  Grundsätze  nnd 

letzten  Jahrziij^ 

,     -*"      _„—  Wirtschaft   und    Verwaltung 

BchUefeUcli   du- 

.■■  —^    "    '    _^  «Ä  lüorauf  ein  Stück    des  gei- 

cum  Abscblul- 

u,    -  '*'  '^^  ^  dem  andern    sich   erheben 

i..      '^■'^  »  ^  w  einigen  Jahren    in   höchit 

Quellen  vird  1. 

i,^     "•*^.  « lijthringer  Reform  des  10.  und 

■eine  Gebäude, 

•chrieben,   am. 

-^*^*^^jl  nschen,  und  Busch's  eigene 

WeiBe  daa  inL_ 

1  ri-'^^_.^.A  öt  die  dem  Buch   beigegebene 
.«    ■*  *^  .afcerhaib    der   Windesheimer 
—*■'*'*  Mm  B»«!''  geleitet   und   gefordert 

TOtion  aeinei-  J- 

vorgeführt.     I 

_^^j—  ^,  ^1^^  »Ib  13,  Benediktiner,  Au- 
j^ü*"^"^,,  und  Prämonstratenser,  der 

Bchrdbung,  dt.: 

undTheologi.. 

_— *^^  *!^ß,flu6  der  Windesheimer  über 
.^«^^  yaMBtöcht  y      Grube's   Aufssti 

Prömmigkcit 

zur  Sedsorgi'. 

"■"^-jP^^  Sikolane  von   Cues   1461 

mentUch  dur. 

_  „^^  jj  a«  Ärl»*"*  Busch's  ins  Auge, 

^•^'^■t  jjiin  Ksrdinal  und  dessen  Rrase 

^  j-r»^''   ..^  fiber  Würaburg  und  Erfurt 

'^^  ^  °^|3ap!a.hMschen    Städten   und 

— **^fkito>^«''«"  WerkeBu.ch'. 
^^*l*'*^.«i«»i  qnorundam  Sazonise  und 

und  Sittlichk. 
die  ErfolKf:  . 

knd.     iJUr;. 

reichemng  m 

Der  dritte  i; 

1)  Du  lt. 

^ndigei  des  l 

t'BElTEN  ZUR  KIRCHEKGESCH.  DES  H.  L'.  15.  JARKH,      275 

nach  den  Niederlanden.  Die  Schilderung  des  Ein- 
deu  Cuee  überall  auf  die  Reform  von  Klerus  und 
speziell  der  Bursfelder  nnd  Windesheimer  gehabt 
t  dann  in  die  Schrift  über  Busch  übergegangen. 
!  erwähne  ich  noch  die  Angaben  über  Cuea'  Ablafs- 
,  die  Grabe   hier  zur  Ergänzung   und  Korrektur  der 

i  Arbeiten  über  den  Kardinal  beibringt 
^CteBchicbte  der  Keform  unter  den  Benediktinern 
t  weniger   gearbeitet    worden.      Auf   handschriftliche 
„Zur   Geschichte    der   Bursfelder   Kongregation, 
mndenbuch    lur    dieselbe    1462  —  14G8"    im   Karls- 
macht Falk   auftnerksam  '.     In  Nr.   17  giebt 
B  Beiträge    zum    Leben    und    den  Schriften    des  Diet- 
der   au   der   kirchlichen   Reform   seiner  Zeit 
^  und  von  Einflufa   auf  den  Gründer  der  Bursfelder 
[atiou  Dederoth   gewesen  ist.     Die  Arbeit   der  Kon- 
^tion  auf  holsteinischem  Boden  schildert  Finke  '.   Nicht 
neue  Forschung    aber   als   Hinweis    auf   ältere    vielfach 
tarergesBene    oder    unbekannt    gebliebene    Arbeiten    zur    Ge- 
fliehte der  italienischen  Benediktinerreform   nenne   ich 
len  Aufsatz  von  Dittricb  (Nr.   18):  derselbe  gedenkt  der 
eformierenden  und  reformierten  Kongregation  von  Sta,  Giu- 
na    in    Padua    (1412    durch    den    Venezianer    Ludovico 
fBarbo  gestiftet)   und  ihres  EinfluaseB   weit   über  Italien  und 
rri>enBo   weit   über  den  Benediktinerorden  hinaus,   sowie  der 
I  Kongregation  von  Valladolid,  einer  direkten  Abzweigung 
l  von   Sta,  Giustina.     Doch   hebt  Dittrich   seibat   hervor,   wie 
f  ISBcb  diese   reformierten  Gebilde   wieder  zeH'allen   und   wie 
elend    die    klösterlichen   Zustände   Italiens    im    Anfang    des 
I   16.  Jahrhimderts  gewesen  sind. 

Was  die  Geschichte  der  Reform  unter  den  Bettel- 
'  orden  betrifft,  so  sind  hier  zunächst  die  Dominikaner 
[  vorangegangen.     Die  Reihe  der  reformierten  Frauen konvente 


1)  Studien  und  Mitteüun^n  a.  d.  Benedikt-O.  111,  2^2.  ä.  auch 
die  Andeutungen  Grube's  im  Vorwort  zu  Nr.  1  uUer  UaadschriftUcbei 
Material  zur  Beuediküucrreform  in  Süd-Deutacblaud. 

-2)  Vgl.  diese  Zeitachr.  VI,  6U8,  Nr.   1G9. 


276  KRITISCHE  ÜBSRSICHTBM.  I.   MÜIXEK, 

in  DeutBchland  1397 — 1468  hat  Denifle  zusammengestellt  ^ 
Nmchdem  dann  ein  Anonymus  *  auf  die  Thätigkeit  des  Nider 
(Formikarius)  ak  Reformators  im  Orden  aufinerksam  ge- 
nachty  hat  Schieler  in  Nr.  20  eine  Monographie  über 
dmen  viel  vergessenen  Mann  geliefert,  die  trotz  mancW 
höchst  naiver  Anschauungen  und  trotz  ihres  streng  katho- 
fischen  Standpunkts  als  erste  Darstellimg  der  Wirksamkeit 
Nider  8  auf  äsxa  litterarischen  Gebiet  wie  in  der  Kirche  und 
deinem  Orden  verdienstlich  ist 

Die  Arbeit  von  Friefs  (Nr.  21)  zur  Geschichte  des 
]liiioritenordens  enthält  für  das  14.  und  15.  Jahrhundert 
relatiT  sdir  wenig.  Der  gröfste  Teil  derselben  bezieht  sich 
auf  die  ältere  Zeit  des  Ordens ',  Dagegen  haben  die  Mo- 
aumenta  Franciscana  Bd.  11^  und  die  Analecta 
Pranciscana  der  Väter  von  Quaracchi  Quellen  zur  Ge- 
schichte der  Reform  veröffentlicht:  erstere  eine  abgekürzte 
Sammlung  von  päpstlichen  Verordnungen  und  Verfügungen 
der  Generalkapitel  aus  dem  Jahre  1451  ^',  letztere  eine  bis- 
her nur  ihren  Spuren  nach  bekannte  Chronik  der  Strais- 
burger  (oberdeutschen)  Provinz  und  ihrer  Reformation  ^.  — 
Das  Werk  der  Observanten  in  Holstein^  ihre  Reformen  und 
Neugründungen  verfolgt  Finke  (Nr.  19  vgl.  oben);  und  die 
Arbeit  von  Wolf  über  das  Franziskanerkloster  in  Flens- 
burg (Nr.  22)  geht  auch  auf  die  nach  dem  Konstanzer 
K^MuU  in  demselben  angestellten  Versuche  einer  Reform  im 
^>üui  der  Observanz  ein.  —  Bizouard's  Geschichte  der 
)|.  Oolette,  der  Hauptträgerin  der  Refoi*men  unter  den 
KUoriwJttett  in  Frankreich  (Nr.  23);  ist  wissenschaftlich  völlig 
w^'Üv«»  di<^  Behauptung  ,,nach  ungedruckten  Quellen''  ist 
!«liir   kühn.     Auch  ApoIIinaire's   Buch    über    einen    der 


r  Hi«|.  iH>lit.  Wl  1875,  LXXV,  31  f.  Anm. 

i    KbsJL  mt.  M.  IJCXIX,  26 f 

A.   \i;l  »a.  VI.  UH3,  Nr.  29. 

V  s.  siicxo  ifi^uchr  VI,  13^i,  nr.  28. 

'     ■  v^  Uiu  usK'h  ttichl  BU  eiuer  näheren  Untersuchung  gekommen, 

..y^  .uv«!A.\tw  AU  d^^u  Sammlungen  im  Firmamentum  trium  ordinum, 

Uvs.  ^^vvAiA  V.K  \liu.  <?tv\  wrhält. 

V  Mouv*  AiuHM^  iw  Tb.  LZ.  1886,  Nr.  16. 


«\ 


ARBEITEN  ZUR  KIRCHENOESCH.  DER  14.  U.  15.  JAHRH.      277 

hervorragendsten  Vertreter  der  Observanten  und  ihres  Ein- 
flusses auf  die  Zeit,  Bernardino  vonSienadA.  (Nr.  24) 
ist  legendenhaft  und  wertlos.  —  Dagegen  haben  diese  bei- 
den sowie  andere  Helden  des  reformierten  Franziskanertums 
im  15.  Jahrhundert  sowie  die  von  ihnen  ausgehende  eigen- 
tümliche sinnlich  geformte  Devotion  ^  ihre  volkstümliche 
Wirksamkeit  vor  allem  in  Frankreich  während  dessen 
grofsen  politischen  und  nationalen  Kämpfen,  speziell  die 
durch  sie  wesentlich  mit  veranlafste  Erregung  der  reli- 
giösen B^eisterung  und  ihrer  Verquickung  mit  der  politisch- 
nationalen, wie  sie  ihren  wunderbarsten  Ausdruck  in  der 
Jungfrau  von  Orleans  erhält,  eine  ausgezeichnete  Behandlung 
erfahren  in  dem  aufserordentlich  interessanten  Auisaiz  von 
Sim^on  Luce  (Nr.  25),  dessen  ungewöhnlich  reicher  In- 
halt einer  auch  nur  einigermafsen  anschaulichen  Wiedergabe 
an  dieser  Stelle  widerstrebt. 

Die  Werke  zur  Geschichte  des  Stifters  der  Minimen, 
Franz  von  Paula,  Nr.  26  und  27  habe  ich.  nicht  zu  G^cht 
bekommen. 

Den  Schlufs  dieses  Abschnittes  bilde  die  bedeutendste 
Leistung  auf  diesem  Gebiet  der  bettelmönchischen  Reform, 
das  Buch  von  Kolde  über  die  deutsche  Augustinerkongre- 
gation. Sie  hat  zum  erstenmal  das  noch  gänzlich  unbebaute 
Feld  der  Geschichte  der  Reform  unter  den  Augustinereremiten 
bearbeitet  und  damit  zugleich  zuerst  auf  protestantischer 
Seite  auf  die  hervorragende  Wichtigkeit  dieser  Reformen 
unter  den  Bettelorden  hingewiesen.  Es  genügt  dieses  Buch, 
das  ja  längst  eingebürgert  ist,  hier  zu  nennen  und  darauf 
hinzuweisen,  dafs  es  auch  fiir  die  Geschichte  des  religiösen 
Lebens  im  15.  Jahrhundert  bedeutsam  und  seiner  Zeit  zu 
erwähnen  sein  wird. 

[15.  Juli  18H5.] 


ANALEKTEN. 


1. 

Zum  Wormser  Konkordat 

Von 

Dr.  Georg  Wolfiram  in  Strafsburg. 


Nach  allen  Seiten  hin  ist  während  der  letzten  Jahre  die 
Bedentnng  des  Woimser  Konkordates  sowie  die  Stellung  der  Kö- 
nige zu  dieser  wichtigen  Urlninde  und  zu  den  Bischo&wablen 
ihrer  Zeit  untersucht  worden.  Burgund  und  Italien  war  bei 
diesen  Arbeiten  meist  aufser  Betracht  geblieben;  um  so  ver- 
dienstvoller ist  die  jüngst  erschienene  Arbeit  von  Beese:  „Die 
staatsrechtliche  Stellung  der  Bischöfe  Bargunds  und  Italiens 
unter  Friedrich  I.**  (Göttingen  1885).  Allerdings  setzt  dieselbe 
erst  mit  Friedrich  I.  ein,  doch  wird  sich  wesentlich  Neues  f!lr 
die  einschlägigen  Fragen  aus  der  Untersuchung  frtlherer  Zeiten 
kaum  ergeben:  Lotbar  und  Konrad  kümmerten  sich,  soweit  ich 
das  Material  Übersehe,  gar  nicht  um  die  geistlichen  Wahlen 
aufserhalb  des  deutschen  Königreichs.  Reese  beginnt  seine  Ar- 
beit mit  staatsrechtlichen  Untersuchungen  über  die  Reichsstand- 
schaft der  Bischöfe  und  Äbte  und  sucht  den  Umfang  der  vom 
Reiche  getragenen  Lehen  abzugrenzen.  Uns  interessieren  hier 
vor  allen  die  zugleich  kirchenrechtlichen  Fragen  und  die  Stel- 
lung Friedrich*s  zu  denselben. 

Über  die  Folge  von  Investitur  und  Konsekration  kommt 
Reese  zu  dem  Resultate:  Friedrich  I.  hat  in  Burgund  und  Italien 
nicht  versucht,  die  Helchnuug  dor  Weihe  vorangehen  zu  lassen, 
und  unmöglich  können  wir  mit  Otto  von  Freising  die  Gleich- 
stellung der  burgundischen  Bischöfe  mit  den   deutschen  als  Pro- 


WOLFRAM,  ZUM  WORMBER  KONKORDAT-  279 

gramni  der  kaiserlichen  Politik  ansehen.  Es  i^t  nnn  zuzageatthen, 
dar»  »ich  wider  Erwarten  durch  Beese'e  eorg^tige  UntersucbungeD 
herauegestullt  bat,  dafs  Friedrich  ia  Biir(,'uiid  ganz  wie  früher 
clie  EoDsekration  der  Investitur  Torangehen  läfst.  Aber  es  er- 
scheint doch  von  vorohereio  gewagt,  mit  Annahme  dieser  Th:it- 
sacbe  zugleich  die  Absiebt  einer  Änderung  der  Verbältnisse  ge- 
gen den  ausdrücklichen  Bericht  Otto's  von  Freising  leugnen  zn 
wollen.  Sollte  das  kircbenpo  litis  che  Programm  des  Kaisers,  wel- 
ches Otto  mit  seiner  AnfUhrang  des  Konkordates  giebt,  nur  in 
der  Pbantaäie  des  Bischofs  bestanden  haben,  sollte  dieser  kaiser- 
licber  gewe.^en  sein  als  der  Kaiser  selbst? 

Vergleichen  wir  mit  Otto's  Äufserungen  über  die  Uandhabang 
des  Konkordates  in  Italien  und  Burgnnd  seine  Auffassung  Über 
die  Stellung  des  Kaisers  zn  den  znistigen  Wahlen.  Da  ^ebt 
0r  gelegentlich  des  Magdeburger  Bischofsstreites  als  Inhalt  des 
Konkordats  an  ':  der  Kaiser  kann  bei  zwiespältigen  Wahlen 
irgend  einen  Dritten  nach  dem  Bäte  seiner  Getreuen  einsetzen. 
Derselben  Meinung  ist  ancb  Friedrich,  wie  aus  einem  Brief  an 
das  Kapitel  von  Cambrai  hervorgeht  ',  trotzdem  macht  er  keinen 
Gebrauch  von  dieser  HaTsre^el.  Ich  habe  das  so  zn  erklären 
gesucht  and  bierfür  auch  Zustimmung  gefunden  ',  dafs  der  Kaiser 
zunächst  theoretisch  gewisse  Rechte  in  Anspruch  nimmt,  die  er, 
wenn  sie  der  Anschauung  der  Zeitgenossen  allmählich  geläufig 
geworden  sind  und  seine  Macht  eine  ausreichende  ist,  wohl  auch 
in  die  Praxis  umzusetzen  gedenkt.  Die  Handhabung  der  In- 
vestitur in  iiurgund  scheint  mir  bierfür  ein  neuer  Beweis  m 
Boin.  Auch  hier  haben  wir  nicht  nor  den  Ausspruch  des  Hof- 
historikers, auch  in  einem  Protokoll  der  kaiserlichen  Kurie  heilst 
es:  quod  cum  t>ausannenses  etecti  a  sola  manu  imperiali  regalia 
accipote  semper  mnsnevLssent  * ,  obwohl  sich  nirgends  eine  der 
Knusekration  voraufgehende  Investitur  in  Lausanne  nachweisen  l&fst 
Wir  werden  hiernach  Otto  von  Freieing's  Worte  nicht  ohne  wei- 
teres verwerfen  dürfen  und  nehmen  an,  daCs  in  der  That  dar 
Kaiser  ein  Investiturrecht  vor  der  Konsekration  theoretisch  be- 
anspruchte.    Sehen  wir  bienu  noch,   dafs   in   zwei   F&llen  '   die 


n  Otto  Fris.  ge»ta  II.  6. 

2J  Bouquet  XVT,  695. 

3j  Bezenaion    von    Prof.    Bernheim,    Deatsche   Litteraturzeitung 
1884,  Nr.  17. 

4)  Allerdings  wird  dies  als  Ausspruch  Roger's  v.  Laosanne ,   der 

gpine  Eeichauiimitfelbarkeit  wieder  erlangen  will,  angeführt.    Aber  da 

der  Bischof  von  Strar^burg,  jedenfalls  Vorsitzender  der  Kurie,  diesen 

Verstofs  gegen  das  Konkordat  mit  in  das  Protokoll  aufgenommen  hat, 

■  ao  scheint  aan  Bofgericht  die^c  Meinung  accepticrt  zn  nahen. 

I         5)  Den  einen  Fall  in  Vienne  führt  Reese  selbst  an  p.  31,  n.  7. 


280  ANALEKTEN. 

Belehnang  von  Friedrich  Bischöfen  erteilt  wird,  die  noeh  nidit 
die  Weihe  empfangen  haben,  so  sind  das  bereits  Versuche,  die 
Theorie  in  die  Praxis  umzusetzen. 

Weiter  ist  der  Kaiser  auf  dieser  Bahn  bereits  in  Italien  vor- 
geschritten, wo  ihm  ein  vieljähriger  Aufenthalt  die  Dnrchf&hnmg 
seiner  Ideen  eher  ermöglichte;  denn  nicht  nur  in  zwei  Fälleo, 
wie  Reese  angiebt  (p.  106),  hat  hier  Friedrich  die  Investitor  der 
Weibe  voraufgehen  lassen.  Aufser  in  Ravenna  und  Aqnileja  folgt 
in  Trient  wohl  stets  der  Wahl  zunächst  die  Begalienbelehnnng. 
Wenn  der  electus  von  Perugia  eine  confirmatio  seiner  Be- 
sitzungen und  Rechte  erhält,  so  ist,  wie  Reese  selbst  gezeigt 
hat,  dieser  Ausdruck  der  investitura  gleichbedeutend.  Weilen 
die  Gewählten  von  Citta  di  Castello  und  Gubbio  gleichzeitig  mit 
dem  von  Perugia  in  Belehnungsangelegenheiten  am  kaiserlichen 
Hofe,  so  dürfen  wir  auch  sicher  fQr  sie  eine  Begalienverleihnng, 
mag  diese  einen  Umfang  gehabt  haben,  welchen  sie  wolle,  vor 
der  Weihe  voraussetzen.  Für  Parma  hält  Reese  selbst  eine  Be- 
lehnung der  Elekten,  da  sie  unter  Heinrich  VI.  sicher  nachweis- 
bar ist,  fQr  möglich.  In  Verona  ist  sie  mir  wahrscheinlich; 
denn  an  Wichtigkeit  fQr  den  deutschen  König  steht  dieses  Bis- 
tum mit  Aqnileja  und  Trient,  wo  Friedrich  nachweislich  das 
Konkordat  verletzt,  völlig  gleich,  und  es  ist  jedenfalls  auffallend, 
dafs  kaum  drei  Monate  nach  dem  Tode  des  alten  Bischofs  Bi- 
prand die  Belehnung  empfängt.  In  Italien  also,  das  scheint  mir 
festzustehen,  rechtfertigen  die  Thatsachen  vollkommen  die  Auf- 
fassung, welche  Otto  von  Freising  als  Inhalt  des  Konkordates 
einzuführen  versucht. 

Ich  wende  mich  zu  einem  zweiten  Punkte,  in  welchem  meine 
Ansicht  von  der  Reese*schen  wesentlich  abweicht:  über  die  Be- 
deutung der  Reihenfolge  von  Investitur  und  Weihe.  Doch  be- 
vor ich  hier  auf  Reese  eingehe,  sei  es  mir  erlaubt,  mich  mit 
Bernhoim  auseinanderzusetzen,  der  gleichfalls  meiner  Auffassung, 
wie  ich  sie  in  der  Arbeit  über  „Friedrich  I.  und  das  Wormser 
Konkordat"  (Marburg  1883)  entwickelt  habe,  vor  kurzem  ent- 
gegengetreten ist  *.  Ich  hatte  ausgeführt,  dafs  durch  die  in 
Deutschland  der  Weihe  voraiifgehende  Investitur  nicht  sowohl 
ein  Druck  auf  die  Wahl  ausgeführt  werden  sollte,  sondern  dafs 
man  durch  die  Priorität  dieses  Aktes  als  Antwort  auf  das  Ver- 
bot der  Laieninvestitur  zum  unzweideutigen  Ausdruck  hatte  brin- 
gen wollen:    das  Kirchengut  steht  im  Obereigentum   des  Königs, 


Aus  einer  Konfirniationsurkunde  an  den  Bischof  Herbert  v.  Bcsativon 
die  R.  nicht  zur  Hand  war  (Castan,  Or.  de  Bes.  154),  crgiebt  sich, 
dafs  auch  dieser  als  electus  seine  Regalien  erhielt. 
1)  In  dieser  Zeitschrift  VII,  308 ft. 


I 


WOI-PRAM,  ÜHM  WORMSBB  KONKORDAT,  281 

I  resp.   des  Reiches.     Ware   die  Weihe   voraDgestellt   worden,   so 
■  (  b&tte,  beeonders  nach  tTberlassun^  der  alten  Symbole  „RinR  und 
Btab"    an    die  Kirche,    die  im  voraut'geh enden  Kampfe    TOnaeiten 
D   dsr   Geistlichkeit    erstrebte   AnffasHun^   entstehoD   kOnnen,    dafs 
^    sich  die  Spiritualien Verleihung  auf  den   gesamtrn   weltlichen  Be- 
il   litz  der  Kirche    erstrecke.     Ich    gebe    zu,    änfs    in    meiner    Dar- 
^     Stellung  HU  sehr  zurückgetreten  ist.  wie  »'chon  die  ROckaicbt  auf 
f     die   Investitur    den    Wähler    eines    Bisi^liefs    veranlassen    mufste, 
f     einen    vorauMsichtlich    dem    Könige    genehmen    Kandidaten    auf- 
suatellen.      Ob    diese    Investitur   nun   aber   vor    oder    nach    der 
J  Weihe    einzuholen    war,    da»    ist    in    diesem   Falle   gleichgflttig. 
[  Bemheim  macht  fOr  den   Wort  einer    der  Weihe    voraufgehenden 
l  Kegalien  Verleihung  geltend:    es  Herren    sich  Bedingungen    an    die 
eilung  derselben  knüpfen.     GewiCs,    aber  konnten    diese    nach 
■er  Weihe   nicht   ebenso   gut  gestellt   werden?     Die   Belehnung 
bten  Trierer  Erzbiscliofs  (1131)  wird  von  einem  Recht- 
lertigangseid   abhängig  geraacbt;    Friedrich   1.    fordert   als  Preis 
:  die  Belehnung  Konrad's    von  Salzburg   die  Anerkennung    des 
P^togenpiipstes.     Weiter  führt  Bernheim  für  seine  Auffassung  an: 
der  König  konnte  die  Kaahiernng  einer  ihm  mifsliohen  Wahl  bei 
den   geitjtlicben    Oberen   zu    erlangen   suchen.     Das   wohl;    aber 
war  ein  Bischof  nicht  auch    seiner  amtlichen  Funktionen  zu  ent- 
heben, wenn  derselbe  bereits  geweiht  war?    Bei  dem  konsekrierten 
Adalhert  von  Salzburg    setzt    das    Friedrich    durch  Vorenthaltung 
der   Regalien   durch.     Dafs    es    aber    überhaupt    bei    derartigen 
Fallen  ebenso  wenig  an  Gründen  gebrach,    als  wenn    eine  Wahl 
annulliert  werden    sollte,    zeigt,    um    nur    noch    ein  Beispiel    von 
vielen  anzuführen,  die  Absetzung  Heinrich's  von  Mainz,    die  we- 
sentlich  in  Friedrich's  Interesse    von  Rom  verfügt    wurde.     Eine 
Depossodiernng  liefs  sich  also  durch  Vorentlialtung  der  Investitur, 
gleichviel  ob  vor  oder  nach  der  Weihe  stets  erreichen,  —  wenn 
Born  es  wollte. 

Nun  liefse  sich  vielleicht  sagen,  dafs  bei  einer  Verweigerung 
der  Belohnung  die  Besitznahme  des  Bischofsstuhls  keine  recht- 
liche war.  Aber  nehmen  wir  an,  die  Konsekration  wäre  gesetz- 
m&fsig  der  Investitur  voraufgegangen,  konnte  dann  wohl  ein  Ge- 
weihter rechtlich  seines  vollen  biscLüdicben  Amtes  warten,  wenn 
die  Investitur  ausblieb  ?  Die  priesterlichen  FunVtionen  machten 
nicht  allein  den  Bischof,  nach  der  ganzen  Entwiekelung  des 
Episkopats  waren  die  Regalien  untrennbar.  Sonach  hätte  der 
Bischof  auf  soine  Hauptoinnahmen  Tärzichten  müssen.  Dann  aber 
hätte  es  dem  Kaiser  durchaus  gleichgültig  sein  ki^nnen.  wer  den 
Krummstab  führte:  denn  nicht  der  Priester  war  es,  sondern  der 
Landesherr,  an  dessen  Persfmlichkeit  er  Interesse  hatte. 

Kurz,  die  Gründe,  welche  Bemheim  fOr  den  Wert  einer  der 


362  AKALEKTEK. 

Weihe  Yoransgehenden  InyestitQr  anfDhrt,  sprechen  wohl  für 
die  Bedeutmig  der  Investitur  überhaupt,  erklären  aber  nicht, 
weehalb  das  Konkordat  sie  in  Deutschland  der  Weihe  yorangebeD 
l&llst. 

Meine  Aufbssung  fiber  den  Zweck  dieser  Festsetzung  erhalt 
nun  durch  die  Beese'sche  Schrift  eine  willkommene  Bestätigung. 
Die  Konsequenz  meines  Erklärungsversuches  muüste  fOr  Burgund 
und  Italien  darauf  hinausgehen,  dafs  Heinrich  V.  hier  mit  Gestat- 
tung einer  seiner  Belehnung  vorausgehenden  Spiritoalieninvestitur 
de  facto  auf  das  Obereigentumsrecht  am  Beichskirchengat  verzichtet 
habe.  Nun  schliefst  Reese  allerdings  sein  Besum^  über  den  Wert 
der  burgundischen  Investitur:  „Der  Kaiser  fibergiebt  ein  Scep- 
trum  dem  zu  Investierenden  und  fElhrt  ihn  damit  ein  in  den 
Besitz  und  das  YerfÜgungsrecht  fiber  die  Regalien/'  Sehen  wir 
aber  nun  die  voraufgehenden  Ausführungen  an,  so  finden  wir, 
daÜB  in  den  meisten  Fällen  eine  aufserordentlich  lange  Zeit  von 
der  Weihe  bis  zur  kaiserlichen  Belehnung  verstreicht;  so  bei- 
spielsweise in  Belley  von  1163 — 1175,  in  Apt  von  1162 — 1178, 
in  Lyon  1180 — 1184,  in  Tarantaise  1179—1186  u.  s.  w. 

Sollen  wir  annehmen,  dafs  sich  der  Bischof  während  air 
dieser  Jahre  des  Yerftlgungsrechts  über  die  Regalien  enthalten 
hat?  Es  konunt  hinzu,  dafs  sich  zahlreiche  Konfirmationen  finden, 
welche  die  Päpste  dem  Episkopat  far  possessiones  et  privilegia 
ausstellen;  so  ffir  Arles  (Raimund)  \  Avignon  (Pontius)  \  St  Die 
(Petrus) ',  Lausanne  (Roger)  *  u.  s.  w.  Wilhelm  von  Apt  *  er- 
hält eine  derartige  Bestätigung  von  Hadrian  lY.,  während  er 
die  kaiserliche  Investitur  erst  1162  eingeholt  hat^,  Petms 
V.  Marseille  ^  durch  Anastasius ,  der  Kaiser  belehnt  ihn  erst  elf 
Jahre  später  ^  Wenn  sich  nun  eine  solche  confirmatio  ausdrflck- 
lich  über  den  ganzen  Begriff  der  Regalion  erstreckt,  ja  fast  wört- 
lich mit  dem  kaiserlichen  Belehnungsbriefe  übereinstimmt,  sollen 
wir  da  annehmen,  der  Bischof  habe  diese  Urkunde  bis  zur  er- 
folgten weltlichen  Investitur  beiseite  gelegt? 

Ich  glaube,  die  angefahrten  Thatsachen  beweisen,  dafs,  wie  ich 
angenommen  hatte,  eine  der  Konsekration  nachfolgende  Investitur 
eine  inhaltslose  Formalität  war,  die  Regalien  aber  bereits  mit  der 
Spiritualienverleihung  in  das  VerfQgungsrecht  desBischofs  übergingen. 


0  Gall  Chr.  I,  instr.  97. 
2>  Kbd.  I.  814. 
a>  Kbd.  XVI,  187. 
4>  Kbd.  XV,  156. 
V  Kbd.  h  357. 

IN  v>.  «>hr.  inttr.  112. 
^N  ^  tt.  4013. 


EOLDB,  CASLSTADT  UND  DÄNEMARK.  383 

Wenn  nun  Friedrich  im  Gegensatz  zu  seinen  Vorgängern,  die 
auf   ihre  Begalienübergabe    fast    völlig    verzichtet    haben,    wieder 

I  einen  nmfasseDden  Gebranch  von  den  veralteten  Rechten  macht, 
M  stimmt  das  vortrefflich  zu  seinen  Übrigen  zielbewufsten  Mafs- 
rageln  in  diesen  Fragen.  Zunächst  stellt  er  die  halb  vergessenen 
Bechte  her,  dünn  erweitert  er  dieselben  in  rein  theoretischer 
Weise,  sucht  sie  aber  durch  entaprediende  Hofgericbtseprüche  dem 
Bechte bewu rätseln  der  Zeitgenossen  geläufig  zu  machen,  endlich 
setzt  er  sie  bei  gOnstJger  Gelegenheit  in  die  Praxis  nm. 


2. 

Carlstadt  und  Dänemark. 


VOD 

D.  Th.  Eolde  in  Erlangen. 


Wahrend  alle  alteren,  Seckendorf,  G.  Arnold,  Gerdesius ', 
Fäszlin^,  Planck  etc.  davon  nicbtä  wissen,  gilt  es  bei  allen 
neueren  Biographen  Luther's,  Oarletadt's  ffie  sonstigen  Refor- 
mation s  geschieh  tsch  reib  em  als  eine  aus^'emachte  Thatsache ,  dafa 
Carlstadt  im  Frflhjahr  1521  einem  Rufe  nach  Dänemark  gefolgt, 
nach  kurzem  Aufenthalte  daselbst  aber  sehr  bald,  spätestens 
Mitte  .luni  nach  Wittenherg  zurückgekehrt  sei,  eine  Annahme, 
die  von  dem  letzten  Biographen  Carlstadts,  C.  Jäger  ^  sogar  mit 
gesetzgeberischen  Akten  in  Dänemark,  die  Carlstadt  beeinflufst 
haben  soll,  in  Verbindung  gebracht  wird.  Sieht  man  näher  zu, 
so  beruht  die  ganze  Überlieferuug  auf  einem  im  Jahre  1?47  in 
den  Abhandlungen  der  Kopenbagener  Akademie  verCffentlichten 
Aufsatze  des  Dänen  Joh.  Gram  *,  dessen  Resultate  beinah  fDufzig 
Jahre  später  J,  F.  KOhler  '  in  Deutschland  bekannt  gab.     Nach- 

1)  GerdesiuB,  in  Scrin.  antiqu.   1748.  I. 

2)  J.  C.  FÜHaliii,  Andreas  Bodenat^in  sonst  Carlstadt  genannt 
Ijebensgeachichte.     Frankfurt  und  Leipzig  1776. 

3}  C.  Jäger,  Andrea»  Bodeosteiii  von  Caristadt  (Stuttgart  1856), 
8.  170  ff. 

4)  Joh,  Grammius.  de  lila,  nuam  Rex  Chri&tiemaB  Scouudiu 
animo  agitavit  Sacrorum  in  Dania  Reformatione  etc.  in  „Scripta  a 
Societatc  HafnieiiBi  bonfs  artlbus  proniovendiB  dedita",  F.  III  (Hatiiiae 
1147),  p.  9  ff, 

5)  J,  F.  Köhler,  „D.  Andreas  Bodemteln's  von  Karlstad  Leben, 


284  ANALEKTEN. 

dem  sie  von  Mfinter  in  seiner  Kirchengeschichte  von  Dftnemark 
nnd  Norwegen  ^  unter  dem  Ansdnick  der  Verwandemng,  da(s 
selbst  der  „so  genanforschende  Faefsli"  dieses  merkwfirdigen 
ümstandes  nicht  Erwähnung  gethan,  gebilligt  worden  waren,  bat, 
so  weit  ich  sehe,  niemand  mehr  die  Frage  untersucht,  indem 
Jäger  auf  Köhler  sich  berief  und  alle  Späteren  wohl  lediglich 
nur  auf  Jäger  zurQckgriffen. 

Ein  positives  Zeugnis  für  Garlstadt*s  dänische  Beise  ist  nun 
tbatsächlich  nirgends  vorhanden,  niemand  hat  bisher  eine  Stelle 
in  Carlstadt's  zahlreichen  Schriften  beigebracht,  wo  irgendwie 
Ton  einem  Aufenthalt  in  Dänemark  die  Bede  ist.  Worauf  man 
sich  beruft,  ist  lediglich  Folgendes  *: 

In  einem  unten  vollständig  mitzuteilenden  Briefe  des  durch 
seine  späteren  Beziehungen  zu  Carlstadt  bekannten  Martin  Rein- 
hard an  den  König  von  Dänemark,  d.  d.  Worms  25.  April  1521 
heifst  es,  dafs  „sich  Doctor  Andreas  gantz  gutwillig  £.  K.  Mi 
zu  dienen  ertzaigt  und  befinden  lassen  auch  das  Gtoleid  in  groDsen 
Frejden  angenommen".  Hieraus  wie  aus  dem  ganzen  Inhalt  des 
Briefes  ist  mit  Becht  zu  schliefsen,  dafs  Garlstadt  sich  bereit 
erklärt,  der  an  ihn  ergangenen  Aufforderung,  nach  Kopenhagen 
zu  kommen,  Folge  zu  leisten.  Ebenso  sicher  geht  aber  daraas 
hervor,  dafs  er  noch  nicht  abgereist  ist,  denn  Beinhard  erklärt 
weiter  unten:  „verhoff  aber  doch  Doctor  Garlstadt  und  Doctor 
Luthem  auch  samt  andern  vil  Hochgelarten  Leuten  an  E.  Mi 
üniversitet  zu  bringen". 

Als  zweites  Argument  gelten  einige  Distichen  aus  einem  Lob- 
liede,  das  Matthias  Gabler  aus  Stuttgart  im  Juni  1521  '  in 
Kopenhagen  auf  Christian  drucken  liefs: 

Coelestis  Sophias  vindex  fulcire  ruinam 

Aggreditur,  doctos  vult  quoque  habere  vires 
Magna  Carolstadio  promisit  praemia  docto, 
Adventum  cujus  Curia  tota  vocat. 

Dafs  hier  im  besten  Falle  doch  nur  die  Hoffnung  auf  ein 
noch  zu  erwartendes  Kommen  ausgedrückt  wird,  wahrscheinlicher 


Meinungen  und  Schicksale  ^^  in  seineu  ,,  Beiträgen  zur  Ergänzung  der 
deutschen  Litteratur  und  Kunstgeschichte",  1.  Bd.  (Leipzig  1792), 
I,  65  ff. 

1)  Munter,  Kirchengeschichte  von  Dänemark,  Bd.  IH  (Leipzig 
1833),  S.  32ff 

2)  Vgl.  Gram  a.  a.  0.  Allerdings  weifs  ein  dänischer  Chronist 
Namens  J.  Svaning  nach  den  Mitteilungen  von  Gram  S.  13  ff.  allerlei 
Ausführliches  über  Carlstadt's  Aufenthalt  zu  berichten,  aber  die  dä> 
nischen  Schriftsteller  selbst  erwähnen  ihn  nur,  um  seine  Ausführungen 
als  völlig  unglaubwürdig  zurückzuweisen. 

3)  §0  wohl  mit  Köhler  S.  59  zu  lesen,  nicht  1531.  wie  es  bei 
Gram  infolge  eines  Druckfehlers  heifst. 


KULDE,  CAKLSTADT  UND  DÄNEMARK.  2S& 

)T  nur  des  KOnige  gute  Bestrebungen  oline  Rücicsicbt  auf  ihren 
Mg  gefeiert  werden,  ist  Gram  nicbt  entgangen,  er  hält  dem 
)t  seine  Überzeugung'  entgegen,  dafs  der  Diubter  unr  des 
Verses  wegen  „pro  praeterito  Tocavit  sive  pro  Adventu  gau- 
let  vel  geatit"  den  Ausdruck  „vocat"  gebraucht  babe.  Nicht 
riel  besser  steht  es  mit  einem  dritten  Argument,  einer  ganz 
ikurzen  leider  ganz  ziiaammenbangElos  mitgeteilten  Stelle  aus  einem 
iBittdcb reiben  eines  aus  Sacbsen  gebürtigen  „  deutseben  Scbreibera 
der  kgl.  Kanzlei",  worin  derselbe  um  seinen  rückstandigen  Ue- 
b&lt  bittet  und  dabei  seine  Not  scbildert,  die  ihn  gezwungen 
),  an  seinen  Vater  um  Ueld  zu  schreiben,  „mit  Doktor  Carl- 
Btadt",  oder  genauer  „Og  hafver  jeg  skrevet  hiem  til  min  Fader, 
om  Penge ,  med  üoctore  Carolstadt " ,  d.  b.  „ Auch  habe  ich 
heimgescb rieben  an  meinen  Vater,  um  Geld,  mit  Doctur  Carl- 
atadt".  Oram  Übersetzt  „Pltiam  per  literas  cum  Doctore  Carol- 
stadii  in  patriam  missas  parentem  de  pecunia  compellavi";  was 
damit  gemeint  sein  kann,  wenn  auch  bei  der  vorliegenden 
Wortstellung  „mittendaa"  nicht  minder  wabrscbeinlicli  zu  er- 
gänzen sein  dürfte.  Nimmt  man  nun  hinzu,  dufi<  diesen  in 
Deuerer  Zeit  nicht  mehr  geprüften,  doch  an  und  für  sich  sehr 
schwachen  Argumenten,  die  bisber  wnnderlicberweise  nie  be- 
obachtete Tbatsacbe  gegenübersteht,  dals  Carlstadt  während  des 
Sommersemester  Dekan  der  theulugiüchuu  Fakultät  war  und  nach- 
weislich am  13.  Mai  als  solcher  bei  Promotionen  fungiert  hat ' 
und  Tergleicht  dann  die  schon  von  Waltz  in  dieser  Zeitschrift 
publizierten  auf  Carlstadt's  dänische  Reise  bezOglicben  Aktenstücke  *, 
so  scheint  es  mir  keiaem  Zweifel  zu  unterliegen,  dufs  Carlstadt 
die  projektierte  Fahrt  nach  Dänemark  nie  angetreten  und  alle 
an  seinen  dortigen  Aufenthalt  geknüpftun  Vermutungen  keinen 
historischen  Hintergrund  haben. 

Die  ganze  Angelegenheit  dürfte  folgenden  Verlauf  gehabt 
haben : 

Als  sieber  darf  gellen,  dafs  König  Christieru  11.  im  Laufe 
des  Jahres  1520  oder  scbon  frQlier  vun  Fiiedricb  dem  Weisen 
sieb  einen  oder  mehrere  Gelehrte  erbat,  und  von  den  Witten- 
hergern  als  Lehrer  der  Theologie  Martin  Ueinhard,  Priester  der 
Diözese  WGrzhurg   aus  Eifetstadt  ^,  und  als  Lehrer   des  Qriechi- 


1)  Lib,  detuoonim  cd.  Förstemaiiu.  p,  25. 

ü)  Zeitsehr.  f.  Kirchenges  eh.,  Bd-  II,  S.   ia8ff. 

3)  De  Wette  1,570.  Kex  Daciaceliam  peraequitur  Papistos  mui- 
dato  datu  Uuiversitati  suae  ue  mea  damnarent.  Ita  retulit,  quem  illuc 
dedlmus,  D.  Martiriua  reveraus  ut  proiaoveretur  rediturua  illnc. 
I>arB  dies  Martiuus  Keiubard  (der  spätere  Pfarrer  von  Jena),  ereiebt 
«ich  aus  dem  Folgeudeu.     Vgl.   auch   Gram  a.  a    0.,   8.  10;   Mün- 


S86  AÜALSKTtÜt. 

sehen  Mathias  Gabler  ans  Stuttgart '  dahingeachickt  wurde.  Im 
Wint«r  1520  langte  Beinhard  in  EopeDhagen  an  und  worde  am 
20.  Dezember  desselben  Jahres  der  theologischen  Fakultät  da- 
selbst inkorporiert  *.  Nach  der  Angabe  der  danischen  Scbrifl- 
steller  gelang  es  ihm  aber  nicht,  daselbst  aafzukomnien ,  weil  er 
der  Sprache  unkundig,  aoch  sonst  durch  seine  abireichenden  Ge- 
wohnheiten Anstofs  erregte,  vor  allem  aber  wegen  seiner  Lehre, 
die  ihm  die  Verfolgung  der  einheimischen  Priester  eintmg.  Wie- 
viel von  den  darüber  erzählten  Einzeln heiten  richtig  ist,  kaoD 
nicht  festgestellt  werden,  da  sie  auf  den  Angaben  des  schoc 
oben  als  unzuverlässig  be^eichneteD  Chronisten  beruhen.  Fest 
steht  dann  wieder,  dafs  Keinhard  nach  kurzer  Zeit  Kopenhagen 
verliefa,  um  einesteils,  so  hat  er  wenigstens  Luther  angegeben, 
zu  promovieren,  andernteils  nm  im  Auftrage  des  Königs,  unter- 
stützt durch  mancherlei  Empfehlungsschreiben,  neue  Kräfte  nacb 
Dänemark  zu  ziehen  °.  Was  er  beabsichtigte,  war  nicht  nur 
Carlfitadt,  uuf  den  zunächst  sein  Auftr^  lautete,  sondern  wenn 
mCglich  sogar  Luther  zur  Übersiedelung  nach  Dänemark  zu  be- 
wegen. In  Begleitung  von  Stephan  Hopfenstein,  der  als  dä- 
nischer Gesandter  zum  Wormser  Beichstag  ging,  wird  er  Anfang 
Harz  in  Wittenberg  eingetroffen  sein.  Mit  Luther  scheint  er 
angesichts  seiner  bevorstehenden  Berufung  nach  Worms  nicht 
Aber  Beinen  etwaigen  Fortgang  nach  Kopenhagen  verhandelt  zu 
haben  *.  Dagegen  erülhete  er  Carlsbitit  die  danischen  An- 
erhietungen,  der  dieselben,  wie  Beinhard  berichtet,  mit  Freuden 
ergriff.  Da  Beinhard  aber  besondere  Aufträge  an  Friedrich  den 
Weisen  und  andere  Forsten  hatte,  dieselben  jedoch  sämtlich 
sich  schon  auf  dem  Reichstag  befanden,  begab  er  sieb  mit 
Hopfenstein  nach  Worms.  Dort  entledigte  er  sich  seines  Auf- 
trags, wurde  aber  betreffs  Luther's  von  dem  Kurfürsten  bis  auf 
dessen  Ankunft  vertröstet.  Nach  Luther's  Verhör  brachte  nun 
Stephan  Hopfenstein  das  künigliche  Anliegen  von  neuem  vor, 
und  Beinhard   könnt«  jetzt   berichten,   „der  KnrfOrst   habe   sich 


ter,    Kirchengeach.    III,   S6ff.;    Jenfgen,    Schleswig  -  faoltt«iiiiiche 
Kircbengcsehichte  UI  [Kiel  I8T7),  S.  15. 

1)  Vgl,  C.  Rpf.  1,  3G4.  Album  Viteb,  ed  Förstemann ,  p.  78: 
Mathias  linbler,  ätutgardianua  dioc.  Conslau.  4.  Decem.  (Ifilb). 

2)  Nach  Uiam  a.  a.  0.  lautete  der  Eintrag  in  die  Matrikel: 
MartinuB  Reinhardt  Presbyter  Herbipolensis  Dic>ccesis  intitulatus  ett 
ad  Facultatem  theologicam ,  feria  quarta  quae  vi^ilia  fuit  Beati 
Tbomae  Apostoli  ex  iussu  Priticipis  vocatus  huc  venit, 

ä)  Darüber  belehrt  uns  der  schou  erwühute,  uuteu  vollatätidig 
abgedruckt«  Brief  Beinhard's  an  den  König. 

4)  Luther  erwähnt  davon  nichts  I,  5iU  und  ebenso  wenig  HeL 
C.  K.  I,  3t>4,  vor  allem  spricht  aber  das  Schweigen  Heinhard's  in 
seiaem  unten  abgedruckten  Briefe  selbst  dagegen. 


IEOLDE,  CABLSTADT  CND  DÄNEKABK.  287 

DI  gat  finden  lassen".  Ei  wnrde  also  nicht  ohne  weiteres 
rückgewiesen ,  nnd  nas  Aleander  erzählt',  dafti  Luther  n&ob 
D&uemark  gehen  wolle,  war  demnach  nicht  bd  ganz  leeres  Ve- 
rficht, und  zeigt  von  neuem,  wie  trefflieb  ei  unterrichtet  war. 
lodessen  entschlofB  man  sieb  bekanntlich  anders  im  karfOret lieben 
Bäte,  und  es  ist  mir  fraglich,  ob  Luther  von  jenen  seinetwegen 
gepflogenen  danischen  Verhandlungen  etwas  erfabren  hat,  wenig- 
stens  ist  mir  keine  Erwähnung  derselben  bekannt. 

Merkwflrdig  ist  nun  das  Verhalten  Carlstadt's,  wie  es  sich 
unter  UinzunaJime  der  von  Waltz  veröffentlichten  ÄkteustOck« 
«rgiebt  *.  Wie  gesagt,  hatte  er  sich  zu  kommen  bereit  eikl&rt, 
ja  scheint  alsbald  bestimmte  Abmachungen  getroffen  zu  haben  *, 
nachlräglicb  deshalb  auch  bei  dem  KnrfQraten  angefragt  zn 
baben  *.  Was  derselbe  hat  darauf  antworten  lassen,  wissen  wir 
nicht,  doch  berechtigt  die  Tbatüacbe,  dafs  der  Kurfürst  jedenfalls 
spater,  Ende  Juni,  Carlstadt's  Furtgaug  wünschte,  zn  dem  Schlüsse, 
dafs  er  schon  damals  zugestimmt  nnd  auch  eine  dahingehende 
Zusage  nach  Dänemark  hat  geben  laesen.  Gleichwohl  reiste 
Carlstadt  nicht  ab,  sondern  wartete,  wie  schon  bemerkt,  seines 
Amtes  als  Dekan  an  der  theologischen  Fakultät '.  Indessen  war 
die  Suche  nach  der  Meinnng  der  Kollegen  keineswegs  anfgegeben, 
wie  man  daraus  ersehen  kann,  daTs  Metanchthon  sich  mit  der 
Frage  nach  dem  eventuellen  Nachfolger  Carlstadt's  ^  beschäftigte, 
eine  Frage,  die  erst  nach  der  Bäckkehr  des  Fürsten  entschieden 
werden  sollte.  Montap  nach  St.  Vit!  (17.  Juni)  war  der  Eur- 
fQist  wieder  in  der  Heimat,  denn  von  diesem  Tage  ist  ein  Brief 
der  Universität  an  ihn  gerichtet,  in  dem  sie  ihn  zn  seiner  glDck- 

1)  Brieger,  Aleander  und  Luther  in  Forscbungen  1,  166.  171. 
180  f. 

2)  In  dieser  Zeitschrift,  Bd.  II,  S.  lS8fF.  Waltz  hat  keinen  Vei^ 
euch  gemacht,  die  Sehriftetilcke  in  eine  chronologiBche  Ordnung  la 
bringeii.  Sie  ist  unter  Hiniuiiehung  anderer  von  Spalatin  herrühren- 
der Schriftstücke  sehr  wohl  herzustellen. 

3)  Die  Universiiät  antwortet:  „hab  doctor Karlatat  hinder  meinem 
g.  h.  dem  konjg  etwas  zagesagt";  a.  a.  0  S.  12H  Anm. 

4)  Darauf  beziehe  ich  die  Notii:  ,,£.  C.  g.  wirt  ob  gott  will  za 
irer  gelegecheit  den  beichtvater  und  mich  wisseu  laaaen,  was  wir 
dem  KarrBtat  für  ein  antwort  geben  »ullen."  a.  a.  O.  S.  127.  Wäh- 
rend einige  Zeilen  früher  luiter  „Beichtvater"  Glapio  (u  veretehen 
ist,  wird  man  hier  an  den  Beichtvater  des  Kurfürsten  denken  möasen. 

5)  Lih.  dec.  25, 

6)  Vgl.  Brief  vom  7.  Juni  IÜ21.  C.  R.  I,  ä93f.  Quid  antem, 
n  CrotUB  pOBset  vel  Petro  Lupino  vel  Carolostadio  suffici?  Unrichtig 
■chliefat  Jäger  S.  17ü  hieraus,  dafft  CarUtodi  fort  aber  uoch  nicht 
surück  war.  Die  von  VValtz  edierten  Äkti^uatiieke  ergeben  aber  gans 
deutlieh,  dafs  es  bei  den  mit  äpalatin  gepflogenen  Verhandlungen  räch 
erst  um  die  Bedingungea  seiner  Abreise  handelte,  nicbt  darum,  wes- 
halb er  wieder  gekommen  ist. 


288  ANALEKTEN. 

licheD  Rückkehr  beglackwüimcbt  und  ibm  ihre  WÖnsche  wegen 
SeorganiaatiüD  und  sonütige  liescbwerdeo  vorträgt  *.  Am  34.  Jmii 
verbundelte  Spalutin,  den  mim  erbeten,  daraufhin  mit  der  Uni- 
versität über  die  Neubesetzungen  einiger  vakanten  Stollen  '  und 
nahm  zugleich  mit  (Jarlatadt  ein  Protokull  auf  über  die  Urflnde, 
weübalb  er  trotx  Zusage  nicht  uacb  Dänemark  gegangen,  wodurcli 
dem  Kurfürsten  Ungelegenbeiten  bei  seinem  Schwager  «rnachgen 
würdeu.  Aber  ubwohl  Spalatin  seine  Furuht  vor  Bann  und 
Acht  dahin  zu  beruhigen  suubte,  dafa  er  ihm  auseinandersetzte, 
dafs  der  Eünig  die  kaiserliübe  Acht  in  seinem  Lande  nicht  anerkenne 
und  mit  dem  Papste  xu  schlecht  stehe,  als  dafs  er  in  Dänemark 
den  Bann  /a  fürchten  habe,  erklärte  Carlstadt  doch  scblieMcb, 
lieber,  um  den  Kurfürsten  nicht  beacbnerlich  zu  fallen,  aua  dem 
Lande  gehen  zu  wollen  und  alles  zu  verlasiien,  ehe  er  nach  Dänemark 
ginge  ".  Dals  es  ibm  damit  aber  niubt  Ernst  war,  er  vielmehr 
den  deutlich  erklärbaren  Wonach  des  Fürsten  seinem  Schwager 
GenSge   zu   tbnn,    benutzen    wollte,    nm   möglichst   viel  Gewinn 


Darin    heirst    es    u.  a: 
e  gar  überscLireDglicIieu 

E.  Kf.  G.  Schüler  allbie  mit  Hauazins  von  deu  Bürgern  und  suhbI 
mit  Vitalien  die  da  nit  wul,  aundem  kümmerlich  uud  teuer  zu  be- 
kummen,  auch  von  liaudwerkaleutcn ,  Schueidem  und  Schust^^m  und 
suoat  allenthalben  bescb  nert  etc.  Nach  S  pa  1  a  t  i  n ,  Auualeu  bä 
Mencken  II,  807,  wäre  der  Kurfünt  über  zehn  Taf^e  in  Wittenberg 
geblieben,  nach  einem  Briefe  vom  13.  Juli  1521  an  Seidler  (bei 
Seidemann,  Erläuterungen,  S.  'dl)  wäre  er  drei  Wochen  dort  ge- 

2)  Neudecker'Bche  Sammlung,  Bl.  162,  ITü.  173;  Seidemaun, 
Krl.  31;  M.  Lenz,  Mark  Lutherprogramm  imn,  S.  U.  Dazu  be- 
merke ich,  dafs  die  Wünsche  der  Univenität  vollauf  befriedigt  wur- 
den. Nachdem  Dr.  Brück  abgelehnt,  bekam  Schwertfeger  die  Pro- 
fesaur  Stühelin's  zunächst  auf  ein  Jahr.  Ebenso  wunlcu  zunächst 
interimistiach  bestellt  die  beiden  Mediziner  Augustin  Schürf  und 
Stephan  Wilde.  G«gen  letzteren  hatte  der  Kurfürst  anfangs  Bedenken, 
weil  derselbe  der  Urlieber  des  Anfatanda  vom  Jahre  vorher  gewesen, 
und  die  Univeraität  beschlosaen  hätte,  ihn  zu  exktudiereu,  er  deshalb 
auch  noch  nicht  entschuldigt  sei,  liefs  ihn  sich  aber  gefallen,  wenn 
die  Linivcraität  ihn  für  den  Tüchtigsten  ansehe.  Sic  erhielten  den 
Auftrag, ,.  dasz  einer  vor  Mittag  Theor(,et)ica  und  der  Ander  nach  Mittag 
in  der  Practica  leac".  Für  Mathematik  wurde  der  IlofastroLog 
Joh.  VoUmar  augeatellt  (vgl.  Th.  Kolde,  Fricdr.  d.  W,,  S.  19).  Zu 
Reformatoren  der  Universität  wurden  nach  dem  Wunsche  derwlben 
der  Rektor  uud  die  Dekane  der  vier  Pakultülen,  der  Propst  und  der 
Sebolaster  (?)  gewählt.  (Spalutiniaua  Neudecker'ache  Sammlung  ItiS. 
ITU.  173).  Luther  wandte  damals  Apokal.  '.*  auf  die  vier  FakiiltSIen 
au,  v^l-  Operat.  in  psalmos  Opp.  ex.  lat.  XVI,  p.  3-^1.  326. 

3)  Als  erstes  Sclirtftatück  in  der  Bcihe  dürfte  das  datierte,  von 
Waltz  in  die  Anmerkung  verwiesene  anzunehmen  aein.  Daselbst  iat  m 
lesen:  „gethan"  statt  „zu  thun",  und  im  leUsten  Absatz,  ,,wo  er 
hinkommen  möge"  statt  „wie  er". 


I 


KOLDE,  CAKLSTADT  UND  DÄNEMAKK.  289 

daraas  zu  ziehen,  ergeben  seine  aller  Waltrscbeinlichkeit  nach  bald 
duauf  an  Spalatin  gesandten  Bedingungen ,  die  seine  Habgier 
nnd  seine  marsloae  Eitelkeit  erkennen  lassen  '.  Auf  Teranlassnng 
des  Kurfürsten  wurde  die  Universität  zu  einem  Gutachten  dar- 
Qber  aufgefordert,  worin  sie  sich  aufserstande  erklärt,  ihrerseits 
den  Carls tadt'sühen  Forderungen  nachzukommen,  Gbrigens  es  für 
das  Beste  achtet,  „das  dactor  Karlstat  sein  zusage  Toltziebe"  '. 
Ob  nun  Caristadt  aaf  seinen  Forderungen  bestanden,  und  sich 
deshalb  die  Sache  zerschlag,  oder  der  Kurfürst  das  Interesse 
daran  verlor,  steht  dahin:  es  ist  nicht  mehr  davon  die  Bede,  und 
Carlstadt  ist  weder  früher  noch  später  nach  Däne- 
mark gegangen. 

Ich  scbliefse  hieran  das  mehrfach  citierte  Schreiben  Bein- 
faards  an  den  König  von  Dänemark,  das,  obnohl  bei  Gram 
a.  a.  0.  gedruckt,  neuem  Forschem  unbekannt  geblieben  und 
ancb  in  diesem  Werke  schwer  zugänglich  zu  sein  scheint,  sowie 
Bin  Schreiben  Hopfenstein's  an  den  KOnig. 


I.   M.  Reinhard  an  König  Christiern.    Worms,  25.  April 
1521. 

Ällerdurchleuchtigester,  Groszmechtigester  EDnig,  Allergnedi< 
gester  Herrl  Ewer  Kü.  Mt.  seind  mein  pflichtig  Dienst  in  aller 
Untertänigheit  allzeit  zuvor,  samt  meinen  Gebett  gegen  Gott  fllr 


1)  Nr.n.  Earlstadt  an  einen  UngenannteD.  Waltz  a.  a.  0.  S.  128. 
Das  ergebt  eine  Vergleichung  des  Inhalts.  Da^u  kommt  (Nr.  III)  ein 
ohoe  Zweifel  eben  darauf  bezügliches  Dokument,  welches  Walte  nicht 
mitgeteilt  hat  und  welches  sich  in  einem  Memorandum  findet,  äaa  auf 
die  am  24.  Juni  mit  der  UniveraitiU  verbandelten  Dinge  sich  zurüek- 
bezieht,  also  nach  dieacm  Termin  anzusetzen  ist  und  folgendennarsen 
lautet :  „  Doctor  Karlatats  übergebae  Verzeichuia  (das  sind  eben  jene 
Bedingungen)  der  Universitet  furzuhatteu  und  soudertich  der  lection 
halben  die  zu  bestellen  und  zu  vcrsoTgeu  weil  sie  wiifsten,  was  ir 
Statuta  in  diaem  fall  vermochten.  Ob  es  seiner  bit  nach  zuzulassen 
■ein  Bolt  oder  uit,  Ir  bedenken  £u  bören.  Item  die  Universttet  hoI 
snf  ily  andern  artigkel  ir  bedeuken  anznigen  waa  unaerm  G.  Hern 
dar  ynnen  zu  tun  (Hl.  172t'  der  Neudecker'scbcu  Sammlung).  Dar- 
auf gab  die  Universität  als  Antwort  (Nr.  IV)  was  Waltz  a.  a.  0. 
S.  im  Anm.  unten  von  Bl.  173  abgedruckt  hat. 

2)  Unmittelbar  daran  scbliefst  sich  die  Bemerkung:  „Die  Unt- 
reratteth  heclagt  sich  stürmung  etlicher  priesterheuser ,  etliche  nacht 
bescfaeen,  mit  unterteniger  bitt,  solchen  und  weitem  imfug  gnediglich 


ZalUdir.  f.  S.-O.  Tllt.  1.  1.  19 


290  ANALEKTBK. 

K  Kfi.  Mi  zn  bitten,  bereitt.  Allergnedigster  Eflnigt  Alsz  ich 
von  E.  K.  Mi  zu  Koppenbagen  in  Benelch  derselbigen  E.  K.  Mt. 
nmb  Doctorn  Andreen  Bodenstein  von  Eiurolstat,  gen  Wittenberg, 
in  Hoffnung  denselbigen  bisz  an  E.  E.  Mt.  Universitet  se  brin- 
gen, gerajst,  In  allda  gefunden,  und  das  Geleid,  so  E.  K.  Mt. 
eegenanten  Doctorn  zugesandt,  gegeben,  bat  sich  bemeldter  Doctor 
Andreas  gantz  gutwillig  E.  E.  Mt.  zu  dienen  ertzaigt  und  be- 
finden lassen,  auch  das  Geleid  in  g^roszen  Frejden  angenommen. 
Aber  die  Durchleuchtige  Hochgebome  ChurfÜrsten,  Fflrsten  etc. 
B.  K.  Mt.  Ohmehen  Schwager  und  Bat  etc.  seind  all  aus  Iren 
FflrstenthOmber  gewest,  etzlich,  als  die  Durchleuchtige  etc.  Für- 
sten, Hertzog  Friderich  von  Sachsen  etc.  Joachim  Marg^raue  zu 
Brandenburg  etc.  bejde  Ghurfürsten  etc.  seynd  zu  Wormbs  ge- 
wesen ;  welchen  ich  E.  K.  Mi  Brieue  geliebert,  und  von  Hertzog 
Friderichen  kheinen  Beschied,  ee  Doctor  Luther  allhie  gen 
Wormbs  khame,  entpfangen;  Denn  Sein  ChurfOrstliche  Genaden 
machten  sich  so  schwer  den  Man  zu  vorlassen,  dasz  ichs  E.  £. 
Mi  itzomals  nicht  alles  schrejben,  verhoff  aber  doch  Doctor 
Carlstadt  und  Doctor  Luthen^  auch,  samt  andern  vU  Hochgelarten 
Leutten  au  (sie)  K  Mi  Uni?ersitet  zu  bringen.  Dann  Steffan, 
E.  E.  Mi  Secretarius,  hat,  nach  Doctor  Luthers  Verhör,  mit  dem 
Churfftrsten  gehandelt,  der  sich  gantz  gut  hat  lassen  finden,  als 
bemeldter  E.  E.  Mi  Secretarius  clerlich  ertzelen  würt  \  Aber 
Margrane  Joachim  Ohurfürst  £.  E.  Mi  Schwager  etc.  hat  mich 
mit  Seiner  Genaden  Gelaid  genediglich  abgefertiget.  Die  Hertzogen 
von  Mechlenburg  etc.  seynd  nicht  zu  Wormbs  gewest;  Dan  Hertzog 
Heinrich  ist  von  Bömscher  Eay.  Maji  E.  K.  Mt.  Schwager  etc. 
Legation  wejs  gen  Schweitzerland  gesandt,  so  ist  Hertzog  Albrecht 
mit  dem  jungen  Margrauen  wider  zu  Land  gereist;  Derohalben 
ich  von  Lie  khein  Geleid,  sonder  E.  E.  Mt.  vff  heut  dato  noch 
hab;  Yedoch  hat  sich  Steffan  in  Bömischer  Cantzlei  beworben, 
dasz  wir  B6.  Eay.  Mi  etc.  volkhomen  vehelich  Geleid  erlangt 
haben.  In  den  Sachen  Anthoni  von  Metz  berurende  hab  ich  in 
nicht  fanden,  kan  auch  nicht  erfaren  wo  er  sey;  Aber  bejden 
Hertzogen  von  Braunschweig  etc.  Erichen  und  Heinrichen  den 
Jüngern,  hab  E.  E.  Mt.  Brieue  geantwort,  kheinen  andern  Be- 
schied, dan  wo  gedachter  Anthoni  von  Metz  zu  lue  khum,  so 
wollen  sie,  nach  E.  E.  Mi  Schrifften,  Ime  gefuederlich  und  räth- 
lich  beholfflich  sein.  Der  Ertz-Bischoue  von  Bremen,  etc.  E.  Eö. 
Mi  Bat  und  Oehmen  etc.  ist  hinweg  von  Wormbs  geritten,  acht 
Tag  eher  ich  bin  dahin  khommen,  deszhalben  ich  denselben 
Brieue,  auch  Anthonis  Brieue,  und  E.  E.  Mt.  Ohmes  Brieue  des 


1)  Was  er  in  dem  folgenden  Briefe  leider  nicht  thut. 


KOLDE,  CABLBTADT  UND  DÄNEMARK.  291 

Hertzogen  von  Holstein  etc.  alle  nocb  habe  und  der  kheinen  in 
'Wormbs  tob  mir  geben  kban:  Dan  der  Jong  Herttog  von  Hol- 
stein will  seines  Her  Vattere  Brieue  nicht  annehemen. 

AllergenedigBter  Knnig  und  Herr,  Nene  Zeitung  des  Beichs> 
tags  kban  jetz  E.  K.  Mt.  gantz  wenig  oder  nichts  sagen  noch 
scbreyben:  Dann  die  gi6asest  Red  ist  alle  vom  Dactor  Lntber, 
den  Tordret  man,  und  ist  khein  ander  Beger  an  In,  dan  dasz 
er  widerrnff;  das  will  er  nicbt  thun.  Andere  Handlung  nmb 
Efiitze  willen  hie  unterlassen,  nnd  ^  E.  E.  Mt.  von  Steffan  und 
mir,  so  Gott  uns  hilfft  zu  Pfingsten,  als  ich  hofTe,  clarlicb  hören. 
Tbne  mich  hiemit  E.  E.  Mt.  cnttertäniglichen  beuehlen,  E.  K.  Mt 
wolle  mein  genediglichen  bedencken  and  bevolhen  haben:  Will 
ich  gegen  OOtt  umb  E.  K.  Mt  Wolfart  nnd  lang  Leben  zn 
bitten  allezeit  geflissen  sein.  Datum  Wonnbs  vfF  S.  Harci  des 
Heiligen  Evangelisten  Tage  1521.  E.  Eon.  Mt.  demfltiger 
Caplan 

Martinas  Beinhart'. 

Den  Oroszmechtigeaten,  Dorchleuchtigesten  EQnigen  und  Herrn, 
Herrn  Christiern,  zu  Denmark  Schwaden  nnd  Norwegen  etc. 
König,  Hertzog  zu  Holstein  und  Sleswig  etc.  Grane  zu  Oldenburg 
und  Delmenhortzen  etc.  Meinem  allergenedigaten  Herrn. 


11.   Stephan  Hopfenstein  an  König  Ctiristtern.    Worms, 
25.  April  152t. 

Durcbleuchtigister ,  Groszmechtigister  Eunig,  Eawem  K.  M. 
seyn  me;n  gantz  willig  gehorsame  verpflichte  Dinst  allezeit  nnter- 
tenigklicb  mit  allem  Tleisz  zuTom.  Gnedigester  Herr,  leb  byn 
E.  E.  M.  beuhell  nach  inn  gantz  wenig  Tagen  ser  eylendt  gen 
Wurmbs  bei  Ro.  Ea;.  M.  knmen,  nnd  mejnne  Gewerb,  so  mir 
Ton  E.  E.  M.  beuohlen  mit  allem  Vleisz  geworben  unnd  ausz- 
geiicht.  Ich  bjn  aber  mitt  der  Änthwnrt  »erzogen  nnd  auf- 
gehalten worden,  bisz  auf  diesen  Tag  äj  erst  erlanget.  Dan  ij 
Sachen  der  eilenden  Beis  Key.  M.  geendert  ?nnd  Ir  Key.  M. 
mir  von  Tag  zu  Tag  schir  alle  Stund  Vertröstung  getban-,  Darauf 


IJ  3.0  vielleicht  statt  „wird". 

3)  Über  Reinhard,  dessen  Schicksale  noch  ziemlich  im  Dunkeln 
liegen,  vgl.  Seidemann,  Tbom.  MÜDZer  50f.;  Tb.  Kolde,  Änalecta 
Luther.,  p.  TS;  Roth,  Einfiibning  der  Reformation  in  Nürnberg 
(Würzburg  1885),  S.  242. 


292  ANALEKTEN. 

ich  E.  K.  M.  miüer  Zeit  nichts  eigOBtliches  kund  znschreiben 
bisz  auf  Nu  mir  Ir  Key.  M.  gesaget,  wie  Sj  ungeheuerlich 
xiiii  Tag  nach  Pfingsten  in  Brabandt  sein  wollen.  Wie  ich  dan 
anfe  lengest  in  X  Tagen  bey  £.  K.  M.  selbst  eigner  Person  zu 
sein  verhoff,  der  und  andre  Sachen  ich  von  £.  K.  M.  wegen 
hab  ausgericht,  selbst  allenthalben  mfintlichen  berichten  will 
Das  geh  ich  E.  E.  M.  als  meynnem  Allergenedigsten  Herrn  unter- 
theniger  dienstlicher  Meynung  zu  erkennen.  Dann  E.  K.  M.  dy 
ich  dem  AUmechtigen  GOtt  in  langwerige  gelucksame  Gesundt- 
heitt  beuhelle  gehorsam  unterteniglich  zu  dienen  bjn  ich  alle 
meines  Yermfigens  allezeit  mit  gantz  nnterthenigen  Yleisz  willig 
— gantz  eilig  in  Wurmbs  am  25  Tag  des  Mo- 
nats Aprilis  Anno  21.  E.  K.  M.  ganz  gehorsamer  untertenig- 
williger  Diener  Steff.  Hopffenstein. 

Dem  Durchleuchtigisten  Groszmechtigisten  Fürsten  unnd  Herren, 
Hern  CHBISTIEBN,  zu  Dennmargken,  Schweden,  Norwegen  &c. 
Künig,  Hertzog  zu  Sleszwigk  zu  Holsten,  &c.  Grauen  zu  Aldeubnrg 
unnd  Delmenhorst,  Meynnem  gnedigisten  Herrenn. 


3. 

Handschriften  LutherV 

Mitgeteilt 

von  Eduard  Bodemann. 


Aus  den  Manuskripten  der  Königl.  öffentl.  Bibliothek  zu 
Hannover  teile  ich  hier  eiuige  Handschriften  Luther*s  mit,  von 
denen  unter  I.  die  eigenhändigen  Briefe  desselben  schon  frtkher, 
aber  unrichtig  gedruckt,  die  Handschriften  unter  IL  noch 
ungedruckt  sind. 


BODEMANN,  HANDSCHRIFTEN  LUTBEE'S, 


I. 

Briefe  Luther's. 


Luther's   Schreiben    an    den   Rat   der    Stadt    Münster. 
1533,  Dez.  21. 

[Autngraphon.  In  freier  Übertragung  nngenau  gedruckt  in 
Luther's  Werken,  herausgegeben  von  Irmiecher,  Bd.  LIV, 
S.  345,  wn  dieser  Qrief  in  das  Jahr  1532  gesetzt  ist;  ebenso 
bei  de  Wette  IV,  424,  im  Originnl  steht  deutlich  1533.] 

Dem  Ersamenn  vnd  wejßenn  He  renn  Borgermeyster  vndt 
Rath  der  Stadt  Munster  mynen  gunsttgenn  Ilerenn  vnnd  ghuden 
fninden.  Gnaedt  vnndt  Frede  in  Christo  vnßerenn  Heren  vnde 
Meylande.  Krsamen  weyßenn  leibenn  Heren,  wir  habenn  myt 
frooydenn  erfarenn  vnd  dancbonn  auch  Gott  voom  Hertzenn,  das 
Gott  der  Vatter  .illor  ghnadenn  juw  baeth  sein  leibea  worth 
vnnd  erkentniße  seines  soens,  vnßes  Herenn  Jbesu  Cbriati  ge- 
geben vndt  ewoh  dori^b  seinen  gpist  erreget  vnnit  erwermeth, 
das  yrs  weillichleich  vnndt  bestendtitch  anen  genonien  hapt,  daer 
heer  wj  nu  besorgenn  (wne  thaenn  der  alte  Santh  allezeit  dem 
rejrnen  Worth  naech  sclycht)  mochte  ewch  ein  betmchlicber  geyst 
znliomen,  wey  den  Corintherenn,  Gaiaterenn  nach  Panlns  predich 
gbeschacb.  Darumb  bittenn  wyr  ewch  bcrt/lich  vmb  denn  nnwen 
erkanten  Christum  willsnn,  wollet  ewch  ya  fleyslicb  vnnd  myt 
allenn  sorgenn  vnrsehenn  vnnd  hnedenn  ewch  vor  der  Zwingeier 
vnnd  Zwermer  leer  vom  Sacrament.  Den  weywoll  Gott  selhs 
solche  leer  myt  schrechlicber  straeß'e  vordammeth  baeth  in  dem 
Hnntzer,  Hetzer,  Hueth,  Baltzar,  vnnd  zum  letzen  auch  dem 
Zwyngell  selhesten,  da  myt  angezeigeth.  woe  er  snlcher  leer  f^andt 
sey.  Noch  sint  etliche  Hcbtferdige  vnboesfertige  geister,  die 
sulcbe  straefTo  vnnd  warnunge  Gottes  vorachtenn  vnnd  nichts 
weiniger  hin  vnndt  heer  lauffenn  vnndt  sulch  gyfft  aiißlaßenn, 
vnnd  die  eintfpldigenu  Leuthe  vorvoren.  Gott  haeth  ewch  (als 
ich  höre)  feine  prediger  gegebenn,  Sonderling  den  M.  Bemhart, 
den  noch  darlTs  in  duBer  ferlicber  zeith  des  tenffels  woeti  anff- 
eehenn  vnd  gedachten,  ya  alle  prediger  truwlich  vormanen  vnd 
weckenn,  das  sei  ya  woü  wacbenn  vnd  beden,  sich  vndt  er 
Tolcblynn  voer  sulchen  valschen  lerenn  bowarenn.  Der  teuffell 
iß  eynn  schalck  vnd  kann  wnli  feine  fromme  gelerde  prediger 
rerforen,  welcher  eiempell  wir  (lejder)  bos  dar  heer  vull  erfarenn 


294  ANALEKTEN. 

habenn,  ynd  ich  will  auch  jw  hirmede  gewarneth  haben ,  das 
wir  beßher  an  allen  erfaren  habenn,  welche  vom  reynen  worth 
aynt  abgefallenn  vnnd  Zwinglisch,  Mnntzerich  oder  widderteufich 
wordenn,  die  seyn  auch  anffrurysch  wordenn,  ynnd  habenn  ynuner 
myt  zu  woellen  in  das  werltliche  Regiment  griffenn,  wey  Zwingel 
selbes  auch  ghetan  haeth,  vnndt  es  kan  auch  nicht  anders  sejnn, 
wanth  der  teuffeil  yß  eyn  Logengeyst  ynnd  mordtgeysi,  Johannis 
octa?o.  Daromb  wer  in  de  logenn  feilet,  die  moeth  anch  zu 
lestenn  auch  zum  mordt  komen.  Dammb  woe  yr  leiff  bebbenn, 
geystlichenn  ynndt  tytlichenn  frede,  So  hoedet  ewch  vor  falschenn 
geysterenn.  Wyr  haben  velen  Stendenn  snlx  geratenn,  aber  woe 
es  gangenn  yß  dennen  die  vnßem  raeth  vorachtet  habenn,  das 
sencht  man  vor  äugen.  Wyr  woltenn  aber  ja  gerne  ewer  &her 
ynnd  schadenn,  beyde,  an  leib  nnd  zelinn  forkomen.  Des  helffe 
ewch  Tnßer  leiber  Heer  vnndt  Heylandt,  der  behoede  eurenn 
geloven  in  seinem  reynen  wordt  bes  auff  seyn  selige  vnnd  her- 
liche zuknmpfty  Amen.  Zu  Wittenberch  am  thage  S.  Thome 
Apostoli  anno  1633. 

D.  Martinns  Luther 
myt  eigner  hanth. 


W^^^^^^^N^/W>^^ 


2. 

Luther  an  Fr.  Myconius.    1537,  Juli  27. 

[Autographon.  Ungenau  abgedruckt,  wahrscheinlich  nach 
einer  schlechten  Abschrift,  in  Lnther*s  Briefen,  herausgegeben 
von  de  Wette,  Bd.  V,  S.  74]. 

G[ratiam]  et  pacem  in  Christo.  Gratulor  tibi,  mi  Fridrice, 
donatum  tibi  tandem  a  Deo  etiam  Fritzulum.  Satis  intelligo, 
cum  Septem  filias  numeres,  quam  avide  etiam  filiolum  petieris  et 
amanter  ezceperis.  Gratulor  iterum  et  oro,  ut  salvus  tibi  sit  et 
te  patrem  superet  omnibus  donis,  Amen.  Quod  gloriaris,  tuam 
laudari  constantiam  a  Magistratu  tuo,  quod  mihi  petenti  negaris 
sepulchrum  in  tuo  Episcopatu,  Gerte  ego  interim  saepissime  dolui, 
me  non  esse  sepultum  in  tua  civitate.  Nam  restitutus  valetu- 
dini  yideo  quae  non  viderem  sepultus  in  Deo  seu  Gotha,  Sed 
Victor  omnium  Christus  7incit  et  hoc  parvulum  malum.  Sicut 
plures  angeli  sunt  nobiscum  qui  credimus,  ita  multo  plura  bona 
assunt  nobis  qui  videmus.  Nam  etsi  omnes  alii  etiam  ocnlos 
habeant,  tamen  non  vident;  douum  est  videre  dona  Dei,  ut 
1.  Cor.  3.  Paulus  dielt  Salutat  te  maus  Ketha,  gratulans  et 
ipsa  tibi  de  filio  nato,   sed  monet,  ut  a  lacte  filii  temperes  et 


BODEMÄNN,  HAND6CHWFTEN  T.UTHER'B.       295 

matrem  sinas  feriari,  donec  Slias  ablactettir.  Cetera  tu  ut  con- 
jntu  mtelligia,  quamvis  ipsa  quoqoe  desperet,  te  obaecuturum 
moiiitioni  suq.  Vale  in  Domino.  Do  hiatoria  Erpfordensi  velim 
TOS  eiploratia  omnibus  edere  libellum,  quia  ad  gloriam  Christi 
et  miilturum  aolatium  ea  ree  pertioet,  ut  taceam,  quid  '  territura 
sit  papQ  portenta.  1537 

Feria  6.  post  Jacobi.  M.  L. 

Än&ere  Aufechrift  des  Briefes,  auch  von  Lathei's  Hand: 
Clarissimo   viro ,   Domino 
Friderico       Myconio      Episcopo 
dirinQ    civitatis ,    domino    meo, 
fratri  charisaimo 
D.  Marti  Qua  Lutheros 
37. 


Luther  an  Gerard  Biscampius.    1527,  Sept.  2. 

[Äntograpbon.  Abweichend  gedruckt  in  Luther's  Briefen, 
herausgegeben  von  deWette,  Bd.  m,  S.  199.] 

G[ratiam]  et  F[acem].  Ante  acripsi  Montano,  non  tibi,  nunc 
tibi  scribo,  non  Montane,  Mi  Gerarde,  postquam  video,  vos  esae 
iinnm  cor  et  animam  in  Domino.  Tu  ergo  bis  literis  Montane 
ostensis,  gratias  agas,  quod  pro  me  orent  tarn  aoUicite,  qua  ora- 
tione  et  opus  nobis  est,  mihi  imprimis.  Et  gaudeo,  nos  esse 
tantQ  cur^  püs  bominibus.  Sacharin  commentarius  dimidio  ab- 
BolntuB  bactenus  mea  valetndine  diflfortur.  Prophet«  Temacula 
donari  c^ti  itidem  nostra  diapersione  suspendemnt  Organa '. 
Hoc  Jacobe  ideo  dicea,  ut  eo  inatantiua  orari  curet  pro  nobis, 
nt  mmor  pestia  nostrQ ,  verius  qnam  peatis ,  Christo  medico 
öocidat,  et  rursos  noatri  congregentnr  ad  implendum  qnae  sunt 
Bub  incude.  Satanas  enim  i:itnm  pavorem  et  rumorem  concitavit, 
nt  Terbi  cursum  moretur,  quem  vestris  precibus  Christus  sub 
pediboa  nostris  conteret.     Amen. 


1)  Im  Original  ein  q  mit  ei 

2)  So  dieser  Satz  im  Orig. 


396  AKALEKTEK. 

üxores  nostrae  yalde  l^tQ  tao  et  animo  et  dono  gratias 
agunt,  Philippi  uxor  com  ipso,  abest  nunc  Academia.  Pomeranos 
cum  sua  et  mea  mecum  te  officiose  salutant,  promittentes,  sa 
&cturo8,  Deo  favente,  quQ  pr^cribis.  Tu  qnoque  a  meo  filio 
salutatos  vale  in  Domino.     Altera  Septembris  1527. 

Martinns  Luther. 

AuDsere  Aufischrifk  des  Briefes,  auch  von  Luther's  Hand: 

Domino  in  Christo 
Venerabili  firatri 

Gerardo  Xanthensi 
seryo  Dei  fidelissimo. 


^^%^^^^MMN^^^>tf^ 


Aulserdem  besitzt  die  Kgl.  Bibliothek 

Luther'8  Brief  an  Abt  Heino  von  Uelzen  vom  28.  Februar 

1528, 

welchen  de  Wette  HI,  284  ans  der  „ Bremisch -Yerdischen 
Biblothek"  III,  8,  1119  abgedruckt  hat,  in  einer  Abschrift  des 
18.  Jahrhunderts,  auf  welcher  bemerkt  ist:  ^^  Archive  S.  Mi- 
chaelis in  Lüneburg:  Acta  Boldewini  IL  abbatis  ^,  Vol.  11". 
Das  Archiv  des  Klosters  St.  Michaelis  in  Löneburg  ist  firüher 
dem  Kgl.  Staatsarchive  in  Hannover  einverleibt;  daselbst  sind 
aber  jene  Acta  Boldewini  nicht  aufzufinden  gewesen.  —  Der 
Adressat  Heino  war  der  letzte  Abt  des  Klosters  üelzen(-01den- 
stadt),  welcher  sich  im  Jahre  1529  der  Verwaltung  des  Klosters 
zugunsten  des  Herzogs  Ernst  (des  •  Bekenners)  von  Lüneburg 
begab.  —  Die  Abschrift,  die  nicht  firei  von  Fehlem  ist,  bietet 
doch  einige  beachtenswerte  Varianten: 

Zeile   2:  venerabiliter  suspitiendo. 
„      6:  testes  non  modo  (ohne:  sunt). 
„    24:  Paulus  etiam  in  eidolio  christianos  .  .  .   de- 

cernil 
„    )ib:  etiamsi   eidolatiam   [l]   ipsam    ederent,    libera 

conscientia  recte  facere. 


r  Boldewiu  U.  T.  Marenhols  wär  Abt  des  Klosters  St.  Michaelis 
IQ  Liulcburg  I5i6— IX^. 


bodemaks,  hamdscrriften  lütheb's. 

Zeile  31:  mnltis  .  .     .  prodesae  poBsent. 

„     34f. :  deinda  per  fratres  maltis  ia  mundo. 

„     36:  leU  et  secura  conscientia. 
Die  Jutireszabl  im  Datum  fehlt. 


Terschiedene  Aofzeidmimgen  Lnther'B. 

Die  nachfolgenden  eigen  band  igen  Aofzeicbnnngen  Lnther'B 
fand  ich  in  einer  —  mit  der  Bibliothek  des  Abts  Molanuß  von 
liOccum  in  die  Kgl.  QITentl.  Bibliothek  zn  Hannover  gekomme- 
nen —  Oktavanegabe  des  lateinischen  Psalters  von  Bngenhagen, 
welche  sich  in  keinem  bibl  in  graphischen  Werke  (Panzer,  Ebert, 
Brunet,  Graesse  etc.)  verzeichnet  findet:  „Psalterii  Davidia  nova 
et  perpetua  translatio,  per  D.  Joannem  Bugenbaginm  Pomeranum, 
jam  denuo  multis  in  locie  emendata."  Dieselbe  iat  ohne  Druck- 
oit  nnd  Jahreszahl.  Nach  dem  auf  der  letzten  Seite  beSndlichen 
ineigne  typographicum  ist  es  ein  Druck  des  Barthol.  Westhemer 
in  Ba)^e1,  dessen  erster  Druck  (nach  Panzer,  Annal.  tfpagi. 
VI,  315)  m  das  Jahr  1536  fällt.  Da  die  eine  Aufzeichnung 
Lnthei'a  vom  Jahre  1543  ist,  mufs  das  Bnch  aleo  zwischen 
1536  und  1543  gedruckt  sein.  In  diesem  Psalter  finden  eich 
auf  leeren  Blättern  vom  und  hinten  die  nachfolgenden  Ein- 
tragungen von  Luther'a  Hand,  aufserdem  auch  eine  eigenbändige 
Aofeeiobnung  von  Joh.  Hefs,  dem  Reformator  in  Breslau  (t  1547), 
Das  Buch  wird  zuerst  in  Lutber's  Besitz  gewesen  und  dann  in 
Hefs'  Hände  Übergegangen  sein,  welcher  eine  grofse  Bibliothek 
hinterliefs. 

Giebt  auch  diese  neue  Handschrift  Luther'a  für  aeine  äufsers 
Lebensgeachichte  wie  Oberhaupt  fOr  die  Geachichte  keine  grofaa 
Ausbeute,  so  ist  sie  doch  höchst  anziehend  für  sein  inneres  geist- 
liches Leben.  Wie  Luther  den  Psalter  geliebt  und  gepriesen 
hat;  da  man  allen  Heiligen  ins  Heiz  hineioBehe,  ist  bekannt. 
Derselbe  war  sein  Gebetbuch,  und  er  wird  ihn  in  den  scbönen 
Morgenstunden  gebraucht  haben,  welche  er  täglich  zu  Gebet, 
zum  Forschen  in  der  heiligen  Schrift  und  zn  geistlichen  Betrach- 
tungen verwandte.  Wie  wiv  sehen,  bediente  sich  Luther  truti 
seiner  Bibel Gberfletzimg  nach  alter  Gewohnheit  des  lateiniachen 
Psalters  in  Bngonhagen's  verbesserter  Qestait. 


998  AKALEKTEN. 

Die  Anfzeichnnngen  sind  alle  in  lateiniBcher  Sprache:  der 
eine  Teil,  Nr.  1  und  2  in  gebundener  Bede,  in  Distichen,  der 
andere,  Nr.  3 — 6  in  nngebnndener  Bede  geschrieben. 

Die  Anfteichnnng  1  führt  uns  in  die  gewaltigen  Kämpfe 
Lnther*8  hinein.  Bedroht  von  Papst,  Kaiser  und  Beich,  ange- 
laufen von  aller  Welt,  sollte  er  Bat  geben,  ordnen  und  entschei- 
den in  einer  politischen  und  kirchlichen  Lage,  wie  sie  nicht 
schwieriger  zu  denken  ist.  Dazn  k;^m  noch  in  diesen  seinen 
späteren  Jahren  seine  grofse  Leibesschwachheit,  die  oft  seinen 
Sinn  nmwOlkte,  so  dais  er  oft  mit  seinen  schweren  Aufgaben 
weder  ans  noch  ein  wniste.     Dayon  legt  das  St.  1  Zeugnis  ab. 

Die  Verse  Lnther's  snb  Hr.  2  mit  ihren  Kemgedanken  be- 
schreiben uns,  wodurch  seine  Seele  stille  zn  Qoii  wurde  und  auf 
welchen  Grund  sie  sich  setzte. 

Angehängt  finden  sich  sub  Hr.  8  drei  Bibelworte  als  Lebens- 
regeln. 

Die  Hr.  4  und  6  drücken  den  evangelischen  Augapfel,  die 
Bechtfertigungslehre,  in  einer  Weise  aus,  wie  sie  Luther  gern 
hatte.  Da  mochten  ihm  die  vielen  Sünden  und  Gebrechen  des 
Beformationswerkes  zusetzen,  mit  jenem  Glauben  bot  er  dennoch 
dem  Papste  und  den  höllischen  Pforten  Trotz:  dals  Christus  das 
Werk  hinausführen  werde,  wie  er  in  Nr.  5  betet. 

Hr.  6  schlieJDslich  zeigt»  wie  Luther  in  allem  seinem  Anliegen 
den  Psalter  gebraucht  und  sich  aus  der  Dunkelheit  zum  Lichte,  aus 
der  Schwachheit  zur  Kraft  hindurchgerungen,  aber  immer  seinen 
Glaubensweg  von  vom  begonnen  hat,  ohne  sich  je  zu  den  hei- 
ligen und  Yollkommenen  Meistern  zu  zählen.  —  Auch  sehen  wir 
daraus,  wie  Luther,  mit  den  ernstesten  Aufgaben  des  Beiches 
Gottes  beschäftigt,  sich  nicht  nur  in  dichterischen  Gestaltungen 
versuchte,  sondern  auch  ein  sinnvolles  Spiel  der  Gedanken  nicht 
verschmähte. 

1. 

Cum  ignoramus  quid  agendum  sit,  oculi  nostri  ad  te  tolluntur. 

In  tenebris  nostrae  et  densa  caligine  mentis 

Cum  nihil  est  toto  pectore  consilii, 
Turbati  erigimus,  Dens,  ad  te  lumina  cordis 

Nostra  tuamque  fides  solius  orat  opem. 
Tu  rege  consilüs  actus  pater  optime  nostros 

Nostrum  opus  ut  laudi  serviat  omne  tuae. 

2. 

Nullius  est  foelix  conatus  nee  utilis  anquam 
Consilium  si  non  detque  juvetque  Dens. 


BODEHANN,  HAKDBGHBIFTEN  LUTHEB  S. 

Tunc  jnvat  ille  aotem  cum  mens  sibi  conscia  recti 

Mandat]  of&cii  munera  juata  facit. 
Et  simul  auziliam  praeeenti  a  numiae  CHRISTI 

Poscit  et  ejpectat  non  dnbltante  fide. 
Sic  procedet  opus  faustam  populisque  tibique 

Navis  et  aura  tuae  vela  secunda  vehet 
iDvictainque  Dei  dextram  vis  nulla  repellet 

Omnia  cogentnr  cedere  prona  Deo. 
Ipsa  etiam  quamvis  adamanti  incisa  fenmtnr 

Cum  petimua,  cedunt  fata  aerera  Deo. 
Nee  Dens  est  nnmen  Paicarum  carcere  Tinctam, 

Quäle  patabatnr  Stoicus  esse  Dens. 
Ipae  potest  solis  carrua  tnhibere  TOtantes, 

Ipae  Teint  Bcopolos  flnmiaa  atare  jnbet. 


Regula  vitae. 
Commenda  Domino  viam  tnam  et  apera  in  enm,  et  ipse  faciet. 
Non  potest  sibi  homo  sumere  qnidquam,  niai  ei  sit  datum  de  coelo. 
Bioe  me  nihil  poteatis  facere. 


Fidelis  anime  tox  ad  Chris tnm. 
Ego  tnam  p^ocatnm, 
Tq  jnsticia  mea. 

Triumph 0  igitnr  securna 
Qaia  nee  meum  peccatum  ohruet 
tuam  justiciam  nee  jostiuia  tua 
einet  me  esse  aut  mauere  peccatoTein. 
BENEDICTVS  DEVS  AMEN. 

M.  Luther  D.  1543. 


Omnipotens  eterae  Deus,  pater  Domini  nostri  Jeau  Christi, 
conditor  omninm  renim  et  conservator,  cum  filio  tue  [et]  spiritu 
Bancto,  sapiene,  boue,  misericora,  Juste  et  fortia,  miserere  mei 
propter  JESDH  CRBISTCM,  filinm  tnom,  qnem  voluisti  pro 
nobis  esse  vietimam,  mirando  et  veneiabili  consUio  sanctifica  et 
rege  cor  meum  spiritu  saneto  tno.  Juita  promiasionem  dabit 
aobis  alium  nuQÖxXjizoy,  apiritum  veritatis.  Item  dabit  apiritum 
sanctnm  petentibus,  et  verbo  tuo  me  guberna. 


800  AKALEKTEN. 


6. 

USUS  PBalterii  et  scopns. 

Credens  tentatnr  et  tribnlatnri 
Tribnlatas  orat  et  invocaty 
Invocans  exaaditor  et  consolator, 
Consolatos  g^ratias  agit  et  lauda^ 
Landans  alios  instroit  et  docet, 
Docens  hortatur  et  promittit, 
Promittens  minatur  et  urget, 
Qui  credit  minanti  et  promittenti 
Denno  eondem  curcnlum  cnrrit. 


Martinus 
Lutherofl. 
D. 


4. 

Analokfon   znr  Geschichte  des  Reichstages   zn 

Speier  im  Jahre  1526. 

Mitgeteilt 
von  J.  Ney,   Pfarrer  in  Speier. 


I. 

Schon  G.  Veesenmeyer  ^  hat  bemerkt,  daß  die  Geschichte 
des  Beichstags  eu  Speier  im  Jahre  1526  eine  nähere  Beach- 
tung verdiene.  Aber  noch  1880  wurde  die  begründete  Klnge 
erhoben  ^,  daß,  ohtoohl  gerade  dieser  Beichstag  eu  eingehendem 


V)  In  seiner  fn  dem  kirchenhistorischen  Archive  von  Stäudlin, 
Tzschirner  und  Vater  für  1825,  S.  72 ff.  veröffentlichten  Abhandlung: 
Die  Verhandlungen  auf  dem  Reichstage  zu  Speier  im  Jahr  1526  die 
Religion  betreffend. 

2)  Von  W.  Maurenbrecher,  Gesch.  der  kathol.  Reformation 
I,  405. 


NEV,  ZÜE  GESCHICHTE  DES  REICHSTAGS  ZU  SPEIER.       301 

archivulisckem  Studium  herausfordere,  dennoch  seit  40  Jahren, 
seit  Ranke's  Buch,  nur  menigi  dafür  geschehen  sei.  Meine 
Studien  über  den  Speierer  Reichstag  von  1539  legten  es  mir 
nahe,  auch  den  übrigen  dahier  gehaltenen  Reichstagen  der  Me- 
formationszeit  und  besonders  dem  von  1536  besondere  Aufmerk- 
samkeit £u  widmen.  So  habe  ich  allmählich  aus  verschiedenen 
bisher  in  dieser  Beeieltung  unbenülelen  Archiven  ein  ausgedehn- 
tes Material  gesammelt,  welches  eur  Aufhellung  der  Geschichte 
dieses  Reichstags  manches  beiMubrinffen  vermag.  Meine  ursprüng- 
liche Absicht,  dieses  und  noch  weiter  eusanuneneutragendes  Materitü 
in  einer  besottderen  Monographie  eu  verwerten,  habe  ich  vor- 
laufig aufgegeben,  nachdem  ich  erfahren  habe,  dafs  Dr.  Friedens- 
burg nach  der  gleichen  Richtung  seJtr  umfassende  Archivstudien 
gemacht  habe  und  die  Ergebnisse  derselben  in  einer  ausführ- 
lichen Barstellung  jenes  Reiclistags  unter  Beigabe  der  wichtig- 
sten Aktenstücke  demnäclist  eu  veröffentlichen  gedenke.  Da- 
gegen mache  ich  von  dem  Anerbieten  der  Redaktion,  in  dieser 
Zeitschrift  eine  beschränkte  Auswahl  aus  den  von  mir  gesam- 
melten Archivalien  tu  veröffentlichen ,  gerne  Gebrauch  und 
Hinsehe  damit  zugleich  jenes  in  Aussicht  gestellte  gröfsere  Werk 
fiter  den  wichtigen  Reichstag  in  hoffentlich  nicht  unwillkommener 
Weise  vorzubereiten. 

Unter  den  müxuteilenden  Aktenstücken  stelle  ich  voran  eine 
aus  dem  ehemaligen  bischöflich  Slrafsburger  Archive  stammende 
gleichzeitige  Relation  über  die  Verhandlungen  des  Reichstags. 
Dieselbe  findet  sich  in  einem  Bande  des  grofsherzogl.  Landes- 
archivs zu  Sarisruhe,  welcher  außerdem  noch  verschiedene  an- 
dere auf  diesen  Reichstag  sich  beziehende  Akten  und  an  Bischof 
Wilhelm  von  Strafämrg  gerichtete  Originalschreiben  enthält. 
Obwohl  diese  Relation  nicht  gerade  wichtigere  neue  Aufschlüsse 
giebt,  so  dürfte  sie  doch  ein  allgemeineres  Interesse  bieten.  Na- 
mentlich ist  in  ihr  eitie  sichere  Grundlage  zur  richtigen  Da- 
tierung der  einzelnen  Vorgänge  auf  dem  Reicltstage  gegeben. 
Bei  sämtlichen  wörtlich  wiedergegebenen  Archivalien  behalte  ich 
die  Orthographie  des  Originals  bei  und  beseitige  nur  Übermäßige 
Buchstabenhäufungen.  In  der  Interpunktion  sowie  dem  Ge- 
brauche der  großen  Anfangsbuchstaben  habe  ich  mir  dagegen 
Mur  Erleichterung  der  Lesbarkeit  gröfsere  Freiheit  gestattet. 


SOS 

r 
]b 

L  Belation  Aber  die  YnriiMdlnugen  dM  Bfiriiitigi. 

(1526,  25.  JvBi  Im  17.  Ai«ut) 
Au  tai  grotfidiMiogL  GeMnUiadewchif»  rä  SailflniW. 


Yff  BOBlag  Bach  Jf^iaaus  Bapüste  ist  margeam  am  aaft  d« 
ipirita  saBcto  gaauigaa  wordni  ib  dam  Itam  ib  gcgaBwartif- 
hait  1  D.  ^  TBd  aadarer  charfaistea,  tasiaB  Tsd  hana,  ao  aiga- 
Bar  paraoa  ing^cB,  Tsd  dar  ■aiia  a 
kai  der  'ImscIhmm  tob  Tnaat  Tom  wifas  L  Dl  Tsd 
GKoair,  dar  lag^gaB,  TBd  ■bjmb  abwaaaadaB  kajaariidMB  eo- 
■IniniTiaB  ib  dar  Twiamla^fc  ao  glöek  waA  dam  aaqpl 
TOT  daa  steBdoB  daa  rkekhs  aanlgaB  laaaoB:  Eai^dk 
rlNicMa^  tob  k'  Mt  tob  graaeB  m/tm  rmd  Mägm  daa  Ulis« 
BgaadzibaB,  iften  via  ir  Xt 
wfllcw  gmaaB,  TBd  via  ir  Mi 
UBdert  TBd  danoBb  sia  ak  caannanaB  alaa  aift  lallaM  gawalt 


iMit  n  diBck  TBd  gcfrUaB  hcctea,  vit  hü,  du  aia  aüa  voOtaB  die 
ddügOB  des  heilccB 


ikU»  Kit  crtwcteBg;  du  sie,  die  o? 
iz«B  bcasaa  Tarstasd  TBd  iiibim|ii 
Bcch  ikraB  cavmli  las«»  TBd  ir 


diB  Tfri  n  desi  fzr^irlx^aa  xa 


IiHB  3a:r$«w  riwft^;^  vae^  i^fB  yw«b  dar  ffriifwirUBB   daa 

ir&ckal  >«rdSmL  jttäi*  ir  r^xrl  n.  f^  rti  as.  d» 
wil'L     Ajic    T«xbcäitHi   $x-a    rüirfzrssst   mx  fcscBB,   d» 


NET,  ZUR  GESCHICHTE  DES  REICHSTAGS  ZT)  8PEIEB.       308 

der  Ordnung  der  erst  vnd  an  dem  am  aller  mesten  gelegen,  be- 
T&tachlagen  Eolt.  Daneben  wnrd  auch  von  den  forsten  den  chor- 
faraten  angezeigt,  das  bey  inen  diapntirt  worden,  ob  es  beasei 
were,  das  eolicber  ratschlag  durch  die  gemeinen  etend  oder 
darch  ein  vBscbutz  geecheben  solt,  rnd  das  die  furston,  prelaten 
Tsd  grafen  vnd  deren  botschafften  eich  in  diesem  ratschlag  ge- 
tweyt  betten,  nemlich  das  ein  theil  Termeineu  weit,  das  es  nutzer 
md  besser  wer,  dieeu  artickel  durch  die  gemeinen  stend  %n 
be ratsch lageD,  dan  durch  den  vßschutz,  der  ander  theil  vermeint 
das  widerspiel  furderücher  vnd  nutzer  sein.  Das  wollen  sie  den 
churfn  also  angezeigt  haben,  ir  gemut  aach  daruff  zuuernemen. 

Also  haben  die  churfn  auch  for  gut  angesehen,  das  die  ge- 
meinen stend  eolicben  artickel  beratschlagen  sollen,  vnd  ist  alsbald 
der  stette  botschafften  angezeigt ,  das  man  den  ersten  artickel 
am  anfang  für  bandts  nemeu  wnll  vnd  den  beratschlagen.  Das 
baben  die  stett,  souil  deren  der  zeit  zugegen,  zugefallen  ange- 
nomen,  aber  daneben  angezeigt,  das  sie  nie  bewilligt  haben,  dem 
k°  edict  wie  es  gesteh  nachzukomen ,  sich  des  '  tu  vorgenden 
Bheicbstagen  protestiert,  alQ  sie  sich  yetz  aber  protestiren,  mit 
Tndertheniger  bit,  f.  D.  mit  andern  commissarien  sampt  oburfb, 
fo  vnd  stend  des  rheichs  wollen  deßhalben  ein  gnedigs  insehens 
haben.  Dan  wo  sie  solichem  edict  seins  inhalts  sollen  nachkomen, 
so  were  zu  besorgen,  das  daraus  vil  beschwerlicher  irmngen  im 
beiigen  reich  vnd  sonderlich  theutscher  nation  erwachsen  wur- 
den, solicbs  alles  zuuerbuten,  begorten  sie  wieuor. 

Daruff  ward  inen  zn  antwurt,  was  zu  frid,  raw  vnd  einigbeit, 
auch  zu  nutz,  er  vnd  wolfart  dem  heiligen  reich  komen  vnd 
dienen  macht,  das  wurden  die  stend  onzwifel  bedencken  vnd 
dasselbig  furdern  etc. 

Morgens  mitwoch  ist  von  dem  ersten  artickel  beratschlagt  iT.jBDi. 
worden  vnd  der  in  fnnff  theil  oder  puncten  zu  beratschlagen  ge- 
theilt,  vnd  nachdem  sich  die  vmbfrag  etwas  verzogen,  hat  man 
die  stend  widerumb  vff  morges  donderatag  nach  Johannis  Baptiate 
Tmb  acht  vren  vff  das  hauß  bescheiden,  ferrer  von  disem  ar- 
tickel zu  reden. 

Item  vff  morgens  dondorstag,  als  nach  vorigem  abacbeid  zatB.Jimi. 
dem  artickel  hat  wollen  greyffen,  seind  die  botschafften  nemlich 
herzog  Jergen  von  Sachssen  vnd  margrane  Casimiren  von  Branden- 
burg vffgestanden  vnd  sich  beklagt,  das  inen  von  den  beyerischen 
botacbafften  verhinderang  irer  gebarenden  Session  geschehe,  haben 
sich  die  beyeriscben  botschafften  dea  verantwurt  vnd  nach  beider 
theil  genügsamer  verhöre   hat   man   guttüch   zwischen   inen   ge- 

1)  In  der  Relation  war  hier  d«a  Wörlchen  offl  eingefügt,  welches 
nachträglich  durchstrichen  wurde. 


904  analektev. 

liaDdelt,  aber  nicbte  mögen  eruolgen.  Ist  durch  die  stend  bt- 
dacht,  das  man  solich  irtliumb  soll  an  die  f^  D.  als  commiasuieo 
langen  lassen,  das  dan  geschehen. 

Daruff  die  f.  D.  sich  veraemen  lasäen,  sie  wolle  mit  thit 
der  steode  darunder  handeln  vnd  ward  darnach  beiden  theün  b^ 
scheid  geben,  nach  essens  widernmb  vff  das  hauQ  zukamen  ni 
was  sie  sich  vfT  iren  genomenen  bedacht,  zuerofoen. 

Nach  esaens  ward  mit  den  secbsiscben  vnd  brandenbnrgisches 
weylher  gehandelt  vff  dise  meynung,  ob  sie  leiden  mochten ,  äa 
die  commissarien,  so  do  nit  parthjscb  weren,  zwisuhen  inen  gatt- 
lich  Landleten,  vnd  wo  die  gattlicheit  nit  verfieng,  dos  do  f.  D. 
sampt  dem  biBchone  von  Trient  als  commissarien  bescbeid  dar- 
ander geben,  wie  dan  daä  aalbchreiben  des  reichst^  zn  Augspurg 
nechat  verschinen  vermag.  Das  bewilligt  als  bald  die  sechsisch 
botschafft,  so  ferr  es  farderlich  vff  disenn  ilieichstag  geschehe, 
mit  anzeig,  das  sie  sich  der  Session  mittler  zeit  nit  vndernemeii 
weit.  Del^leicben  ließ  sich  auch  die  brandenb argisch  botscbaSt 
veniemen ,  sie  aeye  in  kheinem  zwifel ,  so  die  beyeriscb  bot- 
schafft  Bolicbs  bewillige,  ir  gn  h.  margiaue  Casimire  wurde  eolicbs 
anch  bewilligen.  Solicbs  ward  hertzog  Hanßen  von  UundsmckeD ' 
vnd  der  andern  beyerischen  fursten  botschafften  angezeigt,  die 
sich  darufr  vememen  Hessen:  Dweyl  diser  haudel  das  ganz  banß 
bejem  belangt,  so  weite  ir  notturfft  orfordern,  das  sie  solichs 
an  den  pfalzgrauen  churfa  langen  ließen  vnd  seiner  churfo  gn 
meynnng  vnd  gutbedanken  daruS  vernemen,  vnd  wolten  aUo 
darnff  antwart  geben,  so  man  zum  necbsten  zasamen  kome. 

Also  wm'deu  die  stend  widemmb  bescheiden  vff  morgen« 
Feter  vnd  Pauli  vmb  ein  vr  nachmittag,  alsdan  solten  der  bejre- 
riscben  heren  botschafften  ir  antwurt  geben. 

Die  Relation  giebt  nun  die  ProposUion  der  kaiaerUtüun 
Kommissäre  und  fährt  sodann  fort: 
Di.  Vff  morgen  freytag  vmb  ein  vr  nachmittag  sind  die  stend 
widerumb  erschinen  vnd  haben  den  fursten,  prelaten  vnd  grauen, 
anch  derselbigen  botschafften  erstlich  zu  den  beyerischen  bot- 
HChafften  verordent,  von  inen  zuuememen,  was  sie  sich  gester 
dem  abscheid  nach  bedacht  Daruff  haben  dieselbigen  batschafften 
geantwurt ,  sie  haben  von  iren  herschafften  ein  gemessenen  be- 
nelch,  das  sie  der  Session  halb  nichtzit  bewilligen  oder  zulassen 
sollen;  wo  man  aber  well  guttlich  darunder  handeln,  das  wollen 
sie  hören  vnd  sich  demnach  aller  gebur  vernemen  lassen,  doch 
wollen  sie  sich  irer  session  iur  vnd  für  gebraueben. 

1  Siniinern,  Vater  des  KorfÜTsteii  Fried- 


NEY,  ZÜE  GESCHICHTE  DES  REICHSTAGS  ZU  SPEIEE.       305 

Damff  iat  beratecblagt,  das  man  aolichs  soll  an  die  f.  D. 
P^lftngen  lasBsn,  doch  zanorab  den  chorfo  anzeigen,  vnd  als  soliohs 
den  churfta  alsbald  angezeigt  worden,  haben  die  cburfn  gesagf^ 
sie  wollen  gattlich  handlung  zwiacben  allen  tbeilen  famemen,  md 
80  die  guttlicheit  nit  wol  verfaben,  eo  mog  man  alsdan  die  sach 
an  f.  D.  vnd  a,n  andere  i'  Mt  commissarien ,  so  diaer  sach  nit 
Terwant,  langen  lassen.  Dabey  iat  ea  bliben.  Nnn  bat  der 
msrscbalk  alsbald  allen  standen  abgesagt,  das  sie  morgens  vmb 
T^'  vren  vff  dem  banIS  sein  sollen,  so  woll  f.  D.  eigner  person 
aach  erschinen  vnd  die  Tngeriscb  botschafft  neben  den  stonden 
des  Bbeicbs  boren. 

Vff  sampstag  nach  Fetri  vnd  Pauli  morgens  haben  die  stend  so. jnii. 
fflr  gut  angesehen,  das  man  zu  den  bandlungen  diß  rbeichstaga 
inner  vnd  ehe  die  vngeriach  botscbafft  gehört  werd,  greTffe,  vnd 
bat  man  also  denselbigen  morgen  den  ersten  artickel  den  glanben 
belangend  farhandte  genomen,  vnd  haben  sich  die  charforsten, 
Airaten,  prelaten  vnd  grauen  aampt  den  botachafften  desselbigen 
ersten  artickels  verglichen,  wie  bienach  im  abecbeid  begriffea 
wurt,  vnd  soll  man  nach  essens  den  stetten  aolichs  anzeigen 
Tnd  Tolgents  die  yngerisch  botschafft  verhören. 

Item  nach  esaens  bat  man  den  stetten  solicbs  angezeigt, 
haben  die  stett  begert,  nacJkdem  diser  rhatacblag  etwas  lang  rui 
siob  vff  fiinff  pnncten  lende,  so  begeren  sie,  das  man  inen  des 
ratacblaga  welle  ein  copey  werden  lassen,  sich  daruff  mögen 
haben  zd  bedenchen.  Das  inen  aber  füglich  abgeschlagen  vß 
vrsach,  das  noch  niemants  des  copeyen  habe.  Aber  so  es  in 
abacheid  kerne ,  werd  inen  derselbig  auch  behendigt  Han  hat 
sich  aber  doneben  erbotten,  ob  sie  es  nit  recht  verstanden,  das 
man  ea  inen  noch  ein  mal  ij  oder  drej  muntlich  eroffnen  well. 
Das  haben  sie  also  an  genomen  vnd  soll  ea  inen  noch  einmal 
lasaen  anzeigen. 

Nachdem  bat  sich  ein  irthumb  zugetragen  der  Session  halb 
zwischen  den  marggremschen  von  Baden  rheten  vnd  den  hessi- 
sehen  geaanten.  Des  sich  beide  theil  vor  den  atenden  beklagt, 
vnd  ist  inen  antwurt  worden,  aie  aollen  abtretten,  man  well  diae 
irthumb  an  f.  D.  langen  lassen  vnd  in  anderm  bandeln,  damit 
die  zeit  nit  verlorn,  furfaren. 

Demnach  hat  man  die  vogeriscb  botscbafft  gehört,  die  nach 
fr"  grüß  sagen  vnd  erbieten  seins  konigs  gegen  gemeinen  stenden 
des  rbeicbs  er^elt  bat  das  groß  ernstlich  fumemen  des  tnrcken 
wider  die  krön  vngem  mit  eim  vnaegtichen  kriegsfolck,  so  er 
jbensit  vnd  hiediser  halb  dem  mer  vffmant  vnd  mit  ime  eigner 
person  bringe,  ziehe  also  vff  vngem  zu,  vnd  wiewol  der  kOnig 
in  die  gegenwere  geschickt,  besorg  er  doch,  das  er  on  bilff  dem 
tnrcken  gegen  aolichen  großen  folck  nit  wol  widerstand 

aüttohi.  t.  K.-0.  VIII,  1.  1.  20 


304 


iiAunnr* 


handelt,  aber  nichts  mögen 
dacht,  das  man  solich  irthui. 
langen  lassen,  das  dan  gescl 

Daruff  die  f.  D.  sich  vo      ^ 
der  stende  darander  handelt  ^ 
scheid  geben,  nach  essens  w'. 
was  sie  sich  vfif  iren  genomc'^ 

Nach  essens  ward  mit  d> 
weyther  gehandelt  vfif  dise  m 
die  commissarien,  so  do  nit  \' 
lieh  handleten,  vnd  wo  die  g 
sampt  dem  bischoue  von  Trir 
ander  geben,  wie  dan  das  anf^ 
nechst  yerschinen  vermag.     I 
botschafft,  80  ferr  es  forderli* 
mit  anzeig,  das  sie  sich  der 
weit.     Deßgleichen  ließ  sich 
vememen,  sie  seye  in  kheM^ 
schafft  solichs  bewillige,  ir  gtf ^ 
anch  bewilligen.   Solichs  wi 
ynd  der  andern  beyerischen 
sich  daruff  vememen  liessen:  4^ 
beyem  belangt,  so  welts  ir 
an  den  pfalzgranen  chorfti 
meynnng   vnd  gutbedanken 
darnff  antwart  geben,  so  man 

Also  wurden  die  stend 
Peter  vnd  Pauli  vmb  ein  vr 
rischen  heren  botschafften  ir 


nWnrmbft  Tnd  Nonbof 
1  niiq'f  so  begert  er,  d» 
md;  wo  aber  solichs  in  du 
■  mU  gdtB  lagescliickt  het,  Tsd 
afii  läa  wolt,  so  mochten  tii 
]ih  in  der  gresten  not. 
MBBk  dise  antwart,  man  be- 
,y  nA  tragen  die  stend  eia 
beschwerd.  Nachdim 
vnder  andern  orsachm 
taaelbigen  artickel  greyffea 
iff  am  begem   weyter   antinnt 

ndere  commissarien,  n 

and  brandenbuigischea, 

halb  gehandelt  worden 

die  beyerische   botschafft 

man  inen   gehandelt 

soll  L  D.   inen   auch 

bescheiden  yff  montig 

widenunb  in  erschinen 

iq  ¥isn  haben  die  chor- 
nehdem   die   stett  vff 
sie  fDr  gut  an,  da- 
rfaeichshendeln  furfür. 
artickell  in  der  in- 
ii  vnd  andern  stenden  der- 
weilen sie  also  ftar- 


Die  Bdation  giebt   nun 
Kommissäre  und  fährt  sodan 

29.  Juni.       Vff  morgen  freytag  vmb 
widerumb  erschinen  vnd  haben 
auch  derselbigen  botschafften 
schafften  verordent,   von  inen 
dem  abscheid  nach  bedacht  Di 
geantwurt,  sie  haben  von  iren 
uelch,  das  sie  der  Session  halb 
sollen;  wo  man  aber  well  gattli' 
sie  hören  vnd  sich  demnach  allsi 
wollen  sie  sich  irer  session  für  ^ 


1)  Pfalzgraf  Johann  II.  zu  Sin* 
rieh  in.  von  der  PfEdz. 


der  mereriheil  be- 

ftshandts  nemen  soll, 

•  besehwenmg  beider 

kit  sich  der  irthomb 

vnd  dem  hauB 

len  vnd  branden- 

vft   trotten,   sie 

domit  glidiheit 

iQ  hat  in  summa 

auft  oder  ab- 

balb  vnderret  Nun 

vsB  den  churfb  vnd 

it   worden,   aber 


I 


UICHTE  DES  RKICHSTAGS  ZU  SPEIER.       307 

Tnd  WO  sie  die  atend  betten  megen  die  sach 

'  uder  noch  mechten,  so  weiten  sie  kein  mug- 

■n  Doclt  sparen,  aber  sollend  nochmals  diesen 

fimisaarien  langen    lassen.     Bey    den    secll- 

lurgischea   botöchafften   ist   h.   Philips   Ton 

ilen  vnd  den  stenden  angezeigt,  damit  man 

Jas  er  sich  eigens  fnmemens  in  diso  band- 

"'  die  Bach  die  gestalt:   Es   seyen    die   drey 

-aiJenburg  vnd  Hessen   in  einer  bruderlichen 

nuur    anderm  inhelt,   was   boschworlichs   einem 

L.nrn  begegne,  das  es  die  andern  vmb  hiltf  vnd 

vi  meg.     In  krafft  solichs  verstandts  sie  er  durch 

""Uchafft  zu  einem  beistand  angesucht.     Darumb 

<■!  vrsach  sey  er  also   mit   inen   hie   erschinen. 

.    inarschalk  allen  stenden  angesagt,    dafs  man 

'  uib  vij  vren  wider  vfT  dem  hauß  soll  sein  *. 

i>>4igs,   als   die  stend   vasertbalb   der   atette   ver- a,  juiL 

'  fuldiscb  pottschafft   mit    einer    laugen    red  ange- 

gn  her  Ton  Fuld  gesters  tags  in  der  versamlung 

LiQ  Session  haben  wollen,  sye  seiner  gnaden  intrag 

in    die    forsten   b ottscb äfften ,    als    nemlich    haben- 

I  li^St,  habe  in  nit  wollen   vber    sich   sitzen    lassen. 

:,iß  durch  solch  gezeug*   nitt   Verhinderung   solcher 

ilpß  reichs  obligen  verhindert  (sie),  sye  er  vßbeliben 

i>rii  gesant  befelch  geben,  seine  g.  vff  dem  reichstag 

>.  di>ch  mitt  solchem  protestiren,   daß  er  seinem  hem 

1-    gepurenden  sessiou  nichts   nachgeben   noch   bewilgt 

boiner  g.  rnd  dum  stifft  Fuld  zu  nachteil  irer  gerecbt- 

L'ü  m6g. 

ifeachriben  morgens  batt  man  von  dem  andren  artickl 
I  lien  in  iwen  pnnct  geteil  vnd  daruff  den  andern 
die  band  gencmen  vnd  sieb  entschlossen,  wu  zu 
iüs^elbigen  zu  dornen  wer,  vnd  daß  man  den  ersten 
ruwen  lassen  soll,  byß  man  zu  den  Verordnungen  vud 
:;:aii  kumpt,  vnd  daß  man  sülchs  sölt  den    churfn    an- 

.  si;hickten  die   churfn   zu   den   stenden,   zeigten   inen 
.    TtT  den  artickel  beschlossen,  weiten  iren  beschluß  in 
ili.'n  vud  den  wider  den  stenden  den  eröffnen. 
(j»  mittwncbs  vmb    ein    vr    nach    mitten  tag   hatt  man «.  JiU- 
'.  antwurtt  gebort,   die   haben   sy   in   schrifft   vbergeben, 

.:n,  Fleifs. 
I  'nilitisch. 

I  *»»  Folgende  ist  von  einer  andern  Hand  geschrieben.  i 

'irieftnke.  ■ 


808  ANALEKTEN. 

wie  hernach  uolgt»  ynd  soll  jeder  man  morgens  widemmb  Tmb 
acht  yren  yff  dem  haoß  sein  vnd  volgt  hernach  der  stett  antwnrt 

Es  folgt  nunmehr  eine  Abschrift  des  ,,  Bedenkens  der  Beichs- 
Städte  auf  den  Artikel  kais.  Majestät  ißbergebene  Instruktion" 
(vgl.  Kappens  Meine  Nachlese  II,  665/f.;  Walch  XVI 
247 ff.;  Neudecker,  tnerkwürd.  Aktenstücke  24 f).  Die  von 
hier  an  wieder  von  der  ersten  Hand  geschriebene  Bdation 
fährt  sodann  fort: 

6.  Jiüi.        Auff  donderstag  darnach  hat  man  von  einem  aaßschntz  geret 

Tnd  ist  man  des  zweys  worden ,  also  das  ettlich  ein  yßschutz 
wollen  haben,  die  andern  kheinen.  Ist  volgents  bedacht,  das 
man  solle  vß  vrsachen  wie  man  weyß  khejnen  anßschutz  machen, 
besonder  verordente  rhet  vber  des  Bheichs  beschwerd  setzen  vnd 
die  sach  beratschlagen  vnd  soll  man  nemlich  vier  yon  dem 
geistlichen  ynd  vier  von  dem  weltlichen  banck  darzu  ordnen. 
Die  dan  volgents  geordnet  vff  dem  geistlichen  banck  her  Jerg 
tmchseß,  doctor  Haneuwer,  der  straßbnrgisch  cantzler  vnd  Flerß- 
heimer  thomsenger,  yff  der  weltlichen  banck  doctor  Lux,  Schranten- 
bach»  badenheimscher  cantzler  ynd  g.  Bemhart  yon  Salms.  Ynd 
ist  morgens  solichs  den  chorforsten  angezeigt,  die  fdr  sich  selbs 
anch  ire  rhet  geordent  yon  ir  churf.  g.  wegen,  doch  allein  ynd 
nit  mit  den  andern  stenden  des  reichs  rheten  zu  beratschlagen. 

7.  Jnu.       Am  sampstag  darnach  hat  t  D.  gemein  stend  beschickt  ynd 

inen  forhalten  lassen,  wie  der  knnig  von  Yngem,  sein  Schwester 
ynd  haoßfraw,  auch  sein  regenten  in  niderosterreichischen  landen 
ime  ernstlich  yerbotschaflft,  das  der  turck  mit  einer  grossen  macht 
yff  das  konigreich  Yngem  ziehe  ynd  habe  vier  brücken  yber  die 
Sauw  ynd  Dunanw  gemacht,  die  durch  schicknng  gots  durch  ein 
gewesser  hinweg  geflößt  worden,  ynd  wo  dasselbe  nit  geschehen, 
wer  zu  besorgen,  das  er  yff  disen  tag  in  Yngem  liege.  Darumb 
sein  bit,  das  man  den  artickel  den  turcken  belangend  furderlich 
erledigen  wolt.  Am  andem  ließ  er  anzeigen  die  schrifft,  so  ge- 
mein eidgenossen  der  zwolff  orten  den  stenden  gethan,  die  öffent- 
lich yerlesen  worden,  wie  die  yß  hiebej  gebundenem  truckten 
Buchlin  ^  befunden  werden  mit  B  bezeichnet. 

Yff  den  ersten  puncten  ward  f.  D.  zu  antwurt,  man  hette 
die  Ordnung  k'  Mt  instmction  furgenomen  vnd  wurde  also  yon 
eim  artickel  zu  dem  andem  schreyten. 


1)  Der  der  Relation  beiliegende  alte  Druck  ist  schon  von  Baum 
(Capito  und  Butzer  357)  erwähnt  und  führt  den  Titel:  „Neuwe  Zei- 
tung ynd  heimliche  wunderbarliche  Offenbarung  etlicher  sachen  und 
hanalungen,  so  sich  yff  dem  tag  der  zu  Baden  in  ErgÖw  vor  den 
Sandtbotten  der  Zwölff  örter  der  löblichen  Eydgenossenschafit  .... 
zugetragen  und  begeben  hat." 


NEY,  ZUR  GESCHICHTE  DES  REICHSTAGS  Zu  SPEIER.       309 

Vff  aampstag  nach  Margarethe  '  haben  die  verordenten  rhet  u  Jaii. 
gemeine  atend  bemffen  laisen  vnd  inen  vorgelesen ,  was  sie  be- 
dacht Tnd  beratschlagt  aller  Bai^ramenten  halb,  der  ceremonien 
singen  vnd  lesens  halb  in  der  kirchen  mit  vndertheniger  bit, 
dos  man  la  den  andern  sacben  andere  rhet  verordnen  rnd  die 
jetzgen  rawen  lassen  well.  In  dem  haben  die  stett  ein  suppli- 
cacion  an  gemein  stend  vberantwurt,  wie  die  hernach  volgt  mit 
C  bezeicljnet '. 

Daruff  ist  beratschlajit.,  den  Stettin  im  antwnrt  in  Ereben,  sie 
mögen  soHch  supplicacion  dea  churfn  auch  vberantwnrten ,  vnd 
so  daaselbig  geachebeo,  als  dan  worden  sich  die  Btend  mit  den 
chnrfn  einer  antwnrt  vn  dorre  den  vnd  volgents  inen  die  nit 
bergen.  Daneben  hat  man  für  gut  angeselien,  den  chnrfn  an- 
zuzeigen, das  die  steend  für  gnt  an'<ehe ,  das  man  ein  gemeinen 
außschntz  mache  mit  cbnrfureten,  fursten  nnd  allen  stenden, 
darza  man  auch  zwen  von  etetten  wie  von  alter  her  nemen  solt 

Vnd  ist  den  verordenten  rheten  beuolen  niulitd esterminder 
im  tiandel  furzufaren  vnd  eind  zn  den  chnrfn  verordnet  ber  Jerg 
truchsea,  her  Cristoff  von  Seh wartzen borg,  straßburgi scher  canzler 
TDd  der  von  Helffenstein  ^  Die  haben  solichs  wie  bemtacblagt 
dem  chnrfn  von  Mentz  angezeigt,  der  es  an  die  andern  churfa 
zu  bringen  angenumen  hatt,  vnd  ist  m.  g,  h.  von  Mentz  nach- 
g^dts  *  dnrch  die  vier  widprumb  erinnert  worden. 

In  vergangenen  tagen  hat  f.  D.  anch  bescbeid  geben  den 
forsten,  so  sich  der  Session  halb  irren,  vermog  des  außechreibens, 
nemlich  dennassen,  das  man  die  session  vnd  vmbfrog  vngeuer- 
lichen  halten  soll,  so  lang  diser  reichstag  weret,  doch  jedem 
forsten  seiner  gerechtigheit  in  alweg  vnn  achtheil  ig. 

In  disen  tagen  haben  sich  zutragen  irrung  der  vmbfrag  halb 
zwischen  Mentz  vnd  Sacbssen.  Dnrnnder  haben  die  k"  commis- 
sarien  vnd  cbur forsten  gehandelt. 

Vff  montag  nach  Marie  Magdalene  haben  die  acht  verordenten  m.juii. 
den  stenden  anzeigen  lassen,   was  sie  der   weltlichen   bescbwerd 
halb  beratschlagt.     Ist  durch  die  stend  far  gut   angesehen,   das 


1)  Samstag  n.  Marg.  steht  über  den  durch strichenen  Worten; 
montag  oder  zmatag  darnach. 

2)  Von  dieser  Supplikation  der  Städte  vom  14.  Juli  giebtVeeaen- 
meyer  a.  a.  0,  S.  90ff.  einen  Auszug,  Mit  Unrecht  nimmt  derselbe 
fibrigeoB  S.  89  an,  dafs  die  Städte  damals  schon  im  AuaschüSBe  zwei 
Vertreter  gehabt  hätten,  da  eie  erst  in  dem  am  31.  Juli  eingesetiten 
grofseo  Ausschüsse  zwei  Sitze  erhielten.  Anch  sonst  hat  Veesen- 
meyer  die  Supplikation  nicht  überall  richtig  verstanden. 

8)  Christoph  Freiherr  von  Sehwarzenberg ,  herzogl.  bayerischer 
Land-  und  Oberethoftneister,  Gesandter  des  HerzogH  Wilhelm  von 
Bayern.    Ulrich,  Graf  von  llelferstehi. 

4)  nochgehenda. 


SlO  AKALEKTEN. 

yagglicher  stand  von  forsteo»  prelaten  und  g^rauen  schreyber  duxo 
Terordnen,  die  solichs  abschreybeo,  ynd  das  es  in  gewarsame  Tnd 
geheim  blejb.  Daneben  sollen  die  churfursten  des  gemeinen 
aoftscbnii  halben  ymb  antwort  widemmb  angemant  werden,  dam 
Terordnet  her  Jerg  truchses,  grane  Bernhart  yon  Sulms,  hen 
Bheinhart  von  Nuneck  ^  ynd  der  Straßbnrgisch  cantzler,  die  du 
die  ohnrfursten  all  widerumb  angemant  ynd  antwort  empfangen, 
das  sie  yetz  in  hendel  der  ymbflrag  halb  zwischen  Mentz  ynd 
Sachssen  syend,  ynd  so  dieselbigen  yertragen,  wollen  sie  deih&lb 
den  stenden  weyther  antwurt  geben. 

Yff  gemelten  tag  hat  graue  Jerg  yon  Wertheim  ein  snppli- 
oacion  seiner  schulden  halben,  so  ime  das  regiment  schuldig 
bUben,  ingelegt.  Ist  ime  daruff  geantwurt,  dweyl  solich  soppli- 
eaoion  die  commissarien  ynd  churfursten  auch  belangen,  so  meg 
er  die  an  die  commissarien  ynd  churfh  langen  lassen,  so  werde 
ma]|  ime  sampthafft  antwurt  geben,  ynd  yolgt  nun  hernach  der 
ratschlag  der  weltlichen  beschwerd  halben  mit  D  bezeichnet 

Näeh  Miiteüung  des  ertcähntm  mit  B  signierten  alten 
Drudtes,  der  mit  C  bezeichneten  Supplikation  der  Städte  wegen 
ier  Session  und  Glaubensfrage  vom  14,  Juli  und  des  Ent- 
wurfes des  fürstlichen  Ausschusses  über  die  Beschwerden  der 
WMiehen  gegen  die  Geistlichen  vom  23.  Juli  fährt  die  Be- 
UHon  fM: 
Ml  ML  Yff  sampstag  nach  Jacobi  seind  die  stend  bescheiden,  ist 
inen  angezeigt  worden  yon  wegen  f.  D.  ynd  der  commissarien, 
dl  die  yngerisch  botschafft  treffenlich  ymb  antwurt  ansuche,  dan 
der  tQrck  hab  sich  mit  den  yorbauffen  für  ein  schloß  geleget 
xnd  yber  die  tuneuw  gebruckt,  also  wan  er  dasselbig  schloß  er- 
oberet» sey  dz  gantz  kunigreich  yerloren.  Nu  sey  der  kflng  yon 
ViMT^rn  des  willens,  wo  man  ime  hilff  thun  welle,  das  er  sein 
leib  ynd  leben  ynd  all  sein  yermogen  welle  daran  strecken;  wo 
eber  das  nit,  so  mfiß  er  zu  rettung  seins  libs  ynd  lebens  mit 
d^w  tQrken  annemen,  das  er  lieber  erliesse,  ynd  bet  deßhalben 
e))«4ii  vttb  antwurt,  ob  man  ime  helffen  wel  oder  meg  oder  nit, 
»ioh  darnacb  wissen  megen  haben  zu  richten. 

'A»m  andern  so  sie  (sei)  yon  den  stetten  ein  supplicacion 
i^tftl^t  die  yon  Rotenburg  an  der  Tauber  belangend,  daruff  be- 
MY  wan  die  luuerhoren  ymb  antwurt. 

l>4tfti(r  habend  sich  churfursten  ynd  fursten  mit  einander 
^«4«^f^  ynd  ist  yon  den  fursten  antwurt  gefallen   des   turckens 

t^  Killer  K<dnbard  yon  Neoneck  zu  Glatt,  pfialzneuburffischer 
VMi;^v*    ««    l<*uiu{^»n,   Gesandter  der   Pfalzgrafen    Ottheinrich    and 


halb,   das  man   daseelbig   bis  mentag  Deuhatkomend  welle  berat- 
■chlagen. 

Der  aupplication  halben  sehend  sie  für  gut  an,  das  man  ein 
BODdern  ausacbutz  zd  allen  aupplication en  machte,  das  weiten  ni« 
die  stend  auch  thun. 

Daneben  haben  die  stend  den  churfn  angezeigt,  das  sie  be- 
dacht seyen,  die  antwurt  den  stetten  zunbergeben  yS  die  erst 
bnpplii^cion,  betten,  äae  die  diiirfn  sich  daroff  anch  entscliliessen 
wellend. 

Zum  andern  so  begerend  sie,  das  die  churfursten  inen  ant- 
wart  geben  des  grossen  ausscbutz  halben.  Daruff  die  chiirrn 
geantwnrt,  das  sie  deren  beiden  stOcVeo  noch  nit  entschlossen. 
Aber  biß  montag  wellen  sie  sich  cntschliessen  vnd  antwurt 
geben. 

Vff  montag  nach  Jacobi   seind  die   stend  aber  bej   einander  so 
(^wesen   vnd    habend    sich    mit    den   churfursten    vereibart  ein 
grossen  ausschutz  zn  machen. 

Send  morgens  *  widemmb  zusamen  komen  vnd  von  dem  aus- " 
schütz  gerett  vnd  sich  nit  mögen  vergleichen  biß  nach  essens, 
do  habend  sich  die  ateend  verglichen,  nemlich  von  yedem  banck, 
der  geistlichen  md  weltlichen  funff,  darnach  Ton  den  prelaten 
einen  vnd  von  den  weltlichen  banck  neben  den  fureten  vnd 
denen  von  botschafTton  einen  von  grauen  vnd  ist  von  den  geist- 
lichen erweit  znen  von  furaten,  nemlich  der  bischoue  von 
Wnrtzborg  vnd  Straßburg  eigner  person,  doch  mit  der  bescheiden- 
beit,  wo  sie  nit  eigner  peraon  da  sein  mochten,  das  sie  macht 
haben  sollen,  jeder  einen  seiner  geschicktesten  rheten  an  sein 
etat  do  zu  haben,  darnach  vff  dem  geistlichen  banck  von  den 
botscbafften  Saumberg,  Costentz  vnd  Freysingen  vnd  von  den 
prelaten  den  abt  von  Weingarten,  von  den  weltlichen  fnrsten 
hertzog  Hans  und  der  lantgraue  eigner  person,  von  den  bot- 
schafften der  weltlichen  fursten  doctor  Pack  von  wegen  hertzog 
Jergen  von  Sachssen,  berr  Jerg  von  Streytberg  von  mai^ane 
Casimiren  wegen,  doctor  Vehus  von  des  mai^grauen  von  Baden 
wegen,  grane  Bernhart  von  Salms  von  der  grauen  wegen,  vnd 
wo  doctor  Pack  cranheit  *  halben  nit  erscheinen  mecht,  so  aoll 
doctor  Wendel  Dur  hertzog  Ludwigs  geaanter  ^. 

Als  man  disen  ausschutz  von  beiden  Seiten  verordnet  hat, 
habend  sich  die  weltlichen  fnrsten  beschwert,  das  die  geistlichen 


1)  Ans  der  später  folgenden  Bemerkaas  „bis  t£F  morgen  mit- 
wochen  verrcr  daruff  zu  antwurt«a"  erhellt,  ^fs  Dienstag  der  31.  Juli 
gemeint  ist. 

2^  Krankheit. 

3)  Dr.  Wendel  Dürr,  Gesandter  des  Herzogs  Ludwig  von  Pfals- 
Zweibriicken, 


812  ANALEKTEN. 

ken  sitz,  so  es  inen  nit  will  gelegen  sein  eigner  person  zn  er- 
schinen,  dorcli  ire  rhet  versehen  wellen,  ist  damnder  yorbediogt, 
das  die  geistlichen  fursten  jeder  nit  mer  dan  einen  rhat  soll 
bej  ime  haben  in  dem  aasschutz,  ynd  so  der  geistlich  fürst  nit 
erscheinen  mag  eigner  porson,  soll  er  denselbigen  rhat  an  sein 
statt  setzen  vnd  soll  denselbigen  rhat  nit  verendem. 

Zum  andern  habend  sich  die  weltlichen  forsten  beschwert, 
das  die  geistlichen  fursten  nit  einen  vom  hanß  Österreich  in 
ausschutz  genomen  haben,  ynd  haben  solichs  den  geistlichen 
forsten  angezeigt  zn  bedenken. 

Zum  dritten  haben  sich  die  weltlichen  fursten  beschwert,  das 
doctor  Faber,  der  als  ein  botschafft  beider  fursten  Basel  ynd 
Eostentz  verordnet,  in  ausschutz  erweit  sein  sol,  vmb  nachuolgen- 
der  vrsach  willen,  dan  er  predige  hie  vnd  mecht  anß  seiner 
predig  vermerkt  werden,  was  ime  ausschutz  gehandelt  ward. 

Zum  andern  so  sey  er  in  der  disputacion  zu  Baden  gewesen, 
darumb  sey  er  diser  sach  argwenig. 

Zum  dritten  so  habe  er  nechstmals  die  brieff,  so  an  die  ge- 
meinen stend  von  den  eidgenossen  außgangen,  trucken  lassen. 

Zum  vierden  das  er  dem  zuwider  vnd  dagegen  geschriben, 
80  ettlich  stend  glauben  kristenlich  vnd  recht  sein,  vnd  also  der 
sach  argwenig. 

Ynd  wie  wol  die  geistlichen  fursten  vnd  botschafften  daruff 
behart,  dweyl  er  von  zweyen  geistlichen  fursten,  als  nemlich 
Kostentz  vnd  Basel,  alher  verordnet  vnd  also  in  krafft  seins 
mandats  angenomen,  von  gemeinen  stenden  gedult  vnd  yetz  in 
disen  vßschutz  geordnet,  das  man  inne  dann  dabey  soll  lassen 
bleyben. 

Daruff  die  weltlichen  fursten  widerumb  angehalten  seiner 
person  halben  vnd  vß  vrsachen  wiener. 

Daruff  habend  sich  die  geistlichen  fursten  zubedencken  ge- 
nomen biß  vff  morgen  mitwochen  verrer  daruff  zuantwurten. 

Daneben  hat  man  ein  ußschutz  gemacht  die  supplicationes 
zu  machen,  nemlich  vom  geistlichen  banck  zwen  vnd  vom  welt- 
lichen Banck  auch  zwen  vnd  seind  von  dem  geistlichen  banck 
verordnet  die  augspurgische  botschafft  vnd  der  tusch  comenthur 
von  Franckfurt  vnd  von  dem  weltlichen  banck  die  braunschweigisch 
botfichafft  vnd  graue  Philips  ^  von  Falckenstein  von  wegen  des 
hertzogen  von  Gulchs. 

In  dem  ist  auch  von  den  geistlichen  fursten  vnd  deren  bot- 
schafften bedacht,   das   die   acht  verordneten  rhet    in    den    be- 


1)  sie.  Es  ist  Wirich  von  Dhun,  Graf  von  Falkenstein  und  Herr 
von  Oberstein  gemeint,  welcher  den  Herzog  von  Jülich  auf  dem  Reichs- 
tage vertrat. 


SET,  ZUR  GESCHICHTE  DES  REICHSTAGS  ZV  SPEIER.       313 

schwerden  der  geistlichen  vnd  der  vnderthanen  furfaren  GOllen. 
Des  haben  siub  die  neltliclicn  furaten  beschwert  in  bedacht,  das 
die  selbigen  rhet  ettlich  in  großen  außschutz  von  irer  herren 
'wegen  TOiordnet,  ettlich  hei  iien  herren,  so  im  aiiBSchnti  sind, 
blejhen  müssend.  Danimh  wolle  es  steh  nit  schicken,  an  zwejen 
orten  einsmals  zu  sein. 

Sc  ist  anch  bey  den  geistlichen  bedacht  des  hanß  Oster- 
Teichs  hulben,  das  hienor  vfF  kheinem  rheicbstag  das  hauß  Öster- 
reich oder  derselbigen  botschafft  in  die  ausschutz  gebraucht  wor- 
den seyen.     Darumb  laß  man  es  auch  diser  zeit  also  bleyben. 

In  disem  handel  ist  graue  Albrecht  von  Manßfeld  vor  den 
geistlichen  forsten  vnd  deren  botschafTten  erschineo,  bat  ange- 
zeigt von  der  gemeinen  grauen  wegen  im  Hartz,  das  dwejl  die- 
aelbigen  grauen  in  allen  anlagen  des  reychs  nit  gering  ange- 
schlagen sejen,  so  sej  ir  beger,  das  man  dieselbigen  grauen  wie 
andere  grauen  auß  Schwaben  vnd  am  Rbeinstrom  auch  ein  stand 
vnd  stim  im  reichs  rbat  geben  «eile. 

Ist  ime  geantwurt,  er  mege  solicbs,  wo  es  nit  geschehen,  an 
die  chiirruräten  vnd  die  weltlichen  farsten  vnd  deren  botschaCFten 
langen  lasaen,  so  well  man  sich  mit  denselbigen  vnderreden  vnd 
ime  antwurt  widerfaren  lassen. 

Vff  moi^ens  mitwochen  nach  Jacobi  habend  die  geistlichen  i-  Ang. 
fnrsten  beschlossen,  das  man  den  Fabm  halten  soll  in  dem  aus- 
achutz.  Das  hat  man  den  weltlichen  fursten  angezeigt,  dabey 
habend  sie  es  lassen  blejben  vnd  inne  also  daby  lasaen  bliben,  vnd 
mmhdem  die  weltlichen  fursten  begert,  das  man  der  geistlichen 
beschwerden  dem  ausBchuti  zq  beratschlagen  vberantwurten  soll. 
Das  haben  die  geistlichen  zugelassen,  doch  mit  der  maß,  das 
dieselbigen  beschwerd  alsbald  nach  dem  artickel  den  turcken 
belangend  vor  handta  genomen  werd. 

VfF  donderstag  nach  vincnla  petri  ist  der  groß  ausschule  »■  ^"t- 
zusamen  komen.  Do  haben  f.  D.  vnd  die  gemeinen  k°  commisaarien 
her  Wilhelmen  truchses  vnd  f.  D.  cantzler  zu  dem  ausschutz 
verordnet  vnd  inen  anzeigen  lassen,  nes  von  k'  Ht  inen  vfT  der 
post  znkomen,  vnd  nemlich  das  man  khein  andemng  in  dem 
kricitenlichen  glauben  fumemen  soll. 

Ist  beratschlagt,  dweyl  aolicber  fUrtrag  gemeine  stend  benire, 
das  solichei  furtrag  vor  gemeinen  etenden  geschehen  soll. 

Also  ist  momdags  freyt;^  vor  gemeinen  stenden  solicbs  be-  '■  *"«• 
ach  eben.  Daruff  hat  man  der  commissarien  botecbaCft  bitten 
lassen,  das  sie  wellend  gemeinen  standen  solicbs  furtrags  abscbrifFt 
verfolgen  lassen,  damit  sie  sich  statlichor  haben  damff  zu  be- 
dencken  vnd  einer  einhelligen  antwurt  znentschliessen.  Das 
habend  die  botecbafften  der  commiasarien  vff  bindersich  bringen 
an  ire  gste  vnd  g°  heren  genomen  anmbringen. 


314 


Die  Bdatiam  ifidd  mm  äk  hdtammie  taisiwUdke  Insinfktm 
vom  23.  WkTM  1526  ($.  Kapp.  NaeU.  U,  680 f.  umd  WaUk 
Xn,  244ff.)  und  fährt  dmm  fürt: 

Tff  solieha  insinietioii  habend  sich  die  efavfiinteii  Tndenit 
▼nd  beeehloesen  y  f.  D.  Tnd  den  k"  commifwarien  diee  «otwoit 
in  geben,  nemlich  das  man  der  commissarien  forirag  gebort  hab, 
Tnd  nachdem  der  ansschniz  in  solichem  artickel  den  glaaben 
behugend  noch  nit  homen.  So  man  aber  in  demselbigen  artickd 
hemoy  80  wolle  der  aosschnti  solichs  ks  benelchs  ingedenck  tm 
Tnd  danmder  halten,  das  sie  es  xiraorab  gegen  got  dem  almech- 
tigen,  k*  Mt  md  allen  krisienlicben  stenden  mit  eren  Tnd  kristen- 
lichen  wol  xanerantimrien  wissen  werden. 

^Solichen  ratschlag  haben  die  chnrforsten  den  stenden  ange- 
zeigt, die  die  sach  auch  beratschlagt,  Tnd  sich  aber  getejlt, 
ettlich  der  chmfarsten  meynuig  soge&Uen,  die  andern  habend 
gemeindt,  man  solle  bey  f.  D.  Tnd  den  commissarien  er&ren, 
was  man  forther  im  anßschutz  handeln  soll,  damit  man  k'  Mt 
beaelch  nit  zuwider  handle,  Tnd  habend  sidi  also  diso  zwo  mey- 
nong  in  gleich  getheilt,  also  das  ydestheils  stimmen  ens  als  tU 
gewesen  ist  als  das  ander. 

Solichs  ist  den  churfh  antragen,  die  habend  angenomen  deren 
Tota,  die  do  Tff  der  chnrforsten  meynong  Tnd  antwurt  gefallen 
seind.  Damff  habend  die  yff  dem  weltlichen  banck,  so  inne 
ansschntz  Torordnet,  die  Tff  dem  geistlichen  banck,  so  auch  in 
ansschutz  Terordnet,  zu  inen  berofft  Tud  begert,  das  sie  neben 
inen  von  wegen  des  großen  ausschutz  die  churfn  bitten  wollen 
inen  zu  raten,  wes  sie  sich  further  in  dem  ausschutz  halten 
sollen,  damit  sie  bei  k'  Mt  in  bedacht  jüngster  instruction  nit 
Tertrießen  Tnd  in  vngnaden  fallend.  Das  habend  die  Tom  anß- 
schutz vff  der  geistlichen  banck  nit  thun  wollen.  Also  habend 
die  Tff  der  weltlichen  banck  solichs  für  sich  selbe  den  churfursten 
antragen. 

Daruff  die  churforsten  sich  bedacht  Tud  mit  wiß  und  willen 
anderer  freunden  inen  solichs  abgeleigkt  (sie)  vnd  daruff  beschlossen, 
das  man  solle  Ton  den  churfursten  vnd  andern  stenden  Tier 
Terordnen,  die  obangezeigte  antwurt  der  f.  D.  Tud  anderen 
k°  commissarien  geben  sollen.  Solichs  hat  man  den  stetten 
auch  angezeigt,  die  habend  daruff  antwurten  lassen,  das  sie  Tff 
k'  Mt  jüngsten  beuelch  ein  schrifftlich  antwurt  Terfaßt,  die  sie 
begert  haben  zuuerlesen.  Als  auch  geschehen,  vnd  daneben 
habend  sie  weyther  gemeinen  stenden  zu  erkennen  geben,  nach- 
dem die  in  dem  grossen  ausschutz  von  den  besch werden  reden 
sollen,   80   haben  sie  ire  beschwerd  auch   ingelegt,   die   sie  dan 


s 


^ 


VEY,  ZUR  GESCHICHTE  DES  REICHSTAQtt  ZU  8PEIER.       316 

in   geschrifft   vberantwurt   haben.      Das  habend   die    chnrfarBtan 

Tnd  andere  Etend  in  bedencken  genomen  '. 

Volgend  sind  die  commissarien  far  den  großen  Tsschntz  komen 
Tnd  dem  angezeigt,  wie  vor  fiirüchlich  dnrchlouchtikeit  die  von 
Bottenbnrg  an  der  Thnber  sampt  der  try  Tod  reicbstett  potschafften 
•iBchiDen  voä.  eich  becUgt,  inh  wider  aij  ein  groß  gewerb 
!»yge  in  dem  stifft  Mentz,  Pfak,  Wirtzburg  vnd  Wirttemberg,  mit 
ftngebencbtem  boger,  daß  man  fiij  bey  recht  hanthabe  vnd  vor 
^walt  Bcbutz  vnd  schirmen  wolle.  Nun  habe  f.  D.  ylentz  in 
AaB  lant  Wirtzbarg  gescbriben,  vm  sOlichs  abzuwenden.  So  stj 
dartifr  f.  D.  beger,  ie&  TS9cbutz  gutbedunckon  biorin  ZQneraemen. 
Ist  inen  geantwurt,  es  hab  Mentz,  Ffaltz  vnd  Wirtzburg,  alsbald 
Bottenburg  vor  den  stenden  sopHciert ,  binder  sich  geachriben 
in  abwenduDg  solche  gewerbs.  do  neben  wellen  eij  inen  nicht 
bergen ,  daß  hßloh  der  von  Rottenburg  suplication  dem  kleinen 
vaschutz  geben  vber  die  euplacon  gemacht,  von  dem  sig  noch 
kein  antnurtt  gefallen,  vnd  secb  sj  for  gntt  an,  daß  ein  gemeine 
mandat  von  f.  D.  als  stathalter  wider  dioselbigen  gewerh  anD- 
geen  etc.  Haben  die  commissarien  angenomen  an  f.  D.  zu 
pringen. 

Nach  Mitteüung  der  mü  der  Bemerkung  „Montags  «ocÄ 
Vincula  petrj"  —  6.  Avffusi  —  eingeleiteten  Antwort  der 
Städte  auf  das  Vorbringen  der  kaiserlichen  Kommissäre  vom 
3.  August  keifst  es  in  der  wieder  von  der  ersten  Hand  ge- 
schriebenen Selation  weiter: 

Volgentä  hat  der  groß  ausschntz  bedacht ,  nachdem  der 
iborcken  hilff  zum  furdorlicbsten  beratschlagt  werd,  dweyl  die 
Tngerisch  botschafTt  so  ernstlich  anbelt,  vnd  daneben  anch  m 
vnderhaltnng  fridena  in  tbcutscher  nacion  die  moTglich  groß  not- 
inriTt  erfordere,  das  man  die  zweyung  vnsers  kjistenlichen  glan- 
bens  auch  erledige  vnd  zu  Iriden  bringe,  vnd  damit  kbein  artickel 
den  andren  irre,  das  man  dan  des  turcken  zugs  halb  ein  eundem 
kleinen  ausschntz  mache  von  kriegsfursten  und  andern  der  kriegs- 
verstendigen,  vnd  das  der  groß  ausschutz  doneben  nichts  dester- 
minder  in  andern  artikeln  üirfar,  wie  dan  durch  sie  vnsers  glan- 
bens  halb  besobehen  vnd  daniff  beratschlagt,  das  man  in  bedacht 
der  ersten  vnd  letsten  k'  Mt  instniction  ein  iTeffenliche  bot- 
schafft von  gemeinen  stenden  zu  k'  Mt  verordnen  soll  mit  einer 
instmctioD.  Solichs  ist  alles  an  die  gemeinen  stend  gelangt, 
die  haben  solicbe  des  großes  anischntz  mejnung  inen  gefallen 
lassen  vnd  daniff  habend  alle  stend  zum  tnrckenzug  einen  aas- 
echutz  geordnet,  nemlicb  acht,  zu  denen  sollend   die   drey   com- 

])  Du  Folgende  ist  von  der  zweiten  Hand  geecbrieben. 


3U 


a5a1£ST£5. 


V(. 


Die  jRelnlh ,. 
«wn  23.  März  . 
XVI  244fr.)     . 

Vflf  soliche 
▼nd  bescblosM 
3ra  geben,  neu 
▼nd   nachdem 
belangend  norii 
kerne,  so  w< 
▼nd  darunde 
tigen,  k«  M^ 
lieben  wo]  / 

Solichen 
Migt»   die  • 
ettlich  der 
gemeindt,   . 
was  man  h 
beneich  nii 
nnng  in  ir: 
gewesen  i> 

Solich^ 
▼ota,  die 
seind.     I) 
ausscbutz 
ausschut ' 
inen  vors 
inen  zu 
sollen,  t: 
▼ertrioßj 
schütz  \ 
die  vff 
antragoi: 

Dar 
anderer 
das  m.: 
▼erord! 
k°    cüj: 
auch  a 
k'  Mt 
begort 
haben  • 
dem  <■ 

OAlInn 


^\if«!i?.  3i-:-*a  vnd  Brandenburg  auch  ber-fr 
::  rrj  ücchütz  die  instruction    vnd  wt: 
_e,  T«::«  2'^'-  beraUcLlagen. 

^«^  .Eniy^hlig  und  Bedenken"    des  großrf. 
..immk Instruktion,  worauf  die  Ikhitiin 

aeunpti'inem  marie   ist  f.  D.    vor   furii^n 
fO  -r?ciiiDen  nid  begeren   lassen,    das   m-E 
-/-rsfli«  hilff  halb  entschliessen    well  Tn-i 
.  .-...«ei  in  der  k°  instruction  auch  erledigen. 
:  eniPT  können  oder   mögen    hüben ,  diD 
j  3*  bötschafft  komen,   wie  der  turck  vk-r 
-u.iin  3"^^  *^^  schloß    erobert,   deßhalben 
"i  .-imzuiielien  ernstlich  erfordert. 
'-    iirer?  worden,  man  sey  in  steter   handlung 
"I-"iü  iia«  oMi  Yolgents  von    gemeinen    sten- 
"*  •  :er  algerischen  botschafft   bei    ime   zu- 
"***  ^ir  •'«stalt  vnd  mi*  ^^   hi*8S    dem   könig 
T  V  enden  hilff  zn  helflfen   sey.     Daruff  er 
^•aem  konig  khein  bescheid  oder  beueloh 
Vjnreden,  dann  die  selbig   maß  sjge  vff 
-  ^  J"j|8chlössen,  daruff  sich  der  konig  hoch- 
-^'**^.  !^j  Tod  das  solichs   die   Wahrheit.     So 
_-    ju  der  konig    von   Bolen    vnd    sein 
'  *.    -affl  verstand  verbuntnis  seyen,  das  sich 
" "   *     ait  dem  turcken   vertragen   soll.     Nun 
"*^^er  »it  "getragen,   das   die    turcken 
*      '  rid  der  hoffmeister  in  Preußen  den  konig 
-"''**^    ^jgBS.  Dweyl  er  aber  denselbigen  allen 
^"^**^.,.^"init  seiner  landtsschaft  vnderrct   vnd 
-   '  ""'^^^  ^j  gjch  mit  deren  einem  vnd  sunderlich 
"^  tnen  vertragen  soll.     Dweyl  vnd  aber  er 
^         *  niong  eich  on  wiß  vnd  willen  der  krön 
^*^-   ^'  ^^  jjjib  mögen  vertragen ,   het   er   von 
-  ^"*vtfchafft  lu  dem  konig   von  Vngern   ab- 
„i..  -*  •*•*    ^nieigen   laäsen.      Dweyl    aber    der 
-»  ■^•'^  g^iiche^  lugesagte  hilff  der  theutschen 
-•-   "'  .-    ßo  hett  er  dem   kenig   von   Bolen 
--    «r-*^^  '       zunertragen  vnangesehen  gemelts 
•*•  ■**  ™  dann  vom  konig  von  Bolen  geschehen 
^^'"^  ?„rfken  vertragen,  vnd  wo   er   solt  ge- 
.1.  ***.  ^„jfftigen  not  vere,  die  zugesagte  hilffe 


NEY,  /XR  ÜESCHICHTE  DES  REICHSTAGS  ZV  SPEIER-       317 

^bei  -nacioD  nit  solte  verfolgt  werden,  so  bett  er  dem  konig  von 

mit  Dichten  bewilligt,  sich  mit  dem  tarcken  zunertragen. 

MJ   sein  beger,   wie   er   vor  toh  wegen  sein«  koniga 

1  standen  geworbon  hab. 
'  doueben  weUe  er  for  sein  penon  rad  nit  tB  boneich 
i  diso  ansejgung  ttaan  nd  acht  md  het  dafür,  wo 
in  der  ej\  ein  knecht  vier  oder  fQnff  th&naend  haben 
lie  man  on  zwifel  in  eim  tag  Tffbringen  Tnd  in  züg  tagen 
I  das  land  in  Tngern  bringen  mecht,  das  ea  ein  soliche 
steteknng  dem  gemeinen  nun  in  Vngem  vnd  ein  eoliche  fbrcht 
in  die  tharcken  komen,  das  es  der  sacli  heelilich  dienen  mecht, 
Tnd  wuid  dds  geschre;  mer  thim,  dan  so  man  dre;  alls  nl 
Tolcks  im  land  zu  Yngem  bette,  dan  man  nit  sagen  ward,  du 
^lein  r"  mann  kemen,  sondern  wnrde  ein  geachrey  weiden, 
gsm  thentscbe  nation  were  ?ff.  Non  habe  er  den  etenden  an- 
geieigt  den  inzug  des  turckens,  sein  ankunfft  in  das  knnigreich 
Yngem,  die  erobemi^  dea  Testen  hauß  Peter  gwardein.  Aber 
es  hab  bey  vilen  kbein  glanb  sein  wollen,  als  er  acht,  das  üe 
es  noch  nit  glauben,  Tnd  sehe  er  für  gnt  an,  das  man  jemits 
mit  ime  hinab  geschickt  hette  die  sach  za  erfaren,  mit  andern 
tU  mer  reden  vnd  anieigangen. 

DamtF  ist  ime  antwort  worden  wie  hernach  Tolgt  tale 
sigma. 

Nach  Mitteilung  dieser  Antuort  fährt  die  Selation  fort: 
Vff  dise    antwnrt  ist   ein   instmction   gemacht   wie   hernach 

TOlgt. 

Tolgento  ist  man  rhetig  worden  des  ersten  artickels  halb  in 
k'  instrnction  ein  hotsch^  za  V  Mt  zuaerordnen  mit  nach- 
nolgender  Inatraction. 

Damit  schliefst  die  eigentliche  Relation.  Die  ioeiter  in  d«m 
Sande  folgenden  Aktenstücke  stehen  ohne  besondere  eitUeitendt 
Bemerkungen  unvermitleU  n^en  einander. 


ANALBKTEH. 


"1 


IH  i  s  c  e  1 1  e. 


Lnthor'a  Motto    za    dou  SohmalkBldlsohen  Artikeln. 

Bekanntlich  ist  die  Heidelberger  BibÜotbeb  so  glDcUicb,  die 
Urschrift  der  später  aogenaunten  Scbmalkaldischeii  Artikel  ni 
besitzen,  die,  nachdeni  schon  früher  Marheinecke  einen  Abdruck 
besorg  hatte ,  zum  Lutherjubilänm  von  K.  Zangemeister  in  vor- 
löglicher  FaksimUe  -  Wiedergabe  unter  Mitteilung  der  ver- 
Bcbie denen  Teite  herausgegeben  worden  ist.  (Die  Schmalkal- 
diachen  Artikel  vom  Jahre  1537  nach  D.  Martin  Luther'a 
Äutograph  in  der  üniversitätsbibUotbek  zu  Heidelberg  zur  vier- 
bundertjährigen  Geburtstagsfeier  Lnther's  herausgegeben  Ton 
Dr.  Karl  Zangemeister.  Heidelberg  1883.  4.)  Das  erst« 
Blatt  des  betreffenden  Codex  (423  Pal.),  dessen  Äu&chrift  „Die 
Artickel  1537",  wie  ich  schon  anderwärts  (Deutsche  Litteratui- 
xeitnng  1884,  Nr.  27)  bemerkt  habe,  nicht  von  Luther  sondern 
von  Spalatin  herrührt,  trägt  eine  Art  Motto  Ton  Luther's  Hand, 
das  ziemlich  andeutlich  geschrieben  bisher  noch  kaum  richtig  ge- 
lesen worden  ist  Nach  dem  ziemlich  verunglückten  Yersuch 
Maiheinecke's,  es  zn  entziffern,  hat  sich  E.  Uerrmann  in  einer 
eigenen  Abhandlung  (Ein  kurzes  Vorwort  zu  den  Schmalkaldischen 
Artikeln.  Zeitechrift  für  Kirchenrecht  XVII  [N.  F.  IT],  1882, 
S.  231fr.)  damit  beschäftigt.  Er  las:  „His  satis  est  doctiinae 
pro  vita  ecclesiae  |  Cetenim  in  politia  et  oeconomla  |  satis  est 
legum  quibus  veiamur  |  ut  non  sit  opus  praeter  has  |  molestias 
fingere  alias;  quas  novimus,  nt  sit  malitiae  flnia."  Dagegen  liest 
Zangemeister:  „Eis  satis  est  doctriuae  pro  vita  ecclesiae.  j  Ce- 
tenim in  politia  et  oeconomia  |  satis  est  legnm  quibus  nixemar,  | 
Vt  non  sit  opus  praeter  has  |  molestias  fingere  alias,  qnia  mo* 
nemur  |  ,Sufficit  diei  malitia  sua'."  Diese  Lesart  wurde  Ton 
mir  nur  unter  Beanstandung  von  monemur  (bei  Herzog,  Tbeol. 
Bealencjkl.,  Bd.  XIII,  S.  593)  gebilligt.  Indessen  eine  nähere 
Betrachtung  scheint  mir  an  zwei  Stellen  eine  andere  Lesung 
nötig  zu  machen.  Erstens  glaube  ich  auf  die  Ueirmann'scbe 
Lesung  des  von  Zangemeister  mit  , monemur'  wiedergegebenen 
Vf Ortes  zurückgehen  zu  sollen:  statt  mnmr  (eise  wie  ich  glaube 
unmögliche  Abkürzung)  lese  ich  non  ins  =  nouimns,  was  anch 
einen  viel  besseren  Sinn  giebt.  Femer  ist  in  der  ersten  Zeile 
picht  ecclesiae  zu  lesen,  von  dem  stark  abgekürzten  Wort  ist 


■f  SUICi  AK» 


did 


yielmehr  deotlich  xa  erkennen,  das  etwas  nach  unten  gezogene 
Zeichen  für  ae  (f),  sodann  t,  dessen  hinaufgexogener  unterer 
Ausläufer  er  auszudrücken  scheint,  so  dals  ich  yorschlagen  möchte 
zu  lesen  aeter(na).  Damit  würde  auch  ohne  Zweifel  der  Gegen- 
satz zu  den  leges  politiae  et  oeconomia  hesser  zum  Ausdruck 
kommen.     Das  Ganze  würde  dann  lauten: 

His  satis  est  doctrinae  pro  Tita  aetema. 
Caeterum  in  politia  &  economia 
satis  est  legum  quibus  nixemur 
yt  non  Sit  opus  praeter  has 
molestias  fingere  alias  quia  nouimus 
sufficit  diej  malitia  sua. 

Tk.  KMe. 


NACHEICHTEN. 


1.  Unter  der  Überschrift:  ^^Ist  die  sogen.  Lehre  der 
zwölf  Apostel  echt?'',  bringt  das  Archiv  für  das  katho- 
lische Eirchenrecht,  herausgegeben  von  Vering,  1885| 
Heft  4  einige  Mitteilungen  aus  amerikanischen  Zeitungen 
des  vorigen  Jahres,  die  unwichtig  aber  nicht  ohne  Interesse 
sind.  Ein  Korrespondent  des  Bostoner  Advertiser  ist  durch 
die  Schwierigkeiten,  die  ihm  gemacht  worden  sind,  ab  er 
eine  Seite  der  Handschrift  der  didaxi^  hat  photographieren 
lassen  wollen,  dazu  gebracht,  in  der  didaxi^  eine  Fälschung 
des  ehrwürdigen  Bryennios  selbst  zu  vermuten.  Die  ameri- 
kanischen Gelehrten,  so  klagt  er,  hätten  die  Echtheitsfirage 
gar  nicht  ernstlich  erwogen,  „der  grofse  Name  Hamack's 
genügte,  um  die  amerikanischen  Herausgeber,  Professoren 
und  Rezensenten  wie  eine  Herde  Schafe  nach  sich  zu  ziehen''. 
Die  „illustrierte"  Ausgabe  der  didaxtj  von  Schaff  hat  in- 
zwischen ein  Faksimile  der  Handschrift  gebracht,  und  damit 
werden  auch  wohl  die  Zweifel  des  gelehrten  Korresponden- 
ten des  Advertiser,  die  Professor  v.  Scherer  im  Archiv 
a.  a.  O.  gewils  zu  ernsthaft  nimmt,  ihre  Erledigung  ge- 
funden haben. 

8.  Da  in  Bd.  VH,  Nr.  47  der  Nachrichten  auf  Hilgen- 
feld's  Mitteilung  bezügl.  des  cod.  Carmel.  des  Herrn as  hin- 
gewiesen wurde,  darf  hier  nicht  unerwähnt  bleiben,  dafs 
nach  einer  neuen  Mitteilung  Hilgenfeld's  (Heft  3,  S.  384) 
die  betr.  Hai^schrift  bereits  früher  wiedererkannt  und  so- 
weit als  nötig  verglichen  worden  ist,  vgl.  Harnack,  TheoL 
Lit.-Ztg.  1877,  Nr.  23,  Sp.  626 f. 


NACHRICHTEN.  321 

8.     Prof.  Dr.  E.  Nöldechen   in  Magdeburg  behandelt 

Iin  Hilgenfeld'B  Zeitschrift  für  wiseeDsch.  Theo).  XXVIII,  4, 
:B.  462—490  „die  Lehre  vom  ersten  Menschen  bei  den 
christlichen  Lehrern  des  zweiten  Jahrhunderts"  in  einer 
Weise,  die  bei  der  WiilkUrlicbkeit  der  Stoffnuawohl  und 
dam  Fehlen  richtiger  Methode  achwerÜch  nutzbarer  werden 
konnte,  als  sie  geworden  ist, 

4.  Da  der  den  Amniian  -  Ausgaben  angehängte  sogen. 
Anonymus  Valesii  schon  von  Gibbon  als  eine  sehr 
brauchbare  Quelle  tur  die  Geschiebte  Konstantin's  erkannt 
ist,  verdient  die  sorgfältige  Kieler  Inauguraldissertation  von 
W. Ohnesorge  „der  Anonymus  Valesii  de  Consfantino "  1885 
(f(ir  M.  2.  60  käuflich  in  der  Zentralstelle  ilir  Dissertationen 
und  Programme  von  Gustav  Fock,  Leipzig,  Neuraarkt  3) 
die  Beachtung  aucli  der  Kirchen  historiker.  Ohnesorge  weist 
zuerst  nach,  dafs,  wie  vereinzelt  schon  anerkannt  war,  das 
erstere  der  beiden  Stücke  des  Anonymus,  das  auf  die  Zeit 
von  293 — 337  sieb  bezieht,  mit  dem  zweiten,  die  Jahre  von 
474 — 526  betrefl'enden  in  keiner  Weise  zusammenhängt 
(S.  1—32).  Dann  (ä.  32  —  84)  untersucht  er  das  bislang 
gründlich  noch  nicht  erörterte  Verhältnis  des  ersten  HtUckea, 
des  „Anonymus  de  Constantino",  zu  andern  Quellen;  wäh- 
rend er  dabei  die  von  andern  behauptete  Abhängigkeit  von 
Jordanes,  dem  Panegyricus  von  313,  Lactanz,  Euseb,  Eutrop 
und  Ammian  zurückweist,  sucht  er  eine  schon  von  F.  Görre» 
behauptete  (vgl.  Teuffel-Schwabe,  Geschichte  der  röm. 
Litteratur,  §  429,  9,  S.  1013)  Benutzung  des  Anonymus 
durch  OrosiuB,  ferner  eine  Bekanntschaft  des  Laterculus 
Polemii  Silvii  (Teuffei,  §  74,  9)  mit  dem  Anonymus  zu  er- 
weisen. Diesen  gut  begründeten  Resultaten  seiner  Forschung 
fügt  0.  in  Kap.  3,  ü-  84 — 107  neben  einer  Würdigung  des 
Quellenwertes  des  Anonymus  und  der  Fixierung  seiner  Ent- 
■tehungszeit  und  seines  Entstehungsortes  —  in  Rom  zwischen 
363  und  417  —  die  minder  wertvolle  Hypothese  hinzu, 
dafs  die  vier  auf  einen  christlichen  Autor  hinweisenden 
Stellen,  in  denen  auch  die  Erwähnung  Julian 's  sieh  befindet, 
Interpolationen  seien,  nach  deren  Streichung  nichts   hjp''«'"^ 

Zsiucht.  t.  K.'O.  VLir,  I.  '2.  21  ^fl 


322  KACHRICHTEK. 

in  dem  AnonymoB  einen  Zeitgenossen  Eonstantin'tf  zu  sehcm 
der  dem  Cbristentom  fem  stand. 

ft.  Die  Indices  scholarum  von  Marburg  ftir  dbs  Sommer- 
semester 1885  leitet  Professor  Theodor  Birt  mit  emer 
Abfaandlang  (de  fide  christiana  qaantara  Stüichonis  aetate 
in  aola  imperatoria  occidentali  valaerit  dispotatio,  p.  III 
ad  XXIII  4®)  ein,  die,  auch  wenn  einige  ihrer  Resnltste 
lieh  als  unhaltbar  erweisen  sollten  ^,  dennoch  von  Bedeutung 
bleibt  ftkr  die  Geschichte  der  christlichen  Kultur.  Von 
CSlaudius  Claudianus,  den  Birt  herauszugeben  beabsichtigt, 
nimmt  er  den  Ausgang.  War  Claudianus  wirklich  ein  Heide? 
Er  wäre  in  diesem  Falle  schwerlich  am  Hofe  speziell  bei 
Stilicho  so  geschätzt  gewesen  (?  cf.  Fabricius-Harles, 
Bibl.  graeca  VI,  793  not.  y  über  Themistius).  So  gewifs 
Stilicho,  obwohl  er  als  Regent  die  opportune  Kirchenpolitik 
des  Theodosius  im  wesentlichen  fortsetzte,  dennoch  ein  Freund 
der  heidnischen  Bildung  war,  ja  in  den  Verdacht  kommen 
konnte,  mit  dem  Heidentum  zu  sympathisieren,  so  gut  kann 
Claudian  trotz  des  mythologischen  Gewandes  seiner  Muse 
ein  Christ  gewesen  sein.  Ja  er  ist  es  gewesen,  er  polemisiert 
nie  gegen  das  Christentum,  und  man  hat  keinen  Grund, 
ihm  das  Carmen  Paschale  (Teuf fei,  Gesch.  der  röm.  Litt, 
4.  Aufl.,  439,  St.  7)  abzusprechen.  Dann  aber  kann  aus 
Claudian's  Geistesrichtung  auf  die  Stilichos  und  des  Hofes 
zurückgeschlossen  werden:  Stilicho  hat,  soweit  es  mit  der 
Politik  sich  vertrug,  die  ihm  die  Klugheit  gebot,  wirklich 
mit  dem  Heidentum  sympathisiert  und  es  geschützt,  freilich 
religiös  weder  für  das  Christentum  noch  für  das  Heidentum 
interessiert.  Als  bezeichnend  für  letzteres  sieht  Birt  es  an, 
dafs  Claudian,  dessen  de  quarto  consulatu  Honorii  er  als 
eine  Bearbeitung  der  ähnlichen  Rede  des  Synesius  an  Ar- 
cadius  erweist,  alles  auf  die  Religion  Bezügliche  in  seiner 
Vorlage  einfach  wegliefs. 


1)  Inzwiflchcn  hat  Harnack  (Theolog.  Litteraturzeitung  Nr.  11, 
8p.  252)  überzeugter  sich  ausgesprochen:  „Recht  wahrscheinlich** 
habe  es  Birt  gemacht,  dafs  Claudian  Christ  gewesen. 


NACHKICHTBN.  323 

ft.  F.  Görrea  epricht  in  Beineo  „Beitr&gert  zur 
Hagiographie  der  griechischen  Kirche"  (Zeitschrift 
für  wisseoachaftl.  Theol.  XXVIII,  4,  S.  491—504}  zuerst 
A)  von  Menaeen  und  Menologieen,  um  ihre  völlige  Unzuver- 
läaaigkeit  zu  erweisen,  B)  von  dem  schon  den  grofscn  Kappa- 
dociern  bekannten  Märtyrer  Mamas,  um  den  Märtyrertod 
desselben  wegzubringen  aus  Aurelian's  Zeit,  der  nur  spätere 
Quellen  ihn  zuweisen.  Im  ersten  Abschnitt  sind  die  Menaeen 
den  Menologieen  gegenüber  unterschätzt,  denn  in  den  litur- 
gischen Stücken  steckt  bisweilen  ältere  liia torische  Über- 
lieferung als  in  den  biographischen. 

7.  F.  Görres':  „Zwei  Beiträge  zur  spanischen 
Kircbengeschichte  des  sechsten  Jahrhunderts", 
A)  Miro,  König  der  spanischen  Sueven  (570—583),  B)  Mau- 
Bona,  Bischof  von  Merida  (f  606)  (Zeitschrift  für  wissen- 
Bchaftliche  Theologie  XXVIII,  'S,  S.  319-332)  sind  zwei 
lose  Blätter  aus  den  Vorarbeiten  für  Görres'  demnächst 
in  den  Jahrbüchern  tür  prot.  Theol.  erscheinende  Abhand- 
lung über  Leovigiid  und  den  gleichfalls  hier  angekündigten 
Artikel  Leander  von  Sevilla  in  Ersch's  und  Gruber's  En- 
cyklopädie.  Die  Blätter  selbst  enthalten  Altes  und  Neues 
in  der  für  Encyklopädieartikel  passenden  Proportion. 

8.  In  kurzen  Bemerkungen  „Zu  Martin  v.  Bracara" 
macht  Dräseke  in  der  Zeitschrift  iiir  wissenachaftl.  Theol. 
XXVIII,  4,  S.  504f.  darauf  aufmerksam,  dafs  Görrea  in  der 
in  Nr.  7  erwähnten  Abhandlung  und  Caspari  in  seiner 
Schrift  über  Martin  v.  Bracara  (lb83J  die  vorzügliche  Aus- 
gabe der  formula  bonestae  vitae  von  A^'eidner  in  einem 
Programm  der  Domschule  von  Magdeburg  (l«72)  übersehen 
haben.  In  Teuffel's  Gesch.  der  röm.  Litteratur,  4.  Aufl., 
1882,  §  494,  2  ist  sie  genannt. 

9.  Im  „Neuen  Archiv  für  ältere  deutsche  Geschichts- 
kunde"  X,  2,  S  412—423  giebt  Dr.  P.  Ewald,  einer  der 
Herausgeber  der  Jaffö'schen  Kogeata  pontiff,  den  Text  und 
«ne  Besprechung  der  Akten  zum  Schisma  des  Jahres 

21* 


324  NACHRICHTEN. 

530,   welche  der   Mailänder  Amelli  in    einem    bereits  be- 
kannten  Codex    der  Eapitelbibliothek  in   Novara  gefunden 
und  in  einem  offenen  Brief  an  Abbä  Duchesne  d.  d.  2.  Ja- 
nuar 1883  zuerst  publiziert   hat  (in  „Lsl  scuola  cattolica", 
anno  XI,  vol.  XXI,  Heft  122).     Dem  Text  (S.  413—415) 
liegt  Amelli's  Publikation  zugrunde,  daneben  sind  die  Emen- 
dationen    von    Duchesne    benutzt,    der    in    den    Mölanges 
d'archöologie  et  d'histoire  3**""*  annöe,  fasc.  3,  Mai  1883  die 
Akten  besprochen  hat,  und  einige  neue  einleuchtende  Besse- 
rungen   vorgenommen.      Textkritischen    und    -erläuternden 
Anmerkungen  (S.  415 — 418)  folgen  historisch-kritische  Aus- 
führungen.    Urkunde  l  (praeceptum  papae  Felicis)   fordert, 
80  neu  auch  ihr  Inhalt  ist,   keinen   weiteren  Kommentar: 
sterbend  ernennt  Felix  den  Archidiakon  Bonifatius  zu  seinem 
Nachfolger  und  bedroht  jeden  Opponenten  mit  dem  AnatheoL 
Auch  Urkunde   3   (libellus,   quem    dederunt    presbiteri  LX 
post  mortem  Dioscori  Bonifatio   papae  d.  d.  27.  Dec.  530) 
macht  keine  Schwierigkeiten:   60  Presbyter  machen   durch 
Verdammung  des  toten  Gegenpapstes  Frieden  mit  Bonifatius. 
Kurze  Nachrichten   des  Papstbuches  in   der    vita  Bonifatii 
und    vita  Agapeti  werden    durch    diesen    libellus    bestätigt, 
auch  die,  dafs  fast  alle  Presbyter  für  Dioscur  gewesen  seien. 
Denn  aus  viel  mehr  als  60  Presbytern  kann   das  römische 
Presbyterium   kaum   bestanden  haben.     Schwieriger   ist   die 
historische  Beurteilung  der  zweiten  der  drei  Urkunden.   Eine 
Contestatio  senatus  verbietet  bei  Geldstrafe,  noch   bei  Leb- 
zeiten des  Papstes  eine  Neuwahl  zu  betreiben,  droht  dem, 
der  sich  ernennen  läfst,  mit  völligem  Güterverlust  und  mit 
Exil.     Ewald  nimmt  an,  diese  zweite  Urkimde   sei   das  aus 
einem   Hinweis  auf  ein   Senatskonsult  von   530   bestehende 
Dekret,  welches  nach  Cassiodor,   variarum  lib.  IX,  16    auf 
Befehl  des  Königs  Athalarich  durch  den  Stadtpräfekten  Sal- 
vantius  etwa  im  Jahre  533  ante  atrium  beati  Petri  apostoli 
aufgestellt  wurde.     Schon   die  Form   der  Urkunde   (senatus 
amplissimus  praesbiteris  ....  duximus  perferendum  am- 
plissimum    senatum    decrevisse  .  .)   zeige,   dafs   ein   anderer 
den  Senatsbeschlufs  eitlere,  dafs  nicht  der  Senatsbeschlufs 
selbst  vorliege. 


NACHRICHTEN.  325 

10.  Im  Neuen  Archiv  X,  3  bespricht  MommBen  die 
in  der  vorigen  Nummer  genannten  Akten  bzw.  das  materiell 
wie  formell  IntereBsan teste  der  drei  Stucke,  die  conteetatio 
aenatuB.  Die  inhaltliche  Identität  des  Senat Bbeschlusses  von 
630  mit  dem  späteren  Erlafs  des  Athalarich  nimmt  auch  er 
an,  doch  sieht  er  in  der  Urkunde  den  „offenen  Brief  des 
Senats  an  die  Geistlichkeit"  selbst  und  erörtert  namentlich, 
wie  die  Form  dieser  Urkunde  mit  dieser  Annahme  sich 
vertrage.  Der  Senat,  für  dessen  Kompetenz  in  jener  Zeit 
diese  Urkunde  in  ihrer  Einzigartigkeit  ein  imgemein  wich* 
tiges  Dokument  sei,  publizierte  seine  Beschlüsse  nicht 
selbst;  dies  that  der,  welcher  den  Senatsbeschlufs  veranlafst 
hatte.  Das  werde  damals  der  jeweihg  anwesende  höchste 
Beamte  gewesen  sein,  und  die  Publikationsformel  habe  wahr- 
scheinlich konstant  anonym  gelautet :  Amplissimum  senatum 
qui  consuluit  ....  In  diesem  Sinn  sei  der  Eingang  der 
Urkunde  zu  paraph rasieren. 

11.  In  den  Sitzungsberichten  der  königl.  preufsischen 
Akadenoie  der  Wissenschaften  1885,  8  ist  ein  am  15.  Januar 
gehaltener  Vortrag  des  Geheimrat  Brunner  über  das  Alter 
der  lex  Alamannorum  publiziert,  der  bei  der  Bedeutung 
dieser  lex  für  die  Kirchengeschichte  —  vgl.  Rettberg, 
Kirchen geschichte  Dcufachlands,  Bd.  II,  S.  23ff.,  woselbst 
die  Einführung  der  lex  in  den  Anfang  des  sechsten  Jahr- 
bnnderta  gesetzt  wird  —  hier  nicht  unerwähnt  bleiben  soll. 
Brunner  geht  davon  aus,  dafs  man  allgemein  von  den  drei 
Redaktionen  der  lex,  die  Merkel  in  seiner  Ausgabe  im 
dritten  Band  der  leges  der  Monum.  Germ,  unterschieden 
hat,  der  lex  Hiothariaua,  Lantfridana  und  Karolina,  die 
letztere  bereits  aulgegeben  habe,  da  ihre  Eigentümlichkeiten 
als  auf  dem  Wege  der  handschriftlichen  Überlieferung  entstan- 
den sich  ausweisen.  Brunner  unternimmt  sodann  den  Nach- 
weis, dafs  auch  die  HIothariana  und  Lantfridana,  deren  Unter- 
scheidung durch  Merkel  zwar  mehrfach  bestritten  ist  (von 
de  ßozi^re,  Hinschius  u.  a.),  aber  doch  auch  Anerkennung 
gefunden  hat  (\A'aitz),  nur  verschiedene  Textgestalten  nicht 
Redaktionen  der   lex   seien.   Textgestalten,   die  in  den  ver- 


326  NACHRICHTEN. 

schiedenen  Handschriften  völlig  in  einander  übergingen,  und 
sucht  dann  zu  erweisen,  dafs  diese  eine  Redaktion  der  lei 
durch  Herzog  Lanfrid  zur  Zeit  Chlotar's  IV.  (717 — 719) 
auf  einer  alemannischen  Stammesversammlung  zustande  ge- 
kommen sei. 

li.  Ohne  Rücksicht  auf  die  in  der  vorigen  Nummer 
genannte,  erst  mit  den  Korrekturbogen  dem  Verfasser  zu- 
gegangene Abhandlung  von  Brunner  giebt  im  Neuen  Archiv 
X,  3,  S.  467  —  505  Dr.  Karl  Lehmann  einen  Beitrag 
^Zur  Textkritik  und  Entstehungsgeschichte  des  ala man- 
nischen Volksrechts^^  Auch  Lehmann  nimmt  nur 
eine  Redaktion  der  lex  an,  doch  so,  dafs  er  in  dem  sogen, 
pactus,  zu  dem  er  die  additamenta  hinzunimmt,  eine  die  lex 
vorbereitende  Privataufzeichnung  erkennt,  in  der  nichts  über 
das  siebente  Jahrhundert  hinausweise.  Nach  textkritischen 
Ausführungen  über  die  Handschriften  der  lex  versucht  Leh- 
mann sodann  mit  Gründen  innerer  Kritik  die  zweite  Hälfte 
des  siebenten  Jahrhundeii»  als  die  Entstehungszeit  der  lex 
zu  erweisen,  in  diesem  Ansatz  und  in  der  Auftassung  der 
lex  als  Königs-  nicht  als  Herzogsrecht  anders  urteilend  als 
Brunner. 

IS.  Band  CIX,  Heft  1  (1885)  der  Sitzungsberichte  der 
phil  -  historischen  Klasse  der  kaiserlichen  Akademie  der 
Wissenschaften  zu  Wien  enthält  S.  319  —  398  eine  auch 
separat  in  Kommission  bei  Gerold's  Sohn  erschienene 
„kirchengeschichtliche  Studie ''  von  Dr.  Fritz  Stöber: 
„Zur  Kritik  der  vita  S.  Joannis  Reomäensis 
t  540"  (cf  Dictionary  of  Christ  Biogr.  IH  Joannes  Nr.  503). 
Von  den  drei  Rezensionen  dieser  vita  (vgl.  die  von  Stöber 
noch  nicht  gekannte,  aber  zum  Teil  nun  antiquierte  Anm.  1 
bei  Wattenbach,  Geschichtsquellen,  5.  Aufl.,  Bd.  I,  S.  113): 
l)  bei  Roverius,  Reomaus  (Paris  1637)  und  in  den  Act 
SS.  BoU.  Jan.  28,  2)  bei  MabiUon  A.  SS.  O.  B.  I,  632  ff., 
3)  in  einem  Cod.  Paris,  lat  11748  erweist  Stöber  in  dieser 
methodisch  musterhaften  Untersuchung  letztere,  leider  sehr 
verstümmelt  erhaltene  als  die  Urform,  die  Mabillon's  als  eine 


^ 


NACHRICHTEK.  337 

»sketiBchä  Schroffheiten  uad  Mirakel  mildernde  Bearbeitung, 
die  erstgenannte  als  eine  Kompilation  aus  den  zwei  andern. 
Zugleich  macht  er  sehr  wahrscheinlich,  dafs  der  Verfasser 
der  ursprünglichen  Rezension  kein  anderer  sei  als  Jonas, 
Mönch  r.  Bobbio,  damals  Abt,  wie  Stüber  wohl  mit  Recht 
meint,  eines  fränkischen  Klosters. 

H.  Die  schone  und  instruktive  „Karte  der  Ent- 
wickeiung  des  römischen  Reiches"  tod  Wilhelm 
Sieglin,  welche  der  in  LieteruDgen  erscheinenden  „Qe- 
Bchichte  des  römischen  Kaiaerreichs  von  Viktor  Doi-uy,  über- 
setzt von  Prof  Dr.  6.  Hertzberg"  beigegeben  ist,  kann  se- 
parat mit  acht  Seiten  Quellen belägen  für  M.  1.  50  bezogen 
werden.  F.  Loofs. 

15.  In  Band  CX,  167—174  der  Sitzungsberichte  der 
kaiserlichen  Akademie  der  WisBensc haften  zu  Wien  giebt 
S.  Brandt  ein  Verzeichnis  der  in  dem  Codex  169  von 
Orleans  vereinigten  Fragmente  von  Handschriften  latei- 
nischer Kirchenschriftsteller,  darunter  ein  bisher 
seinem  Fundorte  nach  nicht  bekanntes  Fragment  aus  Cyprian. 

Th.  B. 

1«,  Die  von  Duchesne  veranstaltete,  jetzt  in  einem 
zweiten  Fascikel  vorliegende  Ausgabe  des  Über  ponti- 
ficalis  (premier  fascicule,  Paris,  Erneat  Thorin,  1884, 
deuxi^me  fascicule,  ibid.  1885)  ist  mindestens  ebenso  wert- 
voll durch  ihre  Einleitung  als  durch  die  Herstellung  und 
den  Abdruck  der  verschiedenen  Redaktionen  des  Papst- 
buches.  Die  Einleitung,  von  der  bisher  CLXXXiv  Seiten 
vorliegen ,  enthält  im  ersten  Kapitel  f p.  I  —  XXXll)  eine 
Übersicht  über  die  Geschichte  und  Chronologie  der  Päpste, 
soweit  sich  Ansätze  zu  einer  schriftlichen  Fixierung  der- 
selben vor  Abfassung  des  liber  pontificalis  finden,  Im 
zweiten  Kapitel  (p.  xxxiii  —  XLViii)  sucht  der  Heraus- 
geber die  Abfassungszeit  des  ältesten  Teiles  des  Über  ponti- 
ficalis näher  zu  bestimmen  und  gelangt  hier  zu  dem  Er- 
gebnis, dafa  die  ersten  Aufzeichnungen  des  über  pontificalis 


328  NACHRICHTEN. 

unter  Hormisdas  (514 — 523)  etattfanden,  und  von  einem 
Verfasser  herrühren,  der  als  Zeitgenosse  Anastasius  U.,  des 
Hormisdas,  Johann  I.  und  Felix  IV.  die  im  über  pontificalis 
über  diese  Päpste  (von  496—530)  befindlichen  Nachrichten 
niedergeschrieben  hat,  woran  sich  dann  eine  Fortsetzung  bis 
Silverius  (bis  537)  geschlossen  haben  soll,  welche  wahr- 
scheinlich aus  der  Feder  eines  Augenzeugen  der  Belagerung 
Roms  durch  Vitiges  stammt  Im  dritten  Kapitel  (p.  XLvm 
bis  Lxvn)  behandelt  Duchesne  den  catalogus  felidanos 
sowie  den  catalogus  cononianus,  die  nach  ihm  auf  einer  ge- 
meinschaftlichen Grundlage  —  einem  bis  auf  Felix  IV. 
reichenden  ältesten  liber  pontificalis  —  beruhn,  in  der  Ab- 
sicht, aus  jenen  beiden  den  letzteren  zu  restituieren.  Weiter- 
hin verbreitet  sich  der  Herausgeber  im  vierten  Kapitel 
(p.  Lxvm  —  CLXiu)  zum  Zweck  der  Feststellung  der  von 
diesem  ältesten  liber  pontificalis  benutzten  Quellen  über  die 
Angaben  desselben,  sofern  sie  sich  beziehn  l)  auf  die  Na- 
men und  die  Reihenfolge  der  Päpste,  2)  auf  das  Vaterland 
und  die  Familien  derselben,  3)  auf  die  Dauer  der  Ponti- 
fikate,  4)  auf  die  Martyrien  der  Päpste,  5)  auf  die  unter 
den  verschiedenen  Pontifikaten  berichteten,  wichtigsten  hi- 
storischen Ereignisse,  6)  auf  die  Disziplinarvorschriften  der 
römischen  Bischöfe,  7)  auf  die  Kirchenstiftungen  und  Do- 
tationen vonseiten  der  Päpste,  8)  auf  die  von  ihnen  voll- 
zogenen Ordinationen,  9)  auf  ihre  Begräbnisse  und  10)  auf 
die  Sedisvakanzen  des  päpstlichen  Stuhles.  Das  fünfte  Ka- 
pitel, welches  die  verschiedenen  Manuskripte  des  liber  ponti- 
ficalis behandelt,  sieht  erst  im  dritten  Fascikel  seinem  Ab- 
schlufs  entgegen.  Was  dann  den  Text  des  liber  pontificalis 
in  seinen  verschiedenen  Redaktionen  anlangt,  so  hat  Duchesne 
auf  den  bisher  erschienenen  296  Seiten  zuerst  den  liberia- 
nischen Elatalog  zum  Abdruck  gebracht  —  indem  er  gleich- 
zeitig den  Versuch  macht,  den  ursprünglichen  Wortlaut  des- 
selben wiederherzustellen  (S.  1—9)  —  daran  die  verschie- 
denen Kataloge  vom  fünften  bis  zum  siebenten  Jahrhundert 
(S.  13—41),  sowie  das  firagmentum  laurentianum  (S.  43 — 46) 
gereiht,  und  geht  dann  an  das  immerhin  sehr  kühne  Unter- 
nehmen, aus   dem  catalogus  felicianus  und  dem  catalogus 


NACHRICHTEN.  329 

cononianuB  aUein  eineo  ältesten  über  pontificalia  zu  rekoD- 
Btruierea  (S.  47 — 113),  indem  er  in  drei  Kolumnen  den 
Text  der  beiden  genannten  Kataloge  und  die  von  ihm  vor- 
geschlagene ursprüngliche  Fassung  nebeneinanderstellt.  Wird 
diese  Rekonstruierung  des  ältesten  über  pontificalia  auf  so 
schmaler  Grundlage  gewil'a  auf  vielseitigen  und  berechtigten 
Widerspruch  atofsen,  so  darf  doch  Ducheflne  auf  volle  An- 
erkennung rechnen,  soweit  ea  sich  um  die  von  ihm  (S.  114 
bis  2dC)  in  Angriff  genommene  Ausgabe  der  späteren  Re- 
daktion des  über  pontiticalis  handelt,  der  die  beigetiigtea 
Anmerkungen  einen  besonderen  Wert  verleihen. 

17.  Im  „Neuen  Archiv"  (Bd.  X,  S.  453  —  465)  be- 
richtet Waitz:  „Über  die  Italienischen  HandschrÜten  des 
liber  pontificalis",  die  er  auf  einer  Reise  im  Frühling 
1884  einer  Revision  unterworfen  hat  und  macht  bei  der 
Gelegenheit  mit  Nachdruck  auf  die  Vatican.  3761  ala  auf 
„eine  der  wichtigsten  und  interessantesten  Handschriften" 
aufmerksam,  die  aber  biaher  die  ihr  schon  um  ihres  Altera 
willen  (^Saec.  X)  gebührende  Beachtung  nicht  gefunden 
habe. 

18.  Die  von  Löwenfeld  herausgegebenen  „Epiatolae 
Fontificum  Homanorum  ineditae"  (Lips.  1885,  VI  u. 
288  P-)  enthalten  424  bisher  nicht  veröffen dichte  Briefe 
der  Päpste  von  Gelasius  I.  bis  Cölestin  III.  (493— J 198). 
Dieselben  sind  aus  drei  Fundgruben  geschöpft:  l)  aus 
Handschriften  der  Pariser  Nationalbibliothek ,  2)  aus  einer 
im  Besitze  der  Gesellschaft  der  Monumenta  Germaniae  be- 
findlichen Kopie  der  „collectio  Britannica"  und  3)  aus  einem 
Codex  des  Kollegium  8.  Trinitatis  zu  Cambridge. 

19.  Von  der  unter  Direktion  Wattenbach's  erscheineo- 
den  zweiten  Ausgabe  der  Jaff^'schen  „Regesta  Fonti- 
ficum Romanorura"  hat  der  7.  Faacikel  (Lipsiae  1885) 
die  Preaae  verlassen;  derselbe,  der  die  Jahre  1106 — 1130 
umtafat,  ist  wie  der  5.  und  6.  Fascikel  von  Löwenfeld  be- 
arbeitet. 


330  NACHRICHTEN. 

20.  y>Die  Geschichte  der  Römischen  Kirche 
▼OQ  Leo  I.  bis  Nikolaus  V*  (Bonn  1885,  IV  und  858  &) 
von  J.  Lange n,  welche  sich  als  Fortsetzung  der  vom  Ve^ 
£Eisser  1881  vei'öffentlichten  ,;  Geschichte  der  römischen  Kirche 
bis  zum  Pontüikate  Leo  V  ankündigt;  bringt  allerdings 
keine  neuen  weittragenden  Gesichtspunkte  und  überraschen- 
den Resultate,  aber  die  ausgereiften  Früchte  einer  besonne- 
nen, der  Unparteilichkeit  des  mit  Rom  auf  gespanntem  Fufse 
stehenden  Professors  alle  Ehre  machenden  Quellenforschung, 
die  durch  ihre  Vertrautheit  mit  der  neuesten  Litteratur  den 
Leser  in  den  Stand  setzt,  sich  rasch  einen  Einblick  in  die 
wichtigsten  Fragen  dieser  an  verwickelten  Hypothesen  über- 
reichen  Periode  der  Papstgeschichte  zu  verschaffen. 

21.  Die  Geschichte  der  Kirche  insbesondere  aber  des 
Papsttums  im  12.  und  13.  Jahrhundert  hat  in  Jungmann's: 
„Dissertationes  selectae  in  historiam  ecclesiasticam,  T.  V 
(Ratisbonae,  Neo-Eboraci  et  Cincinnatii  1885,  510  S.) 
eine  unverwässert  kurialistische  Behandlung  gefunden«  die 
an  Schönfärberei  inbezug  auf  die  Motive  und  Handlungs- 
weise der  Päpste,  an  zelotischem  Hafs  gegen  die  deutschen 
Herrscher  wie  gegen  die  häretischen  Richtungen  jener  Epoche 
nichts,  dagegen  an  Kritik,  Quellenmaterial  imd  Bekannt- 
schaft mit  der  neuesten  Litteratur  sehr  viel  zu  wünschen 
übrig  läfsi 

22.  Zwei  ungedruckte  Briefe  des  Papstes  Benedikt  UL 
(855—858),  die  für  die  Kenntnis  der  Bufspraxis  der  rö- 
mischen Eorche  im  neunten  Jahrhundert  von  Wert  sind, 
wurden  von  Weiland  aus  einer  Wolfenbütteler  Handschrift 
in  der  „Zeitschrift  für  Kirchenrecht''  (Bd.  XX,  1885,  S.  99 
bis  102)  ediert 

23.  In  der  Abhandlung  „Gerhard  vonBrogne  und 
die  Klosterreform  in  Niederlothringen  und  Flandern",  die 
W.  Schnitze  in  den  ,, Forschungen  zur  deutschen  Ge- 
schichte" (Bd.  XXV,  1885,  S.  221  —  271)  veröffentlich^ 
wird   nachgewiesen,    dafs  im   zehnten   Jahrhundert    ähnlich 


NACHHICHTEN.  331 

wie  in  den  BiBtümem  Metz,  Toul  und  Verdun,  auch  in 
Niederlothringen  und  Flandern  eine  KIoBteireform  in  An- 
griff genommen  wurde,  die  in  keiner  direkten  Beziehung 
zum  Cluniacensei'üfden  steht ,  aber  die  gleichen  Ziele  wie 
dieser  veri'olgt.  Da  sich  die  Erneuerung  des  KEosterlebens 
in  Niederluthringen  und  Flandern  an  die  PerEÖnlichkeit  des 
Gerhard  von  Brogne  knüpft,  ao  erlKhrt  das  Leben  desselben 
eine  selir  eingehende  Untei'suchung,  deren  Resultate  meiBtens 
zu  den  vun  Günther  in  seiner  Dissertation:  „Das  Leben 
dea  heiligen  Gerhard"  (Halle  1877)  gewonnenen  im  Wider- 
ipruch  stehn. 

2i>  Die  von  Löwenfeld  im  „Neuen  Archiv  (Bd.  X, 
1885,  S.  S10 — 329)  „über  die  Eanonsammlung  des 
Kardinal  Deusdedit  und  das  Register  Gregor  VII." 
veröffentlichte  Forschung  gelangt  im  Gegensatz  zu  Ewald 
und  Pflugk-Harttung  (siehe  die  Nachrichten  dieser  Zeitschrift, 
Bd.  VI,  Nr.  8-4)  zu  dem  Ergebnis,  data  Deusdedit  das  Re- 
gister Gregor  VII.  in  der  auf  uns  gekommenen  und  nicht 
in  einer  uns  unbekannten  umfangreicheren  Gestalt  benutzt 
bat,  dafs  jedoch  jenes  dem  Deusdedit  zugebote  stehende  Re- 
gister Gregor  VII.  nur  einen  dürftigen  Auszug  aus  dem 
grofsen  lateranischen  Register  enthalten  haben  kann. 

Ä5.  „Der  Begriff  justitia  im  Sinne  Gre- 
gor VII."  wird  von  J.  May  in  den  „Forschungen  zur 
deutschen  Geschichte"  (Bd.  XXV,  1885,  S.  179  —  184) 
richtig  dahin  gedeutet,  dals  Gregor  VII.  in  dem  Papst  die 
personifizierte  göttliche  Gerechtigkeit  sieht,  ao  dafs  ihm  sein 
Kampf  gegen  Heinrich  IV.  als  der  der  „justitia"  gegen  die 
„iniquitas"  erscheint.  Von  hier  aus  empfangen  dann  die 
eich  an  einen  Bibelspruch  anscbliefscnden  letzten  Worte  des 
sterbenden  Gregor  VII.:  „dilexi  justitiam,  odi  iniquitatem, 
propterea  morior  in  exsiÜo"  ihr  volles  LichL 

it.  Eine  Lücke  in  der  bisherigen  Behandlung  der 
Kirchenpolitik  Gregor  VII.  wird  nunmehr  ausgefüllt  dui-ch 
die  wertvolle  Dissertation  M.  Wiedemann's:  „Gregor  VII. 


332  NACHBICHTEN. 

und  Erzbischof  Manasses  I.  von  Rheims'^  (Leipzig 
1885,  88  S.).  Der  Verlauf  der  hier  dargestellten  von  1073 
bis  1080  geführten  Verhandlungen  Gregor  VIL  mit  Manasses 
tlber  die  Kompetenz  des  Liegaten  Hugo  von  Die  zeigt 
unS;  dafs  der  Papst  diesem  gegenüber  eine  Nachsicht  geübt, 
wie  wir  sie  an  ihm  sonst  nicht  kennen,  und  die  sich  nur 
daraus  erklärt,  dafs  er  es  in  dem  Augenblicke,  wo  sich 
für  ihn  die  Verhältnisse  in  Italien  und  Deutschland  über- 
aus ungünstig  gestalteten,  nicht  wagte,  durch  ein  rücksicht- 
loses  Verfahren  den  mit  Philipp  I.  von  Frankreich  eng  ver- 
bündeten Erzbischof  zum  Bruch  mit  Rom  zu  treiben. 

27«  ;;Zur  Rechtfertigung  Herbord' s,  des  Biographen 
Otto's  von  Bamberg"  hat  Wiesen  er  in  den  „Forschungen 
zur  deutschen  Geschichte"  (Bd.  XXV,  1885,  S.  113—152) 
einen  Aufsatz  erscheinen  lassen,  der  sich  gegen  Jaffö's  Be- 
hauptung wendet,  dafs  die  beiden  von  Ebo  und  dem  Prief- 
linger  verfSafsten  Lebensbeschreibungen  Otto's  von  Bamberg 
bedeutend  glaubwürdiger  seien  als  die  von  Herbord  her- 
rührende vita  desselben.  Nach  Wiesener  wäre  dieser  seinen 
beiden  Mitbiographen  als  Historiker  weit  überlegen  und 
liefse  sich  auch  in  viel  geringerem  Mafse  Irrtümer  zu  Schul- 
den kommen  als  jene. 

28«  Im  „historischen  Jahrbuch"  der  Görresgesellschaft 
(Bd.  V,  1884,  S.  576—624;  Bd.  VI,  1885,  S.  73—91  und 
S.  232—270)  hat  G.  Hüffer  eine  Reihe  „handschrift- 
licher Studien  zum  Leben  des  heiligen  Bernard" 
niedergelegt.  Den  Gegenstand  dieser  über  Frankreich,  Spa- 
nien, Italien,  Osterreich  und  Deutschland  ausgedehnten  hand- 
schriftlichen Forschungen  bildeten  aufser  den  „vitae  Ber- 
nardi"  auch  dessen  „epistolae"  und  „rairacida".  Die  bisher 
veröffentlichten  „Studien"  sind  den  beiden  ersten  Kategorieen 
gewidmet.  Eine  besonders  sorgfältige  Behandlung  erfahren 
die  sogenannten  Fragmente  zum  Leben  des  heiligen  Bemard^ 
als  deren  Verfasser  Hüffer  den  Gaufridus  Antissiodorensis, 
als  deren  Abfassungszeit  er  das  Jahr  1145,  und  als 
deren  Zweck  er  nachweist,  dem  Wilhelm  von  St  Thieny, 


NÄCHRICHTEN.  333 

dem  ersten  Biographen  Bernard's  ala  Vorstudie  in  der  Weise 
zu  dienen,  wie  sie  von  ihm  in  seiner  „vita  Bernardi"  be- 
nutzt worden  sind.  So  sehr  sich  Hüffer  bemüht  hat,  un- 
edierte  Stücke  aus  der  Korrespondenz  Bernard's  aufzufinden, 
war  die  Ausbeute  doch  nur  eine  geringe,  nämlich  acht  Briefe 
Bernard's  und  vier  Schreiben  anderer  an  den  Heiligen,  die 
BÜmtJich,  abgesehen  von  zwei  Briefen  Gerhoh's  von  Reichers- 
berg an  Bernard,  nur  oin  verbal tnismUfsig  geringes  bisto- 
riachea  Interesse  besitzen. 

29.  „Der  Traktat  über  die  Papstwahl  des 
Jahres  1159",  der  sich  im  ersten  Bande  von  Süden dorPa 
Registrum  findet,  wird  von  W.  Ribbeck  in  den  „For- 
schungen zur  deutschen  Geschichte"  (Bd.  XXV,  1885, 
S.  354 — 365)  einer  erneuten  Prüfung  unterzogen,  die  sich 
in  ihrem  ganzen  Verlauf  in  einen  entschiedenen  Widerspruch 
setzt  zu  der  von  Mor.  Meyer  vertretenen  Auffassung,  dafs 
dieser  Traktat  eine  Stilübung  späterer  Zeit  sei.  Mit  über- 
zeugenden Gründen  vertritt  Hibbeck  die  Ansicht,  dafs  jenea 
Schriftstück  als  eine  im  Auftrage  des  Kaisers  und  des  Pariser 
Konzils  um  1160  verfafste  Darlegung  der  schiBraatiscben 
Wahl  von  1159  anzusehen  ist. 

SO.  Die  Dissertation  von  Rudolf  Reese:  „Die 
staatarechtliche  Stellung  der  Bischöfe  Burgunda 
und  Italiens  unter  Kaiser  Friedrich  1."  (Göttingen 
1685,  118  S.),  will  nur  eine  Ergänzung  und  Zusammen- 
fassung der  diesen  Gegenstand  auaführlich  behandelnden 
Schriften  von  Ficker,  HüfFer  und  Wolh-am  sein,  Der  der 
Arbeit  nicht  abzusprechende  Fleifa  steht  in  keinem  Verhält- 
nis zu  der  Geringfügigkeit  der  selbständig  gewonnenen  Re- 
sultate, die  sich  eigentlich  darauf  beschränken,  dafs  Woltram 
irre,  wenn  er  meine,  dafs  Friedrich  I.  ebenso  entschieden 
wie  in  Deutschland  auch  in  Burgund  und  Italien  die  In- 
vestitur vor  der  Weihe  erteilt  und  data  das  Vorgehen  der 
Investitur  vor  der  Weihe  nur  den  Zweck  gehabt  habe,  das 
Obereigentum  Brecht  des  Reiches  an  den  Regalien  zu  wahren  '. 


1)  Vgl.  schon  oben  S,  278  ff. 


834  NACHKICHTEN. 

Si.  Der  Aufsatz  von  Eubel  in  dem  ,, historischen 
Jahrbuch«  (Bd.  VI,  1885,  S.  92—103):  „Der  Minorit 
Heinrich  von  Lützelburg,  Bischof  von  SemgaUen, 
Curland  und  Chiemsee«  läfst  keinen  Zweifel  daran  auf- 
kommen, dafs  der  Minorit  Heinrich  von  Lützelburg,  der 
seit  1247  nominell  den  bischöflichen  Stuhl  von  SemgaUen 
inne  gehabt  hatte  und  1251  an  die  Diöcese  von  Kurland 
transferiert  worden  war,  identisch  ist  mit  dem  Bischof  Hdn- 
rieh  von  Chiemsee,  der  1263  von  Urban  H.  dieses  Kstom 
empfing. 

St.  Das  „Neue  Archiv«  (Bd.  X,  1885,  S.  507—578) 
enthält  eine  sehr  instruktive  Untersuchung  Rodenberg's: 
nÜber  die  Register  Honorius  IIL,  Gregor  IX. 
und  Innocens  IV.«,  die  sich  nicht  mit  dem  gesamten 
ürkundenwesen  dieser  Pftpste  beschäftigt,  sondern  sich  nur 
darauf  beschränkt,  die  Art  und  Wdse  festzustellen,  in  der 
die  R^strierung  der  Urkunden  jener  drei  Päpste  vor  sich 
ging.  Ä.  Zöpffd. 

SS*  Die  von  mir  im  letzten  Heft  erwähnten  Analecta 
Franciscana  sive  chronica  aliaque  varia  docu- 
menta  ad  fratrum  Minorum  spectantia  edita  a 
firatribus  coUegii  S.  Bonavmturae  adjuvmntibus  aliis  patribus 
ejuadem  ordinis,  T.  I  (Ad  daras  Aquas  [Quarachii]  1885, 
XIX  und  450  S.  lex.  8«)  enthäk  fol^de  Stücke:  1)  Die 
Chronik  des  Br  Jordan  von  Oiano  nach  der  durch 
HoMer-Egger  und  Perlhadi  w^er  aa%efondenen  Hand- 
sdirift,  deren  moderne  und  mdit  immer  fMainie  Kopie 
G.  Voigt  aus  dem  KacUafe  aoDes  Vaters  heransgegeben 
katte.  i)  Enen  Beridit  fiber  G^tsichichte  und  dermalen 
Stand  der  chinesischen  Mission  d^rllinoriten  von  der 
Äriktott  Observana  der  VnbwciuhtwQ,  ver&Crt  im  Jahre 
1762  von  P.  Fran«  Mi^feuei^  3)  Ene  Cosmo- 
graphia  Franciscano^ Aü^uiacae  Provinciae  S. 
BcnMmdiri  SeDearsdit  <vj«i»ä<tRr)^iie  csoaiT^r^tuum  omnium  de- 
»onptiö  Acts  pflT  tir.  Tl^^iÄt:»  Herxog  anno  1732. 
4'  Eine  n«w  Au^üaW  xwi    Tk/^Äaji  Eccieston,  liber 


NACHRICHTEN. 


335 


|lle  adventu  fr.  Minorum  in  Angliam  —  auf  Grund  der 
von  Brewer  und  Howlett  benutzten  Handaclinftea. 
B)  Eine  Chronica  anonjma  fr.  Minoruni  germaniae 
^m  13.  und  15.  Jahrhundert.  Ich  halle  dieselbe  für 
identisch  mit  der  von  Wadding  ülterB  benutzten  Chron. 
Provinciae  Argentinenaia,  6)  Commenta- 
BTiolum  de  Veneta  prov.  ret'orm,  S.  Antonii  und 
■7)  Parva  chronica  prov,  seraphicae  reforraatae  sind  mo- 
läerne  Abhandlungen  zweier  Minorilen  (vgl.  meine  Besprechung 
iTh,  L.-Z.  1885,  Nr.  16). 


34.  Der  neu  erschienene  Band  XXIX  der  Histoire 
litt^raire  de  la  France  enthält  u.  a.  S.  1 — 366  einen 
Artikel  über  Raymundus  Lulius,  sein  Leben  und  seine 
Schriften,  deren  313  Nummern  aufgezählt  werden.  Ferner 
em  Verzeichnis  von  „AncientB  catalogues  des  äglisea 
de  France";  einen  Artikel  über  Philippine  de  Por- 
cellet  als  rautmafsliche  Verfasserin  des  Lebens  der  heil. 
Douceline,  Gründerin  der  Begh  inen  vereine  von  Hyeres  und 
Marseille  (vgl.  La  vie  de  St.  Douceline  fondatrice  des  hi- 
guinea  de  Marseille  herausgegeben  und  aus  dem  Provenja- 
lischen  des  15.  Jabrhundera  übersetzt  und  mit  historischer 
Einleitung  versehen  von  Abb«!  Alban^s.  Marseille  1879).  — 
Femer  über  den  Minorilen  Guido  de  la  Marche,  und 
den  Prediger  Wilhelm  von  Bar. 


35.  Über  päpetliche  SchatzverzeicbniBse  des 
13.  und  14  Jahrhunderts  und  ein  VerzeicbniB 
der  päpstlichen  Bibliothek  von  1311  berichtet 
Wenck  (Mitteilungen  des  Instituts  für  Österreichiache  Ge- 
schieh tsforscbung  VI,  2}  und  verüffentlicht  aus  dem  letzteren 
die  interessanteren  Partieen. 


36.  W.  P  reg  er  verüfTentlicht  in  den  Abhandlungen 
der  königl.  bayer.  Akademie  der  Wissenschaften  III.  Kl., 
17.  Band,  3.  Abteil,  eine  Abhandlung  über  „die  Politik 
des  Papstes  Johann  XXII.  inhezug  auf  Italien 
and  Deutschland"  (auch  separat  München  1885). 


336  NACHRICHTEN. 

S7«  In  Vering's  Archiv  fUr  kathol.  Eirchenrecht  LIU, 
N.  F.  47,  1885,  S.  209—220  schreibt  Kayser  über  Papst 
Nikolaus  V.  und  die  Juden. 

S8.  Über  Adolf  von  der  Mark,  Bischof  von 
Münster  1357—1363  und  Erzbischof  von  Köln  1363—1364 
handelt  Kreisel  (Paderborn  1885). 

!••  Im  historischen  Jahrbuch  der  Görresgesellschaft 
1885,  VI,  3,  S.  345—412  veröffentlicht  Franz  Jostes 
drei  unbekannte  deutsche  Schriften  von  Jo- 
hannes Veghe  mystischen  und  erbaulichen  Charakters, 
als  weiteren  Beitrag  zur  Geschichte  dieses  eigentlich  erst 
durch  Joste  („Joh.  Veghe,  ein  deutscher  Prediger  des 
16.  Jahrhunderts. ''  Halle  1883)  bekannt  gewordenen  Bruders 
vom  gemeinsamen  Leben. 

40.  Ebd.  S.  438ff.  A.  Gottlob,  Der  Legat  Rai- 
mund Peraudi  (Nachträge  und  Berichtigungen  zu  Schnei- 
der's  Schrift  über  ihn).  K.  MüOer. 

41.  Von  dem  längst  angekündigten  „Archiv  für 
Litteratur-  und  Kirchcngeschichte  des  Mittel- 
alters herausgegeben  von  P.  Heinrich  Denifle  O.  P. 
und  Franz  Ehrle  S.  J."  ist  Berlin,  Weidmann'sche  Buch- 
handlung Ende  Juli  d.  J.  des  ersten  Bandes  erstes  Heft 
erschienen.  In  der  That  ein  bedeutsamer  Anfang.  Derselbe 
rechtfertigt  die  hohen  Erwartungen,  welche  man  inbezug 
auf  das  neue  Unternehmen  haben  konnte.  Ein  Dominikaner 
und  ein  Jesuit,  beide  bereits  als  Forscher  bewährt,  beide 
in  Rom  ansässig,  und  doch  in  der  Lage  umfassende  litte- 
rarische Reisen  zu  unternehmen,  haben  sich  verbündet,  vor- 
nehmlich die  Kenntnis  der  Quellen  der  Litteratur-  und 
Kirch  engeschichte  des  Mittelalters  zu  erweitern.  Sie 
verfolgen  also  eine  derjenigen  Tendenzen,  welche  diese 
unsere  Zeitschrift  ftir  sich  als  mafsgebend  betrachtet  Be- 
greiflich kann  sie  nur  ein  hohes  Interesse  an  der  Fortsetzung 
„des  Archivs"  nehmen.     Es  wird  nicht  verringert  werden, 


NACHRICHTEN.  337 

renn  auch,  wie  hie  und  da  im  vorliegenden  Hefte,  die 
'olemik  in  einem  Tone  gefiihrt  werden  sollte,  den  wir  nicht 
lülligeu  künnen. 

Die  erate  Hälfte  der  ersten  Abhandlung  „Zur  Geachichte 
les  Schatzes,  der  Bibliothek  und  des  Archivs  der  Päpste 
m  14.  Jahrhundert"  ö.  1 — 48  von  Ehrle  giebt  in  dem 
Jinne  einer  Vorgeschichte  der  Vaticana  wichtige  Beiträge 
n  einer  Geschichte  der  päpstlichen  Handschriftensammlung. 

„Wenigstens  bis  gegen  das  Ende  des  14.  Jahrhunderte 
IftTst  sich  wohl  eine  päpstliche  Bibliothek  mit  gesonderter 
"Verwaltung   und    ihr  eigenen    Beamten    nicht    nachweisen" 

2).  Aber  wir  haben  Verzeichnisse  der  Gegenstände  des 
päpstlichen  „Schatzes"  ',  zu  welchem  auch  die  Handschrif- 
ten gehörten,  in  denselben  die  ersten  Kataloge  ihrer  Bibho- 
thek.  —  Mitgeteilt  ist  I  Ö.  21 — 41  das  Verzeichnis  der 
Handschriften  des  päpstlichen  Schatzes  unter  Bonifaz  VIH. ; 
II  S.  41—48  vgl.  Ö.  149  das  der  Bibliothek  und  des 
Archivs  der  Päpste  in  Perugia,  Assisi  und  Avignon  bis 
1314.  —  Die  zweite  Abhandlung  von  Denif'le,  Das  Evan- 
gelium aetemum  und  die  Kommission  zu  Anagni,  ö.  49  bis 
142  (Vorarbeit  zu  einer  künftigen  Publikation  „Die  Uni- 
versität Paris  und  die  BcttelmÖncbe,  S.  84)  ist  noch  erheb- 
licheren Wertes,  wenngleicli  der  Verfasser  seinen  Fund  über- 
schätzen dürfte.  Zum  erstenmal  ist  Auskunft  gegeben  über 
die  handschriftliche  Überlieferung  der  Werke  Joachim'a  von 
Floris  S.  90—97;  zum  erstenmal  das  vollständige  Protokoll 
der  Sitzungen  der  Kommission  zu  Anagni  1255  unter  Be- 
nutzung von  15  Handschriften  veröffentlicht  Bisher  waren 
nur  zwei  Pariser  imd  zwar  „sehr  fehlerhafte"  Cod.  von 
d'Argentrö  du  Plessis,  Qu^tif  und  Echard,  neuerlich  von 
Benan  excerpiert.     (Nur  diese  Excerpte   konnte  ich   in 

1)  „Seitdem  Elemens  V.  den  Sitx  der  papertlichen  Hofhaltnng 
noch  dem  aüdlichea  Frankreich  verlegt  hatte,  wurde  fiir  geraume 
Zeit  der  tliGGaunia  antiquuH  d,  k  jener,  welcher  aich  bis  zur  Zeit 
der  Wahl  ElempoH  V.  iii  Rom  uud  iu  den  umUegCDdeii  Resideuz- 
städten  der  Päpste  angesammelt  hatte,  und  der  thcsaurus  nuvus, 
welcher  toh  1305  an  am  französischen  Hoflager  der  Avignon'achea 
Päpste  anwuchs,  genau  unterschieden"  [S.  3). 


a 


338  NACHRICHTEN. 

meiner  ;, Geschichte  der  religiösen  Aufklärung  im  Mittd- 
alter",  Bd.  II,  S.  198 f.  benutzen.)  —  Weiter  hat  der  Autor, 
der  den  vollständigen  Introduktorius  auch  noch  nicht  auf- 
gefunden, den  Ursprung  der  vielbesprochenen  (angeblichen) 
31  Excerptsätze  (über  deren  Text  S.  70 — 73;  „der  reinste 
ist  derjenige,  welchen  wir  bei  Matthäus  Paris  lesen.  Side 
aber  über  den  Text  des  Cod.  N.  331  der  StadtbibliothdL 
in  Mainz  die  Bemerkungen  bei  Haupt  in  dieser  Zeitschrift 
Bd.  VII,  3,  S.  374,  Anm.  2),  welche  ich  a.  a.  O.  Bd.  II, 
S.  366  VII,  Anm.  1  Ende  „nicht  zu  erklären  vermochte", 
ermittelt  S.  74.  84.  Dieselben  sind  auf  die  den  B^tel- 
mönchen  feindliche,  liberale  Professoren -Partei,  an  deren 
Spitze  Wilhelm  von  St.  Amore  stand,  zurückzuführen.  Der 
Beweis  soll  in  des  Verfassers  künftiger  Geschichte  der  Uni- 
versität Paris  gefuhrt,  aber  schon  jetzt  auf  das  (von  mir 
übersehene)  Zeugnis  des  zeitgenössischen  Heinrich  von  Senones 
d'Achery  Spicil.  ed.  II,  T.  II ,  p.  645  aufmerksam  gemadit 
werden.  Dasselbe  war  aber  vor  Denifle  bereits  geschehen 
von  Haupt  in  dieser  Zeitschrift  Bd.  VII,  3,  S.  380.  385, 
dem  ich  jetzt  darin  beistimme,  dafs  in  Betracht  des  Um- 
Standes,  dafs  die  Excerpte  von  einem  Feinde  herrühren, 
dieselben  nur  mit  grofser  Vorsicht  zu  benutzen  seien.  Weim 
dieser  Gelehrte  aber  S.  396  das  Urteil  fUllt,  sie  seien  nur 
insoweit  heranzuziehen,  als  sie  mit  den  Angaben  der  Unter- 
suchungskommission  in  Anagni  übereinstimmen  (Denifle  geht 
noch  weiter  S.  82.  87.  88):  so  kann  ich  demselben  nicht 
beistimmen.  Sie  scheinen  mir  augenblicklich  (vorbehaltlich 
einer  besseren  Erkenntnis)  im  Verhältnis  zu  jener  pri- 
mären Quelle  als  eine  sekundäre  allerdings  verwendet 
werden  zu  können.  Unsicher  mufs  ja  die  Darlegung  des 
Lehrbegriffs  des  Introduktorius  überhaupt  so  lange  bleiben, 
bis  diese  Urkunde  in  ihrer  Integrität  aufgefunden  sein  wird. 
Aus  den  wenigen  Angaben  der  Kommissäre  in  Anagni  lälst 
sich  ein  solcher  gar  nicht  herstellen.  —  Denifle  hat  S.  76 
bis  82  zu  zeigen  gesucht,  dafs  alle  (?)  Excerptsätze  auf 
echte  Stellen  der  Concordia  Joachim's  zurückgeführt  werden 
können  (was  ich  mit  Unrecht  a.  a.  O.  S.  366  geleugnet 
hatte);  „allein  nur  die  wenigsten  treffen  den  Sinn,  welchen 


KACHBICHTEN.  339 

1  Joachim's  Concordia  besitzen".  Mein  Urteil  war  und 
t  jetzt  noch  ein  häi'tei-es.  Die  meiHten  Excerptsätze  sind 
»ndenziöse  Entstell iingen  der  echten  Lehre  Joaohim'a:  das 
bt  man  imstande  zu  beweisen.  Dagegen  dafs  der  Text  dea 
jntroduktorius  von  den  Pariser  Anklägern  (in  den  Excerpt- 
b&tzen)  ebenso  geÜlBcht  sei  (Haupt  a.  a.  0,  S.  397),  kann 
Irerinutct,  aber  nicht  bewiesen  werden.  —  Ich  persönlich 
pün  dein  I'.  Denifle  iiir  die  Belehrungen  und  Berichtigungen 
ftberaus  dankbar:  die  zweite  Auflage  meiner  Öeschichte 
l-der  religiösen  Aufklärung,  deren  Vorbereitung  ich  mich 
■  sacb  AbHchlufa  meiner  Augustini sehen  Studien  hoffe  zuwen- 
Idea  zu  dürfen,  wird  davon  Zeugnis  ablegen.  Bd.  II,  S.  196 
llüs  218  ist  teilweise  umzuarbeiten.  Aber  ich  verharre  bei 
I  der  Ansicht  1)  dafs  zu  dem  grorsen  Genus  der  Joacbimiten 
jene  Spezies  neologisch-apokalyptischer  Tendenz  gehört 
habe,  welche  ich  in  der  ersten  Auflage  die  Jüngerscliaft 
des  ewigen  Evangeliums  genannt,  von  jenem  habe  scharf 
unterscheiden  wollen  ';  2)  dafs  diese  von  Gerard  repräsen- 
tiert wurde  (gegen  Denifle  a.  a.  0.  S.  63);  3)  dafs  also 
der  letztere  nicht  lediglich  ein  einzelner  Sonderling  ohne 
irgendwelchen  Anhang  gewesen  (gegen  denselben);  4)  dafs 
der  Historiker,  welcher  die  Existenz  einer  mit  Oerard  mehr 
oder  weniger  gleichdenkenden  Partei  um  die  Mitte  des 
13.  Jahrhunderts  anerkennt,  —  uni  das  wissenschaftliche 
Recht  dieser  Anerkennung  zu  begründen,  nicht  genötigt 
ist,  die  Namen  anderer  „Gerardinen"  beizubringen  (gegen 
denselben  H.  64). 

Das  Heft  schliefst  mit  „  Mitteilungen  " :  die  HandBchriftan 
von  Eymerichs's  Directorium  inquisitionis ;  zur  Quellenkunde 
dea  Franziskanerordens  (über  Handschriften  des  catologus 
tninistrorum  generaliura ,  welchen  Ehrle,  Zeitscbrilt  für 
kathoL  Theologie  VH,  238  herausgegeben  bat);  zur  Fratri- 
c«llengeBchichte ;  die  Spiritualen  und  das  Inquisitionstribunal ; 


I)  Das  Vollbridgrii  ist  hinlei'  dem  Wnllcn  zurückgeblieben, 
Klage  HaupfB  in  dicHer  Zeitschrift  Bd.  VII,  ;i,  S.  3Ut;,  Anm.  2 
B.  395  nicht  unbegründet. 


840  NACHRICHTEN. 

Ludwig  der  Bayer  und  die  Fratricellen  und  GhibeUina  I  i 
▼on  Todi  und  Amelia  im  Jahre  1328  u.  s.  w.  —  Auch  |  I 
Heft  2  und  3  (Doppelheft)  erschien  soeben. 

H.  BeuUr. 


4^«     Als  Festgrufs  zu  dem    am   18.   Januar    1885   ge- 
feierten 25jährigen  Professorenjubiläum  seines  Freundes,  dei 
auch  in  Deutschland  hochgeschätzten  Eirchenhistorikers  J.  6. 
de  Hoop  SchefFer  hat  der  unermüdlich  thätige  D.  Christian 
Sepp   eine   neue   Arbeit   herausgegeben    unter    dem   Titel 
yyEerkhistorische  Studien^'  (Leiden,  £.  J.  Brill,  1885), 
Studien  teils  biographischer  teils  bibliographischer  Natur,  in 
denen    neben   manchem  Bekannten    auch    vieles   Entlegene 
ans  Licht  gezogen  wird.     Sehr  beachtenswert   ist    besonden 
die  erstO;  die  Heinrich  Rolle  gewidmet  ist,   und   neben  all- 
gemeinen   Darlegungen    über    Wesen    und    Geschichte  des 
Täufertums  u.  a.  wertvolle   wörtliche  Mitteilungen    aus   dem- 
selben Schrift  vom  Nachtmahl  bringt  (S.  26  ff.).     Ebenso  die 
letzte,   die  unter  dem  Titel  Südermann  über  den    späteren 
Schwenkfeldianismus    berichtet.     Von  allgemeinerem   Inter- 
esse   sind   noch  die  umfangreichen  Stücke    über    den    viel- 
seitigen und  viel  umhergeworfenen  Mediziner  und  Theologen 
Justus   Velsius  (c.   1505 — 1580?)   und   die   über  den  Kon- 
vertiten und  späteren  Bekäropfer  des  Protestantismus  an  der 
Ingolstädter  Hochschule,  Kaspar  Franck  (geb.  2.  Nov.  1543), 
über  welche  Sepp  reiches  Material  gesammelt  hat 

Th.  Kolde. 

43.  In  seiner  Schrift:  „Autotypen  aus  der  Re- 
formationszeit auf  der  Hamburger  Stadtbibliothek.  IL 
Luther  Drucke  1:  1516  —  1519"  (Sepai-atabdruck  aus  den 
,  Mitteilungen  aus  der  Hamburger  Stadtbibliothek "  II,  1885 
—  IV  und  71  ö)  giebt  A.  von  Dommer  eine  muster- 
gültige Beschreibung  von  87  Luther-Drucken  der  genannten 
Jahre.  Besonders  dankenswert  ist  die  S.  54  ff.  gelieferte 
Besprechung  von  41  Bildern  und  Titelbordüren  jener  Schrif- 
ten; von  Dommer  hat  damit  ein  ausgezeichnetes  Hilfsmittel 
zur  Bestimmung  der  Drucke  geschaffen,  imgleich  wertvoller 


SACHBICHTBN.  841 

!  das  im  vorigen  Jahrhundert  von  Strobel  (Neue  Beiträge 
tl,  1791)  gegebene.  Zu  Nr.  31,  der  bekannten,  auch  in  der 
SieueD  Lutherausgabe  verwendeten,  £iniaEBung  Melchior 
Lotther  d.  j.  in  Wittenberg  {1519}  bemerke  ich,  dafa  sie 
»ereitB  Melchior  Lotther  in  Leipzig  1510  gebraucht  hat 
(Oratio  Joannis  Langij  Lembergij,  Encomium  theologicaa 
diaputationia).  Im  Anhang  iat  aus  dem  in  Hamburg  be- 
findlichen Original  zum  erstenmal  ein  Brief  Luther's  an 
Beine  Frau,  d.  [Coburg]  ptingstag  1530,  gedruckt. 

44.  Zu  der  zwischen  Dieckhoff  und  Buchwald,  unter 
Beteiligung  von  Kolde  und  Kawerau,  geführten  Streiffrage, 
ob  Luther  der  VeriasBer  der  von  Buchwald  herausgegebenen 
„Praelectio  in  librum  Judicum"  ist,  liefert  Hering:  „Der 
Streit  über  die  Echtheit  eines  Lutberf undes" 
(Studien  und  Kritiken  18B5,  S.  537—554)  einen  sachkun- 
digen Beitrag.  Hering  kommt  zu  dem  Ergebnis,  dafs  Lu- 
ther uuzweilelhaft  der  Verfasser  iat  und  diese  Vorlesung 
„als  Distrikts vikar  .  .  vor  Mönchen  des  Wittenberger  Klo- 
sters als  regens  studii"  im  Jahre  1516  gehalten  bat.  Be- 
achtenswert sind  auch  die  Textverbesserungen,  welche  He- 
ring S.  551  ff.  giebt. 

46.  Die  Bd.  VH,  Nr.  39,  S.  338  f.  erwähnte  Publikation 
Buchwald'a  {Poach'a  handschriftl.  Sammlung  der  unge- 
druckten Predigten  Luther's)  habe  ich  in  der  D.  L.  Z.  1885, 
Nr.  26  (27.  Juni)  eingehender  besprochen,  ebenso  Kawerau 
in  den  G.  G.  A.  1885,  Nr.  15  (20.  Juli).  Derselbe  be- 
spricht Enders'  Briefwechsel  Luther's  I  in  den  Studien 
und  Kritiken   1886,  S.   185ff. 

46.  In  dem  Hiator.  Jahrb.  VI  (18W5),  S.  289—300  be- 
spricht Dittrich  Balan'a  Monumenta  reformationia  Luthe- 
ranae  zusammen  mit  meinen  „Quellen  und  Forschungen  zur 
G-eschichte  der  Reforination  I,  1",  ebenda  S.  614  —  623 
Balan's  Monumenta  saeculi  XVI.  historiam  iUustrantia  X 
(vgl.  Bd.  VII,  Nr.  40,  Ö.  339  f.). 


84V  RACHRICHTBK. 

47*  Die  f,  Festschrift  der  Gelehrtenschule  des  Johanncuim 
SU  Hamburg  zur  Feier  des  400.  Qeburtstages  Johinnei 
Bugenhagen's'^  (Hamburg  1885,  62  S.  in  gr.  8)  enthäh 
einen  Aufsatz  des  Oberlehrers  Dr.  H.  Rinn:  ^^Zum  Ge- 
dächtnis Johannes  Bugenhagen's'^  Beachtenswert 
ist  die  Untersuchung  über  Bugenhagen's  Anteil  an  der 
Niedersächsischen  Bibel  (S.  24  —  S9).  Im  Anhang  druckt 
und  erläutert  Rinn  die  zwei  Briefe  von  Apinos  und  Bugen- 
hagen^  welche,  in  der  Kirchenbibliothek  zu  Neustadt  a.  d.Äisck 
befindlich;  schon  in  dieser  Zeitschrift  Bd.  V^  S.  156fl  (n.  1 
und  10)  aufgeflihrt  sind. 

48*  In  dem  Halle'schen  Osterprogramm  von  1885  bat 
H.  Hering:  ^^Sechs  Predigten  Bugenhagen's,  aof- 
geiunden  und  mitgeteilt  von  G.  Buchwald''  veröffentlicht 
Es  sind;  zum  Teil  sehr  knappe,  Nachschriften  Stephan  Roth's. 
Die  Predigten  gehören  zumeist  den  Jahren  1524  und  1525 
an.  —  (Aus  Abschriften  Roth's  druckt  Buchwald  ein 
paar  Bugenhageniana  ab  in  den  Studien  und  Kritiken  1886, 
163 — 173  —  warum  aber  z.  B.  den  Brief  Nr.  3  ohne  jede 
Erläuterung,  ja  selbst  ohne  den  Versuch  einer  Datierung?) 

49.  Das  Marburger  Herbstprogramm  von  1885  enthält 
einen  Aufsatz  von  Max  Lenz:  „Der  Rechenschafts- 
bericht Philipp  des  Grofsmütigen  über  den  Donau- 
feldzug 1546  und  seine  Quellen''  (56  S.  in  4,  auch  im 
Buchhandel  erschienen,  Marburg,  Elwert).  Hatte  Q^org 
Voigt  nachdrücklich  auf  die  Bedeutung  der  Denkschrift 
Philipp's  hingewiesen,  die  trotz  der  tendenziösen  Haltung 
„  nach  Provenienz  und  Inhalt  zu  den  Geschichtsquellen  ersten 
Ranges  gerechnet  werden"  müsse,  so  deckt  hier  Lenz  mit 
Hilfe  der  Akten  des  Marburger  Staatsarchivs  die  Quellen 
auf,  „welche  dem  Bericht  zugrunde  gelegen  haben,  und 
deren  Vergleichung  mit  ihm  die  Methode  und  Tendenz 
seiner  Abfassung  ohne  Mühe  erkennen"  läfst.  Der  Bericht 
geht  in  letzter  Linie  auf  Aufzeichnungen  zurück,  „welche 
an  den  Tagen  der  Ereignisse  oder  doch  unter  ihrem  un- 


NACHRICHTEK.  343 

mittelbaren  Eindruck  gemacht  wurden ,  offizielle  Zeitungen 
aus     '^m  Hauptquartier;  ja  aus  dem  Zelte  des  Landgrafen/^ 

50.  Im  AnschluTs  an  seinen  Aufsatz:  ,, Schlesien  unter 
der  Herrschaft  König  Ferdinand's  1524— 1564 ''  teilt  Franz 
Wächter  in  Düsseldorf  in  der  ,, Zeitschrift  des  Vereins  fUr 
Geschichte  und  Altertum  Schlesiens^';  Bd.  XIX,  140 — 145 
eine  ^^Entschuldung  des  Interims  halben  1548'^ 
mit;  von  dem  Rat  von  Bi*eslau  für  König  Ferdinand  bestimmt. 

51«  In  einem  Aufsatz  über  Melchior  Acontius  aus 
Ursel  (geb.  etwa  1515,  gest.  1569)  teilt  Franz  Schnorr 
von  Carolsfeld  (Archiv  für  Litt.-Gesch.Xni,  297—314) 
neben  einigen  Briefen  Melchiors  auch  drei  seines  in  Witten- 
berg lebenden  Bruders  Balthasar  aus  den  Jahren  1548/49 
mit,  an  den  bekannten  Hartmann  Beyer  in  Frankfurt  ge- 
richtet, nicht  uninteressant,  sofern  sie  Melanthon's  Verhalten 
in  der  Interimssache  behandeln. 

5'^.  Über  das  Leben  und  die  Schriften  des  Hubertus 
Thomas  Leodius,  des  bekannten  Historikers  des  Bauern- 
krieges, des  geschätzten  Verfassers  der  „Annales  Palatini'', 
dieses  Lebens  des  Pfalzgrafen  und  Kurfürsten  Friedrich  U.j 
handelt  Hartfelder  in  den  Forsch,  zur  D.  G.  XXV,  273 
bis  289,  unter  Heranziehung  einer  bisher  übersehenen  Quelle. 

53.  In  der  Revue  Historique  XXIX,  II  (Nov.-D^c. 
1885),  p.  241 — 279  erörtert  Frank  Puaux:  „La  respon- 
sabilit^  de  la  r^vocation  de  TEdit  de  Nantes'*,  zu 
dem  Ergebnis  kommend,  dafs  der  iranzösische  Klerus  ist 
„Tauteur  responsable  d'une  des  plus  grandes  fautes  dont 
rhistoire  de  France  conserve  le  souvenir.'* 

Th.  B. 


i* 


1 


I  " 
1'' 
I 


|Has\  lather's  und  ZwiDglls  Lehre  von  der  Kirche 

nit  Rücksicht  auf  das  zwischen  denselben  bestehende 
[  Verhältnis  der  Verwandtschaft  oder  Abhängigkeit 


Von 

.  Johannes  ßottscliiclc 

iu  Giefaen. 


Der  Gegensatz,  den  Hub,  Luther  und  Zwingli  vor  Augen 
haben,  wenn  sie  ihre  Lehre  von  der  Kirche  entwickeln,  ist 
zunächst  der  gleiche;  der  Gegensatz  gegen  den  Anspruch 
der  im  Papsttum  gipfelnden  Hierarchie,  unter  dem  Rechta- 
titel  der  Kh-che,  die  nicht  irren  kann,  eine  über  jede  Prü- 
fung erhabene,  also  arbiträre  Autorität  zu  besitzen.  Legt 
schon  dieser  Umstand  die  Frage  nahe,  ob  nicht  auch  hin- 
sichtlich dea  positiven  Begriffes  von  der  Kirche  zwiechen 
den  beiden  Reformatoren  und  dem  Vorreformator  ein  Ver- 
hältnis der  Verwandtschaft  oder  gar  der  Abhängigkeit  be- 
stehe, und  wie  weit  daBselbe  reiche,  so  wird  das  Interesse 
an  dieser  Frage  noch  dadurch  verstärkt,  dafa  Luther  sich 
zu  Hus'  Definition  von  der  Kirche,  dafs  sie  die  universitas 
praedestinaityrum  sei,  stets  rückhaltlos  bekannt  hat.  Dieser 
letztere  Umstand  ist  die  Ursache,  dafs  diejenigen  Theologen, 
welche  eine  Vergleichung  der  Lebren  von  Hus,  Luther  und 
Zwingli  über  die  Kirche  angestellt  haben,  Ritschi  '.  Kraufa  *, 


1)  Theologische  Studien  und  Kritiken  1859,  8.  189f.  „Über  die 
Begriffe  Hichtbare  und  unsiclitbare  Kirche". 

S)  Das  protestantiache  Dogma  von  der  unsichtbaren  Kirche  1876, 
8.  12-34. 

Utoekc.  t  K.-0.  TUl.  1.  33 


346  OOTTSCHICK, 

Seeberg  ^   von   der  Voraussetzung    ausgegangen    sind,  di&i    i 
Luther    und    Zwingli    ihre    Gedankenentwickelong   an  & 
Ideen  von  Hus  als  eine  ihnen  bekannte  Vorlage  angeknüffi 
haben.     Inbezug   auf  Luther   bringt  Seeberg   diese  Vonos- 
setzung  auf  den   schärfsten  Ausdruck ,  wenn    er   sagt:  „dk 
Thatsache,   dafs  Luther  die   Anregung  zu   seinem  Eirchen- 
begriff  aus  Hus  geschöpft  hat,   kann   nicht   bezweifelt  w^- 
den  '^ '.     Zwar  hat  Eolde  '  der  ähnlichen  Behauptung  von 
Kraufs  widersprochen,   aber  doch  die  Frage   nicht  erörtert 
Inbezug  auf  Zwingli    gelangen    die   drei   zuerst    genanntai 
Theologen   zu  dem  Resultat,  dafs   sein  Eirchenbegriff  dem 
des  Hus  näher  stehe  als  der  Luther's. 

Zur  Rechtfertigung  einer  erneuten  Untersuchung  dieses 
Gegenstandes  sei  Folgendes  bemerkt  Ritschi  hat  im  Rah- 
men einer  an  eine  Schrift  Münchmeyer's  über  sichtbare  nnd 
unsichtbare  Earche  angeknüpften  dogmatischen  Abhandlung 
keine  Gelegenheit  zu  einer  vollständigen  historischen  Unter 
suchung  gehabt  So  ist  er  weder  über  Luther's  Schrift  vom 
Papsttum  zu  Rom  (1520)  noch  über  die  letzten  aus  den 
Jahren  1530  und  1531  stammenden  Schriften  Zwingli's  zu- 
rückgegangen. Bei  Kraufs  und  Seeberg  ist  die  Lehre  des 
Hus  weder  vollständig  dargestellt  noch  zuti*effend  aufgefafst 
Die  Frage,  wie  sich  die  Anschauung  Luther's  von  der  Kirche, 
die  er  gewonnen,  ehe  Hus  in  seinen  Gesichtskreis  rückte, 
zu  der  in  der  späteren  Zeit,  in  welcher  er  eine  Anregung 
von  Hus  empfangen  haben  konnte,  entwickelten  verhält,  haben 
sie  nicht  aufgeworfen,  und  auch  sie  sind  nicht  über  das 
Jahr  1520  zurückgegangen.  Von  Zwingli's  früheren  Aufse- 
rungen  über  die  Kirche  haben  beide  allerdings  eine  Analyse 
gegeben,  aber  die  dort  vorhandene  Übereinstimmung  mit 
Luther  verkannt.  Auch  hat  sich  Seeberg,  dem  die  später 
eingetretene    Wandlung    in    dem    Eürchenbegriffe    Zwingh's 

1)  Der  Begi-iflf  der  christlichen  Kirche.  1.  Teil:  Studien  zur  Ge- 
schichte des  Begriffs  der  Kirche  1885,  S.  68—95. 

2)  a.  a.  0.  S.  85. 

3)  Luther's  Stellung  zu  Konzil  und  Kirche  bis  zum  Wormser 
Reichstag  187G,  S.  vi  in  einer  nachträglichen  Anmerkung  zum  Vor- 
wort. 


I 


nus,   LUTHEit  UND  ZWINGIJ.  347 

nicht  entgangoll  ist,  die  Frage  nicht  vorgelegt,  welche  prak- 
B  tiacbcn  Griitide  dieselbe  gehabt   hat,   und   er   hat  deswegen 

1  die  später  herauatretende  Berührung  mit  Formeln  von  Hub 
B  auB    einem    Einäufs   desselben   erklärt,    während   sich   wird 

I  Beigen  lassen,  dafs  liier  ganz  andere  Faktoren  wirksam  sind. 


I. 

Die  seit  Ullniann  verbreitete  Meinung,  dafa  die  sogen. 
Vorreforraatoren  die  wichtigsten  Gedanken  der  Reformation 
anticipiert  haben,  ist  in  mancJien  Punkten  stark  erschüttert 
worden,  indem  sich  hcrausgesteJlt  hat,  wie  sie  vielmehr  von 
specifisch  mittelalterlichen  oder  katholischen  Gesichtspunkten 
ausgehen.  Inbezug  auf  die  Idee  der  Kirche  aber  ist  erst 
ganz  neuerdings  wieder  ausgesprochen,  die  Definition,  welche 
Wiclif  und  Hub  von  der  Kirche  geben,  dafs  sie  die  Gemein- 
schaft der  Erwählten  sei,  sei  ein  echt  protestantischer  Satz, 
„das  schlagende  Herz  des  Protestantismus  selbst",  ja  Luther 
bewege  sich  bis  zum  Reichstage  von  Worms  auf  der  Linie 
Hua-WicUfscher  Gedanken  '.  Die  Richtigkeit  dieser  Be- 
hauptungen kann  nur  in  sehr  beschränktem  Umfang  zuge- 
standen werden.  Deshalb  ist  es  unumgänglich,  das  Verhält- 
nis des  Kirchenbegriffes  von  Hus  zum  niittelaiterlich-katho- 
lischen  ins  Auge  zu  fassen.  Das  wird  am  besten  geschehen, 
wenn  man  seine  Anschauung  von  der  Kirche  mit  dem  ent- 
sprechenden Gedankenkreis  derjenigen  Richtung  der  Scho- 
lastik vergleicht,  welche  die  Prätensionen  der  Hierarchie 
und  des  Papsttums  auf  Souveränität  am  kräftigsten  vertritt 
Der  Hauptvertreter  dieser  Richtung  ist  Thomas  von 
A  q  u  i  n  o. 

Bekanntlich  stutzt  sich  die  Opposition  gegen  den  welt- 
lich-rechtlichen Begriff  der  Kirche,  mit  dem  die  Macht- 
ansprüche des  Papsttums  begründet  werden,  auf  einen  über 


348  OOTTSCHICKy 

rechtliche  Mafsstäbe  hinausgreifenden  religiöaen    B^riff  der 
Kirche.     Es  ist   aber  nicht  an   dem^    dafs    die   Aofstellimg 
dieses  religiösen  Begriffes  selbst  schon  eine  Neoemng  wiit 
Vielmehr  hat  die  Scholastik  Augostin's  idealen  Kirchenbegrtf 
fortgepflanzt,  und  die  Oppositionstheologen   konnten  tx  vm- 
cessis  argumentieren  I   wenn  sie  sich  auf  ihn   beriefen.    Und 
das    gilt    auch   von    der    Formulierung    desselben ,    aat  die 
Wiclif  und  Hus  sich  stützen ,   dafs  die  Kirche  die  Zahl  der 
Erwählten    sei.     Nicht    nur    der  h.   Bernhard    hat    diesdbe 
Formel,  auch  Thomas  könnte   nichts  gegen   sie   einwenden, 
wenn  er  sie  auch  nicht  direkt  darbietet     Über    die  Kircbe, 
auf  die  er  sonst  nur  gelegentlich   der  Christologie   und  der 
Sakramentslehre  zu  reden  kommt,  spricht  er  sich  zosanmieih 
h&ngend  aus  bei  der  Auslegung  des  apostolischen  Symbds. 
Seine  Erklärung  des  9.  Artikels  desselben,  sanciam  ecdesiam 
cat?u>licam,  stellt  nun  durchaus  den  religiös-ethischen  Gesichti- 
punkt  voran  ^     Die  Kirche  ist  ein   vom   heiligen  Geist  ak 
der  Seele    belebter  Körper.      Ecdesia    bedeutet    congregatk. 
Sancta  Ecdesia  est  idem  quod  congregaiio  fidelium.     Se  ist 
una  durch  die  Einheit  des  Glaubens,   der   Hoffnung,    der 
Liebe.     Als  sancta  ist  sie  entgegengesetzt  der  ecdesia  ma- 
lignantium  (Ps.  25,  5),  dem  Reich  des  Bösen.    Heilig  ist  sie 
aber,   weil  die  Gläubigen   gewaschen  sind    mit   dem   Blute 
Christi    und    gesalbt  mit  der  Gnade  des  heil.  Geistes,   und 
weil  sie  die  Wohnstätte  der  Dreieinigkeit  ist.     Universalis 
ist  sie  hinsichtlich  des  Orts,  quia  est  per  totum  tnundum  (m- 
sofern  hat  sie  drei  Teile:  einen  auf  Erden,  den  zweiten  im 
Himmel,    den    dritten   im   Fegefeuer)    und    hinsichtlich    der 
Zeit:  sie  hat  ihren  Anfang  mit  Abel  genommen  und   wird 
dauern  bis  zum  Ende  der  Zeit  und  danach  im  Himmel  ver- 
bleiben. 

Die  Anschauung  von  der  Kirche  als  dem  corpus  n^sti- 
cum  Christi  findet  ihre  nähere  Erörterung  in  der  Summa 
theologiae-pars  HI  qu.  VHI.  Wie  das  Haupt  if^uii  sensum 
et  motum  in  membra,  so  ist  Christus  Haupt  der  Kirche,  weil 
er  virtutem  habet  influendi  gratiam  in  omnia  menibra  ecdesiae. 


1)  S.  Thomae  opera  omnia  (Parmae  1865),  T.  XVI,  p.  147  sq. 


k 


HUS,  LUTHER  UND  ZWDJGLI,  349 

i  Wegen  dieses  Verhältnisses  der  einzelnen  Glieder  zum  Haupte 

■  ist    sie   unum    corpus  m]/slicutn   (art.  l).     Alsdann   erörtert 

r  Thomas  den  Umfang   der  Kirche,  deren  Wesen   die   in- 

B  nere   geistige    Erfiilltheit    mit    der   Kraft  Christi  ist.     Und 

I  zwar    wirft   er    zunächst    die   Frage    auf,    üb   Christus    das 

•  Haupt    aller    Menschen    sei.     Die   Antwort    ist    bejahend, 

wenngleich  niit  der  Limitation:   non  eodem  modo.     Zwischen 

dorn   natürlichen    und    dem    mystischen    Leibe    bestehe   der 

Unterschied ,     dafs    die    Glieder    des    ersteren    omnia    simtd 

1  seien,    die    des    letzteren    nicht,    neque    quanturn    ad    esse 

nalarae,  guia  corpus  Christi  constiluitur    ex    hominibus,    qui 

:  fuerunt  a  principio  mundi  usque  ad  finem  ipsiiis,  neque  etiam 

I   quantum   ad    esse   gratiae.     In   letzterer  Hinsicht   besteht 

der  Unterschied  zwischen  ihnen,  dafs  die  einen  in  aclu,  die 

andern  in  potentia  Glieder  der  Kirche  sind,  dafs  von  denen, 

welche  es    i«    actu    sind,    die    einen   Christo    geeinigt    sind 

durch  die  fruilio  patriae,  die  andern  durch   die  cariiaa,   die 

dritten  nur  durch  die  fides,  die  der  Liebe  entbehrt;  und  dafs 

lernei-  die,   welche   es  in  potentia   sind,  dies   sind  entweder 

hinsichtlich   einer  potentia,   die  secitndum  divinam  praedeati- 

nationem    aktuahsiert    werden    wird,    oder   hinsichtlich   einer 

potentia,  die  nie  aktualisiert  wird ;  diese  letzte  Klasse  ist  die 

der  Nichtprädestinierten ,   ao  lange  sie  in  dieser  Welt  leben, 

während  mit  dem  Tode  die  Potenz  fortfällt '.     Weiter  wird 

festgestellt,  dafs  auch  die  Engel  zum   mystischen  Leibe   der 

Kirche  gehören  (art.  4). 

Es  ist  der  Grundgedanke,  dafs  die  Kirche  die  Ge- 
meinschaft derer  ist,  die  durch  die  aus  Gott  stammende 
Liebe  mit  Christus  geeinigt  sind.  Man  würde  aber  Tho- 
mas nicht  gerecht  werden,  vrean  man  sagen  wollte,  das 
Wesen  der  Kirche  als  Leib  Christi  werde  von  Tbomae 
lediglich  nach  der  Beschaffenheit   der   einzelnen  Glieder  be- 

1)  KrauTs  a.  a.  0.  S.  lu  bat  diese  Stelle  gänzlich  miraverstandeu. 
„De  ei;clcaia  sind  ihm  doch  alle,  welche  sich  die  Kirche  einmal  an- 
geeignet hat "  Thomas  redet  vielmehr  uuteracliiedeloB  von  allen 
Menschen  und  macht  zwischen  den  NichtprädeaÜDierteo ,  die  der 
Kirche  bereite  angehürcu,  und  denen,  die  noch  auJaer  ihr  stehen,  gar 
kernen  UuterBchied. 


350  GOTTSCHICK; 

siimmty  deren  Summe  die  Kirche  sei.    Man  muis  noch  dm 
in  dem  Bisherigen  eingeschlossenen  ^   wenn   auch   nicht  aas- 
drücklich  ausgesprochenen  Gedanken  mit  in  Betracht  oeheU) 
der  es  erklärt,  dafs  Thomas  bei  der  congregatio  fiddium  dod 
an  eine  empirische  Gröfse  denkt     Der   Korrelatb^riff  n 
den  subjektiven   Qualitäten  der  Eirchenglieder,   zu  Glaube^ 
Liebe ;  Hofinung^  ist  das  Gesetz  Gottes.     Das  Seligkeitaid 
der  vernünftigen  Kreatur  ist  die  fruüio  dei,  die  in  der  fm 
dei  hinsichtlich  der  Erkenntnis  und  in  der  dadurch  beding- 
ten Liebe  zu  Gott  hinsichtlich   des  Willens   besteht     Damit 
der  Mensch  diesen  Zweck  erreicht^  hat  ihm  Gott  das  Geseti 
gegeben.     Und  zwar  ist  dessen  Kern  die  Liebe  zu  Gx>tt,  die 
die  Nächstenliebe  notwendig  einschliefst   Es  verpflichtet  aber 
zunächst  zum  Glauben  als  der  Form,  in  welcher  auf  Erdeo 
allein  die  Erkenntnis  Gottes  möglich  ist  (jEx  lege   divma  w 
fidem  rectam  inducimur),     (S.  phil.  III,   cap.  64 — 69.)     Maa 
wird  also  sagen  müssen :  für  Thomas  ist  die  Earche  zunächst 
das  durch  das  Gesetz  Gottes  geregelte  und   geeinte   sittliche 
Gottesreich,  nicht  eine  blofse  Summe  Einzelner,  sondern  ein 
Ganzes.     Und  wenn  die  Engel,  die  vollendeten  Seligen,  die 
im    Fegefeuer    Befindlichen   und   die  auf  Erden  Pilgernden 
als  ein  Leib  gedacht,  wenn  die  ecclesia  triumphans  dormiens 
müitans  als  Teile  einer  Gröfse  aufgefafst  werden,  so  ist  diese 
Gemeinschaft  nicht    als    blofs   ideelle    gemeint,    sondern   sie 
wird  durch  die  Füi'bitten  der  viantes  für  die  purgandi,    dar 
Vollendeten  für  beide  aktualisieii. 

In  der  obigen  Bestimmung  des  Umfangs  der  ecclesia 
läfst  Thomas  nun  die  gröfste  Willkür  walten,  indem  er  mit 
den  Mafsstäben  wechselt  imd  auch  solche  anwendet,  die 
durch  die  eigentlich  gültigen  ausgeschlossen  sind.  Der 
eigentlich  gültige  Mafsstab  ist  der  des  prädestinierenden 
göttlichen  Willens;  durch  ihn  wird  es  begründet,  dafs  die- 
jenigen, welche  noch  nicht  leben,  oder,  wenn  sie  bereits 
loben,  doch  noch  nicht  glauben,  oder  wenn  sie  auch  glau- 
ben, doch  noch  der  Liebe  entbehren,  in  das  corpus  mysiictm 
mit  eingerechnet  werden.  Der  Umfang  der  Kirche,  der^ 
Wüöüii  es  ist,  das  sittliche  Gottesreich  zu  sein,  wird  von 
der  Idee  Gottes  als  dem  entscheidenden  Grunde  aus  bestimmt^ 


^ 


HU8,  LUTHER  UND  ZW3NQLI.  351 

^KO  lange  die  Betrachtung  prinzipiell  ist.  Der  Wille  GottCB 
flirerbürgt  es,  dafa  alle  jene  oinst  aktuelle  Glieder  der  Kirche 
-Bein  werden.  Denn  nach  S.  th.  p.  I,  qu.  23  steht  die  Zahl 
vder  Prädestinierten  fest,  nicht  nur  formaliter,  sondern  auch 
i.  maierialUtr  d.  b.  hinsichtlich  der  einzelnen  Personen.  Und 
.  zwar  hat  die  Prädestination  der  einzelnen  Personen  ihren 
•  Orund  auaschliefslich  in  dem  unbedingten  Willen  Gottes 
;  (Art.  5.  7.  8).  Dagegen  ist  es  eine  ganz  willkürliche,  den 
'  prinzipiellen  MafsBlab  verleugnende  Betrach  hinge  weise,  wenn 
Thomas  auch  denjenigen  ein  esse  de  ecdesia  in  potentia  zu- 
.  schreibt,  hinsichtlich  deren  es  durch  den  göttlichen  Willen, 
der  ihr  finales  deßcer€  erlaubt  und  sie  insofern  reprobiert, 
feststeht,  dafs  diese  Potenz  nie  aktualisiert  werden  wird. 

Wenn  Thomas  sagt,  diese  Potenz  gründe  sich  auf  zweierlei, 
primo  et  principaliter  itt  virlute  Christi,  quae  est  sufficiens  ad 
salutem  totius  generis  humani,  secundaria  in  arbitrii  lä>crtafe, 
so  wird  dabei  eben  mit  den  Mafsstäben  gewechselt  und  die 
relative  Betrachtung  statt  der  absoluten  eingeführt,  nach  der 
das  Verdienst  Christi  nur  in  beschränktem  Umfang  wirk- 
sam werden  soll  und  die  libertas  arbitrii  und  die  mit  ihr 
gegebene  Kontingenz  nur  als  Mittelursache  der  göttlichen 
Wirksamkeit  Bedeutnng  hat.  Die  Willkür  und  Undurch- 
führbarkeit  der  relativen  Betrachtung  erhält  ihre  Illustration, 
wenn  Thomas  in  Art.  7  dazu  fortschreitet,  ein  Gegenbild 
des  Reiches  Christi  in  dem  Reich  der  Bösen  featzustellen, 
deren  Haupt  der  Teufel,  reap.  der  Antichrist  ist-  Allerdings 
sind  beide  nicht  in  demselben  Vollsinn  Haupt  ihrer  Glieder 
wie  Christus,  der  Teufel  nur  secundum  exlcriorem  guhemalio- 
wem,  der  Antichrist  secimdum  perfedionem.  Aber  das  ist 
unwesentlich;  denn  es  beruht  darauf,  dafs  das  Böse  fiir 
Thomas  nicht  wie  das  Gute  eine  innere  Einheit  bildet,  und 
ändert  daran  nichts,  dafs  dieselben  Personen  das  eine  Mal 
als  Glieder  Christi,  das  andere  Mal  als  Glieder  des  Teufels 
bezeichnet  werden. 

Neben  dieser  Anschauung,  nach  welcher  die  Kirche  als 
der  mystische  Leib  Christi  die  Zahl  der  Prädestinierten  resp. 
die  Gemeinschaft  derer  ist,  in  welchen  das  die  Liebe  for- 
dernde Gesetz  Gottes    durch   den   KinSuTs   Christi  zur   Er- 


TOI 

m 


352  OOTTSCmCKy 

füllung  kommt;  steht  bei  Thomas  die  andere,  nach  wdiik|^ 
er  unter  Kirche  und  zwar  speziell  unser  ecclesia  flii2i(«l  ^ 
die  hierarchisch  organisierte  und  unter  dem  Papst  za  Bai  ^ 
stehende  Anstalt  in  dem  Gesamtumfang  ihrer  Herr8dat|s' 
versteht.  Es  ist  nun  bei  protestantischen  Theologen  vidfMl  1  ^ 
die  Meinung  verbreitet;  dafs  sich  hierin  eine  BefangenlMitl  ^ 
in  der  gemeinkirchlichen  Anschauung  und  Praxis  kundgeb^  I  ^ 
die  eigentlich  mit  den  „  geistigeren  Anschauungen ''  der  enia 
Gedankenreihe  in  Widerspruch  stehe  *,  dafs  Thomas  infolp 
derselben  mit  dem  gewöhnlichen  katholischen  Kirchenbegril 
eigentlich  habe  brechen  müssen  ^.  Aber  es  ist  eine  vö%  1  Ki 
Verkennung  des  Sachverhaltes  ^  zu  meinen ,  dafs  hier  nra  1  vt 
einander  widersprechende  Vorstellungen  von  der  Kirche  rar  |  G( 
nebeneinander  gestellt  seien.  Die  Kirche  als  Rechtsanstalt  ü 
der  Scholastik  das  unentbehrliche  Mittel,  durch  welcb» 
Gott  die  Gnade  Christi  den  Einzelnen  zueignet,  sie  ist  die 
Ursache^  durch  welche  die  Kirche  als  Heilsgemeinde  her- 
vorgebracht und  erhalten  wird.  Und  zwar  hängt  die» 
Schätzung  der  organisierten  kirchlichen  Heilsanstalt  als  der  1  <l 
Gröfse,  in  deren  Herrschaftsgebiet  lediglich  es  Gemdnde  |  f 
der  Gläubigen  und  Gerechten  giebt,  auf  das  engste  mit  der 
katholischen  Anschauung  vom  Heil  zusammen  und  wird 
durch  dieselbe  gefordert  Man  darf  sich  nicht  durch  den 
Gleichklang  der  katholischen  und  der  evangelischen  For- 
meln communio  fidelium  und  corpus  Christi  spiriiu  sand$ 
vivificatnm  dazu  verleiten  lassen,  beide  dem  Sinne  nach  gleich- 
zusetzen, wird  doch  unter  Glaube  und  heiligem  Geist  oder 
Gnade  hier  und  dort  etwas  ganz  Verschiedenes  verstanden, 
und  der  eigentümlich  katholische  Begriff  dieser  Dinge  ist 
der  Grund  der  spezifisch  katholischen  Verknüpfung  des  religiös- 
sittlichen  und  des  rechtlichen  Kirchenbegriffs.  Der  BegriflF  des 
Glaubens  als  des  Für-wahr-haltens  einer  Summe  durch  formelle 
Autorität  begründeter  Lehren,  als  einer  der  Selbst-gewifsheit 
ermangelnden  Vorstufe  des  Erkennens  schliefst  die  Unter- 
werfung unter  die  rechtliche  Autorität  der  lehrenden  Kirche 

1)  Delitzsch,  Das  Lehrsystem  der  römischen  Kirche,  S.  29. 

2)  Seeberg  a.  a.  0.  S.  58.  59. 


ft 


HÜS,  LUTHER  UND  ZWINOLI.  353 

^dn.  Dazu  kommt,  dafs  der  Glaube  im  objektiven  Sinne 
Mn  Boaiandteil  der  Forderungen  des  Gesetzes  ist,  nach  wel- 
I  die  Kirche  geleitet  werden  muls.  Insbesondere  bringt 
I  der  Begriff  der  Gnade  oder  des  heiligen  Geistes  als  einer 
lernatürliclien  Qualität  der  Seele,  die  als  eine  dem  Be- 
■  iWurstsein  dessen,  der  sie  empfängt  und  besitzt,  verborgene 
:Qualität,  fib  eine  geheimnisvolle  unerfahrbare  Naturkraft 
vorgestellt  wird,  von  der  man  aufser  im  Fall  der  specialis 
,revelatio  nicht  wissen  kann,  ob  man  ihrer  teilhaftig  ist ',  mit 
nch,  dafs  die  Kirche  als  sakramenUile  Heilsanstalt ,  die  der 
Kanal  ist,  durch  welchen  die  Kräfte  der  Gnade  eingegossen 
werden,  der  Kirche,  sofern  sie  mit  Christus  innerlich  geeinte 
Gemeinde  ist,  ab  erzeugender  und  erhaltender  Grund  über- 
geordnet wird.  Die  Kirche  als  priesterliche  Sakramentsanstalt 
ist  das  ausschliefsliche  Organ,  durch  welches  das  Haupt  der 
Kirche,  Chcistus,  sich  seine  Glieder  schafft  und  die  Verbindung 
mit  denselben  erhält.  Unter  diesem  Gesichtspunkt  schreitet 
Thomas  von  der  Auslegung  des  0.  Artikels  des  Symbols  zu 
der  des  10.  (aanctoruvt  commimionem,  remissionem  peccalorum) 
fort  *,  Die  sanclortim  communio  ist  ihm  die  bonorum  com- 
munio  in  Eccfcsia,  die  aus  der  organischen  Natur  des  Leibes 
folgt.  Das  prinzipale  Glied  ist  aber  Christus  als  Haupt  der 
Kirche,  und  so  ist  die  sanctorum  commimio  faktisch  die 
Teilnahme  an  den  Sakramenten,  die  die  Kräfle  des  von 
ihm  erworbenen  Heiles  mitteilen  '.  Thomas  spricht  es  direkt 
aus,  dafs  die  Kirche  durch  die  Öaki'amento  erzeugt  wird  *. 
In  ihnen  ist  ChriatUH  wirksam  den  Seinen  gegenwärtig   und 


1)  S.  th.  II,  I,  qu.  112,  6. 

2)  a.  a.  O.  S.  148. 

3)  Bd.  XVI  der  Parmaer  Edition,  8.  U8.  Bonum  ergo  Ctirisld 
communicatur  omDibus  CbristianiB ,  eicat  virtus  capitia  omnibui 
membriu;  et  Iiapc  conimunictttio  fit  per  sacrameiita  Eccleaiae,  in  qui- 
bua  operatur  virtus  pasaioniB  Christi ,  qaae  operatur  ad  coafereiidam 
gratiam  in  remisaionem  peccatorura. 

i)  S.  th.  p.  III,  qu.  G4,  art.  2  per  Baiiranieuta  dicitar  cbbo  &ibri- 
oata  ecclcsia  Christi,  cf.  Supjil.  qu.  17,  1  sacramenta  ex  quibiu 
ecciesia  fabricatitr. 


354  QOTTSCmCK, 

zwar  durch  die  Vcrmittelung  der  von  ihm  erwählten  Dienert 
die  als  Instrumente  dem  agens  proportioniert  oder  Chruti 
konform  sein  müssen  und  deshalb  eine  geistliche  Gern! 
empfangen  haben ;  die  eine  Art  Teilnahme  an  seiner  Gott- 
heit bedeutet ',  und  die  auch  bei  persönlicher  Unwürdig 
der  Priester  die  Wirksamkeit  der  durch  sie  verwaltela 
Sakramente  sichert^  da  ja  sonst  die  Kanäle,  durch  die  da 
Menschen  die  Kräfte  des  Heils  zuströmen,  unsicher  gemach 
werden  würden  ^. 

So  ist  es  die  Unsicherheit  über  den  eigenen  Gbaden- 
stand,  die  den  katholischen  Christen,  welcher  das  Gesetz 
Gottes  zu  erfüllen  strebt ,  mit  Notwendigkeit  zur  Unto- 
Ordnung  unter  die  sakramentale  und  priesterUche  Heilsanstili 
treibt;  die  der  einzige  Kanal  ist,  durch  den  ihm  die  ent- 
sündigenden  und  neugebärenden  Heilskräfte  zuströmen  köB- 
nen.  So  lange  das  Heil  als  ein  unerfahrbares  Geheimoii 
gilt;  bedarf  der  Christ,  um  überhaupt  in  die  Sphäre  da 
Heils  zu  gelangen,  dieser  Anstalt,  deren  amtliche  Triger 
mit  lehrender  Autorität  ihm  das  Gesetz  des  Griaubens  and 
der  Liebe  für  Verstand  imd  Wille  auslegen  und  diurch  One 
übernatürliche  Kraftausstattung  ihm  die  geheimen  Gnaden- 
wirkungen  vermitteln,  die  er  nötig  hat,  um  die  sittlichen 
Leistungen  zu  vollbringen,  welche  Bedingung  der  ewigen 
Seligkeit  sind.  Und  die  „geistigere  Anschauung*'  von  der 
Kirche  als  der  Heilsgemeinde  ist  an  sich  noch  gar  nichts, 
was  Antrieb  und  Möglichkeit  gewährte,  die  Autorität  dies« 
Anstalt  aufser  Geltung  zu  setzen  oder  zu  beschränken. 

In   diesem   Zusammenhang  ist  es    prinzipiell    begründet, 
dafs  mit   einer   sich   immer  verschärfenden  Konsequenz   die 


1)  S.  ph.  IV,  cap.  76  Manifestum  est  quod  omnia  ecclesiastica 
ßacrainenta  ipse  Christus  pcrficit;  ipse  est  enim,  qui  baptizat,  ipse  est 
qui  peccata  remittit;  ipse  est  vcrus  sacerdos,  qui  se  obtulit  in  an 
crucis  et  cuius  virtute  corpus  cius  in  altari  quotidie  consecratur;  et 
tainen  quia  corporaliter  non  cum  omnibus  iidelibus  praesentialiter 
erat  futurus,  elegit  ministros,  per  quos  praedicta  fidelibus  dispen- 
saret. 

2)  Ibid.  cap.  74. 

3)  Ibid.  cap.  77. 


p 


1,  LUTHEE  UND  ZWINGU. 


^^Entwickelung  dahin  gedrängt  hat,  die  Autorität  der  Träger 
lea  ordo  zu  einer   unbedingten   zu   machen,   die   über  jede 

*l*rüfung  nach  einem  MafBBtab  erhaben  iat,  der  von  ihr  un- 

'kbbängig,  mit  einem  durch  sich  verständhchen  und   in   sich 

^Btetebendcn  Inhalt  ausgestattet  wäre,  und  in  dem  unfehl- 
"baren  Papst  das  Organ  der  arbitiwen  kircldicben  Autorität, 

'die  Verkörperung  der  ecclesia  universalis  erblicken  zu  laBsen. 

''Die  Entwickelung  bat  in  dieser  Richtung  im  Verlauf  des 
Mittelalters  die  grörsten  Fortscbritte  gemacht 

In  thesi  gilt  natürlich  die  Kirche  mit  ihrem  autoritativen 

'  Handeln  liir  gebunden  an  den  Willen  Gottes  •.  Aber  in 
jedem  einzelnen  Falle  steht  es  doch  so,  dafa  die  Statthaftig- 

■  keit,  das  Verfahren  der  ecclesia  repraesentativa  an  irgend- 
welchem inhaltlich  bestimmten  Mafsstab  auf  seine  Berech- 
tigung zu  prüfen,  in  Abrede  gestellt  und  die  Zumutung  er- 
hoben wii-d,  dafs  die  Christen  sich  bedingungslos  den  Ent- 
scheidungen derselben  als  göttlichen  zu  t^gen  haben.  So 
rechtfertigt  Thomas  die  Gültigkeit  der  Ablafspraxis  mit  dem 
Scldufs:  erclesia  universalis  indulgentias  approbat  et  facit. 
Ergo  induigentiae  aliquid  valent.  2fam  impium  esset  dicere  ijuod 
Ecclesia  uUquid  vane  faceret.  Ecclesia  universalis  non  polest 
errare  *.  Darum  sind  die  Absolution,  welche  diese  Kirche 
ausspricht,  und  die  Exkommunikation,  die  sie  verhängt, 
als  Gottes  Urteil  zu  betrachten.  Selbst  im  Fall  der  unge- 
rechten Exkommunikation  hat  sich  der  Christ  ihrem  Spruch 
bei  Gefahr  der  Todsünde  humililer  zu  unterwerfen.  Die 
empirisch  -  rechtliche  Organisation  als  das  unentbehrliche 
Mittel  der  Herstellung  und  Ausgestaltung  des  sittlichen 
Guttesreiches  wird,  damit  sie  dies  sicher  sein  kann,  zu  einer 
völlig  souveränen  Macht  hinaufgeschraubt.  Und  zwar  bat 
ihr  Thun  nicht   nur   für    die  Christen   den  Charakter  einer 


1)  Z,  B.  Tliomaa,  S,  Ih,,  p.  III,  qu.  19,  art.  3  non  polest  wl- 
vcru  vel  lignve  ad  arbitiium  suum,  sed  tanturo  sicat  a  Deo 
sibi  pracBcriptmn'cst. 

2)  Vgl.  8.  th,  p.  m,  ciu.  25,  art,  1;  cf.art,  2  Si  in  praedicatione 
eccIcBiae  aliqua  falBitas  dcprcbenderctur ,  noii  CBsent  dociunenta  ec- 
clcäiae  alicuiuB  auctoritatis  ad  roborandam  fidem. 


S54  GOTTSCHICK,  1 

mnbedingten  Autorität;  der  sich  prüfungslos  zu  unterweriil  ns 
sttlklie  Pflicht  ist;  sondern  es  wird  ihm ,  damit  diese  Fh  fih 
lienmg  ak  begründet  erscheint,  auch  eine  direkte  Bedeot^l  &} 
ttur  Crott  zugeschrieben.  Zwar  der  Gnade  selbst,  der  dit-l  «ff 
rUfäs*  die  der  Christ  besitzt,  also  der  aktuellen  GliedicUl  n 
am  Leibe  Christi  selbst,  kann  die  ungerechte  Exkomnnfrl  b 
kalkm  ihn  nicht  berauben,  wohl  aber  der  suffragia  EcdamM  i 
die  ad  augmcntum  gratiae,  ad  cuatodiam  virtutis,  ad  d^m  l 
simtm  ab  hoste  wirksam  sind  (S.  tL  suppl.  qu.  21,  arisl  i 
«nd  4).  Hier  geht  das  rechtliche  Mittel  der  sittlichen  Ziefc  1  l 
daia  über,  sich  zum  Selbstzweck  zu  machen.  1  i 

Diurch  denselben  Zusammenhang  der  Gedanken,  dii  1 
«ttiiiriach- rechtliche  Ordnungen  das  zuverlässige  Mittel  der 
Erbahong  der  sittlichen  Ziele  der  unitas  und  pax  ecdam 
sind»  ist  es  begründet,  dafs  die  klerikale  Gewalt,  die  In 
Xinei  Ck>lles  zur  Erzeugung  der  Gemeinde  ist,  auf  ihre  Z&- 
$^tiaiB^  in  der  Gkwalt  des  Papstes  hindrängt  ^. 

FwiMr  ist  in  Anschlag  zu  bringen,  dafs  die  Eürche  ik 
tJb»  «infidie  Gottesreich    alle  Liebensverhältnisse    umspumt, 
^jkkI  ob^  dtifilialb  auch  die  rechtliche  Herrschaft  des  Papstes^ 
liünf  Üie  K<«Jisierang  dieses  Heik   der  Menschheit   verbürgt^ 
^^   über  d^oi  ganzen  Umfang    dieses  Gebietes    erstrecken 
moik     Ati%«be  der  staatlichen  Gemeinschaft  ist  fiir  Thomas 
iae<^  X-wf   9«v^r«c    dies    hat  seinen   Mafsstab    an    der    virtus; 
gtutvü  «lije  ntM  s^'wUwm  virtutem  wird  aber  der  Mensch  auf 
Jtasj^  HA  vh>«  ewigen  Lebens  hingelenkt,   darum   ist   es  die 
y-i^Ahe  d^  KC^iigs,  für  das  Seelenheil  seiner  Unterthanen 
,j]tuvh  V.Wbie«ett   und  Verbieten    direkt   Sorge   zu    tragen  *. 
IV"^  Zweckbestimmung  der  weltlichen  Obrigkeit   hat   aber 
><ttKU^  AÜ^m  Yv>raussetzimgen  des  Thomas  ihre  Unterordnung 
itti«  ü^  prie^terÜche  Gewalt,  die  schliefslich  im  Papst  sich 

^    vV<«^  *t^   *-'^*  l*arui.  XVI  de   regimine  Principum,  p.  237. 
;i^i  \vt5**v  >^«A  itt  praestuti  bene  vivimus,  finis  est   beaütudo 
^  vc^  ot^ciuiu   pertiuet   ea   ratione   vi  tarn   multitudinis 


.^v..N*.-^      '*'^     '"^' 


vv^^i^v  ^^vujatdttiu  quod  coDgmit  ad  caelcstem  beaütudioem 


«t  ^»KhN'^  «tt  pimecipiat,  quae  ad  caelestem  beatitndi- 

^vvMi  <^U«na  .  .  .  mterdicat. 


,^.    «^^  ^H 


HOS,  LUTHEH  UND  ZWINOLt.  367 

uHnmenfarst,  zur  Folge.  Der  Weg,  der  zur  Seligkeit 
irt,  und  die  HindemiBse  desselben  sind  aus  dem  Gesetze 
ittes  zu  erkennen,  cuius  doclrinn  perlinet  nd  saceriMum 
ium  (a.  a.  0.).  Ja,  da  es  schlierBlich  nicht  menschliche, 
■ondem  göttliche  virtus  ist,  durch  die  man  zur  Seligkeit 
otnmt,  so  ist  es  im  Grunde  nicht  menschliches,  sondern 
Bttliches  Regiment,  dem  es  obliegt,  die  Menschen  zu  diesem 
iele  zu  führen.  Christus  als  güttHcher  König  hat  dies  zu 
kon;  er  thut  es  durch  seine  Priester  und  insbesondere  den 
lapst,  dem  deshalb  alle  irdischen  Könige  unterthati  sein 
lUssen  '. 

kindlich  ist  zu   beritcksichtigen ,   dafs   das  Gesetz  Christi 
ufser  den  Geboten  auch  die   evangelischen  Ratschläge   ent- 
Kit,    durch  die  es  einen  weltfliichtigen  Charakter  bekommt, 
afs    die   Befolgung  derscJben    und   das   kontemplative    Le- 
ben  allerdings    in    verschiedenem   Grade  dem   Klerus,    ins- 
besondere  seinen   höheren  Stufen,    von   Thomas   zur   Pflicht 
^macht  wird  (S.  th.  II,  2,  qn.  186),   und   dafs  diese  For- 
idening  den  Sinn  hat,  eine  höhere  Vollkommenheit  des  Klerus 
[C^Düber  der  unvollkommenen  Laienschaft  nach   einer  an- 
dern Seite  hin  zu  begründen. 


II. 

Hus  bat  seine  Lehre  von  der  Kirche  zusammen  hängend 
in  dem  Traktat  „de  ecclesia"  dai^legt.  Derselbe  wird  je- 
doch in  manchen  Punkten  illustriert  durch  die  übrigen 
Schriften  des  Mannes:  durch  seine  Synodalpredigten,  die  aus 


1)  a.  a.  0.  Hajua  ergo  regni  mtnisterium ,  nt  a  torrenis  essent 
spirituolia  distiocta,  qoh  terrenia  rcgibus,  scd  sacerdotJbus  eat  com- 
missnm  et  praecipoe  Bummo  Sacerdoti,  Bucceaaori  Pelri,  ClirJBti  vicario, 
RomanD  Pontifici,  cui  omncs  reges  populi  Christiani  oportet  esse  snb- 
ditos  aicut  ipai  Domino  Jesu  Christo.  —  In  uova  lege  Ba<^rdDtium 
eat  alllua,  per  qnod  homiiics  traducuntur  ad  bona  caelesttn:  undo  in 
lege  Chriati  reges  debcnt  sacerdoti bus  esse  Mibjccti. 


3Ö8  OOTTSCmCK, 

einer  Zeit  stammen^  in  welcher  er  noch  nicht  mit  der  kirch- 
lichen Autorität  zerfedlen  war,  durch  seine  Streitschriften 
gegen  seine  theologischen  Gegner  Stephan  Paletz  und  Stanis- 
kus  von  Znojma,  durch  seine  Antwort  auf  die  Schrift  der 
Prager  theologischen  Fakultät  („scriptum  odo  JDoctarum'% 
durch  seine  Verteidigung  einiger  Sätze  Wicliüs,  endlich  durch 
drei  in  Eonstanz  verfaTste  Traktate  „de  aufficieniia  legis 
Christi*',  „de  fidei  suae  ducidatione",  „depeu^'*  K  Nach  den 
Nachweisungen  Loserth's  ^  reicht  die  Abhängigkeit  des  Hos 
von  Wiclif  viel  weiter,  als  bisher  angenommen  wurde.  Es 
könnte  deshalb  erforderlich  scheinen,  auf  Wiclif  zurück- 
zugehen. Aber  einerseits  liegt  Wiclif s  Traktat  „de  eedesia*' 
noch  nicht  im  Druck  vor,  und  anderseits  ist  es  eben  Hob 
und  nicht  Wiclif  gewesen,  den  die  Reformatoren  kennen 
gelernt  haben,  dessen  Lehre  für  die  Entwickelung  ihrer 
eigenen  von  Bedeutung  gewesen  sein  kann.  Es  wird  des- 
halb berechtigt  sein,  wenn  eine  Untersuchung,  die  im  Inter- 
esse der  Feststellung  des  Verhältnisses  zwischen  dem  Kirchen- 
begriff  des  Hus  und  dem  der  Reformatoren  unternommen 
ist,  sich  auf  Hus  beschränkt  und  darauf  verzichtet,  aus  den 
gedruckten  Schriften  Wiclif  s  die  Parallelen  beizubringen. 

Hus  eröffnet  bekanntlich  seinen  Traktat  „de  ecclesia"  mit 
der  Definition,  dafs  .die  allgemeine  Kirche  die  Gesamtheit 
der  Prädestinierten  aller  Zeiten  und  aller  Orte  sei,  die  in 
drei  Teile  zerfalle,  die  ecclesia  triumphans,  dormiens  und  mi- 
litans,  welche  letztere  wieder  aus  vielen  Partikularkirchen 
bestehe.  Er  fUhrt  dann  weiter  aus,  dafs  zu  dieser  Kirche 
kein  Nichtprädestinierter  (praesdtus)  gehöre,  auch  nicht  in 
der  Zeit,  in  welcher  er  sich  im  Stande  der  praesens  justiiia 
befinde,  während  jeder  Prädestinierte  in  sie  eingerechnet 
werden  müsse,  auch  so  lange  er  noch  nicht  im  aktuellen 
Besitz  der  Gnade  sei.  Den  Nichtprädestinierten  kommt 
nur  ein  esse  in  ecclesia  zu,  nicht  das  esse  de  ecclesia,  sie 
vergleichen  sich  den  mancherlei  Bestandteilen,  die  im  Körper 


1)  Historia  et  monumenta  Johannis  Hus  et  Hieronymi  Pragensis 
(Nürnberg  1558),  T.  I.  ü.  Ich  eitlere  nach  der  zweiten  Auflage  von 
1715. 

2)  Hus  und  Wiclif,   Zur  Genesis  der  hussitischen  Lehre  1884. 


HD8,  LUTHER  UHD  ZWIMOLt.  369 

sind,  ohne  zu  ihm  zu  gehören,  und  die  darum  auch  aus- 
geschieden  werden.  Diese  Kirche  ist  der  mystische  Leib 
CliriBti,  welchem  Christus  als  das  Haupt  molum  ac  sensum, 
nämlich  die  Gnade  der  Prädestination ,  einHiifst.  Diese 
Kirche  ist  heilig,  sofern  das  Ziel,  zu  dem  sie  bestimmt  ist, 
die  vollkommene  Freiheit  von  jeglicher  Sünde,  von  allen 
ihren  Gliedern  einst  im  Vaterland  erreicht  werden  wird. 
Ihre  Einheit  wird  gewährleistet  durch  die  Einheit  der  Prä- 
destination, als  des  Gnindes,  und  der  Seligkeit,  als  des 
Zieles,  in  der  Gegenwart  aber  durch  die  Einheit  des  Glau- 
bens, der  Tugenden  und  der  Liebe.  Schon  diese  positiven 
Auatiihrungen  sind  antithetisch  gemeint.  Hus  markiert  schon 
hier  die  Konsequenzen  oder  deutet  sie  wenigstens  an,  welche  sich 
ihm  aus  diesem  Begriff  gegen  die  Prätension  der  Träger  der 
kirchlichen  Rechtsordnung  ergeben,  dafs  sie  die  Kirche  seien. 
Zum  Oliedc  der  Kirche  macht  weder  locus  noch  dedio  hu- 
mana,  sondern  allein  die  göttliche  Prädestination  (I,  247). 
Und  da  es  Anmafsung  wäre,  ohne  spezielle  Offenbarung 
oder  sine  formidine  d.  h.  andei-s  als  mit  Ungewisser  Hoff- 
nung sich  für  prädestiniert  und  demgemäfs  für  ein  Glied  der 
Kirche  zu  halten,  da  niemand  weifs,  ob  er  der  Liebe  oder 
des  Hasses  würdig  sei,  so  ist  os  unbegreiflich,  mit  welcher 
Stirn  Papst  und  Kardinäle  sich  für  das  Haupt  oder  den 
Körper  oder  für  t?iem6ra  praedpua  der  Kirche  erklären  kön- 
nen (I,  254). 

In  Hinsicht  des  Bestandes  ihrer  einzelnen  Ghcder  ist  die 
Kirche  deragemäfs  unbekannt,  und  gerade  deshalb  Gegen- 
stand des  Glaubens,  dessen  Objekte  unsichtbar  sein  müssen 
(I,  254).  Hus  registriert  endlich  eine  Reihe  von  Bedeu- 
tungen ,  in  welchen  das  Wort  ecclesia  genommen  wird. 
Nuncupalive  oder  reputative  als  die  congregatio  praescitorum ; 
diese  Auffassung  ist  ein  reiner  Irrtum  (I,  255).  Hus  meint 
damit  keineswegs,  wie  meist  ialschiich  angenommen  ist,  die 
empirische  Kirche  als  Ganzes,  sondern  die  verweltlichte 
Hierarchie.  Ihre  Träger  sind  es,  die  secundutn  fatnam  se- 
cuÜi  eapUa  vel  vtembra  der  Kirche  heifsen,  während  sie 
membra  diaholi  sind.  Ferner  wird  unter  Kirche  verstanden 
die  amgregatio  fidelium  secundum  quid  vel  ad  t^npus,  die  Qe- 


360  GOTTSCHICK, 

samtheit  der  Zeitgläubigen.  Auch  diese  ,, Kirche''  ist  nick 
die  heilige  katholische  Kirche,  noch  ein  Teil  von  ihr.  Wakr' 
wird  ecclesia  genommen  mixtim  pro  praedesiinatis  d  ^ 
scUiSf  dum  sunt  in  gratia  secundum  praesentem  justüm 
Diese  Kirche  fällt  teilweise,  aber  nicht  ganz  mit  der  Kir^ 
im  wahren  Sinn  oder  der  Kirche  als  Glaubensartikd  a- 
sammen,  mit  der  convocatio  praedestinatarttm. 

Diese  Gedankenreihe  ist  es,  auf  Grund  deren  Knnb 
und  Seeberg  zu  einer  Auffassung  des  Kirchenbegriffes  da 
Hus  gelangt  sind,  welche,  obwohl  beide  über  den  Wertdo- 
aelben  entg^engesetzt  urteilen,  im  wesentlichen  identisA 
ist  Kraufs  ^  findet,  dafs  das  Verhältnis  der  Kirche,  wdck 
als  Glaubensartikel  definiert  wird,  zu  den  religiösen  Gemeb- 
Schäften,  welche  faktisch  vorhanden  sind^  za  unbestimmt 
geblieben  sei,  dafs  eine  genauere  Auseinandersetzung  mit 
den  im  wirklichen  Leben  vorhandenen  Möglichkeiten  imd 
Bedingungen  geordneten  genossenschafUichen  Zusammen- 
fobens  echter,  gewordener,  werdender  und  möglicherweise 
noch  werdender  Christen  durch  die  realen  Bedürfnisse  e^ 
ibirderi  werde,  dafs  Hus  niu"  den  Umfang,  nicht  das  Wesen 
deo  Begrifis  der  Kirche  ins  Auge  gefafst  habe.  Ähnlich 
ttietttt  Seeberg*,  dafs  es  für  Hus  zwei  Kirchen  gebe,  die 
«t^iiauuie  wahre  Kirche  der  Idee  und  die  Kirche,  welche 
di^  Leut«»  »o  nennen ',  die  aber  beide  nichts  mit  einander 
^vttieiu  haben.  Während  nun  Kraufs  bei  Hus  die  Elemente 
«u  vHueiii  wahrhaft  reformatorischen  Kirchenbegriff  findet 
.^  IT"^.  urteilt  Seeberg,  jene  Versammlung  der  Prädesti- 
^y^^^i^  ^i  ein  blofses  Idealding,  das  aufser  Beadehung  zu 
,j^  K^^til^ten  christlichen  Glaubens  und  Lebens  stehe,  und 
.^^v|  ^vK  die  Behauptung  hinzu,  dafs  der  Prädestinations- 
vnUv^Xc  Ui*>  Aunihilienmg  der  objektiv  der  Kirche  gegebenen 
^h),hIu  .>M*Vici  »ur  Folge  habe  und  mit  einem  subjektivisti- 
>v^<i   ^v»u  dt?u  Einaelnen   ausgehenden  Gemeinschaftsbegriff 


V  -  0.  5^  U    16. 
^  V  0*  5v  Z^K  TT  vgl  72. 
s   Vriu*a4iK"i^  iAi  w  wit  falscher  Auslegung  den  Gegensatz  der 
s,>»*,»    «*»^  ^*»*^  ^i**Nt^*i^^r<  oder  reputative  dicta  vor  Augen. 


^K  HUS,  LUTHER  UND  ZWTNGLI.  361 

Ul  Zusamnieiihang  stehe,  sofern  das  Korrelat  der  göttlichen 
Ȁacht Wirkung  im  Menschen  der  Glaube  und  die  Tugend 
seiner   Menschen    sei,    nicht    eine    historisch    vorhandene 


^p>      An  der  Richtigkeit  dieser  AuffasBungen  kamt  schon  die 
^Tbatsacbe  irre  machen,   dafs  Hna   so  gut   wie  Wiclif  eine 
lEeform  der  empirischen  Kirche,  also  eine  Verwirklichung 
^der  Idee  der  Kirche  auf  Erden  angestrebt  hat.     Beide  sind 
^MSnner  der  reformatoriBchen  That,  nicht  einer  blofBcn  Dok- 
^   trin    gewesen ,    die    möglicher  weise    gegen    die    historischen 
^    Realitäten  gleichgültig  sein  kann.     Es  hätte   also    die  Frage 
^   aufgeworfen  werden  mUssen,  wie  sich  ihr  praktisches  kirch- 
.     liches  Ideal   mit  jenem  Begriffe   von   der   Kirche    vermittle. 
^    Dafs  Hus   das,   was  sich   auf  Erden  als   Kirche  giebt,   die 
^erscheinende  Kirche,  nicht  so  reinhch  als  eine  zweite  Kirche 
Haeben    die    Kirche     der    Idee    gestellt    hat,    dafHr    zeugen 
Hiiuhon   die   Thatsachen,   dafs  er   die   Kirche   als  die  Mutter 
Hbezeichnet,  aus  der  wir  geboren  werden  ',   dafs   er  das  esse 
Hde  und  esse  in  ccdesia  unterscheidet,  indem  er  die  pracscili 
B  mit    Bolchen   Bestandteilen   des  Körpers    vergleicht,    welche 
wie  Harn,   Unrat,   schlechte   Säfte   nicht  zu   demselben   ge- 
hören, wenn  sie  auch  zeitweilig   sich   im  Umfang   desselben 
befinden",    dafs   er   kein  Bedenken   trägt,    die   traditionelle 
Deutung    der    Gleichnisse   oder    Bilder    vom    Unkraut    unter 
dem  Weizen,  vom  Netz,  von  der  königlichen  Hochzeit,  von 
den  zehn  Jungfrauen,  von  der  Tenne  aui'  die  Kirche  anzu- 
wenden,  ohne  darum  die  Konsequenz   zu   ziehen,   dafs   die 
durch   Unkraut  u    s.  w.   Bezeichneten   wirklicli  zur   Kirche 
gehören  '.     Es  ist  doch  unfraglich  die  Voraussetzung  solcher 
Distinktionen ,   dafs  die  empirische  Kirche   trotz    ihrer   viel- 
fachen Inkongruenz  mit  der  Idee   der  Kirche   lur  Hus'  Bc- 
wuTstsein   mit   der  eccksin   mililnns   irgendwie   identisch   ist, 
dafs  es  fiir  ihn  eine  Betrachtungsweise  giebt,   nach   welcher 
von  der  empirischen  BcTmischung   derjenigen,   welche   nicht 


1  mntrc  »piritnuliler  gencrninui 


1)Z. 

B 

I, 

241  PI  c 

a)a. 

a. 

0. 

I,  247. 

8)«- 

a 

0. 

],  252f. 

i       MtMhr 

K.-a,  vui,  i. 

363  ^KyrrscHiGK^ 

wahre  Kirchenglieder  sind^  abstrahiert  werden  kann  \  I^i  i 
Instanzen  lassen  sich  schwerlich  schon  mit  der  fiemerkiui 
erledigen^  dals  neben  der  spekulativen  ;,auch  einer  pnk* 
tischen  AufTassnng  Raum  gegeben  werde''  (Seeberg  a.  a.0. 
S.  71).  Gleichviel,  wie  Hus  die  Kirche  definiert,  eine  toB- 
ständige  Erkenntnis  seiner  G^samtanschauung^  von  der  Kirdre 
kann  man  nur  gewinnen ,  wenn  man  fragt,  durch  welck 
Mittel  nach  Hus  die  prädestinierende  Gnade  an  den  Bs* 
zelnen  wirksam  wird  und  welches  die  letztlich  treibeodai 
Gründe  seiner  Opposition  gegen  die  Autoritätsansprüche  der 
kirchlichen  Rechtsordnung  sind,  und  wenn  man  die  betreffen- 
den Gedanken  mit  den  oben  angeführten  kombiniert  Audi 
Lechler 'y  der  jene  Fragen  nicht  aufseracht  l&Ts^  bat  doch 
diese  Kombination  nicht  vollzogen;  und  darum  gewikt 
auch  seine  Darstellung  der  Lehre  des  Hus  von  der  Kirde 
nicht  die  Möglichkeit;  das  Verhältnis  derselben  zu  der  tn- 
ditionell  katholischen  und  zu  der  reformatorischen  richtig  n 
bestimmen. 

Dals  in  dem  augustinischen  Gedanken,  die  Kirche  lei 
die  Gesamtheit  der  Prädestinierten^  nicht  der  Schlüssel  zum 
Verständnis  der  Abweichung  der  Oppositionstheologie  von  dm 
überlieferten  Kirchenbegriff  liegen  kann^  lälst  sich  schon  aoi 
der  oben  erörterten  Stellung  des  Thomas  zu  diesem  Gedankt 
abnehmen.  War  es  doch  lediglich  der  willkürliche  Wechsel 
der  MafsstäbC;  durch  den  Thomas  sich  der  Konsequenz  der 
von  ihm  anerkannten  Prädestinationslehre  entzog.  Und  was 
will  er  von  seinen  eigenen  Prämissen  aus  erwidern,  wenn 
Hus  willig  ihm  zugesteht^  dafs  Christus  allerdings  nicht  nur 
nach  seiner  Gottheit  ^  sondern  auch  nach  seiner  Menschheit 
Haupt  des  ganzen  Menschengeschlechtes  sei^  sofern  dasselbe 
Wohlthaten  von  ihm  empfange^  dafs  man  aber  doch  die  Art, 


1)  Ritsohly  dessen  Untersuchung  von  den  beiden  genannten 
Theologen  vorausgesetzt  wird,  sagt  mit  Recht:  „Sofern  nun  die  Kirche 
als  gegenwärtig  wirklich  gedacht  wird,  ist  sie  an  sich  erscheinend^. 
„Hus  konstruiert  gar  nicht  eine  Kirche,  welche  an  sich  unsiehibsr 
wäre."    a.  a.  0.  S.  194. 

2)  Johann  von  Wiclif  und  die  Vorgeschichte  der  Reformation 
1873,  Bd.  II,  S.  233  f. 


^^K  HCS,  LUTHER  UND  ZWIKOLI.  3G3 

»fc*i«  er  Haupt   der   PrädeBtinierten   und   aller  Menschen   sei, 
fe VDterscfaeidea  müsse:  man  kunne  eogar  die  Kirche  des  Teu- 
ft «eis    als   Kirche   Christi    bezeichnen   ratione  creatianis,   bene- 
mAeientiac    et    conservatioais ,    aber    nicht    ratione    caritativae 
Mi*mionis '.     Vor  allem  aber  liegt  es  in  der  Natur  der  Sache, 
Eidars  aus  dem  Prädestinatiünsgedanken  für   sich   gar  nicht 
r-der   Impuls    zur   Reform    der  Kirche    in    einer    bestimmten 
i   RiclituDg  entspringen  konnte.     Nur  die  in  ihn  eingeschloBse- 
len  Normen   des  Weges  zu   dem   durch   die   Prädestination 
letzten  Ziel  konnten  als  solcher  wirken.     Ja,  nicht  einmal 
ilaCa ,    den    hochgeschraubten    Wert    der    kirclilichen 
Beilsanstalt  herab zudrUcken,  fdhrt  er  mit  sich,   wenn   nicht 
mch  die   Gewifsheit    der   eigenen   Prädestination   als   etwaa 
Wtrachtet  wird,  was  jedem  zugänglich  und   nicht   mehr  an 
nine  specialis  revdatio  gebunden  ist.    Sobald  diese  Gewifsheit 
rreicht  ist,  fUlit  ja  allerdings  die  Autorität  äufserer  Institu- 
Vtionen  dahin.     Aber  mufs  man  nach  Hus'  Anschauung  über 
[  seine  eigene  Erwählung  ebenso  unsicher  bleiben,  wie  der  treueste 
Anhänger  der  Papstkirche  darüber,  ob  er  im  gegenwärtigen 
Besitz  der  Gnade  sei  oder  nicht,  unsicher  ist,  ja  wird  diese 
Unsicherheit   durch   den   Prädestinationsgedanken    noch   ge- 
steigert, weil  unter  seiner  Geltung  die  Anzeichen,  die  einiger- 
mafsen  zu  der  Vermutung  berechtigen ,    dafs   man   sich   im 
Besitz  der  praesens  justHia    befinde,    für    die    fintdis    perse- 
veraniin  keinerlei  Gewähr  geben,  so  kann  die  Überzeugung, 
dafs  der  Erfolg  aller  Onadenmittel   der  empirischen  Kirche 
Bchlielälich  von  dem  unberechenbaren  Machtwillen  Gottes  ab- 
hänge,   gar    nicht    den    Antrieb    zur    Gleichgültigkeit    gegen 
dieselben  gewähren,     tieeberg  hat  das  Hauptargument,   wel- 
ches   die    lutherische   Polemik    gegen   die   Reformierten   vor 
einigen  Jahrzehnten  ins  Feld  zu  führen  pflegte,  wieder  hervor- 
geholt und    auf  Wiclif  und  Hus    n  priori    angewandt,    dafs 
die  Prädestinationslehre   die  „kirchlichen  Gnadenmittel   ent- 
werte": „die  selig  werden,  bedürfen  ihrer  nicht,  den  übrigen 
und  sie  nutzlos "  *.     Das  ist  aber  ein  Räsonnement,  welches 


1)  a.  ft.  0.  I,  255.  25Ö. 

a)  a.  a,  0.  H.  72  vgl.  S.  7fi.    „Soll  alior  jene  Gotteswirkitiig  der 


364  OOTTSCHICRy 


niemand  anzustellen  vermag  ^  der  sich  auf  den  Standpimki 
zu  versetzen  imstande  ist^  auf  dem  mit  religiösem  GkuboB 
und  nicht  mit  fleischlichem  Sinne  die  Prädestination  Iw^ 
hauptet  wird.  Der  religiöse  Sinn  wird  sich  vielmehr  dnrck 
den  Prädestinationsglauben  erst  recht  dazu  treiben  lassen, 
alle  die  geordneten  Mittel  zu  brauchen^  durch  welche  die 
Prädestinationsgnade  an  den  Menschen  wirksam  wird.  Und 
dieser  Antrieb  kann  iiir  sich  allein  ebenso  gut  ein  gesteig«'- 
ter  Impuls  zur  Unterwerfimg  unter  die  unbedingte  Autoritit 
der  kirchlichen  Anstalt  sein^  so  lange  der  Weg  zu  penoo- 
licher  Heilsgewifsheit  noch  nicht  gefunden  ist.  Es  bitte 
also  die  Untersuchung  erst  recht  auf  die  Vorstellung  des 
Hus  von  der  empirischen  Kirche  und  von  dem  Wesen  und 
den  Bedingungen  des  christlichen  Heiles  eingehen  müssen. 

Hus  besitzt  nun  keine  andre  Anschauung  vom  Heil  ab 
die  gemeinkatholische.  Das  Ziel  des  Menschen  ist  die  Ver- 
einigung mit  Gk>tt  durch  die  visio  Dei  und  die  dadurch  be- 
dingte Liebe.  Auf  Erden  wird  man  dazu  vorbereitet  durch 
den  Glauben  und  die  verdienstliche  Erfüllung  des  Gesetzes 
der  Liebe.  Der  Glaube  ist  durchaus  als  theoretisches  Für- 
wahr-halten  eines  Quantums  von  Lehren  gemeint ;  es  genügt 
für  einen  guten  Teil  dieses  Quantums  die  fides  implicita. 
Die  Hauptsache  ist,  gemäfs  dem^  dafs  der  Glaube  nur  als 
fides  caritaie  formata  Wert  hat,  die  Erfüllung  des  Ge- 
setzes ^ 

Die  Befähigung  hierzu  hängt  aber  davon  ab^  dafs  auf 
Grund   des  Verdienstes  Christi  ^   die   die  Sünde  austilgende 

Prädestination  ohne  alle  zeitliche  Vermittelang  das  Heil  des 
Menschen  herbeiführen  — " 

1)  a.  a.  0.  I,  38.  Christianas  debet  .  .  .  fidem  aliqualiter 
coguoscere,  vgl.  62.  Quantum  oporteat  fidelem  de  nccessitate  salatis 
explicite  credcre,  uou  est  meum  pro  nunc  discuterc,  cum  Dcas  omni- 
potcns  suos  clectos  sccandum  gradum  fidei  multiplicem  ad  se  trahit 
259:  Quicunque  habaerit  fidem  caritatc  foimatam  .  .  in  conunoni 
safficit  cum  virtute  persevcrantiac  ad  salutcm  .  .  Non  .  .  exigit  Deas, 
at  omnes  filii  sui  siut  continuc  pro  viationc  sua  in  acta  cogitandi 
particulari  de  qualibct  fidei  particula,  sed  satis  est,  quod  postposita 
desidia  habcant  fidem  in  habitu  formatam. 

2)  a.  a.  O.  II,  8(). 


HUS,  LUTHER  UND  ZWIBOLI.  365 

ruft  der  Gnade  eingegossen  wird.  Und  Hub  nennt 
^nirgends  eiuen  andern  Weg,  auf  wclclicm  dies 
^geßchielit  als  die  Predigt  und  die  Sakramente, 
^speziell  Taufe  und  Abendmahl  oder  Mefaopfer'. 
i*  Ea   wird   bei   dieser  Schätzung   der  Sakramente   als   der 

■  Kanäle  der  wicdcrgebjirenden  Gnade  nicht  auf  die  Prä- 
•;  deatination  reflektiert  und  nicht  von  weitem  eine  „Anni- 
r  Lilierung"  der  ersteren  durch  die  letztere  auch  nur  ange- 
deutet '.  Und  das  ist  auch  gar  keine  Inkonsequenz.  Es 
liegt  nicht  im  niiiirlcsten  in  der  Idee  der  Prädestination,  dafs 
sie  ohne  zeitliche  Verniittluug  das  Heil  herbeiführe.  Und 
so  lange  die  Opjiositionstheologie  denselben  Begriff  von  der 
Gnade  hat,  wie  die  traditioneUe  Theologie,  dafs  ngmlich  die- 
selbe in  der  Eingiefsung  einer  geheimen  Kraft  bestehe,  von 
deren  Vorhandensein  man  nur  durch  specialis  revdalio  wiseen 
kann  ',  ist  die  Sa  kram  cnt  sieh  re ,  so  weit  es  sich  um  Sakra- 
mente  handelt,    bei   denen   eine   arbiträre  Entscheidung  des 


1)  a.  a.  0.  I.  378:  posBunt  miiiistntre  baptiBinum  vel  aliud  sacra- 
mentuni  orstloDia  vcl  pracdicaiioDia  verbum,  quibuH  Deus  mundat 
homiueni  a  peccato,  ]I,  KT:  Tcrtiam  unioucm  habet  com  Bponu 
Bua  Gccleata  in  caritate  .  .  i|tiain  uniooem  solvcre  conantur  Judoei 
et  Saracem ,  dicciitcs  Christiaiioe  aon  uniri  cum  Deo  et 
Cbristo  per  baptii^inum  et  alia  sacramenta.  11,  83:  parvuU 
bAptisati  viiduut  ad  patrintn.  I,  ^S4:  vim  iX'gcnrrativam  dedit  aquis 
et  baptismo  suo  facit  hamjnCB  Bua  mcmbra.  1,  252:  Pracdestinati 
malitia  percuAsi  u  sau  du  ccclesia  in  boiijtatem  per  baptismuin 
vel  per  pocni tentiam  revocantur.  Uuter  den  Bedingungen  der 
gegenwärtigen  Einheit  der  Kirche  I,  2iG  wird  neben  Glaube,  Tagen- 
den, Liebe  auf  Grund  von  Eph.  4,  15  die  Taufe  aufgeführt.  TrotB- 
dem  Ititschl  a.  a,  0.  hierdurch  seine  Behauptung  begründet  bat, 
dars  Hub  die  Kirche  auf  Erden  als  erscheinend  denke,  ist  diene  Stelle 
von  Kraufa  und  Seehcrg  ignoriert.  II,  ö8:  de  quo  quidcm  Sacra- 
meuto  (Abendmahl)  i])sa  eccktiia  militnns  vivifieatur,  nutritur,  ab 
infirroitatibua  poccatorum  curatur,  a  inortc  pcrpctua  reacrvatur,  et 
vita  aetema  cfficaciter  sibi  iuduilur. 

2)  Das  gilt  auch  von  Wichf.  Vgl.  Buddensieg,  Job.  Wiclif 
und  seine  Zeit  (1885),  S.  li>8:  dcbeinus  credcre,  quod  omuia  satra- 
meuta  senaibilia  rite  administrata  habent  efficaciam  salutareni. 

3)  Wiclif,  TrialogUH  111,  cap.  2:  nemo  cognoscit,  si  ait  mora- 
liter  virtuoaus,  niei  a  Dco  albi  fuerit  spccialiter  revelatuin. 


1)  Buddensicpf  a.  a.  0.  S   207,  Anm.  3. 

2)  a.  a.  0.  I,  264. 

3)  a.  a.  0.  I,  265.  Potcstas  ordiuis  vocatur  potcstas  spiritualis, 
quam  habet  clcricus  ad  ministrandum  ecclesiae  sacramenta,  ut  spiritua- 
litcr  prosit  sibi  et  laicis ,  ut  est  potestas  conficiendi  absolveudi  et  alia 
sacramcntalia  administrandi. 


366  G0TT8CHIGK, 

Priesters  nicht  in  fVage  kommt,  gar  nicht  der  Ort,  wo  dil  ^ 
Difierenz  entspringen  kann.  Mag  man  zu  der  Prädestinaä»!  ^ 
lehre  stehen,  wie  man  will,  man  ist,  das  zeigt  ja  dasB»!  ^ 
spiel  des  Thomas,  darauf  angewiesen,  dafs  man,  um  ail  3: 
nicht  die  Hoffnung  auf  das  Heil  abzuachneiden,  die  IGtldl  *! 
treulich  benutzt,  durch  welche  allein  Gott  die  Reinigad  ^ 
von  den  Sünden  und  die  Kräfte  zum  sittlichen  Leben  ge- 
währt. Mit  welchem  Erfolg  der  Benutzung^  das  erfthrt  d 
der  Regel  hier  wie  dort  niemand. 

Aber  nicht  nur  die  Sakramente  sind   fbr  Hus  das  goit- 
geordnete  Mittel  zur  Verwirklichung  der  Prädestination  a 
den  Einzelnen,   er  hat  sich  auch  von  dem   katholische  B^ 
griff  des  Priestertums,  dem  Korrelatb^riff  der  SakramenlB- 
magie  und  der  Auflassung  der  Gnade  als  einer  unpersönliche 
Naturkraft,  nicht  losgemacht.     Wenn  Wiclif  aUerdings  aodi 
erwählten  Laien,  wenn  Christus  sie  unmittelbar  be- 
ruft und  begabt,  die  Befähigung  zu  priesterlichem  Tbirn 
im  technischen  Sinne  vindiziert  zu  haben  scheint^,  sobt 
für  Hus  ein  spezifischer  Unterschied  von  Klerus   und  Laien 
überall  die  Voraussetzung.     Zur  Vollbringung  des  Melsopfen 
hat  Christus  die  Apostel  spezifisch  begabt  ^.     Als  ihre  Nach- 
folger und  Vikare  bilden   die  sacerdotes  einen   von  Christus 
unmittelbar  gestifteten   Stand,   dem   die  Predigt   des  Evan- 
geliums und  die  Verwaltung  der  Sakramente   als  besondere 
Aufgabe  und  besonderes  Vorrecht  zukommt '.     Daran  ändert 
nichts,  dafs  Hus  gelegentlich  hervorhebt,  wie  auch  ein  Laie 
im  Falle  der  Not  die  Taufe   vollziehen   könne;   das  ist  all- 
gemeine Lehre.     Hinsichtlich  des  Mefsopfers  sucht  man  ver- 
gebens nach  einer  ähnlichen  Behauptung.     Und   wenn  nach 
Hus  die  Schlüsselgewalt  in  der  Person  des  Petrus  der  gan- 
zen ccclesia  müiians  übertragen  ist,  so  ist  das  nur  im  Gegen- 


HC8,  LUTBEH  UND  ZWINQLI.  367 

mUs  g^;en  ein  spoziäscboe  Vorrecht  des  Pftjistos  gemeint. 
Er  verneint  ausdrück  Heb,  dafa  jeder  einzelne  Christ  dieeclbo 
besitze,  bezeichnet  vielmehr  die  Priester  oder  Presbyter  als 
ihre  Subjekte'.  So  erkennt  er  denn  drei  gottgeordnete 
Teile  der  eccleaia  milifans  an,  die  Priester,  die  saecularcs 
domni  und  die  wlgiires ',  und  erklärt,  dafs  die  priesterlicho 
Gewalt  die  königliche  an  Alter,  "Würde  und  Heilawert  über- 
rage». 

Wenn  Bomit  für  Hus  die  Verwirklicliung  der  Prädesti- 
nationsgnade oder  die  aktuelle  Eingliederung  in  die  Kirche 
sich  durch  die  Sakramente  vollzieht,  welche  ein  spezifisch 
ausgestatteter  Priesterstand  verwaltet,  so  teilt  er  durchaus 
wesentliche  Voraussetzungen  des  katholischen  KircbenbegriSes. 
Er  ist  also  weit  davon  entfernt,  die  erscheinende  Kirche  und 
die  wahre  Kirche  als  zwei  Dinge,  die  nichts  mit  einander 
zu  thuo  haben,  gegen ii herz uatellen ;  nach  seiner  Anschauung 
müssen  vielmehr  Sakramente,  Predigl  und  Prieateratand  als 
die  gottgeordneten  Mittel  der  Verwirklicliung  der  Kirche, 
wie  dieselbe  Gegenstand  des  Glaubens  ist,  in  sie  mit  ein- 
gerechnet werden.  Daran  ändert  es  nichts,  dal'a  er,  darin 
zudem  noch  der  Tradition  folgend,  bei  der  Formulierung 
des  Begriffs  der  Kirche  dieae  Faktoren  aufseracht  gelaaaen 
hat.  Es  kommt  ihm  dort  lediglich  darauf  an,  zu  verneinen, 
dafs  die  klerikale  Würde  als  solche  zum  persönlichen  Glied 
der  Kirche   macht.     Ferner   soll  gegenüber  dem  Anspruch 


1)  ».  s.  0. 1, 266.  Cum  ChriBtas  dicit  Petro  Dabo  tibi  claves  etc., 
in  persona  Fetri  dixit  toti  cccicsiae  militanti,  non  quod  qnaclibet 
persona  illiue  ccclesiae  indifferenter  habeat  ilUa  clave», 
sed  quod  Iota  illa  ccclcsia  secundum  aingulae  eius  partes  ad  hoc 
habiles  habeat  illaa  clavea.  I,  387:  Licet  autcm  xaccrdos  Christi 
hnbeat  clavca  ecclcsiae  .  .  dicit  ChristUH  Petro  et  in  persona  eius 
uuicumque  Presbylero  suo  I,  'J7U:  quilibet  sacerdos  Christi 
rite  ordinatUB  habet  potcstatoin  sufficientem  quaelibet  sacrameuta  sibi 
pcrtiocntia  confercndi  et  per  consequenii  verc  contritum  a  peccato 
absolveiidi,  I,  353:  Dictum  est  toti  militaiiti  ccclesiac  et  per  con- 
■eqnens  cnilibet  vero  Christi  Apostolo,  sacerdoti  »el  episcopo. 

2)  a.  a.  O,  I,  2B»  partes  quas  ordinavit  Dominus,  vgl. 
II,  Öl. 

3)  4.  a.  0.  1,  266. 


368  OOTTSCmCK,  ■ 

des  PapsteS;  das  Haupt  der  universalen  Kirche  m  Beb,!«  ix 
weit  über  dessen  Machtgebiet  hinausreicbende  Umyerdiil  C 
der  Kirche  hervorgehoben  werden^  dafs  sie  nämlidi  ail  t 
die  Engel  ^  die  Seligen  ^  die  im  Fegefeuer  befindlichen  &I  g 
wählten  umfafst:  von  diesen  allen  aber  gelten  doch  die  B^l  a 
dingungen  der  Erbauung  der  Earche  auf  Erden  nicht  Sil  s 
wird  denn  nicht  sowohl  jene  Definition  der  Kirche  dil  i 
Glaubensartikel;  sondern  Hus'  Anschauung  von  d^zwcd-l  : 
mäfsigcn  Gestalt  der  empirischen  Kirche  den  Schlüad  n  I 
seiner  Gesamtanschauung  von  der  Kirche  gewähren.  1 

Über  sein  kirchliches  Ideal  hat  sich  nun  Hus  mit  yolbker  1 
Deutlichkeit  ausgesprochen ^  nicht  nur  gelegentlich^  soDden  I 
mit   der   ausdrücklichen    Absicht  ^    die    eigentliche   Tenden  I 
seiner  Bestrebungen  klar  zu  legen.     Dieselben  sind  aber  ge-  I 
richtet  auf  die  Verwirklichung  der  Herrschaft  des  Gesetzes  I 
Christi  oder  des  evangelischen  Gesetzes  im  ganzen  Leben  1 
der  empirischen  kirchlichen  Gemeinschaft  ^     Die  Kirche  ist  1 
ihm  ein  geistliches  Haus,  das  zum  Fundament  den  Glauben  I 
an  ChristuS;  zu  Wänden  die  Hoffnung  auf  das  ewige  Leben,  I 
zum   Dach   die   Liebe    hat;    die   ihre  Vollendung    zustande  1 
bringt.     Ihre   constructio   besteht   in    virtutum    accumtdatmt  1 
secundum    imitationem   Christi  ^.     Oder    als    corpus   mysiictm   ' 
Christi  ist  die  Klirche   die   universitas  fiddium,    vivcntium  d 
spiritu   et   vita  Jesu  agentium  '.     In   diesem   Wachstum  des 
sittlichen  Lebens  vollzieht  sich  eben  die  Herrschaft   des  Ge- 
setzes Christi   in   ihr.     Der  Gottesfriede,   der  in  der  Kirche 
herrschen  soll  und  ihr  eigentümliches  Gut  ist,  besteht  gänz- 
lich in  der  Erfüllung  der  Gebote  *.     Der  Inhalt  des  Gesetzes 
Christi  ist  aber,  um  es  mit  einem  Wort  zu  sagen,  das  fran- 
ziskanische   Lebensideal.      Es    ist    das   Gesetz,    das    in    der 
Bergpredigt  ausgesprochen  ist  und   durch   das  Vorbild    ver- 

1)  I,  268:  nostrae  partis  non  est  intcntio  scducere  populum  & 
Vera  obcdientia,  sed  quod  populus  sit  unus,  a  lege  Christi  coDcorditcr 
regulatus  .  .  quod  regnet  sincere  lex  Christi. 

2)  II,  110:  ut  melioratur  virtutibus,  sie  plus  aedificatur  Christo 
placide  et  econtra. 

3)  II,  88. 

4)  II,  65. 


HÜS,  LUTHER  UND  ZWISQU.  369 

anschaulicht  wird,  welches  der  gesamte  StoflF  des  Lebens 
Christi  in  seiner  Weltentsagung  und  Armut,  sowie  in  den 
von  ihm  geübten  Tugenden  der  Demut,  Öanftmut,  Leidens- 
geduld u.  s.  w.  darbietet '.  DemgemäfB  empfiehlt  Hus  auch 
auf  das  dringlichste  die  Befolgung  der  zwölf  cortsilia  evan- 
ffflica  *.  Ritscbl  liat  das  Verdienst ,  auf  diese  spezifisch 
mittelalterliche  Art  der  Reformbestrebungen  auch  von  Hua 
zuerst  aufmerksam  gemacht  zu  haben  *. 

Dies  Ideal  der  empirischen  Kirche  als  der  vom  sittlichen 
Gesetz  Christi  beherrschton  Gemeinschaft  steht  aber  in  »o 
genauer  Korrespondenz  zu  dem  Begriff  der  Kirche  über- 
haupt als  der  miiversiias  })raeiieslinatortim,  dafs  der  letztere 
ohne  das  erstere  gar  nicht  versländlich  ist.  Denn  das  Ziel, 
dessen  Verwirklichung  durch  die  Prädestination  verbürgt 
ist,  ist  das  ewige  Leben ,  welches  die  Verbindung  mit  Gott 
durch  t-isio  und  carifas  bedeutet.  Das  Ziel  der  Kirche  ist 
die  Vollziehung  ihrer  Ehe  als  einer  von  jeder  Sünde  ge- 
reinigten mit  Christus,  also  die  Vollendung  nach  dem  Mafs- 
stab  des  Gesetzes  Christi*.  Darum  besteht  die  Einheit 
der  Kirche,  die  durch  die  Einheit  der  Prädestination  als 
des  Grundes  und  der  Seligkeit  als  des  Zieles  gewähr- 
leistet wird,  in  der  Gegenwart  in  der  Einheit  des 
Glaubens,  der  Tugenden  und  der  Liebe,  d.  h.  der  Er- 
f\illung  des  Gesetzes  Christi;  denn  dies  ist  der  Weg  zu 
jenem  Ziel  oder  der  nächste  Effekt  jenes  Grundes.  Diese 
Beziehung  zwischen  der  Definition,  dafs  die  Kirche  die  Ge- 
samtheit der   Prädestinierten   ist,   und   dem   Gesetze  Christi 


))  I,  56:  Voco  Ipgem  Christi  cvangclicam  legem  n  CliriHki  pro 
tempore  suae  viationis  et  »poatolorura  cxpoflitam,  ad  regimen  mili- 
tantiB  ecclofliae  requiflitam.  I,  246:  docet,  quo  modo  pars  cccieaiae 
ipsum  ut  BpODsa  zelotypa  dcbet  sequi.  Unde  totft  doctrina  christiana 
Etat  in  isla  oratioDC  ccclesiac,  qua  rogamus  aponsum,  per  adveatum 
eiua  iu  earocm,  ut  doccat  nox  tcrrciin  dcapiccre  et  amare  coclcstia. 

2)  I,  200  f. 

3)  RechtfertiguDg  und  Versöhnung  (2.  Aufl.),  Bd.  I,  S.  134. 

4)  I,  245:  spoDsa  Chrisli  quam  redemit  suo  sangnine,  ut  potfHi- 
d*^ret  eam  Bliirtosam  finalitcr,  non  habetitem  nignm  peccati  etc. 
.  .  Hcd  ut  ait  Mncta  et  immacnlala. 


870  OOTTSOHIGIC, 

widerlegt  nun  die  Behauptung,  dafs  Hub  statt  auf  das  Wen 
des  Begriffes  der  Kirche  lediglich  auf  seinen  Umfiiiig,  M 
auf  den  Zweck  der  Gemeinschaft  nur  auf  die  Besdn&i- 
heit  ihrer  Glieder  reflektiert  habe.   Durch  das  Gteaets  Chtf 
ist  der  Zweck  und  das  Wesen  der  Kirche  aosgedr&ck^  mk 
dies  Wesen  und  dieser  Zweck  entscheidet  über  ihren  TJ» 
fiuig  und  über  die  Beschafienheit  ihrer  Glieder,   softm  k 
durch  eine  bestimmte  Beschaffenheit  der  Olieder  erfnrdot 
und  der  Um&ng  des  Begriffes  begrenzt  wird ,  weil  nur  die 
EU  ihr  gehören,  in  denen  es  zur  finalen  ErftÜlung  gelangt 
Die  Faktoren,  in  welchen  die  Kirche  in  die  Elrsdieinaiig 
tritt,  die  Sakramente  und  ihre  priesterliche  Verwaltung,  be- 
ziehungsweise  die  Predigt   des   Gesetzes   Christi,    sind  & 
jenem  Zweck  untergeordneten  Mittel 

Als  die  Gemeinschaft,   deren  Zweck  die  Erfüllung  da 
Gesetzes  Christi  ist  und  die  zur  Erreichung  desselben  dnrel 
die  Eingielsung  der  Ghiade  bef&higt  wird,  ist  die  Kirche  der 
mystische  Leib  Christi,  dessen  Haupt  Christus  ist,  sofeni  er 
allen  Gliedern   desselben   das   geistliche  Leben    (mcium  sc 
sensum),  nämlich  die  Caritas  einflöfst,  und  dessen  Glieder 
durch   die   Caritas   unter   einander   verbunden    sind.     Weit 
entfernt  von  einem   subjektivistischen,   von   den  Einzelnen 
ausgehenden   Gemeinschaftsbegriff  hat   Hus   bezüglich    dee 
Leibes  Christi  durchaus  die  Vorstellung,  dafs  der  Einzelne 
vom  Ganzen  getragen  wird.     Das  wird  besonders  anschan- 
lich  an  dem  Gedanken  der  communio  Sandorum,   der  ftr 
Hus  die  Bedeutung  hat,  dals  die  Glieder  der  Kirche  alle 
Güter  gemein  haben  und  durch  ihre  Gebete,  Verdienste  und 
ihre  Liebe  sich  gegenseitig  unterstützen.   Geht  allem  Werden 
der  einzelnen  Christen  auf  Eiden  die  Existenz  der  himm- 
lischen Gemeinde  und  ihre  wirksame  Bitte  voran  —  ein  deut- 
licher Beweis,  dafs  der  einzelne  Teil  der  Kirche  sich  nach 
Hus  vom  Ganzen  derselben  getragen  ftihlt  — ,  so  rechnet  doch 
Hus   gerade   auch   die   sichtbaren   Mittel   der  Gemeinschaft 
unter  den   auf  Erden  Pilgernden,  die  Sakramente,  mit  zu 
den  Gütern,  an  denen  die  Gemeinschaft  der  Christen  sich 
vollzieht     Der  Gedanke,    dals   die  Kirche  die  Mutter  isl^ 
welche  die  Einzelnen  erzeugt,  selbstverständlich  als  Oi^^ 


0 

i 


HD8,  LUTHER  UND  ZWDIGU.  371 

Gottes,  ist  für  Hus  nichts  weniger  als   eine   überkommene, 
für  ihn  selbst  aber  bedeutungslose  Phrase  •. 

Hätte  Hub  einen  aubjektivistischen  Gerne iaschaftsbegriff, 
der  Tom  Einzelnen  sasgebt,  so  wäre  derselbe  sicher  nicht 
die  Folge  der  Prädestinationslehre.  Denn  die  Gleichartig- 
keit der  Einzelnen,  die  sich  um  dieser  Gleichartigkeit  willen 
zur  Gemetnechaft  zusammenschliefsen  sollten  —  das  würde 
doch  der  subjektivistische  Gemeinschaftshegriff  bedeuten  — , 
milTste  eine  erfahrbare  sein.  Aber  Hub  sieht  die  praesens 
justitia  gar  nicht  als  das  an,  was  über  die  Gliedschafl  an 
der  Kirche  entscheidet.  Die  Definition  aber,  dafs  die  Kirche 
die  Gemeinschaft  lediglich  der  Prädestinierten  ist,  bat  ihm 
gerade  die  Bedeutung,  dafs  dadurch  die  Einheit,  Geschlossen- 
heit und  Ganzheit,  die  allen  Wechsel  zeitlichen  Geschehens, 
alle  Zufälligkeit  menschhchen  Thuns  überragende  Unwandel- 
barkeit der  Kirche,  die  die  sumtna  crealura,  der  Weltzweck 
GoltcB  ist ',  gewährleistet  wird.  Als  Braut  Christi  mufs  die 
Kirche  in  der  Totalität  ihrer  Glieder  Gegenstand  einer 
durchaus  unwandelbaren  und  stetigen  Liebe  ihres  Bräutigams 
sein.  Die  letztere  kann  zu  keiner  Zeit  ein  anderes  Objekt 
haben,  als  sie  nach  dem  Tage  des  Gerichts  hat.  Gottes 
Erkennen  und  Wollen  ist  unwandelbar  und  hängt  von  nichts 
aufser  ihm  ab.  Daher  ist  jeder  praescitus  für  Christus  zu 
allen  Zeiten  Gegenstand  des  Hasses,  und  er  liebt  jeden  Prär 


1)  I,  64:  TertiuH  articulus  tbematiB  est  credere  laactonim  oom- 
munioneni,  sie  videlicet,  quod  ilLa  sancta  eccIesU  secundum  duu 
HUOB  partes  scilicet  triumphnntem  et  militaDtcoi  habent  comnumioiiein 
juvaminis  et  amoria.  Unde  dicitur  Sanctorum  commuoio,  quia  omncs 
sancti  praedegtinati  ad  vjtum  acteinam  conimuiiicaiit  in  uco  corpore, 
in  ano  spiritu,  in  udo  domiuo,  ia  udo  patre  deo,  !□  baptiamo,  ups, 
in  aacramentis  et  Iq  vinculo  et  juvamine  caritatis  ....  Haec 
ganctorum  communio,  qaae  omniboa  membria  corporis  Chriati  mTstici, 
dum  annt  in  gratia,  congruit,  ita  qnod  quilibet  juatns  praedestinatna 
poteat  in  epirilu  humili  cum  pBalmiata  dicere:  particepa  ego  sum 
omnium  timentium  te,  cuatodientium  mnodata  tua.  Ex  quibuB  sequi- 
tur,  quod  bealj  iu  patria  Juvant  elcctoa  ia  militante  eculcua  gaudeot- 
que  de  eorum  pocnitentia  et  vita  merltoria.  Beati  eiiam  viaiites 
juvant  auia  oratioaibiiB  etc. 

2)  a.  B.  0.  I,  241. 


872  OOTTSCmCK, 

destiniertcn;   auch  wenn   er  zeitweilig   noch    criminosu»  i^l  ^ 
mehr  als  einen  praescittis,  der  in  der  gratia  tempareUis  8td[t|  D^ 
Die  Kirche  ist  daher  schlechterdings  unica,  in  Hinsicht  ikra 
Glieder  vor  und  nach  dem  Tage  des  Gerichts  identiscL     |  i 

Wenn  hier   die   Eonsequenzen,   die  aus  Hus'  Definitkn 
von  der  Earche   willkürlich   gezogen  sind,    zurUckgewiesa 
wurden,  so  soll  damit  selbstverständlich  nicht  behauptet  wer- 
den, dafs  jene  Definition  keinerlei  Übelstände  für  die  An- 
schauung von  der  Kirche  mit  sich  führe.   Im  Gegenteil  Sie 
hat  die  Inkongruenz  zur  Folge,  dals  der  Umfang,   den  dk 
Kirche  auf  EIrden   hat,   wenn   der  für  die  Gegenwart  ent- 
scheidende Mafsstab   angelegt  wird,    dafs    sie    das    sittliche 
Gottesreich  ist,  welches  durch  die  Mittel  der  Verkündigong 
des   Gesetzes  Christi   und   der  Verwaltung  der   Sakramente  t 
erbaut  wird,  und  der  Umfang,   den  sie  hat,  wenn    auf  di« 
Begründung  in   der  auf  die   Einzelnen   bezogenen  Prädesti- 
nation zurückgegangen  wird,   sich  nicht  decken,   nicht  nur, 
sofern  im  Gebiet  der  Wirksamkeit  jener  Mittel  die  im  Stande 
der  praesens  justitia  befindlichen  praesciti  als  nicht  zur  Kirche 
gehörig  gelten,  die  praedestinati  criminosi  in  sie  eingerechnet 
werden,  sondern  auch,  sofern  es  aufserhalb   des  Gebiets  der 
Wirksamkeit  der   Mittel  zur   Erbauung   der  Kirche    bereits 
Mitglieder  der  Kirche  giebt.     Aber  man  darf  diesen  Mangel 
nicht  dahin  übertreiben,  dafs  man  so  redet,  als  klafften  fiir 
Hus  die  Kirche   der   Idee    und    die   empirische   Kirche   wie 
zwei    verschiedene    Kirchen    auseinander.      Die  Verbindung 
des  Prädestinationsgedankens   mit  dem   der  Kirche   hat   fiir 
Hus  dennoch  nicht  die  Entwertung  der  empirischen  Kirche, 
sondern  das  Bestreben  zur  Folge,  dieselbe  in  Gemäfsheit  des 
Gesetzes  Christi  zu  gestalten. 

Das  Ideal  aber  der  Herrschaft  des  Gesetzes  Christi  in 
der  ccclesia  militanSj  welche  die  letztere  zu  einem  Teil  der 
universalis  ccclesia  macht,  spezifiziert  sich  für  Hus,  indem  er 
den  drei  Ständen  der  Kirche,  den  vulgares ,  den  sectäares 
domini  und  den  sacerdotes  ihren  besonderen  Anteil  an  jener 
Aufgabe  zuweist. 

Die  ersteren  haben  bei  erlaubter  Arbeit  die  Gebote 
Gottes  zu  halten,  die  zweiten  haben  die  Zwangsgewalt  oder 


nns,  LUTHER  und  zwingli.  373 

dae  Schwert,  das  ihnen  von  Gott  verliehen,  dem  Zweck  der 
DurchBcfzung  des  Gesetzes  Christi  in  den  Dienst  zu  Btellen  und 
darum  sowohl  die  Diener  Christi  zu  schirmen  als  die  Diener 
des  Antichrista  zu  vertreiben,  die  dritten  aber,  die  Stell- 
vertreter Christi,  aollen  in  gesteigerter  Nachfolge  Christi,  die 
in  einem  der  Welt  abgewandten  Leben  sich  kundgiebt,  der 
Kirche  als  Seele  das  Leben  einflöfsen  '.  Und  zwar  ist  es 
diese  Beschaffenheit  des  Klerus,  von  der  recht  eigentlich  die 
Verwirklichung  des  Ideals  der  wahren  Kirche  abhängt.  Und 
so  haben  denn  die  Synodalpredigten,  die  Hus  in  der  Zeit 
gehalten  hat,  in  der  er  noch  das  Vertrauen  des  Erabischofa 
besafs,  die  Tendenz,  dem  Klerus  das  Gewissen  dafür  zu 
schärfen,  dafs  es  seine  Aufgabe  sei,  Christo  confortniter  per 
hnmäüalem  castUitlem  ef  virlvosnm  paupcrtatem  testimonium 
perhibere  verHali  und  so  in  Fortsetzung  des  officium  CkrisH 
gegen  die  Kirche  des  Anticlirists  zu  kämpfen  *. 

An  diesen  Bestrebungen  und  an  der  Anschauung  vom 
Wc^en  der  Kirche,  die  ihm  zugrunde  Hegt,  ist  durchaus 
nichts,  was  als  eine  Abweichung  von  der  genuinkatholischen 
Auflassung  bezeichnet  werden  könnte.  Insbesondere  ist  es 
der  h.  Bernhard,  auf  dessen  Autorität  Hus  sich   überall   be- 


1)  a.  a.  0.  I,  288:  (nostrae  partis  est  intentio],  quod  clems 
vivat  «ccundum  Evangelium  Cbristi,  pompa  avaritia  et  luiuria  poater- 
gatis.  Qnarto  optat  et  pracdicat  nostra  pars,  quod  militatis  Ecclcaia 
aiacere  sccundam  partes  qua»  ordinavit  Dominuii  sit  commixta,  acilicet 
ex  Saccrdotibus  Christi  pure  legem  suam  servautibua,  ex  muiidi 
nobilibuH  ad  obserrnntiam  ordinationi»  Chrisli  compdleutibus  et  ex 
Tulgaribas  niriqne  istorum  partiam  BecaDdum  legem  Cliristi  mini- 
stnmtibus.  Vgl.  li,  41:  Tntegratar  aancta  mater  Eccleaia  ex  tribus 
partibuK,  cjuaram  prima  generatio  et  iufima  est  vulgua,  vivens  de 
laburi  lidto  ac  iaia  pars  est  secura,  si  ficrvct  Del  mandata  et  labori 
sit  fidelitcr  intcnta.  Secuoda  pars  sunt  secularex  Domiui  .  .  . 
Officium  autem  eins  est  legem  Dei  defendcrc,  Chriati  scrvoi  protegere 
et  ministroa  AntichrJati  propellcrc.  llacc  oat  cnim  cansa,  car  portent 
gladium,  ut  nit  Apostolus  ad  Rom.  ]3  et  secundum  Angustinum  rei 
est  vicarius  deitatis.  Tertia  pars  eccle.iiHe  et  optima  est  clerua, 
dum  efficaciter  praeeft  officio  quod  inciimbit.  Debet  eiiim  miindum 
reltnqnere,  eccleniam  vivilicare  ut  Spiritus,  ef.  ntidiqnftquc  proxime 
nequi  Cbristum, 

2)  a.  a.  0.  11,  38.  36. 


374  OOTTSCHICK, 

rufen  kann.  Aber  wir  sind  bisher  auch  nooh  keinem  Ge- 
danken begegnet,  der  nicht  bei  Thomas  seine  Parallele 
fände.  Durchaus  im  traditionellen  Geleise  bewegt  eich  Hus 
femer,  wenn  er  als  Gegenstück  des  augustiniachen  Ge- 
dankens, dals  die  Kirche  das  sittliche  Oottcsreich,  das  Reich 
der  übernatürlichen  Gerechtigkeit  ist,  den  andern  Qedankea 
Augustin's  bewahrt  und  gebraucht,  dafs  ihr  das  Reich  des 
Teufels,  die  Kirche  den  Antichriata  oder  die  ecclesta  ma- 
liijnantium  gegenübersteht  als  das  Reich,  dessen  Wesen  durch 
Hochmut,  Ehrgeiz,  Weltliebe,  Fleischeslust  u.  s.  w.  charakte- 
risiert ist '. 

Der  wirkliche  Gegensatz,  in  den  Hub  sich  nun  weiteriiin 
gegen  die  immer  mehr  sich  zuspitzende  und  in  immer  wd- 
teren  Kreisen  sich  durchsetzende  spezifisch  katholische  An- 
sicht von  der  Kirche  stellt,  besteht  in  seiner  Bestreitung 
des  Gedankens,  dafs  es  in  irgendwelchem  Mafse  berechtigt 
sei,  die  Träger  der  kirchlichen  Rechtsinstitution  lediglich 
um  dieser  ihrer  rcehtlichen  Qualität  willen  in  die  Kirche, 
das  Wort  im  eigentlichen  Sinne  genommen,  einzurechnen 
oder  gar  mit  derselben  gleichzusetzen,  und  dafs  deshalb  der 
Christ  verpflichtet  sei,  prUfungslos  ihrer  Autorität  sich  au 
unterwerfen.  Diese  Ansprüche  sind  Hus  in  den  Kämpfen, 
welche  teils  infolge  der  lokalen  Verhältnisse  Böhmens,  ins- 
besondere der  Versuche,  den  Wiclititismus  zu  unterdrücken, 
teils  infolge  von  Mafaregcln  wie  die  Verhiingung  dos  Interdikts, 
die  Aufforderung  zum  Kreuzzugc  gegen  LaJislaus  und  der 
dieselbe  begleiteude  Erlafa  von  AblafsbuUen,  sich  entspannen, 
in  vollster  Schärfe  entgegengetreten.  Nicht  nur  hat  er  die 
These  zu  bestreiten:  quicumqu«  clericus  clmractere  vel  signo 
sensibili  per  pradafum  reptitatione  ecclesiac  insignitus,  esl  pars 
sanclae  matria  ecclesiac,  et  solum  mulUtudo  lalium  clericorum 
esl  ecclesta  xux '  itvtofOfiaaluy  dtcta  quam  debemus  specialiter 
Aofiorare',   sondern   auch   die    andere,    dafs    der   Papst   als 

1}  a.  ft.  O.  II,  85:  Qnicnnque  est  ChrUto  vcl  legi  auac  contrarius, 
est  AntichristusI,  235f.  die  Übersclirift  des  Kap.  VI  des  Traktafa  von 
der  Kirche :  »icut  eicctorum  caput  est  Christus,  ita  synagogac  malorum 
Caput  est  diaboliifl.     Ibjd,  omncs  Praesciti  confttituunt  unum  corpus. 

2)  a.  a.  0.  I,  254. 


E 


HUS,  LUTHER  UND  ZWINGLl.  375 

«uhfolger  Petri  und  die  Kardinale  als  die  des  KollegiuniB 
übrigen  Apostel  das  Haupt  resp.  der  Körper  der  rö- 
^^cxiBchen  Kirche  und  insofern  der  allgemeinen  Kirche  seien 
*^*-*id  deshall)  die  Gewalt  haben,  in  jeder  kirchlichen  Ange- 
^^Ägeolieit  zu  entscheiden  und  die  Leitung  aller  Kirchen  oder 
^*Ämtlicher  Gläubigen  auszuüben  ',  dafs  die  Entscheidungen 
^ier  Träger  der  kirchlichen  Rechtsanstalt  sich  jeder  Kritik 
^intziehen  und  unmittelbar  göttliche  Dignität  haben  '. 

Ks  ist  oben  ausgeführt,  wie  die  traditionelle  Formel,  dafs 
HMie  Kirche  der  mystische  Leib  Christi,  die  unhersitas  prae- 
tstinatorum  oder  fidelium  sei,  wegen  der  aus  der  katho- 
ichen  Auffassung  vom  Keil  folgenden  Unsicherheit  über 
Ben  eigenen  Hcilsstand  keinen  Impuls  zur  Beschränkung  der 
Autorität  der  kirchlichen  RcchtsanBtalt  in  sich  sclilofs.  Dieser 
mpuls  mufate  anderswoher  kommen;  und  dann  allerdings 
irar  ea  möglich  jenem  Begriff  \\'affen  gegen  die  Ideutifizie- 
Krung  der  Rechtsanstalt  mit  der  Kirche  zu  entnehmen.  Aber 
}  auch  in  diesem  Falle  war  es  in  der  Hauptsache  gleichgültig, 
ob  man  den  Leib  Christi  nur  aus  den  justi  oder  aus  den 
praedestinati  bestehen  liefs.  Der  Antiieb  zur  Bekämpfung 
jener  Ansprüche  war  nun  nur  dann  gegeben,  wenn  das  fak- 
tiHche  Verfahren  der  Träger  der  kirchlichen  Recbtsanstalt  mit 
einem  inhaltlich  bestimmten  und  in  seinem  Sinne  unzweifel- 
haften Mafsstab  in  solchen  Konflikt  kam,  dafs  die  Nichtig- 
keit der  Ansprüche  auf  eine  arbiträre,  lediglich  auf  formelle 
Hechtsgründc  gestützte  Autorität  in  die  Augen  sprang.  Ein 
solcher  Mafsatab  ist  aber  für  Hus  das  Gesetz  Christi,  das 
unverrückbare  sittliche  J^ebensgesetz  der  Kirche.  Dafs  das- 
selbe die  Norm  für  alles  kirchliche  Handeln  zu  sein  hat, 
war  ja  auch  Thomas'  Meinung  und  konnte  natürlich  von 
niemand  in  Abrede  gestellt  werden.  Aber  während  Thomas 
und  die  kurialistische  Richtung  in  der  souveränen  rechtlichen 


1)  a.  a.  0.  I,  273. 

2)  a.  a.  0.  I,  270.  Emimgunt  ex  illo  Matth.  16:  Quodcuaque 
ligaveriB  etc.  quod  quicqaid  ipsi  feceriul,  quilibet  homo  dcbet  tolaliter 
■pprobare  et  ex  illo  Christi  dicto  Hatth.  23,  '2 — B  emuiigunt,  quod 
debet  eis  quilibet  aobditus  in  omDibaa  obedire. 


374  GcmscmcK, 

Y6DmMkt  der  jEsf  Cfeistai  mrick^erälirlen   kirdiBdien  b-' 
Hitnticn  da«  gqrgtiffiräg»-  Miad  Kikcn,  dnrcb  weUio  Chnsbi' 
die    Kxrcfe    xaeb    Kmem    UilieD  leoke«    mid    prafongslott 
CmeiwqfiUjg  unter  dieae&e  fcrden}.   weil   nur  durch  flra 
Ectichfid  der  Iidalt  der  Fordenmgen   des  Gesetzes  Ckanä 
m  xfrcafelloser  Klarfaeh  gdange,  wihrend  juidi    die  epiab- 
psEsdidien  Gegner  des  KnnaHsmiis  wenigsiens   im  Komi 
eine  scJclie  Autantit  finden,   sielit  for  Hos   die  Sache  iqd- 
gekdirt:  nur  so  weh  als  die  kirchlicbe  Institution   und  ib 
Handeln  die  Prüfung  an  dem  Gesetze  Qiristi,    weldies  dk 
oheniBy  jedem  zngingHche  Tnstanx  ist,  besteht,    hat  sie  An- 
tpruch   auf  FcJgsamkeit  der  Christen.     Die  Rechtsordnong 
der  ^Kirche  wird  auf  ihre  sittfichen    Bedingungen    snräck- 
gefuhrt    und    ihres    nnmittelhar   göttUchen   Charakters  ent- 
klddet     Und  das  Urteil  über  den  faktischen  Wert  der  Te^ 
wdtUchten    und   mit   dem    Cresetz  Christi   im    Widerquridi 
befindlichen  Hierarchie    lautet  dahin,   dals   sie   aus  Dieben 
und  Räubern  besteht  und  die  Kirche  nicht  Christi,  sondern 
des  Antichrists  ist 

Die  Prüfung  der  empirischen  Kirche  am  evangelischen 
Gesetz  entscheidet  allein  darüber,  ob  sie  Kirche  Christi  ist 
oder  nicht  In  der  Auslegung  der  für  die  Anschauung  von 
der  empirischen  Kirche  ma&gebenden  Stelle  Matth.  16, 
16 — 19  erklärt  Hus  unter  Berufung  auf  Augustin  Christus, 
den  Petrus  bekannt  hat,  als  den  Fels  oder  das  Fundament, 
auf  das  die  Elirche  gebaut  ist  und  immer  neu  gebaut  wer- 
den mufs,  wenn  ihr  die  Verheifsung  gelten  soll,  dafs  die 
Pforten  der  Hölle  sie  nicht  überwinden  sollen:  und  zwar 
wird  sie  darauf  gebaut  durch  Vermittlung  des  Glaubens^ 
der  sich  an  das  Wort  Christi  hält,  welches  einerseits  Glau- 
ben, d.  h.  theoretisches  Für -wahr -halten  der  Summe  der 
geoffenbarten  Wahrheit,  anderseits  Gehorsam  gegen  das  Ge- 
setz der  Liebe  fordert  ^ 


1)  a.  a.  0.  I,  2G0.  Fundamentum,  a  quo  primo  et  in  quo  primo 
fundatur  sancta  ecclesia  catholica  est  Christus  Jesus,  et  fandamentum, 
quo  fundatur,  est  fides,  quae  per  dilectioucm  operatur  .  .  . 
Fundat  autem  ChristUB  et  aedificat  suam  ecclesiam,  super  se  petram, 


r 


IIU9,  LUTHER  UND  ZWINGU.  377 

Indem  Hus  gegen  die  AutorifÄt  der  kirchlichen  Rechts- 

"^anstalt  auf  eine  höhere  sich  beruft,  verwertet  er,  wie  Wiciif, 
-das  ,, Schriftprinzip".     Die   lex   Christi   ist   beiden   identisch 
mit  der  Schrift  Alten  und  Neuen  Testaments  ^     Sie  ist  der 
»  Richter,    dem    allein    Hus    sich    unterwerfen    will,    sei    es 
nun  der  Papat  oder  jeder  beliebige  Mensch,  der  nach  dieser 
•  einzig   unfehlbaren  Instanz  richtet*.     Die  Behauptung,  dafa 
^   die    Schrift  eine    spezifische    Dignität   besitze,    ist   ja   keine 
t     Neuerung;  Hus  beruft  sich  für  sie  auf  Augtistin  *;    er  hätte 
•     auch  Duns  als  Zeugen  anfahren   können  *.     Die   Neuerung 
besteht  darin,   dafa  er  keine   empirische   Instanz   anerkennt, 
die  das  Recht  hätte,  über  den  Sinn  der  Sclirift   endgültigen 
Entscheid  zu  geben,  sondern  vielmehr  diesen  Sinn  als  einen 
durch    sich    selbst    verständlichen    und    jedem    zugänglichen 
ansieht,  wenn  er  auch  das  gröfste  Gewicht  darauf  legt,  dufs 
seine  Auslegung  derselben    mit    der    der  Kirchenväter    über- 
einstimmt *,   Dennoch  ist  das  „protestantische  Schrittprinzip" 
von    ihm    noch    nicht    erreicht;    denn    dies    besteht    im    ur- 
sprUn  glichen     Sinn     der     Reformation    keineswegs    in    der 
Proklamierung  der  formellen  Autorität  der  Schrift  an  Stelle 
der  formellen  Autorität  der  kirchlichen  Rechtsanstalt,   son- 
dern  diese   Entgegensetzung   beruht    auf  der  Überzeugung, 


dum  disponit  eam,  ut  audiat  et  faciat  sermonea  snos; 
tone  CDim  portae  iufemi  non  praevaleat  adversus  cam  . .  et  super  fuii- 
damentum  lioc  aedificavenuit  Äpuatoli  ecclcalam  Christi.  Nam  non  ad 
se,  sed  ad  Cliriatum  vocaboDt  populum.  2i)l:  ecce  iate  apustolus,  qui 
fuit'vas  eleclJouis,  dicit,  sc  non  andere  aüquid  loqui,  uisi  quae 
Clirislus  per  eum  ioqneretnr,  quia  aliaa  non  super  Cliriato  fundamento 
efficacissimo  fnndaret  vel  aedificarot,  si  quidquam  diceret  praeciperet 
vel  faceret,  qnod  non  liaberet  in  Jesu  Christo  fondamentum. 

1)  a,  a.  0.  1,  5ä.  JeauB  Chriatus  unam  legem  instituit,  quae  est 
vetus  et  Dovum  Tcatamentum,  ad  eeclesJain  catholicaoi  rcgulaudam. 

2)  a.  a.  0.  1,  327.  De  tanto  liotno  in  via  fidci  vel  virtutis  debet 
se  judici  subjicere ,  de  quanto  sie  aecundum  Scripturam  inerrabilem 
judicat.    Vgl.  I,  282sq. 

3)  a.  a.  0.  I,  275. 

4)  Vgl.  Kitschi,  Geschichte  dea  FietismuH  I,  37. 

5)  a.  a.  O.  1,  2B3:  non  intendimua  cum  dei  anxilio  aliter  scriptu- 
mn  eiponere  quam  Spiritus  sanctus  Hagttat  et  quam  snncti  doctorea 
espOQunt,  qujhua  dedit  Spiritus  Sanctus  luteUectum. 

Zeltiakr.  f.  K.-O.  VIII.  S.  35 


Udbte  WaUbcit 
E«  kt  jft  aaeh  gans  «nafiffidk, 
Aotoritit,  aaf  deren  InUt 
d^A  Impak  m  kireUidieB 
kithtang  geben  «Jhe  'HmT  „Sdnftpnap'  iit  dbcr  vm 
d«fn  rsfrjrmaioriachen  darin  vnlendbiedeB.  dnb  Ar  fie  Be- 
IriraMtoten  der  nuJigebende  Gcdankenbcii«  der  den  leileB- 
dim  Oi^iuüt  der  Schrift  bildet  od  den  äe  dncfc  fie  Ab- 
t//ritft  dendben  gegen  die  Airtnriiifniyinche  der  Urck- 
lidMA  Becfatianstak  aofrecbterlmlien,  das  ^TmagJmm  "wm 
Afsr  freien,  Ton  Verdiensien  '™^^^"e'p—*  Te^gebenden  Gnade 
Or/ttes  in  Cbrislo  ist,  for  Hos  aber  „das  r  iini^iliaibi  Ge- 
setz^ in  dem  bereits  besprochenen  Sinne. 

Ztir  Widerlegung  der  Ansprüche  anf  nnliwlii^Se  recht- 
liebe  Antoritlt,  wdche  die  kirchliche  Anstalt  ohebt,  nM 
diese  Instanz  ftr  Hns  wirksam,  indem  er  die  nm&ke  Au- 
toritit  des  EJems  einerseits  vcm  der  ^^tT'r'^'—mc  seiner 
Mafsregeln,  anderseits  seiner  Lebensffihrnng  mit  dem 
Gesetze  Christi  abh&ngig  macht  und  diese  Waisüllii  dasa 
benutzt,  um  die  Kirche  Christi  und  die  Kirche  des  Anlidiristi 
empirisch  zu  unterscheiden.  „An  ihren  Früchten  aolk  ihr 
sie  erkennen'',  das  ist  die  von  Christus  seHist  gegebene 
Norm  ^ 

\>Ui  Apostel  haben  kein  anderes  Amt  gehabt,  ak  in  sitt- 
Ijrrker  Na/:hfolge  Christi  die  Kirche  zu  Idiren.  die  Menschen 
zu  fAijfcn,  das  Mefsopfer  zu  bringen  und  die  ihnen  über- 
irtm^i^Ui  Oowalt  zum  Fortschritt  der  Kirche  ansrauben'. 
Wc^tzu  ntuu«*T  praeeminentia  in  den  zum  Regiment  der  Kirche 
^*'^uy^it*',Um  Tugenden  der  fides^  humüitas  und  cardos  hat 
ilhnniun  Atm  Petrus  zum  capitaneus  und  pastcr  po&t  se  ein- 
f((mid'Ai  *.  I)/;m^/;märH  ist  der  Titel  der  sedes  ajpo§lcUem  nur 
/la  in  AriKpnjch  zu  nehmen,  wo  in  Lehre  und  Lebenstührang 
ti$m  VorinUl  tU'.r  Apost^;!  befolgt  wird.     Kur  dann,  wenn  der 


V,  «.«Ol,  */n. 


Bus,  ldtHeh  dnd  zwdjöli.  379 

Papst  und  die  Kardinäle,  wenn  die  Priester  überhaupt  in 
jenen  Tugenden  der  Apostel  wandeln  und  jene  Pflichten 
ihres  Amtes  nach  der  Instanz  des  Gesetzes  Christi  ausüben, 
kann  der  Papat  als  Statthalter  Petri,  die  Kardinäle  oder 
die  Priester  überhaupt  als  Nachfolger  der  Apoatel  gelten  '. 
Die  Erfüllung  dessen,  was  der  h.  Bernhard  seinem  Schüler 
£ugenius  als  sittliche  Pflicht  eingeschärft  hatte,  ist  für  Hus  zur 
einzigen  Legitimation  der  amtUchen  Autorität  oder  der  recht- 
lichen Stellung  geworden.  Die  Kehrseite  jener  Thesen  oder 
Zugeständnisse  an  die  bestehende  kirchliche  Gewalt  ist  der 
unzähligemal  wiederholte  Satz,  dafa  wenn  jene  Konformität 
des  amtlichen  Verfahrens  und  der  persönlichen  Lebensführung 
mit  Gesetz  und  Vorbild  Christi  oder  mit  dem  Vorgang  de» 
Petrus  und  der  anderen  Apostel  nicht  statthat,  die  Zuge- 
hörigkeit der  Betreffenden  zum  Reich  des  Antichrists  aufser 
Zweifel  steht  *.  Und  zwar  ist  es  nicht  blofa  die  faktische 
sittliche  Korruption   und  Verweltlichuug   des  Klerus   bis   zu 


1)  a.  a.  O.  1,  264.  Si  iam  dictis  Tirtutnm  viis  incedit  vocatue 
Fetri  vicEuiua,  credimuB  quod  sit  venia  eius  vicariua  et  praecipuuB 
Poalifei  ecciesiae  quam  regit.  .  .  .  Nemo  vere  et  Christo  acceptabi- 
liter  gerit  vicem  Chriati  vel  Petri ,  nisi  aequatnr  eum  in  moribua. 
Cum  unlla  alia  eet  sequela  pertinens,  nee  aliter  nisi  anb  illa  condi- 
cione  recipit  a  Deo  procuratoriam  poteatatem,  Et  ideo  ad  tale  offi- 
cium Vicarii  requiritur  et  morum  coDfortnitas  et  iustitneDtia  auctori- 
tas,  et  huic  Salvator  commendniis  in  coena  noviasima  iaatitutioDem 
Sacramenti  vcocTabilis  et  discipuloB  consütueuB  Vicarios  ad  hoc,  ut 
sie  facerent  io  auam  commcmoratioDem,  diiit  Joh.  13:  Exemplum  dedt 
TobiH ,  ut  qaetnadmodum  egci  feci  vobis  et  vob  similiter  faclatis.  Et 
Matth.  5  qui  fccerit  et  docuerit,  hie  magnua  vocabitur  in  regno  cae- 
loram.  291:  Verus  Äpostolicus  est  sacerdoB,  qui  doctiiuam  ApoBto- 
lorum  Bequitur,  vitam  viveuB  ApOBtoli  et  doctriiiam  docena.  Undo 
quilibet  Papa,  de  quanto  doctrioam  ApOBtöIorum  doeet  et  opere  eie- 
quitur,  de  tant«  dicitur  ApoBtolicua  ,  .  .  Apoatolica  .  .  sedes  .  .  dici 
poteBt  Tita  Baceidotia  cuatodientiB  efieetualiter  vitam  Apostoli.  202: 
Cathedra  Äpostolica  est  aactoritas  doceadi  et  jadicandi  secandam 
legem  Chriaü  quam  docuenmt  Apostoli,  in  qua  debent  rcaidere  viri 
sapieuteB  et  timcntea  Dominum ,  in  quibuB  est  veritas  et  qui  odinnt 
avaritiam, 

2)  a.  a.  0.  I,  2G4.  Bi  vero  vadit  viia  contrariia,  tunc  eat  Anti- 
chri»ti  nimtiüB,  contrariaa  Petro  et  Domino  Jeaü  Christo. 


380  OOTTSCHlClt, 

seinen  höchsten  Spitzen  hinauf,  sondern  schon  der  Ansprudi 
desselben  auf  eine   souveräne  Gewalt,   das  Bestreben,  odi 
selbst  zum  Gegenstande  des  Glaubens  und  einer  gottgleidie& 
Verehrung  zu  machen,  die  Behauptung,  eine  Herrscherstdlmig 
in  der  Kirche  zu  besitzen,  vermöge  deren  der  Papst  Haupt 
der  Kirche   heifsen   kann,    und    eine   Vollmacht    zu    habec, 
vermöge  deren  ihr  Handeln  für  Gott  mafsgebend    und  dei- 
halb   von   den  subditi  bedingungslos  als  Handeln  Gottes  as- 
zuerkennen  ist,  schon  diese  spezifisch  katholische  Schätzui^ 
der  Träger  der  rechtlichen  Organisation   der  Kirche  ist  es, 
was  für  Hus  als  Kennzeichen  des  antichristlichen  Charakten 
derselben    gilt  ^.     Ist    es    doch    teuflische   Anmafsang,  d^- 
gleichei^   zu  beanspruchen,   wo  den   einzelnen    lediglich  die 
Elrfiillung  der  sittlichen  Bedingungen  zu  der  unsicheren  Hoff- 
nung berechtigen  kann,  dafs  er  ein  Glied  oder  Teil  der  Kirdie 
ist,  und  ist  doch  solch  Streben   nach  fMJorUas   dem  aDem 
weltlichen  Wesen  entgegengesetzten  Reiche  Christi  dnrduuis 
zuwider. 

Aus  der  Beschränkung  der  Autorität  der  Träger  i& 
kirchlichen  Rechtsordnung  dm'ch  die  Bedingung  der  Überein- 
stimmung mit  den  unwandelbaren  und  erkennbaren  Normen 
der  Kirche  zieht  Hus  rücksichtslos  die  Konsequenz,  dafs  der 
Gehorsam  zu  versagen  ist,  wo  diese  Übereinstimmung  nicht 
statt  hat.  Jeder  ist  Gott  gegenüber  verpflichtet,  allen  Anfor- 
derungen Widerstand  zu  leisten,  die  darauf  abzielen,  ihn  an 
der  Erfüllung  des  Gesetzes  Christi  oder  an  der  Nachahmung 
seines  Beispiels  direkt  oder  indirekt  zu  hindern.  Solch 
Widerstand    ist   kein   Widerstand    gegen   die    von   Christus 


1)  a.  a.  0.  I,  249.  Apostoli  confcssi  sunt  concorditer  se  esse 
servos  huius  capitis  et  humiles  ministros  ecclesiae  sponsae  suae,  num- 
quam  autem  pi-aesumsit  aliquis  apostolorum  quod  fuit  caput  ?el 
sponsus  dictae  ecclesiae  quia  hoc  foret  adulterari  cum  regina  coeli  et 
praesumere  nomen  dignitatis  et  officii.  I,  282:  Clerus  Antichristi  vel 
totaliter  vel  praeponderanter  innititur  legibus  humanis  et  legibus 
Antichristi  et  tarnen  palliatur  esse  clerus  Christi  atque  ecclesiae. 
Das  läfst  sich  deutlich  daran  abnehmen,  quod  clerus  Antichristi  instat 
attentius  pro  traditionibus  humanis  et  pro  privilegiis,  quae  fastum  yel 
lucrum  seculi  sapiunt,  defendendis  vultque  gloriose  voluptnose  et 
Christo  dispariter  vivere. 


I 


HUS,  LÜTBEU  UND  ZWINGLI.  381 

•  eingesetzte  Gewalt,  auiidem  nur  gegen  iluen  Mifsbriiut^ih  und 
»darum  Gehorsam  gegen  CbriatuB  '.  Insbesondere  gehört  es 
^  hierherj  wenn  der  Papst  dui'ch  sein  Gebot  die  zum  Heil 
M  bestimmteE  Seelen  de»  \^'o^teH  Guttes  beraubt  *.  Rebeilion 
■  gegeu  den  iiTendeu  Papst  ist  Gehorsam  gegen  Cbi-istus  ^, 
s  Durch   die  Exiiümmunikation   darf'  man   sich   an   dieser 

Pflicht  uicht  irre  machen  lasseu;  denn  der  Mitgliedschaft 
an  der  Kirche,  sofera  es  sich  dabei  um  Anteil  an  der  Gnade, 
-  an  den  Öakrameuten  und  den  Gebeten  der  Kirche  handelt, 
kann  niemand  anders  beraubt  werden,  als  dadurch,  dafs  er 
.  das  Gesetz  Christi  durch  eine  Todsünde  übertritt  und  sich 
somit  selbst  ihi'er  beraubt*.  Insbesondere  darf  man  sich 
nicht  durch  die  Drohung  der  Exkommunikation  daran  hin- 
dern lassen,  das  Wort  Gottes  zu  predigen  oder  zu  hören, 
wenn  man  sich  nicht  durch  aolcben  Ungehorsam  gegen  das 
Gebot  Christi  selbst  exkommunizieren  will '.  Der  Amts- 
auftrag, den  die  Priester  und  Diakonen  als  solche  haben, 
das  Wort  zu  predigen,  grcitt  über  die  ausdrUckUche  Autori- 
eation  des  Papstes  oder  Bischofs  hinaus '.  Ja  jeder  Laie, 
der  nach  sorgfältiger  Selbstprüluug  zu  dem  Bewufatsein  ge- 
langt, dafs  er  in  keiner  Übertretung  des  Dekalogs  begriffen 
ist,  hat  die  Befähigung,  alles,  was  sich  auf  sein  Heil  bezieht, 
und  demgemäfs  auch  die  Anordnungen  der  kirchÜchen  Oberen 
aelbstäaidig  zu  prüfen  '. 


1)  a.  a.  0.  I,  271.  Veracea  Christicoke  .  .  debent  cuilibet  pot«- 
Btati  pnetODsae  resistere,  qune  uititur  eoa  ab  imitit^ouc  Christi  vi 
vel  sabdoie  remoTere.  Nod  euin  sie  resifit^ndo  potestati  Uli  Dei 
onliDatioui  resistitur,  aed  abusui  poMstatta. 

2)  a.  B.  0.  I,  295  vgl,  2B4. 

3)  a.  a.  0.  I,  2fl4. 

4)  a.  a.  0.  1,  311. 

5)  a.  a.  0.  I,  13fi.  Verteidigung  der  TlieBe  Wklifa;  Dli  qui 
dunittuut  praediuare  sive  vcrbuia  Dci  audirc  propter  cxcgminunicationeiii 
bomitiiun,  aunt  cicommuuicati  et  !□  die  judicii  tradltores  Cbriati  babo- 
buDtar,  vgl.  140. 

6)  a.  a.  0.  143.  These  Witlifs:  licet  aÜcui  Diucono  vel  Pres- 
bjtero  praedicarc  verbum  dei  absquc  aactoritate  sedia  apostolicae  üve 
episcopi  catbolicL 

7)  a.  a.  0.  I,  290.    Et  patet  quo  judicio  polest  aubdituB  auuin 


382  QOTTSCHICK^ 

So  wenig  aber  bedeutet  Hub'  Behauptung,   dab  dieWl  i 
stehende  kirchliche  Rechtsordnung   in   ihrer  jeweiligen  B&l  1 
schaffenheit  nicht  die  Kirche  Christi   ist,    eine  Gleichgültig- 
keit gegen  die  Aufgabe,  dieselbe  so  lunzugestalten^  dabn 
ihrer  Idee  entspricht;  dafs  er  die  weltliche  Gewalt  aufruft, 
durch  Entziehung  der  Temporalien  den   Klerus  zur  Nadt- 
folge  Christi  zurückzuführen    und   so  zur   Erfüllung  mos 
eigentlichen  Aufgaben  geeignet  zu  machen.     Unter  Von» 
Setzung  des  augustinischeu;  auch  von  Thomas  reproduziertea 
Staatsgedankens ;  dafs  die  weltliche  Obrigkeit   ihre  Zwangt- 
gewalt  fiir  die  Durchfuhrung  des  Gesetzes  Christi  einzusetn 
hat;  ist  es  allerdings  eine  einfache  Konsequenz  aus  der  Ein- 
setzung dieses  Gesetzes  Christi  in  die  Stelle  einer  Autorittt, 
die  durch  sich  selbst  gültig  und  verständlich  ist,  wenn  aad 
die  Reform  des  Klerus  zur  gottverliehenen  Kompetenz  und 
zum  Pflichtenkreise  der  Staatsgewalt  gerechnet   wird.    Die 
Fürsten    handeln    dann  gerade    nach  dem  Vorbild  Christi, 
wenn  sie  seine  inimici  domestici  unterdrücken  ^ 

Dafs  Hus  die  Anerkennung  der  Träger  der  kirchlichen 
Rechtsgewalt  an  jene  Bedingungen  knüpft,  hat  aber  nicht 
den  SinU;  als  sei  er  damit  einverstanden;  dafs  die  gegen- 
wärtige Gestalt  der  Rechtsordnung  bestehen  bleibe.  Er  ist 
vielmehr  der  Meinung;  dafs  sie  der  Absicht  Christi  w^de^ 
spreche. 

Ist  auch  der  Papst  der  Nachfolger  Petri,  so  folgt  doch 
daraus  noch  lange  nicht;  dafs  alle  Gewalt  in  der  Kirche 
nur  durch  seine  Vermittlung  zu  Recht  bestehe.  Auch  die 
anderen  Apostel  sind  immittelbare  Statthalter  Christi  ge- 
wesen; von  Christo  direkt  eingesetzt  und  in  der  Ausübung 
ihres  Amtes  dem  Petrus  gegenüber  durchaus  selbständig. 
Ihre  Statthalter  aber  sind  alle  Bischöfe  Christum  sequentes  in 


superiorem  licite  jadicare,  laicus  etiam  episcopom  .  .  .  Habito  enim 
de  se  vero  judicio,  quod  non  sit  in  praevaricatione  decalogi,  non  eironea 
conscicntia,  potest  tunc  omnia  ad  salatem  sibi  pertincntia  judicare, 
juxta  illud:  spiritualis  omnia  judicat.  Sic  enim  vivens  .  .  .  propter 
examinationem  spiritualem  est  homo  spiritualis,  quia  yiYens  spiritna- 
liter  in  Christo  Jesu,  sive  fuerit  presbyter  sive  laicus.  I,  299. 
1)  a.  a.  0.  I,  169.  170;  U,  73. 


H  HUB,  LDTBEB  UND  ZWINGLI.  3Ö3 

HMorifrua'.  Die  Kömisclie  Kirche  ist  eine  P«rlikularkirclic, 
^1  lediglich  ein  Teil  der  allgemeinen  Etrche,  wie  die  zu  Ale- 
H  xandrieii  uud  KoaBtantinopel,  oder  wie  die  zu  Babylon  oder 
B  Antiocijia  oder  Eorintli,  von  denen  das  Neue  Teetament  er- 
~  zählt.  Allerdings  ist  sie,  gesteht  Hus  zu,  die  prim^ipalissinm 
eccliisia  mäilans;  aber  dafs  jeder  Christ  zu  ihr  seine  Zuflucht 
nehme,  ist  keineswegs  de  necessilale  satutis.  Der  Terminus  der 
römiBchen  Kirche  hat  keine  Begründung  in  der  Schrift,  und 
darum  Bind  es  lediglich  wahrecheiuliciie  Vernunftgründe,  die 
ihren  Vorrang  begründen,  wie  die  Menge  der  Märtyrer,  die  sie 
zählt,  der  politische  Vorrang  der  Stadt  u.  a.  w.  Ohnehin  darf 
die  römische  Kirche  nicht  mit  dem  Papst  und  den  Kardi- 
nälen, abgesehen  von  ihrer  persönlicheu  Bescliaffenheit,  iden- 
tifiziert werden ;  proprie  ist  sie  die  congregatia  Christi  fidelium 
existentium  sub  obedientia  Bomani  episcopi,  wobei  die  Würdig- 
keit des  letzteren  vorauBgcsetzt  ist '.  Ist  die  Kirche  eine 
Gemeinschaft,  die  über  den  ganzen  Erdkreis  zerstreut  ist, 
die  in  allen  Ländern  und  Zungen  existiert,  so  kann  ihre 
Qualität  als  Kirche  nicht  an  den  Primat  des  Biachofs  einer 
Partikularkirche  gebunden  sein ;  wo  zwei  oder  drei  ver- 
sammelt sind  im  Namen  Christi,  gleichviel  in  welchem  ent- 
legenen Winkel  der  Erde,  wohin  die  Hen-schaft  des  Papstes 
nicht  reicht,  da  ist  Christus  nach  seiner  VerheJfsung  bei 
ihnen,  und  sie  bilden  einen  integrierenden  Teil  der  eccleaia 
militans*.     Es  ist   ein  Ausspruch   des  Hieronymus,    der  fUr 


1)  a.  a.  0.  r,  281.  326.  347.  270.  Stultum  foret  credere  quod 
Apoitoli  nulluni  dotiiim  Spiriluale  a  Christo  recepenint,  nisi  c^uod 
Tnerit  a  Petro  ad  ipsos  impliciter  dcrivatum. 

2)  a.  a.  0.  I,  258. 

3)  a.  a.  O.  I,  325.  Gegen  Stefan  Paletz,  der  Hua  vorgeworfen, 
er  stelle  angesichts  des  gleichzeitigen  Vorhandenseias  von  drei  Päpstea 
die  gottlose  Behauptung  nuf,  dajs  die  Kirche  dreigeteilt  Bei,  fuhrt 
Hub  aus:  Eccc  quid  Fictor  abliorret:  Non  coguoscit  ist«  Fictor,  quod 
universalis  Ecclesia  Christi  fidelium  mililans  per  lotum  orbem,  ubi 
sunt  Christi  fideles,  cnt  diffusa,  (juac  uon  solum  tripartita,  imo  multi- 
pliciter  ultra  dividitnr  in  partes  ipssm  uniTcraalein  Ecciesiam  inte- 
grantes.  Numquid  non  bähet  aua  membra  et  suos  filios  iu  Uispania 
Bub  Benedicto,  et  m  Apulia  et  in  Bheno  sub  Oregorio,  et  in  Bohemia 


384  OOTT8CHICK, 

diese  Ausführungen    den   Grundton    angiebt    (ad  Euagriui 
presbyterum  Dist  93). 

Der   Primat   des    Papstes    beruht    auf    Verleihung  da 
Kaisers  Konstantin^  während  bis  dahin  der  römische  Bischof 
ein  consocius  der  andern  Bischöfe  gewesen  ^.     Ja  nach  dem 
Zeugnis  des  Hieronymus  hat  es  in  der   ältesten  Kirche  nur 
Presbyter  und  Diakonen   gegeben,   indem   die  Titel  Bischof 
und  Presbyter  dasselbe  bedeuteten  (ibid.).     Und    auf  Onud 
hiervon  erklärt  Hus  es  für  den  wünschenswertesten  Zustsod, 
wenn  alle  Priester  unmittelbar  durch   den   einigen  Pontifa 
Jesus  Christus  reguliert  würden  und  alle   weitere   rechtliche 
Ordpung  oder   hierarchische  Gliedenmg   wegfiele.     Ist  doch 
Christus ;   wie  er  es  durch  dreihimdert  Jahre    einer  gedeih- 
lichen kirchlichen  Entwickelung  bewiesen  hat,  imstande,  mit 
seinem  Gesetz  die  Kirche  in  allen  Dingen  zu  leiten,   indem 
fromme  Priester  den  Dienst  dieses  Gesetzes  am  Volk  aus- 


8ub  Johanne  XXIII?  Absit  quod  sit  extincta  Christi  fides  in  aim- 
plicibus  Christi  fidelibus  et  in  baptisatis  parvulis  sit  extincta  baptis- 
malis  [so  ist  offenbar  statt  Papalis  zu  lesen]  gratia  propter  tres  bestias 
pro  dignitate  et  fastu  et  avaritia  contendentes.  Redeat  ad  cor  Fictor 
et  cantct  in  canticu  ecclcsiae :  te  per  orbem  terrarum  sancta  confitetar 
ecclesia.  Et  orct  in  cantico  missae :  tibi  offerimos  munera  pro  ecclesn 
tua  sancta  catholica,  quam  pacificare,  custodire,  adjuvare  et  regere 
digncris  toto  orbe  terrarum  (vgl.  auch  I,  244  das  Citat  aus  Augustin: 
peregrinatur  a  solis  ortu  usque  ad  occasum  laudans  unum  doininum]. 
Haec  cantans  et  orans  et  evangelium  Christi  ponderans  cum  Saneto- 
rum  Augustini  Hieronymi  et  aliorum  Sanctorum  sententiis  non  mi- 
retur,  quod  ecclesia  militans  sit  tripartita.  Dicit  enim  Salvator 
Matth.  18:  Ubi  sunt  duo  vel  tres  congregati  in  nomine  meo,  ibi  soin 
in  medio  eorum.  Si  ergo  duo  vel  tres  vel  plures  in  India  Graecia 
Hispania  vel  in  quacunque  mundi  alia  provincia  sunt  congregati  b 
nomine  Christi,  quomodo  Fictor  poterit  prohibere,  quod  Christas  non 
sit  in  medio  eorum  et  per  consequens  quod  non  sint  fidelissimi  Clui- 
stiani  et  sie  pars  integrans  Christi  ecclesiam  militantem.  Vgl.  I,  2^ 
wo  von  der  ecclesia  universalis,  quae  non  est  pars  ad  aliam  unte^ 
schieden  wird  die  particularis ,  quae  est  pars  ad  aliam,  juxta  illad 
dictam  Salvatoris  Matth.  18:  Ubi  sunt  duo  etc.  Ex  quo  patet  quod 
duo  justi  congregati  in  nomine  Christi,  sint  cum  Christo  capite  parti- 
cularis  sancta  ecclesia,  similiter  quatuor  et  sie  ulterius  usque  ad  na- 
merum  omnium  praedestinatorum  exclusive. 
1)  a.  a.  0.  I,  219. 


HUS;  LUTHER  UND  ZWINQU.  385 

üb^ii;  juzta  sententiam  des  Augustiii;  HieronymuS;  Gregor, 
Ambrosius  ^  Die  pax  und  unitcis  der  Kirche,  die  von  der 
päpstlichen  und  hierarchischen  Richtung  als  Deduktions- 
mittel  für  die  Notwendigkeit  des  staatartigen  Ausbaus  der 
kirchlichen  Ordnung  verwendet  werden,  sind  für  Hus  so 
ausschliefslich  geistlicher,  religiös-sittlicher  Art,  dafs  er  der 
vollsten  Überzeugung  lebt,  dafs  das  Gesetz  Christi,  wenn 
es  die  Organe  seiner  Wirksamkeit  an  Priestern  findet,  die 
Christo  sittlich  konform  sind,  ganz  und  gar  zum  bene  vivere 
der  Kirche  genügt  *.  Wenn  die  Gegner  behaupten,  die  Ge- 
samtheit der  Gläubigen  bedürfe  eines  certum  imd  securum 
refugium  visibilet  damit  nicht  unendlich  viele  Irrtümer  und 
Zwistigkeiten  in  ihr  entstünden  und  damit  insbesondere  der 
E^crus  vollkommen  auf  dem  Wege  des  Heils  zur  Seligkeit 
gefuhrt  werde,  und  wenn  sie  dann  aus  der  Thatsache  des 
Bedürfnisses  deduzieren,  dafs  Christus  wirklich  ein  solches 
refugium  eingesetzt  hat,  den  Papst,  so  erwidert  Hus  nicht 
nur,  dafs  der  Papst  dann  gegen  Irrtum  und  Abfall  ge- 
schützt sein  müfste,  was  er,  wie  die  Erfahrung  lehrt,  that- 
sächlich  nicht  ist,  sondern  er  erklärt,  dafs  Christus  selbst 
einzig  und  allein  dies  certum  et  securum  indefkiens,  sed  om" 
nino  sufficiens  refugium  regendi  et  iUuminandi  ipsam  eccle- 
siam  sei.  Das  Haupt  der  Kirche  hat  nach  seiner  Barm- 
herzigkeit seinen  Gliedern  nicht  die  drückende  Last  aufgelegt, 
dafs  sie  tausend  Meilen  und  mehr  zu  jenem  erdichteten  re- 
fugium laufen  müfsten.  Er  hat  vielmehr  die  Apostel  mit 
der  Gabe  des  heiligen  Geistes  ausgerüstet,  quo  quilibet  in 
patria,  quam  docuit ,  potuit  iUuminare  informare  pascere  et 
dirigere  in  viam  salutis  aeternae  eos  quos  Christus  dominus 
elegitf  ut  perpetuo  essent  sanctL  Für  zweifelhafte  Fälle  aber 
hat  er  die  Verheifsung  hinzugefugt  „was  ihr  den  Vater  bitten 
werdet  in  meinem  Namen,  das  wird  er  eucli  geben",  innuens 


1)  a.  a.  0.  I,  281.  279. 

2)  a.  a.  0.  I,  66.  Credibile  est  quod  catcrva  clericorum  vivcns 
juxta  evangelium  Christi,  ducens  subditos  in  via  domini,  pacificaret 
subjectos  et  per  consequens  popolum  tarn  Deo  quam  sibi  ipsi.  Sed 
deficiente  clero  seculares  pariter  deficiunt. 


886  gottschice:, 

per  hoc  quod  orare  deberent  Ikitrem,  iä  eos  in  dubiis  dirigwL 
Demgemäfs  haben  die  Apostel  einen  Ersatz  für  den  Judii 
nicht  selbst  gewählt;  sondern  Christus  hat  auf  ihr  Gdet 
bin  selbst  den  Matthias  bezeichnet  ^ 

Diesem  Vorbild  entsprechend ,  gehen  auch  jetzt  die  Jb- 
miles  sacerdotes,  die  Christus  zum  Hohenpriester  haben,  in 
Zeiten ;  wo  es  nötig  ist,  ihn  um  Hilfe  an.  An  den  Papt 
wenden  sich  ja  auch  die  Griechen  und  Juden  nicht,  dk 
man  keineswegs  sämtlich  fiir  der  Verdammnis  verÜBdlen  er 
achten  darf  ^. 

Es  war   die  Notwendigkeit,  die  Bürgschaften   der  Ver- 
mittlung des  Heiles   sicher   zu  stellen,   mit   der    die  immer 
meh)r  sich   steigernde  Exemtion  der  Träger   der  kirchlichen 
Rechtsordnimg    von     einschränkenden     Bedingungen    ihres 
göttlichen  Rechts,  die  Identifizienmg  der  kirchlichen  Rechte- 
ordnung  mit  der  Kirche  begründet  wurde.     Hatte  Hus  nun 
in   der  Tendenz,   den   nicht  weltlichen,  sondern   geistlicheD, 
religiös- sittlichen   Charakter    der    kirchlichen    Gemeinschaft 
wieder  zur  Geltung  zu  bringen,   die  Anerkennung    des  jut 
dimnum   der    Träger    der    kirchlichen  Rechtsordnung  uidit 
nur    an    die  Bedingung   der   Übereinstimmung    ihres   Ver- 
fahrens mit  den   unverrückbaren  Normen  der  kirchlichen 
Thätigkeit,   sondern  auch   an  die   persönliche    oder  mo- 
ralische  Konformität    mit  Vorbild    und   Gesetz    Christi   ge- 
knüpft, und  die  Zugehörigkeit  zur  Kirche  sogar  an  die  un- 
erkennbare Prädestination   gebunden,    so   lag  natürlich  der 
Einwurf  nahe,  dafs  dadurch  die  Mutter  Kirche,  welche  jeder 
Christ  kennen  müsse,  unerkennbar  gemacht  werde   und  alle 
Hoffnung  des  Heils  verloren  gehe  ^.     Es  ist  das  im  Grunde 
dieselbe  Kritik,  wie  die,   welche  Kj-aufs  und  Seeberg  voll- 
ziehen.    Hus'  Auseinandersetzung  mit  diesem  Einwurf  dient 
dazu,    die    Erkenntnis    seiner   Gesamtanschauung    von    der 
Kirche  zu  vervollständigen. 

Dafs  die  Kirche  hinsichtlich  des  Bestandes   ihrer    einzel- 
nen Mitglieder  uns  gegenwärtig  unbekannt  sei,   ist   ihm  ein 

1)  a.  a.  0.  I,  347.  348. 

2)  a.  a.  0.  I,  356  vgl.  391. 

3)  I,  254.  282. 


HrS,  LDTHEH  UWD  ZWIHGLI.  387 

wichtiger  Gedaokc.  Das  ist  identisch  damit,  dafs  sie  Glaubens- 
artikel ist.  Gerade  dadurch  wird  der  Glaube  inbezug  auf 
sie  zu  einer  verdienstlichen  Leistung  '.  Und  femer  hat  die 
Erkenntnis  ihres  Wesens,  die  die  Unsicherheit  über  ihre  ein- 
zelnen Mitglieder  mit  sieh  luhrt,  den  Wert,  dals  man  durch 
sie  gegen  die  Verfuhrung  durch  den  falschen  römischen 
Kirchenbegriff  geschützt  wird.  In  diesem  Sinne  beginnt 
Hus  seinen  Traktat  über  die  Kirche  damit,  dafs  er  die  Not- 
wendigkeit für  jeden  viator  hervorhebt,  die  Kirche  durch 
den  Glauben  zu  erkennen,  um  sie  (ipsam)  lieben  und  ehren 
EU  können.  Aber  er  leugnet  nun  weiter,  dafs  irgendwelche 
Verwirrung  in  der  ecclesia  mUitans  die  Folge  davon  sei,  dafs 
wir  die  einzelnen  Glieder  des  Leibes  Christi  nicht  mit  Sicher- 
heit erkennen  können  *. 

Es  ist  die  Beschatfenhoit  des  die  Gläubigen  leitenden 
Klerus,  die  über  die  Beschaffenheit  der  empirischen  Gemein- 
schalt,  ob  sie  Kirche  Christi  oder  Kirche  des  Antichrist« 
ist,  entscheidet  Und  hier  wiederum  ist  es  die  Konformität 
der  amtlichen  Tliätigkeit  und  der  Lebensweise  des  Klerus 
mit  Vorbild  und  Gesetz  Christi,  die  darüber  entscheidet,  ob 
er  Klerus  Cliristi  oder  des  AntichHsls  ist '.  Gewifs  kann 
das  Urteil  inbezug  auf  den  Einzelnen  irre  gehen,  der  trotz 
der  äufgcrcn  Konformität  ein  Heuchler,  trotz  der  praesens 
jusiitia  ein  praescitus  sein  kann.     Aber   dennoch   begründet 

1)  I,  254.  Non  marmuret  fidelis,  sed  coogaudrat  veritati  quod 
■Micta  mater  ecdeaia  ait  atbi  tantum  incogoita  hie  io  via,  quia  super 
isto  itat  meritum  fidei  chriatiaiiac. 

2)  I,  254.  NuUa  confusio  est  in  eccleaia  militante  ex  hoc  quod 
BJoe    revelatione    non   cognoscimus   membra   mjBttci    corporis   Cliriati 

S)  I,  282.  PoBsunt  autem  istae  paitea  topicae  per  hoc  disccrai 
potiEsime,  quod  clerug  Auticbristi  iostat  aCtentius  pro  tradttioni- 
bus  bumanis  et  pro  privilegiis,  quae  fastam  vel  lacium  saeculi  sapiunt, 
defemlendis  vultque  gloriose  »oluptuose  et  Christo  dispariter  vivcre 
poslergana  peultus  imitatioaem  in  moribus  Jesu  Christi.  Sed  cicrus 
Christi  laborat  asaidue  pro  legibus  Christi  et  ein»  privilegiis,  quibiu 
bonum  apirituale  «cquiritur  ostendendum  fugitque  fastura  et  volup- 
tatem  saeculi,  quaerit  oonfonniler  Chrialo  vivpre  attendena  diligen- 
tissime  seqnelam  Domini  Jeau  Christi.  Nee  fas  est  fideli  dis- 
credere  qaia  iita  pars  sit  Tora  et  prior  erronea. 


1 


888  GOTTSCHICK, 

die  Erftillung  jeüer  Bedingungen  die  Verpflichtung,  ilm  liil  1^^ 
einen  wahren  Hirten  zu  betrachten  und  die  gegen  dral  ^^^ 
solchen  geltenden  Pflichten  zu  erfüllen  ^  Ni<^t  die  fii- 
setzung  durch  eine  höhere  kirchliche  Instanz ,  sondern  j«  1  ^^ 
sittlichen  Kriterien  sind  der  Beweis,  dafs  derselbe  von  Gol  I  vi^ 
gesandt  und  ein  wahrer  Jünger  Christi  ist  '.  EKe  Inkongroea  I  ^^^ 
Kwischen  den  beiden  Anschauungen  yon  der  Kirche,  dafcl  ^ 
sie  die  Gesamtheit  der  Prädestinierten,  und  daCs  sie  ds  |  ^ 
sittliche  Gottesreich  ist,  tritt  auch  hier  zutage,  indem  auf  & 
Möglichkeit,  dafs  unter  denjenigen,  welche  ihrem  faktiada 
Verhalten  nach  zum  clerus  Antichristi  gehören,  auch  Fil- 
destinierte  sein  können,  gar  nicht  reflektiert  wird.  Die 
Prä4estination  macht  ja  freilich  zu  Erben  des  ewigen  I/- 
bens,  aber  deo  acceptos  offkiales  temporales  macht  schon  und 
erst  die  gratia  praesentis  justitiae,  gemäfs  dem,  dafs  die  pro^» 
das  principium  minisirandi  in  clericis  ist,  wie  sie  das  prit^ 
cipium  operandi  in  laicis  ist '.  Ist  aber  für  Hos  die  mSg^ 
licherweise  heuchlerische  Qualität  eines  solchen,  der  anscbä- 
nend  zum  Klerus  Christi  gehört,  ohne  Gefahr,  so  erklärt 
sich  dies  leicht  daraus,  dals  derselbe  ja  trotzdem  das  leistet, 
wozu  er  als  Priester  da  ist,  nämlich  durch  Lehre  und  Vor- 
bild nach  dem  Gesetze  Christi  die  Untergebenen  auf  dem 
Wege  zur  Seligkeit  zu  leiten  und  somit  der  Erbauung  der 
Kirche  zu  dienen,  während  dieser  Zweck  da  durchkreuzt 
wird,  wo  Lehre  und  Beispiel  und  Versäumnis  der  pastoralen 
Pflicht  dem  Zweck  des  kirchlichen  Amtes  zuwiderlaufe^ 
Und  erst  recht  treibt  Hus  hinsichtlich  der  Sakramente  seine 
Forderung  persönlicher  Qualifikation  als  Bedingung  der  Be- 
fähigung zum  kirchlichen  Amt  nicht  so  weit,   dafs   er  von 


1)  Ibid.  Et  quamvis  plane  sine  revelatione  non  potest  homo 
viator  verum  sanctum  pastorem  cognoscere,  tarnen  ex  operibiiB  legi 
Christi  conformibus  debet  supponere  quod  talis  est. 

2)  J,  345.  288.  Quilibet  sacerdos  qui  propriam  gloriam  non 
quacrit,  sed  honorem  Dei,  profectum  ecclesiae  et  salutem  poputi,  qni- 
que  facit  volnntatem  Dei  et  detegit  Antichristi  versutias  praedicans 
legem  Christi,  ille  habet  signa,  quae  ostendunt,  quod  ipsum  deas 
misit. 

3)  I,  248. 


HIJS,  LIITHER  UND  ZWIKÖI.I.  389 

derselben     die     Wirksamkeit     des     Sakramenfa     abhängig 
machte  '. 

E»  ist  lediglich  das  Sakrament  der  Bufse,  bezieliungs- 
weise  die  mit  demselben  zusammenhängende  Schlüsaelgewalf, 
in  Hinsicht  deseen  Hua  zu  einer  von  der  vulgären  abweiclien- 
den  Anschauung  gelangt  Aber  auch  hier  kann  man  nur 
sagen,  dafs  er  die  in  thesi  nie  ganz  geleugnete  Bedingtheit 
dieser  Gewalt  in  den  Vordergrund  i'ückt '.  Er  kann  sich 
auf  den  Lombarden  berufen,  wenn  er  gegen  die  Behauptung, 
dafs  der  Papst  volle  Vergebung  der  Sünden  erteilen  könne, 
oder  dafs  das  Binden  und  Lösen,  das  Sündevergeben  und 
-behalten  des  Priesters  ohne  weiteres  auch  fiir  Gutt  gültig 
sei,  erklärt,  dafs  die  Vergebung  durch  den  Priester  allezeit 
nur  eine  ministeriale  ist,  während  das  eigentliche  Subjekt 
derselben  in  Gott  oder  Christum  zu  linden  ist,  dafs  dem- 
gemäfa  die  priestcrhchen  Akte  nur  insoweit  Gültigkeit  be- 
sitzen, als  sie  dem  himmlischen  Thun  Gottes  und  Christi 
konform  sind,  dafs,  weil  die  Bedingung  der  Sündenvergebung 
aufseiten  des  Menschen  die  contrilio  ist,  das  Binden  und 
Lösen  seitens  eines  irdischen  vicari»s  dei  allezeit  irre  gehen 
und  wirkungslos  sein  kann,  sofern  derselbe  sich  über  den 
Herzenszustand  des  Pönitenten  täuschen  oder  auch  infolge 
von  Habsucht  oder  persönlicher  Gehässigkeit  ein  ungerechtes 
Urteil  fällen  kann.  Diese  Betonung  der  religiösen  oder  sitt- 
lichen Bedingungen  der  Wirksamkeit  des  Bufssakraments 
ist  nichts,  was  über  die  Linie  des  Katholicismus  hinausginge. 
Und   wenn   Hus   von   den   drei   Teilen  des   Bufssakramenta 


1)  1,  166.  Bei  der  Verteidiguug  des  Satzes  von  Wiclif:  uullue 
est  domiDUa  civilis,  nullus  eat  praclaliiB,  nullua  est  episcopus,  dum 
est  in  peccato  mortati  erklart  Uua  unter  Berufung  auf  Auguatiu :  (deus) 
per  iudigtiuui  et  immundum  mitjistrum  ^rficit  valde  diguum  et  raun- 
dum  opus,  ulputa  baptiBmum,  absolutlouen ,  conaFcrationcm  et  verfai 
dei  pracdicationem.  Weiter  wird  mit  Auguntin  die  Wirksamkeit  der 
KODsekraliou  eines  PriesterB  daraus  abgeleitet,  tlafs  dos  Sakrament 
non  in  merito  consecrantiB,  ned  in  vcrbo  perfiuitur  crcatoris  et  virtute 
spiritiu  sancti. 

2)  I,  STO.  Licet  liuiusmodi  potestas  quoad  executionem  in  mullii 
rationabiliter  Bit  ligata.  _ 


S90  GOTTSCmCKy 

nur  die  innerliche  poenitentia  ftir  heilanotwendig  erklärt  il  0» 
kmnn  er  rieh  dafür  auf  Richard  a  St  Victore  berufen  K    1 1^ 

Es  ist  also  nicht  richtig,  dafs  Hus  die  Kirche,  dasWot 
im  wahren  Sinne  genommen,  in  keiner  Weise   als  erd^l  l 
aend  gedacht  und  ihren  Gliedern  nur  eine  Gemeinschaft  ■ 
plalonischer   Liebe''    zugeschrieben    hätte.      Die    empirisck 
Kirchengemeinschaft   ist   ihm   Kirche,   weil    und   soweit  sie 
die  Mittd  handhabt,  durch  welche  die  Prädestination  an  da 
EunefaMD  wirksam  wird,  die  Sakramente  und  insbesondere  du 
Q«9elB  Christi.    Bei  aller  Schärfe  des  Gegensatzes  gegen  & 
ak  Kirche   des  Teufels  bezeichnete  Hierarchie  ist  ihm  & 
empirische  Kirche  als  Ganzes  dennoch  ein  Teil  des  üb^  ale 
Zet^  and  Räume  rieh  erstreckenden  Leibes  ChristL     Wem 
sie  auch  gegenwärtig  viele  Glieder  hat,  die  mit  dem  TeoM 
bttUen,  so  ist  doch  gemäls  der  Distinktion  von  esse  de  und 
«SAT  IM  ecdesia  und  gemäfs  dem  Bilde  von  den   schlechieft 
SfttV»  von  ihnen  zu  abstrahieren  '.    Ihrem  hinunlischen  ZiA 
wSÜmri  sie  rieh  aber  um  so  mehr,  je  reichlicher    und  reiner 
jiMie  Bedingungen  christlichen  Lebens  in  ihr  vorhanden  rind, 
und  daau  ist  das  unumgängliche  Mittel  die  Entweltfa'chung 
d««»  Klerus,  ein  sehr  förderliches  wenigstens  die   Aufhebung 
d<Nr  h(^heren  Stufen  der  Hierarchie. 

Es  ist  mehrfach  darauf  hingewiesen,  wie  bei  allem  Gegen- 
•ata  hinrichtlich  der  Autorität  des  Klerus  und  des  Papstes 
doch  awischen  Hus  und  Thomas  die  weitreichendste  6e- 
mwtachaft  hinrichtlich  des  theologischen  Materials  besteht 
FUr  b«ftde  ist  der  Leib  Christi,  sofern  er  als  der  schlief- 
)icW  Käekt  der  Erlösung  in  Betracht  gezogen  wird,  die 
^1^^  XM  und  Personen  von  Ewigkeit  her  feststehende  Ge- 
^lytiilh^Ht  der  Prädestinierten.  Thomas  erkennt  so  gut  wie 
th^i   stW   Einheit  der  Kirche    in    der  Einheit    des    heiligen 


^^  U  >(^     K»l   autem   ipsa  oniversaliB   ecclesia   virgo,    sponaa 
V^^U4M4  ^U(^  iii^aam»  tota  pulchra  .  .  et  sancta  et  Immaculata 

s?^  >iV  v:«w«u^MUha  «^cttiidum  se  totam  in  patria.    Haec  tarnen 
i^Mhi^^^Mk^  v^tm  ^Ml^taiil^  diabolo  et  cum  multis  eius  membris  eri- 


HUB,  LUTHER  UNO  ZWINOLL  891 

s  Oeiatee  oder  der  Tugenden  der  Glaube,  Liebe  und  Hoff- 
tiuiig.  Beiden  ist  der  Glaube  das  blofse  Für- wahr -halten 
einer  durch  formelle  Autorität  verbüi^en  Summe  von 
Lehren;  beiden  fällt  das  Schwergewicht  auf  die  Liebe,  durch 
die  das  Gesetz  Christi  erfüllt  wird.  Die  Kirche  ist  ihnen 
das  sittliche  Gottesreich,  das  alle  Lebensverhältnisse  der 
Christenheit  umspannt,  und  zur  Durcbfiihrung  von  dessen 
Gesetz  auch  die  weltlichen  Herren  ihre  Zwangagewalt  ein- 
zusetzen haben.  Beiden  ist  der  wichtigste  Stand  in  der 
Kirche  ein  priesterlicher  Klerus,  der  die  Herrschaft  des 
Gesetzes  Christi  in  der  Kirche  zu  befördern  hat,  indem  er 
durch  die  Spenduiig  der  Sakramente  geheime  Gna<lenkräfte 
mitteilt  und  durch  Unterweisung  im  Gesetz  sowie  durch 
persÖD liehe  Konformität  mit  dem  armen  Leben  Jesu  dia 
sittliche  Lebensbewegung  der  Laien  leitet.  Gerade  die  sitt- 
liche Zweckbestimmung  der  Kirche,  die  beiden  gemeinsam 
ist,  ist  es,  und  zwar  in  ihrer  asketischen  Gestalt,  die  für 
Hu3  der  Hebel  wird,  die  Autorität  des  Klerus  und  insbe- 
sondere die  seiner  höheren  Stufen,  zu  beschränken  oder  auf- 
Eoheben ,  ein  Schritt ,  zu  dem  seine  Anschauungen  vom 
Glauben  und  von  der  Gnade  keinerlei  Antrieb  gewährten, 
da  von  persönlicher  Glaubens-  und  Heilagewifsheit  bei  ihm 
so  wenig  wie  bei  Thomas  die  Rede  ist. 

Fragen  wir  nun  nach  dem  Fortachritt,  den  Hub'  An- 
schauung von  der  Kirche  über  die  katholische  hinaus  be- 
deutet, so  dürfte  derselbe  nicht  durch  die  Formel  auszu- 
drücken sein,  dafs  er  die  Kirche  als  Glaubensartikel  auf- 
gefafst  hat  Glaubensartikel  ist  ja  die  mit  der  Hierarchie 
oder  dem  Papst  identifizierte  Kirche  für  die  Kü mischen 
nicht  minder.  Sie  beanspruchen  t\ir  dieselbe  sogar  das 
credere  in,  während  Hus  nur  ein  credere  ecdesiam  zugesteht. 
Es  käme  also  vielmehr  darauf  an,  wie  er  die  Kirche,  sofern 
sie  Gegenstand  des  Glaubens  ist,  aufgefafst  hat.  Es  vrtrde 
nun  allerdings  einen  völligen  Bruch  mit  der  katholischen 
Ansicht  bedeuten,  wenn  seine  Erklärung,  dafs  die  in  Hin- 
aicht  des  Bestandes  ihrer  Glieder  unbekannte  Gesamtheit 
der  Prädestinierten,  im  Sinne  einer  lediglich  in  der  Idee 
bestehenden  Gemeinschatt,  G^enstand  des  seiner  Art  nach 


1)  I,  321  gegen  St.  Paletz:  Cognoscat  ergo  fictor  jancturam 
corporis  ecclesiae  et  Christi  capitis  non  esse  corpora- 
lem,  sed  spiritualem  gratiam  praedestinationis,  demam  gratiam 
praesentis  justitiae,  per  quam  ipse  Christus  in  ipsa  ecclesia  et  in 
membris  eins  habitat,  ipsam  cum  membris  eius  dirigens  ad  vitam 
gloriae  obünendam.  Vgl.  I,  246,  wo  der  geistliche  Charakter  der 
Einheit  der  Kirche  durch  das  folgende  Citat  aus  Augustin  bewiesen 
wird:  non  in  aliquem  unum  locum  corporalem  (sc.  congregavit) ,  sed 
congregavit  in  unum  spiritum  et  unum  corpus,  cuius  caput  est 
Christus,  et  illam  unitatem  tangit  apostolus  dicens  Eph.  4:  SoUiciti 
servare  unitatem  spiritus  in  vinculo  pacis,  unum  corpus,  unu»  Spiri- 
tus, unus  dominus,  una  fides,  unum  baptisma,  unus  deus  et  pater 
omnium,  quia  sine  ista  unione,  ut  praemittitur,  non  est 
aalus. 


] 


392  GOTTfiCHICK, 

auf  Nicht-Erscheinendes  gerichteten  Glaubens  sei,  das  (kat 
seiner  Anschauung  ausdrückte.   Aber  dieser  Brach  würde  ko- 1  ^^ 
nen  Fortschritt  bedeuten^  weil  dann  die  reale  und  historbek  |  ^' 
Gemeinschaft;  die  der  thatsächliche  Erfolg  des  Lebenswab 
Christi    ist,    zu    der  Kirche  als  Glaubensg^enstand  ankr 
Beziehung  stehen   würde.     Das   ist  eben    nicht   die  Anädit 
von  Hus.     Ist  es  der  Kern  der  katholischen    Anschammg 
dafs   die  bestehende  kirchliche  Rechtsordnung,    wie  sie  n 
der   hierarchischen   Gliederung  des  Klerus   gemäTs  der  Ab- 
stufung von   Papst,    Bischöfen,   Priestern   u.    s.    w.   besidit, 
von  den  ihr  Unterworfenen  bedingungs-  und  prüfungslos  ak 
göttliche  Autoriät  anzuerkennen  ist,   weil  sie  als  das  unum- 
gäi^gliche  und    genügende  Mittel  zur  Erbauung   der  Sjicbe 
im  Sinn  der  Heilsgemeinde  gilt,  so  wird  der  durch  Hus  et- 
zielte   Fortschritt    darin    zu    erblicken    sein,    dafs    er   diese 
Schätzung  der  kirchlichen  Rechtsordnung  zerstört  hat,  in- 
dem er  den  spezifischen  Unterschied  der  Kirche   von   einem 
weltlichen  Staat  imd  den  lediglich  sekundären  und  bedingto 
Wert  hervorgehoben  hat,   der  der  Rechtsordnung  in   einer 
Gemeinschaft  zukommt,   deren  Wesen  geistlicher^    religiös- 
sittlicher  Art  ist  und   deren   Einheit  auf  der  Gemeinschaft 
an    geistlichen  Heilsgütem    beruht  *.     Und  Hus    hat   diesen 
Umschwung  des  Urteils  vollzogen,   ohne   die  geschichtlichen 
Mittel   der   Verwirklichung   der   übergeschichtlichen  Bestim- 
mung zimi  Heil  an  den  Einzelnen  und  ihrer  irdischen  Ver- 


HÜS,  LUTHER  UND  ZWINOLI.  393 

I  bindung  unt43r  einander,  Predigt  von  Cbriato  und  Sakra- 
meote,  aufser  Wirksamkeit  zu  setzen.  Vielmehr  hat  gerade  die 
konstitutive  Bedeutung,  welche  das  Gesetz  Christi  für  die 
Kirche  hat,  ihm  als  Hebel  zur  Erschütterung  des  Anspruchs 
der  kirchlichen  Rechtsordnung  auf  arbiträre  Autorität  ge- 
dient, indem  er  diese  nach  ihrem  Inhalt  unzweifelhaft  fest- 
stehende und  nach  ihrem  Wert  durch  sich  gültige  GrÖfae 
als  die  unverbrüchliche  Norm  autgewiesen  hat,  der  alles 
Handeln  der  Träger  der  kirchlichen  Rechtsordnung  konform 
sein  mufs,  wenn  es  der  Erbauung  der  Kirche  dienen  will, 
und  an  der  es  die  Prüfung  seitens  der  Untergebenea  be- 
stehen mufs,  wenn  es  Autorität  beanspruchen  will.  Der 
Wert  der  kirchlichen  Rechtsordnung,  der  also  au  und  für 
sich  ein  bedingter  ist,  erfährt  dann  eine  weitere  Einschrän- 
kung dadurch,  dafs  die  Notwendigkeit,  die  ganze  Kirche 
auf  Erden  einer  einheitlichen  und  irgendwie  zenti-alisierten 
Rechtsordnung  zu  unterwerfen,  in  Abrede  gestellt  wird.  Viel- 
mehr ist  die  Einheit  der  Kirche  eine  geistliche,  die  eines 
solches  politischen  Mittels  nicht  bedarf  und  über  dasselbe 
übergreift,  ja  die  durch  den  unvermeidlich  weltlichen  Cha- 
rakter desselben  sogar  gefährdet  wird.  Wohl  bedürfen  die 
Mittel  der  geistlichen  Einheit,  Gesetz  Christi  und  Sakra- 
mente, besonderer  Organe,  der  Priester,  die  Nachfolger  der 
Apostel  ujid  Inhaber  eines  direkten  Amtnauftrages  Christi 
sind;  aber  dieselben  sind  nicht  Häupter  oder  Herrscher  der 
Kirche,  sondern  —  sofern  sie  die  hierzu  erforderlichen  Be- 
dingungen erfüllen  —  Teile  oder  Glieder  und  weiterbin  in 
ihrer  besonderen  Thätigkeit  Diener  derselben.  Eine  Zu- 
sammenfassung derselben  zu  einem  stufenweis  gegliederten 
empirischen  Organismus  ist  zum  bene  vivere  der  Kirche  nicht 
nur  nicht  erforderlich,  sondern  für  dasselbe  schädlich.  So- 
mit ist  nicht  nur  die  göttliche  Autorität  des  Papsttums  und 
irgendwelcher  empirischen  Repräsentation  der  Gcsaintkirche, 
BOndem  auch  ihr  relatives  Recht  in  Abrede  gestellt.  Die 
berechtigten  Subjekte  klrclJichen  Handelns  sind  die  von 
selbständigen  Priestern  und  Diakonen  geleiteten  Fartikular- 
kirchen,  über  deren  Abgrenzung  Hus  allerdings  nicht  weiter 
reflektiert  hat.  In  der  spezifischen  Schätzung  des  Priester- 
ZdtKlu.  f.  E.-0.  viu,  s.  26  j 


894  Q0TT8GHIGK :  HÜB^  LUTfiEB  UKÜ  tSWtJSfQLL 

Standes  ist  unverkennbar  ein  unüberwandener  Rest  der 
tholischen  Anschauung  voriianden.  Derselbe  ist  aber  noi 
notwendige  Folge  davon,  da(s  Hus'  Anschauung  vom  W 
des  Heils  und  seiner  Aneignung  an  den  Eanselnen  die 
tholische  geblieben  ist  Nicht  schon  die  Erkenntnis  von 
unverrückbaren  Gültigkeit  des  ;, evangelischen''  Lebensid 
sondern  erst  das  erneute  Verständnis  des  iBvangeliums 
der  sicheren  Gnade  in  Christus  konnte  zur  völligen  Ü 
Windung  des  katholischen  Kirchenbegriflbs  ftihren. 
[Fortaetsung  und  Schlafs  im  nächsten  Hefte.] 


Das  Württembergiscb«  Konkordat  von  1857. 


Art  I«. 

Besetzung  des  biBchöflichen  Stuhls  und  Domlupitels. 

Diese  soll  nach  dem  Wortlaut  der  beiden  Breven  vom 
22.  März  1828  vorgenommen  werden.  Dort  heilst  ea,  dafe  zum 
Bischof  nur  ein  solcher  gewählt  werden  soll,  von  welchem 
d&e  Domkapitel  weifs,  dafs  er  dem  Könige  nicht  „minus 
gratus"  sei.     Das  Gleiche  gilt  von  den  Domtcapitularen. 

Damit  war  das  Fundationsinstrument  vom  14.  Mai  182S 
aufgehoben.  Es  kann  also  nach  dem  Konkordat  jeder  Ausländer 
gewählt  werden,  wenn  man  nur  weifs,  dafs  er  dem  König 
nicht  unangenehm  ist  Nun  könnte  ja  die  Regierung  die  Be- 
stimmungen des  Fundationslnstruments  und  der  ebenfalls  durch 
die  Konvention  aufgehobenen  Verordnungen  vom  4.  Mai  183S 
und  'dO.  Januar  1830  dadurch  aufrecht  erhalten,  dafs  sie  jeden 
Kandidaten,  welcher  nicht  die  dort  verlangten  Eigenschaften 
besitzt,  als  minus  gratus  bezeichnet,  allein,  wenn  dies,  warum 
dann  diese  Verordnungen  aufbeben?  Würde  die  Kurie  von 
der  Regierung  nicht  das  Gleiche   gefordert   haben,   wie  bei 


1)  Vgl,  oben  S.  I88ff, 

2)  Zur  leicblereo  Uaterscheidang  für  den  Leser  beieiclmen  mr 
die  Artikel  der  Konrentioa  von  1B5T  mit  römliclien,  die  des  GesetiM 
TOD  1862  mit  deutachen  ZiSem. 


396  BUNZ, 

Art.  IV;  SL,  Bischöfliche  Instruktion,  und  dann  der  gleiche 
Konflikt  ausbrechen ;  auf  den  bei  genanntem  Artikel  wird 
hingewiesen  werden?  Ja  Kardinal  Reisach  erklärte  während 
der  Unterhandlungen  ausdrücklich;  das  Recht,  alle  Personen 
bis  auf  einC;  beziehungsweise  auf  zwei  zu  streichen  und  so- 
mit die  Vorlage  einer  neuen  Liste  zu  veranlassen,  werde  die 
Kurie  der  Regierung  nie  zugestehen.  Also  blieb  die 
Beurteilung;  ob  die  Person  minus  grata  sei,  zuletzt  bei  Rom. 
Wollte  die  Regierung  es  sich  nicht  gefallen  lassen,  so  war 
der  Konflikt  da. 

Dagegen  verlangt  das  Gesetz  ausdrücklich  (Art  4; 
Abs.  2),  dafs  es  bei  den  Bestimmimgen  des  Fundations* 
Instruments  bleibe. 

Art  n. 
Bischöflicher  Eid. 

Der  Eid;  wie  ihn  der  Bischof  dem  Könige  zu  schwören 
hat;  enthielt  vor  der  Konvention  noch  den  Gehorsam  gegen 
die  Staatsgesetze,  in  der  Eidesformel  der  Konvention  ist 
dies  weggelassen  und  nur  obedientia  et  fidelitas  Regiae 
Majestati  et  successoribus  Suis  gesetzt.  Dagegen  ist  einge- 
schaltet sicut  decet  Episcopum.  Wie  dieser  Beisatz  aus- 
gelegt werden  kann,  ist  einleuchtend.  Wer  nur  an  Rom. 
13,  1  u.  dgl.  denkt;  wird  unbefangen  übersetzen:  Wie  es 
jedem  Christen  zukommt;  so  vor  allem  einem  Bischof,  der 
Obrigkeit  treu  und  gehorsam  zu  sein,  wer  aber  das  ka- 
nonische Recht  und  die  Geschichte  kennt,  der  weifs;  dals 
der  Satz  eine  Einschränkung  enthält  und  bei  jedem  etwaigen 
Ungehorsam  der  Bischof  sich  darauf  berufen  kann:  sicut 
decet  Episcopum. 

Wie  von  1862  an  der  Eid  lautet,  konnte  der  Verfasser 
nicht  erfahren;  aber  da  die  Konvention  ja  förmlich  auf- 
gehoben wurde ;  so  mufste  mit  ihr  auch  der  Eid  fallen  und 
da  Art.  4  des  Gesetzes  bei  der  Bischofswahl  ausdrücklich 
das  Fundationsinstrument  als  Nortn  aufstellt;  so  ist  es  ja 
nicht  anders  möglich,  als  dafs  auch  der  dort  vorgeschriebene 
Eid;  wie  er  vor  der  Konvention  bestand;  jetzt  giltig  ist, 
ebenso  wie  in  Baden. 


DAS  WÜHTTEMBEBGI8CBE  KOKKORDAT. 

Art.  m 

handelt  von  der  Dotation  des  Bistums. 

Art.  IV. 

Pro  limine  Dioecesis  Gpiscopo  ea  jura  omnia  i 
liberum  erit,  quae  in  vim  pastoralis  Ejus  roinisterü  eive  ex 
declaratione  sive  ex  dispoBitione  sacrorum  Canonum  juxta 
praesentem  i?t  a  Snncta  sede  adprobatam  EccleBiae  dis- 
ciplinam  Ipsi  competuot  ac  praesertim: 

Damit  ist  die  Herrschaft  des  kanonischen  Rechts  im 
Prinzip  volktändig  testgestellt.  Was  ist  die  DiÖcese  Kottcn- 
burg?  Integrum  Regnum  Württembei^ense  antwortet  die 
Bulle  Provida  solersque.  Dafs  dies  ernst  gemeint  ist,  be- 
weist ja  das  kanonische  Recht,  Tridentinum  und  (Jatechia- 
muB  Roraanus,  und  so  viele  Aussprüche  der  Päpste  und 
Kirchenrechtslehrer,  jüngst  noch  so  klar  und  unzweideutig 
der  Brief  Pius  IX.  an  Kaiser  Wilhelm  vom  7-  August  1873, 
in  welchem  der  Papst  unbedingt  behauptet;  „Jeder,  wel- 
cher die  Taufe  empfangen  hat,  gehört  in  irgend- 
einer Beziehung  oder  auf  irgendeine  Weise,  welche  hier 
näher  darzulegen  nicht  der  Ort  ist,  gehört,  sage  ich,  dem 
Papste  an."  Nirgends  ist  im  Konkordat  gesagt,  dafs  eich 
die  Rechte  des  Bischofs  nur  auf  die  gläubigen  Katholiken, 
nicht  auch  auf  die  Ketzer  beziehen.  Das  ist  stillschweigende 
Voraussetzung,  wird  der  Verteidiger  desselben  entgegnen. 
Wenn  dies  der  Fall  wäre,  warum  es  dann  nicht  klar  und 
deutlich  in  der  Konvention  aussprechen?  Wird  die  Kurie 
je  eine  solche  reservatio  mentalis  anerkennen?  Ja  ist  eine 
solche  nur  möglich  gegenüber  einem  klar  ausgesprochenen 
gegenteiligen  Grundsatz?  Allein  davon  abgesehen,  genügt, 
dafa  der  Bischof  im  kathoÜscLen  Teil  der  DiÖcese  diese 
Rechte  vorderhand  ausübt.  Andern  sich  die  Verhältnisse, 
so  kann  er  sieh  auf  die  Konvention  stützen,  wenn  er  auch 
an  die  Ketzer  seine  Rechte  geltend  macht  oder  vor  der 
Hand  dann  einmal  an  das  Eigentum,  welches  Ketzer  wider- 
rechthch  im  Besitz  haben,  z.  B.  Kirchen,  welche  schon  vor 
der  Reformation  standen,  oder  auch  an  solche,  welche  von 
erbaut   wurden,    da  ja   diese    kün   Recht    haben, 


398  BUVZy 

eigene  Kirchen  zu  besitzen.  Hie  Verfassang  spricht  in  §  78 
▼on  ,,  inneren  Angelegenheiten '^  der  Eorche  und  von  Rechta 
des  Bischofs  ^^in  dieser  Hinsicht '^  Die  Konvention  weili 
▼on  inneren  Angelegenheiten  nichts,  ebenso  wenig  als  die 
Koria  Die  Auslegung  der  Konvention  li^  bei  der  Kurie, 
denn  diese  allein  kann  doch  nur  entscheiden,  was  die  gegoi- 
wärtig  geltende  Disziplin  der  Kirche  ist  und  nicht  irgend- 
eine Regierung.  Die  oberrheinischen  Regierungen  publi- 
zierten den  gleichen  Anspruch  in  der  Bulle  Ad  Dominici 
gregis  custodiam  gar  nicht  Der  Beisatz  in  der  bischöf- 
lichen Instruktion,  dafs  der  Bischof  niemals  solche  Canones 
erneuern  werde,  welche  wegen  Verschiedenheit  der  zeitlichen 
und  örtlichen  Verhältnisse  nach  der  gegenwärtig  geltenden 
und  vom  apostolischen  Stuhl  gutgeheifsenen  Disziplin  der 
Kirche  aufser  Übung  gekommen  sind,  besagt  nichts  ander«», 
als  dafs  dem  Bischof  nicht  das  Recht  zusteht,  was  ja 
nach  kanonischem  Recht  ganz  selbstverständlich  ist  Es 
bleibt  bei  der  „gegenwärtig  vom  heiligen  Stuhl  gutgeheifse- 
nen Disziplin". 

Zu  einer  Konvention,  sollte  man  glauben,  gehöre,  dafs 
die  einzelnen  Rechte  genau  bestimmt  werden.  Das  ist  nur 
dem  Staat  gegenüber  der  Fall.  Dieser  ist  gebunden,  die 
Kurie  nicht.  Sollte  z.  B.  der  Staat  einmal,  gestützt  auf  das 
landesherrliche  Patronatrecht  der  früheren  Rechtspraxis,  be- 
haupten wollen,  die  Besetzung  der  Pfründen  sei  keine  innere 
Angelegenheit  der  Kirche,  so  steht  die  nähere  Bestimmung 
Art.  IV,  a  entgegen,  dafs  der  Bischof  alle  Pfründen  verleihen 
dürfe,  mit  Ausnahme  von  jenen,  welche  einem  rechtmäfsig 
erworbenen  Patronatrecht  unterliegen.  Für  die  Kurie  aber 
gilt  einfach :  ea  jura  omnia  exercere,  quae  in  vim  pastoralis 
Ejus  ministerii  Ipsi  competunt  und  fortgefahren  wird  nicht: 
quae  sunt  oder  inquam  u.  dgl.  sondern  ac  praesertim,  so 
dafs  die  nachbenannten  Rechte  nur  beispielsweise  genannt 
und  besonders  hervorgehoben  sind.  Die  Ausübung  ist  durch- 
aus nicht  auf  die  genannten  Rechte  beschränkt,  sondern  es 
können  jederzeit  noch  mehr  Rechte  eingefügt  werden,  so- 
bald die  Kurie  nachweisen  kann,  dafs  sie  dieselben  dem 
Bischof  zuteilt.     Es  können  alle  Kirchengesetze  durchgeführt 


DAS  WÜRTTEHBEROISCHE  KOKKORDAT.        399 

werden,  selbst  gegen  Ketzer,  und  dies  ist  ja  dadurch  vor- 
gesehen, dafs  die  Sistierung  der  letzteren  jedesmal  durch  die 
Quinquinahakul täten  nur  auf  fünf  Jahre  erlaubt  wird  in  der 
HoSnung,  dafe  bis  dorthin  die  pro te staut ischen  Gegenden 
kein  „Missiunsgebiet"  mehr  seien,  „wo  die  Ketzerei  straf- 
los wuchert  und  die  Inquisition  ihre  Thätigkeit  nicht  ent- 
falten kann". 

Das  Gesetz  von  1862  schneidet  den  Anspruch  an  alle 
Christen  schon  dadurch  ab,  dafs  ea  ausdrücklich  nur  ge- 
geben ist  zur  „Regelung  des  Verhältnisses  der  Staatsgewalt 
zur  katholischen  Kirche".  Ferner  sind  die  Rechte, 
welche  der  Bischof  ausüben  darf,  genau  bestimmt  und  wird 
nirgends  im  allgemeinen  von  denselben  gesprochen. 

Da»  landesherrliche  Placet  wird  in  Art.  IV  der  Kon- 
vention selbst  gar  nicht  erwähnt,  während  es  die  Verfassung 
in  §  72,  Abs.  2  ausdrücklich  beanaprucht  Durch  Art.  VI 
ist  aber  dasselbe  eigentlich  aufgehoben.  Dort  ist  dem  Staat 
gegenüber  eine  sehr  präciae  Fassung  gewählt,  dafs  „alle 
Belehrungen  und  Erlasse  des  Bischofs,  die  Aktenstücke  der 
Diöcesansynode ,  des  Provinzialkonzils  und  des  h.  Stuhls 
seibat,  die  von  kirchlichen  Angelegenheiten  handeln,  ohne 
vorrangige  Einsicht  und  Genehmigung  der  königl.  Regierung 
veröffentlicht  werden".  Dies  ist  der  Wortlaut  der  Kon- 
vention. Nur  die  bischöfliche  Instruktion  zu  Art  IV 
spricht,  eigentlich  wie  um  den  Absprung  nicht  zu  grofa  zu 
machen  und  den  Verteidigern  der  Konvention  eine  Handhabe 
zu  geben,  davon,  dafs  der  Bischof  bei  einem  Generale  oder 
einer  Verordnung  von  gröfserer  Bedeutung  gleichzeitig 
ein  Exemplar  derselben  der  königl.  Regierung  mitteilen 
werde.  Über  die  „gröfsere  Bedeutung"  hat  natürlich  der 
Bischof  zu  entscheiden.  Oder  was  könnte  es  der  Regierung 
helfen,  wenn  ihr  nachträglich  eine  Verordnung  zur  Kenntnis 
käme  und  sie  wurde  dem  Bischof  zu  wissen  thun,  diese  sei 
von  gröfserer  Bedeutung,  hätte  ihr  also  mitgeteilt  werden 
sollen?  Der  Bischof  wird  antworten,  er  halte  die  Verordnung 
nicht  für  eine  von  „gröfserer  Bedeutung".  Aber  auch  eine 
Mitteilung  hat  ja  bei  gleichzeitiger  Veröffentlichung  nur 
den  Wert  einer  Höflichkeit.     Wichtiger  ist  die  weitere  In- 


J 


400  Büsz, 

struktioii;  welche  aich  auf  solche  Anordnangen  besidit^  n  öiv 
sich  nicht  innerhalb  der  rechtUchen  Zuständigkeit  der  Kadil  ^^ 
allein    halten,    sondern    sich    zugleich    auf   G^enstSode  »1  Ai 
strecken,    welche    in    dem   Gebiet   der   Staatsgewalt  fi^j 
Über  diese  soll  der  Bischof  sich  vor    deren  VerofienÜidiBil  B 
mit  der  Regierung  yyins  Einvernehmen  setzen^.  I^|   t 
liehe  Erlasse  dieser  Art  sind   aber  ausgeschlossen  und 
bischöfliche  ausdrücklich  genannt 

Damit  ist  die  Bestimmung  der  Verordnung  yom  1.  Min 
1853  aufgehoben,  dafs  solche  Erlasse  ^^der  Genehmigaig 
des    Staats^'    unterliegen.      Auch    sagt     die    Verordnaiig: 
,,was  nicht  in  dem  eigentümlichen  Wirkungskreis  der  Ende 
liegf  und  verlangt,  dafs  alle  Erlasse  gleichsseitig  der  kraigl 
Regierung  vorzulegen  sind.     Wo  wird  die  Kirche  zugebo, 
dafs  sich  etwas  nicht  innerhalb  ihrer  rechtlichen  Zustindig- 
keit  allein  halte?     Wer  entscheidet  darüber,  iivelche  Erla« 
unter  die  letztere  Kategorie  gehören  ?     Der  Bischof  verbietet 
z.  B.  den  Gläubigen  den  Umgang  mit  Ketzern.    Er  hält  diesen 
Ei'lafs  für  einen  von  geringer  Bedeutung  und  macht  der  Be- 
gierung  keine  Mitteilung.     Diese  erfährt  später  davon.    Auf 
Vorhalt  antwortet  der  Bischof,    nicht  blofs   sei    der  Eiiafs 
nicht  von  grötserer  Bedeutung,   sondern   es  gehöre   ganz  in 
die  rechtliche  Zuständigkeit  der  Kirche  zu  entscheiden,  mit 
wem  der  gläubige  ELatholik  umgehen  dürfe,   und    durchaus 
nicht  in  die  des  Staats.     Aber  abgesehen  davon,  fragen  wir: 
Was  soll  es  heifsen   „ins  Einvernehmen   setzen",    wenn  die 
„  Genehmigung '^    ausdrücklich    aufgehoben   ist.      Wenn   m 
Einvernehmen    eben    nicht    zustande    kommt,    was    dann? 
Dann    wäre    es   nur  ein   Gewalt-   imd  kein  Rechtsakt   auf 
Grund  der  Konvention,  wenn  der  Staat  die  Veröffentlichung 
hindern   wollte.     Der   Bischof   hat  nach   seiner  Instruktion 
gehandelt.     Er   setzte   sich  ins   Einvernehmen   mit   der  Re- 
gierung.    Eine   Vereinigung  kam   nicht  zustande.     Das  ist 
nicht  seine  Schuld.     Jetzt  tritt  der  eben  genannte  Art.  VI 
in   sein   Recht   und   der  Bischof  geht  auf  Grund   desselben 
mit    der    Veröffentlichung    vor.      War    schon   inbetreff  der 
Kognition    über    die    gröfsere   Bedeutung    der  Erlasse    und 
über  die  Grenzen  der  rechtlichen  Zuständigkeit  der  Kirche 


DAS  WÜBTTEMBEHOIBCHE  KONKORDAT.        401 

ein  Konflikt  so  leicht  möglich,  so  mufs  er  hier  notwendig 
stattfinden,  wenn  der  Staat  nicht  einfach  alle  hirten amtlichen 
Anordnungen  nach  den  Kirchengesetzen  gutheifsen  will. 

Es  ist  nun  leicht  zu  erkennen,  ob  es  richtig  ist,  wenn 
Rümelin  (S.  21ö)  zuversichtlich  sagt:  ,,DerBi8chof  hat  von 
allen  allgemeinen  Anordnungen  und  wichtigeren  Spezial- 
verfugUEgen,  auch  wenn  sie  die  inneren  Angelegenheiten 
der  Kirche  betreffen,  der  Regierung  gleichzeitige  Mitteilung 
zu  machen,  bei  allen  Anordnungen  in  gemischten  Angelegen- 
heiten sich  des  vorgängigen  Einverständnissea  der  Regierung 
zu  versichern." 

Immer  wieder  mufs  die  Frage  aufgestellt  werden;  Wenn 
dies  der  Sinn  der  Konvention  sein  soll,  wo  steht  im  Text 
derselben  etwas  davon  und  warum  drückt  sich  auch  der 
Wortlaut  der  bischöflichen  Instruktion  nicht  also  aus,  son- 
dern vielmehr  in  einer  Weise,  welche  gerade  diese  Erklä- 
rung abweist? 

Dagegen  spricht  sich  das  Gesetz  bestimmt  aus.  Es 
verlaugt  einmal  gleichzeitige  Mitteilung  aller  Verordnungen 
dea  Bischofs,  so  dafs  die  Regierung  sich  vergewissern  kann, 
ob  dieselben  blofa  innere  Angelegenheiten  betreffen.  Dann 
aber  sagt  Art.  1  ausdrucklich,  gemischte  Erlasse  „  unterliegen 
der  Genehmigung  des  Staats".  Dies  ist  doch  ein  grufser 
Unterschied  von  dem  blofsen:  „Der  Bischof  wird  sich  ins 
Einvernehmen  setzen".  Es  ist  auch  die  Wendung  „An- 
ordnungen, wodurch  die  Diöcesanen  zu  etwas  verbunden 
werden  sollen,  was  nicht  ganz  in  dem  eigentümlichen  Wir- 
kungskreis der  Kirche  hegt,  sowie  auch  sonstige  Erlasse, 
welche  in  staatliche  oder  bürgerliche  Verhältnisse 
eingreifen"  viel  bestimmter,  als  die  in  der  bischöflichen  la- 
sti'uktion  zu  Art.  IV  der  Konvention. 

Zudem  hat  die  Kammer  mit  60  gegen  19  Stimmen  bei 
Art.  1  „die  Voraussetzung  ausgesprochen,  dafs  die  Staats- 
behörde zu  entscheiden  habe,  ob  die  Verfügungen 
der  kirchlichen  Behörde  Gegenstände  dieser  oder  jener  Natur 
(d.  h.  gemischter  oder  rein  kirchlicher  Natur)  betreffen". 
Weiter  unterwirft  das  Gesetz  denselben  Bestimmungen  „die 
auf  Diücesan-   und  Provinziala^noden  gefafsten  Beschlüsse, 


Ü 


402 

ebenso  die  pftpedicben  Bauen,  Breren  und  sonstigen  & 
lasse'^  Überhaupt  ist  Art  1  des  Oeaeties  in  semein  Abs.! 
die  wörtliche  Wiederiiolnng  von  §  2  der  konigL  VeroidiniDg 
Ton  1853  und  in  seinem  Abs.  2  don  Sinn  nach  die  tob 
§  3  derselben  Verordnung. 

Im  Verlauf  werden  nun  in  Art  IV  der  Konventkni 
einzelne  Rechte  besonders,  aber  nicht  ausschliefslicli 
namhaft  gemacht,  welche  unter  dem  ac  praesertim  angefobt 
werden: 

,ya)  alle  Pfründen  zu  verieihen  mit  Ausnahme  von  jenen, 
welche  einem  rechtmäfsig  erworbenen  Patronatsrechte  Unter- 
lizenz" 

Die  Pfirüudenausscheidung  geschah  durch  eine  Verstin- 
digung  der  Regierung  mit  dem  Bischof,  welche  am  14.  Apvil 
1857  vom  päpstlichen  Stuhle  bestätigt  wurde,  wonach  178 
Pfründen  und  22  je  im  zweiten  oder  dritten  Jahr  der  bischöf- 
lichen KoUatur  angehören,  318  Pfründen  aber  mit  filnf  alter- 
nierenden dem  königlichen  Patronat,  drei  durch  ein  Vor- 
schlagsrecht beschränkt  Somit  darf  man  wohl  annehmen, 
dafs  der  päpstliche  Stuhl  das  rechtmäfsig  erworbene  Patro- 
natsrecht  nicht  bestreiten  kann.  Allein  gerade  deshalb  ist 
auch  hier  die  Fassung  des  Wortlauts  charakteristisch.  Im 
Gesetz  heifst  es:  „Das  Emennungsrecht  des  Staates  zu 
katholischen  Kirchenstellen  ist,  soweit  es  nicht  auf  beson- 
deren Rechtstiteln,  wie  namentlich  dem  Patronat  beruht, 
aufgehoben."  Es  ist  hier  also  das  Patronat,  wo  es  besteht, 
als  rechtmäfsig  erworben  eo  ipso  festgestellt  (Art  2).  In 
der  Konvention  ist  immer  noch  eine  Hinterthüre  offen  ge- 
lassen, dafs  möglicherweise  auch  die  rechtmäfsige  Erwerbung 
eines  Patronats  angezweifelt  werden  kann.  So  hat  König 
Friedrich  gleich  in  der  ersten  Zeit  seiner  Regierung  das 
landesherrliche  Patronatrecht  „als  Emanation  der  Landes- 
hoheit" durchgefiihrt  und  damit  nicht  blofs  das  geistliche, 
sondern  auch  das  Patronat-Recht  der  Gemeinden  und  Stif- 
tungen aufgehoben.  Könnte  nicht  eines  Tages,  wenn  die 
Zeiten  günstig  sind,  die  Rechtmäfsigkeit  dieser  Erwerbung 
beanstandet  und  dem  Bischof  zugeteilt  werden  wollen?  Die 
Konvention  schützt  davor  nicht,  wohl  aber  das  Gesetz,  wenn 


DAS  WÖBTTEMBERGISCHE  KONKORDAT.        403 

es  sagt:  „Die  vonnaliRen  Patronaterechte  der  Gemeinden 
und  Stiftungen  bleiben  mit  dem  Patronat  der  Krone  ver- 
einigt" ("Art.  2).  Ebenso  behält  dasselbe  die  Anstellung  der 
Oeistlichen  beim  Militär  und  an  oSentlichen  Anstalten  aus- 
drücklich dem  Staate  vor. 

Die  bischöfliche  Instruktion  zu  dieser  Pfründenbeaetzung 
lautet:  „Der  Bischof  wird  kirchliche  Pfründen  niemals 
an  Geistliche  verleihen,  welche  aus  erheblichen  und  auf 
Thatsachen  gestützten  Gründen  der  königl.  Regierung  in 
rein  bürgerlicher  oder  polilischcr  Rins'icht  mirsföllig  sind." 
Das  Gesetz  ordnet  an  (Art.  4):  „Die  Kirchenämter,  welche 
nicht  von  der  Staatsregierimg  selbst  abhängen,  können  nur 
an  solche  verliehen  werden,  welche  nicht  von  der  Staats- 
regieruDg  unter  Anfilhrung  von  Thatsachen  als  ihr  in 
bürgerlicher  oder  politischer  Beziehung  mirsßUlig  erklärt 
werden."  Dipse  beiden  Fassungen  scheinen,  oberflächlich 
betrachtet,  ganz  mit  einander  iibereinziiatimmen.  Auch  Rii- 
melin  nimmt  dies  an,  wenn  er  (S.  217)  ruhig  sagt:  „Auf 
die  Besetzung  der  geistlichen  Stellen  übt  die  Regierung 
nicht  nur  durch  den  Umfang  ihres  Patron  ata  den  über- 
wiegenden Einflufa  aus,  sondern  hat  überdies  das  Recht, 
von  allen  bischöflichen  und  im  Privatpatronat  stehenden 
Stellen  die  ihr  aus  staathchen  Gesichtspunkten  mifafaltigen 
Personen  auszuschliefaen."  Wieder  die  Frage:  Wenn 
es  80  zu  verstehen  ist,  warum  steht  es  nicht  im  Text  der 
Konvention  und  warum  ist  es  auch  in  der  bischöflichen  In- 
et rukt  Jon  nicht  mit  den  gleichen  klaren  Worten  ausge- 
sprochen? Da  hat  der  Abgeordnete  Probst  es  doch  anders 
verstanden,  wenn  er  als  Bericht  erat  alt  er  der  Minderheit  bei 
der  ständischen  Beratung  zwischen  den  beiden  Bestimmungen 
einen  „himmelweiten  Unterschied"  fand.  Das  Wort 
„erhebhch"  ist  ganz  gescliickt  in  die  Konvention  aufge- 
nommen. Wer  hat  zu  entscheiden,  ob  die  Thatsachen  er- 
heblich sind?  Doch  niemand  anders  als  der  Bischof,  wenn 
es  einmal  heifst:  „Der  Bischof  wird  kirchliche  Pfründen 
niemals  verleihen"  u.  s.  w.  Weiler  aber  mufs  ja  die  Re- 
gierung die  Gründe  vorlegen  und  würde  dies  nicht  thun, 
wenn  sie   dieselben   nicht  iiir   erheblich   erklärte.     Soll   also 


13 


404  BUKZ, 

nachträglich  über  die  Erheblichkeit  entschieden   werden,  m 
kann  dies  nur  der  Bischof  thun. 

Es  machte  sich  doch  sonderbar,  wenn  die  RegieroDg 
käme  und  sagen  würde:  Gegen  diesen  Kandidaten  habe 
ich  diese  Thatsache  als  Hindernis  seiner  Anstellung  anza- 
fbhren,  aber  sie  ist  nicht  erheblich,  oder:  Ich  habe  diese  anzo- 
fuhren  und  die  ist  erheblich.  So  bleibt  das  Einspruchsrecht 
des  Staates  illusorisch  oder  wenigstens  ganz  und  gar  von 
dem  guten  Willen  des  Bischofs  abhängig.  Erklärt  er  eine 
Thatsache  für  nicht  erheblich,  so  steht  er  ganz  auf  dem 
Rechtsboden  der  Konvention,  und  will  dies  der  Staat  nicht 
gelten  lassen,  so  ist  der  Konflikt  da.  Nach  Art  4  des  Ge- 
setz es  aber  hat  die  Staatsregierung  die  Entscheidung,  und 
kann  sie  Thatsachen  anfuhren,  welche  ihr  den  Kandidaten 
mifsfäUig  machen,  so  darf  er  nicht  angestellt  werden,  ob 
mm  der  Bischof  damit  übereinstimmt  oder  nicht  Dies 
wurde  auch  bei  der  Verhandlung  vom  Ministertische  aus 
aufs  bestimmteste  erklärt 

„b)  Seinen  General  vikar ,  die  aufserordentlichen  Mit- 
glieder des  Ordinariats,  sowie  die  Landdekane  zu  erwählen, 
zu  ernennen,  beziehungsweise  zu  bestätigen  (vel  confir- 
mare)." 

Hier  erscheint  die  Fassung  der  bischöflichen  Instruktion 
mehr  der  Staatsregierung  entgegenkommend:  „Männer,  von 
denen  er  weifs,  dafs  sie  der  königl.  Regierung  in  bürger- 
licher und  politischer  Hinsicht  nicht  unangenehm  sind." 
Hier  kann  also  die  Staatsregierung  verlangen,  dafs  solche 
nicht  gewählt  werden,  sobald  sie  ihre  Mifsbilligung  aus- 
spricht Lehrreich  ist  dann  aber  die  Instruktion  wegen  der 
Landdekane,  auch  für  die  Erklärung  des  „  Ins-Einvernehmen- 
setzen".  Nämlich  auch  über  ihre  Wahl  soll  der  Bischof 
sich  mit  der  Regierung  ins  Einvernehmen  setzen.  Wird 
aber  eine  Verständigung  nicht  erzielt,  so  läfst  nicht  etwa 
der  Bischof  die  Wahl  des  Kandidaten  fallen,  sondern  er  be- 
stätigt ihn  getrost  ohne  Rücksicht  auf  die  Regienmg.  Nur 
mafst  sich  der  Bischof  nicht  auch  noch  das  Recht  an,  den 
Staat  zu  zwingen,  dafs  er  dem  mifsliebigen  Kandidaten 
auch  noch  die   staatlichen  Verrichtungen   des  Dekans  über- 


DAS  Wt'RTTEMBERQISCHE  KONKORDAT.  405 

a-agen  mufa,  sondern  er  erlaubt,  dieselben  dann  einem  an- 
lem  Oeiatlicben  zu  übertragen. 

Das  Gesetz  hat  hier  keine  besonderen  Bestimmungen, 
weil  ihm  diejenigen  über  die  Anstellung  im  allgemeinen  ge- 
nügen. Zu  dem  oben  genannten  kommen  nümlicli  noch  in 
Art.  3  folgende;  „Die  Zulassung  zu  einem  Kirchenamte  ist 
durch  den  Besitz  des  würltembergischon  Staatsbürgerrechts, 
BDwie  durch  den  Nachweis  einer  vom  Staat  lur  entsprechend 
erkannten  wisBenHchaftlichen  Vorbildung  bedingt"  Die  Kon- 
vention hat  eine  ähnliche  Bestimmung  gar  nicht.  Zwar 
könnte  der  Verteidiger  vielleicht  sagen  wollen,  die  erstere 
Bedingung,  den  Besitz  des  Staatsbürgerrechts ,  könne  die 
Regierung  fordern  auf  Grund  von  Art.  IV,  a  Bisch.  Instr., 
wenn  sie  den  Mangel  desselben  als  mifsliebige  Thatsache 
bezeichne.  Ob  sie  aber  der  Bischof  iur  eine  erhebliche 
gelten  liefse,  wäre  die  Frage.  Auf  die  zweite  Forderung 
des  Gesetzes  hat  die  Konvention  vollständig  verzichtet,  wenn 
sie  als  weiteres  Hecht  ac  praeeei'tim  antührt 

,,c)  die  Prüfungen  für  die  Aufnahme  in  das  Seminarium 
und  l'iir  die  Zulassung  zu  Scelsor gerstellen  anzuordnen, 
auszuschreiben  und  zu  leiten," 

Es  wird  die  Fakultät  in  Tübingen  unter  Aufsicht  des 
Staats  zwar  immer  noch  eine  Prüfung  abhalten  können, 
dies  ist  wenigstens  nicht  verboten;  aber  der  Bischof  hat 
darauf  keine  Rucksicht  zu  nehmen.  Er  kann  solche  Kan- 
didaten zulassen,  welche  die  Fakultätsprüfung  nicht  gemacht 
haben-,  ja  er  kann  solche,  die  sich  derselben  unterzogen,  ge- 
radezu ausschliefscn.  Die  königl.  Regierung  hingegen  ver- 
pflichtet sich,  nach  der  konigl.  Erklärung  zu  Art.  IV,  a, 
auf  dem  konigl.  Patronat  keinen  Geistlichen  anzustellen,  welcher 
nicht  den  bischöflichen  Pfarrkonkurs  mit  Erfolg  bestanden. 
Kümelin  begi-ündet  diese  Preisgebung  (Ö.  231)  mit  folgendem 
Satz:  „Oder  wenn  der  Staat  über  die  Vornahme  der  Prü- 
fungen für  die  Auüiahme  in  das  Priesterseminar  und  für  dia 
Zulassung  der  Seelsorge  einseitige  Anordnungen  erlassen 
wollte,  wie  könnte  er  erwirken,  dal's  der  Bischof  die  ihm 
hierbei  übrig  gelassenen  Funktionen  wirklich  ausübe, 
die  so  Geprürten  zu  Priestern  weihe   und   zur  Seelsorge  er- 


Ü 


406  BüHZy 

mächtige?''  Daneben  lieiikt  es  (S.  218):  ^Anf  die  Sil« 
dang  der  Geistlichen  übt  die  Begienmg  durch  die  von  üv  |i 
unterhaltenen  Konyikte  und  die  in  dem  Organismus  der  |i 
Landesuniversität  verbleibende  theologische  Fakultät  einea  |i 
sehr  ausgedehnten  Einflufs  aus.''  Wir  werden  bei 
Art  VIU  und  IX  wieder  Gel^enheit  haben,  auf  letztera 
Satz  zurückzukonmien,  und  beschränken  uns  hier  auf  die 
Frage,  ob  man  sich  so  volltönend  vernehmen  lassen  dsi^ 
wenn  der  Staat  gerade  darauf  verzichtet  hat,  die  Bildong 
in  den  Konvikten  und  auf  der  Landesuniversität  nur  sack 
zu  sichern.  Der  künftige  Geistliche  hat  ja  gar  nicht  nötig 
auf  der  Landesuniversität  sich  seine  Bildung  zu  holen.  Eb 
kann  nicht  blofs  aus  jedem  tridentiaischen  Seminar  in 
Deutschland,  sondern  aus  einem  JesuitenkoU^um  zu  fiom 
oder  Spanien  ein  Kandidat  kommen,  der  Bischof  nimmt  ihn 
zur  Prüfung  an,  erklärt  ihn  fLLr  befähigt  und  weiht  ihn 
zum  Priester.  Kümelin's  Behauptung  (S.  231)  ist  als  Ober- 
satz  freilich  richtig,  allein  kann  und  soll  daraus  nur  der 
Schlufs  gezogen  werden:  Also  darf  der  Staat  keinerlei  Ga- 
rantie für  sich  beanspruchen  bei  der  Prüfung?  Selbst  die 
Übereinkunft  mit  dem  Bischof  von  1854  verlangt  in  Art  U, 
dafs  der  Bischof  nur  solche  Kandidaten  zur  Aufnahme- 
prüfung in  das  Priesterseminar  zulassen  dürfe,  welche  von 
der  theologischen  Fakultät  in  Tübingen  Zeugnisse  über  die 
mit  Erfolg  bestandene  akademische  Schlufsprüfung  beibringen. 
Ist  dann  aber  auch  auf  die  Bildung  bei  der  Landesuniversität 
der  Einflufs  des  Staats  so  „sehr  ausgedehnt",  wenn  der 
Kandidat  nicht  einmal  von  dieser  Universität  geprüft  zu 
werden  braucht?  Ja  klingt  es  nicht  wie  eine  Ironie,  um 
Späteres  zum  voraus  anzudeuten,  wenn  gerade  die  theo- 
logische Fakultät,  wie  nachher  gezeigt  wird,  durch  die  Kon- 
vention ganz  dem  Bischof  unterstellt  wird? 

Was  das  Gesetz  fordert  in  Art.  3,  ist  oben  (S.  405) 
gesagt.  Es  ist  nur  noch  darauf  hinzuweisen,  dafs  diese 
Forderung  in  praxi  erfüllt  wird  nicht  blofs  nach  der  Ver- 
ordnung von  1853,  wonach  (§  8)  die  bischöfliche  Behörde 
die  Prüfung  für  das  Priesterseminar  anzuordnen  und  zu 
leiten    hat,    der    aber  ein  landesherrlicher  Kommissär  bei- 


■  DAS  wURTTEMBEBGISCHE  KONKORDAT.        407 

"Woimen  aoll,  aondern  eigentlich  nach  der  von  den  Bischöfen 
Bo  sehr  verabscheuten  Verordnung  von  1830,  nach  der  (§  27) 
eine  von  den  Staats-  und  bischöflichen  Behörden  gemein- 
schafthch  vorzunehmende  Prüfung  der  Aufnahme  ins  Priester- 
Seminar  vorauszugehen  hat.  Auf  Grund  des  Gesetzes  er- 
folgt jetzt  eine  gründhche  Prüfung  durch  die  theologische  Fa- 
kultät in  Tübingen,  also  durch  die  staatliche  Behörde,  welche 
Prüfung  der  Bischof  durch  Abaendung  eines  Kommissärs 
aU  gültig  für  Aufnahme  ins  Friesterseminar  betrachtet. 

In  der  bischoflichen  Instruktion  tritt  nun  hier  zum  ersten- 
mal der  einem  selhständigen  Staate  gegenüber  so  gnädige 
Ausdruck  auf  Sancta  Sedea  permittit  (die  übliche  Kirch en- 
sprache !) ,  wenn  er  auch  formell  gegenüber  dem  Bischof 
gebraucht  wird.  Denn  wem  erlaubt  er's?  Hat  etwa  der 
Bischof  das  Verlangen  gestellt?  Nein  der  Staat.  Welches 
grofsartige  Zugeständnis  erlaubt  der  h.  Stuhl?  „DaTs  zur 
Erlangung  von  Pfarreien  u.  s.  w.  ein  allgemeiner  Konkurs 
gehallen  werde,  in  der  Weise,  welche  der  Bischof  nach  den 
ihm  vom  b.  Stuhl  zu  erteilenden  speziellen  Vollmachten  und 
Anweisungen  vorschreiben  wird."  (1) 

„d)  Den  Klerikern  die  h.  Weihen  zu  erteilen,  nicht  nur 
auf  die  bestehenden  kanonischen,  sondern  auch  auf  den  von 
ihm  selbst  anzuweisenden  Tischtitel  hin." 

Der  Tischtitel  wurde  von  jeher  aus  kirchlichen  Mitteln, 
dem  Interkalarfond ,  verabreicht,  aber  von  dem  Landes- 
herrn verliehen.  Darauf  wurde  schon  in  der  Übereinkunft 
mit  dem  Bischof  von  1864  verzichtet  Auch  das  Gesetz 
von   1862   veränderte  daran  nichts. 

„e)  Nach  den  kanonischen  Vorschriften  alles  das  anzu- 
ordnen, was  den  Gottesdienst,  die  kirchlichen  Feierlichkeiten 
und  diejenigen  Religions Übungen  betrifft,  welche  die  Auf- 
weckung und  Betestigung  des  frommen  Sinnes  der 
Gläubigen  zum  Zwecke  haben." 

Wenn  der  Bischof  öffenthche  Prozessionen  abhalten  will, 
ebenso  Missionen  an  vorwiegend  protestantischen,  ja  nach 
der  Voraussetzung  des  kanonischen  Hechts  an  ganz  prote- 
stantischen Orten ,  so  ist  ihm  damit  das  Recht  dazu 
eingeräumt. 


408  ixJKZf 

Will  dies  die  R^erang  nicht  dulden,  so  ist  wieder  im 
Konflikt  da. 

Man  sollte  meinen,  diese  Bestimmung  gehöre  so  sehr  n 
den  inneren  Angelegenheiten  der  Kirche,  dals  sich  die  K(m- 
vention  damit  gar  nicht  zu  beschäftigen  hätte.  Allein  kt 
wohl  diese  Bestimmung  deshalb  in  die  Konvention  au^ 
nommen,  damit  den  Katholiken  das  Recht  gesichert  ist, 
innerhalb  ihrer  Kirchen  Gottesdienste,  kirchliche  Feier 
lichkeiten,  Religionsübungen  ungestört  ausüben  zu  dürfen? 

Dieses  Recht  beruht  schon  auf  dem  (fireilich  voq 
der  Kurie  nicht  anerkannten)  westfälischen  Frieden  und 
dem  Reichsdeputationshauptschluls  von  1803.  Vielleicht  hat 
die  damalige  Staatsverwaltung  diesen  Punkt  harmlos  also 
hingenommen,  wie  so  manches  in  der  Konvention.  Allein 
die  Regierung  hat  damit  das  Recht  erteilt,  auch  alles  was 
in  dieser  Beziehung  zur  Propaganda  gehört,  anzuordnen, 
denn  der  Bischof  ist  ja  zugleich  der  Missionsobere  für  die 
Diöcese  Rottenburg  eben  gegenüber  den  zu  ihr  gehörigen 
Ketzern. 

Das  Gesetz  hat  darüber  keine  Bestimmung,  eben  weil 
es  die  in  lit.  e  genannten  Punkte  nur  für  die  katholischen 
Angehörigen  als  gültig  anerkennt  und  nicht  gegenüber  den 
Ketzern,  weil  also  diese  innere  Angelegenheit  nicht  zum 
„Verhältnis  der  Staatsgewalt  zur  katholischen  Kirche"  ge- 
hört. Damit  ist  aber  nicht  gesagt,  dafs  die  Gesetzgebung 
dem  Bischof  die  Rechte  einräume,  welche  aus  dem  Art.  IV,  e 
der  Konvention  abgeleitet  werden  konnten,  denn  das  Gesetz 
spricht  nur  von  der  „katholischen  Kirche"  imd  Art.  1  be- 
schränkt überdies  alle  Erlasse  in  die  Grenze  staatlicher  Ge- 
nehmigung. 

„f)  Diöcesansynoden  einzuberufen  und  abzuhalten,  sowie 
die  Provinzialkonzilien  zu  besuchen." 

Dieselbe  Befugnis  hat  der  Bischof  auch  nach  dem  Ge- 
setz, nur  mit  dem  wesentlichen  Unterschied,  dafs  nach 
Art.  1  ihre  Beschlüsse  der  Kontrolle  der  Regierung  unter- 
liegen (S.  401). 

„g)  In  seinem  Kirchensprengel  vom  h.  Stuhl  genehmigte 
Orden  oder  Kongregationen  beiderlei  Geschlechts  einzuführen, 


■  DAS  WÜBTTEMBERGISCHE  KONKORDAT,        409 

«ollatis  tarnen  quolibet  in  casu  cum  Rfegio  Gubemio  con- 
■illis,  im  deutschen  Text:  wird  sich  in  jedem  einzelnen  Falle 
3nit  der  köoigl.  Regierung  ins  Einvernehmen  setzen. 

Die  Regierung  hat  in  den  Motiven  zu  dem  Gesetzes- 
-entwurt  inbetreff  der  Konvention  bemerkt,  sie  habe  sich 
unzweideutig  daliin  ausgeBprochen ,  dafs  sie  jene  Worte  im 
Sinne  der  Notwendigkeit  einer  Zustimmung  der  Regierung 
aulValate,  ohne  vonseiten  der  Kurie  einen  Widerspruch  da- 
gegen erfahren  zu  haben.  Rümelin  behauptet  dementsprechend, 
die  Errichtung  geistlicher  Orden  und  Kongregationen  sei  in 
jedem  einzehicn  Fall  von  der  Zustimmung  der  Regierung 
abhängig  (S.  218). 

Wieder  ist  die  Frage  da:  Wenn  es  so  gemeint  war, 
warum  nicht  diese  Bestimmung  klar  und  präcis  in  die  Kon- 
vention aufnehmen?  Warum  denn  in  einem  Vertrag  dieser 
schwankende  Ausdruck?  Cotlatis  consiliia  kann  auch  blofs 
„Beratung  pflegen''  heifsen.  Aber  auch  iür  die  Bedeutung 
„ins  Einvernehmen  setzen"  haben  wir  ja  oben  Art  IV,  b), 
Biachüf.  Instr.  eine  Auslegung  (s.  S.  400  u.  404).  Im  aller- 
beaten  Fidle  ist  der  Ausdi'uck  so  gefafst,  ala  ob  er  gerade 
einen  Konflikt  herbeizurufen  bestimmt  wäre. 

Das  Gesetz  fafst  diese  Frage  ganz  anders  an,  wenn 
es  beifst  (Art  16):  „Geistliche  Orden  und  Kongregationen 
können  vom  Bischof  nur  mit  ausdrücklicher  Geneh- 
migung der  Staatsrcgiorung  eingeführt  werden,  welche  auch 
erforderlich  ist,  so  oft  ein  im  Lande  schon  zugelassener  Or- 
den eine  neue  Niederlassung  gründen  will.  Die 
Staatsregierung  ist  jedoch  keineswegs  befugt,  ohne  be- 
sondere Ermächtigung  durch  Gesetz  den  Jesuitenorden 
oder  ihm  verwandte  Orden  und  Kongregationen  im  Lande 
zuzulassen.  Die  Genehmigung  ist  jederzeit  widerruflich." 
Selbst  vorausgesetzt,  jenes  „collatis  consiliis"  sei  genau  das- 
selbe wie  das  deutsche  „ausdrückliche  Genehmigung  der 
Staatsregierung"  im  Gesetz,  was  übrigens  kein  Philologe 
zustande  bringen  wird,  so  sieht  doch  jeder  oberflächliche 
Beobachter  den  „himmelweilen  Unterschied"  in  den  Be- 
Btimmungen  des  Gesetzes,  wozu  noch  Art,  16  gehört:  „Die 
Gelübde  der  Ordens mitglieder  werden  von  der  Slaatsregierung 

ZaiUcht.  t  K.-G.  Vlll.  3.  27 


408 

Will  rj;. 
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denn  de.,  i,-,,,^-^  :»=  iron  z„  goniefs;«?^^''^  ^^ 

Ketzer..  ^,—  ^  .^««z  .erden    ^1,^°  ";.•    ^  ^= 

«"  die  in  Jit.  .  ^  *  jt  ÜHwianngen   des  o"r/^    ,T     "^ "' 

-^gelaöri^., =*   *  I-a»ehen    aufsorJ,a^^°?^^"'  '^'' 

Ketzern,    uoü  — *i  •««  =^  den  Verzicht         ■       ^"^'' 

«Verhältnis   u.  ^    *  «»  »ut  und  Gese/J,,,!"".^  ""^  '^^'• 

f«-     D- c.     -*     .  ..i«^n  greitV  if  ^,t  ,  "^ 

dem  Bisd.,,  .^..  .    ««  -«ci:  eine   kirchlich^    p     '?f'^"''' 

der  Konvn.uuu    ^^-  -*'«™?  «^"^  ^'««"'»nie-un^  ^-'nncitunr 
"Pricht   n„,    „^  ..-««aci».  »flehe  die  Motiv^    ^'''^^'^^^''' 

■^änkt  'Uc...^  -»-■-  «•  ^*  einmal  der  ^^yonl""   f"""" 
nehmigung.        _^  ^  .Mds-  jsn«  bekannt  sein^  n,   r  *' 

v»)  I.)^;,.,  .j,g^  .i««i«nie.  in  welcher  der   ö    ,   ^^"""^ 

die  Provinz.:.,,.  _^^  ^  ,-aiir  rawfache  erhebt     p,  ^''"^ 

Diosi.ll,.     '■■       ^  ^  .iMeiMinKa  Staabgesetzen  '^"''^^  "'"'*'" 
«tz,    n«,.  ■"'jMi«««».  Blir?n«cht,  Kr-e^^f  "'"'''"'^'''''° 

Art.  I  ij„,,  ^^^^  .iar  Poiäsöigane  u.  d-^i  '     '"'"■" 

^"egen  (t;.  .i-,     ^   ' 

»g)  I«  ..  Jift  ^"• 

Orden  oder  i         ^^^^iHm-  -Wnfcsfc  ist  das  allgemeine  P  • 

^U^amäJ» Gesetz  steht,  ,,da/s  kS 


DAS  WLRTTEMISERGISCIIE  KONKORDAT.  411 

itechlsföJle,  welche  den  Glauben,  die  Sakramente,  die 
errichtuDgeii  und  die  mit  dem  geistlichen  Amte 
Pflichten  und  Rechte  betreffen",  vor  den  Ge- 
des  Bischofs  gehören.  Dann  heifst  es  weiter : 
rird  derselbe  auch  üher  Ehesachen  entscheiden,  je- 
ibt  das  Urteil  über  die  bürgerlichen  Wirkungen 
Ehe  dem  weltlichen  G^erichte  Überlassen." 
FtiMeii  wir  zunächst  diese  Ehegesetzgebang  ins  Äuge, 
iet  damit  der  bisher  bestandene  Unterschied  zwischen 
alt  württembergischen  und  Österreichischen  Landesteilen 
AUit'gelioben ,  wie  das  Gleiche  auch  das  Gesetz  von  1862 
Iwinl  (Art.  8).  In  letzteren  stand  die  Ehegerichtsbarkeit 
~  i*ch  josefinischein  Keclit  den  bürgerlichen  Gerichten  zu. 
in  die  Konvention  stellt  die  Ehegesetzgebung  ganz  unter 
Kirchengesetze  und  die  Bestimmungen  des  Konzila  von 
rient  mit  alleiniger  Ausnähme  der  „bürgerlichen  Wirkungen 
ler  Ehe".  Das  Gesetz  aber  sagt  Art.  8:  „Die  katholischen 
ihner  deijenigon  Laiidesteile,  in  welchen  bis  jetzt  noch 
,ie  eheraaligo  vorderösterreichische  Ehegesetzgebung  gegolten 
;t,  sind  in  Zukunft  in  Ehesachen  dem  gemeinen  Rechte 
katholischen  Kirche  und  der  bischöflichen  Gerichtsbar- 
''^eit  unter  den  gleichen  Bestimmungen,  wie  die 
Obrigen  kathoÜBchen  Staatsangehörigen  unter- 
worfen.'' Hiermit  gelten  auch  hier  die  gleichen  Bestim- 
mungen, wie  hinsichtlich  der  übrigen  DiszipUnargewalt  des 
Bischofs,  wie  später  (y,  4l6fF.)  zu  besprechen.  Weiter  kommt 
dem  Bise  hol'  lün.sichtlich  der  bürgerhch  getrauten  Ehen 
keine  Gerichtsbarkeit  zu,  ebenso  bei  gemischten  Ehen.  Die 
Entscheidung  liegt  (oder  lag)  nun  nach  dem  Gesetz  in 
den  Händen  des  protestantischen  Ehegerichts,  welches  jedoch 
„mit  geeigneter  Berücksichtigung  der  raligiösen  Grundsätze 
des  katholischen  Teils"  zu  erkennen  hat  Femer  gehört 
dazu,  was  in  Art  9  ausdrücklich  ausgesprochen  ist:  „Bei 
kirchlich  getrauten  Ehen  zwischen  zwei  Katlioliken  sind  in 
denjenigen  Fällen,  in  welchen  die  Gültigkeit  oder  Ungültig- 
keit der  Ehe  nach  einem  von  dem  kirchlichen  Ge- 
setze abweichenden  Staatsgesetze  in  Frage  steht, 
die  in  Art.  13  des  Gesetzes  vom  I.  Mai  1855  genannten 
27« 


41 2  BLTCZ, 

bürfijerlicben  Gerichte  zuständig.  Dieselben  haben  iu  diesen 
Fällen  nacli  den  einschlägigen  besonderen  Best inituun gen  der 
Staatsgeaetzgebung  und  im  übrigen  nach  den  in  Art.  13 
und  18  jenes  Gesetzes  bezeichneten  Grundsätzen  und  Vor- 
schriften, erforderlichenfalls  von  Amts  wegen,  zu  verfahren. 
Aul  eine  vom  Zivilgerichte  im  Widerspruch  mit  dem 
kirchlichen  Gesetze  für  gültig  erklärte  Ehe  ßndcD 
Art.  13.  15—17  u.  20  des  gedachten  Gesetzes  Anwendung." 
Das  in  Art.  13  genannte  bürgerliche  Gericht  ist  der  Zivil- 
senat des  dem  verhandelnden  Bezirksrichtor  vorgesetzten 
Kreisgerichta.  Die  Grundsätze  und  Vorschriften  sind  die 
bei  den  Protestanten  geltenden.  Die  oben  angeführten  Art 
13.  15  — 17  U-  '20  handeln  von  der  Eintragung  der  ge- 
scldoäsenen  Ehen  und  der  aus  denselben  gehornen  Kinder 
in  ein  Protokoll  des  Ortsvorstehers  und  in  das  Faniilien- 
register.  Endlich  gehört  zu  den  „Bestimmungen,*  wie  die 
übrigen  katliolischen  Staatsangehörigen"  noch  das  GeseU 
vom  23.  Januar  186:!,  welches  bestimmt,  dafs  DispeneationeD 
von  dem  Ehehindemisse  der  Schwftgerachaft  oder  Verwandt- 
schaft beim  bürgerlichen  Gerichte  nachzusuchen  sind.  Wird 
in  solchem  Falle  die  kirchhche  Trauung  von  sämtlichen  zu- 
standigen Geistlichen  verweigert,  so  kann  die  Ehe  büi^er- 
lich  geschlossen  werden  (Art.  2,  Gesetz  von  1855).  Alle 
anderen  Dispensationen  wurden  ohnedies  vom  Kirchenrat, 
bzw.  Oberamt  erteilt,  also  von  staatlichen  Beliürden.  Noch 
gehört  liiezu  Art  lü  des  Gesetzes  wegen  der  Instanz,  wis 
er  später  noch  zu  besprechen. 

Das  Eherecht  ist  jetzt  bekanntlich  ein  anderes,  aber  wir 
haben  es  iür  unsere  Frage  nur  mit  dem  1862  in  AVürttemberg 
gültigen  zu  thun,  welches  das  Kircheugesetz  voraussetzt. 

Nach  der  Konvention  wären  diese  Ehegesetze  von  1855 
und  18C2  aufgehüben,  die  gemischten  Ehen  mit  ihrer  Frage 
der  Kindererzieliung  ganz  in  die  Gewalt  des  Bischofs  ge- 
geben gewesen,  und  wo  staathche  und  kirchliche  Gesetze 
nicht  übereinstimmten,  hatte,  wenn  man  sich  den  letzteren 
nicht  uuterwericn  wollte,  der  Konflikt  ausbrechen  müssen. 

Wenden  wir  uns  zu  der  weitei'en  biscliüflichen  Disziplinar- 
gewalt, so  giebt  einmal  die  Konvention  die  Geisthchen  ganz 


DAS  WCKTTEMBEKQISCHE  KONKORDAT.         413 

in  die  Hände  des  Bischofs.  Episcopo  liberum  wit  Clericorum 
moribus  invigilare,  „der  Bischof  wird  unbehindert  den 
Wandel  der  Geistlinhen  überwachen".  Gegen  Schuldige 
soll  er  cbe  den  kirchlichen  Gesetzen  entsprechenden  Strafen 
verhängeo  dürten,  „salvo  tarnen  canonico  reeurau".  Wo 
bleibt  der  recursua  ab  abusu  an  den  Staat  gewahrt^  Jeder 
Jurist  wird  entscheiden  müssen,  dafs  er  durch  diese  Fas- 
sung ausgeschlossen  ist.  Die  Regierung  hat  zwar  in  ihren 
Motiven  bemerkt,  dafs  sie  das  allgemeine  Hoheitsrecht  des 
Staats,  Mifsbräuche  der  geistlichen  Gewalt  zurückzuweisen, 
gerade  bei  dem  gegenwärtigen  Artikel  während  der  Ver- 
handlungen mit  Rum  wiederholt  gewahrt  habe.  „Gerade 
bei  dem  gegenwärtigen  Artikel."  Welch  eine  beifsende 
Ironie  iat  es  zu  dieser  scheinbar  geharnischten  Behauptung, 
wenn  es  „gerade  in  dem  gegenwärtigen  Artikel"' 
beifst:  „Temporum  ratione  habita  Sanctitas  sua 
permittit,  ut  Clericorum  causas  niere  civiles,  vcluti 
conti-actuum,  debitorum,  haeredidatum ,  judices  saecularea 
cognoBcant,  et  definiant"  (!).  Überhaupt  ist  kein  Artikel 
HO  voll  von  consentit,  annuit,  non  recuaat,  permittit  von- 
seiten des  h.  Stuhls,  welche  eine  laute  Antwort  sind  auf 
jene  reservatio  mentalis  der  Regierung.  Der  Staat  hat  also 
seine  Hoheitsi-echte  gewahrt  dadurch,  dafs  er  sich  vom  Papst 
erlauben  läfat,  Verträge,  Schulden,  Erbschallen  von  Geist- 
lichen vor  sein  Gericht  ziehen  zu  dürfen!  Könnte  denn  ein 
Staat  überhaupt  bestehen,  wenn  ein  1'eil  seiner  Burger  sein 
Recht  bei  einem  fremden  Gericht  suchen  dürfte?  Treten 
andere  Zeitverhältiiisae  ein,  so  hat  nach  der  Konvention 
S.  Heiligkeit  das  Hecht,  auch  diese  Erlaubnis  zurückzuziehen. 
Oder  bedeutet  temporum  ratione  habita  eigentlich  gar  nichts 
und  ist  nur  „die  übliche  Kircheasprache"?, 

Nehmen  wir  aber  die  obige  Behauptung  der  Regierung 
als  Ernst,  so  kommt  wieder  die  Frage:  Wenn  die  Regie- 
rung ihi-e  Hoheitsrechtts  wahren  wollte,  warum  hat  sie  es 
denn  nicht  in  der  Konvention  gethan?  Nehmen  wir's  ernst, 
so  wäre  gerade  dieser  l'unkt  der  Ausgang  der  gröfsten 
Konflikte.  Die  Kirche  geht  auf  Grund  der  Konvention 
vor.     Plötzlich   gebietet    iiu:  der   Staat   Halt!     Die  Kirche 


u 


414  Bum, 

sagt:  Woher  hast  da  das  Becht?  Der  Staat:  Ic 
meinen  Hoheitsrechten.  Die  Kirche:  Und  ich  ii 
Konkordatsrechten.  Die  Kirche  hat  jedenfalls  ihren , 
anf  den  sie  sich  herofen  kann. 

Ist  doch  nach  der  Konvention  der  Staat  nid 
Ton  sich  aus  berechtigt,  die  Elleriker  w^en  Verl 
odor  Vergehen,  welche  gegen  die  Strafgese 
Königreichs  gerichtet  sind,  vor  das  weltliche  G 
stdlen,  sondern:  Eadem  de  causa  (nämlich  tempon 
habita)  Sancta  Sedes  non  recosat  Der  h.  Stuhl  giel 
Regierung  die  Erlaubnis,  die  Bestimmung  der  V( 
Urkunde  von  1819  ausfuhren  zu  dürfen  §  73:  „Ui^ 
diener  sind  in  Ansehung  ihrer  büigerlichen  Handli 
Verhältnisse  der  weltlichen  Obrigkeit  unterworfe 
schieden  ¥rürde  sich  der  h.  Stuhl  auf  das  tempon 
habita  berufen,  wenn  er  es  an  der  Z^t  hielte, 
oben  genannte  Erlaubnis  zurückzuziehen.  Allein 
sogar  davon  ab  und  lassen  Rümelin's  «,eingeklei( 
übliche  Kirchenspracbe^'  gelten.  Wo  in  aller  ^ 
ein  Staat  sich  ge&llen  lassen,  da(s  eine  auswärtig 
ja  dals  (wenn  wir  auch  diesen  unrichtigen  Standpi 
lassen  wollen)  eine  Korporation  ihm  erst  erlaubt 
wegen  Verbrechen  gegen  die  Strafgesetze 
Oericht  zu  stellen?  Wie  kann  ein  Staat  sich 
nur  formell  von  einem  auswärtigen  Regenten  in  ein* 
vertrag  oder  vollends  von  einer  Korporation  gefall« 
Aber  gerade,  wo  der  Staat  am  demütigendsten  sich 
b^ebt,  schüttelt  er  diese  Demütigung  am  leid 
mit  der  Ausrede  der  ,, üblichen  Kirchensprache". 

Neben  dieser  Bestimmung  aber  steht  noch  aus 
die  königliche  Erklärung:  „Wenn  Verbrechen  c 
gehen  von  Geistlichen  deren  Verhaftung  oder  < 
nehmung  notwendig  machen,  so  wird  man  dabei 
weit  dies  möglich,  die  Rücksichten  eintreten  lassen 
die  dem  geistlichen  Stand  gebührende  Achtung  er! 

Der  Bischof  wird  unbehindert  (liberum  erit)  s 
ziplinargewalt  ausüben,  nämHch  „den  Wandel  d< 
Uchen  überwachen,   und  wo  diese  durch   ihr  Betraj 


DAS  wL'rtteubkkoische  kokeobdat.  415 

in  irgendeiner  andern  Weise  zu  Ahndungen  Anlafa  geben, 
in  seinem  GericLte  die  den  kircblicben  Gesetzen  entsprechen- 
den Strafen  über  die  Schuldigen  verhängen,  wobei  jedoch 
der  kanonische  Rekurs  bewahrt  bleibt"  Von  irgendeinem 
Mitrecht  des  Staates  gegenüber  von  seinen  Bürgern,  die 
doch  die  Kleriker  auch  sind,  ist  nicht  die  Rede.  Ob  der 
Bischof  einen  solchen  vor  Gericht  ziehen  und  verurteilen 
darf  auf  blofse  Denunziation,  mit  oder  ohne  prozessuaUsches 
Verfahren,  ist  nicht  gesagt  Die  Disziplinarstraten  sind: 
Verweise,  Geldbufsen,  Einberufung  in  das  Korrektionshaus, 
Amtssuspension,  Versetzung,  Zurücksetzung  und  Entlassung 
vom  Kirchenamt. 

Die  bischöfliche  Insti-uktion  allein  (nicht  der  Text  des 
Konkordats)  sagt  nun :  „  Wenn  es  sich  bei  Strafen  von 
Geisdichen  um  Privation  oder  Suspension  vom  Amte,  um 
länger  dauernde  Dctention  in  einem  Korrektionshause  oder 
um  gröfsere  Geldbufsen  handelt,  so  wird  der  Bischof  von 
seiner  Strafverfiigung  der  königl.  Regierung  Mitteilung  machen. 
Wird  aber  zum  Vollzug  kirchlicher  Strafen  die  staatliche 
Mitwirkung  in  Anspruch  genommen,  so  hat  der  Bischof  der 
königl.  Regierung  auf  deren  Verlangen  die  angemessenen 
AuJ'klärungen  zu  geben." 

Wer  hat  zu  bestimmen,  was  „länger  dauernde  Detention'', 
was  „gröfsere  Geldbufsen"  sind?  Offenbar  nur  der  Bischof, 
Wenn  er  einen  noch  so  lang  in  ein  Korrektions  haus  sperrt, 
noch  so  hohe  Geldstrafen  ansetzt,  er  kann  immer  sagen,  es 
könnte  noch  länger,  noch  hoher  sein.  Aber  auch  vom  höch- 
sten Mafs  hat  der  Bischot  nur  Mitteilung  zu  machen.  Will 
die  Regierung  nicht  dieselbe  einfach  ad  acta  legen  und  den 
Bischof  gewähren  lassen,  so  ist  der  Konflikt  da,  bei  dem 
eben  wieder  der  Bischof  sich  auf  die  Konvention  berufen 
kann.  Das  brachium  saoculare  tritt  nun  in  der  bischöf- 
lichen Instruktion  plötzlich  als  etwas  ganz  Selbstverständliches 
auf.  „  Wild  die  staatliche  Mitwirkung  in  Anspruch  ge- 
nommen." Über  das  Recht,  den  weltlichen  Arm  in  Anspruch 
zu  nehmen,  d.  h.  die  Beihilfe  der  Regierung  zu  verhingen 
zur  Vollziehung  kirchlicher  Strafen,  über  die  einzelnen  Fälle, 
wo  derselbe  einzuti-eten  hat,   ist   nichts   gesagt,   sondern   es 


u 


4t6  BCSZj 

folgt  ein&ch:  Wo  d^r  Gemafianegelte  ach  niijit  fügen  iriltl' 
wird  der  weltliche  Arm  in  Ansprach  genommen.  Die  ätisli>  1^ 
gewalt  i«t  der  Gendarm  d^r  Kirche.  —  Welch'  gro&e  B^  |* 
achränkung  nun!  Der  Bischof  darf  d^  Begioimg  aDo^ 
ding3  nicht  ein^h  vorschrobm:  Eia^  mn&  emgesdiritta 
werden^  iv)ndern  er  mnis  ihr  aber  den  Fall  Anfküuung  ge> 
ben,  aber  die  Regierang  maik  diese  Aofklarong^  erst  Twkr 
rerlangen.  Die  Grewähran^  des  weidichen  Arms  ist  djm 
offenbar  nach  dem  Wortlaut  der  Instraktion  notwendig. 
Wir  finden  nirgends  eine  äpar  davon  ^  dais  derselbe  tct- 
weigert  werden  dorte.  Nun  wird  allerdings  wieder  dne 
Dolche  reservatio  mentalis  eingeschoben  werden ,  dals  der 
Staat y  wenn  ihm  die  ^angemessene  Aofklarnng'^  nicht  ge- 
nüge, den  weltlichen  Arm  verweigere.  So  ülEbX  es  andi 
Römelin  und  geht  sc^ar  so  weit,  folgende  Form  za  wahkn 
(Ü,  21 8j:  ;,Die  Vollziehbarkeit  der  Straferkenntniase  gegoi 
Geistliche  wider  ihren  Willen  ist  von  der  staatlichen  Kogni- 
tion abhängig/^  Stellt  man  diese  Behauptung  neben  die 
bischöfliche  Instruktion,  so  erscheint  sie  doch  etwas  kühn. 
Darin  läge  auch  das  Recht  des  recursus  ab  abnsn.  Doch 
lassen  wir  die  Behauptung  gelten.  Der  Staat  hat  wirklich 
den  Mut,  seinen  Arm  zu  verweigern.  Da  erhebt  sich  eben 
wifjder  der  Konflikt.  Nirgends  ist  eine  Bestimmung,  auf 
die  «ich  der  ^Staat  berufen  kann. 

l>ftr  Staat  hat  aber  unzweifelhaft  die  Pflicht,  die  Geist- 
lichen als  Bürger  gegen  die  Verletzung  der  bürgerlichen 
RcA'hUi  und  Interessen  zu  schützen.  Er  hat  seinen  Kechts- 
ftcjhutz  deny^elbon  angedeihen  zu  lassen.  Dies  ist  im  Gesetz 
von   1HG2  geschehen. 

Ks  ist  hier  nicht  der  Ort  zu  untersuchen,  ob  und  wie 
weit  fl(;r  Staat  in  diesem  Gesetz  die  kirchliche  Disziplinar- 
ge wjilt  rirhtjf^  in  ihre  Grenzen  gewiesen  und  dem  Geist- 
lichen als  Hürger  seinen  Anspi*uch  auf  KcchtsJ^chutz  gewahrt 
hat.  Af)f;r,  (lal's  das  Gesetz  hier  die  staatlichen  und  bürger- 
licli(;n  Intcn-sscn  wahrt  gegenüber  der  Konvention  und  so 
wiedfrr  „hiinnielweit"  davon  entfernt  ist,  ,, seinem  Inhalt 
nach  nur  die  in  andere  Form  umgegossene  Konvention" 
'AU    sein,    das    leuchtet   sogleich    ein,    wenn   man   gegenüber 


DAS  wCettembergische  konkobdat,  41T 

der  Konvention  den  Wortlaut  des  Gesetzes  stellt.  Nach 
Art.  6  ist  der  Geistlicbe  als  Staatsbürger  darin  sicher  ge- 
stellt, dafs  die  Kirchen  Behörde  nur  auf  Grund  prozessualischen 
Verfahrens  Disziplinarstrafen  verhängen  darf.  Ferner  heilst 
es:  „Die  Disziplinargewalt  der  kirchliclien  Behörde  kann 
niemals  durch  Freiheitsentziehung  geübt  werden.  Geldbufsen 
dürfen  den  Betrag  von  40  fl.,  die  Einberufung  in  das  Besse- 
rungsfaaus  der  Diöcese  darf  die  Dauer  von  sechs  Wochen 
nicht  übersteigen."  Allerdings  seheint  die  „Freiheitsentziehung" 
und  das  „  Boaserungshaus "  einen  Widerspruch  zu  enthalten, 
allein  die  Regierungamotive  behaupten ,  dal's  nach  VorauB- 
gang  des  ersten  Satzes  die  Einberufung  ins  Besserungshaua, 
wie  auch  der  Bischof  erklärt  habe,  nie  den  Charakter  einer 
Gefängnisstrafe  an  sich  tragen  solle,  dafs  das  Besserungs- 
hans  nie  die  Bedeutung  haben  dürfe,  als  sei  es  ein  Haus 
der  Halt  oder  der  zwangweisen  Freiheitsentziehung,  Wie 
die  Grenzlinie  dieser  subtilen  Unterscheidung  bestimmt  mid 
eingehalten  werden  soll,  das  ist  freilich  nicht  so  leicht  zu 
sagen :  es  wahrt  hier  der  Staat  praktisch  die  Freiheit  seiner 
Bürger  nicht  gehörig.  Jedenfalls  aber  giebt  der  Artikel  der 
Regierung  das  Recht  einer  Kognition  über  das  ßesserungshaus, 
welche  sie  gewissenhaft  üben  soll,  die  ihr  aber  nach  der  Kon- 
vention auch  nicht  im  geringsten  zustand,  so  dafs  sie  nichts 
hätte  darein  sprechen  können,  wenn  selbst,  wie  die  betreffen- 
den Verliandlungen  in  der  preufsischen  und  hessischen  Kam- 
mer bewiesen,  die  Prügelstrafe  darin  angewendet  würde. 
So  aber  kann  die  Regierung  die  Einberufung  ins  Besse- 
rungshaus  verhindern,  sobald  sie  sich  überzeugt,  dafs  eine 
Freiheitsentziehung  damit  verbunden  ist,  d.  h.  dafs  der 
Betreffende  wider  seinen  Willen  dorthin  geschickt  würde. 
Art,  7  spricht  nun  eben  klar  und  deutlich  aus,  was  nach 
Rumelin's  Beliauptung  (S.  218)  angeblich  in  der  Konvention 
liegt  (s,  ob.  S.  416).  Art.  7  lautet:  „Verfügungen  und  Er- 
kenntnisse der  Kirchengewalt  können  gegen  die  Person  oder 
das  Vermögen  eines  Angehöi-igen  der  katholischen  Kirche 
wider  dessen  Willen  nur  von  der  Staatsgewalt  vollzogen 
werden."  —  Ebenso  bestimmt  sind  die  Bedingungen  im  Ge- 
setz vorgezeichnet,  unter  welchen  der  weltliche  Arm  geliehen 


a 


418  BCKZ, 

werden  darf:  ^Die  Stmatsbeli^de  isl  jedodi  nur  dann  be* 
fagty  ihre  Mitwirkung  hierza  eintreten  zn  laiwen ,  wenn  der 
Bischof  ihr  zuvor  über  den  FaD  die  earfoideriichen  Ali 
kliningen  gegeben  und  sie  hiernach  die  Verfogong  oder 
das  Erkenntnis  weder  in  formeller  Hinsicht,  nock 
auch  vom  staatlichen  Gesichtspunkt  in  mate- 
rieller Beziehung  zu  beanstanden  gefunden  hat 
Auch  für  die  Führung  einer  kirchU^ien  Untenndning  daif 
die  Staatsbehörde  auf  Ersuchen  der  Kirdieiibeliorde  nv 
unter  dersi^ben  Voraussetzung  mitwirkczL^  Diese  — f»K^ 
Mitwirkung  darf  sich  jedenlälb  nidit  anf  die  zwangswwe 
Einberufung  ins  Besserxmgdiaus  bendhen,  denn  das  wiie 
eine  Fretheitsefiezkihung.  Wenn  RumeBn  (Sl  232}  sagt: 
..I>sr  Staat  kann  nicht  erzwingen,  dais  ein  wm  BiKhof 
entlassener,  degradierter,  exkommnnizaertier  Gristürhcr  gla^ 
wv>hl  ^ine  kirchlichen  Funktional  ilxt  ¥easacla  omd  Tm 
seiner  Gemeinde  ab  ihr  Priester  und 
wir>i~.  so  beu^  eMi  diesem  Kocjfkt  Art.  6  nait 
suaHschen  Vert^hren  Tor.  wvxi^irch  dem  Angeklsigien  das  Bedt 
gesfio&ert  ist.  alLe  gesecz&hea  Mittel  zu  seiner  Vcitti^ging 
acLweccec  2*jl  diirr^r:  *viz>i  so  nxLt  emaem^  mamteilt  n 
wvriic  s.  i,;.'i.  Art.  c».  S.  41  r  .  Xiiii  der  KocLTentioa  kt 
der  ki- :z.:<oie  Rek.ir>  irr-ariirx.  aÄ>  z^zlecis  rubch  Rom, 
w:ihrtci  its  Gr<f:r  Art.  Ij  bescsisis:  ^ DtaxpCnarstraf- 
u~i  -:lii'r5a.>:i.«r:i  ilrtfn  iii'i.  £zi  IzÄ»zaeaww«e  nicht  Tor 
e:r.  ä  ,!.*>  erie  *:< :  if  >  kir^'ilicie^s  Gertckt  «ezo^jen 
*  e  r  ,1 :  -  -  S:  ic:r^:  -l5  «iÄtc:  züamsl  ia.  Art  6^  1.  W 
c^':  t>:r:^  zi.:  if-  r^cin-'-stTTtf;!  Be!5cü.^sseii  der  Eegk- 
rurcv-  ••■.r::  ."jLir  :^cl  ^»Viri-f  ±3»^  hier  Gesetz  zlA 
K;v/-;:u.n  :l:l<  ?«:lil.  k  JLirrec  'a  ia*  Bbscüjoüe  ach  mis 
Vri.i    :v<v«_-s>,-i   -  :»riz;>;    r"!-    r*ftrii-^2.   k»>cnjeii^    wie  mit 

i:v.  :i  A\ :«  :^:;  :-z-.c  ir.Cc:^c  fizr«D:2iaHi .  rilxrte  ja  lar 
^.:v^ :.:.,■.  r  _•  a  -  ri-.>  :.lj^  -ilz.  *j»;£Sds:niar  sicn  ^er- 
r.:..,.  C-.  --i-.ji.fc   AiTTr    r-csciuiia    koamuen  Keäe 

C'c  .-«.«::  i.:  >:i.jL:s:t;:;.  ci;.  .in.f  fjjj  £i*5**i;>*ir  anter  da» 
>::ä  c»>v:: c       :■:  c      .^    l::    itr   Siiv-iation   nidiB 


DAS  WÜKTTEHBERQ[8CBE  KONKORDAT.        419 

Bbchof  verklagen  und  so  denselben  auch  als  höheren  Richter 
dem  Staat  gegenüber  anerkennen.  Dabei  käme  es  noch 
sehr  darauf  an,  oh  dann  der  Bischof  darin  ein  kanonisches 
Vergehen  erbÜckte,  und  so  müfste  sich  der  Staat  abweisen 
lassen.  So  wäre  ea  namentlich  möghch  bei  Störung  des 
konfessionellen  Friedens,  wenn  es  ohne  Beleidigung,  Ruhe- 
störung oder  sonstige  Vergehen  gegen  das  Strafgesetzbuch 
geschieht  Denken  wir  aber  auch  an  Mifaachtung  der  welt- 
lichen Behörde,  Ungehorsam  gegen  dieselbe,  Dienstnachläasig- 
keiten  u.  dgl. 

Dagegen  spricht  sich  das  Gesetz  Art.  5,  Abs.  4  aus: 
„Die  Staatsbehörde  ist  befugt,  einem  Geistlichen  wegen  Un- 
brauchbar keit  oder  Dienstverfehlungen  die  ihm  vermöge 
Gesetzes  oder  besonderen  Auftrags  übertragenen  staatlichen 
Geschäfte  abzunehmen  und  einem  Stellvertreter  zu  über- 
tagen."  Statt  dafs  das  Gesetz  femer  das  Vorgehen  bei 
^richtlich  strai' baren  Handinngen  erst  von  der  Erlaubnis 
«les  Papstes  ableitet,  bestimmt  es  (Art.  5,  Abs.  3):  „Bei 
ichtlich  strafbaren  Dienstvergehen  der  katholischen  Geist- 
icben  hat  auch  künftighin,  wie  bisher,  das  geineinschattliebe 
)berBmt  nach  Anordnung  und  unter  Leitung  der  Staats- 
anfsichtsbehörde  die  Voruntersuchung  (Art.  448  ff.  der  Straf- 
prozefsordnung)  zu  fuhren." 

Über  die  Disziplinargewalt  gegen  Laien  spricht  sich 
die  Konvention  ganz  bestimmt  aus:  CompeÜt  idcm  Epis- 
ipo  in  laicoB  ecclcsiasticarum  legura  transgreasores  censuris 
«nimadvertere.  Die  Laien  sind  dadurch  ganz  in  die  Hand 
der  Kirche  gegeben.  Der  grufse  Bann,  der  mit  seinem 
Verbot  des  Umgangs  mit  Gebannten  in  Handel  und  Wan- 
del tief  in  das  bürgerliche  Leben  einschneidet,  sowie  Inter- 
dikt kann  nach  diesem  Wortlaut  unbedingt  ausgesprochen 
■werden.  Nach  dem  kanonischen  Rechte,  welches  der  Bischof 
gemäfs  Art.  IV  der  Konvention  voll  ausüben  dai-f,  eratreckt 
«ich  aber  die  Disziplinargewalt  auch  auf  die  Ketzer,  Jeden- 
&lls,  sobald  dem  Bischof  die  Zeit  gekommen  schiene  und 
«r  die  Macht  dazu  in  Händen  hätte,  kirchliche  Zensuren 
auch  gegen  Protestanten  anzuwenden  (nicht  gegen  Juden), 
könnte  er  aicli  durchaus  auf  die  Konvention  beraten. 


t 


420  BUNZ, 

übrigens  stehen  ja  die  Akatholiken  wie  ^^Lathenuiv,  1^ 
Zwinglianer,  Kalvinisten^^  samt  ihren  Beschützern,  Gönnen  |i 
und  Verteidigern  nach  der  Nachtmahlsbulle  schon  unter  I" 
dem  grofsen  Kirchenbann.  Die  Konvention  gestattet  die  I* 
Ausführung  desselben  ^  sobald  der  Bischof  dazu  die  Mack  |< 
hat.  Das  Gesetz  beschränkt  die  Disziplinargewalt  schoa 
in  seinem  Titel:  ^^ Verhältnis  der  Staatsgewalt  zur  katho- 
lischen Kirche '^^  aber  auch  nach  Art.  7  noch  ausdrücklick 
auf  die  „Angehörigen  der  katholischen  Kirche". 

Doch  bleiben  wir  innerhalb  der  letzteren.  Die  Dis- 
ziplinarmittel  sind :  OflFentliche  Büfsungen,  Tragen  von  Bufä- 
kleidem  (wenn  auch  temporum  ratione  habita  fiir  jetit 
aufser  Gebrauch,  doch  nicht  aufgehoben),  kleine  Exkommoni- 
kation,  grofse  Exkommunikation,  Interdikt.  Alle  diese  Zucht- 
mittel auszuüben,  hat  nach  der  Konvention  der  Bischof  we 
nigstens  im  Prinzip  das  Recht,  und  Windhorst  hat  erst  1885 
im  Reichstag  mit  dem  Interdikt  gedroht  Allerdings  könnte 
ein  Verteidiger  der  Konvention  sagen,  gegen  grofsen  Bann 
und  Interdikt  mit  dem  Eingreifen  in  bürgerliche  Sphären, 
in  Handel  und  Wandel  können  die  Bestimmungen  des  Straf- 
gesetzbuchs über  Beleidigung,  Geschäftsbeeinträchtigung  u.  d^ 
angerufen  werden,  allein,  wenn  einmal  der  Kurie  Vertrags- 
mäfsig  das  Recht  der  Disziplinargewalt  zugesichert  ist,  so 
sind  ihr  gegenüber  diese  Bestimmungen  ungültig.  Jeden- 
falls führt  es,  wenn  der  Staat  sich  nicht  unter  seinen  eige- 
nen Vertrag  beugen  wollte,  zu  den  schwierigsten  Konflikten 
im  einzelnen  Fall,  besonders  wenn  wir  noch  Art.  XII  dazu 
nehmen,  welcher  ausdrücklich  sagt:  „quae  vero  legum 
dispositiones  eidem  Conventioni  adversantur,  mutabuntur". 
Also  anstatt  dais  das  Strafgesetzbuch  hätte  einschreiten 
können  gegen  Disziplinarverfügungen ,  hätte  dasselbe  ge- 
ändert werden  müssen. 

Das  Gesetz  nun  unterscheidet  sich  dadurch  schon  we- 
sentlich von  der  Konvention,  dafs  es  nirgends  eine  Handhabe 
bietet  für  die  Anerkennung  des  Rechts  einer  vollständigen 
Ausübung  der  Disziplin  gegen  Laien,  vollends,  wie  wir  oben 
gesellen ,  gegen  Ketzer.  Aber  eine  weitere  ausdrückHche 
Bestimmung,  wie  solche  z.  B.  das  preufsische  Gesetz  enthält, 


DAS  WÜKTTEUBEBQISCHE  KOKKOBDAT.         421 

blt  in  Württemberg.  Man  wird  dies  einen  Fehler  nennen 
pfisseD ,  denn  ein  Gesetz  soll  duch  für  alle  Fälle  vorsehen 
jpd  keiue  rcaer^'atio  mentalis  in  eich  aufnehmen.  Aber 
steht  das  Gesetz  noch  nicht  auf  gleichem  Ful's  mit 
■  Konvention.  Würde  2.  B.  die  grofse  Exkommunikation 
lit  der  Verkehrs  sperre  verhängt,  so  handelte  es  sich  um 
Vermögen  dea  Betreffendeu,  wogegen  Art.  7,  Abs.  1 
rieht  (3.  ob.  S.  417).  Zugleich  ist  §  T2  der  Verfasaung 
^er  bestimmend:  „Dem  König  gebührt  das  staatliche  Schutz- 
md  Aufsicfatsrecht  über  die  Kirchen." 

Art  VI 

der  Konvention  giebt  den  Verkehr  von  Klerus  und  Volk 
mit  dem  b.  ätnhle  völlig  frei  und  zwar  in  kirchlichen  An- 
gelegenheiten, ^enso  den  des  Biacbois  und  des  Klerus  mit 
dem  Volk.  Das  Gleiche  will  Art.  20  des  Gesetzes  besagen: 
„Der  Veikehr  mit  den  kirchlichen  Obern  wird  von  Staats  wegen 
nicht  gebindert",  denn  das  ist  ja  der  Verkehr  nicht  biolä 
von  unten  nach  oben,  sondern  auch  von  oben  nach  unten. 
Allein  Art.  VI  der  Konvention  zieht  daraus  in  Abs.  2  die 
Konsequenz,  dafs  instructiones  et  ordinationes  Episcopi,  uec 
nun  synodi  dioecoesanae ,  concilii  provincialis ,  et  ipsius 
S.  Sedis  acta  de  rebus  ecciesiasticis  absque  praevia 
inspectione  et  adprobatione  Rcgü  Gebernü  publicantm'.  Was 
die  „ kii'cblichen  Angelegenheiten"  im  Sinne  der  Kurie  sind, 
ist  oben  gesagt  Diese  Folgerung  ist  durch  den  schon 
früher  angeiiihrten  Art.  1  des  Gesetzes  aufgehoben. 

Art.  VII 
bandelt  vom  Schulwesen.  Nach  der  Konvention  wird  der 
Bischof  die  rehgiöse  Unterweisung  und  Erziehung 
der  katholischen  Jugend  in  allen  öffenthchen  und  Privat- 
Schulen  ex  proprii  pastoiaiis  officii  munere  dirigei-e  und 
vigilare.  Er  wird  die  Katechismen  und  Keligionsbücher 
bestimmen.  In  den  Elementarschulen  erteilt  der  Geistliche 
den  Heligionsunterricht,  in  andern  Lehranslalteu  nur  solche, 
denen  der  Bischof  die  Ermächtigung  verleiht.     Von  einem 


422  BUSZ, 

staatlichen    Oberaufsichtsrecht   ist   keine   Bede. 
Nirgends  steht  ein  Wort  von  dem,  was  wieder  Ra- 
melin  (S.  218)  fiir  die  Konvention  beansprucht:  ,,Die  öffent- 
liehen  Schulen  stehen  unter  der  Staatsbehörde,  und  nur  die 
Leitung  des  Religionsunterrichts,  aber  auch  diese  nur  unter 
staatlicher  Oberaufsicht,  steht  der  Kirchengewalt  za.^ 
Wenn    also    der    Bischof  den   ReUgionsunterricht  im   Sinne 
der  Unduldsamkeit  erteilen,  staatsfeindliche  Grundsätze  ver- 
breiten lassen  will  u.  dgl.,  wenn  er  Religionsbücber   in  die- 
sem Sinn  einfuhrt,  sie  den  Eltern  aufzwingt,  wenn  er  fried- 
liebenden  Religionslehrem   die   Ermächtigung  entzieht,    un- 
duldsame Eiferer  als  Religionslehrer  beruft,   so   ist   er  dazn 
nach    Art.   VII    berechtigt.     Was   alles    unter    dem    Begriff 
„ Erziehung '^  zusammengefafst  werden  kann,  ist   klar.     Bei- 
spielsweise gehört  sogar  das  Schönschreiben   dazu,  insofern 
vorgeschrieben  werden  kann,  welchen  Inhalt  allein  die  Vor- 
schriften haben  dürfen,  wenn  sie  die  katholische  Erziehung 
fördern   sollen.     Wollte  der  Staat  nach  dem   von  Rümelin 
Angeführten  wieder  mit  seiner  reservatio  ein  Halt!  zurufen, 
so  weist  der  Bischof  seinen  „Schein",  und  der  Konflikt  ist 
da.     Ganz    anders    das   Gesetz.     Es    spricht    einfach    aus, 
was  Rümelin  in  die  Konvention  erst  hineinlegt,  wenn  Art.  13 
sagt:  „Die  Leitung  des  katholischen  Religionsunterrichts  in 
den  Volksschulen  (vgl.  Art.  18   des  Volksschulgesetzes  vom 
29.    September    1836),   sowie   in   den   sonstigen   öffentlichen 
und  Privat- rnterrichtsan stalten,  einschliefslich  der  Bestimmung 
der    Katechismen    und    Religionsbandbücher ,     kommt    dem 
Bischof  zu,  unbeschadet  des   dem  Staate   über  alle 
Lehranstalten  zukommenden  Oberaufsichtsrechts." 
Art.  38    des   Gesetzes    von    1836    lautet:    „Die    Oberschul- 
behörde ist  fiir  die   evangelischen  Schulen   das   evangeUsche 
Konsistorium,  und  für  die  katholischen  Schulen   der   katho- 
lische Kirchenrat,  jedoch  unbeschadet  der  bischöfUchen  Be- 
fugnisse hinsichtlich    des  Religionsunterrichts   in    den   katho- 
lischen  Schulen."      Das    Oberaufsichtsrecht   des   Staates    be- 
dingt  schon   die   einheitliche    Leitung    des   Schulwesens,    so 
dafs  es  z.  B.   nicht   dem    alleinigen  Willen   des  Bischofs  zu- 
kommt,  die  Zahl   und   Einteilung   der   Religionsstunden  zu 


DAS  WÜRTTEMBEROISCHE  KONKORDAT.  423 

bestimiren.  Der  Staat  hat  Recht  «nd  Pflicht,  darüber  zu 
wachen,  dafs  weder  durch  Personen  noch  Bücher,  durch 
die  Erteilung  des  Religionsunterrichts  Rechte  und  Interessen 
des  Staats  und  der  bürgerlichen  Gesellschait  gefährdet  wer- 
den. Zudem  hat  der  Geistliche  nach  Art  2  des  Volksschul- 
gesetzes  von  18:16  vom  Staat  den  Auftrag  zum  Religions- 
unterricht und  iäUt  somit  aulser  diesem  Art.  13  noch  unter 
den  oben  angelübrten  Art,  5,  Abs.  4  (a.  ob,  S,  419),  Auf 
die  Religionalehrer  an  allen  übrigen  AnstaUen  findet  Art.  2, 
Ab*,  2  des  gegenwUrtigen  Gesetzes  Anwendung,  nach  wel- 
chem die  Ernennung  von  Geistlichen  beim  Militär  und  an 
offen thchen  Anstalten  dem  Staat  vorbe hallen  ist.  Damit 
will  dem  Staat  durchaus  nicht  das  Recht  zugesprochen  sein 
(KUmelin  S.  232),  verfügen  zu  können,  „wie  die  GcisÜichen 
den  Rehgionsunterricht  an  den  Schulen  zu  erteilen  haben, 
nach  welchen  Lehrbüchern  und  welcher  Methode".  Das 
hat  niemand  verlangt,  aber  Pflicht  des  Staates  ist  es,  sein 
Ober aufsichtsr echt  zu  wahren,  wie  es  das  Gesetz  in  der 
oben  angegebenen  Weise  gethan  hat.  Allein  der  Staat  be- 
gnügt sich  in  der  Konvention  nicht  einmal  mit  der  Preis- 
gabe des  Oberaufaichtsrechts  über  den  Rehgionsunterricht. 
Es  verfügt  noch  die  ausdrückliche  königliche  Erklärung  zu 
diesem  Artikel;  „Auf  das  Elementarsohulwesen  wird  dem 
Bischof  der  mit  der  ■  bestehenden  Gesetzgebung  und  der 
notwendigen  einheitlichen  Leitung  vereinbare  Einflufs  ge- 
währt werden.''  Wie  sich  die  Regierung  diesen  Einflufs 
dachte,  sagt  sie  selbst  in  den  Motiven,  nämlich,  dafs  „die 
Staatsregierung  zu  wichtigeren,  namentlich  die  inneren  Seiten 
des  Unterrichts  berührenden  Änderungen  nicht  schreiten  soll, 
ohne  auch  die  Kirch enbehörde  gebort  und  ihre  etwaigen 
Einwendungen  erwogen  zu  haben."  Von  einer  Oberaufsicht 
des  Staats  ist  auch  hier  keine  Rede  Es  ist  gerade,  als 
scheue  man  sich,  dieses  Wort  auszusprechen.  Zwar  heilst 
es  „der  mit  der  bestehenden  Gesetzgebung  und  der  einheit- 
lichen Leitung  vereinbare  Einflufs".  Nach  der  eigenen  Er- 
klärung der  Regierung  in  ihren  Motiven  kann  sie  Ände- 
rungen im  Schulunterricht  nicht  vornehmen,  ohne  den  Bischof 
gehört  d.  h.,  die  Sache  bei  Licht  betrachtet,  seine  Erlaubnis 


424  üVHZ, 

eingeholt  zu  haben.  Will  die  OberBchulbeliörde  etwas  lu- 
dern, der  Bischol"  abor  sagt  „Nein"  und  die  Regierung  iril) 
seine  Einwendungen  nicht  gelten  lassen,  so  steht  dem  die 
köuigl.  Erklärung  entgegen.  Der  Konflikt  ist  da.  Sagt 
der  Bischol' „Ja",  dann  ist  die  Erlaubnis  von  ihm  er- 
teilt. Ea  ist  z.  B.  der  reaÜstisclie  Unterricht  '  in  den  Volks- 
schulen  nicht  durch  Gesetz ,  sondera  durch  Miniaterial- 
verfliguog  vom  IS.  Juni  1864  eingelUhrt,  also  Unterricht 
in  Geschichte,  Geographie,  Naturgeschic iite  und  Naturlelire. 
Hätte  die  Konvention  zu  Recht  bestanden,  so  wäre  nach 
der  eigenen  obge nannten  Erklärung  der  Regierung  das 
künigl.  jyiiuisterium  durchaus  zu  dem  Erlals  nicht  befugt 
gewesen,  ohne  Zustimmung  des  Bischofs.  Hätte  der  Bischof 
dieselbe  nicht  geben  wollen  oder  von  Bedingungen  abhängig 
gemacht ,  die  Regierung  wäre  darauf  nicht  eingegangen, 
welche  Streitigkeiten  hätte  es  gegeben  um  die  Eioftihrung 
des  i-ealisti sehen  Unterrichts?  und  wer  wäre  im  Kampf 
Sieger  geblieben?  Hätte  aber,  um  dieses  Beispiel  weiter 
zu  benutzen,  die  Regierung  den  realistischen  Unterricht 
durch  ein  Gesetz  einführen  wollen,  so  wäre  der  gleiche  Fall 
eingetreten,  denn  die  königl,  Erklärung  spricht  nur  von 
dem  „mit  der  bestehenden  Gesetzgebung"  vereinbaren 
Eintluls.  Die  1857  beatehendo  Gesetzgebung  verlangt  aber 
Art.  2  als  „wesentliche  Gegenstände  des  Unterrichts  in  der 
Volksschule"  nui"  „Religions- und  Sittenlehre,  Lesen,  Schrei- 
ben, deutsche  Sprache,  Rechnen  und  Singen".  Doch  der 
Bischof  hätte  nach  dem  Wortlaut  der  königl.  Erklärung, 
und  an  den  hätte  er  sich  doch  wohl  gehalten,  nicht  nötig 
gehabt  zu  warten,  bis  die  Regierung  bei  ihm  Änderungen 
beantragt.  Er  hätte  selbst  solche  verlangen  können  bis  zur 
Änderung  in  Beziehung  auf  Personen,  wenn  solche  z.  B. 
etwa  den  Gescliichtsuulerricht  nicht  nach  dem  Sinne  des 
Bischol's  erteilen.  Ja  es  konnte  dem  Bischof  auch  diese 
Bestimmung  als  Basis  dienen,  die  bestehende  Gesetzgebung 
einer  Änderung  nahe  zu  führen,  wie  dieselbe  schon  durch 
Art   VU    im    Handuradi-ciien    geändert    wurde.     In    Art.  2 


1)  Vgl.  aohon  GoltLcr  S.  180. 


DAS  WÜRTTEMBEROISCHE  KONKORDAT.  425 


r 

B  des  Gesetzes  von  1836  ist  gesagt:  „Der  Religionsunterricht 
ist  in  allen  Volksschulen,  soweit  nicht  in  besonderen 
Fällen  die  Oberschulbehörde  etwas  anderes  an- 
ordnet, unter  angemessener  Teilnahme  der 
Schullehrer  von  dem  Ortsgeiatlichen  zu  erteilen," 

Art.  VII  der  Konvention  sagt  ganz  einfach:  „In  den 
Elementarschulen  erteilt  der  Ortsgei  st  liehe  den  Religionsunter- 
richt." Ist  hier  der  „Einflufs"  des  Bischofs  mächtiger  geworden 
als  das  Gesetz,  warum  ist  das  nicht  auch  sonst  möglich  ?  Doch 
auch  innei'halb  der  Schranken  des  „bestehenden  Gesetzes" 
ist  der  Konflikt  leicht  gemacht.  Verlangt  z.  B.  der  Bischof 
eine  Einschränkung  des  Unterrichts  in  der  deutschen  Sprache, 
um  etwa  dem  Religionsunterricht  mehr  Stunden  zuzuweisen, 
so  kann  sich  der  Kirchenrat  darauf  berufen:  Ich  bin  nach 
Art.  18  des  Gesetzes  von  1836  die  Obersclmlbehörde  und 
habe  zu  bestimmen.  Der  Bischof  dagegen  wird  sagen:  Ich 
habe  nach  Art.  VII  der  Konvention  von  1857  meinen  Ein- 
flufs zu  beanspruchen.  Das  Gleiche  gilt  von  der  „einheit- 
lichen Leitung".  Es  ist  nirgends  gesagt,  wem  diese  zu- 
kommt. Der  Bischof  kann  dieselbe  am  Ende  auch  für  sich 
beanspruchen;  es  kann  somit,  wenn  der  Staat  nicht  darauf 
eingebt,  wieder  ein  Konflikt  entstehen,  bei  dem  jeder  Teil  auf 
gleichem  Boden  stünde.  Sobald  Art.  VII  das  Oberaufsich ts- 
recht des  Staats  gewährt  hätte,  wäi-e  klar  gewesen,  bei  wem 
die  letzte  Entscheidung  liegt. 

Das  Gesetz  von  1862  weifs  nun  von  einem  „Einflufs" 
des  Bischofs  auf  das  gesamte  Elementarscbulwesen,  auch 
aufserhalb  des  Religionsunterrichts,  durchaus  nichts.  Ea  stellt 
in  dem  schon  angeführten  Art.  13  das  „dem  Staat  über  alle 
Lehranstalten  zukommende  Oberautaich tsrecht "  fest  und  hält 
demgemäfs  das  Volksschulgesetz  von  1836  mit  den  Novellen 
von  1858  (und  1865)  aufrecht  in  seinem  ganzen  Umfang. 

Art.  VIII 
handelt  von  der  Erziehung  des  Klerus  und  stellt  zuerst  den 
Satz  auf:  Liberum  erit  Episcopo,  engere  Scminariura  juxta 
formam   Concilii   Tridentini.     Im   deutschen   Text   heifst  es 
(nicht  btofs  ein  Seminar,  sondern)  Seminarien.     In  dieselben 


i^ 


426  BUNZ; 

soll  er  Jünglinge  und  Knaben  zur  Ausbildung  au&ehmen 
dürfen,  quos  pro  necessitate  et  utilitate  Dioecoesis  soae 
recipiendos  judicaverit.  Hujus  Seminarii  ordinatio,  doctrina, 
gubematio  et  administratio  Episcopi  auctoritati  pleno  libero- 
que  jure  subjectae  erunt  Bectores  quoque,  et  Pirofeasopei 
seu  Magisti*os  Episcopus  nominabit;  et  quotiescunque  neoes- 
sarium  vel  utile  ab  ipso  censebitur,  removebit.  Kurz  a 
sind  ganz  und  gar  die  Seminarien  nach  tridentinischer  Vo^ 
Schrift  (nach  dem  Vorbilde  des  Collegiuni  Geimanicum  in 
Rom);  wo  die  klösterliche  Erziehung  und  der  Unterricht  in 
der  Hand  des  Bischofs  Hegt,  ohne  dafs  der  Staat  eine  Ga- 
rantie für  die  richtige  Heranbildung  der  Kleriker  hat  Da- 
mit diese  Seminarien  doch  ja  bald  praktisch  werden  können, 
bestimmt  eine  königl.  Erklärung  zu  Art.  X:  >>Die  königL 
Regienmg  wird  nicht  hindern ,  dafs  der  Bischof  einen  Teil 
der  Überschüsse  aus  den  Erträgnissen  des  Interkalarfonds 
auf  bischöfliche  Seminarien  verwende"  —  ftir  den  Fall, 
dafs  die  Kammern  die  den  Konvikten  bisher  gewährte 
Staatsunterstützung  den  Seminarien  nicht  zugestehen  wollten. 
Eben;  weil  letztere  nur  eine  Frage  der  Zeit  sind,  fährt  auch 
der  Art.  VIII  fort :  „  Quam  diu  vero  Seminarium  ad  normam 
Tridentini  consilii  desiderabitur."  —  —  Es  ist  gerade,  als 
ob  Rümelin  von  diesem  Hauptinhalte  des  Artikels  gar  nichts 
wüfste,  wenn  er  (S.  218)  wieder  so  zuversichtlich  sagt: 
„Auf  die  Bildung  der  Geistlichkeit  übte  die  Re- 
gierung durch  die  von  ihr  unterhaltenen  Kon- 
vikte,  die  in  dem  Organismus  der  Landesuniver- 
sität verbleibende  theologische  Fakultät  aus- 
gedehnten Einflufs  au8."(!)  —  Auf  diesen  Satz  müssen 
wir  später  noch  einmal  zurückkommen. 

Bei  der  Stellung,  welche  die  Geistlichen  im  Volksleben 
einnehmen,  „der  dem  geistlichen  Stand  gebührenden  Ach- 
tung*', welche  die  Konvention  selbst  (Art.  V)  in  Anspruch 
nimmt,  bei  der  bevorzugten  öffentlichen  und  rechtlichen 
Stellung  der  Kirche,  bei  den  Funktionen,  die  der  Staat  dem 
Geistlichen  anvertraut,  ist  es  Pflicht  des  letzteren,  nicht 
etwa  über  die  theologischen  Kenntnisse  eines  Klerikers  zu 
entscheiden,    auch   nicht,   wie   Rümelin   dem    nicht   auf  der 


'■  DAS  WÜRTTEMBEBGISCHE  KONKORDAT,        427 

■  Konvention  ruhenden  Standpunkt  (also  eigentlich  dem  Ge- 
I  aetz  von  1862)  vorwirft  (S.  232),  den  Biachof  zu  „nötigen, 
Kandidaten,  die  den  theologischen  Unterricht  von  Lehrern, 
welche  die  Kirche  dazu  nicht  für  befähigt  erklärt,  erhalten 
haben,  ins  Priesterseniinar  aufzunehmen ",  aber  es  ist  Pflicht 
des  Staates,  die  Gewil'sheit  sich  zu  verschaffen,  dafs  nicht 
ein  Teil  seiner  Bürger,  welche  noch  dazu  ins  öffentliche 
Leben  eintreten  sollen,  in  Kloaterart  abgesclJosaen  von  den 
andern,  entfernt  von  ihrem  Bildungsgang,  allein  im  Gehor- 
sam gegen  eine  einzelne  Korporation,  ja  gegen  einen  frem- 
den Souverän,  erzogen  werden,  dafs  ferner  die  religiösen 
Erzieher  seines  Volkes  jene  allgemeine  wisse nachaltÜche 
Bildung  erhalten,  die  sie  zu  ihrem  wichtigen  Berufe  tahig 
macht  Es  ist  dies  ein  Grundsatz,  der  ja  jetzt,  aufser  von 
ultramontaner  Seite,  allseitig  anerkannt  ist. 

Durch  den  oben  genannten  Hauptsatz  des  Artikels  sind 
die  württembergischen  Konvikte  im  Prinzip  schon  beseitigt.  In 
der  Fortsetzung:  „So  lange  aber  Seminarien  in  besagter  Form 
nicht  errichtet  sind",  sind  sie  auf  den  Aussterbeetat  gesetzt. 

Allgemein  bekannt  sind  die  segensreichen  Stiftungen 
König  Wilhelm's  aus  dem  Jahre  iyi7:  die  Errichtung  einer 
katholisch -theologischen  Fakultät  an  der  Universität  Tü- 
bingen und  die  GrUndung  des  höheren  Konviktes  daselbst, 
zu  welchem  1824  noch  zwei  niedere  Konvikte  (zu  Ehingen 
and  Rottweil)  kamen. 

Dank  diesen  Einrichtungen  hat  der  katholische  Klerus 
in  Württemberg  seine  Stelle  immer  würdig  ausgolüllt  und 
auch  im  Auslände  den  Ruf  einer  ausgezeichneten  wissen- 
Bchaftlichen  und  pastoralen  Tüchtigkeit  erlaugt.  \\'ir  reden 
mit  den  Worten  eines  ultramontanen  Blattes,  des  Mainzer 
Journals  von  1876:  „Welch  ein  Gluck  ist  es,  wenn  eine 
katholische  Gemeinde  einen  echt  priesterlichen,  vom  Geiste 
des  Glaubens  und  der  Liebe  erfüllten  Geistlichen  besitzt  — 
einen  Mann,  der  am  Altare  fromm  und  würdig  die  h.  Ge- 
heimnisse feiert,  der  auf  der  Kanzel  mit  h.  Eifer  im  Geiste 
des  Ernstes  und  der  Milde  die  ewigen  Wahrheiten  verkün- 
digt, der  im  Beichtstuhle  mit  geschickter  Hand  die  Wunden 
der  Seele  heilt  und  die  Seelen  zu  höherer  Tugend  und  Voll- 


Ü 


kommenheit  hinführt,  der  in  der  Schule  und  in  der  Christa- 
lehre  die  Jugend  mit  dem  Geiste  echter  Religiosität  tmd 
Pietät  erfüllt,  der  am  Kranken-  und  Sterbebette  wahrhaft 
zu  trösten  und  ihre  Blicke  zum  Himmel  zu  lenken  wöb 
und  der  in  allen  Fällen  des  Lebens  seinen  Pfarrkindern 
ein  treuer  Freund  und  Berater  ist."  Diese  Schilderung  gut 
(wenn  vielleicht  auch  nicht  im  Sinne  des  Maiuzi^r  Journal*) 
von  der  württembergischen  Geistlichkeit.  Nur  hat  sie  ge- 
rade ihre  Erziehung  und  wissenschaftliche  Bildung  vor  einem 
einseifigen,  befangenen,  zelotischen  Wesen  bis  daher  bewahrt 
und  wo  dasselbe  importiert  werden  soll,  da  will  es  doch 
bis  heute  den  württein bergischen  Geistlichen  noch  nicht 
recht  passen.  Die  Kleriker  selbst  mit  dem  Bischof  an  der 
Spitze  wissen  diese  Einrichtung  der  Konvikte  als  ein  Kläood 
der  würtfembergischen  Zustände  zu  schätzen. 

Wir  wollen  nicht  den  sentimentalen  Standpunkt  diesen 
ehrwürdigen,  erprobten  Institutionen  gegenüber  einnehmen,  — 
ehrwürdig  nicht  durch  besonders  hohes  Alter ,  aber  durch 
den  Segen,  den  sie  schon  gestiftet,  und  durch  Gldcfaartig- 
keit  mit  den  entsprechenden  alterprobten  Institutionen  der 
evangehschcn  Kirche,  Wir  wollen  uns  auf  den  patriotischen 
Standpunkt  stellen.  Wer  hätte  glauben  sollen ,  dafs  ein 
Wiirttem berger,  ein  in  den  gleichen  evangelischen  Institu- 
tionen gebildeter  württembergischer  Theologe  diesen 
Stolz  ^Vürttemhergs ,  diesen  Hort  tüchtiger  Bildung  und 
echter,  aber  freilich  eben  darum  friedlicher  Religiosität,  den 
mit  umsichtiger  Weisheit  und  wahrhaft  I  and  es  väterlicher 
Fürsorge  König  Wilhelm  in  dankbarer  Übereinstimmimg 
mit  der  kirchlichen  Behörde  gegründet,  dafs  ein  württem- 
bergischer Patriot  imstande  wäre,  diese  Kon- 
vikte mit  einem  Federstrich,  kühl  bis  ans  Herz 
hinan,  dem  Untergange  zu  weihen?!  —  Oder  ist  dies 
vielleicht  nicht  der  Fall?  Müssen  wir  am  Ende,  besonders 
nach  der  neuesten  Aufserung,  wie  sie  oben  S.  426  ange- 
führt ist,  wieder  eine  solche  reservatio  mentaUs  annelimea, 
nach  welcher  dann  freilich  die  vollen  drei  ersten  Abschnitte 
von  Art.  VIII  als  nicht  existierend  angesehen  werden 
raüfsten?     Allein  sie  stehen  da,  und  es  wird  doch  der  Text 


DAS  wCbttbhbergibche  komkobdat.  129 

-  der  Konvention  der  autbentiacbe  sein  und  uicht  eine  kurze 
Bemerkang  in  einem  getegentlicb  gescbriebenen  Aufsatz. 
Und  aiclier  würden  aeiteus  der  Kirche  Aiiataltea  getroffen 
sein,  dafa  Art.  VIII  nicht  ein  Blatt  Papier  geblieben  wäre. 
Ist  ja  schon  durch  die  Bestimmung  des  Interkalartbuds  da- 
für gesorgt.  Dabei  wird  der  Zusatz  in  der  königl.  Erklä- 
rung (S.  426):  „vorausgesetzt,  dafs  vor  allein  die  in  der 
Konveatioii  festgesetzten  Verbindlichkeiten  des  Interkalar- 
fonda  immer  eriüllt  seien",  nicht  viel  Bedeutung  haben. 
Diese  Verbindlichkeiten  sind  nach  Art.  X,  Abs.  5:  »Er- 
gänzung der  Pfarrgehalte  bis  zur  Kongrua,  Anweisung  von 
angemessenen  Peuaionen  für  altersschwache  und  gebrech- 
liche Pfründner,  zu  den  Tiscbtitcln  für  neu  zu  weihende 
Getsthche  und  zu  den  Kosten  der  notwendigen  aufserordent- 
lichen  Vikarien."  Wie  wir  sehen  werden,  hat  der  Bischof 
den  Interkalarfond  in  der  Hand.  Wollte  er  nun  einmal  an 
den  vorhin  bestimmten  Verbindlichkeiten  etwas  nachlassen, 
«twa  zugunsten  von  Öeminarien,  so  hat  er  die  meisten  Stim- 
men, und  wollte  der  Staat  sich  dagegen  durch  seine  Mit- 
glieder der  Kommission  verwahren,  so  führt  es  wieder  zum 
KonJÜkt  überdies  aber  würde  nach  der  Konvention  der 
Interkalarfond  dem  Bischot  ganz  in  die  Uände  gegeben,  so- 
bald  die  Staatskasse  keine  Beiträge  mehr  leistet 

Im  Gesetz  geschieht  der  Seminaricn  gar  keine  Er- 
wähnung, eben  weil  solche  in  Wüi-ttemberg  nicht  eingeitihrt 
werden  süllen.  Denselben  steht  aber  im  Gesetz  entgegen 
Art.  3  von  der  „vom  Staat  anerkannten  wissenschaltlicben 
Vorbildung".  Diese  Vorbildung  verlangt  gerade  den  Be- 
such der  Gymnasien  und  der  Universität.  Zweck  der  Se- 
minaricn  ist  ja  aber,  dafs  die  Zöglinge  nicht  an  Gymnasien 
und  Universität,  sondern  ausscbliefslich  in  diesen  klösterlich 
eingerichteten  Anstalten  ihre  Bildung  erlangen. 

Doch  wenn  auch  ein  solches  Semiuar  vorläufig  noch 
nicht  bestand,  so  gewährt  die  Konvention  dem  Bischof  so- 
viel Rechte  über  die  bestehenden  Kouvikte,  durch  welche 
sie  in  tridontinische  Seminarien  verwandelt  werden  konnten, 
dafs  die  oben  S.  426  angeführte  Beliauptung  Kümelin'a: 
„Auf  die  Bildung  der  Geistlichkeit   übt   die  Regierung  aus- 


430  BUNZy 

gedehnten    Einflufs   aus'';   auch    von    dieser  Seite  ber  al  ^ 
eigentümliches  Licht   erhält     Bis   zur    Konvention  wir  b  |  q 
Leitung  der  Konvikte  ganz  in  den  Händen  des  kathofidn 
EirchenratS;  also  einer  Staatsbehörde.     I>er  Bischof  wv  ai  |  ] 
blofse  Vor^hläge  und  Wünsche  beschr&nkt.     Die  znrBe* 
au&ichtigung  des  Wandels  und  der  Studien   bestellteD  h 
Petenten  wurden  ausschliefslich  von   der  Staatsbehörde,  der 
Vorsteher  auf  deren  Vorschlag  vom  König   ernannt,  wobei 
nur  eine  vorgängige  Rücksprache  mit   dem  Bischof  in  An- 
sicht  genommen   war.     Die   Visitation    der    Konvikte  wv 
ganz  in  der  Hand  der  Staatsbehörde  ^  welche  sich  nur  tot- 
behielt;  je  nach  Umständen   bei   der  des   höheren  Konvikis 
an  der  Universität  den  Bischof  zur  Beigebung   eines  Abge- 
ordneten einzuladen.     Die  niedem  Konvikte    an  GynmaakD 
durfte  der  Bischof  oder  sein  Kommissär  nur  besuchen  aus  Ankfs 
zufälliger  Anwesenheit  an  ihrem  Sitze.     Den  von  dem  nicht 
konfessionellen  Studienrat  vorgenommenen  Aufnahmeprüfungen 
durfte  kein  bischöflicher  Kommissär  anwohnen.    Die  Beridite 
der  Vorsteher  gingen  ausschliefslich  an  den  Elirchenrat 

Die  Konvention  stellt  nun  in  Art  VUE,  a  die  drei 
Konvikte  zu  Ehingen ,  Rottweil  und  Tübingen  ^^  bezüglich 
der  religiösen  Erziehung  und  der  Hausordnung  unter  die 
Leitung  und  Aufsicht  des  Bischofs  ^^  ohne  dem  Staat  irgend- 
ein Oberaufsichts  -  und  Einspracherecht  zu  wahren.  Es 
leuchtet  ein,  was  alles  unter  den  Begriff  ;,educatio  religiosa'' 
und  „  disciplina  domestica "  gefafst  werden  kann,  einfach  die 
ganze  Leitung.  Will  z.  B.  die  Staatsbehörde  ein  philo- 
sophisches Kolleg  anordnen ;  so  kann  der  Bischof  erklären, 
dafs  es  der  religiösen  Erziehung  schade,  oder  will  etwa  der 
Bisdiof  die  Zöglinge  von  allem  Umgang  mit  andern  in 
klösterlicher  Abgeschiedenheit  abschliefsen ,  so  kann  er  sich 
auf  die  Hausordnung  berufen.  Hätte  der  Staat  sein  Ober- 
aufsichtsrecht gewahrt,  so  könnte  er  schon  krafb  dessen 
drt^ureden.  Will  er  aber  jetzt  sagen:  So  habe  ich's  nicht 
gtnneint,  dann  besteht  der  Bischof  wieder  auf  seinem  Schein 
und  der  Konflikt  ist  da.  Ja  noch  mehr:  „Vorsteher  und 
Kepotenten  der  genannten  Institute  wird  der  Bischof  er- 
nennen   und    entlassen"  (Art.  VUI,  c).    Es   ist   zwar   die 


DAS  wChttembeegiscbe  konkokdat.  4SI 


I Klausel  beigelügt:  „Quoa  tarnen  gravibua  de  causis  facto- 
qae  innitentibus  circa  res  civiles  et  politicas  Regio  Gubernio 
BÜnus  acceptoa  esse  resciverit,  imnquam  eliget.  Ilem  quoa 
postea  ob  easdem  causas  ingratos  Gubernio  evasisae  com- 
pererit,  dimittet."  Die  Regierung  mufa  also  in  solchem  Fall 
mit  einem  Ersuchen  zum  Bischof  kommen.  Aber  die  Frage 
ist  nun  wieder  die,  wie  oben  bei  Ai-t  IV  „Bischöfl.  In- 
struktion" über  Anstellung  der  Geistlichen:  Bei  wem  liegt 
die  Entscheidung,  ob  die  Gründe  „graves",  „erheblich" 
sind?  Da  der  Bischof  es  ist,  welcher  ernennt  und  entläfst, 
doch  Wühl  bei  diesem.  Ihm  können  sie  nicht  erheblich  und 
die  Thatsacben  nicht  prägnant  genug  erscheinen.  Dann 
wird  Regium  Gubemium  mit  seinem  Anspruch  abgewiesen, 
und  fügt  es  sich  nicht,  giebt'a  Konflikt.  Noch  weiten  „Dem 
Biachol'  steht  es  zu,  diese  Institute  zu  visitieren,  eigene  Ab- 
geordnete den  öffentlichen  Prüfungen,  zumal  jenen  für  dia 
Au&ahme  neuer  Zöglinge  beizugeben,  und  sich  periodiache 
Berichte  erstatten  zu  lassen"  (Art.  VIII,  d).  Für  die  sogen. 
niederen  Konvikte  mit  der  Vorbereitung  auf  die  UniversitÄt 
ist  dann  noch  folgendes  beetimmt:  „Insofern  die  Zöglinge 
dieser  Institute  den  Unterricht  an  selbatändigen  staatlichen 
Studienan stalten  erhalten,  stehen  sie  gleich  den  andern  Schü- 
lern unter  den  für  diese  Studienan  stalten  geltenden  Gesetzen 
und  dem  fiir  dieselben  vorgeschriebenen  Lehrplan"  (Art 
VIII,  b).  Diese  Gesetze  können  aber  nur  gelten  fiir  die 
Zeit  der  Unterrichtaatunden ,  denn  sobald  diese  vorüber 
sind,  heifst  es  diacipUna  domestica,  die  unter  dem  Bischof 
steht  (s.  S.  430).  Wenn  aber  dem  Bischof  diese  Ge- 
setze für  die  religiöse  Erziehung  oder  am  Ende  auch  fiir 
die  Hausordnung  nachteilig  erscheinen,  wenn  sie  zu  lax 
sind,  zu  paritätisch,  zu  sehr  den  möglichen  Einflufs  Anders- 
gläubiger begünstigen?  Wenn  der  Lehrplan  dem  Bischof 
nicht  gelallt,  in  formeller  Beziehung  Unterrichtsstunden  zu 
einer  Zeit  ansetzt,  welche  der  Hausordnung  nicht  entspricht, 
in  materieller  Beziehung  dem  religiösen  Stoflf  zu  wenig 
Rechnung  trägt,  Lehrbücher  oder  Pensen  aufgiebt,  die  dem 
Bischof  nicht  genehm  sind?  \A'enn  endlich  Lehrer  ange- 
stellt  Bind,   die   etwa   bei   aller   sonstigen   Tüchtigkeit  eben 


432  BCBZ, 

dem  Bischof  nicbt  katholiscli  genug  sind,  oder  wenn  gar 
ein  Äkatholik  an  diesea  titaategymnasieu  angestellt  we^ 
den  Holi?  Dann  giebt'a  eben  wieder  den  Konflikt,  vmi 
man  versucht  sein,  zu  antworten.  Doch  nein  I  Auch  dalur 
ist  gesorgt.  Die  Regierung  steht  hier  unter  dem  BisciiaC 
Der  Konflikt  kann  höchstens  auf  einer  entfernteren  Poaitiuii 
entstehen,  wo  dem  Bischof  schon  viel  mehr  Boden  dem  Staat 
gegenüber  eingeräumt  ist.  Es  heifst  nämÜch  gleich:  „Sollte 
aber  der  Bischof  bezüglich  der  Gymnasien  hierin"  (in  Gesetzen 
und  Lehrplan)  „eine  Änderung  für  notwendig  oder  zweck- 
mäfsig"  (necessariam  vel  magis  opportnnani)  „erachten, 
so  wird  er  sich  ins  Einvernehmen  setzen  mit  der  konigL 
Kegierung,  welche  auch  iiirerseits  nichts  ändern  wird  oluie 
vorheriges  Einvemehmeu  mit  dem  Bischöfe."  Inbetreff  der 
Lehrer  ist  gesorgt  durch  Art.  VilJ,  e:  „Die  königl.  Regie- 
rung wird  daiur  Sorge  tragen,  dafs  an  den  oberen  Gjtü- 
nasien,  mit  welchen  die  niederen  Konvikle  verbunden  sind, 
nach  und  nach  nur  Professoren  ex  Ciericorum  ordine  an- 
gestellt werden."  Inbetreff  der  Änderungen  ist  wieder  das 
höchst  unbestimmte  ominöse  conüilia  conferre  der  Angel- 
punkt Der  Bischof  hält  Änderungen  für  nöüg  (judicaverit), 
solche  müssen  also  vorgenommen  werden  von  seinem  Stand- 
punkte aus,  nur  mufs  der  Bisehof  beratschlagen  mit  der 
Regierung  oder  wie  der  authentische  Text  wieder  so  un- 
bestimmt sagt;  „sich  ins  Einvernehmen  setzen",  wie  die 
Kegierung  selbst  in  den  Motiven  zum  Gcsctzesentwurf  den 
Sinn  angiebt  von  ,, Einverständnis"  oder  „Zustimmung". 
Die  Konvention  selbst  giebt,  wie  schon  oben  bei  der  be- 
treffenden Stelle  bemerkt,  einmal  die  Erklärung  dieses  con- 
siha  conferre  in  der  bischOll.  Instruktion  zu  Art  IV,  d. 
An  diese  von  der  Konvention  selbst  gegebene  Erklärung 
von  „consiha  conferre "  wird  sich  der  Bischof  auch  hier 
halten.  Will  er  eine  Änderung  und  es  kommt  nicht  zum 
Einvernehmen  mit  dem  Staat,  so  hat  es  letzterer  sich  selbst 
zuzuschreiben,  wenn  der  Bischof  nun  dennoch  mit  seiner 
Ändorung  vorgeht.  Allerdings  kann  der  Staat  auch  auf 
dies  dringendste  Verlangen  des  Bischofs  vermöge  seiner  Ge- 
walt  eine  Änderung  ablehnen,   aber   dann   ist   der  Konflikt 


DAS  wl^BTTEMBEBOISCHE  KONKORDAT.  433 

da,    und  der  Staat  hat  auf  seiner  Seite   nur   das  Recht  der 

-  Gewalt,  ob  dann  die  Professoren  ex  Clericoruin  ordine  „den 

-  Menschen  mehr  gehorchen  als  Gott",  ist  die  Frage.  Wena 
■  nun  vollends  die  Regierung  in  einer  besonderen  königl.  Er- 
klärung die  Zusicherung  giebt:  „Es  wird  dem  Bischof  nie 
erschwert  werden,  die  Entfernung  eines  von  ihm  für  un- 
würdig erklärten  Zöglinge  aus  den  üflentlichen  Konvikten 
zu  erwirken",  was  bleibt  denn  da  eigentlich  der  Regierung 
noch  übrig?  Einmal  allein  der  Streit  mit  dem  Bischof, 
wenn  sie  Lebrplan  und  Gesetze  der  Gymnasien  nicht  nach 
seiner  Vorschrilt  einrichten  will,  dann  zum  zweiten  die 
Prüfung  und  Aufnahme  der  Zöglinge  auch  gegen  den  Wider- 
spruch des  bischöflichen  Kommissärs.  Ist  aber  ein  Zögling 
autgenommen,  so  kann  er  nach  der  königl.  Erklärung  gleich 
am  andern  Tage  vom  Bischof  wieder  ausgewiesen  werden! 
Es  hätte  also  die  Regierung  bei  den  niederen  Konvikten 
nur  die  einzige  unbestreitbare  Macht,  einen  Zögling  auf 
Grund  der  Prüfung  nicht  aufzunehmen.  Die  Gültigkeit  der 
Einsprache  gegen  Vorsteher  und  Repetenten  hängt  ja,  wie 
wir  gesehen  haben,  ganz  vom  Bischof  ab.  So  sind  nicht 
blofs  die  Konvikte,  sondern  selbst  die  Staatsgymnasien  an 
deren  Sitz  dem  Bischof  in  die  Hand  gegeben,  imd  wenn  er 
aus  den  ersteren  faktisch  den  Tridentinischen  ähnliche  Se- 
nünarien  macht,  so  kann  das  nicht  gehindert  werden.  Es 
bleibt  daher  an  Riiniclin's  stohier  Behauptimg  von  dem  „  aus- 
gedehnten EinHufs"  des  Staates  auf  „die  Bildung  der  Geist- 
lichkeit" nur  das  Wort  übrig  „die  von  ihm  unterhalte- 
nen Konvikte"  (nur  das  Recht,  die  Konvikte  zu  dotieren, 
wird  dem  Staat  nicht  bestritten),  eine  Wahi-heit,  an  welcher 
weder  die  weitgehendsten  Kollektivuoton  der  Bischöfe,  noch 
die  Kunvendun  rütteln  wollten,  welche  letztere  vielmehr  die- 
selbe beiläutig  in  den  Text  aufgenommen  und  so  die  Ver- 
pflichtung des  Staates  vertragamäfsig  festgestellt  hat:  „Quamdiu 
vero  Seniinarium  ad  normam  Tridentini  concilü  desiderabitur, 
et  Convictus  public!  aerarii  maxirae  sumptibua 
sustentati  Ehingae,  Rotvilae,  Tubingae,  existent,  haec 
observabuntur":  Das  Recht,  das  Gold  herzugeben, 
wird  dem  Staate  immer  gnädigst  gelassen. 


i 


434  BUNZ, 

Das  Gesetz  hingegen  I&Tst  dem  Bischof  die  Ldto; 
der  religiösen  Erziehung  und  der  Hausordnung  nur  a- 
kommen  unter  ^^Oberaufsicht  der  Staatsgewalt^^  nai 
letztere  nur^ insoweit  sie  durch  die  religiöse  Erziekiu; 
bedingt  ist.  ^^In  den  übrigen  Beziehungen  stehen  dieaelbei 
unter  der  unmittelbaren  Leitung  der  Staatsbehörda  Ins- 
besondere hängt  die  Aufnahme  und  Entlassung  der  Z5|- 
linge  von  der  Staatsbehörde  ab''  (Art  11).  Danach  ist  ie 
Bischof  verpflichtet;  wenn  er  eine  Änderung  in  dieser  aemer 
Sphäre  y  der  Hausordnung  oder  religiösen  Erziehung  to" 
nehmen  will,  der  Staatsbehörde  Mitteilung  zu  machen,  ob 
sie  vom  staatlichen  Gesichtspunkte  aus  keinen  Anstand  er- 
hebt,  ob  z.  B.  die  Erziehung  der  Zöglinge  nicht  in  einon 
der  bürgerlichen  Gesellschaft  oder  dem  Staate  feindseUgen 
und  nachteiligen  Sinn  geleitet  werde ;  ob  sie  nicht  den 
Unterricht  an  der  Universität  und  den  Gymnasien  entgegen- 
wirke u.  s.  f.  Dabei  ist  der  Staat  vermöge  seiner  ausdrück- 
lich gewahrten  Oberaufsicht  der  entscheidende  TeiL  In  den 
Lehrplan  und  die  Gesetze  der  selbständigen  staatlichen  An- 
stalten;  an  denen  die  Zöglinge  ihren  Unterricht  erhalten,  hat 
der  Bischof  nichts  darein  zu  reden,  ebenso  wenig  bei  der 
Anstellung  der  Professoren  an  den  beiden  Gymnasien  oder 
an  der  Universität. 

Dem  Bischof  giebt  Art  12  des  Gesetzes  ebenfalls  das 
Recht  der  Ernennung  der  Vorsteher  und  Repetenten  der  drei 
Eonvikte.  Allein  der  Bischof  darf  die  Vorsteher  nur  „aus 
der  Zahl  der  am  Sitz  der  Eonvikte  angestellten  Professoren 
oder  Kirchendiener"  ernennen.  Die  Professoren  sind  sämt- 
lich vom  Staat  ernannte  Staatsdiener.  Die  Kirchendiener 
sind  nicht  anders  als  nach  dem  Gesetz  ernannt,  also  vom 
Staat  schon  vorher  anerkannt  Thatsächlich  aber  gestaltet 
sich  die  Sache  noch  so,  dafs  die  Stellen  der  Ortsgeistlichen 
zum  Patronat  der  Krone  gehören  in  Ehingen,  Rottweil  und 
Tübingen,  dafs  die  Stelle  des  Konviktsdirektors  in  Tübingen 
mit  der  dortigen  Stadtpfarrstelle  vereinigt  ist. 

So  hat  sich  der  Bischof  immer,  ehe  er  diese  Stelle  be- 
setzt, zu  vergewissern,  ob  der  König  den  von  ihm  in  Aus- 
sicht genommenen  Mann   auch  auf  die  Stadtpfarrstelle   er- 


«aeiiDen  will,    und    erst   wenn  letztere  Ernennung  erfolgt  ist^ 
^^amennt  ihn  der  Bischof  auf  die  Konviktdirektorsetelle.   Aus- 
.ydrückJich   ist   aber  auch  auf  die  Repetenten   das  Recht  der 
,  lAusschheffiung  durch  die  Staats regierung  von  Art,  4,  Abs.  1 
p  angewendet  in   Art.  12,   Abs.  2    und    zwar    auch    für    den 
g  Fall,    „wenn    ein   Vorstand    oder    Repetent    nach    seiner 
,   Ernennung  in  bürgerlicher  oder  politiacher  Beziehung  der 
(   Regierung    unangenehm    geworden    ist."      Zudem    ist    nach 
Mini sterial Verfügung  vom   12.  Oktober  1859  als  oberste  Lei- 
tung  die   Konviktakommission    für    das   höhere  Konvikt  in 
Tübingen  eingesetzt,  bestehend  aus  den  Mitgliedern  der  ka- 
tholisch-theologischen  Fakultät   und   dem  Konviktsdirektor, 
wobei  das  älteste  Mitglied   der  Fakultät   den  VorBitz   führt 
Zu  ihrer  Zuständigkeit  gehört  alles,   was  sich   auf  den  Stu- 
dienplan und  die  wissen  seh  altliche  Ausbildung  der  Zöghnge 
bezieht,    soweit  diese    nicht  von    der  Universität    schon   nor- 
miert sind,  ebenso  alle  wichtigeren  DisziplinarfUlle   und   die 
Gutachten  und  Anträge  an  die  Staats-  und  Kirchenbehörde. 

Art.  IX 

beschäftigt  sich  mit  der  katholisch-theologischen 
Fakultät  der  Landeauniversltät.  Facultas  theologica  ca- 
tholica  Universitatis  Regiae  quoad  münus  docendi  ecclesiasti- 
cum  Kpiscopi  regimini  et  inapectioni  subest.  Potest  proinde- 
Epiacopus  ProfessorJbuä  et  Magistiis  docendi  auctoritatemj 
et  raissionem  tribuere,  eamdemque,  quum  id  opportunum 
censuerit ,  revocare ,  ab  ipais  fidei  proleasionem  exigere, 
eorumque  scripta  et  compendia  auo  examiui  subjicere. 

Daa  Berufungs-  und  Anstellungsrecht  des  Staats  ist  damit 
illusorisch  gemacht,  und  er  hat  nur  noch  das  Recht,  dieser 
rein  kirchlichen  Anstalt  seine  Mittel  und  seinen  Schutz 
zur  Verfügung  zu  stellen.  Die  theologischo  Fakultät  ist 
mit  dieser  Bestimmung  ganz  und  gar  dem  Bischof  unterworfen, 
von  der  übrigen  Universität  so  getrennt,  dafs  es  unzulässig 
ist,  unter  diesen  Verhältnissen  noch  von  der  „in  dem  Or- 
ganismus der  Landesuniversität  verbleibenden  theologischen 
Fakultät"  sprechen  zu  wollen  (Rümelin  S.  21B).  Ein  Kon- 
flikt  ist   da  allerdings   nicht  mehr  möglich,   wo   der 


436  BüNZ, 

Staat  auch  gar  nichts  mehr  drein  zu  reden  hat,  wo  du 
Oberaufsichtsrecht  des  Staates  in  ein  Aufsichti- 
recht  des  Bischofs  über  eine  Staatsanstalt  und 
staatliche  Funktionen  verwandelt  ist.  Auch  für 
die  Professoren,  die  wenigstens  nomineU  noch  Universitit». 
Professoren  und  Staatsdiener  sind,  ist  eine  solche  Beaufsich- 
tigung, mag  sie  herkommen  wo  sie  will,  ja  schon  als  Min- 
ner höchst  kränkend,  wenn  sie  durchaus  der  Willkür  (quam 
id  opportunum  censuerit)  eines  dritten  fiir  ihre  ganze  Stel- 
lung anheimgegeben  sind.  Auch  da  hätte  einem  württem- 
bergiscben  Patrioten  doch  der  Hinblick  auf  die  würdige 
und  ruhmvolle  Geschichte  der  jungen  katholisch-theologischen 
Fakultät,  auf  die  treue,  unermüdete  und  opferwillige  Für- 
sorge des  Königs  und  der  Staatsregierung  die  Feder  zurück- 
halten sollen,  einen  solchen  Auslieferungsvertrag  zu  unter- 
zeichnen. 

Wollte  sich  die  Regierung  nicht  die  Frage  vorlegen,  ob 
€S  ihr  unter  solchen  Umständen  noch  möglich  sei,  wie  bis- 
her, tüchtige  Ki'äfte  füi*  die  Lehrstühle  der  Fakultät  zu  ge- 
winnen, so  hätte  sie  sich  doch  fragen  sollen,  ob  sie  das 
Recht  habe,  die  Existenz  ihrer  Staatsbürger  und  -diener  so 
schutzlos  dem  opportunum  einer  anderen  Gewalt  auszusetzen. 
Doch  nicht  genug  mit  der  katholisch-theologischen  Fakultät 
Die  Regierung  geht  noch  weiter  und  liefert  auch  die  philo- 
sophische Fakultät  zum  Teil  aus.  Eine  besondere  könig- 
liche Erklärung  zu  diesem  Artikel  sagt:  „Damit  den 
Zöglingen  des  Wilhelmstifts  (Konvikt)  in  Tübingen  Gelegen- 
heit werde,  philosophische  Vorlesungen  bei  Katholiken  zu 
hören,  wird  vor  allem  der  Bischof  von  dem  ihm  durch  die 
Ernennung  des  Direktors  und  der  Repetenten  dieser  Anstalt 
zustehenden  Mittel  Gebrauch  machend,  das  Geeignete  ver- 
fügen. Allein  auch  die  königliche  Regierung  wird 
bei  Besetzung  der  Lehrstühle  in  der  philosophi- 
schen Fakultät  auf  diesen  Gegenstand  die  thun- 
lichste  Rücksicht  nehme n."  Dieses  „ Rücksichtnehmen " 
ist  wieder  so  ein  unbestimmter  Ausdruck,  der  es  dem  Bischof 
in  die  Hand  gicbt,  die  Regierung  zu  drängen,  bis  die  philo- 
sophische Fakultät  (denken   wu'   namentlich   an  Geschichte) 


DAS  wt'RTTESrBEBßISCHE  KONKORDAT.  437 

zum  mindesten  mit  Katholiken  besetzt,  ja  am  Ende  teilweise 
in  seiner  Hand  ist. 

Das  Gesetz  dagegen  bestimmt  Art.  14  klar:  „Gegen 
einen  Lehrer  der  kathoÜBch-theologischen  Fakultät  der  Uni- 
versität, dessen  Lehrvorträge  nach  dem  Urteile  des  Bischofs 
wider  die  Grundsätze  der  katholischen  Kirchen  lehre  ver- 
stofeen,  kann  eine  Verfügung  nur  von  der  Staats- 
behörde getroffen  werden."  Damit  bleibt  die  Fa- 
kultät „in  dem  Organismus  der  Landesuniversität"  und  erat 
durch  das  Gesetz  ist  das  oben  angeführte  Wort  Rümelin's 
wieder  zur  Wahrheit  geworden. 

Der  Bischof  darf  zwar  einen  Antrag  atelien,  er  muffl 
denselben  aber  begründen  (nicht:  quum  id  opportunum  cen- 
suerit).  Doch  ist  damit  die  Staat sregiening  durchaus  nicht 
zur  Entlassung  gezwungen.  Sie  hat  von  Fall  zu  Fall  zu 
untersuchen.  Es  könnte  z.  B.  die  Beschuldigung  der  He- 
terodoxie  nur  ein  Vorwand  für  sonstige  Unbequemlichkeit 
des  Lehrers  sein.  Die  Regierung  hat  z.  B.  unter  dem 
20.  April  1871  ausdrücklich  im  Regierungsblatt  erklärt : 
„Infolge  einer  nach  Vernehmung  des  Geheimen  Rats  ge- 
troffenen Höchsten  Entschliefsung  Seiner  Königlichen  Ma- 
jestät vom  18.  d.  M.  wird  hiermit  bekannt  gemacht,  dafs 
die  künigl.  Regierung  den  Beschllisscn  des  vatikanischen 
Konzils  in  Rom,  wie  solche  in  den  beiden  dogmatischen 
Konstitutionen  vom  24.  April  und  18.  Juli  v.  J.  zusamraen- 
pefafst  sind,  insbesondere  dem  in  der  letztgenannten  Kon- 
stitution enthaltenen  Dogma  von  der  persönlichen  Unfehl- 
barkeit des  Papstes  keinerlei  Rechtswirkung  auf 
staatliche  odiir  bürgerliche  Verhältnisse  zu- 
gesteht." M'ürde  nun  ein  Professor  wegen  Leugnung  der 
Infallihilität  angeklagt,  so  hätte  ihn  der  Staat  in  seiner 
Stellung  zu  schützen.  Zwar  könnte  der  Bischof  den  Stu- 
dierenden die  Weihen  versagen,  welche  Vorlesungen  bei 
einem  von  ihm  angeklagten  Lehrer  hören.  Darauf  stünde 
PS  bei  der  Staatsbehörde,  die  Berufung  eines  andern  Lehrers 
abzulehnen  und  den  bisherigen  in  seiner  Stellung  zu  be- 
lassen. Damit  würde  die  akademische  Schlufsprüfung,  welche 
nach  Art.  3  gefordert  wird,  je  nach  Umständen  unmöglich 


438  BUNZ, 

werden.  Diese  Konflikte  könnten  aber  nur  eintreten^  wenn 
der  Bischof  seinem  Eide,  mit  dem  er  dem  Könige  und  den 
Gesetzen  Gehorsam  und  Treue  geschworen,  untreu  würde^ 
nicht  indem  er  sich,  wie  bei  der  Konvention,  auf  eine  Be- 
stimmung im  Gesetz  selbst  berufen  könnte. 

Art  X 

betrifit  das  kirchliche  Vermögen.  Dazu  gehörte  beim 
Abschlufs  der  Konvention:  1)  Die  Bistumsdotation,  welche 
unter  gewissen  Beschränkungen  in  der  Verwaltung  des  bischöf- 
lichen Ordinariats  stand  unter  Oberaufsicht  des  Staats. 
2)  Der  Interkalarfond  und  die  vakanten  Pfründen.  Sie 
standen  in  der  Verwaltung  des  Kirchenrats,  welcher  je 
nach  dem  mit  dem  Ordinariate  Rücksprache  zu  nehmen 
hatte.  3)  Die  besetzten  Pfründen,  verwaltet  von  den  In- 
habern und  Kapitelskämmerem  unter  Aufsicht  der  Staats- 
behörde (Kirchenrat),  welche  sich  wieder  ins  Benehmen  mit 
dem  Bischof  setzen  konnte.  4)  Das  Lokalkirchenvermögen 
unter  Verwaltung  des  Stiftungsrats  der  Gemeinde  (Gemeinde- 
rat und  Ortsgeistlicher).  Die  Aufsicht  fährte  das  gemein- 
schaftliche Oberamt  (Oberamtmann  und  Dekan) ,  Kreis- 
regierung und  Ministerium  des  Innern  ^ 

Die  Konvention  nun  führt  auch  hier  das  kanonische 
Recht  ein  und  nimmt  gleich  alles  Vermögen  insgesamt  für 
die  Kirche  im  allgemeinen  in  Anspruch.  „Das  Ver- 
mögen, welches  die  Kirche  als  ihr  Eigentum  besitzt,  oder 
in  Zukunft  erwerben  wird,  ist  beständig  unverletzt  zu  er- 
halten, und  wird  dasselbe  ohne  Zustimmung  der  Kirchen- 
gewalt niemals  eine  Veränderung  oder  Veräufserung  er- 
leiden, noch  werden  dessen  Früchte  zu  andern  Zwecken 
verwendet  werden.*'  So  ist  all  das  obgenannte  Vermögen 
dem  Prinzip  nach  in  einen  Beutel  geworfen  und  wir  sehen 
auch  hier  die  kluge  Voraussicht  der  Kurie.  Wenn  sie 
später  einmal  z.  B.  Lokalkirchenvermögen  zu  irgendeinem 
anderweitigen  kirchlichen  Zweck ,  meinethalben  zu  einer 
Mission  in  England,   verwenden  wollte,   so   konnte   sie  sich 


1)  Vgl.  Golther,  S.  93f.  185f.  411. 


DAS  WÜRTTEMBEKOISCHE  KONKORDAT.         439 


trauf  berufen:   „Bona  temporaüa,    quae   Ecclesia    propria 
Bsidet."     Damit   diese   Bestimmung   noch   prägnanter  aus- 
^  .gedrückt  sei,  heifst  es  schon  jetzt:    „Das  Kirchenvermögen 
^^  wird  im  Namen  der  Kirche  unter  Aufsicht  des  Bischofs 
■von  jenen  verwaltet,  welche   nach  Vorschrift  des    ka- 
schen    Rechts"    —   jetzt    erfolgt    ein    Zugeständnis 
|KTi  die   bestehenden  Verhältnisse   —   „oder  nach  dem  Her- 
kommen,  oder   durch   ein   Privilegium   und   eine  besondere 
lestimraung  fdr  irgendeine   milde  Stiftung   zu   solcher  Ver- 
iraltung  berufen  sind."     Doch  damit  das  Prinzip   auch  hier 
[ewahrt  bleibe,  fährt  der  Artikel  fort:  „Alle  Verwalter  aber 
Unnd  gehalten,  auch  wenn  dieses  auf  Grund  der  oben  ange- 
ihrten  Titel  andern  gegenüber  zu  geschehen   hat,   zugleich 
auch   dem   Bischöfe    oder   seinem   Bevollmächtigten  jährlich 
I  Bechenschaft   von   ihrer   Verwaltung    abzulegen."     Die   Ke- 
I  gierung  war  auch   hier  wieder   so   naiv,   in  ihren   Motiven 
I  auszusprechen ,    dafs    hierdurch    an    den    oben    angeführten 
LOrundsätzen  des  Verwaltungsedikts  vom  1.  März  1Ö22  nichts 
f  ^ändert  worden   sei.     Allein   im   Orunde   ist  dadurch   das 
bis  jetzt   bestehende   Recht   in   Württemberg  allerdings  ge- 
ändert.     Dieses    beruhte    auf   dem    Grundsatz    des    Einzel- 
vermögens  unter   Verwaltung    gemischter   und   Oberaufsicht 
der    staatlichen    Organe,    das    Recht    der   Konvention    aber 
ruht  auf  dem  kanonischen  Grundsatz  des  Gesamnit Vermögens 
der  Kirche  verwaltet  im  Namen  der  Kirche  (Bona   ecclesia- 
»tica  nomine  eccleaiao  administrabuntur).     Nehmen   wir    nur 
die  wirklich  bestehenden  Verhältnisse,  noch  nicht  einmal  die 
zukünftigen  rechtlich   möglichen  Ansprüche.     Der  ätiftungs- 
rat  verwaltet   das   kirchliche  Lokalvermögen   und   legt  dem 
gemeinschaftlichen    Oberamt    Rechenschaft    ab.      Nach    der 
Konvention   hat   er  das  Gleiche   dem  Bischof  gegenüber  zu 
thun.     Dieser   will  eine  Änderung   in   der  Verwaltung,  das 
gemeinschaftliche    Oberamt    und    die    Kreisregierung    nicht. 
Der  Bischof  sagt:  „Bona  ecclesiastica  nomine  Ecclesiae   ad- 
ministrabuntur."    Giebt  die   Staatsbehörde   nicht   nach,    ist 
der  Konflikt  da.     Dies  kennzeichnet  Rümelin's  Behauptung: 
„Bei   der    Verwaltung    des   kirchlichen   Lokalvermögens  ist 
die  Einwirkung  der  staatlichen  Organe  eine   übei-w legende" 


4i^f 

(S.  21ff;.     Um  das  Deae  Prinzip  zu  wahren^   werden  & 
jetzt    bestehenden   VerfaäknisBe   nur   einstweileD    wieder  ab 
ausdrückliche  Zugeständnisse  der  Kurie    behandek  sai 
s'ilche  können  )a  jederzeit  wiedermfen   werden,    ohne  difc 
dadurch  der  Vertrag  im  Prinzip  aufgehoben  wilre.     ,, Saudi 
ivdes,  spectatis  peculiaribus  rerum  circnmstantiii, 
consentit,   dafs  die  einzelnen  Kirchen&briken ,   sowie  & 
übrigem  kirchlichen  Lokalstiftungen  imXamen  der  Kirche 
in   dffr  Weise  auch  femer   verwaltet   werden,    wie    sie  in 
I^nde   eingeführt  ist;  nur  sollen   Pfarrer  und  Landdeksne 
ihre  diesfallsigen  Verrichtungen  im  Auftrage  des  Bischofs 
auHüben^'    (s.    die    Ausfuhrung    S.   439).     Wenn    es  nm 
weiter  hreifst:  ,,  Über  die  spezielle  Ausführung   dieser  Ange- 
legenheit   wird    die    königl.    Regierung    mit    dem    Bischole 
ein     t  Jborcinkommen    treffen '^^     so    wird    dies    doch    nicht 
zu    dem    Zweck    in    Aussicht    gestellt    sein,     das    Verwsl- 
tungHcdikt    von    1822    wieder    festzustellen  ^     oder    es    zn- 
gtumtcn  den  staatlichen  Einflusses  zu  ändern  ^  sondern  doch 
wohl;   um    dem   kanonischen   Recht  mehr   Geltung  zu  ver- 
H(*luifl(!n.     Wenn    es    die    Regierung   mit    ihrer    obigen   Be- 
liimptung  ernst  meinte  (s.  S.  438),  warum  steht    etwa  nicht 
p»nule  im  dieser  Stelle:  „An  den  Grundsätzen    des  Verwal- 
tun^sedikts    vom     1.    März    1822    wird    nichts     geändert"? 
WiMter:    „  lnsui)er   Saneta    Sedes   annuit,    dafs,    so   lange 
d  i «»  Staats  k  a  s  s  (»   zu   den  allgemeinen   oder   örtlichen  Be- 
dinlnissrn    dvr    Kirehe    Beiträge    leistet,    die    vakanten 
IMrihulrn  und  der  Interkalart'ond  unter  der  Oberleitung 
dt»s  lUsi'hot's  und  im  Namen  der  Kirche  durch  eine 
fttMuiselite    KiMnnussii>n    verwaltet    werden;    die    eine    Hälfte 
der  Mit:::lieiltM-  dioer  Kommission  erwählt  der  Bischof  haupt- 
siu'Mu'h  aws  lMM>tliehen,    die    andere   die    königl.   Regierung 
a\i*»  Katholiken,    ilen    Vorsitz    hat    der   Bischof    oder    dessen 
Bi  \olln\;ukti::ter  **     Av.eh  hier  soll   ein  ri>oreinkommen   mit 
iUm    Ki'-.urun;:  Ja>  Naiiore  n^coln.     Welche  I>asis  demselben 
j>  )>  h,  e.  wiiiliU  Axui.  »l.\>  :\>li:t  im  weiteren:  .,Uber  die  Er- 
h.^ij. ;?'..;    ih'N    i»v. :;'.»]>:. vk>    lies   Ir.Terkidarlonds,    sowie    über 
\  ,  MX ,  i ;%  1 . ; \  .     ^ '. . ;     T : :  V,' • ;: V i »e    u essöl i » eu    wird    die     «jenann te 
Ko>^n».vvu  \.  ,.<■;■    kl  ..-;:',    Keciijurc   >tots  Gvwifshcit    gelten." 


DAS  W'L'hTTEMBERQISCUE  KONKOKDAT.  411 

Vorher  ist  über  die  Verwendung  dea  Interkalariboda  im 
wesentlichea  nach  den  bisher  bestehenden  Grundsätzen  be- 
Btimmt,  dafa  er  verwendet  werde  „vor  allem  siets  zur 
Ergänzung  der  Pfarrgehalte  bis  zur  Kongrua,  zur  An- 
weisung von  angemessenen  Pensionen,  zu  den  Tischtiteln, 
zu  den  Kosten  der  Vikarien",  Allein  es  ist  die  neue 
Bestimmung  beigefügt:  „etwaige  Überschüsse  aber  nur  für 
andere  kirchliche  Bedürfnisee  verwendet  werden"  und  die 
oben  (Ö.  426.  429)  angeführte  Einräumung  inbetreff  der 
Serainarien.  Zugleich  ist  bei  der  Zusammensetzung  der  ge- 
nannten Kommission  dem  Bischof  der  überwiegende,  der 
Stajitsbehärde  der  untergeordnete  Einflufs  eingeräumt  und 
dem  ersteren  der  vollständige  in  Aussicht  gestellt.  RUmelin 
stellt  dies  (S.  219)  so  dar:  „Bei  den  aligemeinen  Fonds 
und  dem  Pfründen  vermögen  kommt  zu  dem  allgemeinen 
Aiifaichtsrecht  noch  ein  wesentlicher  Anteil  an  der  Verwal- 
tung hinzu",  während  er  andere  Bestimmungen  als  die  der 
Konvention  mit  der  Behauptung  abweist,  der  Staat  könne, 
„wiewohl  er  hinsichtlieh  der  Verwaltung  des  Kirchen- 
vermögens sein  Aul'sichtsrecht  vorbehalten  kann,  doch  nicht 
einseitig  den  Anteil  beatimmen,  welchen  die  Organe  der  Kirche 
an  dieser  Verwaltung  zu  nehmen  haben"  (Ü.  232).  Die 
Richtigkeit  dieses  Satzes  vorausgesetzt,  würde  aber  daraus 
noch  nicht  folgen,  dafa  deshalb  der  Staat  der  Kirche  die 
Verwaltung  überlassen  mufs,  wie  dies  in  Art.  X  im  Prinzip 
geschehen  ist,  und  seine  etwaige  Mitwirkung  nur  aU  eine 
Konzession  der  Kirche  auf  unbestimmte  Zeit  sich  gestatten 
lassen  mufs.  Allein,  wenn  irgendwo,  so  kann  hier  der 
Staat  den  Anteil  bestimmen,  den  die  Kirche  an  der  Ver- 
waltung zu  nehmen  hat  bei  einem  Vermögen,  wie  es  that- 
sächlich  in  Württemberg  vorhanden  und  vom  Staat  als 
solches  zu  schützen  war.  Wird  freilich  all  dies  Vermögen 
trotz  seiner  verschiedenen  Kechts-  und  Besitztitel  in  eine 
Kasse  geworfen  und  nach  kanonischem  Recht  als  „Bona 
temporolia,  quae  Ecclesia  propria  possidet"  (Art.  X) 
wie  ein  Privat  vermögen  der  Kurie  beti-achtet,  dann  ist  es 
allerdings  guter  AVille  des  Besitzers,  wenn  er  einen  andern 
auch  noch  etwas  drein  reden  läfst.     Noch  mehr  aber  ist  der 


442  Bcsz, 

Staat  sogar  verpflichtet,  „den  Anteil  za  be8tiiiiiiieii''y  wel- 
chen seine  Organe  nnd  also  mittelbar,  welchen  „  die  Orgue 
der  Kirche  an  dieser  Verwaltung  za  nehmen  haben'',  wem 
er  es  ist,  der  seine  ilittel  zn  Kirchenzwecken  zor  Verfngimg 
stellt,  wie  Rümelin  selbst  sagt  (&  219):  „Die  Kirche  bkibt 
überhaupt,  wie  bisher  in  ihren  ökonomischen  Angelegeih 
bäten  von  der  staatlichen  Beihilfe  abhangig.''  Das  aller- 
dings hat  die  Konvention  zugegeben,  dafs  das  Kirdioh 
vermögen  „den  öffentlichen  Lasten  und  Abgaben,  sowie  den 
übrigen  allgemeinen  Gesetzen  des  Königreichs,  wie  alles 
andere  Eigentum  unterli^".  Wenn  auch  die  geeetzÜcbea 
Bestimmungen  über  die  „tote  Hand"  nicht  ausdrücklich 
erwähnt  sind,  so  können  sie  doch  befafst  sein  unter  d^ 
„übrigen  allgemeinen  Gesetzen  des  Königreichs". 

Das  Gesetz  von  1862  acceptiert  nun  vor  allem  d^ 
kanonischen  Grundsatz  nicht,  als  ob  die  Kirche  im  ganzen 
d.  h.  die  römische  Kurie  Eigentümerin  des  Kirchenvermögens 
sei,  sondern  läfst  die  einzelnen,  mit  juristischer  Persönlich- 
keit begabten  Besitzer  in  ihrem  Rechte  Art  18.  „Das  den 
kirchlichen  Bedürfnissen  und  Anstalten  gewidmete  Vermögen 
unterliegt  den  allgemeinen  Landesgesetzen,  insbesondere  auch 
jenen  über  öffentliche  Lasten  und  Abgaben,  sowie  über  den 
Besitz  von  Liegenschaften  durch  die  tote  Hand.'*  Diese 
letztere  Bestimmung  ist  besonders  aufgenommen  und  somit 
Garantie  gegeben,  dafs  nicht  gröfsere  Komplexe  von  Gütern 
sich  im  Besitz  kirchlicher  Anstalten  ansammeln.  Von  einer 
Verwaltung  des  kirchlichen  Zwecken  gewidmeten  Vermögens 
„unter  Oberleitung  des  Bischofs  und  im  Namen  der  Kirche'* 
ist  im  Gesetz  nirgends  die  Rede.  Erst  so  bleibt  es  bei  den 
Bestimmungen  des  Verwaltungsedikts  von  1822.  Geändert 
wurde  dasselbe  nur  inbetreff  des  Interkalarfonds ,  der  va- 
kanten und  besetzten  Pfründen ,  aber  mit  zugestandener 
Absicht,  nicht  mit  verschleiernden  Erklärungen.  In  den 
genannten  Beziehungen  war  der  Bischof  nur  auf  etwaige 
Wünsche  beschränkt.  Nach  Art.  19  stehen  Interkalarfond 
und  vakante  Pfründen  unter  der  „gemeinsamen  Leitung", 
die  besetzten  Pfründen  „unter  der  gemeinsamen  Aufsicht 
des    Staates    und   der   Kirche".     Diese    ist    folgendermafsen 


DAS  WÜRTTEMBERGISCHE  KONKOBDAT.        443 

gwegelL  Der  Interkalartbnd  ist  der  Staatsbehörde,  dem 
Kirchenrat,  unterstellt  Das  Ordinariat  nimmt  Einsicht  vom 
jährlichen  Geachällsbericht  desselben  und  wacht  darüber, 
dafa  die  Mittel  bestiramungsmälsig  verwendet  werden.  Die 
vakanten  Pfründen  werden  vom  Kämmerer  verwaltet,  wel- 
cher zugleich  staatlicher  und  kirchlicher  Beamter  ist.  Seine 
Eechnungsstellung  geht  an  den  Kirchenrat,  Die  besetzten 
Piründen  verwaltet  der  Pfründncr  unter  Aulsicht  und  Unter- 
stützung vom  Kämmerer.  Veränderungen  im  Pfründen- 
vermügen  werden  vom  Kämmerer  dem  Kirchenrat  ange- 
zeigt. Hat  sich  in  der  Konvention  die  Kurie  für  die  Zu- 
kunft gesichert,  so  sichert  der  Staat  im  Gesetz  sein  Auf- 
dchtsrecht  auch  für  solche  Fälle,  wenn  sich  in  Zukunft 
aufser  den  schon  vorhandenen  (S,  438)  genannten  Fonds 
noch  weitere  für  kirchliche  Zwecke  bilden  würden,  indem 
Art  19  fortfahrt:  „Von  den  Verwaltern  anderer,  den  kirch- 
lichen Bedürfnissen  und  Anstalten  gewidmeten  Vermögen 
kann  die  Staatsregierung,  soweit  ihr  nicht  weiter  reichende 
Befugnisse  auf  dasselbe  zukommen,  über  die  Erhaltung  des 
Grundstocks  und  die  stiftungsmäfsige  Verwendung  seiner 
Erträgnisse  Nachweis  verlangen." 

Noch  hat  die  Staatsbehörde  ihre  Mitwirkung  und  ihr 
Oberauf  sie  htarecht  eben  wegen  der  Verbindung  von  Kiiche 
und  Staat  gewahrt  in  einem  Punkt,  welchen  die  Konvention 
ganz  dem  Bisehof  Uherliefs,  bo  dafs  davon  gar  nicht  die 
Rede  ist.  Art  17  des  Gesetzes  bestimmt:  „Die  Bildung 
neuer  kirchlicher  Gemeinden  und  die  Abänderung  bestehen- 
der kirchlicher  Gemeinde-  und  Bezirksein teilun gen  kann 
von  dem  Bischof  nui'  im  Einverständnis  mit  der  Staata- 
regierung  verfügt  werden.  Dasselbe  gilt  von  der  Errich- 
tung, Teilung  und  Vereinigung  von  Pfründen,  auch  wena 
eine  neue  kii'C bliche  Gcmeludccinteilung  nicht  damit  ver- 
bunden ist" 

Art    XI 
der  Konvention  lautet:  „Der  Bischof  wird  mit   allen  könig- 
lichen Behörden  unmittelbar  verkehren."     Voiher  dui-fte  der 
Bischof  nur  mit  dem  Kirchenrat  und  durch  dessen  Vermitt- 


444  BUNZ; 

lung  mit  den  sonstigen  Staatsbehörden  verkehren.  Das  Ge- 
setz hat  diese  Beschränkung  ebenfalls  aufgehoben,  aber  der 
Konvention  gegenüber  doch  noch  die  Bestimmung  hinzu- 
gefügt, dafs  der  unmittelbare  Verkehr  des  Bischofs  mit  den 
königlichen  Behörden  nur  in  der  Weise  stattfinden  dar^ 
^^dafs  er  keine  Befehle  oder  Weisungen  an  sie  erläfst".  Es 
scheint  sich  dies  von  selbst  zu  verstehen,  allein  nehmen  wir 
z.  B.  nur  die  bischöfliche  Instruktion  Abs.  2  zu  Art  V  der 
Konvention,  wenn  die  staatliche  Mitwirkung  zum  Vollzug 
kirchlicher  Strafen  in  Anspruch  genommen  wird.  W^ürdc 
eine  im  Geiste  der  Konvention  erstarkte  bischöfliche  Ge- 
walt sich  so  sehr  scheuen,  einer  weltlichen  Behörde  zur 
Leihung  ihres  Arms  Weisungen  zu  geben?  So,  sehen  wir, 
ist  nicht  einmal  in  dieser  anscheinend  ganz  nebensächlichen 
Bestimmung  eine  Gleichartigkeit  der  Konvention  und  d^ 
Gesetzes  zu  finden. 

Blicken  wir  auf  die  Konvention  zurück,  so  ist  ein  cha- 
rakteristisches Merkmal,  das  noch  nicht  ausdrücklich  ge- 
nannt,  auch  die  Dehnbarkeit  in  den  Händen  der  Kurie. 
Dagegen  spricht  sich  die  Konvention  dem  Staat  gegenüber 
immer  bestimmt  aus,  wie  die  besonderen  Festsetzungen  in 
dieser  Richtung  zeigen.  So  mufs  bei  Art.  IV  die  königl. 
Erklärung  versichern:  „Die  königl.  Regierung  wird,  wie  es 
auch  seither  immer  ihre  Übung  war,  auf  die  dem  königl. 
Patronat  verbleibenden  Pfründen  nur  solche  Geistliche  prä- 
sentieren, welche  den  allgemeinen  Pfarrkonkurs  mit  Erfolg 
bestanden  haben." 

Durch  das  „wie  es  auch  seither  immer  ihre  Übung 
war*'  ist  diese  Erklärung  scheinbar  unverfänglich.  Der 
Satz  ist  die  Angel,  an  dem  auch  die  Regierung  gefangen 
ist  für  ein  Gebiet,  das  ihr  noch  hätte  Freiheit  gewähren 
können.  Dafs  der  Pfarrkonkurs  nach  der  Konvention  ein 
ganz  anderer  ist  und  somit  auch  die  neue  Übung  eine  ganz 
andere  als  die  alte,  davon  ist  nichts  gesagt.  Bei  Art.  V 
erklärt  wieder  die  Regierung:  „Wenn  Verbrechen  oder  Ver- 
gehen von  Geistlichen  deren  Verhaftung  oder  Gefangen- 
nehmung notwendig  machen,  so  wird  man  dabei  stets,  so 
weit  dies  möghch,  die  Rücksichten  eintreten   lassen,    welche 


DAS  WlKTTEMBEBGISCIlE  KOKKORDAT.  445 

lidie  dem  geistlichen  Stand  gebührende  Achtung  erheischt." 
Am  l>estimintesteii  bindet  nuch  Art.  XII  dcu  Staat:  „Die 
ait  der  vorstehenden  Vereinbarung  im  Wider  Spruche  stehen- 
len  königlichen  Verordniingeu  und  Verfügungen  treten  auiser 
[raft;  soweit  aber  gesetzliche  BeBtimmungen  derselben  ent- 
igenatehen,  werden  diese  geändert  werden"  Kunigl.  Er- 
Irung:  „Unter  den  mit  der  jetzigen  Konvention  unverein- 
bnren  und  somit  aufser  Kraft  tretenden  Verordnungen  ver- 
steht die  königl.  Kegierung  selbstverstäodhcii  vorzugs- 
weise die  Verordnungen  vom  30.  Januar  1830  und  1.  März 
1863,  sowie  das  Fundationsinstrument  vom  H.  Mai  1626, 
soweit  solches  nicht  von  der  Dotation  des  Bistums  handelt, 
nebst  Beilagen  C  und  D  zu  diesem  Instrumente."  Damit 
hat  die  Kurie  das  Ilccht  in  der  Hand,  auch  für  die  Zukunft 
die  Änderung  der  Gesetze,  somit  auch  der  Landesverfassung 
zu  fordern,  sobald  sie  den  Nachweis  fuhrt,  dafs  dieselben 
„eidem  (Jonventioni  adversantur ". 

Von  Interesse  wäre  es,  die  württembergische  Konvention 
auch  mit  der  badischen  und  besonders  mit  dem  östeiTeichi- 
Bchen  Konkordat  zu  vei'gleichen ,  wenn  es  hier  die  Aufgabe 
wäre,  diese  einzelne  Erscheinung  iu  das  Licht  der  ganzen 
Zeitent Wickelung  zu  stellen.  Das  österreichische  Konkordat 
war  das  Vorbild,  und  es  ist  gelungen,  aucii  das  württem- 
bergische ihm  so  nahe  zu  bringen,  dafs  es  oft  nur  ein 
Schritt  oder  nur  die  Form  ist,  welche  beide  trennt,  wenn 
sie  noch  nicht  gleich  sind.  So  unterwirft  z.  B.  das  öster- 
reichische Konkordat  den  gesamten  Unterricht  der  katho- 
lischen Jugend  der  Autsicht  der  Geistlichkeit,  er  mufs  nach 
demselben  in  allen  Fächern  der  katholischen  Lehre  ent- 
sprechend sein.  Das  württenibergisehe  Konkordat  hat  den 
Beisatz,  dafs  dem  Bischof  der  mit  der  Gesetzgebung  und 
der  einheitlichen  Leitung  vereinbare  Einfiufs  gewilhrt  werde. 
Die  Kegierung  erkannte  damals  in  ihren  Jlotiven  selbst  an, 
dafs  damit  das  Versprechen  gegeben  sei,  sie  wolle  zu  wich- 
tigeren, namentlich  die  inneren  Seiten  des  Unterrichts  be- 
rührenden Änderangen  nicht  schreiten ,  ohne  auch  die 
Kirchen b eh Örde  gehört  und  ihre  etwaigen  Einwendungen 
erwogen  zu  haben.     Selbst  in  der  extiemsten  Angelegenheit, 


;  J 


446  BUNZ, 

der  Ausnahme  der  Bischöfe  von  der  staatlichen  Gericht»- 
barkeit  in  Kriminalsachen,  wie  sie  das  österreichische  Kon- 
kordat bestimmt;  hat  die  württembergische  Konvention  nichti 
geändert;  sondern  nur  mit  Rücksicht  auf  die  ZeitverhältDisae 
erlaubt;  dafs  solche  Vergehen  vor  das  weltliche  Gericht  ge- 
bracht werden.  Nimmt  man  in  Betracht  die  damalige  Be- 
mühung  Österreichs;  seine  Stellung  in  Deutschland  immer 
mehr  zur  dominierenden  zu  machen;  durch  einen  Gbu*antie- 
vertrag  Preufsen  an  seine  Heeresfolge  zu  ketten,  dasselbe  übe^ 
haupt  in  seinem  Einflufs  herabzudrückeU;  weiter  wie  gerade 
in  Preufsen  die  römische  Kurie  ihrer  Herrschaf);  sicher  war, 
so  sieht  man  deutlich;  wie  das  Vorgehen  auf  der  ganzen 
Linie  nicht  blofs  ein  wohl  organisiertes  war,  sondern  auch 
schon  so  weit  gediehen;  dafs  nur  eine  Machtentwickelung 
Österreichs;  etwa  ein  Sieg  in  Italien  1859;  noch  nötig  ge- 
wesen wärO;  um  vollends  in  die  Siegesstellung  einzurücken 
und  die  Herrschaft  der  Kirche  über  den  Staat  zur  Wahr^ 
heit  zu  machen. 

Die  Konkordate  hatten  die  Rechtsbasis  dazu  schon  ge- 
schaffen. So  auch  das  wüiitembergische.  Hätte  nun  der 
Staat;  sobald  Rom  mit  demselben  vollkommen  ernst  machen 
wollte,  sieh  das  nicht  gefallen  lassen  wollen;  so  wäre  ein 
schwerer  Streit  entstanden,  wobei  aber  der  Staat  nur  die 
Rolle  des  schon  Besiegten  gespielt  hätte. 

Was  die  Kurie  1871  verlangte,  war  nur  die  Fortsetzung 
der  Ansprüche  Roms,  welche  immer  gleich  bleiben.  Hatte 
man  ja  schon  die  Stime,  sogar  unter  dem  Volk  Petitionen 
verbreiten  zu  wollen,  welche  verlangten,  dafs  Deutschland 
das  Ketzerblut  seiner  Söhne  vergiefse  für  die  Herrschaft 
des  Vatikans,  nachdem  es  kaum  mit  Aufbietung  aller  Kraft 
einen  mutwilligen  Angriff  zurückgeschlagen  hatte,  von  dem 
derselbe  Vatikan  höchstens  das  Mifslingen  bedauerte.  Noch 
aber  sind  selbst  manche  protestantische  Politiker  in  der 
Illusion  befangen,  als  ob  man  die  durch  die  Reformation 
wieder  ans  Licht  gehobene  Anschauung  von  der  gleich  gött- 
lichen Ordnung  weltlicher  und  geistUcher  Gewalt  nur  so 
ohne  weiteres  auf  den  Ultramontanismus  übertragen  könnte, 
und  von  dieser  Täuschung  geblendet,  glauben  sie  Vertrauens- 


DAS  WÜRTTEMBERGISCHE  KONKORDAT.        447 

)11  ZU  einem  aufrichtigen  Bündnis  sich  hingeben  zu  können, 

^^enn  es  sich    darum  handle,    die    idealen,    die  hohen   sitt- 

^^tshen,  die  christlichen  Interessen  des  Volkslebens  zu  wahren, 
^illerdings  nimmt   der  Ultramontanismus  gerne  solche  61ie- 
ar   der  Sefoimationskirche   auf,    aber  sie  sind  ihm   keine 
Ebenbürtig  Verbündeten,  sondern  Ketzer  auf  dem  Wege  nach 
■^■^^m.     Allerdings  spricht  der  Ultramontanismus  von  christ- 
^  9chen  Interessen,  aber  er  kann  sie  nur  verstehen  im  römisch- 
^^>iierarchischen  Sinn.     Eine  politische  Partei,  welche  sich  mit 
^^en  Anschauungen  der  Kurie  identifiziert,  kann  als  obersten 
^^cQrundsatz   und   letztes  21iel  nur   die  Herrschaft  Roms    über 
i^^e  gesamte   Chiistenheit  festhalten.     Ein  Bündnis   mit   ihr 
^ist  nur  möglich  unter  der  Bedingung  völliger  Unterordnung. 
35  Diese  Unterordnung  wird  aUerdings  nicht  von  Anfang  an 
c^  im  Prinzip  gefordert,  aber  nur  um.  so  strenger,   wo  es  sich 
3  bei  praktischen  Fragen   um  das  Ziel  des  Ultramontanismus 
•:  handelt     Ein  Zusammengehen  mit  demselben  in  politischer 
Beziehung  kann  nur   im   einzelnen  Fall   stattfinden,   der  zu 
^   prüfen  ist,  ob  er  nicht  blofs  als  Mittel  zum  Zweck   benützt 
werden  soll,  in  kirchenpolitischer  z.  B.,  wenn  in  einem  Par- 
lament ein  Geist  zur  Herrschaft  kommen  wollte,  wie  er  sich 
seiner  Zeit  in  Frankfurt  breit  machte,   wenn  Vogt  ausrief: 
„Ich   bin  für  Trennung  der  Kirche   vom  Staat,   aber  nur 
unter  der  Bedingung,   dafs  überhaupt  das,   was  Kirche  ge- 
nannt wird,  vernichtet  werde!"     Echte   Söhne   der  Refor- 
mation   können    wohl    in    einzelnen   Momenten   Schulter  an 
Schulter    mit    der    ultramontanen  Partei    schlagen,    müssen 
aber  sogleich  wieder  Gewehr  bei  Fufs!   in   festgeschlossener 
Kolonne  sich  selbständig  zur  Abwehr  aufstellen.     Aber  auch 
in  der  Gesetzgebung  halte  man   sich   nicht  auf  dem  Boden 
der  abstrakten  Theorie,  sondern  auf  dem  der  Wirklichkeit. 
Die  evangelische  Kirche  stellt  sich  schon  in  ihrem  reforma- 
torischen Prinzip  und  ihrer  Praxis   ganz   anders  gegen  den 
Staat    als    die    römische.      Wenn    die    Kirchengesetzgebung 
Rom  gegenüber  immer  ihren  Kern   darin  haben  mufs   (wie 
auch   die   Geschichte   lehrt),    dafs    unberechtigte  Ansprüche 
auf  Herrschaft  über  Staat  und   Ketzer  abgewehrt  werden, 
so  ist  es  einfache  Logik,   dafs   das  Gleiche  nicht  auch  der 


448  BCXZ,  DAS  WÜBTTEMBEKISCHE  KCKCKOKDAT. 

evangeliacben  Kirche  gik.  Wenn  sich  zwei  ungleich  gegen 
mich  Terhalten^  habe  ich  sie  doch  nicht  gleich  zu  behandeb. 
Aach  hier  zeigt  sich  wieder,  wie  die  eigentliche  SteUacg 
Koms  und  der  wesentliche  kirchenpolitische  Unterschied 
zwischen  der  Kirche  des  Mittelalters  und  der  der  deutschen 
Reformation  dnrchans  nicht  genug  gewürdigt  wird.  Daß 
ein  einseitiges  Vorgehen  auch  Tom  staatsmannischen  Stand- 
punkt aus  möglich  ist^  zeigt  ja  gerade  das  Beispiel  Württem- 
bergSy  wo  das  seit  1862  bestehende  Gesetz  ausdrücklich  ge- 
geben ist  nur  zur  «^R^elung  des  Verhältnisses  der  Staats- 
gewalt zur  katbolLschen  Kirche '^ 

Aus  obiger  Ausfuhrung  möge  für  imsere  Zeit  auch  be- 
herzigt werden^  was  Rom  fordert^  selbst  und  gerade  in  einem 
paritätischen  Staat  ^  wie  fein  in  erworbenen  Rechten  An- 
sprüche auf  weitere  enthalten  sind. 


ANALEKTEN. 


1. 

\  Eine  Würzburger  latciDiscbe  Handschrift  zu  den 

apokryphen  Aposfcigeschichfen. 

Von 
Dr.  Georg  Sehepfs  in  Würzbnrg. 


Gelegentlich  der  Anfertigung  eines  mir  von  der  Wiener 
Kirchenväterkommission  aufgetragenen  Auszuges  aus  dem  nur 
handschriftlich  vorhandenen  Manuskriptenkatalog  der  Würzburger 
Uuiversitätsbibliothek  lenkte  u.  a.  die  Nummer  Mp.  th.  f.  78 
s.  VIII  meine  speziellere  Aufmerksamkeit  auf  sich.  Sie  enthält 
auf  35  Pergamentblättem  (28  cm  hoch,  21  cm  breit)  die  Pas- 
sionen der  Apostel  Johannes  (die  gröfsere  erste  Hälfte  fehlt), 
Jacobus  frat.  Johannis,  Thomas,  Bartholomaeus,  Mat- 
thaeus  (mit  Prolog  und  Epilog),  Simon  und  Judas  (mit 
Epilog),  Philipp  US  (nur  eine  Seite).  Nachdem  in  den  vor- 
trefflichen Werken  von  Lipsins  ^ ,  Bonnet  ^  u.  a.  die  ver- 
wickelte Frage  nach  der  Entstehung  und  der  textlichen  Über- 
lieferang der  Apostelpassioneu  neuerlich  gründliche  Bearbeitung 
gefunden  hat,  soll  im  folgenden  der  seither  unbekannt  gebliebe- 
nen Würzburger  Handschrift,  die  ich  mit  H  (=  Herbipolitanus) 


1)  Die  apokryphen  Apostelgeschichten  und  Apostellegcnden  .  .  . 
von  Richard  Adalbert  Lipsius,  1.  Bd.,  Braunschweig  1883. 
(Die  inzwischen  erschienene  Hälfte  des  zweiten  Bandes  stand  mir 
leider  noch  nicht  zugebote.) 

2)  Supplementum  codicis  apocryphi,  I:  Acta  Thomae,  rec.  Max 
Bonn  et.     Lipsiae  1883. 


450  AVALE 


bezeichnen  willy  der  ihr  gebührende  Platz  im  kritischen  Apparat 
gesichert  nnd  ihre  Benutzung  ftlr  die  noch  zu  erwartenden  Edi- 
tionen BonneVs  ^  als  notwendig  erwiesen  werden. 

Die  näheren  Angaben  Aber  Alter,  Schriftcharakter  nnd  son- 
stige diplomatische  Eigentümlichkeiten  der  Handschrift  für  deo 
zweiten  Teil  dieses  Anisatzes  aufsparend,  gehe  ich  gleich  anf 
die  Textgestalt  der  Passionen  selbst  ein  und  werde  mich,  da 
erschöpfende  EinzelkolLitionen  hier  nur  langweilen  wtlrden,  mög- 
lichst kurz  zu  fassen  suchen. 

Blatt  1* — 3*:  Johannes.  Der  abrupte  Anfang  lautet:  ad- 
dicoa  (!)  et  eugenitis  dicerent  (!)  aposido  super  (!)  misericardiam 
docuisti  etc.  Der  Text  ist  im  allgemeinen  am  näch- 
sten verwandt  mit  jener  yerkürzten  Fassung  des 
sogen.  Abdias,  die  bei  J.  A.  Fabricius,  Cod.  ai>ocr.  nori 
test.  pars  III  (Hamburg  1719)  unter  dem  Titel  Mellitus^ 
de  paasUme  8.  Joannis  apostdi  von  Seite  615,  21 — 6  2  3,  li 
Yorliegt.  Auf  Blatt  2^  hat  der  Schreiber  nach  den  Worten  tu 
conuiuio  meo  (Fabr.  III,  621,  18)  offenbar  eine  Seite  oder 
ein  ßlatt  seiner  Vorlage  ausgelassen,  denn  er  tahrt  fort  am 
me  moros  (!)  me  testimonia,  was  Fabr.  622,  21  steht';  nach- 
dem er  dann  aber  das  Stück  622,  21  commemoras  —  623,  14 
effectum  ^,  amen  absol?iert  hat,  trägt  er,  in  gleicher  Zeile  und  in 
gleichgroÜBer  Schrift  fortfahrend,  das  ausgelassene  Stück  der  o^sumpfio 
621,  18  cum  fratribus  tuis  —  622,  21  ueritatis  tue  gebührend 
nach.  Die  stärkste  Abweichung  vom  Melitotext  besteht  darin, 
dafs  die  Gebetsworte  .,  Fratres  et  conscrui  mei  —  uocare 
dignatur**  =  Fabr.  III,  621,  18—622,  3^  gänzlich  fehlen, 
wie  dies  nach  der  (etwas  unklaren)  Angabe  von  Lipsius  S.  410  * 
auch  in  einigen  Pariser  Handschriften  und  im  Mombritiusdruck 
der  Fall  ist  \ 

Wenn  in  H  gegenüber  dem  vollständigeren  Abdias- 
texto  doöLazius,  wie  er  bei  Fabr.  II,  531  (bezw.  571,  13ff.) 
vorliegt,  vor  allem  der  grofse  Passus  582,  Z.  3  —   587,  Z.  1 


1 )  Bonnct  beabsichtigt  zunächst  Jobanues  folgen  zu  lassen ;  siehe 
pracf.  p.  XXVll. 

2)  Der  seltene  Mombritiusdruck  (Mailand  1474),  welcher  nach 
Lipsius  411  einen  interpolierten  Melitotext  bietet,  war  mir  nicht  zu- 
gänglich. 

3)  Herr  Prof.  Bonnct  teilt  mir  mit,  dafs  unter  seinen  Codices, 
di(;  sänitlicli  jünger  als  II  sind,  keiner  sei,  welcher  eine  Rückwirkung 
dieser  in  11  vorliegenden  Seiten-  oder  Blattverschiebung  aufweise. 

4)  Vgl.  Lipsius  41)8. 

f))  Vgl.  Nausea  30»',  Z.  28  und  Abdias,  Fabr.  II,  582,  3. 
i\)  V^'l.  Lipsius  139.  175.  412. 

7)  Bonnot  bestätigt  mir,  dafs  dies  Gebet  gerade  in  seinen  älte- 
flten  Ilaniiscbriften,  resp.  den  besseren  Melitotexten  fehlt. 


SCHEPäg,  ZU  DEN  APOKRYPHEN  APOSTELGESCHICHTEN.   451 


fr 

9Sa  Wegfall  kommt,  bo  hat  H  mit  Abdias  doch  eine  Geihe  von 
^  Leaarten  gemein,  die.  bei  Meüto  fehlen.  So  stehen  z.  B.  in  H  ' 
die  im  Melitotett  foblenden,  boi  Nnusen '  teilweise,  bei  Fabr.  U 
aber  durchgebends  vorliandcnen  Stellen: 

dum  de  peccatoribus  agerelvr  [Fuhr.  11,  572,  13);  et  cecos 
inluminarenl  (&73,  2};  cuius  mrbo  celi  firmati  sunt  (577,  2); 
et  da  f577,  15);  aures  ut  audiant  (577.  17);  os  suum  (577,  19); 
(aeditianem)  fueri  (1)  pdit  silentium  fieri  et  (578,  17);  eamtis 
et  adußluli  eius  genibus  (580,  3);  ea  uerba  (587,  18);  nee 
ueniat  mihi'  (588,  6);  iiiwi  *  gui  praeceptum  (1)  patris  mun- 
dum  saluasd  qui  et  spirifum  sein  tuum  nobis  distinare  dignatus 
es  ut  nos  de  praeeepiis  tuia  commoneret  per  eundem  spirifum 
tibi  gralias  referrimus  (I)  per  hifinita  secuta  saeculoritm  (588, 
11  ff.;  dua  bei  Fabr.  17  folgende  „et  cum"  fehlt  und  von  tminis 
stand  uraprttnglich  nur  „nes"). 

Übereinstimmend  mit  Abdias  II,  573,  14  fehlt  in  H,  durch 
Homoeoteleuton  (cadcre)  veranUfat,  die  bei  Melito  III,  616,  13  ff. 
(Tgl.  Nauaea  38")  stehende  Stelle:  ecclesiam  eins  et  consentiam 
tiobia.  Si  autcm  hoc  facere  non  iwlestis,  cgo  inuoco  nomen 
domini  mei  Jesu  Christi  et  faciam  cadere. 

Mit  Nausea  hat  unsere  Johannespassion  vereinzelte  Dinge 
gemeinsam  wie  zo  38'',  Z.  7  in  eonspectu  apostoti,  zu  38',  Z.  35 
das  Futur  aparebit  (sie);  auch  mit  seiner  Lesart  abacbocido 
formidare  kommt  H  näher  an  Nausea  38'',  Z.  2  als  an  Abdias 
575  nnd  Melito  618  heran;  doch  mag  anderseits  kurz  hervor- 
gehoben sein,  daCs  der  wichtige  Abschnitt  Aber  die  Entstehnng 
dea  Johannesevangeliums  bei  Nausea  39'',  welchen  dann  auch 
der  interpolierte  Uelito  bietet  *,  in   H  felilt. 

Verquickung  der  verschiedenen  Texte  beobachtet  man  in  der 
Stelle  „apostotum  dei  in  tuo  sermone  läbore  faligare". 

Durchgängig  ist  in  der  Johannespassion  „iohannis"  (so 
auch  im  Nom.)  und  „areslodimus"  geschrieben. 

3"  steht  rot;  Expit  päf  fei  iohan  aposl.  et  euang.  IncipU 
fratria  eius  iacobi  aposl.  que  obseruatur  Till.  kl.  agwstas. 


1)  Nach  Bonnet'a  brieflicher  Mitteilung  stimmen   auch   in   seiuen 
be«aercQ  Handsctiriften  die  folgenden  Stelleu  mit  Abdias  ül>ereio. 

2)  Anonymi  Philalethi  Eusebiani   in   uitaa   miracula  passionesque 
apoBtolorum  rhapsodlae,  1531,     Vgl,  Lipsiua  408, 

3)  Vgl.  Lipaiua  541. 

4)  Nausea  40%  Z.   14  hat  ului,   aber   die  dann   folgende   Doxo- 
lögie  Btimrat  ku  Melito,  nicht  zu  Abdias. 

5)  LipBius  447. 

6)  Vgl.  Nausoa  39«,  Z.  3;  Abdias  II,  578,  15;   Melito  HI, 
619,  26. 


I 


452  ANALEKTEN. 


7: 
m 

€d 
ri 


Blatt  3^— G"":   Jakobus   d.   Altere.     Textanfang:  A, 
dni  nri  ihu  XJPl  iacöbus  frater  leati  iohannis  apostölid 
gellste   omnem    iudeam    et    samariam   uisitäbat    Ingrediens  p 
sinayogas  secundum   scripturas** ;   es    ist    dies    der  Yon  lij« 
131    bezeicÜDete   alte   Text  =  Nausea  26^;    bei  Fabr.  II,  &li|   ^. 
steht    ein    anderer   Eingang.     Auch    am    Schlüsse    dieser  ha 
stimmt    die  Handschrift  zu   Nausea,    nicht    aber    zu   Abdias -|   : 
Fabricius;    der    Schlufs   lautet:   .  ,_^in   fronte    eius  adptk 
perfectus    in  fide   dni  nri   ihü   XFI  ctetn    apostolo    um  im 
simul  martir  e/fecttis  perrexit  ad  dnm  ctii  gloria  in  seak  «■ 
culorum,      amen.      Dann    rot:    ExpUcit     passio     iacobi   afsi 
Incipit  passio  apostoU   thomae  in   india    gue    obseruatur  21 
kl  ianuarii  ^. 

Blatt  S* — 15^:  Thomas.     Hier  ist  sehr  beachtenswert,  äl 
wir  zunächst  dem   nämlichen^ Textanfang  begegnen,    wie  er  t« 
Bonnet^d    ältestem    Codex    M    =    Montepessulanus    55   (s.  TOI 
aut  IX),  wo  allerdings  kleine  Umstellungen  stattfinden,  in  staika 
Gegensa-z  zu  allen  übrigen  Handschriften  geboten  wird,  s.  BmA 
im  Apparat  zu  S.  154,  20.     Wir  lesen   in    H:    ,,  IVedicanft  d 
docaente  scö  thoma  apostolo  in  india  castitatem  et  XFM  edm 
debere  tii   {au)tem  *    audiuit  misteus    rex    indorum    iratus  ä 
uade  '  et   statim  iussii  ^   mitti  ad   t{h)o7nam    (et)    man^ms  9i 
ergo  ^  legatis  adduci  ante  se  et   dixit  ei  quis    est  isfe  dS  iu» 
qui  coniuges  etc."     Unmittelbar  hieran  schliefst   sich    nun  aber, 
wohl   nach    gewechselter   Vorlage,    als   zweiter    Anfang   der  be 
Bonnet  133  stehende,  namentlich  durch  Parisinus   18298*  Ter- 
treteue  Mombritiustext :  ,,Cum  apostolus**  etc.,    der    dann   aoch 
fortgetührt  wird. 

Ich  hebe  im  folgenden  aus  meiner  Kollation  (namentlich  far 
die  Partie  bei  Bonnet  152,  10  —  Schlufs)  die  Punkte  hervor, 
welche  geeignet  sind,  die  enge  Verwandtschaft  H*s  mit  dem 
schon  erwähnten  Montepess ,  sowie  auch  mit  Bonnet*s  Codd.  G<) 
zu  beleuchten. 

Zu  Bonnet  13  3,  5 :   ueni  et   tniitam  (tibi  —  suum  fehlt); 


1)  Stimmt  zu  keiner  der  iDskriptioueu  bei  Bonnet. 

2)  Die  hier  eingeklammerten  Buchstaben  stehen  in  H  über  der 
Zeile. 

3)  Lies  ualde. 

4)  Die  Stelle  „et  statim  iussit^^  etc.  ist  aus  der  passio  io  die 
Miracula  S.  Thomae  eingedruiifjen,  die  bei  Bonnet  96 — 132  stehen 
(114,  Off.)  und  die  auch  iu  Abdias  (Fabr.  II)  und  bei  Xausea  Tor- 
liegen;  vgl.  Lipsius  144.  174.  273.  S.  übrigens  unten  die  Kollation 
zu  154.  20  f. 

5)  Lies  a  tergo. 

6)  Vgl.  Lipsius  125.  176.  263  Anm.;  143. 


SCHEFBS,  ZU  DEN  APOK&YPHEN  APOSTELOESCmCHTEN.   453 

7:  ad  fehlt;  12:  et  ecce;  134,  21:  quicqiiid  scire;  135,  17: 
nuptatn;  138,  10:  conpcdialim  (das  a  über  der  Zeile) 
etiucifur;  140,  1:  hirophorum;  8:  pioaulam  senttida  salula- 
riain  in  tifrlio';  9:  tricoriiim  in  quinclo  zelas  gemaiis;  lU: 
tpis  caustorio:  11:  coclnam;  11:  colmhif;  12:  ?n«)s;  12: 
spoilrOHum;  13:  arcos;  142,  18:  extricabunftir ;  144,16:  effu- 
gelur:  146,  10:  et  bis  se)ic5Cät  steht  im  Teit;  147,  25:  tiiHa 
infirmitate;  149,  12:  pctcre  escam  uerhi  dei;  150,  10:  0(i 
migdeum;  151,  5:  migdonius;  152,  10:  iniienerunt ;  14:  in 
to  poaslt;  13:  e(  fehlt;  15:  poternt;  21:  proihere;  22:  j>er 
<ii>)mnum,-  23:  possi't  fehlt;  153,  2:  «f  non  sif  feue;  5:  ma- 
nwm  fehlt;  5:  omfiium  (ff»A  qui  per  ihm  XPM  (also  Lücke); 
9:  hii;  11:  agnoscal ;  12:  e<  citm,-  19:  oscidans;  24:  ftciM 
oltua;  154,  3:  uocanlis  ei  quia;  4:  suscipe;  G:  quiibi  erant; 
12f.:  Wtam  (statt  miprfoHiam) ;  14f.:  </«  apostohim;  16:  gwia 
«0»  polest ;  19:  funt»  nach  tiToreni  ,■  20 :  tnigdonia  at  ergo, 
zwischen  migil.  und  at  über  der  Zeile  d;  hiei'zn  am  iinterit 
Band  S  Sfalimque  iussil  mitfi  ad  thoniam  et  manibiis*;  21: 
ad  se;  155,  4;  migdeus;  9:  migdoiicus;  11:  sjc,-  16:  ilhim; 
16:  uertfl,-  22:  Hcri//^  rex;  156,  1:  caristius;  2:  ferreos; 
3:  exealciari;  Ü:  regt  [statt  eO;  H:  carissi»3i  15:  die  Worte 
jMcfura  ?uffl  ei  qiiomodo  vos  dimilfifis  detim  tiestnim  et  sind 
(durch  Homi'ioteletitoD)  ansgefallen  ^;  16  7,  1:  carimtis;  1  u.  2: 
irascitur;  4:  att  ei  apostoltts;  6:  carisius;  9:  carissius;  11: 
eantanlcs;  20:  (löi  »(;  21:  miHiV;  158,  3:  rf  (statt  «(); 
4:  inferfieio;  4:  »»et  fehlt;  5:  /lOc  5o7i(»t  fi/mHiicriim ;  6:  mea 
fohlt;  (7:  iiel  gw/rf  diccret  uel  cui  hquerciur  steht  im  Text, 
B.  Bonnet  praef.  XXIII);  10:  hac  per  hoc;  II:  eum  inuocatione 
nominis  dei  mei  confrigerit;  17:  metallum  und  idotum  ver- 
tanscht;  20:  aufeiH  fehlt;  \b^,  4,:  grandis  seditio;  h:  tarnen 
etatt  enim;  19:  manum  (!)  saluatoris  scriptum;  160,  1:  cmi- 
(ada  cetulam  si  qiiando;  3:  fitgiunt;  7:  peruetiire.  amen 
Ipraestante  —  snecwlorwm  fehltll  *.  Suhliefslich  maj  hier  noch 
die  Durcliflihning  der  Schreib welao  frtptia  (statt  Trepiia  er- 
wähnt sein. 

Nach  peme wir c.  «m*»  steht  rot:  Incipit  passio  bartliolO' 
mei  apoatoH  aub  die.  IUI.  kl.  mniaf ''. 

1)  HetreBs  dpr  in  An-  passio  S.  Tliomoc  vorkominendeu  Palast- 
bescIiTeibDiig  8.  „Neaes  Archiv  f.  ältere  deuluche  GeaclilcheBkuiide"  IX, 
177,  188;  3t,  378;  XI,  399f.  —  H  stimmt  öfters  geunu  lu  Orderieos 
VJtali». 

2J  S.  S.  452,  Anm.  4. 

8)  Somit  ist  von  Bonnct's  Codd.  keiner  von  H  abgeschrieben. 

4)  Vgl.  Lipsius  145. 

5)  Also  der  38.  April  statt  des  24.  Aug.  genannt. 


461  ANALEKTEK. 

Blatt  15''— 20*':  Bartholomaeafl.  Der  Text  beginnt  oho» 
den  von  Lipsius  147  erwähnten  (im  Parisinus  11733  stehenden) 
Prolog  gleich  mit  den  Worten:  Indie  tres  esse  ab  historioffrafi$ 
adsereuni  ';  prima  est  india  que  ad  aethiopiam  mittit  ',  tt- 
cunda  etc.  Die  Schlufsworte  „et  coepit  in  nomine  aposlali 
Signa  facere.  fuit  autem  in  episcopato  (!)  ...  et  perfectia  . . .  sf- 
ctilorvm.  amen"  stimmen  mehr  zu  Nausea  als  zu  Pabridiis  II. 
Auf  Blatt  'iO''  steht  rot:  Explicit  paasio  harlhoiomeua  (!)  «ä 
apostoH  felicHer.  Scs  matheus  aposlolus  tt  euang.  duo  magi 
et  duo  draconis  (!). 

Slatt  %0^—%W':  Uatthaetis.  Der  Text  beginnt  mit  dem 
von  Lipsius  I,  1-17  erwähnten  (bei  Nausea  und  Fabricius  feh- 
lenden) Prolog:  „Quoniam  deo  cura"  (zn  Lips.  Z  6:  quam  eor- 
jjoriit»  fehlt;  7:  vor  («morari  ist  interim  interpoliert;  9:  d^lto- 
minibus  steht  im  Text).  Am  Schlüsse  folgt  der  bei  Fabriciu 
fehlende,  aber  bei  Nausea  6C*  stehende, Epilog,  dessen  Lipsios 
a.  B.  0.  gedenVt:  Zaroes  et  arfexar  (1)  Uli  duo  magi  —  segutns 
libellus  ostendit.  amen.  Varianten  zu  Lipsins  Z.  2:  apostolvs 
fehlt;  4:  regioncm  fehlt,  suni  ibi  nihilominus  pciora  fadentes; 
6:  et  est  homo  carum  animal  dco.  Hierauf  rot:  Explicit  pasaio 
sancti  aposloti  malhei,  dann  zwei  Zeilen  leer;  29"  geht  es 
weiter:  Inctpit  passio  scörum  aposiolr.  Simonis  itaque  (!)  ca- 
nanei  et  iudae^  eelolhis  dici  Itl  iulias*. 

Blatt  29-— 35":  Simon  nnd  Jnda«.  Der  Teitanfang  „Si- 
mon itaque  cananeus  et  ivdas  eclothis  apostoli  dni  nt  ihu  XTI 
cum  per  rewelalionem "  stimmt  genauer  -ta  Nausea  66**  als  in 
Fabr.  II,  608.  Zwischen  33''  und  34',  mit  velvh  letzterem  eine 
andere  Schrift  eintritt,  resp.  zwischen  tcnebris  ad  lumen  (==  Nan- 
eea  71*,  Z.  1)  und  uirorum  haptixati  sunt  (Nans.  IV,  Z.  36) 
ist  ein  grofaes  StQck  ausgefallen.  Änf  den  bei  Fabr.  II,  636,  ö 
stehenden,  bei  Naueea  fehlenden Schlnfs  „illuc  meruit  (stutt  memerint) 
peruenire"  folgt  der  von  Lipsins  117  (120,  149)  erwflhnte  wich- 
tige Passns:  „ticripsit  autem  —  saecitlorum.  amen";  zu  Lips. 
Z.  3  hat  H:  abdie  eulrobo;  4:  m  decem  libris  isla  descripsi- 
mus  initia ;  7 :  intvminatwem.  Die  VeTgleichung  einer  mir  von 
Bonnet  zugesandten  Kollations probe  aits  dem  Codex  Montepessul. 
13  5,  B.  IX  mit  H  ergab  n.  a.:  Nach  paraclitum  (Nausea  66', 
Z.   3b)  steht  in  beiden  Handschriften  die  bei  Nansea  ^und  Fabr. 

1)  Nauaea  Ö2>>:  dicuntur  .  .  .  niittil;  Fabr.  II,  669:  aMerrnitur 
.  .  .  vergit. 

2)  Den  1.  Juli  statt  des  28.  Okt.  findet  man  u.  «.  Fabr.  II,  636, 
Z.  2  (als  »atalie,  vgl.  Weidenbach,  Calendariuni  hiiL  Chrigt, 
p.  201)  und  in  Florentinius'  „MartyroL  Hieronym.",  p.  63T 
aufgeführt.     Im  Montepesa.   135  a.  IX    wird    V.  Kai.  novembr.   ge- 


u 


SCHEPSS,  ZU  DEN  APOKRYPHEN  AFOSTELOESCHICHTEN.   46ft 

II,  610)  fehlende  Stelle:  Sed  rex  astriackim  (Montepesa. 
astriases)  licet  genülis  dixit  eis  omnibus:  notum  est  iudaeos 
(M.  iitdeos)  crucifixisse  ittin  et  die  terlio  (M  terlia)  iilum  «- 
surrexisse.  &ci  ilaque  apostoli  Xi^  iudas  etc;  —  in  beiden 
Handscbriften  felilen  wie  bei  Fabr.  II,  611,  28  die  bei  Nausea 
67',  Z,  23  ttcbenden  Worte  et  agnitum  cdere  et  colendo  eum 
adorare;  —  in  beiden  Handschriften  sieht,  ähnlicher  in  Fabr.  U, 
614,  2  als  zu  Naiisea  67'',  Z.  27:  uentums  esse  (M  esse  tieft- 
turos)  quos  tpse  misisti.  Uenicnl  aulem  cum  eis  indorum  Ao* 
norati  qui  pactum  faerant  '  consent ientes ;  —  beide  Hand- 
Gcfarifteu  haben  die  bei  Nausea  68',  Z.  6  und  bei  Fabr.  It, 
614,  26  fehlenden  Worte:  (debeanl)  honorari  qui  uero  debeat 
condemnari.  —  Ofimala  begegnen  in  H  die  Schreibweisen  dox 
(^  dux)  nnd  ua  rar  dach.  Nach  35'  steht  die  rote  Subacriptio: 
Explicit  passio  scorum  apostolorum  simoni  (!)  cananei  et  iudae 
Mclolhis.     J^sio  sei  philippi  apost.  die  kl.  maiaf. 

Änf  3  5''  beginnt  der  Philippnateit ,  die  erste  Zeile  in  Un- 
cialen:  Po^  nscensionem  dm  saluaioris per  annos  XX  instanter; 
Tgl.  Fabr.  II,  738  und  Nansea  59*,  LipsiuB  146.  Die  Seite 
und  mit  ihr  die  geaamte  Handschrift  schliefst  abrupt  mit:  die 
terlia  resurrerisset  (!)  quomodo  pOst  resvrrectionem  cadem  quf 
ante  passionem  ^  Fabr.  740,  8 ;  Nansea  59^  Z.  3. 

Mustern  wir  den  Bestand  der  übrigen  und,  wie  ich  kanm  noch 
einmal  hervorzuheben  brunche,  im  Vergleich  lu  U  sämtlich  jün- 
geren BandecLriften,  eo  finden  wir  die  nämliche  Beihen- 
folge  der  Passionen  in  cod  S.  Genovefae  Paris.  H.  1.  3,  s.  XII  ' 
und  in  dem  oben  (za  Simon-Judas)  herangezogenen  verstQmmel- 
ten  Montepesa.  135,  s,  IX  *;  auch  in  Montepess.  55,  s.  IX* 
herrscht  die  gleiche  Anordnung  nnd  die  engste  Verwandtschaft 
mit  H's  Lesarten,  doch  erinnere  man  sich  immerhin  an  das, 
was     oben    (Thomas)    über    diese    Handschrift    (und    Ober    Paris. 


1)  Im  MonfepCHB.  135  ist  in  ferntit  vor  c  ein  Buchstatte  aua- 
rndiert.  Dieselbe  Erscbeinuog,  dafs  DÜmlich  im  Moatepess.  uTsprüng- 
licb  Gleichheit  mit  H  vorlag,  später  aber  durch  Haaur  eine  Änderung 
TOrgenommen  wurde,  liegt  z.  B,  auch  in  folgenden  Fällen  vor:  ED 
NauseA  67*,  Z.  33  hatte  M  wie  H  habiturui,  zu  67>>,  Z.  17  ist  hinter 
Domine  eine  Rasur,  auf  welcher  das  in  H  stcheude  nobi»  gestanden 
haben  mufs.  Übrigens  wäre  es  falsch,  schÜefHen  lu  wollen,  dafs  U 
direkt  aus  H  abgeschiieben  sei;  bo  sind  t.  B.  in  H  die  Worte 
Nausea  66''.  Z.  32  per  beatos  —  Je»um  Christum  ausgeiallen,  wührend 
sie  im  Monlepess.  (nach  doctorem  gut)  vorhanden  sind. 

2)  LipaiuB  128.  152.  410. 

3)  Ebd.  128. 

41  Nach  dem  „  Calalogue  gtin^ral  des  manuscrita  .  .  .  des  d^ 
partemeota",  T.  I. 


456  ANALEKTEK. 

18298)  gesagt  wurde.  Anch  auf  S.  Genovef.  H.  1.  10,  8.  XUI^ 
und  Paris.  5296 D,  s.  XI*  möge  hier  hingewiesen  sein»  wiewohl 
in  letzterem  Thomas  fehlt.  —  Obgleich  abweichend  in  der  An- 
ordnung der  Passionen  sind  doch,  wie  oben  nachgewiesen 
wurde,  auch  Bonnet*s  cod.  G  (GenoveC  Paris.  U.  1.  9,  saec.  X — XQ 
und  Q  (bibL  nat.  Paris.  17002,  s.  X)  sehr  nahe  mit  U  yerwaodt 

Zugestanden  nun,  daüs  die  durch  H  yertretene  Oberliefemng 
da  und  doii  übertroffen  wird  durch  die  übrige  Tradition  [wii 
durch  Parisinus  18298  oder  Wizanburgensis  48  (und  Paris. 
5301)],  so  verdient  H  dennoch,  da  er  an  Alter  auch  diese 
Handschriften  überragt,  sicherlich  die  sorgfältigste  Be- 
rücksichtigung und  wird,  wie  auch  Bonnet  annimmt,  irotx 
mannigfacher  Fehler,  die  namentlich  durch  die  Unwissenheit 
des  Schreibers  verursacht  sind,  besonders  für  grammatikalisch« 
und  orthographische  Dinge  von  Wichtigkeit  werden.  Indem  wir 
uns  hiermit  zur  näheren  Beleuchtung  der  Altersfrage  wenden,  so 
scheint  die  von  älteren  und  neueren  Würzburger  Bibliothekaren 
festgehaltene  Bezeichnung  mit  „saec.  YIII''  vollkommen  richtig 
zu  sein;  ögg,  der  in  seiner  Chorographie  von  Würzburg  (1808\ 
S.  297 — 585  die  älteren  Manuskripte  einer  meist  nur  diplo- 
matischen Beschreibung  unterzieht,  setzt  (S.  449)  sogar  den 
Anfang  des  8.  Jahrhunderts  an.  Grofse  Ähnlichkeit  mit  der 
von  Blatt  1  — 33  auftretenden  angelsächsischen  Schrift  hat 
Tafel  33  des  zweiten  Heftes  von  Amdt's  Schrifttafeln  1874 
(jedoch  hat  H  von  Blatt  1 — 33  stets  s,  nicht  f)"»  a'ich  die 
übergeschriebene  Schrift  des  Palimpsests  bei  Wattenbach- Zange- 
meister  1876  Tafel  17,  sowie  Tafel  41  (semiuncial)  sind  nahe 
verwandt.  Für  Blatt  34  und  35  sind  Arndt,  Tafel  9^  und  12, 
sowie  die  übergeschriebene  Schrift  bei  Wattenb.-Zangem.,  Taf  30 
zu  vergleichen.  Alle  diese  Schriftproben  gehören  aber  ins 
8.  Jahrhundert.  Abkürzungen  sind,  abgesehen  von  Wörtern  wie 
dominus,  dcus,  dicit  etc.,  äufserst  sparsam  angewandt  und  End- 
silben, die  in  späterer  Zeit  allgemein  gekürzt  werden,  erscheinen 
noch  voll  ausgeschrieben;  wohl  aber  begegnen  die  alten  tironi- 
schen  Zeichen  für  autem  und  enim;  dem  hohen  Alter  entsprechen 
ferner  Schreibweisen  wie  baeatus,  haherae,  potaest.  Von  Inter- 
punktion ist  so  gut  wie  nichts  zu  bemerken. 

Die  Schrift  von  Blatt  1  —  33  ist  ruhig,  rund,  grofs  und 
deutlich;  für  Latein  hatte  der  Schreiber  wohl  nur  geringes  Ver- 
ständnis, denn  die  Wörter  sind  zuweilen  sinnlos  zerrissen  oder 
anderseits  ungehörig  mit  einander  verbunden.  Letzterer  Um- 
stand in  Verbindung  mit   dem  Auftreten   von  Schreibweisen   wie 


1)  Lipsius  128.  152.  154. 

2)  Ebd.  128. 


SCHEPSS,  Zu  DEN  APOKRYPHEN  APOSTELGESCHICHTEN.   457 

readire,  reddire,  amfrigerit,  conpellirent  ',  salupre,  plasphemus, 
hepreits,  rupeta,  hurburn,  discibulus  schien  darauf  hinzuweisen, 
dafe  unser  Schreiber  eine  Vorlage  vor  sich  gehabt  iiabe,  welche  in 
üncialaclirift  und  ohne  Worttrennung  geäclirieben  war  und  grofae 
Ähnlichkeit  von  I  u.  E  und  B  u.  P  aufwies:  dagegen  künnen  für 
einen  Archetypus  in  Hinuskelscbrift  geltend  gemacht  werden:  ge- 
malis&UtttyemaUshzv.hifmalis,  Korrekturen  w'id  bellaum,  auraum, 
aälaura,  wo  «  und  offenes  n  der  Vorlage  verwechselt  wurden; 
auf  Blatt  14''  liest  mtin:  ronskcdnsrinffos.  während  es  doch  con- 
fr'uxj-ts  heifien  innfs;  /"und  /"  massen  also  in  der  Vorlage  grofafl 
ÄhnlichlLeit  gehabt  haben.  Schliersliuh  sei  erwtllint,  dafs  häufig 
u  und  ö  verwechselt  werden  und  dafa  wohl  infolge  von  ver- 
schnörkelten Ä- Ligaturen  der  Vorlage  oft  Formen  erscheinen 
wie  apareitit ,  apercite ,  alleren ,  aber  auch  sermeonf- ,  ipseo, 
aguen,  Icrlico.  —  Die  iiuf  Blatt  34  f.  auftretende  Hand  fiiihreibt 
steiler  mit  ausgeschriebeneren,  aber  markigen  ZQgen  und  mit 
korrekterer  Textauffassung.  Von  dieser  Hand  sind  die  roten  Über- 
schriften zu  dem  Pensum  1 — 33  eingetragen  and  eine  kleine 
Strecke  Text  (auf  'Ai}^)  ist  gleichfalls  echun  von  ihr  gOHchrieben; 
auch  die  Art  und  Weise,  wie  (gleichfalls  auf  20'')  die  rote 
Überschritt  inr  Matthäus passion  und  der  Textinfang  ineinander- 
greifen, spricht  bereut  fOr  gleichzeitige  Arbeit  eines  ge- 
wandteren and  eines  mehr  schülerhaften  aber  dafür  um  so  deut- 
licher schreibenden  Librarius. 

Die  Zeilenzahl,  anf  dem  ersten  Blatt  38,  sinkt  später  zu 
33,  30  und  auf  den  zwei  letzten  Blättern  zu  29  herab.  Von 
Schollen  und  Glossen  ist  nirgends  etwas  zu  finden.  Die  anf 
einigen  Bändern  (14''  u.  a.)  auftauchenden  Spuren  von  Quater- 
nionenbezeichnungen  sind  so  unsicher,  dafs  es  zu  wenig  lohnen 
wQrde,  hier  auf  diesen  Punkt  einzugehen.  Auf  dem  vorderen 
Holzdeckel,  in  welchen  die  Handschrift  gebunden  ist,  steht  von 
später  Hand  unpassend :  passionnlis  Über  de  seu  bartho(hmaeo)  ; 
Bchon  damals  als  der  Hoizdeckrd  angelegt  wurde,  scheint  K  zu 
Anfang  und  am  Ende  verstümmelt  gewesen  zu  sein.  —  Die 
Handschrift  gehörte  früher  dem  Dom  zu  Würzburg;  sie  wird 
unter  jenen  183  Manuskripten,  die,  nachdem  sie  1631  vor  den 
Schweden  auf  den  Dacbstuhl  des  Domes  geflüchtet  worden  waren, 
nm   1720  von   v.  Eckhart    wieder    aufgefunden    nnd    verzeichnet* 


1)  VerwecbBluiig  der  dritten  und  vierten  :Konjugation  ist  aller- 
di  nga  auch  «onst  in  der  mitteklterl.  Lattnität  oft  nMuhiuweiHcn. 

2}  ßeufe.  Scrapeum  HI  (1842),  p.  3VX  In  dem  Brief  Bischof 
Humbert'a  an  RnbanuB  Manru»  ^Migue  108,  1107  f.)  kann  man  die 
Nennung  des  passiouale  unter  den  andern  Schätzen  der  Würzburger 
Bibliothek,  die  noch  Jetzt  besonders  reich  ist  an  alten  patristiachen 
Handschriften,  dem  ganxen  Zusammenbang  nach  nicht  erwarten.    In 


4M 

wnr^ea,  mit  3r.  61  aiigifliliit  sda  „Bumomale  J^mttoknmr 
fbrma  qtMdrftta^  imembr.**. 

Zorn  SehliMM  erwähne  ieii  für  ApoiteUagndaii  noch  Mgauk 
Wünharger  Haadschriftgn: 

Mp.  th.  t  l:^,  3.  Xn  «ndiilt  Blatt  124iL:  B^atio  de 
tram^niUme  A,  JtMeald  a^pöstali  frfxtna  Jakmmis  (,,Beati  Jaaü 
0ifoaoli'*  tCe.);  Xp.  tii.  <|.  46,  8.  Xu,  Blatt  121 — 128:  Asf» 
S,  Jöomms  et  FofuH  ^  Snrins  26.  Juni,  333.  Sna  inter- 
flgoante  alte  Haadaehrift,  wenn  aoch  nickt  ape&ull  die  Apost^ 
betretTend,  ist  Xp.  tb.  q.  28**;  se  biatet  o.  a.  die  passio  Cae- 
eiUae  (s.  Bonnet  praefL  p.  XVII),  Jidiamaey  Agmetia^  AgathM 
ttad  stammt  aoa  dem  8.  —  9.  Jahrhwndgt.  Aoefa  1^.  tfc. 
1  34,  8.  XI,  gieieh  Bonnefa  W  aas  d«n  berfthmtsi  Weifsei- 


dem  aken  Donnkatalog  t.  IX ^X  [Seufs.  Senpeom  TI  (18451 
S.  180-182:  jet2t  bei  Becker,  Catahigi  faiblifftk.  antiqm  (18»), 
8.  38 — 4t]  kommt  o.  a.  tot  KiXf  «o^imma  «äoe  ptärmm ;  ans  Benifl' 
ADjeabe  t>t  XII  (Becker.  Nr.  46*;  könnte  man  ▼jefleicht  snppüaen 
wollen  fyOpöntßiM**  xsnd  daM  an  d»  Ton  lipsins  151  rekons^iiierta 
THcl  .fUbir  pcwti&mtm  XII  apcgtoiormm**  denken,  jedoch  ist  im  Ori- 
ghMl  diese»  Katalogs  (Mp.  tb.  £  40)  nach  XU  dcntiieh  an  lesen: 
„neriptoribus  iherrmimi**  (die  erste  Hälfte  der  näfhaten  ZeQe  ist 
nnleiieriicb; :  man  wird  wabracbeinlicb  an  das  (tqh  Bahr,  Romliifhft 
LHTtteratnr,  snpplem.  I,  S.  120  erwähnte)  pgcndohieronjmTaniwehe  Bodi 
,,df,  duodecim  floetoribun  ad  DtMerium^  zn  denken  haben:  des 
Hi^onymnÄ  „Mmmentarii  in  duodecim  prophetas  minores ^  werden 
im  zwf^U^  Teil  des  Katalogs  einzeln  rorgemerkt.  —  Ich  kann  bei 
dieser  Gelegenheit  überbaapt  die  Bemerkung  nicht  nnterdrücken,  dafs 
für  eine  Nenanflage  Becker's,  die  auf  Gnind  der  von  mehreren  For- 
schem beigestenerten  Nachträge  (s.  namentlich  Peribach  in  Hartwig- 
Hchnlz's  ^Centralblatt  für  Biblothekswesen"  1885,  S.  26.  30  ff.)  recht 
bald  erfolgen  möge,  dies  Original  entschieden  berücksichtigt  werden 
mnh,  da  es  an  vielen  Stellen,  die  Renfs  nicht  entzifferte,  fuglich  ge- 
lesen werden  kann,  wenn  auch  die  erste  Seite  (bis  Becker's  Nr.  54 
reichend;  sehr  geschwärzt  ist.  Die  Anordnung  des  Originals  sowohl 
anf  8.  1  als  auf  dem  Nachsetzblatt  des  Codex,  welche  nicht  einen 
einheitlichen  fortlaufenden  Text  bietet,  sondern  auch  die  Ränder 
rechts  und  links  mitbenutzt  und  auch  auf  mehrere  Schreiber 
«(ihliefwen  läfst,  hätte  von  Reufs  sorgfältiger  beachtet  werden  sollen. 
(ihrigenH  ruhen  jetzt  nicht  weniger  als  46  ehemalige  Würzburger 
Handucliriften,  darunter  viele  aus  dem  9.  oder  10.  Jahrhundert  zu 
Oxford  in  der  Bodlciana  unter  den  „Codices  Laudiani".  —  Von  sicher 
datierten  Würzburger  Handschriften  seien  hier  erwähnt  die  einen 
we»rntlich  jiinireren  Bchriftcharakter  als  H  aufweisenden  Codd. :  Mp. 
th-  f.  14  ^Hiif  Ik'fehl  des  Bischofs  Humbert,  832—841,  geschrieben); 
Mp.  th.  f.  21  (geschrieben  auf  Befehl  Bischofs  Gotbald,  f  855);  Mp. 
th.  f.  124  (unUT  Abt  Rudolph  von  St.  Stephan,  nach  1143).  Son- 
Hfige  merkwürdige  Einschritten  aus  Würzburger  Handschriften,  von 
Ogg  oft  wunderlich  ausgedeutet,  s.  bei  letzterem  S.  408.  479.  497 f. 
nU).  518.  027.  579—586;  vgl.  auch  Dümmler  in  den  „Forschungen 
«ur  deutschen  Geschichte**,  Bd.  VI,  S.  115 ff. 


SS,  zu  COLUMBA  VON  LÜIEUIL3  KLOSTERÄEQEL.     459 

burger  PeUraltloster  stammend,  bietet  nebet  acderweitigem  In- 
halt eine  Anzahl  Yon  Passionen:  Agnes,  NazariuB,  Georgias, 
Laurentius,  Hippolytua,  Xi/stus. 


Zu    Colamba    vod    Liiieuils   HIosterregel   nod 
Bulisbiicb. 


Von 
Dr.  0.  Seebafs  in  Dessau. 


Dr.  H.  J.  Schmitz,  der  yerdiente  Verfasser  des  im  Jahre 
1863  erschienenen  Werkes:  „Die  Barsbücher  nnd  die  Ba(s- 
disziplin  der  Eir'-.he",  hat  in  dem  51-  Bande  von  Vering's  Archiv 
fBr  katholisches  Kirchenrecht,  S.  3 ff.  meine  Dissertation  „Ober 
Columba  von  Luienils  Ktosterregel  und  Bufsbuch"  (Dresden, 
C.  BOckner,  1883)  einer  ausführlichen  Besprechung  untenogen. 
Unter  den  Ansstellangen  und  Einwürfen,  durch  welche  er  sein 
im  allgemeinen  anerkeDnendes  urteil  einschränkt,  wird  man  so- 
fort diejenigen,  welche  ihm  durch  seinen  Standpnnkt  auf  dem 
Boden  des  römischen  Rircbentums  an  die  Hand  gegeben  waren, 
von  den  bis  torisch- wissenschaftlichen  unterscheiden  '.  Hier  ken- 
nen wir  es  selbstverständlich  nur  mit  den  letzteren  zn  thun 
haben. 

Den  Übergang  zu  diesen  Punkten  bildet  die  Frage  nach  der 


1  komme  ich  auf  die  Frage:  ColambA 
i  Scbmiti  die  Anmerkung  auf  S.  3 
roelaei  Dissertation  genauer  (und  in  der  berichtigten  Form  aaf  S.  2> 
gelesen,  so  würde  er  wohl  kaum  den  Widerspruch  gegen  „Colamba 
erneuert  haben.  Ich  habe  mit  der  Verweisung  auf  Ebrard  (Iro- 
schott.  Missionskircbe,  S.  16)  angedeutet,  dafa  in  dieser  Frage  durch 
den  genannten  Gelehrten  bereits  eine  endgültige  Antwort  Kegeben 
worden.  Wenn  Columba  in  allen  seineu  Briefen  sieb  ausscmieralich 
dieser  iriseben  Form  seines  Namens  bedient  und  gerade  diese  Form 
■o  nachdrücklich  hervorhebt  (Epist  4,  Maiima  biblioth.  patr,  Xu, 
SIC),  v>  haben  wir  keinen  Grund,  ihm  dieselbe  femer  noch  vorxu- 
enthalten. 

30» 


460  JkHALBKTES. 

Hissionstbätigkeit  Cnlumba's.  „Wae  S.  ^egen  die  MiKiooiwif- 
gab«  ColDoibaDS  von  einem  bis  mni  Anraersten  siift«cht  ettialu- 
oen  EremiUntum  estgt,  steht  in  direlftem  Widerapracb  snr  hiito- 
riBchen  Naohriclit".  bemerkt  Scbmiti  S.  8.  Nun  habe  ieb  iMr 
keineswegs  ^elengnet,  Aa!s  Coiumba  überhaupt  mi«sioD arisch  thitif 
genesen;  die  Bebauptung  jedoch,  dafs  seine  Wirksamkeit  dts 
eines  Ap'>stels  nur  weni^  ähnlich  gewesen,  halte  ich  durcfaib 
aufrecht  Was  ich  zum  Beweise  vorgebracht,  ist  von  Lonfi 
(Theol.  Lilteratuneitong  ^883,  Nr.  14;  s.  anch  dessen  Antiqu. 
Brit.  Suot.  eccl.  p.  104 sqq.)  anerkannt,  von  Schmitt  nicht  «in- 
mal  versDcht  norden  zu  widerlegen.  Indem  er  auf  S.  $  iit 
Th&tigkeit  Columbas  '  clmrakterisiert ,  bietet  er  allerdings  i«n 
St«llen,  welche  besagen,  dafs  es  in  Columba*8  Absicht  gelrgec, 
den  Ilei'Ien  das  Evangelium  zn  predigen  ^  aber  beidemal  f«hlt 
die  Apgabe,  dar»  er  diese  Absiebt  ancb  ausgeführt,  so  daTs  C-<- 
lumb;!  in  der  Tbut  ganz  richtig  in  dieser  Beziehung  bemeri>t: 
sed    hnec    vota    sunt  potius    in   me    quam   acta  (Epist.  3,    Nu. 

bibi.  xir,  27  c). 

Es  bleibt  also  nnr  der  Hinweis  anf  die  Tbfitigkeit  Cotumba's 
am  Bodensee  Qbrig.  Hier  aber  hat  er  sich  nur  vo rn berge benil 
aufgehalten  und  seine  missionarische  Wirksamkeit  kann  sehun 
deshalb  nicht  bedeutend  gewesen  sein,  weit  er  der  alamanniticliea 
Sprache  nicht  mächtig  war  (S.  Vita  S.  tialli  6,  bei  Mabill. 
Acta    II,    p.    333).      Dafür     aber,    dafs    Colamba    die    Abstinetii 


1)  Dcu  schärfsten  Widerspruch  des  Herrn  Kezensenten  hat  mein« 
Behauptung  (Disaert.  S.  T)  hervorgerufen,  dafs  auch  Columbas  Reg«! 
„eine  bedenkliche  Hinneigung  zu  geaetzlicher  Aufiassung  desChriaten- 
■tanÜRB,  zu  der  Hauptuntugend  der  römischeu  Kirche,  die  Gewiaseo 
statt  allein  an  das  Guttenwort  au  die  Autorität  der  kirchlichen  Oberen 
z«   binden"   enthalte.     Zum   Beweise  hatte   ich   voruehmlich   auf  du 

S^amte  'J.  Kapitel  „de  mortificatione",  insbesondere  auf  die  Worte 
Dgewieseu ,  dars  der  Mönch  stets  sich  von  dem  Ausspruch  einej 
andern  abhängig  wissen  müsse  (hoino  semper  de  ort  pendeat  ailftii^l, 
dafs  niemand  durch  das  Zeugnis  seines  eigenen  Gewissens,  eondeni 
nur  nacli  Ausforschung  seitens  eines  Gewissensrichters  zur  inneren 
Ruhe  gelange  (nihil  dutciua  est  conscimtiae  securitaie  ....  quat» 
nul?u»  sibi  ip«i  ptr  ge  potesl  traderr..  qune  jiroprie  aiiorum  est  na- 
minis).  Schmitz  hat  einen  langen  Abschnitt  (S.  6—8)  niedergeschrie- 
ben, um  diese  uncbriatliehe  Unterwerfung  unter  das  Urteil  eines  sün- 
digen, iirtuinnfUhigen  Mitmenschen  zu  rechtfertigen;  aber  wenn  er 
anoh  Dutzende  von  Aussprüchen  der  patre»  und  papae  ecciesiae  lu- 
hilfe  nehmen  könnte,  so  würde  das  nicht  genügen,  um  den  unmittel- 
baren Widerspruch  zu  beseitigen,  in  welcfacDi  die  angeführten  Stellen 
der  columbauischeu  Regel  mit  den  Worten  Christi  und  der  Apo*tel 
stehen:  vgl,  IJoh.  3,  '21:  'iLnc  i/  zrcMfCn  t,fiB>$'  fi'i  ■niRj'dviavi;  i]ulDv, 
nttQQrinlBv  i)iofitv  n^öf  jiv  Itföv ;  Köm.  14,  5:  fxaaro;  tv  ii^i  Hin 
voi'  nlj]Qoifoi)i(aSio  und  vor  allem  Joh.  8,  31:    Kai  ytwafoSi  r^i'  ält}- 


SEEBASS,  ZU  COLUMBA  VON  LUXECILS  KLOSTEBREGEL.     461 

bis  zura  aufaeteten  getrieben ,  soUton  düoh  scboii  die  von  mir 
aDgefuiirten  Worte  der  Vita  Col.  1 G  &U  Nachweis  genQgen: 
erat  cibo  ita  altettuatus,  al  vix  vivere  crederetur.  Man  nehme 
uocli  hinzu  Kap.  14  (AuU  II,  p.  U):  Novem  jam  trana'terant 
dies ,  quo  vir  Sei  cum  suis  »oh  alias  dupes  capertt ,  quam 
arborum  vortkea  herbasque  saltus. 

Die  Kesultiite  meiner  Untursnchungen  über  du3  7.  Kapitel 
der  Hegel  Columbos  eignet  sich  Schmitz  an,  aber  die  Art  und 
Weise,  wie  er  dies  thut,  iät  charukteristisch.  Nachdem  ei 
iltetfelhen  in  grörater  (iiuJ  mifsTerslünttliulier)  Kürze  ungegoben, 
fülin  er  fort  (a.  a.  0.  S.  10):  „S.  hat  recht  viele  Mähe,  diese 
einfw^hen  VerordnnDgen  im  Kap.  TII  DacLzuweisea."  Freilich 
iieiimeD  sich  dieeelbeu  uiil'  S.  24  meiner  Dissertation  einfach 
peuiig  aus;  von  den  Schwierigkeiten  aber,  dieselben  aus  dem 
Text  des  VII.  Kapitels,  desaeu  DarsteliuBg  von  Kbrard  (Iro- 
schott  Misäionsl!.,  S.  ii')  „äufserst  dunkel  und  schwierig"  ge- 
nannt wird  (s.  Mahillun  Ann.  11,  p.  '212:  Obacurum  eal  qtiod 
de  curau  ac  ai/naä-t  psaimorum  prtiescribit) ,  und  bei  welchem 
eine  nicht  geringe  Zahl  teKtkri  tisch  er  Fragen  zu  erledigen  waren 
(ä.  Menard  L'oncord.  ßegg.  p.  3^7),  zu  entnehmen,  scheint  Schmitz 
keine  Ahnung  bekommen  zu  haben.  „Aber",  so  keifst  es  weiter, 
„  das  ist  nicht  zu  verwundoni ,  da  ihm  die  in  der  Psalmodie 
L'ebrit lieblichen  termini  tedinici  zum  gröfsteu  Teil  ganz  unbe- 
kiUiDt  waren." 

Ohne  nun  für  dieses  Mal  mich  in  eine  genauere  Erörterung 
die^e^  hymnolagischen  Begrifi«  einzulasüen,  erwidere  ich  hier  nur 
äoviel :  1)  Au  der  von  mir  hervorgehobenen  Synonymität  der 
Auisdrßcke  unliphonne  paalmorum  und  chori  (cliorac)  ist  —  für 
das  7.  Kapit«!  der  Regel  Columba's  und  das  75.  Donat's  —  fest- 
zuhalten; der  Beweis  ist  vollatflndig  vun  mir  erbnicht;  2)  daia 
die  ur--prflng!iche  Bedeutung  von  anfiphona  richtig  von  mir  an- 
gegeben, mag  man  aus  Du  Cange's  Clossar  I,  p.  ät<2  entnehmen; 
3)  im  übrigen  verweise  ich  auf  die  llarstellung  des  columba- 
niscLen  l'ealmenkur^es  bei  Greitli,  Die  ulliriscbe  Kirche,  S.  282. 
Dem  hochwürdigen  Bischof  vun  S.  Uullen  gegenüber,  der,  wie 
icL  es  gethan,  die  Antiphonen  als  Chorgesange  neben  dem  Psalmen- 
gesang autfafet,  dürfte  es  Herr  Schmitz  wobl  weniger  geraten 
linden,  an  die  „lächelnden  Chorknaben"  zu  appellieren. 

Auch  inbezng  auf  den  Uauptteü  der  Dissertation  erklärt  eich 
Schmitz  mit  den  Ergtbnisnen  derselben  einverstanden.  Er  giebt 
zu ,  dafs  die  reg.  eucnobiiilis  nicht  nur  wirklich  von  Columba 
heiTübte,  bondein  iinch  einen  Teil  der  regula  Col.  gebildet  habe; 
auch  er  erkennt  in  der  leg.  coen.  H  eine  jüngere,  mehrfach  er- 
weiterte Fassung  der  COnobialregel,  er  halt  die  von  mir  gemacht« 
Bemerkung  fQr  richtig,  dafs  die  Becitimmungen   der  reg.  coen,  I 


462  ANALEKTElf. 

Ton  Kap.  X  ab  von  den  Yorhergehenden  Kapiteln  mk  wA  ^ 
Fonn  und  Inhalt  unterscheiden;  ja  selbst  das  giebt  SdilB  v^ 
noch  zu,  dals  zwischen  diesem  zweiten  Teil  der  reg.  cool  I  Ml  ^ 
dem  letzten  des  Poenitentiale  Colnmbani  B  (Wasserschlelnl  ^ 
8.  351)  eine  innige  Verwandtschaft  bestehe  (a.  a.  0.  S.  UtlF 
Eben  diese  Wahrnehmung  hatte  mich  zu  der  Vermutung  gAi^ 
daCs  der  zweite  Teil  der  reg.  coen.  I  ursprünglich  dem  Pteä»! 
tial  Columbas  angehört  habe.  Dem  tritt  nun  Schmitz  scharf  n^ 
gegen.  Da  er  n&mlich  die  Autorschaft  Columbas  bezfigiicb  k 
beiden  nach  ihm  genannten  Pönitentialfhigmente  leugnet  (M 
bflcher,  S.  593),  so  kann  er  auch  den  Versuch  einer  Ergiazoi 
derselben  durch  ein  anderes  columbanisches  Bruchstfiek  mM 
unangefochten  lassen.  Jedoch  ist  den  Ausführungen  Sebnüi'i 
gegen  meine  Untersuchungen  über  die  Cönobialregel  schon  d» 
halb  ke^ne  wissenschaftliche  Bedeutung  zuzuschreiben»  weil  Scbnb 
sich  in  denselben  nur  auf  den  Holsten'schen  Text,  also  auf  ii 
reg.  coen.  II,  deren  jQngere  Abfassung  er  zugesteht,  gründet  ai 
sich  nicht  einmal  die  Mühe  genommen  hat,  den  Text  der  nf. 
coen.  I,  wie  derselbe  nicht  nur  bei  Fleming,  sondern  auch  h 
der  Max.  biblth.  vorliegt,  einzusehen.  Dies  geht  schon  aus  seiiff 
Bemerkung  (a.  a.  0.  S.  19)  hervor,  dafs  er  in  der  tmüm 
H&lfte  der  Cönobialregel  29  Fälle  körperlicher  Züchtigung  ge- 
zählt habe,  die  mit  den  Ausdrücken  verbera,  plagae,  pereusakma 
und  prostratio  ^  bezeichnet  seien,  während  doch  nur  dreiml 
(nicht  zweimal,  wie  ich  irrtümlich  auf  S.  50  der  DissertatiM 
angegeben  habe) '  in  dem  zweiten  Teil  der  reg.  coen.  I  yon  dir 
Prügelstrafe  die  Bede  ist  und  die  Bezeichnangen  plagae,  per- 
cussiones  sich  hier  gar  nicht  vorfinden.  Sodann  hat  Schmiü 
seine  Citate  stets  aus  der  reg.  coen.  II  (dem  Holsten'schen  Text) 
entlehnt;  es  ist  ganz  unbegreiflich,  wie  er  den  Anfang  des 
Holsten'schen  Textes  für  seine  Beweisfahruug  heranziehen  kano, 
da  ich  doch  (S.  52  der  Dissertation)  darauf  hingewiesen  hatte, 
daTs  hier  der  Text  der  Cönobialregel  erweitert  worden  sei,  üb 
dieselbe  dem  Pönitential  Columbas  täuschend  ähnlich  zu  machen. 
Zur  vollen  Gewifsheit,   dafs   der  Wortlaut  der   reg.  coen.  I  von 


1)  prostratio  gehört  nicht  hierher.  S.  reg.  coen.  cap.  3;  Donat'i 
Regel  cap.  26. 

2)  Der  Cod.  Sangall.,  aus  welchem  ich  demnächst  eine  Abschrift 
der  reg.  coen.  beibringen  werde,  liefert  noch  ein  yiertes  Mal.  Ich 
siehe  infolge  dessen  die  auf  S.  50  meiner  Dissertation  ausgesprochene 
Behauptung,  dafs  diese  Stellen  ursprünglich  nicht  in  dem  Pönitential 
ColumDas  gestanden,  zurück.  Da  auch  die  columbanischen  Pöoitential- 
fragmeute  (,A,  IX;  B,  26 f."^  die  Prügelstrafe  erwähnen,  so  werden  wir 
lu  der  Annahme  geführt,  dafs  Columba  in  der  That  auch  die  körper- 
Uohe  Züchtigung  als  sakramentale  Pönitenz  verwandt  hat. 


SEEBAS5,  ZU  COLUHBA  VOIf  LUXEUILS  KLOäTERBEOEL.     463 

Scbmitz  nicht  nachgesehen  worden,  führt  seine  Bemerkung  (S.  16), 
„statt  ciiicun^e  wird  es  wobi  u^icwn^ne  heirsen  müssen".  Denn 
die  reg.  ooen.  I  bietet  nict  cuiciinquc,  sondern  quandocunque 
(wie  Donat),  also  ungefähr  das,  was  Schmitz  dort  zu  finden 
wänscbte.  ^  Der  Haupteinwand,  den  Schmitz  gegen  die  Ver- 
weisung des  zweiten  Teiles  der  Cönobialregel  in  das  Bufdbuch 
Columba's  erhebt,  tat  der,  dafs  die  Strafb  estimmun  gen  desselben 
sich  „auch  nur  auf  leichte  Vergehen  gegen  klösterliche  Ordnung" 
bezieben  (3.  15)  und  ebenso  wenig  wie  die  des  ersten  Teiles 
als  „sakramentale"  Pünitenzen  aufgefafst  werden  könnten. 

Mit  dem  eisteren  widerspricht  Schmitz  sich  selbst ,  da  er 
S.  12  zugestanden  hatte,  dafs  die  zweite  Hälfte  auch  inhalt- 
lich TOD  der  ersten  sich  unterscheide.  Was  aber  den  „sakra- 
mentalen"  Charakter  der  Pönitenzen  in  den  Kap.  X — XV  an- 
langt, so  habe  ich  (S.  51  d.  Dissert.)  darüber  bemerkt,  dafs 
im  wesentlichen  die  in  diesen  Abschnitten  erwähnten  Ver- 
gehen sich  eher  als  solche  erweisen,  die  eine  Ausschi iefsung 
vom  hl.  Abendmahl  zur  Folge  haben  konnten.  „Uierbei",  meint 
Schmitz  (3.  15),  „ist  S.  offenbar  von  einer  Gedankenlosigkeit  über- 
rascht worden."  Nun,  während  in  Kap.  I  — HI  vornehmlich  von 
Versäumnissen  der  Mönche  hei  Tisch  und  im  Hause,  in  Kap. 
V — VIII  Ton  Qbermüttgem  Benehmen,  unnützem  Kedeo  o.  dgl, 
gehandelt  wird,  tritt  in  Kap.  X  u.  XI  sofort  der  eigentliche 
ungehorsam  gegen  den  Äbt  und  die  Regel  mit  scharfen  Straf- 
ansfitzen  .-tuf.  Das  XV.  Kapitel  handelt  von  den  Nachlässig- 
keiten der  Kleriker  bei  Verwaltung  der  Sakramente,  die  mit 
Pönitenz  bis  zu  einem  Jahre  bestraft  werden;  die  mittleren  Ka- 
pitel von  Nachlässigkeiten  beim  Gottesdienst,  von  Streit,  beharr- 
licher Lüge  u.  .1.  Wenn  ich  hiermit  die  Berechtigung  der  Be- 
hauptung, diils  im  wesentlichen  in  der  zweiten  Hälfte  der 
Cönobialregel  Vergehen  abgeurteilt  werden,  die  eber  eine  Aus- 
schliefsung  vom  hl.  Abendmahl  zur  Folge  haben  konnten,  nach- 
gewiesen zu  haben  glaube,  so  verkenne  ich  dabei  keineswegs, 
dafs  auch  in  diesem  Teile  leichtere  Veifablungen  vorkommen 
und  manches,  was  düQ  Beütimmungen  der  ersten  Hälfte  sehr 
ahnlich  sieht  (vgl.  bes.  Kap.  IV  u.  XII.  XIV).  Dafs  aber  von 
Kap.  X  ab  alles  eine  andere  Bedeutung  annimmt  und  in  anderen 
Znsammenhang  gehört,  sollte  doch  schon  durch  die  auffallende 
Veränderung  in  den  Strafansätzon  klar  werden.  Von  hier  lautet 
dos  Strafurteil  gewöhnlich:  iinum  dicm  (duos  dies)  uno  paxi- 
matio  et  aqua  oder  einfacher  in  pane  et  aqua.  Bibso  Bestim- 
mung kommt  in  den  voraufgehenden  Stacken  durchaus  nicht  vor  * 


1)  Reg.  coen.  II  bietet  (S.  100  bei  Holst.):  potnitentia  in  pane 
aqua,  wo  die  reg.  I  t.cap.  VIII)  nar  in  potnitentia  bat.    Wiedet 


461  ANALtKTES. 

in  den  PüniteDtiulieii  Jugegen  refelmäfsig.  Wae  aber  jene  fsr  1 
«las  PBoitential  zu  laicht  befuniienen  Vergehen  anlangt,  so  Im 
Üildaa  in  dem  seinen  (Schmitz,  Bursdisziplin ,  S.  495) 
^anze  Reihe  soluher  neben  schweren  VBrlirecbeii  mit  berttckaiclc 
tigt  (a.  §  -i.  7.  ö.  10,  15.  J9.  2ä.  26).  W«rmu  sollte  uiihl 
auch  Oolumba'ä  Buf^bucb,  dessen  Verwandtschaft  mit  dem  i'üni- 
lentiul  des  Gildas  ich  nachgewiesen,  ahnlichu  Ansülie  entluLttes 
können?  Nun  aber  zeigen  eich  gerade  zwischen  dem 
Teil  der  re^.  coen.  I  und  dem  Pünitential  des  Uildas  mehtfacbe 
Anklänge.  Cf,  reg.  coen.  cp.  XV  und  Uild.  7,  9;  cp.  SIV  ■ 
und  Gild.  17.  19-  Auch  iät  eine  für  die  Seuvteilung  dett  In- 
hältea  des  Puenit.  Col.  B.  wichtige  Stelle  von  Schmitz  unberOiA* 
eichligt  gelassen.  Am  Schlüsse  desselben  (g  30,  S.  601)  beibt 
es  nämlich:  Confcssioties  atilem  tiari  diUgentius  praecipüw, 
maxime  de  commotionibus  animi,  autequa 
missant  cattir  .  .  melius  est  cnitn  txpectare  dotiec 
num  fiterit  et  allenum  a  scandafo  ac  invidia  .  ijuam  aceedtn 
audacler  .  .  .  Skuti  ergo  a  peccaiis  capilalibiis  caiHmdum  td 
ante/juam  communicandum  sit,  ifa  etiam  ab  incerliortbus 
vitiis  et  morbis  langtientis  antmae  abstinendum 
est  .  .  ante  verae  pacis  conjnnct ionem.  Die  bBr»or- 
gehobenen  Worte  stellen  es  doch  aurger  Zweifel,  dafs 
betreffenden  Bufobnch  uoch  leichtere  Vergehen  berücksiglitigl  und 
daCs  auch  dte^e  mit  ihren  Pünitcn/en  in  Beziehung  zum  J 
pfang  des  hl.  Abendmahlec^gcstollf;  wc.ieii. 

Auf  S.  21  beginnt  Schmitz  t>eino  eigene  Ansicht  Aber  die 
reg.  coen.  mitzuteilen:  „Es  ist  durchaus  nicht  zutreffend,  äib 
die  Strafen,  welche  in  ihr  bestimmt  sind,  iu  zunehmender  Slti- 
gerung  geordnet  sind;  mau  wird  vielmehr  ein  anderea  Prinzip, 
nach  welchem  ibr  lilafs  bestimmt  ist,  entdecken  .  .  .  die  ver- 
schiedene Art  der  Strafen  entspriciit  der  Eijfenart 
der  Vorgehen."  ' 

bieso  Ansicht  länft  im  Grunde  genommen  mit  der  meinigan 
zusammen,  iu^urern  ehen  die  geringeren  Strafen  ffir  unbedontendB 
Vergehen  zuerst,  die  scliwerereu  Strafen  für  Ungehoisam,  Wider- 
spruch D.  n.  V.  an  zweiter  Stelle  auftieten.  Wenn  man  &ber 
berückiiiuhtigt,  wie  verschiedenattigo  Üinge  mit  einem  und  den- 
selben Etralansatz  in  einem   Kupitel  zusammengestelU  werden,  M 

ein  Zeichen,  dafs  bei  der  letsteu  Itcdaktion  der  Cönobialragel  du 
Bestreben  obwalteti.',  dieselbe  dem  Bursbucb  übnlieh  zu  machen. 

1)  Der  Satz:  „In  WiedeTholungsfttlleii  tritt  eine  Abbiifsuog  diudi 

PMimengfbet  ein,  wie  aualiiicklicli  in  dum  ersten  Knpitel  bemerkt", 
i»t  falsch.  Die  ersten  acht  Kapiti^l  erwähnen  dos  P»alme Usingen« 
als  Pöuitena  mit  keiner  Syllie,   und  das  neunte   nur   in   auderem  Zu- 


SEEBASS,  ZU  COLÜMBA  VON  LUXEUILS  KLOSTEUREGEL.     465 

wird  man  gewifs  der  von  Hertel  und  mir  geboteneu  Erklärung 
den  Vorzug  geben,  die  ich  auf  S.  46 — 48  m.  Dissert.  eingehend 
begründet  habe.  — 

Die  Verschiedenheit  des  zweiten  Teiles  der  Cönobialregel  vom 
ersten  erklärt  nun  Schmitz  dadurch,  dafs  der  zweite  Teil  eine 
„tabellarische  Aufstellung**  für  den  Vorsteher  des  Klosters  ent- 
halten habe ,  welche  dem  erstoren  hinzugefügt  sei ,  um  die 
Schwierigkeit,  das  Vergehen  und  die  Art  seiner  Bestrafung  sofort 
anfzutinden,  zu  beseitigen.  Aber  abgesehen  davon,  dafs  der  erste 
Teil  mindestens  ebenso  übersichtlich  und  praktisch  geordnet 
erscheint  als  der  zweite,  so  ist  diese  Anuaiime  schon  dadurch 
ausgeschlossen ,  dafs  die  letzten  Kapitel  eine  grofse  Zahl  von 
Bestimmuugeu  enthalten,  die  in  dem  ersten  Teil  überhaupt  nicht 
vorkommen  (s.  bes.  Kap.  XII — XV).  Es  ist  zudem  von  mir  aus- 
führlich nachgewiesen  (Dissert.  S.  35 — 42.  48.  51),  dafs  die 
echte  und  eigentliche  Cönobialregel  ursprünglich  als  zweiter  Teil 
der  Begel  Columba^s  gegolten  hat.  Behält  man  nun  mit  Schmitz 
den  zweiten  Teil  der  reg.  coen.  I  als  solchen  bei,  so  stellt  sich 
derselbe  als  zweiter  Teil  des  zweiten  Teils  der  Kegel  Columba's 
heraus,  womit  denn  doch  die  Einheit  der  Hegel  angetastet  er- 
scheint. Ganz  unverständlicli  mufs  an  dieser  Stelle  auch  die 
Bemerkung  von  Schmitz  erscheinen,  düfs  bei  seiner  Auffassung 
die  wiederholte  Erwähnung  der  Kegel  Col.  im  zweiten  Teil  der 
Cönobialregel  erklärlich  sei,  während  ich  eine  befriedigende  Er- 
klärung nicht  geboten  haben  soll.  Die  Sache  liegt  doch  gerade 
umgekehlt.  Gehört  der  zweite  Teil  der  re^,  coen.  I  mit  dem 
ersten  zusammen,  so  gehört  er  auch  zur  Rej^el  Columba's  und 
die  Erwähnung  der  Kegel  in  der  Regel  bleibt  auff-illond;  gehört 
er  aber  ins  Bufsbuch,  so  ist  die  Erwähnung  der  Ke^^el  vollkom- 
men verständlich. 

Es  ist,  wie  ich  zum  Schluls  bemerken  will,  bei  der  Be- 
urteilung des  Verhältnisses  der  beiden  Teile  der  Cönobialregel 
zu  einander  wie  zu  den  Fragmenten  der  Bufabücher  Columbas  von 
der  festgestellten  Thatsache  auszugehen ,  dafs  üer  Text  der 
Cönobialregel,  wie  er  von  Benedikt  von  Aniane  im  „Codex  regu- 
larum"  unter  dem  Titel  „liber  Poenitcntialis"  jrcgeben  ist,  als 
die  jüngste  Rezension  derselben  anzusehen  ist,  bei  welcher  aus 
allen  unter  Columbas  Namen  überlieferten  ScUriftcn  pönitentialen 
Inhalts  Zusätze  aufgenommen  wurden,  um  eine  möglichst  grofse 
Ähnlichkeit  mit  dem  columbauischen  Bufsbuch  herzusteilen.  — 
Mein  Urteil  über  den  Ursprung  der  unter  Columba's  Namen  Ober- 
lieferten Pönitentialfragmente  halte  ich  noch  zurück;  nur  so  viel 
bemerke  ich,  dafs  die  Ausführungen  von  Schmitz  (Bufsdisziplin, 
S.  589—  594)  mir  nicht  genügend  erscheinen,  um  dieselben  dem 
Oolumba  abzusprechen. 


466  ANALEKTEN. 


3. 

Zu  Luther^s  BriefweehseL 

Von 

Lonls  Neustadt. 


Seit  de  Wette  seine  Briefsammlnng  veröffentlicht  hat,  nsd 
namentlich  dnrch  Seidemann,  Voigt,  Burckhardt,  Eolde  vielfadM 
Ergänzungen  erschienen.  Man  wird  sich  der  Wahmehmmig  nickt 
Terschliefsen  können,  dafs  Luther*s  Briefwechsel  erst  dann  anf 
eine  gewisse  Vollständigkeit  wird  Anspruch  erheben  können, 
wenn  man  auch  die  Briefsammlungen  derjenigen  Männer  dorch- 
sucht,  welche  nachweislich  mit  dem  Beformator  in  brieflichoD 
Verkehre  gestanden  haben.  Zu  diesen  gehört  der  Markgraf  Georg 
von  Brandenburg,  ein  Vetter  des  Kurfürsten  Joachim  L,  ans  der 
fränkischen  Linie  des  Hauses.  Aus  Beinhardt*8  „  historischen  Bei- 
trägen zur  Geschichte  des  Frankenlandes"  hatte  de  Wette  fünf  Briefe 
Luther*s  an  Georg  aufgenommen.  Spiefs  und  Lang  fügten  dun 
einige  Bruchstücke  von  Briefen  Georges  an  Luther  (Branden- 
burgische Münzbelustigungen  I,  152;  Neuere  Gesch.  von  Bay- 
reuth II,  2  2  f.  2  7  f.  29).  Dieser  briefliche  Verkehr  bewegt  sich 
in  der  Zeit  von  1528  bis  1542.  Dafs  vor  1528,  also  in  den 
ersten  Jahren  der  Reformation  zwischen  beiden  Männern  Briefe 
gewechselt  worden  sind,  ist  bisher  nicht  bekannt  geworden. 

Nun  fand  ich  in  einem  Fascikel  von  Korrespondenzen  Georg  s, 
dem  königlichen  Kreisarchiv  zu  Bamberg  gehörig,  betitelt  „All- 
gemeine Nachrichten  vom  Markgrafen  Georg  von  Brandenburg 
1499—1550"  (Sign.  1943,  Nr.  13),  das  in  der  Kanzlei  zurück- 
gelassene vielfach  korrigierte  Konzept  eines  Briefes  Georg*s  an 
Luther  vom  5.  Januar  1523  (Montag  nach  circumcisionis 
domini)  ohne  Ortsangabe.  Herr  Prof.  Kolde,  dem  ich  hiervon  mit- 
teilte, machte  mich  aufmerksam,  dafs  der  Brief  schon  bei  Bichter 
(Genealogia  Lutherorum  1733,  p.  216)  stehe,  freilich  unter 
falschem  Datum,  in  das  Jahr  1521  versetzt.  Dort  findet  sich 
aber  nur  der  eine  Teil;  die  wichtige  Cedula,  welche  uns  die 
Beziehungen  Georges  zu  Luther  enthüllt,  fehlt  ganz.  Dagegen 
kann  ich  für  die  Litteratur  auf  jenes  Buch  verweisen  und  mich 
zum  Verständnis  des  Briefes  hier  kurz  fassen. 

Im  Jahre  1520  und  auch  später  sollen  in  Deutschland  ver- 


E 

1 

i 


NEL'STÄDT,  ZU  LÜTHEB'S  BKIEFWECHSEL.  467 

schiedene  Hirsgeburten  von  Kälbern  zor  Welt  gekommen  sein. 
Bei  der  Aufgeregtheit,  in  welcher  sich  die  damulige  Welt  in* 
folge  der  beginnenden  religif^sen  Streitigkeiten  befand,  und  bei 
der  herrschenden  Opposition  gegen  Papattum  und  Mönchtum  wer- 
den wir  es  verstehen,  wenn  wir  hören,  dafö  man  in  jenen  Tieren 
die  Gestalt  von  Möncben  ta  erblicken  glaubte,  oder  letztere  vrs- 
□igstens  damit  lacherlich  zu  machen  suchte,  dafs  man  sie  mit 
ihnen  zusammenreimte.  Grofües  Aufsehen  erregte  besonders  das 
„Mönchskalb"  von  Freiberg  in  Sachsen,  dem  Territorium  des 
Herzogs  Georg  von  Sachsen,  des  grimmen  Feindes  von  Luther's 
Lehre.  Letzterer  hat  seihst  in  diesem  Falle  seine  allzeit 
streitbare  Feder  gefübrt.  Auch  uuser  Brief  hängt  damit  zu- 
sammen. Das  „Monstrum"  kam  auch  an  den  üof  des  Königs 
Ludwig's  U.  von  Böhmen  und  Ungarn,  der  sich  zu  jener  Zuit 
iD  Prag  aufhielt  und  mit  ihm  sein  ehemaliger  Erzieher ,  eben 
der  Markgraf.  Letzterer  hatte  bei  der  Besichtigung  des  Dinges 
einen  gerade  anwesenden  Doktor  der  Astronomie  ganz  beiläufig 
gefragt,  was  er  wohl  davon  halte,  dieser  aber  das  Wort  aufge- 
griffen, um  in  seinem  Namen  Spottverse  auf  Lutber  zu  fabrizieren. 
In  dem  Briefe  weist  Georg  jede  Beziehung  zu  jenem  Versifux 
znrilck  und  entschuldigt  sieb  über  den  Mifsfall.  Aus  einem 
Schreiben ,  das  Lutber  am  23.  Januar  152^  an  Spalatin  ge- 
richtet bat  (de  Wette  II,  301,  Nr.  406)  wiesen  wir,  dafs  der 
Brief  nicht  blofs  geschrieben  (und  zwar  in  Prag),  sondern  auch 
an  seine  Adresse  gelangt  ist,  ja  dafs  Georg  noch  einen  zweiten 
ähnlichen  luhalts  an  den  Kurfürsten  Friedrich  den  Weisen  von. 
Sachsen  geschickt  hat.  Tritt  schon  in  dem  bereits  bei  Richter 
gedruckten  Teile  des  Briefes  die  Gesinnung  Georg's  über  den 
„Hasser  aller  Lügen"  deutlich  hervor,  so  erfahren  wir  voUends 
ans  der  Cedula,  dafs  er  schon  damals  ein  eifriger  Verteidiger 
des  Beformators  gewesen.  Da  die  Verbindung  mit  dem  Hoch- 
meister Albrecht  er.'^t  in  das  Ende  des  Jahres  lb'2'i  gehört,  io 
ist  dieser  Brief  zugleich  das  früheste  Zeichen  eines  Verkehre 
zwischen   Luther  und  den  fiänkischen   Hohenzallurn. 


Wenn  nunmehr  der  Nachweis  gefübrt  ist,  dafs  Georg  be- 
reits in  den  ersten  Jahren  der  Keforraation  einen  schriftlichen 
Veikehr  mit  Lutber  gehabt  hat,  to  bleibt  immerhin  noch  die 
Frage  offen,  ob  in  dieser  Zdit  beide  Männer  auch  persönlich  zu- 
sammengekümmen  sind.  Faktisch  ist  die  Behauptung  bereits 
aufgestellt  worden.  Schon  im  sechzehnten  Jahrhundert  hat  der 
Historiker    Dresser    (isagoge    historica    VI,  2,  498)    davon    zu 


^ 
u 


4C8  ANALEKTEN. 

erzählen  gewofst,  mit  einer  Umätändlicbkeit,  welche  aof  die 
mutung  kommen  läfst,  dafa  ihm  ein  Bericht  hierüber  voii^äep^ 
habe.     Nach   il.m    habe  Georg,   selbst    schon    vom    evan^elia^l    j 
Gliiubeu  erfüllt,  den  Reft)rmat<»r  persönlich   um  BeiehruDg  aßg^l 
wuUen,  auf  weiche  Weise    er  seine  Lande    der    neuen  Lehrt 
besten    zugänglich    machen    könne.      Für     diese    Zusammenkoft 
habe  er  jedes  Auf^'ehen  %u    vermeiden    gesucht,     nur    mit  sedi 
Dienern   sei   er   nach  Wittenberg   gekomui«in.      3Iit    der  Zeit,  i 
welcher    die    Begegnung    stattgefunden    iiaben     soll ,    macht  n 
Schuelinus   näher  bekannt ,   der  nächst    einer    fränki;>cheii  fii- 
formatiocsgeschichte  auch  das  „Leben  des  Markgrafen  Georgeu''  17S) 
anonym    herausgegeben    hat      Er   erzählt   nämlicb ,    nachdem  c 
von    der    Umwandlung    des   Ordcnslaudes    in    ein    Herzogtum  gl- 
sprechen  (§  XIV,  S.  43),    dafs  „Marggraff   Georg    auf  dies« 
Reise  nach  Polen,  mit  etlichen  LMenern  in    aller  Stille  luiä 
Wittenberg  zu  D.  Lntheru  kommen,  sich  seines    guten  Baths  so- 
wohl wegen  der  Preufsisciieu  Affairen  als  der  Reformation  balba 
zu  bedienen.     Wie  er  dann    auch    seineu  Secretarium    aus  Pol« 
defswegen  an  ihn  gesendet,  seine  Meinung   über  ein   und  andee 
Begebenheiten    zu   erfahren*'.      Schuelinus   folgt   hierbei,   wie  er 
anmerkt,  dem  Bericht  Diessers,  ferner  citiert  er  Lutheri  Epistel 
an    Spalatiu    L.    IL    p.  88.     Aber   Veesenmoyer     (Litterator- 
geschichte  der   Briefsammlungen  Luther's)   kennt    eine   Sammlong 
von    Briefen    Luther*s  an  Spalcitin    weder    vor   noch    nach    1729, 
und  auf  diejenigen  Briefsammlungen,  welche  vor  1729  erschienen 
sind,    wie    die    von    Obsopaeus    und   Aurifaber,    pafst    das   Citat 
nicht. 

Nun  citiert  aber  Seckendorf  (Commentarius  historicus  et 
apologeticus  de  Lutheranismo,  lib.  I,  Sectio  55,  §  139,  p.  241") 
dieselbe  Stelle  (lib.  II,  p.  88^) i  und  da  wir  in  der  glücklichen 
Lage  sind,  yr.n  Sockendorf  selbst  zu  erfahren,  wtlche  Ausgabe  er 
benutzt  hat  (im  Index  tertius:  in  epistolis  usus  sum  volumiuibus 
dtobus  in  quarto  primae  editionis),  so  bleibt  uns  nichts  übrig, 
als  die  nicht  passende  Stelle  bei  Aurifaber  dem  Yerstünduis  aa- 
znpassen.  Da  stellt  sich  donn  heraus,  wie  die  Stelle  in  Luther*s 
Brief  gröblich  mirsverstaiiden  worden  ist.  Luther  schreibt  an 
Spalatiu:  „Ludovicus  Ducis  Poloniae  a  socretis  iucundissimus 
hospes  fuit  exccptus",  wobei  übrigens  von  Aurifaber  falsch  ge- 
lesen worden  ist,  statt  „Decius**  —  „Ducis"  *.  Aus  der 
gastfreundlichen  Aufnahme  dts  polnischen  Sekretärs  macht  nun 
Seckendorf  6ch(»n  eine  Sendung  desselben  an  Luther  in  Iteligions« 


1)  Ferner  ist  regis  fortgefallen.  Gemeint  ist  der  bekannte  Hu- 
manist und  Historiker  Diez,  der  in  Krakau  lange  Jahre  am  Hofe  ge- 
lebt hat. 


KEC8TADT,  ZU  LUTHER'S  BRIEFWECHSEL.  469 

Sachen:  „Gi  P'>loDiiL  missnm  ad  se  Recretarium  religionh  ouusa 
meraorat  ipxe  l>Dtlierii3.''  äcliunlinus  bat  hSchEtwiilicscbeinlich 
den  Text  des  Aurifiibar  gar  niclit  vor  Aogen  gehiibt,  snndern 
nur  den  Scnliendi^rfN.  Sonst  hült?  or  kaum  daraus  muulien  kön- 
nen, dafs  dieser  poliiisclje  SekretAr  von  Georg  an  Luther  abge- 
sandt worden  ist.  Dieser  [rrtum  erklärt  sich  einfach  daraus, 
dafd  Seokendorf  Itarn  V')r  der  SHiiitiing  des  Sekretärs  von  der 
BegDnsligun^  der  neuen  Lehre  diircli  CJeorg  erz.llilt  hat.  Da- 
nach ist  :ilso  an  dieser  ganzen  Sendung  nur  ein  Miraverständ- 
nis Secksudorfs  und  Suliuelinus'  Naclililsaig'keiC  schnld.  Der 
Prüfung  bodjff  um  so  mehr  die  erste  Version,  welche  von  Dresaer 
heirülirt  und  vielf.icli  nni-liflruftlilt  wurden  ist  Palckenetein 
(Analoctii  Nordgaviensia  III,  '202)  nennt  sogar  einen  der  sechs 
Diener  mit  Numen  Veit  von  Lentersheim  und  fügt  hin^ii,  daTa 
dieser  Mann  bis  an  sein  Enda  katlmlisch  geblieben  ist. 

Da  keiner  der  gonannlen  Ilistnriker  einen  genauen  Zeitpunkt 
fQr  die  Wittenberger  Iteise  Ueor);'a  angiebt,  so  Ideibt  nichts 
Übrig,  als  vor  dor  Hand  anf  Grund  des  bekannten  Quellen- 
matcrialä  die  Möglichkeit  oder  Wahrscheinlichkeit  einer  Zusammen- 
Icunft  zwif^chen  Gonrg  und  Luther  zu  untersuchen.  Nach  Scliue- 
linna  soll  sie  jedenfalls  vor  der  Belehnung  des  Hochmeisters 
AJbrecht  von  Preufden,  also  vor  dem  S.  April  1525  stattgefun- 
den haben  und  zwar  „auf  dieser  Heise  nucU  Polea".  Nun  hat 
aber  Georg  bis  zn  diesem  Tage  im  Interesse  seines  Bruders 
dreimal  eine  Heise  nach  Polen  unternommen,  aufaer  I52S  noch 
1524  und  1521  wenigsten!)  nach  dem  polnischvu  Preufsen.  Es 
fragt  flichi  ob  er  in  einem  dieser  Jahre  „auf  der  Keise  nach 
Polen"  Wittenberg  besucht  haben  kann.  15^5  ist  Georg  auf 
der  Hinreise  wie  auf  der  Rl]ckreise  durch  Schlesien  gezogen 
(Neustadt,  Aufenthaltsorte  des  Markgrafen  Geor;;  von  Branden- 
burg im  Archiv  für  Oberfranken  XV,  3  für  1525). 

Nicht  anders  steht  es  mit  der  polnischen  Reise  des  Jahres 
152  1.  Auch  fQr  dieses  -labr  habe  ich  an  anderer  Stelle 
tabellarisch  den  Nachwei.s  geführt,  dafs  Georg  seinen  Weg  beide 
Male  durch  Schlesien  genommen  hat  (vgl.  Neustadt  u.  a.  0. 
für  das  Jahr  1521).  Am  16.  Januar  1.t21  war  Georg  noch 
iu  Ofen  (Berlin.  Geh.  Staatsarchiv  Kep.  46,  9b,  Nr.  2),  am 
10.  Febr.  ist  or  schon  in  Thnm  (Berlin.  Geh.  Staatsarchiv  ßep. 
V,  5,  fol.  10".  45'.  49").  In  der  Zwischenzeit,  Ende  Januar 
oder  Anfang  Februar  war  er  in  Poln.-Wartcnberg,  einer  schle- 
siscben  Herrschaft,  welche  damals  dem  böhmischen  Oberstburg- 
grafen Zdenko  Lew  von  Bo/mital  gehorte,  und  bei  diesem.  Ein 
altes  Ärchivreppftoriuro  Georg's  aus  dem  Jahre  1527  lählt  unter 
anderen  Akten  .luf:  „Handlung  was  mein  gnediger  her  mit  her 
Lewen  tu  Wartenburg  gehandelt  halt  im  Rein  zihen  gein 


470  ANALEKTEN. 

Prenfsen''  (München.  Reichsarchiy  Brand.  CCY,  14,  Kr.i| 
fol.  8^).  In  PreoTsen  ist  Georg  vor  1527  aber  nur  in  di« 
Jahre  1521  gewesen.  Für  die  Monate  Februar,  If&n  nnd  aal 
Teil  Yon  April  lassen  sich  die  Aufenthaltsorte  Georg's  T^  Ik' 
Tag  genau  durch  die  oben  näher  bezeichneten  Akten  am  Ba- 
liner  Geh.  Staatsarchivs  feststellen.  £r  ist  während  diäter  Zi 
in  PreuDsen,  abwechselnd  in  Thom,  Marienburg*  nnd  Bieseal«^ 
gewesen.  Am  30.  April  finden  wir  ihn  schon  wieder  in  ScUi* 
sien,  in  Oppeln  (cod.  dipl.  Siles.  VI,  168  f.). 

FQr  das  Jahr  15  24  scheint  nun  der  Umstand  za  spredo, 
dafs  in  diesem  Georg*s  Bruder  Albrecht  nachweislich  in  die  Hik 
Wittenbergs  gekommen  ist.  Wir  haben  aus  Halle  datierte  Sckre- 
ben  desselben  (?om  7.  u.  17.  Mai  bei  Voigt  IX,  716  ff.).  Dm 
kommt,  dafs  auch  der  älteste  Bruder  Kasimir  in  diesem  Jiint 
in  Sachsen  gewesen  ist  (München.  Reichsarchiy  Brand.  CLXXXYn, 
Yol.  I,  fol.  137^),  freilich  erst  im  November  (Biedel,  Codn 
dipl.  Brand.  Uly  3,  p.  320 sq.).  Unglücklicherweise  aber  wv 
Georg  gerade  im  Mai  in  Polen  und  hat  auch  diesmal  wiedff 
seinen  Zog  direkt  durch  Schlesien  genommen.  Am  3.  Mai  ist 
er  in  J&gemdorf  (München.  Beichsarchir  Brand.  CCVII,  % 
Nr.  5*)  und  am  31.  desselben  Monats  in  Freistadt  bei  TesdMi. 
In  die  Zwischenzeit  fällt  die  Reise  nach  Erakau  (München.  Beidn- 
archiy  Brand.  CCYII,  2,  Nr.  5^).  Im  Norember  war  Georg  in 
Schlesien  (München.     Reichsarchiy  CCYII,  16%  Nr.  4). 

Wie  man  sieht,  kann  Georg  auf  keiner  der  drei  polniscbea 
Reisen  den  Reformator  besucht  haben.  Gerade  die  Bemerkung 
des  Schuelinns,  dafs  Georg  ,,auf  der  Reise  nach  Polen"  den 
Besuch  gemacht  habe,  stöfst  auf  chronologische  Schwierigkeiten. 
Ein  notwendiger  Znsammenhang  zwischen  dem  Besuch  in  Witten- 
berg und  der  Reise  nach  Polen  besteht  dabei  nicht.  Georg 
kann  sehr  wohl  sich  bei  Luther  viel  früher  Rats  erholt  haben, 
als  er  seine  Reise  nach  Polen  angetreten  hat  So  lange  dieser 
Zusammenhang  urkundlich  nicht  nachweisbar  ist,  wird  man  ihn 
billigerweise  in  Zweifel  ziehen,  wenn  man  überhaupt  an  der  Ton 
Schuelinus  erwähnten  und  auch  sonst  yor  ihm  und  nach  ihm  be- 
sprochenen Zusammenkunft  noch  festhalten  will.  Für  diese  aber 
finden  sich  doch  noch  einzelne  Anhaltspunkte.  Im  Herbst  des 
Jahres  152  3  ist  der  Hochmeister  Albrecht  zweimal  bei  Luther 
in  Wittenberg  gewesen.  Ende  September  gab  ihm  letzterer  den 
Rat,  die  „alberne  und  yerkehrte  Ordensregel''  aufeuheben  (Luther 
an  Brismann  am  4.  April  1524  bei  de  Wette  U,  526;  Voigt 
IX,  687  ff.).  Bei  der  Zusammenkunft  im  Noyember  desselben 
Jahres  nahmen  Luther's  Vorschläge  schon  eine  greifbare  Gestalt 
an  (Voigt  IX,  701).  Luther  hat  auf  Bitten  des  Hochmeisters 
bald  darauf  ein  Gutachten  in  der  Ordensfrage  erstattet  (de  Wette 


KECSTADT,  ZI'  LUTHER'S  BRIEFWECHSEL.  471 

II,  467).  &  ist  wohl  sehr  begreiflich,  dafs  Albrecht  zd  dieser 
zweiten  Zusammenhunft  seinen  Brnder  Ueorg  hinzugezogen  habe, 
der  jn  der  Hauptleiter  der  Verbandlungen  zwischen  dem  Orden 
und  Polen  war.  Von  Wittenberg  ging  Albrecht  nach  Nürnberg, 
um  dem  ßeicbstag  beizuwohnen.  Hierher  kam  anch  Qeorg,  auch 
Kasimir,  auch  der  Knrfarst  Joachim  erschienen  (Brief  Easimir's 
an  seinen  Vetter  Joachim,  d.  Nürnberg,  9.  Januar  1524  im 
Bamberger  Kreiearchiv  1929,  fol.  106  f.)-  Georg  mufd  Tor  dem 
1.  Juli  1524  und  noch  vor  seiner  Reise  nach  Polen  in  NOm- 
berg  gewesen  sein,  denn  in  einem  Schreiben  von  diesem  Tage 
nimmt  Joachim  schon  daranf  Bezug  (Joachim  an  Qeorg  d.  l.Jnli 
1524  bei  SpieCs,  Brand.  Münzbelust.  IV,  14-iff.).  Nun  war 
Georg,  wie  oben  gezeigt  worden  ist,  im  Mai  in  Schlesien  und 
Polen,  am  18.  April  ist  der  Nßrnberger  Reichstag  schon  ge- 
schlossen worden,  in  den  Mimaten  Januar,  Februar  und  März 
ist  Qeorg  in  Sishleaien  teils  im  Auftrage  des  Könige  von  Ungarn 
teils  in  eigenen  Angelegenheiten  wirkend  (Berlin.  Geh.  Staats- 
archiv Rep.  46,  3',  vol.  I,  fol.  12''.  14.  16;  Magyar  Törtönelmi 
Tar  XXV,  310;  Voigt  IS.  703:  Thebesins,  Liegnitz.  Jabrb. 
in,  23;  Klose,  Breslau  III.  2,  1034;  München.  Eeicbaarchiv 
Brand.CCVU,  2,  Nr.  5';  Bamberg.  Kreisarohiv  1943,  Nr.  15  u.  16). 
Am  19.  Januar  erfolgte  seine  Abreise  aus  Prefsburg  nach  Schle- 
sien (Sehr.  T.  13.  Jan.  an  seinen  Bruder  Kasimir  im  Berliner 
Geh.  Staatsarchiv  ßep.  46,  3*,  vol.  I,  fol.  16).  Seine  Briefe 
vom  7-,  8.,  9.,  13.,  17-,  19.  Januar  sind  noch  aus  Prefsburg  datiert; 
in  der  Zeit  vom  19.  November  1523  bis  zum  7.  Januar  1524 
schweigt  sein  Briefwechsel.  In  dieser  Zeit  war  nachweislich  sein 
Brnder  Wilhelm  in  Ungarn  (München.  Reichsarchiv  CCV,  10, 
Nr.  4,  d.  17.  Dez.  1523).  Letzterer  hielt  sich  sonst  in  Preufsen 
auf  im  Dienste  des  Hochmeisters  (Voigt,  Gescb.  Preufi^ens  IX, 
529.  559;  Neue  Preufs.  Provinzialbl.  1846  I,  134.  129.  285; 
n,  431).  Er  hat  für  die  Dauer  der  Abwesenheit  Georg'e  vom 
ungarischen  Hofe  die  Verwaltung  seiner  Güter  geführt,  wie 
früher  einmal  Albrecht  (Nene  Preufs.  Provinzialbl- ,  3.  Folge, 
IX,  121).  In  den  November  1523  gehört  der  zweite  Besuch 
Albrecht's  in  Wittenberg  (Voigt  IX,  701),  Zu  dieser  Zeit,  in 
welcher  allein  Georg  in  Nürnberg  gewesen  sein  kann,  ist  er 
auch  mit  Albrecht  zusammengetroffen,  es  w^re  möglich,  dafa  er 
znr  selben  Zeit  gemeinGam  mit  ihm  bei  Luther  gewesen  ist. 
Sehr  wahrscheinlich  wird  dies  noch  durch  einen  Brief  vom 
7.  Mai,  in  welchem  er  seinem  Bruder  Kasimir  manche  Winke 
Über  die  Sakularisiemug  der  fränkischen  KlOster  giebt.  Es  ist 
das  erste  Mal  hier,  dafs  ein  Brandenburger  oCTen  dafür  ein- 
tritt, und  ee  spricht  viel  daiur,  dafs  diese  Stellung  unter  dem 
unmittelbaren  KinflnTs  Luther's  erfolgt  ist  (Berlin.    EÖnigl.  Haue- 


472  ANALEKTEN, 

archiv   B.  E.  I,   2204,  fol.  41  f.).     Bestimmtes    läfst  sich  t«. 
Jäufi^  liierüber  nicht  sagen.     Das  Dunkel ,    das  Ober   dieser  ii> 
gelegenheit  wultet,  m^ig  seinen  Gmnd  darin   habeD,  dals  im  Jaks 
1523  Albreclit  wohl  Veranlassung   hatte,    seine  BeziebnngtB  a 
Luther  nicht  vor  aller  Welt   zu   zeigen.     Er    rechnete  noeh  af 
den  Schutz  von  Kaiser  und  Reich,  er  begab   sich  gerade  de^|  ^ 
nach  Nürnberg,   um  die  Hilfe  der  Stande    nachzusuchen.    Dakt 
befahl   er   seinem  Hat,   den    er    vor    der    ersten  Zusammenhift 
nach  Wittenberg  schickte ,  von  Luther   das  Versprechen  zu  fe- 
dern ,   dafs   er  alles ,   was   ihm    mitgeteilt    würde ,    verscfawdm 
wolle.     Dann  sollte  er  ihm  anzeigen ,   er  werde    ihm   das  HsbI- 
schreiben    eines  Fürsten  einhändigen,   jedoch    mit   der  Bißt, 
dasselbe,  sobald  er  es  gelesen  habe,  zu  verbrennen,   nicht  etn 
aus  Mifstiauen,   sondern    damit    es   nicht   in    fremde    Hände  ge^ 
lange,  weil  daraus  sonst  unwiederbringlicher  Schaden  und  Nach- 
teil entstehen  könnte  (Voigt  IX,    687 f.).     Daher    wir   auch  ii 
Luther's  Briefen  vor  1525  nirgends  eine  Andentnng  finden  üök 
die   Stellung   des    Hochmeisters    oder    seiner    Brüder    zur   eT?> 
gelischen  Lebre. 


Beilagen 


I. 

Georg  —  Luther.    1523  Januar  5  Prag. 

Georg  etc. 

Wirdiger    hochgelerter    besunnder     lieber I      W^ir    fugen     dir 

gnedigcr  vnd  gueter  maynung  ain  vngeuerlichen    vnfersehenlicim 

handel  zuueinemen.     Nachdem  iczo  in  neulichait    zu  P'rcibur? 

ain  monszrum  von  ainer  kw  knmen  sein  soll,  welhs  vus  alszdunn. 


1)  Für  die  jetzt  in  Angriff  genommene  .,  kritische  Gesamtaui«- 
gäbe**  der  Werke  Luther's  ist  auch  das  eine  notwendige  Vorarbeit, 
dals  sein  Briefwechsel  überall  aus  dem  Dunkel  gezogen  werde.  Icii 
halte  es  demgemäls  für  eine  Pflicht,  nicht  nur  jenen  noch  nicht  ver- 
öffentlichten Brief  (ieorg's  an  Luther  an  dieser  Stelle  mitzuteilen,  son- 
dern auch  den  von  Hocker,  Supplement  zum  Heilsbronnischcu  Antl- 
quitiiteuschatz,  bereits  veröffentlichten  Briet'  Luther's  liier  noch  ein- 
mal zum  Abdruck  zu  bringen,  da  er  sich  in  einem  älteren  Si»eziai- 
wcrke  tindet,  das  dem  gelehrten  Publikum  schon  entrückt  ist. 


NEUSTADT,  ZV  LÜTHER'S  BE1EFWECH8EL.  47J 

«7  man  p9e^  zethun,  hieher  ghein  Prag  zugeschickt  worden; 
aQn  ist  hier  an  kn''  wird  zn  Hungern  und  Behmen  hof  ain 
astroDomus,  der  dann  in  aeinei  narrarei,  wj  baists  astronomei, 
seither  ain  doctor  (als  er  spricht:  Bichter)  norden ;  der  ist  ongenerd 
dortzu  komen,  da  wir  solicbs  mouszrums  form  neben  anndern 
harren  besichtigt;  vnd  wir  des  gedachten  doctors  ansichtig 
waren,  haben  wir  ongeaerlich  vf  ain  eoliche  maynnug  za  tme 
gesagt:  „Doctor,  was  halt  ir  davon?  —  Wollet  uns  auazlegen, 
was  es  bedeut!"  In  dem  hat  er  die  form  zu  sich  genomen; 
vnd  als  wir  nymer  dazu  gedacht  haben,  hat  er  seinem  wansinnigen 
köpf  nach  etlich  versz  vf  solicb  monstrum  wider  unnsern  willen 
vnd  wissen  wider  euch,  als  betten  wir  ime  hefolhen,  drucken 
lassen. 

Da  wir  nun  des  (ongeoerlich  B.)  („am  selben  tag"  im  Concept 
dnrch strichen)  innen  worden,  seind  wir  (deshalben  R.)  nit  zu  ge- 
ringen beswerden  und  miafallen  bewegt,  haben  demnach  (in  der 
stund  K.)  dem  drucker  solich  sein  druck  alle  Terbrenuen  vnd 
ime  dem  doctor,  der  dann  nit  wol  vmb  den  vmblauf  bewart  ist, 
ernstlichen  sagen  lassen,  waher  er  sich  eins  soHchen  vndersteen 
dorff. 

Solch  ermo^sen ,  das  dj  verdachten  dits  handela  gleichwol 
vnsern  misfallen  wol  gebmelft  vnd  empfunden  haben.  Wir  kön- 
nen auch  wy\  bewegen,  das  vnns  villoicht  durch  vnnser  miaz- 
gonner  zugedruocken  sey.  Wj  ir  dann  als  der  veratendig  ans 
oberzelten  haudlung  wol  abnnmen  mögt. 

Nun  tragen  wir  fursorg,  es  tnocht  vielleicht  durch  dieselbigen 
Euch  ain  soiicher  druck  vberaendet  werden.  Wiewol  vna  der 
dmcker  bei  glauben  sagt,  das  der  angottaigt  doctor  nur  das  ain 
genomen  bab,  nachdem  die  anadem  alle  noch  nit  fortig  gewesen 
sein.     Daraus  ir  dann  clerlich  vnnser  vnschuld  find. 

Ist  demnach  an  euch  genedig  vieia  vnnser  gütlich  beger  vnd 
bit,  ob  euch  also  ains  oder  mer  wider  vnnsern  willen  vnd  wissen 
zukomen  oder  (sonst  B.)  antzaigt  wurd,  ir  wollet  ime  kain  glau- 
ben geben  vnd  vnns  ans  obgemeiten  vnd  daraus  volgend  (wach- 
senden B.)  vrsach  gntwilliglich  entschuldigt  vnd  die  sacben  nit 
snderszt  halten,  dann  ob  es  geschee,  das  wir  vnns  doch  nit 
versöhn  (dann  bis  vers.  fehlt  bei  B.),  das  es  vns  (wie  vorgemelt 
B.)  also  durch  vnnser  miszgnnner  vnpilliglich  vnd  neben  der 
warhait  zugemessen  wurd,  des  wir  vnns  doch  nit  versehen,  wie 
wir  dann  nit  zweuveln,  ir  werdet  („uns  in  solichem  entschuldign" 
im  Bamberg.  Conc.  durchstrichen)  auch  in  solichem  als  der  ver- 
stendig  vnd  hasser  aller  Lugen  vnnserm  halben  wol  wissen  ze- 
halten.  Mit  solichem  bedacht,  v^e  wir  vnns  zu  euch  versehen 
rnd  widerumb  gein  euch   in  sonderm  gnaden  zur  pillichait  gunst- 

ZaiUehi.  f.  K.-O.  VIII,  S.  31 


474 

lieh  eikeimeB  woüeii,  daim  wir  Bind  «iieli  gnadlgVB  willa 
lieh  genaigt    Sollt  ms  (fehlt  hm  B.).  .... 

(Dat.  Prag  R.)  moniaga  naeh  dreomeiBioiila  domini  mo 

nni*  (XV«  XXI»  b.). 

An  Luther  doetor.   (Dem  wirdlgvii  hoehgelarien  Tun 
aondem  liehen  herren  Martine  Luther  der  heiligen  achryft  kdä^ 
angoatiner  xn  Wittemherg  etc.     In  aein  hnndt.     [L.  8.].   i) 

(Bis  hierher  reicht  der  Ahdmck   bei   Bichter,  G«BHk|k|  )ä 
Lntherorum  1733,  p.  216/9.     Die  erheblichen  Abweichmign  «1  v^ 
dem  Bamberger  Konzept  dnd  im  Yorfaergehenden   in  ()  M^l  i^ 
aichtigt  nnd  darch  ein  hinzngeftgtea  B.  gekennzeichnet  veite)l  ^^ 

De 
CedulcL  I  l^ 

Anch  hesonnder  lieber  geben   wir    dir  zaerkennei  (^ 
im  Orig.  durchstrichen).     Nachdem  wir  idesmals    Tndteni  nie, 
80  man  enmhalbn  thnt,  parthei  halten  eors   thails  (ua  Ori|. 
dnrchstr.),  sein  wir  von  anndem  angeredt  worden,  wie  ir  «te 
lernen  solt,  es  sej  nit  not,  das  man  das  sacrament  enchazisä» 
anbete,    ere,    aoch    nit    von   noten   in   betbnchlein   sebeten  lai 
reliqoiens  sanctomm  nit  ze  yenerim  ynnd  anndere  zweiffelhiftigi 
frag  mer;  ynd  wir  aber  ain  sonndemn  gnadigen  willen  za  Eo^ 
haben,  begem  wir  abermaln  gntlichs  vleis  bittend«  ir  wollet  Tm 
Ton  solichen  vnnd  dergleichn   andern   fragen»    das    ir  dann  Iw 
weyst,  wed  (!)  wir  Each  also  in  eil  anweisen  mögen.  Euer  nndter- 
rieht  zuschreiben,    vnns   darnach  haben   zurichten.      Damit   wir 
Euch  desshalben  nit  ymbsonst  geschrieben,  haben  wir  Euch  gnä- 
diger und  guter  majnung  uit  bergen  wollen. 

Und  dieweil  wir  vns  hieriunen  kains  abslags  zn  Euch  yer- 
seben,  so  begem  wir  doch  von  euch  deszhalben  schriefUidi 
andtwort,  damit  wir  wissen  mögen,  was  wir  glauben  sollen,  dann 
wir  schir  verirt  drin  sein  vnd  wissen  nit,  wo  hinaus. 

Datum  ut  supra. 

(Orig.'Koneept  d.  Kgl,  Kreisarchivs  Bamberg  1943, 13.) 

Der  ganze  letzte  Absatz  ist,  wie  auch  an  anderen  SteUen 
des  Briefes  hie  und  da  ein  Wort,  erst  nachträglich  hinzugef&gt 
worden,  sodaTs  das  Schreiben  das  Bild  eines  vielfach  korrigierten 
Konzeptes  gewährt  und  auf  die  Sorgfalt  schliefsen  läfst,  welche 
der  Absender  gerade  auf  einen  Brief  an  Luther  verwenden  wollte. 
Herr  Prof.  Erdmann,  dem  ich  denselben  für  sein  Buch  ,, Luther 
nnd  die  HohenzoUern "  zur  Verfügung  stellte,  hat  von  dem  In- 
halt bereits  Mitteiluug  gemacht  [p.  208]. 

Über  die  „ missgonnor ",  von  denen  Georg  spricht,  ist  wei- 
teres ausgeführt  bei  Neustadt,  Markgraf  Georg  von  Branden- 
burg als  Erzieher  am  ungarischen  Hofe,  S.  7  6  ff. 


OT^^W^^^W^« 


HEDSTADT,  ZD  LUTUEB  8  BRIEFWECHBEL. 


IL 

Luther— Georg.    1542  December  13  Wittenberg. 

Grtad  rad  fried  Tun  Chiisto  Tud  mein  pater  nosterl 
Durch] e achtiger  hochgebomer  fürst,  ^edi^er  herrl  Es  ist 
hiT  ein  purger  AmbroaiuB  Reuter,  Tntei  dem  abl  za  UeiU- 
prun  geborn,  E.  f.  g.  lacdtind,  der  hat  offt  mit  mir  ans  liebe 
seines  Vaterlands  gered  vnd  geratacblagt,  vie  doch  dasselb  kloster 
mocht  zam  evangelio  Tud  rechtem  brauch  göttliche  dienst  komen. 
Daraus  eben  ;bm  das  eiempel  vorgeschlagen  eines  abbte  zur 
K&nmburg',  welchem  dasselbe  kloster  von  vnserm  gnedigsten 
hem  curfQisten  zu  Sacbsaen  ganz  bevolben ,  dasz  ers  zur 
schalen  macht  vnd  drinnen  beede  edle  vnd  TnedJe  aofferzeigt  zu 
lenten,  die  man  ynn  kirchen  vnd  weltlichen  regimenten  biaucben 
kundte,  weil  es  denn  armen  za  hoch  ist  ;mn  den  hohen  schulen 
sich  zn  beköstigen.  Also  ist  er  des  namens  ein  abt  bliben,  aber 
die  kappen  vnd  müncfaerey  ansgeworffen ,  ehiich  worden  vnd  du 
kloster  der  Jugend  vnd  kirchen  zum  besten  verwaltet. 

Demnach  bab  eben  mich  erbitten  lassen,  solches  an  e.  f.  g. 
gelangen  zu  lassen,  mit  bitte  aufs  vnterthäniget,  E.  f.  g.  solohes 
Ton  mir  gnediglichen  veinemen  vnd  christlich  bedenclten.  Denn 
e.  f.  g.  sehen,  wie  die  schulen  zergehen  vnd  niemand  darzu  thut, 
das  man  hinfort  kirchendiener  vnd  sonet  gelehrte  lente  erziehe, 
on  zweiuel,  das  der  leidige  satan  mit  diesem  b^sen  grifTtein  ge- 
denckt  mit  der  zeit  gottes  reich,  welches  on  kirchendiener,  pre- 
diger  und  pfarrher  nicht  kan  bleiben,  endlich  zu  verstörn,  das 
bie  meines  achtens  kein  ander  rat  noch  hülfe  zu  finden  sein 
will,  denn  das  man  der  kloster  hiezu  brauche.  Denn  anch 
vnser  vniversitet  lu  Wittenberg  durch  vnsem  gn.  berrn 
kurfürsten  hat  müssen  von  klostergütem  gebessert  worden  vnd 
noch  wol  etlicher  stipendia  bedürffe,  da  man  izt  mit  vmbgehet. 
Weil  ich  nun  höre,  das  das  genannt  kloster  Heilsprun  Beer 
tOchtig  vnd  gelegen  dazu  sein  soll,  vnd  mir  auch  sagen  lassen, 
als  sey  der  abt  dem  evangelio  geneigt,  vnd  e.  f.  g.  on  zweinel 
gottes  reich  vnd  sein  evangeüon  gern  gefördert  sehen,  wie  sie 
bisher  fruchbarlichen  gethan,  so  wil  ich  solchs  von  e,  f.  g. 
denaütigtich  gebeten  haben,  Sie  weiten  hiezn  helfen  vnd  raten, 
so  viel  es  mSglich  sein  kann,  weil  hie  nichts  gesucht  wird,  denn 


1)  Bocker  verweiat  hier  auf  ein  Boch  de»  Job.  Schameliu«: 
„  BistOT.  Beschreibung  des  Klosters  zu  St,  Georcen  vor  der  Stadt 
Naamburg"  (aus  dem  er  über  den  genaniitea  Abt  Thomas  Eeben- 
■treit  einiges  mitteilt),  sowie  anf  Luther's  Tischreden. 


476  AKALEKTEIL 

gottea  reich  ynd  ehre,  das  ist  vnser  vnd  Tieler  seelen  heil,  m 
bliebe  auch  mit  dieser  weisz  das  kloster  fein  bejeinander  d« 
ganzen  land  zu  trost  ynd  nuz,  da  sonst,  wo  es  znrissen  wnid^ 
seiner  guter  niemand  weder  sat  noch  froh  werden  kuidte,  w» 
yns  Yiel  exempel  der  zerrissen  kloster  wol  zeigen.  Der  bam- 
herzige  gott  gebe  e.  f.  g.  seinen  heiligen  geist  su  ihnn  seio» 
göttlichen  besten  willen  vnd  stenre  dem  widdersacher.  ameiil 
Und  e.  f.  g.  wollen  mir  dis  schreiben  gnediglich  in  gat  halten. 
Hie  mit  ynn  gottes  gnaden  befohlen,     amen. 

Wittenberg,  mittwochens  nach  Nicolai  1542. 

E.  t  g. 
williger 
Martinns  Luther. 

Dem  durchlauchtigen  hochgebomen  Fürsten  und  Herrn  Heini 
Qeorgen  Marggrafen  zu  Brandenburg,  Herzogen  %a  Stettin  uad 
Pommern,  Burggrayen  z.  Nurenberg  fursten  zq  Bugen,  meiiiMi 
gnedigen  herm. 

Mit  aufgedrflcktem  Siegel  in  grflnem  Wachs,  darstellend  eil 
Herz  in  einer  Rose. 

Hocker,  Supplement  zum  Heilsbronnischen  Antiquit&tear 
Schatz    1731,   S.   39  f.     Das  Werk  ist    reich    an    urkundlichem 

Material  für  fränkische  Reformationsgescbichte ,  wie  auch  der 
Forher  erschienene,  noch  dickleibigere  Foliant,  zu  dem  dieser  nur 
das  „Supplement''  ist.  Ober  Kloster  Heilsbronn  sind  noch  sa 
Tergleichen  die  neueren  Werke  des  Pfarrers  Muck  „G^chichte 
des  Klosters  Heilsbronn''  und  seine  „Beiträge  zur  Geschichte" 
u.  s.  w.,  femer  das  schöne  Buch  des  Grafen  Stillfried  „Kloster 
Heilsbronn  ". 


\ 


KOLDE,  LANDGRAF  PHILIPP  UND  KARL  V. 


^elches  Bflchleio  sandte  Landgraf  Philipp  J529 
aa  Karl  V.? 


D.  Th.  Eolde  in  Erlangen. 


Mehrfach  hat  die  Forschor  die  Frage  beschäftigt,  was  wohl 
unter  dem  französischen  BQchlain  zu  verstehen  sei,  welches  der 
Landgraf  hei  Gelegenheit  dor  Gesandtschaft  der  pro  testieren  den 
Stande  durch  den  Nürnberger  Syndikus  Michael  von  Eaden  dem 
Kaiser  überreichen  liefs  ',  und  das  diesen  derart  entzflmte,  daTa 
der  Überbringer  ernstlich  gefährdet  war,  und  der  kaiserliche 
Groll  darüber  sogar  noch  auf  dem  Reichstag  zu  Augsburg  zu- 
weilen zutage  trat.  An  den  Stellen  in  zeitgenössischen  Berichten, 
in  denen  des  Büchleins  Erwähnung  gotlmn  wird  " ,  wird  uns 
leider  sein  Titel  nicht  genannt,  was  sich  daraus  erklären  wird, 
dafs  das  französische  '  Büchlein  in  den  evangeliscben  Kreisen 
Deutschlands  kanm  Verbreitung  gerunden  haben  dürfte. 


1)  Vgl.  Ranke,  Deutsche  Gcachichte  (6.  Aufl.),  Bd.  UI,  S.  137 
and  besondera  Dobel,  MenuniDgen  im  Befonnationszeitalter,  Tl.  HI 
(Augsburg  1877),  5.  27. 

a)  Analecta  Kassiaca  ed.  Euchenbecker,  Coli.  XII  (Marbure 
1712),  p.  417sqq  420 «qq;  Corpus  Ref.  II,  191;  W.  Vogt,  Die 
Korrespondenz  dea  Nürnberger  Rats  mit  seinen  »um  Augsburger 
Reichstag  von  1530  abgeordneten  Gesandten  in  Mitleil.  des  Verein* 
für  Geschichte  Nürnbergs,  4.  Heft  (Nürnberg  1882),  S.  25. 27 ;  Förato- 
mann,    Urkundenbuch   zur   Gcscbicbte   des  Reichstags   zu  Augflbaiv 

I,  62;  Sleidan,  Corament.  ed.  Am  Ende  I,  389;  Hubert  LeodiuB, 
Annales  de  vita  Friderici  Palaüni  (Frankfurt  lfi24)  I,  138f.;  Wi- 
gand    Lauze,    Leben ,    Tbnten    des    durch).    Fürsten    Philippi    Ma- 

ranimi  in  der  Zeitschr.  für  hcasisch.  Gesch.  und  Landeskunde  1841, 
171;  J.  J.  Müller,  Historie  von  der  ev.  Stände  Protestation  eto. 
(Jena  1705),  S.  222f.;  Hortleder,  Von  d.  Urs.  des  deutschen  Krie- 
ges (Ausg.   I(il7).  S.  53. 

3)  DaTs  ea  franzöeisch  gesclirieben,  ersiebt  man  1)  aus  einem  Be- 
richt der  Nürnberger  Gesandten   beim  Augsburger  Reichstag  C.  Ref. 

II,  l'Jl:  „(Michael  von  Enden)  zeiget  an.  seine  Notdurft  sey,  dafs  er 
hie  bleibe  und  führe  seine  Sache  aus  Kais.  Mnj,  Ungnad  halben  Ton 
wegen  des  französischen  Büchleins  so  er  ihrer  Maj,  aus  Befehl  dea 
Landgrafen  überantwortet  bab.  Und  meldet  dabei  weiter,  er  hätte 
gleichwohl    solch    Büchlein   mit    etlichen   der  fordersten   aus  E.  W. 


478 

Die  Fonchmig  mofsta  dch  daher  an  das  Wenige  halti 
Sleidan  Ober  seinen  Inhalt  angiebt.  Die  betreffende  Stellt 
folgendermaleen:  „Lantgrafios  dederat  abitoro  libellnm  «1 
adomatom  ^  qai  doctrinae  Christianae  sanunam  pands  eoi 
bator  \  vi  Caesari  daret:  ia  per  oceaaionem,  enm  ad  ner 
Caeear,  porrigit:  Caesar  inoicem  episcopo  cuidam  ffisps 
quid  rei  esset,  cognosceret  Hie  forte  in  locom  illum 
Tbl  Christas  monet  apostolos,  ne  principatum  affectent:  b* 
ipsomm  non  esse  professionis,  et  gentium  reges  Tsarp] 
talem  potestatem.  Eum  locum  anthor  inter  alia  tra 
demonstrans ,  coiasmodi  sit  officium  ministromm  ecclesi 
ille,  com  obiter  legisset,  percontanti  Caesari  sie  refereba 
magistratoi  Cbristiano  ins  gladii  tolleret  libellns  et 
duntaiat,  alienis  a  religione  Cbristiana  pennitteref  \ 

Daraus  gebt  zweierlei  henror,  was   als  Anhaltepunkl 
konnte,   einmal,    dafs  das  Schriftchen    „die    Summe   cbi 
Lehre  kürzlich  begriffen  *'  enthielt,  wie  sich  schon  J.  J. 
ausdrückt,   und  zum    andern,    dals  der   Sprach    Matth. 
(od.  Luk.  22,  25}  in  einer  leicht  miüsTerständlichen  Wei 
eingeführt  worden  war.  — 

Daraufhin  glaubte  Salig^  den  libellus  in  den  Parad 
Lambert  von  Avignon  yermuten  zu  dürfen,  obwohl  dii 
kaum  dem  Sinne  nach  darin  wieder  gefunden  werden 
und  jene  Schrift  auch  sonst  nicht  dem  entsprach,  was  n 
nach   den  Angaben  Sleidan*8   (und  Lauze*s)   darunter  zu 


wissen  angenommen**  —  woraus  übrigens  hervorgeht,  dafs  a 
Nürnberger  vorher  von  der  Sache  wufsten;  2)  aus  Hubert  L 
a.  a.  0.:  libellum  Gallicum;  3)  aus  einem  undatierten  Bri 
Landgrafen  bei  Ruchenbecker,  Analecta  Hassiaca  XII,  4 
dem  er  schreibt,  „dafs  er  Kaiserl.  Majest.  ...  ein  erstlich  in] 
Bischer  Sprach  gedruckt  und  eingebunden  Büchlein  .  .  .  zuffi 
Letztere  Stelle  würde  freilich  allein  nichts  beweisen,  sie  kbn 
mehr  so,  dafs  man  aus  dem  „erstlich**  schliefsen  könnte,  c 
Büchlein  ursprünglich  französisch  verfafst  gewesen,  vom  Lai 
aber  in  einer  anderen  Sprache  übersandt  worden  wäre;  4) 
uete  der  Landgraf  auch  in  seiner  Eintschuldigung  gegenüb 
Kaiser  (bei  Cyprian,  Hist.  d.  Augsb.  Ronfess.  Gotha  1730, 
ohne  Angabe  der  Quelle)  das  Büchlein  als  französisch. 

1)  „Mit  Sammet  und  Beschlagk**  vgl.  Ruchenbecke] 
lecU  Ilass.  XII,  418. 

)i)  Lauie  a  a.  0.:  „darinnen  die  fumemesten  punkt  der 
lleiUgeu  Geschrift  begriffen  stunden**. 

a>  Sleidan,  1.  c.  L  389. 

i)  J,  J,  Müller,  Historie  von  der  ev.  Stände  etc.  (Jeu 

c^>  Salig,  Historie  der  Augsb.  Ronfession  (Halle  1730)  I 


SOLDE,  LAKDORAF  PHILIPP  UND  KARL  V.  479 

hftt.  Noch  weniger  glücklich  war  die  Vermutung  Biederer's  *, 
der  an  Lambert's  „Farrago  omninm  feie  remm  theologicamm  ** 
mit  ihren  365  einzelnen  Sätzen  dachte,  in  denen  eich  übrigens 
die  betreffende  Stelle  auch  nicht  Sndet. 

Auf  die  richtige  Fährte  ist  erst  Benrath  geliommeD,  der  in 
einem  längeren  Aufsätze  Über  die  von  ihm  zuerst  wieder  in 
Deutschland  bekannt  gegebene  „Summa  der  heiligen  Schrift"* 
«ine  schon  früher  angedeutete  '  Vermutnog  des  weiteren  be- 
gründet, dafa  man  das  fragliche  Buch  in  der  Summa  der  hei- 
ligen Schrift,  näher  in  der  franzMscben  Ausgabe  derselben  eu 
sehen  habe:  „Wie  jenes  ist  es  ein  ,libellns'.  —  Der  Inhalt 
«ntepricht  in  ganz  vorzüglicher  Weise  den  Absichten  des  Land- 
grafen. Die  , Summa'  bietet  in  der  That  eine  kurze  nicht  durch 
Polemik  den  Gegner  von  vornherein  abstofsende,  zur  Orientierung 
über  die  evangelischen  Lehren  sehr  geeignete  Darstellung"*. 

Wie  ansprechend  nun  auch  diese  aus  dem  Namen  des  Büch- 
leins und  aus  dem  ganzen  Tenor  der  Schrift  entnommene  Vei^ 
mntung  Benrath 's  ist,  zu  der  ich  unabhängig  von  ihm  auch  ge- 
Icommen  war ,  bo  läfst  sie  steh  doch  nicht  aufrecht  halten ,  da, 
wie  Benrath  zugiebt,  die  betreffende  Bibelatelle  eich  ebenso  wenig 
in  der  französischen  Ausgabe  findet  wie  in  den  anderen.  Zwar 
verweist  Benrath  auf  folgende  (Stelle:  „Ceali  donques  qni  sont 
fermes  en  la  foy  et  en  lamour  de  Dieu,  nont  de  faire  du  glaive 
de  iustice  ne  du  bras  secntier.  Et  ee  tout  le  monde  eetoit 
ttb;  cbrestien  (ce  cest  a  dire  vray  &dele)  il  ne  aeroit  nul  beaoing 
de  gounemear;  roy,  seignenr,  glaive  ne  iusticiers  ....  Saint 
Faul  dit:  An  juste  nest  mise  anlcuno  lois  mais  aui  iniustes:  cest 
a  dire  a  ceulx  qui  ne  sont  point  encore  chrestiene"  *,  und  meint: 
„diese  eine  Stelle  würde  schon  hingereicht  haben,  um  das  frei- 
lich falsche  Urteil  äufserlich  zu  begründen :  das  Büchlein  lehre, 
eine  christliche  Obrigkeit  führe  das  Schwert  nicht  mit  Becht"; 
indessen  lautet  die  Nachricht  des  Sleidan  i\i  bestimmt,   als  dafi 


1)  Litterariaches  Wochenblatt,  oder  gelehrte  Anzeigen  mit  Ab- 
handlungen, Bd.  I  (NiirnberB  1770),  S.  297f. 

2)  Die  Summa  der  heiligen  Schrift.  Ein  Zeugpis  aus  dem  Zeit- 
alter der  Reformation,  herausgegeben  von  Karl  Bearath  (Leipzig 
1880),  Der  italienUche  Text:  R  Bommario  della  sacra  ncrlttun. 
Trattat«  del  Secolo  XVI.  Ristampato  con  prefazione  del  Prof.  Emillo 
Comba  (Roma,  Firenze  1877),  dazu  Düsterdieck  in  Gott,  gelehrte 
Anzeigen  1878,  23.  Stück;  ders  1881,  Stück  1.  2;  Möller,  TheoL 
LitteraturMitung  (1801),  3.  62. 

3)  Jahrbb   für  protest  Theol.  1881,  S.  154. 

4)  Ebd.  1882,  8.  703. 

5)  Ich  eitlere  aua  Benrath,  da  mir  die  franzÖBiicbe  Ausgabe 
nicht  zugänglich. 


4S0  ANALEKTEN. 

wir  niclit  jene  Bibelstelle   oboe   Frage   citiert  erwarten   m^tn 
und   zwar    in    einer    Weise,    die    die    böswillige    Mirsdentimg   ( 
Bpanisclien  Biscliafä  einigermaTaeD  eii  etützeii  imstande  war. 

Wird  aus  diesen  Gründen  von  der  Summa  (in  den  nn£  r 
liegenden  Ausgaben)  abzuseben  sein,  so  iafst  sich  aber  docli 
nachweisen ,  dafs  jener  libellus  in  engster  Beziehung  in 
Summa  gestanden  hat.  Die  gesuchte  Stelle  findet  sich  i 
lieb,  was  Beurath  überseben  bat  ',  in  dem  lateinischen  Doppel- 
gänger der  Summa,  der  in  Holland  wieder  aaf gefundenen  „Oee< 
nomica  Chiistiana  in  rem  ChristlanAm  inätitaena,  quidn 
cieditum  ingenue  cbriatiunum  oportet  ex  evangelicis  literis  eruta"' 
und  lautet  daselbst  im  XII.  Kapitel  (Quo  ordine  instituendi  einDt 
consulea,  judices,  Benaioree  magistratus  public! ,  si  ad  Chrifti 
praecepta  volunt  admiuistraie  officium)  S.  100:  „Audi  quomodo 
ab  ethnico  principe  Chmtus  diBcreverit  Chmtiannm;  Principe! 
igitnr  gentium  dominantur  eorum  et  qui  majores 
snnt  potestatem  esercent  in  eos,  tos  autem  non  aic 
etc.  ^.  Tribuit  etbuico  principi  dominium  imperium. 
majestatem,  regnum,  potentiam  aliaque  id  genas  Tocabnla,  at 
Christiane  principi  non  ita.  Non  sie  inquit,  eiit  tnter 
voH,  inter  quos  Hagititratus  functio  non  est  imperium,  sdmiiii- 
Btratio  est,  non  tjrannis."  — 

Dafd  diese  Auälaesungen ,  deren  aus  dieser  Schrift   noch  an* 


1)  Auch  iu  seinem  letzten,  dritten  Aufsatz  (Jahrbücher  für  protc- 
BlaoUache  Theologie  ISHS,   S.  S^HJf.).  in   dem   er   hauptsächlich   i 
der  Lehre  der  Occonomica  handelt. 

2)  Am  Ende:  „Fiuis  Occonomicae  Christi  an  oe,  Argenlinae  eicnue 
Sesquimillcsimo  vicesimo  septimo,  Septimo  Aagusti".  Abgedruckt 
in  MoDumenta  Heformationis  Belgicae.  Tomus  prirous  qoi 
continet  Antiquissima  volumina  ei  libria  prohibitis  originis  Belgicae 
quae  vocautur  Oeconomica  Chrlstiana  et  lade  ducta  Sunmia  der 
Eodliker  acriftureu.  Textua  receosuit,  origincm  iudagavit  J.  J.  Tau 
Toorenenbergen,  Lugduui  Batav.  ltl8-2.  Es  liegt  aufserhalb  du 
Rahmens  dieses  Artikels,  auf  das  Verhältnis  Kwischcu  der  Oeconomica 
und  der  Summa  einzugehen,  ich  verweise  vielmehr  auf  die  Atufüli- 
ruDgen  vau  Tooronenbergena  in  der  Eiuleitung  zu  dem  erwShotOi 
Werke,  denen  Benralh  (Jahrbücher  für  prolest.  Theol,  1882,  S.  694ff) 
lUBtimmt.  wonach  die  Occonomica  die  von  Bomelius  vielleicht  bcIhw 
1520  verfafsle  Urschrift  der  Summa  wäre,  die  durch  Koorad  Getdeo- 
haner  (aus  Geldnot)  im  Jahre  lri27  einem  Straftburger  Drucker  Über- 
geben  norden  wfire  (?).  Jht  aber  der  betreffende  Druck  wirklich  ein 
StTarsburger?  J.  van  Tooreneubi rgeu  (S,  Mii)  nimmt  au,  Christian 
Egenolpb  sei  der  Drucker,  da  aber  der  Druck  selbst  nichts  darüber 
an  die  Hand  giebt,  was  immur  bcachteuswert  ist,  wäre  die  VermutuDg 
erst  durch  eine  Vergleichuug  der  Typ«n  zu  hegrimdea  gewesen. 

8)  Der  Verfasser  citiert  zueral  Matth.  2U,  25  und  fährt  dann 
(Voi  autcm  non  sie)  fort  nach  Luk,  22,  25. 


Li 


KOIDE,  lUNDOOAF  PHILIPP  ÜKD  SABL  V.  481 

dere  ähnliche  an  die  Seite  gestellt  werden  käontea  ' ,  durchaus 
dem  entsprecbeD,  was  Sleidan  anfQhrt,  übrigens  auch  sehr  wohl 
Bo  Terstanden  konnten,  wie  sie  der  spanische  Bischof  auslegte,  wird 
kaum  jemand  bezweifeln  kennen;  dafs  ferner  auch  die  Oeconomica 
—  man  vergleiche  schon  den  Titel  —  bezeichnet  werden  kann 
als  ein  „libellus,  qui  doctrinae  summam  paucis  complectebatnr", 
bedarf  ebenfalls  keines  Beweises.  Ich  würde  demnach  keinen 
Anstand  nehmen,  die  Oeconomica  direkt  als  das  dem  Kaiser 
fibergebene  Schriftchen  zu  bezeichnen ,  wenn  nicht  die  mehrfach 
eich  findende  Angabe,  dafs  das  Scbriftchen  französisch  geschrie- 
ben gewesen  sei,  daran  binderte.  Wir  mOfsten  dann  also  an  eine 
französische  Übersetzung  der  Oeconomica  denken.  Und  nimmt 
man  die  allerdings  nicht  belegte  Notiz  Seckendorfa '  hinzu, 
„libellum  —  quo  capita  doctrinae  Christianae  comprebendebantur 
Landgravii  cnra  conscriptnm",  so  wäre  die  Vermutung, 
and  nur  als  solche  mOchte  ich  sie  ausgesprochen  haben ,  nicht 
ohne  weiteres  von  der  Hand  zu  weisen,  dafs  etwa  Lambert 
Ton  Afignon,  wie  er  die  Instruktion  für  die  Gesandten  Qber- 
aetzt  ^  auch  die  Oeconomica  auf  des  Landgrafen  Veranlassung 
ins  Französische  übertragen  habe  *,  und  es  wäre  immerhin  denk- 
bar,  dafs  sich  diese  Übersetzung  nocti  irgendwo  ßinde.  Jedenfalls 
scheint  mir  das  sicher,  dafs  wir  in  der  oben  citierten  Stelle 
aus  der  Oeconomica  das  Original  derjenigen  Stelle  des  Buches 
haben,  die  den  Zorn  des  Kaisers  erregt  und  den  zehn  Kindern 
des  Michael  von  Eaden '  beinah  ilireu  Vater  gekostet  hat. 


1)  Vgl.  das  ganze  sehr  raerkwardigc  XU.  Kap.;  in  der  Aus- 
gabe von  Toorenenbergen,  S.  93a 

2)  Seckendorf,  Hietoria  Lutheranismi  II,  133. 

3)  Knchenbecker,  Analtcta  Hassiaca  XII,  4l4aqq. 

4)  Tooreneabergcn  meint  eine  frauzo^iiscbe  ÜberaetEaDg  ron 
Oeconomica  wurde  etwa  L'ordinaire  des  chreBtieiis  betitelt  geweien 
sein  (S.  ixi) ;  darüber  lüfst  sich  sctiwer  etwas  aussageo,  da  man  nicht 
wissen  kann,  wie  eng  sich  der  Übersetzer  an  den  schwer  zu  übersetzen- 
den Originaltitcl  angesc blossen  hat.  Man  kÖunte  auch  an  L'ordre 
chretieu  denken ,  daneben  ist  aber  zumal  in  Kücksicht  auf  Sleidan'i 
Beschreibuug  (qui  doctrinae  Christiane  summam  paucis  complecte- 
batur),  der  uns  Buch  sicberlich  gekannt,  nicht  aungescfalossen ,  dafs 
es  denselben  Titel  wie  die  uns  schon  bekannte  Ausgabe  der  Summa 
geführt  bat  —  La  Summe  de  l'Escripture  saiiicte  (od.  Sommaire 
cbretien). 

5]  Vogt,  Die  KorrespondenE   des  Nürnberger  Kats   in  Mitt.  des 


o)   Vogt,  JJie  KorreapondenE   des  Aumticrge 
Vereiiu  für  GeHchichte  der  Stadt  Nürnberg,  4.  Hi 


left  {im-i), ; 


483  IHALBKTKir. 


5. 

Zd  Lother  in  Wonns. 

Von 

Th.  Brleger. 


Fflr  die  anf  das  öifeDiliche  Verhör  folgenden ,  teils  nidi^ 
ständischen  teils  priyaten  Verhandlangen  des  StfindeansschiiMi 
und  des  Trierer  KurftSisten  mit  Luther  ist  bekanntlich  eine  te 
wichtigsten  Quellen  eine  gleichseitige  Flugschrift ,  welche  mte 
dem  Titel  erschienen  ist: 

Etliche  sunderliche  flei-  \  sige  (naehgesekemer  w 
Ka.  Ma.  antworth)  Handlung  \  in  Docto:  Marttni  LuÜim 
sacken  durch  Gagst -liehe  vnnd  weUliche  Furstenn  da 
Eeichs  u.  s.  w.  K 

Köstlin  (Luthefs  Rede  in  Worms  am  18.  April  1521 
[Halle  1874],  S.  28)  hat  die  ansprechende  Vermntnng  ausge- 
sprochen,  der  Verfasser  dieses  Berichtes  sei  ebenso  wie  der- 
jenige der  lateinischen  „Acta**,  welche  mit  ihm  in  einem  augen- 
schoinliohen  Verwand tschaflsTerhältnis  stehen,  niemand  anders  als 
SpAlat  in. 

Kine  arohivaliscbe  Notiz,  welche  urs  doch  auf  eine  andere 
Fahrte  leitet,  land  ich  im  Herbst  1884  in  Dresden.  Das  Kgl 
Säohsisohe  iioh.  Staatsarchiv  bietet  in  einem  CouTolut  ^Miscellanei 
Saionioa"  v^.  :>833.  nach  dem  Kepertorium  lu  den  ^Hom'schen 
Manuskripten"  cehöriiT"*  in  Abschriften  des  18.  Jahrhunderts 
einice  ai:f  Woriv.s  be:i;*:!icbe  Aktenstücke,  nämlich  aa£ser  der 
Ke^io  l.i:ther's  vom  18.  April  «, deutsch,  auf  der  Grundlage  der 
f bersetiiinc  Spa'.atir.'s^  die  in  Reie  stehende  Flugschrift,  jedoch 
nach  e^.uer  Handschrift  iiUvi  ir.::  einer  ..Anieige.  worin  das  ge- 
druvk;e  Kieuii-ir  aVweicbi-;  can  kinn  daraus  entnehmen,  dab 
iu:  l^rucvo  c-.r.ic*  Steiler,  aus^'.as^ec  sind;  ich  gehe  für  jetit 
auf  diese  l^:f!fe:er:er.  r:::.:  e::;.  Bei:h:enswert  ist  ror  alleia 
die  f  >er<cbir'.:'^:  .4.:.s  U'.»-«.::  .,v  ;•;  :i'..>i  Luifrana  postquam 
rtsiK-'<r,:s.<^':   ,•«   .■•."*::..>    ::.fm.:.:m^\z*,^   ^^•':.:::r:*  fj  [sie]  amua- 


BsnesB,  WC  lfthex  bt  wobms.  MS 

aim  nttgiäa    Qtädtm  a    Wmltdorf  nfimt    imdgttnm  Oomi- 
tum  de  Miuufat,  1S21.    Ex  nd.  BtU.  Aa^  > 
Hienoch  wfird«  Badolpk  tob  Wstalarf, 

in  Hioem  filr  den  Qnfta  AltovcU  tv«  MmmM 
Bshchte  (Euenaeli,  3.  Mai  1&31,  dsWatt»  I.  603)  «rrtlut, 
der  Verfasser  aein  (in  den  TlKlacdea  vird  er  ■!■  Yt^nt  Ten 
Walldorf  eingeföhrt;  s.  E.  A.  64,  373). 

Diese  Notiz  vird  uns  nicht  nngUabwftrdig  Toriconunen,  wenn 
wir  auf  die  ProTenieni  der  Dresdener  Abschriften  echten.  Du 
„Ex  cod.  Bibl.  Ihul."  weist  n&mlich  auf  diejenige  Hudsdtrift 
der  Paoliaer  Bibliothek  bin,  welche  Fei  1er  (OaUlogus  Codicum 
Mfts.  Bibl.  Paulinae  in  Acftd.  Lips.,  Lipsiee  1686)  p.  3l38<i.  be- 
schreibt. Bei  einer  Nachfrage  nach  dieser  Handschrift  auf  der 
Leipziger  UniTersitAtebibliothek  erfahr  ich  im  Herbst  1864,  dab 
sie  wahrscheinlich  nicht  mehr  dort  Torhanden  sei,  und  dieaes  Fehlen 
wurde  mir  dann  im  Hän  d.  J.  als  gewifs  beetätigt.  NachtTftglioh 
iand  ich  d&DD,  dafa  sie  bereits  1831  venoilst  worden  ist  ^ 

Wir  Beben  uns  daher,  bis  die  Handschrift  etwa  anf  einer 
anderen  Bibliothek  wieder  zum  Vorschein  kommen  sollte,  auf  die 
genauere  Beschreibniig  derselben  in  einem  älteren  handschrift- 
lichen Kataloge  der  Leipziger  UniTeraitätsbibltothek  angewiesen. 
Hier  finden  wir  miter  VII  c  genan  denselben  Tite!,  wie  in  der 
Dresdener  Kopie.  Die  auf  Worms  bezQglichen  Stacke  *  des  ver- 
lorenen Codex   sind   aber,    wie   der  ganze   übrige   Inhalt,    nach 


Codex  der  Febdebrief  (mit  der  Uoterschrift:  Buodschuhl  kopiert  i 
Darunter  die  Notii;  Averbach  tnisit  Iteinero  sed  et  alibi  tidimu»  c 
dem  verlris  nüi  quod  numeri  4  hundert  et  hundert  lausenl  vocentur. 
Fr.  Prtzensteitur  Comts  Luteri  ait  v  hundert  et  S  taueent  legüse  »e. 
Von  einem  Berichte  Petzensteiner's  über  Worms  ist  mir  biaher  nicbta 
beksDut.  ~  Abgedruckt  ist  aus  dem  Cod.  Bibl.  Paul,  dieser  Febde- 
brief in  den  Unach.  Nachr.  1717,  S.  167f.  und  zwar  mit  der  eben 
mitgeteilten  Nachschrift.  Hicraui  geht  hervor,  was  man  ohnehin 
vermuten  mufate,  dafa  letztere  nicht  etwa  von  dem  Abschreiber  de» 
18.  Jahrhunderta  herrührt,  »oudera  von  dem  Zeitgeuoseeu  Caspar 
Botner  (.8    u.). 

■i)  Damals  hat  sich  Karl  Eduard  Forstemann  vergeblich 
nach  ihr  erkundigt  (s.  Cofp,  Ref.  I,  419).  Im  Jahre  1792  scheint 
Job.  Friedrich  Köhler  (Beytritge  zur  Ergänzung  der  deutacben 
Litterator  und  Kuoslgeschichle  I,  l*ipzig  1792,  S.  71)  die  Haud- 
achrift  ooch  gcsebeu  zu  haben. 

3)  Aufser  der  in  Rede  stehenden  Flugschrift  noch  die  anch  in 
der  Dresdener  Kopie  (b.  o.)  vorliegende  Reds  Luther's  vom  18-, 
dentsch  ,  unter  dem  auch  von  dem  Ms.  Dresd.  gebotenen  Titel; 
P.  [Dresd,:  D]  Luleri  renponsum  coram  Imji.  Caroln  et  prineipibu» 
reliquisque  Germanicae  nationi»  j/rimorilia*  Vormatiae.  D.  UuitT 
comes  e  Mansfell  D.  Doclori  Gebstet  medieo  et  consuli 
dono    miserat.    3.  Maii  [Drewi.:    m.  Jtffv'i)    i5Sl,   unde    not 


I 


484  AKALEKTEN« 

Ausweis  des  Kataloges  Ton  Caspar  Borner  ^  gesckriibi 
weseo,  somit  Ton  einem  Manne ,  dessen  Zeugnis  nicht  dM 
teres  abgelehnt  werden  kann.     Hiemach  l>edarf  aach  ä% 
nach  der  Komposition  der  „Acta**  ementer  Untersuchung;     |^ 

Immer  aber  bleibt  es    wAnschenswert,    daXs   der 
Codex  der  Bibl.  Paulina,  dessen  sonstiger  Inhalt  allerdings 
weg    aus  lauter  bekannten   Stflcken    besteht ,    wiederao^eted  ^''^ 
werde.     Zu  Nachforschungen  nach  demselben    anzuregen  iit  k\ 
Zweck   dieser  Zeilen.     Ich   mache  daher   aus   Feller   nod  tt^l 
gende  Mitteilungen  Aber  seinen  Inhalt: 

1.  Apologia  pro  M.  Barthol.  Bemhardo  a  Feltkirehen,  f»ln| 
Ecclesiae  Kemburgensis,  pro  ducta  uxcre,  scripta  ad  Conäonl 
Archiepiscopi  Magdeburgensis,  sed  autore  Philippo  Melandte' 
A.  1521«. 

2.  Epistola  Andreae  Carolostadii ,  Joh.  Agricolae  et  Pbi# 
Melanchthonis  ad  Johanuem  Episcopum  Misnensem  pro  Ju^ 
Sadlero  [so  für  Seidler]  sacerd.,  qui  uxorem  duxerat '. 

3.  Instruction,  was  Christianus  Geier  [so  für  Beyer],  Qu- 
fürsten  Friedrichs  Bath,  an  D.  Johann.  Doltzsch,  Andreas  Cd- 
Stadt,  Hieron.  SchurfT,  Nicol.  Amsdorf  und  Philipp  MelanchthonB 
werben  sollen  wegen  Abschafifung  der  Messe  ^. 

4.  Erster   Bericht    des    Ausschusses    Yon     der    ünifenittt 
Wittenberg  der  Augustiner  halber  ^. 


porro  descripsimus,  eine  Notiz,  die  über  die  Herkunft  der  Kope 
genügenden  Aufschlufs  giebt  und  auch  wegen  des  Datums  Beacbtoog 
verdient  Femer  das  Geleit  für  Luther  mit  der  Bemerkung:  „Irt 
durch  den  Heraldt  geanttoort  zcu  Vittenbergk  27.  Mariii  1521"  (tnd 
dieses  Datum  ist  bei  der  bekannten  Unsicherheit  des  Tages,  an  wa- 
chem Luther  die  Citation  empfangen  bat ,  zu  beachten) ;  endlidb 
Hutten's  Brief  an  Luther,  Ebernburg  15.  Mai  (s.  a.)»  ODzweifelhaft 
der  Brief  XV.  cal.  Maii,  Op.  Hutt.  ed.  Böcking  IL  55. 

1)  Geboren  etwa  1590,  gestorben  zu  Leipzig  im  Mai  1547.  Ab 
diesen  Leipziger  Gelehrten  schrieb  Luther  seinen  berühmten  Bxief 
über  Erasmus,  28.  Mai  1522,  de  Wette  II,  200 f.  Zwei  Briefe  Bat- 
ner*8  an  Pflug  in  den  „Epistolae  Petri  Mosellani,  Casp.  Bornen  etc. 
ad  Jul.  Pflugimu**,  ed.  Chr.  Gottfr.  Müller,  Lips.  1802,  p.  48qq. 
Über   Bomer   ist    zu   vergleichen    M.    Adam,   Vitae    Germanicorum 


(Lugd.  Bat.  1707),  p.  445— 4fil):  vor  allem  aber  Zarncke,  Die 
urkundlichen  Quellen  cur  Geschichte  der  Universität  Leipzig  (Leipzig 
1857)  passim.  (Die  Schrift  von  Diemer,  Leben  Bomer *s,  ist  mir 
nur  dem  Namen  nach  bekannt. ") 

2)  Steht  Corp.  Ref.  I,  421-442. 

3)  S.  diese  Epistola  Corp.  Ref.  I,  418 f. 

4)  Abgedruckt  C.  R.  1,  47 1  ff. ;  vgl.  S.  470. 


5)  Wohl  sicher  das  Aktenstück  C.  R.  I,  465  ff. 


C.  R.  I, 


lOSCELLEN.  485 

■  5.  Unterricht  nnd  Batschlag  des  Ausschusses  der  Universität, 
1  die  Messe  betreffend  K 

i         6.  Fpistola  D.   Casparis  Islebii  in  Monasterio   Augustiniano 

■  ad  civem  quendam  Noribergensem  de  iis,  quae  in  templo  Augn- 
(  fltiiiianorum  Wittebergae  decreta  sunt  A.  1521  mense  Januar.'. 

■  Hieran  schliefsen  sich   dann  die   bereits   erwähnten  Worma- 


6. 

Niscellen. 


1.  Berlohtigung. 

In  dem  ersten  Bande  dieser  Zeitschrift  S.  446 — 450  habe 
ich  im  Jahre  1877  unter  der  Überschrift  „Jüdische  Proseljten 
im  Mittelalter"  zwei  auf  den  Abfall  eines  deutseben  Geistlichen 
Wecelin  zum  Judentume  bezügliche  Schriftstücke  herausgegeben, 
welche  ich  für  ungedruckt  hielt.  Erst  kürzlich  entdeckte  ich 
zufällig,  dafs  dieselben  schon  in  ein  Werk  des  Metzer  Mönches 
Alpert  Aufnahme  gefunden  haben,  De  diversitate  temporum  I, 
c.  7  und  II,  c.  22.  23  (Mon.  Germ.  SS.  IV,  704.  720—723), 
woselbst  jedoch  die  Widerlegung  des  Abtrünnigen  den  mehr  als 
doppelten  Umfang  hat  Aus  dieser  Quelle  ergiebt  sich  auch, 
dals  mit  dem  Kaiser  Heinrich  nicht  der  m.,  sondern  der  IL 
gemeint  ist.  Die  von  mir  daselbst  angeführte  Zusammenstellung 
Simson*8  über  Bodo-Eleazar  könnte  aus  den  Werken  des  Paulus 
Alvarus  sehr  wesentlich  ergänzt  werden,  s.  Florez,  Espana 
sagrada  XI,  171—218  oder  Migne  Patrolog.  CXXI,  473—514. 

E.  DümnUer. 


1)  C.  B.  I,  494ff. 

2)  Dieser  Brief  Gütters  findet  sich,  von  Kapp  aas  unserer 
Handschrift  abgedruckt,  in  den  Unsch.  Nachr.  (Fortgs.  Samml.) 
1747,  S.  168—171.    Vgl.  Kapp,  Kleine  Nachlese  II,  531  f. 


^^^^^W^^^k^^^%.«K^I^H^N>^i^^^^ 


486  AKALEKTEK. 


2.  Zu  den  Lutherhandsohrlflen  eben  S.  297 El 

Das  Stflck  S.  300  ist  aus  der  Ton  Bodemann  gefandsnn 
Handschrift  schon  abgedruckt  in  Wrampelmejer*8  Tagebnd 
des  Cordatns,  und  zwar  mit  richtigem  Hinweis  daranf ,  dals  m 
längst  in  Luther's  Tischreden  yeröffentlicht  ist  Hierza  f^ge  iek 
noch  die  folgende  Notiz. 

In  einem  zu  Nflmberg  1533  bei  Formschneider  gedruckten 
deutschen  Psalter  in  12^  (pf'DeT   dentsch   Psalter,    sampt  den 

Sammarien durch  D.  M.  Lut.  zu  Wittemberg'*  etc.),  der 

mir  Tor  einiger  Zeit  Yorgelegt  war,  steht  Yom  eingeschrieben, 
nicht  von  Luther*s  eigener,  aber  Ton  einer  gleichzeitigen  Hand: 

Quid  est  psalterium,  quam  ipse 

usus,  ipse  experiencie,  ipsa  officia,  ipsa 

exercicia  primi  praecepti  seu  prime  tabole. 

Ysus  psalteriL 

1  Credens,  temptatur  et  tribulatur 

2  Tribulatus,  orat  et  invocat 

3  Invocans,  ezauditur  et  consolatur 

4  Consolatus,  gracias  agit  et  laudat 

5  laudans,  alios  iustruit  et  docet 

6  Docens,  hortatnr  et  promittit 

7  Promittens,  minatur  et  urget 

8  Qni  autem  credit  minanti  et  promittenti  domino,  eundem 
circulum  currit,  easdem  res  experturus  atque  gesturus. 

Hec  est  universa  summa  pietatis 

M  L-  1536. 

Die  Fassung  von  „8*'  scheint  mir  entschieden  die  ursprüng- 
liche gegenüber  von  der  in  den  Tischreden  (FOrstemann  IV,  711) 
und  der  bei  Bodemann  ^.  Jtd.  Köstlin. 


1)  Der  Hexameter  S.  298,  Z.  2  ▼.  u.  kann  nicht  so  Ton  Luther 
oder  sonst  einem  Manne  von  Lather's  Bildung  herrühren,  mit  dies» 
zweiten  Versbälfte  ,,cOn&ttls  nSc  ütllls  Unquäm*^;  sein  ursprünglicher 
Verfasser  hat  ohne  Zweifel  nicht  „nee**  sondern  „ef  ge8chri^>en. 


NACHEICHTEK 


^A^^W^^*-^^^^^^^«^ 


I. 

64*  Eine  grolsaiüg  angelegte  historische  Zeitschrift;  er- 
scheint seit  Beginn  d.  J.  in  London  (Longmans,  Green, 
and  Co.):  ;;The  English  Historical  Review^',  heraus- 
gegeben von  Rev.  Mandell  Creighton,  Professor  der 
Kirchengeschichte  zu  Cambridge. 

56«  Die  ^^Real-Encyklopädie  der  christlichen 
Altertümer''  von  F.  X.  Kraus  hat  soeben  durch  Aus- 
gabe der  16.  bis  18.  Lieferung  ihren  Abschlufs  gefunden. 
Als  rein  kirchengeschichtliche  Artikel  sind  in  diesen  Liefe- 
rungen beachtenswert:  ,,  Römische  Toleranzedikte''  von 
Görres  (S.  885—901)  und  „Symbole"  von  Funk  (be- 
sonders seine  Ausfuhrung  über  das  Nicaeno-Constantinop.) 
S.  807—814. 

56.  Die  erste  eingehende  und  sehr  beachtenswerte 
Kritik  ron  Adolf  Harnack's  Lehrbuch  der  Dogmen- 
geschichte (Bd.  I;  Freiburg  i.  B.  1886)  hat  Friedrich 
Loofs  (Deutsch -evangelische  Blätter  1886,  S.  177  —  200) 
geliefert 

67«  Ein  2^ichen  für  die  Beachtung,  welche  die  Di- 
dache  auch  in  Italien  gefunden  hat,  ist  das  Schriftchen 
Alessandro  Chiapelli's:  „Una  recente  scoperta,  La 
dottrina  dei  dodici  Apostoli"  (Estratto  dalla  Nuova  Antologia, 
Vol.  Lm,  Fase.  XVni),  Roma  1885  (19  S.  in  8).    Nach 


TT' 

waittar^^  TcAsiüead.  —  Denelbe  Ansor  beittodeh  in  der 
Zatang  „La  Docuauca  dd  Fncaan-^  (11,  43,  Born  2&.  Ok- 
tober ISSij  das  Bickef  seke  Fragment  unter  der  Uber- 
wdai&z  „H  firantmento  om  scoperto  d'im  qninto  ETSogeSo''. 

Sft.  LipsinSy  der  ldd4  die  zweite  HiKke  des  zweiten 
Bandet  seines  Bodkes  über  „  die  apokjTphen  Aposleigeaeliicliten 
nnd  AposteDegenden"  tot  der  enten  den  Actas  Petri 
et  Pnali  gewidmeten  henuisgeben  nmikte,  „weQ  er  die 
Actos  Petri  Vercellenscs  nodi  nickt  wieder,  die  griechiacken 
n^^ug  JTer^oc  nock  gar  nickt  zn  erlangen  Termochte^i 
ist  jetzt  in  den  Besitz  einer  Abackiift  des  von  Tiackendorf 
eingesehenen  cod.  Patmensis  grieckiscker  Akten  des  Petnu 
nnd  Paolos  gelangt  ond  hat  anck  einen  grolaen  Teil  der 
Actos  Petri  Vercellenaes  al^esckneben  erkalten  (Jakrb.  i 
prot  Tk  1886,  I,  S.  86  —  106  ond  175 £).  Er  veroffsni- 
licht  an  ersterer  Stelle  die  passiones  der  beiden  Apostel  ond 
bespricht  an  letzterer  die  Actus  Petri  Vercellenses.  Die 
griechischen  Akten  sind  nach  Lipsios'  Urteil  nicht  das  ge- 
suchte griechische  Original^  sondern  Kückübersetzungen  aus 
dem  Lateinischen.  Dem  Text,  aus  dem  sie  flössen,  stehen 
die  Actus  Petri  Vercellenses  und  die  Actus  Pauli  Monacenses 
viel  näher  als  der  sogen.  Linustext.  —  Ein  Fragment  der 
passio  Pauli  e  codice  Monac.  4554  primum  editum  folgt 
ohne  Prolegomena  a.  a.  O.  Heft  2,  S.  334 — 336. 

59«  Unter  den  ^^Apokalyptischen  Studien",  in 
denen  Th.  Zahn  die  Verwertung  der  Nerosage  für  die  Er- 
klärung der  Apokalypse  zu  bekämpfen  begonnen  hat 
—  Zeitschrift  f  kirchl.  Wissenschaft  und  kirchl.  Leben  1 885, 
X,  S.  523—529:  Einleitendes;  XI,  S.  561—576:  Über  die 
Zahl  des  Tieres;  1886,  I,  S.  32—45:  Über  den  Ursprung 
und  religiösen  Charakter  der  sibyllinischen  Bücher  IV,  V 
[VIII,  1—216;   XII  u.  XIII]   (noch  unvollendet)   — ,   sind 


NACHBICBTEN.  489 

>  namentlich  die  letzten  von  kirchenhiatoriacbem  Interesse: 
Buch  IV  ist  rein  jüdischen  Ursprungs,  Buch  V  ist  ans  zwei 
jüdischen  Stücken  aus  den  Jahren  71  und  ca.  120  von 
einem  Christen  um  150  zusammengestellt,  doch  rühren  von 
letzterem  nur  einige  Verse  her.  —  Inbezug  auf  Buch  IV 
steht  Zahn  mit  seinem  Urteil  nicht  so  allein,  wie  er  meint, 
B.  gegen  Schiirer,  Zeitgeschichte,  S.  517  Schürer  in  der 
Theo!.  Litteraturzeitung  1878  col.  358  und  jetzt  auch  Ge- 
schichte des  jüd.  Volkes  II  (1806),  S.  öOl. 

60.  Auch  Hilgenfeld  (Zeitschrift  f.  wiss.  Theol.  1886, 
I,  S.  50 — 59)  und  Nöagen  (Zeitschrift  f.  kirchl.  WisBensch. 
und  kirchl.  Leben  1885,  IX,  S.  462—470)  finden  in  dem 
Bickel'schen  Fragment  (vgl.  Theol.  Litteraturzeitung 
1885,  Nr.  12)  kein  Fragment  eines  unkanonischen  Evan- 
geliums. 

ei.  In  seiner  Zeitschrift  f,  wiss.  Theol.  1886, 1,  S.  1—26 
bringt  Hilgenfeld  einen  Aufsatz  „Zum  Ursprung  des 
Episcopats",  der  mehr  der  Kritik  der  Hatch - Harnack'- 
Bchen  Hypothese  als  der  positiven  Darlegung  der  eigenen 
Ansicht  gewidmet  ist.  Die  Kritik  hebt  neben  manchem 
Belanglosen  auch  einige  wunde  Punkte  der  Hypothese  her- 
vor, die  im  Hintergrund  stehende,  am  Schlufs  kurz  darge- 
legte positive  Ansicht  ist  im  wesentlichen  die  vor  Hatch  bei 
uns  verbreitete.  —  Weit  mehr  ist  die  Erledigung  der  Streit- 
frage indirekt  gefördert  durch  Schurer's  Geschichte  des 
jüdischen  Volkes  im  Zeitalter  Jesu  Christi  U  (1886).  Gegen- 
tiber dieser  zweiten  Auflage  der  neutestam entlichen  Zeit- 
geschichte Schurer's  ist  es  unnötig  auf  die  grofse  Bedeutung 
hinzuweisen,  welche  dies  Buch  ftir  das  Studium  der  ältesten 
Kirchengeschichte  im  allgemeinen  hat;  —  das  ist  allbekannt. 
Da  aber  die  Anzeige  des  Buches  in  der  Schürer -Hamsck'- 
Bchen  Litteraturzeitimg  (1885,  Nr.  25),  eine  Selbstanzeige 
des  Verfassers,  nur  in  einem  Abdruck  der  Vorrede  bestand, 
80  möge  hier  wenigstens  die  besondere  Wichtigkeit  der 
Paragraphen  hervorgehoben  werden,  welche  von  der  jüdi- 
schen Gern  ein  deorganisation  und  den  Beamten  der  Synagoge 


1 


490  KAGHRICHTEir. 

(§  27,  S.  358  ff.  besonders  364—868),  von  den  Juden  ii 
der  Zerstreuung,  ihrer  Gemeindeoi^anisation  und  von  dei 
ProBeljten  handeln  (§  31,  S.  493  ff.  bes.  513  ff.  548  ff.).  D» 
Nachweise  Schürer's  sind  in  hervorragendem  Malse  geeignel^ 
die  Hatch-Hamack'sche  Hypothese  zu  stützen ,  aber  aodi 
zugleich  zugunsten  eines  stärkeren,  durch  Proselyten  Ter 
mittelten  jüdischen  Einflusses  zu  modifizieren.  —  Und  nicht 
nur  in  der  eben  erwähnten  Einzelfrage  helfen  die  Ausfüh- 
rungen Schürer's  in  §  31  seiner  Geschichte  o.  a.  w.  die 
Kluft  zwischen  ,, heidenchristlichen''  und  ^Judenchristlichen^ 
Gemeinden  imd  Gemeindekreisen  überbrücken,  sondern  auch 
im  allgemeinen  sind  sie  für  eine  richtige  Würdigung  des 
jüdischen  Einflusses  im  alten  Christentum  von  einschnd- 
dendster  Bedeutung.  Die  Frage  nach  der  Zeit  der  CSemen- 
tinen  (Hilgenfeld  a.  a.  O.  S.  7)  oder  die  nach  dem  ,,  Juden- 
christentum'' Hegesipp's  (ebenda  S.  9)  sind  von  verschwin- 
dend geringer  Bedeutung  gegen  die  Fragen,  welcher  Art 
die  Juden  waren,  welche  auTserhalb  Palästinas  an  Christus 
gläubig  wurden,  und  wie  hoch  etwa  die  2^ahl  der  Proselyten 
—  des  „Thores"  würde  man  sagen,  wenn  nicht  Schürer 
diesen  Terminus  als  apokryph  erwiesen  hätte  —  in  den 
ältesteil  Christengemeinden  des  Reiches  zu  veranschlagen 
sei.  Beachtet  man,  dafs  die  Juden  in  der  Zerstreuung  nicht 
waren  wie  die  Jerusalemer  Judenchristen:  Ttavreg  tijActrrai 
Tof)  voiuov  (Act.  21,  20)  vgl.  Schürer  S.  553  ff,  beachtet 
man  weiter,  welcher  Art  das  Verhältnis  der  Proselyten  zum 
Judentum  war,  und  veranschlagt  man  den  Bruchteil  der 
Christengemeinden,  welcher  aus  Proselyten  bestand,  so  grofs, 
als  es  wahrscheinlich  geschehen  mufs,  würdigt  man  schliefs- 
lich  die  klärenden  Ausführungen  Hamack's  in  seiner,  einer 
besonderen  Hervorhebung  bereits  nicht  mehr  bedürftigen 
Dogmengeschichte  I  (1886),  S.  215  ff:  dann  wird  die  anti- 
baursche  Auffassung  des  ersten  Jahrhunderts  der  Geschichte 
der  christlichen  Barche  imstande  sein,  auch  den  Rest  zu 
verarbeiten,  der  bei  der  bisherigen  Verrechnung  der  Tü- 
binger Erbschaft  stets  noch  zurückblieb  und  den  modi- 
fizierten Tübinger  Anschauungen  immer  noch  eine  gewisse 
Reaktionskraft  liefs.     Bemerkenswert  ist,  dafs  auch  Holtz- 


HACKRICSTrai.  491 

mann  in  einem  Aufsatz  über  den  LeBerkrois  des  Btimer- 
briefa  (Jabrb.  f.  protest.  Theol.  1686,  I,  S.  107—131,  TgL 
Holtzmann's  Einleitung  in  daa  Neue  Testament  1885,  S.  249  f.)^ 
obne  eutBchieden  Stellung  zu  nehmen ,  dennoch  bekannt 
(Jahrb.  S.  129),  „dafa  die  BcbarfBimiige  und  beredte  Ver- 
tretung, welche  die  heidenchriatÜche  Adresse  des  KömerbriefB 
seit  1876  gefunden  hat,  nicht  ohne  Wirkung  an  ihm  vor- 
übergegangen sei". 

62.  In  beachtenswerten  Bemerkungen  „über  die  Ein- 
heitlichkeit der  didaxt'j"  (Jahrb.  f.  protest  Theol 
1886,  n,  S.  302—311)  resümiert  und  vervollständigt  Lic 
Dr.  Bratke  die  Cb-ünde,  welche  es  nahe  legen  für  dtd. 
1 — 6  und  die  verwandten  Texte  eine  auch  vom  Bamabas- 
brief  benutzte  Urschrift  anzunehtnen,  6tö.  7  — 16  aber 
—  der  KUrze  halber  lasse  ich  die  Modifikationen  dieser  rein- 
lichen Scheidung  beiseite  —  zeitUch  und  örtlich  von  jener 
Urschrift  getrennt  entstanden  zu  denken.  —  Übrigens  sei 
hier  auf  die  höchst  dankenswerte  Rückschau  auf  die  Ver- 
handlungen über  die  dtdaxi)  aufmerksam  gemacht,  welche 
Hamack  in  der  Theol.  Litteraturzeitung  1886  Nr.  12  zu 
geben  begonnen  hat. 

63.  Wie  viel  noch  daran  fehlt,  dafs  die  allgemeinsten 
Grundsätze  geschichtlicher  Forschung  auch  fiir  die  Dogmen- 
geschichte anerkannt  seien,  zeigt  der  nur  deshalb  interessante 
Aufsatz  von  Dr.  R.  Schenk  in  Aschersleben  in  der  Zeit- 
schrift für  kirchl.  Wiasenschaft  und  kirchl.  Leben  1885, 
VIII,  S.  407 — 413.  Um  die  Vorstellung  überverdienstlicher 
Werke  bei  Herraaa  wegzudeuten,  wird  der  pastor  seiner 
geschichtlichen  Umgebung  entnommen  und  mit  Zuhilfenahme 
neuerer  dogmatischer  Begriffe  interpretiert.  Keiner  der  an- 
deren patres  app.  ist  erwähnt! 

64.  In  seiner  Zeitschrift  tiir  wissenschaftliche  Theologie 
1886,  II,  S.  180—206  giebt  Hilgenfeld  eine  neue  Text- 
rezenaion  des  Polycarpbriefes  auf  Orund  des  bekannten 
Materials  und  trägt  gleichzeitig  eine  Jnterpolationahjrpothew 


492  NACHBICHTEK. 

vor,  die  der  schon  in  der  Zeitachrift  für  -wiasenBchaftUcliB 
Theologie  1884,  S.  374  von  Hilgenfeld  gebilligten  Ritocbl'- 
Bellen  eng  verwandt  ist. 

65,  K.  J.  Neumann  hatte  (Theolog.  Litteraturzeitung 
1881,  col.  422)  gewifs  unter  Zustimmung  der  Mehrzahl  der 
Forscher  geäuiBert,  dafs  rücksichtlich  des  Widerspruchs,  den 
Hartcl  und  später  V.  Schnitze  gegen  den  Ebert'schen  Be- 
weis der  Abhängigkeit  TertulUans  von  Minucius  Felix  er- 
hoben hatten,  „eine  teilweise  Neubegründung  des  Ebert'- 
schen Resultates  allerdings  notwendig  geworden,  aber  aucb 
möglich  sei".  In  diesem  Sinn  handelt  „über  Minacius 
Felix  und  Tertullian"  sorgfältig  und  erschöpfend  weit- 
läuftig  Prof.  Reck  in  der  Tübinger  theol.  Quartalschrift 
1886,  I,  S.  64—114. 

66.  E.  Nöldechen  (vgl.  Nachrichten  des  vor.  Heftes 
Nr.  3)  zerstreut  die  Resultate  seiner  minutiösen  aber  ziem- 
lich unfruchtbaren  TertuUianstudien  in  den  verschie- 
densten Zeitschriften:  „die  Situation  von  Tertulliana  Schrift 
,Uber  die  Geduld'",  Zeitachrift  iiir  kirchl,  Wissenschaft  und 
kirchl.  Leben  1885,  XI,  S.  577—580;  „die  Krisis  im  car- 
thagiscben  Schleierstreit  206"  [Begründung  dieser  Zahl  er- 
folgt nicht],  ebenda  1886,  I,  S.  46—56;  „ Tertullian'a  Ge- 
burtsjahr" [Wahrscheinlichkeitsgründe  für  ca.  150],  Zeitachr. 
f.  wissensch.  Theol.  1886,  II,  S.  207—223;  „Tertullian  als 
Mensch  und  als  Bürger",  v.  Sybels  Histor.  Zeitschrift 
1885,  S.  225  —  260;  „  Tertullian's  Verhältnis  zu  Kleinens 
von  Alexandrien ",  Jahrb.  f.  protest.  Theol.  188G,  II,  S.  279 
bis  301;  „Am  Nil  und  am  Bagradas",  8tud,  u.  Krit  1886, 
ni,  S.  549 — 567.  Geschichtliche  Schilderung  und  sprach- 
lich schöne  Darstellung  sind  dem  Verfasser  offenbar  wich- 
tiger als  die  Förderung  des  historischen  Wissens.  Die  An- 
knüpfung an  die  Arbeiten  anderer  mufs  sich  der  Leser  erst 
BchaSen,  das  Neue  und  Eigentümliche  in  Kleinigkeiten  aus 
einer  Menge  des  bekannten  müheam  heraussuchen.  Am 
wichtigsten  wäre  der  Aufsatz  über  Tertullian's  Verhältnis 
zu  Riemens  (vgl.  auch  den  Schlub  des  Aufsatzes  in  Studien 


NAOHBICETEK.  493 

und  Kritiken) ,  —  wenn  der  Beweis  einer  Abhängigkeit 
TertoIlian'B  von  Klemens  wirklich  erbracht  wäre  und  durch 
minutiöse  Vergleich ung  einzelner  Gedanken  und  Wörter 
überhaupt  zu  erbringen  wäre. 

67>  Aus  einer  allerdings  jungen  aber  auf  eine  Vorlage 
des  Jahres  35D  zurückgehenden  Handschrift  des  (Hippolyt- 
Bchen)  sogen,  liber  generationis  in  Cheltenham  veröffentlicht 
Mommsen  im  Hermes,  Bd.  XXI  (1886),  S.  142  —  156  in 
einem  Aufsätze  „zur  lateinischen  Stichometrie"  das  am  Schlufa 
stehende  stich ometri sehe  Verzeichnis  der  biblischen  Schriften 
und  der  dem  Schreiber  der  Vorlage  bekannten  Schriften 
Cyprian's.  „Diejenigen  Gelehrten",  sagt  Momrasen  (S.  148), 
„die  sich  mit  dem  Kanon  der  biblischen  Bücher  und  mit  der 
Kritik  Cjprian's  sowie  mit  der  Stichometrie  überhaupt  ab- 
geben, werden  nicht  verfehlen,  sich  mit  dem  Verzeichnis 
eingehender  zu  beschäftigen,"  Mommsen  selbst  begleitet 
das  Verzeichnis  mit  „vorläufigen  Erörterungen"  Über  die 
Bedeutung  desselben  für  unsere  Kenntnis  der  Stichometrie 
und  für  die  cyprianische  Kritik.  Inbezug  auf  das  erstere 
werden  die  Aufstellungen  von  Diela  (Hermes,  Bd.  XVU, 
S.  377ff.  vgl.  Theol.  Litteraturzeitung  1883,  col.  460)  be- 
stätigt. An  den  Resultaten  der  litterarischen  Kritik  der 
opera  Cypriani  wird  das  Verzeichnis  schwerlich  etwas  än- 
dern, das  Fehlen  der  Schrift  quod  idola  dii  non  sint  z.  B. 
wird  V.  Schultze's  Zweifel  an  deren  Echtheit  (Jahrb.  für 
protest.  Theol.  1881,  S.  485  ff.  vgl.  Möller  ebenda  S.  757f.) 
nicht  zu  stützen  vermögen.  Doch  für  die  Geschichte  der 
Sammlung  der  epp,  Cypr.  und  für  die  Handschriftenkritik 
kann  das  Verzeichnis  sehr  wichtig  werden.  Es  stammt  wahr- 
scheinlich aus  Afrika.  Über  das  Kanonverzeichnis  der 
Ilandechriil  —  es  hat  dieselbe  Reihenfolge  der  Evangelien 
wie  der  angebUche  Theophiluskommentar  —  spricht  Zahn 
bei  Mommsen  S.  148,  Anm.  2  (Mitteilung  ans  einem  Briefe 
Zahn's)  und  ausführlicher  in  der  Zeitschrift  fiir  kirchliche 
Wissenschaft  1886,  HI,  S.  113—118.  Vgl.  jetzt  über  die 
Momtnsen'sche  Publikation  auch  Harnack  in  der  Theolog. 
Litteraturzeitung  1886,  Nr.  8. 


i     J 


494  NACHBICHTÜr. 

A8>  Über  die  Gedichte  des  Damaaas,  ihre  Ubov 
Uefemng  und  ihren  gescbichtUchen  Wert  handelt  mehr  fibo- 
sichtlich  als  erachöpfend  de  Robb!  in  aemem  BuUetiiio  III,  I 
(1885),  S.  5—31. 

69*  Die  in  den  Nachrichten  des  vorigen  Heftes  m  Nr.  9 
erwähnten  Akten  zum  Schisma  des  Jahres  530  hat  Mo m lö- 
sen auf  Grund  eigener  Kollation  der  Handschrift  im  Neuen 
Archiv  XI,  2  (1886),  S.  361  —  368  aufs  neue  herauagegebcD, 
und  zwar  zugleich  mit  den  gleichfalls  zuerst  durch  Amelli 
pubUzierten,  für  die  Geschichte  des  römischen  Primats  und 
fiir  die  Geschichte  des  Ephesioum  von  449  und  des  Chalce- 
doneoae  sehr  wichtigen  Apellationen  Flavians  von 
Konatantinopel  und  Eusebs  von  Doryläum  an 
den  römischen  Bischof.  —  Beide  Scbriltatücke  waren  übri- 
gens fast  vollständig  oach  Amelli  bereits  bekannt  gemacht 
in  der  (lunsbrucker)  Zeitochr.  f.  kath.  TheoL  1883,  S.  191 
bis  196. 

7t).  Eine  sehr  dankenswerte  Rückschau  auf  die  Ver- 
handlungen über  die  Echtheit  oder  Unechtheit  der  theo- 
lo^schen  Schriften  des  Boethius  im  letzten  Meuschenalter 
giebt  Dräseke  in  den  Jahrb.  für  proteat  Theol.  1886, 
II,  S.  312 — 333.  Dräseke  selbst  stellt  sich  entschieden  auf 
die  Seite  derer,  welche  die  Frage  zugunsten  der  Echtheit 
entschieden  glauben,  seit  in  dem  sogen.  Anecdoton  Holden 
(ed.  Usener  1877)  ein  Zeugnis  Caaaiodora  fiir  die  Echtheit 
vorhegt.  —  Dafs  jedoch  über  dies  „Zeugnis  Caaaiodors" 
die  Akten  noch  nicht  geschlossen  werden  dürfen,  ist  zu  er- 
sehen aus  dem  Aufsatz  von  Dr.  G.  Schepps  „Geschieht- 
hches  aus  Boethiushandschriften "  im  Neuen  Archiv  XI,  1 
(1886),  S.  123—140  bes.  S.  128. 

71>  Gegenüber  der  ersten  Lieferung  der  Ausgabe  dea 
Über  pontificalia  von  Duchesne  begründet  Waitz  aufs  neue 
Beine  Beurteilung  des  Catalogus  Felicianus  (vgL  Waitz'B 
Art.  Über  pontif.  RE*  VIU,  643  f.)  im  Neuen  Archiv  XI,  2, 
S.  219—229. 


NACHRICHTEN.  496 

7t.  Die  vielgenannte  Schilderung  der  religiösen  und 
sittlichen  Zustände  der  Merowingerzeit  ditrch 
Löbell,  Gregor  von  Tours  und  seine  Zeit,  2.  Aufl.  (1869), 
S.  209 — 295  giebt  zwar  jedem,  der  Gregor  nicht  selbst 
kennt,  einen  vortrefflichen  Einblick  in  die  Verhältnisse  jener 
Zeit,  doch  fällt  der  Hauptnachdruck  auf  die  Mitteilungen 
aus  den  Quellen,  nicht  auf  die  Erklärung  und  Beurteilung 
der  erschrecklichen  Zustände  jener  Zeit  Umgekehrt  ist  ea 
mit  dem  lesenswerten  Aufsatz  von  Ernest  Lavisse  „La 
foie  et  la  morale  des  Francs"  in  der  „Revue  des  deuz 
mondes"  vom  15.  März  1886. 

73.  Um  die  Erforschung  der  wichtigsten  Periode  der 
älteren  Kirchengeschichte  Spaniens,  der  Periode, 
in  welcher  nach  der  glänzenden  Regierung  des  arianischen 
Königs  Leovigild  die  Konvertierung  des  Reiches  erfolgte, 
hat  sich  F.  Görres  seit  14  Jahren  vielfach  verdient  ge- 
macht. Folgende  einzelne  Aufsätze  von  ihm  liegen  vor: 
l)  „Leovigild's  Anfänge",  Forschungen  zur  deutschen  Ge- 
schichte XII  (1S72),  S.  593—618;  2)  „Nachträge  zur  Ge- 
schichte Leovigild's",  ebenda  XIII  (1873),  S.  634—645; 
3)  „Hermenigild",  Zeitschrift  für  histor.  Theol.  1873,  S.  1 
bis  109;  4)  „Leovigild's  Stellung  zum  Katholicismus ", 
ebenda  S.  547 — 604;  neuerdings  5)  „Beiträge  zur  apanischen 
Kirchengeschichte  des  sechsten  Jahrhunderts",  Zeitschrift  für 
wissensch.  Theol.  1885,  S.  319—332,  vgl.  die  Nachrichten 
des  vorigen  Heftes  Nr.  7;  6)  „Leander,  Bischof  von  Se- 
villa", ebenda  1886,  I,  S.  36 — 50.  Während  man  nun 
jenseits  des  Kanals  dankbar  von  ihm  gelernt  hat  (vgl.  die 
ausgezeichneten  Artikel  Leovigild,  Leander,  Hermenigild  im 
„Dictonary  of  Christian  Biographie")  hat  Görres  Grund,  in 
I>eutschland  —  RE'  „Leander"  von  Zöckler  ist  eine  ei> 
freuliche  Ausnahme  —  über  unverdiente  Nichtbeachtung  za 
klagen.  So  ist  beispielsweise  die  von  Görres  längst  als  un- 
zuverlässig erwiesene  Nachricht,  Leovigild's  erste  Frau  sei 
Theodosia,  eine  Katholikin,  gewesen  noch  in  der  neuen 
Ausgabe  des  Gregor  von  Tours  in  den  Monum.  Germaa. 
wiederholt  (Gregor  Tur.  ed.  Arndt  I  (1884),  p.  230,  not  1, 


496  NACHRICHTEN. 

p.  259,  not.  l).  Das  ist  keine  irrelevante  Eleinigkeit,  m 
Gegenteil,  wer  sie  für  geschichtlich  hält,  wird  die  höchst 
interessante  spanische  Kirchengeschichte  jener  Zeit  gar  lüclit 
verstehen  können.  Dennoch  ist  noch  vor  kurzer  Zeit  KE' 
XVI,  847 ff.  der  Artikel  „Weatgotisches  Reich"  mitsamt 
jener  Legende  unverändert  aus  der  ersten  Auflage  ab- 
gedruckt, und  Oörrea'  Arbeiten  sind  unerwähnt  geblieben. 
Um  so  zeitgemäfser  ist  es,  dafs  Görres  in  den  Jahrb.  lür 
Protest.  Theo!.  1«86,  I,  S.  132—174  in  dem  Aufsatz  „Leo- 
vigild,  König  der  Westgoten,  der  letzte  Arianet- 
könig"  seine  Studien  mit  mancherlei  Nachbesserungen  nocK 
einmal  zusammen gefafst  hat. 

74.  Dafs  die  sogen,  instructiones  Columbani 
d.  h.  die  13  dem  Columba  von  Luxeuil  zugeschriebenea 
Predigten  {ed.  princeps  Patricü  Fleming!,  CoUectanea  sacra. 
Lovanii  1667)  nicht  von  Columba  herrühren,  sondern  von 
einem  älteren ,  gallischen  Mönch ,  der  Faustus  von  Reji  als 
seinen  Lehrer  verehrte,  hat  Prof.  Hauck  in  der  Zeitschrül 
fUr  ku-chl.  Wissenschaft  188&,  VII,  S,  357 — 3()4  bewiesen. 
Gleichzeitig  konnte  Hauck  die  verloren  geglaubte  Fleming'sche 
Handschrift  und  neben  ihr  eine  zweite,  gleichfalls  aus  Bohbio 
stammende,  in  Turin  nachweisen. 

75.  A.  Nürnberger,  der  eich  schon  durch  raebrere 
umstäudüche  Publikationen  um  die  handschrifthche  Über- 
lieferung des  Quelle nmateriala  zur  Geschichte  des  Bonifatins 
verdient  gemacht  hat  (s.  u.  und  „Zur  handschriftlichen 
Überlieferung  der  Werke  des  heiligen  Bonifatius",  Beilage 
zum  Programm  des  k.  Gymnasiums  in  Neisse  1883/84), 
behandelt  im  Neuen  Archiv  XI,  1,  S.  9 — 41  „die  Boui- 
fatiuslitteratur  der  Magdeburger  Centuriatoren" 
in  ähnUcher  Weise,  wie  er  ebenda  VII,  S.  335  ff.  über  daa 
Baronius'sche  Bonifatiusraaterial  gehandelt  hatte:  Ein  cod. 
Fuld.  der  Briefe  Bonifatius'  in  Flacius'  Besitz  wird  eine  noch 
zweifelhaftere  Gröfse  als  Nürnberger  selbst  annimmt  Fla- 
cius benutzte  den  hier  zuerst  mit  weitläuftigsler  Genauigkeit 
beschriebenen  cod.  279  August  der  Wolfenbüttlcr  Bibliothek. 


NACmUCHTEN.  497 

Diesen   erweist  Nürnberger    als    eine    indirekt    iür   FlacioB 
Teraostaltetfl  ÄbHchrift  des  bekannten  cod.  Vindobon. 

76.  Bei  dem  Wunsche,  Art  and  Mafa  der  Marien- 
verehrung im  aasgebeoden  Mittelalter  zu  konstatieren,  sah 
sich  Benrat h  bei  dem  Fehlen  brauchbarer  Litteratur 
—  der  Tadel  triffi  nicht  v.  Lehner,  die  Marien  Verehrung 
in  den  ersten  Jahrhunderten  1881  —  auf  eigene  For- 
schung angewiesen  und  bei  diesen  erwies  sich  ein  Rück- 
gang auf  die  ältere  Zeit  als  notwendig,  öo  sind  Benrath'a 
Studien  „Zur  Geschichte  der  Marienverehrung", 
Studien  und  Kritiken  lö86,  I,  S.  7  — 94;  II,  S.  197 
bis  267  zu  einem  lehrreichen  Überblick  über  die  ge- 
samte vor  reformatorische  Entwickelung  geworden.  Für  die 
ältere  Zeit  ist  beachtenswert  der  Nachweis  verschieden- 
artigen Ursprungs  der  Marien  -  und  Heiligen  Verehrung. 
Auch  das  mag  hervorgehoben  werden,  dafa  Benrath  mit 
V.  Lehner  schon  bei  Clemens  Ales,  das  virgo  in  partu  et 
post  partum  nachweist.  Für  die  Datierung  mancher  alt- 
kirchlichen Schrift  ist  dies  nicht  unwichtig,  vgl.  Theolog. 
Litteraturzeitung  1881,  col.  285  und  ISÖi,  col.  552.  —  In 
diesem  Zusammenhang  mag  auf  ein  in  Carthago  neu  ge- 
fundenes (de  Rossi  Bullotino  III,  1  [l884,Ö5],  S.  49—52) 
Fragment  eines  Marienreliefa  aus  dem  vierten  Jahrhundert 
(nach  de  Roaai)  aufmerksam  gemacht  werden,  weil  es  fUr 
die  umstrittene  Deutung  des  ältesten  Marienbildes  in  der 
Katakombe  S.  Priscilla  (vgl.  Kraus,  Realencyklopädie  der 
dmstL  Altertümer  II,  Fig.  2(j5,  S.  362}  nicht  unwichtig  zu 
sein  scheint.  F.  Loofs. 

77.  Mit  einer  neuen  wertvollen  Gabe  hat  uns  soeben 
der  unermüdliche  Fleifs  Caspari's  beschenkt:  „Eine  Au- 
gustin tälschiich  beigelegte  Homilia  de  sacrilegiia" 
(herausgegeben  von  der  Gesellschaft  der  Wissenschaften  zu 
Christiania.  —  Christiania  1886.  —  73  S.  in  8).  Diese 
von  Caspari  in  einer  Einsiedler  Handschrift  des  achten  Jahr- 
hunderts aufgefundene  Homilie,  deren  Text  er  schon  1881 
in    der  „Zeitschrift  für    deutsches  Altertum"    veröffentlicht 


498  KACHBICHTDr. 


uc 


I 


und  später  in  einer  norw^iflchen  Pnblilriifion 
kommentiert  hatte,  erscheint  hier  in  berichtetem  Texkil  ^ 
kritischen  und  sehr  eingehenden  sachlidien  Anmerimig^l  ^ 
sowie  von  einer  Abhandlung  (S.  42  —  73)  he^läki  k|  ° 
letzterer  handelt  Caspari  l)  von  dem  Qegenatand  derH^ 
milie  (der  Ausübung  götzendienerischer  Handfamgen  iii|  ^ 
heidnisch-abergläubischer  Sitten  und  Br&ache),  2)  toh  Ar 
Einteilung  und  Form,  3)  von  ihrer  barbarischen,  aber  Ur 
reichen  Sprache;  4)  von  ihren  Quellen;  5}  ihrer  Abfiuwnp 
seit  (Mitte  des  6.  bis  Ende  des  8.  Jahrhunderts,  wahrscfae» 
lieh  das  8.);  6)  Entstehungsort  (wohl  die  nördlichen  6eg» 
den  des  fränkischen  Reiches;  der  VerfEisser  irgendein  frii* 
kischer  Kleriker).  Caspari  falst  sein  Urteil  über  dieM 
Schriftstück  dahin  zusammen ,  dais  es  ein  höchst  meik* 
würdiger,  für  die  Kirchen-  und  Kulturgeschichte,  speziefl  & 
Gteschichte  des  Aberglaubens  und  die  germanische  Mytho- 
logie sehr  wichtiger,  sowie  auch  sprachgeschichtlich  mfa- 
essanter  Sermon  ist  Th,  K 


n. 

78.  „Pseudoisidor  und  die  Geschichte  der 
Bischöfe  von  Le  Mans"  ist  der  Titel  einer  von  Bern- 
hard Simson  (in  der  Zeitschrift  für  Elirchenrecht,  Bd.  XXI, 
S.  151 — 169)  veröflFentlichten  Studie,  die  darauf  aufmerk- 
sam macht,  dafs  die  „Acta  pontificum  Cenonomanensium", 
welche  „eine  erstaunliche  Fülle  gefälschter  Urkunden  ent- 
haltenes sich  sowohl  in  dem  Streben,  die  Bischöfe  dem 
Einflufs  der  weltlichen  Macht  zu  entziehen  und  sie  dem  dei 
Kömischen  Stuhls  zu  unterstellen,  als  auch  in  dem  Versuch, 
die  Kechte  der  Chorbischöfe  zu  schmälern,  nahe  mit  den 
pseudoisidorischen  Dekretalen  berühren. 

79.  Die  treffliche  Abhandlung  Giseke's:  „Über  den 
Gegensatz  der  Cluniacenser  und  Cistercienser^' 
(im  „Jahrbuch  des  Pädagogiums  zimi  Kloster  Unser  Lieben 
Frauen  in  Magdeburg"  [Magdeburg  1886],  S.  1 — 41)  giebt 
ungteich  mehr  als  ihr  Titel  verspricht     Sie  beschränkt  sich 


NACHBICHTEir.  499 

nicht  darauf,  aus  den  offiziellen  Schriften  deB  Cistercienser- 
Ordens  die  Bestimmungen  namhaft  zu  machen,  welche  die 
bewufste  Opposition  desselben  gegen  die  Gewohnheiten  und 
Sitten  der  Cluniacenser  bekunden,  sondern  zeigt  uns  auch 
in  einer  vorausgeschickten  Vergleichung,  dafs  fast  in  allen 
Punkten  die  Gebräuche  Ciuny's  nicht  eine  Verschärfung, 
sondern  vielmehr  eine  sehr  ansehnliche  Ennäfsigung  der 
arsprungiichen  Regel  Benedikt'a  bedeuteten. 

80.  Heinr.  Denifle  hat  in  der  Studie:  „Die  Sen- 
tenzen Abälard's  und  die  Bearbeitungen  seiner 
Theologie  vor  Mitte  des  12.  Jahrhunderts"  (im  „ArchiT 
für  Litteratur-  und  BlirchengeBchichte  des  Mittelalters"  von 
DeniHe  und  Ehrle,  Bd.  I  [Berlin  1885],  S.  402—469  und 
S.  584—624}  mit  der  ihn  überall  in  gleicher  Weise  kenn- 
zeichnenden gro&en  Gelehrsamkeit  wie  peinlich  berührenden 
Geringschätzung  seiner  Vorgänger  die  bisher  geltende  An- 
nahme, dafs  von  einer  Schule  Abälard's  auf  dem  theo- 
logischen Gebiete  nicht  geredet  werden  könne,  bekämpft, 
indem  er  nachweist,  dafs  sowohl  die  von  Rheinwald  edierten 
„Seotentiae  Abaelardi"  —  welche  nicht  mit  Gieseler  als 
ein  nach  mundlichen  Vorträgen  von  einem  Schüler  Abälard'a 
niedergeschriebenes  Heft  anzusehen  sind  —  als  auch  die 
drei  bisher  unbekannten  Sentenzenbücher  l)  einer  St.  Flo- 
rianer Handschrift,  2)  des  Magister  Roland,  des  späteren 
Papstes  Alexander  III,  und  3)  des  Magister  Omnebene  Be- 
arbeitungen der  „Theologia"  Abaelard's,  d.  h.  der  bisher 
mit  Unrecht  den  Namen  der  „introductio  ad  theologiam" 
führenden  Schrift  desselben  sind,  welche  sämtlich  in  den 
dreifsiger  und  vierziger  Jahren  dos  12-  Jahrhunderts  abge- 
Eafst  wurden.  Von  hohem  Interesse  ist  die  von  Denifle 
festgestellte  Thatsache,  dafs  der  Magister  Roland,  als  er  in 
Bologna  lehrte,  seinen  Sentenzen  die  Disposition  der  „Theo- 
logia" Abaelard's  zugrunde  gelegt  und  sich  hinsichtlich 
mehrerer,  nicht  aller,  dogmatischer  Punkte  wesentlich  unter 
dem  Einflufs  desselben  befunden  hat. 

81.  „Die  Kreuzzüge  des  Grafen  Theobald 
von  Navarra   und   Richard   von   Cornwallis    nach 


500  NACHRICHTEN. 

dem  heiligen  Lande''  in  den  Jahren  1239 — 1242  amd 
von  Röhricht;  der  sie  in  seinen  ;; Beiträgen  zur  Q^schichte 
der  Kreuzzüge''  bereits  kurz  behandelt  hat,  von  neuem  in 
den  ;, Forschungen  zur  deutschen  Geschichte"  (Bd.  XXVI, 
S.  67 — 102)  eingehender  untersucht  und  in  ihren  Folgen 
bis  zur  Eroberung  Ascalon's  durch  die  Ägypter  (am  15.  Okt 
1247)  gewürdigt  worden. 

8^«  Ein  sehr  wertvoller  Beitrag:  ,;Zur  Biographie 
Heinrich's  von  Gent",  ist  von  Fr.  Ehrle  (im  „Archiv 
für  Litteratur-  imd  Eirchengeschichte  des  Mittelalters '',  Bd  I, 
S.  365 — 401)  geliefert  worden.  Derselbe  weist  nach,  dab 
die  Bulle  Innocenz  IV.  vom  Jahre  1247  durch  die  Heinrich 
zum  apostolischen  Protonotar  für  Paris  ernannt  wird,  eine 
Fälschung  ist,  sowie  dafs  der  grofse  belgische  Scholastiker 
nie  dem  Servitenorden  angehörte,  und  spricht  weiterhin  die 
Vermutung  aus,  dafs  derselbe  nie  ein  Mitglied  der  Sorbonne 
gewesen  und  ohne  genügende  Gründe  der  Familie  der 
Goethals  zugezählt  wurde.  B.  ZöpffeL 

8S.  Von  dem  neuen  Archief  voor  nederlandsche 
kerkgeschiedenis  ed.  Acquoy,  Rogge,  Wybrands  ist 
I,  1  erschienen  und  bringt  unter  anderen  folgende  Beiträge: 
von  A  c  q  u  0  y ,  über  das  alte  Osterlied  „  Christ  ist  erstanden  ", 
Schotel,  Gracien  of  aflaten  aan  de  groote  of  O.  L.  Vrouwe- 
werk  te  Doodrecht  verliend  und  Mey boom,  Susos  100  ar- 
tikeln  in  Nederland. 

84.  Femer  erscheinen  seit  1.  Januar  d.  J.:  Blätter 
für  Württembergische  Kirchengeschichte.  Beilage 
zimi  Ev.  Eirchen-Schulblatt  für  Württemberg,  herausgegeben 
von  O.  Herrmann.  Stuttgart,  Greiner  und  Pfeiffer.  Die  bis- 
herigen Nummern  (monatlich  erscheint  eine)  enthalten  u.  a. :  Die 
Urpfarreien  Württembergs  von  Pf.  B  o  s  s  e  r  t.  —  Der  St  Anna- 
kultus in  Württemberg  von  demselben,  —  Die  Aufhebung  der 
Kappenherren  in  Württemberg  von  Dr.  Schneider. 

85*  In  neuer  Gestalt  und  neuem  Verlag  erscheint  jetzt 
auch    die     Zeitschrift    für    Geschichte    des    Ober- 


NACHBTCHTEN.  501 

rhains,  Bd.  XL,  N.  F.  I  (Freiburg,  J.  C.  B.  Mohr,  P. 
Siebeck)  und  als  Beilage  dazu  die  Mitteilungen  der 
badiechen  hiator.  KommisBion;  letztere  als  eine  Art 
Inventarien  der  einzelnen  Archive:  bereits  ist  hier  auch 
manches  Material  Tür  kirchliche  Ortegeschichte  und  Statistik, 
insbesondere  Pfarrvermögen,  Stiftungen  u.  a.  w.  veröffentlicht 

86.  Als  neues  Zeichen  für  den  energisch  wiedererwachten 
Eifer  des  Franziskanerordens  für  seine  eigene  Geschichte 
wird  eine  neu  angekündigte  Zeitschrift  gelten  dürfen:  Mis- 
cellanea  Franciscana  di  storia,  di  lettere,  di  arti  ed. 
Pulignani  in  FoÜgno. 

87.  Von  dem  Archiv  für  Littoratur-  und  Kirchen- 
geschichto  des  Mittelalters  von  Denifle  und  Ehrle  sind  nun 
Bd.  I,  2 — 4  und  II,  I  erschienen  und  haben  wiederum  eine 
Fülle  wertvollen  Materials  und  tief  eingreifender  Unter- 
suchungen gebracht  Denifle  veröffentlicht  darin  1}  die 
Sentenzen  Abälards  und  die  Bearbeitungen  seiner  Theologie 
Tor  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  —  eine  Arbeit  von  hervor- 
ragendem Interesse  für  die  Geschichte  der  ^Scholastik  und 
der  Stellung  Abälards  in  ihr  (s.  oben  Nr.  80) ;  2)  die  Kon- 
BÜtutionen  des  Predigerordens  vom  Jahre  1228  —  von 
ebenso  grofaer  Bedeutung  fiir  die  Entstehung  und  den  ur- 
aprltnglichen  Charakter  des  Predigerordens  wie  filr  die  Ent- 
wickelung  seiner  Gesetzgebung ;  3)  das  erste  Studienhaus 
der  Benediktiner  an  der  Universität  Paris;  4)  die  päpstlichen 
Registerbände  des  13.  Jahrhunderts  und  das  Inventar  der- 
selben vom  Jahre  1339;  5)  mehrere  kleinere  Mitteilungen, 
darunter  besonders  zu  bemerken  die  Abhandlung  über  Bal- 
dewin  von  Braunschweig  und  sein  Verhältnis  einerseits  zur 
Chronik  des  Jordan  von  Giano  und  anderseits  zu  späteren 
Chroniken  des  Ordens.  Von  Ehrle  ist  erschienen  l)  die 
Fortsetzung  und  Vollendung  seiner  Veröffentlichungen  zur 
Geschichte  des  Schatzes,  der  Bibliothek  und  des  Archivea 
der  Päpste  ');  2)  Beiträge  zur  Biographie  Heinrichs  von  Gent 


1)  Eine  Fortfetzang  zu   dieser  Publikatioa  bildet   das   kürzlich 


502  KACHBICHTEN. 

(s.  0.  Nr.  82) ;  3)  über  die  historischen  Handschriften  zu  San 
Francesco;  4)  über  die  Spiritualen  und  ihr  Verhältnis  zum 
Franziskanerorden  und  den  Fraticellen  —  aufserordentlich 
wertvolles  Material  aus  Handschriften  zur  Q^schichte  der 
Streitigkeiten  im  Orden  zu  Ende  des  13.  und  Anfang  des 
14.  Jahrhunderts.  Bis  jetzt  sind  hier  veröffentlicht  a)  die 
epistola  excusatoria   des  Br.  Angelo  da  Clareno   von  1317; 

b)  Auszüge  aus  der  vertraulichen  Korrespondenz  desselben 
Parteiftlhrers  mit  seinen  Gesinnungsgenossen  und  Freunden; 

c)  Untersuchung  und  IJberblick  über  die  Historia  septem 
tribulationum  ordinis  Minorum;  als  deren  Verfasser  nun 
Ehrle  doch  wieder  denselben  Angelo  erweist  Vollständig 
mitgeteilt  wird  die  sechste  Heimsuchung  (ein  Teil  derselben 
[=r  Ehrle,  S.  142 — 149]  ist  kurz  vorher  von  Tocco  im 
Archivio  stör.  Ital.  1885  veröffentlicht  worden).  Seither  ist 
auch  n,  2  erschienen,  welche  die  Fortsetzung  der  zuletzt 
genannten  Arbeit  Ehrle's  (tribulatio  HI — V  samt  anderen 
kleineren  Stücken)  sowie  einen  Aufsatz  von  Denifle,  Zar 
Gelehrtengeschichte  des  Predigerordens  im  13.  und  14.  Jahr- 
hundert enthält 

88.  Nachdem  die  Herausgabe  der  Regesten  Innocenz'  IV., 
Bonifaz'  VHI.,  Benediktes  XI.  durch  die  Ecole  franyaise  k 
Rome,  sowie  diejenigen  Leo's  X.  im  Auftrag  des  gegen- 
wärtigen Papstes  durch  Hergenröther  unternommen  worden 
ist,  sind  auch  diejenigen  Giemen  s'V.  in  Angriff  genommen 
unter  dem  Titel:  „Regestum  Clementis  papae  V.  ex  vet. 
archet.  editum  cura  et  studio  monachorum  O.  S.  Benedicti 
Annus  I  Romae  1885." 

89.  Von  den  Geschichtsquellen  der  Provinz  Sachsen  ist 
als  Bd.  XXI  erschienen:  Päpstliche  Urkunden  und 
Regesten   aus  den  Jahren  1295  — 1352,  die  Gebiete 


erschienene  Werk  vonM.  Faucon,  La  librairie  des  papes  d'Ayignon; 
sa  formation,  sa  composition,  ses  catalogues  (1316 — 1420)  d*apr^8  les 
registres  de  comptes  et  d'inyentaires  des  archlves  yaticanes.  T.  I. 
Paris  1866  (als  Teil  der  ßiblioth^que  des  ^coles  fran^aises  d* Äthanes 
et  de  Rome.    Fase.  43). 


NACHRICHTEN.  &03 

der  heudgen  Provinz   Sachsen   und   deren  Umlande  be- 
treffend, herausgegeben  von  G.  Schmidt 

94.  In  der  Zeitschrift  ftir  deutsches  Altertum  und  deutsche 
Litteratur  XXX  N.  F.  XVin,  2,  S.  89—132  handelt 
Wolfram  über  Kreuzpredigt  und  Kreuzlied,  und  weiat 
nach,  dafs  der  Inhalt  der  Kreuzlieder  des  12,  und  13.  Jahr- 
hunderts fast  ganz  auf  den  Kreuz  predigten  und  päpstlichen 
Bullen  dieser  Zeit  beruhe.  Zugleich  wird  der  Verencb  ge- 
macht, eine  Anzahl  Kreuzlieder  zu  datieren. 

91.  In  den  Wärttembergiachen  Vierteljahrsheften  für 
Landesgeschichte  VIII,  4.  S,  282—289  macht  Ö.  Bossert 
auf  die  Bedeutung  der  Kirchen  heiligen  ftir  die  älteste  Ge- 
schichte der  Kirchen,  ihren  Zusammenhang  mit  anderen 
Klöstern  und  Stiftern,  namentlich  die  Bestimmung  des  Be- 
sitzstandes der  letzteren,  sowie  des  ungefähren  Zeitalters 
ihrer  Entstehung,  femer  den  Wechsel  der  Heiligen  und  ihre 
Ursachen  u.  a.  aufmerksam,  giebt  eine  vorläufige  Zusammen- 
stellung von  Heiligen  ftir  Württemberg  und  fordert  zur 
weiteren  Sammlung  solcher  Listen  auf 

9%.  Zur  kirchlichen  Statistik  veröffentlicht  P.  Schmie- 
der die  Matricula  episcopatus  Fassaviensis  saec.  XV. 
Auf  Grund  der  Handschriften  herausgegeben,  I.  Text  (Wels 
1885),  und  Fritz,  Das  Territorium  des  Bistums  Strafs- 
bürg  um  die  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  und  seine  Ge* 
schichte,  Strafsburg  1885. 

9S>  Über  Rupescissa  vgl.  Sieber  in  den  Baseler 
Beiträgen  zur  vaterländischen  Gesch.  XII  (N.  F.  II,  2). 

94.  In  der  Germania  (ed.  Bartach)  XXXI  (N.  R.  XIX), 
S.  1 — 41  veröfientlicht  F.  Jostes  eine  erste  Reihe  Beiträge 
ZOT  Kenntnis  der  niederdeutschen  Mystik:  Auszüge 
und  Mitteilungen  aus  Handschriften  l)  eine  Schrift  über  die 
Gelassenheit  von  1501;  2)  ein  Kompendium  der  Mystik  aus 
Franziskaner  Kreisen  (zweite  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts), 
in  welchem  Riigbroeck  stark  benützt   ist.     Der  ScbluTs  der 


504  NACHRICHTEN. 

VeröffentUchimg  ist  in  derselben  Zeitschrift,  Heft  ü,  S.  164 
bis  204  erschienen. 

95.  Die  von  mir  in  dieser  Zeitschrift  Bd.  VI,  S.  137, 
Nr.  36  erwähnten  Aufsätze  von  Sim^on  Luce  sind  jetzt 
mit  anderen  Studien  zusammen,  sowie  mit  gelehrtem  Apparat 
und  reichem  bisher  ungedrucktem  Material,  herausgegeben 
unter  dem  Titel:  „JeanneD' Are  kDomremy.  JRecherchei 
critiques  sur  les  origines  de  la  mission  de  la  Pucelle^, 
Paris  1886. 

96.  Über  die  Beguinenkonvente  Essens  hat 
Heidemann  eine  Arbeit  veröSentlicht,  die  ich  noch  nicht 
gesehen  habe  (Essen,  Bädecker,  1886). 

97.  Zur  Geschichte  der  Brüderschaften  finde  ich 
von  neueren  Arbeiten  erwähnt:  Bauer,  Das  Bruderschafts- 
wesen in  Niederösterreich  (Blätter  des  Vereins  fiir  Landes- 
kunde von  N.  Ö.  XIX,  S.  1—9  und  201—223,  1885); 
Blümcke,  Die  St.  Laurentiusbrüderschaft  der  Träger  in 
Stettin  (Balt.  Studien  1885,  4);  Schratz,  Auszug  aus  einem 
Sterberegister  der  St.  Wolfgangs  -  Brüderschaft  aus  dem 
15.  Jahrhundert  für  die  Jahre  1201 — 1488  (Verhandlungen 
des  histor.  Vereins  für  Oberpfalz  und  Regensburg  XXXIX). 

98.  Über  Dietrich  von  Niem  sind  nach  den  in 
diesem  Band,  S.  233,  Nr.  8 — 15  zusammengestellten  Bei- 
trägen kürzlich  weitere  Arbeiten  erschienen  in  den  Mittei- 
lungen des  Instituts  für  Österreichische  Geschichtsforschung  VI, 
S.  583ff. :  5  Fragmente  aus  seiner  Chronik,  herausge- 
geben und  eingeleitet  von  Sauerland.  Sodann  Historisches 
Jahrbuch  der  Görresgesellschaft  VII,  S.  59 — 66  zu  Dietrich 
von  Niem,  De  scismate  von  demselben.  Weiterhin  hat 
Erler  die  Schrift  Contra  dampnatos  Wiclifitas  ent- 
deckt und  veröflfentlicht  in  Zeitschrift  fiir  vaterländische  Ge- 
schichte, herausgegeben  vom  Verein  fiir  Geschichte  W^est- 
falens,  Bd.  XLIII  (1885),  und  endlich  giebt  Lindner  eine 
Skizze  von  dem  Leben  und  Wollen  des  Mannes  in  der  Zeit- 
schrift für  allgem.  Geschichte  11,  S.  401 — 416  u.  516 — 538.  — 


KACHRIGHTBN.  50& 

Über  Ulrich  von  Riebe ntal  vgl.  naeb  dem,  was  icb 
S.  247 f.  dieses  Bandes  genannt  babe,  femer:  Forschungen 
zur  deutseben  Gescbicbte  XXV,  S.  553. 

99.  Die  längst  angekündigte  Practica  inquisitionis 
des  Bernardus  Guidonis  ist  jetzt  von  C.  Douais  her- 
ausgegeben (Paris  1886).  In  welcher  Art  Douais  sich  dieser 
Sache  bemächtigt  und  den  mit  der  Herausgabe  beauftragten 
C.  Molinier  um  den  Preis  seiner  Arbeit  zu  bringen  gewufst 
hat,  habe  ich  in  Theol.  Litteraturztg.  1886,  Nr.  6  angegeben. 

100.  Von  Wiclif  s  Werken  ist  nun  von  der  eng- 
lischen Wiclif  -  Gesellschaft  nach  den  lateinischen  Streit- 
schriften und  dem  Werk  „De  civili  dominio"  (2.  Bd.  ed. 
R  L.  Poole)  auch  der  „Tractatus  de  ecclesia"  er- 
schienen, von  Loserth  zum  erstenmal  aus  den  Handschrif- 
ten sorgfältigst  herausgegeben  und  eingeleitet.  In  den  An- 
merkungen sind  jedesmal  auch  die  Stellen  angegeben,  welche 
Hus  in  seinem  gleichnamigen  Werk  aus  Wiclif  entnommen 
hatte  ^  Als  zweiter  Band  der  VeröflFentlichungen  der  Ge- 
sellschaft wurde  gleichzeitig  ausgegeben :  „  Dialogus  sive  spe- 
culum  militantis  ecclesiae*',  ed.  Pollard  (XXXVII  u.  107  S.). 

101.  Von  J.  Loserth  ist  in  den  Mitteilungen  des 
Vereins  für  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen  XXIV,  2, 
S.  98 — 116  eine  Arbeit  erschienen:  Über  die  Versuche 
wiclif-husitische  Lehren  nach  Osten^eich,  Polen,  Ungarn  und 
Kroatien  zu  verpflanzen.  Nach  gleichzeitigen  Korrespondenzen. 

102«  In  einem  Vortrag  in  der  Berliner  Akademie  hat 
W.  Wattenbach  über  Ketzergerichte  in  Pommern 
und  der  Mark  Brandenburg  gesprochen  (herausg.  in 
den  Sitzungsberichten  der  Berl.  Akademie  1886,  IV).  Die 
Prozesse,  um  die  es  sich  handelt,  sind  von  1393f  und  1458 
und  richten  sich  gegen  dieWaldenser  vor  und  nach  ihrer 


1)  Seine  englische  Einleitung  hat  Loserth  selbst  in  deutschem 
Original  abdrucken  lassen  in  Mitteilungen  des  Vereins  fiir  Geschichte 
der  Deutschen  in  Böhmen  XXUI,  3. 

Zeitochr.  f.  K.-Q.  YllI,  8.  33 


( 


506  NAGHBIGHTEBT.  ■ 

Verbindung  mit  den  böhmischen  Brüdern.  Die  Qoebil  ab< 
eine  Wolfenbütteler  Handachiift;  die  schon  Flacins  bei  tam  »i 
Angaben  über  die  Waldenser  vor  sich  gehabt  hatte,  kl  fau 
fuhrlichere  Mitteilungen  stellt  Wattenbach  in  Aussiclrt    I  so 

lOS*  In  der  Zeitschrift  des  Harzvereins  f&r  OcmUiI  l 
u.  Altertumskunde  XVUI^  S.  288—324  veröffentlicht  £d.Ii-|  l 
cobs  eine  Arbeit  über  den  Rektor  und  die  StiflsMUl  i 
in  Wernigerode  am  Ende  des  Mittelalters. —übl  ] 
Volksschulen  in  der  Diöcese  Augsbarg  wiknill 
der  zweiten  Hälfte  des  Mittelalters  handelt  ein  Prognial 
der  Dillinger  Studienanstalt  von  M.  Daisenberger  188i  I 

104.  In  den  Theologischen  Studien  und  Kritiken  1S8S,  1 
S.  337 — 366  habe  ich  die  Schrift  von  Keller  (s.  dieiel 
Zeitschr.  VH^  489  ff.);  sowie  die  beiden  Schriflen  von  Htnptl 
und  Jostes  über  den  waldensischen  Ursprung  derBÜNtl 
Übersetzung  des  Codex  Teplensis  angezeigt.  Wenn  ich  doi  1 
der  Meinung  war,  der  waldensische  Ursprung  der  Über  1 
Setzung  sei  von  Haupt  zwar  noch  nicht  fest  erwiesen,  aber 
von  Jostes  noch  weniger  widerlegt ,  so  bin  ich  inzwischei 
zu  anderen  Ergebnissen  gekommen ;  nicht  nur  hat  Jost» 
mir  aus  Handschriften  Material  mitgeteilt ,  das  die  Streit- 
frage in  ein  ganz  anderes  Licht  stellt^  sondern  ich  bin  auch 
durch    umfassendere    Studien    über    die   Waldenser    zu   der 

• 

Überzeugung  gelangt;  die  ich  demnächst  an  anderem  Ort 
zu  begründen  gedenke,  dafs  die  ganze  angebliche 
waldensische  Litteratur  in  der  vorhusitischen 
Periode  ohne  Ausnahme  aus  katholischen  Krei- 
sen stammt  und  niemals  waldensisch  gewesen 
ist;  dafs  infolge  dessen  auch  die  Grundlage  der  Beweis- 
führung Haupt's  zusammenbricht.  Das  Material  zu  dieser 
Ansicht  läfst  sich  zum  Teil  schon  aus  Herzog's  romanischen 
Waidensem  entnehmen;  vollends  aber  aus  der  neuen  mir 
jetzt  erst  zugänglich  gewordenen  Arbeit  von  Montet; 
Histoire  lit^raire  des  Vaudois  du  Pidmont;  Paris  1885,  deren 
Verfasser  zwar  noch  einmal  die  Traktatenlitteratur  zur 
Quelle  für  die  Ansichten  der  Waldenser  zu  erheben   sucht; 


NACHRIGHTBK.  507 

aber  den  waldensiBchen  Unsprong  derselben  nicht  beweist, 
sondern  —  wie  dies  schon  bisher  meist  geschehen  —  ein- 
fach voraussetzt;  zugleich  aber  durch  sorgfältige  Unter- 
suchungen einen  grofsen  Teil  der  katholischen  Quellen  der 
Litteratur  aufdeckt  und  dadurch  sowie  durch  eine  genauere 
Übersicht  über  den  Bestand  der  angeblichen  Waldenser- 
litteratur  jene  Ansicht  so  vorbereitet,  dafs  der  Leser  fast 
unmittelbar  die  notwendigen  Schlüsse  daraus  ziehen  kann. 
Inzwischen  sind  sowohl  von  Haupt  als  von  Jostes  Erwide- 
rungsschriften erschienen,  die  des  letzteren  mit  neuem  Ma- 
terial (Der  Codex  Teplensis.    Eine  neue  Kritik  1886). 

Karl  Müller. 

105.  Emile  Gebhart's  „Recherches  nouvelles 
sur  rhistoire  du  Joachimisme^'  (Revue  historique, 
T.  XXXI  [1886,  Mai-Juin],  p.  66—73)  knüpfen  an  die 
Studien  Haupt's  in  dieser  Zeitschrift  an,  unter  Berück- 
sichtigung zugleich  von  Denifle's  Aufsatz  in  dem  „Archiv 
für  Litteratur-  und  Eirchengeschichte  des  Mittelalters '^ 
I,  1.  —  In  einer  Besprechung  der  Arbeiten  Denifle's  imd 
Haupfs  hat  soeben  auch  Feiice  Tocco  im  „Archivio 
Storico  Italiano^S  Serie  IV,  T.  XVU  [1886],  p.  241—261 
den  heutigen  Stand  der  vornehmsten  Kontroversen  über  das 
„Evangelium  aetemum'^  darzulegen  unternommen. 

106*  L.  Schulze  in  Rostock  handelt  in  der  „Zeit- 
schrift fiir  kirchliche  Wissenschaft  imd  kirchliches  Leben'' 
1886,  S.  98—112.  131—137.  189—205  über  daa  Refor- 
matorium  vitae  clericorum,  eine  bisher  fast  gänzlich 
unbekannte  Schrifk,  welche  Basel  1494  herauskam  imd  den 
Baseler  Geistlichen  und  Professor  Jacob  Philippi,  einen 
Freund  Seb.  Branfs,  zum  Verfasser  hat  Schulze  beschäf- 
tigt sich  zunächst  mit  dem  Verfasser  wie  mit  dem  Kreise, 
welchem  derselbe  angehört,  um  dann  die  Schrift  als  „ein 
Spiegelbild  aus  der  Zeit  vor  der  Reformation''  zu  würdigen. 
Philippi  steht  in  seinem  Reformatorium  jedenfalls  imter  dem 
Einflufs  Geiler's  wie  auch  der  Brüder  des  gemeinen  Lebens. 
Dals  L.  Schulze   diese  Schrift   der  Vergessenheit   entrissen 

33» 


508  NACHBICHTKN. 

haty  verdient  wie  auch  seine  frühere  Tbätigkeit  auf 
Gebiete   um    so   gröfsere    Anerkennung,    als   die  ZaU 
Theologen,    die   nicht   an  jeder  Inkunabel   scheu  TWibh  i 
gehen,  noch  immer  gering  ist  Th,B.  I  ( 


HL 

107.  Bei  der  Bedeutung,  welche  zahlreiche  Publikati(n| 
des  am  24.  Dezember  1885  verstorbenen  belgischen  &I 
Schichtsforschers  L.  P.  Gachard  haben,  sei  hier  ai' 
A.  V.  Reumont's  biographische  Skizze  desselben,  die  wA 
reich  an  bibliographischen  Mitteilungen  ist,  hingewie 
Historisches  Jahrbuch  VII  (1886),  S.  238 — 265. 

108«  Eeller's  Schrift:  „Die  Reformation  xaASt 
älteren  Reformparteien''  hat  jetzt  auch  C.  v.  Weizsicker 
beleuchtet  („Gott.  Gel.  Anz."  1886,  1.  Mai,  Nr.  9,  S.35J 
bis  361).  Nach  Charakterisierung  „der  Methode  oder  Ui- 
methode''  heifst  es:  „Was  man  fiir  die  Kirchengescbidk 
aus  dem  Buche  entnehmen  kann,  das  ist  übrigens  vor  sUa 
ein  Bedürfnis  und  Wunsch,  nämlich  dafs  in  die  Seklen- 
geschichte  des  späteren  Mittelalters  mehr  Licht  gebradit 
werden  möge,  was  nur  durch  solche  wohlbegründete  Einsel-  ' 
arbeiten,  wie  sie  Haupt  gegeben  hat,  geschehen  kann.^' 

109.  Luther's  Briefwechsel  von  Enders,  Bd.  I, 
habe  ich  in  der  „Theolog.  Litteraturzeitung"  1886,  1.  Hai, 
Nr.  9  rezensiert;  desgl.  Kolde  in  den  „Gott,  Gel.  Am." 
1886,  1.  Mai,*Nr.  9,  S.  361—371  den  zweiten  Band  der 
„Kritischen  Gesamtausgabe'^  der  Werke  Luthei's 
von  Knaake. 

110.  Osw.  Weigel  in  Leipzig  (Katal.  N.  F.  Nr.  23, 
1886)  bietet  ein  Autograph  Luther's  und  Bugenhagens 
aus,  das  Ordinationszeugnis  für  Bartolomeus  Bomgartner 
vom  19.  März  1544;  bisher;  so  viel  ich  sehe,  unbekannt 

]]]•  UberLuther's  Beziehungen  zu  Naumburg 
handelt  in  umsichtiger  Weise  und  unter  Benutzung  archiva- 


NACHRICHTEN.  509 

icher  Quellen  Paul  MitzBchko  in  Weimar  in  einer 
l^aumburger  Festschrift:  „Martin  Luther,  Naumburg  a  8. 
die  ReformatioQ ",  Naumburg,  Jul.  Domrich,  1885 
[[S6  S.  in  8). 

HS.  Die  Leipziger  Dissertation  von  Julius  Elter: 
„Luther  und  der  Wormser  Reichstag  1621"  (auch 
I  Buchhandel  erschienen,  Bonn,  Cohen  &  Sohn  1886  — 
tS2  S.  in  8),  ein  „Versuch,  auf  Grund  des  neu  publizierten 
Haterials  [Balan,  Brieger]  unsere  Kenntnis"  „der  Vorgänge 
am  Wormser  Keichstago  in  Sachen  Luther's"  „in  etwa  zu 
fordern ",  ist  eine  fleifsige  Arbeit ,  welche  im  einzelnen 
mannigf'aclien  Ertrag  abwirft.  Doch  acheint  mir  in  zu 
grorsem  Umfange  mit  der  Untersuchung  eine  erzählende 
Darstellung  verbunden  zu  sein.  —  Bei  dieser  Gelegenheit 
möge  bemerkt  sein,  dafs  ich  meine  Untersuchungen  über 
den  Wormser  Reichstag  (die  1884  verheifsene  Fortsetzung 
meiner  Schrift:  „Aleander  und  Luther")  erst  werde  ver- 
öffentlichen können,  nachdem  ich  noch  zwei  gröfsere  aus- 
ländische Archive  durchforscht  haben  werde.  Meine  bis- 
herigen archivalisclien  Nachforschungen  ermöglichen  es  noch 
nicht,  das  Dunkel  zu  lichten,  in  welches  die  reichsständischen 
Verhandlungen  über  Luther  noch  immer  gehüllt  sind. 

113.  In  den  „Forschungen  zur  Deutschen  Geschichte" 
XXVI  (1886),  S.  141  —  145  erörtert  J.  v.  Grüner:  „Die 
Glaubwürdigkeit  der  Luther  in  Worms  zuge- 
schriebenen Worte"  —  mit  oberflächlicher  Kritik  (da« 
Zeugnis  der  Acta  Wormatiensia  über  das  Wort  Luther's  bei 
Batan  führt  er  auf  den  Trierer  Official  Eck  zurück!),  ohne 
die  Sache  zu  tordero.  —  Weit  sorgsamer  hat  gleichzeitig 
Elter  (s.  Nr.  112)  in  einem  Exkurs  (S.  62— 7^)  die  Frage 
untersucht,  doch  ebenfalls  ohne  selbständige  Kenntnis  der 
gleichzeitigen  Flugschriften;  auch  er  hat  die  Grenze  des 
Wertes  der  aus  den  Papieren  Aleander'a  bei  Batan  mit- 
geteilten Relation  nicht  erkannt.  Da  der  Bericht  bei  Balan 
uns  für  unsere  Frage  nichts  Neues  bringt,  wird  damit 
Elter's  Versuch,  „durch  Heranziehung  des  von  Balan  publi- 


610  NACHBICHTEir. 

zierten  neuen  Materials  die  Lösung  der  Kontroverse  za 
fördern '%  hinfällig.  Eine  eingehende  Untersuchung  des 
Gegenstandes  habe  ich  für  I^  2  meiner  ^^  Quellen  und  For- 
schungen'^  vorbereitet;  hier  gedenke  ich  namentlich  audi 
das  Flugschriftenmaterial;  ohne  welches  die  Frage  nickt 
gelöst  werden  kann^  zum  erstenmal  in  seinem  ganzen  Um- 
fange auszubeuten. 

114.  Auf  ;;die  Baierische  Politik  im  Beginne 
der  Reformationszeit  1519  — 1524 '^  wirft  zum  ersten- 
mal helles  Licht  die  Untersuchung  Aug.  von  Druffel's 
(Abdruck  aus  den  Abhandlimgen  der  kgl.  bayer.  Akademie 
der  Wissenschaften;  3.  El.,  Bd.  XXVII;  Abtl  m  —  München 
1885;  112  S.  in  4).  Ungemein  dankenswert  sind  auch  die 
in  den  Beilagen  abgedruckten  Aktenstücke  (S.  73  ff.). 

115«  Im  kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  zu  Dresden 
habe  ich  zwei  bisher  unbekannte  Handschriften 
der  augsburgischen  Eonfession;  sowie  eine  verloren 
geglaubte  Originalhandschrift  der  Apologie  (von 
der  Hand  Spalatin's  mit  eigenhändigen  Korrekturen  H e- 
lanthon's)  gefunden.  Letztere  hat  ohne  Frage  die  Vor- 
lage abgegeben  für  Chyträus'  Druck  der  von  ihm  so- 
genannten „  Prima  delineatio  Apologiae  ".  Eine  Beschreibung 
der  Handschriften  folgt  im  nächsten  Hefte  dieser  Zeitschriü 

116.  In  dem  Kaisergeburtstags -Programm  der  Univer- 
sität Marburg  von  1886  giebt  Professor  Cäsar  die  „parti- 
cula  decima  quarta"  (und  zugleich  letzte  —  34  S.  in  4) 
des  ;;Catalogus  studiosorum  scholae  Marpurgen- 
sis  cum  Annali bus  brevibus  coniunctus'^  Damit  ist  die 
1872  begonnene  verdienstliche  Arbeit  abgeschlossen;  und  es 
liegt  jetzt  das  Marburger  Album  von  1527  bis  1628  voll- 
ständig vor. 

117.  Von  Max  Lenz'  Briefwechsel  Landgraf 
Philip p's  mit  Buc er  (Publikationen  aus  den  Preufsischen 
Staatsarchiven)    ist    der   zweite    (Schlufs-)Band   im    Druck, 


NAGHBIGHTBN.  611 

welcher  tu  a.  auch  neues  Material   für   das  Reirensbunrer 
Colloqnium  von  1641  briinen  wird.  '^'^  ^ 

118«  Im  ,,Ärchiyio  della  Societk  Romana '^  VIII;  101 
bis  139  liefart  Bartol.  Fontana  eine  lehrreiche  Studie 
über  den  Aufenthalt  Calvin's  in  Ferrara  (23.  März  bis 
14.  April  1536);  mit  wichtigen  Aktenstücken  aus  den  vati- 
kanischen und  estensischen  Archiven. 

119«  Cornelius  verdanken  wir  eine  mit  Hilfe  der 
neuerschlossenen  Quellen  (der  Genfer  Ratsprotokolle  bei 
Am^de  Roget;  des  Thesaurus  epist.  Calv.^  Herminjard) 
unternommene  neue  Untersuchung  der  Frage ,  wie  es  ge- 
gekommen ist;  dafs  die  erste  Periode  der  Wirksamkeit  Cal- 
vin's in  Genf  so  rasch  ein  jähes  Ende  erreicht  hat:  ;;Die 
Verbannung  Calvin's  aus  Genf  15  38^'  (München^ 
EgL  Akademie,  1886  —  72  S.  in  4).  Wir  gewinnen  hier 
namentlich  einen  klareren  Einblick  in  die  Verwickelung^ 
welche  durch  die  „Bemer  Zeremonieen ''  hervorgerufen 
wurde,  und  in  Calvin's  Verhalten  dabei. 

ISO«  Alfred  Erichson  hat  soeben  ein  Schriflchen 
veröffentlicht:  ,,L'Eglise  fran9ai8e  de  Strasbourg 
au  seiziime  si^le''  (Strasbourg,  C.  F.  Schmidt,  1886  — 
71  S.  in  8),  welches  auf  ungedruckte  Quellen  zurückgeht 

121«  Den  Anfang  einer  fiir  weitere  Kreise  berechneten 
Darstellung  des  Tridentiner  Konzils  giebt  W.  Mauren- 
brecher in  dem  „Historischen  Taschenbuch '',  Sechste  F. 
V  (1886),  S.  147—256  („Tridentiner  Konzil.  Vorspiel  und 
Einleitui^'O. 

18S«  In  einem  zweiten  Beitrage  „zur  Geschichte  der 
katholischen  Reformation  im  ersten  Drittel  des  16.  Jahr- 
hunderts" (Historisches  Jahrbuch  VII  [1886],  S.  1  —  50) 
giebt  F.  Dittrich  eine  Übersicht  über  die  reformatorischen 
Bestrebungen  des  Bischofs  Giberti  von  Verona. 


612  NACHRtCATEK. 

1«J.  Im  Hiatorischen  Jahrbuch  VII  (1886),  S.  177 
bis  209  behandelt  P.  Bernard  Duhr,  S.  J.,  ,;Die  Quellen 
zu  einer  Biographie  des  Kardinals  Otto  Truchsefs  von 
Waldburg.  Zugleich  ein  Beitrag  zu  seiner  Charakte- 
ristik ^^     Neue  Aufschlüsse  sucht  man  hier  vergeblich. 

124«  In  der  ;,  Monatsschrift  für  die  evangelisch -luthe- 
rische Earche  im  hamburgischen  Staate ''  V,  329 — 344  giebt 
W.  Sillem  ^^Zwei  Beiträge  zur  Reformationsgeschichte 
Hamburgs'^  l)  behandelt  Sillem  hier  die  Frage,  ob  der 
mit  den  Anfängen  der  kirchlichen  Reformation  in  Hambui^ 
verknüpfte  Name  ;,  Johannes  Widenbrügge  oder  Johannes 
Osenbrügge*'  lautet^  und  kommt  zu  dem  Ergebnis^  ,,dals  Jo- 
nannes OsenbrüggC;  seiner  Zeit  Prämonstratenser  im  St.  Georgs- 
kloster zu  Stade ;  in  Wittenberg  seine  Studien  gemacht, 
dann  in  Hamburg  und  Lübeck  in  bürgerlichen  Kreisen  die 
heilige  Schrift  ausgelegt  habe,  deshalb  verfolgt  und  einge- 
kerkert; nach  Livland  geflüchtet  und  endlich  nach  seiner 
Heimat  in  Stade  zurückgekehrt*'  ist;  2)  macht  Sillem 
einige  neue  Mitteilungen  über  einen  der  hervorragendsten 
Gegner  der  Reformation  in  Hamburg  (und  Lüneburg),  den 
Dominikaner  Augustin  von  Getelen,  auf  dessen  Bedeu- 
tung zuerst  Uhlhom  aufmerksam  gemacht  hat '. 

125.  In  den  „Theologischen  Arbeiten  aus  dem  rhei- 
nischen wissenschaftlichen  Predigerverein"  VI  (1885),  S.  106 
bis  148  veröffentlicht  Wacht  1er  aus  dem  städtischen 
Archiv  in  Essen  „Urkunden  aus  den  ersten  Jahren 
der  Reformation  in  der  freien  Reichsstadt  Essen 
(15G1 — 1576)"  mit  einem  kurzen  verbindenden  Texte.  Die 
Publikation  hätte  fiiglich  knapper  gehalten  werden  können. 

126.  Ebenda  S.  149—160  teilt  Küster  die  Kirchen- 
ordnung   der  lutherischen   Gemeinde  zu    Aachen 


1)  Übersehen  hat  Sillem,  was  Veesenmeyer,  Kleine  Beitrage 
zur  Gescliichte  des  Reichstags  zu  Augsburg  1530  (Nürnberg  1830), 
S.  67  f.  über  Getelen  sagt. 


NACHBICHTEN.  513 

:    von  1578  mit,  ohne  jede  geschichtliche  Einleitung.    Nicht 
1    einmal  ein  Wort  über  Provenienz! 

127«  Von  dem  ^^  praktischen  Theologen '',  welcher  über 
die  drei  ersten  Bände  von  Jansse n's  ,, Geschichte  des 
deutschen  Volkes '^  einen  ,,  Kritischen  Bericht  geliefert  hat, 
ist  jetzt  auch  über  den  vierten  Band  ein  solcher  erschienen 
(Frankfurt  a.  M.  1885  —  79  S.  in  8).  Wissenschaftlichen 
Wert  kann  man  diesem  Schriftchen  aber  nicht  zuschreiben. 

Th.  B. 

ItS«  Feiice  Tocco,  Verfasser  der  Schrift  über  die 
H&resie  im  Mittelalter  veröffentlicht  eine  Schrift  über  Gior- 
dano  Bruno  (Conferenza  tenuta  nel  circolo  filologico  di 
Firenze.  Firenze  1886);  welche  sich  auch  über  die  Stel- 
lung Giordano  Bruno's  zu  Religion  und  Kirche  ausspricht 
und  seinen  Prozefs  in  der  Kürze  beleuchtet 

K,  MiOler. 

Itd»  Unter  dem  Titel  „Urkunden  zur  Geschichte 
des  deutschen  Pietismus'^  veröffentlicht  W.  Bender 
in  den  ,,  Theolog.  Arbeiten  aus  dem  rheinischen  wissenschaft- 
lichen Predigerverein"  VI  (Bonn  1885),  S.  37—105  eine 
Reihe  von  Akten  imd  Briefen  aus  dem  Ysenburgischen  Ar- 
chive zu  Büdingen  (l.  ,,  Pietistische  Händel  in  Laubach  und 
Arolsen"  [aus  den  Jahren  1699  und  1700]  und  2.  „Ver- 
schiedene Akten  betr.  das  Verhältnis  der  Pietisten  in  Ysen- 
burg-Büdingen,  Anhalt  und  Thüringen  zur  staatskirchlichen 
Obrigkeit '^  [a.  d.  J.  1700—1738]),  deren  Bedeutung  für  die 
Geschichte  des  Pietismus  er  in  einer  kurzen  Einleitung 
(S.  33 — 37)  darzulegen  unternimmt  Abgesehen  von  dem 
„besonderen  Interesse'^,  welches  Bender  mit  der  Veröffent- 
lichung dieser  Akten  zu  verfolgen  erklärt,  „nämlich  ge- 
nauere Nachweise  über  den  Anteil  des  Pietismus  an  der 
Entstehung  der  religiösen  Aufklärung  in  Deutschland  zu 
geben'',  hofft  er  mit  ihr  „den  Geschichtschreibem  des  Pietis- 
mus zu  dienen  und  dieselben  zu  weiteren  archivalischen 
Forschungen   anzuregen'':   sei   es   ein  Mangel  unserer   ge- 


1^14  NACHRICHTEI7. 

samten  Kirchengeschichtschreibung ,  y^dafs  dieselbe  viehnehr 
TheologengeschichtC;  wie  Geschichte  des  religiösen  Gemeinde» 
lebens  ist'^^  so  mache  sich  diese  Einseitigkeit  nirgends  so 
fiihlbar^  ^fWie  bei  der  Darstellung  des  Pietismus,  der  doch 
in  gewisser  Hinsicht  geradezu  als  Emancipation  von  der 
Herrschaft  der  theologischen  Schule  bezeichnet  werden  darf  ^. 
JBender's  Absicht ,  zu  archivalischer  Forschung  aaf  diesem 
Gebiete  anzuregen,  ist  lobenswert;  ob  sie  jedoch  den  un- 
verkürzten Abdruck  dieser  beliebig,  wenn  schon 
nicht  ohne  jenes  „besondere  Interesse '^  ausgewählten,  der 
Mehrzahl  nach  in  der  That  „  interessanten '^  Akten  recht- 
fertigt, diese  Präge  dürften  nur  wenige  Historiker  bejahen  K 


1)  Zu  meiner  Überraschung  fährt  Bender  S.  84  nach  dem  TorhiD 
mitgeteilten  Satze  fort:  „Bereits  unter  diesem  Gesichtspunkte  glaube 
ich  auf  das  Interesse  der  Historiker  für  die  Yeröfientli^nng  der  fol- 
genden Pietisten -Akten  rechnen  zu  dürfen,  trotsdem  die  Ton 
Brieger  in  Marburg  herausgegebene  , Zeitschrift  für 
Kirchengeschichte'  den  Abdruck  derselben  abgelehnt 
bat/*  Ich  würde  Bender  dankbar  verpflichtet  worden  sein,  wenn  er 
seinen  Lesern,  denen  er  Interesse  für  diese  Thatsache  zutraut,  den  Grand 
der  Ablehnung  nicht  vorenthalten  hätte,  um  so  dankbarer,  als  ich 
nach  bald  drei  Jahren  den  Inhalt  meiner  Antwort,  von  der  ich  mir 
eine  Abschrift  nicht  genommen,  nicht  mehr  im  Gedächtnis  habe;  ich 
finde  nur  die  Notiz,  dafs  ich  Beuder's  Anfrage  vom  29.  Juni  1883 
am  30.  d  M.  beantwortet  habe.  Möglich,  dafs  ich  die  Ablehnung 
mit  dem  Hinweis  darauf  begründet,  dafs  für  die  „Analekten**  der 
Zeitschrift  noch  ein  überreicher  Stoff  des  Druckes  harre ;  möglich, 
dafs  ich  auch  mein  Bedenken  geäufsert  habe,  die  Zeitschrift  für 
Kirehengeschichte  mit  Pietisten- Akten  des  18.  Jahrhunderts  zn  be- 
lasten. Eine  Eröffnung  letzterer  Art  würde  meinen  Redaktions- 
Prinzipien  nur  entsprochen  haben  —  insofern  entbehrt  es 
also  nicht  der  inneren  Berechtigung,  wenn  Bender  mich  bei  seinen 
Tjesem  verklagt.  Historikern  gegenüber  bedarf  es  auch  keiner  Recht- 
fsrtiguirg  meinerseits.  Wer  weifs,  einer  wie  sorgfaltigen  Auswahl  es 
-bedarf,  wenn  es  sich  um  Abdruck  von  Akten  aus  der  ersten  Hälfte 
-des  16.  Jahrhunderts  handelt,  wie  schon  für  diese  Zeit  der  Reichtum 
unserer  Archive  in  den  meisten  Fällen  nur  durch  eine  Bearbeitung 
des  weitschichtigen  Aktenmaterials  gehoben  werden  kann ,  der  ist 
keinen  Augenblick  über  den  Weg  in  Zweifel,  den  für  das  17.  und 
t8.  Jahrhundert  und  zumal  bei  einer  Bewegung  wie  der  Pietismus 
-die  archivalische  Forschung  einzuschlagen  hat. 


NACHRICHTEN.  515 

IM«  In  Otto  Mejer'g  neuester  Schrift:  ,, Biographi- 
sches^ ^Ehraibnrg  i.  B.  1886);  dürfen  zwei  der  hier  ;,gesam- 
vielten  Aufiifttse^'  der  besonderen  Auänerksamkeit  der  Earchen- 
liistoriker  empfohlen  werden:  1)  y,Eine  Erinnerung  an 
B.  G.  Niebuh  r''  (S.  58 — 112),  ein  Versuch  sein  Verhalten 
BU  Beligion  und  Christentum  zu  bestimmen,  und  2)  ;,Mi- 
BiBter  Eichhorn'^  (S.  234—399),  eine  wertvolle  „Studie 
sur  evangelisch-kirchlichen  Verfassungsentwickelung '^ 

Th.  Brieger. 

ISl«  Die  GeselUchaft  für  pommersche  Ge- 
schichte und  Altertumskunde  beabsichtigt,  den  Brief- 
wechsel und  kleinere  Schriften  Bugenhagen's  durch  Unter- 
gflichneten  gesammelt  herauszugeben.  Zur  Förderung  dieses 
.Unternehmens  bitte  ich  alle  diejenigen,  welche  bisher  noch 
imveröffantlichte,  den  D.  Pommer  betreffende  Schriftstücke, 
insbesondere  Briefe  von  ihm  und  an  ihn,  nachzuweisen  ver- 
mögeni  mich  geftUigst  davon  benachrichtigen  zu  wollen. 

Weiietihagen  bei  6reif8W(M.  Lic.  Vogt,  ev.  Pfarrer. 


Berichtigungen. 


Bd.  Tin,  8.  SS8,  Z.  16  ▼.  0.  tUtt:  H«inricli  Ton  Seoonet  lies:  Rlobor  ron  Stnonet. 
S.  S89,  Z.  M  ▼.  0.  rftatt:  Oerardinen  lies:  0«nirdiner. 


Drnek  von  Frie4r.  Andr.  Perthet  in  Gotha. 


tJntersnchnngen  zur  Geschichte  Konstantio'sd.  Gr. ' 


Von 

Prof.  Yiktor  Schultze 

in  GrelfBwald. 


IV. 
Konstantin  and  die  Hamsploln. 

In  der  Aufzählung  der  Privilegien  und  Zuwendungen, 
durch  welche  Konstantin  d.  Gr.  nach  seinem  Siege  über 
Licinius  die  Earche  sich  verpflichtete ,  erwähnt  Eusebius  ^ 
auch  einer  kaiserlichen  Verordnung,  welche  die  Ausübung 
der  Divination  und  damit  verwandter  religiöser  Funktionen 
allgemein  untersagte.  Auch  Sozomenos '  weifs  von  einer 
solchen  MalÜBregel,  möglicherweise  aber  nur  durch  Vermitte- 
lung  des  Eusebius.  Dagegen  lag  dem  Heiden  Zosimus  \ 
dem  dritten  Zeugen  für  die  Abkehr  Konstantin's  von  der 
Mantik,  ein  eigenartiges  Quellenmaterial  vor,  aus  welchem 
dieser  Historiker  sich  folgendes  Bild  gestaltete:  Konstantin 
hielt  den  Glauben  an  die  Divination,  deren  Wahrheit  er  an 
sich  und  in  seinen  Erfolgen  erprobt  hatte,  bis  nach  der  Er- 
mordung des  Krispus  (326)  fest.  Da  er  aber  für  diese 
Blutthat  und  die  mit  derselben  in  Zusammenhang  stehende 


1)  Vgl.  Zeitschr.  f  Kirchengeschichte,  Bd.  VII,  3,  S.  343—371. 

2)  Eiweb.  V.  C.  45. 

3)  Soz.  I,  7:  Kai  toO  lotnoO  &vhv   amtQfiJO   näaiv   ^  finvitCaig 
xaX  TiXiTaig  x^/^^a^a». 

4)  Zos.  n,  29. 

ZmitBehi,  t  K.-O.  YIII.  4.  34 


518  SCHULTZE; 

Hinrichtung  seiner  Gattin  Fansta  von  den  Priestern  die  ge- 
forderte Sübnung  nicht  erhielt,  wies  ihn  ein  im  kaiserlicboi 
Palaste  zu  Rom  verkehrender  ägyptischer  Mann  ^^  mit  dem 
er  eine  Unterredung  hatte ,  an  die  christliche  Religion,  die 
für  jede  Schuld  Sühnung  habe.  Daher  gab  er  der  väter- 
lichen Religion  den  Abschied  und  äufserte  seine  ,,  Gottlosig- 
keit'^ zuerst  darin,  dafs  er  die  Divination  für  verdächtig 
hielt  (rfjg  daeßeiag  rrjv  dgxrjv  eTcoii^aaro  r^v  ficnrex^v  IJfCiy 
iv  iTcoilJtfjc).  Doch  weil  er  selbst  die  Erfahrung  der  Zu- 
verlässigkeit der  Mantik  gemacht  hatte,  so  fürchtete  er,  dals 
andere  sich  derselben  zu  seinem  Nachteile  bedienen  möchten. 
„Und  in  dieser  Überlegung  wandte  er  sich  dazu,  dieselbe 
auszurotten." 

Die  Berichte  stimmen  in  der  Thatsache  überein,  dafs 
Konstantin  gegen  die  Mantik  eingeschritten  ist  Darin  liegt 
auch  das  wichtigste  Interesse.  Das  Datum  und  die  Motive 
dieser  Mafsregel  kommen  erst  in  zweiter  Linie  in  Betracht 
Nach  dem  urkundlichen  Beleg,  auf  welchen  Eusebius  und 
Sozomenos  direkt,  Zosimus  indirekt  hinweist,  suchen  wir 
vergebens.  Ja,  man  könnte  überhaupt  zweifeln,  ob  eine 
solche  Verordnung  existiert  hat,  bzw.  ob  die  Berichterstatter 
Glauben  verdienen.  Allerdings  sind  uns  in  dem  Codex 
Theod.  drei  offizielle  Aufserungen  des  Kaisers  über  die 
Haruspicin  überliefert,  aber  keine  derselben  kann  als  die- 
jenige gelten,  auf  welche  etwa  jene  Historiker  sich  beziehen. 
Datum  und  Inhalt  schliefsen  das  aus.  Die  beiden  ersten 
gehören  nämlich  dem  Jahre  319,  die  dritte  dem  Jahre  321 
an.  Auch  enthalten  sie  kein  absolutes  Verbot  der  Mantik. 
Doch  fragt  sich,  ob  nicht  jene  Erlasse  als  Vorstufen  eines 
solchen  Verbotes    angesehen   werden    können ,    genauer,    ob 


1)  Nach  Burckhardt  (Die  Zeit  Konstantin' s  d.  Gr.,  2.  Aufl. 
1880,  S.  358)  „wahrscheinlich  Hosius'^  Die  seit  Sozomenos  öfters 
angestellten  Versuche,  diese  Anekdote  des  heidnischen  Historikers  als 
ein  Märchen  zu  erweisen,  sind  überflüssige  Mühe,  da  diese  Geschichte 
die  Spuren  der  Unwahrheit  deutlich  genug  trägt.  Sollte  nicht  in 
Julians  ConviTium  (Caesares)  —  p.  431  ed.  Lips.  Teubn.  —  die  ein- 
zige oder  Hauptquelle  derselben  zu  suchen  sein?  Mir  ist  das  sehr 
wahrscheinlich  geworden. 


ÜKTEEfiOCHÜNGElf  ZUR  GESCH.  KOHSTASTIN'B  D.  GR.      619 

nicht  ihr  Inhalt  ein  derartiger  ist,  dafa  eine  MalBregel,  wie 
die  von  den  drei  Eüstorikern  gemeldete,  Bich  als  wahrschein- 
liche Konsequenz  daraus  erweist.  Daranf  bezieht  sich  die 
folgende  Untersuchung. 

Am  1.  Februar  richtete  der  Kaiser  an  den  römischen 
Stadtpräfekten  Maxiraus  einen  Erlafs  dieses  Inhaltes  (Cod. 
Theod,  IX,  16,  1): 

NuUus  haruspex  Urnen  oöerius  accedai  nee  ob  alteram 
causam,  sed  hujusmodi  kominum,  quamvis  veius,  amicitia 
repeSaiur;  concremando  iUo  haruspice,  gut  ad  domutn  alie~ 
nam  accesserit  et  ilh,  gui  eutn  suasionibus  vel  praemiia 
evocaverit,  post  ademptionem  bonorum,  in  insulam  detrudendo. 
Superslilioni  enim  suae  servire  cupientes  poterunt  publice 
ritum  yropriMJM  exercere.  Acatsatorem  autem  hujus  criminis 
non  delaiorem  esse,  sed  dignum  magis  praemio  arbitramur. 
Die  disciplina  Eimsca  war  in  Rom  schon  in  den  Zeiten 
der  Republik  heimisch;  ihre  Adepten  besafsen  die  staatliche 
Anerkennung  ihrer  sakralen  ProfcBsion  und  wurden ,  in 
Parallele  mit  den  römischen  Sacerdotien,  benutzt,  ja  später 
jenen  vielfach  vorgezogen.  Ihre  Wissenschaft  und  rituale 
Praxis  umfafste  die  Opferschau,  die  Prokuration  der  Blitze 
und  die  Deutung  sonstiger  Ostenta.  Der  Prozefs  der  Be- 
fragung und  der  Beantwortung  konnte  ein  öffentlicher  oder 
ein  privater  sein.  Tiberius  schränkte  aus  unbekannten 
Gründen  die  private  Haruspicin  ein,  indem  er  aufser  dem 
Haruspex  und  dem  Befrager  noch  Zeugen  forderte  ';  doch 
blieb  das  Recht  der  privaten  Haruspicin  unangetastet 

Weiter  geht  die  angeführte  Verordnung  Konstantin' s :  es 
wird  durch  dieselbe  die  private  Haruspicin  gänzlich  be- 
seitigt *.      Kein    Haruspex    soll    fortan    die    Schwelle    eines 

1)  Säet.,  Tib,  c.  63:  hamspicea  secreto   ac   aine   testibus   consnll 

2)  Falsche  AaffäHsuDg  bei  Bcagaot  (HIst.  de  la  destructioa  da 
pagan.  en  Occideat,  p.  g2),  Chastel  (Hist.  de  la  dest.  du  pag.  en 
Orient,  p.  54)  und  Burckhardt  (a.  a.  O.  S.  349),  welche  sämtlich 
dieses  Edikt  auf  gleiche  Stufe  mit  demjenigen  des  Tiberius  etellen; 
indes  ein  einfacher  Vergleich  der  Teite  zeigt  den  groften  Unter- 
Kkied. 


520  SCHULTZEy 

Privathauses  überschreiten;  jedes ^  ob  auch  durch  cüeZsl  ^ 
geheiligte  Freundschaftsverhältnis  zu  eineni  „solchen  M»!  » 
sehen''  soll  gelöst  werden.  Das  Strafmafs,  mit  welchem  &|  ^ 
Verächter  des  kaiserlichen  Willens  bedroht  werden,  ist  ji|  ^ 
denkbar  höchste:  für  den  Haruspex  der  Feuertod;  för  da, 
der  ihn  ruft,  Güterkonfiskation  und  Verbannung  in  inmim.  I  (' 
Zur  Denunziation  wird  ausdrücklich  eingeladen.  Die  Gnai^  |  j 
welche  den  Kaiser  leiteten,  müssen  schwerwiegende  gewen 
sein ;  dahin  weist  der  abrupte  Eingang,  die  scharfe  FssBOg 
der  drohende  Ton,  was  alles  einen  rasch  gefeSsten  Rntw^^^ 
verrät.  Wohl  nicht  mit  Unrecht  ist  schon  von  altera 
Kommentatoren  vermutet  worden,  das  die  private,  also  m- 
beaufsichtigte  Haruspicin  dem  Kaiser  politisch  verdicbf 
geworden  sei,  weil  sie  Gelegenheit  zu  ungünstiger  Divinaäi 
über  die  Zukunft  des  Kaisers  und  seines  Hauses  gebei 
konnte  oder  wirklich  schon  dazu  mifsbraucht  worden  war. 
Doch  bietet  der  Text  mehr  als  nur  ein  politisches  IntereseL 
Die  Worte:  superstüioni  enim  suae  servire  cupientes  pok- 
runt  publice  rüum  proprium  exercere  sind  bedeutungsroD. 
Mit  offenbarer  Geringschätzung  werden  hier  die,  welche  de& 
„Drang  haben,  ihrer  Superstition  Genüge  zu  thun'^,  an  dea 
öffentlichen  Ritus  verwiesen.  Man  empfängt  den  Eindruck, 
als  ob  der  Kaiser  sich  selbst  aus  der  Zahl  derjenigen,  welche 
dieses  Bedürfnis  fühlen,  ausnehme  und  die  Freiheit  der 
öffentUchen  Haruspicin  im  Tone  souveräner  Verachtung 
dieser  letzteren  weiterhin  gewährleiste.  In  volle  Beleuchtung 
indes  werden  diese  Momente  erst  durch  den  Inhalt  des 
zweiten  Ediktes  gestellt 

Offenbar  hatte  der  Erlafs  in  der  Bevölkerung  Roms  eine 
gewisse  Beunruhigung  hervorgerufen;  man  scheint  geglaubt 
zu  haben,  die  Haruspicin  solle  überhaupt  aufhören.  Daher 
erfolgte  bereits  am  13.  Mai  desselben  eine  zweite  Verfügung 
(Cod.  Theod.  IX,  16,  2),  diesmal  unmittelbar  ad  popuhm 
gerichtet.     Sie  lautet: 

Haruspices  et  sacerdotes  et  eos,  qui  huic  ritui  assdeni 
ministrare,  ad  privatam  domum  prohihemus  accedere  vd 
sub  praetextu  amidtiae  Urnen  aüerius  ingredi,  poena  contra 
eos  proposita,  si  coniempserint  legem,     Qui  vero   id  tMJbis 


CNTEBSDCHDNGEN  ZÜH  GESCH.  KONSTAKTIlt'S  D.  OB.      631 

exisiitHaiis  condttcere,  adite  aras  publicas  atgue  deluhra  et 
amsuetttdinis  vesirae  celebrate  solennia.  Wec  enim  pro- 
Mibemns,  praeteritae  usurpationis  officia  libera  lue«  trae- 
tari. 

Der  Kaiser  hält  hier  nicht  nur  an  dem  ersten  Erlasse 
fest,  Bondem  verschärft  ihn  noch,  indem  er  die  Tragweite 
jenes  auch  auf  die  sacerdotes  et  eos  qui  huic  ritui  assoknt 
minisirarc  ausdehnt,  also  auch  die  Pontifices  und  die  Au- 
guren und  deren  Hilfspersonal,  insofern  sie  Akte  der  Ha- 
rospicin  ausüben.  Anderseits  wird  wiederholt,  dafs  die 
Regierung  die  öffentliche  Haruspicin  frei  belasse.  Die  Form, 
in  welcher  diese  letztere  Versicherung  abgegeben  wird,  ist 
wiederum  höchst  bezeichnend:  „wenn  aber  unter  euch 
welche  glauben,  dafs  ihnen  das  etwas  nütze,  bo 
sucht  die  öffentlichen  Altäre  und  Heiligtümer  auf  und  voll- 
zieht dort  die  altgewohnten  feierlichen  Akte.  Denn  wir  hin- 
dern nicht,  dafs  die  Ausübung  eines  vorzeiten  angeeigneten 
Rechtes  im  Lichte  des  Tages  vollzogen  werde". 

Bezeichnend  sind  hier  die  Ausdrücke  consuetudinis 
vestrae  und  praeieritae  Jistirpationis  officia,  die  sich  ähn- 
lichen wie  alicna  superstilio  (Cod.  Theod.  XVI,  2,  5),  inos 
veteris  observantiae  (XVI,  10,  J)  anreihen.  Ein  Unbe- 
fangener mufste  aus  den  herausgehobenen  Worten  der  bei- 
den Verordnungen  lesen,  dafs  der  Kaiser  innerlich  von  die- 
ser mit  dem  Volksglauben  eng  zusammengewachsenen  reli- 
giösen Disziplin  sich  gelöst  habe,  und  dafs  die  Weitergestat- 
tung  derselben  in  der  Form  der  Öffentlichkeit  nur  auf 
Gründen  der  Staatsraison  beruhe.  Nicht  in  der  Anerken- 
nung der  öffentlichen  Haruspicin  liegt  die  Bedeutung  dieser 
beiden  Edikte,  sondern  in  der  hier  deutlich  genug  zum  Vor- 
schein kommenden  Beurteilung  der  Divinition  seitens  des 
Kaisers  '. 


1)  So  weit  ich  >ebe,  bat  man  bisher  nur  für  das  erste  Moment 
ein  Auge  gehabt  und  das  zweite  gans  übersehen  oder  nicht  richtig 
ftbgeBchätzI.  Manso  (Leben  Konstantin'a ,  S.  IÜ5)  z-  B.  weifs  über 
diese  beiden  und  das  folgende  Edikt  nur  zu  sugen:  „noch  wird  dem 
Volke  gesetzlich  erklärt,   es  kijnoe  in  Tempeln   und    an    öfientlicheu 


1^ 


622  SCHULTZE, 

Das  dritte  Edikt  endlich  vom  Jahre  321  zeigt  den 
E^aiser  noch  genau  auf  dem  gleichen  Standpunkt  Die 
Veranlassung  zu  demselben  bot  die  Verletzung  des  Amphi- 
theatrum  Flavianum  durch  einen  BUtzstrahl.  Die  Haruspices 
stellten  die  Prokuration  des  Blitzes  und  hatten  nun  weiter- 
hin die  Verpflichtung^  die  formulierte  postuUUio  schriftlich 
an  den  Kaiser  zu  bringen.  Der  Stadtpräfekt  übemabm 
die  Vermittelung.  Indes  —  oflfenbar  weil  er  die  person- 
liche Meinung  des  Kaisers  über  die  Haruspicin  kannte  — 
trug  er  Bedenken,  die  Interpretation  persönlich  einzuhftn- 
digen,  übergab  dieselbe  vielmehr  zur  Weiterbeförderung  an 
den  Magister  Officiorum  Heraklianus.  Daraufhin  erfolgte 
nachstehender  Bescheid  Konstantin's  an  den  Prftfekten  (Cod. 
Theod.  XVI,  10,  1): 

Si  quid  de  PdkUio  nostro  atU  ceteris  operibus  publkis 
degustcUum  fidgore  esse  constäerii,  retento  more  veteris  ob- 
servantiae,  quid  portendcU,  ab  haruspicibus  requirtUur  et 
diligentissime  scriptura  collecta  ad  Nosiram 
^cientiam  referatur.  Ceteris  etiam  usufpandiie  hujus 
vansuetudinis  licentia  tribuenda,  dummodo  sacrificiis 
domesticis  abstineant,  quae  specialiter  prohihiia 
sunt  Eam  atäem  denunciationem  aique  irderpreUUianem, 
quae  de  tadu  amphithealri  scripta  est,  de  qua  ad  HeracUa- 
num  tribunum  et  magistrum  officiorum  scripseras,  ad  nos 
scias  esse  perlatum. 

Also  der  Kaiser  beschränkt  sich  darauf,  in  dem  vor- 
liegenden Falle  —  de  tactu  amphithealri  —  den  Empfang 
des  Schriftstücks  zu   bescheinigen,   ohne  irgendeine   weitere 


Altären  opfern  und  die  Zukunft  nach  alter  Sitte  erforschen.  Noch 
BoUen  die  Wahrsager  über  ungewöhnliche  Ereignisse  betragt  und  an- 
gehört werden**.  Noch  weitgehender  Richter  (Das  weström.  Reich 
u.  s.  w.  1865,  S.  85):  „er  (Konstantin)  hatte  Erscheinungen,  wie  «e 
nur  aus  dem  christlichen  Himmel  kommen  konnten,  und  war  über- 
«eugt  von  der  Unfehlbarkeit  der  Opferschau,  die  mit  den  Olympiern 
stand  und  fiel."  Vgl.  auch  Burckhardt  a.  a.  0.  S.  349;  Chastel 
a.  a.  0.  S.  53 f.  findet  in  den  Edikten  „quelques  expressions  peu 
respectueuses  pour  Tart  divinatoire  en  g^nöral";  also  ist  ihm  die  Be- 
deutung jener  Urteile  doch  nicht  ganz  entgangen. 


UKTERSUCHUKGEM  ZCR  OESCB.  KOHBTAHTIM'B  D.  OB.      b%S 

Aulsenmg.  Als  allgemeiaer  Satz  wird,  in  Anknüpfung  an 
diesen  Fall,  ausgesprochen,  dafs  die  Blitzpro kuration  stets 
Btattfinden  soll,  wenn  der  Blitz  den  kaiserlichen  Palast  oder 
ein  anderes  Öffentliches  Gebäude  trifft,  und  diese  Prokura- 
tioD  soll  sorgfältig  aul'gescbrieben  und  zur  Kenntnis  des 
Kaisers  gebracht  werden.  Zugleich  wird  das  Recht,  sich 
der  öffentlichen  Haruspicin  zu  bedienen,  von  neuem  auch 
den  Privaten  zugestanden,  vorauiigesetzt,  dafs  eich  keine 
häuslichen  Opfer  damit  verbinden.  Von  einem  Tadel  der 
Haruspicin  als  solcher  tritt  nichts  hervor.  Doch  folgt 
daraus  noch  nicht  die  Berechtigung,  auf  eine  persönliche 
Billigung  der  Msntik  seitens  Konstantin's  zu  schliefsen.  Die 
kaum  zwei  Jahre  vorher  kundgegebenen,  oben  angeführten 
Willensäufserungen  des  Herrschers  stehen  dem  entgegen. 
Oder  sollte  es  denkbar  sein,  dafs  in  diesem  Punkte  Kon- 
stantin seit  dem  13.  Mai  319  wieder  rückwärts  in  der 
Richtung  nach  dem  Ueidentume  hingegangen  sei?  D&a 
scheint  in  Jedem  Falle  ausgeschlossen.  Dazu  kommt,  dafs 
offenbar  in  dem  Erlaase  das  Hauptgewicht  auf  die  schrift- 
liche Aufzeichnung  und  die  Zustellung  derselben  an  den 
Kaiser  gelegt  ist.  Der  die  Blitzprokuration  am  Amphitheater 
erwähnende  Teil  handelt  nur  davon  und  zwar  in  verbältnismälsig 
umständlicher  Weise.  Auch  in  der  das  E^kt  einleitenden 
Anordnung  allgemeinen  Charakters  tritt  dies  bedeutsam  hervor. 
Ist  diese  Beobachtung  richtig,  so  bietet  die  weitere  Interpretation 
keine  Schwierigkeit:  wenn  die  Umstände  noch  nicht  gestat- 
teten, die  Haruspicin  gänzlich  aufzuheben,  so  war  es  für 
die  Regierung  von  grofser  Wichtigkeit,  die  Kontrolle  der- 
selben, soweit  die  Divination  auf  den  Staat  sich  bezog 
—  und  auf  den  Staat  bezogen  sich  alle  Ostenta  am  Pa- 
latium  und  an  sonstigen  öffentlichen  Gebäuden  — ,  in  der 
Hand  zu  behalten,  um  einen  etwaigen  Mifabraucb,  der  leicht 
zu  Beunruhigung  der  Gemüter,  ja  zu  noch  Schlimmerem 
fuhren  konnte,  zu  verhüten.  Das  war  auf  dem  von  Kon- 
Btantin  vorgeschriebenen  Wege  möglich,  nicht  aber  in  der 
privaten  Haruspicin,  die  sich  der  staatlichen  Aulsicht  leicht 
entziehen  konnte.  Irgendein  religiöses  Interesse  fiir  die 
Haruspicin  wird  nicht  bemerkbar;  die  matten  Bezeichnungen 


524  fiCHCLTZB^ 

mos  veteris  observaniiae  und  iaec  ccnBududo  för  den  alt- 
ehrwftrdigen  und  hochangesehenen  BituB  sind  vidleicht  nichi 
nnabtichilich  gewählt 

Es  erhebt  sich  nun  die  Frage,  ob  das,  was  Eosebim^ 
Sozomenos  und  Zosimiis  über  ein  ganzliches  Verbot  der 
Mantik  mitzuteilen  wissen,  vielleicht  in  diesen  zweien  bzw. 
dreien  Edikten  seine  Erkl&nmg  findet  Die  Möglichkeit, 
da(s  die  Behinderung  der  privaten  Haruspicin  von  den  drei 
Berichterstattern  auf  die  Haruspicin  überhaupt  verallgemei- 
nert sei,  besteht  allerdings,  aber  dieselbe  darf  doch  erst 
dann  in  Rechnung  gezogen  werden,  wenn  sich  die  Unmög- 
lichkeit ergeben  sollte,  die  Berichte  so,  wie  sie  uns  vor- 
liegen, als  glaubwürdig  festzuhalten.  Eine  solche  Unmög- 
lichkeit besteht  indes  meines  Erachtens  nicht  Denn  so  we- 
nig sich  in  Abrede  stellen  läfst,  dafs  Konstantin,  bevor  er 
die  Bahn  einer  christenfreundlichen  Politik  einschlug,  den 
mancherlei  Wegen,  durch  welche  nach  dem  Glauben  des 
griechisch-römischen  Heidentums  die  Qottheit  ihren  Willen 
an  die  Menschheit  kund  thut  und  deren  Deutung  Sache  der 
Mantik  ist,  gleichgültig  oder  gar  voll  Abneigung  g^enüber- 
gestanden  habe,  so  sind  doch  anderseits  Anzeichen  vor- 
handen, dafs  sich  dieser  eigenartige  selbständige  Geist  nicht 
absolut  an  diese  Fingerzeige  der  höheren  Welt  gebunden 
erachtete.  Der  heidnische  Panegyriker  ^ ,  der  den  Si^er 
nach  dem  Maxcntiusfeldzuge  anredete,  rechnet  es  mit  zu 
den  Helden thaten  Konstantin's ,  dafs  dieser  den  gefahrlichen 
Kriogszug  contra  consilia  hominum,  contra  haruspicum  nuh 
nita  unternommen  habe. 

Erwägt  man  weiter,  dafs  seit  dem  Ausgange  jenes  Unter- 
nehmens der  Kaiser  in  engste  Beziehung  zu  christlichen 
Bischöfen  trat,  in  einer  Reihe  von  Gesetzen  der  Kirche  sich 
geftlllig  erwies  und  in  wachsendem  Mafse  innerlich  imd 
äufsorlich  unter  den  Einfluls  der  neuen  Lehre  kam,  einer 
Lehre,  deren  Bekennern  die  Divinationsriten  samt  und  son- 
dern als  artes  ab  angelis  desertoribus  proditae  et  a  Deo 
ifUerdiciae  ^  erschienen ,   so  können  die  beiden  Erlasse  vom 

1)  Paneg.  lat.  IX,  2  ed.  Teubn.  Lips. 

2)  Tertull.  Apol.  35,  wo  besonders  aucb  die  Haruspices  ge- 


miTEB&CCIlllNGEN  Z.  GESCH.  KONSTANTIN'B  D.  OR.        526 

1,  Februar  und  13.  Mai  319  nicLt  mebr  überraschen.  Die- 
selben sind  mit  ihrem  abschätzigen  Urteile  über  die  Hani- 
spicin  für  uns  um  so  wertvoller,  da  der  Kaiser  in  dem  vor- 
li^enden  Falle  keinerlei  Nötigung  hätte,  seine  persönliche 
Meinung  über  die  Mantik  an  die  Öffentlichkeit  zu  bringen. 
Dafs  er  ea  dennoch  that,  ist  ein  Beweis,  wie  fest  die  Ab- 
neigung gegen  die  Zeichendeutung  bereits  bei  ihm  ge- 
wurzelt war.  Der  Schritt  von  hier  aus  zu  einem  völligen 
Verbote  war  tür  ihn  kein  grofser.  Es  ist  auch  sonst,  z.  B. 
in  Beziehung  auf  die  heidnischen  Opfer  ',  das  Verfahren  der 
konstantinischen  Religionapolitik  gewesen,  langsam  und  stufen- 
weise auf  das  vorgesetzte  Ziel  loszuschreiten.  Das  hatte 
seinen  natürlichen  Grund  in  der  Beschaffenheit  der  Ver- 
hältnisse, und  es  gehört  zu  den  Kuhmestitetn  der  Staatskunst 
Konstantin' B ,  diese  Verhältnisse  richtig  erkannt  und  richtig 
gewürdigt  zu  haben*.  Wenn  noch  im  Jahre  371  streng 
christliche  Herrscher  die  Ilaruspicin  unter  gewissen  Be- 
schränkungen frei  gaben,  weil  die  Verhältnisse  es  als  wün- 
Bchenswert  erscheinen  liefsen  ^,  ao  ist  wohl  begreiflich,  dafa 
nicht  schon  im  Jahre  321  ein  allgemeines  Verbot  der  Haru- 
spicin  erlassen  werden  konnte;  galt  es  doch,  mit  den  reli- 
giösen Gefühlen  einer  Masse  von  70 — 80  Milhonen  Unter- 
thanen  zu  rechnen.  Wie  der  Kaiser  erst  später,  nachdem 
seine  Herrschaft  sich  fester    geordnet    hatte    und    die    christ- 


nanat  wenden.  Dam  das  Urteil  des  dem  Kaisei  nahestehenden  En- 
■  ebins  Praep.  ev.  IV,  1  sqq.  (ed.  Tuubo.  Lips.).  Es  sei  hier  be- 
merkt, dafs  eine  auffelleiide  Berührung  Eiviscbcn  dem  ersten  Edikt« 
und  dem  2i.  Kanon  der  Sjniodc  von  Aucjrra  (a.  '6\.i)  statifiDdet;  es 
werden  in  diesem  mit  kirchlicher  Strafe  bedroht   ol  xaiuftiirTn-öfifvoi 

Xtii  Tai(  ai-MjtffCnrif  iBv  itiTDiv  (sO  statt  _y(M)i'iui')  (inxoloi'&of-vtff  fl 
ilaäyovtft  Tifiii  fit  loi'c  iai'röv  o/jtoit. 

1)  Siehe  den  folgenden  Abscbnitl. 

2)  Treffend  nufaert  Ranke  (Weltgesch.  III,  1,  S.  532)  einmal: 
„Er  (Konstantin)  konnle  unmöglich  »ngeben,  dafs  aa  die  Stelle  der 
Unordnungen  der  \'erfoigung  die  vielleicht  noch  gröfseren  einer  ge- 
walt»aniea  Keaktion  tiäten."  Dieser  Satz  scbiiefEt  das  gaiue  Ge- 
beimnis  der  konBta.ntini sehen  Heligionspolitik  auf  und  wird  in  der 
Special  Untersuchung  überall  seine  Bcntätigung  linden, 

3)  Valeutinianus,  Valens  und  Giatian  in  Coi.  Theod.  IX,  16,  9. 


62S  SCHÜLTZE^ 

liehe  Bevölkerung  an  Zahl  und  TCinflnfii  und  Sttrke  ^1  ^ 
wachsen  war,  ein  allgemeines  Opferverbot  erliels,  so  kt  »I  '^ 
zunehmen,  dafs  er  auch  vor  dem  viel  weniger  schwerwiq»!  ^ 
den  Verbot  der  Haruspicin  nicht  zurückgescbreckt  so.     I  ^ 

Demnach  wird  daran   festzuhalten   aein^    dab  das  A»l  ^ 
einstimmende  Zeugnis  der  beiden  Earchenschrifbtelkr  oi  |  ^ 
des  Zosimus  Thatsächliches  berichtet,   d.  h.   dab  nadi  kt 
Besiegung  des  Lidnius,  und  zwar  nicht  allzu  lange  nadiki; 
ein  allgemeines  Verbot  der  Mantik  erlassen  worden  ist 

Daraus  folgt  freilich  noch  nicht,  dala  die  Divination  ■ 
Gemäf sheit  der  kaiserlichen  Verordnung  im    ganzen  Bäk 
aufgehört  habe.     Auch  wenn  das  Gfegenteil  nicht  ausdrid;- 
lieh  bezeugt  wäre  \  wiederstritte  diesem  Schlüsse  die  A» 
logie  verwandter  Vorgänge.     Es  lag  nicht  in  der  Art  dieKr 
Regierung,  ihren  religiösen  Erlassen  durch  Gewaltmabr^gdi 
den  gehörigen  Nachdruck  zu  geben;  nur  in    wenigen  A» 
nahmefidlen   hat   sie   sich   dazu   herbeigelassen.      Aber  der 
moralische  Eindruck  jener  Verordnung,  welche  eine  gesets* 
liehe  Basis  wider  die  Divination  schuf,  mufa  ein  grolser  g^ 
wesen  sein  und  hat  in  Verbindung  mit  dem  Umstände,  dsb 
in  dem  Mafse,  als  die  höheren  Beamtenstellen   in   die  Hand 
von  Christen  kamen,  auch  die  staatlichen,  auf  Veranlassung 
und  im  Beisein  der  Beamten   zu   vollziehenden  Divinations- 
akte  sich  verringerten,  dazu   beigetragen,  dafs    die  Mantik 
mehr    und    mehr    an  Boden  verlor.     Daher    konnte    kaum 
vierzig  Jahre   später    ein    angesehener  Bischof,    der   seine 
Zeit  kannte,  in  der  Auslegung  von  Ps.  138,  2    voll  Freude 
ausrufen :  templa  collapsa  sunt,  simulacra  tnutata  suni,  haru- 
spices   inierventu    sanctorum   silerU,    attgurum   fides  faUU, 
unum  Dei  nomen  in  omnibus  gentibus  sanctum  est. 

Im   Anschlufs  hieran  sei  noch  bemerkt,  dafs   zum  Be- 
weise   der   heidnischen   Qesinnung  Eonstantin's    mit    beson- 


1)  Ich  yerweise  nur  auf  die  Expositio  totitis  mundi  (Müller, 
Geograph!  graeci  min.  II,  p.  513  sqq.)  und  die  Bestimmungen  Cod. 
Theod.  IX,  16,  4 ;  6. 

2)  Hilar.  Pict  Tract.  in  CXXXVH  Fs,  (Op.  ed.  Veron.  1780 
vol.  I,  Sp.  559). 


UNTERSUCHUNGEN  Z.  GESCH.  KONSTANTIN'S  D.  GK.        527 

arer  Vorliebe  eine  VerordnoDg  vom  Jahre  321  (Cod.  Theod. 
kIijC,  16|  3)  angeführt  wird,  die  denselben  in  einem  an  die 
■Ltiiination  anstreifenden  Aberglauben  zeigt.  Das  betreffende 
^Bodikt*  erkennt  in  der  That  die  Wirkungskraft  der  Zau- 
^rei,  das  maUficium^  an.  Aber  ist  denn  nicht  bekannt  ge- 
dafs  der  Glaube  an  die  Thatsächlichkeit  der  Zauberei 

:}]id  ihrer  Wirkungen  ein  allgemeiner  Besitz  der  alten  wie 
^^er  mittelalterlichen  Christenheit  war?  Kirchliche  Synoden 
^iiiaben  sich  in  diesem  Sinne  zum  öftem  ausgesprochen  ^  und  die 
^  arste  Bestrafung  eines  Ketzers  an  Leib  und  Lfcben,  die  Ver- 
;.  |itrteilung  Prisdllian's  und  seiner  Genossen  erfolgte  nach  der 
g^Anklage  auf  rnaleficium '.  Ebenso  haben  spätere  Kaiser, 
^  deren  entschiedene  christliche  Gesinnung  nicht  bezweifelt 
^wird,  gegen  das  zauberische  Wirken  gesetzliche  Bestim- 
^  mungen  getroffen  *.  Es  ist  demnach  ungerechtfertigt,  Kon- 
^  stantin  um  einer  Vorstellung  willen  zu  tadeln,  die  er  mit 

seiner  ganzen  Zeit  teilte. 


V. 
Der  Staat  imd  das  Opfemreaett. 

Es  wird  sich  zeigen,  dafs  die  Religionspolitik  Konstan- 
ün's  dem  heidnischen  Opferwesen  gegenüber  genau  in  der- 
selben Weise  sich  geltend  machte  wie  in  ihrem  Verhalten 
zu  der  Haruspicin,  wie  sie  überhaupt  in  der  Richtung  auf 
das  vorgesetzte  Ziel  sich  konsequent  zeigt;  in  zahlreichen 
Unregelmälsigkeiten  und  Schwankungen  der  Praxis  wird 
die  gerade  Linie,  auf  der  diese  Politik  im  ganzen  sich  be- 


1)  Z.  B.  Synode  zu  Elvira  c.  6:  Si  quis  vero  maUficio  interficiat 
cäterum^  eo  quod  sine  idololatria  perficere  scelus  non  potuü,  nee  in 
finem  n.  8.  w.  —  Synode  von  Ancyra  im  angeführten  Kanon. 

2)  Sulp.  Sey.  Chron.  II,  50,  8.  Dazu  die  beachtenswerten  Be- 
merkungen Yon  Bernays:  „Über  die  Chronik  des  S.  Sev.**  (Berlin 
1861),  S.  14  ff.  und  Anm.  26. 

3)  Vgl.  Cod.  Theod.  IX,  16,  5;  10;  11. 


528  8CHULTZE, 

wegt;  immer  wieder  sichtbar  ^  Nur  ist  auch  hier  der  au  1^ 
den  Quellen  yerhältnismäfsig  leicht  und  sicher  zu  erhebende  1;! 
Thatbestand  von  älteren  und  neueren  Darstellern  manni^  |li 
fach  verwirrt  worden. 

In  der   Religion    des    griechisch  -  römischen   Heidentum» 
nahm  das  Opfer  eine   hervorragende  Stelle  ein.     Der  Staat 
und  die  mannigfach  abgestufte  Zahl  von  privaten   oder  ge- 
meindlichen   sozialen   Bildungen  in   ihm^    die  Familie,   die 
Gens,   die  bürgerlichen  und  die   fremdkultischen  Genossen- 
schaften vollzogen  regelmäfsige  und  aufsergewöhnliche  Opfer- 
handlungeu;  dei*en  feste,  altüberlieferte  Ordnung  weder  durch 
die  religiöse  Verwilderung  in  den  Endzeiten   der   römischen 
RepubUk  noch  durch  die  im  zweiten  Jahrhundert  anhebende 
Reformation  wesenthch  berührt  worden  ist.     In  diesem  weit 
ausgespannten  Apparate  des  Opferwesens  trat   den  Christen 
das   Heidentum   besonders  abstofsend    und    verletzend    ent- 
gegen.    Die   Urteile   der  Kirchenschriftsteller   darüber  sind 
bekannt;   dieselben  finden  ihre  natürliche  Erklärung   darin, 
dafs  in  der  Opferhandlung  die  Götterwelt  immer  wieder  als 
lebendig  und  machtvoll  anerkannt  und   proklamiert   wurde. 
Daher  ist  anzunehmen,    dafs  die   christliche  Umgebung   des 
Kaisers  ihren  Einflufs  darauf  gerichtet  habe,  die  Beseitigung 
dieses  Ärgernisses   oder   wenigstens   die  Einscliränkung  des- 
selben  zu   erlangen.     Indes   konnten   dem  Kaiser    so   wenig 
wie   seinen  Ratgebern   die    Schwierigkeiten    verborgen    sein, 
welche  in  der  Durchfuhrung  einer  solchen  Mafsregel  lagen; 
denn   das   Opfer    war    der  Kern    des    öffentlichen    wie    des 
privaten  Kultus. 

So  begreift  sieh,  dafs  eine  Reihe  von  Jahren  vergeht, 
ehe  überhaupt  von  einem  staatlichen  Vorgehen  gegen  die 
Opfer  etwas  verlautet.  Denn  die  Schliefsung  oder  Demo- 
lierung  einzelner   Tempel   beseitigte   zwar   eine  Anzahl    von 


1)  So  urteilt  auch  der  Heide  Eutropius  (X,  5)  über  Konstan- 
tin: vir  ingens  et  omnia  efficere  nitens,  quae  animo  praeparasset.  An- 
ders Burckhardt,  S.  364:  „ein  konsequentes  System  wird  man  bei 
einem  hierin  (d.  h.  in  der  Religionspolitik)  mit  Willen  inkonsequenten 
Menschen  vergebens  nachweisen  wollen.** 


V  UNTEBSDCHUNOEN  Z,  GESCH.  KONSTAJJTIS'S  D.  GR.         529 

^F^  SferfltätteD ,  konnte  aber  nicht  als  direkt  gegen  die  Opfer 
^PNichtet  angesehen  werden.  Trotzdem  erfolgten  die  ersten 
^^^ranabmen  gegen  die  Opfer  verhältnismäfsig  früh,  nämlich 
jr  dem  Jahre  321.  Den  urkundlichen  Beweis  dafür  finde 
^'•i  in  dem  bereits  oben  angeführten  kaiserlichen  Reskripte 
^"•■om  Jahre  321,  welches  an  der  hier  in  Frage  kommenden 
^.^ielle  lautet:  Ceteris  etiam  usurpandae  hujus  consuetttdinis 
^  'ieentia  tribuevda,  dummoäo  sacrißciis  domesticis  abstineant, 
^^^uae  specialiter  prokibita  sunt  (Cod.  Theod.  XVI, 
**0,  1). 

^^      Die  Worte,  welche  in  ihrer  Tragweite  nach  dieser  lUch- 
**aDg    hin   noch   nicht   erkannt,   wenigstens   noch   nicht   ver- 
M>wertet    sind    beziehen    sich    also    auf   eine    schon    vor    321 
iierlassene    —    leider   fehlt  die    Möglichkeit  einer  genaueren 
■HÄJatierung  —  besondere  kaiserliche  Verordnung  (specialiter), 
Mnirelche  die  Hausopfer  untersagte.     Ks  war  ein  entschlossener 
?■  Angriff    auf    den     religiösen    Besitzstand     des     Heidentums. 
Ur  Denn  das  Hauaopfer  war,  wie  überhaupt  die  Sacra  privata, 
gl    dem    Glaubigen    vertrauter    und    wertvoller    als     die    Sacra 
r   publica.     Jetzt  sollte  das  auf  alter  Sitte  ruhende  Tischopfer, 
f    ^H  kein  frommer  Hausvater  versäumte  ' ,   zugleich  mit  den 
k     mancherlei  feriae  privatae,  welche  die  Vorfaliren  als  heilige 
I     Ordnung  gesetzt   und   von   Geschlecht  zu   Geschlecht   über- 
liefert hatten,    aufhören;    ein   wichtiger  Teil   der   Religions- 
Übung    war    unter   Strafe    gestellt.      Sogar    auch    auf    einen 
Teil  der  gentiliciachen  Sacra  erstreckte  sich  folgerichtig  das 
Deue  Edikt. 

Es  entzieht  sich  der  Kenntnis,  welche  Wirkung  diese 
Mafsregel  erzielt  hat  Obwohl  nicht  anzunehmen  ist,  dafa 
der  Wille  des  Kaisers  mit  Nachdruck  geltend  gemacht  sei 
—  das  würde  den  Grundsätzen  der  koosfantinischen  Re- 
ligio nspolitik  widerstreiten  —  so  mufs  der  Erfolg  doch  ein 
solcher  gewesen  sein,  dafs  die  Regierung  damit  zufrieden 
war.  Sonst  erklärt  sich  nicht,  dafs  schon  wenige  Jahre 
nachher,    nämlich    bald    nach    der   Besiegung    des  LiciniuB, 

1)  J.  Marquardt,  Rom.  StaaUverwaltang,  3.  Bd.,  3.  Anfl. 
(Leipiig  1885),  S.  126. 


530  8GHULTZE, 

derjenige  Schritt  gewagt  wurde,  welcher  die  änlserBte  Grenze 
der  gegen  das  Heidentom   gerichteten  Ma&nahmen  beseicli- 
net:  das  allgemeine  Opferverbot     Eoaebiiis  ^  weist 
mehrmals    mit   Genogthuung   auf   ein    solches   Verbot  hin; 
Zosimus  *   weüs    einen    Fall    zu    erzählen,   wo    der   Kaiser 
ostentativ   einem   militärischen   Opferfeste  auswich   und  mit 
seinem  Tadel  bei  dieser  Qel^enheit  nicht  zurückhielt  Noch 
wichtiger  ist  es,   dafs  Konstantins  341   in    einem    scharfen 
Erlasse  gegen    das   Opferwesen    sich   auf  eine  Verordnung 
seines  „göttlichen  Vaters''  zurückbezieht     Das  Gesetz  lautet 
(Cod.  Theod.  XVI,  10,  2):  Cessei  superstitio,  sacrificionm 
äboleatur  insania.     Nam  quicunque  contra  legem  divi  prin- 
cipis  pareniis  nostri,   et  hanc  nostrae  mansuetudinis  ausus 
fuerü,  sacrificia  celebrare,  competens   in   eum  vindicta  d 
prciesens  sententia  exeratur.    Wenn  dieses  wichtige  Zeugms 
neuerdings    mit   den  Worten   abgefertigt  worden  ist:  „Ein 
Gesetz  des  Konstantins  vom  Jahre  341  beruft  sich  sehr  un- 
bestimmt auf  ein   allgemeines  Opferverbot  seines  Vaters'", 
so  ist  dagegen  zu  bemerken,   dafs  die  Rückbeziehung  dne 
sehr  bestimmte  ist  und  dab  der  Inhalt  der  neuen  Verord- 
nung   mit    dem   älteren    Edikt  Konstantin's   deutlich   genug 
identifiziert  wird.     Gegenüber  einem  solchen  Quellenzeugnis 
wird   auch   der   vorsichtigste  Historiker  dem  Schlüsse  nicht 
ausweichen  können,   dafs  einmal  ein    allgemeines   staatliches 
Opferverbot    erfolgt    ist.      Auch    darauf   möge    noch    hinge- 
wiesen sein,   dafs  durch  einen   kaiserlichen  Erlafs  vom  Mai 
323  es  strengstens  untersagt  wurde,  Christen  zu  Lustrations- 


1)  Euseb.  D.  L.  C.  2.  8.  9.  V.  C.  II,  45;  IV,  23.  25  nach  letz- 
terer Stelle  ist  das  Opferverbot  sogar  nochmals  ausgesprochen,  doch 
ist  möglich,  dafs  Eusebius  dabei  das  erste,  gegen  die  Hausopfer  ge- 
richtete Edikt  mitzählt. 

2)  Zos.  II,  29:  r^^  J^  naiQ^ov  xaTaXnßovarjg  ioQTfjg,  xad^  ijv  &väyxft 
To  OT^aTOTitdop  7,v  Uvcn  dlg  Tu  KantTtiiXiov,  ävo6ov  6vttd(^tüv  ävtädtp^t 
X(u  Tiji  Ifou^  ir/iOTftctg  nnoaiaTijaai,  (lg  fiiaog  rrjv  ytqovoinv  xal  rbv 
dfifjLOv  üv^arriatv. 

3)  Burckhardt,  S.  361,  Anm.  2;  dazu  im  Text:  „Manche  glau- 
ben sogar  annehmen  zu  dürfen,  dafs  Konstantin  die  heidnischen  Opfer 
zuletzt  irgendwann  ganz  verbot.** 


UNTEBSUCHUNGEN  Z.  6E8GH.  KOKSTAKTiy'S  D.  GR.       631 

iqpfem  und  überhaupt  zu  irgendeinem  heidnisch -religiösen 
Akte  zu  zwingen',  und  dals  ebenso  noch  vor  dem  allge- 
meinen Opferrerbote  den  Trägem  höherer  Regierungs-  und 
Verwaltungsämter  die  öffentlichen  Opfer  untersagt  wurden  ' ; 
doch  ist  der  Bericht  über  letzteres  nicht  genau  genug,  um 
daraus  bestimmte  Schlüsse  zu  ziehen. 

So  war  denn  plötzlich  das,  was  die  eigentliche  Lebens- 
ader der  heidnischen  Religion  ausmachte,  abgeschnitten;  die 
grofse  Maschinerie  des  Opferkultus  in  dem  weiten  Reiche 
BoUte  stille  stehen.  Freilich  in  Wirklichkeit  ist,  wie  die 
spätere  Geschichte  zeigt,  das  nicht  erreicht  worden,  und 
schwerlich  hat  der  Kaiser  sich  darüber  irgendwelchen  Täu- 
schungen hingegeben.  Die  grofse  geschichtliche  Bedeutung 
dieses  Gesetzes  liegt  darin,  dafs  der  durch  den  Kaiser 
repräsentierte  Staat  das  Opfer  für  einen  widergesetzlichen, 
strafbaren  Akt  erklärt  Ja  noch  mehr:  derjenige,  in  wel- 
chem verfassungsmäfsig  die  Oberaufsicht  und  die  Ober- 
leitung der  Sacra  lag,  der  seit  Augustus  mit  dem  höchsten 
Träger  der  weltlichen  Gewalt  identische  Pontifex  Maximus 
traf  diese  Bestimmung.  Damit  war  die  alte  Religion  vollends 
von  der  Seite  des  Staates  weggestofsen  und  diesem  unter 
die  Füfse  gelegt  als  etwas,  mit  dem  als  einer  Macht  vor- 
läufig noch  zu  rechnen  sei ,  das  aber  keinen  religiösen 
Rechtsanspruch  mehr  an  den  Staat  habe.  Das  feste  Gefiige, 
in  welches  die  Vorzeit  Staat  und  Religion  zusammengeschlossen 
hatte,  war  zersprengt;  zersprengt  zugunsten  einer  neuen 
Religion.  Diese  Empfindung  mufste  eine  tiefe  Wirkung  auf 
die  noch  nach  Millionen  zählende  heidnische  Bevölkerung 
ausüben    und    ihr  jede  Ungewifsheit  über  die  Ziele  dieser 


1)  Cod.  Theod.  XVI,  2,  5  zunächst  Verbot,  die  ecclesiastici  et 
ceteri  catholicae  sectae  servientes  zu  den  lustrorum  sacrificia  zu  zwin- 
gen. Dann  allgemeiner:  si  quis  ad  ritum  alienM  superstitionis  cogen- 
dos  esse  crediderit  eos,  qui  sanctissimae  legi  serviunt,  si  conditio 
patiatur,  publice  fustibus  verberetur;  si  vero  honoris  ratio  talem  ab  eo 
repeüat  injuriam,  condcmnationem  sustineat  damni  gravissimi,  quod 
rebus  publicis  vindicabitur.  Beachtenswert  ist  die  strenge  Straf- 
androhung. 

2)  Euseb.  V.  C.  II,  44. 


532  8CHULTZE, 

Regierung  rauben.  Es  ist  mehr  als  wahrscheinlich,  da& 
dieser  Eindruck  zahlreiche  Unentschlossene  und  IndifiSerenie 
zur  Kirche  gefuhrt  hat.  Aber  von  noch  grölserer  Wichtig- 
keit war,  dafs  jetzt  den  christUchen  Beamten  eine  geseti- 
liche  Handhabe  gegeben  war,  den  Vollzug  der  Staatsopfer 
zu  hindern ;  und  dieses  Recht  mufste  eine  um  so  furcht- 
barere Waffe  dem  Heidentum  gegenüber  werden,  je  zahl- 
reicher die  Christen  in  den  Staatsdienst  sich  eindrängten  ^ 
Die  Folge  war,  dafs  der  öffentliche  Gottesdienst  yerödete 
und  nur  noch  da  fortdauerte,  wo  eine  starke  heidnische 
Bevölkerung  und  eine  willige  Beamtenschaft  Schutz  ge- 
währte. Die  dritte  Dezennalienfeier  im  Jahre  336  zeigt 
deutlich,  wozu  die  neueste  Entwicklung  geführt  hatte:  die 
pompösen  Festzüge,  die  Opferhandlungen,  die  AuspicatioD, 
welche  sonst  diesen  Tag  auszeichneten,  fielen  weg;  an  ihre 
Stelle  trat  eine  durchaus  christliche  Feier  '. 

Leider  läfst  sich  die  Zeit  des  allgemeinen  Opferverbotes 
nicht  mit  Sicherheit  bestimmen.  Nur  Eusebius  bietet  einen 
gewissen  Anhalt,  indem  er  jenes  Verbot  mit  elS^  f^ffi  an 
die  Erzählung  des  Unterganges  des  Licinius  (324)  anreiht ', 
was  keine  sehr  grofse  Entfernung  von  jenem  Ereignis  zu- 
läfst.  Wäre  auf  die  Chronologie  des  Zosimus  in  diesem 
Falle  Verlafs,  so  würde  sich  als  Terminus  a  quo  das  Jahr 
326  —  Hinrichtung  des  Crispus  —  ergeben,  also  ein  ähn- 
Uches  Resultat  wie  das  aus  Eusebius  zu  schöpfende. 

Ich  verzichte  hier  darauf,  aus  dem,  was  sich  über  das 
Verhalten  Konstantin's  zur  Haruspicin  und  zum  Opferwesen 
ergeben  hat,  allgemeine  Schlüsse  auf  die  Stellung  desselben 
zur  Kirche  und  zum  Christentume  einerseits  und  zum 
Heidentume  anderseits  zu  ziehen.  Nur  eine  kurze  Be- 
merkung sei  gestattet.  Es  ist  gesagt  worden  * :  „  vergebens 
suchen  wir  nach  einem  Edikt,  welches  das  Bekenntnis  zum 


1)  Darauf  weist  auch  Euseb.  V.  C.  II,  44  hin. 

2)  Euseb.  D.  L.  C.  2. 

3)  Euseb.  V.  C    II,  4ö. 

4)  Brieger,    Konstantin    d.    Gr.    als    Religionspolitiker    (Gotha 
1880),  S.  21. 


UNTERSUCHUNGEN  Z.  GESCH.  KONSTANTIN'S  D.  GB.        633 

iApütterglauben  und  seine  Ausübung  verboten   hfttte^.    Das 
■Sfal  richtige  wenn  damit  ein  allgemeines  Verbot  des  Heiden- 
r'tmns    gemeint   sein    soll;    ein   solches   ist  unter  Konstantin 
irniclit  g^eben  worden.     Aber  man    darf  fragen,    wie    viel 
r  oder  wie  wenig  dem  Heidentume  noch  gebUeben  ist,  nach- 
-  dem   das  Gesetz   ihm  die  Haruspicin,  das  Opferwesen  und 
die  Tempel  nahm.     Denn  die  Tempelschlielsung  liegt  in 
i   der  Konsequenz  des  allgemeinen  Opferverbotes ;  dieses  konnte 
aur  durchgeführt  werden,  wenn  die  Tempel  und  ihre  Bezirke 
!    unzogänglich   gemacht    wurden.     Freilich    wenn   Eusebius  ^ 
v^'kündet:  „im  ganzen  römischen  Reiche  wurden  die  Thore 
des    Götzendienstes   dem    Militär-    und   Bürgerstande    ver- 
flcUossen  ^',  so  ist  das  rhetorische  Übertreibung,  aber  ebenso 
unzweifelhaft  ist,  dafs  Tempelschliefsungen  in  gröfserem  Um- 
fange stattgefunden  haben;   denn  auch  Heiden   und  Qegner 
Eonstantin's  bezeugen   das  ^,    und    es    liegt    ein  Edikt    aus 
dem  Jahre   326    vor,    welches    die  Wiederherstellung   bau- 
&lliger  Tempel  untersagte '.     Von  einer  Parität  beider  Re- 
ligion zeigt   die  Praxis  keine  Spur;   ebenso   wenig  ist  jene 
irgendeinmal  im  Prinzip   ausgesprochen.     Wie  Julianus  ein- 
mal  seinen   Oheim  Konstantin   charakterisiert  hat  ^ ,  indem 
er  ihn  novator  turhatorque  priscarum  legum  et  moris  anti- 
quUus    recepti    nannte,    das    gilt    auch  von   dem  Religions- 
politiker Konstantin  und   zwar  bereits   vom  Tage   des  Mai- 
länder Ediktes  an;  denn  die  Religionsfreiheit,  die  dort  pro- 
klamiert   wurde,    war   eine  Rechtsverletzung    an    der    alten 
Religion,  die  allein  im  Staate  Recht  hatte.     Mit  jenem  Pa- 
tent ist  in  WirkUchkeit  nur  die  staatsrechtliche  Basis  gelegt 
fiir  eine  Politik,  die  endlich  zur  Rechtlosigkeit  des  Heiden- 
tums führte.     Konstantin  hat  den  Funken   entzündet,  Kon- 


1)  Euseb.  V.  C.  IV,  23. 

2)  Julian.  Orat.  VIII  (p.  228  ed.  Spanh.);  Eunap.  Vita  Soph. 
in  Aed.  (p.  461  ed.  Boissonade). 

3)  Cod.  Theod.  XVI,  1,  3. 

4)  Amm.  Marc.  XXI,  10. 

Zeitsebr.  f.  K.-G.  vni,  4.  35 


S34  BCBCLTZE^ 

•taolias  hat  daimos  eine  Flamme  gemacht^  än&ert  adäV'^ 
mal  libanios  '.    Er  hat  rocht  I  ^ 


VI. 
Der  Uatergmas  '^>  Mniniwa. 


bl 


1 


Zu  dem  glänzenden  Lebensbilde  Konstantin'sy  das  bl  f, 
0ebiu8    in  mabloflem  EnthofliasmaB   für    den    ^^got^dieblal  ^ 
Kaiser ''  und  sein  Regiment  gezeichnet  hat^  stehen  in  schaifaii  1 
Kontraste  zwei   durch  den  Willen  des    Kaisers   vemmcki 
düstere    Ereignisse  y    welche    eben    darum    als    Beweianilri 
haben    dienen    müssen ,    um    die    Geschichtschrdbang  da 
christlichen  Bischofs   als   eine   tendenziöse   und    be?nilk  » 
redliche  und  den^  welchem  sie  gilt,  als  einen  Heuchler  mi 
herzlosen  Egoisten  zu  erweisen:  der  Untergang  des  LidiBB 
und   die  Hinrichtung  des  Krispus.     Qerade   in  AnknOpfiog 
an   den   letzten   Kampf   zwischen  Licinius    und    Konstantin 
hat  Burckhardt   (a.   a.   O.   S.   334f.)    die    befremdhdia 
Worte  geschrieben :   „  Euseb   ist   nicht   etwa   ein  Fanatiker; 
er   kannte   die   profane  Seele  Konstantin's    und    seine   kalte 
schreckliche  Herrschbegier  recht  gut  und  wufste  die  wahren 
Ursachen  des  Krieges  ohne  Zweifel  genau;    er    ist   aber  der 
erste    durch    und    durch    unredUche  Geschichtschreiber  dei 
Altertums.      Seine   Taktik  ^   welche   für  jene    Zeit   und  das 
ganze    Mittelalter    einen    glänzenden   Erfolg    hatte,    bestand 
darin  y  den  ersten  grofsen  Beschützer   der  Kirche    um  jeden 
Preis  zu  einem  Ideal  der  Menschheit  in   seinem  Sinne,  vor 
allem    zu    einem    Ideal    für    künftige    Fürsten    zu    machen. 
I)arob    ist    uns   das   Bild   eines   grofsen   genialen    Menschen 
verloren  gegangen,  der  in  der  Politik   von   moralischen  Be- 
denken nichts  wufste  und  die  religiöse  Frage  durchaus  nur 
von    der    Seite    der    politischen   Brauchbarkeit    ansah.''    Es 
liegt    nicht   in   meiner  Absicht,   hier  als  Apologet   des  En- 

n  LiWu.  II,  p.  5HI  ed.  Morelli. 


■  DNTEKSUCHTNGEN  Z.  6ESC3I.  KOMSTASTIM  S  D.  GR.        535 

sebioB  und  aeioes  Helden  aoizutreten,  sondern  es  soll  nur 
durch  Prüfiing  des  Bestandes  und  des  Wertes  der  über 
den  Untergang  des  Licinius  Auskunft  gebenden  Quellen  ge- 
zeigt werden,  dafs  der  an  jenes  Ereignis  anknüpfende  üb- 
liche Vorwurf  weder  den  Bischof  noch  den  Kaiser  mit  Recht 
triffL 

Den  ausführlichsten  Bericht  über  den  letzten  grofsen  and 
blutigen  Kampf  der  beiden  Herrscher  hat  Eusebius  in  seinen 
„Denkwürdigkeiten  aus  dem  Leben  Konstantin'a"  (I,  49ff.). 
Licinius,  so  erfahren  wir  hier,  nahm  —  der  Grund  wird 
nicht  angegeben  —  mehr  und  mehr  ein  feindliches  Ver- 
halten zu  seinem  Schwager  ein,  obwohl  dieser  ihn  stets  mit 
grofser  Liebe  behandelt  und  mit  mancherlei  Auszeichnungen 
und  Vergünstigungen  bedacht  hatte.  Der  Hafs  gegen  Eon- 
Btantin  äufserte  sich  bald  auch  in  Bedrückung  der  Eirch^ 
die  in  ihren  Freiheiten  gehemmt  und  auf  verschiedene  Weise 
bedrückt  wurde,  bis  zu  blutiger  Verfolgung.  Konstantin 
nimmt  sich  der  Bedrängten  an.  Es  kommt  zwischen  beiden 
zu  einem  Kriege,  den  Konstantin  in  Vertrauen  auf  den 
höchsten  Gott  und  das  Kreuzesbanner,  Licinius  mit  Hilfe 
von  Wahrsagern  und  abergläubischem  Pomp  beginnt.  Es 
fehlt  nicht  an  wunderbaren  Vorkommnissen  vor  und  wäh- 
rend des  Krieges  zugunsten  des  westlichen  Herrschers, 
Dementsprechend  ist  der  Ausgang.  Licinius  wird  besiegt 
und  bietet  seine  Unterwerfung  an;  dieselbe  wird  angenom- 
men unter  gewissen  Bedingungen,  zu  denen  Licinius  sich 
eidlich  verpflichtet  (Sgy-oii;  ßsßaiQv  t>)v  niajiv).  Doch  bald 
nachher  sammelt  er  heimlich  wiederum  Truppen ,  darunter 
sogar  Barbaren,  und  versucht  nochmals  das  Kriegsglück. 
Es  täuschte  ilin  auch  diesmal ;  Konstantin  siegte  wiederum 
entscheidend  über  die  Feinde  und  die  Götzen,  und  darauf 
verurteilt  er  den  Gottverhafsten  und  die  Seinen  „nach 
Kriegsrecht"  zum  Tode:  (Jr  afrbv  zbv  ^tofitafj  y.ai  loig 
ifif/'  aichv  vöfi<^  TioXi^ov  diaxpi'c«Si  ijj  nqenovafj 
TiaQEÖiäov  xtumqlif  (II,  18).  „Mit  dem  Tyrannen  wurden 
zugleich  als  diejenigen  verurteilt  und  nach  Kecht  und 
Gerechtigkeit  hingerichtet,  die  ihm  zum  Kampfe  geg<^<ii 
Gott  geraten  hatten." 


536  8CHULTZE, 

Die  Erzählung  in  der  firüher  abgefieÜBten  KirchengfwrJiidite 
(Xy  8.  9)  steht  mit  diesem  Berichte  in  Übereinstimmung; 
nur  sind  aus  den  durch  Licinius  verhängten  Verfolgongoi 
noch  einige  Einzelheiten  mitgeteilt,  und  der  Untergang  ia 
Licinius  wird  nur  in  ganz  allgemeinen  Ausdrücken  be- 
richtet. Der  Schuldige,  der  zu  dem  Kriege  die  Veranlas- 
sung gegeben,  ist  auch  hier  Licinius;  das  Motiv  war  Neid: 
diacpO-ovr^D-eig  ye  toi  T(p  Ttccveve^yezf]  Ttdlefiov  draoyj  xai 
deivörarov  nqbg  aircbv  iiMpiqu  (X,  8,  3).  Beachtenswert 
ist,  dafs  in  beiden  Berichten  der  Ausgang  des  Kri^es  ad 
politische  Verwickelimgen ,  die  nach  Eusebius  von  Lidniiit 
ausgingen,  zurückgeführt  wird.  Erst  nachher  gestaltete  ädi 
der  Kampf  zu  einem  Religionskriege,  in  welchem  Kon- 
stantin das  Christentum,  Licinius  die  Sache  des  Heidentann 
verfocht. 

Was  man  in  dieser  Geschichtschreibung  vermüst,  ist  die 
zuverlässig  bezeugte  Thatsache,  dafs  dem  die  Waffen  strecken- 
den Licinius  persönlich  oder  durch  Vermittelung  seiner  Gattin 
Konstantia  das  Leben  eidlich  durch  den  Sieger  zugesichert 
wurde  imd  die  Hinrichtung  erst  bald  nachher  stattfand. 
Eusebius  begnügt  sich  damit,  zu  versichern,  dafs  die  Exe- 
kution an  Licinius  nach  Kriegsrecht  vollzogen  sei.  Sollte 
sein  Schweigen  ein  absichtliches  imd  tendenziös  motiviertes 
sein?  Die  Frage  läfst  sich  von  vornherein  mit  Bestimmt- 
heit weder  bejahen  noch  verneinen.  Vergleicht  man  die  an 
lebendigen  Einzelheiten  reiche  Schilderung  dieses  letzten 
Elampfes  bei  Zosimus  (II,  18  ff.)  mit  der  aus  allgemeinen 
Aussagen  und  Reflexionen  zusammengesetzten  Darstellung 
des  Eusebius  die  nur  farbiger  imd  realer  wird,  wo  sie  die 
Verfolgungen  beschreibt,  so  kann  uns  der  Ausfall  der  Schil- 
derung des  letzten  Aktes  im  Leben  des  Soldatenkaisers 
nicht  überraschen.  Dem  ganzen  Kriege  widmet  Eusebius 
in  der  H.  E.  nur  einige  Zeilen;  auch  in  V.  C.  hat  er  für 
den  letzten  Kampf  nur  wenige  Sätze  übrig.  Mit  Recht  hat 
schon  T  i  1 1  e  m  0  n  t  *  bemerkt :  il  parle  pltäost  en  orat^ur 
qu'en  historien.     Auch  Keim  (Prot.   Kztg.  1875,   Sp.  898) 


1)  Tille mont,  Histoire  des  Empereurs  IV,   p.  81  (Brux.  1732). 


CNTEHBUCmiNGEN  Z.  OESCB.  KONSTAKTIN's  D.  GE.         637 

nmt  hier  den  EuBebiua  gegen  die  absprechenden  Urteile 
On  Görres  (Licinian.  ChriHtenverfoigung ,  Jena  1875)  in 
Dals  man   aber   überhaupt   in   christlichen  Kreisen 

i  Bedenken  darin  fand,  die  Einzelheiten,  in  welchen  der 
Untergang  des  Licinius  sich  vollzog,  offen  darzulegen,  zeigen 
nie  Mitteilungen  des  Sokrates,  die  hier  von  um  so  gröfserem 
ind,  da  sie  auf  eine  sonst  nicht  bekannte,  zuverlässig 
icheinende  Quelle  zurückgehen. 

Der  erste  Verlauf  der  Verwickelungen  wird  in  Uberein- 
Btimmung  mit  Eusebius  erzählt  (I,  3.  4).  In  I,  4  tritt  neues 
Material  ein:  Licinius  wird  bei  Chrj'sopolis  in  Bithynien 
besiegt  und  mufs  sich  dem  Konstantin  ergeben.  Dieser  be- 
handelt ihn  freundlich  {iftXavd^Qionei-eiat),  schenkt  ihm  das 
Leben  und  weist  ihm,  mit  dem  Befehl,  sich  ruhig  zu  ver- 
halten {tjOi^ä^ofia) ,  Thessalonich  als  Wohnort  an.  'O  di 
fcgdg  6Xiyov  f^vx^oag,  {vze^ov  ßa^ftä^ois  rirag  avva- 
yaytiiv,  dva(ia%iaaaSaL  zfp!  ^rrav  tarcoi^atev.  toPto 
yvoig  6  ßaatXe^q,  ätaife!hf}vai  avrdv  frgoatra^e'  xnt  •A£Xcv- 
aavcog  avzoC  ävrjQtihj.  Also  weil  Licinius  eine  neue  Em- 
pörung versucht,  wird  er  auf  Befehl  des  Allein  herrsch  ers 
bjngerichtet.  Demnach  nimmt  auch  die  Quelle  des  So- 
krates an,  dafs  Licinius  nach  Kriegsrecht  verurteilt  sei. 
Endlich  bezeugt  auch  der  Anonymus  Valesü  •,  dafs  die 
Hinrichtung  des  Licinius  durch  ein  aufserhalb  des  Wil- 
lens Konstantins  hegendes  Ereignis  veranlafst  sei:  Sed 
Herculn  Maximiani ,  soceri  stti ,  motus  (Constantinus) 
exemplo,  ne  Herum  deposUam  purpuram  in  pemidem  rei 
pubiicae  sumeret,  tumuÜu  militari  exigentibus  in  Thessa- 
lonica  jussit  occiäi.  Anderseits  hat  diese  Quelle  einige  neue 
Momente,  die  bei  Eusebius  und  Sokrates  fehlen,  nämlich: 
Constantia,  soror  Conslantini,  uxor  Licinii,  ventt  ad  caslra 
fratris  et  marito  vitani  poposcit  et  impetravit.  IIa  Licinius 
privatus  fadus  est  et  canvivio  Constantini  adhibilus  et  Mar- 
tiniano  (ein  von  Licinius  zum  Cäsar  ernannter  Tribun). 
Sed  ßerculii  u.  s.  w.     Demnach  hat  der  Anonymus  keinen 


1)  In  der  Aoigabe  des  Amm.  Marcell.  roa  Eyuenhardt  (Berlin 
IB71),  8.  365, 


538  8CEIÜLTZE, 

eigentlichen   Tadel   fUr   das  Verfahren    Konstantm's  gegil  rrt 
Licinius.     Zonaras  (Xm,   l)  notiert,   dab  nach  eaipl  «^ 
der  Senat;    welchem    der  Elaiser  die   Sache   übergab,  fal  d< 
Soldaten ;   die  unwillig  darüber  waren,    dals  Lidnius  mil  S 
getötet  war  (pi  de  ye  OTQcniQvai  ^tiOyro  atoCea&oi  tir  Jtm  g 
xlwiov,    äTtiarov   (pavlvxa    ftoXXthug    xal     TvaQaßdvp  ^1   8 
cw&riyUSv),  den  Gefangenen  überliefert  habe,   nach  ande»!  1 
dagegen  habe  sich  Licinius  einer  Verschwörung  schuldig  g^  |   i 
macht  und  sei  daher  von  Konstantin  zum  Tode  yemiteiitl 
Von  dieser  Quellengruppe;   deren  einzelne   Bestuidtde 
in  keinem  Verhältnis  der  Abhängigkeit  stehen,   und  dieii 
christlichen  Kreisen  ihren  Ursprung  hat,   unterscheiden  vA 
mehrere  Berichte  heidnischer  Herkunft,  insofern  sie  verdedd 
oder  offen   den   Kaiser  der  Eidbrüchigkeit   zeihen.     Zoent 
sei  genannt  eine   kurze  Mitteilung  bei    dem    jungem  Au- 
relius  Viktor,  in  welcher,  obwohl  der  Autor  mit  seinen 
Urteil   zurückhält,    offenbar  eine  Anklage   verborgen  liegt 
Dieselbe  lautet  (Epit.  c.  36) :  Dehinc  (d.  h.  nach  der  Schlsdtt 
bei  Cibalis)  Constantinus  ade  potior  apud  Bithyniam  adegii 
Licinium    pacta    salute    indumentum    regium    offerre  per 
uxorem.      Inde    Thessalonicam    missum    patdlo    posi    enm 
Martinianumque  jugulari  jubet.     Offen  ist  der  Vorwurf  der 
Eidbrüchigkeit  ausgesprochen  bei  Eutropius  X,  5 :  postremo 
Licinius  navali  et  terrestri  proelio  victus  apud  Nicomediam 
se  dedit  et  contra  religionem  sacramenii  ITiesscUonicae  pri- 
vatus  occisus  est.     Am  bittersten  aber  hat  Zosimus  bei  die- 
sem Anlafs  seinen  Groll  gegen  den  christenfreundlichen  Herr- 
scher zum  Ausdruck  gebracht.     „Konstantinus'',  so  schreibt 
er  (11,    28),   „übergab   den   Martinianus   den  Leibwächtern 
zur  Tötung,    den  Licinius   aber  schickte    er    nach   Thessa- 
lonich, scheinbar,   dafs  derselbe  dort  iü  Sicherheit  lebe  (äg 
ßivjödfjiei'ov  avTÖd^i  ai-v  dafpalei(f),  aber  kurze  Zeit  nachher 
trat  er   —  wie   seiner  Gewohnheit    entsprach    —    die  Eid- 
schwüre  unter  die  Füfse  und   liefs   ihn   erdrosseln    (jiev    ov 


1)  Theophao.  (Chronogr.  Bonner  Ausg.  I,  S.  28)  lehnt  sich, 
beiläufig  bemerkt,  an  Sokrates  an;  Licinius  sei  getötet  worden,  weil 
er  darauf  ausging,  vttortQiCt^v. 


UirrEBSUCHCKGEN  Z.  GESCH.  KONSTANTIN'S  D.  GR.       539 

dyx&yjß  To€  Cfjv  airrbv  dq>aiQelTai)".  Auch  hinBichtlich 
des  Ursprungs  des  Eri^es  legt  Zosimus  alle  Schuld  auf 
Konstantm;  Licinius  habe  keine  Ursache  zum  Streite  ge- 
geben, wohl  aber  Konstantin,  da  er,  seiner  Sitte  getreu,  die 
geschlossenen  Verträge  brach  und  I^änder,  die  zur  Beichs- 
hfilfle  des  Licinius  gehörten,  an  sich  rifs  (U,  18).  In  Be- 
siehung auf  letzteren  Punkt  läfst  sich  nicht  mehr  feststellen, 
wo  die  gröfsere  Schuld  liegt ;  die  Berichte  der  Kirchen- 
schriftsteiler  auf  der  einen  imd  die  Aussagen  des  Zosimus 
auf  der  andern  Seite  schliefsen  sich  aus.  Aber  mit  Becht 
ist  hervorgehoben  worden  ',  dais  die  thatsächlichen  politischen 
Verhältnisse  diesem  Elriege  mit  Notwendigkeit  zudrängten 
und  der  Wille  des  Einzelnen  dabei  nur  geringwertig  in 
Betracht  kam. 

Wichtiger  ist  ftir  uns  die  Frage,  ob  man  ein  Becht  hat, 
von  einem  Eidbruche  Konstantin's  zu  reden,  weil  er  die 
Hinrichtung  des  Licinius  befahl.  Wenn  Sokrates  imd  die 
eine  Quelle  des  Zonaras,  die  bei  einem  Bückfall  des  Li- 
cinius in  die  Bebellion  wissen,  recht  haben,  so  kann  von 
einem  Eidbruche  nicht  die  Bede  sein  '.  Denn  es  ist  selbst- 
verständlich, dafs  dem  Besiegten  das  Leben  nur  unter  der 
Bedingung  zugesichert  worden  ist,  dafs  er  sich  ruhig  ver- 
halte und  allen  politischen  Aspirationen  entsage.  Lidem 
Licinius  diese  Bedingung  brach,  wurde  auch  jene  Zusiche- 
rung hinfällig,  und  der  Besiegte  stand  dem  Sieger  wiederum 


1)  Ranke  a.  a.  0.  S.  514 f.:  „Licinius  trat  als  Gebieter  des 
Ostens,  Konstantin  als  Gebieter  des  Westens  auf.  Aber  eine  solche 
Teilung  der  Gewalt  entsprach  nicht  eigentlich  der  Idee  des  römischen 
Reiches,  und  wenn  Konstantin  die  höhere  Autorität  in  Anspruch 
nahm,  so  war  Licinius  weit  entfernt  davon,  eine  solche  anzuerkennen." 
Und  S.  516 f.:  „Immer  mufs  man  sich  erinnern,  dafs  Licinius  ur- 
sprünglich der  Korabination  des  Galerius  angehörte,  welcher  Kon- 
stantin sich  widersetzte.  Ihre  Allianz  war  nicht  eine  naturwüchsige, 
sondern  von  dem  gemeinschaftlichen  Interesse  herbeigeführt,  welche 
sich  dann  wieder  auflöste.  Dafs  es  im  Reiche  zwei  ron  einander  un- 
abhängige Potenzen  geben  sollte,  war  ein  Ding  der  Unmöglichkeit." 

2)  Tillemont  a.  a.  0.:  Si  cela  est,  on  ne  peut  pas  hlasmer  Con- 
staniin  de  luy  avoir  osti  la  vie. 


540  SCHULTZE, 

genau  so  schütz-  und  rechtloB  gegenüber  wie  vordemPdtl  ^ 
Dann  ist  Eusebius  im  Rechte,   wenn    er  die  Exekution  AI 
nach    ^^Elriegsrechf    vollzogen    bezeichnet    und    kemW<it|^ 
des  Tadels  dafür  hat.     Auch  die  Notiz    des  Anonjrmiu  Yi> 
lesii,   welche  durch  die  zweite  Quelle   des  Zonaras  geit&tt 
wird,   dafs   die   Hinrichtung   auf  Drängen   der  Soldaten  «• 
folgt    sei,    wirft   noch   keine  Schuld  auf  Konstantin.    Dil 
furchtbare  Blutvergiefsen,    das    die  Armee    bald  nadi  kt 
Beisetzung  Konstantin's  in  Eonstantinopel  in  der  Verwaoil' 
Schaft  des  Toten  anrichtete,  um  den  drei  Söhnen   die  Heff> 
Schaft  zu   sichern,   läfst  erkennen,  welche   un^derstdiEek 
Gewalten   hier  verborgen  lagen,  denen   auch    ein  kriftigff 
Kaiser  nicht  gewachsen  war.     Doch  scheint  mir  die  Erdk- 
lung  des  Sokrates,  welcher  sich  die  Aussagen    des  Eusebhi 
sachlich  sehr  gut  anschliefsen,  den  Vorzug  zu  verdienend 
Aber   der  Bericht   des  Zosimus?     Es    ist    anzunehmeo, 
dafs    dau9  Heidentum    die    Niederlage    und   die    EBnrichtuBg 
des  Licinius  schwer  empfunden  hat  und  dafs  daher  in  heid- 
nischen   Elreisen    leicht    solche  Nachrichten    aufkamen  md 
verbreitet    wurden,    welche  den   Erfolg  des    Elrieges  gegen 
Licinius   und   besonders   das  Ende   dieses  letzteren   auf  ht 
triguen  und  Treulosigkeit  seitens  des  Siegers  zurückführten. 
Es  mufste  in  der  That  bei  solchen,  die  mit  dem    genaueren 
Sachverhalte  nicht  vertraut  waren,  Befremden  und  Verdacht 
erregen,   dafs   der  eben  feierlich  begnadigte  Augustus  bald 
nachher   auf  Befehl  Konstantin's   getötet  wurde.     Auch  da- 
von   abgesehen,    sind    die    tadelnden    Notizen    des    Zosimus 
über  Konstantin   mindestens   mit  derselben  Vorsicht   au&u- 
nehmen  wie   die  Lobeserhebung   seines  Antipoden  Eusebius. 
Es  ist  schon  bemerkt,  dafs  seine  Bekehrungsgeschichte  Kon- 
stantin's  (Zos.  II,  29  vgl.   oben  S.  518)   eine  Fabel   ist;  es 
sei  noch  hinzugefugt,   dafs   der  heidnische  Historiker  auch 
in  seinem  Berichte  über  die  Hinrichtung  des  Krispus  (H,  29) 
mit    der    geschichtlichen    Wahrheit    in    argen    Widersprach 


1)  Ranke  a.  a.  0.  S.  520  folgt  dem  Anonymus  Valesii  und  Zo- 
naras: „die  Legionen  wollten  nur  noch  einen  Herrn  im  Reiche 
sehen  **. 


UNTERSUCHUNOEN  Z.  OESCH.  KONSTAIVTIN'S  D.  OR.        541 

gerät.  Danach  soll  nämlich;  im  Zusammenhange  mit  der 
Hinrichtung  des  Krispus^  der  Kaiser  auch  seine  eigene 
Gattin  Fausta  haben  töten  lassen,  indem  er  sie  in  einem 
Bade  ersticken  liefs.  In  Wirklichkeit  hat  Fausta  noch  im 
Jahre  340  gelebt  ^  Was  bedeutet  diesem  groben  historischen 
Irrtume  gegenüber,  der  übrigens,  wie  es  scheint,  von  den 
modernen  Historikern  (ich  finde  nur  bei  Ranke  eine.  Aus- 
nahme) allgemein  geglaubt  wird,  das  obige  Versehen! 

Wie  Zosimus  so  gehörten  auch  der  jüngere  AureUus 
Victor  imd  Eutropius  dem  Heidentume  an  '.  Obwohl  sie 
in  ihrer  Beurteilimg  Konstantin's  gröfsere  Gerechtigkeit 
zeigen  als  Zosimus,  haben  sie  doch  heidnische  Quellen  be- 
nutzt oder  mufsten  wenigstens  von  vornherein  geneigter  sein, 
diesen  grölseren  Glauben  zu  schenken  als  anders  lautenden 
Berichten  von  christlicher  Hand.  Das  lag  um  so  näher,  da 
Ldcinius  zugleich  als  Vorkämpfer  für  das  zurückgesetzte 
Heidentum  aufgetreten  war.  Auch  vermögen  wir  diesen 
Quellen  ein  gewichtiges  argumentum  e  silerUio  entgegen- 
zustellen, das  auch  noch  keine  Beachtung  gefunden  hat. 
Warum  erwähnt  Julianus,  der  mindestens  denselben  Hafs 
^e  Zosimus  dem  Konstantin  entgegentrug  und  ein  Zei^ 
genösse  jener  Ereignisse  war,  da,  wo  er  von  der  Besiegung 
des  Licinius  spricht,  diesen  „Treubruch"  nicht  und  hat 
überhaupt  unter  dem  mancherlei  Tadelnswerten,  was  er  an 
Konstantin  fand,  [nicht  einen  solchen  Vorwurf*?  Dieser 
Umstand  scheint  mir  wohl  beachtenswert. 


1)  Anonymi  Grat,  funebr.  in  Constantinum  II  (in  Eutropius  ed. 
Haverkamp),  c.  4.  Hiersdbst  die  Worte  des  Panegyrikers:  ^  dh  aoO 
firjfTriQ  Tf  ßaaiX/dtov  x^HoraTr}  tc  xal  (vafßfaTUTTi  TOKtihriv  nOg  fjveyxtv 
iLyytXCav;  nOg  &  riv^a^tTo  Ttt(p^  ....  n^finovaa,  öj  avt^  yT^gtog  xal 
ßaxrriQiit  vnfjQx^S  ^«^  <^</*  ov  raif.ijafaO-ai  n{}ogid6xu.  Konstantin  kam 
im  Jahre  340  um.  In  demselben  Jahre  wird  auch  dieser  Panegyrikus 
l^ehalten  sein,  in  welchem  Fausta  noch  als  lebend  angeredet  wird. 

2)  Vgl.  Teuf  fei,  Gesch.  d.  röm.  Litt.,  3.  Aufl.  (1875),  §  4U. 
415  und  Bahr,  Gesch.  d.  röm.  Litt.,  4.  Aufl.  (1869),  II,  1,  S.  299. 
303. 

3)  Im  Ronvivium  (a.  a.  0.  S.  422)  vermag  Konstantin  zu  seinem 
Ruhme  nichts  anzuführen:    dvo   yitQ   rvQfiwovg,    «f   y€  XQ^   ^'  «Ui;^^ 


542     SGHDLTZEy  UNTERSUCH.  Z.  OESCH.  KONSTAHTOrS  IX  OS. 

Aas  dieser  Sachlage  erwächst  mindestens   die  VerpSi 
tung,  das  Urteil  über  die  Hinrichtung    des  Liiciniiis,  wm\ 
Konstantin  dabei  in  Frage  kommt,  überhaupt  zurückzohiltal 
und  den  Vorwurf,  dals  die  christlichen  Schrülsteller  dinrfl 
ausgingen,  ,,das  Verbrechen  zu  beschönigen''  \  abzuwei 

Ich  glaube  aber,   dafs  auch  die  vorsichtigste  Geschidt- 
schreibimg  hier  weiter  gehen  und  sich  entscheiden  darf,  vd 
zwar  nach  Mafsgabe  der  christlichen  Quellen.     Es  ist  dod 
ein  seltsames  Verfahren  vieler  unserer   neueren  Historiko, 
da,  wo  christliche  und  heidnische  Quellen  in  Beziehung  of 
ein  die  Christenheit  angehendes  geschichtliches  Faktum  sd 
widersprechen,  mit  Vorliebe  diesen  letzteren  den  Vorzog  n 
geben.      Darunter   leidet   insbesondere    die    konstantimsde 
Gkschichtsdarstellung,  imd  diese  Thatsache  l&fst  immer  wie- 
der den  Wunsch  nach  einer  umfassenden  Prüfung  des  Weites 
der   eusebianischen    Geschichtschreibung    aufkonuneiL     Die 
Zerspaltung    und    Zertrümmerung    einzelner    Stücke    dieser 
Historik   hat  zu  nichts    gefuhrt,  ja   ist   im   G^enteil  Tim 
schädlicher  Wirkung  gewesen,    indem    nach    einer    kleinen 
Summe  von  durchaus  noch  nicht  nach  allen  Seiten  hin  et- 
probten  Ergebnissen  das  Ganze  abgeschätzt  wurde  und  zwar, 
wie  jedermann   weifs,  mit  sehr  ungünstigem   Resultate  för 
dieses  Ganze  '. 


tfxtvttiy  xad-rjQijxfi,  TÖv  fikv  än6Xifi6v  rt   xal  fialaxav  (Maxentias),  ror 

(X^iaxtü.    Dazu  die  Stelle  S.  431  und  die  sonstigen  Urteile  überKoo- 
•tantin. 

1)  Man  so  a.  a.  0.  S.  64  u.  a. 

2)  Es  sei  nun  an  das  Urteil  Burckhardt's  a.  a.  O.  S.  348  er 
innert:  „Eusebius  hat  nach  so  zahllosen  Entstellungen,  Verheim* 
liohungen  und  Erdichtungen,  die  ihm  nachgewiesen  worden,  gar  kein 
Recht  mehr  darauf,  als  entscheidende  Quelle  zu  figurieren/^ 


IIbs\  Luther's  uDd  ZwiD^lfs  Lehre  von  der  Kirche 

mit  Rücksicht  auf  das  zwischen  denselben  bestehende 
Verhältnis  der  Verwandtschaft  oder  Abhängigkeit 

Von 

Prof.  D.  Johannes  Oottschlck 

in  Giefsen. 


III  ^ 

Von  Hus'  Lehre  von  der  Kirche  hat  Luther  bis  zum 
3.  Oktober  1519  nur  einzehie  abgerissene  Sätze  gekannt. 
Vor  seinem  Streit  mit  Eck  stehen  die  Böhmen  oder  Pi- 
carden  ihm  nur  als  solche  vor  der  Seele  ^  die  sich  durch 
die  Trennimg  von  der  Kirche  in  Lieblosigkeit  und  Hoch- 
mut schwer  versündigen.  Der  Gedanke  an  die  Möglichkeit 
einer  Verwandtschaft  mit  Hus  rückt  erst  in  seinen  Gesichts- 
kreis;  als  Eck  am  14.  März  1519  ihm  den  Vorwurf  macht, 
dals  er  alte  Asche  wieder  in  Flammen  setze  '.  Luther  hatte 
in  den  Resolutionen  zu  den  Äblafsthescn  1518  die  beiläufige 
Bemerkung  gemacht^  dafs  zu  Gregorys  I.Zeit  die  römische  Kirche 
noch  nicht  über  den  Kirchen  Griechenlands  gestanden  habe. 
Er  war  dann  in  seinen  „Acta"  über  die  Augsburger  Ver- 
handlungen mit  Cajetan  auf  diesen  Punkt  zurückgekommen, 
indem  er  als  Beispiel  der  Schriftverdrehung  durch   die  De- 


1)  S.  oben  S.  345  flf. 

2)  Disput,  et  Ezcus.  Eccii  adv.  criminationes  Luth.,  Lutheri  opp. 
var.  tLTg.  E.  A.  IJ,  p,  8.    antiquos  cinercs  ignit  "LuWiCt  eX  wi>AQ^aaÄ 
nesai  Dovam  pncfert  zlzaniam. 


544  GOTTSCHICK, 

kretalen  Matth.  16,  18  anführte  und  leugnete,  da(s  dadurch  \\ 
der  Primat  des    römischen   Stuhls    über    die    ganze   Kirche 
sich  begründen  lasse.      800   Jahre   habe   Griechenland  und 
Afrika  nicht  unter  dem  Papst  gestanden,  und   für  die  Mo- 
narchie des   Papstes   gebe   es   keinen  Beweisgrund   als  den 
Satz  aus  Rom.  13   über   den   göttlichen  Ursprung  aller  Ge- 
walt ^     Dafs   diese  Sätze  es  gewesen    sind,    die  EIck  daza 
veranlafst  haben,  die  Streitfrage  über  den  päpstlichen  Primat 
aufzunehmen,  darf  man  aus  seiner  Klage  über  Luther's  aih 
mafsliche  Schrift  schliefsen  ^.     Die  böswillige  Absicht,  Luther 
mit  anerkannten  Ketzern  und   speziell  mit  Hus   in  Verbin- 
dung zu  bringen,   verrät  nun  Eck  durch  die  FornmliCTung 
seiner   These  ^   in   Verbindung  mit  jener   Anklage   auf  das 
Aufrühren  alter  Asche.     Er  imputiert  durch  sie  Luther  den 
Satz,  der  in  Kostnitz   einen   der  Anklagepunkte    g^en  Hna 
gebildet   hatte,    dafs    Kaiser   Konstantin    dem    Papst    seine 
Gewalt    verliehen    habe.      Luther    hatte    das    „  venenahm 
aenigma**  wohl   verstanden   imd   erklärt   in   seiner   Erwide- 
rung, Eck  spiele   darauf  an,   dafs   von   manchen   unter  die 
Artikel    des    Hus    auch    der    Satz    gerechnet    werde,    die 
papalis    excellentia    des    römischen    Bischofs    stamme    vom 
Kaiser,  er  aber  habe  vielmehr  behauptet,  dafs  dieselbe  durch 
die  eigenen  Dekrete  der  Päpste   bewiesen    werde  *.      In   der 
Resolution  über  seine  XIII.  These,  welche  er  noch  vor  der 
Leipziger  Disputation  veröffentlichte,   sucht   er    femer    seine 
Ansicht  über  den  päpstlichen  Primat   von  der  des  Hus  da- 
durch zu  unterscheiden,  dafs  er  diesem  den  donatistischen  Irr- 
tum zuschreibt,  die  kirchliche  Gewalt  hange  von  der  persön- 


1)  Opp.  var.  arg.  II,  p.  387—389. 

2)  Ib.  II,  p.  8:  Vidi  ctiam  et  cum  multo  dolore  legi  arrogans 
scriptum  eius  actorum  apud  sc,  apud  Legatum  et  Appellationis  ad 
futurum  concilium  et  uon  sine  gemitu  aliquas  propositiones  suscepi. 

3)  Romanam  ecclesiam  non  fuisse  superiorem  aliis  ecclesiis  ante 
tempora  Silvestri  negamus.  Sed  eum,  qui  sedem  beatissimi  Petri 
babuit  et  fidem,  successorem  Petri  et  vicarium  Christi  generalem 
semper  agnovimus. 

4)  Ib    III,  p.  14. 


646 

[ger  ab  '.  Auch  in  Kostnitz  war 
1  imputiert  worden, 
nitation  setzt  nun  Eck  seine  TakÜk, 
in  Verbindung  zu  bringen,  fort, 
v'a,  dais  die  römische  Kirche  nicht 
f'Aea  andern  stehe,  als  wiclifitiBchfip 
sich  des  öftei'ea  in  gehässigen  An- 
Luther aber  geht  nur  widerstrebend 
,  welche  Eck  der  Verhandlung  zu  geben 
tlärt  die  Verdächtigungen  fjck'a  fllr  un- 
'  und  widerholt  seine  Müsbiliigung  des 
'  iiisma  *.  Ejst  als  Eck  aulser  dem  Satz,  der 
ndigkett  der  Anerkennung  des  rümischen  Pri- 
luoh  noch  die  zu  Kostnitz  verurteilten  Sätze, 
Haupt  der  römisch-katholischen  Kirche  weder 
m;ii  sei,  und  dafs  die  Kirche  auf  Erden  kein 
i  regierendes,  ihr  sinnlich  gegenwärtiges  Haupt 
[  brauche,  herbeizieht^,  läfst  er  sich  auf  die  Sache 
leien  unter  den  Artikeln  des  Hus  auch  viele  höchst 
t  nnd  evangelische,  die  die  allgemeiae  Kirche  gar 
rdammen  könne,  wie  der  qtiod  tan/um  est  una 
Denselben  bekenne  die  Kirche  im 
I  Symbol,  wenn  sie  bete  credo  in  s.  ecclesiam 
Sanclorum  communionem ,  und  einen  solchen 
i  ariiculus  fidei  rechne  man  unter  die  Sätze  de« 
Auf  Betrieb  gottloser  Schmeichler  sei  er  mit  Unrecht 
Bi'dammt.  Inbezug  auf  den  Primat  des  Papstes  aber 
rauche  er  sich  nicht  darum  zu  kümmern,  was  Hua  oder 
f  gelehrt,  da  auch  Gregor  von  Nazianz,  Eaailius,  Epi- 


j.  1)  Ib.  III,  p.  312:  at  sL  Uk  diHmus,   i«m  haereticorum  no- 

-Torum  et  antiquorum  DoDstistarum  errorem  renovainua,  qui  mtüom 
«piacopom  non  esse  epiacopum  assemerunt,   qood  abiit  a  aobie,  qtd 
nnctae  et  jnatae  ecctesiae  miiuBtruin  impium  et  malum 
confitemur. 

2)  Ib.  II,  p.  27.  36.  55. 

31  Ib.  p.  50. 

4)  Ib.  p.  56. 

5)  Ib.  p.  55. 


fkxaiam ,   CypruBi   ^oa   ianadbai   toAm    gewufiit  ^     D» 
lautet  keineswf^  so^  ab  ob  Lädier  asek  Iiier  daza  b^anM^ 
Hau  (He  Fiiwirfct  ia  «mea  wiebdgei  fifiiiTM  ii— iiilil  xn  ina<> 
da^iken.     Er  will   viriinrfir  den  Vcz^£idd%iiiigen  Eck  s  wi 
Gememaeiiaft  mit  Hna  dadnrek  die  Spitae  abbredfeen,  dift 
^  herroHiebt,  wie  selbst  eoL  Artikel  des  Sjmbob  unter  den 
Ternrteilteii  Sätzen  des  Hos  ack  befinde,  imd  da&  deshalb 
die    Anklage    Eck'3    anf  Ketaerei^   £e    led^Bcb    anf  dem 
GieieUkk»ig  semes   Salzes  mit   emem  HiBBliflcfaen    basiere^ 
leichtfertig  leL     Denselben  Snn   hat  es,    wenn    er  qiiter* 
imter  den  cfaristficfaen  und  erangefiKken  Artikdn   des  Hu, 
die   die  Kirche  gar  nicht  Terdammen  könne,   anlser  xwei 
nicht  hierher  gdiorigen,  die  beiden  Sitze  anfokrt:   una  ei 
mnda  universalis  eccUsia^  quae  est  praedesünaicrum  mni- 
verfni۟i  and  univ.  s,  eedesia  tantum  est  uma,  sicui  imUum 
unu$  eiä  numerus  cmnium  praedesiinaicrum^    £r  fogt  näm- 
lieh  hinzn^  das  seien  gar  nicht  Satze,  die  Hos  eigentümlich 
seien,  sondern   sie   fanden  sich    £ist    wörtlich    bei  Aogastin 
und  wurden  vom  Lombarden  wiederiiolt     Eck   selbst  habe 
ja  einen  andern  Artikel  des  Hos  (dafs  der  Wert  der  Hand- 
lun^'fm  sich  nach  dem  Wert  des  3Ienschen  richte)  Karlstadi 
V(iT\7J:(\\f:T(:J\    müHSfun,    »ei    also   nach    seiner   Argumentations- 
mf:i\\(An    selbst    Häretiker.      Das    Kostnitzer    Konzil    unter- 
«^•.helrle  aber  unter  IIus*  Sätzen  häretische,  irrtümliche,  läster- 
lif'h^',    leichtsinnige,    aufrührerische,    anstöfsige.     Die    letzten 
Prärlikate  konnten    auch   der    lautersten  Wahrheit   beigelegt 
werrlen.     Ein  anstöfsiger  Artikel  sei  noch  nicht    falsch,   ge- 
»fiiweige    häretisch.     So    könne    es    auch    mit    dem    Artikel 
stehen,    in    Hinsicht   dessen    ihn  Eck    der  Gemeinschaft   mit 
HuK  und  deshalb  der  Ketzerei  beschuldige. 

Dieser  V^c'rlauf  der  Disputation  zeigt  meines  Erachtens 
deutlieh ,  dafs  Luther  keinerlei  Bewufstsein  einer  von  Bus 
eni|)ranf^enen  Anregung  zur  Ausbildung  seines  Kirchen- 
be^riffes  besitzt,  sondern  des  Hus  Begriffsbestimmung  der 
Kirche,    di(^    mit   seiner   eigenen   längst    gehegten    und    von 


1}  II).  p.  <;i. 

2)  S.  71.  75. 


IXD  ZWINGLI. 


547 


■»Ui^il   des   Symbols    betrachteten 

lili   und   in   ihrer    epezielien    For- 

tk'n  Lombarden  fOr  sich   hat,   nur 

^  i^rdächdgung   der   Ketzerei    zu    ent- 

liu  Thatsache  stützt,  dafs  Luther,  wie 

..IS  gicitÜiche  ßecht  des  päpstlicheo  Fri- 

>(i   ihm   vor   der  Leipziger   Disputation 

«uimten  Sätze  des  Hub  überhaupt  gegen- 

,   oder  ob   er   sich   erst    während    der- 

Kemitnia  derselben  verachaflft   hat,    als 

Angriffe   Eck's  wünschenswert   wurde, 

iilit'ii  ennitLehi,  obwohl  mau  das  letztere  an- 

•,  wenn  er  am  5.  Juli   zunächst  eine   unvoll- 

von  Hua  citiert  und  erst  am  6  ,  als  er  auf 

iit,  vier  Sätze  desselben  im  Wortlaut  anführt 

:i('rten  Gemeinschaft  mit  HuB  hat  er  sich  auch 

erlauf  der  Verhandluug  zu  erwehren  gesucht 

aber  die  von  ihm  aU  cbrisÜiche  angeführten 

s  über  die  Kirche  bereits  durchgedacht  hatte, 

icJi  schon  daraus,  dafs  er  auf  die  Verteidigung  des 

[Catzes  dee  Hua  von   der  dor  Einheit   der  Zahl  der 

irerten  entsprechenden  Einheit  der  Kirche  sich  nicht 

hat,  als  Eck  dagegen  den  Einwand    erhob,    da- 

die  in  einer  Todsünde  befindlichen  nicht  in  der 

ährend  doch  Christus  in   dem  Gleichnis   von   den 

m  Jungfrauen  auch   die  thöricbten    in  das  Himmelreich 

ircchne ', 

Am  3.  Oktober  1519  empfing  Luther  von  Wenzel  Ros- 

!iklowsky   den   Traktat    des   Hub.  über   die  Kirche*.     Und 

nnn    folgt    eine    Reihe     von    Zeugnissen,    in    denen    er    sich 

freudig  zu  Hus  bekennt,  weil  er  in  ihm   einen  Zeugen   der 


1)  Entachieiien  widcratreitet  dem  berichteten  Hergang  die  Be- 
hanptang  lieet>erg's  a.  a.  0.  3.  85:  „Anf  der  Leipziger  Disputation 
verteidigt  er  gegen  Eck  mit  Bernfang  anf  Hua  die  Uberzengung, 
dafs  die  eine   katholische  Kirche  die  Geaamtheit   der   Prädestinierten 


2)  Ib.  p.  8 

3)  deWel 


e,  Luther-B  Briefe  I,  S.  341. 


548  GOTTSCmCKy 

evangelischen  Wahrheit  erblickt     Schon  im  November  1519 
schreibt  er  an  Eck:  articulum  J.  Htis,  cuius  muUo  pUmm 
nunc  teneo  quam  Lipsiae  jteneham  ^.     Seiner  gremEenloeea 
Überraschung,    dafs    er,    ohne  es  zu  ahnen,    bisher  laater 
Sätze   von  Hus   vertreten    habe,    giebt   er    bald    darauf  in 
einem  Briefe  an  Spalatin  Ausdruck  ^.     Von  einer  irgendwie 
von    Hus    empfangenen    Anregung    und    Förderung    weüs 
Luther  auch  hier  nichts  zu  sagen.     Dafs  er  aber  über  den 
Sinn  der  Sätze  des  Hus  selbst  unklar  gewesen  und   dämm 
sie  in   Leipzig   nur    ungenügend    habe  verteidigen   konneo, 
erklärt  er  in  der  zweiten,  1520  erschienenen  Abteilung  seiner 
„opercUiones   in  psalmos'*^.      In    seiner   Antwort    auf   die 
Bannbulle  erklärt  er  es  für  einen  Irrtum,  den  er  widermüen 
müsse,  dafs  er  nur  einige  Artikel   des  Hus  als   evangelisch 
bezeichnet  habe;  nicht  einige  sondern  alle  Artikel   des  Hos 
seien  vom  Antichrist  und  seinen  Aposteln  auf  der  Synagoge 
des  Satans  zu  Eostnitz   verdammt     Anderseits   verhehlt  er 
sich  nicht,  dafs  er  selbst  jetzt  viel  weiter  geht  als  Hus,  der 
nur  den  Anfang  mit  der  Eröffnung  des  Lichtes   der  Wahr- 
heit gemacht  und   noch   z.  B.   die  Lehre  von   den    evange- 
lischen Ratschlägen  festgehalten  habe,  so  dafs  die  boni  rirt, 
was  gut   an  ihm  gewesen,    verdammt,    was   nicht  gut,  ge- 


1)  Opp.  var.  arg.  IV,  p.  49. 

2)  de  Wette,  Luther's  Briefe  I,  S.  425.  Ego  imprudens  hucus- 
que  omnia  Johannis  Huss  et  docui  et  tenui ;  docuit  eadem  impru- 
dentia  et  J.  Staupitz:  breviter  sumus  omnes  Hussitae  ignorantes: 
denique  Paulus  ot  Augustinus  ad  verbum  sunt  Hussitae  .  .  .  Ego 
prae  stuporc  nescio,  quid  cogitem,  videns  tarn  terribilia  Dei  judicia 
io  bominibus,  quod  vcritas  evangelica  apcrtissima  iam  publice  plus 
centum  annis  exusta  pro  damnata  habetur,  nee  licet  hoc  confiteri. 
Dieser  Brief  wird  von  de  Wette  in  den  Februar  1520  gesetzt,  doch 
ist  er  vielleicht  schon  früher  zu  datieren. 

3)  Opp.  lat.  E.  A.  XV,  p.  359.  Ego  sjine  ignorabam  Lipsiae 
sensum  articulorum  eorum,  quorum  verba  vidi  esse  christianissima. 
Ita  Don  potui  tum  sensum,  quem  adulator  papae  dedit,  confutare. 
At  nunc  cum  exstet  Johannis  Hus  Über,  ex  praccedentibos 
et  sequentibus  video  et  sensum  eorum  esse  christianissimum.  Hos' 
Traktat  von  der  Kirche  ist  1520  in  Mainz  und  Hagenau  gedruckt 
worden.     (Mitteilung  Brieger's.) 


TICS,  LUTHER  UND  ZWINQLI. 


549 


^tHil'tiii  '      Zu   Hus'  Definition   von   der  Kirche,   dafa 

-    ,.,.  . . '  vj/its  2)raeif':stinatorum    sei,    hat    er    noch    in 

'   iii;on  auf  dem  Wormser  Reichstag  gegenüber 

■i   von  Trier  rückhaltlos  sich  bekannt,   als   zu 

■.:,  mit  dessen  Verdaramung  das  Kostnitzer  Konzil 

ijt»ar6   Wort    Gottes    und    das    apoetoUsche   Symbol 

II  habe'.     Noch  ISaO  identifiziert  Luther  seine  An- 

L'.  dafs  niemand  zur  Kirche  gehöre,  der  nicht  recht- 

lind  deshalb  heilig  und    gerecht    sei,    ob    er    gleich 

.'ilieliem  Wandel    unter   den    Christen    lebe    oder    ein 

r]t'?r   den  Christen   habe,    mit    dem   zu  Kostnitz   ver- 

(r^i  Artikel  des  Hub". 

ii'sc  Übersicht  über  die  Aufeerungen,  in  denen  Luther 
:i.-  Stellung  genommen,  macht  es  von  vornherein  nicht 
^i.'licinlicb ,     dafü     vor    seiner    Bekanntschaft    mit    Hus' 
:ikiat  von  der  Kirche  das  wenige,  was  er  von  Hus  wufste, 
^end  auf  ihn   gewirkt   hat.      Doch   kann    nur   die   Er- 
;ung  der  Motive,   aus   denen   sein   i-eÜgiöaer  Begriff  von 
•  Kirche  entsprungen  ist,  und  der  Entwickelung,   welche 
lerselbe  genommen  hat,  entscheiden  *, 

Nun  ist  schon    in    den    Schriften    des    Jahres    1518    der 
l^gen  tum  liehe    rehgiöse   Kirchen  begriff   Luther'e    In    seinen 
1  Grundzügen  deutlich  zu  erkennen.     Und  zwar  gewährt  den 
I  tiefaten  Einblick   in   seine   Oenesis   und   in  den  Zusammen- 
hang seiner  Momeute  die  Auslegung  des  110.  (109.)  Psalms  ', 
die  meines  Wissens  für  das  Verständnis  der  Entwickelungs- 
geschichte  des   lutherischen  Kircbenbegriffes  noch  nicht  ver- 
wertet ist.     Danach   ist   Oiristi    Königreich    ein    geistlich 


1)  Asscrtio  omn.  act.  D.  M.  L.  per  bullam  Lcoois  X.  ilainu. 
1620.    Opp.  var.  arg.  V,  p.  215.  21G. 

2)  It).  VI,  p.  18. 

3)  W.  W.  41,  S,  72. 

4)  Natürlich  ist  es  nicht  lueioc  Absicht,  nach  Röstllu's  klas- 
aiBchea  Arbeiten  im  Folgen  dun  noch  eineGeechichle  der  Eatwickelung 
von  Luiher'B  Anschauung  über  die  Kirche  zu  geben:  nur  so  neit  es 
f3r  die  Bestimmung  des  VerhältnissCE  zu  Hus  uniimgüiiglich  ist, 
•ollen  die  Hauptmomente  hier  reproduziert  «erden. 

5)  W.  W.  E.  A.  40,  S.  1    38. 


550  OOTTSCmCKy 

verborgen  Reich,  darin  er  nach  seiner  Menschhdt  repsiL 
im  Glauben  (S.  8.  9);  geistlich  ist  seine  Gewalt,  geii£d^l  j 
inwendig    und    verborgen   sein  Volk  (S.  28),    geisdick  ia 
Schmuck    dieses   Volkes,    geistlich    des    Königs  Weib,  & 
christliche    Kirche,    aus    deren   Leibe     ihm    sein    Volk  p- 
boren    wird    (S.   24).     Das  Scepter,  damit   er   regiert  iii 
seine  Feinde,  Sünde,  Sünder,  Teufel,  überwindet,  die  Wek 
bekehrt  und  unter  sich  bringt,  ist  das  unüberwindh'che  Wort 
Gottes,  das  heilige  Evangelium  (S.  10.   11.   13).     Sein  Vdk 
sind    „Freiwillige'',    d.   h.    die,    welche    kein    anderes  Ghrt 
kennen  als  den  Willen  Gottes  (S.  18),  welche  durch  Christum, 
den  Gott  als  Priester  ausschreit,  Vertrauen  zu  Gottes  Sünden- 
vergebender  Barmherzigkeit  fassen  (S.  26)    und    dämm  alk 
Feinde,  Teufel,  Welt,  eigenes  Gewissen   und    Fleisch  mdil 
fürchten  (S.  19),   willig  alles  leiden,   gewifs,    dafs   Gott  se 
nicht  verläfst  (S.  29),  und  Christo  gleichförmig  durch  Feind»* 
liebe  geistlich   die   Feinde   unterdrücken   (S.   16),    auch  die 
Gesellschaft   der   Bösen   nicht    fliehen    und    nicht    zu    ihneo 
selbst  in  den  Winkel  kriechen,  sondern  jene  suchen,  dals  ae 
ihnen   helfen    mögen  (S.    17).     Diese    inwendige    Reini^eit 
des  Willens  von   allen  Dingen   ist  ihr   geistlicher  Schmuck, 
den  niemand   sieht   als  Gott  und    wer   Gott    sieht    und   er- 
kennt, der  nicht  allein  den  andern  Menschen,  sondern  auch 
ihnen  selber  verborgen  ist  (S.  20.  21).     Geboren  aber  wini 
dies  Volk   der  Kinder   Christi   nicht   durch   Menschenwerk, 
Fleisch  oder  Blut,  sondern  von  Gott  oder  aus  dem    heiligen 
Geist  (S.  19),    doch  durch  Zuthun  der  Christenheit    (S.  37) 
oder    der  Kirche   (S.    24),   die    in   dem   Mutterachofs   ihrer 
Liebe   sie  durch  den  Samen   des  Wortes   empfUngt    (S.  24). 
Nur   durch   das  Wort  Gottes    und    festen    wahren   Glauben 
giebt   es   Kinder  Christi    (S.  19);   mit   dem  Wort   erwehren 
sie  sich  aller  Anfechtung  und  schlagen   sie   alle  Fümahmen 
des   Teufels,   Fleisch  und   der   Welt   nieder  (S.    13).      Das 
Wort  aber  sendet  Gott  aus,  indem  er  einen  Menschen  durch 
ordentliche  Weise  der  Christenheit  setzt  zum  Amt  des  Worts 
und  er  erleuchtet  ist  aus   dem  Geist  der  Schrift;   das  aber 
ist  zu  erkennen  an  der  eigenen  Erfahrung,  wenn  das  Wort 
trifit  und  das  Herz  erweckt  (S.  14).     Endlich  ist  das  Evan- 


.MNCtu.  553 

.".-ti  dargelegten  religiösen 

>!iigtcn.     Dieselbe  ist  kob- 

/•ocniientia",   den  Kesolu- 

lii'in  deutschen  Sermon  von 

ilfieht  doch  schon   im  Jahre 

.  f]i(i  er  mit  den  beiden  Ser- 

i-.mi   hochw.   Sakrament   des 

L  1519  der  Herzogin 


:  I'    [triesterlichen    Absolution   im 

i.it  Ijuther  hier   inbezug  auf  die 

I    «iiier    wesentlich   gleichen    Auf- 

'  /.it^   auf  das  Bufssakrament  ftihrt 

li  wirksame  in  demselben  das  Vei> 

i ,   dem   ea   zu   vertrauen  gelte  und 

■iu'ni  Gott  schon  vorher  die  Schuld  ver- 

, -ii  eingeflöfst  habe,  unter  der  Voraus- 

■  iiu  volle  Gewifsheit  der  Vergebung 

.111   allen  Gütern  Christi  gewähre.     Bei 

'.u   Abendmahl    tritt   an    die    Stelle    des 

uitic  Zeichen,   das  Organ   der  Mitteilung 

'i<'iiti.'t,  nur  wird,   indem   diese  Bedeutung 

iiilen  und  angeeignet  wird.     Der  äinn  der 

uuioliens  und  Heraufhebens,  ist,   dafs  Gott 

:i  f-tns  wird  eines  gnädigen  küstlichen  Bundes, 

ihil's  Gott  anhebt,  den  heiligen  Geist  einzu- 

'■iiicm   fortgehenden   Prozefs   der  Übung  in 

und   in  Leiden  Natur  und  Sünde   zu   toten, 

:  r  verpflichtet,  die  in  der  Natur  fortdauernde 

<!io    orneuten    Fehler    nicht   anzurechnen,    der 

-irli   verbindet,   der  Sünde   abzusterben.     Die 

,  'S  Abendmahls  ist  die  eines  göttlichen  Zeichens 

üijjläiiger,    dafs   er   ein   Glied   der   Gemeinschaft 

ii    sein    und    darum   aller  Güter  derselben   und 


,  Lutlier's  Briefwechsel  1884,  Bd.  I,  S.  331.    Anders 
n.  Ausgabe  II,  T09f. ,  der  den  Sermon  dem  Oktober 


552  GOTTSCHICK, 

destinierenden  Willen  Gottes  zurück;  Glaube,  Liebe  und 
Hoffiiung  und  Wort  Christi  bedeuten  ihm  auch  etwas  gam 
anderes  als  Hus.  Der  Glaube  ist  ihm  persönliche  Gewüs- 
heit  der  Gnade  Gottes  in  Christo,  nicht  Fürwahrhalten  eines 
gröfseren  oder  geringeren  Quantums  von  Lehren,  die  Liebe 
eine  Willigkeit  des  Anschlusses  an  Gott,  die  nicht  .in  einer 
insgeheim  eingegossenen  Gnadenkraft,  sondern  in  der  & 
fahnmg  der  Barmherzigkeit  Gottes  ihren  Grund  hat,  die 
Hoffnung  nicht  nur  die  auf  die  Zukunft,  sondern  die  Zu- 
versicht gegenwärtig  von  Gottes  Liebe  und  Macht  getragen 
zu  sein;  das  Wort  Christi  ist  nicht  das  Gesetz,  das  die 
einzelnen  Handlungen  normiert,  ohne  die  Gewifsheit  des 
Gnadenstandes  und  der  Zugehörigkeit  zum  Reiche  Christi 
geben  zu  können,  und  das  der  Ergänzung  durch  die  Sakra- 
mente als  der  Kanäle  der  zu  verdienstlichem  Handeln  be- 
fähigenden Gnade  unbedingt  bedarf,  sondern  das  EvangeUum, 
welches  des  Gnadenstandes  gewifs  macht  und  dadurch  den 
inwendigen  Menschen  umwandelt,  und  darum  auch,  ohne 
dafs  der  Sakramente  ausdrücklich  gedacht  würde,  als  er- 
schöpfendes Merkmal  der  Kirche  bezeichnet  werden  kamt 
Die  Anregung,  die  Luther  von  Hus'  Definition  empfangen 
haben  könnte,  wäre  also  eine  sehr  unbedeutende;  die  Haupt- 
sache hätte  er  immer  selbst  hinzugethan.  Aber  jeder  Ge- 
danke an  diese  an  sich  schon  vor  den  Insinuationen  Eck's 
höchst  imwahrscheinliche  Möglichkeit  wird  dadurch  ausge- 
schlossen, dafs  Luther  gerade  in  dieser  Schrift  der  Böhmen 
zweimal  mit  Worten  des  herbsten  Tadels  gedenkt,  als  elen- 
der Ketzer  und  Verräter  Christi,  die  ihre  Vernunft  über  die 
Schrift  setzen  und  in  Uebloser  Hoffahrt  eine  Winkelgemeinde 
herstellen  ^ 

Gleichzeitig  hatte  Luther,  und  zwar  wiederum  von  seiner 
Heilslehre    aus    eine    Auffassung    der    Sakramente    erreicht, 


1)  a.  a.  0.  S.  15  vgl.  S.  16.  17:  „Wir  sind  nicht  wie  die  Deut- 
schen, wir  wollen  es  aus  Gottesfurcht  nicht  mit  der  römischen  Kir- 
chen halten.  Das  ist  so  viel:  Wir  wollen  in  Gottes  Namen  zum 
Teufel  fahren  und  die  Deutschen  ins  Teufels  Namen  zu  Gott  fiahren 
lassen/^ 


BDB,  LUTQEK  CND  ZWINOLI.  553 

vermöge  deren  dieselben  in  den  eben  dargelegten  religiösea 
Kirchenbegriff  sich  barmoniBch  einlugten.  Dieselbe  ist  aas- 
gesprochen in  dem  Sermon  „de  pocnitetitia",  den  Resolu- 
tionen über  die  Äblafetbeaeii,  in  dem  deutGchen  Sermon  von 
der  Bufse,  der  nach  Enders  vielleicht  doch  schon  im  Jahre 
1518  selbständig  erschienen  ist,  ehe  er  mit  den  beiden  Ser- 
monen von  der  Taufe  und  vom  hochw.  Sakrament  des 
h.  wahren  Leichnams  Christi  zusammen  1519  der  Herzogin 
Mai^reta  gewidmet  wurde  '. 

Von  der  Bedeutung  der  priesterlichen  Absolution  im 
BuTasakrament  ausgehend,  ist  Luther  hier  inbezug  auf  die 
Sakramente  überhaupt  zu  einer  wesentlich  gleichen  Auf- 
fassung gekommen.  Inbezug  auf  das  Bufssakrament  führt 
er  aus,  dafs  das  eigenthch  wirksame  in  demselben  das  Ver- 
heifsungawort  Christi  sei,  dem  es  zu  vertrauen  gelte  und 
das  dem  Gläubigen,  welchem  Gott  schon  vorher  die  Schuld  ver- 
geben und  Gerechtigkeit  eingeflöfst  habe,  unter  der  VorauB- 
setzung  des  Glaubens  die  volle  Gewifaheit  der  Vergebung 
und  der  Teilnahme  an  allen  Gütern  Christi  gewähre.  Bei 
der  Taufe  und  dem  Abendmahl  tritt  an  die  Stelle  des 
Worta  das  bedeutsame  Zeichen,  das  Orgau  der  Mitteilung 
dessen,  was  es  bedeutet,  nur  wird,  indem  diese  Bedeutung 
im  Glauben  verstanden  und  angeeignet  wird.  Der  Sinn  der 
Taufe,  des  Untertauchens  und  Heraufhebens,  ist,  dafs  Gott 
mit  dem  Menschen  eins  wird  eines  gnädigen  köstlichen  Bundes, 
der  dahin  geht,  dais  Gott  anhebt,  den  heiligen  Geist  einzu- 
giefsen  und  in  einem  fortgehenden  Prozefs  der  Übung  in 
guten  Werken  und  in  Leiden  Natur  und  Sünde  zu  töten, 
dabei  sich  aber  verpflichtet,  die  in  der  Natur  fortdauernde 
Sünde  und  die  erneuten  Fehler  nicht  anzurechnen ,  der 
Mensch  aber  sieb  verbindet,  der  Sunde  abzusterben.  Die 
Bedeutung  des  Abendmahls  ist  die  eines  göttlichen  Zeichens 
für  den  Empfänger,  dafs  er  ein  Glied  der  Gemeinschaft 
der    Heiligen    sein    und    darum    aller   Güter    derselben    und 


1)  Enders,  Lutlier's  Briefwechael  1884,  Bd.  I,  S.  331.  Ander» 
Knaake,  Weim.  Ausgabe  II,  709f.,  der  den  Sermon  dem  Oktober 
1519  zuweist. 


Ü 


554  GOTTSCmCK, 

sonderlich  Christi  teilhaft  sein,   sich    ihrer  Aufnahme  temW  ^ 
Sünden    und   Leiden    getrösten  and    wiederum   sich  ihr  ■  I  >> 
liebe  und  Mitgefühl  verbinden  solL     Da  es  sich  hier  nl»  I  ^ 
all  um  Güter  handelt ,   bei  denen  alles   auf  die   penonliek  §  > 
Gewifsheit   derselben    ankommt,    so    setzt    sich   Luther  ds 
traditionellen   Lehre  von    der    magischen   Wirksamkeit  1b 
Sakramente,  nach  der  sie,  im  Unterschied  von  den  AmbBA 
nur    bedeutenden    Sakramenten    des  Alten    Bundes,  & 
Gnade  mitteilen  soUen,  wenn  nur  kein  obex  peccati  mat^ 
tdlis  vorhanden  sei,   mit  der  Erklärung   entgegen,  dali  m 
efßcacia  signa  gratiae  nur  unter  der  Bedingung   des  Gl» 
bens  seien.     Non  sacramentum,  sed  fides   sacramenii  jicsft- 
fic^  ^.     Bei  dieser  Auffassung  sind  die  Sakramente  aus  da 
unbedingt  notwendigen  Kanälen  der  Gnade  zu  relativ  wert- 
vollen,  aber  nicht  unumgänglich   erforderlichen  Mitteln  g^ 
worden,  den  Gläubigen  seines  bereits  vorhandenen  Besitxei 
des  einen  Heilsgutes    zu    vergewissem.     Sie    sind    ledig^ 
besondere    Gestalten    des    Evangeliums.     Und    daraus  zieht 
Luther    schon  jetzt    die   Konsequenz,    dals    das    Wort  du 
eigentlich  Entscheidende  und  Unumgängliche  sei,  das  Sakrif 
ment  an  Wert   überrage    und    darum    fiir  die    Kirche  von 
höherer    Bedeutung    sei.      Das    Wort    ist   es,    welches   den 
Körper  der  Kirche  vermehrt,   indem   es  den  Menschen  der 
Gewalt  des  Bösen  und  des  Fleisches  entreifst,   während  das 
Sakrament  nur  zur  Erquickimg  dessen  dient,    der  schon  zu 
dem  Leibe  Christi  gehört  *.  —  Scheint  dem  zu  widersprechen, 


1)  Opp.  var.  arg.  II,  160  vgl.  242.     Igitur  nee  sacramentum  nee 
sacerdos,  sed  fides  verbi  Christi  per  sacerdotem  et  officiom  eiui 

t6te  justificat. 

2)  Resol.  opp.  var.  arg.  II,  25G.  Quia  nihil  in  eccleaia  est 
maiore  cura  tractandum,  quam  sanctum  evangelium,  cum  ecclesia 
aibil  habcat  pretiosius  et  salubrius.  .  .  .  Melius  est  enim  omitteic 
itcramentum  quam  evangelium  non  nunciare.  .  .  Plus  itaqne  poo- 
^fig%i  evangelium,  quam  missam  Deus,  quia  sine  evangelio  non  vivit 
homo  in  spiritu ,  sine  missa  autem  vivit.  .  .  .    Deinde  missa  reficit 

qoi  jam  sunt  in  corpore  Christi,  evangelium  vero,  gladios  spiri- 

*  -•_  j;x  D^u^.»,^4.U     «A.1i:4-  woao  fnwtlu  at  ttntrtkt  ««ArniM 


IM.  dsTorat  cames,  scindit  Behemoth,  tollit  vasa  fortis  et  äuget  corpus 
.   missa  nulli    prodest,   nisi   iam   vivo,   evangelium   prorsus 


BUS,  LUTHEK  UND  ZWfflQLI.  555 

dars  doch  den  Sakramenten  der  Bufse,  der  Taufe,  des  Abend- 
mahls verschiedene  Bedeutung  vindiziert  wird,  den  beiden 
ersten  die  Bedeutung,  der  individuellen  Sündenvergebung 
zu  versichern,  dem  dritten  die  Bedeutung,  die  Teilnahme 
an  der  Gemeinschal't  der  Heihgen  zum  Trost  in  aller  An- 
fechtung dui'ch  Sünde,  Tod,  Welt,  Teufel  zu  verbürgen,  so 
ist  doch  die  Dißereuz  nur  eine  des  Ausdrucks,  der  das  eine 
Mai  mehr  dies,  das  andere  Mal  mehr  jenea  Moment  hervor- 
hebt. Luther  kennt  nur  e  i  a  Heilsgut ,  die  Teilnahme  an 
dem  Leibe  Christi  oder  an  seinem  Geiste.  Inbezug  auf 
das  Bufesakrament  erörtert  er  in  den  Resolutionen,  dafa 
jeder  Christ  seiion  durch  den  Glauben  die  Teilnahme  an 
eilen  Gütern  Christi  und  der  Kirche  besitzt,  beides  aber  so, 
dafs  die  Verbindung  des  Einzelnen  mit  Christus  durch  den 
Glauben  und  durch  die  Einheit  des  Geistes  oder  dafs  die  Ge- 
wifaheit,  wie  unsere  Sünden  sein  und  seine  Gerechtigkeit  unser 
ist,  eben  als  die  Teilnahme  an  den  Gütern  der  Kirche  er- 
scheint, die  wir  nur  besitzen,  indem  wir  unter  einander  Glieder 
sind  und  einen  Leib  bilden  '.  In  unvergleichlicher  Weise 
hat  Luther  in  der  „Tesseradecas"  (1519)  allen  Trost  und 
alle  Kraft,  die  der  Christ  wider  Sünde  und  Kreuz  hat, 
darauf  zurückgeführt,  dafs  er  von  Christus  und  der  Kirche 
getragen  wird '. 

Von  dieser  religiösen  Anschauung  vom  Wesen  der  Kirche 
und  ihrer  Heilsmiltel  aus  wird  nun  Luther  zur  Abweisung 
der  römischen  Ansprüche  als  mit  dem  Wesen  der  Kirche 
unverträglicher  getrieben.  Es  ist  für  unseren  Zweck  un- 
nötig, den  Prozefs  der  Loaiüsung  von  der  Anhänghchkeit 
an  die  Autorität  des  herrscbeuden  Systems  mit  seinen  man- 
nigfachen Schwankungen  und  Widersprüchen  im  einzelnen 
wieder  vorzutühren,  nachdem  dies  durch  Köstlin  und  Kulde 
mehri'ach  geschehen.  Nur  die  Hauptpunkte  sollen  hervor- 
gehoben werden ,  an  denen  seine  religiöse  Anschauung  in 
Konflikt  mit  dem  System  kommt,  das  auf  arbiträre  Autorität 
Anspruch    macht    und   die   unbedingte   Unterordnung  unter 


1)  Ib.  p.  237.  238. 

2)  Opp.  rar.  arg.  IV,  p.  125- 


556  GOTTScmcx, 

dieselbe  ab  Bedingung  der  Zugehörigkeit  zu  der  Kirche, 
anlser  der  kein  Heil  ist,  hinstellt  Was  ihm  die  aner- 
zogene und  noch  lange  festgehaltene  Pietät  gegen  dassdbe 
raubt y  das  ist  der  flagrante  Widerspruch,  in  welchen  sich 
seine  Vertreter  ihm  gegenüber  mit  dem  Mafsstab  des  Wortes 
Gottes  oder  des  Evangeliums  stellen,  den  er  als  den  för 
die  Kirche  entscheidenden  kennt,  und  der  aus  einer  for- 
mellen, hinsichtlich  des  Inhalts  noch  unbestimmten  Autorität 
ihm  durch  seine  Heilslehre  zu  einer  ebensowohl  inhaltlich 
bestimmten  wie  in  ihrem  Sinne  imd  in  ihrer  unbedingten 
GlÜtigkeit  zweifellos  feststehenden  Gröise  geworden  ist  Zwar 
ist  es  oft  genug  die  formelle  Autorität  der  Schrift,  auf  die 
or  rekurriert,  aber  in  Wahrheit  ist  es  nicht  das  formelle 
Schf iiltprinzip,  das  er  vertritt,  sondern  der  Inhalt  der  Schrift 
flült  ihm  eben  mit  dem  dem  Heilsglauben  als  sein  Grund  und 
Gegenstand  korrespondierenden  Evangelium  von  der  freien 
silndenvergebenden  Gnade  Gottes  in  Christus  zusammen. 

Die  römischen  Prätensionen  auf  arbiträre  Autorität  der 
WUnisohcn  Kirche  und  des  Papstes  waren  ihm  in  krasse- 
ster Form  in  den  „  Fundamenten ''  entgegengetreten,  welche 
Silvester  Prierias  an  die  Spitze  seiner  Schrift  gegen  die 
Ablufstheson  j^jostellt  hatte.  Danach  sollte  die  römische 
Kirv^ho  da^  Haupt  allex  anderen  Kirchen  sein,  der  Papst 
virtujilitor  dio  Kircho  in  sich  befassen  xmd  selbst  der  Schrift 
orst  n>/»Mr  \aid  OHciorüns  verleihen.  In  gleicher  Weise  hatte 
Oajotmi  ihm  die  Zumut\mg  gemacht,  anzuerkennen,  dafs 
mit  dorn  Ausspruch  einer  päi>stlichen  Dekretale  eine  Streit- 
trÄ^*  ein-  tiir  allemal  entschieden  sei.  Dem  gegenüber  stellt 
Luther  in  seiner  Antwort  an  Silvester  als  das  Fundament, 
auf  das  hin  er  die  Nichtigkeit  der  Thesen  Silvester's  be- 
Ivauj^tet^  die  Y erpdicht ur^  und  die  Berechtigung  hin,  alles 
twich  dem  Maisstab  der  Sohritlt  £u  prüfen  ^,  behauptet,  dals 
d\e  i\Mui^"he  Kirv^he  ä^  pit  wie  alle  anderen  Kirchen  sich 
t\ach  der  Koj^t^l  d«\i^  Glaubens  tu  richten  habe,  nicht  aber  diesen 
%iftrte  TY^'^lw  >Ä  i\lleu  *.  uud  erklärt  dem  Cajetan,  dafs  der  Papst 


HDB.  LCTHER  DSD  ZWINGU.  557 


^Bäcbt  über,  sondern  unter  dem  Worte  Gottes  stehe  '  —  er- 
^ftennt  also  nur  als  Autorität  an,  was  durch  Übereinstim- 
^HDung  mit  dieser  Norm  sich  legitimiert.  Und  er  nimmt 
^^Cajetan  gegenüber  tVir  jeden  Gläubigen  das  Recht  in  An- 
spruch, über  dem  Papst  zu  stehen,  wenn  er  bessere  Gründe 
tabe  ^- 

Ist  liier  das  Schriftprinzip  abstrakt  vertreten  und  des- 
halb Luther's  Ablehnung  der  römischen  Prätensionen  nicht 
au8  dem  eigentlichen  religiösen  Zentrum  des  Kirchen  begriffe» 
hervorgegangen,  so  ist  das  letztere  um  so  mehr  der  Fall 
hei  der  Wertschätzung,  die  er  der  kirchlichen  oder  priester- 
lichen  Schlüsselgewalt  beim  Bufssakrament  widerfahren  läfst 
Ledighch  als  Organ  des  Glauben  fordernden  Verheifaunga- 
wortes  kommt  hier  der  Priester  in  Betracht;  an  dies  Wort, 
nicht  an  die  Person  des  Priesters  hat  man  sich  deshalb  zu 
halten  ' ;  selbst  der  Papst  ist  deshalb  der  Diener  des  Gläu- 
bigen in  der  Handhabung  der  Schliisael.  Diese  Schlüssel- 
gewalt bedeutet  also  keine  arbiträre  Herrschaft,  sondern 
eine  an  inhaltlich  bestimmte  Mafsstäbe  gebundene  Dienst- 
leistung *.  Und  in  dem  Sermon  von  der  Bufse  ist  diese 
Dienstleistung  am  Worte  Christi  sogar  von  der  Gebunden- 
heit an  besondere  amtliche  Organe  befreit,  wie  das  in  der 
Konsequenz  der  bereits  vurhandenen  Anschauung  hegt,  nach 
der  es  ja  auf  die  Person  gar  nicht,  sondern  nur  auf  das 
Verheifsungswort  selbst  ankommt,  das  im  Glauben  aufge- 
nommen durch  seinen  Inhalt  der  Vergebung  gewifs  macht : 
nicht  nur  der  Priester,  sondern  jeder  Ohrist  kann  dem  ti-ost- 
bedürftigen  Bruder  das  Urteil  sprechen:  sei  getrost,  dir  sind 
deine  Sünden  vergeben  *. 

Gleichviel,  ob  der  letztere  Sermon  wirklich  schon  aus  dem 


1)  Ib.  p.  374. 
2;  Ib.  p.  3?3. 

3)  Ib.  p.   löB:    i^on  in  Eocerdote,    sed    in  verbo   Christi  oititor 
renÜBsio  iUa. 

4)  Ib.   p.  243:    nOD  illiuB   sunt   claves,    mese   potioa    sniit,    mihi 
donatae,   meae  ealuti,    meae   cOQsolationi ,    paci    et    quieti    i 
Pontifei  servua  est  et  minister  mens  in  clavibus. 

5)  E.  A.  2.  A.  W.  W.  16,  S.  33f. 


558  OOTTSCHIGK, 

Jahre   1518   stammt,  es  ist  eine  einfache   Konsequenz  ia 
bereits    erreichten   Positionen,    wenn    in    dem   Sermon  j,i 
virtute  excommunicationis"  die  Gültigkeit  einer  ongerechtei 
Exkommunikation  für  Gott  und  ihre  Fähigkeit^  der  GemeiB- 
Schaft  der  Eirche  und  ihrer  Güter  zu    berauben,   bestritia 
wird.     Das  erstere  hatte  auch  Thomas  nicht   zu   behaaptoi 
gewagt,  wohl  aber   das  zweite  vermöge    der   integrierenden 
Bedeutung;   die  er  der  bestehenden  Rechtsordnung  für  da 
Begriff  der  Eirche  zuschrieb.     Hier  tritt    uns   nun  Luthei'i 
Gesamtanschauung  von  der  Elirche  in   einem   Schema  ent- 
gegen, das  die  Distinktion  zwischen  unsichtbarer  und  sidit- 
barer  Kirche  noch  deutlicher  anbahnt,  als  das   in  der  Aus- 
legung des  110.  Psalms  der  Fall  war.  —  Dafs    die  Kirche 
als  communio  fidelium  zu  definieren  sei,  war  eine  nie  ver- 
lorene  Tradition.      Selbst   Sylvester    hatte    sie    respektiert, 
indem  er  die  Kirche,  esseniialüer  betrachtet,   so   definierte: 
Und  wenn  Luther  seiner  Behauptung  gegenüber,    dals  der 
Papst   virttialiter   die   Kirche,    das    Kardinalskollegium   sie 
repraesentaiive  sei,  erklärt  hatte,  er  kenne  die  Eürche  vir- 
tualiter  nur  in  Christo,  repraesentaiive  nur  im  Konzil  ^,  so 
hatte  er  jene  Definition  nicht  abgelehnt,  wie  sie  auch  schon 
in  seinen  ältesten  Vorlesungen  über  die  Psalmen  begegnet  ^. 
Sein  Begriff  vom  Glauben  als  dem  Prinzip  der  Caritas  und 
spes    einerseits    und    als    dem  Korrelat   zum  Worte   Gottes 
anderseits,   ist  es   dann,   was  aus  der  traditionellen  Formel 
Luther's  Anschauung  von  der  Kirche  hat  erwachsen  lassen. 
Denn  wenn  die  persönliche  Gewifsheit  des  Glaubens  an  die 
Vergebung  der  Sünde   an  der   vom  Wort  bezeugten  Offen- 
barung   der    göttlichen    Gnade    in    Christus    ihren    einzigen 
Grund  imd  Stützpunkt  findet  und  zugleich  der  Antrieb  und 
die  Kraft  zum  christlichen  Leben  ist,  so  ist  das  Wort  ledig- 
lich durch  seinen  Inhalt,  ganz  abgesehen  von  aller  menschlichen 
Handhabung   desselben,   der  Grund   der  Existenz   der  Ge- 


1)  Opp.  var.  arg.  II,  p.  22. 

2)  Seidemann,  Luther's  erste  und  älteste  VorlesuDgeD  über  die 
Psalmen  aus  den  Jahren  1513—1516,  Bd.  I,  S.  81  populom  fidelem 
ecclesiam  meam. 


Ht'S,  LUTHEB  UND  ZWIMGU.  559 

meiiide  der  Gläubigen;  und  der  HeiUwert  einer  über  der 
Gemeinde  der  Gläubigen  stehenden  Anstalt,  die  mit  souvo- 
rSner  Autorität  ausgestattet  und  mit  geheimnisvollen  Kräften 
zur  Eingiefsung  verborgener  Gnade  begabt  ist,  i^llt  dabin, 
weil  diese  Gemeinde  an  dem  als  Grund  ihres  Glaubens  ver- 
standenen Wort  von  Christus  einen  testen  Mafsstab  bat,  an 
dem  alle  Autor ität^ansprücbo  sieb  erst  legitimieren  müssen, 
und  weil  sie  in  dem  verstandenen  Evangelium  die  Quelle 
gewisser  Gnade  besitzt.  Es  ist  also  die  Kirche  gemeint, 
wenn  er  von  der  communio  ßdelium  in  jenem  Sermon  ' 
sagt,  sie  sei  eine  doppelte,  einerseits  eine  innere  geistliche, 
nämlich  in  der  Einheit  des  Glaubens,  der  Hotfnung,  der 
Liebe  bestehende,  anderseits  eine  äufsere  und  leibliche,  näm- 
lich die  Teilnahme  an  den  Sakramenten  d.  b,  den  Zeichen 
von  Glaube,  Liebe  und  Hoffnung,  wciterhiu  an  leibÜL'hem 
Verkehr  überhaupt  Die  Teilnahme  an  der  ersteren  kann 
keine  Kreatur  geben  oder  nehmen,  das  steht  Gott  allein  zu, 
der  altein  Glaube,  Liebe  und  Hoffnung  geben  kann ;  durch 
die  Sünde  achliefat  sich  der  Mensch  selbst  von  ihr  aus. 
Die  kirchliche  Exkommunikation  dagegen  betrifft  nur  die 
Teilnahme  an  den  Sakramenten  und  setzt  ihrer  Idee  nach 
die  geistliche  Selbstexkommunikatioa  voraus ,  auch  be- 
raubt sie  nicht  der  Güter  und  Fürbitten  der  Kirche. 
Ist  sie  ungerecht,  so  ist  sie  unwirksam  und  nicht  zu 
furchten.  Es  wäre  aber  sehr  falsch,  wollte  man  hieraus 
folgern,  dafs  für  Luther  die  äufsere  Kirche  alle  Bedeutung 
verloren  habe  und  die  eigentliche  Kirche  zu  etwas  rein 
Innerlichem  geworden  sei ".  Dafs  ihm  die  äufsere  Gemein- 
Bchaft  dennoch  nicht  etwas  ist,  das  für  die  communio  fide- 
lium  gleichgültig  wäre,  ergiebt  sich  daraus,  dafs  er  die 
Kirche,  welche  die  Rute  führt,  als  die  Mutter  bezeichnet 
und  ihre  Gewalt  als  die  Gewalt  Christi,  und  dafs  er  erklärt, 
sie  bleibe  die  süfse  Mutter,  die  Kirche,  die  Braut  Christi, 
auch  wenn    sie    durch   unwürdige  Diener   strafe,    und    ihre 


1)  Opp.  rar,  arg.  II,  p.  SuTsq. 

2)  Kolde,  Luther's Stellung  luKoozil  und  Kirche,  S.29. 
war  die  Kirche  dann  überhaupt  noch?" 


560  G0TT8CHICK, 

Rute  sei  eine  heilsame,  nicht  nur^  wenn  me  wirklich  hm 
Zwecke  diene ,  den  Gefallenen  zurückzuftiliren  ^  soudoi 
auch;  wenn  sie  ungerecht  treffe,  weil  der,  welcher  gedaUg 
unverdiente  Strafe  leide ,  auch  gröfsere  Gnade  erhoiga 
werde  ^  Für  Luther  sind  ja  die  Sakramente  die  Zachea^ 
welche  den  Gläubigen  seiner  Zugehörigkeit  zur  Gemeiih 
Schaft  der  Gläubigen  gewifs  machen,  und  die  Cxkommimi- 
kation  als  solche  raubt  nur  deshalb  diese  Gewilsheit  nich, 
weil  sie  die  Taufe  und  vor  allem  das  Wort  nicht  rauba 
kann. 

Hatte  Luther  bisher  im  Gegensatz  zu  den  Ansprüdioi 
auf  arbiträre,  über  jede  Prüfung  erhabene  Autorität  ad 
damit  begnügt,  die  im  Wesen  der  Kirche  liegende  Schranke 
derselben,  dafs  sie  an  einen  über  ihr  stehenden  und  jedem 
zugängUchen  Mafsstab  gebunden  ist,  hervorzuheben,  so 
schreitet  er  Cajetan  gegenüber  dazu  fort,  aus  dem  von  i& 
Welt  spezifisch  verschiedenen  Charakter  der  Kirche  oder 
des  Reiches  Christi  die  prinzipielle  Folgerung  zu  ziehen, 
dafs  dieselbe  ihrem  Wesen  nach  nicht  an  eine  weltlidie 
Gröfse,  wie  es  die  römische  Kirche  ist,  gebunden  sein  kann, 
so  sehr  er  den  thatsächlichen  Primat  der  letzteren  noch  auf 
Grund  von  Rom.  13,  1  als  eine  göttliche  Ordnung  an- 
erkennen will  *.  Damit  hatte  er  einen  zentralen  Satz  von 
Hus  erreicht  und  zwar  in  einer  Formulierung,  die  auch  bei 
diesem  vorkommt  ^,  wenn  auch  nur  in  der  Luther  damals 
noch  unbekannten  Schrift  des  Hus.  Aber  er  bedurfte  auch 
der  Kenntnis  der  letzteren  nicht  einmal,  um  auf  die  For- 
mulierung dieses  Gedankens  zu  geraten,  der  seinem  Inhalt  nach 
in  der  Konsequenz  seiner  Anschauung  vom  Reiche  Christi 
lag;  ist  doch  jene  Stelle  des  Hus  ein  Citat  aus  Augustinus 
Homilien  zum  Johannes.     Im  übrigen  aber  trifi%  Luther  mit 


1)  a.  a.  0.  II,  S.  310—312. 

2)  Ib.  p.  388:  qui  nobis  ecclesiam  Christi  tempori  et  loco 
affixgrunt  contra  verbum  Christi  dicentis:  non  veniet  regnum  Dei 
cum  observatione. 

3)  a.  a.  0.  I,  246.  Non  in  aliquem  unum  locom  corporalem,  sed 
congregaTit  in  unum  spiritum  et  unum  corpus,  cuius  caput  est 
Christus. 


HD8,  LUTHER  USD  ZWINOU.  561 

■IHos  darin  zasaimnen,  dafs  beide  allen  Anspruch  der  kirch- 
ichen   Amtsträger  auf  göttliche   Autorität  au   die   Überein- 
■  ■tlmmung  mit  dem  einem  jeden  zugänglichen  Mafsatab   der 
l  ßchrift    binden ,    und    dafa    sie    dem    ungerechten   Bann    die 
|£raft,   aus  der   Kirche    auszuBcblieiaen ,    aberkennen.     Eine 
I  DiflFerenz   besteht   zwischen   ihnen   insofern,    als  Hus    unter 
f  dem   Worte    Christi    das    evangelische   Gesetz,    Luther    die 
«vangeliache  Verheifsung  verateht,   und  als  Hus   beim  Bufs- 
eakrament  aich   auf  das   Genügen   der   innerlichen   contriiio 
zurückzieht,    um    die    Gewalt    des    Priesters    einzuschränken, 
während  Luther   diea  Beaultat   vielmehr  durch   die  Hervor- 
hebung der  Korrelation  zwischen  dem  Verheifsungswort  Christi 
und  dem  Glauben  erreicht. 

Im  März  1519  rückt  nun  durch  Eck  der  Gedanke  an 
eine  Gemeinschaft  mit  Hus  in  seinen  Gesichtskreis;  wir 
Baben,  wie  sehr  er  aich  dagegen  sträubte.  Aber  ea  steht 
nun  auch  so,  dafs  die  Weiterentwickelung  seiner  Anschauung 
von  der  Kirche  nirgends  eine  Beeinflussung  durch  die  auf 
der  Leipziger  Disputation  berührten  Sätze  von  Hus  er- 
kennen läfst.  So  weit  es  sich  um  die  Gesamtanschauung 
handelt,  wird  das  bereits  1518  Gewonnene  weiter  entwickelt, 
und  polemiEcbes  Material  gewährt  ihm  das  Studium  der 
Väter. 

In  der  bereits  im  Frühjahr  gedruckten  Auslegung  des 
2.  Psalms  bebt  er  den  geistlichen  Charakter  der  Kirche 
hervor,  der  im  Gegensatz  steht  nicht  nur  zu  dem  weltlichen 
Ehrgeiz  der  römischen  Kurie,  sondern  auch  zu  dem  An- 
spruch, dafs  dieselbe  an  einen  Urt  gebunden  sein  soll,  während 
nie  über  den  ganzen  Erdkreis  sich  zu  erstrecken  hat '.  Die 
Kirche  ist  von  Gott  über  die  Welt  erhoben  durch  Glaube, 
Liebe,  Ho&ung  und  Tugenden,   die   Reichtum   und  Macht 


1)  Opp.  Ist.  XIV,  p.  0!i:  quanquam  »ulli  loco  eit  addiutn, 
t«mea  aecesfiariam  erat  ut  iti  aliquo  cerlo  loco  cxordium  habcrct  (in 
Zioo)',  uode  et  pOBtea  motSi  cat  In  omtiem  tcrram,  ut  impleretur  iilud 
Job.  4,  ^1.  Atque  itA  eccicsia  iam  nuUum  locum  et  omnem  locum 
habet.  Cf.  p.  (i9:  bi  Deum  patrem  inendacem  facere  conantur,  ut 
qni  termmOB  terrae  Cbrieto  aubjecerit,  cui  ipsi  nedum  Europam  totam 
«ubjiciunt 


L 


562  GOTTSCHICX, 

der  Welt  v^-acbten.     Dafe    sie  jetzt    auch    hierin    erhabei 
ist,   ist  ihr  nicht  eigentümlich,  sondern  peregrinus  qmilm 
Leviathan.  Und  es  ist  fraglich^  ob  eine  Kirche,  die  so  beschain 
ist,    noch    Kirche  genannt  werden   kann.      I>ie   Kirche  k 
nur  da,  wo  Christas  Christum  auf  das  reinste  predigt    Der 
Anspruch   der  romischen  Monarchie,   dafe    aulaerfaalb  ihrer 
kein  Christ  existiere,   steht  mit  dem  geistlichen   Charakter 
des  Königreiches  Christi,  welches  ein  in   geistlicher  He3^ 
keit   heiliges  Volk    ist,   in  Widerspruch  ^.     ZKe  R^enug 
der  Kirche  kann   allein  durch  den  Dienst   des  Wortes  ge- 
schehen cüra  fiUum,  qui  nunc  est,  episcoporum  tumtUiumK 
In  dem  Kommentar  zum  Galaterbrief,  dessen  I>rack  gleich- 
fallp  im  Frühjahr  b^onnen  ist,  spricht  er  von  der   codestii 
ecclesia,  die  weder  das  mächtige  Rom  noch  das   heilige  Je- 
rusalem nee  tdlum  locum  novit  j  .  .  sondern   den  Vater  im 
Geist  und  in  der  Wahrheit  anbetet ',  ja    er    sagt  zu  GaL 
3,  28,  sie  heifse  in  der  Schrift  abscondiia  et   occulta, 
weil    sie    eine    Versammlung   nicht   der   Priester,    Mönche, 
Bischöfe,   sondern  der  Gerechten   sei,   die   keine  weltlichen 
Kennzeichen  besitzen  ^.     Und  in  der  deutschen  Bearbeitung 
des  Sermons  vom  Bann  wird  eine  unsichtliche  und  eine 
sichtliche  Gemeinschaft  der  Heiligen  unterschieden;   nur 
von  der  letzteren  kann  ein  Bischof  oder  Papst  absondern  *^ 
und  im  Sermon  vom  hochw.  Sakrament  giebt  er  als  Grund, 
warum    die   Gemeinschaft   Christi    und    aller  Heiligen    ver- 
borgen, unsichtlich  und  geistlich  geschehe,  und  nur  ein  sicht- 
lich, äufserlich  Zeichen  derselben  uns  geben  werde,  n&mhch 
im  Sakrament,  an,  dafs  wir  sonst  nicht  gestärkt  noch  geübt 
würden,   in  die  unsichtlichen  und   ewigen  Güter  zu   trauen 
oder  ihr  zu  begehren,  sondern  vielmehr  geübt  würden,  nur 
in  zeitliche,  sichtbare  Güter  zu  trauen  ^.     Hier  ist  der  Ge- 


1)  Ib.  p.  61.  63.  66. 

2)  Ib.  p.  70.  71. 

3)  E.-A.  Comm.  ad.  Gal.  III,  p.  129. 

4)  Ib.  p.  303. 

6)  W.  W.  27,  S.  52.  53. 
6)  a.  a.  0.  S.  43. 


miS,    LUTHER  DND  ZWINOLI.  663 

mke  der  unsichtbaren  Eirche,  deren  Realität  freilich  durch 
ichtbare  Zeichen  dem  Glauben  gewährleistet  wird,  als  eine 

P  Folgerung  aus  der  Art    der    christlichen  Heilsgüter   erreicht. 

F  Dem  entspricht  ea,  wenn  er  in  der  vor  der  Leipziger  Dispu- 
tation edierten  Resolution  über  die  13.  These  die  Kirche 
als  regnum  fidei  bezeichnet,  weil  ihr  König  nicht  gesehen 
sondern  geglaubt  wird,  während  die  Aufrichtung  eines  sicht- 
baren Hauptes  sie  zu  einem  refftium  rerum  praesenlium 
machen  würde  '.  Auch  auf  die  Formel,  dafa  die  Kirche 
Gegenstand  des  Glaubens  sei,  ist  Luther  also  selbständig  ge- 
kommen; er  verdankt  sie  nicht  der  Anregung  von  Hua. 

Der  Gedanke  von  der  communio  fiilelium  war  bereit« 
im  Galaterbrief'  zu  der  Antithese  gegen  die  vulgäre  Ansicht 
ausgewachsen,  dafs  die  empirisch  erkennbaren  Amtsträger 
als  solche  die  Kirche  seien,  und  doch  hatte  Luther  die  Be- 
deutung ihres  amtlichen  Thuns  für  die  Erbauung  der  Kirche 
gewifs  nicht  in  Abrede  stellen  wollen.  Einen  wesentlichen 
Fortschritt  in  der  Lösung  der  Aufgabe,  das  Verhältnis  einer 
solchen  Rechtsordnung  zu  der  Kirche,  die  ihrem  Wesen 
nach  an  Rechtsordnungen  nicht  gebunden  ist,  zu  bestimmen, 
bezeichnet  die  bereits  erwähnte  Resolution  über  die  13-  These, 
in  der  Luther  die  Resultate  seiner  vorbereitenden  Studien 
niederlegt,  und  deren  Argumente  dann  auf  der  Disputation 
von  ihm  wiederholt  werden.  Hier  tritt  zum  erstenmal  die 
Deutung  der  communio  sanctorum  des  Symbols  auf  die 
Kirche  auf,  die  er  dann  immer  festgehalten  hat.  Wie  Rufin 
beweise,  sei  dieser  Artikel  erst  eine  später  zur  Erklärung 
des  Artikels  „h.  katli.  Kirche"  hinzugesetzte  Glosse,  und 
dadurch  sei  auf  das  glücklichste  denen  vorgebaut,  die  da 
meinen,  die  Kirche  sei  ein  Prälat  oder  etwas  Ähnliches*. 
Ob  AuguatJn'a  Gedanke  von  der   cotnmunia   sanctorum  ihm 


1)  Opp.  vnr.  arg,  111,  p.  383. 

2)  Bei  Hua  wird  die  communio  sanctorum  wesentlich  als  Gemein- 
schaft der  oberen  and  unteren  Gemeinde  gefafst  und  das  PiSdikat 
der  Eeilipkeit  für  die  Kirche  nlclit  auf  die  im  Glauben  gesetxt« 
gegenwärtige  Qualität  ihrer  Glieder,  eODdem  auf  die  zukünftige  Bitt- 
licbo  VoUendung  der  Kirche  be/ogen. 


I 


XL   äoET  FaaKi   eetsAem    bat?     Ei 


ADerdiogi 
•7  iirar  cibiK  ne   inj:H^  tqil  agn  Gf  im  hiiponkt  der 


•fiift  sacft.  kier   für  wmeo 


pnrqiilg^  inti  rs^aahz  wirr,   u   äc   vürer  Ginbe,  wo 


f- 


Ksaaütfii.  -m^iiii  xj«sr  sahn  st  Tn^mwaisin  icA  tod  der 
Er:2f».     V.a  Sir  -anz&nr^  £;iäisr  *r5C    äsr  Pik^   oder  der 

■ 

für  Zvfii»±r  rL  r^v:cxi«:.:»rZ-  Zrts^  5_r:-i*.  riLr»  ex  weiter 
Xfc^ji  7.T:.-^r  n-^N  i-fc  j^  I^lz  J'jltjsC.  rJf2LAz.'i  jlis  Christas 
xiütirv  Tfc  5L-:  ^jT  1j:  HtCTrs.  ii^^fr  -ir^r  GlJec-sr,  auch  des 
pACrKit:*  itc^  ii^  "'•  .r:  ^.zz  irfci  5>*  r^ii.  ifc  an  nichts 
r^:  iz-'i-tn.    >.c  jin.    " 'i-iic  :::^l     t-ji  Klcir  iä*  Kvii^   und 


N;>i  L^ikz  KZii  Lfi  XirkzujJf  £-c  Sir:-je  in  jeder  Ge- 
ZL^fini-  t:rri_-i.  'v-^  K^:.i»f  ii  J5C  ir.  ii.^  Evjtr.gelinm  ge- 
Z!rfi:;r:  ^-i'i  r^cli.--*'  '»^iJ'l  Ttidz:^  :>:  >fi.r  Gemeinde  selb- 
siL:  i-^f    Izl:u.>.::—    i— »rr    i_r::;_?:i»:-L     Vf-^ij::    jilLr    sind   sie 


•«••■•      Mf 


vu^  £:a3l  r»ii  .    :uk'  Tv^r»:   I>r;   gaiitt  rer- 
3>j'i   sx;--.i;>   c  si*:    l»i    si: :  iz  r:^r-:  i.;i-r:  ^-.irtSk  ^-rr:  Ferra*,     p.  Sä5: 


HUS,  LUTHEK  UND  ZWINOLI.  565 

kdarin  eins,  dafs  sie  durch  das  Wort  Gottes  gegründet  sind; 

l^arum  hat  keine   vor   der   andern   ein  Privilegium.     Christi 

eich    erstreckt    sich    üher    den  Erdkreis ;    darum    giebt    ea 

«ch  aufser  der  Obedieoz   des  römischen  Stuhls,   nicht  nur 

Üriechenland ,    sondern    auch    in    Indien   und    Äthiopien 

risten ,    wie    Luther    nach    dem  Brief  des  Hieronymus    an 

Euagnus    ausfüln't.     Derselbe    Hieronymua    dient    ihm 

biuch  als  Zeuge  dafür,  dafs  die  Abstufung  vun  Bischöfen  und 

■Presbytern  nicht  ursprünglich  ist.  Die  Einheit  der  Kirche 
jigt,  so  erklärt  er  unter  Berufung  auf  Cyprian  auf  der 
Disputation,  nicht  von  der  Einheit  des  römischen  Primats  ab, 
sondern  nach  Eph.  4  von  der  Einheit  des  Glaubens,  der 
Taufe  und  des  Herrn. 

So  war  Luther's  Lehre  von  der  Kirche,  wie  sie  seiner 
Heilslehre  entsprach,  und  in  ihrem  treibenden  Motiv,  in  der 
Korrelation  zwischen  dem  Evangelium  von  der  freien  ver- 
gebenden Gnade  und  der  persönlichen  Gewifsheit  des  Heila- 
glaubens,  von  der  Gesamtanschauung  des  Hus  speziEsch 
verschieden  war,  in  allem  Wesentlichen  zum  Absclilufs  ge- 
langt, nicht  nur  ehe  er  Hus'  Traktat  von  der  Kirche  kenuen 
lernte,  sondern  auch  elie  Hus'  Definition  auf  der  Leipziger 
Disputation  ihm  als  eine  evangelische  zum  Bewurstseiu  kam. 
Daher  ist  von  vornherein  zu  erwai-ten,  dafs  es  nur  ganz 
unerhebliche  Einzelheiten  sein  werden,  in  denen  sich  nach 
dem  Eintritt  jener  Bekanntschaft  eine  „Anregung"  durch 
Hus  könnte  vermuten  lasssen.  Anderseits  ist  es  völlig  be- 
greiflieb, dafs  Luther  von  dem  Mafs  der  zwischen  ihm  und 
Hus  bestehenden  Ubei'einstinimung,  das  sich  ihm  bei  der 
Lektüre  von  Hus'  Traktat  aufdrängen  mufate,  so  überwäl- 
tigt war,  wie  es  seine  Aufserung  in  dem  Brief  an  Spalatin 
zeigt,  und  dafs  die  Erkenntnis  der  tiefgreii'enden  Verschieden- 
heit zwischen  seinem  evangelischen  Kirchenbegriff  und  dem 
doch  nur  eine  Modifikation  des  katholischen  darstellenden 
Begriff  des  Hus  sieb  ihm  entzog.  Gegen  Sätze,  die  denen 
des  Silvester  ganz  ähnlich  lauteten,  hatte  Hub  geleugnet, 
dafs  der  Klerus  die  Kirche  sei,  dafs  Papst  und  Kardinäle 
als  die  Vertreter  der  römischen  Kirche  von  Gottes  wegen 
die  Obergewalt  über  die  allgemeine  Kirche  hätten,  dafs  der 

ZiiUebr,  f.  E.-O.  VUl,  1.  37 


566  QOTTSCHICK, 

Papst  das  Haupt  der  letzteren,  Petrus  und  sein  Rechtsnachfolger 
der  Felä  sei,  auf  den  sie  gebaut,  dafs  die  Einheit  der  Kirche 
auf  der  Oberhoheit   des   Papstes   beruhe,   dafs   dem  Klerua 
ein  dominium  in   der  Kirche   zukomme,  dafa    die  Entschei- 
dungen des  Papstes  oder  des  Klerus  eine  Autorität   besäffeo, 
die  sich  der  Prüfung  entziehe,   dafs  das  Binden   und  Losen 
der  Priester  ohne  weitere  Bedingungen    für  Gott    gültig  sei. 
Und  dagegen  hatte  er  die  positiven  Sätze  gestellt .    dafs  die 
Kirche  eine  geisthche  Gemeinschaft  sei,  durch  Glaube,  Liehe 
und  Hoffnung   zur  Einheit    verbunden,   gebaut    auf   Christna 
als  den  einzigen  Fels,  geleitet  von  Christus  als  ihrem  einzigeo 
Haupte,  ausgedehnt  über  den  ganzen  Erdkreis,  Gläubige  zu 
ihren  Gliedern  auch    da    zählend,    wohin    des  Papstes  Herr- 
schaft nie  gereicht,  nicht  nur  in  Griechenland,  sondern  auch 
in  Indien,  ein  Gegenstand  des  Glaubens,  der  die  Gewifaheit 
des  Unsichtbaren  ist,    dafa    die    ganze  Kirciie,    nicht    Petrus 
Inhaberin  der  clavcs  sei,  dafs  die  römische  Kirche  nur  eine 
Partikularkirchc  neben  anderen  sei,  denen  die  gleiche  Digni- 
tät   wie   jener   zukomme,    dafs    Christus    den    in    entfemtea 
Landen  Wohnenden  nicht  zugemutet   habe,    sich    nach  Rom 
zu  wenden ,   dafs  die  anderen  Apostel   dieselbe  Gewalt   em- 
pfangen  hätten  wie  Petrus  und   gegen   ihn   selbBtändig   ge- 
wesen  seien,   dafa  die  Schrift  der   unbedingte  Mafsstab   für 
die  Berechtigung  alles  Handelns  in  der  Kirche   sei ,    dafs  es 
bedeute,  den  Anspruch  auf  gottgleiche  Verehrung    erbeben, 
wo  man  sich  weigei-e  zuzugestehen,  dafs  jeder  Einzelne    be- 
rechligt  und  verpflichtet  sei,    an    diesem    Mafsstab    alle    Äu- 
torltätsansprüche  zu  prüfen    und    den  Gehoi-sam    zu    verwei- 
gern,   wo  sie  diese  Prüfung  nicht  bestehen,   dafs    auch   die 
drohende  Exkommunikation  an  der  Ertullung    dieser  Pflicht 
nicht  hindern  dürfe,   weil   sie  im  Falle   der  Ungerechtigkeit 
nicht   imstande  sei    von    der  Kirche    zu    trennen,    dafs  Gott, 
nicht  der  Priester  es  sei,  der  die  Sünde   vorgiebt,    dafs   der 
letztere  nur  als  Diener  Gottes  und  der  Kirche  fungiere,  dafs 
nicht  nur   die   faktische  Verweltlichung   der  Kiuie    und   des 
Klerus,  vermöge  deren  sie  die  Schafe  scheren,    statt    sie  als 
Lehrer   zu   weiden,    sondern    schon   der  Anspruch    auf  do- 
minivm  und  maiorilas  mit  dem   nicht  -  weltlichen  Charakter 


H«S,  LUTHER  CSD  ZWINOLI.  567 

B^ss  Reiches  CbriBti  in  Widerspruch  stehe.     Alle  diese  Sätze 
Loden  ja  bei  Lather  ihre  oß  wörtlichen  Parallelen. 

Dagegen  sind  es  lediglich  irrelevante  Einzelheiten,  bffl 
denen  man  an  eine  „Anregung"  durch  Hub  denken  kann. 
Rolde  glaubt  eine  solche  in  der  Ausführung  über  die  Kirche 
zu  Psalm  16,  4  zu  finden,  tion  congrcgabo  conveniicala 
eorum  de  sangitinibus ,  wo  Luther  eich  energisch  zu  dem 
jetzt  vorliegenden  Buch  des  Hub  bekennt;  dieselbe  sei  ganz 
aus  Hus'  Traktat  entnommen.  Luther  nennt  die  Kirche 
dort  eine  congregalio  spirÜualis  hominum  non  in  aligtiem 
locum  sed  in  eandem  fidem  speni  et  charitatem.  Das  klingt 
allerdings  an  ein  Citat  aus  Auguatin  bei  Hus  an  (I.  246), 
aber  an  eins,  das  Luther  schon  vorher  verwertet  hatte.  Hus 
nennt  auch,  so  viel  ich  habe  finden  künnen,  nirgends  die 
Kirche  eine  cotigregatio  spirilualis.  Nur  den  Ausdruck 
amgregatio  kann  man  vielleicht  wirklich  auf  Hub'  Rechnung 
setzen.  Denn  Hus  beginnt  damit,  dafs  ecclesia  das  grie- 
chiaclie  Woi-t  für  cffiigregalio  sei  (I,  243),  das  Weitere  aber, 
dafs  der  Artikel  „katholische  Kirche"  im  Sj-mbol  die  con^- 
munio  sanctorum  bedeute,  steht  nicht  bei  Hus,  und  ebenso 
ist  das  folgende,  dafs,  was  unter  die  Kategorie  Fleisch  und 
Blut  falle,  Person,  Ort,  Zeit,  nicht  zur  Kirche  gehöre,  nichts, 
was  nicht  Luther  schon  vorher  ausgesprochen  hätte.  Der 
Terminus  spirUuaUs  fidelium  collectio  kommt  dagegen  bei 
Hus  nicht  vor. 

Mehr  Anklänge  weist  die  Schrift  „  Vom  Papsttum  zu 
Born"  (1520)  auf-  Das  äufsere  Schema,  in  dem  Luther 
Alveld  darüber  belehrt,  was  die  Kirche  heifse,  ist  Hus  ent- 
lehnt, der  zu  Anfang  seines  Traktats,  sowie  weiterhin  die  Be- 
deutungen registriert,  in  denen  der  Terminus  ecclesia  über- 
haupt genommen  werde.  Man  versteht,  sagt  dieser,  darunter 
ein  flauB  zur  Gottesverehrung ;  femer  die  Kleriker  einer 
Kirche;  man  redet  von  einer  Kirche  der  Böcke  und  der  Schafe 
(I,  24.'i).  Kirche  kann  vere  und  nuncupative  genommen 
werden,  das  erste  pro  praedestinatis ,  das  zweite  für  die 
Versammlung  der  praesciti  (I,  255).  Oder  aber  fiir  die 
im  Stande  der  praesens  justitia  befindhchen;  oder  für  die 
Mischung  der  letzteren  und  der  Prädestinierten  (I,  256). 
37« 


568  OOTTSCmCK, 

So  stellt  auch  Luther  neben  den  richtigen  schriftgemificii 
Gebrauch  von  Kirche  andere  Weise  von  ihr  zu  reden,  wo- 
nach   man    die    Kirche    heifst    eine    Versammlung    in    ein 
Haus,  Pfarr  u.  s.  w.,  und  vor  allem   den  geistlichen  Stand, 
die   Bischöfe,  Priester  und  Ordensleut,   endlich    die   Häuser 
zum   Gottesdienst    erbaut  K     Die  Beschreibung    der    Kirche 
im  wahren  Sinn,  dafs  sie  sei  die  Versamndung  aller  Christ- 
gläubigen   auf  Erden ,    die    im    rechten  Glauben ,    Hoffnung 
und  Liebe  leben  und  ob  schon  leiblich  von  einander  geteilt 
tausend  Meilen,   doch  eine  Versammlung  im   Geist   heifsen, 
weil  ein  jeder  prediget,  glaubet,  hoffet,  liebt  wie  der  andere, 
die  in  geistlicher  Einigkeit  steht,  ohne  welche  keine  Eimg- 
keit  der  Statt,  Zeit,  Person,  Werk  eine  Christenheit  macht, 
die  auch  nicht  an  Kom  gebunden  ist  *  —  diese  Beschreibung 
klingt  natürlich  an   Hus  an,   der  gegenüber    der    gleichen 
Behauptung,  dafs  die  Christenheit  auf  Erden,    um    nicht  zu 
zerfallen,  ein  leibliches  Haupt,  den  Papst,  haben  müsse,   in 
ähnlicher  Weise   dem   politischen   Kirchenbegriff   einen    reli- 
giösen entgegensetzt,  ähnlich  von  der  gegenwärtigen  Einheit 
der   Elirche   redet,    aber    dabei    sofoi-t    auf  die    Einheit   des 
Ghrundes    in    der  Prädestination   zurückgeht,    deren    Luther 
gar  nicht  gedenkt.     Aber   so   hat  Luther  auch   schon    sonst 
geredet.      Ebenso    klingt    es    an    Hus    an ,    wenn     er    diese 
Christenheit  als  Glaubensgegenstand  bezeichnet  mit    der  Be- 
gründung,   „denn    was    man   glaubt,    das   ist  nicht  leiblich 
noch  sichtHch'*.     Doch  hatte  er  so  auch    schon    früher    sich 
ausgedrückt.     Und  von  den  beiden  Merkmalen,    auf   die  er 
dies  Prädikat  der  Kirche  hinausführt,  dafs  man  nicht  weifs, 
wer  heilig  oder  gläubig,    und  dafs  diese  ganze    Christenheit 
nicht    nach    dem   Leib    an    einem   Ort    versammelt     werden 
könne  ^,    findet   sich   nur   das  erste   bei  Hus,    aber     in    der 
Abwandlung,  dafs  die  gratia  perseverantiae  an    den   Einzel- 
nen   unerkennbar   sei  (I,  254).     Ebenso    wenig    findet    sich 
bei  Hus  die  ergänzende  Erklärung,   dafs  Taufe,  Sakrament 


1)  W.  W.  E.  A.  XXVII,  101—103. 

2)  a.  a.  0.  S.  m.  97. 

3)  a.  a.  0.  S.  108.  102. 


HÜ8,  LUTHER  UND  ZWINQLl.  569 

>d  Evangelium  als  die,  welche  Cliriaten   machen,  Zeichea 
ÄK^d,    an  denen  man  äuraerlich    merken    kann,    wo   dieselbe 
^iiche  in  der  Welt  ist  (S.  108).     An  Hus  klingt  ferner  an, 
^%k.fe  allein  Christus  daa  Plaupt  der  Christenheit  sein    könne, 
^*"^il  er  aliein  die  Funktion  des  Hauptes  erfülle,   dafs  es  in 
^"^ine    Gliedraafae    einfliefae    allea   Leben,    Sinn   und   Werk, 
^^laube,  Liebe  und  Hoffnung  ',  oder  dafsLuther  hervorhebt,  wie 
*-**.   der   römischen   Einigkeit  das   mehrere  Teil   dea  Haufens 
^*»n  ihres  Unglaubens  und  bösen  Lebens  willen  nicht  in  der 
fe«iatlichen  Einigkeit  ist,  wie  also  die  Zugehörigkeit  zur  em- 
X*irischen  Kirche  nicht  über  die  Gliedschaft  an  der  wahren 
S.irche  entscheidet ".   Das  sind  aber  sämtlich  ganz  gleichgültige 
Kleinigkeiten.    Eine  wirklich  belangreichcEinwirkungvonHus 
luge  vor,  wenn  er  sich  durch  das  von  ihm  entlehnte  Schema 
verschiedener  Bedeutungen  des  Wortes  Kirche,  welches  ohne- 
bin  Hus'  Gesamtanschauung   gar   nicht   deuthch   macht,   da 
derselbe  nicht  verschiedene  wirkliche  Kirchen,  sondern  ver- 
schiedene Anwendungen  des  Wortes  Kirche  einander  gegen- 
überstellt, zu  der  Nebeneinanderstellung  von  geistlicher  und 
leiblicher  Christenheit,    die    in  dieser  Schrift    vorliegt,    hätte 
filbren    lassen.      Das    Verhältnis    der    leiblichen    und    äufser- 
liehen   Christenheit  zu   der   geistliehen   wird  ja  erst   zuletzt 
seiner    eigentlichen   Ansicht    entsprechend  gefafst,   wenn   er 
W^ort  und  Sakrament  als  Grund  und  Zeichen   der   letzteren 
nennt.     Vorher  giebt  er  sehwankende  und  ungenügende  Be- 
BÜmmungen.    Zuerst  heiTst  es:  von  der  leiblichen,  wo  sie  allein 
ist,  steht  nicht  ein  Buchstab  in  der  Schriit;  dann:  sie  verhält 
sich    zur   geistlichen,    wie    der    Leib    zur  Seele;    sie   ist  not- 
wendig,  weil,   wenn  auch  die  im  Glauben   einträchtige  Ge- 
meinde  sich   nicht   an   einem   Ort   verBamraehi   kann,   doch 
ein  jeglicher  Haufe  an  seinem  Ort  leiblich  versammelt  wird ; 
sie  macht  keinen  wahren  Christen,   aber   sie  bleibt  nimmer 
ohne  etliche,  die  wahrhaftige  Christen  sind. 

Ohne    diese  Nebeneinanderstellung    hätte    er    seine   wirk- 
liche   Anschauung    viel    klarer    entwickeln    können ,    wenn 

1)  a.  «.  0-  S.  104-105. 


i 


570  GOTTSCHICK, 

er  sofort  auf  die  sichtbaren  BediDguDgen  der  geisdichen 
Christenheit  reflektiert,  die  Notwendigkeit  der  Übertragung 
der  Ausübung  der  Schlüssel  an  bestimmte  Personen  mid 
die  daran  sich  möglicherweise  anschlielsende  Inkongraens 
zwischen  beiden  Christenheiten  aufgezeigt  hätte.  Die  Dar- 
stellung seiner  Lehre  von  der  Kirche  in  dieser  Schrift  ist 
es  vornehmlich,  welche  an  den  späteren  Fehlem  in  der 
Distinktion  zwischen  der  unsichtbaren  und  sichtbaren  Kirche 
die  Schuld  trägt,  während  die  in  der  Konsequenz  seiner 
Anschauung  von  der  Zusammengehörigkeit  der  GremeiDde 
der  Gläubigen  und  dem  Worte  Gottes  gel^ene  Beantwortung 
der  Frage,  wie  das  Prädikat  der  Kirche  der  empirischen 
Gemeinschaft,  welcher  Heuchler  beigemischt  sind^  zukommen 
kann,  in  späteren  Schriften  viel  zutreffeoder  ausgefallen  ist 
So,  wenn  er  in  der  Auslegung  des  118.  Psalms  von  1530 
die  gottlosen  Päpste  und  Bischöfe  mit  Wiederholung  de» 
Bildes  von  Augustin  und  Hus  mit  Speichel,  Rotz,  Eiter, 
Schweifs  u.  s.  w.  vergleicht,  die  auch  in  und  am  Leibe 
sind  und  die  der  Leib  tragen  mufs,  ohne  dafs  sie  zu  ihm 
gehören  ^  Oder,  wenn  er  im  grofsen  Kommentar  zum  Ga- 
laterbrief  von  1535  erklärt,  der  ganzen  Gemeinde,  die  Wort 
und  Saki*amente  habe,  komme  um  deswillen  das  Prädikat 
der  Heiligkeit  zu,  weil,  was  von  dem  Teil  gelte,  an  dem  die 
Heilsmittel  wirklichen  Erfolg  haben,  ^)er  synecdochen  auf 
das  Ganze  übertragen  werde  ^.  Oder  wenn  er  in  der 
Schrift  „V'on  Conciliis  und  Kirchen*'  (1539)  von  den  dem 
Volke  Gottes,  welches  als  Subjekt  und  Effekt  des  Wortes 
Gottes  durch  den  Glauben  zu  statuieren  ist,  heimlich  beige- 
mischten falschen  und  ungläubigen  Christen  sagt,  dafs  sie 
das  Volk  Gottes  nicht  entheiligen  ^,  Oder  wenn  er  in  der 
Schrift  „Wider  Hans  Wurst"  (l54l)  bei  aller  Anerkennimg, 
dafs  unter  dem  Papsttum  wegen  Wort  und  Sakrament 
u.  8.  w.  rechte  Christen  sind,  die  päpstliche  Kirche  als  des 
Teufels  Kirche   oder  Hure   bezeichnet,    die   in    der  Kirchen 


1)  W.  W.  XU,  S.  72. 

2)  E.-A.  Comm.  in  Ep.  ad.  Gal.  I,  p    40.  41. 

3)  W.  W.  XXV,  S.  363. 


HU8,  LUTHER  OND  ZWlHGLt.  571 

,  aufgerichtet  wird ,  von  solchen ,  welche  nicht  von  der 
.  Kirchen  oder  nicht  Glieder  der  Kirche  Bind,  wie  auch  im 
Alten  Bunde  und  zur  Zeit  ChriBti  Heuchler  in  der  Kirche 
gewesen  sind  '.  Hier  überall  ist  die  Kirche  als  einheitliche 
Gröfse  aufgefarst,  die,  obwohl  ihrem  Wesen  nach  aus  Gläu- 
bigen bestehend,  doch  gar  nicht,  auch  nicht  vorlSufig,  wie 
in  der  Schrift  vom  Papsttum  zu  Rom,  ohne  die  Gemein- 
schaft an  Wort  und  Sakrament  vorgestellt  wird.  Das  ist 
freilich  nicht  die  Meinung,  als  ob  es  Luther's  Anschauung 
eigentlich  widerspräche,  wenn  man  das  Wesen  der  Kirche 
nach  der  Beschaffenheit  der  einzelnen  Glieder,  also  noch 
ilirem  Glauben  bestimmt,  wie  das  bei  einem  neueren  Be- 
bampfer  eines  atomistischen  Gemeinachaftsbegriffea  und  Ver- 
treter von  Luther's  Kirchen  begriff  fast  so  herauskommt,  und 
als  ob  die  so  zu  sagen  unperaönlichen  Gröfsen  von  Wort 
und  Sakrament  für  sich  als  Merkmale  der  Kirche  aus- 
reichten. Das  jffürde  zweifelsohne  wieder  darauf  hinaus- 
führen, die  Kirche  als  Anstalt  mit  sachlichem  Gepräge  zu 
&ssen.  Es  ist  vielmehr  durchaus  erforderlich ,  um  jene 
Merkmale  der  Kirche  nach  Luther  richtig  au  verstehen, 
dafs  die  Gläubigen  als  ihr  Subjekt  nicht  minder  wie  als 
ihre  Wirkung  mitgedacht  werden.  Die  Kirche  als  Gemein- 
schaft des  Evangeliums  und  als  Gemeinde  der  Gläubigen 
sind  für  Luther  Wechsel begri ffe ;  aber  eben  deshalb  ist 
auch  die  Nebeneinandersteilung  einer  geistlichen  und  leib- 
lichen Christenheit,  die  sich  wie  konzentrische  Kreise  ver- 
halten, kein  adäquater  Ausdruck  tiir  seinen  Gedanken, 
nach  welchem  die  Kirche  eine  einheitliche  GrÖfse  ist,  die, 
obgleich  eine  in  den  Funktionen  von  Wort  imd  Sakrament 
sichtbare  Gemeinschaft,  doch  unsichtbar  heifsen  mufs,  weil 
lediglich  das  Urteil  des  Glaubens  in  Wort  und  Sakrament 
die  Gewähr  fiir  das  wirkliche  Vorhandensein  der  wahren 
Kirche  erkennt. 

Trotz  der  in  der  Schrift  gegen  Alveld  vorliegenden 
relativen  Inkongruenz  der  Darstellung  mit  Luther's  früheren 
and  späteren  Ausführungen  dürfte  es  dennoch  nicht  aweifel- 

1)  W.  W.  XXVI,  S.  28.  29.  37.  38.  47. 


572  GOTTSCmCK, 

los  sein,  dafs  der  Ghrond  der  vorläufigen  Nebeneinander  \% 
Stellung  der  geistlichen  und  der  leiblichen  Christenbeit  in 
einem  Müsverständnis  hassischer  Schemata  zu  suchen  ist  In 
dem  (Gegensatz  gegen  AlTeld's  rein  empirische  Anffassnng 
der  Kirche  nach  Analogie  einer  irdischen  Gemeinschaft,  aat 
der  derselbe  die  Notwendigkeit  eines  leiblichen  Hauptes  der 
Kirche  gefolgert  hatte,  dürfte  doch  eher  der  Grund  dsfiur 
zu  suchen  sein,  dafs  Luther  den  prinzipiell  geistlichen,  über 
weltlich  poUtische  Mafsstäbe  hinausliegenden  Charakter  der 
wahren  Kirche  ^  in  den  Vordergrund  gestellt  and  durch 
den  Unterschied  derselben  von  der  empirischen ,  leiblichen, 
mit  Ungläubigen  untermischten  äuTserUchen  Christenheit,  die 
wirklich  „durchs  geistUche  Recht  und  Prälaten'"  r^ert 
wird,  illustriert  hat. 

Dag^en  dürfte  es  nicht  zu  bezweifeln  sein,  dafs  Luther 
Hus  die  oben  dargelegte  Aneignung  der  augustinischen  For- 
meln verdankt,  nach  welchen  die  Ungläubigen,  wenn  in 
der  Kirche,  doch  nicht  von  der  Earche  sind,  oder  für 
die  gläubige  Beurteilung  der  Kirche  nicht  in  Betracht  kom- 
men. Denn  in  dem  kleineren  Kommentar  zum  Galaterbrief 
vom  Frühjahr  1519  hat  er  bei  der  Auslegung  der  Adresse 
ecclesiis  Galatiae,  die  ihm  im  grofsen  Kommentar  den  An- 
lafs  zu  der  vorher  erwähnten  Ausfuhrung  über  den  synek- 
dochischen Gebrauch  des  Prädikates  Kirche  gegeben  hat, 
auf  Anregung  von  Hieronymus  das  Problem  aufgeworfen, 
wie  die  vom  Irrtum  depra vierten  Gemeinden  doch  Kirchen 
heifsen  können.  Aber  er  hat  es  nicht  dogmatisch,  sondern 
nur  ethisch  gelöst,  indem  er  sich  gegen  die  Häretiker  er- 
klärt, welche  die  Kirche  ein  Babel  nennen,  weil  sie  Böse  in 
sich  schliefst,  während  sie  sich  allein  als  Heiligen  den  Na- 
men der  Kirche  anmafslicherweise  vindizieren.  Wenn  es 
Böse  gebe  in  einer  Gemeinde,  so  sagt  er,  so  gebiete 
es    die    Liebe ,     alle    Mittel     aufzuwenden ,     damit     sie     zu 


1)  W.  W.  XXVII,  S.  103.  Wie  kann  hier  ein  Mensch  regieren,  das 
er  nicht  weifs  noch  erkennet?  Wer  kann  aber  wissen,  welcher  wahr- 
haftig gläubig  ist  oder  nit? 

2)  a.  a.  0.  S.  102. 


HUSy  LUTHER  UND  ZWINGU.  573 

^  Guten   werden,    nicht    aber    dürfe    man    ein    Schisma    an- 
■  richten  ^ 

^         Femer  mag  Luther  eine  Befestigung  in  dem  Gedanken, 
i  da(8  der  Papst  der  Antichrist  sei,  der  ihm  gelegentlich   des 
i   Studiums  der  Dekretalen  schon  aufgestiegen  war  ',  der  Lektüre 
I    von  Hus  verdanken.   Wenigstens  spricht  er  es  im  Juni  1520 
1    zuerst  mit  voller  Schärfe  öffentlich  aus,  dafs  der  Papst  der  Anti- 
;    Christ,  Rom  Babylon  und  die  römische  Kurie  die  Synagoge  des 
I    Satans  sei  '.    Und  als  er  1521  gegenüber  Ambr.  Catharinus  von 
i    dem  Gefüge  der  päpstlichen  Gewalt  und  seiner  Untergebenen, 
I    das    dieser  mit    der  Elirche    identifiziert,    erklärt,    derselbe 
könne  nicht  nur  nicht   beweisen,   dafs   dies   die  Kirche  sei, 
sondern   gebe  die   Synagoge   des  Satans,   in   der   der   Geist 
des  Satans  herrsche,  als  die  Kirche  aus,  die  doch  der  Geist 
Gottes  regiere,  so  ist  er  sich  der  Übereinstimmung  mit  Hus 
sehr  wohl  bewufst;   denn   er  fährt  fort:    noli   hie    clamare 
Hussiiam,   clamor  non  solvü  argumenta  *.     Wenn    er   hier 
vorher    in  ähnlicher  Weise   wie  Hus   leugnet,    dafs   die   rö- 
mische Kirche,  ja  eine  äufsere  Kirche  überhaupt,  die  Matth. 
16,  18   gemeinte   sei,    weil    die    wahre  Kirche   ohne  Sünde 
sein  müsse,  weil  über  sie  die  Pforten   der  Hölle  keine  Ge- 
walt haben,   während  es  zutage  liege,    dafs  der  Papst  und 
die  in   sichtbarer  Verwaltung   ihm  Unterworfenen   sündigen 
und  gesündigt  haben  ^,   so   hat  er  nicht  nur  dies  Argument 
schon  vor  der  Leipziger  Disputation  vorgetragen  (vgl.  S.  564, 
opp.  var.  arg.  HI,  307),   sondern  es  besteht   auch  jetzt  der 
Unterschied,  dafs  Luther  die  Gesamtheit  der  jeweilig  Gläu- 
bigen  als   diese  gegen   Sünde   und   Hölle   gesicherte  Kirche 
denkt,  während  Hus  die  sich  damit   nicht   deckende  Gröfse 
der    Zahl    der  Erwählten   vor  Augen    hat  **.     Endlich    mag 


1)  E.  A.  Comm.  in  ep.  ad.  Gal.  III,  p.  151.  152. 

2)  DeWette,  Luther's  Briefe  I,  S.  219. 
•0  Opp.  var.  arg.  II,  79. 

4)  Ib.  V,  300. 

5)  Ib.  V,  294.  295. 

6)  a.  a.  0.  I,  257,  1 :  videtur  .  .  ecclesia  accipi  pro  omnibus  .  . 
qoi  post  resurrectionem  eius  erant  superaedificandi  in  ipso  per  fidem 
•t  per  gratiam  consummantem. 


IV. 

Die  frühesten  AufserungeD;  aus  denen  sich  Zwingli's  An- 
schauung von  der  ELirche  entnehmen  läfst,  finden  sich  in 
dem  Archeteles  von  1522;  dieselben  stimmen  überein  mit 
den  Ausfuhrungen  über  das  Wesen  der  Eärche,  die  in  einer 
Reihe    von   Bekundungen    der  Jahre   1523    bis    1525    vor- 


574  OOTTSCHICKy 

die  Bduamtachaft  mit  Hos  mii  disa  beigeftngen  hmben,  dii  K 
er  im  Jahre  1520  die  mngiutimache  Stmataidee  in  der  L 
Wendong  Tertreten  hat,  dab  die  wdtliche  Obrigkeit  ab  li^ 
Glied  des  christlichen  Körpors  vor  Qott  Pflicht  und  Reck  || 
habe,  die  Reform  der  Sjurche  selbsttndig  und  auch  wider 
den  Willen  der  Hierarchie  ansnstreben. 

So  Iftlkt  sich  denn  behaupten,  dals  Luther  seinen  eigen» 
tOmlichen  Kirchenbegriff  nicht  dner  Anregung  yon  Eh» 
▼erdankt,  sondern  ihn  von  seiner  HeiUehre  aas  hinaichtlidi 
seiner  religiösen  Ghrmdgedanken  TöUig  sdbstSndig  entwiekek 
hat,  und  dafs  auch  die  später  angetretene  Bekanntscbsft 
mit  Hus  ihm  keineriei  wesentliche  Förderung  hat  gewihrea 
können.  Insbesondere  mu6  noch  darauf  hingewiesen 
den,  dafs  er  den  Schlulsstein  seines  Eirchenbegriflks, 
Erkenntnis,  dafs  unter  den  Christen  vermöge  des  allgemei- 
nen Priestertums  kein  Unterschied  ihres  geistlichen  Cha- 
rakters obwaltet,  dais  die  regelmäfsige  Verkündigung  des 
Worts  und  die  Verwaltung  der  Sakramente  nur  die  Ausübung 
eines  an  sich  allen  zustehenden,  nur  um  der  Ordnung  wiUen 
von  der  Gemeinde  auf  taugliche  Einzelne  übertragenen  Amtes 
ist,  völlig  selbständig  gewonnen  hat  Von  den  Prämissen 
seiner  Heilslehre  aus  hatte  Hus  keinen  W^  zum  Bruch 
mit  dem  katholischen  Priesterbegriff  und  damit  zu  der  Er- 
kenntnis gefunden,  die  erst  die  rechtlichen  und  religiösen 
Merkmale  der  Kirche  in  das  Verhältnis  setzt,  durch  welches 
der  katholische  Kirchenbegriff  definitiv  ausgeschlossen  ist 


HUS,  LUTHER  TND  ZWINOLI.  675 

Bgen  '.     Damit  ist  die  Möglichkeit  in  viel  stärkerem  Mafse 
»    bei  Luther    begründet,    dafa  Hub    auf   seinen   Kirchen- 
f^iff  Einflufs    geübt;    denn    er  hat    damals    Hus'    Traktat 
.Tber  die  Kirche  längst  gekannt,  scliickt  er  ihn   doch   schon 
Pfin    6.   Juli  1520    an    Myconius   mit    der  Bitte    um    Rück- 
IBlldung  *.      Allerdings   hat    er    auch    die  Schriften    gekannt, 
"^ft  welchen  Luther's   neuer  Kirchen  begriff  zum   Durchbruch 
nskommen  war.     Ustcri  hat  kürzlich  den  Nachweis  geliefert^ 
*wfe    er  Luther's   Resolutionen    über    die    Äblafstheaen ,    die 
'tpchriften  gegen  Prierias,  die  Sermone  „de  poeniteniia",  „de 
Hndtiigenliis",  „de  virtute   &rcotnmunicalionis",   die   auf  die 
•  Leipziger    Disputation    bezüglichen    Schriften ,    insbesondere 
"die  Ausiiihrungec  über  die  13.  These  in  Besitz  gehabt". 
Zwingli  unterscheidet  nun  bekanntlich   in  seinen   letzten 
Schriften    von    1530   und    1531    sichtbare    und    unsichtbare 
Kirche,  definiert  die  letztere  als  Gemeinschaft  der  Erwählten, 
'  und  stellt  beide  so  nebeneinander,   dafs   es   nicht   unberech- 
■   tigt  ist,  zu  sagen,  Kirche  sei  ihm  nur  der  gemeinsame  Aus- 
druck  iur   zwei   begrifflich  ganz   verschiedene  Gröfsen,   für 
eine    religiöse    und    für    eine   politisclie   Gemeinschaft.     Für 
Kraufs  und  Seeberg   ist  es   eine  sei bstvers ländliche  Voraus- 
setzung, dafs  Zwingli  dort  unter  dem  direkten  Einflufs   von 
Hufs  stellt.     Kraufs  schreitet  sogar  zu  der  Behauptung  fort, 
es  sei  nicht  möglich,  Zwingli's  Lehre  darzustellen,  ohne  dafs 
man  diese  Anschauung,  als  die  ursprüngliche,   von   der   die 
Reformation  ausgegangen  sei,  in  den  Vordergrund  stelle,  und 
fUlirt    demgemäfs    auch    die    Lehre    der   oben    bezeichneten 


1)  67  Scblulsredeu  für  die  I.  Züricher  Disputation  (29.  Januar 
1623);  „Uilegnng"  derwibcn  u.  Akten  der  Disputation,  vgL  Zwingli'g 
Werke  hcrauagegebeo  von  Scbulcr  und  Schulthefs  I,  S.  114 — 424; 
„  de  amonc  mis»ae  rpichirexis  "  vom  Augast  1523  (Opp.  lat.  111,  p.  8.tgq.) ; 
Akten  der  n.  Züricher  Disputation  vom  36.-2«.  Oktober  1523  (W.W. 
I,  4595.);  „der  Hirt"  rom  Frühjahr  1524  (W.  W.  I,  G31)i  „Antiltolon 
advenma  Hieronymum  Emteiinn  canonü  mwsae  adnertorei't"  vom 
August  1524  (Opp.  ist.  III,  p.  12lBq.);  AntiruTt  au  Valentin  Compar 
von  1526  (W.  W.  II,  1  ff.). 

a)  Opp.  VII,  p.  139. 

3)  Thcol.  Studien  und  Kritiken  188G,  Heft  1(J 


576  00TT8CHICK, 

Schriften  der  ersten  Jahre,  nach  denen  Kirche  das  eine 
Mal  die  Zahl  aller  Christgläubigen  und  das  andere  Mal  die 
einzelne  Ealchhöre  bedeutet,  aut  Abhängigkeit  von  Hut 
zurück  ^  Seeberg  dagegen  findet  die  Abhängigkeit  von 
Hus  nicht  wie  Kraufs  „in  die  Augen  fallend'*,  weil  der 
Prädestinationsgedanke  noch  nicht  in  mafsgebender  Weise 
auf  den  Kirchenbegriff  übertragen  sei,  sondern  meint,  Zwingfi 
habe  hier  in  allem  Wesentlichen  dieselbe  VorstellungsweiBe 
wie  J.  V.  Wesel  und  J.  Wessel,  ist  aber  im  übrigen  damit 
einverstanden,  dafs  Zwingli  schon  hier  für  begrifflich  ganz 
verschiedene  Dinge  denselben  Ausdruck  Kirche  gebraucht  hat, 
und  urgiert  die  spezifische  Verschiedenheit  der  Anschauung 
Zwingli's  von  der  Luther's.  Ich  hoffe  darthun  zu  können, 
dafs  beide  Gelehrte  in  ihrer  Auffassung  sich  geirrt  haben, 
dafs  Zwingli  vielmehr  in  den  oben  genannten  Schriften  in 
der  weitgehendsten  Weise  von  Luther  abhängig  ist 

Für  die  irrtümliche  Auffassung  beider  Gelehrten  dürfte 
zunächst  der  Grund  darin  zu  suchen  sein,  dafs  sie  unter- 
lassen haben,  sich  die  Frage  zu  stellen,  aus  welchem  prak- 
tischen  Bedürfnis  Zwingli's  Aufserungen  über  die  Kirche 
entspringen.  Derselbe  sieht  sich  nun  zu  solchen  durchweg 
veranlafst  durch  den  Anspruch  der  Römischen,  dafs  Papst 
und  Bischöfe  oder  Konzil  die  Kirche  Christi  seien,  der  alle 
Hoheitsprädikate  gebühren  (Leib  und  Braut  Christi,  die 
eine  allgemeine  heilige  Kirche,  ohne  Flecken  und  Runzel, 
die  er  mit  seinem  Blut  erworben,  die  nicht  irren  kann),  dafs 
demgemäfs  die  Reformationsbestrebungen  eine  Empörung 
wider  die  göttliche  Ordnung  und  eine  Sünde  wider  die 
Kirche  seien.  Von  dieser  Voraussetzung  aus  hatte  der 
Bischof  von  Kostnitz  die  Anklagen  erhoben,  auf  die  Zwingli 
im  Archeteles  *  antwortet,  hatte  Martin  von  Tübingen  auf 
der  ersten  Züricher  Disputation  erklärt,  dafs  die  auf  den 
Konzilien  versammelte  Kirche  nicht  irren  könne  ^ ,  war 
Zwingli  von  Sebastian  Hofmeister  auf  der  zweiten  Züricher 


1)  a.  a.  0.  S.  21. 

2)  Opp.  I,  p.  53.  70  etc. 
:i)  W.  W.  I,  S.  189. 


HUS,  LUTHER  UND  ZWISQLl.  577 

putation  gebeten,  darzulegen,  was  die  Kirche  sei,  da  die 
Der   behaupteten,    die   rümische  Kirche    müsse   es    alles 
eine   Versammlung   wie   die   ihrige   hier  sei  gänzlich 
elugt  '.      Eb   diirl'te    sich    schon    aus    dieser    praktiacheu 

b'veckung  abnehmen  lassen,  dafa  es  nicht  genügen  konnte, 
c»»  Zwingli  mit  der  Aufstellung  eines  ganz  unfafsbaren 
&.len  Kirche ubegrifFea  die  Ansprüche  der  Römischen  ab- 
ö»;    das    positive    Bedürfnis,    das    eigene    reformatoriache 

ndeln  als  kirchhch  legitimiert  darzuthun,  war  damit  noch 

fat  erfüllt. 
ZwingU  stellt  allerdings  zunächst  die  verschiedenen  Be- 
deutungen des  Wortes  Kirche  einfach  neben  einander.  Aber 
Lese  empirische  AufzShlung  hat  keine  andere  Bedeutung 
lIs  die,  festzustellen,  in  welchem  mehrfachen  Sinne  das 
Vort  Kirche  in  der  Schrift  gebraucht  werde,  um  dadurch 
.en  römischen  Prätenaionen  von  vornherein  den  Grund  zu 
Dtziehen  *,  da  die  Schrift  nichts  davon  wisse,  dafs  die  Bischöfe 
ie  Kirche  seien.  Darum  präjudiziert  diese  vorläufige  Neben- 
inanderstcUung  dem  gar  nicht,  dafs  für  Zwingli  die  he- 
'efienden  Gröfsen  innerlich  notwendig  auf  einander  bezogen 
ind. 

Kirche,  so  sagt  nun  Zwingli,  als  Übersetzung  von  Kahal 
der  tAAX^aia,  ist  nicht  ein  Haus,  sondern  eine  Versamm- 
ung,  eine  Gemeinde  oder  ein  Volk.  Die  Schrift  redet  aber 
on  ihr  in  zwei  Bedeutungen.  Einmal  hat  sie  dabei  die 
iahl  aller  Christgläubigen  oder  aller  frommen  Christen 
m  Auge.  Sie  ist  es,  von  der  Matth.  16,  lüff.  redet,  die 
lemeinde  der  auf  Christus  den  Fels  Gebauten,  die  Menge 
lerer,  welche  bekennt,  so  wie  Paulus  bekannt  hat '.  Und 
iwar  ist  es  der  Glaube  im  spezifisch  evangelischen  Sinn,  den 
>wingli  dabei  im  Auge  hat,  als  persönliches  Vertrauen  zu  der 
a  Christus  geo&enharten,  Sünde  vergebenden  Gnade  *.    Schon 

1)  W.  W.  I,  s.  ins. 

2)  W.  W.  I,  S.  197. 

3)  W.  W.  I,  197.  198.  409, 

4)  W.  W.  I,  469.  656;  die  kikh  wird  eiuest  ...  Tür  alle  die  ge- 
lommen,  die  all  ihr  Euveraicht  UDd  aicherung  des  heila  uf  Cliriatua 
;ebuiTet  haben.    Opp.  lat.  III,  136.    67  uticuli  I— VIO. 


578  OOTTSCfflCK, 

dies  begründet  einen  wesentlichen  Unter8chied  von  J.  v.  Weid 
und  J.  Wessel;   bei  denen  die  fides    als    ckaritaie  formsk 
über   die   Zugehörigkeit  zur   Kirche    entscheidet.     Dagega 
hat   Seeberg  darin  Recht,   dafs  der   Prädestinationsgediab 
in    den   diesen    Zeitraum    erfüllenden    Auseinandersetzanga 
mit    den    Römischen    noch    keinen     bestimmenden  G^ 
flufs     auf     ZwingU's    Eirchenbegriff     ausübt ,     obwohl   er 
auch    jetzt    schon    einmal    die    Kirche    aJs     ^>die    gands- 
same   aller  userwählten  glöubigen^'    definierte     So  g^ 
wifs    er    so    gut    wie    Luther    die  Prädestinationslehre  tob 
Anfang  an  geteilt  hat;  so  ist  doch  fiir  seine    reformatorisde 
Thätigkeit   und  Anschauung  nicht   sie,    sondern   das  Evaih 
gelium    von    der   Vergebung    in    Christus    mafsgebend.    In 
diesem  evangeUschen  Glaubensbegriffe  ist  es  femer  begründel, 
dafs  jeder,  der  zur  Barche  gehört,  um  seine  Gliedschaf^  an  der 
Kirche  oder  an  Christo  weifs,  dafs  die  Kirche  insofern  Lob 
Christi  ist,   als  Glieder  desselben  alle  sind,    die    durch  den 
Glauben  in  ihm,  dem  Haupte  leben  (Art.  8)  *.      Die  Kirche 
in  diesem  Sinne  ist  ferner  identisch   mit   der  Gemeinde  der 
Heiligen,    von    der   das  Symbol   redet.     Die    hier  gemeinte 
Heihgkeit  ist  eine  gegenwärtige  Beschaffenheit  der  Christen, 
die  mit  dem  Glauben  gegebene  Gerechtigkeit,  welche  Christas 
durch    sein    Blut    erworben.      Der    betreffende    Passus    des 
Symbols  darf  nicht  auf  die  Vollendeten  im  Himmel  bezogen 
werden.     Rufin's  Schweigen  über  denselben  beweist,  dafs  er 
erst  später  hinzugesetzt  ist,  um  anzudeuten,  was  unter  ecclesia 
catholica  zu  verstehen  sei  ^. 

Aus  dem  wesentlichen  Merkmal  der  Kirche ,  welche 
Gegenstand  des  Glaubens  ist,  ergiebt  sich  ihr  Umfang,  den 
das  Symbol  mit  dem  Prädikat  der  Allgemeinheit  bezeichnet 


1)  W.  W.  I,  198. 

2)  W.  W.  I,  204  hat  er  all  sein  Zuversicht,  hoffnuDg  und  trost 
zu  Gott  durch  Christum  Jesum,  so  ist  er  in  der  kilchen. 

3)  art.  VI  11  ecclesia  seu  communio  sanctorum  W.  W.  I,  200. 
Opp.  lat.  III,  127 :  Uua  forinosa  columba,  ab  omni  labe  libera  .  .  sunt 
quotquot  sc  Christi  sanguine  redemptos  ac  ei  velut  speciosam  sponBsm 
copulatos  inconcusse  credunt.  Qui  in  Christo  nitontur,  sine  mga 
sunt  et  macula,  eo  quod  Christus  sine  bis  ipsis  est,  qoi  noeter  est. 


BVR,  LCTHEB  UND  ZWINGU.  679 

Derselbe  erstreckt  sieb  durch  alle  Zeiten  und  Räume.  „Also 
und  alle  glüubigeo,  die  je  warend  und  iemer  mee  werdend, 
nur  ein  kilch,  die  ein  gemabel  Jesu  Christi  ist;  denne  er 
hat  sich  für  ay  hingegeben"  '.  Zum  anderen  lautetauf  die 
Frage,  wo  diese  Kirche  sei,  die  Antwort:  „durch  das  ganze 
£rdi'eicb  hin" '. 

Liegt  es  im  Wesen  der  Kirche,  Versammlung  zu  sein, 
Bü  ist  femer  zu  fragen,  wo  sie  zuBammenkommt  und  also 
lür  uns  eine  empirische  Gröfse  wird.  AVegen  ihrer  Er- 
streckung  durch  alle  Zeiten  und  Räume  kann  sie  liier  auf 
Erden  nie  zusammen  kommen.  Als  die  eine  tmd  allgemeine 
wird  sie  sichtbar  versammelt  erst  am  Tage  des  Gerichts. 
Bis  dahin  ist  sie  tiir  uns  ein  Gegenstand  des  Glaubens,  der 
nur  vor  den  Augen  des  Geistes  als  Wirklichkeit  dasteht. 
Nur  im  Geist  Gottes  und  im  Glauben  ist  sie  jetzt  bei  ein- 
ander. Kurz,  sie  ist  als  Ganzes,  wie  hinsichtlich  der  Ein 
zelnen,  die  zu  ihr  gehören,  uns  jetzt  nicht  sichtbar.  Gott 
allein,  der  das  zeitlich  und  räumlich  Getrennte  gegenwärtig 
schaut  und  die  Ueneen  prüft,  kennt  sie  in  ihrer  Einheit 
und  Allgemeinheit  so  wie  nach  der  Zahl  ihrer  öneelnen 
GUeder ». 


I)  W.  W.  1, 4G9.  Seeberg  hat  diese  Stelle  übersehen,  wenn  er  meint, 
dsTa  Zwingli  auf  die  Erstreckung  der  Kirche  durch  alle  Zeiten  erst 
später  im  direkten  Zasanimenhang  mit  dem  Prädestiualtonsgedanken 
reflektiert  habe.  Auch  sonst  rechnet  Zwingli  schon  in  dieser  Zeit 
die  altteatamentlicbe  Gemeinde  mit  eut  Kirche  (Opp.  lat.  III,  126X 

■2)  W.  W.  I,  V.>1:  Opp.  kt.  I,  469;  III,  'Jl  also  dal«,  welcher  in 
ladia  ist  und  gloubl,  dafs  uns  Gott  Binen  sun  J. Christum  eu  einem 
Heilacd  geben  hat,  der  ist  ein  glied  der  gxnzeii  glöubigen  gemeind 
gljrcb  als  wol  als  der  za  Zürich  wont  und  den  glouben  hat. 

3^  W.  W.  1, 1518.  Ist  sy  ein  Versammlung,  wo  kummt  sy  zemmen? 
Antwurt:  Hie  kämmt  sy  durch  den  geist  gotles  zemmen  in  einer 
hoffnUDg,  und  dort  bei  dem  einigen  Colt.  Wer  kennt  sy?  Gott.  — 
I,  '200  in  derselben  sind  nlle  frommen  Christen,  die  erst  by  Gott 
weseutlicli  versammelt  werden  nach  diaem  eyt ;  aber  diwyl  sy  hie  iat, 
■D  lebt  sy  allein  in  der  Hoffnung  und  kummt  sichtbarlich  nÜntmer 
:n,  aber  iu  dem  liecht  iles  göttlichen  geista  und  gloubens  istsy 
leb  alle  weg  bey  einaudreo,  das  ist  aber  nil  siebtbar.  — 
8.     Zum   ersten   wirt  die   cbriatenlich   kilch   g«Doinmen   tax   die 


580  GOTTSCmCK, 

Durch  diese  Universalität  und  Geistlichkeit  der  Kircb^ 
sind  die  römischen  Prätensionen  ausg^chlossen.  Es  k 
selbstverständlich,  dafs  eine  so  partikulare  Gröfae^  wie  & 
Versammlung  der  Bischöfe,  oder  der  Papst,  oder  die  n- 
mische  Kirche  nicht  die  Kirche  sein  kann.  Von  einer 
eccl,  repraesentaiiva  weifs  die  Schrift  nichts.  An  Orte  aal 
Personen  kann  die  allgemeine  Kirche  nicht  gebunden  sein  \ 

Es  kann  nun  keinem  Zweifel  unterliegen,  dals  die  \kr 
herigen  Aussagen  Zwingli's  über  die  Kirche  nicht  nur  imt 
denen  Luther's  übereinstimmen,  sondern  direkt  von  dieaea 
entlehnt  sind.     Insbesondere  hat  die   Schrift  ,,  Vom  Pifst- 


ganze  menge  der  glöubigen,  welche  allein  gott  bekannt  ist,  der  aBe 
ding  gegenwärtiglich  ansieht.  Dann  wir  alle,  die  ^löabig  sind,  wer- 
dend die  kilch  nit  sehen,  bis  dafs  sieandem  jüngsten  tagTorden 
richter  Christo  aemmen  kommen  wird.  —  Opp.  lat.  II I,  91.  Com  enisi 
dicimus  universam  credentium  concionem  abivis  gentiam  sparsam  hac  tm 
salvam  fieii,  si  uno  Christo  fidat,  negant,  se  hanc  concionem  capere; 
qaum  nos  eam  dicimus  soli  deo  cognitam  et  exploratanif 
nobis  autem  intellectu  tantam  conceptam,  iterum  se  in- 
telligere  negant ;  quasi  vero  capere  nequeant,  si  quis  dicat,  non  omnes 
esse  Romanos  qul  intra  promoeria  Romani  imperii  degant,  sed  eos 
modo  qui  animi  virtute  ac  fide  Romani  sint,  sive  apud  Indos   degant, 

sive  apud  penltus  toto  divisos  orbe  Britannos eos  nempe  haue 

esse  ecclesiam,  qui  illibata  fide  Christo  haereant,  cuius  conspectai, 
ubiubi  sunt,  patent,  quamvis  nostram  lateant;  quod  ea 
concio,  dum  hie  percgriuamur ,  numquam  coeat,  oculis  tarnen  fidelis 
mentis  cernitur. 

1)  W.  W.  1, 198.  Sind  aber  nit  die  bischof,  die  gemeinlich  concilit 
haltend ,  ouch  dieselb  kilch  ?  Antwurt :  sy  sind  allein  glider  der 
kilchen,  wie  ein  jeder  ander  christ,  so  fer  sy  christum  für  ir  haiipt 
habend.  Sprichst  du:  sy  sind  aber  ecclesia  repräsentativa.  Antwort: 
davon  weifs  die  heilig  gschrift  nüts.  Opp.  lat  III,  127.  Una  igitor 
ista  famosa  columba  ....  non  aliquot  Pontifices  sunt,  etiam  sancti 
pii  immaculati.  Sed  quotquot  ....  credunt.  Non  enim  se  in 
tam  angustum  contrahi  patitur,  ut  intra  pauca  et  sibi  solis  hunc  h<^ 
norem  arrogantia  membra  contineatur;  sed  per  Universum  orbem  sese 
extendens  ubique  membra  sumit,  et  quanto  vastior  ac  amplior,  tanto 
et  speciosior  est.  —  III,  130.  Dizimus  hanc  christi  sponsam  ecdesiam 
per  Universum  orbem  ubicunque  fideles  sunt  dispersam,  ne  tam  misere, 
instar  alligatae  Hierosolymis  asinae,  Christi  oves  aut  Romae  aot 
Alexandris  Juliis  Lieonibus  Hadrianis  perpetuo  astringerentur. 


nus,  LurnBH  und  zwinoli.  58i 

I  zu  Kom"  ganz  unverkennbar  ihm  ala  Vorlage  i^edient. 
luch  sia  will  nach  lier  Schrift  die  Bcdciitunt^en  des  Wort« 
tirclie  angeben.  Auch  nie  bestimmt  die  Kirche  erstlich  ala 
mmlung  niler  Christgläubigen  auf  Erden  und  identi- 
fiziert sie  mit  der  Gemeinschaft  der  Heiligen,  die  das  Sym- 
bol bekennt,  hebt  liervor,  dais  sie  eine  Versammlung  im 
Geist  ist,  wenn  auch  die  Einzelnen  leiblich  von  einander 
durch  tausend  Sleilcn  getrennt  sind  ',  erklärt,  daft  sie  nach 
dem  Leib  nicht  map  an  einem  Ort  versammelt  werden  ', 
und  dafs  Christi  Iteieh  durch  die  ganze  Welt  allzeit  ge- 
wesen ',  betont,  dals  sie  nicht  an  liom,  noch  an  Htalt,  Zeit, 
Person  gebunden  ist,  sondern  existiert,  so  weit  die  Welt 
ist,  gicbt  endlich  als  die  Gründe  der  Unsichtbarkeit  der 
Kirche  an,  dafs  die  VersamralHug  nur  im  Glauben,  nicht 
leiblich  stattfinden  kann  und  dafs  niemand  siohet,  wer 
heilig    oder    gläubig    sei  V     Das   Beispiel   der   Christen   aus 


1)  W.  W.  XXVII,  ilii. 

a)  a.  a.  0.  1U2. 

•d)  a..  a.  0.  Ul. 

4)  a.  a.  O,  !)7,  107.  IDS.  Schon  diese  Stelle  Liilhor'»  idgt,  dafs 
Luther,  wenn  er  die  Kirche  unsiclilbar  ucmit,  nuch  die  Uiimög- 
liehkeit  im  Atige  hat,  ibro  ciiizrlnen  Oii»k'r  pmpirineh  aufzuwciaen, 
was  Sccbcr[r  (a,  a.  0.  S.  Dl)  Icufipiet.  Ab<>r  auch  die  Stelle,  auf 
welche  Secbcrg  sich  ausdrücklich  beruft,  die  Stelle  aus  der  Schrift 
gcgcu  Ambr.  Ciithariiius,  in  nduhcr  Luther  dcu  Terminus  eccle*ia 
iuriniliilin  xum  crülcmnal  braucht,  uachücm  er  die  Sache  sclinn  1519 
mchrfiich  auHgCKprochcii,  beweist,  ilaOt  cit  Luthrr  bei  diesem  I'rildikat 
ahne  Zweifel  auch  „auf  einzelne  Pentoiieu  angekommen  int,  Ton  denen 
man  keine  nicherc  Kunde  hat".  Ks  handelt  »ich  dort  darum,  in  Ge- 
märnheit  des  Pdidikatea  der  KircJic,  data  dii:  Pforten  der  IIüllc  sie 
nicht  ühenvinduD  können ,  dictit'lbe  aufzuweinen.  I)<'r  Papst  und  die 
IQ  flichtliarer  Vrrwnltung  ihm  Unlerwurfcnen  können  es  nicht  scia, 
da  nie  uft  sündigen  und  gekündigt  hüben,  ja  keine  externa  eccletia 
ül>(>rhanpt,  da  bei  ihr  immer  nnnicher  sein  mufg,  ob  sie  nicht  in  Sün- 
den und  unter  der  fiewalt  der  Hölle  nei,  sondern  es  kann  nur  Chriatui 
und  mit  ihm  seine  im  Geist  heilige  Gemeinde  eein.  Wie  nun  dieiier 
BÜndlosc  Fels  unBichtbitr  und  gclsllich  min  l'ide  iicrceplilrilin  ist,  so 
mufs  auch  seine  sündloitG  Gemeinde  unsichtbar  und  geistlich,  nur 
durch  den  Glauben  konKlHliurhnr  sein.  Eh  handelt  sich  hier  ohne 
alle  Fragen  um  die  einzelnen  Glieder  der  Kirche. 


582  GOTTSCmCK, 

Indien  und  die  genauere  Bestimmung  des  Sinns  der  Heifig- 
keit  der  Gläubigen  und  die  Bemerkung  über  das  Fdka 
des  Artikels  cammunio  sandorum  im  Symbol  bei  Rufin  nod 
den  Grund  der  späteren  Hinzufägung  stammen  aus  derB^ 
Solution  über  die  13.  These  gegen  Eck.  Auch  darin  k 
Zwingli  in  der  ;, Auslegung'^  lediglich  Luther'a  Vorgang  in  (kr 
erstgenannten  Schrift  gefolgt,  dafs  die  konatitutiTe  B^ 
Ziehung  der  Gemeinde  der  Gläubigen  auf  das  Wort  nidit 
sofort  hervorgehoben,  sondern  erst  nachträglich  ansgesprochoi 
wird,  nachdem  er  das  Verhältnis  der  geistlichen  und  ]sSh 
liehen  Christenheit  erörtert  ist 

Aber  das  wird  nun  eben  Zwingli  von  Seeberg  schuld 
gegeben,  dafs  er  diese  konstitutive  Beziehung  überhaupt  ver- 
erkannt  und  die  Kirche  nicht  als  Produkt  des  Wortes 
Gottes  begriffen  habe.  Diese  Behauptung  ist  schon  äuAefst 
befremdlich  angesichts  der  Thatsachen,  dafs  die  These  über 
das  Wesen  der  Elirche  (67  Art.,  Nr.  VIII),  deren  Auslegang 
oben  reproduziert  ist,  in  einem  Zusammenhang  steht,  in 
welchem  von  Anfang  bis  zu  Ende  (1 — 16)  das  Evangelium 
von  der  Offenbarung  des  Gnadenwillens  Gottes  und  von 
der  Versöhnung  in  Christo  den  Grundgedanken  bildet  liHt 
der  Unabhängigkeit  des  Evangeliums  von  der  Bewährung 
der  Kirche,  mit  seinem  Inhalt  und  seiner  ausschliefslichen 
Heilsbedeutung  beginnen  die  Artikel.  Danach  ist  es  zu  be- 
messen, wenn  die  an  Christus  Gläubigen  als  sein  Leib  und 
seine  Kirche  bezeichnet  werden.  Eine  solche  konstitutive 
Beziehung  zum  Evangelium  wird  vorausgesetzt,  wenn  das 
Hören  auf  das  Haupt  allein  und  die  Übereinstimmung  mit 
Christus  als  chai'akteristisches  Merkmal  der  Glieder  der 
Kirche  erscheint.  Endlich  wird  es  Art.  13  imd  14  direkt 
ausgesprochen,  dafs  das  Hören  des  Wortes  das  Mittel  der 
Erkenntnis  des  göttiiehen  Willens  und  die  Bedingung  der 
Wiedergeburt  durch  den  Geist  ist,  und  dafs  darum  die 
Verkündigung  des  Evangeliums  das  oberste  Anli^en  der 
Christen,  d.  h.  der  Glieder  der  Kirche  ist  ^     Den  prägnsn- 

1)  Niemeyer,  CoUectio,  p.  4.  5.    Art.  13:  Verba  d»  qwam  war 
seuhant  liomine«,  pure  et  sjnceriter  Toluntatem  dei  diaeaiit.    Deinde 


H  BUS,  LÜTHEB  UND  ZWIHOLI.  688 

H  testen ,  wörtlich  mit  Luther  übereinstimmendeii  Ausdruck 
H  bat  die  konstitutive  Beziehuag  der  Kirche  zum  Worte  Qottea 
Hin  der  ersten  der  der  Berner  Di Bputation  1528  zugrunde  ge- 
H  legt«n  Thesen  gefunden,  die  Zwingli  mit  der  unbedingten  Bitte 

■  um  eventuelle  Änderung  nach  seiner  Ansicht  übergeben  waren, 
p     Dieselbe  lautet:   „die   heilig  christenlich  kilch,   deren   einig 

■  houpt  Christus  ist,  ist  us  dem  wort  gottes  geboren, 
in  demselben  blybt  sy  und  hört  nit  die  stimme  eines 
frömden"  '.  Aber  auch  in  den  von  Seeberg  benützten 
Sdirii^en  fehlt  es  an  Ausfuhrungen  nicht,  in  denen  das 
Wort  als  doB  die  Kirche  gründende  bezeichnet  und  die 
Zusammengehörigkeit  der  evangelischen  Auffassung  vom 
Worte  Gottes  und  von  der  Kirche  hervorgehoben  wird  *. 
Das  Wort  ist  also  als  Mittelbegriff  zu  denken,  wenn  es 
IJI,  337  von  der  Kirche  heifst:  haec  per  spirÜum  gignitur, 
niUrUur  ac  conservatur.  Alter  nicht  nur  als  Grund  des 
Glaubens,  sondern  auch  als  die  beständige  Nahrung  der  be- 
reits Gläubigen  ist  das  Wort  Gottes  mit  dem  Begi-iff  der 
Kirche  verbunden.  Darum  sieht  Zwingli  in  dem  Gleichnis 
vom  guten  Hirten  ein  Bild  der  Kirche.  Nur  die  sind  Schafe 
Christi  und  Kirche  Gottes,  sind  es  aber  auch  wirklich, 
die  auf  die  Stimme  des  Hirten  hören  und  keine  andere 
Weide    sich    gefallen    lassen  ^.      So    wird    denn    auch    von 


per  spiritum  dei  ia  deum  trahuntur  et  veluti  transformantur.  —  14; 
Summo  igitur  studio  huc  UDum  in  prtmis  curent  omiies  Christiaoi,  nt 
Evangelium  Cbriati  uuice  et  B^ncenter  obique  praedicetur. 

1)  W.  W.  n,  67.  68  vgl,  Lutheri  opp  var.  arg.  III,  309  quae 
verbo  dei    geuita  verbum  dei   audit   et   eoufitetur  pene^erant^r  in 

2)  Opp.  III,  130:  fateor  tibi  ignOBceudum  erae,  Emsere,  dum  verbi 
Tim  QOD  aentis,  quod  etiam  hanc  de  ecclesia  aentenUam  dod  capia. 
Nnmquam  caim  acies  quae  ait  eucleüla,  quae  labi  uou  potest,  nisi  ver- 
bum agnoBcaa,  quod  ecclesiam  conatttuit,  dum  eo  fidere  lacit 
et  eam  ab  eirure  defendit,  dum  aliud  verbum  audire  Don  permittit; 
Tgl.  VI,  302;  W,  W.  I.  198.  656. 

3}  Opp.  ni ,  p-  129.  Adbuc  tamen  esse  oportet  apecioiain 
eecleiiam,  quaa  rugam  non  habet  neque  maculam,  advenu«  quam 
etiam  infeiorum  muaitiones  atqne  portae  nihil  potsiut,  et  secuudiun 
Uta,  quae  labi  et   errare   neociat.     £ain  igitut  Cbriati  pulcberrima 


584  OOTTSCHICK, 

Zwingli  das  Wort  als  Kennzeichen  der  ^virahren  SüixJie  Ter- 
wertet,  wenn  gleich  hervorgehoben  wird,  dafs  dämm  im 
Einzelnen,  die  dem  Worte  anhängen,  nur  Gott  erkennbar 
seien,  weil  Heuchelei  möglich  sei  K  Damit  hat  Zwin^ 
ebenso  wie  Luther  den  kritischen  Kanon  gnefunden,  an  den 
sich  bewährt,  ob,  was  sich  empirisch  als  Kirche  giebt,  Eirdie 
ist  oder  nicht,  den  Kanon,  an  dem  die  Ansprüche  der  Bö- 
mischen,  die  Kirche  zu  sein,  zu  Schanden  werden,  und  dnrd 
den  die  reformatorischen  Bestrebungen  ihr  kirchliches  Bedit 
bekommen.  Das  Wort  ist  somit  auch  flir  Z^ngli  das  Mittel, 
durch  welches  die  Kirche  in  die  Erfahrung  nicht  nur  des 
einzelnen  Gläubigen,  sondern  in  die  gemeinsame  Erfahrung 
hineinreicht.  Die  Einigkeit  im  Worte  Qottes  ist  der  einzige 
empirische  Beweis  für  die  Einigkeit  im  Geist,  die  das  Kenn- 
zeichen der  wahren  kirchlichen  Einheit  ist.  Lediglich  in 
der  Treue,  mit  der  die  Gläubigen  auf  das  Wort  Gottes  sich 
stützen,  ist  die  Irrtumslosigkeit  der  Kirche  begründet  Da& 
man  einig  werden  müsse  durch  das  Concilium,  ist  ein  leeres 
Gerede,  man  mufs  einig  werden  durch  das  Wort  Gk)ttet. 
An  dem  Widerspruch  der  Konzilien  und  weiterhin  d^ 
ganzen  Papstkirche  mit  dem  Worte  Qt)ttes,  das  von  keinem 
anderen  Gegenstand  des  Vertrauens  weifs,  als  Christus  und 
Gott,  bewährt  es  sich,  dafs  sie  nicht  Kirche  Christi,  son- 
dern   ecclesia  malignarUium ,    Diener    des   Antichrists    sind, 


OYium  et  pastoris  parabola  ostendit,  ibidem  docens,  quod  ores  vocem 
pastoris  8udiant,  si  sit  pastor,  et  quod  eum  seqoantur,  sed  alium  non 
sequantur.  .  .  .  Haec  tandem  sola  est  ecclesia  labi  errarcquc  nescit) 
quae  solam  pastoris  dei  vocem  audit:  nam  haec  sola  ex  Deo  est 
Qui  enim  ex  Deo  est,  yerbum  Dei  aadit.  Et  rursus,  vos  non  auditis, 
qoia  ex  Deo  non  estis.  Ergo  qui  audiunt,  dei  oycs  sunt,  dei  ecclesia 
sunt.  W.  W.  I,  656:  si  sulltind  sonst  wohl  wüssen,  dafs  die  kiicb 
gottes  oder  die  schaaf  gottcs  oder  das  volk  gottes,  wie  du  es  nennen 
willt,  mit  gheiner  andern  weid  weder  mit  dem  wort  gottes  gespyst 
werden  mag.  Cf.  Lutheri  opp.  var.  arg.  1X1,  309  ecclesiam  .  .  qnae 
rerbo  Dei  geuita  verbum  Dei  audit  et  confitetur  perseveranfer  in 
finem,  non  aliquando  non  sapiens,  quae  dei  sunt  et  retro  abire  jussa 
sicut  Petrus. 

1)  Opp.  III,  130:  non  istic  esse  ecclesiam  ubi  aliquot  Pontifices 
congeminant,  sed  illic  ubi  verbo  Dei  haeretur. 


UU8,  LUTHEB  UND  ZWIKGU.  bib 

well      ue     st  alt     auf     Gott    auf    Men  sehen     ihr    Vertrauen 
setzen  '. 

Die  Vürauäsetzung,  unter  der  das  Wort  Gottes  als  Fun- 
dament der  Kirche  alle  Autorität  der  Träger  der  kirchlichen 
Rechtsordnung  bedingt  oder  in  Wegfall  kommen  läfst,  ist, 
dafs  es  eine  seinem  Inhalt  nach  im  Prinzip  festateheude, 
jedem  Christen  zugängliche  und  durch  sich  selbst  zweifellos 
gewisse  GrÖfse  ist.  Das  alles  ist  nun  für  Zwingli  ebenso 
wie  für  Lullicr  das  Wort  Gottes,  sofern  es  das  Evan- 
gelium von  der  Vergebung  in  Christo  in  seinem  Korrelat- 
verhältnie  zum  Heilsglaubeo  als  persoiüicher  Gewifsheit  der 
ia  CliristuB  erschlosacuen  Gnade  ist.  Das  Evangelium  in 
diesem  Sinne  und  in  dieser  Selbständigkeit  ist  für  ihn  der 
ßechtsgrund  tür  seine  reformatorischen  Bestrebungen  und 
der  Schlüssel  zu  seinem  Kirchenbegriff,  wie  er  ihn  den  Rö- 
miscben  gegenüber  entwickelt.  Dcmgemäfs  lautet  die  erste 
der  67  Schlufsredeu :  Quicunque  Evangclion  nihil  esse  di- 
cunt.  nisi  ecclesiae  calculus  et  adpidbiUto  accedat,  erratU  et 
äeum  blaspliemant.  Er  hat  mehrfach  die  entgegengesetzte 
prinzipielle  Ansicht  auf  das  bekannte  Di  k  tum  August  in 's 
zurückgeführt,  ego  evangdio  non  crederein,  nisi  ecclcsta 
approbasset  evangelittm  oder  nisi  crederem  ecclesiae  oder 
„die  kilch  zwunge  mich  denn"".    Obwohl  er  zugesteht,  dafs 

1)  W.  W.  I,  140:  dio  sdbig  kilch  . . .  regirt  nit  nacli  dem  Fleisch 
gewaltig  uf  erdi^ch,  berrscht  oucU  uil  us  jrem  eignen  mutwillen, 
sondern  hangt  und  blybt  allein  an  dem  wurt  und  willen 
gottea;  die  kilcb  mag  nit  irren.  —  1,  201:  Hie  sprechend  s^,  nu 
tnufii  man  ja  einig  werden  durch  die  ituammengesandten  väter.  Ant- 
wurC:  nein,  man  ntufB  einig  werden  durch  das  einig  wort 
gottes  .  .  ob  der  geist  gottes  by  uch  syg,  erfindt  aich  xum  ersten, 
Bo  jr  sin  wort  üwercn  wegfürer  band,  21*2  (vgl, Lulheri  opp.  V,  Sil. 
In  bis  coim  eiguis  (Taufe,  Abendmahl,  Evangelium)  yult  noa  Chriitoi 
concordarc  .  .  .  Ubi  vero  Evajigelium  non  esse  videris  (»icul  in 
Byuagoga  papistarum  .  .  .  vidcinua)  ibi  uou  dubitcs  ecclesiam  noo 
esic  .  .  .  sed  Babyloucu  ibi  esau  scia>.  Eraogelium  cnini  proe  paue 
et  baptisino  unicum  ecrtiaBimum  et  nobilisaimuin  ecclesiae  symbolum 
est),  —  I,  TO;  Opp.  in,  Dl.  Supereat  ut  concursantium  episcoporum, 
ne  dicam  cunspirantiuni  eccicsia  non  lit  alia  quam  cui  propheta 
maliguantiuiii  nomen  dedit. 

2)  Opp   Hl,  p.  53-55.    W.  W.  U,  S.  11.  13. 


586  QOTTfiCHIGK, 

Augustin  das  Wort  nicht  im  Sinne    der  P&pstler  gemek 
habe  ',   bezeichnet  er  es  doch  unverblümt    als  eine  hoAä 
unvorsichtige  Aufserung  desselben  *.     Erstlich    ist   es  eise 
offenbare  Gottlosigkeit,  zu  behaupten,  dafs  das  Göttliche  ent 
von    Menschen   seine   Autorität   bekommen     aolle  \     Kim 
dieses  Argument  sich  auf  die  formelle  Autorität  der  Sdmft 
beziehen,  auf  die  sich  ja  Zwingli  oft  genug    beruft,  so  bt 
er  doch  einen  ganz  bestimmten  Gedankengehalt  im  Auge, 
wenn    er   von  dem  Evangelium,   als   einer    schlechterdingi 
selbständigen,  den  Gläubigen  von  jeder  äulaeren  Autoritit 
befreienden  Norm  redet    Die  Sunmie  des  Evangeliums,  das 
die  Elirche  nicht  erst  zu  bestätigen  hat,  ist  nach  Art  2  der 
Schlufsreden,  dafs  Christus  der  Sohn  Gottes  uns  den  Willen 
Gottes  geoffenbart  und  uns  mit  Gott  versöhnt  hat,  oder  es  kt 
der  gnädige  Handel,  den  Gott  mit  dem  armen  menschlichen 
Geschlecht  gehandelt  hat  durch  seinen  Sohn,   oder  Christus 
selbst  ist  ihm  das  Evangelium,  Bote  und  Botschaft  zugleidi, 
das   „pfand    und    Sicherheit   der   barmherzigkeit    Gk>ttes^^ 
Wer  nun  dies  Evangelium  versteht,  d.  h.  an  dasselbe  glaubt, 
nämlich  sich  auf  die  in  Christus  aufgethane  Gnade  zweifel- 
los verläfst,  der  weifs,  wie  lächerlich  nichtig   der  Anspruch 
von   Menschen   ist,  das  Evangelium   und  den   Glauben  be- 
währen zu  wollen  ^.     Denn  wie  kommt  dieser  Glaube  zu- 
stande?    Dafs    des  Menschen   Wort  nicht   gläubig   macht, 
beweist    schon    der    Umstand,    dafs    viele    das  Evangeliunr 
hören  und  doch  nicht  gläubig  werden.     Der  Glaube  kommt 
nicht    aus    menschlicher  Vernunft,   Kunst    oder   Erkenntnis 
noch  daher,  dafs  der  Mensch  den  Glauben  erwählt,  weil  er 
eine  so  grofse  Menge  von  Menschen  dem  Evangelium  an- 
hangen sieht  (das  ist  Augustinus  Meinung),  oder  weil  Papst 
und  Bischof  das  Evangelium  approbieren,  sondern  allein  von 


1)  W.  W.  U,  S.  13. 

2)  Opp.  in,  p.  53. 

3)  Opp.  III,  p.  64. 

4)  W.  W.  II.  S.  S.  10. 

5)  a.  a.  0.  S.  IS. 


li  HtlS,  LUTHER  UND  ZWIMGLI,  587 

Wem  erleuchtendeD  uud  ziehenden  Qeist  OotteB  oder  dem 
KsiDerlichea  Zuge  des  Vätern  zum  Sohne,  dem  unmittelbar 
nich  auiBchliefsenden  Zutrnucn  zu  der  in  Christus  dtu-gebote* 
kxien  Gnade  Qottea.  yVer  aber  so  das  Evangelium  vei-stan- 
iAea  und  und  seinen  Trost  erlahren  hat,  der  hat  auch  eine 
iGelbstgewirsIieit ,  die  nicht  nur  keiner  Bestätigung  durch 
iUenschenautorität  bedarf,  sondern  diese  vertaciit  und  zurück- 
'■weiat '.  — 

II  Das  sind  Ausführungen,  die  es  aufser  Frage  stellen, 
.  dafs  die  Lehre  Zwingti's  von  dem  Verhältnis  der  \^'ii-kiuig 
Ton  Wort  und  Geist,  oder  äuferem  und  innerem  Wort, 
nicht,  wie  ea  gewöhnlich  dargestellt  wird,  einen  schwärm 
geistigen  Anflug  tragt  oder  an  einer  metaphysischen  An- 
schauung vom  Verhältnis  der  unendlichen  Ursache  zu  den 
endlichen  Ursachen  orientiert  ist,  sondern  der  evangelischen 
Glaubensertahning  entstammt,  die  das  eigene  Verständnis 
des  Evangeliums  von  dem  geschichtlich  geoffenbarten  Heile 
als  ein  Werk  Gottes  kennt.  Denn  das  zeigt  ja  der  Zu- 
sammenhang deutlich,  dafs  es  sich  hier  nicht  um  beliebige 
unmittelbare  G eiste b wirk ungcn ,  sondern  um  die  innere  Be- 
glaubigung des  geschiclitUchon  EvangeUums  handelt.  Und 
wenigstens  zwischen  ZwingU  und  Luther  begründet  es  keine 
Differenz,  wenn  ersterer  regelmäfsig  die  Wiikung  des  äufseren 
"Wortes  und  die  auf  das  Verständnis  desselben  bezogene 
innerhche  Erleuchtung  unterscheidet,  letzterer  beides  bald 
identifiraert  bald    unterscheidet.      Und    für    die    reproduzierte 


1)  W.  W.  II,  S.  11.  12;  I,  S.  ITSfl.  Opp.  III,  p,  51.  Fingite 
■StoiliaxTOf  aliquem  ...  in  corde  divioitus  illustrari  coasolationernque 
Kccipere,  quod  Evangeüum  esse  negare  oemo  poteet;  numquid  baeei- 
tabit  EvotigeUiim  esse  donec  patrea  adprobarint?  Sic  tandem  Evan- 
gelium ea»e  discite ,  ubi  gratia  sua  deus  homiuein  gratuito  digoatur 
illustrare,  ad  se  trahero,  apud  se  couBolari  ac  quietun  reddere  libera- 
ttun  ab  oinui  labe  peccati:  quod  dum  misor  sentit,  mirum  quantuin 
geBtiat  ac  eiultet  ab  iaaudito  inspiratoque  auDcio.  —  III,  p.  130: 
Hanc  rem  aolae  piae  mentca  uorunt.  Neque  CDim  ab  hominura  dii- 
ceptatione  pendet,  aed  in  aairais  homiDum  teoaciBaime  aedet.  Ex- 
perieotia  est:  nam  pii  ooiucs  eam  experti  sunt;  vgl.  W.W.  I,  S.  !J3ä: 
Ob  num  glycbwol  den  predgenden  haben  mufa,  ao  macht  er  doch 
daa  hen  nit  gläubig,  der  geist  uud  wort  gottes  thimd  du. 


588  G0TT8CHICK, 

Gedankenreihe  ist  nun  wieder  bei  Luther  die  wörtlkke 
Vorlage  zu  finden.  In  dem  Bericht  an  SpaJadn  über  die 
Leipziger  Disputation  setzt  auch  er  sich  mit  der  Instanz 
des  augustinischen  Diktums  auseinander,  und  weist  die 
Deutung  desselben  auf  eine  Approbation  der  offiziellen  Eirciie 
zurück,  weil  es  eine  Gottlosigkeit,  wie  die  des  Lucifer  wäre^ 
wenn  Papst  u.  s.  w.  sich  über  das  Evangelium  d.  h.  über 
Gott  setzen  wollten,  und  begründet,  dafs  es  von  Augastm'§ 
eigenem  Glauben  nicht  gemeint  sein  könne,  mit  dem  Hin- 
weis darauf,  dafs  der  Glaube  allein  durch  den  Oeist  Gott» 
im  Herzen  entspringt  und  eine  Gewifsheit  besitzt,  die  der 
ganzen  Welt  gegenüber  selbständig  ist  K 

Durch  die  aufgewiesene  Beziehung  des  inneren  Wortes 
Gottes  auf  das  gläubige  Verständnis  des  geschichtUchen 
Heiles  in  Christo  weixien  auch  die  Ausführungen  Zwingli's 
vöUig  unverfänghch ,  in  welchen  er  von  einem  Urteilen 
über  das  äufsere  Wort  durch  das  im  Herzen  der  Gläubigen 
sich  bezeugende  innere  Wort  spricht.  Es  geschieht  dies^ 
indem  er  Emser  gegenüber  die  Irrtumslosigkeit  der  Kirche 
d.  h.  der  Gemeinde  der  Gläubigen  begründet  und  die  Art^ 
wie  diese  über  das  gepredigte  Amt  zu  urteilen  imstande  sind^ 
klar  legt  ^.  Er  denkt  da,  da  er  an  das  Evangelium  Gläu- 
bige vor  Augen  hat,  nicht  von  weitem  an  unmittelbare 
Offenbai*ungen  beUebigen  Inhalts,  sondern  das  verbum  fidei, 
guod  in  metUibus  fidelium  sedet  und  von  niemand  beurteilt 
wird,  selbst  aber  alles  äufsere  Wort  beurteilt,  ist  eben  die 
innerliche  Selbstgewiisheit,  welche  dem  gläubigen  Verständ- 
nis Christi,  des  Gnadenpfandes  eignet  ^.  Darum  setzt  er 
anderswo  iür  das  subjektive  Vei^ständnis,  dem  das  historische 


O  Lutheri  opp.  var.  arg.  Ill,  p.  287.  An  non  crederes,  etiamsi 
totuü  orbi«  insaniat  contra  evangelium?  —  Ibid.  .  .  de  sua  propria 
fid«,  quae  uou  uUorum  auctoritate,  sed  spiritu  solo  Dei  oritnr  in 
ciu\ie.  —  lUid.  alioquin  (alsissime  diceret,  cum  solus  spiritoa  sanctos 
Ikoiat  oredere  quemque. 

^^  Autibolon  Opp,  III,  129—132. 

3^  Dieaer  Zusammenhang  verbietet  es  gSnilicb,  selbst  eine  Wen- 
dung   wie  die  111«  Xd^t  tameisi  fides  non  sit  ex  exlemo  rerho  über 
deu  bisher  erörtefteu  Sinn  hinaus  xa  Terallgemeinem. 


(IIUS,  LUTHEK  UND  ZWINGLI.  589 

Öl>jekt  immaDeDt  tat,  die  objekive  GrüFse  ein  und  bezeichnet 
Ciu'istuin  als  den  Goldstein,  au  den  man  aller  Menschen 
Anaehen,  liatachlag,  Urteil  zu  »treichen  hat;  „tUrbt  es  nun 
Christum,  so  ist  es  us  dem  Geist  Gottes"  '. 

Aber  nicht  nur  in  Hinsicht  der  Aulla«sung  des  Inhalts 
und  der  Wirksamkeit  des  Evangeliums  und  der  Bedeutung 
desselben  iür  den  Kirclien betriff  herrscht  in  dieser  Periode 
zwischen  Luther  und  Zwingli  volle  Übereioatiiumung.  Zwingli 
weifs  sich  auch  mit  Luthi^r  Jetzt  noch  in  der  Schätzung  der 
Sakramente,  wenigstens  der  Taute  und  des  Abendmahls 
einig.  In  Art.  11:1  der  ächlulsredeu  hatte  er  die  Messe  als 
sacrificü  in  crucc  scmel  oblali  commcmorationein  et  quasi 
sigillum  gewürdigt.  Und  er  erklärt  dann  in  der  „uslegung", 
dafs  die  verschiedenen  Bezeichnungen,  welche  Luther  und 
er  vom  Abendmahl  gebraucht  liaben,  wenn  jener  es  ein 
Testament,  er  ein  Wiedergedächtuis  nennt,  keinen  Gegen- 
satz bedeuten.  Lutlier  habe  das  Saki'ament  nach  »einer 
Katur  und  Eigenschaft  genannt,  er  nach  dem  Brauch  und 
Verhandlung;  Christus  und  Paulus  hätten  beide  Bezeich- 
nungen gebraucht,  und  er  wolle  gern  mit  der  seinigen  wei- 
chen *.  Und  so  llilii't  er  denn  ganz  in  der  \\'eise,  wie 
Luther  es  15111  und  lb'2U  gethnn,  den  Gedanken  aus,  dafs 
die  (Sakramente  sigiUa  seien,  d.  h  den  bereits  vorhandeueu 
Glauben  an  den  Heilswcrt  den  Todes  Chiisti  vorsichernde 
and  darum  heilsame  Zeichen,  und  zwar  so,  dafa  er  dies 
auch  aul'  die  Taute  bezieht  *. 


1)  W.  W.  I,  178. 

2}  w.  w.  I,  -ivi.  aä.;. 

3)  W.  W.  I,  '■I'j'i.  Noch  hat  CbriHtuB,  duniit  das  wosentUch« 
teatameDt  begi7flicher  i*äre,  den  einfaltigcu  iiape  Ivclm&Piis  ei»  spyi- 
lichc  gestult  gegebeu,  nämlich  das  brut,  uud  siuea  blutcs  das  trink- 
geBchirr  oder  trank,  dafs  sy  in  dem  gloubcu  mit  einen)  aicht- 
baren  baudel  vursichert  wurdind;  (j-ljeliwic  iu  dem  touf  du 
tuuken  nit  ahväscht  die  HÜnd ,  der  getoufte  gloube  denn  dem  beil 
des  evaagelii,  d.  i.  dur  gnädigen  erlösuug  Christi;  vgl.  I,  '■^Ü:  so  fer 
jr  aber  sacntmeutum  nennen  wellticd  ein  aicber  zeichen  oder 
■  igcl,  BD  mag  ich  wol  lyden,  dafs  jr  den  ieicbnam  uud  blut  Chriati 
ein  aacrameiit  neuuind. 


590  OOTTSCmCK, 

So  steht  es  also  bei  Zwingli  mit  der  Unsiclitbarkett  der 
Kirche  nicht  anders  als  bei  Luther.  Die  b^^ffliche  Zu- 
sammengehörigkeit von  Glaube  und  Wort  Oottes  bewirkt, 
dafs  dieselbe  für  den  Glauben  eine  wahrnehmbare  Ghrolse  wird. 
Das  wird  vollends  deutlich,  wenn  wir  uns  zu  der  zweiten 
Bedeutung  wenden,  welche  nach  Zwingli  das  Wort  Earche  in 
der  Schrift  hat.  Damit  wird  zweitens  die  eedesia  speeidUs, 
pectdiaris,  particülaris ,  die  Eilchhöre  d.  h.  die  Exadr 
gemeinde  bezeichnet  ^  Dafs  diese  die  eigentlich  bereciitigten 
Subjekte  kirchlichen  Handelns  sind,  jede  in  ihrem  Kreise^ 
weist  er  besonders  aus  MattL  18,  17  nach.  Die  Einzel- 
gemeinde  sei  es,  die  von  Christo  die  Vollmacht  erhalten 
habe,  den  Bann  zu  üben,  da  man  mit  der  Klage  über  den 
Sünder  doch  nicht  zur  allgemeinen  Kirche  laufen  könnet 

Dieser  Sprachgebrauch  der  Schrift  ist  eine  neue  Wa& 
gegen  die  römischen  Prätensionen.  Keine  Einzelgemeinde 
kann  die  Herrschaft  über  die  ganze  Kirche  beanspruchen, 
die  römische  so  wenig  wie  die  zu  Appenzell  \  Die  Päpste, 
Kardinäle,  Bischöfe  zusammen  aber  sind  weder  die  allge- 
meine Kirche  noch  eine  Kilchhöre.  „Also  folgt,  dafs  sy  os 
der  gschrift  nieman  bewähren  mögend,  dals  sy  ein  kilch 
syend,  daran  wir  gloubend".  Von  einer  ecclesia  reprae- 
sentativa  aber  weifs  die  Schrift  nichts  *. 

Die  Hauptsache  aber  ist,  dafs  Zwingli  die  empirischen 
Gröfsen  der  einzelnen  Elilchhören  keineswegs  unvermittelt 
neben  die  eine  allgemeine  Kirche  stellt,  welche  Gegenstand 


1)  W.  W.  I,  199.  Das  sind  je  so  grofse  meDginen  oder  ge- 
meinden, so  Til  wol  und  kommlich  mögend  zemmen  kummen,  bj 
einandren  das  gottswort  hören  und  lernen.  Opp.  m,  92:  ecclesia 
quae  aut  universalis  est  aut  particülaris:  quarom  illa  hie  nmnquam 
convenit,  conveniet  in  mundi  consummatione  neque  errare  potest, 
quia  uni  verbo  Dei  haeret;  ista,  quae  usus  exigit,  secondom  regulam 
diyini  verbi  discemit,  abjicit  impudentem,  revocat  poenitentem,  aimul 
verbo  Dei  pascitur,  simul  corpore  et  sanguine  Christi  alitar. 

2)  W.  W.  I,  199.  469;  U,  13.  Opp.  I,  131.  Hamm  est  et  de 
pastore  judicare  et  de  doctrina. 

3)  W.  W.  I,  656.  Denn  sy  nur  ein  besunder  kilch  ist,  ob  sj 
den  glouben  Christi  hat. 

4)  I,  469. 


HUS^  LUTHER  UND  ZWINOU.  591 

des  GlaubenB  ist  ^,  sondern  vielmehr  eine  innere  Beziehung 
zwischen  beiden  statuiert  In  einer  Reihe  von  Stellen, 
welche  SlrauTs  und  Seeberg  einfach  übergangen  haben,  be- 
zeichnet er  die  Einzelgemeinden  als  die  Teile  oder  Glieder 
der  allgemeinen,  nach  dem  Bestand  ihrer  einzelnen  Glieder 
und  nach  ihrem  Gesamtumfang  nicht  sichtbaren  Kirche,  oder 
fiklst  umgekehrt  diese  als  die  Summe  der  Einzelgemeinden 
auf.  Die  Kilchhören  sind  die  Organe,  durch  welche  die 
eine  allgemeine  Kirche,  welche  hienieden  nicht  zusammen- 
konmien  kann,  die  ihr  zukommenden  Funktionen  ausübt 
Der  Idealbegriff  der  allgemeinen  Kirche  dient  also  für 
Zwingli  keineswegs  zur  Entwertung  der  historischen  Ge- 
meinschaft, sondern  ist  eins  der  Mittel,  durch  welche  die 
kirchlichen  Rechte  von  der  Hierarchie  auf  die  Einzelgemein- 
den übertragen  werden  '. 

Nun  ist  es  natürHch  nicht  Zwingli's  Meinung,  dais  die 
empirischen  Glieder  der  einzelnen  Kilchhören  sämtlich  Glieder 
der  wahren  Kirche  sind,  und  ebenso  wenig  will  er  die  arbiträre 
Autorität  von  den  Bischöfen  auf  die  Einzelgemeinden  übertragen. 
Es  müssen  also  die  Bedingungen  und  Mittelglieder  aufgezeigt 


1)  Dafs  er  gelegentlich  auch  die  Kilchhören  als  Gegenstand  des 
Glaubens  bezeichnet  (I,  4G9),  hat  keine  Bedeutung;  denn  das  heifst 
nicht  mehr,  als  dafs  die  Schrift  den  Terminus  Kirche  auch  auf  sie 
bezieht,  während  sie  von  der  Versammlung  der  Bischöfe  schweigt. 

2)  W.  W.  I,  199.  Hie  ist  gewüfs,  dafs  kilchen  genommen  wer- 
dend für  die  pfarren  oder  kilchhören;  denn  sust  ist  nit  mee 
denn  ein  kilch  oder  allgemeine  Versammlung,  dero  der  nam  Vorteils 
und  eigenlich  ziemet,  die  ein  gemahel  Christi  ist;  und  diese  nach- 
genämten  sind  nur  glieder  der  allgemeinen  kilchen,  die 
aber  all  mit  einandren  ein  kilch  sind.  Opp.  I,  131:  Sic 
passim  in  literis  sacris  de  peculiaribus  ecclesiis  sermo  sit.  Sed  omnes 
istae  ecclesiae  una  ecclesia,  Christi  sponsa  sunt,  quam 
Graeci  catholicam,  nos  universalem  appellamus.  Quae  non  est  onmium 
episcoporum  collectio,  sed  sanctorum  h.  e.  fidelium  omnium  commuuio. 
p.  134:  Judicium  ergo  hoc  peculiaribus  ecclesiis  non  ita  tribuitur,  ut 
aolis  tribuatur:  est  enim  ecclesiae,  Christi  spousae.  Quoniam  vera 
illa  hie  numquam  coit,  judicat  per  partes  et  membra  sua. 
m,  338 :  Neque  ecclesia  ob  hanc  partitionem  magis  discemitur,  quam 
corpus,  si  membra  singula  numeres;  vgl.  III,  92. 


592  GOTTSCHICK^ 

werden,  aus  denen  die  Berechtigung  folgt,  die  Einzelg^noih 
den  als  Teile  der  wahren  Kirche  zu  betrachten. 

Die  Einzelgemeindeu  erweisen  sich  nun  als  Teile  <b 
wahren  Kirche  ^  oder  als  gläubige  zunächst  dadurch,  da& 
sie  das  Wort  Qottes  zui*  Richtschnur  ihres  kirchlichen  Uta- 
delns  machen.  I,  656  wird  die  päpstliche  Kirche  als  ebe 
,,besundre  kilch^'  bezeichnet,  „ob  sy  den  glouben  hat^. 
Das  ist  aber  erkennbar  an  ihrem  Verhältnis  zum  Woit 
Gottes.  Macht  sie  dies  zum  Mafsstab  ihres  kirdilidieD 
Thuns,  so  hat  sie  das  Recht  zu  der  Zuversicht,  ak  doe 
Kirche,  die  nicht  irren  kann,  autzutreten  ^.  Zwingli  übt 
aber  ähnlich  wie  Luther  anfangs  noch  eine  solche  ideaUstbche 
Beurteilung  der  Gemeinden,  dafs  er  der  guten  Zuveracht 
lebt,  die  in  ihnen  vorhandenen  Gläubigen  und  der  in  ihnen 
wirksame  Geist  werde  mit  Gottes  Hilfe  bewirken,  dafs  afle 
Handlungen  der  Gemeinde  dem  Evangelium  gemäfs  geratoi, 
entgegenstehende  Bestrebungen  leicht  erkannt  und  UDte^ 
drückt  werden,  so  dafs  also  von  dem  Wegfall  der  arbiträreo 
römischen  Autorität  nichts  weniger  als  eine  Verwirrung  der 
Kirche  zu  befürchten  stehe  ^. 


1)  W.  W.  I,  470:  „Die  kilcli,  die  in  gott  gründet  ist  und  in 
einem  wort,  mag  nit  irren  ....  Hierus  folgt  auch,  dafs  diese  unsre 
Zemmenhufung,  die  nit  (als  etlich  meinend)  zu  uachteil  einiger  christcu, 
Bunder  das  ciuig  wort  gottes  zu  verhören,  von  den  .  .  .  herren  von 
Zürich  versammelt  ist,  nit  irren  mag;  denn  sy  nüt  setzen  noch  ent- 
setzen undemiomit,  sunder  allein  hören  will,  was  in  gemeldten  spanen 
im  wort  gottes  erfunden  wird.''  Hiermit  hat  Zwingli  den  Erweis  er- 
bracht, den  Beb.  Hofmeister  von  ihm  verlangte.  S.  4G8:  „Und  so 
mau  erfindt,  dafs  hie  ein  christenliche  kilchc  ist  und  auderswa:  dafs, 
so  man  mit  dem  wort  gottes  handlet  und  sich  dcfs  haltet,  dafs  sich 
BÖlichs  einer  jeden  kilchhöre  gebürt,  so  bcfindt  sich  darin,  dafs  man 
unbillig  schilt,  man  habe  hie  nüt  zu  handeln/* 

2)  Opp.  in,  131.  132.  Ubicunque  igitur  fides  vera  est,  ibi  et 
Spiritus  coelestis  esse  cognoscitur;  ubicunque  autem  spiritus  coelestis 
est,  ibi  Studium  unitatis  et  pacis  esse  nemo  ambigit.  Fit  igitur,  ut 
quicunque  fidelis  pi'opheta  sit,  sicubi  iguorat  et  errat,  corrigeutem  et 
docentem  ultro  admittat,  etiam  infimum  quemque.  Neque  est  peri- 
culum,  ut  in  ecclesia  confusio  fiat,  uam  si  per  deum  ecclesia  congre- 
gata  est,  ibi  ipse  est  in  medio  eorum;  et  quotquot  fideles  sunt,  ad 
unitatem  et  pacem  tendent.    Ac  si  qui  vel  arrogautius  vel  odiosios 


HU8>  LUTHER  UND  ZWIVGLI.  593 

Das  andere  Problem  aber^  wie  die  Einzelgeroeinden, 
irotzdem  sie  eventuell  heuchlerische  Mitglieder  haben,  den- 
noch als  Teile  der  einen  allgemeinen  Kirche  gelten  dürfen, 
die  keinen  Flecken  noch  Runzel  hat,  weil  sie  aus  lauter 
Gläubigen  besteht,  hat  Zwingli  in  der  Periode  der  Aus- 
einandersetzung mit  den  Römischen  noch  nicht  näher  be- 
schäftigt Anerkannt  hat  er  die  Thatsache  Emser  gegenüber 
und  dort  sogar  auf  Grund  besonders  der  Gleichnisse  von  dem 
Unkraut  unter  dem  Weizen,  dem  Netz,  den  zehn  Jung- 
frauen ausgesprochen,  dafs  die  Schrift  noch  eine  dritte  Be- 
deutung des  Wortes  Kirche  kennt,  nämlich  die  Gesamtheit 
derer,  die  sich  zu  Christo  bekennen,  unter  denen  es  Böse 
und  Ungläubige  giebt,  die  wir  in  der  Regel  nicht  kennen. 
Die  Inkongruenz  mit  der  Idee  wird  hier  nur  dadurch  aus- 
geglichen, dafs  es  im  Sinne  Christi  sei  gegen  etliche  der 
naetri,  von  denen  die  Kirche  jetzt  noch  befleckt  sei,  Konni- 
venz zu  üben,  wobei  der  Nebengedanke  obwaltet,  dafs 
Christus  für  die  ein  öffentliches  Ärgernis  gebenden  Sünder 
den  Bann  angeordnet  hat  *.  Von  dieser  vollständig  em- 
pirischen Gröfse,  die  von  der  allgemeinen  Kirche  und  ihren 
Gliedern,  den  Partikularkirchen,  noch  unterschieden  wird, 
heilst  es  das  eine  Mal,  dafs  das  Zusammenwohnen  der 
Heuchler  mit  den  wahren  Christen  den  Namen  der  Ecdesia 
€Ld  hunc  modum  a^cepta  nicht  ändere  (Opp.  III;  p.  126), 
das  andere  Mal  in  derselben  Schrift  (Antib.  adv.  Ems.), 
dafs  sie  nicht  die  Braut  Christi  sei  und  dafs  das  Symbol 
sie  nicht  meine  (III,  p.   134). 

Zwingli  stellt  aber  diese  Kirche  jetzt  noch  nicht  als  die 
sichtbare  der  eigentlichen  Kirche,  welche  Gegenstand  des 
Glaubens  ist,  als  der  unsichtbaren  gegenüber.  Denn  die 
Partikularkirchen,  die  doch  sichtbar  sind,  hat  er  nicht  als 
Teile  der  ersteren,  wie  Seeberg  meint,  sondern  der  letzteren 
gedacht.  Die  Kirche  als  Gegenstand  des  Glaubens  ist  eben 
nicht  schlechthin,   sondern   nur  beziehungsweise   unsichtbar. 


contendere  perstiterint,  stAtim  olfaciunt  quinam  ex  adfectibus,  qui  ex 
cbaritate  et  dei  spiritu  loquantur,  et  garrulos  compescent. 
1)  Opp.  III,  p.  126. 


594  GOTTSCHICK^ 

Für  die  Auseinandersetzung  mit  den  Römischen   ist  «  ila 
von    fundamentaler   Wichtigkeit,    die    Zufianimengehöngkä 
derjenigen  Partikularkirchen,    welche    sich    an  das  lautere 
Wort  Gottes  halten,   mit  der  Kirche,   die    Gt^enstand  da 
Glaubens  ist,  mit  der  Gemeinde  der  Oläubigen,   und  daimt 
ihre    Berechtigung   zu    selbständigem    kirchlichen    Handek 
nachzuweisen.     Das   faktische  Verhältnis   ist   naturlich  dai, 
dafs   die  Kirche  als  Gesamtheit   derer    qui    Chrisio  nome» 
dederufU  einerseits  die  beziehungsweise  unsichtbare  (Jemeb- 
Schaft  der  Gläubigen,  anderseits  aulser  den  fünzelgemeinden, 
die   den   Glauben   haben,   auch   diejenigen    Gemeinden  um- 
fafst,  die  wohl  Christen  heifsen,  aber  doch  wegen  ihres  Ge- 
horsams gegen   den  Papst  nicht  als  rechte    christliche  Ge- 
meinden gelten  können. 

Erst  der  Kampf  mit  den  Wiedertäufern  hat  ihn  eine 
genauere  Antwort  auf  die  Frage  geben  lassen,  wie  Gemem- 
den,  die  nicht  aus  lauter  Gläubigen  bestehen,  doch  wirklick 
Christi  Kirche  sein  können.  Er  bringt  das  Bestreben  der- 
selben mit  einem  besonderen  Ideal  von  der  Kirche,  das  sie 
hegen,  in  Zusammenhang.  Sie  seien,  so  erzählt  er,  an  ihn 
mit  der  Aufforderung  herangetreten,  eine  neue  Kirche  ans 
denen  zu  bilden,  die  Christo  nachzufolgen  bereit  seien,  and 
er  formuliert  ihre  Absicht  dahin,  dafs  sie  eine  Kirche  sam- 
meln wollten,  die  ohne  Sünde  sei,  ja  er  fuhrt  als  eine  ihrer 
Behauptungen  an,  die  Kirche  habe  keine  Sünder.  Sie  hätten 
dann  später  in  der  Verwerfung  der  Kindertaufe  und  in  der 
Aufrichtung  der  Wiedertaufe  ein  geeignetes  Mittel  gefunden, 
ihre  Kirche  zu  sammeln.  Und  jetzt  erklärten  sie,  dafs  sie 
die  Kirche  seien;  wer  nicht  zu  ihrer  Kirche  gehöre,  sei 
kein  Christ  *.  Zwingli  stellt  dies  ihr  Verfahren  in  Parallele 
mit  dem  des  Papstes,  der  auch  „  ohne  gunst  und  willen  der 
rechten  kilchen  sich  selbs  fiir  die  kilchen  usgeben'^  Hier 
wie  dort  erhebt  sich  die  Prätension,  die  wahre  Kirche  hin- 
sichtlich des  Bestands  ihrer  Glieder  empirisch  au&uweis^ 
hier  auf  Grund  empirischer  Sündlosigkeit  der  Einzelnen, 
dort  auf  Grund  rechtlicher  Privilegien. 


1)  W.  W.  II,  Vom  Touf,  8.  231. 


BUS,  LUTHEK  UND  ZWWQU,  595 

Um  diese  Bestrebungen  zurückweisen  zu  können^  mufste 
Zwingli  nachweisen ;  dafs  die  empirischen  Gemeinden,  trotz 
des  Vorhandenseins  von  Ungläubigen  und  Sündern  in  ihnen, 
nicht  etwa  nur  auf  Grund  des  Bekenntnisses  zu  Christo 
ein  Anrecht  auf  den  blofsen  Titel  der  Elirche  haben,  son- 
dern in  einem  innerlich  notwendigen  Verhältnis  zu  der 
Kirche  stehen,  welche  die  Gemeinschaft  der  Gläubigen  ist. 
Und  hier  ist  es  nun  nichts  anderes,  worauf  er  das  Urteil 
stützt,  die  Sonderung  von  den  empirischen  Gemeinden  be- 
deute eine  Sonderung  von  der  Eoi'che,  als  die  Thatsache, 
dafs  in  den  evangelischen  Gemeinden  das  Wort  Gottes  im 
Schwange  gehe.  Wenn  er  den  Wiedertäufern  das  Unrecht 
vorhält,  das  sie  begehen,  indem  sie  „diese  dinge  one  ver- 
willigung  gemeiner  kilchen  angerichtet  haben '%  wenn  er 
ihre  lieblose  Ungeduld  rügt,  die  „der  blöden  schäflein  nit 
will  warten,  bis  dafs  sy  euch  hernach  kummend'',  so  fügt 
er  jedesmal  hinzu:  „ich  red  hie  allein  von  denen  gemein- 
den, in  denen  das  gotteswort  ofFenlich  und  trülich  gefuhrt 
wird "  ^  Und  jenes  Ansinnen ,  eine  Gemeinde  der  aktiv 
Heiligen  zu  sammeln,  weist  er  zurück,  indem  er  daran  er- 
innert, dafs  von  der  Predigt  des  Wortes  Gottes  der  Erfolg 
der  Mehrung  der  Gläubigen  mit  Zuversicht  zu  erwarten 
sei  '.  Sich  selbst  für  sündlos  ausgeben ,  ist  eitel  Heuchelei 
Die  Schrift  weifs  nichts  davon,  dafs  man  sich  um  seiner 
Frömmigkeit  willen  von  andern  sondern  solle,  sondern  nur 
davon,  dals  man  die  „ Verbösernden '^  aus  der  Kirche  auszu- 
schliefsen  habe  ^.  Ferner  hat  man  keinen  Beweis  dafür,  dafs 
die  Kirche  der  Täufer  eine  Kirche  Gottes  ist,  und  man  hat 
kein  Recht,   sich   zu   sondern   von   „seiner   kilchen'',   oder. 


1)  W.  W.  II.  S.  259. 

2)  Contra  Catabaptistas  Opp.  III,  363.  Yerbi  continua  actione  istud 
Bolum  promulgandum  quod  omnes  nosse  oporteret,  nisi  saluti  suae 
velint  ipsi  deesRe.  Haud  ambigere  me  futurum,  ut  fidelium  numerus 
citra  turbam  amplior  atque  amplior  irrcmissa  verbi  administratione 
fieret,  non  corporis  in  multas  partes  discerptione.  W.  W.  II,  234: 
als  wir  das  täglich  bessern  und  zunehmen  des  worts  gesehen,  haben 
wir  zu  keiner  sunderung  nit  wollen  wUligen. 

3)  Opp.  VI,  338.  448. 


596  GOTTSCmCK, 

was  damit  gleichbedeutend  ist,  „von  denen,  deren  Herz  und 
Vertrauen  auf  Gott  und  Christus  gebaut  ist "  *.  Diese  x(ä- 
ständige  Qleichsetzung  der  einzelnen  Gemeinde,  von  der  der 
Täufer  sich  sondert,  mit  einer  Gemeinde  der  Gliiubi|rai 
wird  eben  zu  vollziehen  sein  durch  die  Vermittelung  des 
vorher  ausgesprochenen  Gedankens,  dafs  die  Vcrkiindigang 
des  Evangeliums  das  Vorhandensein  und  Wachstum  der 
Gemeinde  der  Gläubigen  garantiert. 

So  hebt  denn  die  durch  die  Methode,  die  Schnllaussagen 
zu  registrieren,  bedingte  äufserliche  Nebcneinanderstelhing 
der  Kirche,  die  als  Versammlung  aller  Gläubij^cn  im  Geist 
nicht  sichtbar  wird,  und  der  empirischen  Partikularkirchen 
sich  in   der  Sache   vollständig   auf.     Die    empirische  Kirche 


1)  Opp.  III,  .S38  (in  Ky.  Matth.)-  Quacre  cos  qiii  kc  Auabaptistis 
jungunt  et  ecclcsinm  eorum  summis  veliiuit  lanüibus,  quis  cos  certos 
faciat  qiiod  catabaptistarum  ecclcsia  ccclcsia  sit  l>ei?  Quum  ergo  de 
hac  iion  sunt  certi,  cur  uon  maneiit  in  sua  ccclesia,  a  qua  turpiter 
dcficiunt?  Aul  quomodo  Catubaptista  na  ab  iis  separarc  potcsi,  qao- 
rum  corda  in  Christo  Runt  fundata  et  qui  vera  fide  Christo  adhacrent 
(vgl.  ebd.  S.  448:  „Denn,  wenn  du  schon  zu  Tcuffeni  lu  ir  kilchen 
gabst,  wer  macht  dich  gwüfs,  dafs  sie  ein  kilchen  gottes  oder 
warlich  gläubig  sigind?  Du  magst  ja  nit  gwüfs  sin.  Warum  blibst 
denn  nit  in  diner  kilchen?  Wie  mjig  sich  der  Teuffer  sündem  von  m- 
dron,  deren  hertz  und  vertruwen  warlich  uff  gott  gebuwcn  ist").  Die 
Erklärung  von  Matth.  18,  17,  in  welcher  dieser  I'assus  sich  findet, 
enthält  noch  weitere  Ausführungen  über  universale  und  partikulare, 
orthodoxe  »iiid  häretische  Kirche ,  Kirche  als  Gemeinde  der  Gläu- 
bigen und  als  blofse  Gesamtheit  der  Bekenner.  Es  dürfte  aber  un- 
thunlich  sein  aus  dieser  Stelle  des  Kommentars  ein  Gesamtbild  der 
Anschauung  Zwiiigli's  von  der  Kirche  herstellen  zu  wollen ,  weil  ein- 
mal der  Kommentar  überhaupt  aus  Notizen  Zwingli's  für  Vorlesungen 
und  Predigten  hergestellt  ist,  die  zu  verschiedenen  Zeiten  gehalten 
sind,  und  weil  speziell  diese  Stelle  den  Charakter  des  Mosaiks  deut- 
lieh verrät.  In  ilas  ursprüngliche  Schema  der  beiden  Hauptbedeu- 
tungen von  Kirche  (f0iivcrsaivt  und  partic^ilans)  sind  Bemerkungen 
gegen  die  Täufer  und  Ketzer  eingeschoben,  wobei  von  der  Partiknlar- 
kirchc  schon  vorher  die  Rede  ist,  ehe  sie  an  die  Reihe  kommt,  nnd 
dieselbe  nur  als  Gemeinde  der  Hekenner  und  Getauften  definiert 
wird.  Auch  ist  d(M'  ursprünglichen  Definition  der  allgemeinen  Kirche, 
dafs  sie  die  Versammlung  der  Gläubigen  ist,  die  andere,  dafs  sie  die 
Gesamtheit  der  Erwählten  ist,  an  die  Seite  gestellt. 


HÜS,  LUTHER  UND  ZWINGLI.  597 

«ils  Gesamtkeit  der  Bekenner  Christi  ist  in  dem  Mafse  mit 
der  allgemeinen  Kirche  als  der  Gemeinde  der  Gläubigen 
identisch,  als  das  lautere  Gotteswort,  das  Glauben  weckt, 
dessen  Verkündigung  das  oberste  Anliegen  der  Gläubigen 
ist  und  das  den  IMafsstab  für  ihr  kirchhches  Handeln  be- 
deutet, in  ihr  oder  ihren  Teilen  im  Schwange  geht. 

Fragen  wir  nun  nach  dem  Verhältnis  der  zuletzt  ent- 
wickelten Gedanken  Zwingli's  zu  denen  Luther's,  so  liegt 
es  auf  der  Hand,  dafs  es  nicht  erst,  wie  Kraufs  *  meint, 
der  „praktische  Schweizer"  gewesen  ist,  der  den  Begriff  der 
-allgemeinen  Kirche  als  Gegenstand  des  Glaubens  durch  den 
„ganz  greifbaren  Begriff  der  einzelnen  Kirchgemeinde"  er- 
gänzt hat.  Das  hat  schon  der  unpraktische  Sachse,  Luther, 
gethan.  Dafs  jede  Partikularkirche  eine  gegen  alle  anderen 
selbständige  Inhaberin  der  Schlüsselgewalt  ist,  hat  Lutlier 
schon  1519  in  der  Resolution  über  die  13.  These  hervor- 
gehoben. In  der  Schrift  an  den  christlichen  Adel  hat  er 
gefordert,  dafs  eine  jegliche  Stadt  aus  der  Gemeine  einen 
gelehrten  frommen  Bürger  erwähle  und  ihm  das  Pfarramt, 
die  Regierung  der  Gemeine  durch  Predigt  und  Sakrament, 
auftrage  ^.  Dieselbe  Anschauung  ist  ausführlich  begründet 
in  der  Schrift  von  1523,  „dafs  eine  christliche  Vei-samm- 
lung  oder  Gemeinde  Recht  und  Macht  habe,  alle  Lehre  zu 
urteilen  und  Lehrer  zu  berufen,  ein-  und  abzusetzen:  Grund 
und  Ursach  aus  der  Schrift "  ^,  so  wie  in  der  Schrift  an  die 
Prager  (le  instittimulis  ministris  *. 

Auch  Luther  hat   also   die  Einzelgemeinden   als   die    be- 


1)  a.  a.  0.  S.  2.;. 

2)  Luther  W.  W.  XX r,  S.  .^22.  Auch  Zwingirs  Loliro  vom 
Predigtamt  ist  die  Lutlicr's.  Die  Sclilüsselgcwalt  ist  allen  Gläubigen 
gegeben  und  wird  ausgeübt  von  denen,  so  mit  dorn  Gotteswort  binden 
oder  entledigen  (W.  W.  I,  221)).  Ein  Priester  ist  nichts  als  ein  ehr- 
samer Verkündiger  des  Wortes  Gottes;  das  ist  ein  Amt,  nicht  eine 
Würde  mit  besondorc-m  Charakter.  Man  soll  dazu  in  allen  Pfarren  oder 
Kilchhören  die  ältesten,  züchtigsten,  ernsthaftesten  auslesen  (T, 
415). 

:j)  W.  W.  XXII,  S.  151  ir. 

4)  Opp.  var.  arg.  VF    p.  41)2 sq. 

ZeiUclir.  f.  K.-G.  VI II.  4.  iV.) 


598  GOTTSCmCK, 

rechtigten  udcI  selbständigen  Organe  der  einen  allgemaiiei|  ^ 
Kirche  aufgefafst,  nattLrlich  unter  der  Voraassetznng;  dafc 
sie  das  Evangelium  zur  Norm  ihrer  Thätigkeit  mscho. 
Auch  in  der  Schrift  vom  Papsttum  zu  Rom  ist  dies  ■ 
einer  Weise  angedeutet,  welche  zeigt,  dals  Zwingli  nur  Li- 
ther's  Gedanken  ausfuhrt ,  wenn  er  sagt,  da  die  aUgemdtt 
Elirche  hier  auf  Erden  nicht  zusammenkommen  könne,  m 
urteile  sie  durch  ihre  Teile  und  Glieder.  Reifst  es  dod 
bei  Luther:  ,,also  auch  die  christlich  Versammlung,  utA 
der  Seelen,  ein  Gemeine  in  einem  Glauben  einträchtig,  wi^ 
wohl  nach  dem  Leib  sie  nit  mag  an  einem  Ort  versammdl 
werden,  doch  ein  jeglicher  Häuf  an  seinem  Ort  versammdl 
wird"  *. 

Dafs  die  Stellung,  welche  Zwingli  zu  dem  täuferisches 
Bestreben,  eine  sündlose  Kirche  empirisch  durch  Absonde- 
rung herzustellen,  einnimmt,  wenn  er  dies  Bestreben  als 
Heuchelei  und  unchristliche  Lieblosigkeit  beurteilt  und  den 
Anspruch  der  bestehenden  Gemeinden  auf  den  Namen  Kirche 
darin  begründet  sieht,  dafs  das  Wort  in  ihnen  im  Schwange 
geht  und  das  Vorhandensein  so  wie  die  Mehrung  der  Gläu- 
bigen in  ihnen  verbürgt,  auch  die  Stellung  Luther's  ist,  be- 
darf keiner  Ausführung.  Wenn  er  aber  die  KÜrche  als 
empirische  Gesamtheit  der  aus  Gläubigen  und  Ungläubigen 
gemischten  Bekenner  Christi  von  der  Kirche  im  rechten 
Sinne  als  Gemeinde  der  Gläubigen  und  von  ihren  Teilen,  den 
evangelischen  Gemeinden,  unterscheidet,  wenn  er  leugnet,  dafs 
sie  die  Braut  Christi  und  die  im  Symbol  gemeinte  Kirche  sei, 
und  wenn  er  ihr  Verhältnis  zu  der  Gemeinde  der  Gläubigen 
nicht  näher  bestimmt,  als  wie  es  in  jener  Definition  gegeben 
ist,  dafs  die  Gläubigen  in  ihr  enthalten  sind  aU  ein  engerer 
Kreis,  so  hat  er  auch  darin  Luther  zum  Vorgänger,  der  die 
leibliche  Christenheit  oder  „alle,  die  im  äufscrlichen  Wesen 
für  Christen  gehalten  werden,  sie  seien  wahrhaftig  gründlich 
Christen  oder  nit"  der  geistlichen  Christenheit  an  die  Seite 
setzt  und  das  Verhältnis  zwischen  beiden  dahin  bestimmt, 
dafs  die  erstere  nimmer  bleibe  ohne  etliche,  die  auch  daneben 

1)  W.  W.  XXVII,  S.  102. 


HU8,  LUTHER  VSD  ZWIJJGIJ.  599 

ralirliafEige  Christen  seien,  oder  dahin,  dafa  die  geistliche 
Ririfitenheit  sich  zu  der  leibhchen  verhalte,  wie  die  Seele 
um  Leibe,  die  im  Leibe  lebt  und  —  auch  wohl  ohne  den 
^jeib  '.  Dafs  die  geistliche  Christenheit  auch  wohl  ohne 
len  Leib  leben  könne,  diese  nach  Luther's  eigentlicher  An- 
ichauung  höchst  bedenkliche  Wendung  findet  sich  Lei 
Ewingli  nicht.  Das  Mangelhafte  dieser  Verhältniabeatimmung 
Bndet  seine  Korrektur,  wenn  Zwingli  die  empirischen  Ge- 
meinden, die  am  reinen  Worte  Gottes  ihr  Merkmal  haben, 
■is  Teile  und  Glieder  der  Gemeinde  der  Gläubigen  be- 
urteilt, weil  da  wahre  Kirche  sei,  wo  man  sich  an  das  Wort 

tGottes  als  an  die  Speise  hält,  deren  man  bedarf,  und  wo 
dasselbe  die  Zahl  der  Gläubigen  vermehrt,  und  wenn  er  eben 

I  deshalb   von   den   ungläubigen  Gliedern  dieser  Gemeinschaft 

I  atstrahiert.  Es  ist  das  sachlich  dasselbe,  wie  wenn  Luther 
das    Woit     als    das    Kennzeichen    des    Vorhandenseins    der 

'  ^Fahren  Kirche  bezeichnet,  weil  Gottes  Volk  nicht  ohne 
Gottes  Wort  und  Gottes  Wort  nicht  ohne  Gottes  Volk  sein 
lE&nn. 

Im  Vergleich  mit  dieser  über  alle  wesentlichen  Momente 
des  Begriffes  sich  erstreckenden  Abhängigkeit  von  Luther 
Bind  die  Spuren  eines  Einflusses  der  Lektüre  von  Hus  ver- 
schwindend an  Zahl  und  Bedeutung.  Zwingli  beginnt  wie 
Hus  {aber  auch  Luther)  damit,  die  verschiedenen  Bedeutungen 
des  Wortes  Kirche  zu  registrieren,  rechnet  einmal  in  die 
Kirche  die  Gläubigen  aller  Zeiten  ein,  bezeichnet  gelegent- 
lich die  Gläubigen  als  Erwählte,  reflektiert  auch  einmal  auf 
die  Engel,  .zu  denen  Gott  die  Gläubigen  zugesellt'.  Das 
sind  doch  gänzlich   irrelevante  Einzelheiten.     Ebenso   wenig 


\)  W.  W.  XXVII,  102,  Ea  ist  höchst  unbegründet,  aiigesicbla 
der  Deutung,  irelche  Luther  diesem  Bilde  vou  Seele  und  Leib  gicbt, 
in  demselben  den  Ausdruck  einer  besonders  wertTollen  Atucbauuog 
SU  finden  und  Zwingli  schuld  zu  geben,  dafs  bei  ihm  vielmehr  „eine 
äursere  Parataxe"  vorliege.  Die  Parataxe  findet  sich  auch  bei  Luther, 
nud  die  Meinung,  dals  die  Gemeinde  der  Gläubigen  ein  Teil  der  Ge- 
meinde derer  sei  7»«  Ohristo  nometi  dtderunl,  auch  bei  Zwingli  (gegen 
Seeberg  a.  o.  0.  S.  »6.  87), 

2)  W.  W.  I,  198. 


600  GOTTSCHICK, 

trägt  es  für  den  EirchenbegrifF  etwas  aus,  dafs  ZwingU  da 
„Priesteni"  die  Pflicht  einschärft,  auch  durch  ihr  Vorbild 
in  den  Tugenden  der  Selbst-  und  Weltverleugnung  auf  die 
andern  zu  wirken,  was  ja,  an  sich  auch  auf  evangelischem 
Standpunkt  selbstverständlich,  doch  durch  Hus  ihm  nahegelegt 
sein  mag.  Ob  es  Hus  ist,  dem  Zwingli  die  theokratiscbe 
Anschauung  über  das  Verhältnis  von  Staat  und  Kirche  ver- 
dankt, mufs  wie  bei  Luther  dahingestellt  bleiben.  Ym 
Luther  abgesehen,  der  seit  1523  im  Prinzip  mit  ihr  ge- 
brochen, ist  ja  auch  die  Wendung,  welche  sie  im  Protfötan- 
tisraus  genommen  hat,  so  vielfach  vorbereitet,  dafs  gar  keine 
Notwendigkeit  vorliegt,  an  Hus'  Einflufs  zu  denken,  um  so 
mehr,  als  Luther  selbst,  dem  wir  Zwingli  in  dieser  Periode 
überall  folgen  sahen,  sie  1520  vertreten  hatte. 

Der  Kampf  mit  der  wiedertäuferischen  Bewegung  ist  es 
nun,  in  dem  die  zwischen  Luther  und  Zwingli  ursprünglich 
bestehende  völlige  Gemeinschaft  der  Anschauung  über  die  Mitte! 
des  Heils  und  damit  über  die  Kirche  sich  gelockert  hat  Aucb 
hier  mufs  man  sich  zunächst  den  immerhin  noch  breiten 
Boden  der  Übereinstimmung  gegenwärtig  halten.  Derselbe 
besteht  in  der  schon  oben  inbezug  auf  Zwingli  dargelegten 
Erkenntnis,  dafs  das  Bestreben  der  Täufer,  eine  sündlose  Ge- 
meinde empirisch  darzustellen,  eine  Verleugnung  der  evan- 
gelischen Prinzipien  ist,  auf  Werkgerechtigkeit  hinführt,  und 
dafs  die  Absicht  der  Anabaptisten,  die  Taufe  erst  zu  er- 
teilen, wo  man  über  den  Glauben  gewifs  geworden  ist, 
dahin  fuhrt,  sie  niemals  gewähren  zu  können  *.  Beiden  Re- 
formatoren hat  die  Kindertaufe  den  Wert,  die.  Kirche  als 
eine  erziehende  Gemeinschaft,  in  der  alle  Stufen  des  christ- 
lichen Lebens  Raum  haben  und  die  allein  die  Gewähr  iiir 
eine  gleichmäfsige  und  umfassende  Pflege  des  christlichen 
Glaubens    und    Lebens   giebt,    zu   erhalten  '^.     Aber   in   der 


1)  W.  W.  II,  250.     Opp    III,  r>7(i. 

2)  W.  W.  II,  300.  ,.E.s  sind  ouch  besundcrc  gute  stück,  die  us 
dem  kindertouf  folgend,  daran  wir  die  göttliche  Weisheit  wol  mögend 
erkennen,  warum  die  die  üfscrlichcn  Zeichen  gegeben  hab.  Das  erst 
ist,  dafs  wir  alle  in  einer  christlichen  leer  erzogen  werdind  .  .  .  das 


HUS,  LUTHER  UND  2r^^NGU.  601 

Bekämpfung  der  Anabaptisten  gehen  beide  verschiedene 
Wege,  wenn  auch  Zwingli  einige  von  den  Argumenten 
Luther's  sich  angeeignet  hat.  Zunächst  ist  es  der  Sakra- 
mentsbegrifF,  den  beide  in  entgegengesetzter  Richtung  um- 
bilden. Hatte  Luther  bei  demselben  allen  Wert  auf  das 
Wort  gelegt,  so  hatte  dieses  Merkmal  doch  schon  ursprüng- 
lich eine  amphibolische  Bedeutung  gehabt  und  konnte  des- 
halb nach  der  einen  oder  der  andern  Seite  gewandt  wer- 
den. Das  auf  das  Sakrament  bezügliche  Verheifsungswort 
konnte  bald  mehr  als  eine  Konkretisierung  der  allgemeinen 
Gnadcnverheifsung  des  Evangeliums  aufgefafst  werden,  so 
dafs  der  zum  heilsamen  Gebrauch  des  Sakraments  erforder- 
liche Glaube  nichts  anderes  als  der  allgemeine  evangelische 
Heilsglaube  war.  Bald  konnte  es  mehr  als  eine  statutarische 
Einzelzusage  Christi  betrachtet  werden ,  mit  der  er  der 
sakramentalen  Handlung  einen  bestimmten  Segen  verheifsen 
hat,  und  die  als  solche  einzelne  Verheifsung  anerkannt  oder 
geglaubt  werden  will.  Im  letzteren  Falle  wird  das  Sakra- 
ment aus  seiner  Subordination  unter  das  Evangelium  in 
eine  selbständige  Stelle  neben  dasselbe  gerückt;  es  wird 
zum  spezifischen  Gnadenmittcl.  Das  ist  die  Richtung,  in 
welche  sich  jetzt  Luther  begiebt.  Speziell ,  was  die  Taufe 
anlangt,  wird  das  bei  ihr  wiederholte  Stiftungswort  jetzt 
von  ihm  als  ein  magisch  wirksames  Organ  aufgefafst,  durch 
welches  Gott  erstÜch  in  den  Kindern  auf  die  Fürbitte  der 
Kirche  den  eigenen  Glauben  wirkt,  der  nach  seiner  auch 
jetzt  festgehaltenen  Anschauung  conditio  sine  qua  non  des 
heilsamen  Empfangs  des  Sakraments  ist,  und  zweitens  den 
effektiven  Heilsbe^itz  den  Kindern  unmittelbar  aneignet 
Damit  hat  sein  Sakramentsbegriff  wieder  in  die  katholische 
Richtung  eingelenkt.  Zwingli  dagegen  wird  durch  die  Schwie- 
rigkeiten, in  welche  Luther's  Begi'iff,  dafs  das  Sakrament  ein 
den    vorhandenen  Glauben    vergewisserndes  Unterpfand   der 


ander  ist,  dafs  die  kioder  genötigt  werdend  christenlich  von  jagend 
uf  zc  leben,  und  die  eitern  sy  christlich  ze  erziehen  .  .  .  das  dritt  ist 
trägheit  des  leercns.  Wurd  jedermann  sin  verziehen  von  kindlichen 
tagen  ze  leeren  mit  dem  wort  verantwurten :  es  ist  noch  früh  genug/' 


602  GOTTSCHICK, 

göttlichen  Gnade  sei,  gerade  g^entiber  der  Praxis  ds 
Kindertaufe  verwickelte,  zur  Lossagung  von  demselben  ge> 
drängt,  eine  Lossagung,  die  ihm  um  so  leichter  wuide,  ah 
er  die  Stimmung  Luther's,  iUr  die  solche  sichtbaren  Uata> 
p&nder  der  göttlichen  Gnade  neben  dem  Worte  einen  be- 
sonderen Wert  besitzen,  fiir  seine  Person  nie  geteilt  hatte 
Ihren  Wert  fUr  die  Blöden  und  Einfältigen  hatte  er  zb- 
gestanden;  ihm  für  seine  Person,  der  das  Auf-  und  Ab- 
schwanken  der  religiösen  Stimmungen  nicht  in  dem  Ma(ie 
wie  Luther  erfahren,  besafs  der  Glaube  an  dem  EvangelimD 
von  Christo,  dem  „Gnadenpfand  Gottes",  von  jeher  emc 
unerschütterliche  Stütze  der  Selbstgewifsheit.  Und  dafs  die 
Kraft  des  leiblichen  oder  mündlichen  Wortes  als  solchen 
nicht  gröfser  ist  als  die  des  leiblichen  Wassers,  dafs  nur 
Christus  oder  das  Evangelium  es  ist,  was,  wenn  Gott  muer- 
lieh  zieht  oder  mit  dem  Geiste  tauft,  unsere  Seele  erquickt, 
steht  ihm  fest.  £inc  Magie  des  äuferen  Einzelworts,  wie 
Luther  sie  jetzt  lehrte,  lag  ihm  gänzlich  fern  (vgl.  W.  W. 
II,  256.  246;  Opp.  IV,  119).  So  bricht  er  denn  schon 
1525  im  „Commcntarius  de  vera  d  falsa  religionc"  mit 
Luther's  Begriff,  dafs  die  Sakramente  den  Glauben  be- 
festigen *  und  widerruft  dabei  ausdrücklich,  was  er  vor 
Äwei  Jahren  mehr  tempori  als  rei  aus  Rücksicht  auf  die 
Schwachen  gelehrt  ^.  Die  Motive  dieser  Änderung  spricht 
er  in  der  Schrift  „Vom  Teuf"  1526  deutlich  aus.  Da  die 
Kinder  nicht  glauben  können  (denn  die  Versuche  etlicher, 
den  Glauben  der  Kinder  zu  bewähren ,  sind  vergebens '), 
so  mufs  man  von  diesem  Sakramentsbegriff  aus  „dem 
kindertouf  Widerreden "  *.  Fiel  ihm  nun  dies  Moment  des 
lutherischen  Sakramentsbegriffes  fort,  wenn  er  auch  noch 
später  es  gelegentlich  hat  gelten  lassen  ^,   so  blieb  ihm   von 


1)  Opp.  III,  228  sq. 
2^  Ib.  2:J0. 
3^  W.  W,  II,  292. 
4^  Ä.  a,  O.  244. 

r*''  Expos.  Christ,  fidei  cf.  Niemeyer,  Collect,  conf.  p.  51  aaxilium 
\"^MfrA\\uo  uvlferunt  fidei. 


HUS,  LDTHER  UND  ZWINQU.  603 


H  dem  Sakrameiitsbegriff,   den   Luther  in   den   Sennonen   des 

■  Jahrea   1^19   entwickelt    hatte,    nur    das   ethische  Moment, 

■  dafs  der   am   Öakrament   sich  Beteiligende   sich   durch    dies 
B    Zeichen    verpflichtet,    ein    Moment,    das    in  Luther'a  Sermon 

von  der  Taufe  sogar  im  Vordergründe  gestanden  hatte ;  an 
diesen  Sermon  aber  schliefst  Zwingli  z.  B.  in  der  Ver- 
T^ertung  von  Riim.   G,  3  ff.  sich  auf  das  engste  an. 

Die  Berechtigung,  das  Zeichen,  durch  das  man  sich  zur 
Kirche  Christi  bekennt,  auch  den  Kindern  der  Christen  zu 
gewähi-en,  Jie  noch  nicht  glauben,  begründet  aber  ZwingU 
aufser  mit  fragwüi'diger  Exegese  zunächst  mit  zwei  Argu- 
menten:  Die  Kinder,  die  noch  keine  aktuelle  Sünde  haben, 
jedenfalls  die  Christen kind er  sind  nach  Matth.  18,  3  und 
iKor  7,  12 — 14  Kinder  Gottes;  wie  kann  man  da  die 
äufsere  Taufe  abschlagen?  Ferner  sind  die  Kinder  der 
Israeliten  zum  Vulk  GottiiS  gerechnet  worden  und  haben 
das  BundesBcichen,  die  Beachncidung ,  empfangen.  Nun  ist 
aber  der  Alte  und  der  Neue  Bund  in  der  Hauptsache  iden- 
tisch ,  nur  dafs  jetzt  die  Heiden  an  die  Stelle  der  Juden 
eingeruckt  sind  und  dafs  durch  die  Erfüllung  der  Glaube, 
der  im  Alten  und  im  Neuen  Testament  qualitativ  der  gleiche 
ist ,  seinen  Gegenstand  deutlicher  kennt.  Es  ist  eine 
Kirche  in  beiden  Testamenten  '.  Da  kann  unsere  Lage 
keine  sehlecliterc  sein  als  die  der  Israeliten ;  unsere  Kinder 
müssen  dieselbe  Verheifsmig  haben,  wie  die  jener,  dafs  sie 
zur  Kirche  gehören,  und  müssen  daher  auch  die  der  Be- 
schneidung entsprechende  Taufe  empfangen.  Durch  beide 
Argumente,  von  denen  Luther  das  zweite  teilt,  ist  natürlich 
zu  viel  und  darum  nichts  bewiesen. 

Gegen  diese  Begründung  wird  ihm  nun  von  den  Wieder- 
täufern ein  Einwand  erhoben ,  der  ihn ,  indem  er  denselben 
zwar  zugesteht,  aber  sofort  als  Waffe  gegen  die  Gegner  der 
Kindertaufe  benützt,  zu  einer  neuen  Formulierung  des 
Kirchenbegriffes  iührt.  Nachdem  er  nämlich  in  der  Schrift 
„elenchus  contra  Cutabaplistas "  (1527)  seine  bisherigen 
Argumente   wiederholt  hat,   entwickelt  er   im  Anschluls   an 


1)  III,  430.     Couflt  una  ei  istia  ac  uobia  ccclesia. 


604  OOTTSCmCK, 

Rom.  Sf  28,  daTs  Paolos  dem  fflaaben    nur  synekdodosd 
das  Heil  zoschreibe;  die  dgentliehe  HeilskaasalitiU  Ikge  a 
der  freien  göttlichen  Erwählong,    die    an    nichts   gebonda 
sei^  nicht  nor  über  Taofe  ond  Beschneidimg ,   sondern  loek 
über  Glaube  ond  Predigt  stehe.     Sie   verwirkliche  sich  u 
den  Einzelnen  durch   das  Mittel   der    wirksamen   Berufimg. 
die  allein   in  Gottes  Hand  stehe  ^   ond   der    Glaobe  sä  nur 
das  gewisseste  Zeichen   für   das  in   der  Erwählung  begröih 
dete  ewige  Heil,  nicht  seine  Ursache  '.     Und    nun   fahrt  er 
fort:  haec  arhitror  brevia  esse  sed  dara   et  fimui.    Ät  \% 
quem  usum?     In   hunc,   ut  Catahaptistis  respon- 
deamus  ^.     Dieselben  liaben  nämlich,    so  erzahlt  er,  unter 
Berufung  auf  das  Beispiel  des  Jakob  und  Esao  (Rom.  9, 1 1  —13) 
ihm  eingewandt,  dafs  im  Alten  Testament   zu    den  Kindon 
Gottes  gehört  haben  oder  de  ecclesia  gewesen    seien  keines- 
wegs alle  Kinder  der  Hebräer,   sondern  nur  die  Erwählten. 
Gewifs,  80  erwidert  Zwingli,  gehört  zum  Volke  Gottes  nie- 
mand als  den  er  erwählt,   aber  auch  jeder,  den  er  erwählt 
hat;    die    Erwählten    sind    aber  Kinder   Gottes,    bevor    sie 
aktuell   glauben,   also  —  ist   die  Ansicht   der  Wiedertäufer, 
die  erst  die  aktuell  Gläubigen  durch  die  Taufe  in  die  Kirche 
zulassen  will,    nach  ihrem   eigenen  Argumente    falsch.     Wir 
dürfen  diesen  Mafsstab  nur  bei  den  Erwachsenen  anwenden, 
bei  denen  Glaube  oder  Unglaube  gegenüber  dem  gepredigten 
Wort    das    Zeichen    der    Erwählung    oder    Verwerfung   ist, 
nicht  bei  den  Kindern,  denen  die  Erwählung  abzusprechen 
oder   die   von    der    Kirche    auszuschliefsen    bei    diesem   Ver- 
hältnis von  Erwählung  und  Glaube  gottlos  sein  würde. 

Die  Umbildung  des  Kirchenbegriffes,  welche  Zwingli 
von  diesem  die  Gegner  allerdings  schlagenden  Ai-gumente 
aus  vornimmt,  liegt  vor  in  der  ,jFidei  Ratio"  (Juli  1530). 

Nachdem  Zwingli  in  dieser  Schrift  mit  seinen  bekannten 
Argumenten  das  Anrecht  der  Christenkinder  auf  die  Zu- 
gehörigkeit zur  ecclesia  visibilis  Christi  oder  zu  der  Zahl 
derer,  die  unserem  Urteil  für  Erwählte  gelten,  verteidigt  hat, 

1)  III,  424-420'. 

2)  III,  426. 


HD8,  LUTHER  ÜSD  ZWINQLI.  606 

registriert  er  in  derselben  Weise  wie  früher  die  verschiede- 
nen Arten  des  Gebrauehs  von  ecclesia  in  der  Schrift  und 
bekennt  deinf^emäfa ,  dafs  die  Kirche  in  diesem  mehrfachen 
Sinne  fUr  ihn  Gegenstand  des  Glaubens  ist.  Dies  Prädikat 
bedeutet  hier  zunächst  diu-,  dafa  auf  Grund  der  Schrift  das 
Wort  so  oder  so  anzuwenden  ist;  aber  es  liegt  dabei  der 
Gedanke  zugrunde,  dafs  wegen  dieser  Autorität  der  Schrift 
man  es  sich  nicht  berausnebinen  darf,  die  empirische  kirch- 
liche Gemeinschaft,  weil  sie  Ungläubige  einschliefst,  zu  ver- 
achten oder  gar  durch  eine  empirische  j^ammlung  der  sünd- 
losen und  vollkommenen  Christen  zu  ersetzen  Auch  dia 
gemischte  Gemeinschaft  besteht  nach  dem  Willen  Gottes 
und  hat  demgeraäfs  Wert.  Dieser  acceptiones  ecclesiae,  we- 
nigstens der  erwähnenswerten,  sind  nämlich  drei.  Einmal 
bedeutet  Kirche  die  Erwählten.  Das  ist  die  Kirche  ohne 
Flecken  und  Kunzel.  Sie  ist  hinsichtlich  ihrer  Glieder  nur 
Gott  bekannt,  weil  allein  Gott  weife,  wer  erwählt  ist,  wenn 
auch  die  Erwählten,  nachdem  sie  zum  Glauben  gekommen 
Bind ,  an  der  unerschütterlichen  Zuversicht  zu  Gott  das 
Ft'nnd  des  Geistes  und  damit  die  Gewifsheit  ihrer  Mitglied- 
schaft an  der  Kirche  in  diesem  Sinne  haben,  während  sie 
vorher  um  ihre  dennoch  vorhandene  Gliedsehnft  nicht 
wufsten.  Von  dtin  engeten  ICreise  derer,  die  denselben 
heiligen  Geint  haben,  bekennt  er  weiterhin  seinen  Glauben, 
dafü  die  ecclesia  derselben  ttna  sei  und  in  den  Kardinal- 
punkten  des  Glaubens  nicht  irren  könne.  Zweitens  wird 
Kirche  l^r  die  insgesamt  gebraucht,  weiche  sich  zu  Christo 
bekennen  und  an  den  Sakranieuten  teilnehmen,  obwohl  unter 
ihnen  auch  rq/robi  und  innerlich  Ungläubige  sind.  Sie  ist 
scnsibilis,  obwohl  sie  in  dieser  Welt  nicht  zusammenkommt. 
Auch  sie  ist  umi,  soweit  sie  die  vera  confessio  testhält. 
Zu  ihr  gehüren  quicunque  nomett  Uli  Juiit  juxta  vcrbt  Dei 
praescriptum  ei  promissionem.  De  hoc  ecclesia  sind  die 
getauften  Kinder,  deneu  als  Ohristenk indem  schon  vor  der 
Taufe  nach  der  Analogie  des  Alten  Testaments  die  Ver- 
beifsung  gegolten  hat,  dafs  sie  zu  dieser  Kirche,  zu  dem 
Volk  Gottes  in  diesem  Sinne  gehören.  Diese  ecclesia  uni- 
versalis sensibilis  ist  hominum  judicio  die  Kirche  Gottes 


606  GOTTSCHICK, 

und  empfängt  darum  die  Ehrenprädikate  der  crsteren,  wie 
wir  ja  auch  die  sich  zu  Christo  Bekennenden  für  glaabi| 
und  erwählt  zu  halten  verpflichtet  sind.  Endlich  heifo 
Kirche  auch  quivis  partictdaris  coetus  huius  universalis  at 
sensihilis  ecclesia  '. 

Hier  wird  also  die  ecclesia  electorum  und  die  ecclesia 
fidelium  einerseits,  die  ecclesia  sensihilis  derer,  die  sich 
äufscrlich  zu  Christo  bekennen  und  an  den  Sakramente 
teihiehmcn,  anderseits  unterscheiden,  und  in  der  letzteren 
wieder  den  Unterschied  der  ecclf^ia  universalis  und  parii" 
cularis  gemacht,  sowie  endlich  die  Möglichkeit  einer  aber- 
maligen Unterscheidung  angedeutet,  indem  die  richtige  cm- 
fessio  und  das  dem  Gebot  und  der  Verhcifsung  Gottes  ent- 
sprechende ei  nomen  dare  als  Bedingung  ihrer  Einheit 
bezeichnet  und  demgcmäfs  die  Aussicht  darauf  cröfiiict  wird, 
dafs  es  Gemeinschaften  des  Bekenntnisses  zu  Christo  und 
der  Teilnahme  an  den  Sakramenten  geben  kann,  die  aus 
der  gottgeordneten  wahren  Einheit  der  ecch:sia  sensihilis 
herausfallen,  dafs  also  eine  abermalige  Differenzierung  des 
Kirchenbegriffs  in  Gestalt  einer  vera  und  einer  falsa  ecclesiü 
sensihilis  eintreten  kann  *.  Von  Zwingli's  früherer  Lehre 
über  die  Kirche  unterscheidet  sich  diese  Ausführung  erstlich 
darin,  dafs  der  Kreis  der  aktuell  Gläubigen  in  einen  wei- 
teren Kreis,  den  der  Erwählten,  eingeschlossen  wird  (der 
Name  ecclesia  invisihilis  oder  spiritualis  wird  auch  hier 
noch  nicht  gebraucht),  dafs  die  Partikularkirchen  als  Teile 
nicht  mehr  der  Kirche  bezeichnet  werden,  von  der  es  früher 


1)  Nicmcyer,  Collect io,  p.  21 --24. 

2)  Viel  weniger  Yollstäiidig  ist  die  Darlegung  der  Lehre  von  der 
Kirclie  in  der  wenig  späteren  fjidei  crjtontio**.  Da  ist  nur  von  der 
einen  heiligen  allgemeinen  Kirche  die  Rede.  Dieselbe  ist  entweder 
unsichtbar  oder  sichtbar.  Unsichtbar  als  die  allein  Gott  bekannte 
Zahl  der  Gläubigen  in  der  ganzen  Welt,  welche  im  heiligen  Geist 
Gott  erkennen  und  umfassen.  Die  sichtbare  Kirche  ist  nicht  der 
Papst  und  die  Priester,  sondern  tfiiotrpwt  per  Universum  oi'betn  (Christo 
nomen  dedenint.  In  ihr  giebt  es  auch  solche,  die  innerlich  keinen 
Glauben  haben  und  darum  nicht  Glieder  illius  electae  ac  tnri'«7/i7t.s 
sind  (vgl.  Nicmcyer  a.  a.  0.  S.  5'J). 


ins,  MiTiiEu  VST»  «wixrttj.  607 

IJücfH,  (lafs  sie  im  Synibul  bekannt  werde,  sondi;ra  nls  Teile 

Kider    Biclitbaron    oder    sinnlich    wahmdimlüircn    allgomeinon 

^"L'rcfie    der    IJekenner    Christi,     dafs   liinsiclitlicli    der    om- 

pjrischcn  Kirdic  eiu  Unterschied   der  wahren   und   fiilBclion 

irclio  gf^inacht  wird,  der  nicht  mehr  hlofs  wie  frülicr  den 

Gegensatz  gegen  das  Papsttum,  aundcm  auch  den  gegen  die 

rWicdcj-täufcr  üum  Grunde  hat.     Aus  der  Einheit  der  wahren 

uchtbaren    allgemeinen   Kirche    llillt    die    pilpHtlichc    Kirche 

hoj-auR,  weil  sie  niclit  die  vera  confcssio  hat,  alwr  ancli  die 

Gemeinschaft  der  Wicdertäuler,  weil  sie  da«  nomr.-n  ecdcRtac 

dttTc  nicht  nacli  Vortwhrift   und  Vcrheifsung   des  gJittliclien 

"Wortes  vollzieht. 

Auf  die  Motive  dieser  Änderung  fitUt  un»weidcutige9 
Licht  diu'ch  die  aus  dorn  Nnvcmhcr  15^0  frtnmmcnde  Be- 
antwortung der  .StJiwonkfeld'Bchen  „quai^tionns  de  satra- 
mctUo  huplismi",  welche  L.  Brunner  an  Zwingli  gesandt 
hatte.  Den  AngrifTen  desselben  nuf  die  Kindurtjmfc  lag  die 
Ansieht  s-.iigrundc,  dal's  die  Taufe  erst  zu  erteilen  sei,  wo  bo- 
wiifstcr  Glaube  konatutiert  werden  könne,  und  dafs  der  Vei-such 
gemacht  werden  müsse,  die  Kirche  als  Gemeinde  der  bewuPat 
Oläubigen  empirisch  zu  realisieren.  Indem  die  Frage  nach 
der  Berechtigung  der  Kind  er  taufe  die  Frage  nach  dorn 
Wesen  der  Kirihc  nacli  sieh  /ug,  wurde  die  ] ^schaffen holt 
des  Kiiizclnen  »um  Ausgangspunkt  itir  die  Bestimmung  des 
Wesens  der  Kirche.  Zwingli  sciüekt  nun  di-r  Beantwortung 
der  einzelnen  Quästiencn  Axiome  voraus.  In  denselben 
wii'd  die  ewige  Jirwähluiig  resp.  Verwerfung  als  der  allein 
entscheidende  Grund  des  Heils  oder  der  Verdammnis  gel- 
tend gemacht  und  darauf  hingewiesen,  wie  das  menschliche 
Urteil  hinsichtlich  der  /ugchörigkeit  der  Einzelnen  sei  es 
am-  ecdcftia  primiiivorwn  (Ehr.  12,  aa),  sei  es  nur  cccl. 
paditorutn  mit  dem  thatsächlichcn ,  in  Gotte«  verborgenem 
Willen  begründeten  iSachverhalt  nicht  zusammentrügt  '.    Wenn 

1)  Opp.  in,  5T2.  Latrn  ijuod  lul  humanuni  Judiciuni  attiiict, 
cuiuain  ccclcniue ,  Ucl  an  ])is)ii)li  accunschntur?  Sic  ut  Julias. 
Ndpiid  illn  pcrilitimim ,  hie  vr.ro  clccIorumV  cum  ii]mJ  l><;urn  illR 
clocliu  l.-»»oI  et  de  ccvlüniiL  primilivorutii,  liiu  vuni  il<:  ctcIcHi»  ilikmnil- 


J 


608  GOTTSCHICKy 

nun  bei  der  Zulassung  in  die  empirische  Kirche ,  um 
die  es  sieb  bei  der  Taufe  handelt,  menschliches  Uitd 
jedenfalls  niafsgebend  sein  muTs,  so  wird  dei*  Bestiod 
der  letzteren  mit  dem  Bestand  der  Kirche,  welche  nicht 
Makel   noch   Runzel   hat,    sich    niemals    decken.     Sie  wiid 

ä 

immer    Verworfene    einschliefsen ,    Erwählte    von    sich  aui- 
schliefsen  ^ 

Der  Mafsstab  aber,  den  die  Wiedertäufer  anlegen, 
dafs  der  Glaube  an  das  gepredigte  Evangelium  das  Ent- 
scheidende ist,  ist  kein  solcher,  nach  dem  menschliches 
Urteil  die  Einzelnen  beurteilen  darf.  Nach  ihm  könnte 
überhaupt  niemand  getauft  oder  in  die  empirische  Kirche 
zugelassen  werden,  weil  man  von  einem  anderen  niemali 
wissen  kann,  ob  er  wirklich  Glauben  hat  *. 

Jener  Mafsstab  gilt  aber  auch  an  sich  nicht  ftir  jede 
Zeit;  er  gilt  erst,  wenn  für  den  Einzelnen  die  finale  Stel- 
lung zu  dem  ihm  gepredigten  Evangelium  entschieden  ist 
Wir  haben  die  Pflicht,  in  die  ELirche  alle  autzunehroeO) 
die  sich  zu  Christo  bekennen,  ohne  dafs  wir  über  ihre 
wirkUche  Zugehörigkeit  zu  der  Kirche,  die  keinen  Flecken 
noch  Kunzel  hat,  ein  zutreffendes  Urteil  fkUen  könnten. 
Die  Kirche,  in  die  wir  sie  durch  die  Taufe  aufnehmen,  die 
ecdcsia  visibilis  wird  in  der  JSchrift  durch  die  Gleichnisse 
von  der  königlichen  Hochzeit,  den  zehn  Jungfrauen,  dem 
Unkraut  unter  dem  Weizen  u.  s.  w.  beschrieben  ^.  So 
giebt  es  nach  der  »Schrift  eine  ccclcsia  spiritualis  und  eine 
ecclesia  saisibilis,  die  ersterc  die  der  Erwählten,  die  zweite 
die  Gesamtheit  derer,  die  sich  zu  Christo  bekennen,  die 
nach  unserem,  allerdings  irrtumsiahigen ,  aber  doch  pflicht- 
mäfsigen  Urteil  zur  Kirche  gehören.  Beide  decken  sich 
vielfach  nicht.     Das  Bestreben,  die  erstere  Kirche  empirisch 


1)  Ibid.  Ergo  in  ccclcsiam  visibilem  .  .  .  ceiisentur  hi  quoque, 
qui  upud  Dcurn  repudiati  sunt,  dumrnodo  nostro  judicio  satisfaciant ; 
et  contra  alieni  ab  ecclesia  nostra  judicantur,  qui  tarnen  de  ecclesia 
primitivoruin  sunt. 

2)  Ib.  p.  570. 
'S)  Ib.  p.  573. 


HÜS,  LUTHER  UND  ZWINGU.  609 

ZU  realisieren;  läfst  sich  auch  durch  die  Schriftstellen  nicht 
begründen,  in  denen  die  Hoheitsprädikate  der  ecclesia  spiri- 
tualis  auf  die  empirischen  Gemeinden  angewandt  werden; 
denn  hier  findet  die  Figur  der  Synekdoche  statt,  der  ge- 
inäfs  auf  das  genus  übertragen  wird,  was  nur  von  einem 
Teil  gilt,  oder  von  einer  species  ausgesagt  wird,  was  sich 
auf  eine  andere  bezieht  K  Die  sichtbare  Kirche,  welche 
auch  Kirche  Christi  ist  und  heifst,  hat  also  nach  Gottes 
Willen  Glieder  sehr  verschiedener  Art,  einerseits  sowohl 
Verworfene  wie  Erwählte,  beides  Kinder  wie  Erwachsene, 
anderseits  sowohl  Gläubige  wie  Ungläubige,  die  letzteren 
wiederum  teils  solche,  die  einst  gläubig  werden,  teils  solche, 
die  es  nie  werden  *.  Während  in  der  geistlichen  Kirche 
nur  Erwählte  sind,  müssen  wir  in  die  sichtbare  alle  aufneh- 
men, denen  wir  nach  den  für  uns  geltenden  Mafsstäben  das 
Bürgerrecht  in  der  Kirche  zuzuschreiben  verpflichtet  sind. 
Das  ist  aber  bei  den  Erwachsenen  das  Bekenntnis  des 
Glaubens  zu  dem  gepredigten  Evangelium,  bei  den  Kindei^n 
die  Darbringung  der  Eltern  auf  Grund  der  aus  der  Ana- 
logie des  Alten  Testaments  gefolgerten  göttlichen  Vcr- 
heifsung,  dafs  die  Kinder  der  Christen  zum  Volke  Gottes 
gehören  ^. 

Dafs  hier  auch  von  Hus  stammendes  Begrififematerial 
(die  geistliche  Kirche  =  Zahl  der  Erwählten,  die  mannigfache 
Verschiedenheit  der  Glieder  der  sichtbaren  Kirche)  verwandt 
worden  ist,  mag  keinem  Zweifel  unterliegen,  aber  ebenso 
wenig  auch,  dafs  es  nicht  die  eigene  Anziehungskraft  dieser 
Gedanken  ist,  denen  sie  ihre  Wiederaufnahme  durch  Zwingli 
verdanken.  Der  Grund  für  die  neue  Gestalt  des  Kirchen- 
begriffs und  für  die  Abweichung  von  Luther  liegt  vielmehr 
in  der  sich  aufdrängenden  praktischen  Aufgabe,  den  Wieder- 


1)  Ib.  p.  574.  Spirituali«  ccclcsiae  iniinera  seDsibili  quoquc 
tribuuntur,  scd  dicta  ratlonc,  cum  in  ecclesia  electi  siiit.  —  ac  rcprobi 
.  .  .  .  Jam  toti  ecclesiac  tribuitur,  quod  mclioris  in  ea  parti.s  tan- 
tum  est. 

2)  Ib.  p.  575. 

3)  Ib.  p.  577. 


610  GOTTSCHICK, 


täufcrn  mit  einer  Lehre  von  der  Kii-ehe  entgegenzutreten, 
bei  der  die  Aufnahme  von  Kindern  in  die  Kirche  gerecht- 
fertigt war,  uhne  dafa  wie  bei  Luther  ein  Rückfall  in  die 
katbülischo  Sukramentsmagie  und  eine  Erdichtung 
Glaubens  der  Neugeborenen  stattfand.  Kinder  können 
zur  Kirche  im  Vollsinne  des  Wurtes  geliören,  obwuhl  sie 
noch  keinen  Glauben  haben;  denn  der  Glaube  ist  nur  die 
zeitliche  Erecheinung  der  ewigen  Erwählung.  Alle  ChriBten- 
kinder  gehören  nach  der  Verhcifsung  Gottes,  wenn  auch 
nicht  zur  Kirche  der  Ejwählten,  doch  zu  einer  Kirche  Gottes, 
die  demgenaäfs  nach  Gottes  Willen  auch  Nichlgläubige  und 
Nichterwählte  umfassen  mufa.  Die  vollkommene  Gemeinde 
läfat  sich  nicht  empirisch  reahsiercn;  denn  das  DienschUcht! 
Urteil  kann  nicht  einmal  das  Vorhandensein  wirklichen  Glau- 
bens, geschweige  das  der  Erwählung  mit  Sicherheit  kon- 
etatieren.  üo  entspringt  die  Gegenüberstellung  der  boidea 
sich  schneidenden  Kreise  der  nur  Gott  bekannten  Kirche 
der  Erwählten  und  der  ecclesia  visibilis.  Während  in  der 
Zeit  des  Kamples  mit  den  Römischen  die  evangelischen 
Einzelgemeinden  wegen  ihres  Verhältnisses  zu  dem  einen 
Worte  Gottes  als  die  Teile  und  Glieder  der,  kurz  gesagt, 
unsichtbaren  allgemeinen  Kirche  betrachtet  wurden  und 
daraus  ihr  Recht  zu  selbständigem  kirchlichen  Handeln  ab- 
geleitet wurde,  ist  jetzt  die  Kirche,  welche  auch  Nichtglan- 
bende  in  sich  befafst  und  als  Erzieherin  derselben  Wert 
hat,  eine  gottgeordnetc  Gemeinschaft,  Kirche  Christi,  und 
die  Partikularkirchen,  die  natürlich  ebenfalls  aus  Gläubigen 
und  Ungläubigen,  Erwählten  und  Nichtcr wählten  gemischt 
sind,  verlieren  im  Kample  mit  den  Wiedertäufern  nichts, 
wenn  sie  als  Teile  der  sichtbaren  Kirche  aulgefalst  werden. 
Denn  diese  ist  eine  göttliche  Ordnung.  Dafs  gerade  auch 
die  Einzelgemeinden  durch  das  Wort  Gottes  sanktioniert 
werden,  hat  seinen  bedeutsamen  Wert  gegenüber  der  Rütterei 
der  Täufer,  die  sich  fälscldich  auf  die  Vcrheifsung  berufen, 
dafs,  wo  zwei  oder  drei  versammelt  sind  im  Namen  Christi, 
er  mitten  uuter  ihnen  sein  wolle.  Zwei  oder  drei  oder 
hundei-t  Gläubige  sind  keine  der  Kirchen,  von  denen  da« 
Wort  Gottes  redet,  sondern  nur  eine  grüfsere  oder  geringere 


HU8;  LUTHER  UND  ZWINGU.  6 1 1 

Zahl  von  Gliedern  der  Kirche  ^  Auch  ftir  die  Kirche^ 
welche  begriffsmäfsig  Verworfene  und  Kichtgläubige  zu 
ihren  Gliedern  hat,  gilt,  damit  sie  in  der  wahren,  ihr  von 
Gott  vorgeschriebenen  Einheit  bleibe,  eine  Bedingung:  sie 
hat  bei  ihrem  kirchlichen  Handeln  sich  nach  dem  Worte 
Gt>ttes  zu  richten.  Darum  fallen  aus  ihrer  Einheit  eben  so 
heraus  die  Täufer,  welche  die  den  Christenkindern  gegebene 
Verheifsung  misachten,  als  die  Päpstlichen,  welche  nicht  die 
Vera  confessio  bewahren.  Noch  in  einer  anderen  Beziehung 
als  den  besprochenen  beherrscht  der  Gegensatz  gegen  die 
Täufer  die  Ausführungen  der  „fidei  ratio"  und  auch  der 
„fidei  exposiiio".  In  der  ersteren  wird  nämlich  der  gött- 
liche Wert  des  Predigtamtes  und  der  weltlichen  Obrigkeit 
hervorgehoben  *  und  in  der  zweiten  die  Notwendigkeit  der 
letzteren  für  die  Vollkommenheit  des  kirchlichen  Körpers 
ausdrücklich  damit  begründet,  dafs  es  in  der  sichtbaren 
Kirche  viele  contumaces  und  perduelles  gebe  *. 

So  wenig  es  zu  leugnen  ist,  dafs  Zwingli's  Kirchen- 
begriff jetzt  eine  gewisse  Gespaltenheit  an  sich  trägt,  so 
darf  man  doch  nicht  übersehen,  dafs  er  auch  jetzt  die  zum 
Glauben  gelangten  Erwählten  als  das  eigentlich  handelnde 
Subjekt  in  der  wahren  sichtbaren  Kirche  betrachtet  und 
wesentlich  wegen  ihrer  Zugehörigkeit  zu  dei*selben  die  sicht- 
bare Kirche  als  eine  solche,  die  Kirche  Christi  nicht  nur 
heifst,  sondern  ist,  angesehen  hat.  Die  Behauptung,  dafs 
durch  die  Figur  der  Synekdoche,  was  nur  von  dem  besseren 

1)  Opp.  VI,  341  zu  Matth.  18,  20.  Ex  bis  verbis  colligunt  Cato- 
baptistae  suam  ecclcsiam  seu  potius  sectam.  Nam  et  ipsi  a  Christia- 
nis  8C  separant.  Verum  est  hoc,  quod  quicunque  Dcum  praescntem 
habet,  mcmbrum  est  Christi  et  ecciesiac,  nee  tarnen  ob  id  sequitur, 
quod  sit  de  ecclesia  illa,  quae  potestat«m  habet  cxcommuuicandi  et 
alios  excludendi  ....  Christus  .  .  non  de  ecclesia  hie  loquitur,  sed 
de  singulis  membris,  quasi  diceret:  non  ecciesiam  duntaxat  exaudio 
precHntcm,  sed  singulos,  qui  nomine  meo  convenerint ;  vgl.  W.  W. 
II,  2'.M.  Ein  jede  kilch  soll  in  den  offnen  dingen  handleu  und  ur- 
teilen, nit  einer  oder  glych  hundert  besundcr,  als  wir  wol  ermessen 
mögend.     Matth.  18,  17;  IKor.  14,  29;  Phil.  3,  16. 

2)  Nicmeyer  a.  a.  0.  S.  31.  32. 

3)  a.  a   0.  S.  53.  54. 


612  OOTTSCHICK, 

Teile  der  Kirche  gilt,  auf  das  Ganze  übertragen  werde  (vgl 
S.  609  Anm.  l),  hat  nämlich  nicht  etwa  den  Sinn,  dab 
die  Prädizierung  der  sichtbaren  Kirche  als  Kircbe  Chiisd 
lediglich  eine  Redefigur  sei,  sondern  das  ist  die  Meinm^ 
dafs  das  Ganze  nach  dem  besseren  oder  hauptsachlichei 
Teil  beurteilt,  dafs  von  dem  anderen  abstrahiert  werden 
müsse  ^  Auch  Luther  hat  ja  auf  dieselbe  Weise  das  An- 
recht der  gemischton  Gemeinschaft  auf  das  Prädikat  Kirche 
begründet.  Es  ist  deshalb  der  Abstand  auch  der  zweiten 
Gestalt  der  Lehre  Zwingli's  von  der  Luther's  nicht  so  Loch 
zu  veranschlagen,  als  es  gemeinhin  geschieht. 

Die  Probe  auf  die  Richtigkeit  des  versuchten  Nach- 
weises über  die  Gründe  der  in  Zwingli's  Anschauung  von 
der  Kirche  eingetretenen  Wandlung  Hefert  die  Erwägung, 
ob  etwa  die  stärkere  Betonung  der  Erwählungslchre  dazu 
geführt  hat,  dafs  für  ihn  die  historischen  Heilsniittel  über- 
haupt ihren  Wert  verloren  haben  und  die  Bedeutung  des 
Evangeliums  von  Christus  durch  die  Annahme  einer  gänz- 
lich unvermittelten  Geisteswirkung  als  dem  Korrelat  der  an 
nichts  Creatürliclics  gebundenen  Erwählung  vernichtigt  wor- 
den ist.     Seeberg  hat  dies  wieder  behauptet. 

Bekanntlich  hatten  sich  Zwingli  und  die  sächsischen 
Reformatoren  auf  dem  der  Abfassung  der  l^chrift  „de  pro- 
vichntia"  unmittelbar  vorhergehenden  Marburger  Kolloquium 
auch  über  den  Satz  geeinigt:  Spiritus  saticius,  übt  vult,  dat 
et  efficit  fident  in  nostris  cordihtis,  aim  Evangelion  seu 
vcrhum  Christi  andimus  ^,  nachdem  dem  ei-steren  von  den 
letzteren  Münzerisclie  Schwarmgeisterei  schuld  gegeben  war. 
Collin  berichtet  nun  über  die  diesen  Punkt  betreffenden  Ver- 
handlungen,   Melanchtlion    und   Zwingli   seien   darüber  eins 


1)  Opp.  VI,  p.  o40.  Saopc  fit,  quuin  duo  contraria  in  cadem 
rc  sirnul  iiivcniantur,  iit  (lonominationcm  falls  res  accipiat  a  princi- 
paliori.  In  ecclesia  Christi  et  mali  rcperiuntur.  Kt  coetus,  qui  bonos 
et  inalos  simul  coinjdrctitur ,  ecclesia  nüiiloniinus  dicitur  Christi, 
quuin  tarnen  mali  aut  irnpii  nequaquam  sint  in  ecclesia 
(ob  hier  vielleicht  tlc  cchslfi  zu  emendiercn  ist?)  .  .  Praccipuum  in 
ecclesia  Christi  sint  lioni,  a  quibus  et  ecclesia  denominatur. 

2)  Zwinglii  Opp.  lat.  IV,  p.  IHl. 


I 


HUS,  LUTHER  UND  ZWINßLl. 


613       ^^M 

ermittelnde  | 


geworden,  dafs  das  die  WirkBamkeit  des  Geistes  vermittelnde 
Wort  nicht  maierialiter ,  sondern   als  gepredigtes   und   ver- 

.  «tandenea  Wort  d.  i.  als  mens  et  medtdla  verbi  gemeint  oder 
pro  ipsa  seiUentia  et   mcnlc  Dei,   allerdings  in   menschliche 

„  Worte  gekleidet,  genommen  sei;  dann  erfasse  das  mensch- 
liche Herz  die  Meinung  des  göttlichen  Willens,  wenn  es 
vom  Vater  gezogen  werde  '.  —  Das  war  ja  nun  Zwingli'a 
Meinung  nicht  minder  wie  die  Luthcr's  immer  gewesen,  und 
er  bedui-fte  in  dieser  Beziehung  der  Belehrung  nicht,  die 
Melauchthon  sich  rühmt  ihm  in  der  Geschwindigkeit  hahen 
angedeihen  zu  lassen  *.  Nichts  anderes  aher  hat  Zwingli 
dann  in  der  Schrift  „de  Providentia"  wieder  auseinander- 
gesetzt, wenn  er  z.  B.,  dafs  nach  Paulus  der  Glaube  ex 
auditu  kommt,  dahin  erklärt,  dafs  der  vicinior  et  nobis 
notior  causa  zugeschrieben  werde,  was  streng  genommen 
allein  dem  Geiste  gebühre  ^.  Luther'a  eigene,  auch  mit  der 
Prädestinatioualeln-e  zusammenliängcnde  Formel,  dafs  Gott 
durch  das  AVort  den  Geist  gebe,  wo  und  wann  er  wolle, 
ist  ja  hiermit  vollständig  gleichbedeutend.  Zwingli  sowohl 
wie  Luther  leugnen,  dafs  das  gepredigte  Wort  durch  seinen 
verstandenen  Inhalt  schon  den  Glauben  bewirke;  um  dies 
zu  erzielen,  mufs  eine  spezitische,  eben  darum  unmittelbare, 
durch  das  Wort  nicht  vermittelte  Geistes  wir  kung  hitizukom- 
men.  Wenn  Zwingli  in  dieser  Öchrift  gegen  die  Über- 
schützung  der  externa  praedicatia  durch  die  Sakramentarier, 
wie  auch  er  jetzt  Luther  und  seine  Anhänger  betitelt,  sich 
abweisend  auasprieht,  so  bat  er  eben  Luther's  jetzigen,  ihm 
nicht  mit  Unrecht  als  katliolisiereud  verdächtigen  Sakra- 
mentsbegriff im  Auge,  nach  welchem  die  Kraft  der  vom 
Diener  z.  B.  bei  der  Taufe  ausgesprochenen  Worte  das 
äulsere  Zeichen   zum   sicheren  Vehikel   der   Gnade   machen 


1)  Ib,  p.  173. 

2)  Ib.  p.  185. 

3)  Ib.  p.  I2b.  NoQ  est  alia  mena  Puull  quam  necesse  esa<3  .  .  . 
ut  praedicetur  vcrbuin,  quo  deinde,  quJ  iucreioentum  dat  Deua,  velut 
iQHtrumeDto  fidein  plaiitat,  aod  sua  viciaiore  ac  propria  manu.  Est 
enim  et  aijoatoli  opus  a  Dei  manu,  sed  medium;  ipse  rero  tractua 
internus  immediate  operantiB  est  spiritUB. 

E4lUehr.  t  K.-a.  VIll.  «.  4U 


614  GOTTSCODCK, 

BoU  ^  Lediglich  gegen  die  Sakramentsmagie  sei  es  katbo- 
lischer,  sei  es  neolutherischer  Art;  ist  auch  der  Satz  der 
„fidei  ratio"  gerichtet;  den  Seeberg  mit  Unrecht  so  Ter- 
allgemeinert  hat,  dafs  er  auch  das  Erangeüum  einschliehfi 
solle :  dtix  vel  vehiculum  spirüui  non  est  necessarium  K  Und 
wenn  Zwingli  eben  dort  von  den  Sakramenten  sagt,  dals  ae 
sichtbar  der  fiorche  einigen,  nachdem  der  Empfänger  derselbea 
unsichtbar  in  dieselbe  aufgenommen  sei,  dafs  der  Qeist  tot 
dem  Sakrament  wirksam  dagewesen  sei  und  invisibüiter  ä 
insensibiliter  ihn  gezogen  habe  ^,  so  bt  nicht  die  mindeste  Be- 
rechtigung vorhanden;  ihm  zu  imputieren,  dafs  er  die  Vermitte- 
lung  durch  das  gehörte  und  verstandene  Evangelium  day(m 
auss^hliefse.  Der  ganze  Zusammenhang  handelt  lediglich  tod 
den  Sakramenten.  Die  Wendung  spirüu  Spiritus  generaim, 
non  rc  corporea  begegnet  ohne  jede  Restriktion  auch  da,  wo 
auch  der  ungerechteste  Polemiker  das  gehörte  imd  verstan- 
dene Evangelium  von  Christus  als  Mittelglied  nicht  sns- 
schliefsen  kann,  wo  nämlich  Zwingli  von  dem  im  Abend- 
mahl stattfindenden  geistlichen  Oenufs  von  Fleisch  und  Blut 
Christi  redet*.  Und  S,  32  erklärt  Zwingli  bei  aller  Be- 
tonung dessen;  dafs  der  Geist  der  autor  tum  doctoris  Um 
auditoris  sei,  dafs  die  äufsere  Verkündigung  des  Evangeliums 
dem  Glauben  als  Regel  vorausgehe,  dafs  die  Sendung  von 
Boten  des  Evangeliums  ein  Zeichen  sei,  dafs  Oott  sich  seinen 
Erwählten  offenbaren  wolle,  die  Verweigerung  derselben  ein 
Zeichen  seines  drohenden  Zornes  **.  Wie  er  die  Erwählung 
in  ihrer  Abz weckung  auf  Christus  aufgefafst  hat,  so  hat  ja 
auch  seine  ganze  Anschauung  vom  christlichen  Leben  die 
Bürgschaft  der  göttlichen  Gnade,  welche  die  Person  Christi 
bedeutet,  und  damit  das  gepredigte  Evangelium  zu  ihrem 
unveräufserlichen  Korrelate.     Wogegen  er   sich    erklärt  hat, 


1)  Ib   p.  119. 

2)  Nieraeyer  a.  a.  0.  S.  24. 

3)  Beim  Kinde  geht  an  Stelle  des  Bekenntnisses  des  vom  Geist 
gewirkten  Glaubens  die  göttliche  Verheifsung  für  die  ChristeBkinder 
vorher. 

4)  Ib.  p.  29. 

5)  Ib.  p.  32. 


HU8,  LUTHER  ÜKD  ZWIMQLI. 

iss  iet  die  Magie  des  verhum  materialiter  accepttan.  Weim 
kber  Seeberg,  mn  Zwingli  die  erwünschte  Theee  imputieren 
SU  können,  sich  darauf  beruft,  dafs  derselbe  auf  Grund  von 
Böm.  2,  14 ff.  die  Möglichkeit  offen  halten  will,  dafs  die 
gßttliche  Erwähiung  nicht  nur  in  Israel,  sondern  auch  unter 
Heiden  sich  an  etlichen  verwirklicht  habe,  die  an  Fröm- 
migkeit den  Päpsten  vorzuziehen  sein,  wie  z.  B.  Seneka  und 
Bokrates,  so  dürfte  zu  bedenken  sein,  ob  es  auch  nur  in 
Ler  konfessionellen  Polemik,  geschweige  denn  in  der  hiato- 
RBchen  UnterBuchung  zulässig  ist,  die  das  Zentrum  der  Gle- 
danken  Zvringli's  bildende  reform atorischc  Heilslehre  durch 
liehe  nebenbei  laufende  Residuen  älterer  Anschauungen  eli* 
minieren  zu  wollen.  Mit  dem  gleichen  Recht  kann  man  ja 
auch  Luther  die  Konsequenz  imputieren,  dafs  er  das  ge- 
Bchichtllche  Christentum  entwertet  habe,  weil  er  nicht  minder 
wie  Zwingli  daran  festgehalten  hat,  dafs  die  alttestament^ 
liehen  Frommen  denselben  Glauben  gehabt  haben  wie  die 
Christen  und  dafs  die  chriatliclie  Kirche  von  Anfang  der 
Welt  an  existiert  hat. 

Vergegenwärtigt  man  sich  nun,  dafa  Zwingli  auch  in  der 
„fidei  ratio"  nur  die  Gemeinde  der  aktuell  Gläubigen  als  die 
eine  Kirche  bezeichnet,  die  nicht  irren  kann,  dafs  er  in  der 
„fidei  cxposilio"  das  Prädikat  der  ccclesia  invisibilis  nur 
auf  sie  bezogen,  also  beide  Mal  die  Formel,  dafs  die  Kirche 
die  Zahl  der  Erwählten  sei,  neutralisiert  hat,  dafa  er  in  der 
Antwort  auf  die  Fragen  „de  sacramento  haptismi"  dieselbe 
Gröfse  als  den  tnelior  pars  der  ccclesia  vislbilis  auffafst,  der 
über  den  Wert  des  Ganzen  entscheidet,  dafs  er  die  Ver- 
kündigung des  \A'ortB  als  eine  hauptsächliche  Funktion  der 
visibilis  ccclesia  denkt,  dafa  er  die  Gläubigen  auch  in  dieser 
Periode  als  Effekt  wie  als  Subjekt  doa  Wortes  vorstellt,  dafs 
er  die  sichtbare  Kirche  als  dJe  durch  Erziehung  und  Unter 
rieht  im  Worte  alle  ihre  Glieder  von  Jugend  auf  zum  Glau- 
ben heranbildende  Gemeinschaft  betrachtet,  so  bleibt  natür- 
lich das  Urteil  ungeändcrt,  dafs  die  von  ihm  vorgetragene 
Gesamtformulierung  aller  dieser  Momente  die  Einheit  der 
Kirche  nicht  ao  zutreffend  ausdrückt,  wie  dies  Luther  aller- 
dings nicht  in  der  Schrift  „  Vom  Papsttum   bu  P  '  ir 


616  Gomcmcx:  hus^  lutheb  vhd  jewutgu. 

doch  nachhiff  gelungen  ist;  aber  das  „syBtestDsÜBchß  Ungb- 
■ebick^y  das  er  in  der  „fidei  ratio**  bewiesen,  darf  doch  iddii 
dagegen  blind  machen,  daüs  seine  eigentliche  Anschaanog 
Ton  der  Kirche  anch  in  dieser  Periode  mit  der  msprüiig- 
lichen  Lutber^s  übereinstimmi  Und  auch  dies  systematitcfae 
Ungeschick  findet  seine  Entschuldigung ,  wenn  man  erwig^ 
da(s  er  die  Geschlossenheit  der  Fonnuliemng  des  Eircheo- 
b^griflbs  auch  den  Wiedertäufern  gegenüber  nicht  wie  Luti» 
mit  einer  katholisierenden  Wendung  des  evangelischen  Sakn- 
mentsb^riffes  hat  erkaufen  wollen.  Denn,  dafs  JLuther  die 
Unterscheidung  einer  geistlichen  und  leiblichen  CSiristailieit 
spftter  nicht  wieder  aufgenommen  hat,  trotzdem  er  die  nea 
getauften  Ejnder  in  die  ecclesia  proprie  dida  einrechnete^ 
das  ist  ihm  eben  möglich  gewesen,  weil  er  einen  Kinder- 
l^uben  statuierte  und  dadurch  den  Weg  fiuid,  die  Kinder 
taufe  als  Mittel  unmittelbarer  Mitteilung  des  effektiTen 
Heilsbesitses  an  die  Ejnder  zu  denken. 


REGISTER 

Von 
Lic.    Adolf  Link    in   Marburg. 


«M^^^^^^W^^h^l^^^% 


I. 

Yerzeichnis  der  abg^edruckten  Qnellenstücke. 


[Saec.  yni.]:  Würzburger  lateinische   Handschrift  zu  den  ap<h 

hryphen  Apostelgeschichten  Mp.  th.  f.  78  s.  Vm  (Collationen) 

450—455. 
1521  April  25:   IXephan  Eöpfenstein  an  König  Christiem  IL 

d.  Worms  291  f. 
1521  April  25:  üf.  Beinhard  an  König  Christiem  IL  d.  Worms 

(Neudruck)  289  ff. 
1523  Januar  5:  Georg,  Markgraf  von  Brandenburg  an  Luther 

d.  Prag  472—474. 

1526  Juni  25  bis  August  17:  Belation  über  die  Yerhandlungen 
des  Beichstags  zu  Speyer  von  1526:  302 — 317. 

1527  Sept.  2:  Luther  an  Gerard  fiiscampius  o.  0.  (genauer 
Neudruck)  295  f. 

[1528]  Februar  28:  Luther  an  Abt  Heino  Ton  Uelzen  (Varianten) 
296  f. 

1533  Dez.  21:  Luther  an  den  Rat  der  Stadt  Münster  d.  Witten- 
berg (genauer  Neudruck)  293  f. 

[1536]:  Luther:  Usus  psalterii  (in  doppelter  Redaktion)  300. 
486. 

1537  Juli  27:  Luther  an  Fr.  Mjconius  o.  0.  (genauer  Neu- 
druck) 294  f. 

[1537]:  Luthers  Motto  zu  den  Schmalkaldischen  Artikeln  (yer- 
besserter  Neudruck)  319. 


618 


UEGISTEH. 


1542  Dezember  13:  Luther  an  (xeorg,  Markgraf  Ton  Branden- 
bürg d.  Wittenberg  (Neadmck)  475  f. 

1543:  Ltdher:  Fidelis  anime  yox  ad  ChrUtnm  299. 

r?1:  Gebet  Ton  Luther:  OmnipotenB  eterne  Dens  etc.  299. 

[?J:  Distichen  Luthers  mit  der  Überschrift:  Cum  ignoramus  quid 
agendam  sit,  ocnli  nostri  ad  te  tolluntor  298. 

[?]:  Distichen  Luther' s:  Nullius  est  foelix  conatns  etc.  298  f. 
Tgl.  486. 

[?]:  Drei  Bibelworte ,  Yon  Luther  unter  der  Überschrift  Regula 
Yitae  zusammengestellt  299. 


n. 


Verzeichnis  der  besprocheDen  SchrifteB. 


AbhandLd. bayer. Akad.  d.W. 

8.    KL     XVH:    335;     XX  VU: 

510. 
Acquoy,  J.  G.,  De  krouiek  van 

bet    Fraterhois   te   Zwolle    271 

vgl.  268. 
— ,    Het   Klooster   te  Windesheim 

272  f.  vgl.  269. 
A  m  r  h  e  i  n ,      Das     Archidiakonat 

AschafTenburg   und    seine  Land- 
kapitel 267  vgl.  265. 
AnalectaFranciscana  I:  276. 

334  f. 
Anz.  f.  Schweizer  Gesch.  N.  F. 

XII:  260 f.;  XIII:  261  vgl.  260; 

266  f.  vgl.  265. 
Apollinaire,   St    Bernardin    de 

Sienne  276  f.  vgl  270. 
Archief  voor    nederl.    kerk- 

gesch.  I,  1:  500. 
Archief  vor  de  geschiedenes 

van   Utrecht    1875     Bd.    II, 

1878  Bd.  V:  271  vgl.  269;  1883 

Bd.  X:  273  vgl.  269. 
Archiv  für  kathol.  Kirchen- 
recht  LI:  459-465;  LUI:  320. 

336. 
Archiv  f.  Litt.-Gesch.    XIII: 

343. 
Archiv  f.  Litt.-  u.  Kirchea- 


gesch.    d.    Mittelalters  I: 

336-340.  499 ff.;  U:  501  f. 
Archiv  für  österr.  Gesch.  LII: 

259    vgL    254;    LIX:   250  vgl 

225;  LX:  258  vgL  254;  LXIV: 

276  vgl.  270. 
Archiv  des  histVereins  von 

Unter  franken  u.  Asch  äff  en- 

burgXXVn.  XXVUI:  267 vgl 

265, 
Archivio    stör.    Ital.   IV.   Ser. 

T.  IV:  248  vgl.  225;  T.  XVU: 

507. 
Archivio  della  Soc.  Rom. VIII: 

511. 


Bai  an,  Monumenta   reformationis 

Lutheranae  341. 
— ,  Monumenta  saec.  XVI.  historiam 

illnstrantia  I:  341. 
Baltische  Studien  1885:   504. 
Basel  er  Bei  tr.  zur  vaterl.  Gesch. 

XII,  N.  F.  n:  503. 
Bauer,  D.  Bruderschaflswesen  in 

Niederösterreich  504. 
Becker,  Catalogi   biblioth.    anti- 

qui  458. 
Becker,  J.,  Een  brief  van  Joh. 

van  Schoenhoven  273  vgL  269. 


Bender,  W.,    Driranden    znr  Ge- 

BchichU  des  deutschen  PietismuB 

513  t. 
Benrath,    K.,     Zur    Qeacb.     der 

Harienverelirung  497. 
Bernhardt.  W.,  Der  Eioflufs  de» 

EardinalkaUeg    auf  die  Verhand- 

luDgcn    des  Eonstanzer  Konzils 

251  vgl.  225. 
Bertram,    Ad.,    Theodoreti    Cy- 

reDsifi  düctrinft  cbmtologica  bä  F, 
Bezold,  F.  V,  Sigmund   nnd  die 

Reicbskriege   gegun   die    Bositen 

259  vgl   254, 


Bibli. 


icolei 


auf.  d'Ätliines  et  de  Rorae, 
Fase.  43:  502. 

Bibliothek  des  litter.  Vor- 
eins etc.  Stattgart,  CLVni: 
247  f.  vgl.  224. 

Birt,  Tb  ,  De  fide  cbrUt.  qnao- 
tnm  Stilichonia  aetate  in  aula 
imperatoria  occid.  ralaerit  dis- 
putatio  322. 

Bizonard,  St.  Colette  276  vgl 
270. 

Blätter  des  Ver.  f.  Landes- 
kunde T.  N.-Ö   XIX:  504. 

Blätter     fnr      Württemberg. 


Baltati  di  S  t.  Pierre,  J.,  Framm. 

di    storia   del     papato    nel    aec. 

XV.:  247  vgl.  224, 
Bonet-Uaury,  G^rärd  deGrtwte 

2G8. 
Bessert,  G.,  Bedeutong  der  Eir- 

chenbeiligen  fQr  die  älteste  Ge- 

Bchichle  der  Eircben  503. 
Brandt,  S.,  Die  Fragm.  v.  Rand- 

■chriften    Utein.    KircheuBchrift- 

ateller  in  Cod.  169  von  Orleans 

327. 
Biatke,    Die  Einbeitlicbkeit   der 

^«rarii  491. 
Brersler,  R.,    Die  St^UuDg  der 

deutschen  Universitäten  zun  Ba- 

•eler  Konzil  2(53  f.  vgl.  260. 
Brieger,  Tb.,  Eoostantin  d.  Gr. 

als  ReligionepoUtiker  532f. 
— ,  Qaellen  und  Furachungen  I,  1: 

341. 
Bronn  er,  Lex  Atamannorum  325  f. 
Bryenniüs,  ^iJorij  74. 
Bnobwkld,  Poacbs  handsduifU. 


PER.  619 

Saintnl.    der    ongedr,    Predigten 

Luther's  341. 
Bncbwald,  Bitgenhageniana  sni 

Abschriften  Rotb'H  342. 
Bück,  M.  R..  Ulricb's  vonBicben- 

tal  Chronik  des  Konstanzer  Kon- 
zils herausgegeb.    v.  247f    vgl. 

224. 
Baddensieg,   R.,    Wiclifs   Lnt. 

Streitsch rillen ,    berausgeg.    und 

bearb.  v.  255  vgl.  253. 
— ,    Studien   zu    Wiclif   25Ö   vgL 

253. 
— .  Wiclif  D.  seine  Zeit  255f-  »gL 

253-  347 
Bnlle'tino'  lU,  1885:  494. 
Barckbardt,   Die  Zeit  Konstan- 

tin's  d.  Gr.  2.  Aufl.  518  t  522. 

528    530.  534,  542. 
Burrows,  Hantagu,  WiclifB Place 

in  bist.  256  vgl.  253. 


Caesar,    Catal.    stadioa.    scholae 

Marpargi;nBls  510. 
Caro.   J.,  Ans  der  Kanzlei  Kaiser 

Sigismands  250  vgl.  225. 
— ,  Das  Bündnis    von   CanUrbory 

250  f.  vgl.  225. 
— ,     Liber    oancellariaa     Stanislai 

Ciolek  ed.  259  vgl.  254. 
Caeopis  tnasea  kiälorstoi  feskebo 

LIIl:  254. 
Caspari,  Alte  und  neue  Qaelleo 

95. 
— ,  Eine  Anguatio  fäUcblich  bei- 
gelegte   Homilia    de     Bacrilegüi 

497  f. 
— ,  Mart  V.  Bracara  323. 
C  b  i  a  p  e  1 1  i ,  A.,  La  dottr.  dei  dod. 

Apostoli  487  f. 
— ,   II    frainm.   ora    scoperto   d'un 

quinto  Evang.  488. 
Conferenza    tenuta    nel    circolo 

filul.  di  Firenze  1886;  513. 
Cornelias,  Die  VerbaRonng Cal- 

Tin's  aus  Genf  511. 
CreigbtoD,  M.,  Hist.  of  papacy 

dnring   tbe   period   of  the   rcfor- 

matiun  225  vgL  222. 


Dabert,    St.   Fraii9oiB   de    Paule 

277  vgl,  270. 
Daisenberger,  H.,  Tolksscholen 

in  d.  Diöceoe  Angsbarg  506. 


t    J 


620 


UEGISTER. 


De li tisch,  Das  Lehraystem  der 

röiD.  Kirche  352. 
Del  place,  L.,  Wyckliffe  and  his 

teachlng  conceming  tbe  primacy 

256  ?gL  253. 
Denifle,  H.,  £?g.  aet  and  die 

Kommission  zn  Anagni  337  ff. 
— ,  Die  Sentenzen  Abalard^s  u.  d. 

Bearbeitung  seiner  Theolog.   Yor 

Mitte  des  12.  Jahrb.  499.  501. 
Denis,  £.,  Hoss  et  la  guerre  des 

Hnssites  257  f.  vgl.  254. 
Dentsch-evang.  Blatt.  1886: 

487. 
Dictionary  of  christ.  biogr. 

III:  Artikel  Methodios  von  Sal- 

mon  19. 
Dillinger    Stndienanstalts- 

Progr.  1885:  506. 
Dittrich,  F.,  Zar  Geschichte  der 

kathol.   Ref.    im   ersten   Drittel 

des    16.    Jahrh.    275   vgl.    270; 

511. 
Domenica  del  Fracassa,  La, 

II,   43    Rom    1885     Okt.   25: 

488. 
Dom m er,   A.  v.,  Aatotypcn  aus 

d.  Reformationszeit  II,  1 :  340  f. 
Dorner,  Gesammelte  Schriften  92. 
— ,  Theodor!  Mopsvcstcni  doctrina 

de  Imagine  Dei  92. 
D  0  o  a  i  s ,  C,  Practica  inquisitionis 

505. 
D  r  ä  s  e  k  c ,  Die  thcol.  Schriften  des 

BoSthius  494. 
— ,  Zu  Mart.  v.  Bracara  323. 
Dresdener  An  nen-Rcalsch  ul- 

Programm     1881:     246    vgl. 

223. 
Draffel,   A.  v. ,   Die   Bayerische 

Politik  1519—1524:  510. 
Dablin  Review  1  884:  256  vgl. 

253. 
Duchesne,    Lib.    pontif.    327fr. 

494. 
Dahr,  P.  B.,  Die  Quellen  zu  einer 

Biogr.   d.   Kard.   Otto  Truchsefs 

V.  Waldb.  512. 
D  ü  m  m  1  c  r ,    £. ,    Jüd.    Prosely ten 

im  Mittelalter  485. 


Bhrle,  Zur  Gesch.  dos  Schatzes, 
der  Bibliothek  u.  d.  Archivs  der 
Päpste  im  14.  Jahrh.  337. 

— ,  Zur  Biogr.  Heinrich's  v.  Gent 
500. 


Elter,  J.,  Luther  and  d. WoTBia 

Reichstag  1521:  509  £ 
Enders,  Briefwechsel  Luther*«  I: 

341.  508. 
Engelbardt,  M.  ▼.,  DasCbiista- 

tum  JastiD*8  d.  M.  11.  49  68. 
Erichson,  A.«  L*£glise  fraaf  de 

Strasbourg  511. 
Erler,  G.,  Zur  Gesch.  des  pisu. 

Konzils  247  TgL  224. 
— ,   Contra  dampoatos    Widifitif 

504. 
Er  misch,  H.,  Mittel- ond  ITieder- 

Schlesien  1440—1452:  267  f.  TgL 

265. 
Estratto  dalla  Nnova  Antologit 

LllI,  Pasc.  XVill:  487  f. 
Eubel,  Heinr.  ▼.  Lutzclburg  331 
Ewald,  P.,  Akten   zum  Schisma 

von  530:  323  f. 


Fabisz,  St.  F.,   Quidnam  PoloDi 

gesscrint  adv.  schisma  occid.  syn- 

odosque  Constantiensem   et  Ba- 

sileensem  252  f.  262.  vgl.  225. 
Falk,    Zur  Gesch.    d.    Borsfelder 

Kongreg.  275. 
Faucon,  M. ,  Librairie  des  papes 

d'Avignon  1:  502. 
Finkf,  H.,  Sigmund*8  reichsstäd- 

tische  Politik  265. 
— ,  Der  Strafuburgcr  Elektcnprozefs 

vor  dem  Konstanzor  Konzil  2651 

vgl   2G4. 
— ,  Die  gröfsere  Verbrüderung  des 

Strafsburger   Klerus    von    1415: 

2GG  vgl    264. 
— ,  Zur  Beurteilung   d.    Akten  des 

Konst.  Kunz.  248  vgl.  224. 
— ,  Zur  GcBch.   der  liolstein.   Klö- 
ster im   15.  u.  16.  Jahrh.  275  f. 

vgl.  270, 
Fontana,  B.,  Calvin   in  Fermra 

511. 
Forschungen  zur  deutschen 

Geschichte     XIX:     244     vgl 

223;   XXI:   244   vgl.    223;  245 

vgl.  223;  XX 111:  248  vgl.  224; 

XXV:  248  330-33.1.  343.  505; 

XXVI:  500.  509. 
Freiburger   Diöcesanarchiv 

XU:  267  vgl.  265. 
Fricdländer,M,  Patristische  u. 

talmudische  Studien  61  f. 
Friefs,  G.  E.,  Gesch.  der  östexr. 

Minoritenprov.  276  vgl.  270. 


REQI&TGB.                                                       621 

Friti,  Dm  Tmitoriam  des  Ba- 

tans   StrarBbnrg  im   14.   Jahrh, 

Nilt.  V,  Cusa  1451:  274  f.  vgl. 

6oa. 

26Ü. 

:Fruiiimann.  Krit.  Beitr.  mr  Ge- 

-,  Beitr.  zu  Dictr.  EngelhuB  275 

sdiiclitc  der  Florentiner  K irclien- 

vgl,  2(i9. 

vemnigangTonl«!»;  201  f.  vgl. 

— ,  BuBch'B  Libri  IV   ref.    monaat 

2C0. 

Sax.  u.  CbroDJkon  WindcBlieimeDae 

274. 

Grüner,  J.  v.,  Die  Glaubwiirdig- 

Cebhkrilt,  v.,-Harnaclt,  Teite 

koit  der  Lutlicr  in  Wurm«  zuge- 

Bcbricb.  Werte  509. 

23  f. 

Günther,  Das  Leben  des  heiligen 

Gebhart,    il. ,    Rech     nouf.    aar 

Gerhard  aai. 

l'hiBt.  du  JoftcLiiniBine  5<)7. 

Gülersloher     Gymn.  -  Progr- 

1      Ge«i>ink,  Ger.  Zerbaldt  van  Zotfen 

IBÖl:  22Ü.  232r.  2a5 f.  vgl.  223. 

272  Tgl.  2liÖ. 

Gerits,  R,  Juliann  II.  t.  Mainz. 

I:    Sein    Bcgicrungaan tritt    iJ-'C 

UaltcBches    Ostcrprogramm 

1          Tgl.  223;  2i;&  vgl.  HÜ4. 

V.  If-ÖÖ:  343. 

Germnnia  XXXI,  N.  R,   XIX: 

Harnaok,    A..    Dogmengcach.   1: 

WKlf. 

487. 

aeachichtsqaelicn    der    Prov. 

— ,   Zur   Qoellenkritik    der   Geach. 

SachMO  XXI :  502. 

dea  GnoaticisiDiia  3Ü,  —  s.  v.  Gcb- 

Giaeke,  Cluniacciiacr  und  Cister- 

liardt-Harnack. 

cicnacr  498  f 

Hartfelder,  Hub.  Thom.  Leüdius 

Glatr,    K.    J.,    Das    Landkapit«! 

343. 

Rüttwttil  a.  N.  207  vgl.  2(15- 

Hatcij,  GeaellHchaftsverraBBung  d. 

Göbal,  Willi    V.  Ravensburg  und 

diristl.  Kirche  137. 

Oubelinna  Persona  244. 

Goldfahn,  A.  H.,  JiMaaa  Mar- 

i'M. 

tyr  und  die  Agada  02. 
Golther,  v,   Dit  Staat  und  die 

Hauiit,  Die  rclig.  Sekten  vor  der 

IM.  in  Franken  259. 

kathol.   Kirche    iu   Württemberg 

18a.  1U2. 

Teplensi»  50Üf. 

QörrcB,    F.,    Ik'itr.     zur    Hagio- 

Heidamann.i).  BogBincnkunvente 

graphic  der  griocli.  Kirelio  3Ti. 

Ewons  504. 

— .  Beitr  zur  apan.  Kirdieng^ecb. 

Hering,  Der  btreit  Tiber  d.  Echt- 

dcB 6.  Jabrh.  -XSt.  495. 

heit  einCB  LuthorrundcB  341. 

— ,  Leander,   Biaciiof  von   Sevilla 

— ,  tlecbs   Predigten   Buginhogen'B 

4!)5. 

;(42. 

— ,  Leovigild,  König  der  Westgoten 

Hcrmea  1880,  XXI:  493. 

4iHl. 

Herrmann,  K,  Ein  kiirzes  Vor- 

Gßttingei gel.  Anieig.  1680: 

wort  in  den  Öohiualkald.  Artik. 

508. 

318. 

Gottlob,  A,  Raim,  Peraudi  :t3(J. 

Heyok.  E.,  U.  v.  Riehen tal  348. 

GozzudiDi,  G.,  Manne  Gazzadini 

Hilgenfeld,  A. ,  Das  Bickeraeha 

B  Baldaaaani  Coaaa  pui  Giovanni 

Fragni.  489. 

XXIII:  248  vgl.  224. 

— .  Zum  Uraprung   dea  KjiiakapatB 

Gtoracnhainer       Realachul- 

489. 

Prograitini     1882;    247    vgl. 

— ,   Der  Tcit  des  PulvkarpbricteB 

224. 

491  f 

Grabe,  K.,  Gerh.  Groot  27t.  27!« 

HirBcbe,    K.,    Proleg.    zu    einer 

Tgl.  2G8. 

neoen  Ausg.  der  Imitotio  Christi 

— ,  Littcrar.  Tliätigkeit  d.  Windes- 

I  n.  Jl:  273  vgl.  2ti9. 

hcimer   Kungrcgatiun    27LI    vgl. 

— .  Brüder   dea  gemeinaaiucn  Le- 

2Ü9 

bens  271  vgl.  2(;n. 

— ,  Job.  Busch  273  f.  vgl.  2(10. 

Hiflt  Jahrb.  der  Görrosgea. 

622 


BEGISTEB. 


I:  274f.  vgl.  269;  IH:  275 vgL 
269;  Y:  245  vgl.  223;  275  vgL 
270;  332f.;  VI:  332£  336; 
VII :  504.  508.  511  f. 

Eist.  litt.  XXIX:  335. 

Historical  Bev.,  The  Engl.  487. 

Hifltor.  Taschenbach,  VL  F., 
V:  511. 

Hist  polit  Bll.  1875,  LXXV: 
276;  1877,  LXXIX:  276. 

Höfler,  K.,  Abhandig.  ans  der 
alav.  Gesch.  II:  Der  Streit  der 
Polen  und  der  Deutecb^i  vor 
dem  Konstanzer  Konzil  252  YgL 
225. 

Höfling,  Sakrament  der  Taufe 
76  f. 

Hofmann,  J.  H.,  De  broeders  Tan 
het  gemeene  leven  en  de  Windes* 
heimsche  Klooster  -  Vereeniging 
271  vgl.  269. 

Holtzmann,  H.,  Der  Leserkreis 
des  Römer briefs  491. 

Honben,  Tbeodorich  v.  Nieheim 
245  vgl.  223. 

Huckert,  H.  £.,  Die  Politik  der 
Stadt  Mainz  nnter  Johann  IL: 
265  vgl.  264. 

Hüffer,  G.,  Handschriftl.  Stndien 
znm  Leben  des  H.  Bemard332f. 

Hnnger,  K. ,  Zar  Geschichte  Jo- 
hannas XXIII. :  246.  248  vgl 
224. 


Jacobs,  £.,  Rektor  nnd  Stifts- 
schale in  Wernigerode  am  Ende 
des  Mittelalters  506. 

Jadart,  H.,  Jean  de  Gerson  247 
VgL  224. 

Jansse n*s  Gksch.  des  dentschen 
Volkes,  Bd.  IV ,  Krit.  Ber.  über, 
V.  einem  prakt.  Theol.  513. 

— ,  Zweites  Wort  an  meine  Kri- 
tiker 157. 

Jahrb.  f.  deatsche  Theolog. 
XX:  246  vgl.  224;  XXII:  261 L 
vgl   260. 

Jahrb.  f.  protest.  Theologie 
1882:  479f.;  1883:  480;  1886: 
488.  491  f.  494.  496. 

Jahrb.  d.  Pädag.  zamKloster 
U.  L.  F.  in  Magdebarg  1886: 
498  f. 

Jahrb.  des  histor.  Vereins 
für  Minden  nnd  Ravensburg 
1877:  244. 


Johannenm  zu  Hamborg,  Zeit- 
schrift desselben  zum  &0.  G^ 
bnrtstag  Ba^nhagen^s  3^ 

Jostes,  Die  Bibelübenetzoog  da 
Cod.  Teplenna  506  f. 

— ,  Der  Cod.  Teplensis.  Eine  oeoe 
Kritik  507. 

— ,  Drei  nnbek.  deutsche  Sehr,  tob 
Joh.  Vegbe  336. 

— ,  Beitr.  zur  Kennto.  der  niedo^ 
deutschen  Mystik  503  f. 

— ,  Joh.  Veghe  272. 

Jungmann,  Diasertationessebelie 
in  hist  eccl.  T.  Y:  330. 

Jusserand,  La  vie  nomade  et 
les  rontes  d*An£^leterre  au  mofa 
&ge  256. 


Katholiek,  De,  1884.  1885:273 

vgl.  269. 
Katholik,  D.,  LX:  245 vgL 223: 

LXI:  273  vgL  269. 
Kayser,  Nik.  Y.   nnd  die  Judei 

336. 
Keller,  Die  Beformation  und  die 

älteren  Beformparteien  508. 
Kerler,  D.,  Deutsche  Beichrtags- 

akten    unter    König    Bupreefai 

Bd.  I,  unter  Kaiser  Sigismund. 

Bd.  I  u.  II,  heransgeg.  von  225 

vgl.  223. 
Kettle  well,    Thom.    a    Kempis. 

New  cd.  269. 
Kihn,  H.,  Theodoros  von  Mopsu- 

hestia  88. 
Kolde,   Th. ,    Die    deutsche  Au- 

gastinerkongreg.  u.  Joh.  v.  Stau- 

pitz  277  VgL  270. 
— ,  Lather's  Stellung  zu  Konzil  u. 

Kirche  346.  559. 
Koller,  J.,   Worin   äulserte  sich 

das  Wesen  des  Hositismus?  etn, 

2ö8f.  VgL  254. 
Kölling,  Gesch.   der   arianischea 

Häresie  95. 
Königsberger    Gymn.-Progr. 

von  1875:  87. 
Kopallik,  CjrilluB  V.  Alezaodrien 

88. 
Köstlin,  Luther*s  Bede  in  Wonns 

482  ff. 
Krause,  K.  E.  H.,  Dictr.  v.  Niem, 

Konr.  V.  Vechta,  Konr.  v.  Soltau 

244  vgl.  223. 
— ,  Nochmals  Dietr.   v.  Niem  etc. 

244  VgL  223. 


~ 

KEGI8TEH.                                                6^3             " 

Kranfs,  Ä,  Das   prot.  Dogma  v. 

Lipaiüs.  E.,  Die  PasBionea  Petri 

d«r  nnsichtb.  Kirche   345  f.  349. 

und  Pauli  488. 

360.  3G5.  575f.  591.  597. 

— ,  Die  Actus  Petri  Vereell.  488. 

Kreise],  Adolf  v.  d.  Mark  336. 

-,  Pr»giti.  der  Passio  Pauli  e  Cod. 

Eöater,  Die  KirclienordiiuDg  da 

Monao.  4554:  488. 

Inth.   Gera.  lu  Aachen  v.    1578: 

Löbell,  GregorvTour92,Aufl.495. 

512  f. 

L  0  ö  f  s .  F..  Ob.  Harnack's  Dogmen- 

gesch.  I:  487. 

Loserth,  J,  Hub  n.  Wiclif  256f. 

L«nKen,  Gmk    d.  rBm.  Kirche 

358  vgl.  253. 

bis  auf  Leo  1,:    140.  HGf.  156. 

— .  Neuere  Erschein,   d.  Wiciiflitt. 

158  t.  330. 

257  vgl.  253. 

Lafisse,  E,  La  foie  et  1&  niomle 

— ,  Verpflanznog  der  Wiclifie  nach 

des  Francs  495. 

nahmen  256  f.  »gl.  254. 

Lechlcr.   Johann    v.    Wiclif   11: 

— .  Beitr.  zur  Gesch.  der    huait. 

3G2. 

Bewegung    UI:    Der    Tractatn» 

Leger.   Hüft  et  leg  HaasiteB  254. 

da  bngaevo  scbiatnate  von  todolf 

LehiDaDD,  E-,   Zar   Teitiirlt    n. 

V.  Sagan  258  vgl,  254. 

— .WiclifsTractataa  deeecleaia505. 

Volkurecbta  326. 

-,  Versuche,  wiclif-busit.  Lehren 

Lehner,  v.,  Die  Marienverehrung 

nach  Österr.  etc.  zn  verpflanzen 

in  den  ersUn  Jalirimoderfcn  497. 

505. 

Leipziger  Gjmn.-Programm 

Löwenfeld,     Epiat.    Pontificnra 

1884:  247  vgl   224. 

inefl.  329. 

■Lenz,  M,  Drei  Tralitate  aus  dem 

SchrifUccvliliu     des    Kan»tanzer 

Densdedit  331. 

KoMil«:  246   252  vgl.  223. 

Lnce.S.,  Jeanned'Arc  et  lesordres 

— ,  Der  Rechen  seh  aftebcr.  Pbilipp's 

meiidiana  277  vgl.  270. 

d.    Gr.    aber   den    Donanfeldzug 

— ,  Jeanne  D'\rc  i  Domrerny  504. 

1546:  342, 

Luther'«   Werke,    ed.    Knaake, 

— ,  Bee.  von  TschackerfB  Pet.  v. 

Bd.  11:  508. 

Ailli  in  Bey.  biet.  IX:  229.232. 

240.  343. 

Leonii,  L..  Giovanni  XXIII  ed  il 

Magde  burger  D..maehul-Pro- 

Conimune  di  Todi  2iH  vgl.  225. 

gramm  von  1872:  323. 

LibercancellariaeStaniBlai 

Malla,  F.  de,   El  cüdc.   de  Con- 

Ciolet  cd.  Caro  259  vgl.  254. 

«tanza  248  vgl,  22B. 

Liberpontificalieed.  Duchesoe 

ManBO,  Leben  Koiiatantins  521  f. 

327  ff.  494. 

542, 

Marborger  Dniv.-Programm 

des    Koniils    von    Bawl,    Aog. 

S.  8.    1885:   322.     W.  S.  1885: 

14321  2G:  vgl.  yiiO. 

342 ;     KaisergebutUtage  -  Progr. 

Lindner,   Th.,    Urban   VI.:   225 

1886:  510. 

vgl.  223. 

Martin.  P..  s.  Pitra. 

— ,  Gesch.  d.  deutschen  Beicha  vom 

Massebicau,  L-onseignement  de« 

Ende  de*  14.  Jahrh.  bia  zur  Re- 

donze ap6treB  78. 

formation     1.   Abth.:  ont- König 

Matthew,   The   Engl.   Works   of 

Wenzel.    Bd.  I  o.  11:  225f  236 

Wyclif.  ed.  bj  254  t  vgl.  253. 

vgl.  223. 

Maurenbrecher,    W.    Trident 

— ,  Beiträge  zn  Dietr.  ».  Niern  245 

Konz.,  Vorspie]  u.  EinL  511. 

vgl.  223 

Maj,   J..   D^T   Begr.  Jnatitia   bei 

— ,  Dietr.  V.  Niem   (in  Zeilschr.  f. 

Gregor  VII.:  331. 

»IJg.  Gesch.  II):  504. 

Meier.  0.,  Biographische«  515. 

Linseomajr,     Kirchl.     Faaten- 

MinSgoz  in   .,1^   T^moignage" 

disiiplin  76. 

vom  16.  Märi!  1885:  79. 

Lipains,  R,  D.  Apokr.  Apostel- 

Menaik,    Ein  Lied  über  die  An- 

geschicbteu 488. 

nahme  des  Kelch«  254. 

MA 


Miiefllftae»       FraBciieaB» 

501. 
MiieelUsea  di  StorU  lULXX: 

247  TcL  2^ 
Mitteil.  <L  bad.  bist.  KoBm. 

ÖOI. 
Mitteilasgen  des  Yereiss  L 

Geaeb.   der   Devtaebes    is 

Bdbmes  XXII:  256£TgL3&4; 

XXIU:  506:  XXIV:  505. 
MitteilnngeD    aoa    d.  Hamb. 

StadtbibL  U-IY:  S40f: 
Mltteil.  deilnatit  t  öaterr. 

Geaek-Foraeb.  VI:  335.504. 
Mitxaebke,?.,  ILLntber,  Nftom- 

borg  ft.  8,  IL  d.  Bei  508t 
Moll,  W.,  Geert  Grotes  Dietaebe 

Teitalingen  271  vgl  268. 
Moromsen,  Die  Akten  z.8cb]siiui 

von  530;  die  Appellatioiien  Flo- 

mn'i  T.   Konstant,   o.   Enseb'a 

▼.  DoryL  325.  4d4. 
^,  Zur  lat.  Sticbometrie  493. 
Monatsscbr.  f. d. eTang.-lntb. 

Kircbe    im    bamb.   Staate 

V:  512. 
Moor  ad,  D.  Q.,  D.  erste  Kontro- 
verse Ober  d.  Ursprung  d.  apoet. 

Glanbensbek. :  Lanr.  Valla  o.  d. 

Konzil    za    Florenz  262  f.    TgL 

260. 
Hontet,   Eist.    lit.    des   Vandois 

du  Pigment  506  f. 
Monnmenta  Franciscana  II: 

276. 
Müller,  Tb.,  Frankreichs  Unions- 

versuch  1393/98:  226. 232  f.  235  f. 

vgl.  223. 
Muralt,     £     v. ,    Urkunden    der 

Kirchenversaromlungen   zu  Basel 

und  Lausanne  260  t 


Neues  A  roh.  f.  alt.  D.  Geschichts- 
kunde X:  323  ff.  326.  329.  331. 
334;  XI:  494.  496. 

Nöldechen,  E.,  D.  Situation  von 
Tertullian's  Sehr.  „Über  d.  Ge- 
duld" 492 

— ,  D  Krisis  im  Karthag.  Schleier- 
streit 492. 

— ,  TertuUian's  Geburtsjahr  492. 

— ,  Tert.  als  Mensch  u.  als  Bürger 
492 

— ,  Tertullian's  Verhältn.  zu  Klein. 
Alex.  492  f. 

— ,  Am  Nil  u.  am  Bagradas  492. 


Kdldeek»,  K,  Lekre 

Mntbf  bei  d.  cbriatL  Lebm 

dei  xvcitea  Jabrhimderta  32L 
Noages,  Du  BS^^ache  Fngs. 

489. 
Nftrs  berger.  A  ,  D.  Booifiiti»- 

litteratnr  der  Kagdeb.  Ceataria- 

toren  496. 


tebeskowkai,  t..  Die  wiit- 
acbaftHebe  Lage  Esglaiida  an 
Sebloia  des  MitteLdtera  255. 

Obnesorge,  W.,  Der  AnoojiBai 
Yaleui  de  C<»Bta]iti]io  921. 

Olmttzer  Oberg7iiin.-Frogr.  voa 
1883  m.  1884:  258£  rgL  254. 

PipatL Urkunden  iLBegesten 

1295—1352:  502  t 
Pennington,    Wielif    256   vcL 

253. 
Picks    Monatsscbr.   U:  244: 

VU:  274. 
Pitra  (-Martin),  Analecta  aacra, 

SpidL   Soleamensi   parata,   lY: 

3f.  5f.  &  16. 
Pollard,  Wicllfs  Dialogoa  505. 
Preger,  W.,  D.  Polit.  Joh.'a  XXIL 

inbez.  auf  Italien  und  DentachL 

335. 
Probst,  Lehre  und  Gebet  72.  77. 
Puauz,  Frank,   La  responsabilit^ 

de  la  r^voc.  de  T^dit  de  Nantes 

343. 


R  a  n  k  e ,  L.  V.,  Weltgesch.  III :  525. 
539  f. 

Rattinger,  D.,  Dietr.'s  v.  Niem 
Sehr. :  „  De  bono  Rom.  pontificis 
regimine"  245  vgl.  223. 

Real-Encyklopaedie  (Her- 
zog), 2.  Aufl.  271  vgl.  268. 
318.  495  f. 

Real-Encykl.  d.  christl.  Alter- 
tümer 487. 

Reck,  Minucius  Felix  u.  Tertulli&n 
492. 

Reese,  Die  staatsrechtl.  Stellung 
d.  Bischöfe  Burgunds  u.  Italiens 
unter  Friedrich  I.:  278  ff.  282. 
333. 

Reformationsgeschichte, 
Schriften  des  Vereins  für  2aöf. 
vgl.  253;  347. 


BEOKTEB.                                                62K                 1 

teeeata  Pontiticnm  Bomnn. 

Konrtanz  bis  auf  Th.  Berlowor               " 

261;  vel.  2G5. 

Beeeeturn  ClemeDtie  T.  An- 

RBmelin,  v..  Beden  o.  Anfsätce 

nnB  I;  502. 

188f.  210—213.  216-220,  vgl. 

Reichst  Eigaakten,       Deottiche, 

395-445. 

unter  König  Weniel.    Bd.  Ill; 

225  f.  vgl.  222. 

Beininger,  N.,  D.  Archidiakone, 

SadoT,  Bessarion  de  Niice    262 

Offiziala   n.    General  -  Vikare   des 

vgl.  260. 

Bist  WUrzburg  207  vgl   205. 

Salmon  s.  Dictionary. 

beamont,  A.  T.,  L.  P.   Gachard 

608. 

vgl.  269. 

Bevisladecienciat  biet.  p.p. 

Sanorland.    H.  v..    Das   Leben 

Sanpere  y  Miquel  lUetlV:  «48 

dea  Dietr.  t.  Hiebcim  244.  245 

Ygl  225. 

vgl.  223. 

BeTBa  bist.  IX:  229.  232.  2«. 

— ,  5  Fragm.  aua  der  Chronik  des 

243;XIX:25e;XX:256;X!lX: 

Dietr.  v.  Niem  504. 

343;  XXXI T  507. 

— ,  Za  Dietr.  v.  Nlem,  de  seisnata 

Eevne  des  dem  mondeBlSSl: 

604. 

277  vgl  270;  ISeü:  495 

Schenk,  E.  OberverdienstL  Werke 

bei  Hermas  491. 

nö«  1881.  T-  XXXI:  2b0. 

Scheppa,  G,  Geschieh tlichcs  aua 

Eibbeck,  W.,  Der  Traktat  über 

Boethius-Handeohriften  494. 

,          die  PapstWDhl  voll  1159:  333. 

Scheret,  v.,  Ist  die  sugcn.  Lehre 

L   Biehcndal.U.,  Conc,  zeCoatcnz, 

der  zwBlf  Apostel  echt?  320. 

I       photolitbogr.    AuBg.    d.    Aiilen- 

Sehieler,  Job.  Nieder  276  vgL 

1         dorftr  H    S.,    «ranst.    r.   Sevio 

270. 

r        «47  vgl.  224. 

Schraieder,  P.,  Matricula   episc. 

Eichental,   ü.'b  v.  R.   Chronik 

PasBaviensia  ac.  XV.:  I:  503. 

des  Konstanier  Konzilfl  ed.  Bück 

Schmitz,  H.J,  Seebafs' Dissert. ! 

247f.  vgl.  224. 

Columba    v.    Luxeoirs    Kloster- 

Siebter,  0.,  D,  Organisation  «. 

rcgel  u.  Bufäbuch  459-465. 

Schraitz,  Job.,   D.  frani.  Politik 

EonzilB  260. 

a.    d.    Uliionsverhandlungen    des 

Einn,  H.,  Znni  Qedächtn.  Bngen- 

Konzils  V.  Konstanz   248.   249  f. 

hsgen'B  342. 

vgl.  225. 

BitBohl,  A.,  Sichtb.  u.  nnsichtb. 

Eircbe  34öf.  362. 

me. 

Eodenberg,     Die    Kegister    Ho- 

SchDorr     v.     Oarolsfetd.    F., 

noriuB III,,  GregorlX.,  Innoü.  IV. : 

Melch,  Aeoiitiüfl  343. 

334. 

Schratz,   Sterb,-reg    d.  St.  Wolf- 

Eogere,  J.  E,  Th.,  Loci  e  libro 

Sohuberth,  G.,  Ist  Nik.  v.  CW- 

veritatam  2Ö6. 

mangea   Verf.    des   Bachs:    „De 

comipto  eoclesiae  atatn"?    247 

vgl.  265 

Tgl.  224. 

Eöhricht,    D.   Krenzzflge  Theo- 

Schnitze,  L.,  Heint.  v.  Ahaoa 

bald'B   V.   Navana   u.   ßichard'B 

272  vgl.  269. 

T.  Cornwallis  499f. 

Sohultze,  W-,  Gerb.  v.  Btogna 

EolUod.  St.  Franccis  de  Paule 

330  f. 

2.  ed.  277  »gl.  270. 

Schulze.  L„  Refonuatoriuin  vitae 

EöBsi,  De.   D.  Qeiiichte  dea  Da- 

clericorum  507  f. 

mMOB  (BulletiDo  III,  U:  494, 

Scherer.  Gesch.   des  jüd.  Volkes 

Both  V.  Schreckenstein,   Der 

im  Zeitalter  Christi  11:  489ff. 

Gehortsstand    d.  Domherren   zu 

Schwab,  Geraon  227.  229.  243. 

Konstanz  2t;6  vgl.  264. 

246. 

— ,  D.  Zeitfolge  der  Biecböfe  von 

Seebafa,    Columba    v.    LuienU'a 

626 


BEGISTEB. 


Klosterregel  n.  Bnlsbiich  459-465, 

bes.  462 
Seeberg,    D.   Begr.    d.    cbristl. 

Kirche  I:  346  f.  352.  360—365. 

547.  575  f.  578  f.  581  f.  591.599. 

612.  615. 
Sello,  D.  EionOle  d.  Hositen  in 

Brandenburg  259  vgl.  254. 
Sepp,  Chr.,  Kcrkhist.  Stnd.  340. 
Sevin,    U.   Bichendal,   Conc.    ze 

Costenz,  photolitbogr.  Ausg.  d. 

Aulendorfer   H.    S.,   Teranst.   v. 

247  vgl.  224. 
Siebeking,  H.,  Beitr.  zur  Gesch. 

d.   grofsen  Kirchenspaltung  246 

vgl.  223. 
Sieber,  Bnpescissa  503. 
Sieglin,  W.,  Karte  d.  Entwickl. 

id.  röm.  Beichs  327. 
Sillem,   W.,    Zar    Bcformations- 

geschichte  Hamburgs  512. 
Simson,    Bernh. ,     Psendoisidor 

und   die   Bischöfe   von  Le  Mans 

498. 
Sitzungsberichte   der  Berliner 

Akad.  d.  W.  1885:  325 f.;  1886: 

505  f. 
—  d.  Wiener  Akad.   d.  W.   XCV: 

252  vgl.  225;  CIX:  326  f;  CX: 

327. 
Stöber,  F.,  Vita  S.  Joannis  Eeo- 

roaensie  32Gf. 
Strafsburgcr     Stadien     III: 

2G5  f.  vgl.  2r,4. 
Stadien   und  Kritiken   1859: 

345  f.    3G2;    1885:    341;   1886: 

342.  492.  497.  öOGf. 
Stud.  u.  Mitteil.  a.d  Benedikt. — 

0.  III:  275. 
SybeTs   bist.  Zeitschr.  1885: 

257  vgl.  253;  492. 

TcDioignage,  Le,  vom  16.  März 

1885:  79. 
T heol.  Arbeiten  aus  d.rhein. 

wissensch.  Predigerverein 

VI:  512 ff. 
Tbeolog.    Litteraturzeitung 

1886:  491. 
Thcol.   Quartalschrift   1886: 

492. 
Toeco,  F.,  Giordano  Bruno  513. 
— ,  Evang.  aet    507. 
Tomek,  W.,  Zizka  259  vgl.  254. 
Travauz  de  TAcad.  dcBeims 

1881 :  247  vgl.  224. 


Tschaekert,  P.,  Peter  v.  Aü 
227—244  vgl.  223. 

— ,  Peter  v.  Ailli  u.  d.  Sehrifta: 
„  De  dif&caltate  reforiDatioDii  i 
conc.  uniy.''  und  y,M(Hiita  k 
necessitate  reformationis  in  c^ 
et  merobr."  246  vgl.  223. 

— ,  Die  Unechtheit  der  angeUkI 
Ailli*5cben  Dialoge:  „Le  qm- 
relis  FraDciae  et  Angliae*'  od 
„De  iure  snccessioiiia  utronnDq« 
reguro  in  regno  FraDciae**  224 

—  ,  Pseudo  -  Zabarella*B  „ca^ti 
agendonun*'  252  Tgl.  224. 


Taesen,  J.,  Ud   projet  de  trus- 

lation  du  concile  de  BaleaLj« 

(1436):  260. 
Vast,  Le  Card.  Beseearion  262. 
YerhandeliDgcn  der  kon.  Abi 

van   Wetenschappen    1880:  271 

vgl.  268. 
Yerhandl.  d.  hist.  Vereins  i 

Oberpfalz  u. RegeDsb. XXXII: 

504. 
Yerslagen  en  Mededeelingeo 

der  kon.  Akad.  van  WetenachappeD 

1879:  271  vgl.  268. 
Vregt,  J.  F.,  Eenige  ascet.  twct 

afkomstig  van   de  Deventertsche 

Broederschap  273  vgl.  269. 


Wächter,  F.,  Entschuldung  des 

Interims  halben  1548:  34.3. 
Wächtler,    Urkunden    aus    den 

ersten  drei  Jahren  d.  Reform,  in 

Essen  512. 
Wahl,  Jos.,  Andr.  v.  Regcnsborg 

248  vgl.  224. 
Waitz,  Die  Ital.  Handschriften  d. 

Lib.  pontific.  329. 
— ,  Catalogus  Felicianus  494. 
Waltz,  Auf  Carlstadt's   dänische 

Reise  bezügliche  Aktenstucke  285. 

287  ff. 
Warschauer,  Ad.,   Die  Quellen 

zur  Gesch.  des  Florentiner  Kon- 
zils 261  f.  vgl.  260. 
Wattenbach,  Ketzergerichte  in 

Pommern  u.  Brandenburg  505  f. 
Weidner,  Formula  honest  vitae 

herausgeg.  v.  323. 
Weiland,    Zwei     ungedr.    Briefe 

Benediktes  HL:  380. 


lUBGISTBR. 


'627 


Weizs&cker,  C.  v.,  Keller*f  Buch : 

D.  BefonDfttioD  etc.  508. 
Weizsäcker,!.,  Deutsche Beichs- 

tagsakten   unter  König  Wenzel. 

Bd.  III,  heiansgegeb.  von  226  f. 

▼gl.  222. 
Wenck,   Pipstl.   Schatzverz.   des 

13.  n.   14.  Jahrh.  n.  ein  Yerz. 

d.  päpstL  Bibliothek  von  1311: 

335. 
Westdeutsche  Zeits.chr.  III: 

266  vgl.  264. 
W  i  c  1  i  r  8  Lat  Streitschriften,  her- 

ansgeg.  n.  bearb    v.  B.  Bodden- 

sieg  255  vgl.  253. 
Wiclif- Gesellschaft,       Ver- 

öffentlichnngen  der  engl.  505.  — 

B.  Wyclif. 
Wiedemann,   M.,   Gregor  YII. 

und    Manasses   I.    von    Bheims 

331  f. 
Wiesen  er,   Znr   Bechtfert.    Her- 

bord*8  332. 
Wolff,  A.,   Das  ehem.   F^anzis- 

kanerkloster    in  Flensburg   276 

vgl.  270. 
Wolfram,  Krenzpredigt  n.  Kreoz- 

lied  503. 
Wolfsgrnber,' Joh.  Gerson  273. 
Wratislaw,   A.   H. ,   John   Hus 

254. 
Württemberg.  Vierteljahrs- 
hefte   fftr  Landesgesch.   VIII: 

503. 
Wvclif,  The  Engl.  Works  of,  ed. 

by  MaUhew  254  f.  vgl.  253. 

Zahn,  Th.,  Das  Eanonverzeichnis 
der  Cheltenham'schen  Handschr. 
des  lib.  gener.  493. 

— ,  ApokaL  Studien  488  f. 

Zange meister,  K.,  DieSchmalk. 


Art.    nach   Luther*s  Autograph 

318. 
Zeitschr.  f.  deutsches  Altert, 

u.  Litt.  XXX,    N.  F.  XVUI: 

503. 
Zeitschr.   f.   allg.   Gesch.  II: 

504. 
Zeitschr.    f.     vaterl.    Gesch. 

XI.I1I:  504. 
Zeitschr.     des     Harzvereins 

XVUI :  506. 
Zeitschr.     f.    Kirchengesch, 

I:  252  vgl.  224;  485;  II:  285. 

287ff:;  ni:  225  vgl.  223;  \U: 

120.  280  ff.  338  f. 
Zeitschr.    für  Kirchenreoht 

XVU:    318;    XX:    330;    XXI: 

498. 
Zeitschr.  f.  Gesch. ^d.  Ober- 
rheins XXVIU:  266  vgl  265: 

XXIX:  266  vgl.  265;  XL:  500t 
Zeitschr.    d.    Ver.    f.    Gesch. 

u.  Altert.  Schlesiens  XIII: 

267  f.  vgl.  265;  XIX:  343. 
Zeitschr.  d.  Ges.  f.  Schlesw.- 

Holst-Lauenb.  Gesch.  1883 

XIII:    275  f.    vgl.    270;    1884, 

XIV:  276  vgl.  270. 
Zeitschr.  f.  bist.  Theol.  1874, 

1875:  255  vgl.  253. 
Zeitschr.'  f.  kath.  Theologie 

(Innsbr.)  1883:  494. 
Zeitschr.  f.  wissensch.TheoL 

1885:  120f  320  321.  323.495; 

1886:  489.  491  f.  496. 
Zeitschr.  f.    kirchl.  Wissen- 
schaft und   kirchl.   Leben 

1882:  272  vgl.  269;  1885:  488  f. 

491  f.  496;    1886:  488  f.   492  f. 

507  f. 
Zimmermann,   A.,   Die   kirchl, 

Verfassungskampfe  im  15.  Jahrh, 

253  vgl.  225. 


BEaiSTBR^                     ^^^^^^^^H 

^^H 

Saeh-  nnd  Namenregister.                  j 

Aachen,   Kircheoordn.    der    loth. 

rgl.  Il8f.;  A.  Ober  Gregor  t«i 

Gera,  in,  1578:  612f. 

Naz.  98  vgl.  119;   A.  bber  die 

Abälard,    Die   Sentenzen  A.'a   □. 

Trinitat  lUff.  »gl.    Iiat;   ÄU- 

d.    Bearbeitungen    SPiner    TheoL 

TQr  Mitte  des  12.  Jahrh.  499. 

denz  B6;  A.  n.  Jalianiu  ApoeUU 

Acontius,   Melchior    und  Balth. 

120.  —  S.  BasilioB. 

343- 

Apoüinaristen,      Fälschongen 

Adolf  T.  d.  Mark  33G. 

der  89  f. 

Ae Pinna  342. 

Aglaophon  4. 

510. 

Abujs,  Hendr.  272. 

ApoBtelgeacbichten     (Pasiio- 

AilM,    Pctr.  V.    22S-244.   24S. 

nen),  Apokryphe  75.488;  Wfir»- 
bnrger  Handschriften  zu  denselb. 

252. 

AUmannornni.  Lei  325f. 

458 ;  eine  Würzburger  lat  Hand- 

Albin OB,  Akoljthua  13a. 

schrift    lu    den    Passionen    der 

Älbrccht,   Herzog    v.    Preo&en, 

Apostel  (Mp.  th.  f.  78  8.  VlII) 

Lother  ond  470E 

419;  Collation  deraelb.  mit  an- 

Aleander 287. 

deren  Teilen  450—455;  Verhält- 

Alexander  lU.:   499:    V.:   249. 

nis  in   d.    and.   Teiten,    AltCT, 

253. 

Schrirtcharakter     nnd      soDsttgt 

Aleiandria,  Synode  v.,  im  Jahr 

diplom.    Eigentamlichkrit*n    der 

362:  121  f. 

Haodschr..   Schicksale  der».   455 

bis  458 

fosBor. 

Apoatellehrc,   D.   Echtheit   d«r 

AlypioB  127r.  131. 

320;     Einheitlichkeit    491;    die 

AniiDon  »    Adrianopel  15. 

OberBchrift   derselben    80 f.;   die 

Anagni,  Kommiaaion  »on  A.  t. 

Bestimmungen  der  AL.   eher  die 

1255:  337  f. 

Taufe  nnd  das  Verfaältn.  Jurtin'i 

Ancyra.  Synode  t.,  (314):  625. 

d.  M.  zu  denB.  74-83   vgl.  C« 

527. 

bis   74;   d.   Darlegnng  der   tws 

Andreas  y.  Regenebarg  248. 

Wege   ale    Beatandteil    d.    Tanf- 

Angelo  da  Clareno  6U2. 

liturgio   79 f.;   d.   Tnofformcl  n. 

Anhalt,  PletiElen  in  513. 

d.  AL.  80:  zu  Cap.  7.  2  (fi^M 

Anima,  Roaviz  in  Rom  245. 

(■av)  74;  zn  9.   4:  83;    d.  Eq- 

Ann».  Knitaa  der  St.A.  in  Würt- 

cbariBtie in  d.  AL.  n.   d.   Ver- 

temberg 500. 

hältnis    Jnstio'a    d.    M.    m    i. 

AnniverBarBtiftnngen  267. 

Aussagen  Bber  dieaelbe  83f.;  - 

Anthropologie     der     Väter 

Litt,  ober  d.  AL.  487  f.  491. 

32f. 

Apostolikam,   D.   Svmb. .    auf 

Apiarins  140. 

dem  Florentiner  KonzU  2IJ2f. 

Apokalypse,   Die  Neroaage   nnd 

Aquino  s.  Thomas. 

die  488. 

ApolUnarios   von  Laodicea, 

Eleraa  durch  bischöä.  Koiumi»- 

BiographiBchcs   lOü;   seine   Stel- 

säre statt  durch  267. 

lang  im  arianiicbcD  Streit  121/. 
1^ 

Arg 08,  JBd,  Kolonie  in  5*.               | 

IL  . 

^H 

niscfaer  Streit  108—111. 
121t.  vgl.  llöt. 
'     *    liDDiu.  Sj'Dode  von  109f. 
_       Ben,  PietüUD  io  613. 
I  Aacbaffen  buTg,  Arcbidi&liotiat, 
T        o.  seine  I.andkapitel  ^67  vgl.  2i>5. 
I   Athalarich  a24f.  vgl.  «4. 
Lnasioa  121f. 

A  ttieoagoras,  Die  Apologie  d.  12. 

Aa  rerHtehniig,  Lehre  v.  d.,  bei 
d    Vätern  9.  KU.  30-33.  35. 

Acgabarg.  VolksBcbdeD  in  der 
Diöceee  506. 

Angust&na,  Cocf  älO. 

AngDstin,  Sihtufa  der  Stadien 
über  ihn:  V.:  D.  Epiat.  u.  die 
Kirche ;  d.  Episit.  a.  i.  tum. 
Stnbl:  d.  Kuazil  a  d.  Traditino; 
d.  Infallibitität:  Reaalt;ite  184 
faiB  187.  —  Zweite  Hälfte  der 
Studie  (vgl.  Bd.  VII,  S.  199ff.) 
124—184.  —  A.'b  pers.  Bezie- 
boDgi^n  za  d.  gli-ichzeitigea  rSm. 
EiHchöftn  124-131.  iWi,  Bom 
röm.  Prcab.  äiitus  («|jäter  Papst 
S.II1.)131  — 134;  d  kirclieniiolit 
Autorität  dv»  röiu.  Kpiskopata 
nacb  A.  134-140.  185;  Kui'tdi- 
nation  der  BiBctiöl'i;  128.  162. 
185;  d.  TcrniiDM  »i-dL-B  apoKtoüca 
134fr.;  seine  Schätzung  d.  löm. 
Epiakopata  als  dea  Bürgen  der 
Irirchl  Lchrtradition  14 1 — 1  tjä. 
18ti;  daa  Wort  „Roma  locuta 
eat"  156-159;  A.öber  d.  Digni- 
tit  dea  Petrus  lattt  159-162. 
184E  vgl.  16ör-:  die  kathul. 
Kirche  ale  infallible  Verküuderin 
der  IVaditiun  u  damit  di-r  cath. 
«ritaa  163-183.  186t.T  die 
kath.  Wahrheit  u.  d.  Tradition 
I70f.  182f.  187;  Tradition  und 
h.  Schrift  182 f.;  der  Künaenaua 
d.  Apostel  164ff.;  d.  Tradition 
«.  d.  Episkopate  IGllf  ;  d.  Au- 
torität der  Konzilien  158  f.  167 
bis  183.  180;  Begr.  d  Häre«<e 
176r.;  Verhältnis  der  Lehre  A.'s 
QbiT  d.  Episk.  zu  derj  C^prian's 
137.  184;  Klerus  u.  Laien  1H4-, 
A.'s  AmtabegrifF,  sacr.  ordinis 
J84f.i  d.  Notwendigkeit  d.  In- 
quisition 132f.  158;  Beine  Teil- 
nahme an  d.  Synoilen  von  Kar- 
thago 140;  seine  Stellung  7.n 
Bom  im  pelag.  Streit  141  —  146; 
der  ZnaimOB-Fall   146-156.162. 


rEB-  629 

186  vgL  ]26f.;  ep.  faroil.  126. 
141-146;  ep  CCIX  ad  Caelest. 
139;  libri  contra  dnas  ep.  Pelag. 
129;  A.  aber  d.  dritte  Konzil  i. 

Karthago  (1.  Sept.  256]:  168, 
über  d  Konzil  zd  Arlea  (314): 
172.  I74f.;  Dauer  seiner  Betie- 
bangen  zum  Hanicbäismns  125, 
—  Eine  ihm  fälsc blich  beige- 
legte ßomilia  de  sacrilegiia  497  f. 

AoguBtiner  Chorherren  in 
ScbleBien  258. 

AugUBtinerurden  im  Mittel- 
alter 277. 

Anrelius  von  Carthago  132. 

Anrelina  Viktor  d.J.  538.  641. 


Bälde 

501. 


,  Lud   275. 

QarnabHBbrier  491. 

Saeel.  Konzil  von  245.  259.  260 
bia  2G4.  267  f. 

Basilios,  Biograph  ischea  103f. 
119 f.;  seine  Stellang  tarn  aria- 
niBchen  Streit  108—111;  seine 
Bt'ziehnngen  zu  Gregor  v.  Nax. 
98  vgL  97;  lOgff.,  zu  Apolü- 
narioa  von  Laod.  91.  99—102. 
lU5f;  unechte  Briefe  von  und 
anB.  95;  Vertilgung  von  Briefen 
desB.  an  ApollinarioB  92f.;  Dm- 
fang  Beines  Briefwecbsela  mit  Ap. 
98—102  vgl.  97;  Drucke,  biv 
hertge  Beurteilung  seines  Brief- 
wechHela  mit  Ap.  85-96;  Wort- 
laut zweier  Briefe  des  B.  an  Ap. 
96f.  lir>f  ;  Echtheit.  Datjemng 
97-111.  U7f.;  Wortlaut  zw. 
Briefe  des  Ap.  an  B.  H2r.  IlSf.; 
Echtheit.  Datierung  113—116. 
119-122. 

Begoinen  in  Essen  504. 

Beheimsteiner  Vertrag  259. 

Benedikt  HL;  330;  XIII:  234 
bis  237.  2.H9-  247   —  h.  Schisma. 

Benediktiner  275.  501. 

Bernardinu  von  Siena  d.  A. 
277. 


mhart,  Fred,  in  HOneter  293.    i 


630 


REGISTER. 


Bessarion  261f. 

Beten  o.  Fasten,  die  Ansdrficke, 
bei  den  Vätern  78  f. 

Bettelorden,  Mittelalter!.  Be- 
formen unter  den  275  ff. 

Beyer,  Hartmann,  in  Frankfurt 
343. 

Bibel,  Niedersacbsuicbe  342. 

Bickerscbes  Fragment  488f. 

Biscampins,  Ger.,  Brief  Luther*B 
an  29öf. 

Bistum,  unffenanc  Bezeichnung 
eines  B.  in  d.  alten  Kirche  dur<£ 
den  Namen  d.  ganzen  Landschaft 
16. 

Bodo-Eleazar  485. 

Boethius  494. 

Boldewin,  Acta  Boldewini  IL: 
296. 

Borogartner,  Bartol.  508. 

Bonifatius,  Winfr.,  D.  B.-Litt. 
der  Magdeburger  Centuriatoren 
496;  B.L:  127—130;  IL:  324 f. 
Tgl.  494;  Professio  Bon.  an 
Karl  VL:  248;  s.  Schisma. 

Borner,  Easp.  484  vgL  483. 

Bracara,  Mart.  v.  323. 

Breslau, Hochstift,  v.  1440-1452: 
267  f. 

Brogne,  Gerh.  v.  330f. 

Brüder  des  gemeinsameuLe- 
bens  271—275.  507. 

Brüderschaften,  Zur  Gesch.  d. 
504. 

Bruno,  Giordano  513. 

Bugenhagen  342.  508.  515;  — 
Eine  bisher  unbek.  Oktavausgabe 
des  lat.  Psalters  von  297. 

Bursfeld  er  Kongregation  275. 

Busch,  Joh.  273 flf. 

Bufsprazis,  Böm.,  im  9.  Jahrb. 
330. 


Calvin  in  Ferrara  511;  seine 
Verbannung  aus  Genf  511. 

Carobrai,  Diöcese,  zur  Zeit  des 
Schismas  238. 

Canterbury,  Bündnis  v.  (1416): 
250. 

Capita  agendorum  252. 

Carlstadt,  sein  angebl.  Aufent- 
halt in  Dänemark  283—292 ;  sein 
Charakter  289. 

Cassian  21  f. 

Cataloguesdes  ^glises  de  France, 
Ancients  335. 


CenonoiDmneniiQm,AetapQilh  ll 
ficum  498. 

Centnrimtoren,  Magdeburg 
Die  Boni^Ettiiis  -  Litt  der  486; 
von  ihnen  bcDQtzte  Qoelka  fks 
die  Waldenser  506. 

ChaleedoDy  Konzil  t.  494. 

China,  Mission  der  Minoritei  ■ 
334. 

Christ  ist  erstanden,  Osta- 
lied  500. 

Christiern  n.  y.  Dinemark  »> 
winnt  Reinhard  nnd  Gahkr  ilr 
Kopenhagen  285 f.;  sucht  m- 
geblich  Lnther  (286  f.)  u.  CU- 
stadt  dorthin  zu  ziehen  285-2S^ 
VgL  289—292;  Lobüed  Gahkri 
auf  ihn  284 f.;  Briefe  an  ik 
über  d.  Beichstag  zn  Worms  S89 
bis  292. 

Chronica  ms.  Prov.  Argeni  336; 
anonyma  £r.  Minomm  germamae 
835. 

Cistercienser  498f. 

Claudian  322. 

CUmanges  247. 

Cluny  498f. 

CoislinianuB,  Cod.  22fL 

Cölestin  L,  Augustin  und  130f 

Cdlestiner,  P^iriser  238. 

Cölestius  147—156. 

Colette,  h   276f. 

Colamba  von  Luxeuils,  Co- 
lumba  od.  Colnmban?  459;  seine 
Missionsthätigkeit  4601;  sein 
unevang.  Autoritatsprinzip  460; 
Hymnologisches  zu  C.  461;  C.*8 
Klostcrregel  und  Bulsbuch  461 
bis  465 ;  C.  u.  d.  Pönitential  des 
Gildas  464;  die  sog.  introduetio- 
nes  C  's  496. 

Commentariolum  de  Yeneta 
prov.  refor.  S.  Antonii  335. 

Contestatio  senatus  y.  530: 
324  f.  VgL  494. 

Corn Wallis,  Bich.  v.  4991 

Cossa,  Baldassare  248. 

Craroaud,  Sim.  233.  235L 

Cues,  Nik.  v.  274f. 

Cyprian,  seine  Lehre  vom  Epi- 
skopat und  Verhältnis  ders.  zur 
Augustin*scheu  137.  184;  über 
traditio  (consuetudo)  u.  (catbolica) 
veritas  187.  —  C.-Fragm.  in 
Cod.  169  V.  Orleans  327.  —  s. 
Uippolytus. 


REGISTER. 


631 


Bamasns,    Augostin    und    125; 

Gedichte  des  494 
Dänemark  s.  Christiern  II. 
De  corrnpto  ecclesiae  statu, 

Traktat  247. 
Dederoth  275. 
De  difficnltate  reformationis  in 

eoncilio,  Traktat  246. 
De  inodis  nniendi  ac  reformandi, 

Traktat  246. 
De  necessitate  reformationis  in 

eapite  et  membris,  Traktat  246. 
Denfdedit,  Kanonsammlnng  des 

Kard.  331. 
^^ifccyi?  8.  Apostellehre. 
Diest,  Wilh.  v.  265f. 
Dietrich   y.    Kiem    244-247. 

504. 
Diez,   Haraanist    und   Historiker 

468. 
Dionysios,  Eapitelzahl  d.  kirchl. 

Hierarchie  104. 
Dioscu  r,  Papst  (530):  324f.  YgL 

494. 
D  0  m  i  n  i  c  i ,  Joh.,  Brief  des  Satans 

an  246. 
Dominikaner,  Stellung  der  D. 

zu    den   polit.  Parteien  Frankr. 

u.   zu   der  Univ.   Paris  während 

des   Schismas   230 f.;    Reformen 

unter  d.  D.  275  f. 
Dorotheos    von    Mitylene    261. 

V.  Tyrus  19. 
Dortmund,    Mitwirkung    Dietr. 

V.   Niera    in   einem    Prozefs   der 

Stadt  245. 
Douceline,  S.  335. 
Dresdener  Geh.  Staatsarch.,  dort 

befindliche,   auf   Worms   (1521) 

bezGgliche   Aktenstäcke   in  Mis- 

cell.  Sax.  3833:  482  ff. 

Bccleston,  Thom.  334f. 
Egenolph,  Drucker  480. 
Eichhorn,  Minister  515. 
Elektenprozefs,  D.  StraTsburger 

266. 
Engelhus,  Dietr.  275. 
Ephesus,  Conc.  v.  449:  494. 
Ephraem  beruft  sich  auf  einen 

Brief  des  Basilios  an  Apollinarios 

y.  Laodicca  98  f. 
Epiphanius,  Methodius  bei  5. 
Episkopat,  Ursprung  des  489 f. 
Erfurt   und   das   Baseler   Konzil 

263. 


Essen,  Beguinen  in  504;  Refor- 
mation in  512. 

Etrusca,  Disciplina  519. 

Eucharistie  in  der  z/^a/j}  und 
bei  Justin  d.  M.  83f. 

Eugen  IV.:  260.  267. 

Eusebius  und  Methodius  11;  E. 
und  die  Apologie  des  Athena- 
goras  12;  £.  über  d.  Ort  d.  Ge- 
sprächs im  Justin.  Dialog  47 f.; 
über  Tryphon  61;  über  d.  Ab- 
kehr Eonstantin's  v.  d.  Mantik 
517 f.  524 ff.;  über  Eonstantin*8 
Stellung  zu  d.  Opfern  530.  532; 
über  Konstantin  u.  Licinius  534 
bis  .542. 

Eusebius  v.  Doryläum  494. 

Eustathios  von  Sebaste  99. 

Eutropius  528.  538.  541. 

Evangelium  aeternum  dSlfL 
507. 

Eymerichs*  Directorium  inqui- 
sitionis  339. 


Facundus  von  Hermiane  92f. 

Fahrende  Leute,  Wiclifsche 
Reiseprediger  unter  ihnen  256. 

Familiaris,  Epistola  fam.  126. 
141—146. 

Fasten  bei  der  Taufe  in  der 
alten  Kirche  75—78;  Beten  und 
Fasten  bei  den  Vätern  78  f. 

Fausta  541. 

Fehdebrief  483. 

Felicianus,  Catalogus  494. 

Felix  IV.,  Papst  324 f.  vgl.  494. 

Fell  er  s.  Pauliner  Bibl. 

Firm  US,  Presb.  131. 

Flavian  v.  Konstantinopel 
494. 

Flensburg,  Franziskaner  in  276. 

Florenz,  Konzil  zu  261  ff. 

Florilegien,  Altkirchliche  24 f. 

Formikarius  276. 

Franck,  Kasp.  340. 

Frankfurter  Konferenz  von 
1818,  Deklaration  derselben  über 
die  deutsch-kath.  Kirche  191  f. 

Franz  v.  Assisi  502. 

Franz  v.  Paula  277. 

Franziskanerorden  276f.502. 

Fraticellen  502. 

Friedrichl.Barbarossa,  seine 
Handhabung  des  Wormser  Kon- 
kordats bes.  in  Burgund  u.  Italien 
278-283. 

41* 


632 


REGISTER. 


Friedrich  d.  Weise  in  Witten- 
berg (1521),  Reorganisation  der 
Univ.  288;  ChriHtiern  II.  von 
Däni'niark  bittet  ihn  nm  Witten- 
berger Gelehrte  für  Kopenhagen 
285—292. 

Friedrich,  König  v.  Württem- 
berg 191,  sonst  s.  Württemberg. 

Froissart  2a6f. 


Gabler,  M.  284f.  28<>. 

Ganfridns  Antissiodorensis 
332. 

Gaza  21. 

Geiler  507. 

Georg,  Markgraf  v.  ßrandenburg 
in  Poln.-Wartcnbcrg  bei  Zdcnko 
Lew  V.  Rozniital  4(>9;  versch. 
Reisen  Gcorg's  4G9ff.  —  s.  Luther. 

Gerard  339. 

Gerhard  von  Zutphen  272. 

Gcrson  239.  241  f.  247. 

Getclen,  Augustin  v.  512. 

Giberti  v.  Verona  511. 

Gildas,  Ponitential  derf  464. 

Giustina,  Sta,  in  Padua  275. 

Glapio  287. 

Gnouiologiecn,  Altkirchlichc  24f. 

Gozxadini  248. 

Gramis  2ü7f. 

Gregor  VII.:  Der  Kegr.  Justitia 
bei  331;  G.  u.  Manasses  I.  von 
Rhoiius  331  f.;  Register  ^31. 

Gregor  von  Nazianz  und  der 
Apollinarisnius  90.  1H>  vgl.  98; 
seine  IJriefc  an  Theodor  von 
Mopsulie8tia92  f. ;  seine  He/ichun- 
gen  zu  Banilios  98  vgl.  97;  103  ff. 

Gregor  v.  Tours  495. 

Grote,  Gerh.  270 f. 

Hag  gada  bei  Juntin  d.  M.  (Sl. 
H  a  g  i  0  g  r  a  p  h  i  e  der  gricch.  Kirche 

323. 
Hamburg,  zar  Rcfonuationsgcsch. 

H.'h  512. 
Hürcsie,  Begr.  d.,   bei  Aagustin 

170  f. 
Haruspicin  s.   Konstantin,    Ti- 

berius. 
H  c  i  1  b  r  0  n  n ,  Luther  rät  Markgraf 
Georg,    das  Kloster   H.   in   eine 
Erzioliungsanstalt  zu  verwandeln 

475  f.  „  ,    , 

Heilige,  Kirchen-,  ihre  Bedeutung 


f.   d.  Gesch.   d.  Kirebn;  -  ji 
Wfirttembenr  5A3. 

Heino,  Abt  w.  Olzen  296. 

Heinrich  V.,  Handbaboig  ii 
WormscT  Konkordats  io  Bo^ 
und  Italien  seitens  R  Y.:  ftt, 
seitens  H.  VL:  2S0 

Heinrich  y.  Chicmseeä3i 

Heinrich  von  Gent  5Ü0. 

Heinrich  von  Latzeibtrg, 
Minor! t  ^334. 

Herbert  von  Besan^on  280l 

Hernias,  Cod.  CanncL  des  3älh, 
d.  liChre  von  d.  fiberferdioiL 
Werken  bei  H.  491. 

Herzog.  Placid.  3;M. 

Hcfs,  Joh,,  Kefarmator  in  Ikeän 
297. 

Hieronynins  als  Zeuge  für  da 
BischofKsitz  des  Metliodius  läi 
18(r.;  H.  n.  J(u<tin  d.  M.  :)5£ 

Hicronynius  v.  Prag  257. 

H  i  p  p  0 1  y  t  u  s ,  Li b.  geiieratioBis, 
das  sticlionietr.  Vemseichn.  biiiL 
und  Cyprian "scher  Schriften  aa 
Schlüsse  einer  Oheltenhaio*iKbni 
Handschr.  des  4*Jii\  II.  über  i 
Taufritcn  seiner  Zeit  73;  Tarf. 
Zeiten  bei  If.  7(>. 

Holstein,  d.  Arbeit  d.  Borsfelder 
KongH'g.  in  275;  Observanten 
in  276. 

Honiilia  de  sacrilcgiiti,  Kine 
Augustin  fäbiclil.  beigelegte  VJlt 

Hopfenstein,  StepJi.  28<;.  290ft 

Hosius  518. 

Humanismus  2<j^. 

Hus,  Drucke  seines  Traktats  v.  d. 
Kirche  548;  Lit.  und  bi.sherige 
Ansichten  üb.  d.  Vcrhältn.  sciucr 
Lehre  v.  d.  Kirche  zu  dcrj.  Lu- 
ther's  u.  Zwingli  8  ;M5ir. ;  tiuellcn 
für  seine  lAilire  v.  d.  Kirche 
3.57 f.;  liChre  v,  d.  Kirche  .'»T»? 
bis  :VM.  503.  .5<;5f.  5<;7ff.,  Y.  d. 
Cnadenmitt<;ln  3r»r>f.,  v.  Priestcr- 
tam  :MW>  f.  a78-;{8S ;  win  GotU-»- 
begriff  .371  f;  Verhültn.  d.  hns'- 
sclien  Ticlire  v.  d.  Kirche  zur 
augustinisch  -  mittolaltcrl.  373  f ; 
zur  kathol.  :i9ü-:J91;  zur  Ge- 
nesis seiner  antikatliul.  Ansicht 
V.  d.  Kirche  ;J71;  d.  Bi-gr.  d. 
GcKCtzt-s  (Jhristi  .'{77 ;  sein  Schrift- 
prinzip .*)77f. ;  Kirche  u.  Staat 
382;  Urteil  über  die  (kriechen  u. 
Juden  38G;   IT.  und  Wiclif  »KV. 


1 


r 


Sö6ff.;  Antdehnnog  d.  Hii«itcn- 
tQma,  Hniiiteiilcricge ,  ä.  Hiuitcn 
und    doa    Basier     Konzil    '2ö'J. 


Imitfttio  Christi  ÜT^f. 
Innocenz  I.,  AugQRtiniind  125r.; 

Bp.  ffttniliaria  an  1.  o.  Antwort 

I.'b  l'Jd.  141— 14Ü.  —  Innoc. IV.: 

2W.  Ml). 
In<(aieition,  AiiRiutin  über  die 

NütwendiKkcit  dur  Vd'it  15H. 
Interim,  ICntadinldaiiß  dm  Rats 

V.  KrijBluu  des  I.  halben   154S: 

•M-.i.  —  H.  Mflanthon. 
Invont&r,    rii|istl.,    von    I33!l; 

OÜl, 
InvcHtitur  nntor  Fricdr.  1.    in 

Uurt^nd  u.  Italien  li3S. 
Ireniius   zu  Gen.   it,  'Jl;  Itä;   I. 

IL  Juatin    i:(f.  :il— 34;    Aofcr- 

■tehunt'Hlchre  und  AntlirojKilogie 

laf.  am. 


Jftnmann,  Doinbapitul&r  19U. 
Jounna  d'Arc  -2TT.  t*t^l. 
Jetiaja  I,  li> — 20  in  der  ältesten 

'ruiifliturtria  (19. 
Joachim     von     Ploriii     SSld. 

mi. 

Johann  XXII.-.  245.:i:ir>;  XXIII.: 

Johann  II.  V.  Main»  2"^;.  '2m. 
JohanniH   UconiaenHiB,    Vita 

si.  aai;r 

Jona«,  Mr>nc1i  v.  Iluhbio  :m. 
Jordan  v.  Uinno  334.  Wl. 
Juden,  Itci  d.  Kirchenvätern  vor- 

kuiniucndc  ii'if.;  Nikol.  V.  u.  dio 

J.  Xif,. 
JiilianuHA{>nKtata,nn|^hlQriGf- 

wechsul    ili'tiBi^lbc'n     mit    Itaiiilios 

iifi;  ApoIIinariw  v.  Laodieca  u, 

j.  lau. 

JnlianUK  von  Kclannm  I2Hr. 

Jntitin  d.  M-,  ul>  d,  Apotufriecn 
u.  d.  UialuK  ein  vollxt.  llild  v. 
•einu&i  (^liriHtuntDiii  ^ehen  11  ; 
citicrt  den  runlau  lüf.  vgl.  5 
bin  lU;  KinlUhmngHrormcIn  Tiir 
J.  IfCi  d.  Viitern  1'2;  J.'uAnthro- 
polufric  and  Auf«rKtehun(,'Blchr< 
;väl.\  ilaH  jutttin'Hche  li'nigm.  bei 
Otto  ir,  aW,  Vll :  .(7 ;  —  H  ■ 
Sutirift   Ubvr   die   AofcTstchoDg, 


«33 

das  Citat  Prokopins'  v.  Gaza  ans 
derselben  21  —  S4 ;  die  in  den 
Paralleta  aacra  anfbehaltenen 
BtQcke  dcTselbeu,  Echtheit,  Voll' 
ständigkeit  '22  —  20;  mutmaftL 
Ort  des  Prukopina'achcn  Citati 
zwischen  den  Krogni.  der  Parall. 
Sacra  '28;  Zugehörigkeit  eines 
CitAto  bei  Hethuditu'  (fiff.)  zu  der 
jnfltiniBchcn  Seht,  ober  die  Anf- 
enitchung  29—34;  Ort  desselben 
in  den  Pragn.  d.  Parall.  sacn 
29;  Eclitheit  der  Kclirift  über  d. 
Aarersichnng  84 f.  37;  Alter  der«. 
29;  ob  dieselbe  einen  Teil  der 
Schrilt  gegen  Marcion  bildct35fF.; 
Verliiiltnis  den  Ircnnaa  zu  ders. 
ül— 34,d«aTertollian:H ;  Mangel- 
hafte Uberliefernnt;  d.  AtMiIogiecn 
37,  des  DialogH  37-48 ;  Teilung 
dcsDialugs  in  zwcillQclier  44f. ; 
Dichtung  u.  Wuiirlieit  ini  Dialog 
41)— 6li.  bes.  lidf.;  AbfaKBUigB- 
zcit  d.  D.  49  -  52.  CU;  Urt  des 
Gcaprüclit4li(r,  ;OcM:hichtlichkcit 
der  üiaputatiun  liO.  GG;  der 
Barkoch  bukrieg  im  Dislog  49 
bis  .'■)2:  'l'rjjilioH  KJ  -Ö7.  (11— GS; 
seine  Iki^luiter  fiT — lil,  Mnsseas 
54;  Markus  Poinpcius  4l);  der 
cphcainiaclic  Aufenthalt  Juatin's 
f>2.  (>ri;  aeinc  llekclirung  4t).  52(1.; 
J.'d  MianinnBthätiKkcit  4'.l ;  seine 
ATlicIio Uilduiig  mimr.;  Hag- 
gada  bei  ihm  til;  KntBtclmngB- 
zeit  der  1.  Apol.  !rü;  Kinfngung 
juatiniachcr  Fragm.  in  den  Dia- 
log bezw.  in  die  ApologiL'en44f. ; 
J.  über  die  Tanfu  ti'.t.  fUE  74 
bis  78;  seine  Itcmfung  auf  einen 
ApostolKpruch  zur  llcgründung 
fTir  Kcino  Ilcnierkungen  Über  die 
Tauro  Apol.  I,  r,l:  66— Sl;  J. 
n,  d.  Apodtellehrc  bezüglich  der 
Taufi)  74-83,  der  Kucliaristie 
Ktf. ;  „Myah.Tium  der  Palin- 
gencsia"  bei  JoHtin  .'tu;  Justin 
bei  IrcniiuH  13 f.,  bei  Hturony. 
muB  .'IfilT.,  bei  Mcthodios  a.  die- 
sen ;  vgl  I'aemlojuHÜn. 

Raden,  Mich.  v.  477.  4K1. 
Karion,  Ncutoatl.,  a.  IlippulytnB. 
Kanzlei,  PiiiBtl.  Vib. 
Kai>itclku8HC  von  lluttwoil  n.  N. 
2(17. 


LJ 


684 


BBGI8TER. 


Kappenherren  in  Württemberg 

EardiDalskolleg.,  Eompromifs 
SigmQDd*s  mit  dem  250;  d.  E. 
und  das  grofiBe  Schisma  251. 

Earl  IV.,  ürkande  desselb.  Tom 
17.  Jnni  1369:  250.  —  E.  V. 
B.  Philipp  d.  Grofsm.  —  E.  VI. 
y.Frankr.  232.2361;  Bedeutang 
der  Parteiongen  an  seinem  Hof 
fftr  d.  Gesch.  d.  Schismas  230 
bis  243.  249  f. 

Earthago,  Augustinus  Teilnahme 
an  den  Synoden  von  140;  das 
dritte  Eonzil  zu  E.  (1.  Sept.  256) 
168. 

Eassiodor  und  BoSthios  494. 

Eeller,  Bisch,  v.  Bottenbnrg  194. 
196  —  199;  sonst  s.  Württem- 
berg. 

Eirche,  Lehre  v.  d.,  s.  Hns,  Lu- 
ther, Wiclif,  Zwingli,  Thomas 
Y.  Aquino. 

Eirchengeschichte  d.  14.  n. 
15.  Jahrb.,  Die  Arbeiten  ans 
den  Jahren  1875—1884  zur:  II 
(vgl.  Bd.  VII,  eiflf):  d.  Zeit  der 
Eirchenspaltang  nnd  der  Reform- 
konzilien:  222—277. 

Elarissinen  in  Frankreich  276. 

Elemens  VII  :  231.  233f.  —  s. 
Schisma.  —  E.  Alezandrinns  21. 
492  f.  —  8.  Pseudokleraens. 

Eonkordat,  s..  Wormser  E., 
Württemberg.,  Osterreich.  E. 

Eonrad  IIL,  Kaiser  278. 

Eonrad  v.  Breslau  267 f. 

Eonstantin  d.  Gr.,  ünter^ 
suchungen  zur  Gesch.  K.  d.  Gr. 
(vgl.  Bd.  VII:  343-371):  517 
bis  542^  K.  u.  d.  Haruspicin 
517—527;  sein  Edikt  von  321 
(Cod.  Theod.  IX.  16,  3):  527; 
E.  u.  d.  Opferwesen  527—534; 
ToropelschlieCsungen  seitens  E. 
533;  Allgemeines  über  seine  Re- 
ligionspolitik 533;  K.  und  Li- 
cinius  534—542;  K.  u.  Fausta 
541. 

Eonstantin,  Anonymus  de  E. 
321. 

Eonstantinopolitanuro,  Ni- 
caeno-,  Symb.  487. 

Eonstantius'  Erlafs  gegen  das 
Opferwesen  (341):  530. 

Eonstanz,  D.  Geburtsstand  d. 
Domherren  zu  E.,   Zeitfolge  der 


% 


Bi8cfa5fe   bü  auf  Tk 

266;  Archidiakoiies  i. 

sarien  im  Bist.  E.  2S7; 

EonzU   226  f.  242  t  247--! 

266. 
Eonzil,   Die  Bezeiehmnni ¥ 

gionar^  n.  Flenar-E.  iaZcitali 

Augnstin^B  172. 
Eopenhagen,  üniTm.,a(lB> 

stiem  IL 
Ereuz-Lieder,  Predigioi  5(& - 

E.-Zfige  4991 


Lambert  ▼.  ATignon  4SL 

Lanfrid,  Herzog  ▼.  Aknuni 
326. 

Langenstein,  Heinr.  v.  2^ 

Laodicea,  Bischöfe  Ton,  imZdl> 
alter  des  Apollioarios  106. 

Laterculns  Polemii  Silrii  321 

Laubach,  Pietisten  in  513. 

Lausanne,     Investitur    in,    ia 
Mittelalter  279. 

Leander  von  Sevilla  323. 

Lehre   der    zwölf  Apostel  i. 
Apostellehre. 

Leiningen,  Gottfr.  v.  226. 

Leipziger  Univ.-BibL  s.  Pas- 
liner  Bibl. 

Lentersheim,  Veit  v.  469. 

Leo,  Akolythus  132. 

Leodius,  Hub.  Thom.  343. 

Leontios  93. 

Leovigild  323.  495f. 

L  i  b  a  n  i  0  s ,  sein  angebl.  Briefweeb- 
sel  mit  Basilios  95. 

Liber  generationis  s.  Hippo- 
lytus. 

Licinius,  Eonstantin  und  534 
bis  542. 

L  i  p  p ,  V.,  Bisch,  v.  Rotten buig  208. 
2(Äf.  —  sonst  s.  WörttembeiTf. 

Litteratur,  Grund  für  die  Ein- 
teilung eines  Werkes  in  Bücha 
in  d.  altkirchl.  L.  45 ;  Zueiguang 
von  Schriften  an  einzelne  Per- 
sonen in  der  altkirchl.  L.  46. 

Lothar,  Eaiser  278. 

Lotther,  Melchior,  inWittenbeig 
und  in  Leipzig  341. 

Ludolf  V.  Sagan  258. 

Lull  US,  Raymundus  335. 

Luther,  Briefe  von  ihm :  Er  warnt 
d.  Rat  d.  Stadt  Munster  vor  d. 
Zwinglianern  und  Wiedertäufern 
293 f.;    gratuliert  Myconios    zur 


CebQrteineBSobiieB294f,  schreibt 
an  BiECSDipios  n.  a.  Über  den 
Fortgang  seines  Sachaija-Kamin. 
295f. ,  schreibt  an  Abt  Heino 
Y.  Olzen  296f.;  an  Bcine  Frau 
341;  bittet  brieH.  Georg  ?.  Bran- 
denburg um  Umwandlang  des 
Kloetew  Heilbronn  in  eine  Er- 
siehangsaDBtalt  475  f.  ;  hand- 
acbriftlicbe  lat.  Aafzeichnnngen : 
Gebete  etc. ,  ein  Wort  über  den 
P«alter297— 300.  486;  ein  Aato- 
graph  Lntfaer'a  a.  Bugenhagen's 
(Ordinationszen^JB  für  Bomgart- 
ner)  508;  L."s  Briefwechael  mit 
Georg  ».  Brandenburg  466 f.;  ein 
Briet  Georg'a  an  ihn  472—474; 
d.  Brief  I,.'h  bei  de  Wette  I,  4-25 : 
&48.  —  Luther- Dm cke  auf  der 
Hamb.  SUdtbibl.  340  f. ;  d.  Prae- 
lectio  in  libr.  Jud.  341;  die 
Poacb'Bche  Sammlang  ungedr. 
Predigten  L.'a  341;  aelbstand. 
Ansgabe  des  deatscben  tJermoDS 
Y.  d.  Buöe  553;  TiBchreden4«i!; 
L.  bedient  Eich  des  lat.  pBalten 
T,  Bngtnhagen  207:  L.  u.  Her- 
aog  Albr.  V.  Preufsen  470 ff.;  d. 
Frage  nach  einer  KuBanrnicnkanft 
Georg's  V.  Brandenburg  mit  L. 
467—472;  seine  Beziehungen  zu 
Naomburg  a.  S.  508 f.;  d.  Be- 
mUhntigei],  ihn  für  Dänemark  zu 
gewinnen  286f.  vgl,  28!)ff.  — 
Lnther  anf  dem  Reichstag  von 
Worms ;  Zur  Bestimmung  des 
Tages ,  an  welchem  er  d.  Cita- 
tion  empfangen  hat  484;  die  L. 
in  Worms  zngeachr.  Worte  äO!l  f. ; 
eine  die  Bede  L.'s  vom  18.  April 
in  dentscher  Wiedergabe  bietende 
Handschrift  432;  d.  Acte  und 
die  Flugschrift  Etliche  . .  Hand- 
Iniie  in  . .  Lutbeis  Sachen  (Qbcr 
d.  Nachverhand langen  in  Worms) 
482fr.  —  Litt  0.  bieh.  Ansichten 
Aber  d.  Terbältnis  seiner  Lehre 
T.  d.  Kirche  za  derj.  (Wiclifa) 
Hob'  und  Zwingli's  345E;  ge- 
Bctaichtl.  Überblick  über  d.  fort- 
schreitende Bekanntschaft  mit 
Hub  543 — 649;  Entwickclangs- 
gescbicbte  □.  Feststellung  seines 
Kirchenbegriffs,  VerhältniH  zum 
Hns'Bchen  &4!)  —  574.  581,  — 
Zwingli's  Verhältnis  zu  Lnltier 
B.  Zwingli. 


Mainz  unter  Johann  II.;  265. 

Maizi^res,  Phil.  v.  238. 

Mamas,  Märt.  323. 

Manasses  I.  t.  Gheims  332. 

Mans,  Le,  Pseudoisidor  und  die 
Bischöfe  von  4D8. 

Marborg,  Uaiv.-Album  610. 

Marcbe,  Guido  de  la  335. 

Maria  semper  virgo  497;  ein  in 
Karthago  gefund.  Marienrelief  ans 
dem  4.  Jahrb.  497;  Marienbild 
in  d.  Katak.  S.  PriscUU  497; 
zur  GeBcbichte  d.  Marienknltni 
497. 

Mattin  V.:  253.  266, 


i  323. 


a  323. 


Maiimus  Confcssor,  Teitkrit. 
zu  seinem  Zeugnis  über  den 
Bischofssitz  des  Uethodius  in  d. 
Schulien  zum  Areopagiten  (hier, 
eccl,  c.  7)  15;  ValesiuB  und  Leo 
AllatiuB  zu  seinen  Angaben  15. 

Melanthon'B  Verhalten  in  der 
Interiraaaohe  154Hf.:  343. 

Menaeen  323. 

Menologieen  323. 

Merovingerzeit,  Die  relig.  a. 
sittl.  Zustände  der  495. 

Methodius,  ßischufsaitz  des  15 
bis  2<);  seine  Beziehungen  zn 
Side  in  Pamphj'lien  18;  sein 
Martyrium  19;  Charakteristik  d. 
M.  11  f.;  seine  Bcdcntung  für  d. 
christl.  Poesie  12;  sein  Dialog 
über  die  Auferstehung  4  f.  17; 
Abdr.  u.  Krit.  des  Textes  eines 
Frogm.  BUB  dem  zweiten  Buch 
seines  Dialogs  über  die  Anferat., 
in  welchem  er  Justin  d.  M. 
citirt  5fr.;  Überlieferung  seiner 
Schriften,  bes.  d.  belr,  Fragm, 
2-5.  7  f.  10.  17  vgl.  13f.; 
Grenzen  des  Citats  aas  Just.  If. 
7—10;  Weiteres  über  seine  Be- 
kanntschaft mit  Just,  12 f.;  Eoseb 
n.  M.   11, 

Miggenes,  Franz  :t:J4. 

Miteve,  Schreiben  der  Väter  de« 
Konzil»  zu  M.  von  410:  126. 


636                                          EEGISTEiR.                                                 %. 

Miro  323. 

Otto  V.  B&mberg,  IMe  ^tu  da     , 

Mission  der  Minoriten  in  China 

332.                                                 ' 

334. 

Otto  Ton  Freising  278ffi             , 

MoDtBon,  Joh.  T.  230f. 

Münster,   Loth.    warnt   briefl.  d. 

Rat  d.  Stadt  M.   xor  d.  Ziring- 

Padna,  Sta  Oiastina  in  275. 

lianern  und  Wiedcrtänfem  293  f. 

naXiyyivtaia  30 f.  34f. 

Mjoonina,  Fr.,  Luther  gratuliert 

Papst-Briefe  329;  P.-Boch  32T«. 

ihm   brieflich   zur  Gebort   eiocs 

494;  P.-Regesl«n  329.  502;  P.- 

Sohnes  2Mf. 

RegistorSSl.  334.   601;   p^ 

MjBtik,  Quellen  för  d.  Gesch.  d. 

Schati,  InTentar,  BibL,   Arebit 

niederdeotschen  503  f. 

335.  337.  ÖUlf. 

Parallela  Sacra  älterer BcMniicm. 

Nantes,  D.  Aufhebang  d.  Edikts 

2f.  Tgl.  5fr,;  8.    10.    2-2f.  -L 

Ton  343. 

Justin  d.  M, 

Narbonner  Vertrag  250, 

Paris,  üniT.,  s.  Satbonne. 

NatioDBlkottzilc,    Frsnzljs.,  in 

Parva  chronica   proph.   seraph. 

der  Zeit  des  Schismas  235  f.  239. 

reform.  335. 

240. 

Passau,  Matrikel  d.  Bist.  603. 

Naumburg,     Umwandlong     des 

Passionen    459.   —  a.  Aportd- 

Klosters  St.  Georg  zu  N.  in  eine 

geschichten. 

Dnterrichtsanstalt  in   der  Bcfor- 

Paula,  Franz  v.  277. 

mationszeit.  Luther  Qber  dieselbe 

Pauliner  Bibl.,   die   roo  Fell« 

475;    Lnther's   Beaiebungen    zu 

Catal.  Cod.  Mss.  Bibl.  Paolin« 

N.  a.  S.  &  IM  f. 

in    Acad.    Lips.    p.   2138q.    be- 

Navarra. Tlieobald  y.  4Q9f. 

schriebene    verlorene  Handschrift 

Nerosage,  Die,    und  d.  Apocal. 

der  483  ff. 

486. 

Pelagianischer  Streit  141  Ini 

Nicaeno-ConstantSjuib.  487. 

15« 

Nider.  Joh.  27U. 

Petaudi,  Bftim,  336. 

Niebahr,  B.  G.  515. 

Persona,  Gobclinus  244. 

Nieder,  Joh.  276. 

Petit,  Jean  210—243. 

Niem,  Dietr.  t.  244—247.  504. 

Petzensteiner  ober  d.  Worrwer 

Nike,  Synode  von  lOflf. 

fieichatag  483, 

Nikolaus  V.:  268,  336. 

Philipp  d.  Grüfsmutige,  du 

Nikolaus  von  Cues  274r. 

»on  ihm   1529   an   Karl  V.  ge- 

Nominalisinns  228. 

sandte  franz.  Büchlein  477— 481; 

sein     BechenscbafUbericht     abcf 

im  Schisma  241. 

d,  Douaufeldzug  v.   1&4Ü ;  342. 

Nowag,  Pet.  268. 

Philippi,  Jac.  507. 

PbilostorgioB  107. 

PhotiuB  2f.  5ff.  35. 

Oberrheinische      Kircben- 

Pietismus,  Urkunden  zur  Getdi. 

provinz,  Kampf  zwischen  der 
kathol.  Kirche  nnd  den  Staaten 

d,  deuUchen  513  f. 

Pikarden,  SteUung  derselben  im 

in  derselben  von    1851    nn  200 

Schisma  240-242. 

bis  203 ;  »gl.  bes.  Wörlteroberg. 

Pisa,  Konzil  ».  226.  239. 

Oeconomica  Christiana  480f. 

Poesie,  ChrisU,,  Bedeutung  it» 

Methodins  für  die   12. 

Stadt  und  den  Berg  20. 

Pülaoky  258, 

Oranebene,  Mag.  4!fil, 

Poljkarp,  Brief  des  491  f. 

Orleans.  Cod.   169  von  327. 

Pompeius,    Markos,    im   jostio- 

Orosius  321. 

schen  Dialog  49, 

OsenbrBgge.  Joh.  512. 

Porcellet,  PhUippiac  de  335. 

ÖsterreichisohesKonkordat 

Prediccrurdcn  5011 

445  r. 

PrisciUiao  527. 

SEQISTEB. 


637 


ProkluB  Midensis  bezw.  SidensiB, 

Sidetes  18. 
Prokopius   von   Gaza  21.   — 

Vgl.  Justin  d.  M. 
Fr  otoplasten  321. 
Psalter  s.  Bugenhagen,  Luther. 
Psendoisidor  498. 
PiendoJQstin,    Qaaestiones    et 

respoosiones  ad  Orthodoxes  22; 

Qoaest.  gent.    ad  Christian,  de 

incorp.  etc.  23;  ixd^fatg  n(aT€tog 

24. 
Psendoklemens,  Fasten  bei  der 

Taufe  in  Recogn.  n.  HomiL  75 f.; 

Tanfzciten  77. 

Randnf,  Andr.  y.  246. 
Bavensberg,  Wilh.  v.  244. 
Beformation  K.  Sigismund^s 

251  f. 
Be formen,  Mittelalter!.  Kloster- 

R.  272-277.  330 f. 
Begeneratio  30f. 
Begensbnrger      Colloquinm 

y.  1541:  511. 
Begesten,  Register  s.  Papst. 
B  e  i  m  s .  Zasammenknnft  KarFs  VI. 

mit  Wenzel  in  R.  (1398):  236. 
Beinbard,    Martin    284.    285f. 

289  ff. 
Benantiatio  71.  81f. 
Beater,  Ambr.  475. 
Bichental  247 f.  505. 
Boger  von  Lansanne  279. 
Boland,  Mag.  499. 
Bolle,  Heinr.  340. 
Bom,  Bischöfe  von,  s.  Angustin; 

die  Bezeicbnang  des   röro.  Bist. 

als  sedcs  apostolica  bei  Angustin 

u.  seinen  Zeitgenossen  134  ff.  — 

Der   Satz   „Roma   locuta    est'^ 

156—159. 
Bottweila.  N,  Kapitel  267. 
Bozmital,  ZdenkoLcw  von  469. 
Bugbroeck  503. 
Bümelin,  v.,  s.  Württemberg. 
Bupescissa  503. 

Sachsen,  Prov. ,  Päpstl  Urkun- 
den etc.,  S.  betreffend  502 f. 

Salvantius  324-f.  vgl.  494. 

Sarbonne,  znr  Zeit  d.  Schismas: 
ihre  Stellung  zu  den  Bettclorden 
230 f.;  zu  den  polit.  Parteien  in 
Frankr.  und  zum  Schisma  239 
bis  243.  249 f.;  d.  erste  Studien- 


haus der  Benediktiner  an  der  S. 

501. 
Schisma  von   530:    32301  494; 

von  1378—1417:  225-243.245. 

247-253.  2.58. 
Schlesien,  Mittel-  und  Nieder-, 

von  1440—1452:  267  f. 
Schmalkaldische      Artikel, 

Urschrift  derselben,  Drucke  der 

letzteren,  Luther^s  Motto  zu  d. 

Art.  318  f. 
Schoonhoven  273. 
Schwenkfeldianismus  340. 
Seleucia,  Synode  von  109 f. 
Senones,  Richer  v.  338  (vgl.  Be- 
richtig. S.  515). 
Septaaginta,  Justin  im  Dialog 

über   Fälschungen   in   der    55  f. 

vgL  65  f. 
Sibyllinischen   Bücher,   Die 

488  f. 
Sie  na,  Bemhardino    v.   S.  d.  A. 

277. 
Sigismund  248-251.  259f. 
Siivius,    Laterculas    Polemii   S. 

321. 
Siricius,  Augustin  und  125. 
S  ixt  US,  Presbyter,    später  Papst, 

Augustinus  Beziehungen  zu  ihm 

131-134. 
Sokrates    über   Konstantin   und 

Licinius  537  -540. 
Sozomenos  über  d.  Abkehr  Kon- 

8tantin*s  v.  d.  Mantik  517  f.  524ff. 
Spalatin   ist  nicht  d.  Verf.   der 

Acta    u.    der    Flugschr.  Etliche 

sundcrliche   ßcisige   .  .  .   Hand- 
lung in  . . .  Luthers  Sachen  .  .  . 

(über  d.  Nachyerbandl.  in  Worms) 

482 ff.;  seine  Übersetzung  d.  Rede 

Luther's  v.  18.  April  )1521:  482. 
Spanien,     Ältere    Kirchengesch. 

Spaniens  323.  495  f. 
Speyer,  Reichstag  von   1526  zu, 

Relation  über  die  Verhandlungen 

desselben  300-317. 
Spiritualen  502. 
Stettin,  Brüderschaften  in  504. 
Stichometrie  493. 
Stilicho  322. 
Strafsburg  unter  Wilh.  v.  Diest, 

die  conf ratern  itas  des  Klerus  v. 

1415,  der  Elektenprozefs  265 f.; 

d.  Straüsburger  Minoritcnprovinz 

276;  d.  Bist,  im  14.  Jahrb.  503; 

d.   franz.  ICirche  v.   St.  im   16. 

Jahrb.  511. 


638 

Sadermknn  310. 

Summa  der  h.  Bohr.  479«. 

Snao  271.  500. 

STRDing,  J.  284  Tgl.  286. 

SjneainB,    Rede  de«  S.  u  Är- 

oadios  822. 
Sjropol  261  r. 

Tinfein  d.  &11«d  Kirche:  im  Fieien 
74,  in  lebcod.  WasBer  74,  Aoi- 
ziehen  d.  Schuhe  b«i  der  T.  72; 
Tanfzeiten  76 ff.;  FuBteo  bei  der 
T.  75-78;  zac  älteten  Tauf- 
litQrgie69  79— 82;  Tanfnlübde 
71.  8ir.;  Bechtfertiguie  d.Taaf- 
riten  hei  den  Vätern  73. 

Tepleneia,  Cod.  506f. 

Tertnllian  30f.  34.  71.  13t. 
76  f.  492  f. 

Theodoret  25. 

Theodoroa  toq  Mopenheetia, 
Britfe  Gregorios'  von  Nazianz 
an  üSf. 

Theophanea  538. 

Thomaa  t.  Aqnino,  seine T^hra 
'■.  d.  Kirche  347—357. 


Tboi 


8  273. 


ThDriiigen,  Pietisten  in  513. 
Tiberius  a.  d.  Hariupicin  510. 
Todi  u.  Johann  XXllI.:  248. 
Toleranzedikte,  lUm Ische  487. 
Traktat  über  die  Fapstwahl  von 

HS!):  ;m. 

TribuUtioncs,  IHst.  acptem  t. 

ord.  Min.  502. 
Trient,   Konzil  von  511. 
Truchsefs  V.  Waldburg,  Otto, 

Katdin.  bl>. 
Trjphon  111-65  vgl.  53-57, 
Tyrus,  Bischöfe  von   18t'. 

Ulrich  V.  Richental  217  f.  505. 
Universitäten,  I).  Stellung  der 

deulHchen  U.  zum  Roseicr  Kon;iil 

•2t;:tf. 
Urban  V,:  215;    VI.:   225.  —  a. 

ScliiEnja. 
Urbarbuch    von    St.    Urban    im 

Luzemer  Staatearchiv  261. 

Valcaius  a.   Maiimus  Confessor. 

Anonvnius  Valesii  :W1.  Tiil  (  540. 
ValU.    Laur.  ,    »eine    Kritik    des 

AiK)8tulieuiDs   auf  d.  Florentiner 

Konzil  2r>2f. 


V  a  1 1  a  d  0 1  i  d ,  BenediktineifcaagRt. 
in  275. 

Tatikaniache  BibL,  tni  Vk- 
geschiebte  der  337  tcL  3^ 

Vatikanna  3761,  Co£  329. 

Vegbe  272.  336. 

TelfliuB,  Juitoa  340. 

Viocenz  Ton  Panla,  St.Barm- 
henige  Scbweatem  des.  Statuta 
dea  Ordena  denelh.  in  Wärtttn- 
bvg  410. 

Vjndob.,  Cod.  32%: 

VorreformatorBDiBerecbl 
dieses  Titela  347.  369.  377 


itigimg 
7f. 


ffaldaaser,  Tenirteilimg  t. 
in  Pommern  n.  Br«nd«ib.  SKf 
W.-Litt  in  Torbnsitiach.  Zdt 
öOGf. 

Watzdorf,  Rad.  (Votrst)  t.  4^3. 

Wecelin  485. 

Wenzel,  König  236. 

Wernigerode,  Stiftaachnle  in  50e. 

Westhemer,  Bachdraeker  297. 

Wiclif  254—258.  365 f.  377.  5(& 

Widenbrflgge,  Job.  512. 

Wilde,  Steph.  288. 

Wilhelm  Ton  Bar  3.t5. 

Wilhelm,  Biach.  von  StraTsbu^, 
OriginaUchreiben  von  ihm  über 
den  Sj^eyerer  Reichstag  t.  löÄ: 
■Ml. 

Wilhelm  v,  St.  Thierry   XVH. 

Wilhelm,  König  v.  Württ«mb.rg 
I',)ll.  2ü5ff.  sonat  a.  WürttemU-ig, 

Windesheimer  BrQderBcbaft 
239.  272—275  vgl.  271. 

Wittenberg  a.  Frkdr.  d.  W. 

Worms,  Konkordat  v.  27«--.>^il; 
Reichstag  V.W.  (1521):  Briefe  u 
Ohristiem  II.  v.  Dänemark  übet 
dcnBelbon2M9— 2;i2;  PetzcnsUiwr 
über  denselben  4H;(;  d.  AcU  a. 
d.  Flugsclir. :  Etliche  eunderlicbe 
.  .  .  Handlung  in  .  .  .  Latben 
Sachen  (über  d.  Nach  verhandig) 
4«aff;  auf  W.  be7.ügl.  Stücke  d. 
von  Feiler  (Cat.  Ood  M^s.  BibL 
Paul,  in  Acad.  Lipa.  p.  2l;Ss4.) 
beschrieb,  verlorenen  Handschtift 
4S:Jt.  —  s.  Lutlicr, 

Württemberg.  Urpfarrcien,  St 
A  n  n  uku  1  tu  3 ,  .\  u  fhcbu  n  g  d.  K  appen- 
bcrren  in  W.  filKI;  Heilige  inW. 
5():t;  d  VcrrassangSQrkunde  von 
25.  Scpt  1819:  ItOiC;   d.  Staat 


REGISTER. 


639 


u.  d.  kath.  Kirche  In  W.  Ton 
1808—1857:  190—204.  208;  d. 
wfirttemb.  Konkordat  (od.  Kon- 
Tention,  TgL  8.  210  f.  221)  von 
1857,  Entstehung  n.  Verwerfang 
desselben  durch  die  Kammer  2(& 
bis  217.  189 ;  die  Verbindlichkeit 
d.  Konrention,  —  Konrention  od. 
Konkordat?  210-216;  d.  würt- 
temb.  Oes.  betr.  „die  Begelang 
d.  Verhältnisses  d.  Staatsgewalt 
zur  kath.  Kirche"  von  1862:  d. 
G€8.  Tor  d.  Kammer  189.  401. 
403;  Vergleich  der  Konvention 
mit  d.  Oes.  in  d.  Reihenfolge  d. 
Artikel  der  Ersteren,  Beorteilnng 
der  Bestimmungen  395—448  yrI. 
217—221.  189;  Verhältnis  des 
wflrttemb.  Konkordats  zum  öster- 
reichischen 445  f.  —  8.  Vincenz 
▼.  Paula,  St. 
W  ü  r  z  b  u  r  g ,  Bischofsversammlung 
in  W.  vom  12.  Okt.  1848:  199 f.; 
Archidiakone,  Offiziale,  Oeneral- 
▼ikare  des  Bist.  267;  Wfirzburg. 
Hand8chriften458f.— vgl.  Apostd- 

geschichten. 


Tsenburg-Büdingen,  Pietisten 
in  513. 

Zabarella  252. 

Zauberei,  Ansichten  über  die  Z. 
im  Christi.  Altert,  u.  Mittelalt  527. 

2i2ka  259. 

Zonaras  538f. 

Zosimus,  Augustin  und  126 f.  146 
bis  156. 162  186;  Z.  üb.  Konstan- 
tin d.  Or.  517  f.  524  ff.  538—541. 

Zutphen,  Oerh.  v.  272. 

Zwinffli  kennt  Hu8*Traktat  v.d. 
Kirche  575;  seine  Bekanntschaft 
mit  Schriften  Luther*s  575;  bish. 
Ansichten  über  d.  Verhaltn.  seiner 
Lehre  v.  d.  Kirche  zu  deij.  Hui' 
u.  Luther*8  345 ff.  575 f.;  seine 
Lehre  v.  d.  Kirche  574-616,  in 
ihrem  Verhaltn.  zu  Hus  575 1 
599  f.  609;  ursprüngl.  bestehende 
Übereinstimmung  in  seiner  Lehre 
von  der  Kirche  mit  Luther  575 
bis  599;  v.  Luther  abführende 
Wandlung  in  seinem  Kirchenbegr. 
•600-616;  Z.  u.  Job.  v.  Wesel, 
Joh.  Wessel  576.  578. 

Zwölle,  Fraterhaus  in  271. 


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