Skip to main content

Full text of "Zeitschrift fur Naturwissenschaften."

See other formats


ae 
— 2 


mr 


ii Int) 


KM 


NEHM IE 
li A 
I Hi I 


Il ' Hi N 
IF hit 
iM j hi 


IR 

Ah 

un N 
H 


ir 
N N 
Mn! 
Kur 


im 


Nahe 
SAH UI 
In) 


I 


a 


ary 


Zibr 


THE pr 


Zeitschri t 


BE iesöuschaften 


Organ des naturwissenschaftlichen Vereins 


Eu. ER 
IENCES, 


für Sachsen und Thüringen 


zu 


Halle a. $. 


unter Mitwirkung von 
Prof. Dr. €. Mez und Geh.-Rat Prof. Dr. E. Schmidt 


herausgegeben 
von 


Prof. Dr. G. Brandes 


Prof, der Zoologie an der Tierärztl. Hochschule und Direktor des zoologischen Gartens 
zu Dresden. 


s2. Band — 1910 


(Fünfte Folge, Zwanzigster Band) 


Mit 1 Profiltafel und 43 Figuren im Texte 


1910 
Verlag von Quelle & Meyer in Leipzig 


. ANNE Er B n>% . 
Ei En 


ji 


Inhalt des 82. Bandes. 


I. Original-Abhandlungen. 


Bandermann, Franz, Über zwei Zuchten von Abweichungen 
des Wolfsmilchschwärmers : i ; 

Bauer, E., Eine für Deutschland neue Noetnide ; 

Füge, Bernhard, Beiträge zur N -Fauna von 
Halle a. S. : 

Haupt, H., DV orzeiou ad bie Te in hingen aan 
en 

Hoffmann, Dr. Karl, WAR mmeverbältniese ante ee 
zerstörenden Pilze. Mit 9 Figuren im Text . 

Kanngielser, Friedrich, Dr. med. et phil., Die Ehmologie Er 
Pteridophytennomenklatur. Eine Erklärung der wissen- 
schaftlichen, der deutschen, französischen, englischen und 
holländischen Namen der Farnkrautgewächse . ? 

Lange, Dr. Hans, Studien über die Zusammensetzung Nekhene 
führender Mineralien. Mit 7 Figuren im Text. 

Liebe, Johannes, Die Larve von Simulia ornata Mg. Mit 
16 Figuren im Text P 

Schnee, Dr. med., Einiges über die ene Tierwelt der Men 

Schulze, Erwin, Literatur über die triadische Pflanzengattung 
Pewromein : EST RE ER DL FERIEN AR 

Seupin, Prof. Dr. Een Über sudetische prätertiäre junge 
Krustenbewegungen und die Verteilung von Wasser und 
Land zur Kreidezeit in der Umgebung der Sudeten und 
des Erzgebirges. Eine Studie zur Geschichte der Kreide- 
transgression. Mit 2 Figuren im Text 

Streicher, Dr. Otto, Der Kreislauf des Kohlensiofk h in 16 Natur 

essrin, Dr. Walther, Weitere Beiträge zur Kenntnis der 

.. Flora von Burg . EEE ERRE 

— Uber den Formenkreis der Statice Limonium und ihrer 
nächsten Verwandten . 

Wein, K., Th. Beling, Beiträge zur ler des Koriweciiichen 
Br e Bert 

Wüst, Ewald, Die zanen Kaulsaen, 6 Prayertin. 
gebietes der Gegend von Weimar und ihre Fossilien- 
bestände in ihrer Bedeutung für die Beurteilung der Klima- 
schwankungen des Eiszeitalters. Mit einer Profiltafel und 
einer Tabelle . 


Seite 


321 
253 


262 


401 


129 


161 


IV; 


Il. Kleinere Mitteilungen. 


Gesteine und Minerale des Radautales (Fromme) 

Neue Funde von Gletscherschliffen bei Halle a. $. (Wagner) 

Über den Köderfang im Hochgebirge (Bauer) . 

Zur Schmetterlingsfauna der Goitzsche (Bandermann). 

Ein Zwitter (?) von Saturnia pavonia L. (Bandermann). 

Variationen im Geäder des Dipterenflügels (Kleine). 

Aus den Sitzungen der en Gesellschaft zu ae 2. .S. 
(Daehne) . 

Ein Verfahren zur ne) von Pfanzenblättern Kies 

Aus den Sitzungen der Entomologischen Gesellschaft zu Halle a. S. 
(Daehne) 

Erklärung und (atsächliche Be (Weile) . 


III. Literatur-Besprechungen. 


Artus, Die Grundzüge der Chemie für Gewerbetreibende sowie 
für Lehrer an Gewerbeschulen 

Binz, Kohle und Eisen 

Beer Unsere Land- und Sl hpesn Einführune in 
die Molluskenfanna Deutschlands 

Glafey, Rohstoffe der Textilindustrie . 

Haase, Die Erdrinde . 

— Lötrohrpraktikum 

Hegi, Illustrierte Flora von Mitteleuropx . 

Herre, Wissenschaft und Bildung. Einzeldarse ne aus an 
Gebieten des Wissens . ; 

Hersen und Hartz, Die erneprechik ohne Ki: Gen 

Hesse und De Tierbau und Tierleben . 

Höller und Ulmer, Natırwiesenzehnthehe Bibliothek fir | 
und Volk ee a 

Pohl, Die elektrische nen von Eee - 

Bene Entstehung und Bau der deutschen lo 

Schurig, roloseate Experimente nebst einem Ne Mikro- 
skopische Technik . : 

Schuster, Der Einfluls des Mondes er unsere Amon 

Uhlenhuth, Vollständige Anleitung zum Formen und Gielsen. 

Voigt, Die Praxis des naturkundlichen Unterrichts . 

Werth, Das Eiszeitalter . : 

ee und Woltereck, nen er Ds 

Zimmermann, Die Photographie 

v. Zittel, Grundzüge der Paläontologie (Paltozoologie) 

Zur Stralsen, Brehms Tierleben. Allgemeine Kunde des Tier- 
reichs . 


Studien über die Zusammensetzung 
heliumführender Mineralien 


von 


Dr. Hans Lange!) 
Assistent am Anorganisch-Chemischen Institut der Königlichen 
Technischen Hochschule zu Berlin 


Mit 7 Figuren im Text 


Vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit einem Euxenit 
aus dem Sätersdal und einem roten Flulsspat aus Süd- Grön- 
land. Daran schlielsen sich analytische Untersuchungen 
über die Trennung des Titans vom Zirkon, sowie vom Niob 
und Tantal mittels Ammoniumsalieylat; das bei der Rein- 
darstellung des hierzu erforderlichen Zirkonmaterials er- 
haltene Zirkonoxychlorid gab auf Grund in der Literatur 
sich findender Widersprüche Veranlassung, dieses Salz einer 
erneuten Untersuchung zu unterziehen. | 

Im März des Jahres 1895 gelang es Sir WILLIAM 
Ramsay,?) Helium in dem von NORDENSKJÖLD entdeckten 
Mineral Cleveit nachzuweisen. Es sind seitdem durch die 
Untersuehungen verschiedener Forscher eine grolse Anzahl 
von Mineralien, von denen die meisten Uran, Thor oder Blei 
enthielten, als heliumhaltig erkannt worden. Eine erhöhte 
Bedeutung aber erhielten alle diese Untersuchungen erst, 
seitdem übereinstimmend von RamsAay und SuppyY°) einerseits 


!) Die nachstehende Untersuchung wurde von Herrn Lange unter 
meiner Leitung im Anorganisch-Chemischen Institut unsrer Hochschule 
ausgeführt und dann der philosophischen Fakultät der Königlichen 
Friedrichs-Universität Halle-Wittenberg als Inaugural-Dissertation ein- 
gereicht. H. Erdmann. 

2) Chem. News 71,151 (1895). 

°) Nature 16 July 1903, p. 246. Proc. Roy. Soc. 72,204 (1903). 
73, 346 (1904). 

Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a.S. Bd.8S2. 1910. 1 


2 Hans LANGE, 


und andererseits von CurıE und DrwaAr'!) das Helium 
als eines der Endprodukte radioaktiver Umwandlungen er- 
kannt wurde. Es nehmen daher die heliumführenden, radio- 
aktiven Mineralien ein besonderes Interesse in Anspruch. Im 
folgenden soll ein Beitrag zur Kenntnis soleher Mineralien 
geliefert werden. 


I. Über einen Euxenit aus dem Sätersdal 
in Süd-Norwegen. 


Zur Untersuchung standen mehrere Kilogramm eines 
Minerals der Euxenit-Polykras-Reihe aus den Granit- 
Pegmatitgängen von Sätersdal im südlichen Norwegen. 
Das Vorkommen des Minerals, das zuerst von TH. SCHEERER 2) 
beschrieben wurde, ist an dieser Stelle nicht neu, so ver- 
zeichnet auch W. ©. BROEGGER°) das Sätersdal als häufig 
Euxenit führend. Indessen ist eine nähere Untersuchung, 
speziell chemische Analyse gerade dieses Vorkommens 
nicht ausgeführt worden, das, wie die Bearbeitung ergab, 
in Bezug auf den Heliumgehalt und auf die Zusammen- 
setzung der seltenen Erdmetalle als eines der interessantesten 
und kostbarsten bezeichnet werden kann. 

Das Material bestand zumeist aus derben Stücken. 
Vereinzelte Kristallbruchstücke zeigten deutlich rhombischen 
Habitus mit den Flächen: 


oaP»o» oP oPx 2Po P oP 
1010! 110 . 3100: 201} }1114 J001} 


Die Kristalllächen waren matt, zum Teil mit einer 
rauhen Oxydationshaut überzogen, daher schlecht messbar, 
zum Teil mit paralleler Flächenstreifung versehen. Eine 
Spaltbarkeit war nicht zu bemerken. Die Oberfläche des 
derben Minerals hatte häufig glasige Beschaffenheit, zeigte 
muscheligen Bruch und war von rein samtschwarzer, glän- 
zender Farbe, nur in ganz feinen Splittern an den Kanten 


1) C.r. 138. 190 (1904). 

2) Poggendorfs Annalen 40,149 (1840). 

®) W.C.Broegger, Die Mineralien der südnorwegischen Granit- 
Pegmatitgänge. I. Christiana 1906. 


Die Zusammensetzung heliumführender Mineralien. 


durehscheinend. Auffallend war der hellgelbbraune Strich. 
Die Härte betrug 6,5; das spezifische Gewicht wurde ver- 
hältnismälsig niedrig zu 4,62 gefunden, was vielleicht dem 
überwiegenden Titangehalt und der dem hohen Glühverlust 
entsprechenden vorgeschrittenen Zersetzung des Minerals 
zuzuschreiben ist. Vor dem Lötrohr war das Mineral 
unschmelzbar, es zersprang in kleine Stücke. Wurde der 
Euxenit für sich auf Dunkelrotglut erhitzt, so zeigte sich 
die schon vom Fergusonit her bekannte Glimmerseheinung, !) 
d.h. die Stücke erglimmten plötzlich durch die ganze Masse. 
Die Farbe war hernach hellgelbbraun; die Stücke selbst 


Fig. 1 und 2. Euxenit von Sätersdal. 


waren stark glänzend, rissig und leicht zu zersplittern. Das 
spezifische Gewicht ist nach dem Erglühen auf 5,06 gestiegen. 
Die Annahme einer molekularen Umlagerung dürfte auch 
hier die Erklärung für die beschriebene Erscheinung sein. ?) 
Ein Dünnschliff zwecks einer dahingehenden Untersuchung 
liels sich wegen der überaus bröckeligen Natur des Materials 
auf keine Weise herstellen. 

Die Untersuchung auf der photographischen Platte 
ergab eine beträchtliche Aktivität des Minerals, was seiner 
chemischen Zusammensetzung nach zu erwarten war. 

Die Stärke der Aktivität im Verhältnis zur Joachims- 
thaler Pechblende oder dem ebenso stark aktiven Cleveit 
von Arendal verdeutlicht die Wiedergabe einer Photographie, 


!) Des Cloiseaux und Damour. Ann. chim. phys. 3,59 (1860). 
2) Broeggerl.c. S. 35. 


1* 


1 Hans LanGe, 


die durch 48 stündige Einwirkung dieser Mineralien auf die 
Platte erhalten wurde (siehe Fig. 3). Ein dünner Aluminium- 
Blechstreifen vermag die Strahlung bedeutend aufzuhalten, 
wie der dunkle Streifen im linken Teile der Figur er- 
kennen lälst. 

Die erglimmten Stücke wirken stärker auf die Platte 
ein als das ursprüngliche Material. Aufser den aus dem 


Pechblende 
48 st. Joachimsthal 
Expos. 


Euxenit Gleveit 
Sätersdal Arendal 


Fig. 3. 


Mineral gewonnenen Uran- und Thorium-Präparaten zeigte 
auch das Blei!) eine merkliche 8-Strahlung, während die 
Aktivität der vom Thorium vollkommen freien seltenen Erd- 
metalle, in Form ihrer Oxyde, sich als äulserst schwach 
erwies (siehe Fig. 4). 

Als eines der Endprodukte der radioaktiven Vorgänge 
ist das in dem Mineral enthaltene Helium anzusehen. 


1) K. Hofmann und E. Straufs, Radioaktives Blei. Ber. 33, 
3062 (1900). 36, 1043 (1903). 


Die Zusammensetzung heliumführender Mineralien. b) 


Die quantitative chemische Analyse wurde nach folgender 
Methode ausgeführt: 

Zirka 4—5 g gangfreier, feingepulverter und gesiebter, 
lufttrockener Euxenit wurde in einer Platinsehale mit der 
sechsfachen Menge entwässerten Natriumdisulfats unter 
ständigem Rühren bis zum klaren ruhigen Flufls — was 
eine halbe bis dreiviertel Stunde in Anspruch nahm — 


. Euxenit (Säters- 
dal) nach der Er- 
glimmung. 

2. TRO, | aus 

3. PbS | Euxenit. 
(14 Tage alt.) 

4. Yttererden. (Die - 
schwache Ein- 
wirkung auf der 
Platte lälst sich 
in der Kopie nicht 
wiedergeben.) 

3 Exposit. 6 Tage. 

Fig. 4. 


geschmolzen. Die erkaltete Schmelze wurde in kaltem 
Wasser aufgenommen, mit 10 cem konzentrierter Schwefel- 
säure versetzt und in einem grolsen Kolben mit Wasser 
auf 2—21,, ] verdünnt, worauf ohne vorherige Filtration am 
Rückflufskühler 8—10 Stunden auf Siedetemperatur erhitzt 
wurde. 

Nach dem Absetzen des Niederschlages durfte Wasser- 
stofisuperoxyd keine Gelbfärbung der Flüssigkeit mehr hervor- 
rufen, widrigenfalls unter weiterer Verdünnung noch längere 
Zeit zur vollständigen Abscheidung des Titans gekocht 


nr 


(6) HANS LANGE, 


wurde. Der Niederschlag wurde an der Saugpumpe abfiltriert, 
mehreremals mit kaltem Wasser gewaschen und noch feucht 
mit einer vorher bereiteten Mischung von Kalilauge und 
Mannitlösung auf dem Filter gelöst.) Bei gutem Aufschluls 
ging alles, die Metallsäuren und Bleisulfat, in Lösung, 
worauf zur Abscheidung des Bleies tropfenweise mit farblosem 
Schwefelammonium versetzt wurde. Das Sulfid liefs sich 
durch vorsiehtiges Erhitzen in der Platinschale mit kon- 
zentrierter Salpetersäure zersetzen und alsdann elektrolytisch 
bestimmen. Zur Trennung der Metallsäuren versetzte man 
das Filtrat vom Blei mit der der angewandten Kalilauge 
doppelt äquivalenten Menge Schwefelsäure und liefs über 
Nacht stehen; während nur Niob und Tantal sich abschieden, 
blieb Titan in Lösung, das nach dem Filtrieren durch 
kochendes Ammoniak ausgefällt werden konnte. 

Nach diesem Verfahren ist die Scheidung des Niobs 
vom Titan eine sehr vollkommene Sie übertrifft an 
Genauigkeit die seit MARIGNACSs?) Untersuchungen über die 
Scheidung der Metallsäuren im Euxenit üblich gewordene 
Trennungsmethode mittels der Kalium-Doppelfluoride, eine 
„methode imparfaite“, wie sie MarRIGnAc selber bezeichnet, 
und vermeidet überdies das lästige Arbeiten mit Flulssäure. 

Nachdem nun das zuerst erhaltene Filtrat von den 
Metallsäuren, das alle übrigen Bestandteile des Minerals 
gelöst enthielt, durch Einleiten von Schwefelwasserstoff vom 
Zinn befreit und durch Abdampfen der zur Abscheidung 
des Titans erforderlichen Mengen Wassers bedeutend ein- 
geengt war, wurde zunächst eine Trennung so vorgenommen, 
dals durch Versetzen mit Chlorammonium und kohlensäure- 
freiem Ammoniak im Überschufs alles aufser Caleium und 
Magnesium ausfiel. Im Filtrat konnten dann diese beiden 
Elemente leieht nebeneinander bestimmt werden. Zur Ab- 
scheidung der seltenen Erden wurden die Hydroxyde mit 
2 prozentiger Salzsäure gelöst, und die siedendheilse Lösung 

") O0.Hauser, Zeitschrift für anorg. Chemie 60, 233 (1908). Es 
wurde eine Mischung von 250 cem 25prozentiger Kalilauge und 50 cem 
10 prozentiger Mannitlösung angewandt. 

2) Marignac, Recherches sur les combinaisons du Niobium. 
Ann. Chim. Phys. 4. 8,71 (1866). 


Die Zusammensetzung heliumführender Mineralien. | 
mit soviel kochender Oxalsäure und deren halben Gewicehts- 
teil Ammonoxalat versetzt, dals die überstehende Lösung 
zirka 1 Mol. Oxalsäure im Liter enthielt. Nach 24 stündigem 
Stehen wurde filtriert und im Filtrate nach dem Zerstören 
der Oxalsäure das Thorium durch Natriumthiosulfat vom 
Uran. und Eisen geschieden. 

Die Bestimmung der Alkalien geschah in einer beson- 
deren Probe durch Zersetzung des Minerals mit Flulssäure. 
Die Ermittelung des Wasser- und Kohlensäuregehaltes ge- 
schah nach den Methoden der organischen Chemie im Ver- 
brennungsrohr; ebenso die des gesamten Stickstoff- und 
Heliumgehaltes. Die getrennte Bestimmung dieser beiden 
Gase wird weiter unten beschrieben. 


Euxenit (Sätersdal). 
Angewandt: 4,9822 g. 


Gefunden in g %o Quotientzahlen 

1,0371 Nb,0, 20,81 Nb,O; er 0,0777 
(mit 2°), Ta,O,;) 
1,5473 TiO, 31,05 TiO, 0,3877 
0,0068 SnO; 0,13 SnO, 0,0009 h 0,3886 
Spur ZrO, Spur _ 
0,1654 TRO; 3,32. TRO, 0,0125 
0,3081 U,0; 5,95 UO, 0,0920 5 90345 
0,1255 (LaCeDi),0; 2,52 (LaCeDi),O; 0,0075 N 
1,2294 (YEr),O; 24,68 (YEr),O; 0,0673 } 0,0748 
0,2652 FO, 4,19 FeO 0,0666 
0,0279 CaO 0,56 CaO 0,0099 
0,0055 MgsP;0, 0,04 MgO 0,0009 
0,0342 PbO, 0,64 PbO 0,0029 | 0,0817 
3,5489 & Euxenit lieferten: 
0,0085 K,SO, 0,13 K,0 0,0014 
2,4965 g Euxenit verloren beim Glühen: 
0,0996 H,O 3,99 H,O 
0,0020 CO, 0,08 CO, 
0,0015 N, + He 0,06 N, + He 
Summe 98,75 
Das Aquivalentgewicht der Ceriterden wurde — nach 


der synthetischen Sulfatmethode — zu 143, das der Ytter- 


3 HANS LANGE, 


erden zu 159,4, also ziemlich hoch gefunden. Das Abrauchen 
des angefeuchteten Oxyds mit Schwefelsäure geschah in 
einem Asbestkasten, der auf einem Verbrennungsofen stand. 
Durch den Kasten ging ein weites Glasrohr, in dem sich 
das Platingefäls befand, und durch das troekene Luft ge- 
leitet wurde. Die Temperatur wurde 5 Stunden lang auf 
500° konstant gehalten. 


Die Analyse kann in folgender Weise berechnet werden: 


RO; 0,0521 
(TıSn)O, 0,1563 
R;|( TiSn)O;|; 0,2084 
RO; 0,0227 
NDb,O, 0,0681 
R(NbO;)3 0,0908 
(UTh)O, 0,0345 
TiO, 0,0690 
(UTh)| TiO;]» 0,1035 
(RR;)O 0,0721 
710, 0,1442 
(RR,)[TiO;] 0,2163 
(RR,)O 0,0096 
Nb,0; 0,0096 
(RR,)[NbO;]; 0,0192 


Die Bereehnung zeigt einen Rest von 0,0191 entsprechend 
1,53°/, ungesättigter Titansäure, wonach man einen ent- 
sprechenden Teil Wasser als wesentlich auffassen könnte. — 


In diesem Euxenit verhalten sich: 
(TaNb), 0, :(TiSn)O, = 0,0777:0,3886 oder genau wie 1 zu 5. 
Somit wird auch hier die Ansicht W. ©. BROEGGERS!) 
unterstützt, dafs das Verhältnis der M,0,-Verbindungen zu 
den RO,-Oxyden immer ein stöchiometrisches ist. 


Im vorliegenden Euxenit herrschen also die Titanate 
beträchtlich vor. 


N) Broeggerl.c. 


Die Zusammensetzung heliumführender Mineralien. I 


BROEGGER betrachtet Euxenit und Polykras als die End- 
glieder einer homoiomorphen Reihe, in der das Verhältnis 
M,0,:TiO, in den einzelnen Gliedern zwischen 1:2 und 1:6 
varlieren kann. 


Die Stellung des Euxenits von Sätersdal wird ersichtlich 
aus folgender Zusammenstellung einiger Analysen: 


Euxenit. Polykras. 
(Alve) (Sätersdal) (Hitteroe) (Henderson Co.) 
Hidden, 
Blomstrand Verf. Rammelsberg Maeintosh 

Nb,0; 27,64 | En 22,75, ‚gi; 
Ta,0,; 1973 E 2,00 J 252 
SiO;, 0,17 2 - — 
TiO, 25,68 31,05 27,84 29,31 
SnO; 0,18 0,13 a = 
ZrO; Spur Spur — _ 
ThO, 3,58 3,32 = . 
UO, 5,83 5,95 6,66 1A7T, 
(CeLaDi),0,;, 23,20 2,52 2,78 | sr 
(YEr),O; 27,13 24,68 31,65 I ; 
FeoO 113 4,79 1,58 2,87 
MnO 0,16 = - E 
MgO 0,06 0,04 — - 
Cad 1,08 0,56 — — 
PbO 0,63 0,64 — — 
Na,;0 0,18 _ — _ 
K;0 0,09 0,13 _ _ 
H,O 2,55 3,99 3,51 
00; —_ 0,08 — } 5,18 
N, + He == 0,06 Br 

Summe 100,16 98,75 98,77 98,16 
N03: 1705 = 1:3 1235 14 135 


Nach dem Verhältnis M,0,:Ti0O, =1:5 steht das 
Mineral daher näher dem Polykras, seiner übrigen chemischen 
Zusammensetzung wie seiner äulseren physikalischen Eigen- 
schaften nach muls es durchaus als Euxenit bezeichnet 
werden. So sprieht dafür vor allem die dieke prismatische 
Ausbildung der mit der charakteristischen Oxydationshaut 
überzogenen Kristalle. 


10 HANS LANGE, 


Weiterhin ist dieser Euxenit beachtenswert hinsichtlich 
der Zusammensetzung der seltenen Erden. Schon das hohe 
Äquivalentgewicht 159,4 der Yttererden zeigt den über- 
wiegenden Gehalt an Erbinerden. Die rosenrot gefärbten 
Nitrate lielsen im Spektroskop überaus stark die für die 
Erbinerden charakteristischen Absorptionsstreifen erkennen. 
Relativ reichlich ist neben dem Erbium das Dysprosium 
vertreten. Das Verhältnis der bunten Erden (Er und seine 
Komponenten) zu den farblosen (Y, Sc) ist annähernd 2:1; 
es bildet somit dieser Euxenit ein selten günstiges Aus- 
gangsmaterial zur Gewinnung der Erbinkomponenten. In 
grolsem Malsstabe werden Arbeiten hierüber von anderer 
Seite in diesem Laboratorium!) bereits ausgeführt. 

Der Wassergehalt des Minerals war durchaus nicht 
konstant, er schwankte bei mehreren Analysen zwischen 
3,48%/, und 5,30°%/,, woraus hervorgeht, dafs das Wasser 
wohl zum grölsten Teil erst seeundär aufgenommen ist. 

Zum qualitativen Nachweis der in dem Mineral okklu- 
dierten Gase eignete sieh vorzüglich die Anordnung der 
Apparatur nach ERDMANN,?) jedoch zeigte sich, dafs der 
Euxenit beim Erhitzen auf Dunkelrotglut für sich allein 
im Vakuum schon seinen ganzen Heliumgehalt abgab. 
Jedenfalls lieferte so erhitzter Euxenit beim nochmaligen 
Schmelzen mit Kaliumdiehromat so minimale Mengen Gas, 
dals beim Durchleiten des Stromes durch das Plückerrohr 
kaum die Linien des Heliums im Spektroskop sichtbar 
wurden. 5 

Um möglichst reine Heliumspektren zu bekommen, war 
es nötig, das sich zuerst entwiekelnde Gas, das neben den 
Heliumlinien auch die Stiekstoffbanden zeigte, abzupumpen.°) 
Erst nach weiterem höheren Erhitzen erschien das Helium- 
spektrum rein, worauf die Plückerröhren abgeschmolzen 
wurden. Eine quantitative sukzessive Abscheidung und 


1) Q. Hauser und F. Wirth. 

2) Erdmann, Lehrbuch der anorganischen Chemie. 3. Auflage 
(1962), $. 212—213. 4. Auflage (1906), S. 224—226. 

®) F.Bordas, Nachweis von Helium in uranhaltigen Erzen. ©. r. 
(1908), 17, 896. 


Die Zusammensetzung heliumführender Mineralien. 11 


Trennung des Stickstoffs und Heliums durch Erhitzen auf 
verschiedene Temperaturen war nicht möglich; immer zeigte 
der zuerst entweichende Stickstoff sich schon vermischt mit 
Helium, das durch das Aufleuchten der hellen gelben Linie 
D, 587,6 leicht erkannt werden konnte. Linien anderer 
Edelgase, des Argons oder Neons, waren nicht nachzuweisen. 
Die Plückerröhren, die ein gelbes in rosa übergehendes 
Lieht ausstrahlten, gaben nur das glänzende Linienspektrum 
des Heliums und zwar die Linien der Wellenlängen in m u: 


un [ 706,5 

"1667,8 
gelbmsthd, mon, mi 3896 
n (501,6 
En! "1492,2 
blau. a, ers ade 
indigoblau.. . . . 4471. 


Um nun quantitativ festzustellen, wieviel eem Stiekstoff 
und wieviel Helium eine bestimmte Menge Euxenit ent- 
wickelt, schien folgende indirekte Methode am geeignetsten, 
die bei einfacher Ausführung brauchbare Resultate lieferte. 
Bei den angewandten kleinen Gewichtsmengen war es nicht 
erforderlich im Vakuum zu arbeiten, sofern man nur lange 
genug auf entsprechend hohe Temperatur erhitzte. 

In einem kurzen Verbrennungsrohr, durch das trockene 
Luft geleitet wurde, und dem ein gewogenes Chlorkaleium- 
rohr und ein ebenso gewogener Kaliapparat vorgelegt war, 
wurde in einem Platinschiffehen eine gewogene Menge Euxenit 
bis zur hellleuehtenden Rotglut erhitzt. Die Wasser- und 
Gasabgabe geschah ruhig, ohne Verstäuben des Materials, 
und war nach einer halben Stunde vollendet. Nach dem 
Erkalten wurde einerseits das Schiffehen mit dem geglühten 
Euxenit im Wägegläschen zurückgewogen, andererseits die 
Gewichtszunahme des Chlorkaleiumrohres und des Kali- 
apparates bestimmt. Die Differenz aus dem Gesamtglühver- 
lust und dem Gewichte des Wassers und des Kohlendioxydes 
ergab das Gewicht des entwichenen Stiekstoffs und Heliums. 

Um das Volumen der entwichenen Gasmengen zu messen, 
wurde eine zweite gepulverte und gewogene Menge von 


12 HANS LANGE, 

demselben Stück Euxenit — ‘was von Wichtigkeit, da 
verschiedene Stücke nieht immer denselben Glühverlust 
zeigten, — in einem anderen, hinten zugesechmolzenen 
Verbrennungsrohr erhitzt, aus dem die Luft wie bei der 
organischen Analyse zunächst beim Erhitzen der eingelegten 
Magnesitschieht durch die entweichende Kohlensäure voll- 
ständig verdrängt werden konnte. Sammelten sich in dem 
Eudiometer über der Kalilauge keine bleibenden Gasmengen 
an, wurde der Euxenit auf helle Rotglut erhitzt und nach 
vollendeter Gasentwicklung wieder solange der Magnesit 
erhitzt, bis aller Stickstoff und alles Helium dureh Kohlen- 
säure verdrängt sich in dem Eudiometer befand. Etwa 
vorhandener Sauerstoff und Wasserstoff wurde durch eine 
Kupferspirale, bezw. glühendes Kupferoxyd zurückgehalten. 


Die Berechnung gestaltet sich dann folgendermalsen: 


Bezeichnet 
a das Gewicht des entwichenen Gases, 
V das Volumen desselben, 
g und g, das Gewicht des entwichenen Stiekstoffs 
bezw. Heliums, 


so ist g9(N,) + gı(He) = a 
oder vs + vs = a 
und da vr—=V—v 
V— v,) .5 + YHSs =qA 

(Vs) — a 

woraus us ——— 
s—Sı 

es ist 
s — spezifisches Gewieht von N, bezogen auf H,O = 0,00125 
1 — ” ” ” He ” ” H,O = 0,00018 


2,4965 g Euxenit verloren beim Glühen: 


0,1051 g — 4,130), 
davon 0,0996 yH,O — 3,990], 
0,0020 gUO; — 0,08%), 


also der Rest 0,0015 9N; + He = 0,06°/,. 


Die Zusammensetzung heliumführender Mineralien. 13 


2,4032 g Euxenit lieferten 4,50 cem Gas (0° C. 760 mm), 
also 1g entwickelt 1,873 eem N» + He. 


Daraus folgt 
h 187,3: 0,00125 — 0,06 
2 0,00125 — 0,00018 
v, —= 162,7 eem He 
und v — 24,6 cem N». 


Es entwickelt also 1 g Euxenit 


1,627 eem He 
und 0,246 ecem N). 


Vergleichende Übersicht. 
Es entwickelt 1g 


ÜBanlee 0 2 era run Lo com Ze (DILLEBRAND) 
@leweit: (Norwegen) ..... ar, OL mo 

Broeggerit . . Sy ge > SE Fe nl 

Euxenit (Sätersdal) be OS ir) UMENT) 


Fergusonit | 


Samarskit J ID AN RA STRUTR) 


Bon. ar ea erh Be de 
Bonn Wan ae Bee BALHSTRUTT) 
Euxenit . . 0070 rs (ei STRUTT) 
Zr-haltige Bechblende (Kolo- 

zado)e. MU. A070 0 


Flufsspat (Grönland). . 0,024—0,027, „ (I. Tuomsen). 


Ramsay und Soppy!) haben festgestellt, dals Radium- 
präparate ständig mefsbare Mengen Helium entwickeln, und 
den Schlufs daraus gezogen, dals auch das Helium in 
Mineralien, wie es bereits RUTHERFORD und SoppY?) ver- 
muteten, durch Umwandlungen radioaktiver Substanzen ent- 
standen ist. 

Es soll daher auch eine gewilse Proportionalität zwischen 
Uran- und Heliumgehalt bei den Mineralien bestehen, was 


1) Nature 16 July 1903, p. 246 und Proc. Roy, Soe. 72, 204 (1903). 
73, 346 (1904). 
®) Phil. Mag. 6. 4,581 (1902). 


14 HANS LANGE, 


schon HıInLEBRAND!) bei genauen Analysen mehrerer uran- 
haltiger Erze aufgefallen war. Wahrscheinlich wird das 
Gas im Innern der aktiven Erze nur mechanisch festgehalten; 
dafs man es durch Erhitzen austreiben kann, erklärt sich 
dadurch, dafs die Mineralien bei hoher Temperatur für 
Helium durchlässig werden. Da nun das Helium nur ent- 
weicht, wenn das Mineral stark erhitzt oder aufgelöst wird, 
bleibt wohl nahezu alles gebildete Helium im Mineral 
stecken?) Man hat daher — für primäre, kompakte 
Mineralien — auf Grund der neuesten Forschungen die 
Möglichkeit, einen Minimalwert für die Zeit zu berechnen, 
seit der sich das Mineral gebildet bezw. soweit abgekühlt 
hat, dafs kein Helium mehr von selbst entweichen konnte. 
Der Euxenit von Sätersdal enthält 5,950/, UO, oder 5,25%, U 
und gibt pro Gramm 1,65 eem Helium ab. Nach RUTHER- 
FORD und Soppy?) befinden sich in radioaktiven Mineralien 
von hohem Alter 5,8-10-" Gewichtseinheiten Ra pro Gewichts- 
einheit Uran. In einem Gramm Euxenit also 2,2.10® gRa. 
Nach RausayY und Soppy*) produziert 1 g Radium pro Jahr 
0,24 cem Helium, 1 g Euxenit also pro Jahr 0,53-10-° cem He. 
Da aber von derselben Gewichtsmenge jetzt 1,63 cem He 
erzeugt werden, war also ein Zeitraum von 
1,63 
0,53-10$ 

oder zirka 300 Millionen Jahren nötig. Einen Wert der- 
selben Gröfsenordnung liefert ein Fergusonit, der nach 
Ramsay und Travers5) 7°), Uran enthält und 1,81 cem He 
pro Gramm abgibt. 

Zur Gewinnung des Heliums aus Mineralien sind ver- 
schiedene Methoden vorgeschlagen worden. 


1) Sill. Am. Journ. of Sciences 40, 384 (1890). 42,390 (1892). 

2) Ganz neuerdings hat R. I. Strutt (Proc. Roy. Soc. 21. 1. 1909) 
festgestellt, dafs einige Mineralien, so der Monazit, T'horianit und 
Fergusonit, schon bei gewöhnlicher Temperatur merkliche Mengen 
Helium verlieren, wenn sie zu feinem Pulver gemahlen werden. 

5) Rutherford, Die Radioaktivität (deutsch von Aschkinafs), 
S. 477. Berlin 1907. 

*) Ebenda S. 495. 

5) Zeitschr. f. phys. Chem. 25, 568 (1898). 


Die Zusammensetzung heliumführender Mineralien. 15 


HiLLEBRAND!) kochte das feingepulverte Mineral mit 
verdünnter Schwefelsäure. LAnGLET?) erhitzte eine Mischung 
von Cleveit und Kaliumpyrosulfat im Kohlendioxydstrom im 
Verbrennungsrohr und fing das Gas, nachdem er es über 
glühendes Kupferoxyd geleitet hatte, über Kalilauge auf. 
Diese Methoden sind aber nicht geeignet für die Verar- 
beitung gröfserer Mengen eines Minerals. Ramsay?) schlug 
vor, das Mineral im Vakuum in einem Rohr von schwer 
schmelzbarem Glase zu erhitzen, wobei allerdings nieht 
jedes Mineral seinen ganzen Heliumgehalt abgibt. Über 
die Anordnung der Apparatur zur Gewinnung im Grolsen 
finden sich aber nirgends nähere Angaben, auch nicht bei 
Ramsay. 

Für den vorliegenden Fall wurde daher ein besonderer 
Apparat konstruiert, dessen Anordnung und Arbeitsweise 
durch die schematische Skizze in Fig. 5 veranschaulieht wird. 

Vor Beginn der Operation wurde der mit einem dreifach 
durehbohrten Gummistopfen absolut luftdicht abgeschlossene 
Gassammelbehälter @ durch Heben des mit ihm in heber- 
artiger Verbindnng stehenden Wasserbehälters W ganz mit 
destilliertem Wasser gefüllt, bis dieses an die Hähne ZH, 
und H, gelangte, worauf letztere geschlossen wurden. Der 
Wasserbehälter W wurde dann wieder in die Stellung SI 
gebracht. Mit dem Behälter @ stand nun die als Ent- 
wieklungsgefäls dienende 250 cem fassende, innen glasierte, 
aulsen mit Lehm beschlagene Porzellanretorte R in Ver- 
bindung, die mit Asbestplatten bedeckt, auf helle Rotglut 
erhitzt werden konnte. Mittels eines weiten Triehterrohres 
war sie mit 300 g feingepulvertem, durch Trocknen bei 105° 
von Wasser zum grölsten Teil befreitem Euxenit beschickt 
und mit der Vorlage V verbunden worden. Nunmehr brachte 
man den Dreiwegehahn D, in die Stellung I und evakuierte 
mittels einer Quecksilberluftfpumpe (System NEEsEN) den 
Apparat vollständig bis zum Hahn H,, wodurch das Queck- 
silber in der kleinen Hilfspumpe Hg bis in die Kugel X 


!) Sill. Am. Journ. of Sciences 3. 40, 384 (1890). 
?) Zeitschr. f. anorg. Chem. 10, 289 (1895). 
5) Ann. Chim. Phys. 7. 13,449 (1898). 


16 HANS LANGE, 


stieg. Darauf wurde durch Drehen von D, in die Stellung II 
die Verbindung mit der Pumpe abgeschlossen und nur die 
mit Hg und dem Behälter G aufrecht erhalten. Bei nun- 
mehrigem Erhitzen der Retorte destillierten zunächst noch 
geringe Mengen Wasser in die Vorlage V über, daneben 
organische Verbindungen, deren Anwesenheit dadurch zu 
erklären ist, dals das Material beim Mahlen im Fabrikbetriebe 
stets durch Scehmieröl, Gewebefasern vom Sieben usw. ver- 
unreinigt wird. 

Trat beim höheren Erhitzen der Retorte nun die Helium- 
entwicklung ein, was sich durch schnelles Fallen des Queck- 
silbers in der Kugel X bemerkbar machte, so wurde mittels 
dieser kleinen Pumpe Hg das entwickelte Gas ständig in 
den Sammelbehälter @ hinübergepumpt durch abwechselndes 
Stellen von D, in die Stellung II und III und entsprechendes 
Öffnen und Sehliefsen des Hahnes H,, wobei jedesmal eine 
entsprechende Menge Wasser aus G@ in die Flasche W 
abflols. In der Retorte herrschte also stets Unterdruck, 
was für die vollständige Gasabgabe von grolser Wichtigkeit 
war. Nach einer ?/, Stunde seit Eintritt der Rotglut war 
alles Gas ausgetrieben, und in der Retorte war wieder das 
ursprüngliche Vakuum. Im Behälter @ befanden sich zirka 
460 eem Gas. Durch Abbrechen der Spitze a einer durch 
einen Gummistopfen in die Vorlage Y führenden engen 
Glasröhre wurde Luft in die Retorte gelassen, nach völligem 
Erkalten die Retorte entleert und gleich wieder mit neuem 
Material beschiekt. Die Spitze bei «a wurde wieder zu- 
geschmolzen, die Retorte mit der Vorlage verbunden, der 
Dreiwegehahn D,, der zuletzt die Stellung III innehatte, 
in die Stellung I gebracht. Nach dem Evakuieren wieder- 
holte sich dann die Operation wie eingangs beschrieben. 

Auf diese Weise konnte eine grolse Menge Materials 
mit quantitativer Ausbeute an Rohgas verarbeitet werden. 
Das erhaltene Gas enthielt natürlich neben Helium noch 
viele Verunreinigungen, so vor allem Stickstoff, Kohlensäure, 
Wasserdampf und Kohlenwasserstoffe. 

Zwecks Reinigung dieses Rohgases waren daher eine 
Reihe Absorptionsapparate mit dem Gasbehälter @ verbunden 
worden, die schlielslich durch den Dreiwegehahn D, mit 


ol 
{es 
rS 

= 
© 
[= 
Ro} 
8 
B= 
© 
EL 
© 
e 
© 
4- 
=) 
I) 
© 
rS 
on 
= 
= 
nd 
un 


Die Zusammensetzung heliumführender Mineralien. 


Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a.S. Bd.s2. 1910, 


17 


18 Hans LANGE, 


der zur Aufbewahrung des Heliums bestimmten Glasröhre E 
(Form nach Rausay!) in Verbindung standen. D, wurde 
zunächst in die Stellung I gebracht, darauf das Quecksilber- 
gefäls F gehoben, wodurch die Luft aus EZ dureh das 
Quecksilber bis zum Hahn D, verdrängt wurde, und dann 
D, in die Stellung IV gebracht. Nun trat wieder die Pumpe 
in Tätigkeit. D, befand sich dabei in Stellung IV, Hahn 4, 
war geschlossen. Die Pumpe saugte dann alle Luft aus 
den Absorptionsapparaten bis zum Hahn H, und auf der 
anderen Seite bis 4, ab, worauf durch Hahn AH, die Ver- 
bindung mit der Pumpe abgesperrt wurde. Den Wasser- 
behälter W setzte man wenig erhöht in die Stellung S II 
und liefs nun durch vorsichtiges Einstellen der Hähne A, 
und H, einen langsamen Gasstrom in die Absorptionsapparate 
treten. Das Wasser, welches sich noch von der ersten 
Füllung des Gasbehälters @ her in der Glasröhre bis zum 
Hahn H, befand, flofs in die kleine Kugel k ab. In A 
wurde der Gasstrom durch Phosphorpentoxyd und Natron- 
kalk von Wasser und Kohlensäure befreit, in B wurden 
die Kohlenwasserstoffe durch glühendes Kupferoxyd ver- 
brannt, das entstandene Wasser und die Kohlensäure in C 
wieder durch Phosphorpentoxyd und Natronkalk absorbiert, 
und in D schlielslieh durch erhitztes metallisches Caleium?) 
der Stiekstoff und etwa vorhandener Sauerstoff zurückgehalten. 
Da das Gas infolge des Vakuums zu schnell zunächst durch 
die Absorptionsapparate ging, war es bei seinem Austritt 
nieht rein und wurde daher wieder mittels der Pumpe Hg 
— D, und D, standen in Stellung IV — in den Behälter 
zurückgepumpt. Zeigte das in eine an die Hauptpumpe 
angeschmolzene Spektalröbre alsbald eingelassene Gas 
(dureh Öffnen des Hahnes H,) ein reines Heliumspektrum, 
dann wurde D, in die Stellung V gebracht, und das Queck- 
silbergefäfs F allmählieh gesenkt, sodals das Quecksilber 
in E und F' stets in gleicher Höhe stand. Die Röhre E 
füllte sich nun ganz mit Helium und wurde, wenn das 


1) Ramsay, L’helium. Ann. Chim. Phys. 7. 13,451 (1898). 
2) F.Soddy, Calcium als Absorptionsmittel für Gase. Proc. Roy. 
Soc. London 78 A, 429—458 (1907). 


Die Zusammensetzung heliumführender Mineralien. 19 


Quecksilber bis in den verengten Teil gefallen war, an 
beiden Enden abgeschmolzen; D, hatte dabei die Stellung 
III inne. Sollte nun eine neue Röhre gefüllt werden, wurde 
sie an die Leitung angeschmolzen, und mit dem Schlauch 
des Quecksilbergefälses F' verbunden. Dann lies man D, 
die Stellung II einnehmen, worauf das Quecksilber infolge 
des in der Leitung befindlichen Vakuums in E stieg und 
die Luft aus der Röhre verdrängte. Gelangte das Queck- 
silber an D,, so drehte man den Hahn in die Stellung V, 
worauf infolge des Überdruckes in den Absorptionsapparaten 
das Quecksilber sofort wieder fiel, und somit sich die Röhre 
von neuem mit Helium zu füllen begann. 

Die Anlage gestattet, auf einfache Weise nach Belieben 
das Rohgas zu gewinnen oder reines Helium zu entnehmen. 

Bei vorsichtiger Behandlung ist die Porzellanretorte 
unbegrenzt haltbar, nach fünf- bis sechsmaligem Erhitzen 
muls sie von neuem beschlagen werden. Gasverluste durch 
Springen der Retorte u. a. sind nicht zu befürchten. 

Anders bei der Reinigung des Gases. Vor allem muls 
Sorgfalt auf den Abschlu[s der atmosphärischen Luft gelegt 
werden. Deshalb wurden die einzelnen Teile möglichst 
aneinander geschmolzen. Wo Schlauchverbindungen nötig 
waren, wurde der Vakuumschlauch, soweit er auf dem Glase 
aufsals, mit Gummifäden umwickelt. 

Äufserste Vorsicht erfordert das Durchleiten des Roh- 
gases durch die Absorptionsapparate, besonders die Be- 
handlung des mit Caleium gefüllten Rohres D. Da Caleium 
in Stickstoff äulserst lebhaft verbrennt, springt das schwer 
schmelzbare Rohr leicht beim zu schnellen Überleiten des - 
Gases, wodurch man natürlich grofse Gasverluste erleidet. 
Man darf den Wasserbehälter W nur wenig höher als den 
Gasbehälter @ stellen, damit das Gas mit einem möglichst 
geringen Druck durch die Absorptionsapparate gleitet, 
andererseits auch der Überdruck in den Apparaten bei 
Totstellung des Hahnes D, nieht zu grofs wird. 

Da Helium in Wasser löslich ist,!) sättigt sich das 


!) Estreicher, Zeitschr. f. Phys. Chem. 31,176. Ein Volumen 
H,O absorbiert bei 760 mm und 20° 0,01386 Vol. Helium. 


2* 


20 Hans LANGE, 


Wasser im Sammelbehälter G allmählich mit dem Gas, 
wodurch sich allerdings diese Menge — die aber bei der 
Darstellung im Grofsen kaum in Betracht kommt — der 
Gewinnung entzieht. Ein weiteres Entweichen aber, durch 
die heberartige Verbindung mit dem Wasserbehälter mög- 
liche Wiederabgabe an die Luft, trat nieht ein. Jedenfalls 
konnte selbst nach wochenlangem Stehen bei offenem Hahn 


H, eine Volumenänderung — unter Berücksichtigung des 
Barometerstandes — im Gassammelbehälter nieht konstatiert 
werden. 


Die Ausbeute an reinem Helium richtet sich daher 
allein nach der geschiekten Handhabung des Apparates. 
Nach einiger Erfahrung bietet indes eine quantitative Ge- 
winnung nach diesem Verfahren keine bedeutenden Sehwierig- 
keiten. 


II. Über einen roten Flufsspat aus Grönland. 


Aus den Kıyolithlagern von Ivigtut am Arksutfjord in 
Süd-Grönland beschrieb I. THomsEn!) einen roten Flulsspat, 
der neben Caleiumfluorid einige Prozente Fluoride der seltenen 
Erden enthielt also eine Art Yttrocerit—, und der im 
gevulverten Zustande auf den schwachglühenden Boden 
einer Platinschale gestreut, plötzlich durch die ganze Masse 
mit intensiv goldfarbenem Lichte aufleuchtete unter gleich- 
zeitiger Entwicklung von Helium. In einer späteren Arbeit?) 
stellte er fest, dafs das Mineral neben Wasserstoff, Kohlen- 
oxyd, Kohlendioxyd und Kohlenwasserstoffen 0,024 bis 
0,027 eem Helium pro g abgab, gleichgültig, ob das Gas 
dureh Erhitzen des Minerals im Vakuum, durch Schmelzen 
mit Bisulfat oder durch Behandeln mit Säuren ausgetrieben 
wurde. Andere Flufsspate verschiedenen Herkommens, die 
beim Erhitzen gleichfalls Fluorescenzerscheinungen zeigten, 
lieferten wohl erhebliche Mengen Gas, aber keine Spur von 


ı) I. Thomsen, Über Abtrennung von Helium aus einer natür- 
lichen Verbindung unter starker Licht- und Wärmeentwicklung. Zeitschr. 
f. phys. Chem. XXV. 1,112 (1898). 

2) Die in einigen grönländischen Mineralien enthaltenen Gase. 
Dansk. vidensk. Selsk. Forhandl. 2, 53—57 (1904). C.B. II, 147 (1904). 


Die Zusammensetzung heliumführender Mineralien. 21 


Helium. THomsen vermutet daher, dals die Gegenwart des 
Heliums im Flufsspat von der der seltenen Erden be- 
dingt wird. 

Sowohl BECQUEREL!) als UrBaın und Scau?) haben nun 
in 15 verschiedenen Flufsspaten durch die Beobachtung der 
Phosphorescenzspektra die Anwesenheit von seltenen Erden, 
besonders die des Gadoliniums, nachgewiesen. 


Fig. 6. Roter Flulsspat (He-haltig) aus Ivigtut (Süd-Grünland). 
Exposition 6 Tage. 


Der Flulsspat wird also ziemlich allgemein von Fluoriden 
der seltenen Erden begleitet, ohne dals er gleichzeitig einen 
Gehalt an Helium aufzuweisen hat. 

Zur Erklärung des merkwürdigen Verhaltens des grön- 
ländischen Vorkommens wurde daher das Mineral einer 
eingehenden Untersuehung unterzogen. 

Der Flulsspat hat eine rote an Eisenoxyd erinnernde 


!) Phosphorescenzspektra von Fluflsspat in Gegenwart seltener 
Erden. C.r. 146, 440—446 (1908). 

?) Ultraviolette Phosphorescenzspektra von Flufsspaten. €. r. 
144, 30—32 (1907). 


22 HANS LANGE, 


Farbe, ist in dünnen Splittern durchsichtig und durchsetzt 
gangartig und in feinen Adern den Kryolith, der, besonders 
in der Nähe der Flufsspatzone, durch Kohlenwasserstoffe 
intensiv schwarz gefärbt ist, beim Glühen aber vollkommen 
farblos wird; daneben sind reichlich Kupferkies, Pyrit, 
Eisenspat, Quarz und anderes eingesprengt. Der Flufsspat 
ist kristallinisch ausgebildet, er zeigt an den Bruchstellen 
matten Glasglanz. Das sp. Gew. des reinen Materials wurde 
zu 3,28 gefunden. 

Ein Versuch auf der photographischen Platte zeigte 
eine merkliche Aktivität der Flufsspatzone, während der 
umgebende schwarze Kryolith nicht auf die Platte wirkte 
(siehe Fig. 6). 

Es wurde daher untersucht, ob sich noch radioaktive 
Elemente, speziell Uran, als Beimengungen in dem Material 
vorfänden. 

Zur Analyse wurde ein reichlich Flufsspat enthaltendes - 
Mineralstück kleinkörnig zerstolsen und zwecks Entfernung 
des inaktiven schwarzen Kıyoliths (sp. Gew. 2,95) mit 
TrouLer'scher Lösung!) vom sp. Gew. 3,05 im Kreın’schen 
Apparat mehreremals behandelt. Von kleinen Mengen bei- 
gemengten Kupferkieses wurde der Flufsspat durch Auslesen 
unter der Lupe möglichst befreit. Wurde nun der Rückstand 
wieder mehreremals mit ToutLer’scher Lösung, die auf ihr 
höchsterreichbares sp. Gew. 3,19 gebracht war, geschüttelt, 
und die zuerst untersinkenden, schwersten Teilchen von den 
sich weniger schnell absetzenden möglichst schnell abgetrennt, 
so erzielte man schliefslich eine Zweiteilung des Materials 
in nahezu reinen Flulsspat und einen Flulsspat, der die 
spezifisch schweren Beimengungen der radioaktiven Elemente, 
falls solehe vorhanden waren, enthalten mu/lste. Beide 
Materialien zeigten nach dem Troeknen prächtig die von 
THomsen beschriebene Leuchterscheinung. 

Das spezifisch leiehtere Material bestand, wie die 
quantitative Analyse zeigte, neben geringen Beimengungen 
von Aluminium und Natrium — von nicht ganz entferntem 
Kryolith herrührend — aus Caleiumfluorid mit einem Gehalt 


1) Bull. Soc. mineral. II. 17,189 (1879). 


Die Zusammensetzung heliumführender Mineralien. 25 
von 3,990/, an seltenen Erden. Diese hatten das nach der 
synthetischen Sulfatmethode ermittelte Äquivalentgewicht 145. 
Die Oxyde waren schwach rosa gefärbt, die Sulfate waren 
weils und liefsen nur ein überaus schwaches Absorptions- 
spektrum der Erbinerden erkennen. Sie wirkten infolge 
eines Gehaltes an Thorium nach 5 tägiger Exposition auf 
die photographische Platte ein (siehe Fig. 7). Die Unter- 
suchung des spezifisch schwereren Materials ergab dagegen, 
dals es nur zu 92°/, aus rotem Flufsspat bestand, während 
die übrigen 8 Prozent als dem Flufsspat nicht zugehörig 


Fig. 7. PbS- (links) und, ThOy-haltige seltene Erden (rechts) aus 
Flufsspat (Süd-Grönland). Exposition 5 Tage. 


angesehen werden mulsten. Neben Kupfer und Eisen, in 
Verbindung mit Schwefel als Bestandteile des Kupferkieses, 
fanden sich die vermuteten radioaktiven Elemente, nämlich 
2,03%, UO, und 1,68%, PbO (siehe Fig. 7). 

Dafs das Uran nicht als Fluorid vorlag, zeigte sich 
schon daran, dafs das Mineral kein Absorptionsspektrum 
lieferte. Die beiden Elemente liefsen sich zum grolsen Teil 
mit verdünnter Salzsäure aus dem feingepulverten Gemenge 
ausziehen, wobei ein wenig Kohlensäure entwich. 

Aus diesem Befunde geht hervor, dafs kein einheitliches 
Mineral, sondern ein Gemenge verschiedener Verbindungen 
vorlag. Wie sich der Flufsspat hier auf sekundärer Lager- 
stätte im Kryolith gebildet hat, so haben sich auch aktive 
Verbindungen — als Niederschläge von nicht bestimmter 
Zusammensetzung — aus den Wässern abgeschieden und 


24 HANS LANGE, 


durchsetzen nun mit dem Flulsspat eng vermischt die Hohl- 
räume des Kryoliths. Der Flufspat scheint besonders ge- 
eignet zu sein, Helium, das sich hier aus den beigemengten 
Mineralsubstanzen gebildet hat, zu absorbieren, oder, wie 
TrAvErRS!) das Helium in Mineralien auffalst, mit dem 
Helium eine feste Lösung zu bilden, während der Kryolith 
diese Fähigkeit nieht besitzt. 

Der von Ussıng?) beschriebene, ebenfalls am Arksut- 
fjord in Süd-Grönland vorkommende Kryolithionit, in dem 
die Hälfte des Natriums durch Lithium ersetzt ist, schlielst 
sich dagegen in seinem Verhalten dem Helium gegenüber 
dem roten Flufsspat an. Es wurde beobachtet, dafs er im 
Vakuum erhitzt, eine beträchtliche Menge Helium abgibt. 
Dabei zerspringt er zu feinem Pulver. 

Hält der Kryolith auch kein Helium, so scheint er doch 
anderweitig durch die Nähe der aktiven Verbindungen be- 
einflulst worden zu sein. Es ist auffallend, dafs er be- 
sonders in ders nächsten Umgebung des Flulsspates durch 
Kohlenwasserstoffe intensiv schwarz gefärbt ist, während 
die weiteren Partien allmählich heller werden. Eine aus- 
reichende Erklärung hierfür kann bisher nieht gegeben 
werden. 


Ill. Analytisches. 


Bei der Analyse von Niobaten und Titanaten bereitet 
die Bestimmung der drei Metallsäuren, Tantal-, Niob- und 
Titansäure nebeneinander die meisten Schwierigkeiten. Eine 
quantitative Scheidung der drei Säuren mittels einer einmal 
angewandten Methode ist bisher nieht möglich. Besonders 
hartnäckig haftet der Niobsäure stets das Titan an; ein 
gänzlich titanfreies Niobpräparat dürfte nach der MARIGNAC- 
schen Fluoridmethode) selbst nach vielen Kristallisationen 
nieht zu erreichen sein. Auch die nach O. HAUSERS 


ı) Travers, Über den Zustand des Heliums in Mineralien. Nature 
71,248 (1906). 

2) Bull. de l’Academie roy. des sciences et des lettres de Danmark 
3—12 (1904). €. B. 1,1100 (1904). 

®) Ann. Chim. Phys. 4. 8,71 (1900). 


Die Zusammensetzung heliumführender Mineralien. 25 
Methode!) bei der Mineralanalyse abgeschiedene Niobsäure 
ist stets noeh durch etwas Titan verunreinigt. 

Nun erschien vor kurzem eine Arbeit von Dirrrich 
und FREUND?) über die Trennung von Zirkon und Titan 
mittels Ammoniumsalieylat. Während neutrale Zirkon- 
lösungen mit diesem Reagens einen im Überschuss des 
Fällungsmittels unlöslicehen Niederschlag gibt, ist das Titan- 
salieylat?) ein in heilsem Wasser leicht löslicher Körper 
und liefert eine durchaus kochbeständige Lösung. Diese 
wertvolle Eigenschaft des Titans liefs eine Anwendbarkeit 
bei der Trennung von Niob und Tantal vermuten und gab 
Anlals, das Verhalten der beiden Elemente gegen Ammon- 
salieylat zu untersuchen. 

Bei der Nachprüfung der erwähnten Arbeit zeigten sich 
die Schwierigkeiten, die trotz des verschiedenen Verhaltens 
der beiden Elemente Zirkon und Titan sich bei der Trennung 
mittels Ammoniumsalieylat ergeben, vollkommen bestätigt. 
Es gelang aber auch nicht, diese Schwierigkeiten, bedingt 
durch das Mitreilsen des Titans durch das Zirkon, durch 
die von den Verfassern angegebenen Vorsichtsmalsregeln 
zu umgehen. 

Es wurden aus reinstem Titansulfat und Zirkon- 
oxychlorid nach Vorschrift?) die Nitratlösungen hergestellt. 
Die Lösungen wurden kurz vor Gebrauch neutralisiert, indem 
man tropfenweise Natriumearbonat aus einer Bürette zuflielsen 
lies. Die entstehende Trübung bei zunehmender Neu- 
tralisation verschwindet nur äufserst langsam und bleibt 
schlielslich bestehen, wobei die Lösung noch 5°/, freie Säure 
und darüber enthält. Die lange Zeit, die man zur Neu- 
tralisation gerade der Zirkonlösung braucht, beschleunigt 
aber eine Hydrolyse, die, wie RuER?) exakt nachgewiesen 
hat, alle Zirkonylsalze in neutraler wässriger Lösung erleiden, 


!) Zeitschr. f. anorg. Chem. 60, 233 (1908). 

?) Zeitschr. f. anorg. Chem. 56, 344 (1908). 

®) Es entspricht dem von Levy (Ann. Chim. Phys. 6. 25, 501 
[1892]) erhaltenen Titansalieylat TiO,(C,H,CO).. 

*) Dittrich und Pohl, Zeitschr. f. anorg. Chem. 43, 236 —241 
(1905). 

°) Zeitschr. f. anorg. Chem. 43, 252 (1905). 


26 Hans LAnGe, 


und die schliefslieh zum kolloidalen Zirkonhydroxyd führt. 
Dasselbe gilt auch für die Lösungen des Titans. Es ist 
erklärlich, dafs in solehen unechten Lösungen die Einwirkung 
von Reagentien eine verschiedene sein mufs, je nach Kon- 
zentration, Temperatur und Herstellungszeit. 

Beim Eintropfen der gemischten, möglichst neutralisierten 
Lösung in eine kochende 20 prozentige Ammonsalieylatlösung 
bildete sich wohl das unlösliche Zirkonsalieylat und die 
intensiv gelb gefärbte Lösung des Titansalieylates, stets 
aber ging auch Titan mit in den Niederschlag, aus dem 
es sich durch Auswaschen nicht befreien liefs, und zwar, 
bei sonst gleichen Versuchsbedingungen, wechselnde Mengen. 
Andererseits blieben auch nachweisbare Mengen Zirkon in 
Lösung. Bei nochmaligem’' Fällen des verglühten und wieder 
in Nitrat verwandelten Niederschlages trat dieselbe Er- 
scheinung wieder ein, sodals eine befriedigende quantitative 
Scheidung nach zweimaliger Wiederholung der Operation 
noch nicht erreicht werden konnte. 


Angewandt je 10 cem einer Titan- und Zirkonnitratlösung 
enthaltend: 


1. 0,0712 g TiO, und 0,0466 g ZrO, 


gaben 0,0693 & „ 2) 0,0489 5 }) 
2. 0,0712 g ” ” 0,0466 8 ” 

gaben 0,0702g ,„ „10,047 810% 
A „01078 0, 

gaben 0,1030 577,71 20109157 7) 


Bietet somit die Trennung der beiden vierwertigen 
Elemente Zirkon und Titan mittels Ammonsalieylat keine 
Vorteile den bisher übliehen Methoden gegenüber, so wird 
das Verhalten des Titans gegen Ammonsalieylat umso wert- 
voller bei der Abscheidung vom fünfwertigen Niob. 

Durch die Liebenswürdigkeit des Privatdozenten Herrn 
Dr. Hauser stand mir ein Niobpräparat zur Verfügung, das 
nach 15 maligem Umkristallisieren der Kaliumdoppelfluoride 


1) Die Analysenresultate von Dittrich und Freund zeigen stets 
mehr 'Tlitan gefunden als angewandt an. 


Die Zusammensetzung heliumführender Mineralien. 27 


den nach dieser Methode höchst erreiehbaren Reinheitsgrad 
besals. Die Fortführung dieser Methode hätte nicht dazu 
geführt, das Titan, dessen Anwesenheit sich durch die 
Wasserstoffsuperoxydreaktion leicht nachweisen liefs, vom 
Niob völlig abzuscheiden. In dem Ammoniumsalieylat besitzt 
man nun ein ausgezeichnetes Mittel, eine völlige Trennung 
der beiden Elemente zu bewerkstelligen. Das Ammonium- 
salieylat bildet mit der Niobsäure N, 0,x.H,0 eine unlösliche 
Adsorptionsverbindung. 


Die Trennung geschah in folgender Weise: 


2,9499 & titanhaltiges Niobfluorkalium wurden bei mög- 
lichst niederer Temperatur mit konzentrierter Schwefelsäure 
abgeraucht und zur Verjagung der Flulssäure mögliehst zur 
Trockene eingedampft. Der Rückstand wurde mit wenig 
Wasser in eine tiefe Porzellankasserole gespült und mit 
500 eem 20 prozentiger Ammonsalieylatlösung versetzt, worauf 
unter ständigem Rühren mittels einer Turbine eine Stunde 
gelinde erwärmt wurde. Lösung und Niederschlag färbten 
sich gelb. Nach dem Absitzen wurde noch heils filtriert 
und der Niederschlag zunächst mit heilsem Ammonsalieylat, 
dann. mit kochendem Wasser solange ausgewaschen, bis 
ein Tropfen des Filtrats mit Eisenchlorid keine Violett- 
färbung mehr gab. Das Filtrat wurde eingedampft und in 
einer Platinschale verglüht; der Rückstand mit Schwefel- 
säure aufgenommen, mit Wasser verdünnt und zur Ab- 
scheidung des Titans vom Kalium mit Ammoniak gekocht. 
Es hinterblieben 0,4368 g TiO,. 

Die Niobsäure war eine unlösliche gelbe Verbindung 
mit der Salieylsäure eingegangen. Der amorphe Nieder- 
schlag lie/s sich heils leicht filtrieren. 


0,2577 g lieferten beim Glühen: 
0,1772 g Nb,O, — 48,260), Nb. 


0,2029 g lieferten beim Verbrennen: 
005108 4,0 = 281°, H 
0,1382 8 00, = 18,57%, C 
Rest — 30,36, ©. 


9) 
28 Hans LANGE, 


Diese Zahlen ergeben keine Verbindung mit stöchio- 
metrischen Verhältnissen; es liegt vielmehr eine Adsorptions- 
verbindung des Hydrogels Nb,0,2H,0 mit der Salieyl- 
säure vor. 

Zur Untersuchung, ob Niob in Lösung gegangen war, 
wurde die aus dem Filtrat gewonnene Titansäure durch 
Behandeln mit Fluorkalium und Flufssäure in das Doppel- 
fluorid übergeführt, die Schmelze mit Wasser aufgenommen 
und mit Zink und konzentrierter Salzsäure versetzt. Da 
eine Braunfärbung der Lösung mittels dieses empfindlichen 
Nachweises für die Gegenwart von Niob nieht eintrat, war 
die Niobsäure eine in Ammonsalieylat und heilsem Wasser 
absolut unlösliche Verbindung eingegangen. 

Jedoch genügt eine einmalige Behandlung mit Ammon- 
salieylat nicht, die Niobsäure absolut frei von Titan zu 
erhalten. 

Der verglühte Niederschlag wurde in einer Platinschale 
mit Flufssäure und konzentrierter Schwefelsäure gelöst, 
dureh weites Eindampfen die Flufssäure verjagt, und als- 
dann mit Wasser verdünnt, wobei sich Niobsäure zum Teil 
ausschied. Auf Zusatz von Wasserstoffsuperoxyd trat noch 
deutlich Gelbfärbung ein, wodurch sich die Anwesenheit des 
Titans verriet. 

Die Lösung wurde daher wieder fast zur Trockene 
eingedampft und, wie zuerst beschrieben, abermals der Ein- 
wirkung von Ammonsalieylat eine Stunde lang ausgesetzt. 
Die Lösung wie der Niederschlag färbten sich wiederum 
gelb. Nach dem Filtrieren, Eindampfen des Filtrates und 
Glühen fanden sich 0,0407 g TiO, als in Lösung ge- 
gangen. t 

Die erhaltene Niobsäure aber zeigte sich nach dem Ver- 
glühen so rein, dals die Wasserstoffsuperoxyd-Reaktion auf 
Titan nicht mehr eintrat. 

Da die Löslichkeit des Titankaliumfluorides zwischen 
der des Tantal- und Niobkaliumfluorides liegt, erhält 
man nach dieser bisher übliehen Methode erst nach vielen 
mübsamen Kristallisationen ein annähernd titanfreies Niob- 
material. Die Reindarstellung von Niobpräparaten mittels 
Ammonsalieylat ermöglicht dem gegenüber eine schnellere 


Die Zusammensetzung heliumführender Mineralien. 29 


und einfachere Ausführung und gewährleistet den höchsten 
Reinheitsgrad der erhaltenen Produkte. 

Ganz analog der Niobsäure verhält sich nun auch die 
Tantalsäure 7a, 0,2 H,0 gegen Ammonsalieylat; sie bildet 
eine unlösliche Adsorptionsverbindung. 

0,5026 g Titan- und Niobfreies Tantalpentoxyd wurden 
mit Flulssäure und konzentrierter Schwefelsäure in Lösung 
gebracht, zur Verjagung der Flulssäure bei möglichst niederer 
Temperatur vorsichtig fast zur Trockene eingedampft, und 
der Rückstand mit wenig Wasser in den Rührapparat ge- 
spült. Darauf wurden 500 eem einer 20 prozentigen Ammon- 
salieylatlösung hinzugegeben. Nach einstündigem Rühren 
unter Erwärmen lie[s man absitzen und filtrierte noch heils. 
Der fleischfarbene Niederschlag filtrierte bedeutend schwerer 
als die entsprechende Niobverbindung, lie/s sich aber mit 
heilsem Wasser vollständig bis zum Verschwinden der 
Salieylsäurereaktion auswaschen. Das eingedampfte und 
in einer Platinschale verglühte Filtrat hinterlie[s nur einen 
Rückstand von 0,0010 g, der aus Verunreinigungen bestand, 
aber kein Tantal enthielt. 

Der Niederschlag lieferte beim Verglühen 0,5028 & Ta, O, 
und enthielt 55,12°/, Ta. Er stellt eine, der mit Niobsäure 
erhaltenen analoge Adsorptionsverbindung der Tantalsäure 
Ta,0,2H,O mit Salieylsäure dar und ist ein in heilsem 
Wasser und Ammonsalieylat unlöslicher amorpher Körper. 

Aus den gewonnenen Resultaten erhellt, dals das 
Ammoniumsalieylat bei der Analyse von Titanniobaten und 
Tantalaten als ausgezeichnetes Reagens benutzt werden 
kann, Niob und Tantal vom Titan quantitativ zu scheiden. 

Man nimmt zweckmälsig zunächst eine Rohscheidung 
vor. Hat man im Gange der Analyse aus der Kalilauge- 
Mannit-Lösung der drei Metallsäuren durch Versetzen mit 
Schwefelsäure die durch mitgerissenes Titan verunreinigte 
Niob- und Tantalsäure abgeschieden, so unterwirft man 
den Niederschlag in der angegebenen Weise einer zwei- 
maligen Behandlung mit Ammonsalieylat. Dabei ist es 
nicht erforderlich, die Filtrate einzudampfen und zu verglühen, 
was bei grölseren Mengen eine lästige Operation ist; es 
läfst sich das Titan auch durch längeres Kochen mit 


30 Hans LANGE, 


Ammoniak bis zur Entfärbung der Lösung vollständig 
ausfällen. Dieses Titan fügt man der Hauptmenge hinzu, 
die man aus der Schwefelsäure-Mannit- Lösung dureh Koehen 
mit Ammoniak erhalten hat. 

Mit Hilfe dieser kombinierten Methode ist die Seheidung 
des vierwertigen Titans von den fünfwertigen Metallsäuren 
eine quantitative. 


IV. Über Zirkonoxychlorid. 


Das für die Untersuchung über die Trennung von Zirkon 
und Titan erforderliche Zirkonmaterial wurde durch Reinigen 
des käuflichen Zirkonnitrats über das Oxychlorid erhalten. 
Mit Rücksicht auf die zum Teil sieh widersprechenden 
Angaben in der Literatur über dieses Salz und sein Verhalten 
beim Erhitzen wurden bei dieser Gelegenheit dahingehende 
Untersuchungen angestellt. 

Käufliches Zirkonnitrat, das durch etwas Aluminium 
verunreinigt war, wurde mit überschüssiger Kalilauge gefällt, 
das Hydroxyd bis zum Verschwinden der alkalischen Reaktion 
mit Wasser ausgewaschen und in einem Übersehuls von 
konzentrierter Salzsäure gelöst. Die Lösung wurde solange 
eingedampft, bis ein Tropfen am Glasstabe herausgenommen 
leicht kristallisierte. Unter ständigem Rühren entstanden 
während des Erkaltens kleine quadratische Kristallnadeln 
des Oxychlorids, die an der Saugpumpe abgesaugt, mit 
konzentrierter Salzsäure, dann mit Äther ausgewaschen und 
schlielslich zwischen Fliefspapier getrocknet wurden. 

Dieses Salz wurde zuerst von HERMANN!) näher be- 
schrieben, nachdem es bereits BERZELIUS?) durch Auflösen 
von Zirkonsäurehydraten in Salzsäure erhalten hatte. Über 
den Kristallwassergehalt herrschte zunächst keine Einigkeit. 
HERMANN!) stellte die Formel ZrO01, 9 H,O auf, PAYKULL?°) 
dagegen ZrOCl8H,0. Mars WeıisuLL‘) und letzthin 


1) B.1. 25,147. J.f.pr. Chem. 31,75. 97,321 u.330. J. 189. 191 (1866). 

2) Sv. Vetensk Akad. Handl. P. A. 4,117 (1824). 

s) Oefers. Sv. Vetensk Akad. Handl. 22 (1873). J. 263 (1873). 
241 (1879). 

4) Ber. 1394 (1887). 


Die Zusammensetzung heliumführender Mineralien. Sl 


RosenHEim und Frank!) haben das Oktohydrat Paykurns 
bestätigt. Das von mir auf die angegebene Weise er- 
haltene Salz hatte ebenfalls die Zusammensetzung ZrOQl, 
8H,0. 

Wurde das Salz auf eine andere Weise dargestellt, indem 
man einen Übersehufs der Säure zu einer Lösung von Zirkon- 
hydroxyd in konzentrierter Salzsäure tropfen liels, so 
kristalisierte in Übereinstimmung mit den Angaben von 
VENABLE und BASKERVILLE?) das Salz mit sechs Molekülen 
Wasser aus, während PaykurLn3) dabei ZrOCl, 2!/, H,O 
fand. 

Beim Erhitzen des Oktohydrates soll nun nach E. Meruıs) 
das Salz bei 60° C. 31/, Moleküle Wasser verlieren und schliels- 
lich nach HERMANN) in die Verbindung ZrC1,2 ZrO, über- 
gehen. Nach VENABLE und BASKERVILLE®) soll aufserdem 
ein Oxycehlorid mit 3 41,0 beim Erhitzen im Salzsäurestrom 
bei 100° entstehen. Diese Angaben konnten nicht bestätigt 
werden. 

Zur Untersuchung des Verhaltens des Oxycehlorids ZrOC7, 
8 H,O beim Erhitzen auf verschiedene Temperaturen wurde 
das Salz im Platinschiffehen in einem kurzen Verbrennungs- 
rohr erhitzt, durch welches troekene Luft geleitet wurde, 
und das durch ein mit Paraffinum liqwidum gefülltes weiteres 
Glasrohr führte. Zwecks Einstellung des Gleichgewiehtes 
konnte die Temperatur im Rohr eine Stunde konstant 
gehalten werden. Es wurde beobachtet, bei welchen Tem- 
peraturen jeweilig bei höherem Erhitzen Wasser entwich, 
und danach die bei den gefundenen Temperaturen ent- 
standenen Produckte analysiert. Die Ergebnisse sind in 
Tabelle I zusammengefalst und stellen die Mittelwerte aus 
je drei ausgeführten Analysen dar. 


1) Ber. 38, 812 (1905). I. Mitteilungen über Salze des Zirkon- 
oxychlorids. 

2) J. Am. Chem. Soc. 19,12 (1897). 

>) Paykulll.e. 

4) Zeitschr. f. Chem. 2. 6,296 (1870). 

5) Hermann. ce. 

6) J. Am. Chem. Soc. 20,231 (1898). 


HANS LANGE, 


Tabelle 1. 


Ih % Zr %, Cl Zr zu Cl 
bis 60° 22.15 28,30 102 ZrOCl, 8 H,O 
60° 36,30 28,38 E22 ZrO0l, 4 H,O 
190° 40,79 28,18 1: 1,765 
120° 50,15 31,76 1:1,619 
1500 54,35 25,14 1: 1,161 
200° 54,31 7,18 1: 1,279 


Bei 60° entweichen 4 Moleküle Wasser unter Zurück- 
lassung des Salzes ZrO01,4 H,O 


berechnet: gefunden: 
ZrO 42,730), 42,720, 
Ch 28,40 „ 28,38 „ 
4 H,O 28,87 „ 28,92 „ 

100,00 ,/° 100,027, 


Demnach treffen die älteren Angaben von MELLIS (l. e.), 
dals nur 3!/, Moleküle Wasser entweichen, nicht zu. 

Bei 100°,. 120° und 150° entweicht jedesmal Wasser, 
aber unter gleichzeitiger Mitnahme von Salzsäure. Die ent- , 
stehenden Produkte sind nieht als chemische Verbindungen 
mit stöchiometrischen Verhältnissen anzusehen. Oberhalb 
150° entweicht kein Wasser mehr, die Kristalle werden 
trüb und undurchsichtig; das Verhältnis von Zr: 0:Cl ist 
bei 200° gleich 1:1,93:1,279. Die HErmAnNsche Verbindung 
2ZrOsZrÜl,, bei der das Verhältnis von Zr:0:Cl=1:1,33 
:1,33 ist, konnte bei keiner, auch nieht bei noch höherer 
Temperatur erhalten werden. Von 100° ab werden die 
Kristalle nieht mehr von Wasser gelöst, sondern unter Ab- 
scheidung basischer Produkte zersetzt. 

Das Mitnehmen von Salzsäure durch das entweichende 
Wasser läfst sich auch nieht durch Überleiten von Salzsäure- 
gas während des Erhitzens vermeiden. Es entstehen dabei 
nur zwei wohldefinierbare Salze. 

Die Versuche wurden wiederum so angestellt, dals zu- 
nächst die Temperaturen festgelegt wurden, bei denen 
jeweilig beim höheren Erhitzen im Salzsäurestrom Wasser 
entwich. Zur Einstellung des Gleiehgewichts wurde. die 


Die Zusammensetzung heliumführender Mineralien. 33 


Temperatur eine Stunde lang konstant gehalten, dann liels 
man im Salzsäurestrom erkalten und schickte zuletzt trockene 
Luft durch das Rohr, worauf die entstandenen Produkte 
sogleich analysiert wurden. Die Mittelwerte aus je drei 
ausgeführten Analysen sind in Tabelle II zusammengestellt: 


Tabelle II. 

T %), Zr % Cl Zr zu Ol 

bis 60° 22,15 28,30 152 ZrOCl, 8 H;,0 
60° 25,83 40,33 1:3,99 Zr001,2 HCl 51/, H,O 

100 40,11 ® 36,00 1:2,294 

150° 42,43 33,50 1:2 Zr0Cl,2H,0 

180° 49,21 36,31 1:1,885 

200° 51,77 33,24 1:1,641 

3050 60,03 16,19 1:.0,689 


Beim Erhitzen des Zirkonoxychlorids im Salzsäurestrom 
schmelzen zunächst die Kristalle in ihrem Kristallwasser, 
verlieren dann bei 60° 21/, Moleküle Wasser und nehmen 
dafür 2 Moleküle Salzsäure auf, wobei die Lösung zu einer, 
an der Luft etwas rauchenden, in Wasser leicht löslichen 
kristallinischen Verbindung erstarrt. 


berechnet: gefunden: 
ZrO 30,540), 30,40), 
Ol, 40,56 „ 40,33 „ 
51, H,O 28.34 „ 28,62 „ 


Bei 100° entweicht aus dieser Verbindung Kristall- 
wasser unter Mitnahme von Salzsäure, aber nicht der ge- 
samten aufgenommenen. Das Verhältnis von Zr:Cl war 
höher als 1:2. In keinem Falle entstand das von 
VENABLE und BASKERVILLE (]. e.) beschriebene Salz ZrOC], 
3 H,0. 

Erst bei 150° verschwindet unter abermaliger Wasser- 
abgabe der letzte Rest der bei 60° aufgenommenen Salz- 
säure, und es entsteht ein einheitliches Salz. Es enthält 
zwei Moleküle Kristallwasser und ist in Wasser leicht 
löslieh. 

Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a. 3. Bd. 82. 1910. 3 


84  H.LaAnGe, Zusammensetzung heliumführender Mineralien. 


berechnet: gefunden: 
ZrO 49,93% 49,93 0/0 
Ol, 33,20 „ 33,50 „ 
2H,0 16,578 16,53 „ 

100,00 0/, 99,96 %/, 


Diese letzten zwei Moleküle Kristallwasser entweichen 
bei 180°, sie nehmen aber gleichzeitig Salzsäure mit, welche 
das darübergeleitete Salzsäuregas nicht zu ersetzen vermag. 
Es hinterbleibt ein durch Wasser zersetzbarer, keinen 
stöchiometrischen Verhältnissen entsprechender Körper, der 
beim höheren Erhitzen immer mehr Salzsäure verliert und 
schliefslich bei 305° zum Teil als ZrCl, sublimiert. In dem 
zurückbleibenden Körper verhalten sich Zr: Cl = 1:0,689. 
Auch beim Erhitzen im Salzsäurestrom konnte somit bei 
keiner Temperatur die Existenz der Verbindung Zr, 0,01, 
festgestellt werden. 


Übersicht. 
Es existieren: Es existieren nicht: 


ZrOC1,8 H,O (PAYKULL) ZrO0C1,9 H,0 (HERMANN) 
ZrO016 H,O (VENABLE & ZrOGCl,61/, H,O (PAYKULL) 


BASKERVILLE) 
Zr001,2 HO151/, H,O (LANGE) 
ZrOCl4 H,O (LANGE) ZrOGl, 41/, H,O (MELLIS) 
ZrO0C1,3 H,O (VENABLE & 
BASKERVILLE) 


Zr001,2 H,O (LANGE) 
Zr, 0,Cl, (HERMANN) 


Wachstumsverhältnisse 
einiger holzzerstörenden Pilze 


von 


Dr. Karl Hoffmann 
Mit 9 Figuren im Text 

Das Studium der holzzerstörenden Pilze hat neuerdings 
wesentliche Fortschritte gemacht, nachdem diese Klasse 
lange Zeit hindurch nur wenigen Systematikern bekannt, 
von der physiologischen Forschung aber gänzlich ver- 
nachlässigt gewesen war. Die Isolation der Arten in Rein- 
kultur ist öfters nicht ganz leicht; nach den ausgedehnten 
Untersuchungen BREFELDSs, die sich über die ganze Pilz- 
klasse erstreckten und dabei auch eine gröfsere Anzahl 
von holzzerstörenden Polyporaceen behandelten, schien 
es, als ob die Beschäftigung mit dieser Pilzklasse un- 
dankbar sei. 

Erst ganz neuerdings wurden dureh FALck!) und MEZ?) 
eine Anzahl von Daten zur Biologie der holzzerstörenden 
Pilze veröffentlicht, die allgemeines Interesse verdienen und 
zeigen, dafs manche physiologischen Probleme mindestens in 
beachtenswerten Spezialfällen hier zur Erörterung stehen. 

Ausgegangen sind diese Untersuchungen von dem Haus- 
schwamm (Merulius lacrymans). Das Bedürfnis der Praxis, 
das lebhafte Interesse, welches Baumeister und Haus- 
bewohner für diesen Zerstörer des eingebauten Holzes unserer 
Wohnungen leider besitzen müssen, hat zur Erörterung 


1) Richard Falk, Wachstumsgesetze, Wachstumsfaktoren und 
Temperaturwerte der holzzerstörenden Mycelien. 

2) Carl Mez, Der Hausschwamm und die übrigen holzzerstören- 
den Pilze der menschlichen Wohnungen. 


3%* 


36 KARL HOFFMANN, [2] 


einer Anzahl von Problemen über das Wachstum desselben 
geführt. 

Die an das Auftreten des Hausschwammes sich öfters 
anknüpfenden gerichtlichen Streitigkeiten machten die De- 
finition dieses Pilzes und der mit ihm an gleichem Stand- 
ort in unseren Häusern vorkommenden Polyporaceen, 
Agariecaceen und Thelephoraceen wichtig. Dadurch 
wurden Fragen der Speziesunterscheidung, Fragen nach der 
Bedeutung der Wachstumsdaten für die Abgrenzung der 
Arten und nach der Akkomodation der Formen an wechselnde 
Standortsbedingungen in den Vordergrund des Interesses 
gerückt. 

Insbesondere die zitierte Arbeit FALcks schien durch 
ihre Resultate darauf Anspruch erheben zu können, bedeut- 
sam für die Entscheidung mehrerer theoretisch und praktisch 
wiehtiger Fragen zu werden. 

Von Herrn Professor Mez wurde mir deshalb die 
Aufgabe gestellt, die Untersuchungen von FALcK über 
„Wachstumsgesetze, Wachstumsfaktoren und Temperatur- 
werte der holzzerstörenden Mycelien“ nachzuprüfen und diese 
Verhältnisse für andere holzzerstörende Pilze zu untersuchen. 


I. Längenwachstum holzzerstörender Pilze. 


1. Das Material. 


Das Material für meine Beobachtungen stellte mir Pro- 
fessor MEz in sehr liebenswürdiger Weise zur Verfügung. 
Herangezogen zur Prüfung wurden Merulius lacrymans 
(Schum.), Merulius silvester (aus Eberswalde),!) Merulius 
favosus (Mez) — (Merulius hydnoides P. Hennigs), Polyporus 
vaporarius (Fries), Polyporus vulgaris (Fries), Polyporus 
destructor (Fries), Polyporus serialis (Fries), Polyporus 
odoratus (Fries), Paxillus acheruntius (Schroet.), (oniophora 
cerebella (A. et Sch.). Von der Coniophora standen zwei 
Formen zu meiner Verfügung, die sieh durch verschieden 


!) Dieser Pilz ist von Herrn Professor Mez von seinem Stand- 
punkt bei Eberswalde geholt worden. Vgl. A. Möller, Hausschwamm- 
untersuchungen, S. 29. 


[3] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 37 
gefärbte Mycelien von einander gut unterschieden. Ich habe 
sie als Coniophora cerebella I und Ooniophora cerebella II 
bezeichnet. Während I ein dunkleres Gelb zeigte, neigte [I 
mehr zu hellerer Färbung; besonders in jungen Kulturen 
war II fast rein weils. Schon Mrz!) hat darauf hin- 
gewiesen, dals die Coniophora cerebella aller Wahrschein- 
liehkeit nach aus mehreren wohl unterseheidbaren Spezies 
besteht. Während meiner Beobachtungen erhielt ich eine 
dritte Form der Coniophora cerebella, deren Mycel stets rein 
weils blieb, ohne gelbliche Verfärbung anzunehmen; sie ist 
als Coniophora cerebella ILI aufgeführt. 


2. Methodisches. 


Als Kultursubstrat wurde Bierwürze gewählt, der 5%), 
Agar-Agar hinzugesetzt wurde. Dieser seit langer Zeit 
bei mykologisehen Untersuchungen verwendete Nährboden 
hat sich auch bei meinen Versuchen sehr bewährt. 

Nach dem Vorgang von FALck benutzte ich als Kultur- 
gefälse Röhren in der Länge von 29 em und einer lichten 
Weite von 2,5 em. Sie wurden stets mit 35 cem von dem 
Nährsubstrat beschiekt, sterilisiertt und beim Erkalten so 
gelagert, dals der Nährboden eine ziemlich lange schmale 
Leiste von gleichmälsiger Oberfläche darstellte. 

Die Impfung wurde am vorderen Ende der Röhre vor- 
genommen, so dafs das Wachstum des Pilzes längere Zeit 
beobachtet werden konnte. Übereinstimmend mit FALck 
fand ich, dafs es nötig ist, den Pilz erst gut anwachsen zu 
lassen, um in den Wachstumsverhältnissen gute und einiger- 
malsen übereinstimmende Werte zu erhalten. Aus diesem 
Grunde wurden die Röhren nach der Impfung einige Tage 
in Zimmertemperatur gehalten, bis die Mycelien einen Kreis 
von ea. 3--4 em Durchmesser bewachsen hatten. 

Legt man die so behandelten Kulturen in Thermostaten, 
die man gleichmälsig temperiert, so kann man nach kurzer 
Zeit ein gleiehmälsiges Wachstum konstatieren, das sich 
annähernd konstant erhält, bis das ganze Substrat be- 
wachsen ist. 


!) Vgl. Mez, Der Hausschwamm, $. 164. 


33 KARL HOFFMANN, [4] 


Kulturen, die vollkommen die oberflächliehe Nährschieht 
angegriffen hatten, blieben trotzdem noch monatelang lebendig. 
Dieses Verhalten der Pilze erklärt sich daraus, dafs das 
Mycel, nachdem es die oberflächlichen Nährschiehten ver- 
braucht hat, mehr in die Tiefe dringt, wie man an der 
Verfärbung des Nährbodens bemerkt. Auch bildet sich 
dadurch, dafs in den Kulturröhren, die nur mit einem 
Wattestopfen versehen sind, das Wasser aus dem Subtrat 
verdunstet, stets ein Luftraum zwischen Kulturboden und 
dem Glase. Dieser wird von den Pilzhyphen sofort auf- 
gesucht und so nach Möglichkeit der Nährboden ausgenutzt. 
Besonders bei Paxillus acheruntius ist dies Umwachsen des 
Nährbodens auffällig; doch auch Coniophora cerebella, Poly- 
porus destructor, Merulius lacrymans und Merulius silvester 
lassen diese Erscheinung sehr deutlich erkennen. 

Die Markierung des in bestimmten Zeitabschnitten hin- 
zugewachsenen Mycels geschah dadurch, dals auf die Glas- 
röhren etwas über der Nährbodenschicht ein langer schmaler 
Papierstreifen aufgeklebt wurde. Bei der Beobachtung 
wurde die Röhre auf den Tisch gelegt und dann in Rich- 
tung der vorderen Hyphenenden ein Strich auf dem Papier- 
streifen gemacht und mit dem zugehörigen Datum versehen. 
Diese Markierung und Ablesung wurde mit blofsem Auge 
vorgenommen, da man ohne Lupe am besten und sichersten 
einen genauen und passenden Mittelwert erhält. Wenn die 
Beobachtungen abgebrochen wurden, so wurden die Mar- 
kierungen, vom ersten Tage der Beobachtung an gerechnet, 
abgemessen. Diese Methode lässt ein Abschätzen auf Zehntel 
Millimeter sehr gut zu. 


3. Beobachtungen des Wachstums in Kulturröhren. 


Bei diesen Untersuchungen stellten sich nun mannig- 
fache Abweichungen von den Resultaten heraus, die FALCK 
erhalten hat. Infolge der verhältnismälsig niedrigen Tempe- 
raturen im März und April war es mir möglich, im Keller 
des botanischen Instituts zu Halle die Temperatur annähernd 
konstant zu erhalten. Die Wärmezunahme betrug im Laufe 
eines Monats während der Beobachtungen 0,8% C., als 


[5] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 39 


mittlerer Wert ergab sich 7,0°C. Die Temperatur von 11° 
konnte in einem Thermostaten in einem ungeheizten Zimmer 
vollkommen gleichmälsig erhalten werden. 

Es seien an dieser Stelle die Beobachtungen an Merulius 
laerymans und Merulius silvester mitgeteilt. Es wurden 
von jeder Spezies mehrere Parallelversuche angesetzt; die 
Resultate sind nacheinander aufgezäblt, wobei A die erste 
Röhre, B die zweite, C die dritte usw. bezeichnet. 


2 100%, 
' | DR. un 
= = PR! 
: N | er er 
| 808 Sı = = 
Spezies Zeit des | 2 S|8S$| F) = Mittel | ‚Ab 
Wachstums [5 "|,S3| A 8 | wert | weichungen 
| mm | mm | mm | | 
nn nm = — ne am er 
A. | 6.1V.-10.1V.| 08 | 08| 0,20 | + 0,111 
Merulius 10-20. 42, 34 0,34 |.0,311 | — 0,029 
lacrymans 20.—24 5,6 1,4 | .0,35 J | — 0,039 
B. |10.1V.—20.IV.| 6,8 | 6,8 | 0,68 10,086 + 0,006 
20.24 1096| 28 | 0,70 4° — 0,014 
A. | 29.111—2.IV.| 1,4 | 1,4 0,850 + 0,104. 
Merulius 2.—6. ae! 1,7 | 0,425 | + 0,029 
silvester 6.—10. 5,0 | 1,9 |0,475 170,454 | — 0,021 
10.—20. 10,1 | 5,1 |0,510 | 0,056 
20.—24. | 1230| 1,9 |0,475 | — 0,021 
| | | | 
B. |25.11L.—29.IL| 14 | 14| 0,35 | + 0,28 
29. 1IL—2.IV. 30 1,6 | 0,40 + 0,23 
26060300 ZN, 
BE I NE a es £10,03 
10.—W. | 15,9 |.75 | 0,75] — 0,12 
20.—24. 18,9 |. 3,0 | 0,75 | — 012 
t= 11,0°C. 
A. | 31.1IIL—4.IV. 1,6 | 1,6 |0,400 | + 0,204 
Merulius 2-8. |.32 | 160400 Ilyeny | + 0,204 
laerymans 81-204) |0.11,6;|».08,4 |0,700.\1? ı% | — 0,096 


oo 244 |u14,5 |1.02,9 | 0,725.) I 


40 KARL HOFFMARN, [6] 


25, sesalunee 

Spezies | „Zeit des | SE ©5| © Mittel Ab- 

Wachstums | 5 | SSR 3| wert | weichungen 
| mm | mm | mm 

N DER EL; | 1,5 0,375 — 0,016 

Merulius 27.—31. "| 3,0 | 1,5 0,375 | — 0,04 

silvester 31.1I.—4.IV.| 45 | 1,5 [0,375 | 0,359 | — 9016 

4.—8., 7|,,,5,5 | 1,0 | 0,250 | 2 + 0,109 

8-20. | 100| 45 0875, — 0,016 

20.—24. 11,5 | 1,5 | 0,375 | — 0,016 

t= 24,000. 

A. | 27400029 UT |e &5e 253 120571 + 0,68 

Merulius 29.— 31. 5412797 41,45 + 0,48 

laerymans | 31.1I..—2.IV.. 98 | 45 | 233 — 0,32 

2.—A. I 141 | 4,3 12,85. [1498 — 0,22 

4.—6. 18:25 Ai 22:08 | — 042 

68: 22,6. 2 441,990 | — 0,27 

BE 100 1 727.00] Sag 1 0 

A. |25. 10.27. 100.) > 6,3 | 6,3 | 73,15 | | +0,06 

Merulius 97-29. 129 | 6,6 | 3,30 | 0,09 

siwester 29.—31. 19,22, 3653.17,3;15 5 + 0,06 

31.11. —2:1V.| 125,5 | 6,3. | 3,15 [6215 | 40,06 

2. Ası u | 831,91 116,4 | 3,202) + 0,01 

4.— 0. 38,5 |. 6,6 | 3,30 | — 0,09 

= 36,00 C. 

A. [23.I.—25.1L]) 29| 29 | 1,45 | — 0,04 

Merulius IL 971: 6,01] MS ER | — 0,14 

silwester 27.—29. 88 | 2,8 | 1,40 | +0,01 

29731. | 911,91 209,1.]| 1,55 | — 0,14 

31.IIL—2.IV.| 13,6 | 1,7 | 0,85 [01,41 | +0,56 

2 se | +0,06 

ER | Mh 

RER 2210,32. ,1.60,) — 0,19 

810, as "39 6a — 0,24 

B. 25:11. 27.101] 5,4.| 5,4. 2,70 + 1,34 

27.—29. 12,6 | 72 | 3,60 | + 0,44 

29.81. | 212 8,6 | 4,30 (4,04 | — 0,26 

31.1I..—2.1V.| 30,8 | 9,6 | 4,80 | | 120,76 

PEN 40,4. | 9,6 | 4,80 | Den 


[7] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 41 


Merulius lacrymans ergab in dieser Zeit der Beobach- 
tungen bei 26,0° C. keine genauen Werte für das Wachstum. 
Von den 5 angesetzten Kulturen dieses Pilzes lielsen drei 
ein geringes Wachstum erkennen; dies war aber so schwach, 
dafs genaue Messungen nieht vorgenommen werden konnten. 
Doch wird das Wachstum des Merulius lacrymans bei 26° C. 
noch später behandelt werden. 

Leider wurden die Vergleiehskulturen für Merulius 
lacrymans und Merulius silvester tür = 11° und t = 24° 
verunreinigt, so dafs die Resultate nicht brauchbar waren 
und aus diesem Grunde nicht zur Beobachtung des Längen- 
wachstums herangezogen werden konnten. 

Wenn wir die erhaltenen Werte mit denen vergleichen, 
die FAuLck!) bei seinen Untersuchungen bekommen hat, 
so ergeben sich wesentliche Abweichungen. Nach seinen 
Wachstumskurven würde sich die tägliche Wachstums- 
zunahme für Merulius lacrymans und Merulius silvester 
bei 7,000, auf ea. 1,7 mm und 1,5 mm stellen, bei 11° auf 
2,7 mm und 2,6 mm, bei 24% auf 3,2 mm und 6,2 mm, bei 
26,0% auf 0,0 mm und 6,9 mm. Von allen diesen Werten 
stimmt mit meinen Berechnungen mit Ausnahme des Merulius 
lacrymaus bei 26° nicht ein einziger überein. 

Zur Erklärung dieses verschiedenen Verhaltens der Pilz- 
kulturen kann folgendes angeführt werden. Einerseits liegt der 
Gedanke nahe, dals das Kultursubstrat dieses verschiedene 
Wachstum bedingt. FALck hatte als Nahrung den Pilzen 
ein festes Gelatine- oder Agar-Agar-Nährsubstrat gegeben 
und hierzu 10°/, Malzextrakt hinzugesetzt, während mein 
Nährboden aus 95°/, Bierwürze und 5°/, Agar-Agar bestand. 
Hiermit käme ich aber in Widerspruch zu dem von FALck?) 
aufgestellten Längenwachstumsgesetz: „Die Längenwachs- 
tumswerte und die bedingenden Wachstumskräfte sind von 
dem jeweiligen Ernährungszustande resp. der Ernährungs- 
gröfse des Myceliums in weiten Grenzen unabhängig.“ Auch 
kann auf mein Nährsubstrat die von Farck gleichzeitig 
gegebene Anmerkung:3) „Der Nährstoffmangel erreicht 


ı) Vgl. Falck, $S. 92 und 86. 
2) Ebenda S. 119 und 120. 
°®) Ebenda S. 120. 


42 KARL HOFFMARNn, [8] 


natürlich eine Grenze, bei weleher selbstverständlich auch 
das Längenwachstum beeinträchtigt wird“ nicht angewandt 
werden. Denn der von mir benutzte Nährboden hat sich 
stets bewährt und gestattet ein sehr ergiebiges und kräftiges 
Wachstum. Auch von grolsem Wassermangel kann bei der 
angegebenen Zusammensetzung nicht die Rede sein. 

Die andere Möglichkeit, das so auffallend verschiedene 
tägliche Längenwachstum meiner Pilzkulturen zu erklären, 
ist die Annahme einer verhältnismäfsig grolsen individuellen 
Abweichung im Längenwachstum bei derselben Pilzspezies. 
Diese individuelle Abweichung kann sowohl darin zum Aus- 
druck kommen, dafs Pilze verschiedener Herkunft, denen 
die gleichen Bedingungen für ihr Wachstum geboten werden, 
in ungleichem Malse wachsen, als auch darin, dals es 
möglich ist, durch fortdauernde Kultur und Gewöhnung an 
ein bestimmtes Nährmaterial ein gesteigertes resp. ver- 
mindertes Wachstum der Mycelien zu erhalten. Es ist 
allerdings zu bemerken, dals die tägliche Wachstumszunahme, 
in kleinen Zeitabschnitten gemessen, eine verhältnismälsig 
konstante ist, so dafs für eine gewisse Zeit ein guter Mittel- 
wert gewonnen werden kann. Dem gegenüber ist aber 
gleichzeitig festzustellen, dals diese Konstanz nie durch 
monatelange Kultur hindurch beobachtet werden kann. Ich 
weise aus diesem Grunde auch auf die Resultate von FALcK 
hin, aus dessen Übersichtstabelle!) klar hervorgeht, dals die 
Gleichmälsigkeit im Längenwachstum keine absolute ist, 
dafs also auch schon in kleineren Zeitintervallen Unter- 
schiede auftreten, die bei längerer Dauer der Kultur sich 
verstärken. Auch ein Vergleich der von FALer?) angeführten 
acht Versuche über die Wachstumszunahme von Merulius 
silvester zeigt deutlich, dafs tatsächlich, wenn auch nur 
geringe, Unterschiede im Längenwachstum von Merulius 
silvester „vom Zaum“ und „aus dem Walde“ vorhanden 
sind. Nach der von FALck angegebenen Tabelle?) berechnet 
sich die Mittelzahl der Röhrchen des Merulius silvester 


1) Vgl. Falck, S. 76. 
2) Ebenda S. 75. 
3) Ebenda S. 73. 


[9] Wachstuimsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 43 


„vom Zaun“ auf 1,15, „vom Walde“ auf 1,09, während 
die gröfsten Abweichungen durch 1,28 resp. 1,03 dargestellt 
werden. Beide Pilze waren seit langer Zeit in Kultur; ein 
Myeel seit 12, das andere seit 16 Monaten. Trotzdem lälst 
sich nach dieser Zeit noch ein Unterschied feststellen, der 
unmöglich ganz übersehen werden kann. Wenn ich auf 
Grund meiner Beobaehtungen und auf Grund der FALck schen 
Untersuchungen dazu komme, die zeitliche und individuelle 
Konstanz in dem oben angegebenen Sinne zu bezweifeln, so 
stelle ich mich dadurch in Gegensatz zu FALck, der die 
zeitliche und individuelle Konstanz der Wachstumswerte 
eines Pilzes unter bestimmten konstanten Bedingungen als 
eine absolute annimmt. 

Um nachzuweisen, dals der Nährboden, also sein Gehalt 
an für den Pilz zugänglichen Nährstoffen, auch für die von 
mir untersuchte biologische Pilzgruppe sehr wesentlich und 
sehr wichtig ist, habe ich bei einigen Parallelversuchen 
einen Nährboden aus dunkler Bierwürze benutzt. Diese 
Bierwürze wurde ebenfalls mit 5%/, Agar-Agar vermischt 
Es erschien mir unnötig, weitere Versuche mit verschiedenen 
Variationen des Nährsubstrates zu machen, da die auch 
weiterhin sehr grolse Abweichung im Längenwachstum 
meiner Pilzkulturen von denen Farcks die Abhängigkeit 
des Längenwachtums vom Nährboden aufs klarste beweist. 
Wenn FALck im Verlauf seiner Untersuchungen!) zu dem 
Resultat kommt, dafs seine Wachstumsversuche auf einem 
Substrat mit verschiedenen Nährstoffmengen „unzweideutig 
die völlige Unabhängigkeit des Längenwachstums von dem 
Einflufs der Ernährungsgrölse“ beweisen, so ist dagegen 
doch mancherlei einzuwenden. Einmal zeigten meine Kultur- 
versuche auf einem anderen Nährboden stets andere Wachs- 
tumsgrölsen als FaLck erhielt; ferner beweist die Tatsache, 
dafs das Farcksche Substrat, wenn es mit 1°/,, 10°%/, oder 
20%, Nährstoffen beschiekt war, eine fast gleiche Wachs- 
tumszunahme des hierzu untersuchten Pilzmycels zuliefs, 
garnichts. Denn jeder Pilz kann nur die Nährstoffe verwerten, 
die er tatsächlich aufnehmen kann. Alles, was über das 


1) Vgl. Falck, S. 119. 


44 KARL HOFFMARN, [10] 


Optimum an Nährstoffgehalt hinausgeht, ist für ihn von 
keiner ernährungsphysiologischen Bedeutung. Die Versuche 
von FALcK beweisen nur, dafs ein Nährstoffgehalt von 200), 
dem Wachstum des Pilzes in keiner Weise mehr förderlich 
war, als einer von 1°/,. Demnach variierte tatsächlieh der 
Gehalt an Nährstoffen nieht in „sehr weiten“, sondern in 
relativengen Grenzen, und die FArxcschen Untersuchungen 
lehren nur, dals ein Nährstoffgehalt eines Substrates über 
das Optimum hinaus das Längenwachstum der Pilzmycelien 
in merklicher Weise nieht beeinflulst. Dals dagegen Unter- 
schiede im Längenwachstum auftreten, wenn Nährstoffmangel 
vorhanden ist, bemerkt auch FArck.!). 

Die zweite Möglichkeit, dals die individuelle Ab- 
weichung meiner Pilze von denen FALcks eine so grolse 
ist, wie aus dem Vergleich meiner Resultate mit denen FALCKs 
hervorgeht, wurde in der Weise geprüft, dafs die Pilze, welche 
im März und April auf ihr Längenwachstum hin bei 240 
und 26° untersucht wurden, nochmals im Mai denselben 
Bedingungen unterworfen wurden. Ich muls darauf hin- 
weisen, dals es allerdings möglich ist, dals die Versehieden- 
heiten, die sich hierbei herausstellen werden, auch auf die 
verschiedene Bierwürze zurückgeführt werden können. Denn 
eine Brauerei kann unmöglich zu verschiedenen Zeiten 
absolut identische Bierwürze liefern. Doch kann diese 
Rückführung nur zum Teil geschehen; denn gerade die Be- 
obaehtungen des Längenwachstums von Merulius lacrymans 
bei 26° weisen mit Nachdruck darauf hin, dafs durch Kultur 
das Längenwachstum gesteigert werden kann. Auch wurde 
eine Kultur von Merulius lacrymans, die im März und April 
bei 24° beobachtet worden war, unter denselben Bedingungen 
im Mai kultiviert. Die Bierwürze war die gleiche, der Pilz 
war derselbe, und doch war im Mai ein wesentlich ge- 
steigertes tägliches Längenwachstum zu bemerken. Die 
Beobachtungen mögen der bequemeren Übersicht wegen in 
Tabellen folgen. 


1) Vgl. Falck, S. 119 und 120. 


[11]  Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 45 


t= U4,00C. 
2.0 a2 38 

edles Zeit des + ©5| 5 | Mitte-| Ab- 

Wachstums | 5” |:538| 35 | wert | weichungen 
mm mm mm | 

A415. 1008 AZ I ..82'|,8,21| 4,10 + 7,95 

Coniophora iz 10. 21,9 | 13,7 | 6,85 + 5,20 

cerebella I 19.—21. 36,4 | 14,5 | 7,25 + 4,80 

Zi 22. 53,9 | 175 | 8,75 + 3,30 

23.—25. 14,8 | 20,9 | 10,45 + 1,60 

25.—27. 100,2 | 25,4 |12,70 | — 0,65 

27.29. [123,7 | 23,5 11,75 || 4995 | +0,30 

29.—31. [151,9 | 28,2 | 14,10 x — 2,05 

31.1IL—2.1V. | 175,4 | 23,5 | 11,75 | + 0,30 

I ı 198,5 | 23,1 |11,55 | + 0,50 

B. |15.11.—17.IIL| 89 | 89| 445 + 6,66 

17.—19, 184 | 95 | 4,5 + 6,36 

19821. 30,2 | 11,8 | 5,90 +5,21 

ag, 41,8 | 11,6 | 5,80 +5,31 

23.25. 57,8 | 16,0 | 8,00 +3,11 

IH DR. 79,4 | 21,6 |10,80 +0,31 

27.—29. 101,0 | 21,6 10,80 | +0,31 

29—31.; |125,3 | 24,3 [12,15 |\11,11 | — 1,04 

31.IIL—2.IV. 145,4 | 20,1 | 10,05 — 1,06 

27 168,9 | 23,5 | 11,75 | — 0,64 

A. [21.I.—23.I1. 91) 91| 4,55 + 7,04 

Coniophora 23.25. 27,2 | 818,1 9,06 + 2,54 

cerebelalI|  25.—27. 50,1 | 22,9 | 11,45 +0,14 

27-290 10729) 8238) 111,40 +0,11 

9 | 9 ne] 016 

31.IIL—2.1V.|119,9 | 23,5 | 11,75 | — 0,16 

| | 

B. | 15.1IL.—17.0L| 12,0 | 12,0 | 6,00.) +5,71 

17.—19. 28,2 | 16,1 | 8,05 | + 3,66 

19.—21. 46,2 | 18,0 | 9,00 | +2,71 

21.—23. 67,1 | 20,9 110,45 | + 1,26 

23.—25. 90,6 | 23,5 | 11,75 — 0,04 

25.—27. [114,1 | 23,5 | 11,75 hu | 908 

299% 138,2 12241 | 12,05 ’ — 0,34 

29.31. 163,1 | 24,9 1245| — 0,74 

31.II.—2.IV.|186,8 | 23,7 | 11,85 | — 14 


46 KARL HOFFMANN, [12] 


Ib 2 ul oe al ee 
| oo nn 
Spezies | „Zeit des | 52 55 ©5 Mittel) Ab- 
Wachstums 5” | 558, F 35 | wert | weichungen 
mm | mm | mm | 
| 
A. |25.1I1.—27.IL| 10,6 | 10,6 | 5,40 +0,21 
Polyporus 27-29. | 22,4 | 11,8 | 5,90 | 1,29 
destructor 29.—31. 34,9 | 12,5 | 6,25 — 0,64 
31.2, —2.1V.| As) 780 | An) 2” +1,16 
DL | 57,2 | 13,4 | 6,70 Wh — 1,09 
a6. | 6 99495 + 0,66 
GES ATT SI" 10.7 105135 + 0,26 
8.—10. | 898 | 123,0 | 6,00 — 0,39 
Eu. 2006| det 
Ar, 19.10 21T U 12:60 950567121530 + 0,04 
Polyporus 2 23.0 eb, 28 ||, 1 + 0,04 
vulgaris 23.—25. 8,1 290188149 — 0,11 
2»: 1,9| 38 | 1,90 — 0,56 
27.-29. 148 | 23,9 | 1,45 —ınh 
29 ale 738205. 125 N 1,34 + 0,09 
31.1, 22V. 98) 055 | »1;252) | +0,09 
2.0408 | 999.2 ED | 1:26 +0,14 
4.—6. 244 | 2322| 1,10| + 0,24 
os 26,9 25 | 1,3 | + 0,09 
8 10: 2395| 36 | 1,36 | + 0,04 | 
E ilenbeuineui | 
| | | 
As 1631. 201.222: 19.1 816,8) 11.6,50)| 630 —:0,97 
Polyporus 2.—4. I Ki,51 21975) 2538 | + 0,05 
. serialis AB: 144 | 2,90 1,45 |.2,43 + 0,98 
6.—8..' | 19,6 | 5,20 | 2,60 —0,17 
8—10. | 24,3 | 4,70 | 2,35 | + 0,08 
| | 
Ar | 23.17-25.01. 0.541 | 01541 10255 + 0,27 
Paxillus 2.27. |103 | 52 | 2,60 || +0,% 
acherun- 27.29 0161 5,8 | 2,90 | — 0,08 
tius 39 51.08 29 || 1,518. 72,88 — 0,08 
31.118 22V. 8271 || 4,52) 2/68 (30 40,38 
DE 2 323 || 1.151231 S2i6H +0,22 
16 8555| 2] +0,07 
6.8.0142 | 64 | 3,20 | — 0,38 


8.—10.1?)| 75037 || #165 |.V925-) | —043 


[13] 
h Zeit des 
re Wachstums 
B. | 23.1I.— 25.111. 
Paxillus 25.—27. 
acherun- 27.—29. 
tius 29.—31. 
31.01 21V. 
2.—4. 
4.—6. 
6.—8. 
8.—10. 


| 8 Längen- 
zuwachs 


|| B 


Waehstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 


| wert 
| 
| 
| 


1,70 12,00 
2,45 | | 
220. 
2,55 

2,60 


47 


Ab- 
weichungen 


— 0,55 
— 0,60 


Nach bereits mitgeteilten Beobachtungen war das täg- 
liehe Längenwachstum für Merulius lacrymans bei 24,0% — 
1,93 mm, für Merulius silvester = 3,21 mm. 


Es mögen jetzt die Kulturversuche bei ? = 26,0° folgen. 
' lım| un | 
E21 283/238. 
Spezies Zeit des EN: | &0 = Mittel- ‚Ab- 
Wachstums 5” SS | F 5 wert | weichungen 
mm | mm mm | 
| | | 

A. |19.1IL.—21. III. 19,4 | 19,4 | 9,70 + 5,60 
Coniophora 21.—23. 40,7 | 21,3 | 10,65 + 4,65 
cerebella I 23:25. |. 73,4 | 22,7 |11,35 | | +3,95 
(Röhre — 25.—27.  |104,6 |: 31,2.) 15,60 \ — 0,30 
39 cm) 27.—29. 134,6 31,0 15,50 | 15,30 | — 0,20 
29.31. [164,2 |_29,6 |14,80 | + 0,50 
B.i-34.1IL 31V. |Pr’8,a, [ö.%8,a | 4,30 + 2,42 
(Reagenz- 2.—4. 18,1 9,7 | 4,85 | +1,57 
glas!) 4.—6. 31,2 | 13,1.| 6,56 | tie: 
6.—8. 44,3 | 13,1 | 6,55 1622 IN 
a 108 56,6 12,3 | 6,15 | + 0,27 

| | 
A. | 29. 1I7.—31.111.| 17,4 | 17,4 | 8,70 + 1,50 
Coniphora 31.1IL.—2.1V.| 37,0 | 19,6 | 9,80 + 0,40 
cerebella II 2.—4; 58,2 21,2 10,60 020 — 0,40 
4.—6. | 78,6 | 20,4 |10,20 | + 0,00 


48 KARL HoFFMARN, [14] 


Farraeı 
Zei E: S a8 Paar. 

Spezies eit des Eee & = | Mittel- ‚Ab- 

Wachstums | ST|ISS|IFA3&| wert | weichungen 
mm | mm |‘ mm | 
| 

B. |29.IIL.— 31.1.) 12,0 | 12,0 6,00 | + 1,50 

Coniophora | 31.1IL—2.IV., 26,1 | 14,1 | 7,05 | + 0,45 

cerebella II 2. | 412| 151| 755 ||,,, | 005 

(Reagenz- 4.—6. | 256,6. | 715,4 27,70 | i — 0,20 

glas!) Bert || ar A 030 

A. | 25.111. — 27.111. 10,8 | 10,8 | 5,40 | 5123 

Polyporus 27.—29. 21,3 | 10,5 | 5,25 | + 1,38 

destructor 29.31. | 33,2 | 119 | 5,95 | + 0,68 

31.1IL—2.1V.| 46,3 | 12,9 | 6,45 | + 0,18 

IR 618 | 155) 75 (Te 

4.—6. 76,7 | 14,9 | 7,45 082 

6.—8. 9,9 | 14,2 | 710 | — 0,47 

8.—10. |106,1 | 15,2 | 7,60 098 

B. [25..—27.IIL) 11,3 | 11,3 | 5,65 | + 0,05 

(Reagenz- 27.—29. 22,1, | 11,4) 55,70 I +.0,00 

glas!) 29.—31. | 34,0 | 11,3 | 5,65 || © +0,05 

31.11.—3.1V.| 745,6) 11,67\75:80 — 0,05 

A: | 31.0797. #271 228102054 Bf 

Polyporus 2 —. 7,9 3,8 | 1,90 | + 0,56 

serialis 4.—6. 1152 3,3 | 1,65 | 2,46 + 0,81 

6.81 19,0 | 78 | 3,90 | — 1,44 

8.—10. 24,6 | 5,6 | 2,80 — 0,34 

B. | 31.11. 1V. | 97] 7 urMR5 —_ 

N 68 | 31| 1,55 — 0,02 

u} 10,8 | 4,0 | 2,00 \1,53 | —0,47 

Be 1231| 13 | 0,65 +0,88 

810.1 5,3.) 2) No | —0,07 

A a7 To. Po ea 05 + 0,00 

Polyporus 19.—21. 3,9 1,8 | 0,90 | — 0,05 

vulgaris 21.—23. 5,0 1,5 | 0,75 | + 0,05 

23.—25. 6,7 |:.1,7 | 0,85.| + 0,00 

2520. 8,3 | 1,6 | 0,80 + 0,05 

a9. 10,0 | 1,7 | 085 |\ 95 + 0,00 

2,3. 11,8:| > 1,8/[0,90 | ° — 0,05 

31: 111.22 4V. 113,5 | 71,72 100;85 + 0,00 

2m 15,2 | 69,7 0,85 + 0,00 

4.—6. 169 | 1,7 | 0,8 | + 0,00 

6.—8. 18,6 1,7 | 0,85 + 0,00 

8.—10. 2035| 1,7 | 0,8 | + 0,00 


[15] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstürenden Pilze. 49 


' ’ n mn 
h 8: ee 8 8273 RATE 
AR, Zeit des S5a| 25 | »® | Mittel- Ab- 
Spezies ı2s|38E|88| | 110; 
Wachstums 5” 5353| 3| wert | weichungen 
mm mm | mm | 
Rem ar tt 20 +0,39 
Paxillus 19.21. 821 41 | %05'|] 1 +089 
acherun- 21.—23. | 1233| 41 | 2086| + 0,39 
tius 23:—25. | 16,5 | 42 | 2,10.) | +0,34 
ar BR 2 3,10 | —.0,66 
2,9. 299 | 72 | 3,60 | 1 —4.16 
29031. 1342 | 043 | 2,15. 102% | +0,99 
3L.IIL IV. 3681| 39 | 1,95 | + 0,49 
2.—h. 43,2 Du] | 2,55 — 0,11 
4.—6. 484, 5,2 | 2,60 = 0:16 
6.8. 53,5 | 5,1 | 2,55 | a 01 
82108 386 | 51 | 2,507 I 0 


Zu meinem Bedauern mulste ich mich bei einigen 
Kulturen mit einer einzigen Röhre begnügen, da mein Vorrat 
an Kulturgläsern ziemlich beschränkt war. Die Versuche 
zeigen aber sämtlich mit Ausnahme des Polyporus serialis 
bei 26° eine gute Übereinstimmung, wenn man die Wachs- 
tumszunahme für je zwei Tage bei jeder Röhre unter sich 
vergleicht. Falls die Längenzunahme zunächst zu sehr von 
dem später erreichten konstanten Wert abwich, so wurden 
nur die letzten Beobachtungen dazu benutzt, um einen 
mittleren Durchsehnittswert zu berechnen. 

Bei Coniophora cerebella I und II und Polyporus de- 
structor benutzte ich aulser den grofsen Röhren von 29 em 
Länge auch gewöhnliche Reagenzgläser, die mit 10 cem 
Bierwürze-Agar beschiekt waren. Es ist auffällig, dals 
das Wachstum in den kleinen Röhren bei weitem geringer 
war als in den grolsen Gläsern, obwohl derselbe Nährboden 
genommen wurde. Diese Erscheinung wurde gerade bei 
Ooniophora cerebella in späterer Zeit nochmals geprüft. 
Hingegen wuchs Polyporus destructor annähernd gleich 
schnell in den verschiedenen Röhren. 

Es mögen jetzt die Beobachtungen der Wachstums- 
verhältnisse bei denselben Pilzen bei 24% und 26° im Monat 
Mai folgen. Zuvor sei bemerkt, dals die Pilze in der 

Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a.S. Bd.82. 1910. 4 


50 Kart, IorrMmAnN, [16] 


Zwischenzeit auf meinem gewöhnlichen Nährboden in Petri- 
schalen bei Zimmertemperatur kultiviert wurden. Hierbei 
fiel schon auf, dafs die Petrischalen allmählich immer 
schneller bewuchsen. Da dies Verhalten aber auch an der 
erhöhten Temperatur liegen konnte, war es unerläfslich, 
die untersuchten Pilze nach einer gewissen Zeit unter den- 
selben Bedingungen zu kultivieren. 


t= 240°. 
' un n | 
E80 el ae 

er Zeit des as 2E| ®e Mittel Ab- 

pezies :8|.8 E 

Wachstuns 5” | ,53S8,#3| wert | weichungen 
mm | mm | mm 

A. | 30.IV—3.Y. |; 9,2 |, 92 3,07 — 0,96 
Merulius 3.—6. 19,2 | 10,0 | 3,33 07, 
lacrıymans 6.—8. I A De | — 0,24 
il) 3550| 11| 055 |. + 1456 
Geimpft 10.10, 26,8 | 1,8 | 0,90 | ok He 1,21 
2y, 12-2 994, 20m 130 +0,81 
14.—16. | 34,0 4,6 | 2,30 | — 0,19 
16.—18. 38,7| 47| 2,35 | — 0,24 
18.20. 4330| 43 | 215 | — 0,04 
20.—22, 46,4 | 3,4 | 1,70 +0,41 
B. | 30.1IV.—3.V. 12,0 | 120 | 4,00 | — 1,89 
Geimpft 3.—6. 23,0 | 11,0 | 3,67 | — 1,56 
31.Iy, ge 2359| 29| 1,45 + 0,66 
8.—10. To IT| 0,85 + 1,26 
10.9: 2 1 + 0,96 
121. 1342| 43 | 2,15 (ll | 0,04 
14.—16. 33,8. 4,6 | 2,30 — 0,29 
16.—18. 43,1.| 4,3 |. 2,15 — 0,04 
18.— 20. 40| 09| 0,45 | + 1,66 
20. 22. 464) 24 | 1,20] + 0,91 
@2|,30y 22382 4,6 4,6 | 1,53 | + 1,31 
Geimpft 3.—6. 19,2 | 14,6 | 4,87 — 2,03 
22. 11. | ı 011 
BE. 281| 3,01 1,50 | + 1,34 
10-—12:430)4 | 128 + 1,69 
12.14. 362 | .58| 290. 1(2% | 0,06 
14.16, , | 40,5 | 74,3. 10:26, + 0,69 
16.180 1278 | a 3 — 081 
16720. 559 | 81 | 4,05 a 
20. 0624| 6,5 | 3,235 — 0,41 


[17|  Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. Sl 
N, ee a 
Be Zeit des 52 ®® &® Mitte-  Ab- 
pezies les|a5 | & I at 
Wachstums |5 "| 8 | 3 | wert | weichungen 
'ı mm mm mm | 
| | | | 
D.| avtam |au2 | ana do | +0,38 
Merulius ee ei ah 1,05 07 
lacrymans 8.—10. 6,011, | 1,16 MT 
101% 93| 33 | 1,65 — 0,67 
Dunkle 1212 | 1186| 83 | 1,15 os | —oo7 
Bier- 14.—16. 134 |° 1,8 | 0,90 + 0,08 
WUTZE 16.—18. 142 0,8, 0,40 + 0,58 
Geimpft 18-20. 159 17| 0,8 + 0,13 
29. IV. 20.—22. 7 | 0.90 | +0,08 
A. | 30.1V.—3.V. 12,0 | 13,0 | 4,00 | + 0,31 
Merulius 3.—$. 24,8 | 12,8 | 4,27 + 0,04 
silvester BE8. 3314| 86 | 4,30 | + 0,01 
8.10. 41,0 | 7,6 | 3,80 — 0,49 
Geimpft 10.19. 492 | 82 | 4,10 || | +021 
41.1V. 121 14 ler az | ass el | 0,04 
14.—16. 67,1| 92 | 4,60 — 0,29 
16.18. | 771 | 10,0 | 5,00 — 0,69 
18.— 20. 8348| 7727| 3,85 | + 0,46 
90 3, 94,9 | 10,1 5,05 — 0,74 
| | 
A. | 30.1V.-3.v.| ‘35,2 | 25,2 | 8,40 + 0,04 
Polyporus 3-6 49,8 | 24,6 | 8,20 + 0,24 
destructor 6.—8. 69,1 19,3 9,65 || | — 1,21 
8 1. 86,0 | 16,9 | 8,45 sa | — 0,01 
Geimpft ine 12% 109,1 Aufı)) 8,53 18° BE 
21.IV. 12514 111,7 \’ı66 | 8,30 |! + 0,14 
14.—16. |136,4 | 16,7 | 8,35 | + 0,09 
16.—18. [151,9 | 155 | 7,75 | + 0,69 
Bu AV -eov 1957| 1577,85 \ + 0,35 
Geimpft 6.—8. 34,0 | 183 | 9,15 1'820 | —0,9 
29. IV. 8-10: 49,2 | 15,2 | 7,60 J + 0,60 
| .e san | m 
A.| KV.—6.V. 39|0389| 1,95 | + 0,36 
Polyporus 6.—8. | 9,8 5,9 | 2,95 — 0,64 
vulgaris sl a1 | a3 | 215051 | 00,16 
Geimpft 104 28 1820 i,aı | 2/08 + 0.26 
29. IV. 12: 18, 23,1| 49 | 245 Ey.) 


BD KARL HoFrMAnN, [18] 


Mittel- Ab- 


Spezies ? 
wert | weichungen 


zuwachs 
Tages- 
zuwachs 


h '8 
Zeit ds |5 
Wachstums 5 


A. | 30.1V.—3.9.|2,98 | 9,8 | 397 


+ 0,03 
Polyporus 3.—6 19,8 | 10,0 | 3,33 — 0,03 
serialis 6—8. 2171| 73 | 3,65 ! 50,85 
Br 10. 334 | 6,3 | 3,15 | +0,15 
Geimpft 10.—12. 8391| 5,7, 285 yo, | +0,45 
21. IV. 12.14. Aa, | 1557 | 2,8610 || 1045 
14.—16 51,8 | 65 | 3,25 | + 0,05 
16.—18. 58,7 | ra | 3,70- | —0,40 
18.20. 65,1 | 6,4 | 3,20 + 0,10 
20 m. 25) 274 370 | — 0,40 
B. | 30.IV.—3:Y. | 11832 | 482 | 6,07 — 2,80 
Geimpft 3.—6. 271:5)203 | 3:40) | +0,17 
91, 2V. 6.—8. 33,8 |:ı63 | 3,15 +0,12 
| 87 10. 399 | 6,1 | 3,05 | +0,32 
102 12. 46,6 6,7 | 3,35 Mt: 
12.14: |:528|.62| 310 (27 | 0% 
il 60,2 | ı 74 | 3,70 — 0,43 
16.—18. 67,1|.69| 3,45 I 08 
18.— 20. 72,3 |.252| 2,65 +0,62 
02} 80,4 | 81 | 4,05 | 0,78 
A. 30: DV.- sv | 1082 | 210:2 78173 — 0,96 
Paxillus 3.—6. 18,0 | 7,8 | 2,60 | + 0,17 
acherun- 6.—8. 26,2 82 4,10 | — 1,33 
tius 8.—10. 30,9 | 4,7 | 2,35 + 0,42 
10.12. 361 1.552) 360. la -Fione 
Geimpft 12-14.“ | 412 | r551 | 2,55. (ZT I a 
22. III. 14. 16.2 | 46,3 | 541 | 2355 | +0,22 
16. 18. 522 59 2,9 || 0418 
18.—20. 56,8 | 4,6 | 2,30 | + 0,47 
20.203 61,0 | 42| 2,10 + 0,67 

| | 
Ba Ay 6,0 6,0 | 3,00 I 08 
Dunkle 6:8, , | .11,8 |. 5,3 | 268 +0,22 
Bier- 8.—10. 170| 5,7 | 23,85 + 0,02 
würze To 2921 5,1 | 2,55 | +0,32 
12.4. 28,0 | 5,9 | 295 1287 | 0,08 
Geimpft 14.—16.: | 33,9 | 5,9 | 2,95 — 0,08 
29. IV. 16.— 18. 40,7 | 6,8 | 3,40 0,53 
18230, 46,1 | 54 | 2,70 + 0,17 


20.222.8 | 5,6 | 1.5 | 9 | +0,12 


[19] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 39 


= Pe 

Zeit des | 3 ® ©3| &8 |miktel-|  Ab- 

Spezies au mes james | de MeRe 9 

Wachstums | ST I SS FR | wert | weichungen 
mm | mm | mm 
6.| LV-&Y. 115,8 015,8 | 290 | | (0,14 
Paxillus Eh. 1,7 o.ı9,9 | 2,85 — 0,19 
acherun- 8.—10. 16,3 4,6 | 2,30 | + 0,46 
tius 0 021,2 uts1 | 255-| | 
Dunkle 1% iA; 97,4 \n.46,0: | 300. [82,76 || #084 
Bier- 14.16. | 328 | 5,4 | 2,70 | +0,06 
würze 16—18: |-38,8 |: 6,0 | 3,00 | | 2094 
Geimpft tae=20:- — 444,9) 78,9-1- 4,95 0 
29. IV. 20.22. | 496 | 49 | 2,45 | +0,31 
t = 26,0°. 
A. | 30.1V.—5.V.| 18,1 | 18,1 | 3,62 | . uptgs 
Merulius 5.—1T. 26,2 8.10242052| \ — 1,39 
lacrymans 7-9. | 33,0| 68 | 3,40 — 0,76 
in and AT 2 + 0,31 
Geimpft 11.13. 40,4 | 2,7 | 1,35 112,66 | + 1,31 
21.1V. 13.—15. 43,0. | 2,6 | 1,30 | | EEE 1,36 
1 47,1 |1 4,1 | 3,05) | +0,61 
17-19) \6,50,8: 108,7. | 1,85..| | +0,81 
192. 559 5,1| 255 | | +0, 
Bl 30.1Y.—5.V.|. 187 | 187 | 3,74 | un 
Geimpft 5.—7. 24,8 6,1 | 3,05 | — 0,03 
a lV: 29, 32,9 | 81 | 4,05 | | —1,08 
9—11. | 4226| 97| 4,85 u 
1K—13!  19:51,8 |7,°9,2 |- 4,60-)% 3,02 — 
13.16: 555,2 93,2 | 1360 + 1,42 
15—17. | 570 | 1,8 | 0,90 +2,12 
in 08 1597 WR | 13 7467 
19,21. 63,4 |.2,7 | 185 | + 1,67 
| 

€. | 30.1V.-5.V.| 16,2 | 162 | 3,21 | — 0,84 
Geimpft 5 24,3 8,1 | 4,05 — 1,65 
21.IV. N, 31,0 | 6,7 | 3,35 — 0,95 
gi: 36,4. | 15,4 | 2,70 — 0,30 
11.18: 379| 15 | 0,75 4240 | +1,65 
13,—15: 3838| 09| 0,85 + 1,95 
in—1: 42,0 | 32 | 1,60 + 0,80 
IT 462 | 42 | 2,10 +0,30 


19.— 21. 50,5 nn3 | 2715- +0,25 


54 KARL, HOFFMANN, [20] 
8: sol , wm 
RE SS en 
Spezies ,eit des 2.5 sEe|l=eE Mittel- | ‚Ab- 
Wachstums | 5” IS 5 | wert | weichungen 
| mm | mm mm | | 
D. | 7.ve 08 4,0 | 40 | 2,00 — 0,35 
Merulius 9.—11 11,9 290 83:95 — 2,30 
laerymans 11.—13 | 16,2 4,3 | 215 | — 0,50 
Dunkle 13.—15 17,9 1,7 | 0,85 |21,65 + 0,80 
Bierwürze nl 19,0 | 1 | 056 | +1,10 
Geimpft 17.—19. 203 | 13| 0,65 + 1,00 
29.1IV. 19 3. 23,1 14,8 | 1,804) +0,35 
A. | 30.1v.-5.v. | 16,3 16,3 | 3,26 | | +0,46 
Merulius = 21,4 | 5,1 | 2,55 | I Sr 
silvester 7—)9. 25,0 6,6. 3,30 | | +0,42 
li 36,0 | 80 | 4,00 | 10,28 
Geimpft 1143. 44,1 | 8,1 | 4,05 113,72 | —-0,33 
ZU ANY 13.—15 5335| 94| 4,70 5 
Bin 60,6 | 71 | 3,55 | 1 SE 
17.—19 69,3 | 8,7 | 4,35 | — 0,63 | 
19 —21 7181| 88 | 4,40 — 0,68 | 
B.| 5.V.-%V. |1,4,2.0042 | 2710 +3,31 | 
Dunkle 7.—9 511,4 197,2 | 3604| + 1,81 | 
Bier- 9.—I1 20,9 95 | 4,75 + 0,66 | 
würze 18 31,2 | 103 | 5,15 ||. + 0,26 | 
13:15. | 226 | 11,4 | 870 (51 2 
seimpft 15.17. | 53,9 | 103) 5,657] — 0,24 
29. IV. 17, 19 64,0 | 10,1 | 5,08 | + 0,36 
19.—21 76,3 | 12,3 | 6,15 — 0,74 
| vv. esse Anl | +0,58 
Dunkle ne 8. 82 | 4,4 | 2,20 | + 0,28 
Würze 13% 15, 13.9 ,5,7.| >:B5%| 2 lan 
15.—17 190 | 5,1| 255.119 | 0,07 
Geimpft 1-19. | 23,6 | 4,6 | 2,50 +0,18 
29. IV. 1 286 5,0 | 2,50 — 0,02 
A.| 5.v—.v. | 1221| 122 | 6,10 | +33 
Polyporus ) 27,4 | 15,2 | 7,60 l | 4081 
destructor 9-11. 1423) 14,9 | 7,45 | +0,96 
14.13 58,9 | 16,6 | 8,30 |ı | +0,11 
Geimpft 13-154 lasm,s |wiedı ans + I 2 
21.1V. 15.—17. | 9,0 | 172 | 8,60 | | —0,19 
17.—19 111,1 | 16,1 | 8,05 | + 0,36 
19,—21 129,9 | 18,8 | 9,40 J — 0,99 


[21]  Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 


A & un 1 n| 
7 1 | E &n IE 85 "Mi | Ab 
Spezies Zeit des | 25 sE| SE ittel- ‚Ab- 

Wachstums 5” SS| FM 38 wert | weichungen 
‚ mm | mm mm 

B. | 5. V.—7.V 12,0 | 12,0 | 6,00 | + 2,35 
Polyporus 1.9. 28,1 | 16,1 | 8,05 | + 0,30 
destructor 9,—11. 43,7 | 15,6 | 7,80 | + 0,55 
1 18, 60,7 170 | 850 || ,„,. | —915 
Geimpft 13.—15. | 79,0 18,4 | 9,20 IS — 0,85 
DIIV. ln. 98,3 |, 19,2 | 9,60 | — 
17.—19. 1154 ut | 8580 — 0,20 
19.—21. 128,9 IE J + 1,60 
A.| 5.V.—7.V 19| 19| 0,9 + 1,08 
Polyporus 7.9. 5,2 3,3 | 1,65 | + 0,38 
vulgaris 9I.—11. 941.42 | 2310 || 007 
196 13: 1413| 49 | 2,45 || 02 
Geimpft 13 —15 180| 3,7 | 1,85 aaE + 0,18 
21.1V. 156 17, 22,0 | 40 | 2,00 |j + 0,03 
(19. 26,110°8.11 2705 — 0,02 
19.—21 30,38 | 42 | 2,10 — 0,07 
Bw VER} 3,2: 0812| 13605, + 0,53 
Geimpft 7a 72| 40| 2,00 | +0,13 
21.IV. IM. 1230| 48, 2,40 | — 0,27 
{1 18; 15,6 | 3,6 | 1,80 los | +33 
13.—15 20,2 | 4,6 | 2,30 | 7 
19 MM. 243| 41 | 2,05 | + 0,08 
17.19, 28,9 | 4,6 | 2,30 | lt 
19.—21. 330 | 4,1 2,05 + 0,08 

| | 

Ar | | 
A. | 30.IV.—5.V. | 11,4 | 11,4 | 2,28 | A108 
Polyporus 5.—7. | 204| 90| 4,50| — 0,94 
serialis To 2a: a; 4:70, — 114 
9.—11 3382| 84| 420 | — 0,64 
Geimpft nei 42,0 | 11,8 | 5,99 |\356 | — 2,34 
21.IV. 13.—15. 41,0 | 50) 2,50 | + 1,06 
15.—17. | 53,8 | 6,8 | 3,40 +0,16 
19, 592 | 5,4 | 2,70 + 0,86 
19,—21 66,3| 71 | 3,55 + 0,01 


56 Karı HoFFMARN, [22] 


D ı m „a 
Spezies Zeit des | Eu ge ® =  Mittel- ‚Ab- 
Wachstums |57"° | IS | 3 | wert | weichungen 
mm mm , mm 
| | 
B. | 30. 1V.-8.v. |eatla ot, | Xas- I 1,97 
Polyporus 5.— 7. | 22,8 | 11,4 | 5,70 — 2,15 
serialis 7.—9. ı 26,4 | 3,6 | 1,80 +1,75 
gar An) 25 | + 1,00 
Geimpft 11.13. [140,3 | 8,8 | 440 ||... | —085 
DAR. 13.—15. 47,2 6,9 | 345 |( + 0,10 
15 108 1159.00 Bes 3460 | —035 
1719: 60,2 | 5,2 | 2,60 | | +0,95 
1921. | 661 | 5,9 | 2,95 | | + 0,60 
| 
I N re WR 51 |. 51 | 23,55 ) +0,17 
Paxillus 79-4 700:9| 7400| Wräne) + 0,27 
acherun- 9 IE 15,3 | 5,4 | 3,70 | + 0,02 
tius 11.—13. 21,1 | 5,8 | 2,90 | 972 — 0,18 
13.—15 27,0 5,9 | 2,95 i 0,3 
Geimpft 156 17. 33,0 | 6,0 | 3,00 | | 098 
ZU. RVE 7 19. 38,0 5,0. 2,50 ] + 0,22 
19.21. 4235| 5,5 | 2,75 | 0,03 
B.i 5. vH 65 | 65 | 335 | | 20,31 
Geimpft 1.9. 121 5,6 | 2,80 | + 0,14 
21.1V. 9-11. | 185 | 6,4 | 3,20 | — 0,26 
0184 824,0 |Mis5'| zus, | ee 
13.—15 30,0 | 60 | 300 [7 | —0,06 
15:49 7 5028| + 0,09 
17.—19 a4 | 57 | 2,85 || + 0,09 
19.—21 47,1 5,7 | 2,85 | +0,09 
| 
A. | 30.IV.—5.V. | 53,3 | 53,3 |10,66 | + 0,54 
Coniophora 5.—17. | 74,6 | 21,3 |10,65 | ß + 0,55 
cerebella I 79. 100,5 | 259 |12,5 [11.201 A 
G. 21.1V. gr 11t 111982, | 70272 11955 | — 0,15 
| | 
B. | 5:01.78. |?17,9 |UR9:\ 885 +70 
Dunkle 1.—9. 47,6 | 19,7 14,85 Ya 
Bierwürze 9.—11. 80,0 | 32,4 | 16,20 | F — 0,24 
Geimpft 11182 nis, E83 1685 ee 
29. 1V. 13.15. |145,6 | 323,5 | 16,25 | — 0,29 


[23] _ Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 97 


Ü ı a a2 | 

R 283834 

Spezies Zeit des | aRıSE 25 Mittel- ‚Ab- 
Wachstums | & ER = | wert | weichungen 
ı mm mm | mm 

A. | 30.IV.—5.V. | 50,8 | 50,8 | 10,27 rd 
Coniophora 5.—T. ı 70,1 | 19,3 | 9,65 | + 2,37 
cerebella Il 1.9. 193,2) 23,1 | 11,55 | | +0,47 
Geimpft 9—11. .|118,3 | 25,1 12,55 1112,02 | — 0,53 
21.IV. 11.—13. 142,2 23,9 | 11,95 | + 0,07 
B.| 5.v-7.V. | 9,6.) -9,6| 4,80 | +9,98 
Dunkle 78. .|.27,4 | 17,8. | 8,90 | +5,82 
Bier- NET 50,8 | 23,4 |11,70 | + 3,02 
würze 11.—13. 17,1 26,3 13,15 | + 1,57 
Geimpft 13.15. 'P106,8°|° 29,7 | 14,85 \ 013 
239. IV. 15.—17. [136,0 | 29,2 [14,60 1114,72 | +0,12 
17.—19. 165,6 | 29,4 | 14,70 | | +0,02 


4. Abweichungen von den Resultaten Falcks. 


Aus diesen hier mitgeteilten Beobachtungen und Be- 
reehnungen geht ein mehrfaches hervor. Auch für diese 
Versuche stimmt das Längenwachstum meiner Pilzkulturen 
nicht mit den Berechnungen von FaArck!) überein. Im 
allgemeinen konstatierte ich allerdings auch eine sehr grolse 
Regelmäflsigheit im Vordringen der Mycelien; aber es sind 
auch einige wesentliche Ausnahmen zu berücksichtigen, die 
später ihre Besprechung finden sollen. Nach den Kurven 
von FALck?) hat Merulius laerymans bei 24° resp. 26° C. 
ein Längenwachstum von 3,2 resp. 0,0 mm. Meine Be- 
obaehtungen ergaben bei 24° an zwei Kulturröhren über- 
einstimmend 2,11 mm, eine andere Kultur zeigte 2,84 mm, 
eine vierte nur 0,98 mm. Noch auffallender ist die Ab- 
weiehung meiner Resultate bei 26,0%. Merulius lacrymans 
zeigte hier ein kräftiges Wachstum; das Mycel war sogar 
recht dieht gewachsen, dichter als bei 24,0%. Wenn wir die 
bereehneten Durchsehnittswerte betrachten, so erhalten wir 


1) Vgl. Falck, S. 86 und 92. 
2) Ebenda S. 92. 


58 Karı HOFFMANN, [24] 
immerhin eine recht ansehnliche tägliche Wachstumszunahme. 
Der Durchschnitt aus den drei Kulturen auf heller Bier- 
würze ist täglich 2,69 mm, auf dunkeler Würze dagegen nur 
1,65 mm.!) Hiermit ist gleiehzeitig der experimentelle Nach- 
weis erbracht, dafs es möglich ist, dureh Kultur den Pilz 
an höhere Temperaturen zu gewöhnen, als er beim Beginn 
der Untersuchungen vertragen konnte. Merkwürdig ist ferner, 
dals der Pilz auf dunkler Bierwürze bei 24° und 26° so 
bedeutend schlechter wuchs. Da dem Myeel ein derartiges 
Nährmaterial vorher nieht geboten war, scheint dies Verhalten 
darauf hinzuweisen, dals sich jedes Mycel erst an einen 
bestimmten Nährboden gewöhnen muls. 

Vergleichen wir fernerhin die von FALck für Merulius 
silvester?) berechneten Wachstumsgröfsen bei 24° und 26° 
mit meinen Resultaten. Er findet für 240:6,2 mm, für 
26°:6,64 mm, während meine Pilzkulturen — hierfür ist 
aus allen Beobachtungen der mittlere Wert genommen — 
4,31 mm und 3,37 mm täglich wuchsen. Schon aus diesen 
vergleichenden Betrachtungen geht aufs klarste hervor, dals 
die Fatcksche?) Ansicht von der Konstanz der Wachstums- 
grölsen ohne Berücksichtigung der Ernährungsgröfse des 
dargebotenen Kultursubstrates nieht riehtig sein kann. 

Wir wollen jetzt die Wachstumsverhältnisse der an- 
geführten Pilze bei 24° und 26% im März und April mit 
denen im Mai vergleichen. Hierbei möchte ich bemerken, 
dals die von mir benutzten Thermostaten täglich sechs- bis 
achtmal kontrolliert wurden und dafs die Temperatur- 
schwankungen im Maximum 0,6% betrugen. Die äulseren 
Bedingungen waren also für die Pilzkulturen zu den ver- 
schiedenen Zeiten dieselben; etwaige Abweichungen müssen 
auf andere Ursachen zurückgeführt werden. 

Dafs Merulius lacrymans nach wochenlanger Kultur bei 
26° ein anderes Wachstum zeigte wie vorher, war schon 
besprochen. Besonders möchte ich auf eine Kultur hinweisen, 
die vom 27. IIIL.—10. IV ein tägliches Wachstum von 1,93 mm 


ı) Vgl. Mez, Der Hausschwamm, S. 60 und 61. 
2), Vgl. Falck, S. 86. 
») Ebenda S. 119 und 120. 


[25] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 50 


bei 24° zeigte. Dieselbe Kulturröhre, die in der Zwischen- 
zeit in Zimmertemperatur gehalten war, zeigte im Mai ein täg- 
liehes Durehsehnittswachstum von 2,34 mm. Obwohl in 
dieser Zeit der Feuchtigkeitsgehalt der Luft in der Kultur- 
röbre ein geringerer wurde, wuchs der Pilz nach wochen- 
langer Gewöhnung an das eine Substrat unter denselben 
äulseren Bedingungen bedeutend besser. 

Diese auffallenden Verhältnisse — das bessere Wachs- 
tum nach wochenlanger Kultur auf gleichem Nährboden —, 
die auch bei den anderen untersuchten holzzerstörenden 
Pilzen beobachtet werden konnten, mögen der besseren 
Übersicht wegen in einer Tabelle zusammengestellt werden; 
hierbei soll das Waehstum in den einzelnen Röhren auch 
besonders aufgeführt werden; Mittelwerte aus einzelnen 
Beobachtungen wurden nicht berechnet. In der letzten 
Kolonne dieser Tabelle seien die Abweichungen angeführt; 
wenn es im Mai besser als im März bis April war, so wurde 
die Differenz mit +, im anderen Falle mit — bezeichnet. 


= 
3 | | Tigliches Wachstum im 
Der 
= B 
Spezies = | März —Apri Mai ı Abweichungen 
8 mm | mm mm 
Merulius KR e 211 211 -+018 +0,18 
lacrymans 19 | 284 098 | +o91 —0,8 
ser ar OB ao 300 
| ) 240 1655| +240 +1,65 
Merulius 240 | 3,21 4,31 + 1,10 
silvester | 
MANOR 3,72 +2,31 + 3,316 
26° 0,404 541 | -+400 + 5,006 
— 2,48 or Te 
Polyporus 240 | 5,61 Er PER al 
destructor | 
6,63 8,41 N 
En 5,70 8,35 la 272706, 


60 KARL HOFFMANN, [26] 
Z | Tägliches Wachstum im 
En | | : 
Spezies = März— April | Mai | Abweichungen 
5 | mm | mm | mm 
Polyporus PER EEE ae | + 0,97 
vulgaris | 
26° 0,85 2,038. ., 215. Sr 
Polyporus 24° | ..2,43...| 3,30..3,27 |... 0,87 7-2.0,84 
serialis | 
s 2,46 3,56 +1,10 +2,03 
” 1,53 3,55 +1,09 +2,02 
Coniophora | go | 1530 | 1120 1 —410 +4,78 
cerebella 1 6,42 | 15,96 +0,66 + 9,54 
RE BEE Ra EEE. 
Coniophora 960, 10,20 12,02 | +182 + 452 
cerebella II 7,50 14,72 | +452 +7,22 
Paxillus 2,82 2,77 —0,05- 07 
acheruntius | 24° 2,00 | 2,87 +0,05 + 0,87 
ix 2,76 —0,06 +0,76 
2,72 +0,28 
260 2,44 2.94 +0,50 


Wenn wir diese Gegenüberstellungen in der Tabelle 
betrachten, so fällt sofort auf, dals die Verschiedenheiten 
im Wachstum der Pilzmycelien zu verschiedenen Zeiten 
ganz beträchtliche sind. Im allgemeinen hat das Wachstum 
zugenommen und nur bei einer verschwindend kleinen An- 
zahl hat es sich nach den Tabellenwerten vermindert. Bei 
keiner Spezies ist eine allgemeine Abnahme im Längen- 
wachstum zu verzeichnen, sondern nur bei einzelnen Röhren, 
die sich durch ihr kräftiges Wachstum von vornherein aus- 
zeichneten. Aber auch diese Individuen sind nach der 
wochenlangen Kultur von derselben Spezies auf nach dem- 
selben Rezept gebautem Nährboden, unter denselben Be- 
dingungen erwachsen, in der täglichen Längenwachstums- 
zunahme überflügelt worden, so dals wir zu dem Schlusse 


[27)  Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 61 


berechtigt sind: Kein Pilzmycel hat ein konstantes Wachs- 
tumsvermögen, das während seiner Kultnr invariabel ist. 
Vielmehr ist es bei jedem Pilz möglich, ihn durch geeignete 
Kulturmethoden, insbesondere durch fortdauernde Gewöhnung 
an einen Nährboden, in seinem Wachstum weiter zu fördern. 
Es ist allerdings selbstverständlich, dafs das Wachstum 
einmal einen Grenzwert erreicht, wo eine Wachtums- 
steigerung durch Kultur nicht mehr erreicht werden kann. 
Ferner stehen die physiologischen Punkte, insbesondere das 
Optimum nicht fest. Es kommt darauf an, unter welchen 
Bedingungen der Pilz gelebt hat, wenn wir ihn im 
Laboratorium untersuchen. Meine Beobachtungen, ins- 
besondere der Versuch mit Kultur von Merulius lacrymans 
bei 26°, zeigen aufs deutlichste, dals der Temperaturumfang 
eines Pilzes ebenfalls variiert werden kann.!) 

Auch die individuellen Abweichungen sind bei den 
untersuchten Pilzmycelien teilweise ziemlich bedeutend. Ich 
weise insbesondere auf die verhältnismälsig grolsen Unter- 
schiede im täglichen Längenwachstum bei Merulius laerymans 
und Merulius silvester in den Beobachtungen im Mai hin.?) 
Merulius siwester B ist nun über 100°)/, besser gewachsen als 
Merulius silvester C (bei demselben Nährboden und derselben 
Nährstoffmenge). Im allgemeinen sind diese individuellen 
Abweiehungen nicht so grols; dies liegt an den gleichen 
Bedingungen des Wachstums. Wenn diese aber nur in 
geringem Malse sich unterscheiden, z. B. im Feuchtigkeits- 
gehalt der Luft, so zeigt sich die Verschiedenheit auch im 
Längenwachstum. Wirklich, vollkommen übereinstimmende 
Längenzuwachswerte habe ich nur in seltenen Fällen erhalten. 

Aus den angeführten Beobachtungen geht weiterhin 
aufs klarste hervor, dals FaLcks?) Lehre von der Kon- 
stanz der Wachstumskraft der Pilzmycelien (auch in der 
Kultur) nicht zu Recht besteht, dafs es fernerhin wesentlich 
auf den Nährboden ankommt, der dem Pilz zur Ver- 
fügung steht. Ein Ubermafs an Feuchtigkeit z. B. schädigt 


!) Vgl. Mez, Der Hausschwamm, $. 59—61. 
2) Vgl. oben S.53 und 54. 
®) Vgl. Falck, S. 119 und 120. 


69 Karı HOFFMANN, [28] 


das Wachstum der Pilze schwer, und bei Kulturen in 
Petrischalen ist es möglich, dals reichlich vorhandenes 
Kondenswasser die Ausbreitung des Mycels hemmt und eine 
kräftige Entwieklung hindert. Derartige Fälle sind mir bei 
meinen Kulturen sehr häufig begegnet. 

Doch wir können aus den mitgeteilten Daten noch 
mehr ersehen. Merulius lacrymans zeigt in seinem zwei- 
tägigen Längenwachstum sowohl bei 24°!) als auch bei 262) 
die sonst fast allgemein beobachtete Konstanz des Längen- 
wachstums in gleichen Zeiträumen nicht; ebenso z. B. Poly- 
porus serialis?) bei 26°. Dieses auffällige Verhalten weist 
daraut hin, dals bei den angegebenen Temperaturen schon 
Sehädigungen im Mycelwachstum eintreten, die der Pilz erst 
überwinden muls, um dann weiter vordringen zu können. 

Wie PFEFFER nachgewiesen hat,t) haben die aus- 
geschiedenen Stoffwechselproduckte nicht nur auf die repro- 
duktive, sondern auch auf die vegetative Tätigkeit ver- 
schiedener Pilzmycelien eine hervorragende und entscheidende 
Bedeutung. Während Mucor racemosus und einige andere 
Mucor-Arten im Innern einer ihr gebotenen Zuckerlösung 
in Form von hefeartigen Sprossungen wuchsen, traten sie 
an der Oberfläche der Nährlösung ebenso wie auf festen 
Nährböden in der gewöhnlichen, sporangienbildenden Form 
auf. Kress hat gezeigt,5) dals auch bei Einwirkung von 
Citronensäure und anderer verschiedener Bedingungen diese 
Hefetormen des Mucor auftraten. Andere Versuche, welche 
SCHULTZ, BIERNACKI, RICHET$) ausführten und welche die- 
selben Verhältnisse an Hefe und Bakterien gezeigt hatten, 
veranlalsten neben eigenen Untersuchungen PFEFFER zu dem 
allgemeinen Satz, dafs „verschiedene Tätigkeiten des Stoff- 
und Kraftwechsels durch kleine Mengen anorganischer und 
organischer Gifte in regulatorischer Weise beschleunigt 
werden.* Auch die Untersuchungen von RICHARDS’?) an 


1) Vgl. oben 8.50 und 51. 

2) Ebenda S. 53 und 54. 3) Ebenda $. 55 und 56. 

“) Vgl. Pfeffer, Pflanzenphysiologie II, S. 135. 

5) Vgl. Klebs, Bedingungen der Fortpflanzung, 1896, S. 509. 
6) Vgl. Czapek, Biochemie II, S. 892. 

?) Ebenda S. 893. 


[29] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 63 


Aspergillus niger beweisen, dals die Gesamttätigkeit und 
einzelne Funktionen in mannigfachster Weise dureh Qualität 
und Quantität der Nährstoffe und Nährstoffgemische, sowie 
dureh die eigenen Produkte beeinflulst werden. Da nach 
meinen Resultaten die tägliche Wachstumszunahme gewissen 
Schwankungen ausgesetzt ist, so ist der Gedanke, dals bei 
den Pilzmyeelien derartige Stoffwechselprodukte Grund für 
die kleinen Unregelmäfsigkeiten im Längenwachstum sind, 
durchaus nicht von der Hand zu weisen. 

Wenn auch durch das kurze Herausnehmen der Kulturen 
aus dem T’'hermostaten bei der Kontrolle kleine Störungen 
im Wachstum bedingt werden, so kann bei der Beurteilung 
dieser kleinen Schwankungen dieser Fehler nieht in Betracht 
kommen, da er stets in gleichen Intervallen zu denselben 
Zeiten wiederkehrte und demnach jedesmal im selben Sinne 
wirken mulste. 

Auch ein Vergleich mit den Farckschen Resultaten 
zeigt genau dieselbe Erscheinung.') Wenn auch die Unter- 
schiede unter einander oft sehr gering sind und ihre genaue 
Abmessung manchmal ziemlich schwierig ist, so zeigt doch 
die stete Wiederholung dieser Beobachtung die Tatsache 
aufs deutlichste. Wir müssen also sagen, dals die Konstanz 
im Längenwachstum der Pilzmycelien nicht diejenige ist, 
welche zu erwarten wäre. Absolut genommen sind die 
Unterschiede oft sehr gering, da überhaupt nur kleine Werte 
gemessen wurden; relativ, prozentualiter sind die Fehler 
und Abweichungen ziemlich bedeutend.?2) Aus diesem Grunde 
kann ich mich auch mit den Schlüssen, welehe FALck 
bezüglich der Speziesunterscheidung auf die „konstanten“ 
Wachstumsdaten begründet hat, nicht einverstanden erklären. 
Wenn ich viele Parallelversuche mache und aus allen Be- 
rechnungen den mittleren Wert nehme, so erhalte ich 
Resultate, von denen die einzelnen Beobachtungen öfters 
allzusehr abweichen. Diese Methode schaltet die einzelnen 
Individuen aus; sie erklärt es, dals FALck seine sehr 
fleifsigen Beobachtungen nieht in richtiger Weise inter- 


1) Vgl. Falek, S. 91. 
?) Vgl. die letzten Kolonnen in den Tabellen auf S. 59 und 60, 


64 KARL MOrFFMARN, [30] 


pretierte und so zu seinen Ansichten über die vollkommene 
Konstanz des Wachstums der gleiehartigen Pilzmycelien 
kam. Die individuellen Abweichungen sind, wie gezeigt, 
sehr grols und es ist daher nieht möglieh, sie durch 
Mittelwertbereehnungen im Einzelfalle zur Artbestimmung 
zu benützen. 

Eine weitere Frage, die sich bei meinen Untersuchungen 
ergab, war die nach der Abhängigkeit des Mycelwachstums 
von der Form der Kulturgläser. In kleinen Reagenzgläsern, 
die mit weniger Nährmaterial besehiekt waren, als die 
grolsen Röhren, war das Wachstum geringer, obwohl der 
Nährboden im Verhältnis zur Grölse der Gläser dieselben 
Höhenverhältnisse zeigte.) 

Um dieser Beobachtung näher nachzugehen, machte ich 
Kulturversuche mit Coniophora cerebella I in 4 grolsen Röhren 
(29 em) mit 35 eceem Nährmaterial und 3 kleinen Röhren mit 
10 ecem Nährmaterial. Diese Kulturen wurden der bequemeren 
täglichen Kontrolle wegen auf einem Tisch in Zimmertem- 
peratur gehalten, so dafs die Temperaturverhältnisse zwar 
verschieden, aber für die Röhren die gleichen waren. Die 
Zimmertemperatur betrug in der Beobachtungszeit 14—17° C, 


IR cerebella I. GENDDE 5. V. 1909. 


Gesamtlänge in mm 


116. lar. 18. 19.20. 24 |22.|23. 
a IV. IV: Wollt, 


Me 2 HIER 


TAKAKAkAKAkAK 


alsakahlrelsut Ira ea 


| 
4,7 
38 | 3,2) 5,4 8,713 ‚5 19,0 23,7129,9 35,4 42,6 49,7 56,6 .64,9173,0 82,1 
& = 3,37 7,1112,5/18.4 24,5 29,9 36,2]43,8 50,4.58.1.65,8173,6 82,2 92,0 
> 


2,1] 4,2 7,211,9 17,4123,1/28,6,33,6 40,8 47,6 54,2 62,0 70,9/80,0 
5,0, 9,2113 ‚s| 19,5.25,7131,2 38,3145,1 53,2 61,6,68,6 76,7 86,1 
0,9| 4,2) 8, 0 13,0.17,5 22,6 29,3,35,2 41,5) 49,0 56,0 63,6,71,3179,8 
3,9, 5,2) 8,014,0 19,2 24,6 30,8 37,8 14,9152,459,0.67,7 70,4 85,4 
2,4 5,3 10,2115,4'20,2 26,2|32,1/38,5 45,0 53,1 60,4/69,0 77,7) — 
2,9| 4,8| 8,1113,3.20,0/25,0131,8/38,3/45, 454,2 61,1 169,0, — | — 
3,1) 5,1110,0/16,2,21,8 28,2]34,8|41 ‚4,49,0 56,5 64 ‚071,8179,6| — 
5,0, 8,418,0118,1,22,9|29,7/35,8|42,8 49 ‚9.56, 5.63,0,69,4 — 
1,8) 3,9| 7,6.13,5[19,425,1| — = — | — | — 


Kleine 
Röhren 


RD 
= 


lesw moaeveyau> 
"oo 


1) Vgl. oben S.47 und 48, 


[31] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 65 


ars Wachstumszunahme “ mm 


9. 110. |11.| 12. |13. | 1%. | 15. | 16. |17.|18. 19. |20.| 22. 
bis bis bis, bis bis bis bis | bis bis EEE bis bis 


Kleine 
Röhren 


2,9/1,913,3 5,2|6,7 5068/65 71 188|69 7,9| — | — 
3,112,0|4,9| 6,2 5,6 | 6,4 6,6 |6,6 17,6 7,5 7,5 7,8178, — 
3,012,013,4 4,6 15,148 | 6,8 ol U = 
1,8:12313,715,9159|5,7|.— 1 — | —-I—-| —-|—|- 


10. | 11.12. 13. 14. 15. 116. 117. 118. ‚19. | 20. 23, 
re ri un De 
sel [474561169157 174 6,8 18,4 TUSO 72 Aa 
22 | B [2,2 3,213,3|5,1|5,2|4,716,2 5,5 7,2|7,1/6,9/8,3 18,1 19,1 
32] C 13,3|3,8|5,4|5,9|6,115,4 6,8 7,6 6,6 |7,717,717,818,6 9,8 
D |2,1|2,11|3,0|4,7 5,5 |5,715,5 |5,0 |7,2|6,8 6,6 7,8 5,7193 
a [18|3,2/4214,6|5,76,2|5,5|7,1 6,8|8,2|8,4 7,0 8,1 9,4 
b [0,91|3,3|38|5,0145 |5,1|6,7|5,9 6,31 7,5|7,0 7,6 [7,7185 
E 3,9 11,3 12,8 6,015,2|6,416,2|7,0 7,1|7,5| 6,6 [8,7 [8,7 | 9,0 
d 124|2,9|49|5,2|4,8 6,0 [5,9 /6,4|7,0|81|7,3/8,6|8,7| — 
e 
f 
g 
h 


Aus der letzten Tabelle sehen wir wieder bestätigt, dals 
die individuellen Abweichungen teilweise sehr beträchtliche 
sind. Falls keine Unterschiede unter den einzelnen Kultur- 
röhren bestünden, so mülste wenigstens bei A—D oder a—h 
die Wachstumszunahme an gleichen Tagen dieselbe oder an- 
nähernd die gleiche sein. Dies ist aber nicht der Fall. Die 
individuellen Abweichungen betragen in den ersten Tagen 
über 200°/, und sinken allmählich infolge der Gewöhnung 
an das Kultursubstrat bis zu ea. 20%/,. Derartige Verschieden- 
heiten lassen es unmöglich zu, die individuellen Abweichungen 
unberücksiehtigt zu lassen. 

° Diese individuelle Verschiedenheit kommt uns besonders 
deutlich zum Bewulstsein, wenn wir das Gesamtlängen- 
wachstum in Röhren gleicher Länge betrachten. A wuchs 
in 14 Tagen 99,2 mm, D dagegen nur 80,0 mm; a wuchs 
86,1 mm, b aber nur 79,8 mm. Dieselben Unterschiede sind 
auch ” Vergleichen an anderen Tagen zu bemerken. 

Wenn wir nun von diesen individuellen Verschieden- 
heiten absehen und das Mittel aus dem Gesamtlängenwachs- 
tum der grofsen Röhren A—D mit dem mittleren Wachstum 
der kleineren Röhren a—h vergleichen, so finden wir weitere 
Abweichungen. Diese mögen in einer Tabelle folgen, in 
der die Durchschnittswerte von A—D mit denen von a—h 

Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a. S. Bd. 82. 1910. 5 


66 


KARL HOFFMANN, [32] 


an verschiedenen Tagen verglichen werden. Das Mehr an 
Längenwachstum in den Röhren A—D ist mit + bezeichnet. 


) =) o 
a 57 > & 
| DIE I e 
a ar) = 
Unze 6) 9) 
| Ar 
Al  —- u = 
| o =) =) 
. [or} a K= 
al 3 n - m 
np > Ss Ge) 
S S =) 
& a ıD > 
ir en £ en 
a E #5 ö: 
I ST Deus,s, 
En m ER n 
Sage: 
= MENT INGEN] 
arg = > aD 
> in a a 
iD e) L 
a er Mal SO E5% 
Er Sr > Sa 
== > Im S cn 
5 22 lie SIE os, Xoy 
© > 167) 
Ei Sr 
rn = en m 
TIP mat Te’ 
ra u a + 62) 
2. || + = a 
Fra A) Br) it 
ano amasHiIr arzeo 
4 j | >) = a 
4 | & 15 a 
Au a au rc 
an Al En 
| o© ın ın 
+ ” a er SR 
| a S N} 
EREN — ur: - rr z 
|| =) a 6) 
BD | D — YcH 
vr | = = = 
Dur seh > —- 
EIN =) =) a 
& 2 2 U 
2 S 20 & 
or SIR SS 
E Uch a 2 
Mei SS << 5 
| | fr 
| m ——— 
| rS 
Iz.8 3 
| © = 5 | a = 
Fi > 
SEE | 2 2 
Ser MUE 
ya | << ® > 
DEE enmuah) 4 
Aa = 


Diese Gegenüberstellung zeigt 
uns aufs deutlichste das stärkere 
Längenwachstum in den grolsen 
Röhren. Im Verhältnis zur Glas- 
grölse war den Pilzen in beiden 
Arten Röhren ungefähr dieselbe 
Nährstoffmenge geboten; dagegen 
war die eigentliche Nährstoff- 
menge in den Kulturen A—D 
grölser: Der Pilz bildete hieriı 
auch stärkeres Mycel. Auch die 
Feuchtigkeitsverhältnisse der Luft 
sind nieht die gleichen. Doch ist 
es schwer, hierüber bestimmte 
Angaben zu machen. 

Jedenfalls können wir aus 
den soeben angegebenen Be- 
obachtungen den klaren Schlufs 
ziehen, dafs auch die Form der 
Kulturgläser und der dadurch 
bedingte Feuchtigkeitsgehalt der 
Luft auf das Wachstum der Pilze 
einwirkt. Auch hieraus ersehen 
wir wieder, dafs kein Pilz eine 
konstante Wachstumskraft hat, 
unabhängig von den ihm ge- 
botenen Bedingungen. 

Ich hatte bereits von den 
Abweichungen in der täglichen 
Waehstumzunahme bei konstan- 
ten Teemperaturverbältnissen ge- 
sprochen und insbesondere auf 
das Verhalten von Merulius 
lacrymans bei 24° und 26° hin- 


gewiesen, wo das unregelmälsige Wachstum besonders klar 


hervortritt. 


Auch die andern untersuchten Mycelien zeigen 


solche Abweichungen, wenn auch nicht in so deutlichem Malse. 


[33]  Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 67 


Wir müssen also nach der Ursache dieser Schwankungen fragen. 
Dafs diese nieht in der kleinen Störung bei der Kontrolle be- 
gründet sind, darauf war schon hingewiesen, auch waren schon 
die Stoffwechselprodukte zur Erklärung herangezogen worden. 
Auch auf die allmähliche Gewöhnung des Pilzes an das 
Substrat war bereits aufmerksam gemacht. Es ist hier auch 
darauf hinzuweisen, dafs die gegebenen Ernährungsbedin- 
gungen bei der angewandten Kulturmethode in langen Röhren 
keine konstante sind. Nahe am Verschluls der Röhre sind 
der Nährboden und somit die gebotenen Nährstoffe viel 
dünner und geringer als am Ende der Röhren. Die Nähr- 
sehieht nimmt an Stärke allmählich zu. Ferner nimmt der 
Feuchtigkeitsgehalt der Luft über dem Substrat im Laufe der 
Zeit ab; dieses kann so trocken werden, dafs das Wachstum 
des Pilzes geschädigt wird. Wenn auch nicht ausgeschlossen 
ist, dals der Feuchtigkeitsgehalt der Luft in den Röhren 
nach dem Ende zu im selben Malse zunimmt, wie er infolge 
der Verdunstung allgemein abnimmt, so kann dies doch 
nicht die Tatsache der verschiedenen Ernährungsgröfse zu 
verschiedenen Zeiten bedeutungslos erscheinen lassen. 


5. Einflufs der Luftzirkulation auf das Mycel. 


Um zu untersuchen, ob die Luftzirkulation und damit 
die Sauerstoffzufuhr, die für die Pilze sehr wesentlich ist, 
durch den Wattestopfen, mit denen die Kulturröbren ver- 
schlossen waren, irgendwie beeinflulst wurde, wurde folgender 
Versuch angestellt: Einige Reagenzgläser wurden bis zu 
vollkommen gleicher Höhe mit halbgesättigter Hydrochinon- 
lösung, die den Sauerstoff begierig an sich reilst, gefüllt; 
zwei Röhren wurden nicht verschlossen und zwei andere 
erhielten einen Wattepfropfenverschluls. Es stellte sich nun 
heraus, dafs die Rotfärbung der Hydrochinonlösung in allen 
Röhren gleichen Schritt hielt. Man konnte diese Verhält- 
nisse daran erkennen, dafs die Rotfärbung in der Lösung 
nicht gleichzeitig eintrat, sondern allmählich von oben nach 
unten fortsehritt. Die Grenze war ziemlich scharf, so dals 
genaue Messungen vorgenommen werden konnten. Die 
bei dieser Verfärbung in Betracht kommende Diffusion war 

5* 


68 KARL HOFFMANN, [34] 


in allen Röhren gleichmälsig zu beobachten, kann also un- 
berücksichtigt bleiben. Die Höhenmessungen der rötlich 
gefärbten Sehieht wurde bei allen Röhren gleichzeitig vor- 
genommen und die erhaltenen Werte, die also den Fort- 
sehritt der Sauerstofizufuhr gleichermalsen abbilden, in einer 
Kurve zur Darstellung gebracht. Die punktierten Linien 
geben den Fortschritt der Rotfärbung in den verschlossenen, 
die ausgezogenen Linien den Fortschritt der Verfärbung in 
den offenen Röhren. 


8 10122 4 6°°8 10,12 274 6 8.10.1202 74 76 -87)0 12 2 ZA Ten 


Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend 


Fig. 1. 


Wir sehen aus dem Verlauf dieser Kurven deutlich, 
dafs die Wattepfropfen die Luftzirkulation und somit den 
Sauerstoffaustausch nicht beeinflussen, so dals also durch 
den Verschlufs der Kulturröhren mit Watte sich keine Fehler- 
quellen ergaben, durch die das Wachstum der Mycelien in 
ungünstigem Sinne beeinflufst werden kann. 


6. Bedeutung des Tageslichts und der Dunkelheit für das 
Wachstum der Pilzmycelien. 


Eine weitere von FALck nicht verfolgte Frage, die sich 
mir bei meinen Untersuchungen aufdrängte, war die nach 
der Abhängigkeit des Mycelwachstums von der Be- 
leuchtung. Um diese zu untersuchen, stellte ich in meinem 
Arbeitszimmer zwei grölsere Gewächshäuser auf. Das eine 


[35] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 69 


war vollkommen dunkel, mit schwarzen Glaswänden; das 
andere, von gleicher Gröfse, hatte durchsichtige, weilse 
Glaswände. Diese beiden Kulturkästen wurden nie vom 
Sonnenlicht getroffen, so dals die Temperatur in den beiden 
Kästen vollkommen die gleiche war. Diese wurde ebenfalls 
täglich mehrmals beobachtet und nie wurden Abweichungen 
konstatiert. Der Temperaturumfang war in der Zeit der 
Untersuchung 15,70—17,5° Celsius. Zum Vergleich wurden 
gut angewachsene Kulturröhren benutzt, die schon eine 
Länge von wenigstens 10 em Länge erreicht hatten. 

In der dritt- und zweitletzten Kolonne der folgenden 
Übersichtstabelle sind die Mittelwerte aus den verschiedenen 
Röhren berechnet, in der letzten Kolonne die Differenz 
des Wachstums im Dunkeln und bei Beleuchtung an- 
gegeben: Etwaiges Mehrwachstum im Dunkeln wurde mit 
+ bezeichnet. 


an 


| 


| en] a 
ld 58 3 s Mittelwerte 
£ SE ae]. | EN 
Snezi Zeit des aaa wo | Diffe- 
pezies I aa8 338138 8. 8 a 
Wachstums | |3°5 |3 2525325 renzen 
"—D 1) oe o* 
Süsse 


Ir 
| 
I) 


| 
|| 


T = — Tee 
| | 


Paxillus 22.V.-28.V.\A| 120 |A | 11,1 } | | 
acheruntius B| 1239|B| 109| 12,45 | 11,00 | +1,45 
| | | 
ZB I. VI. | A 125,9 0877250 01000 an | n 
B| 261 |B| 25,6 2500 25,30 | + 0,70 


| 


Polyporus |22.V.—28.V. A| 6,7 A, 64\ 
vulgaris IB 761-1 — | 


28.V.-9.VL|A| 11,5 |A,| 19,6 |} 
ya oc 0 ’ 


Fe A 7 Pe 
Merulius |22.v.—28.v. A 120 A| | 


silvester ıB| 189 


| | 
28.7.-9,VL A| 375 | A| 373 
B:| 2%3:|;B.| Sr 


8 ä 
; 16,45 Hua) a nal 


| | 
132,10 32,20 + 0,20 


70 KARL HOFFMANN, | [36] 


Mittelwerte 


Eee 
5 Zeit des 8233| 12,3 ,.= = | Diffe- 
Spezies = 25/29 u... © &ın 
. Wachstums 8233| 3=°252 2135 2 |renzen 
| ii A ea + 
ra Fear 
Merulius |22.V.—28.V. A| 183 |A | 10,9 
laerymans IB | 12,9 |B 9,7 | an \ 
1113,82 | 8,8 5,02 
C.|.13,0 | C |" + 5,8 1 ln 
Di 


28. V.—9.VL| 
40,95 | 37,80 | + 3,15 


Meruliu‘ |22.V.-28.V.| A| 28 A| 41| | | 
favosus B 63|B, 44 |, 5220| 4,53 | + 0,67 
| salc| 51 J | | 


38.V.-9.VL.\A| 143 A| 102| 
Bea 1 12,38 11,45 +0,93 


Polyporus 28.V.—9.VI. A| 35,4 IA 30,2 
vaporarius B| 36,3 | ıB| 30,1 


I ‚85 30,15 4 5,10 


Um die individuellen Fehler auszuschalten, wurden am 
9. IV. die Kulturen, die bisher ohne Beleuchtung gewachsen 
waren, dem Tageslicht ausgesetzt und umgekehrt die anderen 
Röhren weiterhin im Dunkeln kultiviert. Die Ergebnisse 
folgen in der anschliefsenden Tabelle. 


[37]  Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 71 
Wachstum bei Par Temperatur. 
a er = E Mittelwerte 
=; uf = ı D 
3 Zeit des 7-2: 552|,% = | Diffe- 
Spezies © a„a2Pole oO m _ 9% 
“ Wachstums PIC 3). [8°8153258[8258 renzen 
RS -— | | 9 m# 
ZI: 
"0 rn = — — © — T = 2 nn. 
Paxilus |9.vL.-1T.VvIlA| 161 Al 50h. 
acheruntius 'B 51661] Bl 15,2 151685), 15,10| 1,25 
_— — == .— zn Is u _ — — 
Polyporus |9.VL-1T.VL|A 78 |A| 96 n 3 
vulgaris —| — [/B 1,2 } 2,800 1200 IEBSDITE 
Merulius |9.vL.—17.VL|A| 230 |A| 214 None roman 
silvester Bj 1816ER 17,0 ‚201 7°1,35 
70” Ba Paar 
Merulius  |9. VL—ı7. v1.) A| 371 A| 20,1 
lacrymans BB? 738,77 1,B 131,2 | Se ; 
c| ıs2 [ec 242 a 25,95 + 4,72 
D| 280|D| 283 
E | | R 
Merulius 9.VL-17.VL.|A| 69)A| 89 
favosus B| 95|B| 70 aan a - 
7,52 50 + 0,02 
GlniesLLeE55 | ee 
D|'so|D| 86 
| | 
72V. 23. V1.\ Ar, 57,0" A-|. 16,3 \ 
B| 95/B| 95 1800| 7,371 +0,63 
el sol 63 
Bl | 
Polyporus |9. VL—17.VL A 190 A| 191 re! t 
vaporarius 'B| 25|B| 18,7 1120,75 | 18,90 | + 1,85 
= ratal | | 
Polyporus |17.V1.—23.VL|A| 294 A 321 
destructor B|.31,6|B| 286 | | 
30,10 BR a 
C| 293|C | 30,9 | Zer mART,, 
ID 24-1 — | 
| | | | 
Vertauscht|23. VL.—27.V1.|A 203 A| 19,7 
ABCD |B | 26,8 B 20,0 | | 
{ ‚ | 1gr7 Sr | 3,62 
mit ABC CH 28,0:.O\e19;3 - le 
| te Dal 2 


72 KARL HOFFMARN, [38] 


Auch diese Versuche zeigen aufs deutlichste das stärkere 
Wachstum der Mycelien, wenn sie vollkommen dunkel ge- 
halten werden. Besonders deutlich ist dieses Verhalten bei 
Polyporus vaporarius und Merulius lacrymans. Die indivi- 
duellen Fehler sind durch die angewandte Methode voll- 
kommen ausgeschaltet. Wie nötig es ist, die Kukuren zu 
vertauschen, zeigen besonders die Beobachtungen an Polyporus 
destructor; der individuelle Fehler tritt hier besonders deut- 
lich in Erseheinung. 

Wern wir die gesammelten Beobachtungen dazu be- 
nutzen, um zu berechnen, wieviel besser das Wachstum ohne 


Beleuehtung ist als bei Beleuchtung — es werden hierzu 
die Mittelwerte genommen — so ergibt sich folgendes 
Resultat. 

Paxillus acheruntius 0,60%, 
Polyporus vulgaris 11,4°/, 


Folupaats Ma wächst im Dunkeln besser DEN 
Polyporus vaporarius I 15,5% 
Merulius favosus Br x 5 7,60/0 
Merulius silvester 4,1% 
Merulius lacrymans 17,80%) 


Mit diesen Betrachtungen ist erwiesen, dals Beleuchtung 
das Wachstum der Mycelien der holzzerstörenden Pilze un- 
günstig beeinflufst.') 

Aulser dem aus dieser Tabelle ersichtliehen Unterschied 
im Längenwachstum war auch ein Unterschied in der Aus- 
bildung des Mycel zu verzeichnen, das ich mit dem Namen 
„Mengenwachstum“ belegen möchte (nach FALck „quantitatives 
Wachstum“). Besonders deutlich siehtbar waren diese Unter- 
schiede bei Merulius lacrymaus und Polyporus vaporarius. 
Sämtliche Kulturröbren zeigten, wenn sie im Dunkeln er- 
wachsen waren, ein stärkeres Mengenwachstum, als wenn 
sie dem Tageslicht ausgesetzt waren. 


'!) Dasselbe hat Vines für Phycomyces nitens nachgewiesen. 
Vgl. Pfeffer, Pflanzenphysiologie II, S. 110 und 111; ferner II, S. 318 
und die dort angegebene Literatur. 


[39]  Wachstumsverhältuisse einiger holzzerstörenden Pilze. 73 


7. Einflufs roten und blauen Lichts auf das Mycel. 


Ferner regten mich diese Versuche dazu an, das 
Längenwachstum bei rotem und blauem Lieht zu ver- 
gleichen. Als Vorversuch wurde in zwei schwarzen Holzkästen 
mit roter resp. blauer Glasscheibe einige Kulturen in Petri- 
sehalen mit gleicher Nährstoffmenge angesetzt. Die beiden 
Kästen Katden neben einander bei Zimmertemperatur, also 
unter gleichen Bedingungen. Die Petrischalen wurden am 
selben Tage von denselben Kulturen geimpft. Schon nach 
wenigen Tagen zeigte sich, dals durchgängig im roten Licht 
das Wachstum ein schnelleres und kräftigeres war. Poly- 
porus vaporarius war in gleicher Zeit (15. V.—5. IV.) im 
blauen Lieht noch nieht die Hälfte so schnell gewachsen 
wie im roten Licht. Ebenso verhielten sich Merulius laery- 
mans und Paxillus acheruntius. Um dieses auffällige Ver- 
halten näher nachzuprüfen, wurden mehr Kulturen angesetzt. 
Als Nährboden wurde wieder Bierwürze mit 5°/, Agar-Agar 
verwendet. Mit Ausnahme von Coniophora Bor sheilg und 
Merulius lacrymans, die in langen Röhren mit 25 cem Nähr- 
material kultiviert wurden, benutzte ich Reagenzgläser, die 
ich mit 10 eem beschiekte. Die Resultate dieser Beobach- 
tungen sind wiederum in einer Tabelle zusammengestellt, 
deren letzte Kolonne die Unterschiede des Wachstums in 
rotem und blauem Lichte enthält. Falls das rote Licht 
fördernd wirkte, sind die Differenzen mit + bezeichnet, im 
andern Falle mit —. 


| Wachstums- | 


Spezies Zeit des lan | Mittelwerte | Diffe- 
Wachstums | 112] | in | Tenzen 
| | Rot Blau | 


| 
— len 


Coniophora |11.VL.—15.VI. A 26,1 A| 26,0 
cerebella I | B 25,6 B | 302 


Ihe 28,10 3 
15.VL—22.VL.| A| 849 |A 2) 
| 
\ 
\) 


BB st 90,65 | 83,15 +750 
22.VL_VL A| 31 A 37,1 


8) a2 || 36,15 37,10 — 0,95 


| 


74 KARL HOFFMANN, [40] 


Wachstums- 
Spezies Zeit des Rot | Blau Mittelwerte Diffe- 
Wachstums | in renzen 
Rot | Blau 
Coniophora. | 9.VL—11.VI |A| 136 | A | 11,8 || j olng 
cerebella II Ba DA BI ES) je len! 
ILVL—AEVL)A| 322 A| 325 u. o0|. Ha 8 
B.1,344 | Bu| 31.9, [Pe ee 
15.VL—22.VL|A| 79,7 |A| 75,8 11, ARE 
B.|. 76,4 |'B,| 75,3 (18,05 15,30 | + 2,15 
22.VL—25.VL|A | 32,6 |A| 33,0 i AN: 
B 325 |B 302 9255) 33,60 — 1,0 


Polyporus. |11.VL-15.V1L. A| 40 
vulgaris | :— 


15.V1.—22.V1. | 


» oo 
ke s> re 
-ı 
0) 


A 
B 
22.VL-31.V1.|A | 12,0 
B 
C 


3 

- 
- 

[302 


Paxillus 9.VL—11.VL. |A 
acheruntius| . |B 
C 


18 Ei 2,35 | + 0,02 


11.V1.—15.Vl. 


[N 


15.VI.—22.VL| 


16,73 15,18 + 1,55 


on 
„oa 
> mn 


92: VL31VL\A| 175 "ea 
18,15. 18,03 + 0,12 


BOaR> bau» Hau» 
- 
DS 


® 5 

[It -ı 
BKOB> Bas» BAas> HAaczb 

e3 


[ers 
n 
a 
— — 


l 


[41] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstürenden Pilze. 75 
Wachstums- 
Spezies aa on Rot | Blau Miktelwerte Kbige- 
Wachstums | in renzen 
| | Rot | Blau | 
Be | 
Merulius 11.VL.—15.VI, A 35 A 2,9 | 
favosus B|»a2|B| 1,6 | ia NE 
ol aolcı 20 || a 
D 30|1—-| — | 
15.VL.—22.V1. A| 99 |A| 117 | | 
B| 13 |B| 114 | | 
c| wol 185 Nu 11,42) =D 
D| 100|D, 9gı 
22.VL—31.VL|A| 144 J|A| 81 | 
B| 136 |B| 142 | ai ap 
O4 |2| £ ( 11,15 +2,90 
Bias > 
Coniophora | 9.VL—11.VI. A| 78 A| 11,9 Alle | 
cerebella Er r) | B 7,0 | 1,80 | 9,45 | — 1,65 
III | 
1MVI—IEVLIA| 284 A| 250 1, 401 9440 Hi 
| RE DH ) ) 
15.VL-22.VL|A| 578 A| 568 ||, 00 ne. 005 
Z| e22.\Bl| 574,|[° = ’ 
22.VL—25.VL|A| 246 A| 25,5 ) a ee 
A| 24,60 | 25,80 | — 1,2% 
Merulius |11.VL—15.VL|A 101 A| 821 | \ 
lacrymans IB| 99|B| 81 171900), 8,15 | + 1,85 
| IH } | | 
(Grofse  |15.VL-—22.Vl. A| 399 |A | 37,8 \ BR t 
Rühren) IB| sea |B| 307. 39,05 | 38,25 | + 0,80 
| l 
22.VL—26.Vl.| A| 23,6 |A | 20,5 ) ee 
B.| 239 |B | 218 | 23,175, 21,15 | + 2,60 
VL SLYLI A| 246 A 2a |... 
BIS .B | 228 J2470 22,10 | +2,60 


76 KarL HOFFMANN, [42] 
| 1 BE = 
| | \ Wachstums- 
Spezies Zeit des | Rot | Blau Mittelwerte Diffe- 
Wachstums | I" | in renzen 
| Rot | Blau | 
- 2 = er 
Merulius 11.VL—15.VL|A | 13,1 A| 13,1 | 
laerymans B|138|B| 112 (ja: 
13,33 | 9,75 | + 3,58 
(CR) 13,1 ICH 76,51 U. 
(Kleine —| — |D| 7179 ) 
Röhren | | | 
Sn 15.V1.—22.V1.|A| 322 |A| 320 ' 
B| 39,2 |B'| 38,9 |\ 
| | » 1136,50 | 35,90 | + 0,60 
|C | 381 [C , 345 1 a 
I — en Se ) | 
22.VL—26.VL|A| 23,1 |A| 23,0 ) | 
Bil 22,5 ıB7 | 22,1 Be | 3 
/ 22,47 22,40 | + 0,0 
C.| 21,8 CN oe a 
—| — |D| 235 ) | 
= —- — | — 
Merulius 11.VL—15.VL|A | 11,6 JA | 12,3 
silvester Bi 12 221BE E31 0F 9a | 
In | 7” 1111,68 | 10,88 | + 0,80 
'e | 9,8 | C| 9,8 Na? | ’ Ar ’ 
ıD| 13,1 D| 10,5 
15.VL—22.VI| A| 354 |A| 34,6 | 
IB| 38 |B| 35.4 |} | e 
| 36,18 35,93 | + 0,25 
@| 36:5 CL Br.eallar a 
|D| 37,0 |D| 36,1 
22.V1.—26.V1.| A| 21,5 A, 19,8 | 
IB| 23,1 |B | 19,2 1122,53 | 19,87 | + 2,66 
IC | 230 |C | 20,6 | 
en TE  _— | | - — = _ u nes 
Polyporus |15.VL.—22.VL|A| 21,1 A, 121 | Inkhars 
vaporarvus | B:| 18/3 | Bi| 12,0 os Ze | Fa) 
| | | 
22.VL—31.VL| A| 358 |A| 21,9 | | ei 
IB| 272 ‚B | 18,2 ll 20,05 +11,45 
RITA] 0 TR IV | 
Polyporus 9.VL.-112VE | AI) 030 AU | | 
destructor No j 7,90 7,05 | +0,85 
—| =. I 7,9 | | 
a a ,D | 67 l ) 


[43]  Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 10 


| Wachstums- 


Spezies Zeit des Rot | | Blau | Mittelwerte Diffe- 
Wachstums Nr | in | Tenzen 
Be | Rot | Blau 
mn — | | 
Polyporus |11.VL—15.VL|A | 17,8 |A | 15,0 
destructor Ber 31,48 BI 16,6 
MSc na j 15,40 | + 9,20 
1. D|.1243 
15.VL—22.VL| A | 39,2 ‚A 40,7 
B| 39,9 |B |. 42,0 “ e 
Be pe 41,58 | — 2,03 
= u DynARE 
22.VL—25.VL A 182 A| 155 
NBAILTIEHN BA 102 | : 
Bias ug, 147 N 14,20 + 3,70 
—ı = |D. 134 
Polyporus |11.VL—15.VL A 71 7,0 | 
serialis B| 111|B 7,0 |. 840| 7,00 | + 1,40 
ee 7 ei 
[ 
15.VL—22.VL A| 178 A | 14,7 
B| 186 |B | 17,0 |117,83 | 15,85 | + 1,98 
ee | 
22.VL-31VL A) 216 A200 1) | 
B| 2235|B| 182 |\21,37 | 19,90 | + 1,47 
@2:200., 12 J | 


Diese Tabellen weisen mit Nachdruck darauf hin, dafs 
die beobachteten Pilze durch blaues Licht in ihrem Wachs- 
tum gehemmt werden. Wenn auch einige Werte in blauem 
Lieht ein stärkeres Wachstum erkennen lassen, so sind dies 
doch nur zufällige individuelle Abweichungen. Um auch 
diese auszuschalten, möge wieder prozentualiter das bessere 
Wachstum im roten Lieht gegenüber der Schädigung, die 
das blaue Licht ausübt, ausgedrückt werden. Wir kommen 
so zu folgenden Resultaten: im roten Lieht wachsen besser: 


78 KArL HOFFMANN, [44] 


Coniophora terebella I... 7 70277300 
Coniophora cerebella I . .\. . „u 73407 
Coniophora cerebella III. . -. . ..- 800% 
Merulius lacrymans (grolse Röhren). . 8,8%, 
Merulius lacrymans (kleine Röhren) . . 6,3% 
Merulius favosus .1. »21. & Eis „IA 
Merulius siwöster .Ü.».3. U 2. . 2 Fass 
Polyporus taporarns > 2 2... u 9930, 
Polyporus desiructor : -. . - -» - . . 150% 
Polyporus. serialis 1. sau. & | MV. 1521139 
Polyporus YulgarısX. Mau.) U) u 972 an 
Paaıllus acheruntius. 7.) . 2 % „ T2ser 


Diese Beobachtungen und Berechnungen zeigen sehr 
klar, dafs die holzzerstörenden Pilze durch blaues Lieht in 
ihrem Wachstum ungünstig beeinflulst werden.!) 


ll. Begründung einer anderen Methode zur Messung 
des Längenwachstums. 


Wenn wir die Ergebnisse dieser Betrachtungen über das 
Längenwachstum der untersuchten Holzzerstörer zusammen- 
fassen, so kommen wir zu folgenden Schlüssen: 

1. Die Messung des Längenwachstums in Röhren, wie 
sie FALcK benutzt hat, ist nieht einwandfrei, weil die dem 
Pilz gebotene Nährstoffmenge keine gleichmälsige ist. 

2. Hiermit hängen verschiedene Feuchtigkeitsverhält- 
nisse des Substrates und der darüber befindlichen Luftschicht 
zusammen. 

3. Die Beobachtungen des Längenwachstums können 
nur dann in Beziehung zu einander gesetzt werden, wenn 
die Impfungen an demselben Tage und von derselben Rein- 
kultur vorgenommen werden. 

4. Da die Kulturen während ihres Wachstums im 
Dunkeln gehalten und zur Kontrolle in andere Beleuchtungs- 
verhältnisse und in andere Temperaturen gebracht werden, 


\) Vgl. Pfeffer, Pflanzenphysiologie II, 8. 117. 


[45]  Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 79 


können die erhaltenen Werte nur unter ausdrücklicher Be- 
tonung dieses Umstandes mit einander verglichen werden. 

5. Da fernerhin das Mycel des Pilzes durch Kultur- 
einflüsse in seinem Längenwachstum variiert werden kann 
und da der dargebotene Nährstoff sehr wesentlich für sein 
Längen- und Mengenwachstum ist, kann die erhaltene 
Wachstumskurve nur relativ sein und nie absolute Gültigkeit 
besitzen. 

In Berücksiehtigung dieser Momente kam ich zu dem 
Resultat, dafs die Kultur der Pilzmyeelien und die Messung 
ihres Längenwachstums am besten in Petrischalen vor- 
genommen werden. Ich ging bei meinen folgenden Versuchen 
so vor, dals gleich grolse, gut schlielsende Kulturschalen 
mit einer gleiehmälsigen, gleichhohen Schicht desselben 
Nährmaterials gefüllt und alsdann im Autoklaven sterilisiert 
wurden. Die Impfung wurde nahe am Rand der Schale 
vorgenommen, so dafs dem Pilz zu seinem Wachstum eine 
grolse Fläche Nährboden zur Verfügung stand. Die Messung 
geschah in der Weise, dafs von der Impfstelle mehrere 
schmale Papierstreifen über die Petrischale geklebt wurden. 
Hierdurch wurde gleichzeitig der Deekel auf der Schale gut 
befestigt, so dals Fehlerquellen, die bei einem Verschieben 
der Deckel bestehen konnten, von vornherein ausgeschlossen 
wurden. 

Bei der Prüfung, die bei allen Temperaturen in denselben 
zweitägigen Zwischenräumen und zur selben Tageszeit vor- 
genommen wurden, verfuhr ich in der Weise, dafs ich die 
Kulturschale auf den Tisch legte und in der Richtung der 
vorderen Hyphenenden auf den Papierstreifen eine Markierung 
mit dem zugehörigen Datum vornahm. Diese Methode hat 
den Vorteil, dals der Deckel der Petrischale gleichzeitig 
als Spiegel benutzt werden kann und auf diese Weise die 
Markierung genau senkrecht über den Hyphenenden vor- 
genommen wurde, so dals jede Parallaxe auf ein Minimum 
reduziert werden konnte. Ein weiterer Vorteil dieses Vor- 
gehens ist der, dals dem Pilz eine gleichmälsig dieke und 
zugleich verhältnismälsig grölsere Fläche zur Verfügung 
steht und auf diese Weise Fehler, die durch das Anstolsen 
des Mycels an die Glaswände der Röhren ziemlich oft 


s0 KARL HOFFMANN, [46] 


entstehen, vollkommen vermieden werden. Auch können 
auf diese Weise auf einer einzigen Schale mehrere Messungen 
ausgeführt und so ein guter mittlerer Wert für die betreffende 
Kultur erreicht werden. Monatelange Kultur ist nicht nötig, 
da die Konstanz nach wenigen Tagen genügend ist. Aus 
diesem Grunde wurden die Beobachtungen nur 2—3 Wochen 
fortgesetzt; bei schnellwachsenden Mycelien, z. B. Coniophora 
cerebella, mulste ich mich allerdings auch mit kürzerer Zeit 
begnügen. Infolge der ‚ziemlich hohen Temperaturen des 
Mai und Juni und aus Mangel an einer grösseren Anzahl 
von Thermostaten konnte ich nur 6 verschiedene Temperaturen 
beachten. Die Kontrolle der Thermostaten wurde täglich 
sechs- bis achtmal vorgenommen, so dafs die Maximal- 
abweichungen nur 0,5% betrugen. Die beobachteten Tem- 
peraturen waren 13,6°, 18,09%, 20,00, 23,0%, 26,0% und 30,0%. 


Die Resultate sind aus den Tabellen zu ersehen. 


Die Ergebnisse der Messungen an verschiedenen Papier- 
streifen sind hierin mit a und b bezeichnet. 


1. Temperaturwerte von Merulius lacrymans. 
Geimpft 21. V. 1909. 


Kulturschalen d — 15 em, beschiekt mit 38 ecem 5%, 
hellem Bierwürze-Agar. 


t— 13,6%. Die Mafse sind in mm angegeben. 


| | Zwei- de 
| Gesamt- Tägliche Ab- 
Zeit des a tägige Mittel- R 
' länge Zunahme weichungen 
Wachstums Sem) Zunahme wert 8 
a a °'b | % b 
A.|27.V.—29.V.| 34 40) 34 4011,70 2,00] +2,86 + 2,56 
29.—31. | 8,9 11,2| 5,5 7,2 | 2,75 3,60 | +1,81 + 1,96 
31.V.—2.V1.|16,2 18,5 7,3 :7,3|3,65 3,65 +0,91 + 0,91 
2.—4. 126,0 27,8) 9,8 9,814,90 4,65 | — 0,34 — 0,09 
4.—6. 36,6 36,5 10,6 8,7 5,30 4,35. a 
6.8. 148,2 47,1|11,6 10,6|5,80 5,30 (0 | 1,94 —0,74 
8.—10. 56,0 56,0) 7,8 9,0 3,90 4,50 | +0,66 + 0,06 


10.—12. |66,2 64,2|10,2 8,2)5,10 4,10| |— 0,54 + 0,46 


[47] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstürenden Pilze. sl 
Zwei- he, de 
Be Gesamt- ah Tägliche |. Ab- 
Zeit: des länge tägige | Zunahme Mittel- weichungen 
Wachstums | Zunahme wert 
a b ae D a  b a b 
B.[27.V.—29.V.| 4,9 5,0| 4,9 5,0|2,45 2,50 +0,24 + 0,19 
29. | 92 9345 a2, 215 +0,54 + 0,54 
31.V.—2.V1. 15,0 16,0| 5,8 6,7|2,90 3,35 — 0,21 — 0,66 
24. [21,8 23,0| 6,8 7,0|3,40 3,50 01 
41.6. |2%8,5 29,2| 6,7 6,2|3,35: 3,10 DR ii 
6.—8. 133,9 33,1| 5,4 3,9 12,70 1,95 |{ MORE UTA 
810. | 39,0 493 | 5,1 5,2255 0 +0,14 + 0,09 
10.—12. |43,3 4236| 4,3 4,3|2,15 2,15 +0,54 + 0,54 
C.|aT.V.—29.V.| 54 71) 54 71|2,70 3,55 +0,99 + 0,14 
29—31. |10,2 126 48 5,5|2,40 2,75 +1,29 + 0,94 
31.V.—2.VL|14,8 17,0| 4,6 4,4[|2,30 2,20 +1,39 +1,49 
2.4. [21,6 242| 6,8 7,2|3,40 3,60 +0,29 + 0,09 
4—6. 128,2 31,0| 6,6 6,8 |3,30 3,40 +0,39 + 0,29 
6.—8.  |35,4 38,0| 7,2. 7,0|3,60 3,50 Lraing + 0,09 +0,19 
8.10. 1448 46,2|,94 8.274,70 4,1010 4.01 — 0,41 
10-12. |53,1 541| 83 7914,15 3,95 |! — 0,46 — 0,26 
12—14. |60,0 63,0| 6,9 8,9) 3,45 145 |) +0,24 — 0,76 
Mittelwert aus A, B, C — 3,65 mm. 
t= 18,00. 
A.|27.V.—29.V.| 54 46| 54 4,6|2,70 2,30) +0,29 + 0,69 
29-31. 110,9 1,755 7319,75 3,65 | 9.99 | + 924 — 0,66 
31.V.—2.V1.|16,8 17,2| 59 552,95 2,75 | [+9,04 -+ 0,24 
2—4. |23,0 2146| 62 74[3,10 3,70 pm 0,11 
ae oo 28,8| 22 Mad 2,10 +1,89 + 0,89 
6-8. |27,8 32,0) 2,6 3,2|1,30 1,60 +1,69 + 1,29 
| en 
ER Ze 
29-31. |10,0 411 29 4111,45 2,05 ga 3A 
31.V.—2.V1.|16,9 10,9) 6,9 6,813,45 3,40 — 0,06 — 0,01 
alone 89 751445 | — 1,06 — 0,36 
4.—6. |35,1 23,2| 9,3 4,8|4,65 2,40 || 3,391 — 1,26 + 0,99 
6.—8. [39,2 29,8| 4,1 6,6|4,05 3,30 | +1,34 + 0,09 
8.—10. |44,8 37,0) 5,6 7,2|2,80 3,60 +0,59 — 0,21 
Zeitschr. f. Naturwiss, Halle a.S. Bd.82. 1910. 


82 KARL HOFFMANN, [48] 


Zwei- | Tigliche 


| 
L \ Gesamt- Rn Id | Ab- 
Zeit des "ieh; tägige IMittel- : 
15 N, | 
Wachstums | FE me Zunahme en weichungen 
| Bl) asubal, a he a b 


C.127.V.—28.V.| 7,0 62| 2,0 6,2|3,50 3,10| 


29.—31. [14,1 14,4| 7,1 8213,55 | — 0,05 — 0,60 
| 


31.V.—2.V1.|20,2 20,0| 6,1 5,6 3,05 2,80 
24 90 


| 12,7 7,0/6,35 3,50) 
a6. I 139,8032,1 


6,9 5,1\3,45 2,55|| 


6. 1456| 5 30 — +0,60. + 
| | | | 

D.|27.V.-29.V.| 95 78| 95 78\4,75 3,90) — 1,05 — 0, 
29-31. (17,1 150) 760793180 3.0 | 0,10 
31.v.—2.V1.|25,0 2091| 7,9 5.113,85 2,55 [| 970 0,15 +0,15 
2.4. [33,7 27,6) 8,7 754,35 | 10,65 +0,95 
4-6. |354 30,0| 1,7 240,85 1,20| |+2,85 + 2,50 

68... [38,4 220 Bet oe +20 


Mittelwert aus A, B, C, D = 3,40 mm. 


Für 20,0% wurden von den angesetzten Kultursehalen 
leider mehrere verunreinigt, so dals ich mich hierbei mit 
einem Versuch begnügen mulste. Hierbei kann die individuelle 
Abweichung ziemlich grols sein. 


t — 20,00 
Ze 
|  Zwei- | Tielich Ab 
4 | Gesamt- Sr | Tägliche |. | - 
Zeit,des länge tägige | Zunahme Mittel- weichungen 
Wachstums | Zunahme wert 
a N Hr I a b 
= een —- 
A.|27.V.—29.V.| 96 85| 96 85[|4,80 425] + 1,624,.120947 
29.31. |19,5 19,2| 9,9 11,7|4,95 5,85 | +1,47 +0,57 
31.V.—2.VI. 31,9 32,1 |12,4 12,9 6,20 6,45 | + 0,22 — 0,03 
2.—4. | 45,8 43,9|13,9 11,8 6,95 5,90 — 0,53 + 0,52 
4.6. |60,2 58,6|14,4 14,7|7,20 7,85 |) 6,42 |— 0,78 — 0,93 
6.—8. 1725 70,3112,3 11,7|6,15 5,85 | +0,27 +0,57 


8.—10. 84,1 83,0 11,6 12,7 5,80 6,35 | 


6* 


[49]  Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 83 
t= 230°. 
| l Zwei l 
| Gesamt- | We" | Tiigliche Ab- 
Zeit des : | tägige |, Mittel- z 
länge | Zunahme weichungen 
Wachstums er Zunahme | wert E 
N ee Er A a b 
A.127.V.—29.V.| 81 78| 81 7,8|4,05 3,90 |+3,58 +3,73 
29.31. 22,0 20,1 13,9 12,3 6,95 6,15| +0,68 + 1,48 
31.V,—2.VL |36,6 35,1 |14,6 15,0 |7,30 7,50 | + 0,33. + 0,13 
2.—A. 51,5 50,2|14,9 15,1 | 7,45 1,5 | +0,18 + 0,08 
4.—6. 66,8 65,2 15,3 15,0 7,65 7,50 |, 7,63 —0,02 + 0,13 
6.—8. 182,7 81,0|15,9 15,8 | 7,95 2 — 0,32, — 0,27 
8.—10. 98,0 96,7 |15,3 15,7 7,65 7,85 — 9.02, 0,2 
B. |27.V.—29V.| 71 76) 7,1 7,8|3,55 3,90| |+4,10 + 3,75 
29—31. |23,2 24,7|16,1 17,1|8,05 8,55 | |— 0,40 — 0,90 
31.V.—2.V1. |39,7 40,2|16,5 15,5 |8,25 7,75 | — 0,60 — 0,10 
2.—4. |55,6 55,1115,9 1497,95 7,45 || „.g5 — 0,30 + 0,20 
4.—6. 7018 — |152 — |760 — neh 
68. 1852, — [144 .„_.|7,20 — +05 — 
810. |81 — [129 — 645 — aa — 
Mittelwert aus A, B — 7,64 mm. 
t —= 26,0°. 
A.|27.V.—29.V.| 1,4 0,9| 1,4 0,9|0,70 0,45 — 0,31 — 0,06 
29.—31. 2,7 15) 13 0,7/0,65 0,35 \— 0,26 + 0,04 
31.V.—2.Vl| 40 20| 13 0,4[0,65 0,20| |— 0,26 + 0,19 
2.—. 44 23| 04 0310,20 0,15 | 0.39 | + 919 + 0,24 
4.—6. 51 31/077 0,8/0,35 0,40 [| " | +0,04 — 0,01 
6.—8. 5,8 38| 0,7 0,710,35 0,35 +0,04 + 0,04 
8.—10. 6,2 42 0,4 0,4 0,20 0,20 | +0,19 + 0,19 
10.—12. | 71 5,1) 09 0,9,0,45 0,45 — 0,06 — 0,06 
B.|27.V.—29.V.| 2,0 19 2,0 1,9 11,00 0,95 — 0,43 — 0,38 
29—31. | 3,9 ,2,9| 1,9 1,0|0,95 0,50 | — 0,38 + 0,07 
31.V._2.VL| 5,1 40 1,2 1,1/0,60 0,55 | 957|— 0,03 + 0,02 
2.—4. 6,2 48| 11 0810,55 0a0|/( "| +0,02 +0,17 
4—6. | 69 54| 0,7 0,861/0,35 0,30| | +0,22 + 0,27 
6-8. | 74 63) 05 090,3 0,45 | +0,32 + 0,12 


84 KARL HOFFMARN, [50] 
Zwei- he 
- Gesamt- - Tägliche Ab- 
Zeit des länge tägige Gone Mittel.| net en 

Wachstums Zunahme wert | 5 

a bear "bh m a b 
0. 27.V.—29.V.| 22 09| 2,2 0911,10 0,45 — 0,58 + 0,07 
29.—31. | 42 1,8) 2,0 0,9 1,00 0,45 — 0,48 1.007 
31.V.—2.VI.| 5,8 29] 1,6 1,0!0,80 0,50] — 0,28 + 0,02 
2.—. |72 40| 14 1,10,70 0,55 — 0,18 — 0,03 
46. || 8,4 4,7 1,2 0,7 0,60 0,35 |) 0,52 | — 0,08 + 0,17 
6.8.7 2 1,9,15 55 07 )'0,8.0,35 0,40) +0,17 +0,12 
8.—10. | 99 62| 0,8 0,7/0,40 0,35| +02 +00 
10.—12. [10,6 70| 07 0,8.0,35 0,40 | +0,17 + 012 
12.—14. 111,0 7,6| 0,4 0,6.0,20 0,30 +0,32 +02 

j ı 


Mittelwert aus A, B, C = 0,49 mm. 


Aus diesen Beobachtungen sieht man besonders deutlich, 
dals der Wassermangel und die geringe Luftfeuchtigkeit bei 
dieser Temperatur vor allem das minimale Wachstum 
bedingen. Bei derselben Temperatur wuchs in Kulturröhren 
der Merulius lacrymans ziemlich bedeutend.!) Der Vorteil 
der Röhren war in diesem Falle eine stärkere Nährsehieht 
und grölsere Feuchtigkeit. 

Bei 30° wurde in sämtlichen Kulturschalen das Wachs- 
tum nach kurzer Zeit eingestellt. Nach 14 Tagen Aufenthalt 
im Thermostaten waren diese Kulturen nieht weiter gewachsen, 
vielmehr hatte sich das Mycel ganz dem Nährboden angelegt 
und war nur noch als schwacher Schleier zu sehen. 

Die erhaltenen Mittelwerte der täglichen Wachstums- 
zunahme benutzen wir nun zur graphischen Darstellung der 
Wachstumslinie. Als Abeissen tragen wir die Temperaturen 
ein, auf den Ordinaten die zugehörigen Wachstumswerte 
und verbinden diese Punkte mit einander. Zur besseren 
Übersicht wurden die erhaltenen täglichen Mittelwerte statt 
in mm in cm aufgetragen. 

Sehr abweichende Mittelwerte erhielten wir bei 13,6°. 
Die individuellen Fehler sind gerade hier sehr grols. Aus 


1) Vgl. oben 8.53 und 54. 


[51] _Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 85 


diesem Grunde wurde auch Versuch B besonders eingetragen. 
Die Linien vom O-Punkt und nach 13,6%: B wurden punktiert, 
da sie nur angenommene Werte darstellen und keine Mittel- 
werte sind. 


13,60 180 200 230 260 


Fig. 2. 


Einen geradlinien Verlauf dieser Wachstumskurve kann 
ich hieraus nicht ersehen (im Gegensatz zu FALck). Je 
mehr sieh die Kurve ihrem Maximum nähert, um so steiler 
steigt sie auf. 


Merulius lacrymans wurde aufserdem in kleineren 
Petrisehalen kultiviert, die einen Durchmesser von 9 em 
hatten und mit 20 eem dunkler Bierwürze, die mit 5%/, Agar- 
Agar versetzt war, beschickt wurden. Die folgenden Tabellen 
geben eine Zusammenstellung der Wachstumsverhältnisse 
bei denselben Temperaturen wie im vorigen Versuch. Wegen 
der geringen Plattengrölse wurde nur je eine Ablesung auf 
den einzelnen Schalen gemacht. 


300 


86 


KARL HOFFMANN, [52] 
b=.18,6% 
| 
Zeit des | Gesamt- | Längen- Tages- Mittel- Ab- 

Wachstums | länge |zuwachs zuwachs | wert | weichungen 

31. V.—2.Vl.| A| 4,1 | + 1,43 
Ve a ER in Sl 25 | + 0,93 
4.—6. 15,0 5,8 290 || + 0,58 
92,2 7,2 3,60 1 0,12 
8.—10. | 28.2 6,0 3,00 3,48 | +0,48 
10.—12. | 35,6 7,4 3,70 — 0,22 
12 19. 44,0 8,4 4,20 + 0,28 

are 4,2 2,10 +1,84 
2.—4. 9,5 5,3 2,65 + 1,29 
4.—6. 161 | 66 3,30 |) | +0,64 
6.—8. A | 9 3,95 | | 001 
8.—10. 30,7 6,7 3,35 3,94 | +0,59 
10.12 39,4 8,7 4,35 | — 0,39 
17% 48,9 9,5 4,75 J u. 

31, V2— 2ayıl 3,2 3,2 1,60 ı +0,84 
DA. 7,9 4,7 2,35 | +0,09 
4.—6. 12,0 4,1 2,05 | + 0,39 
a 15,4 3,4 170.41 ga +07 
8.—10. 20,0 4,6 2350 |” | +0,06 
10-12. 24,9 4,9 2,45 — 0,01 
12, 1A, Bo 317540) | 

Mittelwert aus A, B, C —= 3,29 mm 
= 180, 

31. v2. ee | Mae: 3,55 | +1,19 
2.—4. a 3,55 | Da 
4.6. | 22,9 | 8,7 4,35 ) | +0,39 
6-8 | 324 | 95 4,75, \\ ara 1 0,04 
B—108 323 9,9 4,95 | ; 0 
10.—12. |. 531 9,8 490 | — 0,16 

3.V.—-2.VL| 59 | 5,9 2,95 + 2,98 
2A, aa 90 4,50 + 1,43 
267, |,0.2582 210.9 5,45 + 0,38 
Ba |, 38/808 180 6,50 | 0,57 
a ll 570 en 
10.—12. | 623 12,1 6,05 — 0,08 


[53]  Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 87 


Zeit des Gesamt- | Längen- | Tages- Mittel- Ab- 


Wachstums | länge | zuwachs | zuwachs | wert | weichungen 
| | 


c. | 31. v.—2. VI. 9,0 9,0 4,50 | + 1,30 
| 


Be: 18,2 9,2 4,60 | + 1,20 
4.—6. 28,9 10.% \1..5;88 | +04 
6.—8. 42,9 1,0 | 7,00 580 | —1,20 
8-10. 53,0 101 | 5,05 j | +07 


Mittelwert aus A, B, C = 5,49 mm. 


= 20°. 

2 Si RT 5 5,1 2,55 | + 4,20 
DM. 14,6 9,5 Aa + 2,00 

4. 26,0 11,4 5,70 + 1,05 

6.8; 40,0 14,0 7,00 |16,5| —03 

8 10: 55,1 15,1 7,55 J | — 0,80 
EBISRV.-—2.V1. 3,4 3,4 1,70 + 3,70 
Du 14,7 10,7 5,35 \ 40 | + 905 

4.—6. 25,6 10,9 5,45 ; — 0,05 
GEHEN. 2: VI. 8,2 8,2 4,10 + 1,44 
ZA. 20,4 12,2 6,10 + 0,44 

46: 32,2 11,8 5,90 | + 0,64 

8. 45,5 13,3 eo eo 

8.—10. 60,3 14,8 7,40 | — 0,86 


Mittelwert aus A, B, C = 6,23 mm. 


t= 23,09. 
Mr al v. 2. v1. 8,2 8,2 4,10 | + 0,93 
er 18,0 9,8 4,90 N +0,17 
6: 29,1 11,1 5,55 5,07 | —0,48 
Dep: 38,6 9,5 4,75 J + 0,32 
| | 
BIS >.,V1. 5,6 5,6 2,80 + 3,50 
De UN SS 13,2 6,10 — 0,30 
4.—6. 27,4 8,6 4,30 | + 2,00 
, 4,3 | 1239 6,45 176,30 | — 0,15 
310, 55,0 14,7 1,35 | 10 
10.—12. 70,4 14,6 7,30 | 1100 


88 KARL HOFFMANN, [54] 
Zeit des Gesamt- | Längen- | Tages- | Mittel- Ab- 
Wachstums länge | zuwachs | zuwachs | wert | weichungen 
| 
| 
s - 2 _———— 
C. | 31.V.—2.Vl. 7,1 7,1 3,55 | + 2,10 
2A 208 13,5 6,75 || — 1,10 
sole It 5,65 
46. 29,7 9,1 4,5 |” 110 
D. |8HV.—.VI|ı 8 En a + 1,95 
2—. | 192 11,1 | 555 | + 0,45 
4.—6. 33,4 14,2 7,10 | Fa 
6.—8. 46,8 | 134 6,70 i — 0,70 
810: 561 | 98 4,65 + 1,35 
Mittelwert aus A, B, C, D = 5,76 mm 
t— 26,0% 
A. | 31. V.—2. VI. 0,7 0,7 0,35 — 0,05 
2.—. 12 0,5 0,25 + 0,05 
4.—6. 1,8 0,6 0,30 + 0,00 
6.— 8. 2,5 0,7 0,35 0,30 | —0,05 
8.—10. 3:2 0,7 0,35 — 0,05 
10.—12. 3,6 0,4 0,20 + 0,10 
12.—14. 4,2 0,6 0,30 + 0,00 
B. W312 v2. VL. 1,1 1,1 0,55 11048 
24 2,1 1,0 0,50 — 0,13 
A—6. 2,7 0,6 0,30 + 0,07 
6.—8. 3,2 0,5 0,25 037 | +0,12 
Jill, 3,9 0,7 0,35 | + 0,02 
10-12. 4,3 0,4 0,20 +0,17 
De 5,2 0 0,45 — 0,08 
c. | 31. V.—2. VI. 0,9 0,9 0,45 —.0,06 
N 1,3 0,4 0,20 + 0,19 
6. 2,4 1,1 0,55 (ei 
6.—8. 3,1 07 | 035 + 0,04 
Da eye Da 1,5 1,5 0,75 — 0,38 
2.—4. 1,9 0,4 0,20 | 0,37 | + 917 
4.—6. 2,2 0,3 0,15 | | i + 0,22 
6.—8. 3,0 0,8 0,40 | — 0,03 


Mittelwert aus A, B, C, 


[55]  Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 89 


Zu bemerken ist, dafs bei diesen Kulturen in den kleinen 
Petrischalen ebenso wie in den grolsen bei derartig hohen 
Temperaturen das Mycel nieht wie sonst loeker war, sondern 
recht dieht und kräftig. Man könnte es polsterförmig nennen.!) 
Auch wenn diese Kulturen in niedrige Temperaturen gebracht 
wurden, wuchs das Mycel in derselben Weise fort. 

Entsprechend den anderen Merulius lacrymans-Kulturen 
trat bei 30% sofortiger Stillstand des Wachstums ein; die 
Myeelien legten sich dem Nährboden dicht an und starben ab. 

Die Wachstumsverhältnisse mögen durch die nach- 
folgende Kurve deutlich illustriert werden. 


13,60 180 200 230 260 
Fig. 3. 


Der Verlauf dieser Kurve ist bedeutend regelmälsiger 
als der der anderen Wachstumskurve von Merulius lareymans 
in grolsen Petrischalen. Linear ist auch hierbei der Anstieg 
nicht. Bosonders bemerkenswert ist, dals das Maximum in 
dieser Kurve bei 20° liegt, während die erste Kurve das 
Maximum bei 23° zeigt. Hieraus können wir wiederum 
bedeutende Schlüsse auf die Veränderlichkeit des Wachstums 
bei denselben Temperaturen in verschiedenen Kulturen ziehen. 
Eine Konstanz in der Wachstumszunahme ist nieht vorhanden; 
auch das tägliche Längenwachstum ist bei verschiedenen 


‘) Vgl. Mez, Der Hausschwamm, S. 60. 


300 


90 


Kulturgläsern 
gleiche. 


KARL HOFFMANN, 


[56] 


und versehiedenem Nährboden nieht das 


Weitere Versuche, 


wurden mit Merulius silvester vorgenommen. 


eine Wachstumskurve darzustellen, 


Die Be- 


obaehtungen und Ergebnisse sind in den nächsten Tabellen 
zusammengestellt. 


2. Temperaturwerte von Merulius silvester. 
Geimpft 21. V. 1909. 


15 cem, beschiekt mit 38 eem heller 
Bierwürze, mit 5°/, Agar-Agar vermischt. 


Kultursehalen d = 


b=13,08. 
Zeit des an 
Wachstums 
a) 
| 
A.127.V.-29.V.| 5,0 42| 
29—31. | 91 8,9 
Save Na 
a 18,0 20,1 
4.—6. 22,9 26,3 | 
Ben: 28,1 320 
8.10. 132,4 39,1, 
10.122 138,1@A5:2) 
12. 14. 1442 0) 
| 
BIT Veen 
2393-31. | 92) 
31.9. 2.V1. 4,9125 | 
2.4. | 91 17,1] 
A ‚14,3 22,0] 
6.8. |18,8 26,1 | 
8.—10. |23,8 30,7| 
10.—12. || 27,0. 35,8) 
12.14. 


Mittelwert aus A undB = 


32,1 40,2 


Zwei- 
tägige 


, Zunahme 


ae) 


Die Malse sind in mm angegeben. 


Tägliche __ Ab- 
Zunahme |Mittel weichungen 
wert 
ass a b 
2,50 2,10, Ist 0,13 +0,53 
12,05 2,35 | +0,58 + 0,28 
11,85 2,40| +0,78 +0,23 
12,60 3,20 |+ 0,083 — 0,57 
2,45 3,10.) 2,63 +0,18 — 0,47 
2,60 2,85. +0,08 — 0,2 
12,15 3,55] | +0,48 — 0,92 
2,85 3,01 10,22 — 0,38 
12,05 20 (2201820 
— 2305| Be 
— 255) eg, 
2,45 1,65 — 0,19 +0,61 
512,10 2,30, | 0,16 — 0,04 
12,60 2,45 \ 2,26 | 0,34 — 0,19 
12,25 2,05 |+0,01 +0,21 
12,50 2,30. |— 0,24 — 0,04 
11,60 2,35, +0,66 —0,09 
12,55 2,40 |, —10:20078 041% 


2,45 mm. 


[57] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 91 


180% 
Zeit des Gesamt- ER | Tägliche [Mittel Ab- 
Wachstums ze Zunahme Zunahme | wert | weiehungen 
ı wall. Be ARE: b 
| | 
NOV 29... 526 16,2 3,10 _ +0,90. , — 
2. 11a 72 71300 355 +0,40 +0,45 
31.V.—2.V1. | 21,2 14,1| 7,8 7,0|3,90 3,50 | + 0,10 + 0,50 
4 \oaanovnı 86 ‚83490 45 10,30 — 0,15 
4-6. [31,5 32,3| 83 9914,15 4,95 |\ 4,001 — 0,15 — 0,95 
6.—8. 46,8 39,6| 9,3 7,314,65 3,65 \— 0,65 + 0,35 
8.—10. 155,1 48,9| 83 9,3 4,15 4,65 0,15 — 0,65 
10.—12. 163,5 57,0| 84 814,20 4,05 | 0,20 — 0,05 
12.—14. |70,0 65,6| 6,5 8,6|3,25 4,30 +0,75 — 0,30 
Ban 412 = 49 29410 I er 198 
29.31. | 6,4 11,1) 6,4 6,9 13,20 3,45 |+0,14 — 0,11 
31.V.—2.V1. |12,7. 17,0) 63 5913,15 2,95 | +0,19 +0,39 
4. 17,6 24,4| 4,9 7,4|2,45 3,70 036 
16. 26,4 31,1] 88 6,7440 3,35 |\ 3,34|—1,06 — 0,01 
6.—8. |33,0 39,0| 6,6 7,9|3,30 3,95 +0,04 — 0,61 
8.—10. |39,2 46,8) 6,2 7,8|3,10 3,90 +0,24 — 0,56 
10.—12. [445 54,7| 53 7,9[|2,65 3,95 + 0,69 — 0,61 
a aa la lass en 
GEN. 29V. 274105.0|17,% «5.013,70 250, +0,46 + 1,66 
29.—31. 16,2 13,9| 8,8 8,9|4,40 A,45 | 0, 039 
31.V.—2.V1.|20,9 17,0| 4,7 3,112,35 1,55 || ai Es 226 
2.—4. 32,1 27,7|11,2 10,7|5,60 5,355 |[ ° |—144 — 0,81 
1.6. |42,0 39,4. 9,9 11,7|4,95 5,85 | 20.19, 131 
6. | — 4195| — 10,1) — 5,05, eh) 


Mittelwert aus A, B, C = 3,83 mm. 


t = 20,00. 
el EN N: ee 
29.31. 12,0 15,2)12,0 8216,00 4,10| | 0,96 + 0,94 
31.V.—2.V1.|20,7 26,3) 8,7 11,1|4,35 5,55. +0,69 — 0,51 
2—4. |33,0 37,1|12,3 11,8|6,15 5,90 ee te 
4—6. [44,1 49,5 |11,1 12,4 |5,55 6,20 1a Zohı — 416 
6-8. 52,3 60,0 |11,2 10.5 |5,60 5,25 — 0,56 — 0,21 
8.—10. |60,7 67,5| 84 7514,20 3,75 +0,84 +1,29 
10.—12. |68,2 75,4| 7,5 7,9|3,75 3,95 | +1,29 + 1,09 


92 KARL HOFFMANN, [58] 
| DISS men: 
2 \ Gesamt- u Tägliche |__, | Ab- 
Zeit des | 7. tägige Mittel- . 
Wachstums Ans Zunahme Aunehnie wert a: 
| a, ııD am ch A) a b 
B.|27.V.—20V.| 5473| 54: 73|2,70 e + 2338 4.443 
29—31. |13,9 14,9| 85 7,6|4,25 3,80 1-7 0,83.2-7. 1028 
31.V.—2.VI. | 23,2 26,2| 9,3 11,3 | 4,65 3,65 | | +0,43 — 0,57 
2.4. [33,2 36,3 10,0 10,1 5,00 5,05 +0,08 + 0,03 
4.—6. |42,4 46,2 9,2 9,9 4,60 4,95 5,08] +0,48 + 0,13 
6-8. [52,0 57,5| 9,6 11,3|4,80 5,65 | | | +0,28 —0,57 
8.—10. 63,5 672 |11,5 9,7 5,75 -4,85| er? 28 
10.—12. 76,6 78,1,13,1 10,9 6,55 5,45, — 1,47 — 0,37 
Mittelwert aus A und B = 5,06 mm. 
t— 230% 
A.]|27.V.—29.V.| 9,1 10,9| 9,1 10,9|4,55 5,45 +1,76. + 0,86 
29—31. |21,0 23,1|11,9 12,2\5,95 6,10] + 0,36 + 0,21 
31.V.—2.VI. 32,9 34,5|11,9 11,4 | 5,95 5,70 | + 0,36. + 0,61 
2—4. 45,8 47,2|12,9 12,716,45 6,35 1\ 334 |— 0,14 — 0,04 
4.—6. [58,7 60,4 12,9 13,2|6,45 6,60 | " |—0,14 — 0,29 
6.—8. 171,2 73,1|12,5 12,7 |6,25 65 | + 0,06 — 0,04 
8.—10. |84,3 87,0/13,1 13,9 6,55 6,95 — 0.24, 064 
B. |27.V.—29.V.| 8,6 13,0 | 8,6 13,0 4,30 6,50 | + 1,60 — 0,60 
29.31. |19,2 25,1 110,6 12,1 5,30 6,05 +0,60 — 0,15 
V.—2.VL.\30,8 35,8 11,6 10,7 5,80 5,35 +0,10 + 0,55 
2.—4. 142,4 46,5 11,6 10,7 |5,80 5,35 +0,10 + 0,55 
4.—6. 1549 58,0 12,5 11,5 6,25 5,75 — 0,35 + 0,15 
6.—8.  |66,7 68,2|11,8 10,2|5,90 5,10|/ 990] + 0,00 + 0,80 
8.—10. |79,8 80,5 13,1 1233 |6,55 6,15 | — 0,65” 095 
10.—12. |93,1 94,6 13,3 14,1 |6,65 7,05 or 
12.—14. 1105,0108,3|12,9 13,7 6,45 6,85 —0,55 — 0,95 
C. 27.9229.) 9a er 92F 7 2600255 +1,43 +1,68 
29—31. [19,7 21,8110,5 13,1 5,25 6,55 +0,78 — 0,52 
31.V.—2.V1. | 31,8 33,2 |12,1 11,4|6,05 5,70 | — 0,02 + 0,33 
2.—4. |43,9 45,0 12,1 11,8, 6,05 5,90 10,02 720,18 
4.—6: 55,7 57,3 |11,8 12,3|5,90 6,15 +0,18 — 0,12 
6.8. [68,1 69,2|12,4 11,9 | 6,20 5,9515 03 | _ 0,17 + 0,08 
8.—10. 81,0 83,0 [12,9 13,8 | 6,05 6,90] — 0,020 0087, 
10.—12. 94,0 94,6 13,0 11,6 6,50 5,80 — 0,47, 2003 
1214, 110550, 9 aa20, 1 ae 


Mittelwert aus A, B, C = 6,08 mm. 


[59] _Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 93 


ct — 26,0. 
I f Zwei pr Fire BU 
r Gesamt- auBäglicher|... Ab- 
Zeit des länge tügige Zunahme Mittel. weichungen 
Wachstums Zunahme | wert 
aD Eh 8; en a b 
A.| 27.V.— 29.V.| 10,9 12,2|10,9 12,2) 5,45 6,10) +1,20 +0,45 
29.—31. |23,6 23,8|12,7 11,6 |6,35 5,80 +0,30 + 0,85 
31.V.—2.VI. | 36,0 36,4|12,4 12,6)6,20 6,30 +0,15 +0,35 
2.—4.  |49,2 49,2|13,2 12,8 | 6,60 6,40 +0,05 +0,25 
—6. [62,5 646/133 15,2|6,65 7,70 f 6655| ı 000 —1,05 
6.—8. [76,3 78,1|13,8 13,5 |6,90 6,75 25728010 
8.—10. 90,9 91,9|14,6 13,8 7,30 6,90 —0,65 —0,3 
10.—12. [105,8 106,1|14,9 14,2| 7,45 7,10 — 0,80 — 0,45 
B. | 27.V.—29.V.| 9,2 99| 92 9,9|4,60 4,95 +1,60 +1,35 
29.—31. [22,5 .23,6|13,3 13,7 |6,65 6,85 0,45 — 0,65 
31.V—2.V1|32,2 35,0| 9,7 12,4 4,85 6,20 ( 9209| 1,35 +0,00 
a EL ee | u 
Bee Na AS BEN — 
29.—31. |19,4 10,7|11,9 10,7|5,95 5,35 +0,85 +1,45 
31.V.—2.VI. 31,1 23,1|11,7 12,4 5,85 6,20 +0,95 + 0,60 
2.—4. [49,6 35,7 18,5 12,6 |9,25 6,30 — 2,45 + 0,50 
4.—6. 64,0 50,9|14,4 15,2 7,20 7,60 |( 680 | _o,40 — 0,80 
6.—8.  |80,0 66,0 116,0 15,1|8,00 7,55, 30 0,16 
8.—10. [92,2 79,8|12,2 13,8\6,10 6,90, ee ET 
10.—12. 104,6 93,4 12,4 13,6 |6,20 6,80 + 0,60 + 0,00 
Mittelwert aus A, B, C = 6,55 mm. 
t= 30,0°. 
Ay ou. aa. ale ae] 351,60 | + 0,09 — 0,06 
9,31...) 7,2 .8,2|. 43 5,0[2,15 2,50 — 0,61 — 0,96 
31.V.—2.V1.|10,8 11,9| 3,6 . 3,7|1,80 1,85 206 0 
2 4,..127 14119 220,95 1,10) +0,59 +0,44 
4.—6... [15,4 16,8| 2,7. 2,7\1,35 1,35 |% 1,54 | + 0,19. + 0,19 
6.8. 118,8 19,5| 34 2,7|1,70 1,35 20,16 .180:19 
8—10. [21,7 21,9| 29 24|1,45 1,20 +0,09 + 0,34 
10.—12. [242 25,0| 25 311,25 1,55 +0,29 — 0,01 
12.—14. |27,9 27,6| 3,7 2,6|1,85 1,30) Te 


94 KARL HorrMmann, [60] 
| nt E; 
- Zwei- ee 
\ Gesamt- Tägliche | Ab- 
Zeit des | „. tägige Mittel- . 
länge Zunahme weichungen 
Wachstums | 6 Zunahme | wert | 5 
Im, | BWEER IT SH a b 
B. | 27.V.—29,.V.| 3,4 : 3,0.|.3,4 3,0|1,70 1,50 |) — 035.016 
| | 
29.—3. | 69 51| 35 2111,75 1,05|7 1,35] 0,40 + 0,30 
31.V.—2.VL| 90 72| 21 2111,05 1,05 +0,30 + 0,30 
| | | 
C.|e1.v. 28V. 28 | 28 1,40 — 0,12 
29.—31. | 6,2 3,4 1,70 —.0,42 
31.V.—2.VI.| 9,1 2,9 1,45 — 017 
ee DR) 1,10 | + 0,18 
4.—6. 14,2 2,9 1,45 1,28 7 
EN 16,5 33 1,15 | +0,13 
Jill 19,2 27 | 85 | — BR 
10.12. 21,0 1.50 0000 | +0,38 
19214: 23,0 2,0 1,00 | + 0,28 
Mittelwert aus A, B, C = 1,39 mm. 


Wie vorher mögen diese Wachstumsverhältnisse in einer 
Kurve gezeigt werden. 


13,60 
Fig. 4. 


230 260 300 


Auch hier findet der Wachstumsanstieg nicht in einer 
geraden Linie statt; vielmehr ist auch hieraus zu entnehmen, 
dals sich vor dem Optimum die Kurve steiler erhebt als zu 
Beginn des Anstiegs. 


Ne} 
IS}; 


[61] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 


3. Wachstumsverhältnisse von Coniophora cerebella Il. 


Die zu den Versuchen benutzten Petrischalen hatten 
einen Durchmesser von ll em und wurden 32 eem dunkler 
Bierwürze beschiekt. Dem Nährboden war wiederum 5°/, 
Agar-Agar hinzugefügt. Geimpft wurden die Schalen am 
25. Mai 1909. 


t= 13,6% Die Malse sind in mm angegeben. 


| Zwei- 0 
\ Gesamt- Tägliche | | Ab- 
Zeit des x | tägige Mittel- : 
länge | Zunahme \ weich a 
Wachstums .- , Zunahme ae wert | EPIET 
DAR 9 He ah I a b 
A.|29.v -s1.v.lna6 —| 36. — 1807 = ae 
BIV-SaNVL | 120 84) 85 8014255420 +1,68 +1,73 


zn 22,7 18,6 10,6 10,2|5,30 5,10 
4.—6. 34,0 29,2 11,3 10,6 |5,65 5,30 
6.—8. |45,8 43,1 11,8 13,9 | 5,90 6,95 
8.—10. '|56,0 55,6 10,2 123,5 5,10 6,25 
10.—12. [69,7 69,3 |13,7 13,7 |6,85 6,85 


+0,63 + 0,83 
+0,28 + 0,63 
5,93 | + 0,03 — 1,02 
+ 0,83. —0,32 
92, 0.92 


Su RR ER Re] Er As — 
aan 125 | (102) — 15.101 — N 
2—4. 125,4 10,8 11,9 10,8 15,95 5,40 |) +0,04 + 0,59 
4.—6. |35,3 2%,0| 9,9 11,2|4,95 5,60 || +1,04 + 0,39 
6.—8. 147,4 34,1/12,1 12,1 16,05 6,05 |} 5,99 | — 0,06 — 0,06 
8s.—10. |59,2 46,4 |11,8 12,3|5,90 6,15 +0,09 — 0,16 


10.—12. [73,2 60,0 |14,0.13,6 | 7,00 6,80 an ut 
0.|29.V.-31.V.| 62 62| 6,2 6,2|3,10 3,10 +3,00 + 3,00 
31.V.—2.VI.|17,4 16,9 11,2 10,7 |5,60 5,35 +0,50 +0,75 
24. |26,7 26,4| 93 9514,65 4,75 +1,45 +1,35 


6.—8. ' 53,7 52,5 13,5 12,2/6,75 6,10] — 0,65 + 0,00 
8.—10. 165,4 65,0 11,7 12,5 |5,85 6,25 | +0,25 — 0,15 
10.—12. |80,0 78,8 |14,6 13,8 |7,30 6,90| 190.080 


Mittelwert aus A, B, C = 6,01 mm. 


4.—6. [40,2 40,3 |13,5 13,9 |6,75 a — 0,65 — 0,85 


t = 18,09, 
A.|29.V.—31.V.|15,2 15,4|15,2 15,4| 7,60 7,70 |+2,77 +2,67 
31.V.—2.V1. |34,3 36,1 | 19,1 20,7 9,55 10,35 | +0,82 + 0,02 
24. 55,1 573 120,9 21,2 10,40 10,60| 110,37 — 0,03 — 0,23 
43#6,.-) 76,8%58,2 | 21,7 20,9 10,85 10.45] | — 0,48: — 0,08 


96 KArı HOFFMANN, [62] 


| Zwei- a: 
Gesamt- Tägliche Ab- 
Zeit des er tägige Mittel- : 
' länge Zunahme weichungen 
Wachstums | 5 Zunahme r wert i 8 
ce) ash DEE a b 
B.|29.V.—31.V.|16,1 17,2 16,1 17,2| 8,05 8,60 +1,66 +1,21 
31.V.—2.V1. 35,4 34,6 |19,3 17,4 | 9,65 8,70 ) +0,06 — 1,01 
2.—4 55,3 54,1/19,9 19,5 | 9,90 9,75|} 9,71 |— 0,19 — 0,04 
4.—6. 75,6 74,0120,3 19,9 110,15 9,90.) —0;44-—10;19 
C.|29.V.-31.V.|17,3. 18,4 |17,3 18,4 | 8,65 9,20 +1,13 + 0,68 
31.V.—2.VI. 37,2 38,0 19,9 19,6 | 9,95 9,80 — 0,07 + 0,08 
2.—4. 1571 57,9|19,9 19,5 | 9,95 9,75|1 9,881 — 0,07 + 0,13 
4.—6.  |7%2 77,0|20,1 19,5.|10,05 9,75, an 


Mittelwert aus A, B, C = 9,99 mm. 


t = 20,00. 
A.|29.V.—31.V. | 17,6 17,6| 17,6 17,6| 8,80 8,80 |-+ 2,03 + 2,03 
31.V.—2.Vl. 41,2 38,6 |23,6 21,0 |11,80 10,50 —0,97 + 0,33 
2.—4. 64,3 60,7|23,1 21,9 11,55 10,95| 110,83 | — 0,72 — 0,12 
4.—6.  |84,2 81,0119,9 20,3) 9,95 10.15 | +0,88 +0,68 
B. |29.V.—31.V.| 12,4 13,1 112,4 13,1| 6,20 6,55 bie 82 
31.V.—2.V1.|33,2 34,5 |20,8 21,4 |10,40 10,70 +09 033 
2.—4.  |57,8 59,2| 24,6. 24,7 12,30 12,35) 111,37 | — 0,93. — 0,98 
A 6... | 80,21. 81,4| 22,4 25 11.20 1125) 10 2 
C.|29.V.-21.V.| 15,6 15,2|15,6 15,2| 7,80 7,60 +2,69 + 2,89 
31.V.—2.V1. | 36,8 37,3 |21,2 22,1 |10,60 11,05 —0,11 — 0,6 
2—4. 156,2 58,4\19,4 21,1| 9,70 10,55 110,49 | + 0,79 — 0,06 
426.4 77,4) 702) 250 900 10.70 10,35 J 0 702 


Mittelwert aus A, B, C = 10,90 mm. 


t 280% 
A.| 29.V.— 31.V.| 19,4 19,8] 19,4 19,8 | 9,70 9,90) +2,49 +2,29 
31.V.—2.VI. | 43,8 44,0 | 24,4 24,2 12.201210), ., — 0,01 + 0,09 
2—4. |68,2 68,5|24,4 24,5 12,2012,25) © ° —0,01 —0,06 

| | 

B.| 29.V.—31.V.| 23,1 21,4\23,1 21,4 11,55 10,70 —0,05 + 0,80 
31.V.—2.VI. |48,2 43,5 125,1 22,1 1%,5511,05\,,_, —105 +0,45 
24.  )72,5 64,2|24,3 21,7 12,15 10,85)” | — 0,65 + 0,65 


[63] Wuchstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 97 
Zeit d  Gesamt- A | Tägliche Sen h | Ab- 
RT: A818© | Zunahme |" ©) weichungen 
Wachstums | a Zunahme | wert & 
|a b &ı, :D  1D a b 
C. |29.V.—-31.V.| 17,8 17,4|17,8 17,4| 8,90 8,70 +1,30 + 1,50 
31.V.—2.VI. | 39,7 37,4 [21,9 19,7 110,95 9,85), — 0,75 + 0,35 
24. 59,4 57,4 20,0 20,0 110,00 10,00 51920 | + 0,20 -+ 0,20 
Mittelwert aus A, B, C = 11,50 mm. 
| 
t = 26,0°. 
| A.[29.V.—31.V.|21,2 22,0 |21,2 22,0 |10,60 11,00) +2,08 + 1,68 
| 31.V.—2.V1.|46,5 47,5|25,3 25,5 12651275, 12.003 — 007 
DA 172,0 12,6 |25,5 25,1 [12,75 12,55)1568 | _ 0,07 +0,13 
| 
B. | 29.V.—31.V.| 20,0 19,6 |20,0 19,6 |10,00 9,80 175 11,95 
31.V.—2.V1.| 42,5 43,3 | 22,5 23,5 LESE + 0,50 + 0,00 
2—4. |660 678|233,7 24,5 11,85 12,25 17° | _ 0,10 —0,50 
Mittelwert aus A und B — 12,22 mm. 
t= 30,0°. 
A.|29.V.—31.V.| 22 30| 2,2 3,0|1,10 1,50 2413 %073 
31.V.—2.VL!| 52 82| 30 5,2[1,50 2,60 "1.0.73. 0487 
2.—4. 9,0 12,6| 3,8 4411,90 2,20| +0,33 + 0,03 
4—6. 141 15,9) 51 3,312,55 1,65 | 995 — 0,22 + 0,58 
Bl 17,9 20,6| 3,8 4,7|1,90 2,35 zer 033 012 
8.—10. |24,0 271| 61 6513,05 3,25 — 0,82 — 1,02 
10.—12. |29,6 33,0| 5,6 5,9|2,80 2,95 — 0,57 — 0,72 
12.14. |33,8 37,5| 42 4812,10 2,40 +0,13 — 0,17 
B.|29.V.—-31.V.| 4,0 42| 40 4212,00 2,10 —0,96 — 0,16 
31.V.—2.VL| 70 73| 30 3,11,50 1,55 | +0,44 +0,39 
2—4. |10,6 10,9| 3,6 3,6|1,80 1,80 +0,14 +0,14 
4—6. |14,7 14,8| 4,1 3912,05 1,95 1,92, .0.11 7 — 0501 
6-8. [172 165| 2,5 1,7|1,25 0,85 + 0,69 + 1,09 
8 10. |194 194 22 29|1,10 1,5 | +0,84 + 0,49 
0212 0722200 1,3 "1,6.10:90° 0:80 7104 1A 


Mittelwert aus A und B = 2,08 mm. 


Zeitschr, f, Naturwiss,. Halle a. S. Bd. 82, 


1910, 


98 KARL HOFFMANN, [64] 


In der Kurve sind die Wachstumsverhältnisse graphisch 
dargestellt. 

Auch bei dieser Wachstumskurve kann von einem gerad- 
linigen Aufstieg nicht die Rede sein. Je mehr sich die Kurve 
ihrem Optimum nähert, um so steiler wird sie, um vor dem 
Maximum sieh weniger steil zu erheben. 


13,60 180 200 230 260 


Fig. 5. 


4. Temperaturwerte von Po/yporus vaporarius. 


Auch Polyporus vaporarius wurde in Petrischalen von 
11 em Durehmesser, die mit 32 cem dunkler Bierwürze, der 
50/, Agar-Agar zugesetzt war, beschiekt waren, in seinem 
Wachstum bei verschiedenen Temperaturen beobachtet. Da 
mir nur eine kleinere Anzahl von Kulturgläsern zur Verfügung 
standen und immer einige Versuche milsglücken, da die 
Petrischalen besonders leieht verunreinigt werden, konnten 


30 


[65] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 99 
bei 13,6° und 30,0% nur je eine Sehale mit je zwei Ab- 
lesungen verwendet werden. 
t—= 13,6%. Die Malse sind in mm angegeben. 
Zeit d Gesamt- Te Tägliche Mittel Ab- 
eit des R ägige ittel- j 
länge Zunahme weichungen 
Wachstums is Zunahme ert 5 
&l'cb a b Seen a b 

A.B.VL—10.VI| 47 46 47 4612,35 2,30) — 0,30 — 0,35 
0, 12, | 73 84126 -3811,50 1,90 | +0,75 +0,15 
12.—14. |11,2 1235| 3,9 4,1|1,95 2,05|) 2,05| +0,10 + 0,00 
14.—16. [15,9 174| 4,7 4,9|2,35 2,45 || — 0,30 — 0,40 
16.—18. |193 21,7| 34 4,3|1,70 2,15 |) +0,35 — 0,10 
t= 18,0°. 

A.B.VL-10.VL| 62 —| 62 — 3,10 — |) 0 
10.—12. | 99 45| 3,7 45|1,85 2,25 -1.0.731:1.0,33 
12.—14. |16,9 91| 7,0 4,6|3,50 2,30 |} 2,58|—0,92 + 0,28 
14.—16. |21,8 14,0. 49 4,9|2,45 2,45| ESEL NE 
16.—18. |27,0 19,6| 5,2 5,6 2,60 2,80 002, 0,22 

B. [8.VL—10.VL| 74 61| 74 6,113,70 3,35 A Km 
10.—12. [15,0 12,5| 7,6 6,4|3,80 3,20 NETENKN 
12.—14. |20,0 18,1| 5,0 5,6|2,50 2,80 |\ 3,04 | +0,54 + 0,24 
14.—16. |24,8 23,0| 4,8 4,9|2,40 2,45 | + 0,64 + 0,59 
16:—18. |31,2 29,6| 6,4 6,6|3,20 3,30 ler 0,26 

Mittelwert aus A und B = 281 mm 
t= 20,0°. 

A.|10.VI.-12.VL| 52 5,4| 5,2 5,4|2,60 2,70| + 0,10. + 0,00 
12.—14. |11,3 10,2| 61 4813,05 2,40 | y..|— 0,35| + 0,30 
14.—16. |17,4 15,9| 6,1 5,7|3,05 | 7 | —0,35\— 0,15 
16.—18. |22,1 21,0| 47 511235 2,55 +0,35 — 0,15 

B.6.VL—10.V1. 52 — | 52 — [260 — |) 0 
10.—12. |11,6 75| 64 75|320 3,75 +0,38 — 0,17 
12.—14. 118,7 15,0| 6,1 7,5 3,05 3,75 Nas 50T 
14.—16. [27,1 21,1| 8,4 6114,20 3,05 | — 0,62 +0,53 
16.—18. |35,4 29,0| 83 7,9|4,15 3,95 ) —0,57 —0,47 


100 Karı HOFFMANN, [66] 

Zeit des Gesamt- Fr Tägliche Mittel Ab- 
i länge 2518° | Zunah US uawwel 
Wachstums 5 Zunahme ne wert weichunpen 
a. :ıb a Knb MD a b 
| 

C. [8.VL—10.VL| 50 4,5| 50 4,5] 2,50 2,25 +0,45 + 0,70 
10.—12. |10,1 10,01 5,1 5,5 2,55 2 | + 0,40 + 0,20 
12.—14. 15,9 16,3| 5,8 6,3 2,90 3,15 |) 2,95 | + 0,05 — 0,20 
14.—16. |22,9 23,2| 7,0 5,9|3,50 2,95| — 0,55 +0,00 
16.—18. 28,7 30,2| 5,8 8,0 |2,90 4,00 + 0,05 — 1,05 

Mittelwert aus A, B, C = 3,08 mm. 
t= 23,00. 

A.|8.VIL—10.VI.| 5,1 6,0| 5,1 6,0|2,55 3,00 +1,70 +1,25 
10.—12. [13,4 15,0| 8,3 9,014,15 | +0,10 — 0,3 
12.14. 123,2 24,1| 98 9114,90 455 || ;o, | — 0,65 — 0,30 
14.—16. |30,0 32,2| 6,8 8,1|3,40 4,05 [+0,85 +0,20 
16.—18. |38,1 41,0| 8,1 8,8|4,05 4,40 +0,20 — 0,15 

B. [8.VL—-10.V1| 70 62| 70 6,2[3,50 3,10| +0,75 +1,15 
10.12. 145,4. 14,7 | 82.985 4.90 | +0,05 + 0,00 
12.—14. 1240 23,4| 8,6 8,7|4,30 4,35 || „9, |—0,05 — 0,10 
14.—16. |31,2 31,0) 7,2 7,6 |3;60 3,80 | | I +0,65 +0,45 
16.—18. |40,6 40,6 | 9,4 9,6 4,70 4,80 — 0,45 — 0,55 

C.|10.V1.-12.VL| 42 53| 42 5312,10 2,65 +1,15 + 0,60 
1212 119,1, 112 | 6,959 3,5 2,95 — 0,20 +0,30 
14.—16. 175 171) 64 5,9|3,20 2,95" 3,25 |-+ 0,05 -+ 0,30 
16.—18. 24,5 24,0| 7,0 6,9|3,50 3,45 J 20 

Mittelwert aus A, B, C = 3,92 mm. 
t = 26,0°. 
A.|8.V1.—10.VL| 10,0 10,2 10,0 10,2 5,00 5,10 |) — 0,60 — 0,70 
.—12. |18,4 20,2 8,4 10,0 |4,20 5,00 |] + 0,20 — 0,60 
12.—14. \27,2 3275| 8,8 731440 3,65 |) 4,40| + 0,00 + 0,75 
14.—16. |36,0 36,1) 8,8 8,6 |4,40 4,30 | + 0,00 + 0,10 
16.—18. |43,9 44,0 79 7,9|3,95 3,95 |) +0,45 + 0,45 

B.|8.VL—10.VI.| 92 87| 9,2 8,7[/4,60 4,35 — 0,30 — 0,05 
10.—12. |171 182) 7,9 9,5|3,95 4,75 | +0,35 — 0,45 
12.—14. [26,2 26,5| 9,1 8314,55 4,15 | 4,301 _0,95 +0,15 
14.—16. |34,0 34,8| 7,8 8,3 |3,90 4,15 +0,40 + 0,15 


“ 


[67] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 101 
Zwei- | muy | 
Gesamt- Tägliche Ab- 
Zeit des “ tägige |, Mittel- : 
länge Zunahme | weichungen 
Wachstums = Zunahme wert . 
a, aD aD a b 
0.|8.VL—10.VI. 6,7 84 6,7 8,413,35 4,20 ] +0,94 + 0,09 
10.—12. |15,1 173| 84 891420 4,45 | +0,09 — 0,16 
12.—14. |241 271| 9,0 9,8|4,50 4,90 |\ 4,291 —0,21 — 0,61 
14.—16. |33,6 36,0| 9,5 8,9|4,75 145 | — 0,46 — 0,16 
16.—18. |41,7 44,0| 81 80|4,05 4,00 |) +0,24 + 0,29 
Mittelwert aus A, B, C = 4,53 mm. 
— 30,0°. 
A.[8.VL-—10.VL| 42 25| 42 25|2,10 1,25| |— 0,66 + 0,19 
10-12. | 6,9 A8| 2,7 -2,3 11,35 1,15 |t 1,44 | +0,09 + 0,29 
12—14. |103 70| 34 2,2)1,70 1,10| — 0,26 + 0,34 


Es ergibt sich aus den angeführten Beobachtungen 
folgende Wachstumskurve (die Werte sind für je zweimal 
10 Tage berechnet). 


300 


13,60 180 200 230 260 


Fig. 6. 


102 KARL HoFFMANN, [68] 


Auch aus dieser Kurve können wir nicht auf einen 
linearen Verlauf der Wachstumskurven schliefsen. Es ist 
nur die Tatsache zu vermerken, dals vor dem Optimum ein 
steilerer Anstieg erfolgt, um nachher wieder allmählich ab- 
zufallen. 


111. Verlauf der Wachstumskurven. 


Wenn wir irgend eine der Wachstumskurven nach FALck 
betrachten — ich wähle Merulius laerymans domesticus!) — 
so ergibt sich dasselbe Bild. 


+ 
+ 


50 100 140 180 220 260 


Fig. 7. 


Die Kurve, welehe dureh die Waehstumswerte bei den 
verschiedenen Temperaturen bedingt ist, wird sich ganz nach 
meinem Belieben mehr oder weniger einer Geraden nähern 
je nach den Verhältnissen, welche ich zur Darstellung benutze. 
Wähle.ich die Temperatureinheiten recht grols, so wird 
die Kurve wenig von einer Geraden abweichen, wähle ich 
aber zur Darstellung der Wachstumswerte grölsere Ein- 
heiten, so ist die Kurve verhältnismälsig kürzer und die Ab- 
weichungen vom geradlinigen Verlauf treten deutlicher hervor. 

Aus den von mir erhaltenen Wachstumskurven kann 
ich nieht folgern — ebensowenig aus den von FALCK ge- 
wonnen —, dals der Wachstumsanstieg eine lineare Funktion ?) 


1) Vgl. Falck, S. 92. 
2) Im Gegensatz zu Falck, 8.108 und 109, 


[69] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 103 


der Temperatur ist. Ich kann nach den gegebenen Ver- 
hältnissen nur den Schlufs ziehen, dafs vor dem Optimum 
sich die Wachstumskurve steiler erhebt und dals sie nach 
dem Maximum ziemlich steil abfällt. 

Zu bemerken ist aulserdem noch, dals durch das Ex- 
periment noch nicht erwiesen ist, ob wirklich bei 0% kein 
Wachstum stattfindet. Die Annahme FArcks, erst von 3,0° 
die Wachstumskurve ihren Aufstieg vornehmen zu lassen, 
ist willkürlicb und keine zwingende Folge seiner Be- 
obaehtungen. Ich möchte nur darauf hinweisen, dafs in 
Eiskellern mehrfach lebender, also wachsender Hausschwamm 
gefunden wurde,!) so dafs es nicht unmöglich erscheint, 
dals auch bei 0% bei genügend langer Gewöhnung an 
diese niedrige Temperatur ein, wenn auch langsames, 
Waehstum stattfindet. 


IV. Die Bedeutung des Sauerstoffs für das Wachstum 
der Mycelien. 


1. Ana&robe Kulturen. 


In seinen Untersuchungen über „Wachstumsintensitäten 
usw.“ führt FALck?) auch Versuche an, die er unter der 
Bedingung der anaöroben Kultur vornahm. Nach seinen 
bisherigen Feststellungen entwickelt sieh das Mycel des 
Merulius lacrymans ohne Sauerstoff längere Zeit hindurch 
ebenso günstig wie in aöroben Kulturen. Um dies nachzu- 
prüfen, verschlofs ich einige Kulturröhren der Coniophora cere- 
bella I und II, des Paxillus acheruntius, Merulius lacrymans 
und Merulius silvester mit festen Wattepfropfen und legte 
darüber eine dieke Schieht von Paraffın, so dafs Luftzutritt 
nicht mehr stattfinden konnte. Einige Tage hindurch war 
noch Wachstum vorhanden, das allerdings nicht mehr so 
intensiv war; aber bald kam dies völlig zum Stillstand. 
Dies Verhalten konnte am Sauerstoffmangel oder an der 
Kohlensäureanreicherung der Luft liegen. Um dies näher 


1) Vgl. Mez, Der Hausschwamm, S$. 59. 
2) Vgl. Falck, $. 123. 


104 KARL HOFFMANN, [70] 


zu untersuchen, unterwarf ich die Mycelien der von mir 
behandelten Pilze der Wasserstoffkultur. Ich ging so vor, 
dals ich in Erlenmeyer-Kolben zunächst eine ausreichende 
Nährsehieht sterilisierte. Diese Gefälse waren mit einem 
doppelt durehbohrten Kautsehukpfropfen versehen, durch den 
zwei Glasröhren hindurehführten, die der leichteren Be- 
handlung wegen rechtwinklig umgebogen waren. Wenn die 
Kulturen in den Kolben einen Durchmesser von ca. 5—7 em 
erreicht hatten, wurden sie mit chemisch reinem Wasserstoff 
beschiekt und hierauf die Zu- und Ableitungsröhren zu- 
geschmolzen. Um jeden Luftaustausch unmöglich zu machen, 
war die obere Öffnung der ERLENMEYER-Kolben und die 
Kautschukpfropfen mit einer absolut sicher schlielsenden 
Paraffin- resp. Wachsschicht überzogen. So wurden die 
Bedingungen der anaöroben Kultur auf eine verhältnismälsig 
leichte und sichere Weise gewonnen. Zu erwähnen ist noch, 
dals von jeder untersuchten Pilzspezies wenigstens zwei 
Versuche vorgenommen wurden; war etwa eine Kultur ver- 
unreinigt, so wurde der Versuch wiederholt, so dafs für jede 
Bestimmung zwei oder mehrere absolut sichere und über- 
zeugende Beobachtungen vorliegen. 

Merulius lacrymans (vom 21. April 1909) wurde am 
7. Mai mit Wasserstoff beschickt. Schon nach 4 Stunden 
zeigte sich ein Einfluls des mangelnden Sauerstoffs. Das 
Mycel senkte die nach oben strebenden Hyphen nach unten. 
Dieser Vorgang der Einkrümmung verstärkte sich von Stunde 
zu Stunde, so dafs am 8. Mai das Substrat wie von einem 
Sehleier überzogen erschien. Am 17. Mai war das Mycel 
dem Nährboden vollkommen angedrückt, so dals es kaum 
noch sichtbar war. Es war nun möglich, dals der Pilz sich 
von der sauerstoffarmen Atmosphäre zu dem Substrat ge- 
wendet hatte, um sieh den darin befindlichen gebundenen 
Sauerstoff nutzbar zu machen, dals der Pilz also im Nähr- 
boden weiter wuchs. Um dies zu untersuchen, wurde am 
17. Mai die Spitze der zuführenden Röhre abgebrochen, 
so dals ein geregelter Gasaustausch stattfinden konnte. 
Das Resultat war, dafs auch jetzt der Pilz kein Luftmycel 
mehr bildete; auch eine Impfung, von dieser Kultur vor- 
genommen wurde, liels kein Wachstum erkennen. Nach 


[71] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 105 


weiteren 3 Wochen war Merulius lacrymans nieht weiter 
gewachsen: er war tot. Zwei andere Kulturen, die in der- 
selben Weise behandelt wurden, gingen bei der Sauerstoffent- 
ziehung ebenfalls sofort zu Grunde und wuchsen nicht weiter. 

Es fragte, sich nun, ob der Sauerstoffmangel den Pilz 
sofort zu töten vermochte oder ob der im Nährboden 
vorhandene gebundene Sauerstoff ausreichte, um ihn eine 
Zeitlang am Leben zu erhalten. Der vorhin besprochene 
Versuch war so eingerichtet, dafs nach zehntägiger Wasser- 
stoffkultur der Pilz wieder normale Wachstumsbedingungen 
erhielt: nach zehn Tagen Sauerstoffentziehung war das Mycel 
abgestorben. 

Ein anderer Versuch zeigte, dafs auch siebentägiger 
Mangel an Sauerstoff genügte, um den Pilz zu töten, auch 
vier Tage ana@robe Kultur zeitigten dasselbe Resultat. Nach 
dreitägiger Sauerstoffentziehung wuchs jedoch ein stark 
entwickeltes Mycel weiter. Einige andere Versuche, die mit 
gering gewachsenen Mycelien vorgenommen wurden, lielsen 
erkennen, dafs der Pilz, wenn er nur schwaches Luftmycel 
gebildet hat, aueh schon nach dreitägigem Sauerstoffmangel 
zu Grunde geht. 

Wir können aus diesen Versuchen den Schluls ziehen, 
dals ein kürzerer Aufenthalt in sauerstoffreier Luft den 
Merulius lacrymans schwer sehädigt — er stellt sofort sein 
Wachstum ein —, dafs aber der vom Mycel festgehaltene 
Sauerstoff genügt, ihn einige, aber nur kurze Zeit am Leben 
zu erhalten, so dals sich das Mycel bei Sauerstoffzufuhr 
wieder erholen konnte. Kräftig ausgebildetes Mycel kann 
infolgedessen mehrere Tage in sauerstoffreier Atmosphäre 
“ lebensfähig bleiben. Er wird aber unter allen Umständen 
bei längerem Sauerstoffmangel getötet. 

Mit Merulius silvester wurden drei Parallelversuche 
angestellt; diese zeigten übereinstimmend, dafs auch er zu 
seiner Lebenstätigkeit den Sauerstoff der Luft nötig hat. 
Nach fünf und nach zehntägigem Aufenthalt in dem Wasser- 
stoff war er vollkommen getötet. 

Merulius favosus kann ebensowenig ohne Sauerstoff 
existieren. Auch bei diesem Pilz beobachtete ich überein- 
stimmend mit dem Verhalten von Merulius lacrymans und 


106 KARL HOFFMANN, [72] 


Merulius silvester, sowie mit den Mycelien der anderen Pilze, 
dals sich der Sauerstoffmangel so bemerkbar machte, dafs 
sieh die obersten IHyphenenden nach unten krümmten und 
so allmählich sieh tiefer und tiefer zu dem Substrat neigten, 
bis das ganze Mycel den Nährboden wie ein Schleier überzog. 
Nach vierzehn Tagen und auch nach vier Tagen war der 
Pilz abgestorben und zeigte unter den Bedingungen der 
aöroben Kultur, in die er dann gebracht wurde, kein Wachs- 
tum mehr. 

Auch Polyporus vulgaris, Polyporus vaporarius und 
Polyporus serialis, die in anaörob gehaltenen Kulturen einige 
Wochen hindurch beobachtet wurden, zeigten die gleichen 
Verhältnisse. Ihr Mycel stellte ebenfalls sofort das Wachs- 
tum ein. Polyporus vaporarius liels erkennen, dals eine 
gut gewachsene Kultur die Sauerstoffentziehung einen Tag 
aushielt, zwei Tage Sauerstoffmangel töteten auch ihn voll- 
kommen. Auch hier war wieder die Erscheinung, dals das 
Mycel selbst soviel Sauerstoff festhält, um kurze Zeit das 
Leben zu ermöglichen, sicher zu erkennen. 

Coniophora cerebella und Pawillus acheruntius können 
nach meinen Resultaten nicht ana@rob wachsen; ebenso auch 
Polyporus destructor nieht. Die Schädigungen des Sauerstoff- 
mangels sind schon nach kurzer Zeit deutlieh sichtbar; ein 
Längenwachstum kam nicht in Frage. Die Messung wurde 
täglich vorgenommen, indem an auf der Unterseite der Kolben 
aufgeklebten Papierstreifen bei der Durchsicht gegen das 
Lieht Markierungen vorgenommen wurden. Die Einstellung 
des Wachstums geschah sofort nach der Sauerstoffentziehung 
und seit diesem Augenbliek war keine Zunahme im Längen- 
wachstum zu vermerken. Vielmehr nahm die Ausbreitung 
der Mycelien etwas ab, da auch die vorderen Lufthyphen 
eingekrümmt wurden und so eine Verminderung der Längen- 
ausdehnung herbeiführten. Diese Erscheinung ist nur die 
Folge des Sauerstoffmangels. 

Bei (oniophora cerebella, Polyporus destructor, Polyporus 
serialis und Paxillus acheruntius konstatierte ich nun ein 
merkwürdiges Verhalten. Die beobachteten Kulturen zeigten 
kein weiteres Längenwachstum, und auch das Mycel legte 
sich in der beschriebenen charakteristischen Weise dem 


[73] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 107 


Substrat an, nur dafs dieses Anlegen nicht so intensiv geschah; 
etwas Mycel und einige Lufthyphen blieben noch deutlich 
sichtbar. Als ich nun nach 20 Tagen Sauerstoffentziehung 
die Coniophora cerebella wieder den Bedingungen der aöroben 
Kultur unterwarf, erholte sich das Mycel zusehends. Nach 
einem Tage war es soweit gekräftigt, dals es ganz das 
Aussehen der Kultur vor dem Beschieken mit Wasserstoff 
hatte, und am zweiten Tage danach zeigte sich recht intensives 
Waehstum, das auch weiterhin anhiel. Auch nach vier 
Tagen Sauerstoffentziehung wuchs das Mycel üppig weiter, 
als ihm wieder Sauerstoff zugeführt wurde. Jedenfalls ist 
hierdurch erwiesen, dals Coniophora cerebella gegen Sauerstoff- 
mangel sehr widerstandsfähig ist. Das intensive und sehr 
kräftige Wachstum dieses holzzerstörenden Pilzes versetzt 
ihn in die Möglichkeit, dem Nährboden soviel Sauerstoff zu 
entziehen, als ihm zur Erhaltung seiner Lebensfähigkeit nötig 
ist. Da Coniophora cerebella in dem ERLENMEYER-Kolben 
obne Sauerstoff zwanzig Tage hindurch lebend blieb, kann die 
Erscheinung unmöglich darauf zurückzuführen sein, dals in 
dem Mycel selbst genügende Mengen von Sauerstoff gespeichert 
waren. Das Verhalten dieses Pilzes stimmt auch mit meinen 
sonstigen Beobachtungen überein, denen zufolge Coniophora 
den von mir benutzten Nährstoff in ausgiebigem Malse 
zerstört. Man sieht an der Verfärbung des Nährbodens, der 
bei mir stets heller gefärbt wurde, dals der Pilz irgendwelche 
Stoffe ausscheidet, die den Nährboden zersetzen. Auf diese 
Weise dringt Coniophora cerebella oft tief in das Kultur- 
substrat ein. Jedenfalls zerstörte er in derselben Zeit inten- 
siver den künstlichen Nährboden als Merulius lacrymans 
oder Merulius silvester. 

Ein ähnliches Verhalten wie Coniophora zeigt Paxillus 
acheruntius. Auch das Mycel dieses holzzerstörenden Pilzes 
wurde durch Sauerstoffentziehung schwer geschädigt. Es 
wurde mehr und mehr dem Nährboden angedrückt, so dals 
es schlie[sliieh den Anschein hatte, als ob das Substrat 
mit einer öligen Haut überzogen wäre. In zehn und in 
fünfzehn Tagen Aufenthalt in einer Atmosphäre ohne Sauer- 
stoff zeigte auch Paxillus acheruntius kein Längenwachstum. 
Als ihm aber nach dieser Zeit wieder Sauerstoff geboten 


108 KARL HOFFMANN, [74] 


wurde, erholte auch er sich und hatte bald das ganze Sub- 
strat bewachsen. Hiermit ist auch die Widerstandskraft gegen 
Sauerstoffentziehung für Paxillus acheruntius erwiesen. 

Polyporus destructor und Polyporus serialis blieben 
ebenfalls in sauerstoffreier Luft lebend. Beide Pilze wurden 
in gleicher Weise nach 5 und nach 15 Tagen Wasserstoff- 
kultur nieht getötet, sondern wuchsen, wenn sie dann die 
Mögliehkeit hatten, Sauerstoff zu atmen, weiter. Also auch 
Polyporus destructor und Polyporus serialis vermögen intra- 
molekular zu atmen. 

Wenn (oniophora cerebella, Paxillus acheruntius, Poly- 
porus destructor und Polyporus serialis tatsächlich bei 
Sauerstoffentziehung normale intramolekulare Atmung ein- 
leiten können, so mulste sich in den Kulturen ohne 
Sauerstoffzuführung Alkohol nachweisen lassen. Zur Prüfung 
wurde die Jodoformreaktion benutzt.!) 

Bei diesen Versuchen ergab sich nun, dafs tatsächlich 
unter den Bedingungen der anaöroben Kultur Polyporus 
destructor, Polyporus serialis, Comiophora cerebella und 
Paxillus acheruntius Alkohol bilden. Besonders deutlich 
trat diese Erscheinung bei Polyporus destructor hervor. 
Dieser Pilz bildet auch in aöroben Kulturen reichlich Alkohol, 
während Coniophora cerebella, Paxillus acheruntius und 
Polyporus serialis bei Gegenwart von Sauerstoff zwar auch 
Alkohol bilden, doch bei weitem nieht so reichlich wie 
bei Sauerstoffentziehung. Polyporus destructor bildete in 
a@roben und in anaöroben Kulturen am intensivsten Alkohol. 

Es ist hier gleichzeitig darauf hinzuweisen, dals Pawxillus 
acheruntius und Polyporus destructor den von mir benutzten 
Nährboden sehr kräftig ausnutzen. Wenn sie den anderen 
Pilzen auch an täglichem Längenwachstum nachstehen, so 
zerstören sie doch in gleicher Zeit das Substrat in bedeutend 
höherem Malse. 

Fernerhin wurde versucht, ob die Merulius-Arten und 
Polyporus vaporarius ebenfalls Alkohol bilden können. Es 
ergab sich, dals weder in aöroben noch in anaöroben 


!) Vgl. Detmer, Kleines pflanzenphysiologisches Praktikum, 
8. 157. 


[75] _Wacehstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 109 


Kulturen Alkohol nachgewiesen werden konnte. Da also 
Merulius lacrymans, Merulius silvester, Merulus favosus 
und Polyporus vaporarius sich den im Nährboden vor- 
handenen gebundenen Sauerstoff nicht frei machen konnten, 
gingen sie ana@roben Kulturen in kurzer Zeit zugrunde. 

Im Anschlufs hieran möchte ich darauf hinweisen, dafs 
nach den bisherigen Erfahrungen !) Polyporus destructor, 
Polyporus serialis und Paxillus acheruntius als echte 
Parasiten bekannt sind. Diese Pilze besitzen nach meinen 
Untersuchungen tatsächlich die Mögliehkeit intramolekularer 
Atmung. Aulserdem vermag auch Coniophora cerebella den 
im Substrat gebundenen Sauerstoff frei zu machen; dieser 
Pilz war bisher als echter Saprophyt angesehen worden.!) 
Insbesondere mache ich gleichzeitig darauf aufmerksam, 
dals Coniophora cerebella, wie auch bereits von Mez?) 
bemerkt wurde, auf sehr feuchtem Substrat besonders gut 
wächst. Die Kulturen auf flüssigem Nährmedium 3) zeigen 
aufs deutlichste, dals Coniophora cerebella bei Gegenwart 
grolser Feuchtigkeitsmengen üppig Mycel bildet, dafs dieser 
Pilz aber auch imstande ist, anaörob zu wachsen. Wir 
können aus diesem Verhalten folgern, dals auch Coniophora 
cerebella die Möglichkeit parasitischer Lebensweise besitzt 
und auch kubisch zu wachsen vermag. 

Für Paxillus acheruntius folgen dieselben Schlüsse wie 
für Coniophora cerebella. Sein Verhalten in anaöroben 
Kulturen zeigt klar, dafs er ebenfalls als echter Parasit 
gelten muls.?) 

Dagegen zeigen die Versuche, dals Merulius lacrymans, 
Merulius siWwester, Merulius favosus und Polyporus vapora- 
rius als echte Saprophyten anzusehen sind; hierauf weist 
auch das von ihnen bekannte oberflächliche Wachstum hin.>) 


1) Vgl. Mez, Der Hausschwamm, 8. 198. 
2) Ebenda S. 173. 

®) Ebenda S. 102 und 109. 

4) Ebenda S. 148. 

°) Ebenda S. 200. 


110 KarL HorfManN, [76] 


2. Oxygenotropismus des Pilzmycels. 


Das Verhalten der Mycelien von Merulius lacrymans, 
Merulius favosus, Merulius silvester, Poyporus vulgaris, 
Polyporus vaporarius, Polyporus destructor, Polyporus 
serialis, Coniophora cerebella, Paxillus acheruntius unter 
den Bedingungen der anaöroben Kultur wies schon darauf 
hin, dafs die Pilze ein gewisses Bedürfnis haben, den 
Sauerstoff an sieh zu ziehen, um atmen zu können. Dieses 
Bestreben ging auch daraus hervor, dals sich in Petrischalen 
das Mycel des Merulius lacrymans und Merulius silvester 
zwischen Schale und Deckel zwängte. Nahrungsmangel 
konnte nicht die Ursache sein; es blieb nur der Sehlufs 
übrig, dals der Pilz, der auf dem Nährboden in der Kultur- 
schale sehr üppig gewachsen war, nicht genügend Sauerstoff 
zur Atmung zur Verfügung hatte. Da das Mycel aber nie 
in die Umgebung der Schale hinaus wuchs, mufste sich 
mir der Gedanke aufdrängen, dals zwar Sauerstoffbedürfnis 
vorhanden war, dals es sich aber in gewissen Grenzen hielt. 

Um nachzuweisen, dals die Pilzmycelien tatsächlich 
oxygenotrop sind, wurde folgender Versuch angestellt: ein 
mit Nährboden beschiekter ERLENMEYER-Kolben wurde mit 
einem Kautschukpfropfen verschlossen, durch den drei ver- 
schiedene Glasröhren führten: eine zur Zuleitung von Wasser- 
stoff, eine zur Ableitung, durch die dritte Öffnung war eine 
Kapillare in das Innere eingeführt, die ziemlich dieht über 
dem Nährboden endigte. Diese Kapillare stand nur unter 
dem Einfluls der äufseren Luftverhältnisse, so dafs durch 
sie Sauerstoff eintreten konnte. Die Nährböden wurden mit 
Merulius lacrymans geimpft und, wenn dieser gut ange- 
wachsen war, mit Wasserstoff beschiekt. Durch die Kapillare 
konnte Sauerstoff eindringen. Es ergaben sich bei diesen 
Versuchen leider keine sehr deutlich siehtbaren chemotak- 
tischen Reizwirkungen, da es sehr schwierig war, die 
Kapillaren vollkommen frei von Wasser zu halten, das sich 
bei der Sterilisation der Kulturgefäfse darin niederschlug. 
Infolgedessen konnte bei drei Versuchen nur konstatiert 
werden, dafs in der nächsten Umgebung der Kapillaren die 
Pilzhyphen länger aufgerichtet waren, während die weiter 


[77] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 111 


entfernten Hyphen sich einige Stunden eher einkrümmten 
und dem Substrat anschmiegten. Ein direktes Hinwenden 
zu den Kapillarenöffnungen wurde nicht bemerkt, da offenbar 
diese unwegsam waren und der Sauerstoff nur langsam 
hinein diffundierte. Das Resultat dieser Versuche war nur, 
dals die Hyphen in der unmitttelbaren Nähe der Kapillare 
einige Stunden länger in ihrer normalen Stellung verharrten. 

Eine andere Versuchsanordnung zum Nachweis des 
Oxygenotropismus war folgende: U-Röhren wurden bis zu 
geringer Höhe mit Nährstoffmenge beschickt, dann beide 
Öffnungen mit Wattepfropfen verschlossen und sterilisiert; 
einer der beiden Arme wurde mit Merulius lacrymans ge- 
impft. Nachdem dies Mycel sich genügend gekräftigt hatte 
und gut angewachsen war, wurde der geimpfte Arm der 
U-Röhre mit Wasserstoff beschiekt und die Zu- und Ab- 
leitungsrohre zugeschmolzen. Nach kurzer Zeit krümmte 
sich das Luftmycel ein. Es suchte nun aus dem Sauerstoff- 
ımangel in Verhältnisse zu kommen, die ihm eine gute 
Atmung gestatteten und wuchs an der Wand des Gefälses 
entlang bis zur anderen Hälfte des U-Rohres, wo gewöhn- 
liche Luftzirkulation stattfand. Während also in dem einen 
Arm der U-Röhre das Mycel durch Sauerstoffentziehung 
schwer geschädigt wurde, suchte es sich selbst eine Um- 
gebung auf, die ihm normale Atmung ermöglichte. Parallel- 
versuche, die nach kurzem Sauerstoffmangel wieder den 
Bedingungen der a@roben Kultur zugeführt wurden, erholten 
sich wieder: die Lufthyphen richteten sieh auf und wuchsen 
weiter. Auch in diesem Falle suchte der Pilz die andere 
Hälfte der U-Röhre auf; doch ging dies nur langsam vor 
sich, während im erst angegebenen Falle das Mycel sehr 
schnell den sauerstoffreichen Arm der Röhre aufsuchte. 

Dieser Versuch ist vollkommen beweisend für den 
Oxygenotropismus des Merulius lacrymans. Während das 
Mycel bei Sauerstoffentziehung zugrunde ging, konzentrierte 
es seine Lebenstätigkeit auf die Ausbildung neuen Mycels, 
das die Möglichkeit hatte, wieder in sauerstoffreiche Atmo- 
sphäre zu kommen. 

Nach dem gleichmälsigen Verhalten von Merulius sil- 
vester, Merulius favosus usw. unter anaöroben Verhältnissen 


108 KARL HOFFMANN, [78] 


können wir nach diesen Versuchen auch auf den Oxy- 
genotropismus der anderen holzzerstörenden Pilze schlielsen. 


V. Über Verfärbungen des Mycels der holzzerstörenden 
Pilze. 

Im Verlauf der Kultur der von mir untersuchten Pilz- 
myeelien konnte ich mancherlei Verfärbungen feststellen, 
die auch schon von anderen Forschern beobachtet wurden. !) 
Auf dem von mir benutzten Nährboden verfärbt sich Meru- 
lius lacrymans sehr intensiv gelb; wenn Schädigungen des 
Wachstums eintreten, z. B. durch zu hohe Temperaturen, 
tritt oft, aber nieht immer, eine Gelbfärbung ein. Auch bei 
Gegenwart von Schimmelpilzen oder von Bakterienverun- 
reinigungen tritt oft eine lebhafte Gelbfärbung des Mycels 
ein. Das Wachstum wird in solehen Fällen auffallend ge- 
hemmt; bei sehr starker Überhandnahme der Verunreini- 
gungen wird es sogar vollkommen aufgehalten, ohne dals 
der Pilz hierdurch seine Lebensfähigkeit einbülst. Doch habe 
ich auch bemerkt, da/s in manchen Fällen, bei Gegenwart 
von Penicillium z. B., das Wachstum gefördert wird, ohne 
dals eine Gelbfärbung des Merulius-Mycels eintritt. Das 
Auftreten dieses gelben Farbstoffes ist also lediglich an 
wachstumshemmende Einwirkungen gebunden. Dieselbe 
Erscheinung beobachtete ich bei Merulius silvester, doch 
mit dem Unterschiede, dals bei Gegenwart von Verun- 
reinigungen das Pilzmycel sich seltener gelb verfärbte, dafs 
dagegen bei hohen Temperaturen, 30,0% z. B., allgemein 
und ausnahmslos eine intensive Färbung eintrat. Der auf- 
tretende Farbstoff war auch in diesem Falle gelb. 

Dals auch Coniophora cerebella solehen Verfärbungen 
ausgesetzt ist, erwähnte ich schon.?) Die drei Rassen, die in 
ihrem Längenwachstum nahezu vollkommen übereinstimmend 
waren, unterschieden sich nur durch die verschiedene Farbe 


1) Vgl. Mez, Der Hausschwamm, S. 49 und 50. — Czapek, 
Biochemie I, S. 496 ff. — Wehmer, Centralblatt für Bakteriologie, 
Parasitenkunde und Infektionskrankheiten II, Abt. XXI, Bd. 1909. 

2) Vgl. oben 8. 37 [3]. 


[79] _Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 113 


des Mycels bei Beginn der Kultur. Coniophora cerebella I 
war manchmal tiefbraun gefärbt, während Coniophora cere- 
bella II ein helleres Gelb zeigte und Coniophora cerebella 
III blendend weilses Mycel hervorbrachte. Doch trat bei 
letzterer Spezies bei Gegenwart von Verunreinigungen auch 
eine Gelbfärbung ein, die ähnlich war der des Merulius 
lacrymans. Im Laufe der Kultur variierte jedoch auch der 
Unterschied in der Verfärbung von Coniophora cerebella 1 
und II, so dafs sie auf gleichem Nährboden nieht mehr zu 
unterscheiden waren. Coniophora cerebella III befand sich 
noch nicht so lange in Kultur, um eine genaue Beobachtung 
hier mitteilen zu können. Die Farbe ihres Mycels spielte 
nach wochenlanger Kultur etwas ins Gelbliche hinüber, die 
von der zunächst sehneeweilsen Farbe sich deutlich unter- 
schied. Aus dem Verhalten von Coniophora cerebella I und 
Coniophora cerebella II kann ich jedenfalls den Schluls 
ziehen, dals diese erst unterschiedenen Arten zwei Rassen 
sind, die sich durch Kultur vollkommen ineinander über- 
führen lassen; wir können sie nicht als verschiedene Spezies 
behandeln. 

Es war ferner darauf hingewiesen, dals Unterschiede 
im Längenwachstum bei gleichen Temperaturen nicht ge- 
nügen, um dieses Merkmal zur Unterscheidung von Arten 
heranzuziehen. Auch variierte dies bei Coniophora cerebella 
I und ZI derart verschieden, dals sich keinesfalls eine 
Konstanz im Verhältnis der Wachstumsgeschwindigkeiten 
dieser Mycelien feststellen liels. 

Intensivere Gelbfärbung. des Mycels trat bei (oniophora 
cerebella ein, wenn die Kulturschale verunreinigt war, an 
den Stellen, wo Coniophora mit der Verunreinigung zu- 
sammentraf. Auch wenn die Kulturschale an mehreren 
Stellen gleichzeitig geimpft war, trat eine Verfärbung des 
Mycels ein, wenn die von verschiedenen Punkten aus 
wachsenden Mycelien sich gegenseitig in ihrem Wachstum 
hemmten. Bei Merulius lacrymans beobachtete ich den- 
selben Vorgang, auch dann, wenn Merulius lacrymans und 
Polyporus vaporarius auf einer Kulturschale zusammen- 
trafen. Die Grenze ihrer Mycelien war durch eine lebhaft 
gelbgefärbte Zone markiert. 


Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a.S. Bd. 82. 1910. 8 


114 KARL HOFFMANN, [80] 


Paxillus acheruntius scheidet zuweilen einen rosa- 
farbenen Stoff aus, ohne dals Verunreinigungen dies ver- 
anlalst haben könnten. Auf älteren, troeknerem Nährboden 
bemerkte ich bei Pazxillus acheruntius und Polyporus de- 
structor eine lebhafte dunkelbraune bis dunkelgraue Ver- 
färbung. 

Aus diesen Beobachtungen sehen wir, dafs die ange- 
führten Pilzmycelien besonders dann Farbstoffe ausscheiden, 
wenn sie in ihrem Wachstum durch Nahrungsmangel oder 
durch Verunreinigungen gehindert werden. Auch bei zu 
hohen Temperaturen tritt bei Merulius lacrymans und 
Merulius silvester eine Verfärbung ein. 

Die ehemische Analyse der ausgeschiedenen Farbstoffe 
wurde nieht vorgenommen. 


VI. Wellenbildung der Pilzmycelien. 


Die Myeelien einiger holzzerstörenden Pilze zeigten bei 
ihrem Wachstum auf künstlichem Nährboden ein wellen- 
förmiges Wachstum. Besonders deutlich ausgebildet sind 
diese Wellen bei (oniophora cerebella, Merulius lacrymans, 
Merulius silvester, Polyporus vaporarius, Polyporus destructor 
und Paxillus acheruntius. Eine Gesetzmälsigkeit in der Aus- 
bildung dieser Wellen habe ich nicht überall finden können. 
Bei gleichmälsiger Temperatur im Dunkeln gehaltene 
Mycelien liefsen diese Verhältnisse ebenso in Erscheinung 
treten, wie Kulturen, die in bestimmten Zeitabständen be- 
liehtet wurden. Auch Temperaturwechsel mit Ausschaltung 
der Belichtung wirkte auf die Wellenbildung nicht in be- 
stimmter Weise ein. Auch waren die Wellen nie gleich 
srols in verschieden grolsen Kulturröhren. Coniophora 
cerebella bildete bei gleicher Temperatur in Reagenzgläsern 
Wellen von vielleieht ein Viertel Länge der in grolsen 
Röhren. Fernerhin trat z. B. bei Merulius silvester die 
Wellenbildung auf Petrischalen nicht immer in gleichem 
Malse ein. Auf manchen Kulturen war diese Ausbildung 
in regelmäfsigem Abstand vorhanden, auf anderen dagegen 
war sie nicht deutlich zu erkennen. Die beigegebenen 


[81] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 115 


photographischen Aufnahmen lassen diesen Umstand er- 
kennen (s. S. 116 und 117). 

Nur bei Polyporus destructor und Polyporus vaporarius 
bin ich in der Lage, die Wellenbildung unter bestimmten 
Verhältnissen zu erklären. Polyporus destrutor bildete in 
langen Kulturröhren, die alle zwei Tage belichtet wurden, 
in dieser Zeit vier kleine und eine grofse Welle. Auch 
wenn diese Kulturen je alle drei Tage belichtet wurden, 
so zeigten sich entsprechend in dieser Zeit sechs kleine 
und eine grolse Welle. Kulturen, die sechs resp. acht Tage 
im Dunkeln gehalten waren, zeigten eine grofse und zwölf 
resp. sechzehn kleine Wellen. Hieraus können wir den 
Schlufs ziehen, dals die Bildung der grofsen Wellen von 
der Beleuehtung abhängt. Der Reiz, der hierbei auf den 
Pilz ausgeübt wird, veranlalst ihn, einen grofsen Wellenberg 
zu bilden. Am Tage der Beleuchtung erreichte er ein 
neues Wellental.e Worauf die Ausbildung der kleineren 
Wellen, von denen an jedem Tage zwei — in vollkommen 
regelmälsigen Abständen — wuchsen, zurückzuführen ist, 
habe ich nicht in bestimmter eindeutiger Weise erklären 
können. Ich bin geneigt, diese regelmälsige Erscheinung 
auf ein periodisches Wachstum des Mycels zurückzuführen. 
Polyporus vaporarius unterliegt in seiner Wellenbildung 
gleicher Weise dem Reize der Beliehtung. Kulturen, die 
alle zwei oder drei Tage belichtet wurden, bildeten in 
dieser Zeit eine Welle; wurden die Kulturgefälse jeden 
Tag belichtet, so wurden kleinere Wellen gebildet, die 
genau mit den Zwischenräumen in der Beliehtungszeit 
zusammenfielen. Bei einigen Kulturen wuchs Polyporus 
vaporarius auch so, dals irgend eine Bildung von Wellen 
nieht zu erkennen war. 

Dureh Hydrotropismus ist nach meinen Erfahrungen 
die Erscheinung der Wellenbildung bei Merulius lacrymans 
und Merulius silvester nicht zu erklären, da auch auf 
flüssigem Nährboden diese Wellen zu bemerken waren. 
Das Mycel konnte also nicht durch Feuchtigkeitsmangel 
veranlalst sein, Luftmycel in dieser Form zu bilden. Infolge- 
dessen scheint mir diese Erscheinung dureh mechanische 
Verhältnisse des Mycels bedingt zu sein. 

8*+ 


116 KARL HOFFMANN, [82] 


Bei Merulius favosus, Polyporus vulgaris, Polyporus 
serialis und Polyporus odoratus habe ich keine Wellen- 
bildung feststellen können. Das Mycel dieser Pilze dringt 
in gut gewachsenen Kulturen gleiehmäfsig vor, ohne dafs 
eine periodische Zuwachsbewegung zu erkennen wäre; viel- 
mehr ist das Mycel gleiehmälsig dicht. Merulius favosus 
bildet an der Impfstelle dichtes und sehr hohes Myeel; 
nach der Wachstumszone nimmt die Höhe des Myecels ab. 


Fig. 8. Merulius silvester in 14 Tagen. Malsstab 100:43. t = 23,0°. 


Auch Merulius lacrymans und Merulius silvester bilden 
über der Stelle, auf die die Impfflocke übertragen wurde, 
besonders hohes und dichtes Luftmycel, das sich halbkugel- 
förmig über die übrigen Hyphen erhebt. 


VII. Beobachtungen über das Wachstum der Mycelien 
der holzzerstörenden Pilze auf Lösungen verschiedener 
Säuren. 

In einem weiteren Teil meiner Arbeit untersuchte ich 
den Einfluls verschiedener Säuren auf das Wachstum der 


[83] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 117 


Mycelien der von mir behandelten Pilze. Ich ging in der 
Weise vor, dals ich in kleinen ERLENMEYER-Kolben resp. 
Reagenzgläsern Lösungen von bestimmtem Prozentgehalt 
verschiedener Säuren sterilisierte und auf diese Flüssigkeit 
eine kleine Flocke der zu untersuchenden Mycelien impfte. 
Im Abstand einiger Tage wurden die so behandelten 


Fig. 9. Merulius lacrymans in 20 Tagen. Mafsstab 100:55. t= 13,6°. 


Kulturen beobachtet und nachgesehen, ob ein Wachstum 
stattfand. Vergleichende Beobachtungen des Längenwachs- 
tums konnten nicht stattfinden, da die flüssigen Kulturen 
dies nicht zulassen. Die Ergebnisse meiner Versuche seien 
in der folgenden Tabelle (S. 119) zusammengestellt; es be- 
deutet hierin + Wachstum, — kein Wachstum. 

Es war bei diesen Versuchen nieht zu vermeiden, dafs 
kleine Teile des Nährbodens mit auf die bestimmte Flüssig- 
keit gebracht wurden; aufserdem enthalten die Hyphen 


118 KARL HOFFMANN, [84] 


genügend Nährstoffe, um sich einige Zeit lebend zu erhalten 
und sogar reichlich neues Mycel zu produzieren. Aus an- 
fänglichem Wachstum kann nicht geschlossen werden, dafs 
sich der Pilz Nährstoffe aus den ihm dargebotenen Lösungen 
herauszieht. Falls im Impfflocken keine Nährstoffe mehr 
geboten werden, gehen mehrere Arten zugrunde Die 
Myeelien zerfallen dann in kleine, oidienartige Teile.) 
Dals der Nährstoff aus dem Impfflöckeben resp. aus dem 
ihm anhaftenden Nährboden stammt, geht insbesondere aus 
den Kulturen auf destilliertem Wasser hervor. Demnach 
können wir aus den in der Tabelle angeführten Versuchen 
nur den Sehluls ziehen, dals die Gegenwart von Essigsäure, 
Ameisensäure, Buttersäure, kohlensaurem Ammonium und 
kohlensaurem Kalium dem Wachstum der holzzerstörenden 
Pilze sehädlieh ist, so dafs diese sofort ihr Wachstum ein- 
stellten. Bei Anwesenheit von Milchsäure in 3/, prozentiger 
Verdünnung wuchsen alle Mycelien weiter, bei Gegenwart 
von Milehsäure in 3/, prozentiger Verdünnung nur einige 
(Coniophora cerebella, Polyporus vulgaris, Paxillus acherun- 
tius). Dasselbe Verhalten zeigten die Pilze, wenn ihnen 
'/, prozentige Ölsäure geboten wurde. 

Dagegen war die Gegenwart von Bernsteinsäure, Wein- 
säure, Oxalsäure, Ellag-Gerbsäure, Fumarsäure, Apfelsäure, 
Zitronensäure, oxalsaurem Ammonium, chlorsaurem Kalium 
ebenso wenig schädlich wie die von destilliertem Wasser. 
Auf den sauren Medien wurde sogar in derselben Zeit ein 
bedeutend stärkeres Wachstum beobachtet. 

Besonders auffällig ist das Verhalten der Mycelien bei 
Anwesenheit von Milchsäure in °/, und in ?°/, prozentiger 
Verdünnung. Milchsäure in ?/, prozentiger Verdünnung 
hindert bei einigen Mycelien weiteres Wachstum, während 
eine Lösung von 3/, prozentiger Milchsäure nichts schadete. 
Auch Gerbsäure (!/, prozentige) hatte keinen ungünstigen 
Einfluls. Hieraus können wir den Schluls ziehen, dals es 
für den Pilz nieht darauf ankommt, ob ihm eine ein- oder 
mehrbasische Säure geboten wird.”) Milch- und Gerbsäure 


1) Vgl. Möller, Hausschwammforschungen: Hausschwammunter- 
suchungen, S. 41. 
2) Ebenda S. 42. 


85] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 119 


%/ 1 wnıpey] Samssua]yoyl Re a Be ea are |e | 
un eh anna 
nee handele Alyerlkı.kanljocdaal ubnibe.| 
%/, 7 wnıBy SOAIMBSIOLT) Spar aaa a ar ara > 
Aeehei el ige ar fi3 wein A ri ihn 
I 
j unomuy Soamns[exO 2a eek 
zosseq somongeeq | + +++++++++++ 
ernst lei, eek 
0/,°), HanasuauommZz en a a a ar a a le a a Tr 
%/o°/ı Samespogdy a 
x °/o° amesıwumg 7 al mr oe ln ri Se a he re a ke 
90°: AANESqIaK) -SU dl a N 
0/92); SINEBSIEXO Sean Sr or ar 32 SS Se si ara 
0/7 aınesumM SE ar ar ar ar ar ar ar arop er 
0/,] Sanzsursısung ++++++++++++ 
%9*/s PINKSsyopLN BEE RE PER EEG TIER FE 
Blarls SIUBSGOIIW,L re | | El, 5 
0% SmEsIonng nal ABREN aee| 
°/oF Angsuaspuy I Va a BL 
000 004/55 SINESFISSH Bla ger apab> 
00L.g AINESFISEH ea Dee LIE Pen ern ea Be BER Aa 
- 
= Mu $ 
© ESS SER Sa 
: EBues day 
nn SUSE Sen SISTERS, 
See 
ISIS DS SHSETH SEE „SIE S 
SSISSSES SSR SE 
SESSSISIOSSS$ER 
SSOAISSÄAÄLÄK 


120 KARL HOFFMANN, [86] 


sind einbasisch und doeh hindert ihre Gegenwart bei 
genügender Verdünnung ein Wachstum nieht. MÖLLER hat 
bei seinen Arbeiten die Keimung der Sporen von Merulius 
laerymans auf einprozentiger Milchsäurelösung untersucht 
und keine Keimung finden können. Hiernach beeinflulste 
Milehsäure in der angegebenen Verdünnung die Sporen- 
keimung ungünstig. Nun habe ich allerdings den Pilz in 
einem anderen Entwicklungsstadium beobachtet, und es ist 
darauf hinzuweisen, dals derselbe Pilz in den einzelnen 
Stadien seines Wachstums sich verschieden verhalten kann 
gegenüber den verschiedenen Kohlenstoffquellen.) 


VIII. Vergleichung des gebildeten Mycels bei Merulius 
laerymans, Merulüus silvester, Polyporus vapora- 
rius, Coniophora cerebella auf flüssigen Nährmedien. 


Es ist eine praktisch wichtige Frage,?) ob Merulius 
lacrymans domesticus und Merulius silvester, wie sie von 
FaLcKk unterschieden werden, zwei verschiedene Spezies 
sind, oder ob silvester eine wilde Rasse des echten Haus- 
schwammes sei. Die Unterscheidung, die mikroskopisch 
nicht erreicht werden kann, hat FALcK nach den ver- 
schiedenen biologischen Verhältnissen dieser Pilze versucht 
und dabei insbesondere auf das Längenwachstum als unter- 
scheidende Merkmale hingewiesen. Doch auch die ver- 
schiedenen Temperaturumfänge sind nach seiner Ansicht?) 
sehr wesentlich für eine bequeme Unterscheidung. Durch 
meine Untersuchungen ist nachgewiesen worden,*) dafs der 
Temperaturumfang durch genügende Kultur gesteigert werden 
kann. Mez betont, dals bei genügender Feuchtigkeit Meru- 
lius lacrymans auch bei höheren Temperaturen als 270 
wächst.5) Dies habe ich vollkommen bestätigt gefunden 


!) Vgl. Lafar, Technische Mykologie I, 417.— Duclaux, Ann. 
Pasteur, 1889, III, 189. — Pfeffer, Pflanzenphysiologie I. 

2) Vgl. Mez, Der Hausschwamm, S. 70 und 71. 

3) Vgl. Falek, S. 109 und 110. 

“) Vgl. oben S. 60 und 61 [26 und 27]. 

5) Vgl. Mez, Der Hausschwamm, $. 60 und 61. 


[87]  Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze 121 


und kann diese Beobachtung noch erweitern. Auf flüssigem 
Nährboden (0,5%, KNO; + 0,2%, MgSO, + 0,2%, KHRPO,) 
erreichte ich bei sechs angesetzten Kulturen dureh Gewöh- 
nung in 14 Tagen, dals Merulius lacrymans sogar noch bei 
30° wuchs. Das Wachstum wurde 14 Tage lang beobachtet; 
es war allerdings sehr minimal, aber deutlich sichtbar. Im 
Gegensatz hierzu wuchs Merulius lacrymans bei gleicher 
Temperatur auf festem Nährboden in derselben Zeit nicht 
nur nicht weiter, sondern starb sogar ab.!) Durch die 
Kultur ist also erwiesen worden, dafs Merulius lacrymans 
in seinem Temperaturumfang bedeutend gesteigert werden 
kann, sobald ihm nur seinem Bedürfnis gemäls dann ge- 
nügend reichliehe Feuchtigkeit zu Gebote steht. Hiernach 
kann auch dieser biologische Gesichtspunkt nieht zwingend 
zur Unterscheidung von Merulius laerymans domesticus und 
silvester sein. Da durch diese Ausführungen erwiesen ist, 
dals Merulius lacrymans sehr anpassungsfähig ist, so wird 
auch das Verhalten seines Mycels gegenüber der Beleuch- 
tung?) nicht genügen, um hierauf eine Unterscheidung zu 
begründen. Zur definitiven Entscheidung über diese Frage 
wird man erst gelangen können, wenn es durch Kultur auf 
Holz — ihrem natürliehen Standort — gelungen sein wird, 
die beiden Rassen vollkommen ineinander überzuführen. 

Farck hält die Unterscheidung des Merulius lacrymans 
und Merulius silvester für besonders wichtig in praktischer 
Beziehung, weil nach ihm?) Merulius domesticus „in der 
Zeiteinheit auf der Flächeneinheit dem Substrat unter sonst 
gleichen Wachstumsbedingungen eine etwa dreimal so starke 
Nährstoffmenge zu entziehen, dasselbe also dreimal so stark 
zu zerstören vermag, wie die silvester-Form.“ 

Hierzu möchte ich bemerken, dafs eine derartige Unter- 
scheidungsmethode nach der Ausbildung des Mycels auf 
festem Nährboden durchaus keine objektive ist. Sonst hätte 
unbedingt Ooniophora cerebella für den grölsten Schädling 
erklärt werden müssen. Ich habe nie eine Konstanz darin 


1) Vgl. oben S. 89 [55]. 
2) Vgl. oben S. 72 [38]. 
>) Vgl. Falck, $S. 87 und 89. 


122 KARL HOFFMAnN, [88] 


finden können, dals Merulius lacrymans dreimal soviel 
Mycel bildet wie Merulius silvester, ja in ERLENMEYER- 
Kolben habe ich unter sonst gleichen Bedingungen mehrfach 
bei Merulius silvester eine stärkere, resp. ebenso starke 
Ausbildung des Mycels wie bei lacrymans beobachtet. Es 
kommt bei der Bewertung der Myeelien nieht auf die Aus- 
bildung des Luftmycels an, sondern nur darauf, ob der 
Nährboden von der einen oder der anderen Spezies mehr 
angegriffen wird. Und diese Erscheinungen gehen keines- 
falls Hand in Hand, da z. B. Polyporus vaporarius den ihm 
gebotenen Nährboden sehr stark angriff und dabei wenig, 
schwaches Luftmycel ausbildete. 

Schon mehr objektiv können wir feststellen, welehe 
Spezies der holzzerstöürenden Pilze den Nährboden am 
meisten ausnutzt, wenn wir die Mycelien auf flüssigem 
Nährsubstrat kultivieren und dann das gebildete Mycel mit- 
einander vergleichen. Ich stellte als Nährlösung zusammen: 


0,50) KNO, 
0,20) MgSO, 
0,200 KH,PO,. 


Dieser Nährlösung setzte ich abwechselnd hinzu: 10/, 
und 2°, Glukose, 1%, und 2°, Mannit, 1°), und 2%, 
Glycerin, !/,%, und !/,%/, Dextrin. Gröfsere ERLENMEYER- 
Kolben wurden mit je 100 gr dieses flüssigen Mediums 
gefüllt, so dafs in allen Fällen den Pilzmycelien gleichgrofse 
Flächen zu seinem Wachstum zur Verfügung standen. Zum 
Vergleich wurden benutzt Merulius lacrymans, Merulius 
silvester, Coniophora cerebella und Polyporus vaporarius. 
Zu jeder Kultur konnte wegen Materialmangels nur je eine 
Vergleichskultur angesetzt werden, so dals bei den häufig 
vorkommenden Verunreinigungen nur ein Teil der ange- 
setzten Kulturen zum Vergleich benutzt werden konnte. 
Nachdem die Mycelien 18 Tage bei 23° ungestört gewachsen 
waren, wurden sie nach dem Augenschein in der Menge 
des gebildeten Mycels miteinander verglichen. Abwägungen 
konnten wegen des sehr geringen Gewichtes nieht durch- 
geführt werden. Es ergaben sich folgende Resultate: von 
der oberflächlichen Nährschicht hatten bewachsen 


[89]  Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 


Nährlösung 


Nährlösung 


Nährlösung 


Nährlösung 


Merulius lacrymans 
+ 1°), Mamnit . 
+ 2°), Glukose. 
+ 1/,°/, Dextrin . 
+ 1/,%/, Dextrin . 
+ 1P/, Glycerin 
+ 2°/, Glycerin 


Merulius silwester 
+ 1°, Mamit . 
+ 2°, Mamit . 
+ 1%, Glukose. 
+ 20%, Glukose. 
+ 1/,%/, Dextrin . 
+ 1/,0/, Dextrin . 
+ 1%, Glyeerin 
+ 2°), Glycerin 


Coniophora cerebella 
+ 1°/, Mamit . 
+ 2°), Mamnit . 
+ 1P/, Glukose. 
+ 20%, Glukose. 
+ 1/4°/, Dextrin . 
+ 1/20], Dextrin . 
+ 1°/, Glyeerin 
+ 2°), Glycerin 


Polyporus vaporarius 
+ 1%, Glukose 
+ 2%, Glukose 
+ 1/4%%, Dextrin . 
+ 1/,%/, Dextrin . 
+ 1°/, Glycerin 


"50 


123 


Coniophora cerebella durchwucherte die ganze Nährlösung. 
Die angegebenen Zahlen bedeuten nur das oberflächliche 


Waehstum, 


124 KARL HOFFMANN, [90] 


Aus den angegebenen Resultaten kann man keine be- 
stimmten Sehlüsse auf die Schädigungen von diesen holz- 
zerstörenden Pilzen machen. Das Mycel des Merulius 
lacrymans war im allgemeinen etwas stärker ausgebildet 
als das von Merulius silvester. Im einzelnen sind die Ver- 
hältnisse im Mengenwachstum dieser beiden Pilze sehr un- 
bestimmt; auf manchen Kulturen war Merulius silvester 
stärker gewachsen, auf anderen Merulius lacrymans. 

Polyporus vaporarius wuchs ’allgemein schwächer als 
Merulius, so dals ihm hiernach geringere Schädigungen 
nachgesagt werden könnten. 

Coniophora cerebella bildete stets schwaches oberfläch- 
liches Mycel; aber seine Hyphen durehwucherten die ganze 
Nährlösung, so dals er mehr Mycel aufgebaut hatte als 
Merulius. 

Jedenfalls konnte ich nieht — im Gegensatz zu FALck !) — 
konstatieren, das Merulius lacrymans dreimal so stark den 
Nährboden zerstört als Merulius silvester. Die Ausbildung 
des Mycels war nur in geringem Malse schwächer bei 
Merulius silvester. 

Ein Punkt ist noch zu beachten. Die Kulturen wurden 
bei 23,00 gehalten; das Längenwachstum und somit auch 
das Mengenwachstum ist bei dieser Temperatur etwas ver- 
schieden bei Merulius larcymans und Merulius silvester. 
Demnach können bei solehen Vergleichen nie ganz bestimmte 
Resultate erhalten werden, zumal die Kultur für solehe 
Bestimmungen nur auf künstlichem Substrat vorgenommen 
werden können. Dafs hierbei die gezogenen Schlüsse ver- 
schieden sind, zeigen insbesondere die Abweichungen meiner 
Beobachtungen von denen FALcks. Es ist unbedingt nötig, 
die Methode der Kultur dieser Pilze auf ihrem natür- 
lichen Standort, dem Holz, weiter auszubauen, um auf 
diesem Wege zu guten und einwandfreien Resultaten zu 
gelangen. 


1) Vgl. Falck, S. 87 und 89. 


[91] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 125 


IX. Versuche über Wasserbildung einiger 
holzzerstörenden Pilze. 


Es wird allgemein angenommen,!) dafs der Haus- 
schwamm sehr wohl imstande ist, sich aus trockenem 
Material selbst Wasser zu bilden, dafs er also imstande ist, 
auch unter sehr ungünstigen Verhältnissen, sich genügend 
mit Wasser zu versorgen. Mez?) hat dies für Merulius 
lacrymans mit einem besonders schlagenden und beweis- 
kräftigen Experiment nachgewiesen. Die Versuchsanordnung, 
die Mez an dieser Stelle angibt, habe auch ich benutzt, um 
zu untersuchen, wieweit holzzerstörende Pilze sich Wasser 
zu bilden vermögen. Um die Luft absolut trocken durch 
die Kulturen mit der Wasserstrahlpumpe zu ziehen, schaltete 
ich vor den grofsen Chlorkaleiumröhren Schwefelsäuregefälse 
ein. Die kleinen Chlorkaleiumröhren hinter den Kulturen 
wurden ersetzt, sobald die von ihnen angezogene Wasser- 
menge den Luftdurchtritt behinderte, und stets vor dem 
Einschalten und nach dem Ausschalten abgewogen. Der 
Versuch lief vom 27. Mai bis 28. Juni. Da ich den einzelnen 
Kulturgefälsen gröfsere Wassermengen hinzugesetzt hatte, 
so sind die von mir erhaltenen Resultate nicht so auffällig: 
der Pilz war noch nicht in die Notwendigkeit versetzt, die 
Holzstoffe energisch in Wasser umzusetzen. Die Versuche 
waren in ihrer Anordnung und Ausführung vollkommen iden- 
tisch mit der von Mxz,3) so dafs ich mir ersparen kann, alle 
Wägungen hier anzugeben. Das Trockengewicht nach dem 
Versuch wurde in der bei MEz angegebenen Weise ermittelt, 
nur dafs meine feuchter gehaltenen Kulturen auch dem- 
entsprechend länger bei 105° getrocknet werden mulsten. 
Ein Kontrollversuch — die Sägespäne wurden in diesem 
Falle nicht mit einem Mycelflöckchen geimpft — ergab, 
dals nach dem vierwöchigen Versuch 0,16 gr Holz und 
0,25 gr Wasser weniger nachgewiesen werden konnten. 
Diese geringe Menge an Materialverlust besagt, dals die 


1) Vgl. Czapek, Biochemie der Pflanzen I, 293. — Mez, Der 
Hausschwamm, 8.190 und 191. 
2) Vgl. Mez, Der Hausschwamm, S. 192 und 193. 
3) Ebenda S. 191. 
0 


126 "> KaRu HOFFMANN, [92] 


Versuehsanordnung und die Ausführung in vollkommen 
genügender Genauigkeit durchgeführt wurde. 

Es ist ferner zu bemerken, dafs zwei Kulturen von 
Merulius lacrymans verhältnismälsig sehr schlecht wuchsen, 
so dafs auch hieraus hervorgeht, dafs die individuellen 
Abweichungen sehr grofse sein können.!) 


Die erhaltenen Resultate sind nun folgende: 


Merulius lacrymans. 


A. „Holz ‚veratmet li.“ dlnse bilder 
Wasser gebildet. . . . 5,64 gr 
B, ‘Holz ‚veratmet. „5 3.5 «nal, 40.sr 


Wasser gebildet. . . . 195 gr 


Merulius silvester. 


A. Holz veratmet . : .. .: 426 gr 
Wasser gebildet... . . 9,82 gr 
B. Holz veratmet .. . . . 241 gr 
Wasser gebildet .. . . 3,18 gr 
Merulius favosus. 
A, Holz;veraimetft n . »,. Lloer 
Wasser gebildet. ..... 121 or 
B. Holz’ veratmet7.. . „2 liossor 
Wasser gebildet... .°. ... 1.094707 
Coniophora cerebella. 
A. Holz yeratmet 7. 9.7 2 29 7,64%pr 
Wasser gebildet. . . . 921 gr 


Diese nach der angegebenen Versuchsanordnung ge- 
fundenen Resultate stimmen nicht überein mit den nach 
der bisher angenommenen Veratmungsformel für die Cellu- 
lose berechneten Werten. Falls wir annehmen, dafs nur 
die Cellulose von dem Pilz zu Wasser veratmet wird,?) 
nach der Formel: 


ı) Vgl. oben S. 42 [8]. 
2) Vgl. Mez, Der Hausschwamm, S. 191, und die dort angegebene 
Literatur. 


[93) Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 127 


(,H,20,; + 13 0 — 6 H,O + 6 UO, 


so würde sich im Verhältnis zu dem durch Wägung er- 
mittelten Holzverlust eine bedeutend geringere Wassermenge 
gebildet haben. Diese würde sich entsprechend dem statt- 
gehabten Holzverbrauch stellen auf: ') 


für Merulius lacrymans . . . . A=3,4lgr 
B=0,92’gr 

Meruhus siwetter. .. .. A=2ö8lgr 
BE 5Ure5 

Merulius.favosus . 0. A 0,74 gr 

B = 1,07 gr 

Coniophora cerebella .. . A=3,48 gr 


Die empirisch gefundenen Wassermengen sind bedeutend 
grölser, sogar grölser als die verbrauchten Holzquantitäten. 
Es bleibt demnach nur der Schlufs übrig, dafs der Pilz 
nieht nur die Cellulose veratmet, sondern wir müssen auch 
annehmen,?) dafs auch fette Öle und andere sehr sauerstoff- 
arme plastische Substanzen lebhaft an der Wasserbildung 
beteiligt waren. Hierauf weist auch der Umstand, dafs 
Hausschwammkulturen auf reiner Cellulose sehr schlecht 
gedeihen.) 

Aus diesen hjer mitgeteilten Ergebnissen meiner Ver- 
suche geht hervor, dafs auch andere holzzerstörende Pilze 
vermögen, aus den Substanzen des Holzes Wasser zu 
bilden. Fernerhin weise ich darauf hin, dafs Merulius 
siwester in der gleichen Weise Wasser gebildet hat wie 
Merulius lacrymans, dals also er zum mindesten nur in 
sehr geringem Malse dem Merulius lacrimans an Zer- 
störungskraft nachsteht. Auch Coniophora cerebella hatte 
die Holzsägespäne stark angegriffen. 


ı) Vgl.Moormann, Zentralblatt der Bauverwaltung XXIX (1909), 
INA SaD5: 

2) Vgl. Mez, Neue Reichsgerichts- Entscheidungen in der Haus- 
schwamm-Frage, S. 21. 

>) Vgl. Mez, Der Hausschwamm, $. 193. 


128 K. Horrmann, Wachstumsverhältnisse holzzerstör. Pilze. [94] 


X. Zusammenfassung der Ergebnisse. 


1. Das Längenwachstum der holzzerstörenden Pilze ist 
kein konstantes; durch Gewöhnung an einen bestimmten 
Nährboden kann es bedeutend gesteigert werden. 

2. Der Temperaturumfang der holzzerstörenden Pilze ist 
kein konstanter; dureh Kultur kann er varliert werden. 

3. Auf flüssigem Medium verträgt Merulius lacrymans 
höhere Temperaturen als auf festem, weniger feuchtem 
Nährboden. 

4. In der Dunkelheit wachsen die Mycelien besser und 
stärker als wenn sie der Tagesbelichtung ausgesetzt werden. 

5. Blaues Licht hindert im Verhältnis zu rotem Licht 
das Wachstum der holzzerstörenden Pilze. 

6. Kein ausgesprochen Flächenmycel bildender Pilz kann, 
soweit solche untersucht wurden, den Sauerstoff entbehren; 
die Pilze sind vielmehr oxygenotrop. 

7. Die kubisch wachsenden Pilze vermögen den Sauer- 
stoff der Luft zu entbehren, da sie intramolekular atmen 
können. 

8. Die Wellenbildung des Mycels bei Polyporus de- 
structor und Polyporus vaporarius erfolgt infolge des Be- 
licehtungsreizes. 

9. Merulius lacrymans und Merulius silvester sind bio- 
logisch verschieden (Temperaturumfang, Wachstumsverhält- 
nisse im Dunkeln und bei Beleuchtung). Doch ist Merulius 
lacrymans sehr anpassungsfäbig, so dafs es sehr wahr- 
scheinlich ist, dafs Merulius silvester nur eine „wilde Form“ , 
des Merulius lacrymans ist. 

10. Die Ausbildung des Mycels auf künstlichem Nähr- 
boden kann nieht malsgebend sein für die Beurteilung der 
Schädigungen des Holzes durch die Pilze. j 

11. Merulius silvester veratmet in derselben Zeit eben- 
soviel Holz zu Wasser wie Merulius lacrymans. 


Th. Beling, 
Beiträge zur Flora des nordwestlichen Harzes 


Herausgegeben von 


K. Wein, Helbra 


Die gröfsten Verdienste um die Durchforschung der 
Flora des nordwestlichen Harzes hat sich zweifellos der am 
17. Dezember 1898 verstorbene Forstmeister TH. BELING in 
Seesen erworben. In einer Reihe von Aufsätzen in der 
„Deutschen Botanischen Monatsschrift“ (Jahrgang 1884 bis 
1891) hat er die Resultate seiner Forschungen niedergelegt. 
Was er bis zum Jahre 1894 noch an bemerkenswerteren 
Funden machte, ist von W. BERTRAM in die 4. Auflage 
seiner „Flora von Braunschweig“ aufgenommen. Die von 
BELInG nach- 1894 erzielten Ergebnisse seiner floristischen 
Studien sind bisher unpubliziert geblieben. Sie sind in 
seinem, dem Herzoglichen naturhistorischen Museum in 
Braunschweig gehörigen Manuskripte „Fundorte der sel- 
teneren Pflanzen der Flora von Braunschweig“ genau ver- 
zeichnet. Sie enthalten eine Reihe interessanter Beiträge 
zur Flora des Harzes und verdienen darum mit Recht, noch 
heute veröffentlicht zu werden. 

Für die freundliche Überlasssung des Being schen 
Manuskriptes spreche ich Herrn Geheimen Hofrat Professor 
Dr. W. Brasıus auch an dieser Stelle meinen herzlichsten 
Dank aus. 


Zeitschr. f. Naturwiss. Hallea.S. Bd. 82. 1910, 9 


130 K. Wein, [2] 
Viola Riviniana Rehb. Innerstethal häufig. 


Ononis spinosa L. Mit weilser Blüte, zwei Büsche am Sol- 
hope bei Seesen. 


Rosa mollis Sm.!) Seesen, Herrhausen, unterhalb Lautenthal 
im alten Grauwaeckenbruche. 


Rosa rubiginosa L. Auf Kalkboden bei Seesen und Herr- 
hausen. 


Rosa sepium Thuill. Seesen am Steinbrinke auf Zechstein, 
früher schon bei Gandersheim auf Muschelkalk. 


Rosa graveolens Gren. Seesen besonders auf Kalkboden, 
häufiger als die beiden vorhergehenden. 


Heracleum Sphondylium L. var. sibiricum L. Bornhausen, 
Bilderlahe. 


Bidens tripartitus L. var. pumilus Rth. Am Fufse des 
Hodagswinkels bei Seesen. 


Bidens cernuus L. var. Coreopsis Bidens L. Osterode süd- 
östlich am Waldsaume. 


Filago germanica L. forma lutescens Jordan. Seesen am 
Solhope, Bilderlahe. 


Centaurea Jacea L. forma bicolor. Wiese neben der Chaussee 
Seesen— Neuekrug bei der sogenannten schiefen Brücke 
der Staatseisenbahn, 1 Busch. 


Thrinica hirta Roth. Auf einer Weidewiese am Forstorte 
Büchenberg zwischen Bornhausen und Neuekrug. 


HHieracium collinum Gochnat. Heber am Fufswege von 
Mechtshausen nach dem Heberkruge. 


Hieracium magyaricum Näg. & Peter. Am Wiesenrande 
neben dem Fahrwege von Mechtshausen nach Rolfs- 
hagen. 


1) Zweifellos handelt es sich bei dieser Rose nicht um die echte 
Rosa mollis Sm., sondern um eine Form von R. omissa Desegl. — Der 
Herausgeber. 


[3] Tu. BELING, Beiträge zur Flora des nordwestlichen Harzes. 131 


Hieracium murorum L. var. ovale G. F.W.Meyer. Osterode 
an den Gypsbergen, Innerstethal unterhalb Lautenthal 
im alten Grauwackenbruche. 


Pulmonaria obscura Dumort. Seesen, Bornhausen, Heber usw. 


Mentha sativa L. Seesen, Bilderlahe und Mechtshausen an 
der Nette. 


Mentha gentilis L. var. origanifolia Host.!) Wiesenbach 
zwischen dem Forstorte Schweinsrücken und der Eisen- 
bahn Seesen — Neuekrug. 


Mentha gentilis L. var. acutifolia Koch (M. acutifolia Rabenh.) 
mit der vorstehend aufgeführten. 


Mentha acutifolia Sm. (Reichenb. Fl. germ. exe., 1830—1832, 
S. 307, No. 2078), Grenzgraben zwischen Bornhäuser 
und Mechtshäuser Feldmark innerhalb der Wiesen. 


Mentha aqwatıca L. var. glabrata Koch. Wie vorstehend, 
auch Pferdeteich bei Osterode. 


Antirrhinum Orontium L. Bornhausen nach der Seesener 
Olmühle hin, mir daselbst schon lange bekannt, ‘im 
Jahre 1394 reichlich in schönen Exemplaren. 


Alectorolophus minor Wimm. & Grab. var. angustifolius Koch 
und var. fallax Wimm. & Grab. Seesen auf feuchten 
Wiesenstellen am Nordabhange des Bulks, auch zwischen 
Forstort Mittlere Steinbühl und Steinbrink und am Forst- 
orte Hintere Grafecke. 


Alectorolophus major var. angustifolius Fr. Feuchte Wiesen- 
stellen vor dem Forstorte Hintere Grafecke bei Seesen. 


Alectorolophus angustifolius Heynh. suchte ich bei Seesen 
hinterm Bulke, wo die Pflanze nach Dr. SCHÄFER in 
Seesen vorkommen sollte, vergeblich. Der Ebengenannte 


1) Die Zuteilung von Mentha origanifolia Host, Fl. Austriaca II, 
S.142, zu M. gentilis ist irrtümlich; M. origanifolia gehört zum Formen- 
kreise der M. verticillata L. — Der Herausgeber. 


9* 


132 K. Wein, [4] 


hat auf mein Befragen erklärt, dafs er seinen Fund für 
Alectorolophus major var. angustifolius angesehen und 
im Augenblicke vergessen gehabt habe, dafs A. angusti- 
folius Gmel. an den Gypsbergen des Südharzes vor- 
komme. Bei der erheblich späteren Blütezeit der letzt- 
beregten Spezies erscheint deren Vorkommen auch sehr 
zweifelhaft. 1) 


Euphrasia Odontites L. var. serotina Lam. Auf berasten 
Wegen bei Seesen. 


Lysimachia vulgaris L. form. verticillata. Seesen, Born- 
hausen usw. 


Epipactis latifolia All. var. violacea Dur. Forstort Lauseberg 
bei Seesen. 


Juncus Leersii Marsson. Verbreitet in der Umgegend von 
Seesen und Bornhausen, auch am Heber oberhalb der 
Schlackenmühle. 


Carex Hornschuchiana > flava (C. fulva Hoppe). Sumpfstelle 
im Hebersaume oberhalb Mechtshausen. 


Setaria ambigua Guss. Bornhausen, unter Linsen. 


Agrostis alba L. var. stolonifera E. Meyer. Schlackenstelle 
am Nordfulse des Schildberges unweit Bornhausen. 


"estuca bromoides Sm. Auch bei Bilderlahe nach Born- 
hausen hin. 


Festuca ovina L. var. glauca Schrad. An den Gypsbergen 
des Westharzes von Oberhütte bis Osterode häufig. 


Festuca ovina L. var. valesiaca Schleich. Bei Seesen, Born- 
hausen usw. häufig. 


1) Die Pflanze von Seesen, auch noch in der floristisch wertlosen 
5. Auflage von W. Bertram, Flora von Braunschweig $. 301 ange- 
geben, gehört auf keinen Fall zu A. angustifolius, aber ebensowenig 
die seit Wallroth dafür gehaltene Pflanze des Südharzes, die A. mon- 
tanus Fritsch darstellt (vgl. J.v.Sterneck, Monogr. Aleetorolophus 
in Abh. Zool.-Bot. Gesellschaft I,2 [1901] 75). 


[5] Tu. Beuıng, Beiträge zur Flora des nordwestlichen Harzes. 133 


Lolium perenne L. var. purpuratum mihi. Bei Seesen und 
Bornhausen an Ackerrainen, auf trockenen Wiesen usw.; 
in dem sehr sonnigen Jahre 1894 häufig. 


Equisetum arvense L. var. decumbens G. Meyer. Seesen, 
Herrhausen usw. 


Equisetum limosum L. var. polystachyum Willd. Nordfuls 
des Bulks bei Seesen in Wiesengräben. 


Equisetum palustre L. var. polystachyum Willd. Zwischen 
Bilderlahe und dem Bornhausen — Mechtshausener Kom- 
munikationswege neben der Nette. 


Aspidium filix mas L. var. remotum A. Br. Seesen. 


Pteris aquilina L. var. lanuginosa Hook. Forstort Vordere 
Eichenrodt bei Seesen. 


Ihnen reihen sich noch einige andere Fundortsangaben 
an, für die BeLıngs Herbar die Belege enthält: 


Cerastium glomeratum Thuill. Lutter a. Bg., Bilderlahe. 


Ulex europaeus L. Innerste zwischen Ringelheim und Oth- 
fresen. 


Anthriscus cerefolium Hoffm. Seesen. 

Solanum miniatum Bernh. Staufenburg. 
Euphrasia Odontites L. var. fl. albo. Bilderlahe. 
Rumex aquaticus L. Klausthal. 

Polygonum minus Huds. Gittelde. 

Ulmus montana With. Gittelde. 

Epipactis microphylla Sw. Herrhausen. 


Juncus effusus > glaucus. Mechtshausen. 


134 K. Wein, Tu. BEuısg, Beitr. z. Flora d. nordwestl. Harzes. [6] 


Heleocharis uniglumis Sehult. Seesen. 
Heleocharis acicularis R. Br. Seesen. 


Poa trivialis L. var. purpurata Beling in sched.!) Seesen. 


!) var. purpurata Beling = f strieta Döll Fl. Bad. [1857] 180 — 
ö rubescens Reuter Cat. pl. Geneve ed. 2 [1861] 239. — Der Heraus- 
geber. 


Litteratur über die triadische Pflanzengattung 
Pleuromeia 
Zusammengestellt von 
Erwin Schulze 


1839. G. Graf zu Münster, Beiträge zur Petrefaeten- 
Kunde. 1. Heft. Bayreuth. 4°. [Sigillaria Sternbergü, 
p. 47, 1.3 £.10.] 

1842. G. Graf zu Münster, Beiträge zur Petrefaeten- 
Kunde. 1. Heft. 2. Auflage. Bayreuth. 4°. [Ssgillaria 
Sternbergü, p. 67, 1.3 £. 10.] 

1850. Unger, F., Genera et species plantarum fossi- 
lium. Vindobonae. 8°. [Sigillaria Sternbergi, p. 250.) 

1850. Beyrich, Sigillaria Sternbergü. (Z.D.G.G. v.2 
p- 174— 175.) 

1852. Giebel, Trematosaurus, Mastodonsaurus und 
Sigillaria von Bernburg in der Halleschen Sammlung. (N. 
Jahrb. f. Min. 1852, p. 601.) 

1852. Germar, E.F., Sigillaria Sternbergi, Münster, aus 
dem bunten Sandstein. (Z.D.G.G. v.4 p. 183—189, t. 8.) 

1852. Göppert, H.R., Flora fossilis formationis trans- 
itionis. (Nova Acta Ae. Leop. v.22,suppl.) Breslau. 4%. |Sage- 
naria Bischoff Göpp., p. 187; Sigillaria Sternbergi, p. 250.] 

1852. Roemer, F. A., Beiträge zur geologischen Kennt- 
niss des nordwestlichen Harzgebirges. |2. Abt.] (Palaeonto- 
graphiea. Cassel. 4%. 3.Bd., 2. Lief., p. 69—111, t. 11—15.) 
[Sagenaria Bischofii Goeppert ‘im Plattenbruche bei Mägde- 
sprung gefunden’, p. 96, t. 14 f.7.] Cf. 1885 E. Weiss, Zur 
Flora der ältesten Schiehten des Harzes (Jahrb. der Preufs. 
Geol. Landesanstalt für 1884, v. 5, p. 148—180, t. 5. 6. 7) 
p: 152. | 1901 Potonie. | 1904 Potonie n. 38, p. 12—13. 


136 ERWIN SCHULZE, [2] 


1853. Bischof, Zeiehnungen einiger Sigillarien aus 
dem bunten Sandsteine Bernburgs. (Zs. f. Naturw., v. 1, 
p. 257, t. 8.) 

1853. Giebel, Über Sigillaria Sternbergi Must. (Pleuro- 
meya Corda). (Zs. f. Naturw., v.2 p. 34.) 

1853. Spieker, Th. Zur Sigillaria Sternberg Münst. 
des bunten Sandsteins bei Bernburg. (Zs. f. Naturw., v. 2, 
p. 1— 6, t. 1. 2.) 

1854. Spieker, Th., Pleuromoia, eine neue fossile 
Pflanzengattung und ihre Arten, gebildet aus der Sigillaria 
Sternbergi Münst. des bunten Sandsteins zu Bernburg. (Zs. 
f. Naturw., v.3, p. 177—191, £.5.6.7) [1. P. Germar:, 
p. 189, 1.5 £.1; 2. P. Sternbergi, p.189, 1.5 f.2; 3. P. costata, 
p- 190, 1.6 £3.4,1.7 f.5; 4. P. plana, p. 190, 1.7 £. 6.] 

1855. Bischof II., Beitrag zur Kenntniss der Pleuro- 
moia, Corda, aus den oberen Schiehten des bunten Sand- 
steins zu Bernburg. Mägdesprung 1855. [Quedlinburg, ge- 
druckt bei G. Basse.| 4%. (4 p.: Titel u. 2 p. Text; 1.) 
Ref.: 1855 Zs. f. Naturw., v.5 p. 406. 

1856. Zinken sen., Blick auf die geognostischen Ver- 
hältnisse der Umgegend von Bernburg, besonders die Ver- 
steinerungen im bunten Sandstein betreffend. (Zs. f. Naturw., 
v.8 p. 344— 346.) 

1859. Jasche, Über Pflanzen- und Saurier-Reste im 
Bunten Sandsteine von Nienburg a. S. (Berichte des Naturw. 
Vereins des Harzes für die Jahre 1857 u. 1858. Wernige- 
rode 1859. 4%. p. 16—17.) 

1859. Stiehler, W., Zu Pleuromeia Corda. (Zs. f. 
Naturw., v. 14 p. 190—195.) 

1860. Göppert, H. R., Über die fossile Flora der 
Silurisechen, Devonischen und Unteren Kohlenformation oder 
des sogenannten Übergangsgebirges. Mit 12 Tafeln. (Nova 
Acta Ae. Leop., v. 19, p. 427—606.) Jena 1860. 4%. [Sage- 
naria Bischoffii, ‘Jüngste Grauwacke in Lonau bei Herz- 
berg’, p. 526.] 

1861. Quenstedt, Epochen der Natur. Tübingen. 8°. 
[Sigillaria Sternbergü, p. 472—473.]. 

1861. Stiehler, W., Über Pflanzenreste in den Braun- 
kohlensandsteinen von Nachterstedt. (Berichte des Naturw. 


[3]  Litteratur über die trjadische Pflanzengattung Pleuromeia. 137 


Vereins des Harzes zu Blankenburg für die Jahre 1859 — 
1860. Wernigerode 1861. 4%. p. 49—51.) [Handelt von 
p. 49 eol.2 ab von Pleuromoia aus dem bunten Sandstein 
zu Bernburg und Umgegend.| 

1866. Geinitz, Über die Schreibweise von Pleuromega. 
(SB. Isis Dresden. Jg. 1866, p. 22.) 

1869. Geinitz, Vorlage von Pleuwromeja Sternbergi aus 
dem Buntsandstein von Bernburg. (SB. Isis Dresden. Jg. 
1869, p. 187.) 

1878. Jannasch, Stamm einer Pleuromoia aus dem 
bunten Sandstein, bei Aussehachtung eines Fundamentes in 
Bernburg gefunden. (Zs. f. Naturw., v. 51 p. 384.) 

1879. Feistmantel, O., Palaeozoische und mesozoische 
Flora des östlichen Australien. (Palaeontographiea, Supple- 
ment III. Cassel. 4%) [Knorria-Stadium (?) von Lepido- 
dendron Veltheimianum (?), p. 152, t. 5 (23) f. 2. 3.] 

1886. Blanckenhorn, M., Die fossile Flora des Bunt- 
sandsteins und des Muschelkalks der Umgegend von 
Commern. (Palaeontographiea. Stuttgart. 4%. 32. Bd., 
4. Lief., p. 117—154, t.15—22.) [Sigillaria oculina, p. 132— 
133, t.20 f.9; ? Thamnopteris vogesiaca, p. 132, t. 20 f. 8.] 

1886. Weiss, E., Über eine Buntsandstein- Sigillaria 
[S. oculina| und deren nächste Verwandte |[$. biangula aus 
den unteren Ottweiler Schichten]. (Jahrbuch der Preuls. 
Geol. Landesanstalt für 1885, v. 6, p. 356—361. Mit 2 Fig.) 

1888. Schenk, A., Die fossilen Pflanzenreste. Breslau. 
8%, (Sehenk’s Handbuch der Botanik. 4. Bd., p. 1— 284.) 
[Sigillaria oculina, p. 79; Pleuromoya, p. 80.) 

1896. Potonie, H., Die floristische Gliederung des 
deutschen Carbon und Perm. Berlin. 8% (Abh. d. Pr. G. 
L.-A., N. F., H. 21.) [Sigillaria oculina, p. 41 f. 41.] 

1898. Potonie, H., Lehrbuch der Pflanzenpalaeonto- 
logie. Berlin. 8°. 3. Lieferung. [Stigmarien: 3. Plewromeia, 
p- 216—218 (p. 217 £.208 AB); Sigillaria oculina, p. 256 
f. 246, p. 257.) 

1898. Potonie, H., Die Pflanzenpalaeontologie im 
Dienste des Bergbaues. (Zeitschrift für praktische Geologie. 
Jg. 1898, p. 238— 248, f. 59—93.) [Sigillaria oculina, 
p- 248 f. 92.] 


138 E.Scuuuze, Litterat. üb. d. triad. Pflanzengatt. Pleuromeia. [4] 


1899. H. Graf zu Solms-Laubach, Über das Genus 
Pleuromeia. (Botanische Zeitung. Leipzig. 4%. Jg. 57. 
[1899. Heft 12.] p. 227—243, t.8. Mit 2 Holzschnitten 
p. 234.) Ref.: 1904 Neues Jahrbuch für Mineralogie, v.1, 
Ref., p. 319 (Sterzel). 

1901. Potonie, H., Pleuromoiaceae. (Engler’s Natür- 
liche Pflanzenfamilien. Leipzig. 8° 1. Teil, 4. Abt, 
p: 754 — 756, f. 453. 454.) [P. Sternbergü, p. 755; P. oculina, 
p. 756.] 

1901. Potonie, H., Die Silur- und die Culm-Flora des 
Harzes und des Magdeburgischen. (Abhandlungen der 
Preufs. Geol. Landesanstalt, N. F., Heft 36.) Berlin. 8°, 
|Sagenaria Bischofii, p. 61—62. 153; Sigillaria Sternbergü, 
p. 75.] g 

1903. Fliche, Lyeopodinees du Trias en Lorraine. 
(C.-R. de l’Ac. des Se. Paris. 1903, apr. 6. p. 907.) 

1904. Potonie, H., Abbildungen und Beschreibungen 
fossiler Pflanzen-Reste der palaeozoischen und mesozoischen 
Formationen. Lieferung 1. (n. 21—40.) Herausgegeben 
von der Königl. Preufs. Geol. Landesanstalt. Berlin. S®, 
[38. P. Sternbergi (15 p., 8 £.); 39. P. oculina (2 p.).] 

1907. Wüst, E. Die Fossilienführung des Mittleren 
Buntsandsteins der Mansfelder Mulde. (Zs. f. Naturw., v. 79, 
p. 1099— 126.) |Plewromeia Sternbergu (mit Sporen), p. 118. 
120. 121. 124. 125. 126.] 

1907., Fitting, J., Sporen im Buntsandstein — die 
Makrosporen von Pleuromera? (Berichte der Deutsch. Bot. 
Ges. Jg.1907. Bd.25, H. 8, p. 434—442.) Ref.: 1908 Zs. 
f. Naturw., v. 80, p. 299—300 (E. Wüst). 1909 N. Jahrbuch 
für Mineralogie, v. 1, Ref., p. 461—462 (H. Salfeld). 

1909. ©. v. Linstow, Die geologische Literatur des 
Herzogtums Anhalt mit Ausnahme des Harzanteils. (Geo- 
logische Literatur Deutschlands. B. Literatur über einzelne 
Gebiete. Herausgegeben von den Deutschen Geologischen 
Landesanstalten.) Berlin. 8%. 33 p. |V. Buntsandstein, 
e. Pflanzen, p. 16—18, n. 26—48.| 


Kleinere Mitteilungen. 


Gesteine und Minerale des Radautales. 


Im Nordwesten des Harzes liegt das durch seine petro- 
graphische und mineralogische Mannigfaltigkeit weit und breit 
berühmte Harzburger Gabbrogebiet. Durch die fleilsigen und 
erfolgreichen Arbeiten von STRENG, Lossen, KocH und ErD- 
MANNSDÖRFFER ist die tektonische und petrographische Kennt- 
nis unseres Gebietes am meisten gefördert worden, während 
besonders ULRICH, STRENG, G. voM RATH und LUEDECKE 
vortreffliche lithologische Arbeiten darüber geliefert haben. 
Im Auftrage der preulsischen geologischen Landesanstalt 
haben Koch und ERDMANNSDÖRFFER das Gebiet neuer- 
dings in mustergültiger Weise geologisch bearbeitet, und 
als Frucht dieser Tätigkeit ist vor kurzem das Kartenblatt 
Harzburg erschienen. Ein Bliek darauf zeigt, welehe mühe- 
volle Arbeit dies Blatt verursacht hat, und mit welchem 
Wechsel in Bezug auf die Gesteinsbildungen hier gerechnet 
werden muls. Durch die Untersuchungen JASCHEs und später 
Lossens wurde es evident, dals der Gabbrokomplex zum 
Eruptionszentrum des Brockenmassivs gehöre, zu welchem 
bekanntlich auch der Ilsensteingranit und der Okergranit 
gerechnet wird, so dafs also alle diese Massive als eine geo- 
logische Einheit aufzufassen sind, aus einem Herde stammen, 
und der Gabbro, als scheinbarer Fremdkörper im einstigen 
sauren Granitmagma, nur eine basische Schliere darin dar- 
stellt. Diese Auffassung wird allgemein als richtig anerkannt. 
Der Harzburger Gabbro umfalst in erster Linie zahlreiche 
Gesteine aus der Gabbro-Noritfamilie, denen sich solehe aus 
der Pyroxenit-Peridotitfamilie anreihen, Durch Übergänge 


140 Kleinere Mitteilungen. 


zum Diorit sind alle jene Gesteine mit den dioritischen Teilen 
des Broekenmassivs verbunden. 

Neben den Gabbrogesteinen im weiteren Sinne kommen 
für unser Gebiet noch andere eruptive und auch sedimentäre 
Gesteine in Betracht, die an den Granit und an den Gabbro 
angrenzen, zum Teil aber auch im Gabbro eingeschlossen 
sind. Als das glutflüssige Granit- und Gabbromagma auf- 
gepresst wurde, erlitten die bereits vorhandenen Eruptiv- 
gesteine, Diabas usw. ebenso wie die Sedimente an ihren 
Kontaktzonen eine hochgradige Umwandlung; sie wurden 
fester und stärker, krystallisierten um, bzw. wurden erst 
krystallinisch, und nahmen durch dem Magma entströmende 
heilse Dämpfe und Lösungen neue Minerale in sich auf. 
Man bezeichnet dies Phänomen als Kontaktmetamorphose 
und die dabei entstehenden Minerale als Kontaktminerale. 
So sind die in unserem Gebiet vorkommenden Orthophyre 
und Diabase stark verändert, und kulmische, vielleicht auch 
silurische Sedimente in sogenannten Ecekergneils umgewandelt 
worden. Die vom Gabbromagma eingeschlossenen Gesteins- 
brocken, z. B. Orthophyr, Diabas, Kahlebergsandstein, Kulm- 
schiefer, Kulmgrauwacke und Kalke sind naturgemäls am 
stärksten metamorphosiert, und deshalb ist ihre ursprüng- 
liche Natur oft garnicht mehr wiederzuerkennen. 

Von solehen Einsehlüssen kommen für die mineralogische 
Forschung ganz besonders die umgewandelten devonischen 
Kalke in Betracht. Während der Eekergneils an Kontakt- 
mineralen besonders Granat, Cordierit, Turmalin und Andalusit 
enthält, finden wir in den zu Marmor umgewandelten Kalken 
besonders Wollastonit, Granat, Augit, Titanit, gelegentlich 
auch Axinit. 

Das Gabbromassiv wird nun vielfach durchsetzt von 
Granitgängen, die sich bisweilen durch einen Augit- oder 
Granatgehalt auszeichnen, oft auch sehriftgranitartig ausge- 
bildet sind. Durch den Umstand, dals der Schriftgranit 
ganz aulserordentlich grobkörnig wird, treten seine einzelnen 
Gemengteile klar zu Tage, und so sehen wir in ihm schon 
mit unbewaffnetem Auge die seltensten Silikate, z. B. Orthit 
und Gadolinit, die sich im feinkörnigen Gestein den Blicken 
des Mikroskopikers meist entziehen. 


Kleinere Mitteilungen. 141 


Die Reihe der in unserem Gebiet vorkommenden Minerale 
wird nun dadurch noch ganz erheblich vergrölsert, dals 
besonders die Gabbrogesteine bei ihren Zersetzungsvorgängen 
sogenannte sekundäre Minerale liefern. Die Zersetzung dieser 
Gesteine ist infolge des namhaften Eisenoxydulgehaltes 
zweierlei Art. Die eine erfolgt unter dem Einfluls des 
Luftsauerstoffs, die andere unter Abschlufs desselben. Erstere 
sei hier als oxydierende, die zweite als nichtoxydierende 
Zersetzung bezeichnet. Die oxydierende Zersetzung bewirkt 
eine Oxydation des im Gestein enthaltenen Eisenoxyduls, 
bräunt den Gabbro bzw. Norit und führt unter schliefslichem 
Zerfall der Gesteine zur Bildung von Metalloxyden, z.B. 
Eisenhydroxyd, Manganperhydroxyd, sowie zur Bildung von 
Karbonaten und Hydrosilikaten, sogenannten Zeolithen. Diese 
Art der Zersetzung kommt wesentlich auf der Oberfläche 
und auf Klüften der Gesteine vor. 

Wenn nun in den Aulsenschichten der Gesteine der 
Luftsauerstoff vom Eisenoxydul gebunden ist, kann das tiefer 
ins Innere eindringende atmosphärische Wasser nieht mehr 
oxydierend, sondern nur noch lösend wirken, und es ent- 
stehen bei dieser Zersetzung neben Bergkıystall, Karbonaten 
und Zeolithen namentlich Ton-Eisenoxydulmagnesiahydro- 
silikate, das sind Chlorite, die das Gestein grünlich färben. 

Werden Gabbro und Norit von einer Humusdecke über- 
lagert, so nimmt diese den Sauerstoff auf, Gummisäuren 
bildend, und unter der Humusdecke, welche also dieselbe 
Sauerstoff absorbierende Wirkung entfaltet, wie die Aulsen- 
schicht des Gesteins, wird man gewöhnlich Gestein finden, 
welches nur der nichtoxydierenden Zersetzung unterlegen war. 

Dem Vorkommen und der Bildungsweise nach können 
wir in unserem Gebiet also unterscheiden: 

1. Primäre Minerale der Gabbrogesteine im weiteren Sinne, 
der Granite, Orthophyre, Diabase und Sedimente. 
2. Kontaktminerale. 
3. Sekundäre Minerale, 
a) durch oxydierende, 
b) durch niehtoxydierende Zersetzung entstanden. 


Dr. Fromme, Egeln, Vereinssitzung am 18. Nov. 1909, 


142 Kleinere Mitteilungen. 


Neue Funde von Gletscherschliffen bei Halle a. $. 


Schon vor mehreren Jahrzehnten hatte man in der 
Umgegend von Halle a. S. nämlich auf dem sogenannten 
Galgenberg Gletscherschliffe gefunden, die s. Z. von Herrn 


Geheimrat v. Frırsch unzweifelhaft als solehe erkannt wurden. 
Die geologisch denkwürdige Stelle hat sich leider nicht 
erhalten lassen, sondern ist dem Steinbruchbetriebe zum 
Opfer gefallen. Im April dieses Jahres erhielt ich zu- 
fällig Kenntnis von der Auffindung von Gletscherschliffen, 
die in einem Porphyrsteinbruch (älterer Porphyr) bei Trebitz 
in der Nähe des Petersberges bei Halle zu sehen sein sollten. 
Der Augenschein bestätigte die Richtigkeit vollständig. Die 


Kleinere Mitteilungen. 143 


Sehlifte waren tadellos zu erkennen und bedeckten ein 
Gebiet von mindestens 80 qm Bodenfläche. Eine sofort 
vorgenommene Bestimmung der Richtung der Schrammen 
mit Hilfe der Magnetnadel ergab genaue Nordsüdlage. Da 
auch dieser geologisch interessante Fund nicht lange mehr 
bestehen bleiben wird, so habe ich eine besonders schöne 
Stelle photographisch aufgenommen. 


Prof. Dr. WAGNER, Vereinssitzung 1909, 


Über den Köderfang im Hochgebirge. 


Wer durch seine Erfolge bei dem Ködern in der Ebene 
verwöhnt ist in Bezug auf die grolse Zahl der erbeuteten 
Arten und Individuen, der wird in dieser Hinsieht meist 
reeht enttäuscht sein, wenn er zum ersten Mal das Ködern 
im Hochgebirge ausübt und auch dort eine so reiche Aus- 
beute erwartet. Die Arten- und Stückzahl der oben im 
Gebirge durch den Köderfang erbeuteten Tiere steht der in 
der Ebene erbeuteten Zahl ganz auffallend nach. Es dürfte 
nun von Interesse sein, diejenigen Momente ausfindig zu 
machen, die für den geringen Erfolg bestimmend sind. . Ich 
habe bei nachfolgendem speziell den Graubündner Weilsen- 
stein (2030 m) und die Albulapalshöhe (2313 m) im Auge, zwei 
in entomologischer Hinsicht hervorragende Plätze, an denen 
ich in den Jahren 1905, 1906 und 1909 gesammelt habe. 
Trotz des unter den alpinen Entomologen bekannten Re- 
nommees dieses Teiles der Hochalpen kann jedoch der von 
mir dort erreichte Erfolg kein bedeutender genannt werden. 

Es ist eine bekannte Erscheinung, dafs die Tiere der 
Ebene, je weiter wir im Gebirge aufsteigen, uns allmählich 
verlassen. Das Verschwinden der Tieflandstiere tritt meistens 
nieht etwa in der Weise ein, dafs man die Maximalhöhe 
eines Vorkommens genau festlegen und ein höheres Vor- 
kommen als absolut ausgeschlossen hinstellen könnte. Daher 
wird diese Grenze von den verschiedenen Beobachtern auch 
unter gleichen klimatischen Verhältnissen meist um einige 
hundert Fuls differierend angegeben. Es steht diese Be- 
obachtung für die Entomologie nicht etwa einzig in der 


144 Kleinere Mitteilungen. 


Natur da, lehrt uns doch die Pflanzengeographie ganz gleiche 
Verhältnisse kennen. Unter den wenigen Tieren, die eine 
Ausnahme von der angeführten Regel machen, möchte ich 
hier besonders Plusia gamma und Mamestra dentina hervor- 
heben. Man könnte sie treffend als „Kosmopoliten der 
vertikalen Verbreitung“ bezeichnen, da sie sich bei uns in 
der Ebene und in gleicher Weise hoch oben im Gebirge 
vorfinden; beide Spezies traf ich am Albulapass noch bei 
2500 m und darüber. 

Natürlich kommen in den höheren Lagen andere, dem 
Tiefland fehlende Tiere hinzu, jedoch steht die Zahl der 
neu auftretenden zu der der verschwindenden in keinem 
Verhältnis. Am besten lälst sich dies durch ein Zahlen- 
beispiel veranschaulichen: auf der Paflshöhe des Albula 
sind während der 3 Jahre, wo ich dort weilte, nur 14 
Noetuiden aufgefunden. Davon sind 12 typische Bewohner 
der montanen Region, und von den 12 wieder 2 heliophile 
Plusien, die für den Köderfang nieht in Betracht kommen. 
(Frey gibt in seinem vortreffliehen Buche: „Die Lepidopteren 
der Schweiz“ (1880) für den Albulapass nur 6 Noetuiden 
an, wobei er allerdings bemerkt, dafs diese Zahl zu niedrig 
gegriffen sei.) Ich will zugeben, dals sich die Zahl noch 
erhöhen liefse (Pl. bractea? Had. rubrirena? und einige 
andere); es würde die dortige Noctuidenfauna immerhin im 
günstigsten Falle nur etwa den zwölften Teil derjenigen 
Tiere ausmachen, die wir durchschnittlich in der Ebene 
vorzufinden pflegen. 

Einmal ist es also die geringe Zahl der in grölseren 
Höhen noch vorkommenden Arten, die einen ergiebigen 
Köderfang ausschlielst. Es kommen aber noch andere Dinge 
hinzu, vor allem ein Umstand, der schon beim Ködern in 
der Ebene von grolser Wichtigkeit ist: das Wetter. Man 
betrachtet in der Regel einen Abend als günstig, wenn 
Windstille herrscht, die Temperatur eine ziemlich hohe ist 
und der Mond nicht sichtbar ist; als besonders günstig gilt 
die Zeit vor einem Gewitter. Dafs allem Erwarten zum 
Trotz manchmal dennoch der Erfolg ein völlig negativer 
ist, sei nur nebenbei erwähnt; es ist dies eine Tatsache, 
für die man bis jetzt vergeblich eine Erklärung gesucht 


Kleinere Mitteilungen. 145 


und nur Vermutungen aufgestellt hat. Im allgemeinen kommt 
es aber sehr wohl auf das Wetter an. Nun sind jedoch 
die Witterungsverhältnisse im Hochgebirge meist für das 
Ködern im höchsten Malse ungünstig. Nebel und Stürme 
sind abends die Regel, selbst im Juli und August sind 
Schneefälle, die tagelang liegenbleibenden Sehnee zur Folge 
haben, keine Seltenheit, wobei die Temperatur öfter unter 
den Gefrierpunkt herabsinkt. 

Als drittes und letztes Moment möchte ich noeh Folgen- 
des ansehen. Bekanntlich bedient man sieh, um die An- 
ziehungskraft des Ködersaftes zu erhöhen, einer stark- 
riechenden Substanz (Apfeläther usw.), die dem Ködersaft 
beigesetzt wird. Die Wirkung dieser Substanz ist in der 
Ebene eine so grolse, weil hier das Verdunsten nur allmählich 
vor sich geht und deswegen der Äther lange Zeit wirken 
kann. Im Gebirge dagegen wird durch die dünne Höhen- 
luft ein äufserst schnelles Verdunsten des Äthers herbei- 
geführt, und so wird hier gerade das Mittel, das in der 
Ebene die Tiere am meisten lockt, durch die klimatischen 
Verhältnisse illusorisch gemacht. 

Wenn sonach beim Ködern im Hochgebirge auch keine 
grolse Stückzahl gefangen zu werden pflegt, so wird .man 
doch vom Ködern dort nicht völlig absehen; denn, mag auch 
die erbeutete Zahl gering sein, was man erhält, sind meist 
gute Gebirgstiere. Es wäre daher fehlgegangen, aus obigem 
etwa den Rat zu entnehmen, man solle im Gebirge nicht 
ködern. Im Gegenteil! Das Herz jedes passionierten Lepi- 
dopterologen mu[s höher schlagen, wenn es ihm vergönnt 
ist, in wenigen Tagen so geschätzte Tiere wie Hadena zeta, 
pernix, maillardi, Agrotis helvetina, fatidica, besonders aber 
Agr. culminicola zu erbeuten! Ist durch solchen Fang 
— und erhielt er auch jedes Tier nur in einem Exemplar — 
nicht schon seine Mühe reichlich belohnt? 


E. BAUER, Referendar. 


Zur Schmetterlingsfauna der Goitzsche. 


Bei einer Exkursion in die Bitterfelder Goitzsche am 
16. Juli 1908 wollte ich einmal feststellen, was dort an 
Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a.S. Bd. 82. 10. 10 


146 Kleinere Mitteilungen. 


Faltern flog und nahm daher alles mit, was mir ins Netz 
kam. In der kurzen Zeit von 2 Stunden, von 9—11 Uhr 
früh, erbeutete ich die ansehnliche Zahl von 43 Arten, ge- 
wils ein Beweis für den Schmetterlingsreiehtum dieses 
schönen Laubwaldes. Und zwar waren dies: 


1. Pieris brassicae L. | 23. Epinephele Iycaon Rott. 
2.5 rapae 24. Coenonympha iphis Schiff. 
3. Colias hyale L. | 25. y arcamia L. 
4. Gonopterye rhamni L. 26. an pamphilus L. 
5. Apatura iris L. Kor Pararge egeria L. 

6. > ilia Schiff. | 28. e megaera L. 

2% 7 v. clytie Schiff. 29. Thecla ilieis Esp. 

8. Vanessa io. L. | 30. Zephyrus betulae L. 

9: # urticae L. | 31. Chrysophanus virgaureae L. 
10. Polygonia ce. album L. 32. # phlaeas L. 
11. Pyrameis atalanta L. 33. 2 dorilis Hufn. 
12. Arachnia levana L. 34. Lycaena argus L. 

13. Melitaea maturna L. 3Dr a icarus Rott. 

14. Brenthis selene Schiff. 36. n semiargus Rott. 
15. Argynnis latonia L. ı 37. Pamphila palaemon Pall. 
16. s aglaja L. 38. „ silvius Knoch. 

17. - paphia L. | 39. Adopaea lineola 0. 

18. Melanargia galatea L. 40. . thaumas Hufn. 
19. Maniola medusa F. | 41. Augiades comma L. 

20. Satyrus semele L. ı 42. Scelothrix alveus Hb. 
21. Aphantopus hyperantus L. 43. a malvae L. 

22. Epinephele jurtina L. 


FRANZ BANDERMANN. 


Ein Zwitter (?) von Saturnia pavonia L. 


Bei derselben Exkursion fand ich an einem Rhamnus- 
strauche 34 Raupen von Sat. pavonia. Bis zum 14. August 
erzielte ich davon 26 Puppen, die ich im Keller unterbrachte 
und im nächsten Frühjahr wieder ins Zimmer nahm. Vom 
2. April bis zum 18. Mai schlüpften 19 Falter; die übrigen 
waren vertrocknet. Unter den 19 war nur ein Tier ab- 
weichend. Es hat eine Flügelspannung von 41 mm; die 
Farbe der Vorderflügel ist rein weiblich, dagegen zeigen 
die Hinterflügel eine bellgelbe Färbung ähnlich der des 
Weibehens von Cosmotriche potatoria L. Die Zeiehnungen 
aller Flügel sind normal, nur ist das braune Band am 


Kleinere Mitteilungen. 147 


Aufsenrand der Hinterflügel schmaler und kürzer. Der 
Körper ist oberhalb am Thorax weiblich, während die 
untere Hälfte, ebenso wie die Fühler, wieder den männ- 
liehen Typus aufweisen. 

FRANZ BANDERMANN. 


Variationen im Geäder des Dipterenflügels. 


Der Dipterenflügel scheint nach dieser Seite hin nur 
wenig Gegenstand des Studiums gewesen zu sein. Bei 
Tabanus luridus Meig. und Leptis vitripennis Meig. habe 
ich die Verhältnisse näher untersucht und an anderer 
Stelle!) publiziert. Zu den genannten Fällen möchte ich 
noch einige kurz hinzufügen. 


1. Hilara spec. 


Hilara hat gegabelten Radialsektor. Die Gabelung 
hat grolse Ähnliehkeit mit der Leptis-Gabelung, die Grund- 
-verhältnisse sind so ziemlich die gleiehen. Der untere Teil 
des Sektors ist konvex, der obere Teil konkav, und die 
konkave Linie, die als verloschene Ader aufzufassen ist, 
läuft parallel der unteren Ader, also die Basis der Gabelung 
ist als Querader aufzufassen und daher auch konvexer Natur. 
Im eigentlichen Sinne des Wortes hat also der obere Gabelast 
mit dem Sektor niehts gemein. Vom Sektor geht eine noch- 
malige Gabelung spitz zum Vorderrande, diese weitere Ader 
ist der Gabel homolog, es ist also eine echte Gabelung, 
während die Gabelung der dritten Längsader eine falsche 
Bifurkation darstellt. Die Anomalie zeigt sich nur auf 
dem rechten Flügel. Mir scheint das Auftreten an dieser 
Stelle darum so merkwürdig, weil der Flügel hier keinerlei 
Merkzeichen darbietet, die darauf schliefsen lassen, dafs es 
hier zur Ausbildung einer Ader kommen könnte; es ist 
keine Tingierung nachweisbar, keine Erhöhung der Membran. 
Diese Merkmale sollen aber vorhanden sein. Andererseits 
ist aber, nach der hypothetischen Aufstellung des Flügel- 


1) Mitteilungen aus der Entomologischen Gesellschaft zu Halle a. S., 
1909, Heft 1, 8. 9 #. 


10* 


148 Kleinere Mitteilungen. 


schemas nach Apoupn, eine Gabelung im Vorderdrittel des 
Flügels zu erwarten. Seine Vermutung bestätigt sich also. 
Immerhin dürfte sich Atavismus gerade an dieser Stelle nur 
sehr vereinzelt zeigen; unter einem grolsen Material fand 
ich nur diesen einen Fall. 


2. Leptis aequalis Fahr. 

Im Gegensatz zu allen meinen bisherigen Beobachtungen, 
die stets atavistische Erscheinungen zeigten, ist bei dieser 
Art eine weitere Reduktion des Geäders eingetreten. Sie 
betrifft den oberen Gabelast des Sektors, der zu zwei Drittel 
verschwunden ist und ganz plötzlich, ohne weitere Anzeichen, 
abbrieht. Die Abbruchstelle liegt an dem Punkte, wo die 
Basis der Gabel umbiegt, d. h. wo sich der Charakter ändert. 
Bis zu dieser Umbiegestelle ist die Ader konvex und stellt 
eine ursprüngliche Querader dar. Dieser Charakter ist 
scharf ausgeprägt. Deutlich ist die noch mit dem unteren 
Sektor parallellaufende obliterierte Ader zu sehen, die den 
stehengebliebenen Teil des Gabelastes an der Stelle trifft, 
wo er als reguläre Querader die beiden Aderzüge einst ver- 
bunden haben muls. Die verloschene Gabel läfst, ihrer 
konkaven Natur gemäls, eine Vertiefung in der Membran 
zurück. Die Art zählt zu denen mit untingierten Flügeln; 
es bleibt weiteren Untersuchungen vorbehalten zu kon- 
statieren, ob auch bei Arten mit Adertingierung sich 
Reduktionen bemerkbar machen, oder ob hier nur ata- 
vistische Rücksehläge vorkommen. 

RICHARD KLEINE. 


Aus den Sitzungen der Entomologischen Gesellschaft 
zu Halle a. 8. (E. V.). 


Sitzung vom 3. Januar 1910. Herr Haupr hielt einen 
Demonstrationsvortrag über exotische Cieaden (Membracidae). 
Während die aitweltlichen Membraeiden mit Ausnahme 
weniger Stücke des indomalayischen Archipels alle einen 
einfachen Bau aufweisen, zeichnen sich die amerikanischen 
Arten durch geradezu abenteuerliche Auswüchse des Vorder- 
rückens aus, die oft gröfser sind als das ganze Tier. So 


Kleinere Mitteilungen. 149 


war bei einem Exemplar der Auswuchs etwa zehnmal so 
grols als der eigentliche Körper. Uber den Zweck der 
absonderlichen Gebilde ist man noch völlig im Unklaren; 
da sie mitunter ungefähr die Gestalt grolser Dornen annehmen, 
hat man sie — sicher fälschlich — als mimetische Er- 
scheinung (Dornnachäffung) zu erklären versucht. — Nach 
einer Zeitungsmeldung soll die von Herrn BAUER als neu 
für Deutschland festgestellte mediterrane Eule Dianthoecia 
magnoli neuerdings in Schlesien beobachtet sein. Im Interesse 
der Priorität stellte daher Herr BAuEr fest, dafs er dieses 
Südtier bereits 1904 im Breisgau erbeutet habe. — Herr 
KLEinE teilte mit, dafs er die bisher nur aus Borkenkäfern 
bekannte Schmarotzerwespe Dendrosoter protuberans mehr- 
fach aus Bockkäfern gezogen habe. Dieser Zuehterfolg ist 
insofern von allgemeiner Bedeutung, als die beiden Wirte 
eine total abweichende Lebensweise haben. Die 6 mm grolse 
Wespe bringt es fertig, durch mehr als doppelt so diekes 
Holz hindurch ihre Eier an die Bocklarven heranzubringen; 
ferner unterscheidet sie ihre Opfer nach dem Alter, da sie 
die einjährigen Larven mit höchstens 4, die zweijährigen 
mit 7 bis 8 Eiern beglückt. — Herr DAEHNE referierte über 
Hovarps Standardwork: „Les Zooeeeidies des plantes 
d’Europe et du bassin de la Mediterranee*, im dem 6239 
Tiergallen von 2329 Pflanzenarten angeführt werden; dabei 
machte er besonders darauf aufmerksam, ein wie weites 
Arbeitsfeld in dieser Beziehung noch in den Pilzen brach 
läge, da selbst HouArD nur 7, anscheinend von Dipteren 
erzeugte, Pilzgallen verzeichnet. — Herr KLEINE demonstrierte 
die interessantesten, beiläufig von den unsrigen kaum ab- 
weichenden Stücke der von Herrn FÜGE auf Sizilien ge- 
sammelten Fliegen; Herr SpörteL die 4 (von insgesamt 
10 deutschen) von ihm im Hallischen Faunengebiet auf- 
gefundenen Sandläufer-Arten [Cicindela campestris, hybrida, 
germanica und, nur bei Weilsenfels, silvatica.| 


Sitzung vom 17. Januar 1910. Herr Haupr machte 
einige interessante Verbreitungsangaben aus der von ihm be- 
arbeiteten Homopterenfauna von Thüringen, die 45 Gattungen 
mit 130 Arten enthalten wird. — Herr KLEıxE teilte mit, 


150 Kleinere Mitteilungen. 


dals er den Dendrosoter protuberans einmal bei Hylesinus 
fraxini und öfter bei Myelophilus piniperda gefunden habe. 


Sitzung vom 7. Februar 1910. Herr BANDERMANN 
legte 10 benannte Abarten, darunter die neue seltene fene- 
strella, des Schwalbenschwanzes (Papilio machaon) vor, die 
er sämtlich aus Raupen, die von ein und derselben Fund- 
stelle stammten, ohne jede künstliche Beeinflussung gezogen 
hat. — Herr SpörrEL sprach unter Vorlegung des Käfer- 
materials über die Ergebnisse seiner letzten Siebversuche 
(Ende Januar), die wieder bestätigten, dals für diese Fang- 
methode Waldränder am geeignetsten sind. So erhielt er 
an der Lisiere über 600, im lichten Bestand nahe am Rande 
314, mitten im Bestand 218 Kleintiere. In dem grolsen 
Fange überwogen die Käfer mit über 500 Stück, in weitem 
Abstande folgten die Wanzen mit 56, die Wespen mit 20, 
die Fliegen mit 5, die Heuschrecken mit 2 Vertretern 
usw. — Herr DAEHNE sprach über wenig beachtete, von 
ihm regelmäfsig beim Sieben erbeutete Spinnentiere, die zu 
den Afterskorpionen gehörigen Cheliferiden, von denen nur 
der durch Vertilgen von Staubläusen nützliche Bücherskorpion 
(Ch. cancroides) in weiteren Kreisen bekannt zu sein pflegt. — 
Herr KLEINE zeigte Ulmenzweige mit den Fralsbildern von 
Magdalis armigera und referierte über einige neue exotische 
Borkenkäfer, die im Gegensatz zu unseren einheimischen, nie 
Samen oder Früchte angreifenden Arten, Datteln, Kaffee- 
bohnen, Betelnüsse und sogar das gerade wegen seiner 
aulserordentlichen Härte handelswichtige „vegetabilische 
Elfenbein‘, die Steinnüsse von Phytelephas macrocarpa, 
zerstören. 


Karnevalistische Sitzung vom 21. Februar 1910. 
Herr Dr. HAUSERSCHMIED sprach über die Kleinlebewelt des 
Südviertels. Er hatte als Polikliniker Gelegenheit, in die 
dunkelsten Winkel der Stadt hineinzuleuehten und dort eine 
überraschend reiche Fauna von Spelaeo- und Lutobionten, etwa 
80, meist zu den Aphanipteren und Hemipteren gehörige Arten, 
zu entdecken. Als einfaches und zuverlässiges, daher all- 
seitiger Nachachtung empfohlenes Verfahren zum Eintragen 


Kleinere Mitteilungen. 151 
zarter Objekte, wie Pediculus capitis u. ä., erprobte er den 
Transport am eigenen Körper. — Herr NÄupE demonstrierte 
einen neuen entoparasitären Geradflügler, den Gewissenswurm 
(Forficula terebrans N.), der im Perieard einer gleichfalls 
vom Vortragenden entdeckten Abart unserer gemeinen Unke, 
der Hallunke (Maleficus nefastus N.) nagt. Ferner sprach 
er über Bau und Lebensweise der früher hier seltenen ge- 
meinen Stralsenschrecke (Locusta automobilis Br.) oder 
Stinksehreeke (Schnaufo foetida Fft.), die sich neuerdings 
im Vereinsgebiet bedeutend ausgebreitet hat. — Herr 
SORENBAUM legte Urinsekten aus der Steinkohlenzeit vor, 
darunter Übergangsformen von den Libellen zu den Wanzen 
(Agriosoma hemipteroides) und zu den Schmetterlingen (A. 
pieroides und melitaeensis), von denen besonders die letztere 
einen ausgesprochen vorsintflutliehen Eindruck machte. — 
Herr BAUER zeigte als Resultat mehrerer Tausend Experimente 
vier kostbare Schmetterlingsbastarde, und zwar nicht nur 
Kreuzungen nahe verwandter Arten (z. B. Kleefalter hyale x 
europomene), sondern sogar einander ganz fremder Gattungen 
(z. B. Lycaena > Plusia). — Einen neuen Käfer legte Herr 
MANDERBANN in Gestalt eines Apfelsinenstechers vor; auch 
dürfte seine Auswahl selbstgezüchteter Schmetterlingskreu- 
zungen den Spezialisten arges Kopfzerbrechen bereiten. — 
Herr Haut sprach über ein von ihm erfundenes Ködermittel 
für Schillerfalter, das als Parfüm eine grolse Zukunft haben 
dürfte. — Herr STÖPPEL zeigte eine unschätzbare Abnormität, 
einen Laufkäfer ohne Unterleib, dafür aber mit zwei Rücken. 
Ferner eine beredte Illustration zu dem vielzitierten: „Viel 
Dinge gibt es zwischen Himmel und Erde, von denen Eure 
Sehulweisheit niehts träumt!“ Das von ihm beim Nachtfang 
auf der Passendorfer Wiese erbeutete und einstweilen Agrio- 
morpha lepidoptero-caraboidea getaufte Insekt vereinigt 
nämlich unverkennbar die Charaktere einer Wasserjungfer, 
eines Schmetterlings und eines Käfers! An den wissen- 
schaftlichen schlofs sich diesmal noch ein ausgedehnter 
gemütlicher Teil, in dem nach dem Verlesen einer stimmungs- 
vollen „Kalauopterologischen Zeitung“ allgemeine Kommers- 
lieder mit bunten musikalischen und oratorisehen Darbietungen 
wechselten. Jedenfalls bewies der Verlauf des Abends, dafs 


152 Kleinere Mitteilungen. 


sich die E. G. trotz ihrer ernsten wissenschaftlisehen Arbeit 
den Sinn für fröhliche Heiterkeit zu erhalten weils. 


Sitzung vom 7. März 1910. Herr Haupr hielt einen 
Demonstrationsvortrag über die farbenprächtigste Hymen- 
opterengruppe, die Chrysiden, die mit Ausnahme des bei 
Blattwespen sehmarotzenden Üleptes sämtlich bei Bienen und 
Grabwespen parasitieren. Sie sind vorwiegend Südtiere: 
bei uns treten sie erst im Hochsommer auf. Einige sind 
behende Läufer; alle zeigen die Eigentümlichkeit, dals sie 
sich bei Gefahr zu einer Kugel zusammenrollen, wobei sie 
durch ihren harten Panzer sehr gut geschützt sind. Bei 
Halle hat der Vortragende erst wenig Arten gefunden. Be- 
sondere Erwähnung verdienen aber Chr. tarsata aus der 
Goitzsche bei Bitterfeld und Chr. vallisiana aus der Nieder- 
lausitz. — Herr Dr. von SCHLECHTENDAL stellte dazu den 
weit verbreiteten Irrtum riehtig, dafs die Chrysiden gefähr- 
lich stechen könnten; dies sei ausgeschlossen, da ihr Stachel 
häutig wäre. 

Herr KLEINE zeigte Fralsstücke von Borkenkäfern, 
darunter eins, das beide sonst in ganz verschiedenen Sorti- 
menten brütenden Myelophilusarten untereinander brütend 
enthält. — Herr Dr. von SCHLECHTENDAL demonstrierte 2 wert- 
volle Fossilien nebst einigen von Herrn HAupr trotz grolser 
technischer Schwierigkeiten mustergültig aufgenommenen 
Photographien. Ein Stück Dölauer Steinkohle mit dem Ab- 
druck des Kopfbruststückes einer Spinne, vom Vortragenden 
Ogkomaspis getauft, stellt das erste von Dölau bekannt ge- 
wordene Gliedertier dar. Das andere Stück, der Abdruck 
einer Schabe im Rotliegenden, ist von GOLDENBERG Blattina 
rückerti, von HANDLIRSCH Anomoblatta benannt. Die HAUPT- 
sche Photographie zeigt jedoch deutlich, dafs die gleichzeitig 
vorgelegte GOLDENBERGSche Originalzeiehnung unrichtig ist, 
und dals das Tier überhaupt keine Blatta sein kann, da es 
4, von Grund aus getrennte Adern besitzt. 


Sitzung vom 21. März 1910. Herr KLEINE demon- 
strierte eigentümliche Sehilfgallen, das Werk einer für die 
Hallische Fauna neuen Fliege (Lipara lucens). Dieselbe 


Kleinere Mitteilungen. 153 


erzeugt an Phragmites communis eharakteristisch schopfartige 
Mifsbildungen: die Internodien verkürzen sich und schieben 
sich übereinander und entsenden nach allen Seiten Nottriebe, 
wobei sie selbst keine Scheidewände, die Blätter keine 
Spreiten mehr ausbilden. Die ersten Stände sind noch un- 
bekannt, doch dürfte die Eiablage Anfang Juli erfolgen. 
Die Larven von ZL. lucens kommen oft vergesellsehaftet mit 
denen der verwandten L. similis vor; letztere erzeugen 
jedoch keine Gallen und leben in den Zwischenräumen der 
zehn- bis fünfzehnfachen Blattlagen, während die ersteren 
im Innersten des Blattbündels hausen. Schmarotzer sind 
eine ganze Reihe, meist Schilfmücken und Raubwespen, 


bekannt geworden. 
DAEHNE. 


Literatur-Besprechungen. 


Haase, E., Die Erdrinde. Einführung in die Geologie. 
2548. Mit 3 farbigen Tafeln und zahlreichen Abbildungen 
im Text. Leipzig, Verlag von Quelle & Meyer, 1909. 
Gebunden 2,580 M. 

Das Reich der „toten“ Steine lebendig zu machen, ist 
dem Verfasser aufs beste gelungen. Das vorliegende Buch 
gliedert sich in einen einführenden Teil und einen so- 
genannten „Anhang“. Dieser stattliche Abschnitt mit seinen 
84 Seiten verdiente eigentlich einen würdigeren Namen. In 
ihm hat der Verfasser mit vieler Sorgfalt ausgewählte 
Sehilderungen geologisch interessanter Vorgänge der Gegen- 
wart als wirksam -lebensvolles Unterstützungsmaterial zu- 
sammengestellt, sodals dieser Teil ein kleines geologisches 
Lesebuch darstellt, das sehr gut auch für sich zu gebrauchen 
wäre. Ich halte die hier verfolgte Sonderung der Abschnitte 
für äulserst günstig. Wenn auch dem ersten Teile, dem 
eigensten Werke des Verfassers, dieselbe Anschaulichkeit 
und lebensvolle Frische anzumerken ist, so werden anderer- 
seits durch die reinliche Scheidung die Kreise des Autors 
nicht gestört. Durch Fulsnoten ist stets auf die passenden 
Stücke im „Anhang“ hingewiesen. 

Auch der andere Hauptgedanke, der den Verfasser im 
ersten Teile des Buches leitete, ist mir: von unterriehtlicher 
Seite sehr sympathisch. Die allgemeine Geologie wird 
nicht, wie bisher oft üblieh war, in einem besonderen Ab- 
schnitt gebracht, sondern es erhält, da es sich ja in erster 
Linie um das Verstehen einer zeitlichen Aufeinanderfolge 
handelt, die historische Geologie die Führung in der 


Literatur-Besprechungen. 155 


Anordnung des Stoffes, und die einzelnen Kapitel der all- 
gemeinen Geologie sind passend hineingewebt. 

Das Buch liest sich flüssig und genulsreich, und dürfte 
daher für den Anfänger, der leicht abgestolsen wird, recht 
geeignet sein. Bei klarer und knapper Darstellung wird 
doch das Wichtigste erwähnt; enzyklopädische Vollständig- 
keit ist nirgends erstrebt. 

Auch nach der illustrativen Seite hin ist das Werk 
reich an Originalem. Es ist möglichst auf das landläufige 
Schema verzichtet. Soweit es irgend angeht, bringt der 
Verfasser die Objekte aus seinem eigenen Studienkreise. 
So bleiben Wort und Bild in innigem Konnex miteinander. 
Der heimische Künstler H. Wessner-Collenbey ist mit vieler 
Hingebung den Absichten des Autors gefolgt. Unbesorgt 
kann dieses knapp und doch nicht leitfadenmälsig ge- 
schriebene Buch für Selbst- und insbesondere auch Schul- 
unterricht aufs wärmste empfohlen werden. 


K. PRITZSCHE. 


Haase, E., Lötrohrpraktikum. Anleitung zur Unter- 
suchung der Minerale mit dem Lötrohre. 898. Leipzig, 
Erwin Nägele, 1908. 1,25 M. 


Ein Praktikum zu sehreiben ist nicht leicht, wenigstens 
es so zu schreiben, dafs sich der Schüler in seinem Buche 
so zurechtfindet, dafs er den beratenden Lehrer nicht ver- 
milst. Der Verfasser hat dies auf dem eng umschriebenen, 
für den ausübenden Mineralogen höchst wichtigen Gebiete 
der Untersuchung mit dem Lötrohre getan. Dals der 
Erfolg der Absicht entspricht, beweist u. a. die Zitierung 
des Büchleins bei namhaften Verfassern; es ist eben ein 
Buch, bei dem das bekannte „dringende Bedürfnis“ nicht 
zur Phrase würde. 

Zum Gange selbst ist folgendes zu bemerken: Ohne 
langatmige theoretische Vorerörterungen führt der Verfasser 
recht bald in die Untersuchung verschiedener sorgfältig 
ausgewählter und deshalb an Zahl beschränkter Stoffe ein, 
zuerst einfacherer chemischer Verbindungen, sodann aber 
auch der Gesteine, um den Schüler am Schlufs sehon etwas 


156 Literatur-Besprechungen. 


auf eigene Fülse stellen zu können. Dabei werden — wie 
von selbst — die Handhabung des Rohres, ferner die ver- 
schiedenen Flammenarten, Flammenfärbungen und Perlen- 
proben vorgenommen. Wichtig ist zum Schlufs auch die 
Übersicht über das Verhalten der Körper vor dem Lötrohre 
sowie auch das alphabetische Verzeichnis der wichtigsten 
chemischen Bestandteile der Mineralien, wobei selbstver- 
ständlich auch die nassen Reaktionen Berücksichtigung 
finden. 

Die Verwendung des Buches ist nicht nur für den 
Selbstunterrieht von Vorteil; mancher Schüler wird es dem 
Lehrer Dank wissen, wenn er ihn zum Zwecke eigener 
Betätigung des in der Schule Gelernten auf dieses Prakti- 
kum hinweist. 

K. PrITzscHE. 


Zimmermann, W., Die Photographie 1648. Mit 
zahlreichen Abbildungen im Text und auf Tafeln. Aus 
der Naturwissenschaftlichen Bibliothek für Jugend und 
Volk, herausgegeben von Konrad Höller und Georg 
Ulmer. Leipzig, Verlag von Quelle & Meyer. Gebunden 
1,350 M. 


Zu der nieht geringen Zahl anerkannt guter und der 
Menge mittelmälsiger Anleitungen zur Ausübung der Licht- 
bildkunst ist noch eine weitere getreten. Ob mit Recht? 
So viel ich entscheiden kann, ja! Mag sich kein Er- 
wachsener von dem Buche deswegen abschreeken lassen, 
weil es in eine Bibliothek für die „Jugend“ eingereiht ist. 
Die frühe Jugend geht die ausübende Photographie über- 
haupt nichts an, und die Lösung: „Der Kodak in der Hand 
des Kindes!“ ist einzig vom geschäftlichen Standpunkte des 
Händlers geprägt worden. Mag die Jugend erst so weit 
heranwachsen, dals sie wenigstens die Hauptprozesse des 
Geschehens im Glashause versteht, und vor gedankenlosem 
Knipsen möge der Geldbeutel der Eltern verschont werden, 
Nun, das Werkehen hält, was es in der Vorrede sein zu 
wollen verspricht: es ist tatsächlich ein freundlicher Berater, 
bei dessen Belehrungen das Schematische stets hinter dem 


Literatur-Besprechungen. 157 


Persönlichen zurücktritt. Das fesselt, und so habe auch ieh 
das Buch mit Freude durchgelesen. Den besonderen Vorteil 
hat es, dals es nicht eine Unzahl von Rezepten bringt, 
sondern wenige bestimmte, die dann aber auch wirklich 
tauglich sind. Bei aller Volkstümlichkeit — und es fällt 
nie aus der Rolle — ist doch überall das tiefere Erkennen 
angebahnt; das ist mir sowohl bei den Betrachtungen über 
Linsenwirkungen und Objektivkonstruktionen als auch be- 
sonders bei den photochemisehen Erörterungen angenehm 
aufgefallen. Einige Schlulskapitel leiten auf die höhere 
photographische Kunst, Kohledruck und Autochromverfahren 
hin, obne dafs aber diesen Abschnitten ein ungebührlich 
breiter Platz eingeräumt würde. 

Die Abbildungen, zum grolsen Teil Originale, sind in- 
struktiv; an beabsichtigten Fehlaufnahmen lernt der Anfänger 
vieles vermeiden, was ihm sonst nachher Verdruls und 
Geldverlust gebracht hätte. 

K. PRITZSCHE. 


Glafey, Hugo, Dipl.-Ing., Geh. Regierungsrat, Rohstoffe 
der Textilindustrie. 144 S. Aus der Sammlung: 
Wissenschaft und Bildung. Einzeldarstellungen aus allen 
Gebieten des Wissens. Herausgegeben von Dr. Paul 
Herre. Leipzig, Verlag von Quelle & Meyer, 1909. Ge- 
heftet 1,— M., gebunden 1,25 M. 


Im Auftrage der „Vereinigung für Wirtschafts- und 
Gewerbekunde“ hat der Verfasser eine Reihe von Vorträgen 
über das Gebiet der Textilindustrie gehalten, deren Inhalt 
er in zwei Bändehen einem grölseren Kreise zugänglich 
macht. Das erste Büchlein liegt vor uns; es behandelt die 
Rohstoffe; das zweite geht auf deren Verarbeitung, also 
die Textilindustrie selbst, ein. 

Die Gliederung des Stoffes ist recht klar. Den ersten, 
umfangreicheren Teil nehmen die natürlichen Rohstoffe ein, 
den zweiten die künstlichen, die jene allerdings an Zahl 
und Bedeutung längst nieht erreichen. In jeder von beiden 
Hauptgruppen wird nach den drei Naturreichen gruppiert, 
wobei das Mineralreich den geringsten Anteil hat (Asbest, 


158 Literatur-Besprechungen. 


Glas- und Metallfäden. Bei der langen Reihe aus- 
ländischer Rohstoffe wird einem so recht die Bedeutung 
der Kolonien, wenigstens unter diesem Gesiehtswinkel, klar, 
sowie die Bedeutung unseres überseeischen Güterverkehrs 
überhaupt. 

Soweit die Technik in die Aufbereitung der Rohstoffe 
hineinspielt, wird ihr ebenfalls die verdiente Würdigung zu 
teil; so lernen wir bei der Baumwolle die Hauptarten der 
Entkernungsmaschinen und Ballenpressen, beim Flachs die 
Brech- und Hechelmaschinen, bei anderen Stoffen wieder 
besondere Entholzungs- und Entfaserungsvorriehtungen 
kennen. So werden auch z. B. bei der Wolle eine Reihe 
von Spezialmaschinen vorgeführt, deren Wirkungsweise auch 
dem Nichtfaehmann interessant ist. Die Struktur der Fasern 
wird, wo besonders auffallende Charakteristiea vorhanden 
sind, durch Mikrophotogramme verdeutlicht. Statistische 
Darstellungen machen die Menge der Erzeugung und den 
Verbrauch der versehiedenen Rohstoffe auf dem Welt- 
markte klar. 

So wird das Büchlein seinem Zwecke durchaus gerecht 
und verdient einen weiten Leserkreis. 

K. PRITZSCHE. 


Voigt, Max, Dr. phil., Oberlehrer in Oschatz (Sachsen), Die 
Praxis des naturkundliehen Unterrichts. Ein Hand- 
buch für Lehrer aller Sehulgattungen und für Sammler. 
XIV und 282 S. Mit 92 in den Text gedruckten Figuren. 
Leipzig, Dieteriehsche Verlagsbuchhandlung (Theodor 
Weicher), 1909. Gebunden 3,80 M. 


Ein Kompendium für den Schulmann, wie es sein muls. 
Sehon der kräftige Stoffeinband sagt: „Stelle mich nieht in 
den Büchersehrank;; mitten in den Unterriehtsbetrieb hinein 
gehöre ich!“ Nieht nur der Lehrer, sondern auch der 
reifere Sehüler wird sich ein solehes Buch gern zulegen, 
das ihm reiches Lebenswissen bietet, ihn auf allen ein- 
schlägigen Gebieten so wohl berät. Das Werk hat denn 
auch bereits in der deutschen Lehrer- und Sammlerwelt 
sein verdientes Lob gefunden. Es macht uns zuerst mit 


Literatur-Besprechungen. 159 


einer Menge einfacher und praktischer Geräte bekannt, die 
zum Sammeln und Untersuchen von Pflanzen und Tieren 
dienen. Eine Menge davon kann sich der, dem ein gewisses 
Handgeschiek nieht gänzlich versagt ist, selbst herstellen. 
Selber machen! das ist ja überall das Leitmotiv in diesem 
Buche. Weiter ist die Rede vom Einsammeln der Pflanzen, 
Pflanzenzucht durch Schüler und der Anlage des Schul 
gartens. Überall merkt man, dafs der Praktiker redet. 
Ein weiterer Abschnitt sprieht vom Sammeln gröfserer und 
mikroskopischer Tiere (Plankton), von Aquarien, Terrarien 
und den Wasmannscehen künstlichen Ameisennestern, ferner 
von der Zucht der Futtertiere. Das Kapitel der Pflanzen- 
physiologie ist auf 20 Seiten mit recht guter Auswahl der 
Versuche abgehandelt. Ein vollständiges Praktikum will 
das Buch hierbei wie der folgenden Zoologie und Anthropo- 
logie natürlich nicht ersetzen. Der Mineralogie und Geologie 
sind 18 Seiten gewidmet. Exkursionsausrüstung, Arbeit 
draufsen und drinnen, Lötrohr, Dünnschliffe, Bodenproben 
mögen als Stichworte genügen. 

Ein weiterer grolser Abschnitt folgt über das Mikroskop, 
dieses erst jetzt so recht allgemein gewürdigte Hilfsmittel 
der Erkenntnis. In klarer Weise lehrt der Verfasser das 
Instrument selbst kennen, bietet sodann unter sorgfältiger 
Beschränkung auf das Notwendige eine Anweisung zur An- 
fertigung pflanzlicher und tierischer Präparate, behandelt das 
Messen und Zeichnen und den Gebrauch der Polarisations- 
einrichtung. — Als wichtiges Veranschaulichungsgerät wird 
weiter der Projektionsapparat in seinen mannigfachen An- 
wendungsarten gewürdigt. Auch die photographische 
Camera wird als vielfach nützliches Schulgerät (Natur- 
aufnahmen, Mikrophotographie, Reproduktion von Bildern 
und Zeiehnungen, Diapositive) warn zur Anschaffung em- 
pfoblen. 

Den Schlufs bildet eine Belehrung über die praktische 
Ausgestaltung naturkundlicher Sammlungen, über Auf- 
bewahrung und Bezeiehnung, Reparieren und Konservieren 
der Gegenstände. 

Der praktische Schulmann kommt ganz zuletzt noch 
einmal beim Kapitel „Exkursionen“ zu Worte. 


160 Literatur-Besprechungen. 


Verzeichnisse von Chemikalien, Bezugsquellen aller Art 
sowie ein Literaturnachweis vervollständigen den Inhalt des 
Buches, das sieh bei seiner Reichhaltigkeit von selbst em- 
pfiehlt. Das Werk ist eine hocherfreuliche Erscheinung auf 
dem pädagogischen Büchermarkt. 

K. PrırzscHE. 


Druck von Ehrhardt Karras, Halle a. S. 


Die plistozänen Ablagerungen des Travertin- 
gebietes der Gegend von Weimar und ihre 
Fossilienbestände in ihrer Bedeutung für die 
Beurteilung der Klimaschwankungen des Kis- 
zeitalters 
von 


Ewald Wüst in Kiel 


Mit einer Profiltafel und einer Tabelle 


Seit Jahren bemühe ich mich, durch sorgfältige schicht- 
weise Aufsammlung plistozäner Fossilien ein Beobachtungs- 
material zu erhalten, welches Schlüsse auf die Art des 
Ablaufes der Klimaschwankungen des Eiszeitalters gestattet. 
Allein die Ergebnisse dieser Bemühungen sind bis vor 
kurzem so dürftig ausgefallen, dals ich sie zum grölsten 
Teile garnicht veröffentlicht habe. 

Es war mir schon im Beginne meiner einschlägigen 
Untersuchungen klar gewesen, dals Ergebnisse der ge- 
wünschten Art am ehesten von einer Untersuchung der 
bekannten mitteldeutschen Travertine, welche grolsenteils 
eine Aufeinanderfolge sich gut voneinander abhebender 
fossilienreicher Schichten darbieten, zu erwarten sind. An 
den verschiedensten Stellen vorgenommene Vorversuche 
und eine mit grolsem Zeitaufwande durchgeführte genaue 
Dureharbeitung einiger Travertine am Grofsen Fallsteine 
im Nördlichen Harzvorlande!) fielen indessen wenig er- 
mutigend aus. Am geeignetsten für meine Zwecke erschienen 


!) Die Untersuchungen über diese Travertine am Grolsen Fall- 
steine habe ich bisher nicht veröffentlicht. 
Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a.S. Bd. 82. 1910. 11 


162 Ewarp Wüst, [2] 


mir noch die Travertine der Gegend von Weimar, in 
deren Liegendem ich einen Konchylienbestand gefunden 
hatte, der auf ein kaltes, eiszeitliches Klima hinweist, 
während die Travertine selbst nach Ausweis ihres Fossilien- 
bestandes unter einem warmen, interglazialen Klima ent- 
standen sind.!) Indessen hielt mich die Annahme, dafs 
ARTHUR Weiss, der jahrelang sehr eifrig im Travertin- 
gebiete von Weimar gesammelt hat,?2) doch noch einmal 
Erfahrungen über die vertikale Verbreitung der Fossilien in 
demselben veröffentlichen würde, von einer genauen Durch- 
arbeitung der Travertine der Gegend von Weimar ab. Erst 
als ich im Frühjahre 1907 auf Wunsch meines Freundes 
Hans Hanne die Bearbeitung des geologischen Teiles für 
eine von HAHnE geplante Neubearbeitung der paläolithischen 
Fundstätten der Gegend von Weimar?) übernahm, machte 
ich mich an eine genaue, planmälsige schiehtweise Unter- 
suchung der Fossilienbestände dieser Travertine und der 
mit ihnen verknüpften anderweitigen plistozänen Ab- 
lagerungen. Diese Untersuchung führte endlich zu Ergeb: 
nissen der lange gesuchten Art. Vor allem führte sie zu 
dem Nachweise des Aufbaues einer — der letzten oder 
Rils-Würm- — Interglazialzeit aus zwei Waldphasen und 
einer zwischen diese fallenden Steppenphase und lieferte 
damit einen, wie ich glaube, wichtigen Beitrag zur Lösung 


1) Ew. Wüst, Untersuchungen über das Pliozän und das älteste 
Pleistozän Thüringens usw., Stuttgart 1901 (auch Abhandlungen der 
Naturforschenden Gesellschaft zu Halle a. S., Bd. 23), S. 79 und Der 
Konchylienbestand der Kiese im Liegenden der Travertine von Weimar, 
Nachrichts-Blatt der deutschen Malacozoologischen Gesellschaft, 1907, 
S. 94—96. 

2) A. Weifs, Die Conchylienfauna der altplistoeaenen Travertine 
des Weimarisch-Taubacher Kalktuffbeckens, Nachrichts-Blatt der 
deutschen Malacozoologischen Gesellschaft, 1894, S. 145—163 und 
185—190, I. Nachtrag dazu ebenda, 1896, $. 99-102 und Über die 
Conchylien-Fauna der interglacialen Travertine des Weimar-Taubacher 
Kalktuffbeekens, Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesellschaft, 
Jahrgang 1896, S. 171—182. 

3) Hahne erfreut sich dabei einer sehr namhaften Geldunter- 
stützung seitens der Dr. Fedor Jagor-Stiftung in Berlin, welche 
auch meinen Untersuchungen in der Gegend von Weimar zugute 
kommt. 


[3] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 163 


der noch so verschieden beantworteten Frage nach der 
Stellung der Wald- und Steppenphasen im Turnus der 
Klimaschwankungen des Eiszeitalters. 

Dieses Ergebnis habe ich in versehiedenen von HAnnE 
und mir über unsere Untersuchungen in der Gegend von 
Weimar veröffentliehten Vorläufigen Mitteilungen !) bereits 
kurz mitgeteilt. Eine vollständige Darstellung der Ergeb- 
nisse der von mir in den letzten Jahren im Travertingebiete 
von Weimar ausgeführten Untersuchungen der von HAHNE 
und mir vorbereiteten grölseren Arbeit über die paläo- 
lithisehen Fundstätten der Gegend von Weimar vorbehaltend, 
will ich in der vorliegenden Arbeit meine wiehtigsten Ergeb- 
nisse bezüglich der Aufeinanderfolge der Fossilienbestände 
in den plistozänen Ablagerungen unseres Travertingebietes 
und ihrer Bedeutung für die Beurteilung der Klimaschwan- 
kungen des Eiszeitalters ausführlicher darlegen. 

An den verschiedensten Stellen dieser Arbeit hätte es 
für mich nahe gelegen, näher auf Beobachtungen an anderen 
Stellen und in anderen Gebieten einzugehen; ich habe das 
jedoch unterlassen, um die Übersichtlichkeit dieser Arbeit 


ı) Hahne und Wüst, Die paläolithischen Fundschichten und 
Funde der Gegend von Weimar, Centralblatt für Mineralogie usw., 
1908, 8. 197—210. 3 

Wüst, Neues über die paläolithischen Fundstätten der Gegend 
von Weimar, Zeitschrift für Naturwissenschaften, Bd. 80, 1908, S. 125 
— 134. 

Wüst, Das Vorkommen von KRhinoceros Merckii Jäg. in den 
oberen Travertinen von Ehringsdorf bei Weimar und seine Bedeutung 
für die Beurteilung der Klimaschwankungen des Eiszeitalters, Central- 
blatt für Mineralogie usw., 1909, S. 23—25. 

Wüst und Hahne, Die Fundstellen von Weimar, Ehringsdortf 
und Taubach auf Grund eigener Grabungen, Bericht über die Prä- 
historiker-Versammlung, den 23. bis 31. Juli 1907 zur Eröffnung des 
Anthropologischen Museums in Köln (Köln o. J., erschienen 1909), 
S. 75—86, Tafel II. — In dieser Arbeit hat Hahne die gesamte uns 
bekannt gewordene Literatur über die paläolithischen Fundschichten 
und Funde der Gegend von Weimar zusammengestellt. 

Wüst, Die Bedeutung der Profile des Travertingebietes von 
Weimar für die Beurteilung der Klimaschwankungen des Eiszeitalters, 
Berichte über die Versammlungen des Niederrheinischen geologischen 
Vereins, 1909, Bonn 1910, S. 41 - 44. 


112 


164 EwaALp Wüst, [4] 


nicht zu beeinträchtigen und verschiebe daher die bezüg- 
lichen Darlegungen und Erörterungen auf spätere Veröffent- 
lichungen. 

In der vorliegenden Arbeit gebe ich zunächst einen 
kurzen Überblick über die plistozänen Ablagerungen des 
Travertingebietes der Gegend von Weimar. Dann behandle 
ich die Fossilienbestände dieser Ablagerungen und ihren 
biogeographischen und klimatischen Charakter. Darauf gebe 
ich eine Einordnung der Ablagerungen in die Chronologie 
des Eiszeitalters. Schlielslich erörtere ich die Bedeutung 
der Ablagerungen und ihrer Fossilienbestände für die Be- 
urteilung der Klimaschwankungen des Eiszeitalters. 


Die Ablagerungen des Travertingebietes der Gegend 
von Weimar. 


Eine kurze Übersicht über die Ablagerungen des 
Travertingebietes der Gegend von Weimar habe ieh bereits 
mehrfach in den erwähnten Vorläufigen Mitteilungen ge- 
geben. Wenn ich auch an den wesentlichsten — namentlich 
an den für die Beurteilung der Klimaschwankungen des 
Eiszeitalters in Betracht kommenden — Punkten meiner 
bisherigen Darstellungen nichts zu ändern habe, so machen 
sich doch in mehreren anderen, minder wichtigen Punkten 
einige Änderungen erforderlich. Diese sind in erster Linie 
bedingt durch einige neu geschaffene Aufschlüsse und 
dureh die genaue Dureharbeitung der Ergebnisse eines von 
Herrn Grofsherzoglichen Bauinspektor RsBLInG in Weimar 
ausgeführten Nivellements des Travertingebietes, welches 
den Bedürfnissen der wissenschaftlichen Erforschung des 
Travertingebietes in verständnisvoller Weise Rechnung 
trägt.) 


1) Herrn Rebling sage ich auch an dieser Stelle meinen 
wärmsten Dank für die liebenswürdige Übersendung einer Darstellung 
der Ergebnisse seines für meine Untersuchungen so wertvollen 
Nivellements sowie überhaupt für die freundliche Unterstützung, die 
ich bei meinen Untersuchungen in der Gegend von Weimar jederzeit 
bei ihm gefunden habe. 


[5] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 165 


Die Travertine der Gegend von Weimar liegen im Ilm- 
tale zwischen Weimar und dem 4 km weiter Ilm aufwärts 
gelegenen Dorfe Taubach in drei getrennten Gebieten: 


1. dem Taubacher Gebiete: auf der rechten Seite der 
Ilm im Dorfe Taubach und an dessen Nordwest- 
und Westseite, 

2. dem Ehringsdorfer Gebiete: auf der linken Seite 
der Ilm im Dorfe Ehringsdorf und in einem bis 
etwa 0,25 km breiten am Südwestrande der Ilmaue 
bis etwa 0,8 km Ilm aufwärts von Ehringsdorf hin- 
ziehenden Landstreifen, 

3. dem Weimarer Gebiete: auf der linken Seite der 
Im in der Stadt Weimar (nach Süden bis zur 
Falkenburg). 


Die Kartierung dieser Travertingebiete auf den 
Blättern Magdala und Weimar der Geologischen Spezialkarte 
von Preulsen und den Thüringischen Staaten (Berlin 1872, 
aufgenommen von E. E. SchmiD) ist in verschiedener Hinsicht 
unzutreffend. Hier sei vor allem darauf hingewiesen, dals 
die von ScHMmID zwischen der Falkenburg und al nl 
angegebenen Travertine nieht vorhanden sind. 

In der vorliegenden Arbeit beziehe ich mich soweit als 
möglich auf die Ortsbezeichnungen der 1905 herausgegebenen 
neuen Ausgaben der Melstischblätter Magdala und Weimar. 
Zur Auffindung der Lage der im folgenden häufiger 
erwähnten Aufschlüsse auf diesen Melstischblättern 
dienen die folgenden Angaben. Die beiden grolsen auf 
Blatt Magdala auf der Nordseite der westlichsten Häuser 
des Dorfes Taubach eingetragenen Aufschlüsse sind die 
beiden Travertinbrüche von SoNnNREIN. Dicht westlich 
davon verzeichnet das Blatt mit einer bogenförmigen 
Böschungssignatur an der Chaussee die Kiesgrube von 
GoTTSCHALG. An der Südostseite des Dorfes Ehringsdorf 
verzeichnet dasselbe Kartenblatt drei grolse Steinbruchs- 
komplexe. Der dem Dorfe am nächsten gelegene gehört 
im wesentlichen SAALBORN, nur der nördlichste Zipfel da- 
von der HEYyDENnREIcHschen Bierbrauerei. Der nächst- 
folgende gehört zum gröfsten Teile HaAuUBoLv, nur ein kleiner 


166 EwALp Wüst, [6] 


im Nordosten gelegener Teil SchwArz. Der dritte Komplex, 
von Ehringsdorf an gerechnet, gehört KAEMPFE. Der etwa 
0,4 km in südöstlicher Richtung vom KArnmpreschen Bruche 
gelegene Steinbruch gehört BoETTNER. Nieht eingetragen 
sind folgende neuere Travertinbrüche: der FiscHErsche, 
südlieh vom HAuBouLpschen, von diesem nur durch den auf 
dem Kartenblatte angegebenen Feldweg getrennt; der 
HACKEMESSERSche, etwa da, wo der südöstlieh vom 
KaEmPprFEschen Bruche senkrecht zum Gehänge verlaufende 
Feldweg die 247,5 m-Kurve schneidet; ein weiterer BOETTNER 
sehörender Bruch an der Mündung desselben Feldweges in 
den Fahrweg von Ehringsdorf nach Köttendorf und schliefs- 
lich der Bruch von GRUBER und HÄsENER in nächster Nähe 
des zuerst erwähnten (östlichsten) BoETTNERSchen Bruches. 
Der Eingang der Parkhöhle im Parke von Weimar liegt 
am linken Ilmufer da, wo Blatt Magdala gegenüber von 
GoETHES Gartenhäuschen die Holzbrücke verzeichnet. Der 
in Weimar gelegene Uruesche (früher HrrscHsche) Bruch 
ist auf Blatt Weimar — allerdings nicht ganz den heutigen 
Aufscehlulsverhältnissen entsprechend — verzeichnet: er ist 
der nördlichere der beiden am Ostrande des Kartenblattes 
südöstlich vom Weimarer Friedhofe angegebene Aufschluls. 

Die Travertine der drei unterschiedenen Travertingebiete 
werden von den liegenden vorplistozänen (triadischen) Ge- 
steinen mindestens grolsenteils — jedenfalls überall, wo 
eine direkte Beobachtung möglich war — durch kiesige, 
sandige oder mergelige Ilmablagerungen getrennt. In die 
Travertine selbst ist — von untergeordneten kiesigen oder 
mergeligen Einlagerungen abgesehen — in einem grolsen 
Teile des Ehringsdorfer und des Weimarer Gebietes eine 
weithin aushaltende Bank von Löfsmaterial, vulgo Pariser 
(verderbt aus Poröser), eingeschaltet. Im Hangenden der 
Travertine sind nur Gehängebildungen, welche grolsenteils 
aus Löls- oder Laimenmaterial bestehen und lokal an- 
scheinend auch echte, aber nur sehr geringmächtige Löls- 
bildungen vorhanden. 

Wenn wir zunächst die im Liegenden der Traver- 
tine vorhandenen Ilmablagerungen betrachten wollen, 
so ziehen wir zweckmälsig alle im Ilmtale zwischen Tau- 


[7] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 107 


bach und Weimar bekannt gewordenen Ilmablagerungen in 
den Kreis unserer Betrachtungen. Diese Ilmablagerungen 
lassen sich auf die folgenden Terrassen oder Talböden !) 
verteilen: 

1. Die Oberterrasse, etwa 20 m über der heutigen 
Aue. Ihre Ilmablagerungen habe ich nur in einem kürzlich 
neben der Belvedäre-Allee am Westende von Ehringsdorf 
angelegten Kiesloche aufgeschlossen gesehen. Das Loch 
schlielst einen stark rostfarbenen Ilmkies auf, der reicher 
an nordischem Gesteinsmateriale ist als alle anderen Ilm- 
kiese des Gebietes. 

2. Die Mittelterrasse. Ihre Ilmablagerungen liegen 
7—11 m über der heutigen Aue. Ich habe sie aufgeschlossen 
gesehen in der GorrscHALsschen Kiesgrube und in dem 
östlicheren der beiden SonnrEinschen Travertinbrüche bei 
Taubach und in den Travertinbrüchen von KAEMPFE, 
HAuBoLD und SAALBORN bei Ehringsdorf. Die Ilmkiese 
sehen wesentlich frischer aus als die der Oberterrasse und 
führen bei Ehringsdorf relativ reiehlieh — wenn auch bei 
weitem nicht so reichlich wie die Kiese der Oberterrasse —, 
bei Taubach aber nur sehr spärlich nordisches Gesteins- 
material. Die Kiese der Mittelterrasse sind überall, wo ich 
sie gesehen habe von 0,3—1 m mächtigen, bräunlichen, 
gräulichen oder grünlichen, noch vereinzelte Ilmgerölle 
führenden mergeligen Ilmabsätzen (vulgo Letten) überlagert. 

3. Die Unterterrasse. Ihre Ilmablagerungen liegen 
2—5 m über der heutigen Aue. Man sieht sie als durch 
Kalkkarbonat mehr oder weniger zu Konglomeraten ver- 
festigte Kiese am linken Ilmufer im Parke von Weimar 
dauernd aufgeschlossen. Der schon lange bestehende kleine 
Aufschlulfs am Eingange der Parkhöhle zeigt, wie sie auf 
bunten Letten des mittleren Keupers auflagern und von 


!) Die im Folgenden eingeführten kurzen Bezeichnungen für die 
einzelnen Terrassen sollen selbstverständlich nur lokale Geltung haben 
und keineswegs etwa die Annahme einer Altersgleichheit unserer 
Terrassen mit ebenso bezeichneten anderer Gebiete zum Ausdrucke 
bringen. Vergleiche den Abschnitt über die „Einordnung der Ab- 
lagerungen des Travertingebietes der Gegend von Weimar in die 
Chronologie des Eiszeitalters“ gegen Ende der vorliegenden Arbeit! 


168 EwALp Wüst, [8] 


festen Travertinbänken überlagert werden. Die Kiese bezw. 
Konglomerate der Unterterrasse habe ich auch auf der 
Sohle des Urueschen Travertinbruches in Weimar gelegent- 
lich angesechürft gesehen. Hier sind sie gewöhnlich von 
höchstens wenige Dezimeter mächtigen mergeligen Ilm- 
absätzen überlagert, welche ebenso aussehen wie die ana- 
logen Gebilde der Mittelterrasse und wie diese vulgo Letten 
heilsen. Die Kiese der Unterterrasse sehen frisch aus und 
führen nur sehr spärlich nordisches Gesteinsmaterial. 

4. Tiefgelegene Terrassen, weniger als 2 m über 
der heutigen Aue. Aufgeschlossen gesehen habe ich nur 
eine dünne Lage von Kies, Sand und Mergel, welche zeit- 
weise zwischen Oberem Muschelkalke und Gehängeschutte 
in einem Anschnitte unter der Chaussee von Oberweimar 
nach Taubach an der Einmündungsstelle des von Ehrings- 
dorf kommenden Fahrweges sichtbar war. 

5. Die heutige Ilmane. 

Der Überblick über die verschiedenen Terrassen ist 
durch die Bedeekung des grölsten Teiles derselben durch 
die Travertine und durch die Mangelhaftigkeit der Auf- 
schlüsse sehr erschwert. Daraus erklärt es sich, dafs ich 
bisher — irrtümlich — die Mittel- und die Unterterrasse 
für eine Terrasse gehalten habe, der ich ein stärkeres 
Gefälle als der heutigen Ilmaue zuschrieb. Von dem Vor- 
handensein der drei als Ober-, Mittel- und Unterterrasse 
bezeichneten Reste alter Talböden kann man sich noch am 
besten zu Taubach überzeugen. Hier kommen, wie erwähnt, 
im Liegenden der Travertine die Ilmablagerungen der 
Mittelterrasse zum Vorscheine. Unter der Kiesgrube von 
GoTTscHALG sieht man zwischen der Chaussee von Ober- 
weimar nach Taubach und der Ilm im Felde Sehotter, 
welche ihrem Niveau nach der Unterterrasse (zum Teile 
vielleieht noch tieferen Terrassen) angehören und am Hange 
über dem Travertingebiete von Taubach findet man im 
Niveau der Oberterrasse wenigstens einzelne Ilmgerölle in 
den Feldern. 

Wo ich das Liegende der Travertine aufgeschlossen 
sah, fand ich es von den Ilmablagerungen der Mittel- oder 
der Unterterrasse gebildet. Der Oberterrasse sah ich die 


[9] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 169 


Travertine nirgends aufgelagert, doch steigen diese bis über 
das Niveau der Oberterrasse empor. Die der Mittelterrasse 
aufgelagerten Travertine sind nicht im Anschlusse an die 
Bildung dieser Terrasse entstanden, sondern vielmehr erst 
nachdem im Anschlusse an die Bildung der Unterterrasse 
das Tal bis etwa zum Niveau der Mittelterrasse durch 
Travertinablagerungen zugefüllt worden war. Das geht 
namentlich aus zwei Umständen deutlich hervor. Zunächst 
kann man bei Ehringsdorf (namentlich in den Profilen durch 
den Hausorpschen und den FiscHerschen Bruch) der 
Mittelterrasse aufgelagerte Travertinschichten unverändert 
bis zu Stellen verfolgen, an denen die Travertine bis unter 
das Niveau der Mittelterrasse hinabreichen und jedenfalls 
der Unterterrasse aufgelagert sind. Es gilt dies namentlich 
von einer humosen Einlagerung, welche zu dem auf der 
beigegebenen Profiltafel mit dem Buchstaben g bezeichneten 
Schiehtenkomplexe gehört. Sodann lehrt eine Vergleichung 
der Profile des Urueschen Bruches in Weimar und der 
SOoNNREINschen Brüche in Taubach, dals die bei SoNNREIN 
nahe der Basis der Travertine, wenig über den Ilmablage- 
rungen der Mittelterrasse gefundenen Fossilien und paläo- 
lithisehen Artefakte bei ULLE, wo die Travertine der Unter- 
terrasse auflagern, mehrere Meter höher über der Basis der 
Travertine, ungefähr im Niveau der Mittelterrasse, also un- 
gefähr in derselben Höhe über der heutigen Aue wie bei 
SONNREIN vorkommen. Es handelt sich hier besonders um 
das erste Auftreten der Antiguus-Fauna und um das Auf- 
treten der von Hanne als übereinstimmend gekennzeichneten 
jeweils einzigen paläolithischen Industrien von Weimar und 
von Taubach. 

Lagerung und Ausbildung der Travertine weisen 
in den verschiedenen Teilen des ganzen Travertingebietes 
nicht unerhebliche Verschiedenheiten auf. 

Am einfachsten und klarsten liegen die Verhältnisse 
im Taubacher Travertingebiete. Hier lagern bis etwa 
5 m mächtige, im ganzen horizontal geschiehtete Travertine 
den Ilmablagerungen der Mittelterrasse auf. Die Travertine 
sind in raschem Wechsel in vertikaler und oft auch in 
horizontaler Richtung petrographisch recht verschiedenartig 


170 EwALp Wüst, [10] 


ausgebildet, bald als feste, relativ diehte „Werkbänke“, 
bald als brockige oder poröse Travertine, die oft schöne 
Inkrustate von Schilf, Moosen und Algen (besonders Cha- 
razeen) darstellen, bald als zerriebene Chareninkrustate von 
sandiger Konsistenz (sogenannte Charen-, vulgo Scheuer- 
sande). Oft macht sich eine mehr oder weniger starke 
Beimengung sandigen oder besonders tonigen klastischen 
Materials geltend, welche lockere Travertinarten in mergel- 
artige Gesteine übergehen lälst. Wesentlich auf ein nahe 
der Basis der Travertine gelegenes Niveau, das der paläo- 
lithisehen Fundschicht, sind Beimengungen von Kies und 
zwar nicht Ilm- sondern Nebenbachkies beschränkt. Häufig 
sind Travertinlagen, die offensichtlich einige Zeit die Erd- 
oberfläche gebildet haben und mit Vegetation bestanden 
gewesen sind, humos gefärbt. 

Das Weimarer Travertingebiet ist grölstenteils mit 
Häusern oder Park- und Gartenanlagen besetzt und daher 
der Untersuchung nicht zugänglich. Das wenige, was ich 
von den im Stadtgebiete gelegentlich geschaffenen vorüber- 
gehenden Aufschlüssen habe untersuchen können, hat für 
die Zwecke der vorliegenden Arbeit keine Bedeutung. Ich 
halte mieh hier ganz an das, was ich in dem einzigen zur 
Zeit noch im Betriebe befindlichen Travertinbruche, dem 
Urueschen, früher HırscHsehen, beobachten konnte. Hier 
sind die der Unterterrasse aufgelagerten Travertine im 
Ganzen horizontal geschichtet und petrographisch ebenso 
ausgebildet wie im Taubacher Gebiete. Nur die tiefsten 
Lagen der Travertine, unterhalb des Mittelterrassenniveaus, 
deren Äquivalente nach dem gesagten im Taubacher Gebiete 
fehlen, sind grölstenteils abweichend, als Baumtravertine, 
wie ich sie kurz nennen möchte, ausgebildet. Diese Baum- 
travertine sind teils kompaktere, teils porösere Travertine, 
mit zahlreichen, oft mehrere Meter weit zu verfolgenden 
Löchern, welehe von übersinterten und dann verfaulten, 
teils stehenden, teils liegenden Baumstämmen herrühren. 
Ich bezeichne die 2,5 m mächtigen untersten Travertinlagen 
des Uruesehen Bruches, die grölstenteils als Baumtravertine 
ausgebildet sind, im folgenden kurz als die Zone der 
Baumtravertine. Im Urreschen Bruche wird der hier 


[11] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 171 


etwa 13 m mächtige Travertinkomplex durch die Ein- 
sehaltung des hier 0,5—0,6 m mächtigen Parisers in die 
etwa 10,5 m mächtigen Unteren und die bis 2 m mächtigen 
Oberen Travertine gegliedert. Der Pariser ist hier zur 
Zeit kaum zugänglich. Ich behandle dieses eminent wichtige 
Gebilde näher bei der Besprechung der Ehringsdorfer Profile, 
in denen es bequem zugänglich und studierbar ist. 

Am verwiekeltsten liegen die Verhältnisse im Ehrings- 
dorfer Travertingebiete. Im Westen dieses Gebietes, 
nahe dem Dorfe, wo die zum Teile sehr ansehnlichen Stein- 
brüche von Ewarp (jetzt aufgelassen), HEYDENREICH (jetzt 
aufgelassen), SAALBORN, HAUBOLD, SCHWARZ, KAEMPFE und 
FıscHEr vorzügliche Aufschlüsse darbieten, sind die vor- 
handenen Schichten unschwer mit den in Weimar und in 
Taubach aufgeschlossenen zu vergleichen. Die Travertine 
liegen hier zum Teile ebenso wie im Taubacher Gebiete 
auf der Mittelterrasse, wie das an einer Reihe von Stellen 
in den Brüchen von SAALBORN, HAUuUBoLD und KAEMPFE 
festzustellen war. Sie reichen indessen an anderen Stellen, 
wie namentlich in den Brüchen von FiIscHER und Ewaup, 
wesentlich unter das Niveau der Mittelterrasse hinab und 
sind hier jedenfalls der Unterterrasse aufgelagert.!) Die 
Gesteinsentwicklung ist ähnlich wie im Taubacher Gebiete, 
doch wiegen weit mehr als in diesem „Werkbänke“ vor, 
was zwar zu einem regen Steinbruchsbetriebe und damit 
zur Schaffung zahlreicher schöner Aufsehlüsse geführt hat, 
dem Sammeln von Fossilien aber überaus hinderlieh ist. 
Wie im Urteschen Bruche zu Weimar, so werden auch 
hier die Travertine durch die ganz konstante Ein- 
schaltung des Parisers in Untere und Obere Travertine 
gegliedert. 


!) Ich habe bisher keinen bis in das Niveau der Unterterrasse 
hinabreichenden Aufschluls gesehen. Ob früher solche — etwa im 
Ewaldschen Bruche — vorhanden waren, konnte ich nicht sicher 
ermitteln. Nach der Lage des Fischerschen Bruches zwischen dem 
Gehänge und dem Verbreitungsgebiete der Ablagerungen der Mittel- 
terrasse können hier die Unteren Travertine kaum auf der Unterterrasse 
der Ilm, sondern wohl nur auf einem der Unterterrasse äquivalenten 
Talboden eines Seitentälchens liegen. 


172 EwaLp Wüst, [12] 


Der Pariser ist eine meist etwa meterstarke Bank von 
hellgelbem, meist recht reinem, seltener durch Gerölle ver- 
unreinigtem Löfsmateriale. Die obersten 20—40 em sind 
gewöhnlieh verlaimt und oft zu oberst mehr oder weniger 
humos gefärbt. In allen Zonen des Parisers — am wenigsten 
häufig in der Laimenrinde und in der untersten Zone — 
ist oft eine Anreicherung von Löfskindeln zu beobachten, 
welehe nicht selten so beträchtlich ist, dafs die Kindel ein- 
ander berühren und miteinander teilweise verschmelzen, so 
dals ein hartes, im Steinbruchsbetriebe zu sprengendes 
Kalkgestein entsteht, in dem nur noch die wenigen zwischen 
den Kindeln noch vorhandenen und oft gamieht mehr mit- 
einander zusammenhängenden Zwischenräume das ursprüng- 
liche Lölsmaterial zeigen. Das ist so recht ein „poröses“ 
Gestein, wie es zu dem Namen Poröser Anlals gegeben 
haben wird. Mitunter ist sogar der Pariser stellenweise so 
mit Kalkkarbonat getränkt, dals ein an Werktravertine er- 
innerndes aber natürlich weieheres, als Baustein unverwend- 
bares und in HCl viel Rückstand hinterlassendes Gestein 
daraus entstanden ist. Das in der beschriebenen Weise 
ausgeschiedene Kalkkarbonat kann natürlich nur zum 
kleinsten Teile aus der jetzigen Laimenrinde stammen und 
muls in seiner Hauptmasse auf die teilweise in den Pariser 
eingedrungenen Kalkkarbonatlösungen zurückgeführt werden, 
aus denen die Oberen Travertine ausgeschieden worden sind. 

Der Pariser lagert, wie die beigegebene Profiltafel zeigt, 
in sehr verschiedenem Niveau den Unteren Travertinen auf. 
Im ganzen hebt er sich vom Rande der heutigen Ilmaue 
nach dem Gehänge zu, wie ebenfalls die beigegebene Profil- 
tafel erkennen läfst, und Profile senkrecht zur heutigen 
Ilmaue, die ieh später geben werde, noch deutlicher zeigen 
werden. Mehrfach sieht man in den einzelnen Aufschlüssen 
schon, wie der Pariser verschiedenen Schichten der Unteren 
Travertine aufgelagert ist. Nach alledem ist also eine so- 
genannte Erosionsdiskordanz zwischen den Unteren Traver- 
tinen und dem Pariser unverkennbar: es hat nach Ablage- 
rung der Unteren Travertine nicht nur eine Unterbrechung 
der Travertinbildung, sondern auch eine Abtragung eines 
Teiles der Unteren Travertine stattgefunden. 


[13] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 173 


Über dem Pariser folgen die Oberen Travertine, 
ähnlieh ausgebildet wie die Unteren. Erscheinen sie auch 
im einzelnen Aufschlusse annähernd ebenso horizontal ge- 
lagert wie die Unteren Travertine, so lehrt doch die Be- 
trachtung der Niveaus einiger leicht und sicher über ver- 
schiedene Aufschlüsse hin verfolgbarer Schichten, wie 
namentlich einer oben schon einmal erwähnten erdigen, 
humosen Einlagerung, Niveaudifterenzen von einem Ausmalse 
kennen, wie sie in den Unteren Travertinen nieht nach- 
weisbar sind. Die erwähnte humose Einlagerung z. B., die 
über einen grolsen Teil der Brüche von HAUBOLD, SCHWARZ, 
KAEMPFE und FiscHEr zu verfolgen ist, weist in diesem 
nur beiläufig zwei Hektar grolsen Gebiete Niveaudifferenzen 
im Betrage von etwa 3m auf. Die grölste an einer Stelle 
konstatierte Mächtigkeit der Oberen Travertine beträgt 7,5 m. 
Die Gesteinsentwieklung der Oberen Travertine ist von der- 
jenigen der Unteren insofern etwas verschieden, als mergelige 
Einlagerungen häufiger sind und auch die eigentlichen 
Travertingesteine im allgemeinen unreiner sind, besonders 
einen stärkeren Tongehalt aufweisen. Das ist sogar für die 
technische Verwertung der Travertine von Bedeutung. Herr 
KaEMmPFE in Ehringsdorf, weleher die Travertine am ratio- 
nellsten technisch verwertet, brennt die Unteren Travertine 
seines Bruches mit im Mittel 95%, CaCO; wenigstens zum 
Teile zu „gebranntem Marmor“, während er die Oberen 
Travertine seines Bruches mit im Mittel 87°%/, CaCO, nur 
als Bausteine verwenden kann.!) 

Im Osten des Ehringsdorfer Travertingebietes 
ändern sich die Verhältnisse, indem teils die Travertine 
eine ausgesprochene Gehängeschichtung annehmen, teils der 
Pariser nieht mehr nachweisbar ist, teils beide Abweichungen 
von den Verhältnissen im Westen des Travertingebietes 
eintreten. In dem westlicheren der beiden BoETTNERschen 
Brüche, der nieht weit vom KaEmpreEschen Bruche entfernt 
ist, liegen die Schiehten noch annähernd horizontal, doch 
ist der Pariser nicht nachweisbar. Die Travertine dieses 
Bruches, in denen mächtige Baumtravertine mit ganzen 


!) Nach gefälliger mündlicher Mitteilung des Herrn Kaempfe. 


174 EWALD Wüsrt, [14] 


Sehiehten versinterten Laubes auftreten, scheinen, obgleich 
sie bis zu einem Niveau von weniger als 10 m über der 
heutigen Aue hinabreiehen, nach Gesteinsentwieklung und 
Fossilienführung zu urteilen, insgesamt den Oberen Traver- 
tinen anzugehören. Ich werde aber das übrigens nur gering- 
fügige Fossilienmaterial, das ich aus diesem Bruche ge- 
winnen konnte, in dieser Arbeit unberücksichtigt lassen, 
weil ich angesichts des Fehlens des Parisers doch nicht 
ganz sicher bin, wie die Travertine dieses Bruches mit 
denen der übrigen zu parallelisieren sind. 

In dem höchstgelegenen, HACKEMESsERSchen Bruche 
zeigen die Travertine schon deutliche Gehängeschiehtung, 
doch ist der Pariser hier noch deutlich, ja typisch ent- 
wickelt. Der Pariser liegt hier 27—28,5 m über der heutigen 
Aue, noch gegen 11 m höher als an der höchsten Stelle 
seines Vorkommens im westlichen Teile des Ehringsdorfer 
Travertingebietes. Der Pariser war im HAcKEMESSER schen 
Bruche noch nicht aufgeschlossen, als ich das in zweien 
meiner Vorläufigen Mitteilungen !) veröffentlichte Querprofil 
durch das Ehringsdorfer Travertingebiet entwarf. Dieses 
Profil ist jetzt dahin zu berichtigen, dals der Pariser stark 
am Gehänge emporsteigt und wohl — wie ich jetzt ver- 
muten möchte — direkt in die Löfsmassen über den Rändern 
des alten Ilmtales übergeht. Vergleiche das Profil, welches 
ich in den Berichten über die Versammlungen des Nieder- 
rheinischen geologischen Vereins, 1909, Bonn 1910, 8. 42, 
gegeben habe. 

In den noch weiter östlich gelegenen Brüchen von 
BoETTNER und von GRUBER und HAESENER fehlt der Pariser 
und die Travertinschiehten schiefsen mit Fallwinkeln bis zu 
etwa 35° in der Riehtung nach dem heutigen Ilmtale zu 
ein. Ich lasse diese Brüche im Folgenden umsomehr aufser 
Acht, als ich bis jetzt fast gar keine Fossilien aus ihnen 
erhalten habe. 

Die Travertine der Gegend von Weimar sind un- 


!) Centralblatt für Mineralogie usw., 1908, S. 198, Fig. 2 (die Figur 
trägt irrtümlich die Überschrift „Fig. 1“) und Bericht über die Prä- 
historiker-Versammlung usw., 1909, S. 75, Fig. 1. 


[15] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 175 


verkennbar Absätze kalkreicher Quellwässer.!) Solche 
Quelltravertine können am Talgehänge wie in der Fluls- 
aue entstehen und danach in Gehänge- und Auetraver- 
tine gegliedert werden. Unter den Travertinen der Gegend 
von Weimar sind unverkennbar die beiden eben erwähnten 
Typen vertreten, doch ist mir zur Zeit eine sichere und 
vollständige Aufteilung unserer Travertine auf die beiden 
Typen noch nicht möglich. Die stark geneigten Travertine 
im östlichen Teile des Travertingebietes von Ehringsdorf 
sind ohne allen Zweifel Gehängetravertine. Die übrigen 
habe ich ursprünglich wegen ihrer im wesentlichen horizon- 
talen Lagerung insgesamt für Auetravertine gehalten.?) Es 
ist jedoch zu berücksichtigen, dafs auch an Gehängen ge- 
bildete Travertine annähernd horizontale Lagerung annehmen 
können, wenn sie auf der annähernd horizontalen Unterlage 
alter Flulsterrassen abgelagert werden. Die Hauptmasse 
der Unteren Travertine enthält, wie aus der dieser Arbeit 
beigegebenen grolsen Konchylien-Tabelle ersichtlich ist, eine 
sehr reiche Wassermolluskenfauna, welehe auf mannigfache 
Existenzbedingungen hinweist, wie sie nur die Aue eines 
Flusses, nieht Quellwässer am Gehänge darbieten konnten. 
Danach sind diese Travertine als Auetravertine anzusprechen. 
Dafür sprieht auch der Umstand, dafs, wie weiterhin gezeigt 
werden wird, im Grolsen und Ganzen die gleich hoch über 
der heutigen Aue gelegenen Teile dieser Travertine nach 


!) Die in der älteren Literatur verbreitete Annahme, dafs unsere 
Travertine Absätze eines Seees seien, der das ganze Ilmtal zwischen 
Taubach und Weimar eingenommen habe, ist heute nicht mehr dis- 
kutabel. Die neuerdings von Johannes Walther (besonders in seinem 
Buche Geschichte der Erde und des Lebens, Leipzig 1908, S. 529) 
vertretene Ansicht, dals unsere Travertine von Thermen abgesetzt 
seien, ist schon deshalb hinfällig, weil wir wissen, dafs die in unseren 
Travertinen nachgewiesene Wassermolluskenfauna nicht in T'hermal- 
wasser lebt. Ich werde auf die hier nur kurz erwähnten Ansichten in 
einer ausführlichen Erörterung der Bildungsweise unserer Travertine 
in der eingangs in Aussicht gestellten Arbeit näher eingehen. 

2) In dieser Auffassung bestärkte mich das Vorkommen von Ilm- 
gerüllen selbst noch in den Oberen Travertinen. Ich nehme jetzt an, 
dals diese Gerölle aus höher am Gehänge vorhanden gewesenen älteren 
Ilmkiesen stammen. 


176 EwALD Wüsrt, [16] 


Ausweis ihrer Fossilienbestände als gleich alt zu betrachten 
sind. In den obersten Lagen der Unteren Travertine, deren 
Fossilienbestände leider noch recht unzureichend bekannt 
sind, tritt unverkennbar eine Verarmung der Wassermollusken- 
fauna ein, was jedenfalls darauf zurückzuführen ist, dafs 
jetzt die Stellen, an denen sieh diese Travertinlagen bildeten, 
infolge zunehmender Ausfüllung des Tales mit Travertinen 
dem Inundationsgebiete der Ilm und ihrer Nebenbäche ent- 
rückt waren. Dann trat, wie schon erwähnt, vor der 
Bildung des Parisers eine Abtragung eines Teiles der Unteren 
Travertine — wohl infolge einer Tieferlegung des Ilm- 
bettes — ein. Nach der Bildung des Parisers entstanden 
die Oberen Travertine, die nach der etwas grölseren Neigung 
ihrer Schichten und vor allem nach ihrer überaus ärmlichen 
Wassermolluskenfauna, welehe nur aus Arten besteht, die 
heute auch in Quellen, kleinen Quellbächen und kleinen 
Tümpeln leben, zu urteilen, als Gehängetravertine anzu- 
sprechen sein dürften. Dafür spricht auch der Umstand, 
dals, wie weiterhin gezeigt werden soll, innerhalb der 
Oberen Travertine gleich hoch über der heutigen Aue ge- 
legene Schichten nach Ausweis ihrer Fossilienbestände 
keineswegs immer für gleich alt gehalten werden können.!) 

Der Pariser, weleher die Oberen Travertine von den 
Unteren trennt, ist seiner Gesteinsentwiekelung nach zum 
Teile als ein Gehängelöls anzusprechen, der örtlich nach 
Ausweis der in ihm enthaltenen — spärlichen — Wasser- 
mollusken sogar unter Beteiligung von Wasser entstanden 
ist. Ein anderer Teil des Parisers kann jedoch seiner 
Gesteinsbeschaffenheit nach ebensogut wie als Gehängelöfs 
als echter, äolischer Löls betrachtet werden. Ob nun auch 
der Pariser zum Teil als äolischer Löls anzusprechen ist 
oder nieht, so ist doch unter allen Umständen nieht zu 
verkennen, dals zwischen die Bildung der Unteren und die 
der Oberen Travertine eine Periode der Löfsbildung fällt, 
denn sonst wäre es nicht zu verstehen, dafs den Unteren 


1) Wenn die Oberen Travertine Gehängetravertine sind, entfällt 
die Notwendigkeit meiner früheren Annahme, dafs die Oberen T'raver- 
tine bei Taubach einst vorhanden gewesen, aber später der Abtragung 
anheimgefallen sind. 


[17] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 177 


Travertinen mergeliges und lehmiges Material fast ganz 
fehlt, im Pariser Lölsmaterial auftritt und die Oberen 
Travertine viel Mergel und Lehm, teils als Beimengung in 
den Travertinen selbst, teils in den Travertinen einge- 
schalteten Schiehten enthalten. Später zu besprechende 
Verhältnisse der Fossilienführung sprechen im gleichen 
Sinne. 

Das Hangende der Travertine bilden im allgemeinen 
nur Eluvial- und Gehängebildungen, von denen die 
letzteren gröfstenteils aus Löfs- und Laimenmaterial bestehen 
und im Fiscuherschen Bruche bei Ehringsdorf in einer 
kleinen, das Travertingebiet durchfurchenden Erosionsrinne 
ihre grölste bisher bekannt gewordene Mächtigkeit von etwa 
3,5 m erreichen. An manchen Stellen, wie z. B. gerade in 
dem eben erwähnten FiıscHerschen Bruche, treten auch 
aus Löfsmaterial bestehende Bildungen auf, welche als 
echter äolischer Löls anzusehen sein dürften. Solehe 
Bildungen sah ich indessen stets nur wenige Dezimeter 
mächtig werden, so dafs ich sie nieht mit dem Jüngeren 
oder gar dem Älteren, sondern nur mit dem Jüngsten Lösse 
Thüringens vergleichen kann.!) 


Die Fossilienbestände der Ablagerungen 
des Travertingebietes der Gegend von Weimar und ihr 
biogeographischer und klimatischer Charakter. 


Dureh schichtweises Sammeln von Fossilien in dem 
ganzen geschilderten Komplexe von Ablagerungen und eine 
biogeographische Analyse der dabei festgestellten Fossilien- 
bestände muls ein Urteil über die Klimaschwankungen, 
welehe sich während der Bildungszeit dieser Ablagerungen 
abgespielt haben, zu gewinnen sein. Wie einfach das im 
Prinzipe ist, so schwierig ist es trotz des bekannten 
Fossilienreichtumes und der ungewöhnlich günstigen Er- 
haltungsbedingungen der Travertine praktisch. 


!) Vgl. Wüst, Die Gliederung und die Altersbestimmung der 
Lölsablagerungen Thüringens und des östlichen Harzvorlandes, Central- 
blatt für Mineralogie usw., 1909, S. 385 ff. 

Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a.S. Bd.82. 1910. 12 


178 EwaArp Wüsr, [18] 


Für eine Untersuchung wie die hier beabsichtigte können 
nur Organismengruppen brauchbares Material abgeben, welehe 
erstens im grölsten Teile der Ablagerungen sehichtweise in 
grölserer Menge und in sicher bestimmbaren Resten ge- 
sammelt werden können und zweitens in ihrer heutigen 
Verbreitung so gut bekannt und zugleich so stark von 
klimatischen Verhältnissen abhängig sind, dafs ihr fossiles 
Vorkommen Rückschlüsse auf das zur Bildungszeit der 
Fundschieht herrschende Klima gestattet. Diesen Anforde- 
rungen entsprechen im Ganzen nur die Mollusken und auch 
diese nur unvollkommen genug. Bei allen anderen Orga- 
nismengruppen stölst man auf so viele Schwierigkeiten, dals 
sie höchstens in zweiter Linie mit in Betracht kommen 
können. Reste von Säugetieren sind in der überwiegen- 
den Mehrzahl der Schiehten so spärlich vorhanden, dafs 
man sich in der Regel nieht auf eigenes Sammeln einlassen 
kann, sondern auf die von den Arbeitern abgelieferten 
Fundstücke mit ihren oft nur zu fragwürdigen Fundschichten- 
angaben angewiesen bleibt. Bessere Reste von Pflanzen 
sind nur so lokal vorhanden, dafs sie für eine vergleichende 
Untersuchung der verschiedenen Ablagerungen ausscheiden, 
und die Verwendbarkeit des an vereinzelten Stellen ge- 
sammelten wird durch die hinlänglich bekannten Schwierig- 
keiten der richtigen Bestimmung fossiler Pflanzenreste stark 
beeinträchtigt. Ostrakoden sind zwar häufig und verbreitet 
und können bequem selbst gesammelt werden, aber für 
- Sehlüsse auf das Klima sind sie wenigstens beim derzeitigen 
Stande unserer Kenntnis der Verbreitung der lebenden 
Ostrakoden nicht verwendbar. Alle übrigen Organismen- 
gruppen haben nur so wenige und ungleich in den Ab- 
lagerungen verbreitete Reste hinterlassen, dals sie hier über- 
haupt keiner Erörterung bedürfen. Konchylien kann man 
bequem in ausreichender Menge und — von den Kalkplatten 
der Nacktschnecken abgesehen — sicher bestimmbaren 
Stücken selbst sammeln!) und, da die Mollusken in ihrer 


!) Weitaus den grölsten Teil des von mir gesammelten Kon- 
chylienmateriales habe ich durch Ausschlämmen lockeren Schicht- 
materiales gewonnen. Namentlich von wichtigen Schichten wurden 


[19] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 179 


heutigen Verbreitung ausreichend bekannt und von klima- 
tischen Verhältnissen abhängig sind, zu klimatischen 
Sehlüssen verwenden. Allein auch die Konchylien lassen 
für diesen Zweck viel zu wünschen übrig. Einerseits sind 
manche Sehiehten überaus konchylienarm, und andere, wie 
die „Werktravertine“, von einer Gesteinsbeschaffenheit, 
welehe dem Herauspräparieren der darin vorkommenden 
Konehylien oft unüberwindliche Schwierigkeiten bereitet. 
Andererseits sind klimatische Schlüsse aus den zusammen- 
gebrachten Kochylienbeständen nur in recht bescheidenem 
Malse und mit gröfster Vorsicht zu ziehen und das aus vier 
verschiedenen Gründen. Erstens stellen die Konehylien- 
bestände der verschiedenen Ablagerungen je nach der Bil- 
dungsweise dieser letzteren sehr verschieden grolse und meist 
wenig genau zu bestimmende Bruchteile der Mollusken- 
fauna dar, welehe zur Bildungszeit der Ablagerung in der 
Umgebung des Fundortes gelebt hat.!) Zweitens erkennen 
wir wohl bei vielen Arten eine mehr oder weniger grolse 
Abhängigkeit des Verbreitungsgebietes von klimatischen Ver- 
hältnissen, sind aber doch — mangels einschlägiger Unter- 
suchungen — zur Zeit noch aulser Stande, mit Bestimmt- 
heit anzugeben, welche klimatischen Faktoren es sind, 
die die Ausdehnung des Verbreitungsgebietes mitbestimmen. 
Drittens zerfallen viele Arten, nach ihrer heutigen Ver- 
breitung zu urteilen, in morphologisch oft ununterseheidbare 
Rassen von ganz verschiedenen physiologisch -biologischen 
Eigenschaften, vor allem von ganz verschiedener klima- 
tischer Anpassung, wozu dann ferner noch kommt, dafs viele 
Arten im Laufe der Erdgeschichte ihre klimatische Anpassung 
verändert haben.?2) Viertens schliefslich darf aus dem Vor- 


nach Möglichkeit so lange neue Proben geschlämmt, bis sich nichts 
neues mehr ergab. 


!) In Ansehung dieser von den Geologen nur zu häufig nicht 
genügend beachteten Tatsache lege ich — schon seit Jahren — den 
gröfsten Wert auf die Unterscheidung der Begriffe „Konchylien- 
bestand“ und „Molluskenfauna“. 

2) Vergleiche hierzu die zahlreichen Arbeiten von August 
Schulz über die Entwicklungsgeschichte der Flora und Pflanzendecke 
verschiedener Teile Europas, deren wichtigste neuerdings Schulz 


12% 


180 Ewaup Wüst, [20] 


kommen von Arten einer bestimmten klimatischen Anpassung 
zweifellos nicht geschlossen werden, dals zur Bildungszeit 
der Fundschieht ein dieser Anpassung entspreehendes Klima 
herrschte, sondern nur, dals das Klima damals so beschaffen 
war, dals die Art an die betreffende Fundstelle zu wandern 
bezw. sich an derselben zu erhalten vermochte. !) 

Nach den gegebenen Darlegungen stelle ich im folgenden 
die Konehylien durehaus in den Vordergrund der Betrach- 
tung. Im Interesse der Übersichtlichkeit habe ich die vor- 
liegenden Beobachtungen über die Verbreitung der Konchylien 
über die Hauptglieder des zu behandelnden Sehichtenkom- 
plexes nebst den erforderlichen Bemerkungen über zweifel- 
hafte Bestimmungen und kritische Formen in der gro[sen 
beigefügten Tabelle nebst den dazugehörenden An- 
merkungen zusammengestellt. Nur weniger wichtige 
Einzelheiten der Verbreitung habe ich, um die Tabelle im 
Interesse ihrer Übersichtlichkeit zu entlasten, in den’folgenden 
Text aufgenommen. Die Nacktschneeken, von denen 
Kalkplättehen fast in allen untersuchten Schichten gefunden 
wurden, habe ich in der Tabelle wie im Texte unberück- 
sichtigt gelassen, weil ihre Bestimmung meist unsicher ist 
und ihnen keinerlei nennenswerte Bedeutung für die Zwecke 
der vorliegenden Arbeit zukommt. Von den übrigen Orga- 
nismengruppen ist das wenige für die Zwecke dieser 
Arbeit wesentliche im folgenden Texte mitgeteilt und erörtert. 

Die im folgenden unterschiedenen Typen von 
Konchylienbeständen sind im Texte und in der 


selbst in einer kurz zusammenfassenden Arbeit zusammengestellt hat: 
Das Klima Deutschlands während der seit dem Beginn der Entwicklung 
der gegenwärtigen phanerogamen Flora und Pflanzendecke Deutsch- 
lands verflossenen Zeit, Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesell- 
schaft, Bd. 62, 1910, S. 99 ff. Die Lehre von den verschiedenen klima- 
tischen Anpassungen und den Veränderungen der klimatischen 
Anpassung ein und derselben Art ist von Schulz zuerst entwickelt 
worden in seinem Buche: Entwicklungsgeschichte der phanerogamen 
Pflanzendecke Mitteleuropas nördlich der Alpen, Stuttgart 1899 (auch 
Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde, herausgegeben 
von Alfred Kirchhoff, Ba. 11, Heft 5). 

1) Vgl. die in der vorigen Anmerkung erwähnten Arbeiten von 
August Sehulz. 


[21] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 181 


Tabelle mit deutschen Buchstaben (a bis f und x 
und 4) bezeichnet, welche auch in der Profil- 
tafel zur kurzen Bezeiehnung der Fundschichten 
der betreffenden Konehylienbestände verwandt 
worden sind. 


Der Fossilienbestand des IImkieses der Unterterrasse am Eingange 
der Parkhöhle im Parke von Weimar. 


(Konehylienbestand a.) 


Im Parke von Weimar fand ich in den Ilmkiesen der 
Unterterrasse nur an einer Stelle, in dem mehrfach er- 
wähnten Aufschlusse am Eingange der Parkhöhle, Fossilien. 
Diese Fossilien entstammen dem Ilmkiese eingelagerten 
Mergellinsen, welche etwa 2,5—3 m über der heutigen 
Ilmaue liegen. Die Schlämmung einer Reihe von Proben 
ergab nur Konehylien, von diesen aber ein reiches Material, 
in dem indessen nur 11 Arten, 8 Landschnecken, 2 Wasser- 
schnecken und 1 Muschel nachweisbar waren. Mehr noch 
als in der Artenzahl wiegen in der Individuenzahl die 
Landsehnecken vor den Wassermollusken vor, denn letztere 
sind insgesamt nur in wenigen Stücken gefunden worden. 
Wie sich insbesondere aus dem sehr bedeutenden Vorwiegen 
der Landschneeken ergibt, haben die untersuchten Mergel- 
linsen alte Ilmgeniste umschlossen. Unter diesen Umständen 
ist die Zahl der nachgewiesenen Arten als äufserst gering 
zu bezeiehnen: die Ablagerung muls unbedingt unter dem 
Molluskenleben sehr ungünstigen klimatischen Verhältnissen 
entstanden sein, ähnlich wie sie heute die arktischen Gebiete, 
die Hochgebirgsregionen der paläarktischen Gebirge oder 
die paläarktischen Steppengebiete darbieten. 

Die Zusammensetzung des Bestandes, den ich kurz als 
den Bestand a bezeichne, gleicht am meisten der Zusammen- 
setzung der Molluskenfaunen, welehe man heute innerhalb 
des Polarkreises oder in der Nähe derselben antrifft. Von 
den 8 ganz sieher bestimmten der 11 nachgewiesenen Arten 
kommen 6 heute innerhalb des Polarkreises vor: 


Helix tenuilabris 
Helix hispida 


182 Ewaup Wüst, [22] 


Pupa museorum 
Pupa columella 
Pupa parcedentata 
Suceinea oblonga 


und die nieht ganz sicher bestimmten Konehylien können 
durchweg zu Arten gehören, welche ebenfalls heute auch 
innerhalb des Polarkreises leben. Von den aufgezählten 
6 Arten sind 3, nämlich 

Helix tenuilabris 

Pupa eolumella 

Pupa parcedentata 


heute ausschlielslich in recht kalten Gebieten verbreitet. 
Helix tenwilabris hat ihre Hauptverbreitung in der arktischen 
Region und ist in ihrem sonstigen rezenten Vorkommen auf 
hoehnordische Länder beschränkt. Pupa columella und 
Pupa parcedentata kommen aulser in arktischen und anderen 
hochnordischen Gebieten auch in höheren Lagen der Ost- 
alpen und Pupa columella auch der Tatra vor. Die übrigen 
erwähnten Arten sind unter den verschiedensten klimatischen 
Verhältnissen weit verbreitet. 
Die 2 ganz sicher bestimmten, nicht innerhalb des Polar- 

kreises vorkommenden Arten sind 

Pupa eupa 

Planorbis erista. 


Die typische Pupa cupa kommt heute in den Alpen und 
zwar bis in die Hochgebirgsregion hinauf, im Deutschen 
Juragebirge und in der Tatra vor. Die var. turemenia der 
Pupa cupa ist „in Asien (speziell Nord-Persien, Trans- 
kaspien und Turkestan) weit verbreitet“.'!) Leider steht 
nieht sicher fest, ob die hier zur Erörterung stehenden 
fossilen Stücke der typischen Pupa cupa oder der var. 
turcmenia zuzurechnen sind.!) Planorbis crista ist eine 
unter den verschiedensten Klimaten weit verbreitete Art, 


welehe hoch in den Norden hinaufgeht — in Skandinavien 
bis 66° n. Br. — aber meines Wissens den Polarkreis 


nirgends erreicht. 


ı) Vgl. die Anmerkung 20 zu der Tabelle. 


[23] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 183 


Die 3 nieht ganz sicher bestimmten Arten sind 


Pupa aff. alpestris 
Limnaea ovata oder peregra 
Pisidium sp. 


Pupa alpestris, der die gefundene Pupa jedenfalls ganz 
nahe steht,1) hat heute ihre Hauptverbreitung in der ark- 
tischen Region und in den höheren Lagen der Alpen, besitzt 
aber aulserdem im borealen?2) Teile der paläarktischen 
Region eine Reihe von — meist durch weite Gebiete von- 
einander getrennten — Verbreitungsarealen. Limnaea ovata 
und Zimnaea peregra sind unter den verschiedensten Klimaten 
weit verbreitet und kommen beide auch in der arktischen 
Region vor. Das nicht näher bestimmbare Pisidium gehört 
wahrscheinlich zu einer Art, von der dasselbe gilt. 

Nach dem gesagten weisen die gefundenen Konchylien 
mit Bestimmtheit auf eine Molluskenfauna, welche den heute 
an der Grenze zwischen der paläarktischen und der ark- 
tischen Region lebenden überaus nahe steht. Die einzige 
Art, welche dem widerspricht, ist Pupa cupa. Diese gehört 
aber möglicherweise zu den alpinen Elementen, welche 
neben den hochnordischen in den plistozänen Eiszeiten 
unser Gebiet besiedelt haben. 

Ein Vergleich des Konchylienbestandes a mit den 
Molluskenfaunen der hier am ehesten in Betracht kommenden 
Steppengebiete Südosteuropas und Südwestsibiriens lälst 
viel weniger übereinstimmendes und viel mehr unterschei- 
dendes erkennen. Die weiterverbreiteten Arten unseres 
Bestandes kommen zwar in diesen Steppengebieten auch 
vor, und unsere Pupa cupa könnte immerhin zu der in, 
diesen Gebieten vorkommenden var. turemenia gehören, aber 
Helix tenwilabris, Pupa columella, Pupa alpestris und Pupa 
parcedentata sind den genannten Steppengebieten fremd. 

Nach den gegebenen Darlegungen hat also die Annahme 
die grölste Wahrscheinlichkeit für sich, dals der Konchylien- 


1) Vgl. die Anmerkung 24 zu der Tabelle. 

2) Ich gliedere mit Kobelt (Studien zur Zoogeographie, Wies- 
baden 1897 und 1898) das paläarktische Europa in einen mediterranen 
oder meridionalen und in einen borealen Teil. 


184 EwAup Wüsrt, [24] 


bestand a die Reste einer aus arktischen und alpinen Ele- 
menten zusammengesetzten Fauna darstellt, welehe unter 
der erheblichen Temperaturdepression eiszeitlicher Klima- 
verhältnisse unser Gebiet besiedelt hat. 


Die Fossilienbestände der obersten IIm-Ablagerungen 
der Unterterrasse und der Zone der Baumtravertine im Ulleschen 
Steinbruche in Weimar. 


(Konchylienbestand b). 


Was ich im Urteschen Steinbruche in Weimar an Ilm- 
ablagerungen der Unterterrasse gesehen habe, gehört den 
obersten Lagen dieser Ablagerungen an und liegt unver- 
kennbar etwas (1—2 m) höher als die fossilienführenden 
Mergellinsen am Eingange der Parkhöhle. Diese Ilmabsätze 
lieferten im wesentlichen dieselben Konchylien wie die un- 
mittelbar darüber folgenden Lagen der Zone der Baum- 
travertine bis zu einem Niveau von etwa 1,5 m über der 
Oberfläche der Ilmabsätze.!) Ich fasse deshalb die Kon- 
chylienbestände der genannten Ablagerungen als den Kon- 
chylienbestand b zusammen. 

Die Schlämmung einer Reihe von Proben aus Kies, 
Letten und Untersten Travertinen ergab — abgesehen von 
Ostrakoden und nicht genau bestimmbaren Nagerresten — 
zahlreiche Konchylien, welche zu 24 Arten, 14 Landschnecken, 
8 Wasserschneeken und 2 Muscheln gehören. Der Bestand 
ist also nicht unerheblich artenreicher als der Bestand a 
von der Parkhöhle. Auch seine Zusammensetzung ist eine 
wesentlich abweichende. Unter den 24 Arten fehlen von 
‘den an der Parkhöhle gefundenen, wenn ich von dem 
Pisidium sp. von der Parkhöhle absehe, nicht weniger als 
folgende 4: 

Helix tenuilabris 
Pupa columella 
Pupa alpestris 
Pupa parcedentata, 
!) Die Zone der Baumtravertine ist, wie oben, 8.170, gesagt 


wurde, 2,5 m mächtig. Aus den obersten, 1 m mächtigen Lagen sind 
mir sichere Fossilfunde bisher nicht bekannt geworden. 


[25] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 185 


also fast alle Arten, welche ihre Hauptverbreitung in hoch- 
nordischen Gebieten und in den höheren Regionen der 
Alpen haben. Von derartigen Elementen ist beiden Be- 
ständen lediglich 


Pupa eupa 


gemeinsam, welehe im Bestande b in der typischen, alpinen 
Form auftritt. Sonst sind beiden Beständen folgende 4 weit 
verbreitete und auch innerhalb des Polarkreises oder in der 
Hocehgebirgsregion der Alpen vorkommende Arten gemeinsam 


Helix hispida 

Pupa museorum 

Suceinea oblonga 

Limnaea ovata oder peregra 


und ferner Planorbis erista, eine weit verbreitete, weit nach 
Norden reichende Art. Nieht weniger als 18 Arten sind 
dem Bestande a gegenüber neu. Von diesen 18 Arten 
kommen 15 heute auch innerhalb des Polarkreises oder in 
der Hochgebirgsregion der Alpen vor: 


Conulus fulvus 

Hyalinia Hammonis 
Punetum pygmaeum 
Patula ruderata 

Helix pulehella 

Helix eostata 

Pupa pygmaea 

Cionella lubriea 
Suceinea Pfeifferii 
Limnaea ovata oder peregra 
Limnaea truncatula 
Planorbis leueostoma 
Planorbis sp. aff. borealis 
Valvata eristata 
Pisidium milium. 


Es sind dieses bis auf 


Patula ruderata 
Planorbis sp. aff. borealis 


156 EwALp Wüsr, [26] 


durehweg sehr weit verbreitete Formen, welche unter sehr 
verschiedenen Klimaten leben. Patula ruderata hat ihre 
Hauptverbreitung entschieden in nordischen Ländern und 
höheren Lagen der Gebirge, wenn sie auch einige — weit 
voneinander getrennte — andersartige Areale, z. B. im 
mittleren Neckartale und im mittleren Saaletale, besitzt, in 
denen sie sich offensichtlich eine Neuanpassung an wärmeres 
Klima erworben hat. Die Gruppe des Planorbis borealis 
hat ebenfalls ihre Hauptverbreitung in nordischen Ländern 
und höheren Lagen der Gebirge. 3 weitere Arten, welche 
ebenfalls der Parkhöhle gegenüber neu sind, fehlen der 
arktischen wie der Hochgebirgsregion: 

Zonitoides nitidus 

Planorbis complanatus 

Pisidium fontinale. 


Diese sind weit verbreitete Arten, welehe unter sehr ver- 
schiedenen Klimaten leben und auch hoch in den Norden 
hinaufgehen. 

Der Vergleich des Konchylienbestandes der untersten 
Schichten des Urneschen Bruches (b) mit demjenigen von 
der Parkhöhle (a) lehrt, dals der erstere einen wesentlich 
weniger nordischen Charakter trägt als der letztere. Haben 
wir — immer von dem vereinzelten alpinen Elemente der 
Pupa cupa abgesehen — die ähnlichsten rezenten Faunen 
für den Bestand a an der Grenze zwischen der arktischen 
und der paläarktischen Region gefunden, so finden wir das 
analoge für den Bestand b in den nördlichsten Teilen der 
paläarktischen Region und zwar anscheinend am überein- 
stimmendsten in Nordost-Rulsland. Leider ist die rezente 
Molluskenfauna dieses Gebietes noch sehr ungenügend be- 
kannt, doch lälst der durch die folgende Tabelle erleiehterte 
Vergleich zwischen der Liste, die ich für die untersten 
Schiehten des Urteschen Bruches geben konnte mit der 
von BOETTGER!) gegebenen Liste von Genistekonehylien aus 
der Gegend von Kungur im Gouvernement Perm — ich 
habe beide Listen auf die Landschneeken beschränkt, weil 


1) Nachrichtsblatt der deutschen Malakozoologischen Gesellschaft, 
21. Jahrg., 1589, $. 122—126 und 22. Jahrg., 1890, $. 161—169. 


[27] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 187 


Weimar K 
Bestand b BERUr 


Vitrina pellueida 
Conulus fulvus 
Hyalinia Hammonis 

n petronella . 
Zonitoides nitidus 
Punetum pygmaeum 
Patula ruderata 
Helix pulchella 

n„  costata . 

„  tenuilabris . Sta. Su.Bre.dd % 

ehisprda u,.in. Galsmutemn = srarterre * 

„  Tubiginosa . 

BBTUeUm: Sri ENTE, } * 
EUBASINOSCOTUMWe ae een een ee E er 

BCHDa year Br ALDINAEE INN > * 

BOUDYEmzeR LE. ale WU L. * 
Gionellasiubriecan ya: arcır st Aleiden- * 
Suceinea putris ig LEI U MENERZ a8 : 

” ETEIHETI AL Er EIERN. x 

2 ODIORES rn. este * 


* x 


REKEN 


* 


“2x x* * 


der Vergleich der Wassermollusken durch Verschiedenheiten 
fazieller Natur beeinträchtigt wird — ein ziemlich weit- 
gehendes Mafs von Übereinstimmung erkennen. Der wich- 
tigste Unterschied besteht in dem Vorkommen des alpinen 
Elementes der Pupa cupa typ. zu Weimar. Wesentlich 
geringer sind die Beziehungen unseres Bestandes zu den 
rezenten Faunen westlicher gelegener Teile des Nordens 
der paläarktischen Region. Den dargelegten Verhältnissen 
entsprechend ist anzunehmen, dals von der Zeit des Be- 
standes a bis zu der des Bestandes b eine Zunahme der 
Wärme eingetreten ist. 

Anhangsweise erwähne ich, dafs Weıss bei 3 von ihm 
von Weimar angegebenen Molluskenarten ausdrücklich be- 
merkt, dafs sie nur in den „untersten Schiehten“ vorkommen, 
ohne indessen anzugeben, ob damit Kies, Letten oder 
unterste Travertine gemeint sind. Es sind dieses: 


183 EwALp Wüsrt, [28] 


Pupa eolumella 
Amphipeplea glutinosa 
Aneylus fluviatilis. 


Pupa columella, welche ich im Kiese an der Parkhöhle 
gefunden habe, ist oben bereits besprochen. Amphipeplea 
glutinosa ist eine wesentlich nordeuropäische, bis in die 
arktische Region hineinreichende, übrigens von BOETTGER 
auch aus der Gegend von Kungur angeführte Art. Ancylus 
fluwviatilis ist unter sehr verschiedenen Klimaten weit ver- 
breitet und reicht nach Norden bis nahe an den Polarkreis. 
Nach diesen Angaben ist es klar, dafs das Vorkommen 
dieser 3 Arten, gleichviel ob sie im Kiese, im Letten oder 
in den untersten Travertinen gefunden sind, das Bild, 
welehes sich nach meinen Funden vom tiergeographischen 
Charakter der Konchylienbestände der untersten Schichten 
von Weimar ergibt, nicht beeinträchtigt. 

Aus den untersten Travertinen oder Baumtravertinen 
des Urzesehen Bruches erhielt ich von anderen Fossilien 
nichts für die Zwecke der vorliegenden Arbeit wesentliches. 
Doch verdient wenigstens das hervorgehoben zu werden, 
dals in diesen Baumtravertinen Reste, namentlich Zapfen- 
abdrücke einer Pinus, anscheinend aus der Gruppe der 
Pinus siWestris L., häufig sind, und dals ich einmal auch 
den Abdruck eines Zapfens einer Tanne oder Fichte erhielt. 


Die Fossilienbestände der Hauptmasse der Unteren Travertine 
im Ulleschen Steinbruche in Weimar. 


(Konehylienbestand D.) 


Uber der Zone der Baumtravertine folgen im ULteschen 
Bruche noch bis 10,5 m Untere Travertine. Diese habe ich 
infolge teils der schwierigen Zugänglichkeit eines Teiles 
der Sehiehten unter den derzeitigen Aufschlufsverhältnissen, 
teils der Ausbildung vieler Schichten als fester Werkbänke 
nur sehr ungleichmälsig untersuchen können. Aus den 
untersten, 50 em mächtigen, wie aus den obersten, etwa 3 m 
mächtigen Lagen der Unteren Travertine oberhalb der Zone 
der Baumtravertine kenne ich überhaupt keine sicher ver- 
bürgten Fossilien. 


[29] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 189 


Ich betrachte zunächst den Konehylienbestand des eben 
umsehriebenen Schiehtenkomplexes, aus dem allein ich 
überhaupt sicher verbürgte Fossilien kenne, im Zusammen- 
hange. Dieser Konehylienbestand, den ich als d bezeichne, 
umfalst nach meinen eigenen Aufsammlungen die überaus 
stattliche Anzahl von 75 Arten, 56 Landsebneeken, 14 Wasser- 
schnecken und 5 Muscheln. Dazu kommt jedenfalls noch 
ein grolser Teil der in der Literatur aus den Travertinen 


von Weimar angegebenen 30 Arten, welche ich — offenbar 
infolge der jetzt gegen früher sehr viel ungünstiger ge- 
wordenen Sammelbedingungen — bisher nicht gefunden 


habe. Nach den dürftigen, übrigens nur einem Teile der 
Arten zugefügten Fundschiehtenangaben der Literatur kann . 
nur 1 Art, Pupa pagodula, mit Sicherheit den hier zu be- 
sprechenden Schiehten zugeschrieben werden. In den im 
folgenden gemachten zahlenmälsigen statistischen Angaben 
sind alle diese nicht von mir selbst gefundenen Arten un- 
berücksichtigt geblieben, doch habe ich diese Arten, soweit 
sie sicher (nur Pupa pagodula) oder m. E. höchst wahr- 
scheinlich den hier zu besprechenden Schichten angehören, 
in den im folgenden gegebenen Aufzählungen irgendwie 
bemerkenswerter Arten in eckigen Klammern mit an- 
geführt. | 

Die gro/se Artenzahl der hier zu besprechenden Schichten 
ist den geringen Artenzahlen der tieferen Schichten gegen- 
über um so höher anzuschlagen, als bei der Bildung der 
Travertine fliefsendes Wasser bei weitem nicht die Rolle 
gespielt haben kann wie bei der Bildung der Kiese und 
Letten, und damit die Möglichkeit der Zusammenschwemmung 
von Gehäusen und Schalen aus grölseren Gebieten erheblich 
verringert ist. 

Der Bestand d hat mit den Beständen a und b nur 
20 Arten gemeinsam, welche durchweg unter den verschie- 
densten Klimaten weit verbreitet sind. Alle diejenigen 
Elemente der Bestände a und b, welche heute ihre Haupt- 
verbreitung in der arktischen Region oder im hohen Norden 
oder der Hochgebirgsregion der paläarktischen Region be- 
sitzen, fehlen durchaus. Schon dieser Umstand zeigt, dals 
sich jetzt der biogeographische Charakter der Fauna und, 


190 EwALp Wüsrt, [30] 


wie daraus zu erschlie/sen ist, das Klima sehr bedeutend 
geändert hat. 

Schon ein flüchtiger Bliek auf die Liste unseres Be- 
standes, .wie sie in der grolsen Tabelle gegeben ist, zeigt, 
dals es sich hier um Reste einer Fauna handelt, welehe 
sich den heutigen Faunen des südlichen Teiles der borealen 
Zone des paläarktischen Europas sehr nahe anschliefst. 

Vergleiehen wir den Bestand d zunächst mit der heutigen 
Fauna des Deutschen Mittelgebirgslandes, so finden wir, 
dals er mit dieser fast alle Arten, nämlich 71, gemeinsam 
hat. Der heutigen Fauna des Deutschen Mittelgebirgslandes 
fehlen nur folgende 4 Arten unseres Bestandes vollständig: 


Zonites acieformis 
Helix banatica 

Helix Tonnensis 
[Pupa pagodula] 
[Clausilia densestriata] 
Belgrandia sp. 


Zonites acieformis ist eine ausgestorbene Form, welehe aber 
dem lebenden Z. verticillus Fer. sp. sehr nahe steht. Dieser 
verbreitet sich von der Bergregion und den Vorbergen der 
Ostalpen über das ‚Österreichische Küstenland und das 
bosniseh-serbische Gebirgsland bis in die Balkanhalbinsel 
hinein. Innerhalb der letzteren ist seine Verbreitung erst 
wenig geklärt. Aufserdem kommt er in Mähren, bei Brandeis 
an der Alder in Böhmen und angeblich auch in Kalabrien 
vor. Helix banatica lebt heute in Siebenbürgen, Ostungarn 
und dem Banate und ist ganz neuerdings auch bei Vocariea 
im Komitate Pozsega in Slavonien gefunden worden. Helix 
Tonnensis ist eine ausgestorbene Form, von der noch nicht 
genügend feststeht, weleher lebenden Form sie am nächsten 
steht. Pupa pagodula lebt heute in der montanen Region 
und den Vorbergen der Alpen, verbreitet sich durch das 
Österreichische Littorale bis nach Montenegro und über einen 
Teil von Oberitalien nach Südfrankreich und hat aufserdem 
ein sporadisches Vorkommen in Morea. COlausilia densestriata 
lebt heute in der montanen Region und den Vorbergen der 
Östalpen und von da bis in das bosnisch -serbische Gebirgs- 


[31] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 191 


land hinein; aulserdem ist sie aus der Gegend von Peters- 
burg und aus Kurland angegeben worden. Die Belgrandia 
sp. gehört zur Gruppe der B. gibba Drap., deren Verbreitungs- 
gebiet Italien, die Balkanhalbinsel und einen Teil von 
Frankreieh umfalst, und dürfte der rezent nur von Viareggio 
bekannten B. Delpretiana Paulucei apud Oless. zugehören 
oder doch wenigstens ganz nahe stehen. 

Bei oberflächlicher Betrachtung könnte es scheinen, als 
weiche unser Bestand nieht sonderlich erheblich von der 
heutigen Fauna des Deutschen Mittelgebirgslandes ab. Eine 
genauere Betrachtung lälst indessen diese Abweichungen 
als sehr bedeutend erkennen. Bei einer solehen genaueren 
Betrachtung muls man sich vor Augen halten, dafs die 
heutige Fauna des Deutschen Mittelgebirgslandes infolge 
der wechselvollen Geschichte, die sie unter den Klima- 
schwankungen des Eiszeitalters durchgemacht hat, eine sehr 
heterogene ist: sie setzt sich zusammen aus Elementen, 
welehe unter sehr verschiedenen klimatischen Verhältnissen 
eingewandert sind und sich bei einem Wechsel des Klimas 
an besonders geeigneten Stellen — als Relikte — gehalten 
und z. T. später — teils bei Wiedereintritt des Klimas, 
unter dem die Elemente eingewandert waren, teils aber 
unter ganz anderem Klima, an das die Relikten sich neu 
angepalst hatten — wieder ausgebreitet haben. So sind 
denn auch die Faunen der verschiedenen Teile des Deutschen 
Mittelgebirgslandes selfr verschieden. 

Trennen wir für unsere Zwecke zunächst einmal das 
Deutsche Mittelgebirgsland in zwei Hauptteile, einen öst- 
lichen, der das Gebiet der Böhmischen Masse umfafst, und 
einen westlichen, dem der ganze Rest zufällt, so finden wir, 
dals unser fossiler Bestand in seiner Zusammensetzung der 
Fauna des östlichen Hauptteils sehr viel näher steht als 
derjenigen des westlichen. Er weist nämlich nicht eine Art 
auf, welche der westliche Teil vor dem östlichen voraus 
hat, dagegen aber folgende 3 Arten, welehe der östliche 
vor dem westlichen voraus hat: 

Patula solaria 
Helix vindobonensis 
Pupa elaustralis. 


192 EwAp Wüst, [32] 


Von den Arten, welche unser Bestand mit der rezenten 
Fauna des Deutschen Mittelgebirgslandes gemein hat, ist 
eine grolse Anzahl in diesem Gebiete nur wenig verbreitet 
und besitzt seine Hauptverbreitung in den Östalpen- und 
Karpathenländern und zum Teile auch in noch weiter nach 
Südosten zu gelegenen Gebieten Europas. In ausgesprochener 
Weise ist das z. B. der Fall bei den eben angeführten 
3 Arten, bei der weiter oben besprochenen Helix banatica 
(ebenso bei Zonites verticillus, dem unser Zonites acieformis 
sehr nahe steht) und bei folgenden Arten: 


Daudebardia rufa 
Daudebardia brevipes 
[Vitrina elongata] 
[Vitrea subrimata] 
Pupa doliolum 
Clausilia filograna 
Clausilia eana 
|Clausilia vetusta] 
Clausilia pumila. 


Dazu kommt noch, dals manche an sich weit verbreitete 
Arten in unserem Bestande vorwiegend oder ausschliefslich 
durch „Varietäten“ vertreten sind, welehe nur oder vor- 
wiegend in den genannten südöstlichen Gebieten leben. 
Diese auch in der Literatur schon mehrfach erwähnte Er- 
scheinung will ich indessen erst später genauer behandeln. 

Von sämtlichen Arten unseres Bestandes fehlen den 
Karpathenländern nur 5: 


Zonites acieformis 
Helix Tonnensis 
Helix nemoralis 
[Pupa pagodula]| 
Pupa costulata 
[Clausilia densestriata| 
Belgrandia sp., 
den Östalpen nur 6: 
Zonites acieformis (dessen nächster leben- 


der Verwandter, Z. vertieillus, indessen 
hier vorkommt) 


[33] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 193 


Helix banatiea (die in der Nähe, in Sla- 
vonien, vorkommt) 

Helix Tonnensis 

Pupa eostulata 

Planorbis vortieulus 

Belgrandia sp. 


Diesen ausgesprochenen Beziehungen zu den Östalpen- 
und Karpathenländern stehen keine auch nur einigermalsen 
vergleiehbaren Beziehungen zu anderen Gebieten gegenüber. 

Ebenso wichtig wie die eben besprochenen positiven 
sind die negativen Beziehungen zu rezenten Faunen. Allein 
diese negativen Beziehungen sind deshalb schwer zu be- 
urteilen, weil die negativen Momente eines fossilen Konchylien- 
bestandes nieht ohne weiteres auch die negativen Momente 
der damals lebenden Molluskenfauna sind — ein nur zu 
oft übersehener Umstand, der mich sehon seit Jahren ver- 
anlalst hat, die Gesamtheit der in einer Ablagerung ge- 
fundenen Konchylien nicht als die Fauna der betreffenden 
Zeit und Örtlichkeit, sondern nur als den Bestand der 
betreffenden Ablagerung, welche in der Regel nur einen 
mehr oder weniger grolsen Bruchteil der Fauna ausmachen 
wird, zu bezeichnen. Bei der Bewertung der negativen 
Momente unseres Bestandes ist also gröfste Vorsieht geboten. 
Immerhin ist unter allen Umständen die Erscheinung merk- 
würdig, dals unserem Bestande eine grolse Anzahl im 
Deutschen Mittelgebirgslande verbreiteter Arten fehlt, und 
das umsomehr als diese Arten in ihrer überwiegenden 
Mehrzahl solehe sind, die heute ihre Hauptverbreitung in 
den westlichen Teilen Europas, im atlantischen und west- 
mediterranen Gebiete besitzen. Als besonders typische 
Beispiele führe ich folgende Landschnecken an: 


Patula rupestris 
Helix ericetorum 
Helix eandidula 
Buliminus detritus 
Cionella tridens 
Pupa secale 
Balea fragilis 
Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a.S. Bd.82. 1910. 13 


194 EwarLn Wüst, [34] 


Cyelostoma elegans 
Acme lineata. 


Auf ähnlich verbreitete Wassermollusken, wie z. B. 
Neritina fluviatilis, will ich deshalb nicht eingehen, weil 
ihr Fehlen in unserem Bestande auf faziellen Verhältnissen 
beruhen kann und zum Teile sogar sicher beruht. 

Auch die Ostalpen- und Karpathenländer, zu denen so 
viele positive Beziehungen bestehen, haben zahlreiche — meist 
eigentümliche oder wesentlich ost- oder südosteuropäische — 
Arten, welche unserem Bestande fehlen. Die Zahl soleher 
Arten ist so grols, dafs nicht wohl angenommen werden 
kann, dals unser Bestand die fossilen Reste einer Fauna, 
wie sie heute in einem Teile der genannten Gebiete lebt, 
darstellt. Es lälst sich überhaupt keine rezente Fauna 
ermitteln, mit der unsere plistozäne im wesentlichen überein- 
gestimmt haben dürfte. Es lälst sich lediglich sagen, dafs 
unsere plistozäne Fauna ihrem tiergeographischen Charakter 
nach den Faunen der Böhmischen Masse, der Karpathen- 
länder und der tieferen Regionen der Ostalpenländer im 
ganzen am nächsten steht. Bemerkenswert ist dabei der 
durch Belgrandia sp. repräsentierte höchst wahrscheinlich 
mediterrane Einschlag. 

Die Hauptmasse des Materiales von dem geschilderten 
Bestande habe ich in einer tonigen Schicht gesammelt, 
welche etwa 5 m über der Oberfläche der Ilmablagerungen 
der Unterterrasse und etwa 5 m unter der Unterfläche des 
Parisers liegt. In dieser Schicht fand ich alle in der Tabelle 
aufgezählten Arten mit alleiniger Ausnahme von 


Planorbis vortieulus 

Unio sp. 
Aus allen anderen Schichten, in denen ich überhaupt 
sammeln konnte, habe ich weit weniger Material erhalten. 
Der gröfste Teil dieser Schichten stellt reine Charensande 
dar, welehe gewöhnlich überaus arm an Landschnecken 
sind. Ich möchte aber hervorheben, dafs ich in den untersten 
wie den obersten Schiehten des eingangs umschriebenen 
Schichtenkomplexes massenhaftes Vorkommen von Delgrandia 
konstatiert habe und dafs in der untersten Schicht, in der 


[35] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 195 
ich gesammelt habe, der paläolithischen Fundschicht, in 
der allein ich Planorbis vorticulus. und Unio sp. gefunden 
habe, wenigstens eines der für den Gesamtbestand so be- 
zeiehnenden östlichen Elemente, Helix vindobonensis, nach- 
gewiesen ist. 

Aufser Konehylien kenne ich aus den besprochenen 
Schichten, von belanglosen Resten von Pflanzen, Ostra- 
koden u. a. abgesehen, nur Säugetierreste. Was davon nach 
Provenienz und Bestimmung ganz sicher ist, entstammt der 
paläolithischen Fundschicht, welche nahe der Basis des hier 
betrachteten Schiehtenkomplexes liegt, oder deren unmittel- 
barer Nachbarschaft. Für diese Schicht kann ich mit 
Sieherheit das Vorkommen der sogenannten Antiquus-Fauna, 
vor allem der Leitformen derselben, des Elephas antiquus 
Fale. und des ARhinoceros Merckii Jäg. angeben. Die in 
den Sammlungen vorhandenen Säugetierreste von Weimar, 
deren Provenienz heute nieht mehr exakt zu ermitteln ist, 
dürften wohl in der Hauptsache aus der gleichen Schicht 
stammen. 

Der Konchylienbestand d setzt zweifellos ein bereits 
ziemlich warmes gemälsigtes Waldklima voraus, das ein 
merklich kontinentaleres Gepräge besals als das heute im 
Deutschen Mittelgebirgslande herrschende. Ein Element des 
Konchylienbestandes, Belgrandia sp., und ebenso der der 
Antiquus-Fauna angehörende Säugetierbestand könnten 
vielleicht eher im Sinne eines mediterranen Klimas gedeutet 
werden. Allein Delgrandia steht als höchstwahrscheinlich 
mediterranes Element vereinzelt unter den Konchylien des 
Bestandes d und die klimatische Anpassung der Antiquus- 
Fauna kann beim derzeitigen Stande unserer Kenntnisse 
noch recht verschieden beurteilt werden. Sollte die Antiquus- 
Fauna als mediterrane Fauna anzusehen sein, so würde ihr 
Zusammenvorkommen mit einer Molluskenfauna von süd- 
borealem Gepräge durch die nicht unwahrscheinliche An- 
nahme erklärbar sein, dafs relativ schnell ablaufenden 


Klimaveränderungen die Säugetiere — zumal die gröfseren 
Arten — in ihren Wanderungen rascher folgten als die 
Mollusken. 


196 EwaLp Wüst, [36] 


Die Fossilienbestände der Unteren Travertine von Taubach. 


(Konchylienbestände b und d.) 


"Wie im geologischen Teile der vorliegenden Arbeit 
gezeigt wurde, sind in Taubach, wo die Travertine der 
Mittelterrasse auflagern, die untersten, im ULueschen Bruche 
zu Weimar unmittelbar der Unterterrasse auflagernden 
Travertine, die Baumtravertine, wenigstens in ihrer Haupt- 
masse nicht vertreten. Paläontologische Verhältnisse sprechen 
aber dafür, dafs diese Schiehten bezw. deren oberster Teil 
zu Taubach wenigstens durch eine ganz dünne Travertinlage 
vertreten sind. Ich gewann im östlichen SonNREINschen 
Bruche aus einem bis 0,45 m mächtigen Moostravertine 
(vulgo „Ratten“) einige wenige Konchylien, welehe zu 
6 Arten gehören. Diese Arten kommen insgesamt in den 
Baumtravertinen von Weimar (Konehylienbestand b) vor. 
Es handelt sich allerdings in 5 von den 6 Arten um unter 
den verschiedensten Klimaten weit verbreitete und auch in 
unseren Travertinen in den verschiedensten Schichten vor- 
kommende Arten, doch kommt eine Art 


Patula ruderata, 


über deren tiergeographischen Charakter oben das erforder- 
liche gesagt wurde, von einem Vorkommen in den Oberen 
Travertinen abgesehen, nur in den Ratten des SonNREIN schen 
und in den Baumtravertinen des Urueschen Bruches vor. 
Man geht danach kaum fehl, wenn man in unserem Bestande 
einen Bestand vom Typus b erblickt. 

Die übrigen Schiehten enthalten, wie die Tabelle zeigt, 
fast genau dieselben Konchylien wie die Hauptmasse der 
Unteren Travertine im Urneschen Bruche zu Weimar (Kon- 
chylienbestand d). Ich konnte 75 Arten, 56 Landschnecken, 
16 Wasserschnecken und 3 Muscheln nachweisen. In der 
Literatur werden von Taubach 11 von mir nicht gefundene 
Arten angegeben, die wohl alle oder fast alle aus den hier 
zu behandelnden Schichten stammen. Ich habe in der 
Hauptmasse der Unteren Travertine sowohl zu Weimar wie 
zu Taubach 75 Arten Mollusken gefunden. Davon sind 
nieht weniger als 67 Arten identisch. Zu Taubach fand ich 


[37] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 197 


8 von mir zu Weimar nicht gefundene Arten, die indessen 
bis auf 1 (Aneylus lacustris) in der Literatur aus den 
Travertinen von Weimar angegeben werden. Zu Weimar 
fand ich 8 von mir zu Taubach nicht gefundene Arten, von 
denen 3 in der Literatur von Taubach angegeben werden, 
während 5 auch nach der Literatur zu Taubach fehlen: 


Helix personata 

Clausilia plieatula 

Planorbis vortieulus 

Unio sp. 

Pisidium milium. 
Von den 11 in der Literatur von Taubach angegebenen 
- Arten kenne ich 3 aus der Hauptmasse der Unteren Traver- 
tine von Weimar. Die übrigen 8 sind: 

Vitrina diaphana 

Hyalinia nitens 

Pupa alpestris 

Clausilia dubia 

Clausilia ventricosa 

Planorbis albus 

Bithynia Leachii 

Anodonta sp. 
Von diesen 8 Arten werden alle bis auf Anodonta sp. in 
der Literatur auch aus den Travertinen von Weimar an- 
gegeben. 

Die Unterschiede, welche nach meinen und der früheren 
Autoren Aufsammlungen zwischen den Konchylienbeständen 
der Hauptmasse der Unteren Travertine von Weimar und 
Taubach bestehen, bedingen keine irgendwie nennenswerten 
Unterschiede im tiergeographischen Charakter der beiden 
Bestände. Die der heutigen Fauna des Deutschen Mittel- 
gebirgslandes fehlenden Arten sind — von den von mir nicht 
gefundenen aber in der Literatur von Weimar angegebenen 
beiden Arten Pupa pagodula und Clausilia densestriata ab- 
gesehen — dieselben. Die im Deutschen Mittelgebirgslande 
nur im Bereiche der Böhmischen Masse vorkommenden 
Arten sind zu Weimar und zu Taubach genau dieselben. 
Die im Deutschen Mittelgebirgslande wenig verbreiteten, 


198 Ewaun Wüsr, [38] 


wesentlich südöstlichen Arten sind zu Weimar und zu 
Taubach fast genau dieselben. Und schliefslich umfassen 
die heute in den Karpathenländern und den Östalpen 
fehlenden Arten Taubachs und Weimars bis auf Pupa 
pagodula und Ulausilia densestriata die gleichen Arten. 

Unter den vorgetragenen Umständen ist nieht daran zu 
zweifeln, dafs die nach den bisherigen Listen bestehenden 
Unterschiede zwischen den Konchylienbeständen der Haupt- 
masse der Unteren Travertine von Weimar und Taubach 
wesentlich auf Zufälligkeiten der Aufsammlungen beruhen 
und dals beide Bestände die Reste einer gleichen Fauna 
darstellen. 

Auf die Unterschiede zwischen den Konchylienbeständen 
der einzelnen Schichten der Hauptmasse der Unteren Tra- 
vertine von Taubach will ich erst später näher eingehen. 
Hier will ich nur erwähnen, dafs die untersten Lagen, 
welehe unmittelbar über den oben erwähnten „Ratten“ mit 
Patula ruderata folgen, und die Travertingerölle enthaltende, 
bis etwa 0,4 m mächtig werdende paläolithische Fundschicht 
von Taubach darstellen, bereits folgende für die Hauptmasse 
der Unteren Travertine von Taubach und Weimar besonders 
bezeichnende Arten enthalten: 


Patula solaria 
Pupa claustralis 
Clausilia: filograna 
Clausilia pumila 
Belgrandia sp. 


Dieselbe Schieht ist es auch, welche die überwiegende 
Mehrzahl aller Säugetierreste von Taubach geliefert hat, 
darunter die bekannten prachtvollen Reste der Antiquus- 
Fauna. Von sonstigen Fossilien ist aus den Unteren Tra- 
vertinen von Taubach niehts bemerkenswertes zu berichten. 


Die Fossilienbestände der Unteren Travertine von Ehringsdorf. 


(Konehylienbestände c, e, f.) 


Im Ehringsdorfer Travertingebiete sind, wie schon er- 
wähnt wurde, die Unteren Travertine meist als feste Werk- 


[39] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 199 


bänke ausgebildet und daher der Aufsammlung von Fossilien 
wenig günstig. 

Das Konehylienmaterial, das ich gewonnen habe, ist 
als recht dürftig zu bezeiehnen. Ich konnte nur 36 Arten, 
24 Landsehnecken, 10 Wasserschnecken und 2 Muscheln 
nachweisen. 

Nach dem Konchylienmateriale könnte man erhebliche 
Zweifel daran haben, ob die Unteren Travertine von Ehrings- 
dorf vom gleichen Alter sind wie die Unteren Travertine 
von Weimar und Taubach, denn einerseits fehlen zu Ehrings- 
dorf die für Weimar und Taubach besonders bezeiehnenden 
Elemente wie insbesondere Belgrandia und die heute vor- 
züglieh in südöstlicheren Gebieten lebenden Schnecken, 
während andererseits zu Ehringsdorf einige in den viel 
besser erforschten Unteren Travertinen von Weimar und 
Taubach durchaus fehlende Schnecken wie insbesondere 
Helix costellata (eine ausgestorbene Form) und Pupa tripli- 
cata gefunden worden sind. Allein in den Unteren Tra- 
vertinen von Ehringsdorf kommen, wenigstens in den 
mittleren Lagen, die Reste derselben Antiguus-Fauna wie in 
Weimar und Taubach, wo diese Fauna ebenfalls wenigstens 
vorzugsweise — vielleicht ausschliefslieh — den mittleren 
Lagen angehört, vor. So sind vor allem die „Leitformen“, 
Elephas antiquus Fale. und Rhinoceros Merckii Jäg., aber 
auch andere, in zahlreichen Stücken an vielen Stellen der 
Unteren Travertine von Ehringsdorf nachgewiesen. Danach 
haben wir also auch wiehtige paläontologische Momente, 
welche für die Gleichalterigkeit wenigstens der Hauptmasse 
der Unteren Travertine von Ehringsdorf mit denen von 
Weimar und Taubach sprechen. Die Unterschiede in den 
Konchylienbeständen sind jedenfalls darauf zurückzuführen, 
dals mein Konchylienmaterial von Ehringsdorf durchweg 
aus Schichten stammt, in denen keine Reste der Antiquus- 
Fauna nachgewiesen sind, die also anderen Alters sein 
dürften als wenigstens die Mehrzahl derjenigen Schichten, 
aus denen mein Konchylienmaterial von Weimar und Tau- 
bach stammt. Aus den Ehringsdorfer Schiehten, in denen 
ich mein Konehylienmaterial gesammelt habe, kenne ich 
aulser Konchylien nur für die Zwecke dieser Arbeit belanglose 


200 EwALp Wüsrt, [40] 


Fossilien, vor allem keinerlei sicher bestimmbare Säugetier- 
reste von Bedeutung. 

In der nun folgenden Besprechung meiner Konehylien- 
materialien teile ich diese in zwei Gruppen, je nach dem, 
ob sie aus Schichten unter oder über Schiehten mit Resten 
der Antiquus-Fauna stammen. 

In Schiehten unter solehen mit Resten der Antiquus- 
Fauna habe ich nur an einer Stelle, im SAALBoRNschen 
Bruche, ein nennenswertes Konchylienmaterial zu sammeln 
vermocht. Hier beginnen die Unteren Travertinen über den 
Ilmablagerungen der Mittelterrasse mit Charensanden, in 
denen ich den als c bezeichneten aus 22 Arten, 10 Land- 
sehneeken, 10 Wasserschneeken und 2 Muscheln bestehenden 
“ Konehylienbestand sammeln konnte. Der — wie die Bestände 
reiner Charensande gewöhnlich — an Landschnecken sehr 
arme Bestand zeigt ein überaus indifferentes Gepräge, d.h. 
er besteht so gut wie nur aus sehr weit verbreiteten Arten. 
Nur 3 Arten scheinen mir der Erwähnung wert zu sein: 


Pupa Moulinsiana 
Planorbis vortieulus 
Planorbis glaber. 


Planorbis glaber, eine weit verbreitete Art, ist insofern 
erwähnenswert, als sie sonst nirgends im ganzen Travertin- 
gebiete gefunden worden ist. Planorbis vorticulus, eine 
zwar wenig, doch in recht verschiedenartigen Gebieten ver- 
breitete Art, erwähne ich deshalb, weil sie im ganzen 
Travertingebiete sonst nur noch in der paläolithischen Fund- 
schieht von Weimar vorkommt, einer Schicht also, die nach 
den Niveauverhältnissen zu urteilen, dem Charensande von 
SAALBORN im Alter ziemlich nahe stehen würde. Pupa 
Moulinsiana ist ähnlich wie Planorbis vorticulus eine Form, 
welche heute offenbar recht verschiedenartige klimatische 
Anpassungen besitzt. Es ist aber bemerkenswert, dals sie 
in den Travertinen der Gegend von Weimar, und zwar in 
den Unteren wie in den Oberen, überall da, wo sie in 
artenreicheren Beständen konstatiert wurde, mit den für die 
Hauptmasse der Unteren Travertine so bezeichnenden süd- 
östlichen Elementen vergesellschaftet ist. So sehen wir also 


[41] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 201 


immerhin einige Beziehungen unseres Bestandes zu den 
Beständen der Hauptmasse der Unteren Travertine, während 
Beziehungen zu tieferen Schichten fehlen. Sonach dürfte 
der Charensand des SAALBORN schen Bruches seiner Bildungs- 
zeit nach am ehesten mit den Schichten um die Basis der 
Hauptmasse der Unteren Travertine von Weimar und Tau- 
bach herum zu parallelisieren sein, wie das auch ungefähr 
seinem Niveau über der heutigen Ilmenau entspricht. Im 
gleichen Sinne sprieht der Umstand, dals ich in den festen 
Werkbänken in seinem unmittelbaren Hangenden das Vor- 
kommen von Elephas antiquus konstatiert habe. Seinem 
tiergeographischen Charakter nach dürfte unser Bestand 
zeitlich zwischen die als b und d bezeichneten Bestände 
einzuschieben sein. Diese An$icht habe ich auch darin 
zum Ausdrucke gebracht, dafs ich den Bestand mit dem 
Buchstaben c bezeichnet habe. Die Fundschicht des Be- 
standes c dürfte einem Teile der Schichten zwischen den 
Sehiehten mit den Beständen b bezw. d im Uuvueschen 
Bruche, die bisher keine Fossilien geliefert haben, und der 
in Taubach zerstörten und jetzt zum Teile in Gestalt von 
Geröllen in der paläolithischen Fundschieht liegenden Tra- 
vertinschichten im Alter entsprechen. 

Ich wende mich nunmehr zu den Konchylienbeständen, 
welehe ich in Schichten gesammelt habe, die Schiehten mit 
Resten der Antiquus-Fauna überlagern. 

Das reichste hierher gehörende Material sammelte ich 
in dem kleinen Bruche von Schwarz. Hier sind die der 
Mittelterrasse auflagernden Unteren Travertine 4,5—5 m 
mächtig. 2,3 m unter der Unterfläche des Parisers konnte 
ich noch Elephas antiquus konstatieren. 0,9—1,9 m unter 
der Unterfläche des Parisers finden sich mürbe Einlage- 
rungen, in denen ich den als e bezeichneten, aus 29 Arten, 
23 Landschnecken und 6 Wasserschneeken bestehenden 
Konchylienbestand sammelte. Eine Liste dieses Bestandes 
gibt die grolse Tabelle. 


Der Bestand setzt sich — von der rezent nicht be- 
kannten Helix costellata abgesehen — nur aus Arten zu- 
sammen, welehe — namentlich in den Waldgebieten der 


borealen Zone des paläarktischen Europa — eine sehr 


202 Ewaup Wüsr, [42] 


weite Verbreitung besitzen. Alle Arten kommen z. B. im 
Deutschen Mittelgebirgslande, ebenso aber z. B. auch in den 
Östalpen und in den Karpathenländern vor. Ähnlich wie 
in dem Bestande der Hauptmasse der Unteren Travertine 
von Weimar und Taubach fehlen vorwiegend westeuropäische 
Elemente vollkommen, während vorwiegend östliche bezw. 
südöstliche Elemente, wie sie für die genannten Schichten 
von Weimar und Taubach so bezeiehnend sind, wenigstens 
dureh Olausilia pumila vertreten sind. Dem Niveau der 
Fundschichten nach wären Äquivalente der obersten Teile 
der Hauptmasse der Unteren Travertine von Weimar und 
Taubach zu erwarten; nach den recht beträchtlichen Unter- 
schieden in den Konehylienbeständen zu urteilen dürften 
indessen bereits etwas jüngere Schichten vorliegen. Deshalb 
habe ich den Bestand mit einem besonderen Buchstaben 
als e bezeichnet. 

Alles sonst noch gesammelte Material stammt aus 
Schichten, welehe höher über der heutigen Ilmaue liegen 
als die obersten Schichten der Unteren Travertine von 
Weimar und Taubach. Dieses Material repräsentiert durch- 
weg sehr ärmliche Bestände. 

Im Karmpreschen Bruche, in dem die Unteren Tra- 
vertine auf der Mittelterrasse liegen, lieferte eine Charen- 
sandlinse 3,5—5 m über der Basis der Unteren Travertine 
und 0—1,5 m unter der Unterfläche des Parisers 13 Arten, 
8 Landschnecken und 5 Wasserschnecken. 


Conulus fulvus 
Hyalinia Hammonis 
Helix pulehella 
Helix eostata 

Pupa antivertigo 
Pupa Moulinsiana 
Pupa angustior 
Suceinea Pfeifferii 
Limnaea peregra 
Physa fontinalis 
Planorbis leueostoma 
Planorbis eontortus 
Bitbynia tentaculata. 


[43] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 203 


Es ist das ein bei seiner Armut an Landscehnecken tier- 
geographisch kaum näher beurteilbarer Bestand, doch ist 
immerhin das Vorkommen von Pupa Moulinsiana, einer 
in der Hauptmasse der Unteren Travertine von Weimar und 
Taubach verbreiteten Art, bemerkenswert. Der Bestand ist 
vielleicht am besten noch dem Bestande e anzuschlielsen, 
leitet aber möglicherweise bereits zu den überaus armen 
unter f zusammengefalsten Beständen über. 

An einer anderen Stelle des Karmpreschen Bruches 
fand ieh in tonigem Charensande 15—35 em unter der Unter- 
fläche des Parisers 8 Arten, 6 Landsehnecken und 2 Wasser- 


schneeken: 
Helix pulehella 


Helix eostata 

Cionella lubriea 

Pupa muscorum 

Pupa angustior 

Suceinea sp. (nicht genau bestimmbare Reste) 
Limnaea truncatula 

Planorbis leucostoma. 


Dieser Bestand, den ich als f bezeichne, ist von be- 
merkenswerter Ärmliehkeit, zumal wenn man in Betracht 
zieht, dals tonige Charensande sonst die konchylienreiehsten 
Gesteine des Travertingebietes darstellen. Man darf aus 
der Ärmlichkeit dieses Bestandes zweifellos schlielsen, dals 
gegen Ende der Bildungszeit der Unteren Travertine für 
das Molluskenleben sehr ungünstige Verhältnisse eintraten, 
von denen kontinentales Steppenklima und kaltes Klima 
am ehesten in Betracht kommen. Das Fehlen jedweder 
auf kaltes Klima hindeutender Art und die nachher zu 
besprechenden Verhältnisse der Fossilienbestände der 
hangenden Schichten sprechen dafür, dafs das Herannahen 
eines kontinentalen Steppenklimas für die Verarmung der 
Molluskenfauna verantwortlich zu machen ist. 

Im SAaaLgornschen Bruche habe ich in mürben Ein- 
lagerungen etwa 5—6 m über der Oberfläche der Ilm- 
ablagerungen der Mittelterrasse, 0,5 —1,2 m unter der Unter- 
fläche des Parisers, einige wenige Konchylien gesammelt, 
die nur zu 2 Arten gehören: 


204 Ewarp Wüst, [44] 


Pupa museorum 
Pupa triplieata. 
Ich erwähne diese wenigen Konchylien nur deshalb, weil 
darunter Pupa triplicata nachgewiesen ist, eine Art, welche 
uns bisher nicht begegnet war, aber noch in den untersten 
Schichten der Oberen Travertine entgegentreten wird. Pupa 
triplicata besitzt heute eine weite Verbreitung in klimatisch 
sehr verschiedenartigen Gebieten. Sie verbreitet sich von 
der Pyrenäenhalbinsel über einen Teil von Frankreich, den 
Sehweizer Jura (von hier bis in das südliche Elsafs reichend), 
die montane Region der Alpen, Oberitalien, das Öster- 
reichische Küstenland und die Karpathenländer nach der 
Krim, Kaukasien und Armenien. Sie besitzt offenbar ganz 
verschiedene klimatische Anpassungen. Ihre heutige Ver- 
breitung lälst die Annahme zu, dals sie in die Gegend von 
Weimar als ein Tier kontinentalen Klimas eingewandert ist, 
eine Annahme, welche am besten zu dem passen würde, 
was wir sonst über die klimatischen Verhältnisse zur 
Bildungszeit der obersten Lagen der Unteren Travertine 
und der nächsthöheren Schichten erschlielsen können. Ich 
ziehe den kleinen Bestand mit zu dem oben besprochenen 
Bestande f. 

Nach den vorgetragenen Tatsachen und Erörterungen 
dürften also die einzelnen Glieder der Unteren Travertine 
des Ehringsdorfer Gebietes folgendermalsen zu beurteilen 
sein. Die untersten Schichten, deren Fossilienführung noch 
nieht ermittelt werden konnte, sind den Baumtravertinen 
von Weimar äquivalent. Die unmittelbar auf den Ilm- 
ablagerungen der Mittelterrasse liegenden Charensande des 
SaALBorNsehen Bruches mit dem Konehylienbestande c ge- 
hören in die Nähe der Grenze zwischen den Baumtravertinen 
und der Hauptmasse der Unteren Travertine zu Weimar. 
Die höheren Lagen mit Resten der Antiquus-Fauna, aber 
vorläufig ohne Konchylien, entsprechen der Hauptmasse der 
Unteren Travertine mit Resten der Antiquus-Fauna und 
dem Konchylienbestande d zu Weimar und Taubach. In 
die Nähe der Obergrenze dieser Schichten gehören die 
Schiehten des Schwarzschen Bruches mit dem Konchylien- 
bestande e und vielleicht auch noch die Charensandlinse 


[45] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 205 


unter dem Pariser im Karmpreschen Bruche, welche einen 
Konchylienbestand geliefert hat, von dem nicht sicher ist, 
ob er sich näher an e oder an f anschlielst. Die Schichten 
mit dem sehr verarmten Konehylienbestande f im KAEMPFE- 
schen und SaauLkornschen Bruche sind die jüngsten zur Zeit 
paläontologisch eharakterisierbaren Schichten der Unteren 
Travertine des gesamten Travertingebietes der Gegend von 
Weimar. 


Die Fossilienbestände des Parisers von Ehringsdorf. 


(Konchylienbestand g.) 

Der Pariser des Ehringsdorfer Travertingebietes ist im 
allgemeinen fossilienfrei, wie es Löls zu sein pflegt. 

Ich selbst habe nur an einer Stelle, im HEYDENREICH- 
schen Bruche, Fossilien und zwar Konchylien im Pariser 
gefunden. In diesem schon seit Jahren aufgelassenen Bruche 
ist der Pariser im allgemeinen 1,5 m mächtig, seinem reichen 
Gehalte an Geröllen und eckigen Triasbrocken nach un- 
bedingt als umgelagerter Löls anzusprechen und in seiner 
oberen Hälfte — wohl infolge einer Reduktion seines Eisen- 
hydroxydgehaltes zur Bildungszeit der im unmittelbaren 
Hangenden sichtbaren stark humosen Travertinlage — grau- 
grün gefärbt. Ein Teil der Lagen des Parisers sind hier 
geradezu reich an Konchylien, welche indessen zu nur 
9 Arten, 8 Landschnecken und 1 Wasserschnecke gehören: 

Conulus fulvus 
Helix pulehella 
Helix eostata 

Helix hispida 
Helix striata 

Pupa muscorum 
Cionella lubriea 
Suceinea oblonga 
Limnaea truneatula. 


Zumal das Vorkommen von Limnaea truncatula eine Be- 
teiligung von Wasser bei der Bildung der Sehieht verrät, 
ist der Konchylienbestand, den ich als g bezeichne, als 
überaus ärmlich anzusehen. Er mu/ls aus einer dem 


206 EwaLp Wüst, [46] 


Molluskenleben überaus ungünstigen Zeit stammen. An 
eine Zeit kalten Klimas ist nieht zu denken, da alle hierfür 
bezeichnenden Arten fehlen. Dagegen kann der Bestand 
sehr wohl aus einer Zeit kontinentalen Steppenklimas 
stammen, denn alle gefundenen Arten kommen heute unter 
solehem Klima vor und sind auch — zum Teil als die 
häufigsten und bezeichnendsten Schnecken — in konchylien- 
führenden Lölsablagerungen nachgewiesen. Besondere Be- 
achtung verdient Helix striata, eine Schnecke, welche heute 
zwar unter recht verschiedenartigen Klimaten eine ziemlich 
weite Verbreitung besitzt, aber doch ganz entschieden den 
Schwerpunkt ihres Verbreitungsgebietes in den kontinen- 
taleren Gebieten des südöstlichen Europa, in den zentralen 
Teilen Ungarns, im südlichen Rulsland usw. besitzt. So 
weist also der besprochene Konchylienbestand g, obgleich 
umgelagertem Löfse angehörend, auf ein recht kontinentales 
Klima hin. 

Aus dem KArmpr&schen Bruche erhielt ich Proben von 
zu festem, travertinähnlieh aussehendem Gesteine ver- 
festigtem Pariser, aus denen ich folgende — in der Tabelle 
dem Bestand g zugereehnete — 3 Landschnecken heraus- 
präparieren konnte: 

Helix frutieum 

Helix (Tachea) sp. (nieht genau bestimm- 
bare Scherben) 

Helix Pomatia. 


Die zwei genau bestimmten Arten sind weit verbreitet 
und auch in den kontinentalen Gebieten Ungarns und Süd- 
rulslands nachgewiesen. 

Aus dem Pariser des Fıscherschen Bruches erhielt ich 
als einzigen sieheren Säugetierrest aus dem Pariser ein 
Bruchstück, das anscheinend von einem Euryceros-Geweih 
herrührt. 

Der ärmliche Fossilienbestand, der sich an einigen 
wenigen Stellen im Pariser nachweisen liels, unterstützt den 
im geologischen Teile der Arbeit gezogenen Schlufs, dafs 
der Pariser in einer Periode der Lölsbildung oder im un- 
mittelbaren Anschlusse daran entstanden ist. 


[47] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 207 


Wollte man in dem Pariser Umlagerungsprodukte eines 
schon vor der Bildung des Kieses der Unterterrasse vor- 
handen gewesenen Lösses sehen, die auf den Unteren Tra- 
vertinen abgelagert und erhalten werden konnten, nachdem 
das Gebiet der Unteren Travertine dem Inundationsbereiche 
der Ilm entrückt war, so würde doch die Ärmliehkeit und 
die Zusammensetzung des Fossilienbestandes des Parisers, 
dem zahlreiche der Arten fehlen, die zur Bildungszeit der 
Unteren Travertine an den Gehängen des Ilmtales gelebt 
haben müssen, zeigen, dals zur Bildungszeit des Parisers 
das Klima ein anderes, dem Molluskenleben ungünstiges, 
kontinentales geworden war. 


Die Fossilienbestände der Oberen Travertine von Ehringsdorf. 
(Konehylienbestände h, i, £.) 

Wie bereits im geologischen Teile dieser Arbeit dar- 
gelegt wurde, ist die Parallelisierung der in den verschie- 
denen Aufschlüssen sichtbaren Schichten der Oberen Tra- 
vertine von Ehringsdorf auf Grund einer Untersuchung der 
Lagerungsverhältnisse nicht genau und sicher durehführbar, 
weil die Oberen Travertine als Gehängetravertine anzusehen 
sind. Unter diesen Umständen ist die Aufeinanderfolge 
der bisher gesammelten Fossilienbestände nicht mit der 
wünschenswerten Genauigkeit und Vollständigkeit zu er- 
mitteln. Gleichwohl lassen sich durch Kombination der 
in den verschiedenen Aufschlüssen gemachten Beobach- 
tungen wenigstens einige nieht unwesentliche Ergebnisse 
gewinnen. 

Die von mir in den Oberen Travertinen von Ehringsdorf 
gesammelten Konchylienbestände lassen sich auf drei Typen 
verteilen, welehe ich als h, i und f bezeichne. 

Die Bestände vom Typus 5 entstammen humosen, 
erdigen Einlagerungen etwas über der Basis der Oberen 
Travertine, welche sich über einen grolsen Teil der Brüche 
von HAUBOLD, SCHWARZ, KAEMPFE und FISCHER verfolgen 
lassen. Sie enthalten 18 Konchylien, 17 Landscehnecken und 
1 Wasserschnecke, welche in der grolsen Tabelle auf- 
gezählt sind. 


208 EwALp Wüsrt, [48] 


Der Konchylienbestand ist recht ärmlich und indifferent. 
Von den nieht ganz weit verbreiteten Arten ist keine mit 
denen der Schichten bis zu der Hauptmasse der Unteren 
Travertine aufwärts gemeinsam. Am bemerkenswertesten, 
weil gegenwärtig am wenigsten weit verbreitet, sind 


Helix striata, 
welche uns zuerst im Pariser entgegentrat, 
Pupa triplieata, 


welehe in den obersten Lagen der Unteren Travertine von 
Ehringsdorf vorkommt, und 


Buliminus tridens, 


welcher zum ersten Male in den hier zu besprechenden 
Sehiehten auftritt. Helix striata ist, wie sehon bei der 
Besprechung des Parisers gesagt wurde, eine Schnecke, die 
ihre Hauptverbreitung in den kontinentaleren Gebieten des 
südöstliehen Europa besitzt. Pupa triplicata kann, nach 
dem bei der Bespreehung der obersten Unteren Travertine 
von Ehringsdorf gesagten, ebenfalls als ein kontinentales 
Element angesprochen werden. Von buliminus tridens, 
ebenfalls einer ziemlich weit verbreiteten Schnecke, gilt 
dasselbe, zumal da diese Art in Südrufsland aufserordentlich 
verbreitet ist. Einen eigentlichen Steppeneharakter scheint 
aber unsere Gegend zur Bildungszeit der hier besprochenen 
Sehieht nieht mehr besessen zu haben, wie aus dem Vor- 
kommen einiger weit verbreiteter, jedoch die südosteuropäi- 
schen Steppengebiete meidender Arten, wie insbesondere 


Clausilia dubia 


hervorgeht. Elemente, welche für kaltes Klima sprechen, 
fehlen durchaus. 

Im FıscHerschen Bruche erhielt ich aus der Fundsehieht 
des Konchylienbestandes h eine Reihe von Säugetierresten. 
Ich selbst sammelte 

Myoxus glis L. sp. 
Mierotus (— Arvieola) arvalis Pall. sp. 
oder agrestis L. sp. 


[49] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 209 


Von Herrn R. FıscHer erhielt ich 


Myoxus glis L. sp. 
Rhinoceros antiquitatis Blumenb. (= ticho- 
rhinus Cuv.). 


Von der zuletzt genannten, wichtigen Art erhielt ich einen 
Unterkiefermolaren, dessen Bestimmung vollkommen sicher 
ist und dessen Herkunft aus unserer Schieht nach seinem 
Erhaltungszustande und dem ihm anhaftenden Gesteins- 
materiale nicht zweifelhaft sein kann.!) 

Herr Grofsh. Bauinspektor REBLınG in Weimar besitzt 
ein reiches Material von Resten kleiner Säugetiere aus dem 
FıscHersehen Bruche, welches seinem Erhaltungszustande 
nach offenbar ebenfalls aus unserer Schieht stammt. Das 
Material enthält, von noch nicht bestimmten Fledermaus- 
arten abgesehen, folgende Arten 


Putorius putorius L. sp. 

Lutra lutra L. sp. 

Myoxus glis L. sp. 

Cricetus ericetus L. sp. 

Mus sp. 

Mierotus (= Arvieola) arvalis Pall. sp. 
oder agrestis L. sp. 


Der aufgezählte Säugetierbestand trägt einen ähnlichen 
tiergeographischen Charakter wie der schon besprochene 
Konehylienbestand. Einige Arten sind so weit verbreitet, 
dals sie für die genauere Charakterisierung des Säugetier- 
bestandes nicht in Betracht kommen. Myoxus glis und 
Oricetus cricetus sind zwar auch recht weit verbreitete 
Arten, doch haben sie — Cricetus noch ausgesprochener 
als Myoxus — den Schwerpunkt ihrer Verbreitung in den 
kontinentaleren Gebieten Südosteuropas und Cricetus auch 
Westsibiriens. Ahinoceros antiquitatis ist eine ausgestorbene, 
im Plistozän sehr häufige Art, welehe uns hauptsächlich in 
arktischen und Steppen-Faunen entgegentritt, aber auch in 


1) Vgl. Wüst, Das Vorkommen von Rhinoceros Merckiü Jäg. in 
den Oberen Travertinen von Ehringsdorf usw., Centralblatt für Minera- 
logie usw., 1909, S. 23—25. 

Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a. S. Bd.82, 1910. 14 


210 EwaALn Wüsr, [50] 


Waldfaunen von allerdings stark kontinentalem Gepräge 
vorkommt. !) 

Die von mir zum Typus i vereinigten und in der grofsen 
Tabelle zusammengefafsten Konehylienbestände weisen trotz 
einer weitgehenden Übereinstimmung doch auch einzelne 
nicht ganz unwesentliche Verschiedenheiten auf. Daher sind 
die 3 hierher gezogenen Bestände in der folgenden Spezial- 
Tabelle einzeln aufgezählt. Die 3 Bestände entstammen 
Schiehten von sehr verschiedener Gesteinsbeschaffenheit und 
Lagerung. 

Die Fundschicht des HeyDEnrREIcHschen Bruches ist 
eine bis 0,45 m mächtige humose, mürbe Travertinlage, 
welehe nur etwa 11 m über der heutigen Ilmaue unmittelbar 
dem Pariser aufliegt. 

Der kleine Bestand aus dem Karmpreschen Bruche 
entstammt festen, dünnplattigen Travertinen, in denen das 
Sammeln sehr erschwert ist. Diese Schichten liegen 
3—6 m über der Oberfläche des Parisers und damit erheb- 
lich höher als die nur etwa 2 m über der Oberfläche des 
Parisers gelegenen Schichten mit einem Konchylienbestande 
vom Typus bh des gleichen Bruches. Es ist wichtig, dals 
das Profil des KAempreschen Bruches deutlich zeigt, dafs 
der Konchylienbestand i jünger als der Konchylien- 
bestand Dh ist. 

Die Fundschicht des HACKEMESSERSchen Bruches ist 
eine graugrüne, mergelige Einlagerung in den Gehänge- 
travertinen, welche etwa 2 m über der Oberfläche des 
Parisers und etwa 30 m über der heutigen Ilmaue liegt. 
Einige der in dieser Schicht gefundenen Arten konnte ich 
auch in ihr benachbarten festen Werktravertinen nachweisen. 

In der Fundschicht des HEYDENREIcHschen Bruches 
fand ich 22 Konehylien, die alle Landsehnecken sind. Der 
Gesamteharakter des Bestandes ist der einer Molluskenfauna 


1) Z.B. in den mitteldeutschen plistozänen Flulsablagerungen mit 
Corbicula fluminalis Müll. sp. Aus dem Unstrutkiese mit Corbicula 
fluminalis Müll. sp. von Carsdorf, den ich in dieser Zeitschrift, Bd. 77, 
1904, $S. 75—77, behandelt habe, erhielt ich später durch die Freund- 
lichkeit des Herrn Rentmeister Kuntze in Burgscheidungen einen 
Oberkieferprämolaren von Khinoceros antiquitatis. 


[51] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 21l 


Heyden- Kaempfe Hacke- 


reich messer 
Hyalinia nitens oder nitidula * 
= Hammonis * * * 
Vitrea erystallina . & * 
Patula rotundata * * 
Helix pulchella . * * 
„  eostata.. * * * 
„  obvoluta . . * 
1 shidensınarta'. galtiaozl ar ? * £ 
RLStTIEola AH. ware rir edır SE 
MR SITULICHUN.. Eee une are. x } 2 
MEHlADIcIdabtu. a DER E. : ä “ 
ER SCHUSTORUME EEE SE x? - * 
„  striata FDA NID * x ! 
kuiohortensis REW Glas ie 2#7351lRacheasp;: : * 
amPOHStBNnG sanmelieacıretgs * . * 
Bühminus’tridens ..4-.-.5. 2... .. a * 
= TIONTADUSIEER ME ar: - 3 x? 
Rupsmuscorum 2... Kia... zedeii: - I * 
SESSUPURLOL.,  .. » Patkscncakeme : 2 * 
Clansiiardubiar. u nee x P : 
> pidentatanaee, Sue x? B x? 
r punilaie spe +? i 5 
Gjonella lubrica,,..: Ye... ul IE x 
A Schnlzianae 2 urn * . x? 
Sucecinea elegans . . . ....22.% ; ; 2 
. Bfeiteriv.0, u nam N 5 * 
L ODIOTSAWET SE SEN. Bde Sn & 
Carychium minimum . * * 
Limnaea truncatula * 
Planorbis spirorbis * 
n leucostoma * 
Acme polita . x = 
Pisidium fontinale * 
r pusillum . * 


der Waldgebiete des südlichen Teiles der borealen Zone 

des paläarktischen Europa. Elemente, welehe mit Bestimmt- 

heit auf den nördlichen Teil dieser Zone oder gar die 

arktische Region hinweisen, fehlen durchaus. Von wesent- 
14* 


212 EwALp Wüsr, [52] 


lich südöstlichen Elementen, wie sie für die Hauptmasse 
der Unteren Travertine so bezeiehnend sind, kommt nur 


Clausilia pumila 


und auch diese nur in nieht ganz sicher bestimmten Bruch- 
stücken vor. Die beiden für den Bestand h so charakte- 
ristischen Elemente 

Helix striata 

Buliminus tridens 


sind noch vorhanden, wozu jedoch bemerkt werden muls, 
dals Helix striata, welche im liegenden Pariser häufig ist, 
durch wühlende Tiere sekundär in unsere Schieht gelangt 
sein könnte — ähnlich wie wir heute in Maulwurfshaufen 
u. dgl. der Wiesenböden auf Löfs Löfsschneeken finden. 
Dals zur Bildungszeit unserer Schicht bei weitem kein so 
kontinentales Klima mehr herrschen konnte wie zu derjenigen 
der Schichten mit den Konchylienbeständen vom Typus 9, 
beweist besonders das Vorkommen der Arten 


Helix obvoluta 

Helix strigella 
Clausilia ? bidentata 
Cionella ? Schulziana 
Acme polita. 


Besonders bemerkenswert ist das Vorkommen von 


Hyalinia nitens oder nitidula 
Clausilia ? bidentata 
Cionella ? Schulziana, 


weil ich diese 3 Arten in keiner der älteren Ablagerungen 
des Travertingebietes der Gegend von Weimar nachweisen 
konnte. Es ist sehr bedauerlich, da/s gerade diese 3 inter- 
essanten Formen bisher nur in nieht ganz sicher bestimm- 
baren Stücken gesammelt werden konnten, was seine Ursache 
in dem fast durchgängig überaus schlechten Erhaltungs- 
zustande der Konchylien unserer Schicht hat. Am bemerkens- 
wertesten ist von den 3 besonders hervorgehobenen Schnecken 
die — in dieser Arbeit als neu beschriebene — Ctonella 
Schulziana. Diese gehört zu der Untergattung — oder 


[53] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 213 


vielleieht riehtiger Gattung — Azeca, deren Arten heute 
über Frankreich, England, Belgien und den westlichen Teil 
von Deutschland verbreitet sind. Da die nur fossil bekannte 
Cionella Schulziana indessen nur in Beständen von ähnlichem 
Charakter wie derjenigen der Hauptmasse der Unteren Tra- 
vertine vorkommt, wird anzunehmen sein, dals diese Art 
eine andere klimatische Anpassung besessen hat als ihre 
nächsten lebenden Verwandten. Gehört die Ehringsdorfer 
Azeca zu Schulziana, was sehr wahrscheinlich aber bei dem 
sehr fragmentären Zustande der wenigen gefundenen Stücke 
nieht ganz sicher ist, so beeinträchtigt ihr Vorkommen in 
keiner Weise das oben über den tiergeographischen Cha- 
rakter unseres Bestandes gesagte. 

Die Fundschicht des Kaempreschen Bruches hat infolge 
von sehr ungünstigen Sammelbedingungen nur 6 Konchylien 
und zwar durchweg Landschnecken geliefert. Der kleine 
Bestand umfalst aulser einigen sehr weit verbreiteten, nichts- 
sagenden Arten 

Helix bidens 
Helix striata 
Buliminus tridens. 


Helix striata und Buliminus tridens sind mit der Fund- 
schicht des HEYDENREICHschen Bruches gemeinsam. Helix 
bidens ist uns bisher noch nicht begegnet. Sie ist eine 
vorwiegend osteuropäische Art, welche, ihrer heutigen Ver- 
breitung nach zu urteilen, recht gut in den Konchylien- 
bestand der Hauptmasse der Unteren Travertine (d) passen 
würde, wie sie denn auch in der Tat anderwärts in ähn- 
lichen Beständen gefunden worden ist.!) 

Die Fundschicht des HAckEMESSERschen Bruches hat 
27 Konchylien, 22 Landschnecken, 3 Wasserschnecken und 
2 Muscheln geliefert. Der Konchylienbestand dieser Schicht 
trägt im ganzen denselben tiergeographischen Charakter 
wie derjenige der Fundschicht des HEYDENREICH schen 
Bruches. An wichtigeren Arten sind mit der Fundschicht 
des HEYDENREICHschen Bruches 


ı) Z.B. in Travertinen am Grol[sen Fallsteine im nördlichen Harz- 
vorlande, 


214 EwALD Wüsr, [54] 


Clausilia ? bidentata 
Clausilia pumila 
Cionella ? Sehulziana 


und mit der Fundsehieht des KAermpresehen Bruches 
Helix bidens 


gemeinsam. Von den bemerkenswerteren Arten der beiden 
anderen Fundschichten fehlen 


Helix striata 
Buliminus tridens, 


was vielleicht in dem Sinne zu deuten ist, dals von unseren 
drei Schichten die HAcKEMESSERSsche die jüngste ist, daher 
in ihr diese beiden kontinentalen Elemente bereits ver- 
schwunden sind. Im ganzen Travertingebiete ausschlielslich 
in der HAcKEMESSERSschen Schicht gefunden ist 


Buliminus ? montanus, 


dessen Vorkommen zusammen mit dem von besonders 


Helix obvoluta 

Helix lapieida 
Clausilia ? bidentata 
Cionella ? Sehulziana 
Acme polita 


zeigt, dals unsere Schicht unter wesentlich weniger kon- 
tinentalem Klima als die Fundschichten der Konchylien- 
bestände vom Typus bh entstanden ist. 


Unter dem Typus f vereinige ich die Konchylienbestände, 
welche ich in Charensanden und mergeligen Einlagerungen 
in den Oberen Travertinen des FıscHerschen Bruches ge- 
sammelt habe. Diese Schichten liegen 1—3,5 m über der 
Oberfläche des Parisers und damit höher als die nur 0,7—1m 
über der Oberfläche des Parisers gelegene schwarze, erdige 
Schieht, welehe einen Konchylienbestand vom Typus h ge- 
liefert hat. Die hierher gehörenden Bestände umfassen zu- 
sammen 28 Konchylien, 23 Landschnecken, 3 Wasser- 
schneeken und 2 Muscheln, welche in der grofsen Tabelle 
aufgezählt sind, 


[55] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 215 


Der Koncehylienbestand f zeigt eine bemerkenswerte 
Annäherung an den Konchylienbestand d der Hauptmasse 
der Unteren Travertine. Von seinen 28 Arten sind 24 sicher 
mit d gemeinsam, darunter 3 Arten, welehe im ganzen 
Bereiche des Travertingebietes nur in d und f vorkommen 


Helix vindobonensis 
Pupa minutissima 
Pupa pusilla. 


Von diesen 3 Arten ist Helix vindobonensis eines der 
für die Hauptmasse der Unteren Travertine so bezeichnenden 
südöstlichen Elemente. Von den 4 in d fehlenden Arten 
sind 2 nieht sicher bestimmt 

Vitrina diaphana 
Pupa triplicata. 


Die beiden anderen sind 


Patula ruderata 
Planorbis spirorbis. 


Patula ruderata kenne ich sonst nur aus den untersten 
Lagen der Unteren Travertine (Konehylienbestand b) von 
Weimar und Taubach, Planorbis spirorbis nur aus der Fund- 
schicht des Konchylienbestandes i im HACKEMESSER schen 
Bruche. 
Von Säugetieren sind mir aus den Fundschichten des 

Konehylienbestandes f nur 

Myoxus glis L. sp. 

Rhinoceros Merckii Jäg. 
bekannt geworden. Von letzterem!) kenne ich nur einen 
schönen Unterkiefer mit allen 6 Backzähnen in der Samm- 
lung REBLING in Weimar. An seine Herkunft aus unseren 
Schichten kann nach den mir von REBLING und FISCHER 
gemachten Angaben sowie dem Erhaltungszustande des 
Stückes kein Zweifel bestehen. Da Rhinoceros Merckii im 


ı) Vgl. Wüst, Das Vorkommen von Rhinoceros Merckii Jäg. in 
den Oberen Travertinen von Ehringsdorf usw., Centralblatt für Minera- 
logie usw., 1909, 8. 23—25. 


216 EwALp Wüsr, [56] 


Travertingebiete der Gegend von Weimar sonst ausschlie(slich 
in den Sehiehten mit dem Konehylienbestande d vorkommt, 
bekräftigt das Vorkommen dieses Zrhinoceros in unserer 
Sehieht, die schon aus der Beschaffenheit des Konchylien- 
bestandes f zu gewinnende Meinung, dals zur Bildungszeit 
unserer Sehiehten ähnliche klimatische Verhältnisse und 
damit eine ähnliche Fauna wiederkehrte, wie sie zur 
Bildungszeit der Hauptmasse der Unteren Travertine in der 
Gegend vorhanden waren. Das Vorkommen von Patula 
ruderata ist wohl sehon als der erste Vorbote eines Wieder- 
hereinbrechens kälteren Klimas anzusehen. 

Nach dem eben gesagten und nach den Beziehungen 
der Konehylienbestände 5, i und f zu einander, ist es wahr- 
scheinlich, dafs die Altersfolge dieser Konehylienbestände 
h—i—f ist. Es sei aber nochmals betont, dals aus den 
Lagerungsverhältnissen der Fundschiehten dieser Bestände 
bisher nur soviel mit aller Sicherheit ermittelt werden konnte, 
dafs i und f jünger als h sind, während sich die Alters- 
beziehungen zwischen i und f bisher noch nieht durch Be- 
obachtung der Lagerungsbeziehungen ihrer Fundschichten 
zueinander exakt feststellen lielsen. 


Die Fossilienbestände der Oberen Travertine von Weimar. 


Bei den derzeitigen Aufsehlulsverhältnissen war es mir 
unmöglich, in den Oberen Travertinen von Weimar Fossilien 
zu sammeln. Weıss und ScHımivr geben bei einigen Kon- 
chylien an, dals sie nur in den oberen Lagen der Travertine 
von Weimar vorkommen, worunter allerdings unter Umständen 
auch der Pariser und die obersten Lagen der Unteren Tra- 
vertine mit verstanden sein können. Diese Konehylien sind 
die folgenden: 


Helix bidens (nach ScHMipDrT) 

Helix striata (nach ScHMIDT) 

Buliminus tridens (nach Weiss) 

Buliminus obseurus (nach SCHMIDT) 

Limnaea stagnalis (nach Weiss und ScHnipr) 
Planorbis vortex (nach Weiss). 


[57] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 217 
Von diesen Arten habe ich Planorbis vortex überhaupt 
nieht und Limnaea stagnalis nur einmal auf einer Halde 
des Urueschen Bruches gefunden und habe daher kein 
Urteil darüber, welches die Fundsehiehten dieser Arten sein 
mögen. Duliminus obscurus kenne ich nur aus den Unteren 
Travertinen von Weimar, Taubach und Ehringsdorf. Helix 
bidens und Buliminus tridens kenne ich nur aus den Oberen 
Travertinen von Ehringsdorf, Helix striata aus dem Pariser 
und den Oberen Travertinen von Ehringsdorf. Danach ist 
es mir wahrscheinlich, dals Helix bidens, Helix striata und 
Buliminus tridens in Weimar in den Oberen Travertinen 
— Helix striata vielleieht auch im Pariser — gesammelt 
worden sind. Die übrigen oben angeführten Arten würden, 
gleichviel ob sie zu Weimar in den obersten Lagen der 
Unteren Travertine oder in den Oberen Travertinen ge- 
sammelt worden sein sollten, das Bild, das sich nach meinen 
Aufsammlungen bei Ehringsdorf vom tiergeographischen 
Charakter der Konchylienbestände dieser Schichten ergibt, 
nieht beeinträchtigen. Nach meinen Erfahrungen im Travertin- 
gebiete der Gegend von Weimar halte ich es für sehr wahr- 
scheinlich, dafs auch eine Reihe von mir zu Weimar nicht 
gefundener aber in der Literatur ohne Angabe des Niveaus 
von diesem Fundorte angeführter Arten den Oberen Tra- 
vertinen von Weimar entstammt, so besonders 


Clausilia bidentata, 
Planorbis spirorbis. 


Die Fossilien der Ablagerungen im Hangenden der Travertine. 


Aus diesen Ablagerungen kenne ich an sicher verbürgten 
Fossilien nur einige Reste von Elephas primigenius Blumenb. 
Im Städtischen Museum in Weimar liegen 2 Molaren aus 
einer Spalte in den Travertinen des KAEmPFE schen Bruches; 
da den Stücken Laimenmaterial anhaftet, entstammen sie 
umgelagertem Laimen aus dem Hangenden der Travertine. 
Bei einigen weiteren Stücken sind die Fundverhältnisse 
nicht ganz sicher verbürgt. Das Vorkommen von Elephas 
primigenius in umgelagertem Laimen im Hangenden der 
Travertine dürfte im Sinne einer Wiederkehr kalten, eis- 


218 EwArLp Wüsr, [58] 


zeitlichen Klimas nach der Bildungszeit der Oberen Travertine 
zu deuten sein. 


Der Fossilienbestand der IImablagerungen von Ober-Weimar. 


(Konehylienbestand r.) 


Aufser Verbindung mit den Travertinen oder dem Pariser 
steht das geringfügige, im geologischen Teile der Arbeit 
erwähnte Vorkommen von Ilmablagerungen bei Ober-Weimar, 
zwischen dem Niveau der Unterterrasse und der heutigen 
Ilmaue. Seine Altersbeziehungen zu den bisher besprochenen 
Ablagerungen sind nicht klar. Dals es jünger ist als die 
Ilmablagerungen der Unterterrasse und die Hauptmasse der 
im unmittelbaren Anschlusse daran gebildeten Unteren 
Travertine, erleidet keinen Zweifel. Da gegen Ende der 
Bildungszeit der Unteren Travertine, wie erwähnt wurde, 
offenbar eine Tieferlegung des Ilmbettes begann, wird der 
erwähnte Zeitpunkt als die untere Grenze des Alters der 
Ilmablagerungen von Ober-Weimar anzusehen sein. Mehr 
lälst sieh leider auf Grund der Lagerungsverhältnisse nicht 
sagen. 

Die hier zu besprechenden Ablagerungen lieferten den 
in der grolsen Tabelle aufgezählten Konchylienbestand, den 
ich als den Bestand x bezeichne. Der Bestand umfalst 
16 Konehylien, 8 Landschnecken, 6 Wasserschnecken und 
2 Muscheln. Er ist für eine Flulsablagerung, welche Geniste 
umschlossen hat, sehr arm, wobei allerdings zu berück- 
siehtigen ist, dafs die Sammelgelegenheit in dem kleinen 
vorübergehenden Aufschlusse nieht sonderlich günstig war. 

Der Bestand stimmt in seiner Zusammensetzung mit 
keinem der bisher besprochenen auch nur annähernd über- 
ein und mufs daher zeitlich einer der Lücken in der Schichten- 
folge der bisher besprochenen Ablagerungen entsprechen 
oder der Zeit nach Abschluls der Bildung dieser Ablagerungen 
angehören. Von den minder verbreiteten Arten unseres 
Bestandes kommt Pupa parcedentata auch im Parkhöhlen- 
kiese (Bestand a), Helix striata im Pariser (Bestand g) und 
in einigen Schiehten der Oberen Travertine (Bestände h und i) 
und Olausilia pumila sehlielslich in verschiedenen Schichten 


[59] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 219 


der Unteren wie der Oberen Travertine (Bestände d, e, i) 
vor. Allen bisher besprochenen Ablagerungen gegenüber 


neu sind 
Sueeinea ? Sehumacheri 


Planorbis Rossmaessleri. 


Der Bestand gehört zu dem Typus der im mitteleuropäischen 
Plistozän weit verbreiteten Bestände, welche durch eine 
Mischung arkto-alpiner (in unserem Bestande Pupa parce- 
dentata) und kontinentaler (in unserem Bestande Helix 
striata und wohl auch Olausilia pumila) Elemente gekenn- 
zeichnet sind und dazu sehr häufig Sucecinea Schumacheri, 
eine ausgestorbene, an lebende Arten kontinentaler Gebiete 
Asiens sich nahe anschliefsende Art, und Planorbis Ross- 
maessleri, eine rezente Art von ungenügend bekannter Ver- 
breitung, enthalten. Ein Teil der Elemente dieser Bestände 
muls seither seine klimatische Anpassung geändert haben; 
es fragt sich nur, ob das bei den kontinentalen oder den 
arkto-alpinen Arten der Fall gewesen ist. Da Bestände des 
besprochenen Typus die unmittelbar vor oder während der 
Bildungszeit echter Lösse entstandenen fluviatilen oder 
Sandlösse charakterisieren, dürften sie als Reste von Steppen- 
faunen aufzufassen sein. Danach könnten die Ilmablagerungen 
von ÖOber-Weimar dem Pariser im Alter nahe stehen und 
etwa in der Erosionsperiode unmittelbar vor der Bildung 
des Parisers entstanden sein. 


Die Fossilienbestände der Ilmablagerungen der Mittelterrasse 
von Taubach und Ehringsdorf. 


(Konchylienbestand y.) 


Wie ich bereits im geologischen Teile dieser Arbeit 
dargelegt habe, sind die Ilmablagerungen der Mittelterrasse 
von den bisher besprochenen Ablagerungen durch eine . 
grolse zeitliche Kluft getrennt, in der eine Tieferlegung des 
Ilmtales um mehrere Meter vom Niveau der Mittelterrasse 
bis zu dem der Unterterrasse erfolgte. 

Konchylien habe ich in den Ilmablagerungen und zwar 
den Mergeln der Mittelterrasse an mehreren Stellen des 


220 EwALp Wüsr, [60] 


Taubacher und des Ehringsdorfer Travertingebietes, in der 
GorrscHaL@schen Kiesgrube!) und dem östlieheren der 
beiden SonnrEinschen Brüche bei Taubach und im KAEMPFE- 
schen und im Haugoupschen Bruche bei Ehringsdorf ge- 
sammelt. Die gesammelten Konchylien sind in der grolsen 
Tabelle für das Taubacher und das Ehringsdorfer Travertin- 
gebiet gesondert aufgezählt. Die Bestände der beiden 
Travertingebiete sind einander recht ähnlieh und werden 
daher — als Bestand y — zusammengefalst. Sie umfassen 
zusammen, obgleich ich sehr reichliche Schlämmproben 
untersucht habe, nur 17 Arten, 13 Landschnecken, 3 Wasser- 
schnecken und 1 Muschel. 

Der tiergeographische Charakter des Bestandes Y ist 
demjenigen des Bestandes x der sehr viel jüngeren Ilm- 
ablagerungen von Ober-Weimar recht ähnlich. Wesentlich 
oder vorwiegend arktisch-alpine Arten sind 


Helix tenuilabris 
Pupa columella 
Pupa parcedentata 


sowie Pupa alpestris, der eine in unserem Bestande ge- 
fundene Pupa recht nahe steht. Auf kontinentales Klima 


weisen 
Helix striata 


Pupa eupa var. turemenia. 


1) Die kleine Gottschalgsche Kiesgrube, in der in den letzten 
Jahren nur gelegentlich Kies gegraben wurde, bot in dieser Zeit meist 
recht schlechte Aufschlüsse dar und ist jetzt fast ganz verstürzt. Über 
dem Ilmkiese waren öfters etwa 30 em mächtige konchylienführende, 
braune, mergelige Ilmabsätze aufgeschlossen. Über diesen folgten bis 
etwa 2 m mächtige sandige und grüne, mergelige Ilmablagerungen, die 
indessen zum grolsen Teile Travertinbrocken und Linsen von Travertin- 
schutt enthielten und daher offenbar als nicht in situ befindlich, sondern 
am Gehänge umgelagert zu betrachten waren. Dieser Auffassung ent- 
sprach auch der Konchyliengehalt dieser Ablagerungen. Wo die grünen 
Mergel sich in situ befanden, lieferten sie den Konchylienbestand 
der Ilmablagerungen der Mittelterrasse, wo sie aber mit Travertin- 
brocken versetzt waren, ein buntes Gemisch der Konchylien des Be- 
standes ) und des Bestandes d der Hauptmasse der Unteren Travertine. 
Über den besprochenen Ablagerungen folgte lokal noch bis gegen 1 m 
Travertinschutt und etwas Lölsmaterial. 


[61] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 221 


Von anderweitigen nicht ganz weit verbreiteten Arten kommt 
zu den schon genannten die in Beständen ähnlichen Cha- 
rakters weit verbreitete 


Sueeinea Scehumacheri. 


Gemäls dem bei der Besprechung des Bestandes x 
gesagten dürfte es sich auch im Bestande y um die Reste 
einer Molluskenfauna aus einer Zeit kontinentalen Steppen- 
klimas handeln. Im gleichen Sinne kann das Vorkommen 
der einzigen bisher nachgewiesenen Säugetierart, des Klephas 
primigenius Blumenb. gedeutet werden. Dieser ist durch 
einen prächtig erhaltenen Milchmolaren aus dem Ilmkiese des 
HaugoLpschen Bruches (Sammlung REBLING in Weimar) !) 
und zwei zusammengehörige Unterkiefermolaren aus dem 
„Letten* des Karmpreschen Bruches (Städtisches Museum 
in Weimar) vertreten. Die Stücke gehören zweifellos einer 
altertümlichen Form des Elephas primigenius Blumenb. an 
und könnten vielleicht sogar einer bereits recht primigenrus- 
ähnlichen Form des Elephas Trogontherü Pohl. zugerechnet 
werden.?2) Bei der Bedeutung der Stücke, deren Fund- 
schiehten erfreulicher Weise vollkommen sicher verbürgt 
sind, gebe ich in der folgenden Tabelle eine Charakteristik 


derselben — unter Weglassung des schlechter erhaltenen 
der beiden Unterkiefermolaren des Gebisses aus dem 
Karmpresehen Bruche — nach dem von mir stets für 


die Beschreibung von Elefantenbaekzähnen angewandten 
Schema.?) In die Tabelle nehme ich auch das Hinterende 


1) Bei der hinlänglich bekannten Schwierigkeit der Bestimmung 
von Elefanten-Milchmolaren, war es mir sehr wertvoll, in der gerade 
auf dem Gebiete der Elefanten-Backzähne ungewöhnlich reichhaltigen 
Reblingschen Sammlung zwei analoge Milchmolaren von Elephas 
antiquus aus den Unteren Travertinen von Taubach vergleichen zu 
können. Diese weichen von dem Ehringsdorfer Zahne u. a. durch 
deutlich rautenförmige Kaufiguren, längere Zementintervalle und auch 
breitere Schmelzbänder recht erheblich ab. 

?) Bekanntlich sind Elephas Trogontherii Pohl. und E. primi- 
genius Blumenb. durch vollständige Übergänge miteinander verbunden, 
so dafs die Abgrenzung dieser beiden Elefantenformen voneinander 
etwas willkürlich ist. 

°) Vgl. Wüst, Untersuchungen über das Pliozän und das älteste 


222 EwALp Wüst, [62] 


Fundort. . . . . . .| Ehringsdorf, | Ehringsdorf, Weimar, 
Haubold Kaempfe Lämmerhirt 
San lUNnpEEE Rebling, |Städt. Museum | Städt. Museum 
: Weimar Weimar Weimar 
Stellung im Gebisse . .|MMII.? mand.| M III. mand. M 
sin. sin. 
Erhaltungszustand . . . gut gut gut 
Lamellenformel . . . . x8x — 22x — 9 
Abkauungsgrad . . . .|x— VII Kaufl.| I—IX Kaufl. | I-VI Kauf. 
x—lIkompl.| V kompl. | I(II) kompl. 
x 
Tban ge sepe Eeer 65 mm 245 mm 142 mm 
Breite gg Eye 33 mm ca. 65 mm 75 mm 
Höhe. . . .. .....| VI 38 mm |(VIIIea.130mm| VI 148 mm 
Länge: Lamellenzahl . .| 65:8=8$,1 [(185:19=9,7)})| 130:9 = 14,4 
Lamellenumrifs . . . .| nach unten | nach unten | nach unten 
verbreitert | verschmälert | verschmälert 
Form der Kaufiguren. .| bandförmig | bandförmig | bandförmig 
Verschmelzungstypus der 
Kaufiguren . . . . . unklar unklar med. lam. lat. 
ann. 


eines ähnlichen Molaren des Städtischen Museums in Weimar 
(Nr. 613) auf, welches beim LÄmmErHIRTschen Neubau auf 
dem Goetheplatze in Weimar in einem Ilmkiese gefunden 
wurde, dessen Niveau nicht exakt ermittelt worden ist, aber 
schätzungsweise dem der Ilmablagerungen der Mittelterrasse 
entsprechen dürfte. 


Bemerkenswertere Fossilien unsicherer Herkunft. 


Für die Ermittelung der Aufeinanderfolge der Fossilien- 
bestände im Travertingebiete der Gegend von Weimar konnte 
Pleistozän Thüringens usw., Stuttgart 1901 (auch Abhandl. der natur- 
forschenden Gesellschaft zu Halle a. S., Bd. 23), 8. 246 ff. 

!) Im oberen Teile der Zahnkrone gemessen und berzeingt: nach 
unten divergieren die Lamellen beträchtlich. 


[63] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 223 


ich leider die überwiegende Mehrzahl der in den Samm- 
lungen vorhandenen oder in der Literatur erwähnten Fossilien 
nieht verwerten, weil ihre Fundstellen und Fundschichten 
nieht oder nieht genügend sicher verbürgt sind. Es ist das 
um so bedauerlicher, als die Bedingungen für das Sammeln 
von Fossilien, besonders von Säugetierresten, heutzutage 
unvergleichlich viel ungünstiger geworden sind, als sie früher 
waren. Allein eine gewissenhafte Prüfung alles dessen, was 
wir über den Fossiliengehalt der Ablagerungen unseres 
Travertingebietes insgesamt wissen, lehrt, dafs sich daraus 
keine Bedenken gegen die in den vorausgehenden Ab- 
schnitten entwiekelten Ergebnisse hinsichtlich der Aufein- 
anderfolge der Fossilienbestände in unserem Travertingebiete 
herleiten lassen. 

In diesem Zusammenhange möchte ich nur noch be- 
sonders hervorheben, dafs in den verschiedenen Sammlungen 
eine nicht ganz unbeträchtliche Zahl von Säugetierresten 
mit den Fundortsbezeichnungen „Weimar“, „Taubach“ oder 
„Ehringsdorf“ liegt, welehe nieht von Vertretern der Antiquus- 
sondern von solehen der Primigenius-Fauna herrührt. Hier- 
her gehören insbesondere Reste von Elephas primigenius 
Blumenb., Rhinoceros autiquitatis Blumenb. und KRangifer. 
Ein Vorkommen von Vertretern der sogenannten Primigenius- 
Fauna konnte ich für folgende Schichten mit Sicherheit 
feststellen: 


1. Imablagerungen der Mittelterrasse (Elephas primi- 
genius oder allenfalls Trogontherit); 

2. Älteste Schichten der Oberen Travertine mit Kon- 
chylienbestand h (Rhinoceros antiquitatis); 

3. Ablagerungen im Hangenden der Oberen Travertine 
(Elephas primigenius). 


Nach meinen Ermittelungen über den tiergeographischen 
Charakter der Konchylienbestände der verschiedenen Ab- 
lagerungen dürften indessen noch in anderen Schichten, ins- 
besondere in den Ilmablagerungen der Unterterrasse, in den 
untersten Unteren Travertinen mit Konchylienbestand b, in 
den obersten Unteren Travertinen mit Konchylienbestand f 
und im Pariser Vertreter der Primigenius-Fauna zu erwarten 


224 EwAup Wüsr, [64] 


sein, so dals also genügend Schichten vorhanden wären, 
aus denen die in den Sammlungen liegenden, z. T. dem 
Erhaltungszustande nach sicher aus Travertin stammenden 
Reste von Tieren der Primigenius-Fauna stammen könnten. 

Für die mit der Fundortsbezeichnung „Taubach“ im 
. Geologiseh-Mineralogischen Institute in Halle a. S. liegenden, 
ihrem Erhaltungszustande nach sicher aus Travertin stam- 
menden Reste von Elephas primigenius!) und Rhinoceros 
antiquitatis?2) könnte nach dem gesagten angenommen 
werden, dals sie aus den untersten Travertinlagen mit 
Konehylienbestand b stammen. Ich bin aber keineswegs 
sicher, dafs die Stücke nieht etwa von Weimar stammen, 
weil offensichtlich in den älteren Sammlungen auf die 
Unterscheidung der Fundplätze Weimar und Taubach wenig 
Wert gelegt worden ist. 

Von Resten von kangifer kenne ich aus dem ganzen 
Travertingebiete nur die im Geologisch - Mineralogischen 
Institute in Halle a. S. vorhandenen. Diese stammen ihrem 
Erhaltungszustande nach ziemlich sicher aus Travertin. 
Nach PonLıG?3) scheinen sie aus den oberen Travertinlagen 
von Weimar zu stammen und dürften danach am ehesten 
Travertinlagen in der Nachbarschaft des Parisers, wie sie 
ja in Ehringsdorf Rhinoceros antiquwitatis geliefert haben, 
zuzuschreiben sein. 

Die in mehreren meiner Vorläufigen Mitteilungen?) ent- 
haltene Angabe, dals in den untersten Lagen der Unteren 
Travertine Elephas primigenius und Rhinoceros antiquitatis 
nachgewiesen seien, muls ich zurücknehmen. Die Angabe 
über Ithinoceros antiquitatis beruhte auf einem in einem 
Travertinblocke steckenden Schädelreste des Städtischen 
Museums in Weimar, der nach Angabe des Herrn Kustos 


1) Vgl. Wüst, Untersuchungen über das Pliozän und das älteste 
Pleistozän Thüringens usw., Stuttgart 1901 (auch Abhandl. der natur- 
forschenden Gesellschaft zu Halle a. S., Bd. 23), S. 260—261. 

2) Vgl. Wüst, a.a.O., S. 77, 

3) Die Cerviden des thüringischen Diluvialtravertines (Palaeonto- 
graphica, Bd. 39, 1892), S. 243. 

4) Centralblatt für Mineralogie usw., 1908, $. 199. 210; Zeitschrift 
für Naturwissenschaften, Bd. 80, 1908, $. 126; Bericht über die Prä- 
historiker-Versammlung usw., 1909, 8. 77. 84. 


[65] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 225 


MÖLLER im Karmpreschen Bruche in Ehringsdorf in den 
Unteren Travertinen etwa 1'!/; m über deren Basis gefunden 
wurde. Diese Angabe scheint indessen trotz ihrer Genauig- 
keit unzutreffend zu sein, worauf mich Herr Bauinspektor 
ReBLInNG aufmerksam gemacht hat. Der Travertinhlock 
zeigt nämlich einen so unreinen Travertin, wie er im 
Karmpre schen Bruche in den Unteren Travertinen — ab- 
gesehen von den unmittelbar an den Pariser grenzenden 
Lagen — nicht vorkommt, dagegen aber in den Oberen 
Travertinen häufig angetroffen wird. Die Angabe über 
Elephas primigenius beruhte auf zwei Backzähnen der 
RegrLıngsehen Sammlung, welehe nach ReBLıng aus den 
Unteren Travertinen des KAErmpreschen Bruches stammen. 
Beiden Stücken haftet Travertin an. Der Travertin an dem 
einen der Stücke schlielst Gerölle ein. Daraus glaubte ich 
wenigstens für dieses Stück eine Herkunft von der Basis 
der Unteren Travertine annehmen zu müssen, an der ja im 
Travertingebiete der Gegend von Weimar manchmal, nämlich 
wenn der Travertin direkt dem liegenden Kiese auflagert, 
dureh Travertinmaterial verkitteter Kies vorkommt. Allein 
neuere Aufschlüsse im KAEMPFEschen Bruche lehrten mich, 
dals hier die Travertine durch mergelige Ilmabsätze von 
den Kiesen getrennt sind und daher auch keine Konglo- 
merate an der Basis der Travertine vorhanden sind. Da- 
gegen kommen im KAEnmpreschen Bruche durch Travertine 
verkittete Kiese an der Basis des Parisers vor. Eine 
Herkunft der Stücke von der Grenze zwischen den Unteren 
Travertinen und dem Pariser würde in gutem Einklange 
mit dem tiergeographischen Charakter des wenig unter der 
Basis des Parisers gesammelten Konehylienbestandes f stehen. 
Umgekehrt aber würde jetzt meine alte Annahme, dafs die 
Zähne von Elephas primigenius von der Basis der Unteren 
Travertine des. Karmpreschen Bruches stammen, insofern 
Schwierigkeiten bereiten, als jetzt nach der Scheidung von 
Mittel- und Unterterrasse und den daran sich anschliefsenden 
Umdeutungen an der Basis der auf der Mittelterrasse auf- 
lagernden Unteren Travertine des KAEmpreschen Bruches 
nicht Reste der Primigenius- sondern solehe der Antiquus- 
Fauna zu erwarten sind. 
Zeitschr, f. Naturwiss. Halle a. S. Bd. 82, 1910, 15 


226 Ewaup Wüsrt, [66] 


Zusammenfassung. 


Aus den Beobachtungen und Erörterungen, welche in 
den vorausgehenden Abschnitten mitgeteilt worden sind, 
ergibt sich das folgende Bild von den Klimaschwankungen, 
welelle sich während der Bildungszeit der verschiedenen 
plistozänen Ablagerungen des Travertingebietes der Gegend 
von Weimar abgespielt haben. 

Die Ilmablagerungen der Mittelterrasse mit dem aus 
arkto-alpinen und kontinental-südosteuropäischen Elementen 
gemischten Konchylienbestande y und einer altertümlichen 
Form des Elephas primigenius dürften unter einem konti- 
nentalen Steppenklima entstanden sein. Ihre Bildungszeit 
ist von derjenigen der Ilmablagerungen der Unterterrasse 
durch eine längere Zeit getrennt, in welcher eine Tiefer- 
legung des Ilmbettes um 9 m erfolgte. 

Die Ilmablagerungen der Unterterrasse sind in ihrer 
Hauptmasse mit dem arkto-alpinen Konchylienbestande a 
unter einem kalten Klima, wie es heute in der Nähe der 
Baumgrenze im hohen Norden und in den Hochgebirgen 
Europas herrseht entstanden. Die obersten Lagen derselben 
Ilmablagerungen und die unmittelbar darüber folgenden 
untersten Unteren Travertinen mit dem Konehylienbestande b, 
welcher sich, von einem alpinen Elemente abgesehen, am 
nächsten an die Molluskenfaunen des nordöstlichen palä- 
arktischen Rufsland anschliefst, sind unter einem merklich 
wärmer gewordenen Klima entstanden. Zeitlich folgen jetzt 
wahrscheinlich diejenigen Lagen der Unteren 'T'ravertine, 
welehe den ziemlich indifferenten Konchylienbestand c ge- 
liefert haben, und zweifellos unter einem noch wärmer 
gewordenen Klima abgelagert worden sind. Die nun folgende 
Hauptmasse der Unteren Travertine mit Resten der Antiquus- 
Fauna und dem überaus reichen Konehylienbestande Dd, 
weleler sich am nächsten an die Molluskenfaunen der 
Böhmischen Masse, der Karpathenländer und der tieferen 
Regionen der Ostalpenländer anschlielst, ist unter einem 
bereits recht warmen gemälsigten Waldklima entstanden, 
welehes einen merklieliı kontinentaleren Charakter besafs 
als das heute im grölsten Teile des Deutschen Mittelgebirgs- 
landes herrschende. Die etwas Jüngeren Lagen der Unteren 


[67] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 227 


Travertine mit dem ziemlich indifferenten Konchylien- 
bestande e sind unter einem ähnlichen, aber wohl etwas 
kontinentaleren Klima entstanden. Die jüngsten Lagen der 
Unteren Travertine mit dem stark verarmten Konchylien- 
bestande f sind unter wesentlich kontinentalerem Klima 
entstanden. Dieses leitet über zu der Zeit der Lölsbildung, 
welehe aus geologischen Gründen die der Lücke zwischen 
den Unteren Travertinen und dem Pariser und unter Um- 
ständen auch noch einem Teile des Parisers entsprechende 
Zeit darstellt. Der Pariser, welcher meistens fossilienfrei 
ist, und nur lokal den ärmlichen Konchylienbestand g ge- 
liefert hat, ist noch unter einem kontinentalen Steppenklima 
entstanden. Die ältesten Lagen der Oberen Travertine mit 
. dem etwas reicheren Konehylienbestande 5 und einer Reihe 
von Säugetieren, unter denen Khinoceros antiquitatis als 
typischer Vertreter der Prömigenius-Fauna besonders be- 
merkenswert ist, gehören ähnlich wie die obersten Schiehten 
der Unteren Travertine mit dem Konchylienbestande f dem 
Übergange zwischen kontinentalem Steppen- und gemäfsigtem 
Waldklima an. Die jüngeren Lagen der Oberen Travertine 
mit den reicheren Konchylienbeständen i und f sind unter 
einem warmen gemälsigten Waldklima entstanden, welches 
einen merklich kontinentaleren Charakter als das heute im 
grölsten Teile des Deutschen Mittelgebirgslandes herrschende 
besals. Der Konchylienbestand i besitzt einen merklich 
kontinentaleren Charakter als der Konchylienbestand f£. 
Letzterer ist, soweit sich das bereits sicher beurteilen läfst, 
dem Konchylienbestande d der Hauptmasse der Unteren 
Travertine recht ähnlich. Seine Fundschicht hat auch 
Rhinoceros Merckü, einen typischen Vertreter der für die 
Schichten mit dem Konchylienbestande d so charakteristischen 
Antiquus-Fauna geliefert. Das Vorkommen von Patula 
ruderata, welche sonst im Travertingebiete nur noch in dem 
Konchylienbestande b angetroffen wurde, in dem Konchylien- 
bestande f, deutet bereits auf den Beginn einer erneuten 
Temperaturdepression hin. Die Gehängesehuttmassen im 
Hangenden der Oberen Travertine, in denen Zlephas primi- 
genius nachgewiesen ist, dürften zum Teile einer Zeit kalten 
Klimas ihre Entstehung verdanken. 


15* 


228 Ewap Wüst, [68] 


Die unter dem Niveau der Unterterrasse gelegenen 
Ilmablagerungen von ÖOber-Weimar mit dem Konchylien- 
bestande x, weleher dem Konchylienbestande y sehr ähnlich 
ist, dürften unter einem kontinentalen Steppenklima ent- 
standen sein. Zeitlich sind diese Ablagerungen vielleicht 
zwischen den Unteren Travertinen und dem Pariser ein- 
zuschieben. 

Ich mache nun zum Sehlusse den Versuch, die Aufein- 
anderfolge der behandelten Fossilienbestände (A = Antiquus- 
Fauna, B —= Primigenius-Fauna) im Rahmen einer schema- 
tischen Klimakurve darzustellen. — Siehe S. 252 [92]. — Ich 
unterscheide dabei eis- und interglazialzeitliches Klima bezw. 
Eis- und Interglazialzeiten im Sinne von Zeiten einer das 
gegenwärtige Mals über- oder unterschreitenden Gletscher- , 
entfaltung auf der Erde und — in Anlehnung an die Be- 
zeichnungsweise von PENcK und BRÜCKNER — Zeiten, in 
denen unsere Gegend ihren klimatischen Verhältnissen ent- 
sprechend im wesentlichen von Gletschereis, Tundra, Wald 
oder Steppe bedeckt war. Es ist klar, dafs die Grenzen 
zwischen Eis- und Interglazialzeiten im oben angegebenen 
Sinne durch die Waldzeiten hindurchlaufen müssen, doch ist 
ihre Lage innerhalb der Waldzeiten vorläufig noch nicht 
genau und sicher zu bestimmen. 


Einordnung 
der Ablagerungen des Travertingebietes der Gegend 
von Weimar in die Chronologie des Eiszeitalters. 


Im Folgenden will ich versuchen, die Ablagerungen 
des Travertingebietes der Gegend von Weimar in die 
Chronologie des Eiszeitalters einzuordnen. Bei diesem Ver- 
suche gehe ich zweekmälsig von der Stellung der Löls- 
und nordischen Glazialablagerungen Thüringens und des 
östliehen Harzvorlandes in der Chronologie des Eiszeitalters 
aus. Die Stellung der erwähnten Ablagerungen in dieser 
Chronologie habe ich bereits früher näher begründet!) und 


!) Diese Zeitschrift, Bd. 80, 1908, 8.129 ff. und in meinem Auf- 
satze über „Die Gliederung und die Altersbestimmung der Lölsablage- 


[69] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 229 
in der im Folgenden wiedergegebenen Tabelle kurz und 
übersichtlich dargestellt.!) 
Thüringen und Östliches Harzvorland 
Abschnitte I. In II. IV. 
des nie einmal | zweimal dreimal 
Eiszeitalters vereist vereist vereist vereist 
gewesene | gewesene | gewesene | gewesene 
Zone | Zone Zone Zone 
I. (Günz-) Eiszeit — — _ E= 
1.(Günz-Mindel-) _ = — — 
Interglazialzeit 
II. (Mindel-) — Nordisches | Nordisches | Nordisches 
Eiszeit Glazial der | Glazial der | Glazial der 
I. Vereisung I. Vereisung I. Vereisung 
2.(Mindel-Rifs-) | Älterer Älterer — ne 
Interglazialzeit Löls Löfs 
III. (Rifs-) _ _ Nordisches | Nordisches 
Eiszeit Glazial der | Glazial der 
‚Il. Vereisung II. Vereisung 
3.(Rifs-Würm-) Jüngerer Jüngerer Jüngerer _ 
Interglazialzeit Löls Löls Löls 
IV. (Würm-) _ _ _ Nordisches 
Eiszeit Glazial der 
| IIIL.Vereisung 
Postglazialzeit Jüngster Jüngster Jüngster Jüngster 
Löls Löls Löls Löls 


rungen Thüringens und des Östlichen Harzvorlandes“ im Centralblatt 
für Mineralogie usw., 1909, 8. 385—392. Diese meine Ausführungen 
haben seitens L. Siegert, E. Naumann und E. Picard in deren 
Aufsatze „Über das Alter des Thüringischen Lösses. (Eine Antwort 
an Herrn Wüst)“ im Gentralblatt für Mineralogie usw., 1910, S. 98—112 
eine Kritik erfahren, welche indessen nicht im geringsten dazu angetan 
ist, meine Einordnungsversuche zu limitieren, wie ich demnächst im 
Centralblatt für Mineralogie usw. näher darlegen werde. 

!) Centralblatt für Mineralogie usw., 1909, $.392. In der hier 
gegebenen Tabelle habe ich für die 2. oder Mindel-Rifs-Interglazialzeit 
und für die III. oder zweimal vereist gewesene Zone angegeben „An 


230 Ewarn Wüst, [70] 


Die Gegend von Weimar gehört in die II. (einmal 
vereist gewesene) der vier in der Tabelle untersehiedenen 
Zonen.t) Von den in der Tabelle aufgezählten Ablagerungen 
läfst sieh keine mit vollständiger Sicherheit in den Profilen 
unseres Travertingebietes erkennen. Nordische Glazial- 
ablagerungen fehlen in unseren Profilen vollständig, doch 
beweisen alle in dieser Arbeit behandelten Ablagerungen 
unseres Travertingebietes durch ihren Gehalt an nordischem 
Gesteinsmateriale, dals sie nach der — einzigen — Ver- 
eisung unserer Gegend in der Il. oder Mindel-Eiszeit ent- 
standen sind. Löfs tritt uns in unseren Profilen einerseits 
in Gestalt des Parisers, andererseits im Hangenden der 
Travertine entgegen, doch ist es in keinem Falle ganz 
sicher, dafs es sich um echten, äolischen Löfs handelt. 
Wie oben gezeigt wurde, folgt auf die Bildungszeit der 
Unteren Travertine eine Periode der Löfsbildung, in der 
oder in derem Gefolge der Pariser gebildet wurde. Die 
Gesteinsentwickelung des Parisers sprieht dafür, dals dieser 
nieht in der — oder im Ansehlusse an die — Bildungszeit 
des Älteren, sondern in derjenigen des Jüngeren Lösses 
entstanden ist, doch sind seine Beziehungen zu unseren 
beiden Hauptlöfsformationen nicht ganz sieher aus seiner 
Gesteinsbeschaffenheit zu ermitteln, zumal die für die Unter- 
scheidung von Älterem und Jüngerem Lösse so wichtige 
Ausbildung der Löfskindel im Pariser eine abnorme, offenbar 
auf Zuführung von Kalkkarbonat aus den kalkhaltigen 
Gewässern, aus denen sieh die Oberen Travertine absetzten, 
zurückzuführende ist. Im Hangenden der Travertine findet 
sich nirgends ein Löls, der mit echtem Jüngerem Lösse zu 
verwechseln wäre. Die hier vorhandenen Lölsbildungen 
sind zum gröfsten Teile ganz zweifellos umgelagerter Löls 
oder Laimen. Die vielleicht als echte Lösse anzusprechenden 


der Südgrenze lokal älterer Löls“. Diese Angabe habe ich in der 
oben gegebenen Tabelle nicht wiederholt, weil sie auf von Siegert 
und Genossen a.a.0. für unzutreffend erklärten Beobachtungen von 
Dammer und Wahnschaffe beruht. 

1!) Vgl. auch P. Michaels Arbeit „Beiträge zur Kenntnis der 
eiszeitlichen Ablagerungen in der Umgebung von Weimar“ im Jahres- 
berichte des grolsherzoglichen Realgymnasiums zu Weimar von 1908. 


[71] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 231 


Bildungen im Hangenden der Travertine zeigen die gering- 
mächtige Entwickelung und etwas unreine Beschaffenheit, 
wie sie für den Jüngsten Löls eharakteristisch ist. Das 
Fehlen von Jüngerem Lösse auf den grofsen, recht ebenen 
Flächen auf den Travertinen sprieht dafür, dals die Obersten 
Travertine jünger als der Jüngere Löfs sind, der aufser- 
halb des Travertingebietes aber ganz in der Nähe desselben, 
etwas höher am Gehänge oft genug vorhanden ist. 

Die erörterten Verhältnisse sprechen dafür, dals der 
Pariser in oder unmittelbar nach und die Oberen Travertine 
nebst ihrem Hangenden erheblich nach der Bildungszeit des 
Jüngeren Lösses entstanden sind. 

Die Terrassen, auf welehe die im Travertingebiete vor- 
handenen Ilmablagerungen verteilt wurden, gehören Flufs- 
terrassen an, welche sich durch ganz Thüringen !) verfolgen 
lassen und bisher am genauesten im Saaletale untersucht 
und in einem ansehnlichen Teile dieses Tales bereits genau 
kartiert worden sind.?2) In dem grofsen Verbreitungsgebiete 
dieser Terrassen ist es an verschiedenen Stellen möglich 
gewesen, ihre Altersbeziehungen zu den verschiedenen Löls- 
und nordischen Glazialablagerungen Thüringens zu ermitteln. 
Die Flufsterrassen Thüringens, speziell des Saaletales, werden 
Jetzt von den Geologen der Königl. Preufsischen Geologischen 
Landesanstalt in folgende Terrassen gegliedert: 


1) In den folgenden Erörterungen werden unter dem Ausdrucke 
„Thüringen“ das Östliche Harzvorland und die angrenzenden Teile der 
Leipziger Flachlandsbucht bis zur Gegend zwischen Halle und Leipzig 
mit einbegriffen. 

2) Vgl. besonders K. Wolff, Die Terrassen des Saaletals usw. 
(Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde, Bd. 18, Heft 2, 
1909. — Mit sorgfältigem Literaturverzeichnisse, auf das um so mehr 
hingewiesen sei, als die im Folgenden zitierten Publikationen der Kgl. 
Preufsischen Geologischen Landesanstalt die nicht von Angehörigen 
dieser Anstalt herrührenden Arbeiten ganz ungenügend zitieren); 
L. Siegert, Bericht über die Begehungen der diluvialen Ablagerungen 
an der Saale usw. (Jahrbuch der Kgl. Preufsischen Geologischen Landes- 
anstalt für 1909, Bd. 30, Teil II, Heft 1, „1909“, S.1-46, Tafel 1); 
Geologische Karte von Preufsen usw., Blätter Jena (3. Auflage), 
Naumburg (2. Auflage), Weilsenfels, Lützen, Merseburg (West), Merse- 
burg (Ost), Halle (Süd) und Dieskau, bearbeitet in der Hauptsache von 
E. Naumann, E.Picard, L. Siegert und W. Weifsermel, „1909*. 


232 Ewarn Wüsrt, [72] 


Die erste präglaziale Terrasse. 

Die zweite präglaziale Terrasse. 

dritte präglaziale Terrasse. 

Die vierte präglaziale Terrasse. 

höhere Terrasse der I. Interglazialzeit. 

Die tiefere oder Hauptterrasse der 1. Interglazialzeit. 
Die Terrasse der I. Interglazialzeit. 

ie postglaziale Terrasse. 

Der alluviale Talboden. 


om Hm 
= 
{a} 


ut 
SQ 
[q>) 


sonn$ 
= 
© 


In diesem Gliederungsschema bedeutet Präglazialzeit 
die Zeit vor der ersten Vereisung Thüringens, 1. Inter- 
glazialzeit die Zeit zwischen der ersten und der zweiten 
Vereisung Thüringens, 2. Interglazialzeit die Zeit zwischen 
der zweiten und der dritten Vereisung Thüringens und Post- 
glazialzeit die Zeit nach der dritten Vereisung Thüringens. 
Mit der eben mitgeteilten Gliederung und der in ihr aus- 
gesprochenen Altersbestimmung der einzelnen Terrassen bin 
ich in einigen Punkten nieht einverstanden, will aber darauf 
bier nur insoweit eingehen, als es für die Altersbestimmung 
der Terrassen unseres Travertingebietes erforderlich ist. 

Von den Terrassen des Travertingebietes läfst sich die 
Oberterrasse am sichersten in das Gliederungsschema der 
Landesanstalt einordnen. Sie läfst sich durch das untere 
Ilmtal, in dem sie von CoMPTER!) als Oberterrasse bezeichnet 
worden ist, bis in die „Hauptterrasse der ersten Interglazial- 
zeit“ im Saaletale verfolgen. Dafs die „Hauptterrasse der 
ersten Interglazialzeit“ zwischen der ersten und der zweiten 
Vereisung Thüringens entstanden ist, erleidet keinen Zweifel; 
ihre bezw. ihrer einzelnen Teile speziellere Stellung inner- 
halb dieses grolsen Zeitraumes soll hier unerörtert bleiben. 

Die Unterterrasse des Travertingebietes, deren Ilm- 
ablagerungen 2—5 m über der heutigen Aue liegen, findet 
ilmabwärts ihre Fortsetzung in der von CoMmPTeEr!) als 
Unterterrasse bezeichneten Terrasse, deren Ilmablagerungen 
etwa 5—10 m über der heutigen Aue liegen und am 


») Das Diluvium in der Umgegend von Apolda, diese Zeitschrift 
Bd. 80, 1908, S. 161—217, Tafel 3, 


[73] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 233 


Mädehensee zwisehen Ober- und Nieder-Rolsla einen dem- 
jenigen unserer Travertine — speziell dem als d bezeich- 
neten — recht ähnlichen Fossilienbestand geliefert haben. !) 
Im Saaletale unterhalb der Ilmmündung ist mir auf eine 
lange Strecke hin keinerlei Terrasse bekannt, welche als 
Fortsetzung unserer Unterterrasse mit einiger Wahrschein- 
liehkeit anzusehen wäre. Erst die von SIEGERT in der 
Gegend von Öglitzsch bis Kriegsdorf?) als „Saaleterrasse 
der II. Interglazialzeit“ kartierte Terrasse, deren Kiese und 
Sande 2—5 m iiber der heutigen Aue liegen, scheint mir 
die Fortsetzung unserer Unterterrasse zu bilden. Die Geo- 
logen der Landesanstalt suchen allerdings die Fortsetzung 
dieser Terrasse flnfsaufwärts in wesentlieh höher gelegenen 
Terrassen, deren Sehottersohlen bei Uichteritz bei Weilsen- 
fels 7, am Köppelberge bei Sehulpforta 15 und im Bereiche 
des Blattes Jena 9—11 m über der heutigen Aue liegen.°) 
Diese Verbindung halte ich indessen für verfehlt, weil nach 
ihr die besprochene Terrasse ein stärkeres Gefälle besitzen 
würde als die „Hauptterrasse der ersten Interglazialzeit“, 
während nach allem, was wir über die Gefällsentwiekelung 


1) Compter, a.a.0., S. 172-173 und 201—203. Hier werden 
u. a. Elephas antiquus und 20 Konchylienarten angeführt. Ich habe 
durch weiteres Sammeln an dem interessanten, von Compter ent- 
deekten Fundpunkte die Zahl der Konchylienarten auf ungefähr 60 
gebracht. Von diesen zahlreichen Arten fehlt lediglich Sphaerium 
corneum Lin. sp. den Travertinen der Gegend von Weimar. Dem Be- 
stande d fehlen nur 4—8 der am Mädchensee gefundenen Arten. Von 
Arten, welche für den Bestand d besonders charakteristisch sind, 
konnten am Mädchensee u. a. nachgewiesen werden: Daudebardia 
rufa, D. brevipes, Vitrea subrimata, Patula solaria, Pupa doliolum, 
P. edentula, P. Moulinsiana, Clausilia cana, Ol. pumila, Ol. plicatula, 
Cl. filograna und Belgrandia sp. Von Arten, welche für andere Be- 
stände des Weimarer Travertingebietes besonders charakteristisch sind, 
fand ich am Mädchensee: Helix striata, Clausilia ? bidentata und 
Planorbis glaber. Ich berichte später an anderer Stelle ausführlicher 
über die am Mädchensee gesammelten Konchylien. 

2) Blätter Lützen und Merseburg (Ost). 

®) Im Zusammenhange mit dieser Auffassung steht die von 
Naumann, Picard und Siegert (Öentralblatt für Mineralogie usw., 
1910, 8. 111) vertretene, dals die Unterterrasse des Travertingebietes 
von Weimar der postglazialen Saaleterrasse entspreche, 


234 EwALp Wüsrt, [74] 


der Terrasse des Saaletales wissen, die Gefällskurven der 
Terrassen sich nach der Gegenwart zu immer mehr der 
Gefällskurve des heutigen Flulstales nähern, eine Ersehei- 
nung, der sich nach der von mir angenommenen Verbindung 
die Gefällsverhältnisse der aus der Unterterrasse des Ilm- 
tales und der „Terrasse der II. Interglazialzeit“ zwischen 
Öglitzsch und Kriegsdorf zusammengesetzten Flulsterrasse 
unterordnen. Für seine Zurechnung der Terrasse zwischen 
Öglitzsch und Kriegsdorf zu der Zeit zwischen der zweiten 
und der dritten Vereisung Thüringens kann SIEGERT keine 
scharfe Begründung geben. Er geht von der unbestreitbar 
richtigen Voraussetzung aus, dals in dem von ihm kartierten 
Gebiete irgendwelche Flufsablagerungen aus der Zeit 
zwischen den beiden letzten Vereisungen Thüringens vor- 
handen sein müssen und erbliekt solehe, ohne das näher 
begründen zu können, in der erwähnten Terrasse, die sich 
dem Niveau nach zwischen der „Hauptterrasse der ersten 
Interglazialzeit“ und der niedersten über die heutige Aue 
emporragenden von SIEGERT als postglazial oder altalluvial 
bezeichneten Terrasse, deren Flulsablagerungen bis unter 
den heutigen Talboden hinabreichen, einsehiebt. Dals diese 
Terrasse tatsächlich vor der dritten Vereisung Thüringens 
entstanden ist, ergibt sich daraus, dals unterhalb Halle im 
Saaletale nordische Glazialablagerungen bis unter das Niveau 
der heutigen Aue, also tiefer als die Ablagerungen der be- 
sprochenen Terrasse hinabreichen.!) Der gleichen Inter- 
glazialzeit sind indessen auch noch tiefer gelegene, bis 
etwa in das Niveau der heutigen Aue hinabreichende Fluls- 
ablagerungen zuzureehnen, weil solehe, soweit man urteilen 
kann, noch von dem der letzten Interglazialzeit angehörenden 


1) Die kleine Kiesgrube östlich von der Wasserglasfabrik an der 
Saale unterhalb von Halle-Trotha schliefst typische Schmelzwasserkiese 
auf, welche zum Teile von Gehängeschutt oder von einem dünnen 
— bis 60 em mächtigen — anscheinend in situ befindlichen Geschiebe- 
mergelreste überlagert werden. Die Schmelzwasserkiese reichen, nach 
den Höhenkurven des Melstischblattes Halle-Nord und der Messung 
der Grubenwand beurteilt, bis zu einem Niveau von 73,5 m ü. NN. 
hinab. Die heutige Saaleaue liegt hier — von den Rinnen verlandeter 
Saalearme abgesehen *- zwischen 73,75 und 75 m ü. NN, 


[75] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 235 


Jüngeren Lösse bedeekt werden.!) Danach ist es sehr wohl 
möglich, dafs die unter dem Niveau der Unterterrasse ge- 
legenen Ilmablagerungen von Ober-Weimar der Bildungszeit 
des Jüngeren Lösses angehören oder zeitlich nahe stehen, 
was mit der 8. 218—219 gemachten Annahme, dals diese 
Ablagerungen der Bildungszeit des Parisers angehören oder 
zeitlich nahe stehen, im Einklange steht. 

Da die Schotter der Weimarer Unterterrasse einerseits 
unter eiszeitlichen Klimaverhältnissen entstanden sind, 
andererseits aber vor der Würm-Eiszeit abgelagert worden 
sein müssen, können sie nur dem Ausgange der Rifs- Eiszeit 
zugeschrieben werden. Danach müssen die Ablagerungen 
der Mittelterrasse der Rifls-Eiszeit oder wahrscheinlicher 
— da sie anscheinend kaum unter eiszeitlichem Klima ent- 
standen sind — der Mindel-Rils- Interglazialzeit zugerechnet 
werden. Im Ilmtale unterhalb von Weimar kenne ich zur 
Zeit keine Fortsetzung unserer Mittelterrassenschotter. Im 
Saaletale dürften ihnen die bereits oben erwähnten mit 
ihrer Basis 9—11 bezw. 7 m über der Aue liegenden 
Sehotter des Blattes Jena und von Uichteritz bei Weilsen- 
fels, welehe die Geologen der Landesanstalt in die „II. Inter- 
glazialzeit“ (= Rils-Würm-Interglazialzeit) stellen, äquivalent 
sein. Es scheint mir nieht ganz ausgeschlossen zu sein, 
dals diese Schotter weiter saaleabwärts eine Fortsetzung in 
manchen mit ihrer Basis auffallend tief (bis 7 m über die 
Aue) reichenden, von den Geologen der Landesanstalt zu 
ihrer „Hauptterrasse der ersten Interglazialzeit“ gestellten, 
von Rils-Glazial und Jüngerem Lösse überlagerten Sehottern ?) 
finden. 

Gemäls den gegebenen Erörterungen gelange ich also 
zu der in der folgenden Tabelle übersichtlich dargestellten 


1) Die so tief ins Tal hinabreichenden Lösse könnten allerdings 
auch als erheblich nach der Bildungszeit des Jüngeren Lösses am 
Gehänge umgelagerte Lölsmassen gedeutet werden, doch ist eine 
solche Deutung wenigstens für so mächtige und grolsenteils so reine 
Löfsmassen wie die zwischen Kösen und Lengefeld aufgeschlossenen 
und in der 8. 231 angeführten Literatur mehrfach beschriebenenen 
gewiss mindestens äulserst unwahrscheinlich. 

?) Vgl. die Blätter Lützen und Merseburg (West). 


236 EwALp Wüsr, [76] 


Einordnung der Ablagerungen des Travertingebietes der 
Gegend von Weimar in die Chronologie des Eiszeitalters. 
Dals auch paläontologische und archäologische Umstände 
zu Gunsten wenigstens der Einordnung der Hauptmasse 
der Unteren Travertine in die Rils-Würm - Interglazialzeit 
sprechen,!) soll hier nieht näher erörtert werden. 


Die Bedeutung der Ablagerungen des Travertingebietes 
der Gegend von Weimar und ihrer Fossilienbestände 
für die Beurteilung der Klimaschwankungen des 
Eiszeitalters. 


In der vorliegenden Arbeit habe ich aus meinen Unter- 
suchungen über die plistozänen Ablagerungen des Travertin- 
gebietes der Gegend von Weimar und ihrer Fossilienbestände 
abgeleitet, dafs sich die dritte oder Rifs- Würm - Inter- 
glazialzeit in unserer Gegend aus zwei Waldphasen und 
einer zwischen diese fallenden Steppenphase zusammensetzt. 
Dieses Ergebnis ist selbstverständlich für ganz Mitteleuropa 
unter alleinigem Aussehlusse der höchsten Teile seiner Ge- 
birge und unter der zweifellos zutreffenden Voraussetzung, 
dafs der Ablauf der Klimaschwankungen in allen Inter- 
glazialzeiten — von gewissen graduellen Unterschieden ab- 
gesehen — der gleiche gewesen ist, für alle Interglazialzeiten 
zu verallgemeinern. 

Über das Klima Mitteleuropas einschliefslich klimatisch 
gleicher oder ähnlicher Gebiete während der Interglazialzeiten 
gehen zur Zeit die Ansichten noch weit auseinander. PENCK 
und BRÜCKNER?) haben aus ihren Untersuehungen über die 
Alpen ein Eiszeitalter gefolgert, dals die Interglazialzeiten 
jeweils mit einer Waldphase begannen, der eine Steppen- 
phase folgte, welche den Übergang zur nächsten Eiszeit, 
deren Vergletscherung sieh unter einem Steppenklima ent- 
wiekelte, bildete und damit einen unsymmetrischen Verlauf 
der Klimakurven der einzelnen Interglazialzeiten an- 


1) Vgl. darüber meine und Hahnes oben S. 163 zitierte Vorläufige 
Mitteilungen. 
2) Die Alpen im Eiszeitalter, Leipzig 1901—1909, 


Travertingebiet der Gegend von Weimar. 237 


[77] 


Bi road SIAT & NOZJeIZU[S}SoT 
* | yozsıqg (way M) AI 
1% | i | 
1 AULI9ABLL, 91900 oseqdpe M "II 
x | g 
) J9sııed 
= oseyduadda4g 
| 3 IBwIO A-I9IO UOA UESUNIAFTIARBUN] & 
| ı 
b | : ostudpieM I 
18 | a SUNIOABIL, 9Ioyuf] 
q 
q nozsıq (-SJLY) "TIL 
> ASSTLIPJISFUN) IOp uadUnIasr[geump] 
oseqdpreM IT | R 
| - e) 
K | a OSSBLIANONIN 19p uaFunIoselqru & aseydusddaI1g | ae 
| oseydpieM "I | 
S 3 3 
| | OSTRLIONEIO A9p uOSunI9se[geu] Ozsı (-[Opur) "IL 
FEED DD BEBE RD TB TBB rn 
purısag | , purisag 
-I9N93nES | -uoıfÄypuoy uaauflagrgv sıoe}lozsıIf Sap 


emo A UOA 


pus93a4) Ip JPIq9ZulI9ArLL 


orugasqy 


238 Ewarp Wüst, [78] 


genommen. Demgegenüber sind andere Autoren zu An- 
schauungen gelangt, welche, wie sehr sie auch sonst von 
einander abweichen, doch darin übereinstimmen, dafs sie 
die Annahme eines, wenigstens im wesentlichen sym- 
metrischen Verlaufes dieser Klimakurven erlordern. Hierher 
gehören einerseits SAUER,!) welcher die Interglazialzeiten 
als Waldzeiten betrachtet und, von Erwägungen über den 
Einflufs der grofsen Vereisungen auf das Klima Mitteleuropas 
ausgehend, annimmt, dals jede Eiszeit durch eine Steppenzeit 
eingeleitet und beendigt wurde, und andererseits AUGUST 
Scuurz?) und BoGoLJUBoWw,>) von denen der erstere durch 
florengeschichtliche Untersuchungen, der letztere durch all- 
gemeine geologische Erwägungen zu der Anschauung ge- 
langt ist, dafs jede Interglazialzeit aus zwei Waldphasen 
und einer zwischen diese fallenden Steppenphase besteht. 
Während die bisher bekannt gewordenen Profile mit aller- 
dings mehr oder weniger grolser Wahrscheinlichkeit im 
Sinne jeder der drei besprochenen Ansichten gedeutet 
werden können, sind, wie ich dargetan zu haben glaube, 
die Profile des Travertingebietes der Gegend von Weimar 
nur im Sinne der von Schulz und BoGoLJUBow vertretenen 
Ansicht deutbar und in dieser ihrer Eindeutigkeit von grolser 
Bedeutung für die Beurteilung der Klimaschwankungen des 
Eiszeitalters. 

Aber noch nach einer anderen Richtung hin sind meine 
Untersuchungen, wie ich glaube, von Bedeutung für die 
Beurteilung der Klimaschwankungen des Eiszeitalters. Die 
aus den untersuchten Fossilienbeständen erschlossene Klima- 
folge weist nur Klimate auf, welche einen kontinentaleren 


!) Die klimatischen Verhältnisse während der Eiszeit mit Rück- 
sicht auf die Löfsbildung, Jahreshefte des Vereins für Vaterländische 
Naturkunde in Württemberg, Bd. 57, 1901, S. COVI—CX. 

2) Besonders: Entwicklungsgeschichte der gegenwärtigen phane- 
rogamen Flora und Pflanzendecke der oberrheinischen Tiefebene usw. 
(A. Kirchhoff, Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde, 
Bd. 16, H. 3, Stuttgart 1906), S. 171—173 und 242ff. 

3) Über die Phasen der interglazialen Epoche im Gouvernement 
Moskau, L’Annuaire g&ologique et mineralogique de la Russie, Vol. IX, 
liv. 1—2, S. 34—44, 1907. 


[79] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 239 


Charakter besitzen als das heutige Klima der Gegend. 
Diese Erscheinung ist zweifellos darauf zurückzuführen, dafs 
sich bekanntlich erst nach der Würmeiszeit die heutige Ge- 
staltung der atlautischen Küsten Europas herausgebildet 
hat, während vor dieser Zeit der Europäische Kontinent, 
der mit den heutigen Britischen Inseln landfest verbunden 
war, soviel weiter in den heutigen Atlantischen Ozean hin- 
ausgeragt hat, dals unsere Gegend mindestens um 20—25 
Längengrade mehr von den atlantischen Küsten Europas 
entfernt war als heutzutage und ein dementsprechend 
kontinentaleres Klima besals. Der kontinentalere Charakter 
der Klimate der Rils-Würm-Interglazialzeit kommt zu einem 
höchst sinnfälligen Ausdrucke in dem vollkommenen Fehlen 
heute vorwiegend westeuropäischer Molluskenarten!) in den 
untersuchten Ablagerungen aus dieser Zeit. Das Fehlen 
derartiger Arten ist eine im wesentlichen allen vor der 
Würm-Eiszeit gebildeten Plistozänablagerungen Mittel- 
Europas gemeinsame Erscheinung, wie das auch unter der 
Voraussetzung der Richtigkeit der von mir gegebenen Er- 
klärung erwartet werden mufs.?2) Erst in postglazialer Zeit, 
offensichtlich erst während und nach den tiefgreifenden 
postglazialen Veränderungen der atlantischen Küsten Europas 
und im Gefolge der dadureh _hervorgebrachten Klima- 
änderungen gelangten derartige Mollusken nach Mittel- 
europa.) Für Mitteleuropa, das uns hier in erster Linie 
interessiert, ebenso aber natürlich auch noch für andere 
Gebiete, können die Klimasehwankungen des postglazialen 
Abschnittes des Eiszeitalters nicht nur quantitativ von den 
grölseren älter plistozänen Klimaschwankungen verschieden 
sein; es müssen auch qualitative Unterschiede vorhanden 
sein, welche dadurch bedingt sind, dafs Lage und Klima 
Mitteleuropas in der Postglazialzeit minder kontinental, 
ozeanischer geworden waren. Und in der Tat haben die 


1) Z. B. der $S. 193—194 aufgezählten. 

2) Ich behandele diese Verhältnisse demnächst ausführlicher an 
anderer Stelle. 

®) Damit eröffnet sich ein Weg zur Ermittelung der Alters- 
beziehungen zwischen binnenländischen postglazialen Ablagerungen 
und Veränderungen an den atlantischen Küsten Europas. 


240 EwaLp Wüsrt, | [80] 


Untersuchungen über die postglazialen Klimasehwankungen !) 
ergeben, dals Mitteleuropa in manchen postglazialen Zeit- 
abschnitten?) ein wesentlich ozeanischeres Klima besessen hat, 
als es sich in irgend einem Teile der aus der Untersuchung 
der plistozänen Ablagerungen des Travertingebietes der 
Gegend von Weimar abgeleiteten Klimafolge vom Ausgange 
der dritten oder Rils-Eiszeit bis zum Beginne der vierten 
oder Würm-Eiszeit erkennen lälst. 


Tabelle der Verbreitung der Konchylien in den ver- 
schiedenen Ablagerungen des Travertingebietes der 
Gegend von Weimar. 


Vorbemerkungen. 


In der systematischen Anordnung und Nomenklatur der 
in der Tabelle aufgezählten Arten schliefse ich mich an die 
verbreitetsten der zunächst in Betracht kommenden Faunen 
(von CLESSIN, GEYER, GOLDFUSS, WESTERLUND usw.) an. 
Ich folge der Mehrzahl dieser Faunen auch in der weiten 
Fassung des Gattungsbegriffes, welche zwar vom Standpunkte 
des Systematikers aus betrachtet nieht mehr haltbar, jedoch 
in Arbeiten, welehe sich nieht nur an Spezialisten wenden, 
meines Erachtens im Interesse der leichteren Verständigung 
vorzuziehen ist. 

Die Spalten I bis III geben die Verteilung der *Kon- 
chylien-Arten auf die 3 Travertingebiete von Weimar (W), 
Taubach (T) und Ehringsdorf (E) nach den Veröffentlichungen 
von A. Weıss (Die Konchylienfauna der altpleistozänen 
Travertine - des Weimarisch-Taubacher Kalktuffbeckens, 
Nachriehtsblatt der deutschen Malakozoologischen Gesell- 
schaft, 26. Jahrg., 1894, S. 145—163 und 185—190, I. Nach- 
irag ebenda, 28. Jahrg., 1896, S. 99—102 und Über die 
Konchylien-Fauna der interglazialen Travertine des Weimar- 
Taubacher Kalktuffbeckens, Zeitschrift der Deutschen geo- 
logischen Gesellschaft, Jahrg. 1896, S. 171—182). Die von 


!) Vgl. in erster Linie die schon oben, $S. 179—180 zitierten 
Arbeiten von August Schulz. 

2) In den „kühlen“ und manchen Abschnitten der „warmen 
Perioden“ von August Schulz. 


Zeitschrift für Naturwissenschaften Bd. 82 1910 


Senkrechter Abstand von dem Rande der Ilm-Aue in Metern 


In; 150 100 300 120 120 280 160 100 0 325 250 0 
. . R a . 
a ; fe Taubach Taubach Ehringsdorf Ehringsdorf Ehringsdorf Ehringsdorf Ehringsdorf Ehringsdorf Ober-Weimar Ehringsdorf Weimar Weimar 
h HAUBOLD 
in Metern SONNREIN GOTTSCHALG HACKEMESSER KAEMPFE niiSorwaer FISCHER SAALBORN HEYDENREICH Kiesloch ULLE Parkhöhle 
247,13 
30 Tr > ze m 
i 
244,93 
248,67 
25 = z 
240,8 239,59 
238,10 
i 
r £ 
en — | - 235,54 me = >> 
h A h 230,50 
232,65 De an a0 
| 9 b | 231,90 21122 f 
231,52 a 228,31 
a Di f_| 230,74 227,74 
229,74 
235,13 
e 
d | i 
| 225.82 h i d 
: ze 127) E 
5 225.22 235,1: y Mi 
> 224,46 
30,18 
230, h y 223,72 
b 
5 217,25 15 
a 
= ) 
221 220,5 216,5 E arn 215,5 215,5 215 215 215 214,5 2125 2 


(Ilm - Aue) 0 


Die neben den Profilen stehenden Höhenzahlen sind dem REBLING schen : 
Nivellement, die Höhenzahlen für die verschiedenen Punkte der IIm-Aue den Kies „Letten® „Pariser“ Travertine 


Melstischblättern Magdala und Weimar entnommen. 


, ae I SE 
aT w >; ME 
nal FZr OPT 2 o- War 


67 Ar: u ar F 


BEN EN 
MITILFIEIPCH 


ER POTT 


1 f „m 5 P2} F 
Feb au MN 
“a8ns; „N. 

# bl » 


PTAFT® uf 


aa al end halı 


TLyRt 


re un ED En iu 


2 ae 


Zeitschrift für Naturwissenschaften Bd. 82 1910 Tabelle I 


Angaben 5 23 R 5 
2 h 
von ‚Unter- Untere Travertine E N Obexe 2 2 Ei 
Nr. Art A.Weiss [rerrasse & ravertine SE errasse a 
|! — — I — | ——|- | 5 
IHN E SEE]: 
w | TE wirTielielejeje|elow|t | E|* 
r | [u DEE EN EN EEE EI ED EI EE 
’ 7 
1 | Daudebardia (Rufina) rufa Drap.sp. . » . . ., r B 5 : 2 
2 brevipes Drap. 3 ö , r « . « * > 1 
3] Vitrina (Eburanlkung) pellueida an, I r IH * ER R * 5 5 . © 
4 ” Semilimax) diaphana Drap. . . a “ = e K 4 & 5 +2 
5 elongata Drap. 5 ol = 5 E ae | - # e 
6 | Conulus (Trochulus) fulvus Drap. sp... . . EM |: = “ 3 * « P Br ‘ . R . 
7 | Hyalinia (Euhyalinia) cellaria Müll. sp. . . I: x & ‘. R IN | b ; 
8 in (Polita) nitens Mich. sp. . . . . e « * a E Fi 3 = 2 
9 nn „» anitidula Dap.sp. . -».....18 £ r a 5 Bil; I®: | | } “ } z 
10 5 a AUS. er een ae 4 Men. | | 
1 ammonis Ström, sp. ° f; * * Fi * * * ” * .|.e . « 
12 Vitrea (Crystallus) contorta Held. sp. hi * E 2 ae une | 3 
13 = “ subrimata Reinh, . ee re 5 | F 
14 » n erystallina Müll. sp. SR * * “ 5 ol le * . . | 
15 contracta West, . -I «* * 5 | . . * * 5 2 | 
16. | Zonitoides nitidus Müll. De 2 1 « E h * 3 “| x ® ‘ a * | 
17 | Zonites acieformis Klein sp... . . . Br vu = 12x x ee | * | E R 3. 
18 | Punctum pygmaeum Drap sp. * ae Hi * ; * * * . . 2 
19 | Patula (Discus) rotundata ai. sp * ul * 1 I 0 * . . 
20 Fi n ruderata Stud. sp. x Elle 4 * * P ö . 3 . 
21 (Goniodiscus) solaria Mke. sp N Sr « E 3 | ae “|»| | “ 4. 
22 | Helix (Acanthioula) aculeata Müll. . - * * 5 . 5 a * * - 
23 „  (Vallonia) pulchella Mill. . r = “ 1 Dies * £ «|. =, * “ . . . . } N 
24 Re m costata Müll. . Ar Per * « 2 ı we: « «|» « . . le ” . . . R 
25 Er 7 costellata A.Br. .. . .... = H E 3 = u ae = % £ : all & E 5 . 6. 
236 . " tenuilabris Al.Br.. . . e N i | | SON 
27 „  (Trigonostoma) obvoluta Müll. Alö * R & E * r * 
25 „  (dIsogonostoma) personata Lam x E E ll : | 1. 
20 „  (Petasia) bidens Chemn. sp. Se 5 E A| R * 8. 
30 „ (Trichis) hispida L. . . Are | * 5 * | 3 ln r . * E * «| * 9 
31 „  (Euomphalia) strigella Drap. s ee I * = P 5 1% " . 
32 „ _(Monacha) incarnata Müll. R 5 * * ä 5 a * * . | 10. 
33 „  (Eulota) fruticum Müll. . . ealing * E | a a ar Er . . . . 
31 „ (Campylaea) banatica Partsch au Ru... * * 5 . | * .|. |: 11. 
35 „  (Chilotrema) lapieida L. . . er: ung 3 51 i*| = . P; 
36 „  (Arianta) arbustorum L. * | * . A| * * . 
37 „» _(Xerophila) striata Müll. . & 11% R I R . ! . . 12. 
38 „» _(Tachen) vindobonensis Fer. elf & | | “le - . 13. 
sy » _Tonnensis Sandb. . ll "les : | | 14. 
40 " „» nemoralis Mill. . . . le &; | | . . } 
Aal " ”  hortensis Müll. . - 0. - 3. (Fee “Ws « . 15. 
42 „. ‚(Helicogena) Hoaue : : „|Im|% | I+|»| + | | A 
43 | Buliminus (Chondrula) tridens Müll.sp.. . ©. I «| - M R 5 3 a) R & . ee - - | 16. 
4 er (Napaeus) montanus Drap. , » .» . . Ö & PA o le le . el 0 . c I. 
45 obscurus Mi .ep: IR * > . . . 15 18. 
46 Pupa- (Oreula) doliolum Brug.sp. ae Ar, * * * * = 
» (Pagodina) pagodula Des Moul. 5 = 5 x | 19 
‘ (Pupilla) muscorum Müll. sp. | I er el: «| e|e . «|» «||» . . . “ln 
E “ cupa Jan, . EL ee : - . + a: . . . Flirt s c Ir: 2 * . 20. 
% „  triplieata SE ee 5 5 x 2 | . “| - nl 21 
„ (Sphy Tanlum) edentula Drap. De * * . - N * . | S G: 
sr columella v. Mis, ap. "Benz. . & * . « | . - » «(2% 
” (Isthmia) claustralis Gredl. . . » 525 * * 3 F € ° : . 
” ar costulata Nilss, Ca * * . | + * . . Ir 
ar N minulissima Hartın, * * P 4 * * D . E i 
„  (Vertigo) NEE UNE ALBr . Sl “ + . . . D + * * 23. 
hr „ All. alpestris Ald. sp. * * a = . - . . * 2 
4 En m gnaen Drap. * * B « |» * . * “ 
= „,  Moulinsiana Dup. * * . | Ic} |» 2 . | 
ci a antivertigo Drap. PER * * B | # , * * . | 
e substriata Jefir. sp. . a * . . | . “ . . | 
A "  pusilla Müll. sp. Re Ne A - . 
angustior Jeflr. sp... . Ren * * R | * + Er * + + 
Ollusilia Ölnusiliastr) laminata Mont. sp, „| % a | £ | P 
ch (Alinda) plicata Drap. Bot * * | . . 2. 
ä (Strigillaria) cana ET ER * ® R N A © * . B - D 5 “| “ 
en vetusta Z.ap. Rn. . . AB A . R r b : z R R 5 Sal n | 
Ei (Kuzwicia) BenzIn Stud. . n 5 3 * | |» * 
5 » dubia Drap. . * * Sal . | Her: ar 
= » bidentata Ström. sp. al | | h | 26. 
= 2 pumila Z. ap. C. Pir. 5 ln“ Bl . = . D P 
Re (Pirostoma) ventricosa Drap. - » . ı » * * R . . n | IE 5 
er n plieatula Drap. « » » . » * ö = 3 .| | - 
“ densestriata Z. ap. Rn. . Ss 5 : 5 ß = | - 
(Graciliaria) filogrann Z. ap. Rın, * * 6, « . ’ . - 
Cionella (Zua) lubrica Müll. sp. . : le Sale) al. 3 ler 
„ _(Azeen) Schulziana Wiist 5 I | £ [FF 27.28. 
Suceinea (Neritostoma) putris L.sp. » . . * R * . \ \ * |? . . 
» _ (Amphibina) elegans Risse... . walls ö «|. | sp: | (sp ale. & ut 
n Pfeifferi Rın. ee * “ 4 * ’ Ä . . J | «? .|. . 
e (Lucena) Eanupareut Andrea sol E LING. P £ 3 | 5 BR  bet| ec [02] 2 
oblonga Drap. . . , » Sn 3 . * 20 - * . wa + + * 
Carychium minimum nur 3 ar 5 x ki F 4 | n * . b . . * . . 
Limnaea (Limnus) stagnalis L. sp. Dx E 3 el | + 30 
„ (Gulnaria) ovata Drap. . . ... . “|x« 5 } * } . . } } 
BE peregra Müll.sp.. . . ...1| « * E * * ln ‘ el: A « = 
Äh (Limnophysa) palustris Müll.sp. . . . . x M ii Ä & - . 2 
” & glabra AM p. er “| P | | A ö | 
truncatula Müll sp. le * al * ” . 
Amphipeplon glutinosa Müll er, De 3 n n 2 x |* a = 2; 31. 
Plıysa fontinalis L. sp. . » Be * r R Rn IR: . f} 
Aplexa hypnorum L. sp. * = 175 « | 
Planorbis (Tropidiscus) umbilicatus Müll, * * x . * | “| 
a carinatus MÜll * * WE | 3 
HH (Gyrorbis) vortex L.sp. . 5 5 ” y x | | | . 32. 
ei A vortieulus Troseh,. , , » * , R I . | 5 . 
» „ Ma L. s De 5 F . | | . D . 
n eucostoma Mill rn * * . * “ 
ar (Bathyomphalus) contortus L. sp. Bi = = : 2 | : E 2 E ” 
„ (Gyraulus) albns Müll. sp. « * A N | | | | . 
5 »  sSp.aff. borenlis Loven . : el? | | ö 3. 
> ir Rossinessleri Anersw. . . . R ; P R \ f R 5 5 F c 2 | 3 . 5 3, 
u einber Jelt. . 220]. 2 1 2 2 eos re ar | ec | ee ee El 
en (Arwiger) FR L. sp. B . ” ° . * . 
” (Hippeutis) complanatus L. sp. a: € pe: 5 x E EL 2: el) . | | | D 
(Segmentina) nitidus Müll . . ... * ® ii I e - 
Ancylus (Ancylastrum) Huvintilis Mill. I % s M 1 2 A ä Sale: 5 = E | . 3. 
» _ (Aecroloxus) Iacustris L sp. En en $ - 5 8 ’ B - NEUE 5 . . . 
Acme polita Hartın.sp . .» DR « 5 E AR ‘ + . 
Bithynia tentaculata L.sp. » « » RR & * h [M} F $ ° a | = 
= Bel SREVD-HI En. 2% a: x 2 | . 
Belgrandia sp. x Is Alle E 14 = | 36, 
Valvata (Ciocinna) piseinalis MUl. sp. Pe 2 iz; 2 R 
„ . (Valvata) eristata Mill R = > | ° = = h . F 
Unio batavus Lam. . . 2. v0. ® lsp.| - : : | 37, 
Anodonta s| B 5 . . ß - . E 
Pisidium (eatcaegiar ampicum Mall. sp. us * Er 4 wir | Ö 5 . 5 
5 (Fossarina) Heuslowianum Slepp “an Zell | Er A R r - - 
m e fontinale ©. Pf. . Be | wu $ Is ulles . . .|e? 
Mr ni pusillum Gmel, sp. | B B : US Era | + + . 35. 
" obtusale C.PL. . .. ...| x « Ib o rl 2 - f . - . . . . n 
n le Helden a ve a La SE ee lee lee a Ne Mae Nas I. | 11. 


Ren TER, Nee 


+ 


m —— 
l 


R j RTV „= 3 


u 


An 
Diss 
. Rs f 
® 
I 4 
+ 
P4#] 
« re ee 
du: r 
E Ai 
k 
“’a A 
. 
20 EU) 
Hi 
“- 
a 
i Eee 3 
Wald 
Te Te) 
Kade 
De im 
302.4 
Wi pr ri 
{+ 
4 N ErEL 


+ ah are 


. u 

Fr j 
» ® r u 
w" Ps e 
A 

u; 
er j « 
z T 


sr . y L 
z ui 


2 
size Daeilie 
IL sein Canal 


' LT Be 
MiE ati te 


f j 
taten I: 


ı en tag E) Bu. 
seht (Aarsbaui‘)> ui 

of sr a & 
4, were Mr P\ 2 
u .AM ah ur wre ( eiy4 iX 


1) 
N, 


8 ‚E { f 
- Bl cl ir 


Pi u e 


[81] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 241 


Weıss selbst gefundenen Arten sind, gleichviel ob sie vor 
ihm sehon von anderen — bei Weiss zitierten — Autoren 
gefunden worden sind oder nicht, in den Spalten der Tabelle 
dureh einen Stern (*) bezeichnet. Die von Weıss nur auf 
Grund der Angaben früherer Autoren angeführten Arten 
sind in den Spalten der Tabelle statt des Sternes, durch 
Abkürzungen der Namen der betreffenden Autoren (S = 
SANDBERGER, Se = ScHaMiprT) bezeichnet. Von den wenigen 
in der Literatur vorhandenen Angaben über die Verbreitung 
der Konehylien in den verschiedenen Ablagerungen des 
Travertingebietes sind diejenigen, welche bei einer Gliederung 
dieser Ablagerungen in der in der Tabelle vorgenommenen 
Weise von Interesse sind, soweit sie nicht von mir selber 
herrühren, in den Anmerkungen zu der Tabelle vollständig 
angeführt. Solehe Angaben finden sich bei Weiss a.a. 0. 
und in einer posthumen, vom Städtischen Museum in Weimar 
herausgegebenen Druckschrift von O. SCHMIDT, betitelt „Die 
Sammlung von Typen fossiler und rezenter Land- und 
Sülswasser-Konehylien aus der Gegend von Weimar“, welehe 
1908 gedruckt zu sein scheint und keine nicht schon aus 
der Literatur bekannten Funde namhaft macht.!) 

Die Spalten 1—15 geben auf Grund meiner eigenen 
Beobachtungen eine Übersicht über die Konchylien-Bestände 
der Hauptglieder der Ablagerungen der einzelnen Travertin- 
gebiete: 


l. Konchylien-Bestand a aus dem Ilmkiese der Unter- 
terrasse am Eingange der Parkhöhle im Parke von 
Weimar. 

2. Konehylien-Bestand b aus den obersten Ilmkieslagen 
und den mergeligen Ilmabsätzen (vulgo „Letten“) der 
Unterterrasse sowie aus den unteren Lagen der Baum- 
travertine im UrteEschen Steinbruche in Weimar. 

3. Konchylien-Bestand b aus der untersten T'ravertinlage 
(vulgo „Ratten“) im östlicheren der beiden SoNNREIN- 
schen Brüche bei Taubach. 


!) Diese Publikation des Städtischen Museums in Weimar ist durch 
die Liebenswürdigkeit des Herrn Grofsh. Bauinspektors Rebling in 
Weimar zu meiner Kenntnis gekommen. 

Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a. S. Bd.82. 1910. 16 


10. 


IHR 


13. 


14. 


15. 


EwaALn Wüst, [82] 


Konchylien-Bestand c aus dem Charensande an der 
Basis der Unteren Travertine im SAALBORN schen Bruche 
bei Ehringsdorf. 

Konchylien-Bestane d aus der Hauptmasse der Unteren 
Travertine im Utteschen Steinbruche in Weimar. 
Konchylien-Bestand d aus der Hauptmasse der Unteren 
Travertine im Taubacher Travertingebiete. 
Konchylien-Bestand e aus Unteren Travertinen im 
ScHwArZschen Bruche bei Ehringsdorf. 
Konchylien-Bestand f aus den obersten Lagen der 
Unteren Travertine im SAALBoRNschen und im 
KAEMPFE schen Bruche bei Ehringsdorf. 
Konehylien-Bestand g aus dem Pariser im HEYDEN- 
REICHschen und im KAEnPFE schen Bruche bei Ehrings- 
dorf. 

Konchylien-Bestand h aus humosen Lagen nahe der 
Basis der Oberen Travertine im FiscHerschen, Hauv- 
BoLDschen und KAEMPFEschen Bruche bei Ehrings- 
dorf. 

Konchylien-Bestand i aus Oberen Travertinen im HEYDEN- 
REICH schen, KAEMPFEschen und HackEMESSER schen 
Bruche bei Ehringsdorf. 

Konchylien-Bestand f aus höheren Lagen der Oberen 
Travertine im FiscHerschen Bruche bei Ehringsdorf. 
Konchylien- Bestand r aus den Ilmabsätzen einer tief 
(unter dem Niveau der Unterterrasse) gelegenen Terrasse 
bei Ober-Weimar. 

Konchylien-Bestand ) aus den mergeligen Ilmabsätzen 
(vulgo „Letten“) der Mittelterrasse im Taubacher 
Travertingebiete. 

Konchylien-Bestand y aus den mergeligen Ilmabsätzen 
(vulgo „Letten“) der Mittelterrasse im Ehringsdorfer 
Travertingebiete. 


Es bedeutet: 
das Vorkommen sicher bestimmter Reste, 


? das Vorkommen nicht sicher bestimmter Reste, 


das Vorkommen sicher bestimmter Reste, die wahr- 
scheinlich nachträglich in die Ablagerung gelangt sind, 


[83] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 243 


'* das Vorkommen nicht genau bestimmbarer Reste, die 
sicher oder doch sehr wahrscheinlich zu einer der Arten, 
deren Namen von der Klammer umfalst wird, gehören. 


Anmerkungen zu der Tabelle. 


1. Daudebardia brevipes ist von den bisherigen Autoren 
nieht angegeben worden. Ich vermute, dafs man die hier- 
her gehörenden Stücke zu D. rufa gestellt hat. Die 
Unterscheidung der beiden Arten ist jetzt durch die 
Darlegungen von A. J. WAGNER, besonders über die 
Unterschiede in der Beschaffenheit der Embryonalschale, 
sehr erleichtert. Vgl. A. J. WAGNER, Die Arten des 
Genus Daudebardia Hartmann in Europa und Westasien, 
Denksehriften der k. Akademie der Wissenschaften, Math.- 
nat. Kl., 62. Bd., Wien 1895, S. 609 ff. und Bemerkungen 
zum Genus Daudebardia Hartmann, Nachriehtsblatt der 
deutschen Malakozoologischen Gesellschaft, Jahrg. 1906, 
S. 177 ff. 

2. Ich habe bisher nur 1 Fragment gesammelt, von dem 
ich nieht entscheiden kann, ob es zu Hyalinia nitens 
oder zu H.nitidula gehört. Weiss bezeichnet H. nitens 
als sehr selten. 

3. Diese Form wurde von Weıss als Zonites verticillus Fer. 
var. praecursor A. Weils bezeichnet. Die Synonymie 
dieser Form ist am ausführlichsten von mir in den Ver- 
handlungen der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien 
1907, S. 84 dargelegt. — Naeh Schmipr eharakterisiert 
die von ihm als Zonites verticillus Fer. var. angeführte 
Form „die unteren Lagen der Travertine“. 

4. Charakterisiert nach ScHhmiprt „die unteren Lagen der 
Travertine“. 

5. Die provisorisch auf diese Arten verteilten Stücke be- 
dürfen noch einer genaueren Prüfung. 

6. Über diese ausgestorbene, trotz ihrer so ungemein 
charakteristischen Berippung anscheinend immer noch 
sehr wenig bekannte Art vgl. bes. AL. Braun, Amtlicher 
Berieht über die 20. Versammlung der Gesellschaft 

16* 


244 


> 


10. 


1d; 


14. 


EWALD Wüsr, [84] 


Deutscher Naturforscher und Ärzte zu Mainz 1842, 
Mainz 1843, S. 145; SANDBERGER, Die Land- und Süls- 
wasser-Koncehylien der Vorwelt, Wiesbaden 1870—75, 
S. 856— 857, Taf. 34, Fig. 10 und Wüst, Abhandlungen 
der Naturforschenden Gesellschaft zu Halle, Bd. 23, 
1901, S. 207, Taf. 1, Fig. 99—99. 

Nach ScHımipt „bis zu den mittleren Lagen“. 

Nach ScHMIDT „nur selten in den oberen Lagen“, 

Die von SANDBERGER von Weimar angegebene H. (7.) 
umbrosa Partsch ap. C. Pf., welche von niemandem 
wieder gefunden wurde, habe ich weggelassen, weil 
Schmipr angibt, dals die Provenienz der SAnD- 
BERGERSchen Originalexemplare im Mineralogischen 
Institute in Halle nach K. von Frırschs mündlicher 
Mitteilung an Schmipr „zweifelhaft“ ist. 

Die nur von PoHLıG von Weimar angegebene und sonst 
von niemandem gefundene F. (M.) carpathica Friw. ap. 
Rm. (= vicina Rm.) habe ich weggelassen, weil PoHLIGSs 
Angaben über die Konchylien der Ablagerungen des 
Travertingebietes von Weimar offensichtlich unzuverlässig 
sind. 

Von Weıss zu Unrecht als H. (C.) Canthensis Beyr. be- 
zeichnet. Die Literatur über 4. Canthensis und die 
irrtümlichen Zureehnungen plistozäner Stücke von H. 
banatica zu H. Canthensis habe ich in den Verhand- 
lungen der k. k. Reiehsanstalt, Wien 1907, S. 85—86 
zusammengestellt und besprochen Danach hat sich 
noch TH. Kormos im Földtani Közlöny, Bd. 39, 1909, 
S. 207 zu der Angelegenheit geäulsert. — Nach ScHMIDT 
„bis zu den mittleren Lagen“. 

Nach ScHamiIpr „nur in den oberen Schichten bei Weimar“. 
Nach ScHhmiprt den „oberen Lagen“ schon fehlend, was 
nach meinem Nachweise der Art in dem als „£f“ be- 
zeichneten Konchylienbestande aus den Oberen Traver- 
tinen im Fıscherschen Bruche nicht zutrifft.. 

Die systematische Stellung dieser Art scheint mir noch 
nieht genügend geklärt zu sein. Aus dem Travertin- 
gebiete der Gegend von Weimar besitze ich nur spär- 
liches Material. — In der von Cressın (Die Tuff- 


[85] 


15. 


16. 
17. 


18. 


19, 
20. 


Travertingebiet der Gegend von Weimar. 245 


ablagerung im Tale der schwarzen Laaber, S.-A. aus 
Berieht des Naturwissenschaftlichen Vereins zu Regens- 
burg, Jg. 1905/6, 4. 11, Regensburg 1908, 8.13) zu H. 
Tonnensis gestellten rezenten Schnecke von Galway in 
Irland, die mir durch die Güte des Herrn KENNARD 
vorliegt, kann ich, ebenso wie Herr KENNARD, nur 
H.nemoralis sehen. — Nach Scumipr fehlt 4. Tonnensis 
„in den oberen Lagen der Travertine“. 

Die von Weıss auf Grund eines nicht sicher bestimmten 
Exemplares von Taubach angegebene H. (T.) syWwatica 
Drap. habe ich weggelassen. 

Nach Weıss nur in den „Oberen Schichten“. 

Das einzige mir vorliegende Fragment gehört sicher 
weder zu H. (Ch.) tridens noch zu B. (N.) obscurus nnd 
gleicht B. (N.) montanus, doch kann ich seine Zu- 
gehörigkeit zu dieser Art nieht sicher behaupten. 

Nach Scuamipr „anscheinend nur in den oberen Lagen“. 
Diese Angabe ist nach WeEısss und meinen Funden nicht 
haltbar. 

Charakterisiert nach Schmipr „die unteren Lagen“. 
Von dieser bisher aus den Ablagerungen des Travertin- 
gebietes der Gegend von Weimar nicht bekannten Art 
fand ich nur wenige Stücke. Für tiergeographische 
Zwecke ist es sehr wichtig, von der typischen P. cupa 
Jan. (= P. Sterri Voith nach BoETTGER), welche in den 
Alpen und zwar bis in die alpine Region hinauf, im 
deutschen Juragebirge und in der Tatra vorkommt, die 
var. twremenia Bttgr. ap. Andreae, welche „in Asien 
(speziell Nord-Persien, Transkaspien und Turkestan) 
weit verbreitet“ ist, zu trennen. Nach BoETTGER (bei 
ÄNDREAE in FUTTERER, Durch Asien, Bd. III, Berlin 1902, 
S. 71—72) zeichnet sich die var. turcmenia „namentlich 
durch das Zurücktreten oder Fehlen der Zähne vor dem 
Typus aus“, doch kommen bekanntlich auch bei der 
typischen P. cupa zahnlose Stücke vor. Obgleich mir 
nieht nur die typische P. cupa sondern auch — durch 
die Güte des seligen ANDREAE — die var. turcmenia 
vorliegt, kann ich mein Material aus dem Travertin- 


246 


21. 


EwALp Wüst, [86] 


gebiete der Gegend von Weimar nieht reinlich auf die 
beiden so verschieden verbreiteten Formen verteilen. 
Die 4 Stücke, welehe ich in den unteren Sehiehten des 
Urre schen Steinbruches (b) gesammelt habe, trage ich 
kein Bedenken für die typische P. cupa zu halten: 
3 zeigen Parietal- und Basalzahn kräftig entwiekelt 
und das vierte, wenn auch keinen Basalzahn so doch 
wenigstens einen kräftig entwickelten Parietalzahn. 
Umgekehrt trage ich kein Bedenken die 6 durchweg 
zahnlosen Exemplare, die ich im „Letten“ von Taubach 
und Ehringsdorf (y) gesammelt habe, zur var. tuwremenia 
Bttgr. zu rechnen. Bei den 2 Exemplaren aus dem 
Kiese vom Parkhöhleneingange (a), von denen das eine 
anscheinend nieht ganz vollendete zahnlos ist, während 
das andere einen allerdings schwachen Parietalzahn 
zeigt, bin ich zweifelhaft und das um so mehr, als nach 
dem tiergeographischen Charakter des Konchylien- 
bestandes, in welehem Pupa cupa hier auftritt eher an 
die typische Form als an die var. turcmenia zu denken 
ist. Leider ist die Aussicht, reiehlicheres Material, das 
zu einer sicheren Entscheidung führen könnte, zu er- 
langen, gering. 

Von dieser bisher aus den Ablagerungen des Travertin- 
gebietes der Gegend von Weimar nieht bekannten Art 
sammelte ich nur sehr spärliches Material. — P. bigra- 
nata Rm., auf deren Abtrennung von P. muscorum 
BoETTGER so viel Wert legt, scheint mir übrigens nach 
Material, das ich der Güte des Herrn Professor Dr. 
BoETTGER selbst verdanke, P. triplicata mindestens 
sehr nahe zu stehen, während sie von P. muscorum 
recht verschieden ist. 

Ich betrachte diese Art als identisch mit der rezenten 
P. Gredlerii Cless., mangels genügender eigener Er- 
fahrung der Ansicht des kompetentesten Beurteilers, 
BoETTGERS, folgend. Nach Weıss „in den tiefsten 
Schichten Weimars“. 

Die von mir gesammelten Exemplare gehören fast alle 
zu der völlig zahnlosen var. Genesü Gredl., schliefsen 
sich also der einzigen rezent bekannten Form an, was 


[87] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 247 


für die tiergeographische Beurteilung der fossilen Vor- 
kommnisse wesentlich ist. 

24. Die ganz wenigen als P. aff. alpestris bezeichneten Stücke 
unterscheiden sich von der rezenten P. alpestris konstant 
durch den Besitz eines kleinen, angularwärts vom 
Parietalzahne gelegenen Zähnchens. Auch auf diese 
merkwürdige Pupa möchte ich erst nach Erlangung 
reichlicheren Materials näher eingehen. 

25. Weıss führt nach Schamipr noch (©. (A.) biplicata Mont. 
von Weimar an. ScHMiDT gibt später — in seiner hier 
mehrfach zitierten posthumen Veröffentliehung — aus- 
drücklich an, dafs diese Art nieht im Plistozän von 
Weimar vorkommt. 

26. Die wenigen mir vorliegenden Bruchstücke gestatten 
mir kein sicheres Urteil darüber, ob sie direkt zu 
Clausilia (Kuzmiecia) bidentata Ström. sp. oder etwa zu 
einer ganz nahe verwandten Form gehören. 

27. Eine Azeca ist von den bisherigen Autoren in den Ab- 
lagerungen des Travertingebietes von Weimar nicht 
nachgewiesen worden, doch war eine allgemein zu 
A. tridens Pult. gestellte Azeca aus verschiedenen Tra- 
vertinen mit ähnlieher Fauna bekannt. Nachdem mir 
schon mehrfach die Kleinheit dieser fossilen Vorkomm- 
nisse unserer rezenten A. tridens gegenüber aufgefallen 
war, veranlalste mich die tiergeographisch merkwürdige 
Tatsache, dafs die Azeca dieser Travertine gewöhnlich 
mit südosteuropäischen Arten vergesellschaftet ist, 
während doch Azeca tridens heute eine westeuropäische 
Form ist, zu einer genaueren Untersuchung. Diese 
Untersuchung, die ich an zahlreichen Stücken aus den 
Travertinen von Brüheim bei Gotha (meist von Herrn 
HockEr gesammelt), Bilzingsleben bei Kindelbrück und 
Österrode bei Hornburg vornehmen konnte, zeigte, dals 
diese fossile Azeca von A. tridens abweicht und sich 
in mehreren Punkten der A. Mabilliana Fag., von der 
ich rezente, irrtümlich als 4A. tridens var. alzenensis 
St. Sim. bestimmte Stücke von Lourdes in einer von 
GoLprFuss gekauften Sammlung vorfand, nähert, doch 
auch von dieser verschieden ist. Ich benenne die 


248 


29. 


EwALp Wüsrt, [88] 


interessante plistozäne Form nach dem Pflanzen- 
geographen AuGust ScHUrZz, auf dessen auch für 
Studien wie die in dieser Arbeit verfolgten grund- 
legend wichtige Arbeiten in der vorliegenden Veröffent- 
liehung mehrfach hingewiesen ist. 

Azeca Schulziana gehört in die Gruppe der A. 
tridens Pult., weicht aber von allen Vertretern derselben 
dureh ihre sehr geringe Grölse (Höhe 4,3—5,5 mm,, 
Breite 2,1—2,35 mm bei 61/,—71!/, Umgängen) ab. 
Ähnlich wie bei A. Mabilliana Fag. nehmen die Um- 
gänge langsamer und gleichmälsiger zu als bei A. tridens, 
sodals das Gewinde relativ länger und der letzte 
Umgang relativ kürzer wird. Ähnlich wie bei A. Ma- 
billiana sind die Lamellen und Zähne schärfer aus- 
geprägt, als es wenigstens bei der überwiegenden 
Mehrzahl der Stücke von A. tridens der Fall ist. Die 
Parietallamelle ist mit der oberen Spindellamelle durch 
eine wohlmarkierte, scharf ausgeprägte Lamelle ver- 
bunden, wie das bei A. Mabilliana die Regel ist, 
bei A. tridens aber nur ganz vereinzelt vorkommt. 
Ähnlich wie bei A. Mabilliana ist der Aufsenrand 
sehr stark gelippt und oben etwas tiefer ausgebuchtet 
als bei A. tridens. A. Schulziana ist eine der A. 
Mabilliana am nächsten stehende Zwergform der 
tridens-Gruppe. 

In den Travertinen von Ehringsdorf konnte ich 
nur wenige, durchweg in einem höchst üblen Erhaltungs- 
zustande befindliche Exemplare sammeln. Soweit ihre 
Eigenschaften beurteilbar sind, gehören sie — namentlich 
nach ihrer geringen Gröfse zu urteilen — zu A. Schul- 
ziana. 

Die von SANDBERGER von Weimar angegebene Caecilia- 
nella acicula Müll. sp. ist, wie Weıss wahrscheinlich 
gemacht hat, rezent. 

Ich betrachte nach wie vor Succinea (Lucena) Schu- 
macheri Andr. als eine ausgestorbene, heutigen zentral- 
asiatischen Formen wie namentlich $. (L.) Altaica v. 
Mts. am nächsten stehende Art. Die angebliche rezente 
S. (L.) Schumacheri aus Westmoreland, die mir durch 


[89] 


30. 


31. 
32. 
39. 


34. 


Travertingebiet der Gegend von Weimar. 249 


die Güte des Herrn KEnnarD zugekommen ist, kann 
ich nieht als zu $S. Schumacheri gehörend aner- 
kennen. 

Nach Weıss „nur in den höheren Niveaus“, oder „oberen 
Sehiehten“, nach ScHhmipr „nur in den oberen Lagen 
bei Weimar“. Leider geht aus diesen Angaben nicht 
hervor, ob Weiss und Scnumipr die Art unter oder 
über dem Pariser gefunden haben. Ich selbst habe 
sie nur einmal auf einer Halde im Urueschen Bruche 
gefunden und konnte bisher ihre Fundschieht nicht 
ermitteln. 


Nach Weıss „in den tiefsten Schichten“. 
Nach Weıss nur in den „oberen Schichten“. 


Ich konnte nur einige wenige junge Stücke in den 
obersten Lagen des Kieses im UrLteschen Bruche 
sammeln. Die Stücke sind sehr diekscheibig. Eine 
genaue Bestimmung ist mir bei der Dürftigkeit des 
Materiales unmöglich; es kann sich um Pl. borealis 
Loven selbst oder eine der beiden ganz nahe ver- 
wandten Formen Pl. Gredlerü Blz. und Pl. Stroemü 
West. handeln. Als ich zu Anfang des Jahres 1907 mit 
Herrn Professor Dr. BOETTGER über einige kritische 
Gyraulen korrespondierte, schrieb mir dieser, dafs er 
einen von Herrn Dr. A. Weıss 1898 zu Weimar ge- 
sammelten Gyraulus nach erneuter Prüfung für borealis 
Loven halte. Leider steht nicht fest, ob das Stück aus 
der gleichen Schicht wie die meinigen stammt. 


Es handelt sich um den typischen Pl. Rossmaessleri 
Auersw. Diese Form habe ich in früheren Veröffent- 
liehungen aus verschiedenen plistozänen Ablagerungen 
zunächst als Rossmaesslerd Auersw., dann aber, dem 
Vorgange ANDREAES folgend als sibirieus Dunker an- 
gegeben. Eine eingehendere Beschäftigung mit der 
schwierigen Gruppe der Gyraulen hat mich gelehrt, 
dafs diese Form niehts mit Pl. sibiriceus Dunker zu tun 
hat. Verschiedene Bestimmungen von Gyraulus in 
meinen Arbeiten bedürfen einer Berichtigung, die ich 
an anderer Stelle im Zusammenhange geben will, 


EwALp Wüsrt, [90] 


Nach Weiss „als grofse Seltenheit in den untersten 
Schiehten“. 

Die Belgrandia der Travertine von Weimar wurde von 
SANDBERGER (Die Land- und Sülswasserkonehylien der 
Vorwelt, Wiesbaden 1870—1875, S. 915—916, T. 35, 
Fig. 2—2b) als Bb. marginata Mich. sp. bestimmt. 
Cuessin (Monographie des Genus Belgrandia, Malako- 
zoologische Blätter, N. F., Bd. 5, 1882, S. 132—151, 
S. 149) beanstandete diese Bestimmung mit den Worten 
„Die Art ist keinesfalls mit Delgrandia marginata 
identisch, da sie der Form nach mehr in die Gruppe 
der Belgrandia gibberula (kurzes, mehr konisches Ge- 
winde), als jene der Delgrandia gibba, in welche auch 
Delgrandia marginata gehört, zu stellen ist“ und gab 
der besprochenen, von ihm aber weder beschriebenen 
noeh abgebildeten Form den neuen Namen Belgrandia 
germanica. Seither wird die Weimarer Delgrandia in 
der Literatur bald als 5. marginata Mich. sp., bald als 
B. cf. marginata Mieh. sp., bald als D. germanica Cless. 
bezeichnet. Cressins Urteil über die Weimarer Bbel- 
grandia steht in einem so sinnfälligen Gegensatze zu 
dem Aussehen dieser Form, dals man es nur allenfalls 
verstehen könnte, wenn man annähme, dals CLESSIN 
nur junge Stücke von Weimar gekannt hätte, die in 
der Tat an Belgrandia gibberula erinnern können. 
Allein Cressın zitiert SANDBERGERS Abbildungen, 
welehe ausgewachsene Stücke darstellen und auf den 
ersten Blick auf das deutlichste eine Form aus der 
dureh verlängertes Gewinde ausgezeichneten Gruppe 
der Belgrandia gibba Drap. erkennen lassen. Wie nun 
auch CLessın zu seinem Urteile gekommen sein mag, 
soviel steht fest, dals es sich um eine Form der gıbba- 
Gruppe handelt. Mit welcher Form dieser Gruppe 
unsere Delgrandia etwa zu identifizieren ist, vermag 
ich aus Mangel an auch nur einigermalsen genügendem 
Vergleichsmateriale nicht zu entscheiden. Nach der 
Literatur zu urteilen, seheint mir unsere Delgrandia 
nicht der französischen B. marginata Mich. sp., sondern 
der italienischen D. Delpretiana Paulucei apud Olessin 


[91] 


97. 


38. 


Travertingebiet der Gegend von Weimar. 251 


(a.a. O., S.138—139, Taf. 3, Fig. 19) am nächsten zu 
stehen oder geradezu anzugehören. Auch zu der eben- 
falls italienischen B. thermalis L. sp. scheint sie mir 
noch eher nähere Beziehungen zu haben als zur BD. 
marginata Mich. sp. Allein ohne Studium von Original- 
materialien wird die Frage nicht sicher zu entscheiden 
sein. Was die zahlreiehen von BOURGUIGNAT in seinem 
Catalogue des Mollusque terrestres et fluviatiles des 
environs de Paris ä lepoque quaternaire (Paris 1870) 
beschriebenen Belgrandien betrifft, so finde ich — nach 
BoursuigGnarts Abbildungen und Beschreibungen zu 
urteilen — keine davon mit unserer übereinstimmend. 
Unter den vorgetragenen Umständen bezeichne ich 
unsere Delgrandia vorläufig als Belgrandia sp. Wo 
diese kleine Quellschnecke in unseren Travertinen vor- 
kommt, pflegt sie in gro[ser Menge aufzutreten. Eigen- 
artig ist die Art ihres Vorkommens in den untersten 
oder Baum-Travertinen des Urteschen Bruches. 
Während sie hier oft ganz fehlt, liegt sie manchmal in 
ungeheurer Menge zusammen mit Ostrakodenschälchen 
und Gehäusen von Valvata cristata Müll. in losen An- 
häufungen und ganz zweifellos sekundär eingeschwemmt 
in Baumlöchern. Ich nehme an, dafs sie zur Bildungs- 
zeit der Baumtravertine überhaupt bei Weimar noch 
nicht lebte, weil ich sie in einer tonigen Einlagerung 
in den Baumtravertinen nicht zu finden vermochte und 
überhaupt ihr Vorkommen in diesen sehr porösen und 
von vielen Baumlöchern durchzogenen Travertinen ganz 
an Stellen gebunden ist, an denen eine sekundäre 
Einschwemmung teils sicher, teils wenigstens sehr 
leicht möglich ist. Auch der tiergeographische Cha- 
rakter des Konchylienbestandes, der zweifellos der 
Bildungszeit der Baumtravertine angehört, ist schwer 
mit einem primären Vorkommen der Belgrandia ver- 
einbar. 

Die von mir zu Weimar gefundenen Unionen-Scherben 
gestatten keine nähere Bestimmung. 

Die Bestimmung der Pisidien bedarf noch weiterer 
Prüfung. 


952  Ewaun Wüst, Travertingebiet der Gegend von Weimar. [92] 


39, In der Tabelle übergehe ieh die für die in dieser 
Arbeit verfolgten Zwecke belanglose aber an sich sehr 
merkwürdige Angabe von Weıss, dafs er in Weimar 
zwei Schalen einer sehr kleinen Corbulomya nov. Sp. 
gefunden habe. Sollte es sich nieht vielleicht um ganz 
junge Schälehen von Corbieula fluminalis Müll. sp., wie 
sie den Konehyliologen meist ganz unbekannt sind, 
handeln? 


Klimakurve zu S. 228. 


zeıt 


Eiszeit a nterglazial: 


Der Kreislauf des Kohlenstoffs in der Natur 


von 


Dr. Otto Streicher 


staatiich geprüfter Nahrungsmittelchemiker 


Wenn man bei Stoffen, die sämtlich notwendig sind 
zur Ernährung eines Organismus, überhaupt noch zwischen 
wiehtigeren und unwichtigeren unterscheiden könnte, so 
mülste man den Kohlenstoff unstreitig für den wichtigsten 
unter den Nährstoffen einer Pflanze erklären. Da alle 
und jede organische Substanz Kohlenstoff enthält, so gibt 
es kein anderes Element, welches hier denselben zu ersetzen 
und Substanzen in so unübersehbarer Mannigfaltigkeit und 
Fülle zu bilden vermöchte, wie sie der Kohlenstoff in den 
Organismen sowohl, als auch im chemischen Laboratorium 
schafft. Die ganze organische Chemie ist ja bekanntlich 
die Chemie des Kohlenstoffs. Die Möglichkeit ihrer Existenz 
verdanken die aus organischen Stoffen aufgebauten Orga- 
nismen in letzter Linie also den Eigenschaften des Kohlen- 
stoffs. Letzterer spielt daher auf unserem Planeten im 
Haushalte der Natur eine der wiehtigsten Rollen. 

Das in Rede stehende Element kommt teils im freien 
Zustande, teils in Verbindungen anorganischer und orga- 
nischer Art vor. Man kann auch beobachten, dals der 
Kohlenstoff durch die organische Welt eine Wanderung 
unternimmt und zu seinem Ausgangspunkt wieder zurück- 
kehrt, dafs er also auf seinen Wegen einen Kreis be- 
schreibt, einen geschlossenen Ring bildet, dessen Glieder 
das Menschen- bezw. Tierreich einerseits und das Pflanzen- 
reich andererseits sind. Diesen Kreislauf des Kohlenstoffs 


254 OTTO STREICHER, [2] 


in der Natur näher zu betraehten, dürfte wohl für die 
Gebildeten speziell für die für die Natur sieh Interessieren- 
den ein Gegenstand sein, der des Nachdenkens gewils 
nieht unwert ist. 

Bevor jedoch auf den Kreislauf selbst des Kohlenstoffs 
näher eingegangen wird, sollen letzterer zunächst als soleher, 
d.h. wie er in der Natur in freiem Zustande auftritt, und 
dann die Verbindungen desselben einmal kurz ins Auge 
gefalst werden. 

Der Kohlenstoff findet sich rein als Diamant und 
Graphit, unrein in Formen von Anthraeit, Stein- und Braun- 
kohle und Torf. Der Diamant kommt vor im Ural, Ost- 
indien, Australien, Südafrika (Deutschsüdwest-) und Bra- 
silien, erscheint in farblosen, durehsiehtigen, regelmäfsigen 
Oktaödern, ist der härteste Körper, stark lichtbreehend 
(funkelt), unlöslich in allen Lösungsmitteln und unschmelzbar 
und verbrennt in sehr starken Hitzegraden zu Kohlendioxyd 
CO,, Kohlensäureanhydrid. Wegen seiner Härte und seines 
Liehtbreehungsvermögens ist er sehr geschätzt. Der Graphit 
wird in Böhmen, Bayern, Spanien, Sibirien und anderwärts 
angetroffen und kristallisiert in bleigrauen, metallglänzenden, 
sechsseitigen Tafeln, welehe stark abfärben. Mit Ton ge- 
mischt dient er zur Fabrikation von Bleistiften. Da er die 
Elektrizität sehr gut leitet, wird er in der Galvanoplastik 
angewendet. Er ist noch feuerbeständiger als der Diamant 
und verbrennt selbst in reinem Sauerstoff aulserordentlich 
schwierig. Neben Diamant und Graphit tritt der Kohlen- 
stoff als dritte allotropische Modifikation in reinem Zustande 
als amorphe Kohle auf, welche dureh Verkohlung organischer 
Stoffe entstanden ist. Nach denselben bezeichnet man sie 
als Kienruls, Holzkohle, Tierkohle (Knochen- und Fleisch- 
kohle) usw. Der Kienruls ist, wenn nochmals geglüht der 
reinste amorphe Kohlenstoff, leicht brennbar, porös und 
spezifisch leicht. Frisch gebrannte Tierkohle vermag leicht 
Gase in ihren Poren zu verdiehten und Farbstoff aus ge- 
färbten Flüssigkeiten auf sich niederzuschlagen. Im Anschluls 
an die eben erwähnte amorphe Kohle möge nochmals auf 
die sogenannten fossilen Kohlen, deren Haupt- und wichtigster 
Bestandteil gleichfalls amorpher Kohlenstoff ist, hingewiesen 


[3] - Der Kreislauf des Kohlenstoffes in der Natur. 255 


werden. Die schon oben aufgezählten mit dem ältesten 
Gliede angefangenen unreinen Kohlenstoffformationen sind 
aus untergegangener, begrabener Pflanzenwelt hervor- 
gegangen. Der Anthrazit ist die älteste fossile Kohlenart 
und beinahe reiner Kohlenstoff. Ihrem Alter nach etwas 
jünger als der Anthrazit sind die Steinkohlen, jedoch noch 
älter als die Braunkohlen und sind daher in ihrer Zersetzung 
weiter vorgesehritten als die Braunkohleu. Der jüngsten 
Periode gehört der Torf an. Besonders letzterer zeigt noch 
sehr deutlich seine pflanzliche Abkunft durch die Holz- 
strukturen an. 

Der Kohlenstoff verbrennt bei Luftmangel zu einer un- 
gesättigten Verbindung, dem giftigen und brennbaren Kohlen- 
oxydgas CO, bei genügendem Luftzutritt zu dem nicht 
brennbaren Kohlendioxyd, Kohlensäureanhydrid CO,. Das- 
selbe ist zum Atmen untauglich und höchstens bis zu 0,30%, 
ein normaler Bestandteil der Luft. Mit dem Wasserstoff ver- 
mag sich der Kohlenstoff nieht unmittelbar zu verbinden. 
Die riesig zahlreichen Kohlenwasserstoffverbindungen der 
Fettsäurereihe und der aromatischen Reihe gehören der 
organischen Chemie an und können wegen ihres allzu- 
grolsen Umfanges hier nieht besprochen werden, da sie zu 
weit führen und deshalb nieht in den Rahmen dieser Auf- 
gabe passen würden. Der Kohlenstoff verbindet sich mit 
dem Schwefel zu Schwefelkohlenstoff CS), einer als das 
Wasser spezifisch schwereren, farblosen, stark liehtbrechenden 
und äulserst brennbaren, flüchtigen und giftigen Flüssigkeit, 
mit dem Geruch nach faulem Kohl. 

Auf unserer Erde kommt der Kohlenstoff in an- 
organischen Verbindungen am häufigsten als kohlensaures 
Caleinm mit den Namen Kalkstein, Marmor, Kreide, Kalk- 
und Doppelspath und als kohlensaures Magnesium mit der 
Bezeichnung Magnesit und als Dolomit vor, welch’ letzterer 
aus Caleium- und Magnesiumkarbonat besteht. Die mächtigen 
Lager von kohlensaurem Caleium und Magnesium bilden 
sogar riesige Gebirgsmassen. Es möge nur an die Dolomiten 
der Alpen erinnert werden. 

Nachdem man mit dem in der Natur in freiem Zustande 
und dem in Verbindungen vorkommenden Kohlenstoff etwas 


256 OTTO STREICHER, - [4] 


bekannt geworden ist, kann man nun zu dem Kern der 
Aufgabe, dem Kreislauf des Kohlenstoffs in der Natur über- 
gehen und mit der grünenden Pflanze anfangen, welche, 
wie man sehen wird, die Kohlensäure der Luft in ihre 
Komponenten, in Kohlenstoff und Sauerstoff, zerlegt und 
jenen in sich aufnimmt und verarbeitet und diesen, den 
Sauerstoff, abgibt. 

Nieht erst die chemische Analyse braucht zu beweisen, 
dals die Pflanze, wie oben schon darauf hingewiesen, 
wirklich Kohlenstoff, wenn auch in versteekter Form ent- 
hält. Jedes glimmende Streichholz z. B. zeigt durch seine 
Verkohlung den Gehalt an diesem Stoffe an. Der Kohlen- 
stoff ist in der pflanzlichen Substanz nieht nur gleichmälsig 
verteilt, sondern er macht sogar, wie genaue Wägungen 
ergeben haben, etwa die Hälfte des Trockengewichts einer 
Pflanze aus. 

Die früher angenommene sog. Humustheorie, dafs der 
kohlenstoffreiche Humus des Bodens die Kohlenstoffquelle 
für die Pflanze sei, dafs der Kohlenstoff also ganz wie die 
übrigen Nährstoffe, das Wasser mit den darin gelösten 
Salzen, durch die Wurzeln aufgenommen werde, beherrschte 
lange Zeit bis in das Ende des vergangenen Jahrhunderts 
die Botanik und die Landwirtschaft. Pflanzen, welehe in 
humusfreiem Sande oder gar in der Wasserkultur kräftig 
wachsen und dabei ihre Trockensubstanz und demgemäls 
ihren Kohlenstoff mehren, beweisen jedoch klar, dals diese 
Humustheorie falsch war, dafs der Kohlenstoff der Pflanze 
anders woher kommen muls. Der Kohlenstoff des Humus 
stammt nämlich aus Pflanzenresten, deren Verwesung bei 
unvollständiger Oxydation vor sich gegangen ist. Die Ent- 
deekung, dafs der Kohlenstoff der Pflanze der Kohlensäure 
der Luft entnommen und durch die grünen Blätter gewonnen 
und in Kohlehydrate übergeführt wird, knüpft sieh vor- 
nehmlich an die Namen InGENnHouss, JuL. SacHs und andere; 
sie fällt in ihren Anfängen, wie oben schon gesagt, in das 
Ende des verflossenen Jahrhunderts. Diese Entdeckung ist 
eine der bedeutsamsten naturwissenschaftlichen Leistungen, 
denn es war gewils nicht leicht, den unsichtbaren Gas- 
austausch in der Luft als den wichtigsten Ernährungsvorgang 


[5] Der Kreislauf des Kohlenstoffs in der Natur. 257 


der Pflanze aufzufinden, und es gehörte der Mut einer festen 
Überzeugung dazu, die Tausende von Zentnern Kohlenstoff, 
welche ein Walddistrikt in sich aufhäuft, aus dem prozentisch 
äufserst geringen Kohlensäuregehalt der Atmosphäre (0,033 
bis 0,30°/,) herzuleiten. 

Nieht alle Pflanzen und nicht alle Teile einer Pflanze 
sind aber im Stande, der Kohlensäure der Luft den Kohlen- 
stoff zu entreilsen. Nur die durch Chlorophyll grün ge- 
färbten Organe einer Pflanze sind zu dieser Tätigkeit 
befähigt, denn die Chloropbylikörper der Blätter und der 
grünen Stengelteile selbst sind die Laboratorien, in denen 
sich dieser für die gesamte Lebewelt wichtigste chemische 
Prozefs ausschliefslich abspielt. Aus diesen Laboratorien 
stammt der gesamte Kohlenstoff, weleher die organische 
Substanz aller Lebewesen, aller Pflanzen wie aller Tiere, 
zusammensetzt. Kein Tier ist im Stande, das wichtigste 
Element seiner Körpersubstanz aus anorganischer Quelle zu 
gewinnen, es kann dasselbe nur in organischer Substanz 
aufnehmen, die in Pflanzen erzeugt worden ist.‘ Aber auch 
alle chlorophyllfreien Pflanzen, wie Pilze und vereinzelte 
höhere Schmarotzergewächse, sind bei ihrer Ernährung auf 
die fertige organische Substanz angewiesen, die von Chloro- 
phylikörpern ihren Ausgang nahm. Die cehlorophylilfreien 
Teile grüner Pflanzen wie z. B. die Wurzeln, sind in ihrer 
Ernährung von den grünen Pflanzenteilen abhängig, wie in 
den grünen Zellen selbst das farblose Protoplasma von der 
Tätigkeit der Chlorophylikörner. Die Wurzeln nehmen also 
nicht die zur Ernährung einer Pflanze notwendige organische 
Substanz auf, sondern nur Wasser und die darin gelösten 
Salze. 

Die Gewinnung des Kohlenstoffes aus der Kohlensäure 
und seine Überführung in organische Substanz hat man 
schlechthin als die Assimilation der Pflanzen bezeichnet. 
Im weiteren Sinne, und besonders für das Tierreich, wird 
zwar das Wort Assimilation von allen Ernährungsprozessen 
gebraucht, bei denen eine Umbildung der gebotenen Nähr- 
stoffe in die Körpersubstanz der Organismen stattfindet. 
Es hat sich aber in der Botanik die Gewohnheit heraus- 
gebildet, dals unter „Assimilation“ speziell die Kohlenstoff- 

Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a.$S. Bd.82. 1910. 17 


258 OTTO STREICHER, [6] 


assimilation der Chlorophylikörper gemeint ist. Durch diese 
vollzieht sich jedenfalls der wiehtigste Schritt aller weiteren 
sog. „Assimilationsvorgänge“, die sich auf dieser ersten 
Grundlage nur nachträglich fortzusetzen vermögen. 

Sehr bemerkenswert ist es aber, dafs die Chlorophylil- 
körper nur mit Hülfe von Liehtschwingungen aus Kohlen- 
säure und Wasser organische Substanz bereiten können. 
Im Dunkeln assimiliert der Chlorophyllapparat nicht, auch 
wenn sonst alle Bedingungen für eine rege Assimilation 
vorhanden sind. Mit eintretender Beleuchtung, die aus 
künstlichen Liehtquellen ebenso wie aus kosmischen Quellen 
stammen kann, beginnt dann erst die Assimilation und steigt 
in gewissen Grenzen proportional mit der Intensität der 
wirksamen Strahlen. Zum Betrieb der Assimilationstätigkeit 
sind aber durchaus nicht alle Ätherschwingungen, die sich 
unserem Auge als Lieht bemerkbar machen, gleich befähigt. 
Wie die Strahlen von verschiedener Wellenlänge, welche das 
uns weils erscheinende Mischlieht zusammensetzen, sowohl 
auf unser Auge als auch auf die photographischen Zer- 
setzungen verschieden einwirken, so beeinflussen sie auch 
die Assimilation in ganz verschiedenem Malse. Man könnte 
vermuten, dals die sog. chemisch-wirksamen Strahlen, also 
die blauen und violetten, welche vornehmlich die Zersetzung - 
der Silbersalze und anderer chemischer Verbindungen be- 
wirken, auch bei den Umsetzungen im Chlorophylikorn die 
wirksamen seien. Es hat sich aber gerade das Gegenteil 
herausgestellt. Die stark breehbaren „chemischen“ Strahlen 
sind bei der Assimilation viel schwächer beteiligt als die 
roten, orangen und gelben Strahlen. Der sog. leuchtende 
Teil des Spektrums, also die roten, orangen und gelben 
Liehtstrahlen, sind für die Assimilation am wirksamsten. 
Bei derselben wird die Kohlensäure der Luft zerlegt, indem 
der Kohlenstoff derselben unter Abgabe von Sauerstoff mit 
Hülfe des durch die Wurzeln aufgenommenen Wassers in 
Kohlehydrate, welehe nur aus Kohlenstoff, Sauerstoff und 
Wasserstoff bestehen und zwar die beiden zuletzt genannten 
Elemente im Verhältnis der Zusammensetzung von Wasser, 
übergeführt wird. Dieser Vorgang wird so erklärt, dals als 
erstes Produkt der Assimilation aus Kohlensäureanhydrid 


[7] Der Kreislauf des Kohlenstoffs in der Natur. 259 


CO, und Wasser, also unter Abgabe von Sauerstoff Formal- 
dehyd HCHO gebildet wird. Dasselbe polemisiert sich 
dann zu Traubenzucker O0,H,s0;. Durch Einwirkung von 
Kaliumnitrat auf letzteren entsteht Amidobernsteinsäureamid 


CONB, 
GENE op 


Asparagin genannt, Wasser und Sauerstoff und als häufigstes 
Nebenprodukt Oxalsäure in Verbindung von Kali als Kalium- 
oxalat. Diese Prozesse können in folgenden Formeln zum 
Ausdruck gebracht werden: 


CO, + H,0= HCHO-+O0. 
Kohlensäureanhydrid + Wasser — Formaldehyd + Sauerstoff 


6HCHO = (,H120; 


Formaldehyd Traubenzucker 


C,H O; 4 2AKNO; = C,H;,N, O; + 0, O,K, + 6H, (0) + (0) 
Traubenzucker + Kaliumnitrat — Asparagin + Kaliumoxalat + Wasser 
+ Sauerstoff 


Da die Oxalsäure als freie Säure wie auch als lösliches 
Kaliumsalz auf sehr viele Pflanzen giftig wirkt, setzt letzteres 
sich mit vorhandenen Kalksalzen um und scheidet sich als 
sehr schwer lösliches und deshalb unschädliches Caleium- 
oxalat in sog. Idioblasten aus. Der bedeutende Pflanzen- 
physiologe PFEFFER in Leipzig nimmt nämlich das Asparagin 
als einen Vorläufer der Eiweilsbildung an. Ihrer elementarer 
Zusammensetzung nach bestehen die Eiweilskörper aus 
Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel und 
häufig Phosphor. Das Eiweils entsteht nur in dem pflanz- 
lichen Organismus und wird den Menschen und Tieren fertig ' 
gebildet durch die Nahrung zugeführt. 

Bei der Assimilation des Kohlenstoffes wird eine an- 
sehnliche chemische Arbeit geleistet und von den dadurch 
geschaffenen Spannkräften werden vornehmlich die Lebens- 
vorgänge der Organismen unterhalten. Auch die durch 
unsere Dampfmaschine erzeugten und zu den mannig- 
faltigsten Arbeitsleistungen verwandten Kräfte sind auf die 

17* 


260 OTTO: STREICHER, [8] 


Assimilationsarbeit jener Pflanzen zurückzuführen, deren 
verkohlte Reste unter dem Maschinenkessel verbrennen. Denn 
beim Verbrennen der reduzierten Kohlenstoffverbindungen 
zu Kohlensäure wird jene Arbeitsleistung wieder frei, welche 
umgekehrt nötig war, die Kohlensäure der Luft in jene 
Brennstoffe überzuführen. Der Kohlenstoff unternimmt also 
in der Natur eine Wanderung, die zu einem Kreislauf wird, 
indem die grünen Teile einer Pflanze, wie eingehend be- 
sproehen worden ist, den Kohlenstoff der in der Luft ent- 
haltenden Kohlensäure assimiliert und dann die Pflanze 
beim Verbrennen oder bei der Verwesung, was ja nur eine 
langsame Verbrennung ist, den Kohlenstoff in Verbindung 
von Sauerstoff der Luft als Kohlensäureanhydrid wieder 
abgibt. 

Nur nebenbei sei bemerkt, dafs ein ganz verschwindend 
kleiner Teil des durch die Assimilation freigewordenen 
Sauerstoffs von den Pflanzen zur Atmung wieder aufgebraucht 
wird, wenn auch alle Teile einer Pflanze Tag und Nacht 
atmen. 

Durch die überaus starke Assimilation des Kohlenstoffes 
aber bei den zahllosen hier in Betracht kommenden Pflanzen 
würde die Luft sehr bald frei von Kohlensäure und reich 
an Sauerstoff werden, wenn nieht die Menschen und das 
Tierreich hierin einen Ausgleich schafften. Alle lebenden 
Wesen auf unserer Erdkugel atmen nämlich, indem sie 
Sauerstoff zur Oxydation zurückbehalten und, was besonders 
hervorgehoben werden soll und mu/s, Kohlensäureanhydrid 
CO,, dessen Kohlenstoff von der grünen Pflanze unter gc- 
wissen Bedingungen wieder assimiliert wird, ausatmen. 
Dieses ausgeatmete Kohlensäureanhydrid CO, ist sowohl 
ein Teil der eingeatmeten Luft als auch insbesondere der 
zu Kohlensäureanhydrid oxydierte Teil des Kohlenstoffes 
der aufgenommenen Nahrung. Nachdem letztere verarbeitet, 
ausgesogen und die guten Bestandteile der Nahrung vom 
menschlichen ‘bezw. tierischen Körper zum Aufbau oder 
Erhaltung desselben verwendet worden sind, werden die 
schlechten und unbrauchbaren als Faeces abgegeben und 
verwesen und verfaulen, wobei infolge der langsamen 
Oxydation Kohlensäureanhydrid entsteht. Jeder organische 


[9] Der Kreislauf des Kohlenstoffs in der Natur. 261 


Körper ist nach einer gewissen Zeit der Notwendigkeit 
unterworfen, dafs er sich zersetzt, indem er entweder 
verbrennt oder verwest oder verfault, wobei als Endprodukt 
stets immer wieder Kohlensäureanhydrid (CO, gebildet wird. 

So wird also das von den Pflanzen zerlegte und ver- 
arbeitete Kohlensäureanhydrid in der Luft wieder ergänzt 
und auf das riehtige Mals gebracht. Demnach ist ein Kreis- 
lauf des Kohlenstoffes unverkennbar. Die lebenden Wesen 
sind nicht im Stande den Kohlenstoff so herzurichten, dafs 
letzterer ihnen selbst gleieh zur Nahrung dienen kann. 
Vielmehr muls er erst von den grünen Pflanzen verarbeitet 
und gewonnen werden. Danach erst wird er von den 
lebenden Wesen als Nahrung teils als Kohlehydrate teils 
als Eiweils aufgenommen. Der von den lebenden Wesen 
in sich angehäufte Kohlenstoff wird nach dem Absterben 
derselben durch Verwesung, wie oben schon darauf hin- 
gewiesen, als Kohlensäureanhydrid CO, wieder frei, das 
dann von den grünen Pflanzen wieder zerlegt wird, und 
aus dem der Kohlenstoff von denselben schliefslich wieder 
assimiliert wird. 

Aus obigen Ausführungen geht nun hervor, dafs der 
Kohlenstoff auf unserem Planeten im Haushalte der Natur 
eine Wanderung unternimmt und einen Kreis beschreibt, 
wobei er verschiedene Stadien zu durchlaufen hat und 
hierbei die Menschen und das Tierreich einerseits und das 
Pflanzenreich andererseits Glieder des geschlossenen Ringes 
bilden. Die dem Kohlenstoff zugefallene äulserst wichtige 
Rolle auf unserer Erdkugel ist also nicht zu verkennen. 
Weiter geht aus Obigem hervor, dafs die Menschen und das 
Tierreich ohne das Pflanzenreich nieht existieren können, 
und umgekehrt das Pflanzenreich zu seinem Dasein die 
Menschen und das Tierreich wiederum bedürfen. So stehen 
also die lebenden Wesen zu dem Pflanzenreich in einer 
merkwürdigen Beziehung und treten miteinander in eine 
vorteilhafte Lebensgemeinschaft, welche man als Symbiose 
bezeichnen kann. 


Weitere Beiträge zur Kenntnis der Flora 
von Burg 


von 


Dr. Walther Wangerin 


Da ich infolge meiner am 1. April 1910 erfolgten 
Übersiedelung nach Königsbesg i. Pr. keine Gelegenheit 
mehr finden werde, die von mir begonnene systematische 
Durehforschung der Flora von Burg zu Ende zu führen, so 
will ich im Folgenden wenigstens noch diejenigen meiner 
bisherigen Ergebnisse, die ich in meiner vorigen Arbeit!) 
nieht berücksiehtigt habe, zusammenstellen als weiteres 
Material für eine etwaige künftige Flora des nordöstlichen 
Teiles der Provinz Sachsen. In der Anordnung der Arten 
halte ich mich wieder an die letzte Auflage der GARCKE- 
schen Flora, allen Ortsangaben sind in zweifelhaften Fällen 
wieder die Melstischblätter zugrunde gelegt. ' 


Stratiotes aloides L. In einem Sumpf unterhalb der Sand- 
berge bei Ihleburg, bestandbildend. 

Scirpus maritimus L. Im Rohrsumpf (Seirpus lacuster als 
Hauptleitpflanze) an der Potstrine bei Gerwisch in 
kleinen Beständen. 

Eriophorum vaginatum L. Torfmoor am Rande der Kähnert- 
schen Forst (bei Grabow). 


Oladium Mariscus R. Br. In den nassen Teilen des Lause- 
bruches, zwischen Phragmites communis, ziemlich zahl- 
reich. 


1) Zeitschrift für Naturwissenschaften, Bd. LXXXI, Heft 4 (1909), 
S. 272 — 276. 


[2] Weitere Beiträge zur Kenntnis der Flora von Burg. 263 


Rhynchospora alba Vahl. In nassen Torflöchern des Torf- 
moores am Rande der Kähnertschen Forst, ziemlich 
zahlreich. 

Carex Oederi Ehrh. Moorige Fläche am Waldrand rechts 
vom Wege von Theessen nach Tuchheim, sparsam. 


Carex supina Wahlenberg. Am Weinberg zwischen Hohen- 
warthe und Lostau (gesammelt von P. LEEKE). 


Juncus obtusiflorus Ehrh. Im Lausebruch, in grofser Menge 
und teils allein, teils mit Phragmites cummunis im 
Torfsumpf wie auch im Sphagnetum bestandbildend. 


Juncus supinus Moench. Sumpfige Niederung rechts von 
der Berliner Chaussee hinter Hohenseeden, sparsam. 


Anthericus ramosus L. Im Kiefernwald der Grabower Forst, 
rechts vom Wege von Forsthaus Grabow nach Pietzpuhl, 
ganz vereinzelt. 


Ornithogalum umbellatum L. Wiesen diesseits des Ihle- 
Kanals rechts von der Blumenthaler Chaussee, an einer 
Stelle in grofser Menge; am Deichwall vereinzelt. 


Allium acutangulum Schrader. An der Potstrine bei Ger- 
wisch und von da auf feuchten Wiesen bis nach Lostau 
hin in grolser Menge. 


Allium Scorodoprasum L. Gebüschränder am Deichwall, 
zahlreich. 

Allium oleraceum L. Sandige Heide zwischen Gerwisch 
und der Potstrine, ziemlich zahlreich. 


Liparis Loeselii Rich. Blühte im Juni 1909 im Hungrigen 
Wolf bei Bahnhof Möser, dem einzigen bisher aus der 
Gegend bekannten Standort, zahlreich; aulserdem 
sparsam im Torfsumpf des Lausebruches. 


Listera ovata R. Br. Erlenbrüche im Bürgerholz, zerstreut. 


Orchis incarnata L. Im Hungrigen Wolf, sparsam ; sumpfige 
Wiese beim Brehm, ganz vereinzelt. 


Orchis Traunsteineri Saut. Torfmoor am Rande der Kähneırt- 
schen Forst; einer der bemerkenswertesten und inter- 
essantesten Funde! 


264 WALTHER WANGERIN, [3] 


Polygonum Bistorta L. Auf Wiesen bei Brandenstein, 
zahlreich. 


Illecebrum werticillatum L. Auf einem sandigen Acker 
zwischen der Grabower und der Kähnertschen Forst, 
wie gesät. 


Ranunculus divaricatus Wimmer. In einem Teieh der so- 
genannten „Sieben Seen* im Külzauer Forst bei der 
Rothen Mühle. 


Ranmeulus Lingua L. Rohrsumpf unterhalb der Sandhügel 
bei Ihleburg; bruchiger Wald beim Bahnhof Güsen; im 
Torfkanal bei Karow im Fiener Bruch. 


Thalietrum flavum L. Feuchte Wiesen an der Hedwigs- 
brücke. 


Turritis glabra L. Grasiger Damm des Karower Haupt- 
kanals im Fiener Bruch, sparsam. 


Arabis hirsuta Seop. Wie vorige, sparsam. 


Drosera rotundifolia L. Im Sphagnetum des Lausebruches, 
in üppiger Entwicklung; Torfmoor am Rande der 
Kähnertschen Forst sowie besonders auf torfigen Wiesen 
in der Nachbarschaft desselben in Sphagnum-Polstern. 


Drosera intermedia Hayne. Torfmoor am Rande der Kähnert- 
schen Forst, in nassen Torflöchern ziemlieh zahlreich. 


Chrysosplenium alternifolium L. Erlenbrüche des Bürger- 
holzes hinter dem Forsthaus; sumpfige Gräben am Rand 
der Wiesen von der Hedwigsbrücke bis zum Brehm, 
sehr zahlreich. 


kibes nigrum L. Als Unterholz in den Erlenbrüchen des 
Bürgerholzes, ziemlich zerstreut. 


Ulmaria Filipendula J. Hill. Wiesen am Deichwall; Wiesen 
bei der Hedwigsbrücke. 


Genista tinctoria L. Am Deichwall, zahlreich. 


Medicago falcata L. Kirehhofsmauer in Grabow; sonniger 
Abhang bei Hohenseeden. 


[4] Weitere Beiträge zur Keuntnis der Flora von Burg. 265 


Trifolium fragiferum L. Trockene Stellen der Wiesen 
zwischen der Stadt und der Hedwigsbrücke (Nacht- 
weide), auf salzfreiem Boden. 


Coronilla varia L. Am Deiehwall; Waldränder und Weg- 
böschungen an der Berliner Chaussee hinter Hohen- 
seeden. 


Lathyrus platyphyllos Retz. Im Gebüsch an einem Ausstich 
am Deichwall. 


Lathyrus paluster L. Feuchte Wiesen im Lausebruch, 
sparsam. 


Polygala comosa Schkuhr. Sumpfige Wiesen zwischen Hohen- 
seeden und Güsen. 


Euphorbia palustris L. In Ausstichen am Deichwall. 


Acer campestre L. In Erlenbrüchen des Bürgerholzes als 
Unterholz zerstreut und sparsam; am Deichwall in 
Menge, sowohl strauchförmig in Hecken und Gebüschen 
wie auch in stattliehen baumförmigen Exemplaren. 


Hypericum quadrangulum L. Wiesengräben der Nachtweide, 
sparsam. 

Helianthemum Chamaecistus Mill. Sonnige Kiefernschonung 
zwischen Brandenstein und Krüssau. 


Hippuris vulgaris L. In einem wassererfüllten alten Torf- 
stich des Fiener Bruches zwischen Ziesar und Karow. 


Peucedanum palustre Mnch. Wiesen an der Hedwigsbrücke; 
Wiesen und Gräben beim Torfmoor am Rande der 
Kähnertsehen Forst. 


Vaceinium Oxycoccos L. Torfmoor am Rande der Kähnert- 
schen Forst, in Sphagnum-Polstern sparsam. 


Erica Tetralix L. Torfmoor am Rande der Kähnertschen 
Forst, wie gesät; im Sphagnetum des Lausebruches, 
zahlreich. 

Menyanthes trifoliata L. Sumpfige, torfige Wiesen beim 
Brehm; alte Torfstiehe bei Reesen; sumpfige Wiesen 
bei Brandenstein; überall gesellig, aber meist nur 
sparsam blühend. 


266 WALTHER WANGERIN, [5] 


Gentiana Pneumonanthe L. Sumpfige Niederung zwischen 
Burg und Pietzpuhl; Lausebruch. 


Stachys recta L. Sandhügel bei Ihleburg; sandiger Abhang 
beim Vorwerk Hollandshof unweit Karow. 


Gratiola officinalis L. Lehmige ausgetrocknete Gräben und 
Niederungen am Deichwall, gesellig. 


Linaria arvensis Desf. Sandige Äcker an der Blumenthaler 
Chaussee, kurz vor dem Deichwall, vereinzelt. 


Veronica spicata L. Sonniger Abhang am Lausebruch, nicht 
zahlreich. 


Pedicularis palustris L. Sumpfige Wiesen beim Brehm, wie 
gesät, und von dort, jedoch sparsamer, bis zu den 
alten Torfstichen bei Reesen; moorige Niederung am 
Waldrand rechts vom Wege von Theessen nach 
Tuchheim. 


Melampyrum nemorosum L. Im Bürgerholz an lichten, 
sonnigen Rändern hinter dem Forsthaus, zahlreich. 


Plantago arenaria W. u. K. Wegränder im Gebiet der 
Sandhügel bei Ihleburg, zahlreich. 


Galium boreale L. Wiesen und Gebüsche bei der Hedwigs- 
brücke. 


Adoxa Moschatellina L. Im Bürgerholz im Laubwald am 
Rand der Erlenbrüche, besonders in der Umgebung 
älterer Baumstämme, gesellig; unter alten Bäumen beim 
Forsthaus Grabow, desgl. 


Scabiosa canescens W.u.K. Sonniger, von Calluna vulgaris 
bedeckter Abhang beim Bahnhof Möser. 


Bryonia alba L. In Hecken dicht bei der Stadt am Wege 
nach der Holländer-Windmühle. 


Senecio paludosus L. Bruchige Waldliehtung beim Bahnhof 
Güsen. 
Inula salicina L. Am Deichwall. 


Ohondrilla juncea L. Sandhügel und sandige Triften bei 
Ihleburg. 


[6] Weitere Beiträge zur Kenntnis der Flora von Burg. 267 


Den vorstehenden Standortsangaben für weniger ver- 
breitete resp. seltene Pflanzenarten der Flora von Burg mögen 
noch einige auf diese Gegend sich beziehende Hinweise zur 
Frage des Naturdenkmälerschutzes beigefügt werden. 

In forstbotanischer Hinsicht bietet die Gegend, so weit 
ich es wenigstens nach meiner Kenntnis derselben zu be- 
urteilen vermag, nur wenig; weder nehmen an der Zu- 
sammensetzung der Wälder besonders bemerkenswerte Arten 
von Holzgewächsen teil, auf die das Augenmerk zu richten 
wäre, noch sind mir besonders ausgezeichnete Waldbestände, 
die ungestört in ihrem heutigen Zustande zu erhalten 
wünschenswert wäre, bekannt geworden. Auch von hervor- 
ragenden Baumgestalten könnte ich nur die sogenannte 
„Grofse Buche“ im Bürgerholz hinter dem Forsthaus nennen, 
die sich allerdings durch einen recht beträchtlichen Stamm- 
durehmesser und schöne Krone auszeichnet; sonst wären 
etwa noch die beiden Linden (Tika parvifolia) zu nennen, 
die unmittelbar vor der Försterei Pabsdorf stehen und unter 
den mir bekannten nach Stärke des Stammes, Höhe und 
Bildung der Krone die schönsten und stattliehsten sind; 
ebenda stehen auch mehrere schöne alte Eichen. | 

Anders dagegen liegen die Verhältnisse, wenn man für 
den Schutz der Naturdenkmäler nicht blo(s das Material ins 
Auge falst, das im allgemeinen in den forstbotanischen 
Merkbüchern zusammengestellt wird, sondern wenn man, 
worauf das Bestreben sich in neuerer Zeit vielerorts richtet, 
weiter geht und den Begriff- „Naturdenkmal“ in seinem 
eigentlichen umfassenden Sinne erfalst. Dann kommen in 
botanischer Hinsicht in erster Linie bemerkenswerte Pflanzen- 
bestände sowie Standorte von besonders seltenen oder aus- 
gezeichneten Pflanzenarten in Betracht. Von ersteren sind 
für unsere hiesige Gegend hauptsächlich die Moore von 
Bedeutung, zumal diese auch infolge der immer intensiver 
betriebenen Melioration als mit am meisten gefährdet an- 
gesehen werden müssen. Zweifellos muls es aber, so er- 
freulich an sich es auch ist, wenn früher öde und unfrucht- 
bare, unzugängliche Gelände der Landwirtschaft erschlossen 
wird, doch als dringend wünschenswert bezeichnet werden, 
dafs diese Ausdehnung der Kultur nicht zu einem völligen 


268 WALTHER WANGERIN, [7] 


Verschwinden der Moore führen möchte, eine Gefahr, die 
leider in vielen Gegenden Deutschlands besteht. Denn man 
muls daran denken, dals die Sümpfe und Moore in älterer, 
auch noch in historischer Zeit gerade im norddeutschen 
Flachlande eine sehr bedeutende Rolle im Landschaftsbild 
spielten, und dafs gerade die Moore eine sehr bezeichnende 
Pflanzenwelt beherbergen, so manche seltene und pflanzen- 
geographisch bemerkenswerte Art, die nur auf dem kalten, 
nassen Moorboden sich bis auf unsere Zeit lebend erhalten 
hat und noch Zeugnis ablegt von Vorgängen, die sich bei 
der postglazialen Entwieklung unserer heiniischen Flora und 
Pflanzendecke abgespielt haben. Von gröfseren Moor- 
bildungen aus der hiesigen Gegend ist vor allem das 
Fiener Bruch zu nennen. Dieses ausgedehnte Gebiet, das 
sich bei einer durchschnittlichen Breite von 3—5 km auf 
eine Länge von annähernd 18 km erstreckt, war in früherer 
Zeit seiner ganzen Ansdehnung nach von Moorbildungen 
erfüllt; doch ist jetzt bereits der weitaus gröfsere Teil 
durch ein weit verzweigtes Netz von Gräben entwässert 
und in Wiesen-, teilweise auch in Ackerland umgewandelt; 
nur im östlichen Teil des Fiener Bruches, etwa zwischen 
den Ortschaften Ziesar und Karow, hat die Moorlandschaft 
noch ihren ursprünglichen Charakter bewahrt, so weit nicht 
dureh die stellenweise lebhaft betriebene Torfstecherei auch 
hier die natürlichen Verhältnisse modifiziert bezw. gar zer- 
stört worden sind. Eine Wanderung durch diesen Teil des 
Fiener Bruches, wie ich sie im Juni vorigen Jahres aus- 
geführt habe, bietet einen ganz eigenartigen Reiz; 2 km 
nördlich von Ziesar betritt man beim Fienerhof zuerst das 
Gelände des „Fiener“, wie in der Gegend das Gebiet 
kurzweg genannt wird; zuerst sind es nur mehr oder 
weniger sumpfige Wiesen, die zu beiden Seiten den Weg 
begleiten, dann trifft man bald auf die ersten Torfstiche, 
die teils schon wieder zugewachsen, teils noch von dunklem 
Moorwassez, erfüllt sind, und allmählich wandelt sich der 
Charakter der Landschaft immer mehr: an Stelle der 
sumpfigen Wiesen, auf denen zuletzt Arten wie Egquisetum 
palustre u. dgl. neben Carex-Arten tonangebend wurden, 
treten vielfach Schilfdiekichte, die den schmalen Weg zu 


[8] Weitere Beiträge zur Kenntnis der Flora von Burg. 269 


beiden Seiten umsäumen und die schon um diese Jahreszeit 
den Wanderer überragen,; dann wieder wechselt mit dem 
Phragmitetum ein Bestand von Equwisetum limosum, ab, der 
einen freieren Blick über das ausgedehnte Moorgelände ge- 
stattet, oder es sind grolse Flächen bedeckende Weiden- 
gebüsche oder Bestände von Carex paniculata, die den 
Bliek gefangen nehmen. Da diese erste Exkursion in das 
Fiener Bruch, die leider auch meine letzte bleiben sollte, 
nur einer vorläufigen Information dienen sollte, so kam ich 
nicht dazu, genauere Bestandesaufnahmen der verschiedenen 
Formationstypen zu machen, unter denen ich übrigens 
eigentliche Hochmoorbildungen (Sphagneten) vermilst habe, 
ohne aber deshalb behaupten zu wollen, dafs solehe in dem 
weit ausgedehnten Gelände, von dem ich immerhin nur 
einen relativ geringen Teil aus eigener Anschauung kennen 
gelernt habe, überhaupt nieht vorkämen. Auch kann ich 
zur Zeit keine detaillierten Angaben darüber machen, ob 
dieser Teil des Fiener Bruches Pflanzenarten von besonderer 
Bedeutung oder Seltenheit beherbergt; sind mir selbst auch 
solehe trotz manches interessanten Fundes nicht aufgestolsen, 
so glaube ich doch mit Recht annehmen zu dürfen, dals 
auch in floristischer Hinsicht das Gelände manches Wert- 
volle bieten dürfte. Aber wie sich das auch verhalten mag, 
Jedenfalls muls ich es wegen des eigenartigen Landschafts- 
eharakterss und der interessanten Formationsbildung als 
dringend wünschenswert bezeichnen, dals von berufener 
Seite dafür gesorgt werden möchte, dals dieser Teil des 
Fiener Bruches oder doch wenigstens eine grölsere Fläche 
desselben in seiner jetzigen Gestalt erhalten bleiben möchte. 
Moorflächen, die sich an Ausdehnung auch nur annähernd 
mit dem Fiener Bruch messen könnten, bietet die hiesige 
Gegend sonst nieht mehr; wohl aber finden sich in nicht 
geringer Zahl kleinere Moorbildungen, die wohl geeignet 
sind das Interesse des Botanikers auf sich zu ziehen. Zu 
diesen rechne ich in erster Linie den „Hungrigen Wolf“ 
beim Bahnhof Möser. Auch dieser besals in früherer Zeit 
eine grölsere Ausdehnung als gegenwärtig; dureh die An- 
lage der gegenwärtigen Eisenbahnstreeke Magdeburg— Burg 
wurde er in zwei Teile zerschnitten, von denen nur der 


270 WALTHER WANGERIN, [9] 


grölsere westliche den ursprünglichen Formationscharakter 
wenigstens der Hauptsache noch bewahrt hat; doch ist auch 
dieser möglicherweise durch die in Ausführung begriffene 
Erweiterung des Bahnhofs Möser gefährdet, wenigstens 
machte ich die Wahrnehmung, dafs an einer Stelle vom 
Rande her grölsere Erdmassen im Sumpfe zur Aufsehüttung 
gelangten. Der Hungrige Wolf ist in erster Linie als 
Standort seltener Pflanzenarten von Bedeutung; unter diesen 
wieder verdient das Glanzkraut (Liparis Loeselü), das in 
vielen Gegenden Deutschlands schon völlig vernichtet worden 
ist durch Trockenlegung der Sümpfe und Moore, an erster 
Stelle Erwähnung; genannt seien ferner noch Carex pulicaris, 
O©. diandra, Erica Tetralix, Cladium Mariscus, Drosera 
rotundifola, Utrieularia vulgaris, Epipactis palustris, Juncus 
obtusiflorus und Gentiana Pneumonanthe Aber auch als 
Pflanzenformation bietet der Hungrige Wolf mancherlei 
Interessantes. Zum gröfsten Teil ist es ein Torfsumpf, der 
von Phragmites communis und Carex-Arten ausgefüllt wird; 
zwischen dem Schilf findet sich in grofser Menge als 
Charakterpflanze das schon genannte Oladium Mariscus, im 
Hoehsommer tritt ferner Juncus obtusiflorus in ungeheurer 
Menge teils allein bestandbildend, teils zwischen dem Schilf 
auf. Im torfigen Wasser schwimmt am Rande Utrieularia 
vulgaris mit weithin leuchtenden gelben Blüten. In den 
troekneren, mehr heideartigen Teilen ist Carex pulicaris als 
Leitpflanze zu nennen; daneben treten auf Molinia coerulea, 
Eriophorum angustifolium, Potentilla Tormentilla, Salıx 
repens, Carex stellulata u. a.m.; hier ist, nach dem Rande 
des Sumpfes zu, auf moosigen, feuchten Carex-Bulten auch 
der eigentliche Standort von Liparis Loeselii, die ich im 
vorigen Juni reichlich blühend fand. Am Rande endlich 
finden sich, allerdings nur in ziemlich geringer Ausdehnung, 
Sphagnum-Polster mit reichlicher Drosera rotundifolia. Da 
der Hungrige Wolf zur königl. Forst Detershagen gehört, 
so dürften Malsregeln zu seiner Erhaltung keine grolsen 
Schwierigkeiten verursachen. 

Eine dem Hungrigen Wolf überaus ähnliche Formation 
fand ich im sogenannten Lausebruch (rechts vom Waldrande 
am Fahrweg von Burg nach Hohenwarthe), das, obwohl 


[10] Weitere Beiträge zur Kenntnis der Flora von Burg. 271 


nahe bei der Stadt gelegen, dennoch merkwürdigerweise 
bisher noch nie floristisch untersucht worden zu sein scheint. 
Auch hier nimmt die nassesten Teile ein Torfsumpf ein, in 
welehem zwischen dem Schilf Oladium Mariseus (für welches 
bisher der Hungrige Wolf als einziger Standort galt) reich- 
lich gedeiht und am Rande in nassen Bulten auch Liparis 
Loeselii vorhanden ist. Auch Juncus obtusiflorus findet sich 
in grofser Menge und im Hochsommer bestandbildend. An 
den eigentlichen Torfsumpf schliefst sich ein Sphagnetum, 
dessen Ausdehnung eine erheblieh grölsere ist als im 
Hungrigen Wolf; auch auf diesen Sphagnum-Flächen spielen 
Phragmites und Juncus obtusiflorus noch eine ziemliche 
Rolle im Vegetationsbild, doch herrschen daneben Erica 
tetralix (hier viel zahlreicher als im Hungrigen Wolf) und 
Drosera rotundifolia vor. Es sind sonach die für den 
Hungrigen Wolf bezeichnenden Arten grölstenteils auch hier 
vorhanden; ob auch andere wie Carex pulicaris, ©. teretius- 
cula usw. sich finden, muls ich dahingestellt sein lassen, da 
ich selbst im Vorjahre erst in zu weit vorgerückter Jahres- 
zeit an jene Stellen kam, um das etwaige Vorhandensein 
dieser Arten noch konstatieren zu können. 

Endlich möchte ich noch das am Rande der Kähnert- 
schen Forst (bei Grabow) gelegene Torfmoor namhaft 
machen, dessen Erhaltung ebenfalls recht wünschenswert 
wäre. Hier hat allem Anschein nach eine Entwässerung 
schon einmal stattgefunden; ihr ist es wohl zuzuschreiben, 
dafs dieses Torfmoor zum grolsen Teil von einem Bestand 
von Calluna vulgaris und vor allem von Erica tetralix ein- 
genommen wird, der zur Blütezeit der letzteren, weitaus 
dominierenden Art einen unbeschreiblieh reizvollen Anblick 
gewährt. Immerhin sind noch nasse Torflöcher vorhanden, 
in denen Arhynchospora alba und vor allem Drosera inter- 
media (welche im Gegensatz zu der auch vorhandenen D. 
rotundifolia das Sphagnum-Polster stets zu meiden scheint) 
reichlich gedeihen. Gerade der letzteren Art wegen wäre 
eine Erhaltung des fraglichen Geländes dringend zu wünschen, 
denn es dürfte dies ihr einziger Standort in der ganzen 
Gegend sein; bei Hohenseeden, von wo SCHNEIDER die Art 
angibt, habe ich sie trotz genauen Suchens nicht mehr 


272 WALTHER WANGERIN, [11] 


finden können, das Gelände war auch sichtlich viel zu 
troeken; und auch bei Rietzel, von wo sie in dem von 
ASCHERSON herausgegebenen Nachtrag zu SCHNEIDERS Flora 
angegeben wird, dürfte sie kaum mehr vorhanden sein, da 
das am Mittelgraben gelegene moorige Gelände daselbst in 
sehr weitgehendem Malse troeken gelegt worden ist. Von 
sonstigen bemerkenswerten Hochmoorarten bietet das Torf- 
moor am Rande der Kähnertschen Forst noch Vaceinium 
oxycoccos und .Eriophorum vaginatum, sowie vor allem 
Orchis Traunsteineri, die ich hier in ca. 8—10 Exemplaren 
fand und die, so viel mir bekannt, für die ganze Gegend 
neu ist. 

Was die Frage angeht, ob einzelne seltene Pflanzen- 
arten besonders des Schutzes bedürftig sind, so ist diese 
für die hiesige Gegend minder aktuell; denn einerseits ist 
die Zahl botanisierender Floristen, deren Sammeleifer diese 
oder jene Seltenheit gefährden könnte, eine sehr geringe 
und sind die Standorte zu zerstreut und die etwa in Betracht 
kommenden Arten zu wenig bekannt, als dafs seitens des 
grölseren Publikums eine Gefährdung zu befürchten wäre, 
andererseits wäre bei diesen Verhältnissen eine wirksame 
Durehführung von Schutzmafsregeln auch kaum möglich. 

Ich will deshalb mich darauf beschränken, hier nur 
eine Pflanzenart namhaft zu machen, das ist der Sumpfporst 
(Ledum palustre). Der einzige mir aus eigener Anschauung 
bekannte Standort dieser schönen Pflanze liegt nordöstlich 
von Crüssau, zwischen dem Fliederbusch und dem so- 
genannten Fenn, etwa am Rande der Kiehnlaake. Dort 
ist Ledum palustre auf einem trocken gelegten Hochmoor, 
sowie insbesondere in lichten, bruchigen Wäldern, die sich 
an dieses anschliefsen, zahlreieh vorhanden und stand 
Anfang Juni vorigen Jahres, als ich jene Gegend durch- 
streifte, gerade in voller Blüte. Nach SCHNEIDER ist die 
Art übrigens auch noch weiter östlich in den Forsten um 
Magdeburger Forth an mehreren Standorten vorhanden. 

Neben den oben ausführlich behandelten Mooren sei 
von bemerkenswerten Pflanzenbeständen noch das sogenannte 
Fenn bei Crüssau namhaft gemacht; es ist dies eine leicht 
hügelige, reichlich 1 qkm grofse Fläche, welche — rings 


[12] Weitere Beiträge zur Kenntnis der Flora von Burg. 273 


von Kiefernwald umgeben — vollständig von einem fast 
reinen Bestand der Calluna vulgaris (neben wenigen dürftigen 
Gräsern sah ich nur hier und da noch Genista pilosa ein- 
gestreut) bedeckt wird. Da ein Callunetum von ähnlicher 
Schönheit und Gröflse sich in der ganzen Gegend nicht 
wieder findet, so wäre es wohl wünschenswert, wenn der 
Bestand erhalten bliebe und von einer Aufforstung, mit der 
am Rande schon begonnen worden ist, abgesehen würde. 
Als bemerkenswert und eventuell schutzbedürftig wurden 
mir auch die Blauen Berge bei Pietzpuhl namhaft gemacht, 
die ich aus eigener Anschauung nicht kenne; hier dürfte 
Scorzonera purpurea die bemerkenswerteste Art aus dem 
Kreise der dortigen „pontischen Hügelflora“ sein. Jurinea 
cyanoides ist ebenfalls eine der bemerkenswerteren Pflanzen- 
arten unserer Gegend, doch ist dieselbe an ihren Standorten 
(Sandhöhen bei Ihleburg und Rand der Detershagener Forst) 
wohl kaum gefährdet. Eher könnte letzteres für Olematis 
recta zutreffen, welche nur am Deichwall in einigen wenigen 
Gebüschen sich findet. Überhaupt ist der Deichwall Standort 
für eine ganze Reihe von bemerkenswerten Pflanzenarten 
und sei deshalb dem Schutze ebenfalls empfohlen. 


Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a. $. Bd. 82. 1910. 18 


Die 
Etymologie der Pteridophytennomenklatur ) 
Eine Erklärung der wissenschaftlichen, 
der deutschen, französischen, englischen und holländischen 
Namen der Farnkrautgewächse 
von 
Dr. med. et phil. Friederich Kanngiesser 


Es sollen die Namen der Pteridophyten, soweit sie über 
Nordwesteuropa verbreitet, insbesondere in den Gattungs- 
bezeichnungen erläutert werden. Einleitend sei eine Er- 
klärung des Kollektivbegrifis „Farnkraut“ [der sich im 
engeren Sinne nur auf die erste Klasse der Pteridophyten 
bezieht] sowohl der klassischen wie volkstümlichen zu- 
ständigen Benennungen vorausgeschickt. 

gr. ITröoıs (wie aus dem Akkusativ zregıv hervorgeht 
ist die Akzentuation zreois falsch) war die allgemeine Be- 
zeichnung der Farne bei den Griechen des Altertums. Der 
Name ist abzuleiten von xreovs, ateoov: Flügel, wegen 
der Form der Blattspreite. 

lat. Filix (bei VIRGIL und CoLUMELLA) und filex (bei 
Vrrruv). Vielleicht verwandt mit filım Faden, wegen des 
faserigen Stengels. Ital. felce; sard. filighe; sie. filiei; span. 
falaguer und helecho (das span. h entsprieht oft dem ital. f); 
portug. filifolha; rum. ferece (die Liquida ! und r wechseln 
häufig, vgl. lat. morus, d. Maulbeere). 

d. Farnkraut, Farn, Fahrenkraut, Faren, Farren; ahd. 
faram und — mit Abschwächung des m zu n — faran, 


ı) Vgl. Kanngiesser, Die Etymologie der Phanerogamen- 
nomenklatur. Eine Erklärung der wissenschaftlichen, der deutschen, 
französischen, englischen und holländischen Pflanzennamen. Gera 1909. 


[2] Die Etymologie der Pteridophytennomenklatur. 275 


farn; diese Formen werden mhd. mit » gesehrieben. Farn- 
kraut soll soviel als Faserkraut bedeuten (s. u. Frlix): der 
Semivokal s wäre demnach in einen anderen Semivokal, 
nämlich », übergegangen. Nach anderer Erklärung ist Farn 
verwandt mit skr. parna: Flügel (s. u. rr£gıs). Der Stamm 
far entsprieht nach den Gesetzen der Lautverschiebung dem 
russ. Stamm por, aus dem unter Reduplikation die russ. Be- 
zeichnung für Farnkraut: paporoti, lit. papartis, kroat., serb., 
bulg. und böhm. paprat, wendisch paproschy, slow. kapradına, 
ungar. haraszt und poln. paproc hervorgegangen ist. Ver- 
gleicht man mit letzterem das dän. Wort bregne für Farn, 
so ergibt sich hieraus m. E. die Etymologie der engl. Be- 
zeichnung bracken und brake für Grolsfarne als im Ursprung 
mit der von e. fern, d. Farn identisch. Ebenso dürfte m. E. 
auch das russ. paporoti sich zum gr. zregız verhalten. Im 
altgallischen heilst Farn ratis (aus pratis); wir finden diese 


Form wieder in breton. raden und ir. raith. — Im d. wird 
das Farnkraut auch noch Greinkraut genannt, weil es ins 
Haus gebracht Zank und Streit verursache. — Der Name 


Irrwurz für Farnkraut nimmt auf den Aberglauben Bezug, 
dals jemand, der unversehens über Farnkraut ginge, sich 
im Wald verirre. — Johanniskraut: nach dem Aberglauben 
blüht der Farn in der Johannisnacht. Über den Geisterspuk 
der mit dem Farnkraut getrieben wurde vgl. auch unter 
‚botrychium. 

f. Fougere aus dem spätlat. filicaria: das ! hat sich 
noch erhalten in dem Dialekt der belgischen Provinz Hainault, 
wo das Farnkraut fletiere genannt wird. Wallon. fechüre, 
namur. fechere, ehamp. feuchiere. 

e. Fern, ags. fearn und fern. Im schwed. Dialekt fünne. 
Im isl. sowohl burkni als ferne; vgl. hierzu die e. Bezeich- 
nung bracken für Grofsfarne und die allgemeine Bezeichnung 
fern, ebenso das in dem Absatz über Farnkraut gesagte. 

h. Varen, varenkrwid; im h. hat sich das v des mhd. 
erhalten. 


18* 


276 FRIEDERICH KÄNNGIESSER, [3] 


Adiantum capillus Veneris von 'THEOPHRAST 
VII, 14.1 und von Diıoscoripes IV, 134 als adievrov be- 
schrieben. Ableitung von « priv. und dıetvo: benetzen, da 
wie THEOPHRAST 1. e. bemerkt, das Kraut (benetzt oder 
selbst im Wasser untergetaucht) trocken bleibt. Man nannte 
das Kraut auch xaAAirgıyov und zoAvrgıyov [von xaARog: 
Schönheit resp. zoAvg: viel und Hoi, Genitiv roryog: Haar], 
da es als Haarfärbemittel und gegen das Ausfallen der 
Haare benutzt wurde. Nach PrLınıus 22, 30 nehmen diese 
Synonyme auf die zarten, feinen Würzelehen Bezug, die 
ihrerseits nach der schon im Altertum angewandten Signatur- 
lehre die Veranlassung zum Gebrauch der Pflanze als Haar- 
mittel gegeben haben mögen. Nach anderer Erklärung hat 
es diese Namen, wie die Artbezeichnung capillus Veneris: 
Venushaar, dem haarähnlichen Aussehen der Stiele zuzu- 
schreiben. Der Neugrieche nennt die Pflanze roAvroixı, der 
Italiener nennt sie capelvenere. 


d. Frauenfarn. Haarfarn. Frauenzopf. Jungfernhaar. 

f. Adiante. Capillaire. Cheveu de Venus. Capillaire 
de Montpellier: wächst in Südfrankreich wild. 

e. Maidenhair. 

h. Haarkruid. 


Allosorus von @44oc: der andere und owoog: Haufen. 
Die Sporangien sind je nach dem Alter verschieden gestaltet. 


d. Rollfarn. Die Fiederblättehen der Fruchtwedel sind 
auf der Unterseite eingerollt. 

f. Allosore. 

e. Rockbracken: Felsenfarn. Parsley fern: Petersilien- 
farn, wegen der Ähnlichkeit der krausblättrigen Pflanze mit 
der Petersilie. 

h. Allosorus. 


Aspidium als Pflanzennamen weder im altgr. noch 
im lat. bekannt. Ableitung von «oridıov: Schildehen, wegen 
der Form der Sporangienschleier. Nach anderer Meinung 
von doris: Schlange; ein Extrakt der Pflanze galt als Mittel 
gegen den Schlangenbils. 


[4] Die Etymologie der Pteridophytennomenklatur. 277 


d. Sehildfarn. Punktfarn: Die Blätter von Aspidium 
montanum sind unterseits mit goldgelben Drüsen besetzt. 

f. Aspidie. — Polystice von Polystichum: einem Gattungs- 
namen mit dem ein grolser Teil der Arten des Geschlechts 
Aspidium synonym genannt wird. Ableitung von zoAvg: 
viel und oriyos: Reihe; wegen der in Reihen angeordneten 
Sporenhäufchen. 

e. Shieldfern. 

h. Niervaren: der Holländer vergleicht die Form des 
Indusium mit einer Niere. 


Aspidium fillie mas ist die ar£gıg des DIOSCORIDES 
IV, 183. Filix mas: männlicher Farn; wegen der grölseren, 
derberen Wedel, im Gegensatz zu Asplenum filix feminina 
und Aspidium Thelypteris. 

d. Männlicher Sehildfarn. Farnkrautmännlein. Waldfarn. 
Wildfarn. Hirsehzehen. Johannishand: der Wurzelstock wird 
mit einer Hand verglichen und um die Johanniszeit ge- 
sammelt. Hexenkraut. Hurenkraut: ein Extrakt wird als 
Abortivum benutzt. Schnakenkraut, Wanzenkraut: die Wedel 
sollen Ungeziefer fern halten. Wurmfarn; der von den Blatt- 
stielresten befreite Wurzelstock liefert ein wichtiges Mittel 
gegen die Bandwürmer. Die Veranlassung zu dieser schon 
den alten Griechen bekannt gewesenen Therapie mag die 
Signaturlehre gegeben haben: in jugendlichem Zustand sind 
die Wedel wurmförmig zusammengekrümmt. — „Bei CHAM 
heilst die Pflanze auch Odarnkraut (Natternkraut), weil sich 
darunter die Nattern besonders gerne aufhalten sollen. Da 
seine Blätter in ihrer Entwicklung gekrümmt sind wie ein 
Abtstab, heilst sie das Volk auch Walburgisstaberl.*“ Vgl. 
J. BRUNNER, Deutsche Gaue, 1910, S. 112. 

f. Fougere mäle: männlicher Farn. 

e. Male fern. 

h. Mannetjesvaren, Wornwaren. 


Aspidium Thelypteris. Unter OnAvurtegıg ver- 
stand THEoPHRAST 9, 18.8 Acrostichum thelypteris und 
Dioscorıves IV, 184 die Pteris aquilina. Thelypteris |von 


278 FRIEDERICH KANNGIESSER, [5] 


9705 weiblich und xr£ors Farn] bedeutet weibliches Farn- 
kraut: die Pflanze wird so wegen der zarteren Wedel im 
Gegensatz zu Aspidium fix mas genannt. 

d. Sumpfsehildfarn, wächst in Waldsümpfen. 

f. Thelipteris. 

e. Marsh shieldfern: Sumpfschildfarn. 

h. Moerasvaren: Morastfarn, Sumpffarn. 


Asplenum |Asplenium] bat nach Prinıus XXVI und 
Isıpor, Orig. 9,87 seinen Namen daher, dafs es die Milz, 
orAnv, zerstöre. Andere Erklärer hingegen halten das a 
nieht für negierend, sondern als Intensivum und glauben 
die Pflanze habe ihren Namen daher, dals sie gegen Er- 
krankungen der Milz verwandt wurde. DiIoSCoRIDES ver- 
stand III, 141 unter dorAnvo» (eterach officinale. 

d. Streifenfarn, Striehfarn; wegen der streifenförmig 
angeordneten Fruchthäufehen. — Milzfarn. 

f. Capillaire 8. u. Adiantum. Doradille vom span. dora- 
dilla, wegen der goldgelben Farbe der Sporenhäufchen. 

e. Spleenwort: Milzkraut. 

h. Streepvaren: Streifenfarn. 


Asplenum Adiantum nigrum. 


d. Schwarzer Streifenfarn, wegen des (purpurnen oder) 
schwarzen Stengels; vielleicht auch wegen der dunklen 
Wedel. 

f. Doradille noire s. vorher. — Capillaire notre desgl. 

e. black spleenwort: schwarzes Milzkraut. 

h. Zwart miltkruid, zwartsteel, zwart Venushaar. 


Asplenum filixe femina: Frauenfarn; wegen der 
zarten und fein zerteilten Fiederblättehen, im Gegensatz zu 
den zähen Blättern von Aspidium filix mas. Die Pflanze 
wird auch Athyrium filixe mas genannt, von « priv. und 
$voeos (türförmiger) Schild. Doch fehlt bei Asplenum sie 
Athyrium filix femina der Schleier den Sporenhäufchen 
nieht, wohl aber ist er bei dem nächsten Verwandten 
Athyrium alpestre sehr verkümmert. 


[6] Die Etymologie der Pteridophytennomenklatur. 279 


d. Frauenfarn. Farnkrautweiblein. Hurenwurz: als 
Abortivum; vgl. die portug. Kollektivbezeichnung für Farn- 
kraut: Herva movedica: Abortierkraut. 

f. Fougere femelle;, ital. felce femina. 

e. Lady fern. 

h. Varenwijfke. 


Asplenum ruta murarum: Mauerrautenfarn: die 
Blättehen der mit Vorliebe auf Gemäuer und an Felsen 
wachsenden Pflanze sind rautenförmig. 


d. Mauerraute. — Steinneidkraut: man gibt das Kraut 
den Tieren gegen das Verneiden, d.h. Krankheitsgefahr. — 
Eselsfarn: auch bei THEOPHRAST und D1oscorRIDES wird ein 
Farnkraut nuiovıov: Mauleselkraut genannt, vielleicht dals 
diese Tiere das Kraut fressen. Weinkräutel s. u. Lycopodium. 
Meuchelkraut, d. h. wahrscheinlich soviel als heimliches, un- 
heimliches Kraut, s. Einleitung und unter Botrychium. Das 
Kraut wächst oft ganz in Felsnischen verborgen. 

f. Rue-de-muraille. Doradille muraille  Sauve-vie: 
Lebensretter, wegen angeblicher Heilwirkungen. 

e. Wallrue: Mauerraute. Maidenhair. Stone-fern: 
Steinfarn. 

h. Steenruit. Mwuurrwit. Miltkruid. 


Asplenum Trichomanes ist die roıyouaves des 
THEoPHRAST VII, 14.1, des Dioscorıpes IV, 135 und des 
GALEn. Wird erklärt aus zoıyouavia: Leidenschaft lange 
Haare zu tragen, resp. als „Wildhaar“ aus Hoi: Haar und 
ualvouaı: rasen, verrückt sein. Besser ist die Erklärung 
aus oiS, Genitiv tgıyög: Haar und wavog: dünn, wegen 
der zarten Stiele. 

d. Frauenfarn. Braunstieliger Streifenfarn. Steinfarn: 
wächst auf Felsen und Gemäuer. Widerton, Aberthun, Ab- 
thun: angeblich abzuleiten von wiedertun, wiederherstellen, 
die Mannheit wiederbringen. Polytrichum commune und 
Drosera rotundifolia: Sonnentau, werden ebenfalls Widerton 
genannt. Sollte der Name nicht ursprünglich nur für Dro- 
sera gegolten haben und von dieser auf die anderen Pflanzen 


286 FRIEDERICH KANNGIESSER, [7] 


übertragen worden sein? M.E. wäre dann der Name 
Widerton, auch Aberthun genannt, als Abertau, d. h. falscher 
Tau, zu deuten (vgl. Aberglaube — falscher Glaube; Eber- 
esche statt Aberesche — falsche Esche), womit der Drüsen- 
saft der fleischfressenden Drosera gemeint wäre. Aus Un- 
verständnis mag Abertau in Aberthun und zu Abthun 
verderbt sein, speziell als der Name von der eventuell 
originären Bezeichnung auch auf die anderen Pflanzen aus- 
gedelnt ohne Sinn blieb. Das „aber“ wurde dann später 
als Synonym für „abermals, wieder“ gehalten und kann so 
die ebenfalls gebräuchliche Schreibweise Wiederthon ent- 
standen sein. Doch dies nur eine hypothetische Erklärung 
für das merkwürdige Wort, das gerade weil es unverstanden 
blieb zahlreiche Variationen erlebte, deren interessanteste 
die Bezeichnung „Widertod“ ist;, gegen den Tod ist nun 
aber doch noch kein Kräuflein gewachsen! Ubrigens wird 
Widertod usw. auch — und wahrscheinlich ist dies am 
zutreffendsten — als Assimilation aus Mithridat erklärt, 
worunter man ein Kräuterheilmittel und Gegengift verstand; 
vgl. Deutsche Gaue, Bd. XI, S. 175. 

f. Capillaire. Polytrie s. u. Aspidium. 

e. Common spleenwort 8. u. Asplenum. Maidenhair. 
bBristle fern: Borstenfarn, die Stielehen gleichen Borsten. 

h. Steenbreekvaren: wächst wie der Steinbreek in Fels- 
spalten und trägt zu deren Verwitterung bei. 


Azolla. Seit 1872 in die botanischen Gärten Europas 
aus dem wärmeren Amerika eingeführt, hat sie sich speziell 
aus dem botanischen Garten zu Leiden rasch verwildert. 
Der Name (der vielleicht uramerikanisch ist?) wird mit 
«Co: dörren und OAAvuc: vernichten in Beziehung gebracht, 
da die Wasserpflanze durch Trockenheit zerstört wird. 

d. Azolle. 

f. Azolla. 

e. Azolla. 

h. Drijvende varen: treibende, schwimmende Farren. 
Rood kroos, vielleicht wiederzugeben durch „rotes Kraut“ 
oder „rotes Gekröse‘, jedenfalls im Gegensatz zu Eenden- 
kroos | Enten,kroos“: Lemna] genannt. — Azolla überzieht 


[8] Die Etymologie der Pteridophytennomenklatur. 281 


stehende und langsam fliefsende Wasser mit einer dicken, 
rotbraunen Schicht. 


Blechnum. Mit diesem Namen bezeichnet Prinıus 
ein Farnkraut; der lat. Name wird mit dem gr. BAnyoos und 
BAnx® resp. YAnyo in Beziehung gebracht, worunter aller- 
dings Blütenpflanzen verstanden sind. M.E. ist blechnum 
ursprünglich ein Synonym für filix. Gerade das französische 
Wort für Blechnum: blegne zeigt eine auffallende Überein- 
stimmung mit dem dänischen Wort bregne für Farn. Dals 
die Semivokale /! und r häufig miteinander tauschen, habe 
ich bereits eingangs erwähnt. 


d. Rippenfarn, wegen der entfernt stehenden, schmal- 
linealen, fertilen Fiederblättchen. Kammfarn desgl. Leiter- 
farn desgl. Spicant ist der schwedische und offizielle Art- 
namen der Pflanze. Brüschfarn, d.h. Moorfarn, wächst auf 
moorigen, feuchten Waldstellen. Mit Brüseh, f. bruyere, be- 
zeichnet man das Heidekraut Calluna vulgaris. Der Name 
ist verwandt mit Bruch, es soll damit aufgebrochenes, auf- 
gelockertes Moorland bezeichnet werden. 

f. blegne. 

e. Hardfern [?). 

h. Dubbelloof: Doppellaub, wegen der auffallend ver- 
schiedenen Form der tieffiederspaltigen Blätter: die sterilen 
stehen genähert, die fertilen entfernt voneinander. — Panne- 
koeken: Pfannkuchen. Dieser Namen, der eigentlich und 
ursprünglich dem Tüpfelfarn, Polypodium, zukommt, ist für 
blechnum deplaziert, da hier die Fruchthäufehen nicht 
rundlich, sondern linearisch. 


Botrychium, Ableitung von ßorgvs: Traube. Die 
Sporen bilden sich an einem besonderen traubenähnlichen 
Zweig; doch auch die Anordnung der Blätter hat entfernte 
Ahnlichkeit mit einer Traube. 

d. Rautenfarn, die Blättchen sind rautenförmig. Mond- 
raute, die abgerundet rautenförmigen Fiederblättehen haben 
mit der (Halb-) Mondscheibe entfernte Ähnlichkeit. Der 
Aberglaube läfst an dem Wedel so viel Blättehen wachsen, 


282 FRIEDERICH KANNGIESSER, [9] 


als der betreffende Monat Tage hat. Mahenkraut vgl. h. 
maanvaren, bedeutet soviel als Mondkraut. Walpurgiskraut, 
als Wunderkraut so genannt. Die Walpurgisnacht, die 
Nacht vom 30. April auf 1. Mai ist nach dem Volksglauben 
die Nacht des Hexenspuks. April bis Mai erscheinen die 
Wedel des Rautenfarn, der dieserhalb auch Maitraube und 
Petersschlüssel genannt wird. Zu letzterer Bezeichnung vgl. 
Himmelschlüssel für Primula, diese wie Botrychium werden 
als Frühlingspflanzen geschätzt, mit deren Erscheinen sich 
der Himmel wieder „öffnet“ und heiterer wird. Ankerkraut, 
wegen der Form der Blättehen, die mit einem Anker ent- 
fernte Ähnlichkeit haben. Mitzünglein, man vergleicht den 
sterilen und den fertilen Wedel mit zwei Zungen. Leber- 
raute, die Einzelblättehen haben im Umrifs mit einer Leber 
entfernte Ähnlichkeit. Auch mag die Pflanze dieserhalb 
der Signaturlehre entsprechend gegen Leberleiden gegeben 
worden sein. Beseiehkraut, die salzburger Älpler glauben, 
dals Kühe, die Botrychium fressen, weniger Mileh geben: 
„sich beseiehen“. Geburtskraut und Hurengras: als Ab- 
ortivruam, Allermannsharnisch, die Pflanze wurde als Wund- 
heilmittel gebraucht, vielleicht trug man sie auch als 
schützende Pflanze bei sich. Mit Allermannsharnisch be- 
zeichnet man wegen der vielen Zwiebelschalen vornehmlich 
das Allium victoriale, das man dieserhalb ja auch Neun- 
hemdeben genannt hat. Der Signaturlehre entsprechend 
hielt man eine so „geharnischte* Pflanze für besonders 
schutzkräftig. Man übertrug den Glauben an diese Schutz- 
kraft, die man für die Mannbeit spezialisierte, auch auf 
andere Pflanzen. So also auch auf Botrychium, das wohl 
dieserhalb auch „Treublätter“ genannt wird. Es ist nicht 
ausgeschlossen, auch wenn es parodox scheint, dals der 
erwähnten Bezeichnung Hurengras letztgenannte Etymologie 
zu Grunde liegt. Wiedertod s. u. Asplenum Trichomanes. 
Jammerkraut, Zankkraut vgl. unter Greinkraut in der Ein- 
leitung. Den Pteridophyten haftete man in der Mythologie 
allerhand Untugenden an, der Grund dafür mag in dem oft 
düsteren, moorigen oder felsigen Waldstandort sein, der 
ohnehin die Phantasie etwas zum Gespensterglauben anregt; 
dann aber auch das seltsam biologische Verhalten der 


[10] Die Etymologie der Pteridophytennomenklatur. 283 


Farngewächse, von denen man nie Blüten und Samen sah. 
Um so gröfser ist natürlich die Rolle, die die Farnblüte und 
der Farnsamen im Aberglauben und in den Legenden spielt. 

f. Lunaire: Mondkraut; vgl. die Artbezeichnung Bo- 
trychium lunarium. 

e. Moonwort. Grape fern: Traubenfarn. 

h. Maanvaren. Druifkruid: Traubenkraut. Walpurgis- 
kruid. 


Ceterach. Ceterach officinale ist das «@orAnvov des 
Drioscoriıpes III, 141. Ceterach ist abzuleiten von dem 
spätgr. xitagxa, xırapaS und dem spätlat. ceterah, Namen, 
die aus dem arab. chet(e)ra(c)k stammen sollen. Doch ist 
Ceterach wahrscheinlich eine arabisierte Bezeichnung, deren 
Etymologie im gr. xi$aoos: Brust und @xog: Heilmittel zu 
suchen ist; in der Volksmedizin wird die Pflanze noch jetzt 
als „Brustheilmittel“ benutzt. 


d. Milzfarn s. u. Asplenum, dem Üeterach nächstverwandt 
ist. Sehriftfarn, die Sporenhäufehen nehmen sich wie Schrift 
aus. Vollfarn, wegen der büscheligen Blätter. Vielleicht 
auch, dafs Vollfarn als Druckfehler aus Rollfarn entstanden 
ist. Rollfarn könnte die Pflanze heifsen, weil sie bei heilsem 
Wetter die Wedel einrollt. Zecht verderbt aus Ceterach. 

f. Ceterach. Herbe-a-dorer, dorade, herbe doree, doradille: 
wegen der schönen goldgelben (anfangs silberglänzenden, 
später rostfarbenen) Spreuhaare an der Unterseite der 
Blätter. Dieserhalb auch im ital. erba dorata: Goldkraut 
und im neugr. yovooyoorov: Goldgras genannt. 

e. Rusty back: rostiger Rücken, s. 0. Scaly spleenwort: 
schuppiges Milzkraut, desgl. 

h. Ceterach. 


Cystopteris von xvorıg: Blase und reg: Farn; 
wegen der membranösen, transparenten, bläschenförmigen 
Indusien. 

d. Blasenfarn. 

f. Oystopteride. 

e. Dladderfern: Blasenfarn. 

h. Blaasvaren. 


284 FRIEDERICH KANNGIESSER, [11] 


Equwisetum von equus: Pferd und seta: Borste, 
Haar. Wegen der Form der Halme wurde die Pflanze 
„Pferdehaar“ genannt; vgl. Prinıus 18, 67 und 26, 83. Die 
Griechen nannten die Pflanze innovgıs: Pferdeschweif 
von Ianos: Pferd und ovo«: Scehweif. Auch oaAriyyıov: 
Trompetehen wurde die hohlstengelige Pflanze genannt; 
vgl. Gkopon. 2. 6, 26; 8,27. Im ital. heilst die Pflanze 
equiseto und cola di cavallo: Pferdeschweif; desgl. span. 
cola de caballo und portug. equiseto und rabo de cavallo. 
In Schweden werden angeblich Pferde mit Equwisetum sil- 
vaticum gefüttert, doch sind andere Eqwisetum-Arten den 
Pferden, dem Rindvieh und den Schafen gefährlich: starker 
Durehfall, Blutharnen, Abortus, Titubation, Krämpfe und 
Lähmungen, sogar Todesfälle sind nach Genus von 
Schachtelhalmarten bei genannten Tieren gesehen worden. !) 
Wenn die Pflanze in vielen Sprachen „Pferdeschweif“ ge- 
nannt wird, so ist dies also lediglich als Vergleich aufzu- 
fassen und nicht etwa weil die Pflanze gleichzeitig als 
Futter diene. Die holländischen Namen Schaafstroo, Schaaf- 
gras sind daher als unglückliche Assimilationen aus Schab- 
gras zu bewerten; s. u. 

d. Sehachtelhalm statt Schaftelhalm; dieses eine Di- 
minutivform zu Schafthalm, niederdeutsch „ch“ für hoch- 
deutsch „f“.. Die Pflanze wird auch direkt Schafthalm, 
Schaftheu wegen der schaftähnliceh aufgesehossenen, heu- 
artig trockenen Stengel genannt. Nach anderer Meinung 
hat Schachtelhalm seinen Namen wegen der ineinander- 
geschachtelten Halme. M. E. ist Sehachtelhalm, resp. Schaft- 
halm aus Schabhalm assimiliert, wie denn noch heute der 
Schachtelhalm im dän. scavgras und im schwed. skafgräs, 


1) Bei Korrektur vorstehender Zeilen finde ich bei R.Kobert, 
Intoxikationen II, 1906, S. 1014, folgende Notiz: „Die Landwirte, die 
die Schachtelhalme als Duwockheu gelegentlich in reichlicher Menge 
mit verfüttern, haben schon längst festgestellt, dafs nach dieser 
Fütterung manchmal eine Taumelkrankheit auftritt, bei der Pferde, 
Rinder und Schafe im Gang unsicher werden, ja wie betrunken 
taumeln, nachdem vorher eine gesteigerte Reflexerregbarkeit und 
Schreekhaftigkeit bestanden hat. Zuletzt kommt es zu aufsteigender 
Lähmung.“ 


[12] Die Etymologie der Pteridophytennomenklatur. 285 


also Schabgras genannt wird, weil die kieselsäurehaltige 
Pflanze zum Sehaben, Scheuern und Polieren von Holz und 
Metallgefälsen benutzt wird. Daher denn die Namen: Feg- 
kraut, Scheuerkraut, Zinnkraut (in Würzburg), Keibisch [?] 
und Kandelwüsch, d. h. Kannenwäsche. Betreffs der Namen 
Rolswedel, Katzenschwanz usw. s.o. Mit „Rattenschwanz“ 
wird speziell der fertile, unverzweigte Sprols von Equisetum- 
Arten bezeichnet. Spargelkraut wird die Pflanze ihrer 
Ähnlichkeit mit dem Spargelgewächs wegen benannt. 
Falbenrock, wegen der falben, d.h. fahlen, fertilen Stengel 
und dem spinnrockähnlichen Aussehen der Sporenähre. 
Taubenrock, Taubenkunkel (Kunkel: f. guenowille, d. Spinn- 
roeken), Taubenrode: Rode desgl. Rade bedeutet ein auszu- 
rottendes Unkraut, wie denn Equisetum als lästiges Acker- 
unkraut auch im engeren Sinn „Unkraut“ genannt wird. 
Mit „Tauben-“ werden die vorstehenden Namen gleichsam 
als Synonym für „unecht“ verbunden; vgl. Rolskastanie, 
d. h. unechte Kastanie, Hundsrose, d.h. die wilde, nieht die 
edle Rose usw. Taubenrode wird also Equwisetum im 
Gegensatz zur echten Rode [Agrostemma]| genannt. Die 
deutsche Bezeichnung Duwok für Equwisetum findet sich 
wieder im böhm. und im dän. duwock, doch ist mir die 
Etymologie unbekannt. 

f. Prele, Asprele, Asperelle vom ital. asparella; vgl. die 
ital. Bezeichnung für Equisetum „rasperella“, verwandt mit 
ital. raspa: die Raspe, s.o. Der f. und ital. Name pr£le 
resp. asparella ist abzuleiten vom lat. asper: rauh. Das 
„a“ hat sich aus Verwechslung mit dem weiblichen Artikel 
„la“ verloren: aus l’asprele la prele. Die Akademie schreibt 
noch heute die alte Orthographie: presle. Dals der accent 
eireomflexe einem ausgefallenen nachfolgendem s entspricht 
ist eine wohl zur Genüge bekannte Tatsache. Prele des 
tourneurs: Drechslerschachtelhalm. Queue de cheval: Rols- 
schweif; queue de renard: Fuchsschwanz; queue de rat: 
Rattenschwanz. 

e. Horse-tail: Pferdeschweif. Scouring rush: Scheuer- 
binse. Mare’s tail: Stutenschweif. 

h. Paardestaart: Pferdeschweif. Kattestaart. Schabgras. 
Lidruske: Gliederbinse. Koevergif: Kuhgift, s.0. Unjer aus 


286 FRIEDERICH KANNGIESSER, : [13] 


Oneet: unefsbares Kraut, Unkraut. Schrinwerkersbiezen: 
Schreinersbinsen. 


Hymenophyllum von öunv: Membran, Häutchen 
und gvAAon: Blatt, wegen der zarten, fast durehseheinenden 
Blättehen. Hymenophyllum tunbridgense, die Pflanze wächst 
u.a. bei Tunbridge in England. 

d. Hautfarn. 

f. Hymenophylle. 

e. Filmy fern: häutiger Farn. 

h. Hymenophyllum. 


Isoetes. Mit diesem Namen aus dem gr. loosr&c von 
(sog: gleich und Erog: Jahr wird im 24. Buch des Prwıus 
eine Sempervivum-Art bezeichnet, weil sie das ganze Jahr 
hindureh grünt und sich stets ähnlich bleibt, wie das auch 
für unsere Gattung IZsoetes zutrifft. 

d. Brachsenkraut, d. h. Karpfenkraut. Die Pflanze 
wächst am Grund von Teichen. 

f. Isoetes. 

e. Quillwort: Federkielkraut. Die Halme haben mit 
einem Federkiel Ähnlichkeit. Small houseleek: kleiner 
Hauslauch, kleines Sempervivum, 8.0. Aye-green: Immer- 
grün. Merlin’s grass. MERLIN ist der Stifter der ARTHUR- 
schen Tafelrunde, von dem die Sage geht, dafs er nicht 
gestorben sei, sondern noch fortlebe. Die Pflanze wurde 
also wegen ihrer immergrünen Halme nach dem Waldgeist 
benannt. 

h. Biesvaren: Binsenfarn, wegen des binsenähnlichen 
Aussehens. 


Lycopodium von Avxog: Wolf und rodıov: Fülschen. 
Die merkwürdige und giftige Pflanze wird mit allerhand 
mythologischen Namen bedacht. 

d. Bärlapp [ahd. lappo: Hand], Bärenklaue, Löwenfuls, 
Teufelsklaue, Druidenfuls, Zigeunerkraut, Köhlerkraut, W olfs- 
fuls |dän. ulvefod| usw. Weinkraut: soll den sauren Wein 


[14] Die Etymologie der Pteridophytennomenklatur. 287 


wieder gut machen. Purgierbärlapp, Fieberranken, Neunheil 
(als Universalmittel), die Pflanze wird als gefährliches Volks- 
mittel gebraucht, u. a. auch um Abortus bervorzurufen; auf 
letztere Verwendung weist der Name Jungfernkraut [dän. 
Jomfruurt.. Doch ist dieser Name wohl auch darauf 
zurückzuführen, dafs das Sporenpulver intravaginal an- 
gewendet die Konzeption verhindern soll, weswegen die 
Pflanze im slav. auch netata: Niehtvater genannt würde. 
Wegen des gelben Sporenstaubs wird Lycopodium auch 
Puderkraut genannt. Wegen des langen kriechenden 
Stengels, den gleichen Sprolsteilen und den Abzweigungen 
hat Lycopodium die folgenden Namen: Gürtelkraut, Schlangen- 
-moos, Seilkraut, Katzenleiterlein, Haarschauer [d. h. Haar- 
regen vgl. Goldregen: Oytisus und Silberregen: Prunus Padus 
und Robinia Pseudacacia]. Wegen des moosähnlichen Aus- 
sehens wird die Pflanze Langmoos und Tangelmoos genannt, 
leizterer Ausdruck weil die Pflanze im Tann wächst und 
mit Tannenzweigen entfernte Ähnlichkeit hat. Vielleicht 
nach dem Algentang benannt. Diesem Wort Tang wie dem 
Wort Tanne soll ja der Begriff „dehnen“ zu Grunde liegen, 
der ja auch für das Tangelmoos, das Lycopodium, zutrifft. 
Übrigens wird Lycopodium im Volksmund auch Sautanne 
genannt. Mörsemau [?]. 

f. Lycopode [ital. und span. licopodio, portug. Iycopodio]. 
Pied de loup: Wolfsfuls. Herbe aux massues: Keulenkraut, 
wegen der Form der Sporangienträger. Herbe aux porcs: 
Schweinekraut; ob die giftige Pflanze den Schweinen un- 
schädlich ist? Mousse terrestre: Erdmoos. Aiguaires (Nor- 
mandie) angeblich von aqua: Wasser abzuleiten, weil manche 
Arten feuchten Boden lieben. 

e. Olubmoss: Keulenmoos. Tree-moss: Baummoos, hohes 
Moos. Firmoss: Föhrenmoos; groundpine: Erdpinie, s. o. 
Wolf’s-dlaw: Wolfsklaue; fox’s-claws: Fuchsklauen; fox-tail: 
Fuchssehwanz. sStag’s-horn: Hirschhorn, wegen der ver- 
zweigten Stengel. Duch’s-horn: Bockshorn, wegen der Form 
der Sporangienträger. 

h. Wolfsklauw. Wolfspoot. Beerenvoet. Aardmos: 
Erdmoos. Kruipmos: Kriechmoos. Glimkruid. Hertshoorn: 
Hirschhorn. Heksenkrans. 


288 FRIEDERICH KANNGIESSER, [15] 


Das Sporenmehl von ZLycopodium, das zum Bestreuen 
der Pillen in den Apotheken, gegen Würmer, gegen das 
Wundliegen der Kinder und als leicht entzündbare Masse 
zu Blitzpulver im Theater verwandt wurde, hat viele volks- 
tümliehe Bezeichnungen. 

d. Hexenmehl. Druidenmehl. Alpmehl [Alp: ein böser 
Geist). Erdschwefel. Wurmmehl. Blitzpulver. 

f. Soufre vegetal: Pflanzenschwefel. 

e. Witch-meal: Hexenmehl. 

h. Heksenmeel. 


Marsilia [Marsilea]. Zu Ehren von A. MarsıLı, einem 
italienischen Naturforscher, genannt. & 


d. Kleefarn, wegen der vier Blättehen. Vgl. die Art- 
bezeiehnung M. quadrifoliata. 

f. Marsilee. 

e. Marsilia. 

h. desgl. 


Ophioglossum von ögıs: Schlange und yAoooa, 
yAorta: Zunge. Die Pflanze besteht aus einem einzigen, 
ovalen, schlangenkopfähnliceh zugespitzten Blatt; aus der 
Mitte des Blattansatzes ragt die schmale Sporenähre wie 
eine Schlangenzunge heraus. Die Pflanze ist mit der Lingua 
herba oder Linguicula, dem Zungenkraut des PrLınıus 24, 
84 und 108, identisch. 


d. Natterfarn. Natternzunge. Mutterkrautwurz, vielleicht 
wegen der vermeintlichen Wirkung bei Mutterleiden. 

f. Ophioglosse. Lance du Christ: Christusspeer. Herbe 
sans couture: Ohnnahtkraut, das Blatt zeigt keine Nerven. 
Herbe aux cent miracles: Hundertwunderkraut, wegen der 
der Pflanze zugedachten Heilwirkungen. Luciole: Glüh- 
würmehen, Johanniswürmchen [?]. LZangue de serpent: 
Schlangenzunge. 

e. Adder’s-tongue: Otternzunge, Natternzunge; in alt- 
englischen Handschriften: nedderis -tonge. 

h. Addertong, Natertong, Christilancet, Ons-heeren- 
speerkruid. 


[16] Die Etymologie der Pteridophytennomenklatur. 239 


Osmunda. Dieser Name wurde der Gattung 1700 von 
TOURNEFORT gegeben. Osmunda stammt aus dem Latei- 
nischen des Mittelalters und wird abgeleitet von Osmunder, 
einem keltischen Namen des Gottes Thor. Wegen der Kraft 
der Heilwirkungen habe die Pflanze den Namen erhalten. 


d. Königsfarn, dieser Name wie die Erklärung von 
Osmunda aus os mundi: Antlitz der Welt nehmen Bezug 
auf die Schönheit dieses Farnkrauts. Traubenfarn, Rispen- 
farn, Maiträubehen;; die Sporenbehälter finden sich an einer 
im Mai erscheinenden Rispe oder Traube. 

f. Osmonde royale vgl. die Artbezeiehnung Osmunda 
regalis: Königsfarn. Fougere flewrie: Blütenfarn, wegen der 
gelbbraunen fertilen Rispe, die sich von fern betrachtet wie 
ein Blütenstand ausnimmt. Fougere aquatique: Wasserfarn, 
die Pflanze vegetiert auch in Waldsümpfen. 

e. Fern Royal oder Royal fern. Osmund royal. King- 
fern. Flowering fern: Blütenfarn. Buckhornbrake: Bocks- 
hornfarn, die fertilen Blätter haben entfernte Ähnlichkeit 
mit Bockshörnern. Ditch-fern: Grabenfarn. St. Christopher’s 
herb, Waterfern: der Farn kommt in Gräben, stehenden 
Wassern und Waldsümpfen vor. ST. CHRISTOPHERUS hat, 
wie der Mythos berichtet, das Jesuskind übers Wasser 
getragen. Manche Wasserpflanzen werden daher diesem 
Sehutzgeist zu Ehren benannt. 

h. Koningsvaren. Bloeiend varenkrwid. Druivenvaren, 
trosvaren: Traubenfarn. Sint-Jansreinvaar. St. Johanns 
Rainfarren. Die Pflanze hat mit dem Rainfarn (Tanacetum) 
ganz entfernte Ähnlichkeit und „blüht“ zur Johanniszeit. 


Phegopteris [Phaegopteris| von gryos, die nach Voss 
gewöhnlich mit „Buche“ übersetzt wird [eigentlich aber die 
Kastanie bedeutet] und von zregıg: Farn. Der Farn kommt 
mit Vorliebe im Buchenwald vor, eine Art desselben: Phego- 
pteris Dryopteris [von doög: Eiche und xregıs] gedeiht 
hauptsächlich im Eichwald. 

d. Buchenfarn. 

f. Phegopteris. 

e. .beechfern. 

h. Beukvaren. 

Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a. S. Bd. 82. 1910. 19 


290 FRIEDERICH KANNGIESSER, [17] 


Pilularia von pilula: Kügelehen; wegen der kugeligen 
Sporenbehälterhüllen „Pillenkraut“: Pilularia sc. herba be- 
nannt. 

d. Pillenfarn. 

f. Pilulaire. 

e. Pillwort. Peppergrass: wegen der pfefferkornähn- 
liehen Sporenbehälterhüllen und der grashalmähnliehen 
Stengelchen. 

h. Pilvaren. 


Polypodium von zoAvs: viel und odıov: Fülschen, 
wegen des verzweigten Wurzelstocks. Nach THroPHRAST 
— das aoAvnodıov dieses Autors [9, 13.6] wie das des 
Dioscoripes |IV, 185], ebenso das polypodium des Pummrus 
[26, 58] ist mit unserem Polypodium vulgare identisch — 
habe es den Namen nach dem xoAvunovg: dem Meerpolypen 
erhalten, da die Wurzel Kotyledonen habe, wie sie an den 
Armen der Polypen sitzen. Unter Kotyledonen versteht 
THEOPHRAST sowohl die Saugnäpfehen der Polypen als die 
Narben, die die abgefallenen Blätter am Wurzelstock zurück- 
lassen (vgl. hierzu das „Salomonssiegel“: Convallaria poly- 
gonata). Dioscorives beschreibt den Tüpfelfarn 1. e. 
folgendermalsen: „Das Polypodion wird auch Polyrhizon, 
d. h. Vielwurzler genannt. Es wächst auf moosbewachsenen 
Felsen und alten Baumstämmen am liebsten von Eichen, 
ist eine Spanne hoch, dem Wurmfarn ähnlich, eingesehnitten, 
nicht aber so fein zerteilt. Der Wurzelstock ist etwa klein- 
fingerdiek, von herbsülslichem Geschmack und mit Fasern 
wie der Polyp mit Fangarmen versehen.“ Neugr. wird die 
Pflanze roAvrodı genannt; in Italien heilst sie polipodio 
quereino, felce quercina, mosco quercino: Eichenfarn, Eichen- 
moos; span. polipodio und portug. polypodio. Der Araber 
nennt die Pflanze wegen der tief eingeschnittenen Blätter 
adhräs elkab: Hundszahn. 

d. Tüpfelfarn und Hoffarn wegen der runden Sporen- 
häufehen. Engelsüfs, Bittersüfßs, Steinlakritz, Eichenfarn, 
daraus auch Eisenfarn. Zur Erklärung siehe die Beschrei- 
bung des Dioscoripes. Windfarn wächst auch an sonnig 
windigen Stellen, wo er dann kleinere und derbere Wedel 


[18] Die Etymologie der Pteridophytennomenklatur. 291 


bildet. Kreuzfarn, wegen der zur Blattachse reehtwinklig 
gerichteten Einschnitte. Korallenwurzel, wegen der Form 
des Wurzelstocks. Kropfwurz und Tropfwurz, vielleicht als 
Mittel gegen diese Erkrankungen; unter Tropf versteht man 
in Norddeutschland den sogenannten „Schlagfluls‘“. 

f. Polypode. Polypode de chene: Eichenfarn. Fougere 
douce: sülser Farn. Reglisse des bois: Waldlakritz, Wald- 
sülsholz. 

e. Polypody. Polypody of the oak: Eichenfarn. Wood- 
fern: Waldfarn. Wallfern: Mauerfarn, wächst an Gemäuer 
und Felsen. 

h. Enngelzoet. Wildzoethout: wildes Sülsholz. Veelvoet: 
Vielfuls. Boomvaren wächst am Wurzelanlauf und zuweilen 
als Epihyt in den Gabelungen alter Bäume. Pannekoeken: 
Pfannkuchen, wegen der Form der Sporenhäufehen. Hane- 
kammen, wegen der tieffiederteiligen Blätter. 


Pteris aquilina sive Pteridium aquilinum ist die 
ategıg usyaAn des TuEorHrAsT IX, 13.6. und die 9n7Av- 
ategız des Dioscorives IV, 184. Über Pteris [rt£gız] siehe 
die Einleitung; aguwilina ist das Adjektiv von agwila: Adler, 
zur Erklärung vgl. unter Adlerfarn. 


d. Adlerfarn, der Stiel zeigt am Grunde von der Rinne 
nach unten schräg durchschnitten infolge der Anordnung 
der Gefälsbündel die braunschwarze Zeichnung eines öster- 
reichischen Doppeladlers, in Form eines „X“. Man hat 
diese Zeichnung auch mit einem Eichbaum oder einem „JC“ 
verglichen und der Pflanze daher den Namen Jesus-Christus- 
Wurzel gegeben. Eine treffende Bezeichnung für den gesellig 
auftretenden oft mannshohen Farn, der erst hoch am Stiel 
seine Wedel abgibt, ist der einfache Name „Hochfarn“. 
Saumfarn wird die Pflanze genannt, weil die Sporenkapseln 
dem Rand der Fiederblättehen parallel laufen. Flügelfarn, 
wegen der hoch ausgebreiteten Wedel. Da Farn schon 
selbst wahrscheinlich Flügel bedeutet (s. Einleitung), wäre 
der Name Flügelfarn eventuell eine Tautologie; vgl. Sauer- 
ampfer (Rumex) und h. Okkernoot (Juglans). Die Bezeich- 
nung Rofsfarn bedeutet wohl soviel als falscher, unechter, 
ungebräuchlicher Farn im Gegensatz zu dem als Wurmmittel 

19* 


292 FRIEDERICH KANNGIFSSER, [19] 


gebräuchlichen Aspidium filix mas; vgl. Rolskastanie (Aes- 
culus), d.h. unechte Kastanie. Pferden ist dauernder Genufs 
von Adlerfarnkraut jedenfalls sehr gefährlich. Es treten 
u.a. Krämpfe und Lähmungen auf, sogar Todesfälle sind 
beobachtet worden. 

f. Aigle imperiale: Kaiseradler; vgl. ital. felce imperiale. 
Agqwiline. Grande fougere: grolser Farn. Fougere commune. 
Fougere femelle: weiblicher Farn; vgl. das Synonym des 
DıioscorIDES ImAvrtegıgs und unter Aspidium thelypteris 
und Asplenum filix femina. 

e. Dracken und brake: darunter versteht man alle 
grölseren Farne, insbesondere aber den Adlerfarn; betr. der 
Etymologie s. die Einleitung. 

h. Adelaarsvaren. Boomvaren: wegen seiner Höhe; die 
eigentlichen Baumfarne wachsen in Australien und auf 
Ceylon. Gewoon varenkruid. 


Salvinia, zu Ehren von SALvını, einem griechischen 
Professor zu Florenz. 


d. Schwimmblatt. Büschelfarn, wegen des unteren 
Blattes, das in zahlreiche fadenförmige, ins Wasser tauchende 
Zipfel geteilt ist. 

f. Salvinia nageante: schwimmende Salvinia. 

e. Salvinia. 

h. Watervaren. Trosvaren: Traubenfarn, die dicht an- 
einandergedrängten länglichrunden Blättehen einer Salvinia- 
Kolonie haben mit Traubenbeeren entfernte Ähnlichkeit. 
ZiWwerschoon: Silberschön, wegen der oberseits hellbläulich- 
grünen Blättehen. 


Scolopendrium (officinale) ist die gpuvARirıg [d. h. 
eine aus lauter Blättern: gvAA« bestehende Pflanze] des 
Droscorıpes III, 111. Der Gattungsname ist abzuleiten von 
0xoAonevdoa: Tausendfülsler. Die zahlreichen linearen 
Sporenhäufehen sind mit diesen Insekten verglichen worden; 
Dıoscorıpes bemerkt: Das Blatt sieht an der Unterseite 
aus als ob kleine Würmer darauf verteilt wären. Unter 
0xoAone&vdgıov selbst versteht Dioscorıdes III, 141 jedoch 
unser (Asplenum) Ceterach, von dem er bemerkt, es habe 


[20] Die Etymologie der Pteridophytennomenklatur. 293 


Blätter ähnlich dem gegürtelten Tausendfuls (Scolopender 
cingulata). Ngr. heilst Scolopendrium wegen der Zungen- 
form des Blattes einfach YAoooa. 

d. Zungenfarn. Hirschzunge. 

f. Scolopendre. Langue de cerf: Hirschzunge. Langue 
de beuf: Ochsenzunge. Herbe a la rate: Milzkraut s. u. 
Asplenum. 

e. Hart’s-tongue: Hirschzunge. Lamb’s-tongue: Lamms- 
zunge. Adder’s-tongue: Natternzunge. Fox-tongue: Fuchs- 
zunge. Buttonhole: Knopfloch, wegen der linearen Sporen- 
häufchen, die sich wie eingesäumte Knopflöcher ausnehmen. 

h. Hertstong: Hirschzunge. Tongvaren. Miltkrurd. 


Selaginella. Diminutiv zu Selago, worunter PLIinIus 
vielleicht Zycopodium selago verstanden hat. Auf -ago 
enden bekanntlich verschiedene lateinische Namen; vgl. 
Bor(r)ago, Medicago, Tussilago usw. Unter selas (oeAag) 
verstand man eine feurige Lufterscheinung. Wegen des 
Sporenpulvers [vgl. Blitzpulver unter Lycopodium] mag man 
die Pflanze vielleicht (!) selago von selas und agere: herbei- 
führen benannt haben. Doch dies nur eine Vermutung über 
die Entstehung des Wortes, für das keine Etymologie ge- 
funden werden konnte. 

d. Mooskraut, das zierlich fein verzweigte Pflänzehen 
hat mit dem Moos grofse Ähnlichkeit. Zwergbärlapp. 

f. Selaginelle. 

e. Lesser club moss: kleineres Keulenmoos, im Gegen- 
satz zu dem nächstverwandten Lycopodium. Rock-Kly, Rock- 
rose: das zierliche, schöne Pflänzehen wächst auf Felsen. 

h. Enngelsch mos: die Selaginella kommt wild in Holland 
nieht vor. 


Woodsia. Die Pflanze wurde 1815 durch R. Brown 
zu Ehren von J. Woops, einem englischen Botaniker, benannt. 


d. Wimperfarn, die Blättehen sind unterseits behaart. 
f., e. und h. Woodisia. 


r * 


204  F.KANNGIESSER, Etymologie d. Pteridophytennomenklatur. [21] 


Literaturnachweis. 


Theophrast, Curavit Link et Schneider, Lipsia 1818—1821. 
Dioscorides, übersetzt und erläutert von J. Berendes, Stuttgart 1902. 
I['hesaurus Graecae Linguae ab H. Stephano, Paris 1831—1865. 

Totius Latinitatis Lexicon, Aeg. Forcellino, Prati 1858s—1875. 

H. 0. Lenz, Botanik der alten Griechen und Römer, Gotha 1859. 
(Grolses Universallexikon von J. H. Zedler, 1733—1750. 

J. und W. Grimm, Deutsches Wörterbuch, Leipzig 1854—1908. 

F. Holl, Wörterbuch deutscher Pflanzennamen, Erfurt 1833. 

J. Rhiner, Volkstümliche Pflanzennamen der Waldstätten, Schwyz 1866. 
OÖ. Wünsche, Die Pflanzen Deutschlands, Leipzig und Berlin 1901, 

E. J. Klein, Die Flora von Luxemburg, Diekirch 1897. 

O.v. Hovorka und A. Kronfeld, Vergleich. Volksmedizin, Stuttgart 1908. 
H. Heukels, Woordenboek der Nederland. Volksnamen van Planten, 1907. 
G. Bentham, Handbook of the British Flora, London 1904. 

J. A. H. Murray, A new English Dictionary, London 1884—1900. 

The Century Dietionary, W. D. Whitney, New York — London. 

G. Bonnier et &. de Layens, Flore complete de la France, Paris. 
Toussaint, Etude &tymol. s. ]. Flores Normande et Parisienne, Rouen 1905. 
E. Littre, Dietionnaire de la Langue Frangaise, Paris 1873—1875. 

A. Scheler, Dietionnaire d’Etymologie Francaise, Bruxelles 1888. 

A. Darmsteter et A. Hatzfeld, Dietion. general de le Langue Frang., Paris. 
L. Lewin et G. Pouchet, Trait& de Toxicologie, Paris 1903. 

Ferner verschiedene fremdsprachliche Lexica. 


Beiträge zur Microlepidopteren - Fauna 
von Halle a. S. 


von 
Bernhard Füge 


Seitdem A. STAnGE im Jahre 1869 sein „Verzeichnis der 
Schmetterlinge der Umgegend von Halle a. 5.“ herausgab, 
ist nichts mehr über die Hallischen Kleinfalter veröffentlicht 
worden. Wenn ich nun im folgenden meine Sammel- 
ergebnisse der Öffentlichkeit unterbreite, so mache ich damit 
keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Im Gegenteil, da ich 
die Umgegend der alten Salzstadt nur kurze Zeit durch- 
forschen konnte, bin ich überzeugt, dafs dieses schöne 
Gebiet mit seinen Sand- und Auengegenden, seinen Stein- 
brüchen und Ödländereien bei längerer Sammeltätigkeit 
eine grolse Zahl weiterer Arten liefern, wird. Meine vor- 
läufige Zusammenstellung soll nur zu ferneren Publikationen 
über diese so schmählich vernachlässigte und doch so reiz- 
volle Schmetterlingsgruppe anregen. 

In der systematischen Anordnung folge ich dem neuen 
SPULER, trotz der vielen Umstellungen und Auseinander- 
reilsungen, die er bringt. In der üblichen Weise setze 
ich R. für Raupe und die entsprechenden Ziffern für die 
Monate. 

Mannigfache Unterstützung durch Überlassung ge- 
fangenen oder gezogenen Materials erfuhr ich durch gleich- 
gesinnte Freunde aus der hiesigen „Entomologischen 
Gesellschaft“, die ich am betreffenden Ort namentlich an- 
führe, und denen ich auch an dieser Stelle meinen herz- 
liehsten Dank auszusprechen nieht unterlassen möchte. 


3 * 
% 


290 BERNHARD FÜGE, [2] 


Psychidae. 
Talaeporiinae. 


Talaeporia Hb.!) 


tubulosa Retz. (pseudobombycella Hb.). Heide häufig. R. 
an allen Bäumen hängend. 


Pyralidae. 
Galleriinae. 
Achroea Hb. 


grisella F. In Bienenstöcken. Das ganze Jahr hindurch. 
R. den Wachswaben sehr schädlich. 


Melissoblaptes 2. 
bipunctanus Z. Petersberg 27. 6. vereinzelt. Auf Brach- 
feldern. 
Galleria F. 


mellonella L. Mit Achroea aus Wachswaben gezogen. 


Crambinae. 
Crambus F. 
fascelinellus Hb. Petersberg 2.8. Auf Grasplätzen häufig. 
R. 4.5. an Gras. 
inquinatellus Schiff. Im ganzen Gebiet mit Ausnahme des 
Ostens. 7.8. auf trockenen Wiesen. R. 4.5. an Gras. 
siculellus Dup.?) Petersberg 6. einmal frisch geschlüpft ge- 
funden. Steinbruch. 
tristellus Schiff. Petersberg; Heide 8.—9. überall auf Gras- 
plätzen. R. 5. an Gras. 


!) Ich führe die Art mit an, weil sie bisher stets als Tineine an- 
gesehen ist. 

2) Da ich angesichts des ungewöhnlichen Vorkommens dieser 
von Rebel nur für Sizilien im Juli angegebenen Art an der Richtig- 
keit meiner Bestimmung irre wurde, liels ich sie von Herrn Hauder, 
Linz (Donau) nachprüfen, der das Stück mit Sicherheit als siculellus 
bestimmte. 


[3] Beiträge zur Microlepidopteren -Fauna von Halle a. S. 297 


perlellus Se. Überall 6. auf Wiesen. 

var. warringtonella Stt. Verbreitet, im Osten viel häufiger. 
R. 4.5. an Gras. 

margaritellus Hb. Bitterfeld 8. auf feuchten Wiesen, selten. 
Halle einmal am Licht gefangen. R. 4.5. an Gras. 

conchellus Sehiff. Bitterfeld 8. vereinzelt. R. 5. an Moos. 

falsellus Schiff. Halle 18./8. ein Stück am Licht gefangen. 
R. 3.—4. an Moos. 

chrysonuchellus Se. 6. Diese schöne Art traf ich nur'am 
Petersberg; nieht selten. R. 3.4. an Gras. 

hortuellus Hb. Im ganzen Gebiet gemein 6. R. 4.5. an 
Gras. 

ab. cespitella Hb. Sehr selten. 

culmellus L. Heide 6.7. sehr häufig. R. 5. an Gras. 

pratellus L. Heide, Petersberg 6.7. nicht selten. R. 3. 4. 
an Gras. 

pascuellus L. Petersberg 6. Auf Wiesen nicht selten. 


Platytes Gn. 


cerussellus Schiff. Im ganzen Norden und Westen 6.7. Auf 
steinigen Grasplätzen sehr häufig. R. 5.6. an Gräsern. 


Schoenobiinae. 


Acentropus. 


niveus Oliv. 7. am Sülsen See und Teichen. R. 4.—6. an 
Ceratophyllum demersum und submersum unter Wasser 
zwischen den Blattachseln. Haupt fand die R. im 
Bindersee an Naias maior. 


Phyeitinae. 
Homoeosoma Curt. 


nimbellum Z. Heide 6. vom Gebüsch geklopft; häufiger am 
Lieht gefangen. R. 9. in Blüten von Hieracium pilosella. 


Ephestia Gn. 


elutella Hb. Petersberg 5. im Laubwald geklopft; nieht 
häufig. R.? 


298 BERNHARD FÜGE, [4] 


Pempelia Hb. 


subornatella Dup. Petersberg zusammen mit P. ornatella 
gefangen. R. auf Thymus serpyllum 5.6. In röhren- 
förmigem Kotgespinst am Boden. 

ornatella Schiff. Petersberg 6.7. auf steinigen Grasplätzen; 
nicht häufig. R. wie vorige. 


Selagia Hb. 


spadicella Hb. (ianthinella Hb.). Petersberg 7. vereinzelt an 
Steinbrüchen. R. 6. an Calluna vulg. In Gespinst an 
unteren Zweigen. 

argyrella Schiff. Petersberg 7. mit voriger Art, doch seltener. 
R. 6.7. wie vorige. 


Salebria 2. 


semirubella Se. var. sanguinella Hb. Petersberg 7. auf 
steinigen Grasplätzen nicht selten. Ich habe nur die 
Varietät gefangen. R. 9.—5. an Lotus corniculatus in 
Gespinströhren am Boden. 


Acrobasis 2. 
zelleri Rag. Heide 7. sehr häufig am Köder. R. 5. an Eiche. 


Rhodophaea Gn. 


rosella Se. Petersberg 7. Steinbrüche und Grasplätze sehr 
selten. R. 8. in der Blüte von Seabiosen. 

advenella Zek. Halle 7. Am Licht. R. 5. an Pirus malus 
und communis. 


Myelo:s Hb. 


cribrella Hb. Halle 6.7. überall häufig. R. 5.—9. in Distel- 
stengeln. 


Endotrichinae. 


Endotricha 2. 


flammealis Schiff. Heide 7. an sumpfigen Waldrändern sehr 
häufig geködert. R. frilst welke Blätter am Boden, 


[5] Beiträge zur Microlepidopteren-Fauna von Halle a. S. 299 


Pyralinae. 
Aglossa Latr. 
pinqwinalis L. Halle 7. Am Licht. R.? Dr. ScHMIEDE- 
HAUSEN referierte in einer Vereinssitzung über eine 
Mitteilung in der Münchner Med. Zeit., wonach diese 
Raupen in jungem Stadium einige Tage im Darm eines 
Kindes gelebt haben. 


Herculia Wk. 
glaucinalis L. Heide 7.8. sehr vereinzelt. R.6. Ich fand 
dieselben an einem hängenden, trockenen Eichenast 
zwischen Blättern versponnen. 


Cledeobia Stph. 
angustalis Schiff. Petersberg 7. häufig auf steinigen Gras- 
plätzen; sehr selten. R. 6. unter Moos und anderen 
Pflanzen. 


Hydrocampinae. 
Nymphula Sehrk. 
stagnata Don. Halle, Dieskau an sumpfigen Gewässern. 
R. 9.—4. an Sparganium ramosum und simplex. 
nymphaeata L. Überall nicht selten. An Teichen. R. 
4.—9, am Alisma plantago in einem Gehäuse an den 
Blättern. 
stratiotata L. Wie vorige. 


Cataclysta Hb. 


lemnata L. 6. überall an sumpfigen Gewässern. R. das 
ganze Jahr an Lemna minor und trisulca. 


Stenia Gn. 
punctalis Schiff. Petersberg, Galgenberg. In Steinbrüchen; 
nicht häufig. R. 9.; nährt sich von welken Blättern 
an der Erde. 
Psammotis Hb. 
pulveralis Hb. Bitterfeld 7. 8. auf feuchten Wiesen. R. 8. 
an Mentha aquatica. 


300 BERNHARD FÜGE, [6] 


Eurrhypara Hb. 


urticata L. Heide 6. häufig an Brennessel sitzend. R. 
8.—10. an Urtica urens; in Blattgespinst. 


Scoparüinae. 
Scoparia Hw. 


ambigualis Tr. Überall 7.8. an Baumstämmen sitzend. R.? 
dubitalis Hb. Peifsnitz 6. 7. an Pappelstämmen häufig. 


Pyraustinae. 
Syllepta Hb. 


ruralis Se. Heide 6.7. In Gemüsegärten häufig. R. 5. an 
Grossulariaceen in Blattrollen. 


Nomophila Hb. 
noctuella Schiff. Petersberg 7. 8. auf trockenen Grasplätzen. 
R. 6. 7. an Polygonum persicaria und bistorta; am 
Boden in Röhrengespinst. 


Phlyctaenodes Hb. 
palealis Schiff. Petersberg 6. 7. In Steinbrüchen nicht 
selten. R. 8. im Blütenschirm von Peucedanum. 
stieticalis L. Petersberg 7. mit voriger Art, doch seltener. 
R. 8. 9. an Artemisia im Gespinst zwischen Blättern 
und Blüten. 
Diasemia Gn. 
litterata Se. Dieskau 7. 8. auf feuchten Wiesen vereinzelt. 
Schkeuditz, Flutrinne nicht selten. R. 4.—7. an Hiera- 
cium pilosella, umbellatum; in leichtem Gespinst am 
Boden. 
Pionea Gn. 
forficalis L. 6.7. in Gemüsegärten häufig. R. 6. und 9. 10. 
am Sisymbrium. 
olivalis Schiff. 6. im Osten des Gebietes nicht selten. R. 
3.—5. zwischen versponnenen Blättern von Aciaea 
spicata. 


[7] Beiträge zur Mierolepidopteren-Fauna von Halle a.$. 301 


Pyrausta Sehrk. 

sambucalis Schiff. Halle 6. 7. an Gärten nicht selten. R. 
im Herbst an Syringa vulg. in versponnenen Blättern. 

flavalis Schiff. Petersberg 7. in Steinbrüchen nicht selten. 
Im Osten nie gefangen. R. an Galum verum und 
mollugo. 

cespitalis Schiff. Petersberg, Städtische Sandgrube 7. häufig. 
R. 6. und 10. an der Wurzel von Plantago maior und 
media. 

purpuralis L. Petersberg 6. und 9. häufig; liebt trockene, 
sonnige Plätze R. 6. 7. und 10. in Gespinst an den 
unteren Blättern von Mentha arvensis und silvestris. 

aurata Se. 6. 7. Heide von Lassmann ein Stück gefangen. 
R. wie purpuralis. 

nigrata Se. Petersberg 6. 7. auf Brachfeldern häufig. Fehlt 
im Süden und Osten. R. 6. und 9. an Salvia off. und 
prat. im Gespinst am Boden. 

eingulata L. 5. 6. Nietlebener Bruchfelder. Dort von 
BANDERMANN in Menge gefangen. Liebt Sandboden. 
R. 6. 8. 9. mit voriger. 


Tortrieidae. 
Tortrieinae. 
Acalla Hb. 
boscana F. Heide 6. Nicht häufig. R. 5. an Ulmus camp. 
zwischen zwei Blättern. 
niveana F. Heide 4. 5. Vereinzelt im Gebiet. R. 5. 6. an 
Birken in Blattgespinst. 
holmiana L. 6. 7. überall häufig. R. 5. und 7. an Rosen; 
oft schädlich. 
contaminana Hb. Petersberg 8. Ich klopfte den Falter mit 
allen Var. häufig von Esehengebüsch. R. 5. 6.; soll auf 
Prunus leben; von DAEHNE auf Pirus in Anzahl ge- 
funden. 
Capua Stph. 
favillaceana Hb. Heide 7. 8. vereinzelt geklopft; auch am 
Köder. R. 8. 9. auf Laubhölzern. 


302 BERNHARD FÜGE, [8] 


Cacoecia Hb. 

podana Se. 6.7. Heide überall häufig. R. 5. 6. (polyphag)). 

crataegana Hb. Heide 6. 7. Häufig. R. 5. an Laubhölzern. 

xylosteana L. Bergholz 6. 7. Sehr gemein. R. polyphag 
in Blattrollen. 

rosana L. Halle 7. 8. an Hecken und Zäunen. Sehr 
variabel an Grölse und Färbung. R. 5. 6. polyphag. 

sorbiana Hb. Bergholz 6. 7. Nicht selten. R. 5. an Laub- 
holz, auch niederen Pflanzen. 

musculana Hb. Petersberg 8. von Haupt gefangen. R. 10. 
polyphag. 

lecheana L. Heide 6. 7. am Köder gefangen. R. 4.5. an 
Laubhölzern. 


Pandemis Hb. 
corylana F. Heide 7. Nicht selten. R. 5. 6. an Laubholz. 
ribeana Hb. Heide 6. 7. häufig am Köder. R. 5.6. an 
Laubhölzern. 
heparana Schiff. Uberall 7. 8. Auch in Gärten. R. 5. 6. 
an Laubhölzern. 


Eulia Hb. 
cinctana Schiff. Petersberg 6. 7. Auf Wiesen häufig. R. 
6. und 9. an niederen Pflanzen; von DAEHNE aus 
Potentilla fragaria gezogen. 
ministrana L. Heide 6. von KLEINE gefangen. R. 10. an 
Laubhölzern. 


Tortrix Meyr. 
bergmanniana L. 6. überall in Gärten, nicht selten. R. 5.; 
den Rosen sehr schädlich. 
loefflingiana L. Heide 6. 7. Überall, doch nicht häufig. 
R. 4. 5. an Laubbäumen. 
viridana L. Heide, Bergholz 6. sehr ee R. 4. 5. an 
Eiche und anderem Laubholz. 


Cnephasia Curt. 
wahlbomiana L. Heide 6.7. Überall gemein. Sehr variabel. 
R. 5. polyphag; von DAEHNE in diesem wie im vorigen 
Jahre schon 20./4. und 16./4. angetroffen. 


[9] Beiträge zur Mierolepidopteren-Fauna von Halle a.8. 303 


Oporinia Hb. (C’heimatophila Stph.). 
tortricella Hb. Im Wörmlitzer Kirschberg einmal ein ab- 
geflogenes Stück im 4. gefangen. R. 5. an Corylus 
avellana. 


Phaloniinae (Conchylinae). 
Phalonia Hb. (Conchylis Ld.). 


sanguinama Tr. Dieskau 6. 7. auf feuchten Wiesen. R. 6. 
im Stengel von Eryngium campestre. 

woliniana Schleich. Petersberg 6. nicht selten auf blumen- 
reichen Wiesen. R. 9.—4. im Stengel und Zweigen 
von Artemisia vulgaris und campestris. 

smeathmanniana F. Halle 6. Sandgrube, Steinbrüche R. 
9. 10. zwischen dem Samen von Centaurea. 

zephyrana Tr. Petersberg 6. auf Brachfeldern; nieht häufig. 
R. 10.—4. im Stengel von Daucus carota. 

curvistrigana Wilk. Petersberg 6. Sehr selten. R. 10; 
soll in dem Samen von Prenanthes purpurea leben. 

posterana Z. Petersberg 6. vereinzelt. Von KLEINE aus 
Distelköpfen, von DAEHNE aus Samenköpfen von Üen- 
taurea jacea gezogen. R. 6. 8. 9. 

dipoltella Hb. Petersberg 6. auf Brachfeldern häufig. R. 
10. in den Blüten von Matricaria chamomilla. 

albipalpana Z. Petersberg 6. an Stralsengräben häufig. 
(Südtier! Sizilien, Pisa.) R.? 


Euzxanthis Hb. 


straminea Hw. Petersberg 6. 7. auf Brachfeldern; nicht 
häufig. R. 7. in den Blüten von Üentaurea. 

hamana L. Halle 7. Im ganzen Gebiet. In Gemüsegärten. 
R.? Disqu& gibt an: R. soll an Ononis leben, doch 
vermute ich eher, dals sie irgendwie an Disteln lebe.“ 
DaEnnE traf den Falter 1909 häufig in den Feldmarken 
der Gemeinden Petersroda und Roitzsch bei Bitterfeld 
und vermutet die Raupe nach einer milsglückten Zucht 
an Klee. 

zoegana L. Halle, Sandgrube 6. 7. häufig. Umschwärmt 
nach Sonnenuntergang die Blüten von Centaurea. R. 


304 BERNHARD FÜGE, [10] 


5. 6. an der Wurzel von Centaurea jacea, nigra und 
cyanus unter Gespinst. 


Epibleminae (Olethreutinae). 


Evetria Hb. 


pinworana Z. Heide 6. nur einmal in einem Spinngewebe 
gefunden. R. 4.5. in Knospen und Trieben von Pinus 
silwestris. 

turionana Hb. Petersberg 6. nicht selten. R. 9.—4. in 
Trieben von Pinus silvestris. 

buoliana Schift. Petersberg 7. nicht häufig. R. 5. 6. in 
Knospen von Pinus silwestris. 

resinella L. Heide, Petersberg 5. 6. Manche Jahre häufig. 
R. 10.—4. in Harzgallen an Pinus silwestris. 


Argyroploce Hb. (Olethreutes Hb.). 


salicella L. Heide 6. Überall nicht selten. R. 7. in ver- 
sponnenen Trieben an Populus und Salıx. 

scriptana Hb. Dieskau 6.7. am Köder. R. 4.5. auf Salıx. 

betulaetana Hw. Bitterfeld, Heide 6. nicht selten; nach 
DAEHNE 1909 gemein in der Goitzsche, in den Elster- 
hölzern und in dem Feuerschutzstreifen (Kleinbahn 
Bitterfeld— Zörbig) des sonst nur aus Nadelholz be- 
stehenden Stakendorfer Busches. R. 5. 6. auf Betula 
alba in Blattgespinst. 

variegana Hb. Halle 5. 6. Überall häufig. R. 4.5. an 
Laubbäumen; trat nach DAEHNE im 5. 1908 und 1909 
im Obstgarten des Rittergutes Roitzsch II als Schäd- 
ling auf. 

ochroleucana Hb. Petersberg 6. nicht selten. R. 5. 6. an 
Laubhölzern; wurde 1909 von DAEHNE im Roitzscher 
Gutspark als Rosenschädling beobachtet und aus ver- 
sponnenen Rosenblättern gezogen. 

dimidiana Sodof. Heide 6. vereinzelt. R. 8. auf Tilia 
europaea. 

micana Hb. (olivana Tr.). Halle 7. am Lieht vier Stücke 
gefangen. R.? 


[11] Beiträge zur Microlepidopteren-Fauna von Halle a. S. 305 


lacunana Dup. Petersberg 6. 7. auf Wiesen nicht selten. 
R. 4. 5. polyphag. 

cespitana Hb. Petersberg 7. auf Brachfeldern nicht selten; 
sitzt gern auf der Erde. R. 5. an niederen Pflanzen. 

antiquana Hb. Halle 7. am Licht gefangen. R. 10.—5. in 
den Wurzelausläufern von Mentha arvensis und silvestnis. 

striana Schiff. Petersberg 6. 7. auf feuchten Wiesen nicht 
selten. R. 4. 5. an der Wurzel von Lemna minor und 
trisulca in Gespinst. 

rufana Se. Petersberg 6. 7. häufig aus Rosengebüsch ge- 
klopft. R. 3.—6. an der Wurzel von Sonchus oleraceus, 
auch Tanacetum vulgare. 


Olethreutes Hb. 


arcuella Cl. Heide, Petersberg 6. sehr häufig. R. 4. am 
Boden unter Laub. 


Ancylis Hb. 
achatana F. Heide, Petersberg 6. 7. auf Wiesen vereinzelt. R.? 
lundana F. Lindenbusch; nieht häufig. R.? 
siculana Hb. Petersberg überall gemein. R. 10. an Cornus 
mas, sanguinea. 


Bactra Stph. 


lanceolana Hb. Heide, Exerzierplatz 7. nieht selten an Binsen. 
R. im unteren Stengelteile von Cyperus flavescens, longus. 

furfurana Hw. 8. Petersberg an Teichen vereinzelt; bei 
Schkeuditz sehr häufig. R. wie vorige. 


Enarmonia (Hb.) Meyr. (Steganoptycha Stph.). 


profundana F. Heide (Erholungsheim) 8. an Eichenstämmen. 
R. 5. am Laubbäumen. 

corticana Hb. Heide 6. 7. in allen Laubhölzern. R. 5. 
zwischen versponnenen Blättern. var. obtusana im 
Bergholz nicht selten. 

ratzeburgiana Rtzb. Heide 7. in einem Stück gefangen. R. 
soll in versponnenen Knospen von Pinus leben. 

oppressana Tr. Petersberg 6. 7. nicht häufig. R. 4. an 
Populus-Knospen. 


Zeitschr, f. Naturwiss. Halle a.S. Bd.82. 1910. 20 


306 BERNHARD FÜGE, [12] 


Cydia (Hb.) Meyr. p. p. 
ramella L. Petersberg 7.8. vereinzelt. R. 4. 5. in Knospen 
von Pappeln. 
trimaculana Don. Heide 6. vereinzelt. R. 5. 6. zwischen 
den Trieben von Ulmus campestris. 
minutana Hb. Petersberg 6. 7. nicht häufig. R. zwischen 
zwei Pappelblättern versponnen. 


Semasia Stph. 
pupillana Cl. Petersberg 7.; nicht häufig. R. 9.—4. im 
Stengel von Artemisia absynthrum. 
hypericana Hb. Petersberg, Heide 6. sehr häufig. R. 
zwischen versponnenen Trieben von Hypericum per- 
foratum. 


Thiodia (Hb.) Ken. 
citrana Hb. Petersberg 6. auf Brachfeldern häufig. R. 8. 9. 
auf Tanacetum vulgare (Blüten und Herztriebe). 


"Tmetocera Ld. 


ocellana F. Heide 6. nicht selten. T. 4. 5. in Trieben von 
Betula alba. 


Notocelia (Hb.) Meyr. 
uddmanniana L. Heide 6. sehr häufig. R.5. an Brombeere 
zwischen zusammengezogenen Trieben und Blättern. 
DAEHnE zog den Falter aus Himbeere. 


‚Epiblema Hb. 

albidulana H.S. 6.7. im Norden und Westen häufig. Gegen 
Abend die Blüten von Centaurea umschwärmend. R. 
8. 9. in der Blüte von Centaurea jacea, nigra, cyanus. 

fulvana Stph. Petersberg 7.; nicht häufig. R. 8. 9. Blüten 
von Carduus nutans. 

luctuosana Dup. Galgenberg 6. nicht selten. R. 10.—4. 
SPÖTTEL überbrachte sie mir aus den Stengeln von 
Carduus nutans. 

foenella L. Halle, Galgenberg 6. häufig. R. 4. 5. in Stengel 
und Wurzel von Artemisia vulgaris und absynthium. 


[13] Beiträge zur Microlepidopteren-Fauna von Halle a. S. 307 


graphana Tr. Petersberg 7. nicht häufig. R. 5. 6. an Wurzel 
von Achillea. 

tripunctana F. Petersberg 6. nicht häufig. R.? 

subocellana Don. Heide 6. vereinzelt. R. 9.10. auf Salızx 
caprea. 

immundana F.R. Petersberg 7. Überall, doch selten. R. 
9. an Erle, in den männlichen Kätzehen überwinternd. 

nisella Cl. Heide 6. Überall gemein. R. 4. 5. in der 
Samenwolle von Betula und Populus. 

bilunana Hw. Heide 6. nieht häufig. R. 3. 4. in männ- 
lichen Blüten von Betula alba. 

solandriana L. Bitterfeld 6. nicht selten. R. 5. in Blatt- 
rollen von Haselnuls und Sakx caprea, nach DAEHNE 
in der Goitzseche 1908 häufig auf Espe und Faulbaum. 


Hemimene Hb. (Dichrorampha Gn.). 


petiverella L. Halle 5. 6. auf Wiesen. R. 3. 4. in der 
Wurzel von Achillea millefolium. 


Lipoptycha Ld. 
saturnana Gn. Petersberg 5. vereinzelt auf Wiesen. R. 4. 
in der Wurzel von Tanacetum vulgare. 


Carpocapsa Tr. 
pomonella L. 6. überall an Apfelbäumen sitzend. R. 8. in 
der Frucht, 10.—4. unter der Rinde an kranken Stellen 
überwinternd, wo auch die Puppe sitzt. 
splendana Hb. Heide 7. am Köder. R. 10. in Frucht von 
Quercus robur. 


Laspeyresia Hb. (Grapholitha |Tr.] Hein.). 
woeberiana Schiff. Kirschberg bei Beesen nicht selten. R. 
9.—5. im Bast und unter Rinde an Kirschbäumen. 
caecana Schläg. Petersberg 6. auf Wiesen vereinzelt. R. 

in den Stengelspitzen von Ononis repens. 
aurana F. Dieskau 6. vereinzelt; bei Schkeuditz auf 
Sehirmblüten in grölserer Anzahl gefunden. R. 8. 9. 
im Samen von Heracleum sphondylium. 
20* 


308 BERNHARD FÜGE, [14] 


Pamene Hb. 


argyrana Hb. Heide, Petersberg 4. 5. nicht selten. R. 
7.—10. unter Rinde von Quercus. 

gallicolana Z. Heide 4. vereinzelt. Von Haupr aus Gallen 
von Uynips quercus und terminalis gezogen. R. 10.—3. 
in obigen Gallen. 


Pterophoridae. 
Platyptiliinae. 
Eucenemidophorus Wlsghm. (Platyptilia Hb.). 
rhododactylus F. Galgenberg 7.8. Überall in Steinbrüchen, 


doch vereinzelt. R. 5. 6. an Rosa canina, centifolia; 
Knospen und Blüten fressend. 


Stenoptilia Hb. 
bipunctidactyla Hw. Überall im Gebiet, doch vereinzelt. 
R. 5. 7. 9. wie vorige. 


Marasmarcha Meyr. 
phaeodactyla Hb. Petersberg 6. nicht selten. R. 6.7. an 
Ononis spinosa. 
Oxyptilus 2. 


pilosellae Z. Petersberg 7. auf dürren Gräsern; selten. R. 
5. an Hieracium pilosella und umbellatum. 


Pterophorus Geoffr. 
monodactylus L. Heide 3. und 10. an Kiefernstämmen 
häufig. R. 8. 9. an Antirrhinum maius, linaria und 
genistifolium. 


Alueita (L.) Wlsghm. (Aciptika Hb.). 


pentadactyla L. 7. überall gemein. R. 5.—8. auf Rosaceen. 


[15] Beiträge zur Microlepidopteren-Fauna von Halle a. S. 309 


Gelechiidae. 
Chimabacchinae. 
Ohimabacche 2. 


fagella (S.V.) F. Halle, Heide 5. überall häufig. R. 9. 10. 
an Betula. 


Depressartinae. 
Psecadia Hb. 


bipunctella F. Petersberg 7. nicht selten; zwei Generationen. 
R. fand ich 6. und 9. an Blüten von Anchusa off. 


Depressaria Hb. 

flavella Hb. Petersberg 6. nicht selten. R. 5. in Röhren- 
gespinst an Centaurea cyanus. 

putridella Schiff. Schkeuditz 6. häufig. R. 5. in ver- 
sponnenen Trieben an Peucedanum off. 

liturella Hb. Galgenberg 6. Überall häufig. R. 5. 6. an 
Eryngium campestre, verrät sich durch feuchte Kot- 
haufen auf der Pflanze. 


Schistodepressaria. 

Iibanotidella Schläg. Petersberg 7. Nicht häufig. R.8. an 
Peucedanum cervaria. 

herachana De Geer. Galgenberg 8. sehr häufig. R. 7. 8. 
im Schirm von Pastinaca sativa. 

pulcherrimella Stt. Petersberg 7. vereinzelt. R. 5. an 
Pimpinella saxifraga. 

nervosa Hw. Petersberg 5. vereinzelt. R. 6 7. an Carum 
carvi, bulbocastanum. 


Hofmannophila Spul. 
pseudospretella Stt. Halle 7. einmal am Licht gefangen. R.? 


Carcina Hb. 


quercana F. Heide 6. 7. Uberall. R. 6. an der Unterseite 
der Blätter von Quercus robur in leichtem Gespinst, 


310 BERNHARD FÜGE, [16] 


Oecophorinae. 
Harpella Schrk. 


forficella Se. Petersberg, Heide 6. vereinzelt. R. 4. in 
faulem Holz. 


Borkhausenia Hb. (Oecophora auct.). 

similella Hb. Heide 5. an Kieferstämmen häufig. R. 10.—4. 
an Pinus zwischen der Rinde. 

angustella Hb. Petersberg 7. Ich fand die schöne Art an 
Pappelstämmen. R.? Wahrscheinlich unter Rinde. 

formosella F. Halle 7. nieht selten an Obstbäumen. R. 
10.—4. unter Rinde von Pirus malus, comm. 

schaefferella L. Petersberg 6. Von Haupr in Anzahl ge- 
funden. Ich fand den Falter sehr häufig in Kirsch- 
plantagen. R. 10.—4. an Pinus unter Rinde; jedenfalls 
auch an anderen Pflanzen. 


Blastobasinae. 
Endrosis Hb. 


lacteella Schiff. Halle 4. 5. häufig; auch in Wohnungen. 
R. 3. 4.; ich zog sie aus einem vorjährigen Puppen- 
kasten. 


Gelechiinae. 


Sophronia Hb. 


humerella Schiff. Petersberg 6. 7. vereinzelt. R. 5. 6.; soll 
an Artemisia vulgaris leben. 


Nothris Hb. 
verbascella Hb. Petersberg 7. nicht selten. R. 3. 4. und 
7. 8. in den jungen Stauden von Verbascum lychnitis, 
thapsus und blattaria. 


Tachyptilia Hein. 
populella Cl. Halle 7. an Pappelstämmen, meist in den 
Ritzen verborgen; häufig. R. 6. in Blattrollen von 
Salix, Populus, Betula. 


[117] Beiträge zur Microlepidopteren-Fauna von Halle a. S. sll 


Recurvaria (Hw.) H.S. 


leucatella Cl. Halle 7. an Gartenheeken aus Ürataegus 
geklopft. R. 4. 5. in den Trieben von COrataegus. 


Teleia Hein. 


fugitivella Z. Halle 6. nicht selten. R. 4. 5. an Ulmus in 
Blattgespinst. 

proximella Hb. 6. im ganzen Gebiet nicht selten. R.5. 8. 9. 
an Betula, Alnus. 

notatella Hb. Galgenberg 8. häufig. R. 6. 9. 10. Nach 
Disqu& soll sie an Salix leben; ich zog den Falter in 
srolser Zahl aus den Gipfelblättern einer Atriplex-Art. 

luculella Hb. Heide 5. an Eichenstämmen sehr gemein. R. 
6. 9. 10. im Moos am Stamm. 


Gelechia 2. 


pinguinella Tr. Halle 8. Überall nicht selten. R.4.5. an 
Populus nigra zwischen Blättern versponnen. 

scalella Se. Petersberg 5. an Eichenstämmen in Ritzen. R. 
6. 10. im Moos am Stamm von Quercus robur. 


Lita Tr. 


atriplicella F.R. Halle 8. überall gemein; überwintert. R. 
7.8.zwischen den Samen von Atriplex patula, laciniatum. 


Bryotropha Hein. 


terrella (S. V.) Hb. Schkeuditz 6. vereinzelt auf Wiesen. R.? 
senectella Z. Galgenberg 8. nicht selten. Ich zog den 
Falter in Anzahl aus einer Atriplex-Art. R. 6.7. 


Metzneria Z. (Parasia Dup.). 
lappella L. Halle 4. 5. vereinzelt; von Haupt aus Blüten- 
köpfen von Üentaurea gezogen. R. 10.—3. 


Paltodora Meyr. (Cleodora Curt.). 
eytisella Curt. Dieskau, Schkeuditz 6. sehr selten. R. 6, 
an Pteris aquilina,. 


312 BERNHARD FÜGE, [18] 


Ohrysopora Clem. (Nannodia Hein.). 


stipella Hb. var. naeviferella Dup. Schkeuditz 4. aus Reisig- 
haufen geklopft. R. soll an Atriplex minieren. 

hermannella F. Halle 6. nicht häufig. R. 7. 8. miniert an 
Atriplex patula. 


Momphidae. 


Momphinae. 
Mompha Hb. (Laverna Curt.). 
conturbatella Hb. Heide 6. nicht selten. R. 5. in Gipfel- 
blättern von Epelobium versponnen. 
fulvescens Hw. Heide 8. häufig. R. 7. in Trieben von 
Epilobium. 
Anybia Stt. 
epilobiella Römer. 6. nicht selten. R. 5. in Epilobium 
minierend. 
Tebenna H.S. 


raschkiella Z. Schkeuditz. 6. vereinzelt. R. 6. 8.; miniert 
Eprlobium angustifolia. 


Chrysochsta Stph. 
lineella Cl. Halle 7. einmal gefangen. R.? 


Cosmopteryginae. 
Batrachedra Stt. 


praeangusta Hw. Halle 7. an Pappelstämmen häufig. R. 5. 
ebenda zwischen Samenwolle und Blättern. 


Coleophoridae. 


Metriotes H. S. (Asychna Stt.). 


modestella Dup. 5. auf Wiesen vereinzelt. R. 6. nach 
HorMmanN auf Stellaria holostea, 


[19] Beiträge zur Mierolepidopteren-Fauna von Halle a.5. 313 


Coleophora 2. 


frischella L. Halle, Sandgrube 7. nicht selten. R. 8. an 
Samen von Mellotus off. 

currucipennella Z. Halle 5. häufig, R. 4. an Carpinus 
betulus. 


Gracilariidae. 
Gracilariinae. 
Gracilaria 2. 
alchimiella Se. Halle 5. an Kirschbäumen nicht selten. R.? 


Xanthospilapteryx Spul. 
syringella F. Halle 5. Von Haupr im Zoologischen Garten 
zu Hunderten schwärmend beobachtet. Drei Genera- 
tionen. R. miniert an Syringa. 


Orniz 2. 


awellanella Stt. Halle 5. vereinzelt. R. 9. 10. an Corylus 
avellana. 
torquillella Z. Heide 5. von Crataegus geklopft. R.? 


Lithocolletinae. 


Lithocolletis 2. 
sylvella Hw. Heide 7. an Eichenstämmen häufig. R. ebenda. 
tenella Z. Heide, Petersberg 6. 7. nieht selten. R. 9. 10. 
an Carpinus unterseitig. 
alniella Z. Dieskau 5. nieht selten. R. 6. 7. 9. 10. an 
Alnus unterseitig minierend. 
strigulatella Z. Wie vorige. 
sorbi Frey. Halle 6. überall. R. miniert an Prunus padus. 
froehlichiella Z. Dieskau 5. häufig. R. 7. 9. 10. an Erle. 
klemannella F. Dieskau, Beesen 5. nicht selten auf Erle. 
R. miniert ebenda 6. 7. 9. 10. 


Buceulatrix 2. 
ulmella Z. Heide (Nietleben) 6. vereinzelt. R. 9. 10. miniert. 


314 BERNHARD FÜGE, [201 


Lyonetiidae. 


Lyonetia Hb. 


clerkella L. Heide, Petersberg häufig. R. miniert Prunus- 
Arten, auch Betula. 


Elachistidae. 


Elachista Tr. 
quadrella Hb. Am See 8. einmal gefangen. R. 5.6. an 
Luzula pilosa, albida. 
cerusella Hb. Petersberg auf Wiesen vereinzelt. R. 4. 6. 
an Phalaris arundinacea. 


Seythrididae. 
Seythridinae. 
Scythris Hb. (Butalis Tr.). 
punctivittella Costa. Petersberg 7. einmal gefangen. R.? 
chenopodiella Hb. Halle 7. überall häufig. R. 7. 8. an 
Chenopodium- Arten. i 
inspersella Hb. Heide (Erholungsheim) 8. auf blühender 
Kamille nicht selten. R. 6. an Epilobium angustifolium. 


Hyponomeutidae. 
Hyponomeutinae. 


Hyponomeuta Latr. 
plumbellus Schiff. Halle 7. nicht selten. R. 5. in Gespinst 
an Obstbäumen. 
malinellus Z. Petersberg 7. sehr häufig. R. 5. gesellschaft- 
lich in Gespinst an Evonymus europaeus. 


Swammerdamia Hb. 


pyrella Vill. Halle 5. an Orataegus-Hecken häufig. R. 6, 
9, 10, ebenda, 


[21] Beiträge zur Mierolepidopteren-Fauna von Halle a.S. 315 


Argyresthiinae. 
Argyresthia Hb. 
ephippiella F. Heide 6. nicht selten. R. in Trieben von 


Crataegus. 
nitidella F. Kirschberg bei Beesen von ROSENBAUM ge- 
fangen. R.? 


goedartella L. Überall an Birkenstämmen sitzend. R. 3. 
an Betula; in den Kätzchen, später unter der Rinde. 
certella Z. Petersberg 7. einmal gefangen R.? 


Plutellinae. 
Cerostoma Latr. 


radiatellum Don. Petersberg 6. nicht häufig. R. 5. an 
Prunus-Arten. 

parenthesellum L. Heide, Petersberg 8. vereinzelt. R.? 

lucellum F. Heide 6. nicht selten. R. 6. 7. an Quercus. 


Plutella Scehrk. 


maculipennis Curt. Halle 6. auf Brachfeldern häufig. 'R. 
9.—10. an Arabis petraea. 


Acrolepiidae. 


Roesslerstammia 2. 


erxlebeniella F. Petersberg 6. sehr vereinzelt. R. 9. an 
Tiha europaea. 


Tineidae. 
Tineinae. 


Scardia Tr. 


boleti F. Heide 8. von KLEME gefangen. R. 3.—5. in 
Baumschwämmen. 


Trichophaga Rag. 


tapetiella L. Halle 6. Ich fing einige Stücke in einem 
Kaninchenstall. R. 9,—4. in Gewölle und Federn, 


316 BERNHARD FÜGE, [22] 


Tinea 2. 


granella L. Heide 5. Uberall häufig. R. 9.—3. unter 
Rinde und Löcherschwamm. 
fuseipunctella Hw. Halle einmal am Licht. R.? 


Tineola H.S. 


biselliella Hummel. Überall in zwei Generationen. R. an 
Biskuit und Federn. 


Monopidae. 


blabophanes (Z.) H.S. 
ferruginella Hb. Halle 6. in Gärten auf Nelken. R.? 


Monopis Hb. 


rusticella Hb. Halle 5. nicht selten; zwei Generationen. R. 
an tierischen Stoffen, in Vogelnestern. 


Incurvariidae. 
Incurvarünae. 
Incurvaria Hw. 
morosa Z. Petersberg 7. aus Rosengebüsch geklopft. R. 
3. 4.; frilst Rosentriebe. 
muscalella F. Heide 5. häufig. R. 4. an Fragarıa vesca. 
pectinea Hw. Heide 4. häufig; im Sonnenschein fliegend. 
R. 9.; miniert jung an Detula; später als Sackträger 
am Boden. 
Nemophora Hb. 
swammerdamella L. Bitterfeld 5. sehr häufig. R.? 


Adelinae. 
Nemotois Hb. 


fasciellus F. Halle 7. Von Haupt auf Windenblüten ge- 
funden. .R. 6. 7. an Lamium album, purpureum, 


[23] Beiträge zur Mierolepidopteren-Fauna von Halle as. 317 


Adela Latr. 
viridella Z. Heide 4. Eichen umsehwärmend. R.? 
degeerella L. Heide 6. auf Brombeergebüsch häufig. R.? 
rufifrontella Tr. Petersberg 6. einmal gefangen von Lass- 
MANN. R. an Capsella bursa pastoris,; jung in Samen, 
später am Boden. 
fibulella F. Petersberg 5. häufig auf Blüten von Veronica off. 
R. 7. ebenda in den unreifen Samen, später als Sack- 
trägerin. 


Heliozelidae. 


Antispilia Hb. 
pfeifferella Hb. Halle 8. In manchen Jahren nicht selten. 
Dr. von SCHLECHTENDAL zog den Falter in grolser 
Anzahl. R. 6. 7.; miniert Cornus. 


Nepticulidae. 


Nepticulinae. 
Neptieula 2. 


oxyacanthella Stt. Halle 7. vereinzelt. R. 6. 10. an Sorbus. 

salkcis Stt. Beesen 5. an einer Uferweide in Anzahl ge- 
fangen. R. 7. 10. an Sal. 

trimaculella Hw. Mit voriger Art vereinzelt. R.? 


Mieropterygidae. 


Micropteryx Hb. (Eriocephala Curt.). 
aureatella Se. Bitterfeld 5. an sumpfigen Waldstellen an 
Stämmen sitzend. R.? 


Somit ergibt eine zahlenmälsige Zusammenstellung 
meiner Funde folgendes Bild: 


318  BernHarp Füge, Beiträge zur Microlepidopteren-Fauna. [24] 


Familie Zahl der Arten Familie Zahl der Arten 
Esychidae er 21 Elachistidae 7 2. 7.2.0252 
Pyralidae 2... .258 (incl. 2 var. |ESeythrididserse 

und 1 ab.) | Hyponomeutidae . . . 11 
Tortriidae . . 88 (incl. 1 var.) | Acrolepiidae 1 
Pterophoridae . 6 Tineidae . 5 
Gelechiidae . . 34 (inel. 1 var.)  Monopidae 2 
Momphidae . . 6 Ineurvariidae g 
Coleophoridae . 3 | Heliozelidae . 1 
Graeilariidae . . 12 | Nepticulidae . 3 
Lyonetiidae . . 1 Miecropterygidae 1 


Summa 247 (inel. 4 var. und 1 ab.) 


Das ist noch nicht einmal die Hälfte der von STANGE auf- 
geführten 578 Formen. Wie schon gesagt, dürfte dies haupt- 
sächlich an der kurzen Dauer meiner Sammeltätigkeit im 
fraglichen Gebiet liegen. Ferner habe ich manche von 
STANGE regelmälsig explorierten Fanggebiete, wie z. B. die 
Mosigkauer Heide, nicht besuchen können. Endlich haben 
sich in den seither verflossenen vier Jahrzehnten unver- 
kennbar die faunistischen Verhältnisse im Hallischen Gebiet 
verschlechtert: durch das Abholzen verschiedener Wäldchen 
wie durch Separationen und Meliorationen aller irgendwie 
landwirtschaftlich ausnutzbaren Flächen sind ergiebige Fang- 
plätze verschwunden, und jahraus jahrein liehtet die abend- 
liche Liehtfülle des zur Grolsstadt aufgeblühten Halle und. 
der vielen neuerdings auch mittels Elektrizität oder Gas er- 
leuchteten umliegenden Ortschaften die Reihen der flammen- 
tollen Geschöpfe. Trotzdem habe ich eine Anzahl von 
STANGE nicht genannter Formen aufgefunden. Indessen 
sind davon manche erst nachdem neu beschrieben, andere 
verdanken ihr Leben nur der neuerdings beliebten Zer- 
spaltung damals noch vereinter Formen, bei wieder anderen 
ist die Synonymie unsicher. Dadurch wird eine einwandfreie 
Feststellung der wirklich für das Gebiet neuen Formen so 
erschwert, dafs ich lieber ganz davon absehe. 


Über zwei Zuchten von Abweichungen des 
Wolfsmilehschwärmers 


von 
Franz Bandermann, Halle a. S. 


Im Herbst 1908 trug ich 90 Raupen von Deilephila 
euphorbiae L. ein, in der Hoffnung, unter der Menge einige 
Abänderungen zu erhalten. Nach dreimonatlicher Ruhezeit 
nahm ich die Puppen im Januar 1909 in ein geheiztes 
Zimmer von etwa 15—20° Wärme, wo ich sie leicht ange- 
feuchtet auf dem Fensterbrett stehen liels. Am 3. März sals 
der erste normale männliche Falter im Kasten. Bis zum 
1. Mai schlüpften dann 53 Falter, darunter 6 Stück (2 Männ- 
chen und 4 Weibchen) der stark rot bestäubten ab. rubescens 
Garb., und 2 Stück der v. paralias Niek., die nur in Süd- 
europa vorkommt und den direkten Übergang zu der 
v. grentzenbergi Stgr. von Capri und Portugal bilden soll. 
Da die Temperatur am Tage schon ziemlich hoch stieg, 
stellte ich die übrigen Puppen vor das Fenster ins Freie, 
wo bis zum 4. Juni noch 25 Falter schlüpften. Darunter 
befand sich ein Männchen der sehr seltenen ab. helioscopiae 
Sel.-Longeh., bei der die schwarze Binde der Hinterflügel 
vollständig fehlt, und ein Weibehen, das auf den Vorder- 
flügeln graubraun gefärbt war, sonst aber die gewöhnliche 
Zeiehnung aufwies, 9 Puppen waren eingegangen; 3 sind 
bis zum Herbst noch nicht geschlüpft, ich will aber ab- 
warten, ob sie nicht doch noch die Falter ergeben. — Da 
ich einen zweiten Versuch im Herbst 1909 machen wollte, 
sammelte ich schon im Juli 43 ausgewachsene Raupen, von 
denen sich bis zum 8. August 39 verpuppten; 4 gingen ein. 
Die Puppen stellte ich bis zum 28. September in einen Keller 


320 F. BAnDERMANN, Zwei Zuchten d. Wolfsmilchschwärmers. [2] 


von 8—10° und nahm sie dann in ein geheiztes Zimmer 
von 18—240 (., wobei ich sie alle 3 Tage etwas anfeuchtete. 
Am 12. Oktober war der erste Falter, ein normales Männ- 
chen, geschlüpf. Am 15. und 16. Oktober schlüpften ein 
Männchen und ein Weibchen, welche auf den Hinterflügeln 
etwas helleres Rot als gewöhnlich hatten; am 23. und 
26. Oktober 2 Stücke mit der gelblichen Färbung der sehr 
seltenen ab. lafitolei Th.-Mieg. Da der Oktober zu Ende 
ging und durch das frühe „Treiben“ eine Menge Puppen 
zu Grunde gingen, wollte ich nicht mehr so viel Puppen 
opfern und daher den Versuch am 3. November abschliefsen. 
Da fand ich bei gründlicher Untersuchung des Kastens in 
einer Ecke einen prächtigen Falter, der auf der Oberseite 
der Vorderflügel der v. paralias Niek. gleicht, während die 
Oberseite der Hinterflügel stark ins Gelbe geht und etwa 
die Farbe des Weibehens von Lasiocompa quercus L. zeigt. 
Das Stück sieht dadurch ganz merkwürdig aus; man könnte 
es für einen Exoten halten. 18 Puppen waren eingegangen; 
15 blieben lebend liegen. 

Als ich 1908 bei Massenzuchten von Weilslingen !) aus 
hallischen Puppen ohne jede künstliche Beeinflussung Stücke 
erhielt, die von weitem heimischen Formen täuschend gliehen, 
sah sich STicHEL veranlalst, im Interesse exakter Begriffs- 
bestimmung den neuen Terminus „f. fue.* (= forma fucosa, 
Seheinform) aufzustellen.?2) Für die Berechtigung einer derart 
strengen Unterscheidung dürften die vorstehenden Deilephila- 
Zuchten einen weiteren Beleg liefern. Im allgemeinen ergab 
sich aus meinen gesamten bisherigen Wolfsmilchsehwärmer- 
Zuchten, dals die im Frühjahr getriebenen Puppen mehr 
nach Rot, also nach der normalen Färbung schlagen, während 
die im Herbst getriebenen sichtlich zu hellerer Färbung neigen. 


1) Vgl. diese Zeitschrift Bd. 81, S. 182 [Mitt. a. d. Ent. Ges. Halle, 
Heft 1, S. 2—3]. 
2) Int. Ent. Zeitschr. IV (1910), Nr. 5, Leitbericht $. 23. 


Über sudetische, prätertiäre junge Krusten- 
bewegungen und die Verteilung von Wasser 
und Land zur Kreidezeit in der Umgebung 

der Sudeten und des Erzgebirges.') 

Eine Studie zur Geschichte der Kreidetransgression 

von 
Prof. Dr. Hans Scupin. 
Mit 2 Figuren im Text. 


Die prätertiären jungen Krustenbewegungen, wie sie be- 
sonders in den letzten Jahren in verschiedenen Gegenden 
Deutschlands festgestellt worden sind, rückten auch die 
Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit näher, dafs sich in 
gleicher Weise auch im Gebiete der Sudeten Ähnliches be- 
obachten lassen werde. Die Untersuchung der nieder- 
schlesischen Kreide in dem ganzen Gebiete zwischen Hirsch- 
berg, Görlitz, Sagan und Goldberg, die mich in den letzten 
Jahren beschäftigte (Löwenberger Kreide in weiterem Sinne), 
bestätigte diese Erwartung und ergab das Vorhandensein 
einer Krustenbewegung, die sich wohl schon in der älteren 
Kreidezeit äulserte, dann während der ganzen jüngeren 
Kreide anhielt und schliefslieh ihre Fortsetzung in der 
grolsen tertiären Faltung fand, welche das in der Kreide- 
zeit entstandene Bild der Sudeten vervollständigte bezw. 
umformte. 

Das Vorhandensein einer jungen prätertiären Bewegung 
ergibt sich zunächst aus dem Auftreten einer Diskordanz 
zwischen älterer Trias und dem Cenomanquader, 


1) Vorgetragen in der Sitzung des Naturwissenschaftlichen Vereins 
für Sachsen und Thüringen zu Halle am 24. Februar 1910. 
Zeitschr. f. Naturwiss, Halle a,S. Bd, 82. 1910. In 


322 HAnß Scupin, 12] 


die allerdings da, wo die Auflagerung des letzteren zu sehen 
ist, wie besonders in der Umgebung Löwenbergs im einzelnen 
Aufschlusse nieht zum Ausdruck kommt, die aber aus der 
Auflagerung des Cenomanquaders auf verschieden 
alten Horizonten der Trias folgt. So liegt die Kreide 
bei Löwenberg auf mittlerem Buntsandstein,t!) bei Armeruh 
nördlich des Heiligen Berges auf Röt, im Katzbachtal, wie 
es scheint, auf unterem?) Buntsandstein, wobei die Grenze 
vielfach eine ganz scharfe, mit der Hand zu bezeichnende ist. 
Muschelkalk tritt als Liegendes der Kreide nur nordöstlich 
einer Linie Hermsdorf an der Katzbach— Gr.-Hartmannsdorf 
und deren nordwestlicher Fortsetzung auf. Bei Hermsdort 
verrät sich die Auflagerung auf Muschelkalk nur durch eine 
kleine in der Hermsdorfer Spalte eingeklemmte Scholle von 
Buntsandstein und unterem Muschelkalk, wogegen der Muschel- 
kalk bei Gr.-Hartmannsdorf in mächtigen Steinbrüchen auf- 
geschlossen eine grölsere Fläche einnimmt. Die Fortsetzung 
dieses Muschelkalkzuges wird durch den Muschelkalk von 
Alt-Warthau gebildet und ebenso stölst bei Wehrau und 
Klitsehdorf am Queis der mit dem Röt steil aufgerichtete 
untere Muschelkalk an das kohlenführende Untersenon, den 
Überquader BeyrıcHs,3) der an einem mächtigen Bruch von 
etwa 400 m Sprunghöhe abgesunken ist. 

Dals es sich hier nieht um eine Erosionsdiskordanz auf 
ungestörter, nur verschieden tief erodierter Unterlage handelt, 
ergibt sich daraus, dals nirgends gegenüber der Auflagerung 
auf Buntsandstein eine merkliche Unvollständigkeit der 


!) Man vergleiche zur Orientierung die Roth-Beyrichsche geo- 
logische Karte des Niederschlesischen Gebirges, Blatt Löwenberg und 
Liegnitz. 

2) Vorausgesetzt, dafs die Vermutung Zimmermanns richtig ist 
nach der nicht nur die tiefsten, auch von mir noch zum Zechstein ge- 
rechneten Bänke der roten Sandsteine (auf der Roth-Beyrichschen 
Karte von Niederschlesien, Blatt Liegnitz, als Buntsandstein kartiert) 
sondern auch noch ein Teil der jüngeren Bänke zum Zechstein gehört, 
was Zimmermann aus dem Auftreten von Plattendolomit folgert. 

®) Roth, Erläuterungen zur geognostischen Karte vom Nieder- 
schlesischen Gebirge, S. 288. Vgl. aulserdem Scupin, Die strati- 
graphischen Beziehungen der obersten Kreideschichten in Sachsen, 
Schlesien und Böhmen. Neues Jahrb. f. Min. 1907, Beil., Bd. 24, 8. 695. 


[3] Sudetische prätertiäre junge Krustenbewegungen usw. 323 


basalen Schichten zu bemerken ist. Bei Hermsdorf und 
Wehrau-Klitsehdorf sind diese durch die beiden Längsbrüche 
allerdings der Betraehtung entzogen, dagegen sind sie 
zwischen Alt- und Neu-Warthau, wo die Fortsetzung des 
Wehrauer Bruches erst im Hangenden des Cenomans vorbei- 
läuft, hier den unteren Emscher (die bekannten Neu- 
Warthauer Schichten) gegen unterturonen Quader verwerfend, 
in durchaus typischer Weise entwickelt. Das Gleiche gilt 
von den basalen Schiehten in der südöstlichen Fortsetzung 
bei Gr.-Hartmannsdorf, wenn auch natürlich kleinere Ver- 
schiedenheiten in der Mächtigkeit des Cenomans vorkommen, 
die auf Ungleichmälsigkeiten des Untergrundes zurück- 
zuführen sind; im gröfsten Teil war dieser aber wohl ziemlich 
eben, wodurch eine an den meisten Stellen einigermalsen 
gleichmälsige Mächtigkeit des Cenomans von etwa 30 m 
bedingt wurde. 

Man wird daher zur Annahme einer Krustenbewegung 
genötigt, die allerdings nicht sehr erheblich war. Das Auf- 
treten des Muschelkalkes nordöstlich der Linie Hermsdorf 
an der Katzbach—Gr.-Hartmannsdorf erklärt sich dann 
vielleieht durch eine alte Bruchlinie, die den Muschelkalk 
ins Niveau des Buntsandsteins warf, wenn man nicht eine 
ganz flache dem Auge unmerkliche präcenomane Faltung der 
Triasschiehten annehmen will, die neben dieser Bruchlinie 
auch noch zur Erklärung der Auflagerung auf den oben 
genannten verschiedenen Buntsandsteinhorizonten heran- 
gezogen werden könnte. Ganz gewils wird eine Neigung 
der Scehiehten, die um nur etwa 1° von der des Cenomans 
abweicht, dem Auge entgehen und doch würde sie bereits 
in 10 km Entfernung eine Niveaudifferenz von etwa 200 m 
hervorbringen. Auch die Messung mit Bergkompals und 
Senkel wird hier versagen, da ein soleh geringer Betrag 
noch innerhalb der Grenzen der Fehlerquellen liegt. Übrigens 
würde die Richtung einer derartigen Verwerfungslinie Herms- 
dorf—-Gr.-Hartmannsdorf nur wenig von der späteren post- 
kretazischen Hermsdorfer Spalte (Hermsdorf— Hoekenberge) 
abweichen. 

Uber das genaue Alter dieser Störungen lälst sich 
zunächst Bestimmtes nieht aussagen, vermutlich dürften 

21* 


324 HANS Scupın, [4] 


sie spätjurassisch oder altkretazisch sein. Jedenfalls 
war diese Geländeverschiebung der jurassisch-altkretazischen 
Landmasse beim Einbruch des Kreidemeeres schon wieder 
mehr oder weniger durch Denudation eingeebnet. 

Weiter wird das Auftreten prätertiärer gebirgsbildender 
Kräfte bewiesen durch das Auftreten von Geröllen älterer 
Schichten in der Kreide. Abgesehen von den für die Be- 
trachtung fortfallenden basalen Schichten, die stellenweise 
aus Geröllen gebildet sind, welche die eindringenden Wogen 
des Kreidemeeres vielleicht bereits vorfanden und in ihre Sand- 
massen aufnahmen, sind Gerölle, die Nähe des Landes an- 
zeigend, in verschiedenen jüngeren Horizonten der Kreide, im 
Unter-,Mittel-und Oberturon (Rabendocken-Sandstein, Ludwigs- 
dorfer Sandstein) im Emscher und Untersenon (Oberquader und 
Überquader)!) zu finden, doch sind es fast ausschliefslich 
Quarzgerölle, über deren Herkunft sich Genaues nicht aus- 
sagen lälst. Ursprünglich den Quarzgängen der nieder- 
schlesischen Tonschieferformation entstammend, haben sie 
wahrscheinlich zuletzt dem Buntsandstein angehört, der an 
verschiedenen Stellen geröllführend, gelegentlich sogar als 
konglomeratischer Sandstein, so bei Lähn, entwickelt ist. 

Von Bedeutung wird erst ein einzelnes Geröll, das ich 
im Untersenon nördlich Langenau unweit Görlitz aus dem 
anstehenden konglomeratischen Sandstein des Untersenon 
herausschlug. Das Stück selbst besteht wieder aus einem 
verfestigten konglomeratischen Sandstein und zeigt kleine 
Milehquarzgerölle, die durch einen gelbliehen, kaolinisierten 
Feldspat führenden Sandstein verkittet sind. Die bei der 
Kaolinisierung frei gewordene Kieselsäure hat einzelne kleine 
Quarzkriställehen gebildet. Nach meiner Kenntnis der Ge- 
steine der ganzen Gegend kann das Geröll nur ein ge- 
bleiehtes Stück der rotliegenden geröllführenden 
Arkosen sein, wie sie besonders im Mittelrotliegenden in 
der sich weit nach Westen erstreckenden Löwenberger 
Hauptmulde sehr verbreitet sind, die also ursprünglich von 
Zechstein und Trias bedeckt, zur Zeit des Untersenon stellen- 
weise bereits freigelegt sein mulsten. 


1) Über die Lokalbezeichnungen für die einzelnen Kreidehorizonte 
hier und weiter unten vgl. die zitierte Arbeit des Verfassers. 


a. 


[5] Sudetische prätertiäre junge Krustenbewegungen usw. 9325 


Gesichtspunkte allgemeinerer Art sind es endlich, die 
ebenfalls die Annahme einer prätertiären Krustenbewegung 
im Vorlande der Sudeten fordern. Es ist die Verteilung 
von Wasser und Land, wie sie auf Grund der 
petrographischen und faunistischen Verhältnisse zur 
Kreidezeit in Schlesien, Böhmen und Sachsen wohl 
anzunehmen ist. 

Die positive Strandverschiebung am Beginn der oberen 
Kreide, welehe den Einbruch des Meeres nach Sachsen, 
Sehlesien und Böhmen verursachte, vollzog sich hier offen- 
bar nieht gleichmälsig, vielmehr scheinen ausgedehnte 
Sehollen der altkretazischen Landmasse in der Umgebung 
stehengebliebener Pfeiler, die unten näher zu kennzeichnen 
sind, abgesunken zu sein. Lepsrus!) hat sich bereits bei 
Behandlung der sächsischen Kreide in ähnlichem Sinne 
geäulsert, indem er für den Einbruch des Kreidemeeres eine 
grabenartige Einsenkung zwischen Erzgebirge und Lausitzer 
Platte annahm, die nach ihm ebenso wie das Riesen- und 
Isergebirge aus dem Meere hervorragten. 

Allerdings möchte ich Lersıus bezüglich dieses präcene- 
manen Grabens nicht beipflichten. Ich glaube, dafs die 
Lausitzer Platte und mindestens ein sehr grolser Teil des 
Erzgebirges, dessen östlichen Teil bei Tharandt, Dippoldis- 
walde, Markersbach und Nollendorf Lersıus allein vom 
Meere bedeckt sein läfst, zur Kreidezeit unter Wasser 
lagen. 

Man darf aus dem Fehlen von Kreideablagerungen hier 
keinen Schluls auf fehlende Meeresbedeekung ziehen. Mit 
ParrscH?) glaube ich vielmehr, dafs über die Lausitzer 
Platte hin ein unmittelbarer, höchstens ganz lokal unter- 
brochener Zusammenhang zwischen den sächsischen und 
den Ablagerungen der Bunzlau-Löwenberger Kreidemulde 
bestanden hat. Erst am Beginn des Senons könnte die 
Verlandung vom Süden aus solche Fortschritte gemacht 
haben, dafs auch ein Teil der Lausitzer Platte trocken 
gelegt war. Die niederschlesische Kreide ist z. Zt. bis etwas 


1) Geologie von Deutschland II, S. 174, 175 Fulsnote. 
#) Schlesien 8. 149. 


326 Hans Scupin, [6] 


westlich der Neisse im Untergrunde nachgewiesen.!) Wenig 
östlich der letzteren fallen die Schiehten des oberen Emschers 
(schlesischer Oberquader) bei Nieder-Bielau in etwa 180 m 
Höhe (unweit der Bahnstrecke Kohlfurt—Horka) mit steilem 
Fallen von 60° von dem Lausitzer Granit gegen NO. ab, 
den sie einst, wenigstens zum grolsen Teil, bedeckt haben 
dürften, und an dessen Nordostrand die sonst ziemlich 
flaches Einfallen von etwa 10—15° zeigende Mulde in die 
Tiefe geglitten ist. 

In der böhmiseh-sächsischen Kreide überragt das mittlere 
Turon des hohen Schneeberges mit 720 m Höhe bereits er- 
heblieh die höchsten Erhebungen des Lausitzer Hügellandes, 
die etwa 600 m erreichen. In der Südwestecke des Blattes 
Rosenthal — Hoher Schneeberg liegt sogar schon die Basis 
des Cenomans 550 m hoch. Wird man auch diese Teile 
als gehoben betrachten müssen, so steht dieser Hebung 
wiederum auch die sehr bedeutende Hebung des Lausitzer 
Granits gegenüber. Auch an der Lausitzer Überschiebung 
liegt der Brongniarti-Quader schon in beträchtlicher Höhe, 
die am Oybin mit 580 m fast den höchsten Erhebungen des 
Lausitzer Granits gleichkommt. 

Da die etwa 300 m tiefer liegende Unterkante des 
Cenomans natürlich in jedem Falle über die Lausitzer Spalte 
übergegriffen haben muls, so ergibt sich hierdurch eine 
Höhendifferenz in positivem Sinne gegenüber dem Lausitzer 
Bergland, deren Ausgleich dann nur durch eine sehr viel 
energischere Abtragung des Lausitzer Granits und der ihm 
aufgelagerten Schollen gegenüber dem Quadersandstein ge- 
dacht werden könnte. Sollte ein Teil der Lausitzer Platte 
vom Meere unbedeckt geblieben sein, so könnte dieser jeden- 
falls infolge des anzunehmenden Übergreifens der Kreide- 
ablagerungen auf diese im Nordosten und Südwesten also 
wohl nur recht unbedeutend gewesen sein, zumal auch 
noch in der Überschiebungsspalte, dieht bei Hinterdaubitz,?) 


1) Vgl. K. Priemel, Die Braunkohlenformation des Hügellandes 
der preufsischen Oberlausitz, Zeitschr. f. d. Berg-, Hütten- und Salinen- 
wesen, 55, 1907, 8.53. 

2) Blatt Hinterhermsdorf—Daubitz der geol. Spezialkarte des 
Königreichs Sachsen. 


[7] Sudetische prätertiüre junge Krustenbewegungen usw. 327 


Cenoman in mergeliger Fazies (Plenus-Zone) erhalten ist, 
das mit dem gleichen Rechte als etwas küstenfernere Ab- 
lagerung angesprochen werden kann, wie umgekehrt die 
konglomeratischen Sandsteine, die in der Nähe der Über- 
schiebungsspalte am Oybin sowie auch zwischen Hinter- 
daubitz und Hinterhermsdorf auftreten, als Zeichen einer 
alten Küste betrachtet worden sind. 

In gleicher Weise ist bezüglich des Erzgebirges das 
Auftreten von Cenomanschollen am Sattelberge nördlich 
Sehönwalde!) mit einer Unterkante von 670 m Höhe sowie 
weiter westlich in etwa 850 m Höhe bemerkenswert, so 
dafs wohl nur die allerhöchsten Erhebungen des überfluteten 
Gebietes aus dem Meere hervorgeragt haben dürften. 

Dagegen kann man aus den Faziesverhältnissen in 
der sächsischen Kreide auf ein weiter südöstlich ge- 
legenes Festland schlielsen, das etwa in der Gegend des 
Iser- und Riesengebirges gesucht werden muls. 

In den meisten Horizonten der sächsischen Kreide geht 
die sandige Fazies mehr oder weniger deutlich gegen Süd- 
osten in die mergelige über.?) Es zeigt sich das besonders 
gutin der Labiatus-, Brongniarti- und Scaphiten-Zone (= oberer 
Brongniarti-Quader und -Pläner der sächsischen Geologen). 
Auch der Baculiten-Mergel von Zatzschke (= oberste Sca- 
phiten-Zone) keilt gegen Südosten aus, und ebenso wird im 
Cenoman der Pläner der Zone des Actinocamaz plenus im 
Südosten allmählich durch Plänersandstein ersetzt. Aller- 
dings ist die Faziesänderung in dieser Zone keine so gleich- 
mälsige; die Gesetzmälsigkeit wird hier lokal gestört durch 
die Unregelmälsigkeit der von der Transgression betroffenen 
Fläche, die infolge der erst allmählich eintretenden Über- 
flutung der höchsten Erhebungen Veranlassung für die Bil- 
dung der bekannten Klippenfazies und wohl auch der 
zwischen Dresden und Freiberg vorkommenden Pläner- 
sandsteine wurde, was jedoch für die Betrachtung selbst 
belanglos bleibt. Ebenso kann man diese Faziesverschiebung 


1) Vielfach auch als Spitzberg bezeichnet. 

2) Vgl. hierüber auch Petraschek, Studien über Faziesbildungen 
im Gebiete der sächsischen Kreideformation. Abhandl. d. naturw. Ges. 
Isis, Dresden 1899, II, S. 53. 


328 HANS ScuPIn, [8] 


im unteren Cenoman natürlich nieht erwarten, da hier beim 
Vorrücken des Meeres jeder Punkt einmal Küste war. 

Auch in Böhmen sind ganz ähnliche Fazies- 
verschiedenheiten bemerkbar. Die sandigen Iserschiehten 
sind in der Nähe des Gebirgsrandes, die mehr mergeligen 
Weilsenberger, Malnitzer und Teplitzer Schichten in grölserer 
Entfernung von dem Gebirge zur Ablagerung gelangt. Sehr 
gut veranschaulichen das auch die Karten des Komitees 
für die naturwissenschaftliche Landesdurehforsehung von 
Böhmen, auf der die ersteren mit gelb-grünen, die letzteren 
mit blauen Tönen angelegt sind, so dals der Gegensatz 
trotz einzelner Ungenauigkeiten der Karte besonders an 
der sächsischen Grenze, gut zum Ausdruck gelangt. Auch 
auf der neuen OREDNERSschen geologischen Übersichtskarte 
von Sachsen wird durch die Farbenwahl die eben ge- 
schilderte Verteilung deutlich veranschaulicht. Näher an 
den Gebirgsrand rücken nur die mergeligen Priesener 
Sehiehten heran, die in ihrem untersten Teile den Baeuliten- 
Mergeln von Zatzschke entsprechen, während sie in ihrem 
oberen Teile in der Nähe des Gebirgsrandes das mergelige 
Äquivalent des sächsischen Überquaders (Cuvieri - Zone'), 
weiter ab vielleicht noch die küstenfernere Fazies der san- 
digen Chlomeker Sehiehten (Emscher) darstellen. Auch sie 
keilen gegen den Gebirgsrand hin aus und sollen nach 
Frırsch am Jeschkengebirge nordöstlich von Turnau bei 
Vorderad und Zbiroh bereits zwischen den Sandsteinen 
der Iserschiehten und Chlomeker Sechiehten nicht mehr vor- 
handen sein. 

Man ist daher wohl genötigt, das Riesen- und 
Isergebirge als landfest anzunehmen, um sie herum 
gruppieren sich im Nordwesten, Westen und Südwesten 
Zonen zunächst mehr grobklastischer, peripherisch dann 
feinklastischer Sedimente, wobei der Gürtel der fein- 
klastischen, mergeligen Sedimente sich bald enger um dieses 
Zentrum sehlielst, bald wieder weiter abrückt, den Fazies- 
wechsel nun auch im Vertikaldurchschnitt zum Ausdruck 
bringend. Die Form der Gürtel ist natürlich nicht überall 


1) Sceupin a. a. 0. S. 698. 


[9] Sudetische prätertiäre junge Krustenbewegungen usw. 929 


die gleiche in den einzelnen Horizonten, sie überschneiden 
sich vielmehr und sind bald mehr, bald weniger gegen 
Norden vorgeschoben. Im Norden haben sich diese Zonen 
dann wohl über die Lausitzer Platte fortgezogen, wo sie 
später wieder abgetragen wurden, und so schoben sich 
zur Zeit des Mittelturons, in der die Bildung klastischer 
Sedimente besonders intensiv war, offenbar auch jene 
geröllführenden Sande nach Norden weit ins Meer vor, die 
dann zur Bildung des „geröllführenden Brongniarti-Quaders“ 
Anlafs gaben,!) der in der Gegend von Oybin stellenweise 
geradezu konglomeratisch wird. Man darf sich vorstellen, 
dafs sich diese grobklastischen Sandsteine mit Geröllen bis zu 
Taubenei-Gröfse, die Lepsıus zur Annahme eines im Norden 
liegenden Festlandes der Lausitzer Platte veranlalsten, eben- 
falls einst über die jetzige Überschiebungslinie fort auf der 
dem Jeschkengebirge nördlich vorgelagerten Lausitzer Senke 
ausgebreitet haben. 

Im Nordosten, in der niederschlesischen Kreide, speziell 
der Kreide der schlesischen Oberlausitz, sind die älteren in 
Betracht kommenden Horizonte, jüngeres Cenoman (Plenus- 
Zone) Labiatus, Brongniarti- und Scaphiten-Zone, die bei 
Löwenberg mergelig oder mergelig-sandig entwickelt sind 
— das untere Cenoman scheidet wieder für die Betrachtung 
aus —, durch Diluvium verdeckt. Das Gleiche gilt von 
der auch bei Löwenberg sandig entwickelten Cuvieri-Zone 
(Ludwigsdorfer Sandstein) und dem tonig-sandigen bezw. 
mergelig -sandigen unteren Emscher (Neu-Warthauer 
Schiehten). Die in Böhmen und Sachsen beobachtete Zu- 
nahme des grobklastischen Charakters der Sedimente nach 
dem Gebirgsrande hin, lälst sich daher in diesen Schicht- 
gliedern hier nicht feststellen. Auffallenderweise ist eine 
solche von Löwenberg aus nur gegen Osten hin von der 
Plenus-Zone an bis in die Scaphiten -Zone zu beobachten, 
so dafs wir hier eine Landmasse anzunehmen haben, von 
der noch weiter unten die Rede sein soll. 

Dagegen zeigt sie sich wieder im oberen Emscher (Ober- 


!) Blatt Zittau—Oybin-Lausche der geologischen Spezialkarte des 
Königreichs Sachsen. 


330 Hans Scupin, [10] 


quader) und Untersenon (schlesischer Uberquader), die beide ge- 
legentlich grobe konglomeratische Bänke enthalten. Besonders 
gut sind diese in dem oben genannten Steinbruche in Nieder- 
Bielau an der Neilse (Emscher), ferner in einigen Stein- 
brüchen zwischen den Bahnstrecken Horka-Kohlfurt und 
Görlitz-Kohlfurt, sowie nördlich Langenau unweit Görlitz 
(Untersenon) zu beobachten.!) Auch weiter östlich zwischen 
Tiefenfurt und Wehrau am Queis sind konglomeratische 
Untersenonschichten an der Chaussee aufgeschlossen, ebenso 
tragen die kohleführenden Untersenonschichten im Queis- 
tal bei Wehrau-Klitschdorf einen stärker grobklastischen 
Charakter als sonst. Es scheint, als ob am Beginn des 
Untersenons die Verlandung im Norden und Nordosten des 
Festlandes bereits grolse Fortschritte gemacht habe, so dals 
sich die grobklastischen Sedimente nun auch weiter vorschoben. 

Im Osten des Riesengebirges sind mergelige Schichten der 
Plenus-Zone, sowie der Labiatus-, Brongniarti- und Scaphiten- 
Zone am Grunauer Spitzberg bei Lähn in nur ungefähr 12 km 
Entfernung vom Gebirgsrand vorhanden; man wird daher 
annehmen müssen, dals die in einer Höhe von 380—480 m 
auftretenden vom Gebirgsrande abfallenden Ablagerungen 
sich noch bis über den nachträglich eingesunkenen Hirsch- 
berger Talkessel erstreekten, wie auch GürıcH?) schon die 
Vermutung ausgesprochen hat, dals dieser einst eine Kreide- 
scholle getragen habe, die erst der starken Erosion der 
Gebirgswässer zum Opfer gefallen sei. Ebenso haben sich 
wohl die Ablagerungen der Löwenberger Gegend bis etwa 
in die Gegend des heutigen (jungen) Gebirgsrandes am 
Isergebirge erstreckt, der ähnlich scharf ausgeprägt ist wie 
der Hirsehberger Kessel und bemerkenswerter Weise in die 
Richtung der oben genannten Linie fällt, an der die nieder- 
schlesische Dyas-Trias-Kreidemulde gegen die Lausitzer 
Platte ins Liegende verschoben ist. 

In gleicher Weise zeigen auch am Erzgebirge aulser 
den hoch liegenden Kreideschollen die Faziesverhältnisse, 


1) Näheres über die Kreide dieses ganzen Gebietes bringt eine 
unlängst abgeschlossene in der Paläontographica erscheinende umfang- 
reichere Abhandlung: Die Löwenberger Kreide und ihre Fauna. 

2) Geologischer Führer ins Riesengebirge, S. 27. 


[11] _Sudetische prätertiäre junge Krustenbewegungen usw. 331 


dals dieses wenigstens zum grolsen Teil noch nieht land- 
fest war. Auch die durch den Randbruch vom heutigen 
Erzgebirge getrennten böhmischen mergeligen Kreide- 
ablagerungen sind offenbar in grölserer Entfernung von 
der Küste abgelagert und gehören derselben oben genannten 
peripherischen Randzone feinklastischen Charakters an, wie 
die mergeligen Ablagerungen im Nordwesten des sächsischen 
Kreidegebietes, mit denen sie über den Rücken des heutigen, 
erst in tertiärer Zeit herausgehobenen Erzgebirges hinfort 
in Verbindung gestanden haben dürften. 

Man wird sich das Auftreten einer Landmasse innerhalb 
des Kreidemeeres, wie sie oben nachzuweisen versucht wurde, 
am ungezwungensten wohl durch tektonische Vorgänge, 
Bildung eines Horstes, erklären. “Natürlich wäre dasselbe an 
sich selbst kein Beweis gegen die Süsssche Auffassung der 
positiven Strandverschiebung, deren Bedeutung neben tek- 
tonischen Vorgängen nicht abzustreiten bleibt, dagegen 
gewinnt es in Verbindung mit den anderen oben angeführten 
Tatsachen erhöhte Bedeutung. Die anzunehmenden kreta- 
zischen Krustenbewegungen können als Fortsetzung der 
älteren oben geschilderten aufgefalst werden, die nordöstlich 
der Linie Hermsdorf an der Katzbach — Gr.- Hartmannsdorf 
den Muschelkalk ins Niveau des Buntsandsteins verschob und 
sind Vorläufer der jungen wohl tertiären!) Bewegung, welche 


1) Da Obersenon in Schlesien nicht vorhanden ist, wie früher an- 
genommen wurde, so läfst sich das Alter der jüngeren Gebirgsbildung 
nicht mit voller Schärfe präzisieren. Die jüngsten gehobenen Kreide- 
schollen in der Heuscheuer gehören dem Emscher an, die jüngsten an 
der Faltung beteiligten Kreideschichten nördlich des Riesengebirges 
dem Untersenon. Der frühestens oberoligocäne Knollenstein unter der 
miocänen Braunkohle liegt bereits diskordant über der Kreide. Da es 
ganz allgemein nicht gerade wahrscheinlich ist, dafs die bis zur Ab- 
lagerung der Knollensteine erfolgte Abtragung nur genau gerade bis 
zu den zuletzt abgelagerten Kreideschichten vorgedrungen sein sollte, 
mit anderen Worten, dafs alle abgetragenen Schichten diskordant über 
dem Untersenon gelegen haben sollten, so wird es wahrscheinlich, dafs 
auch noch jüngere gefaltete Schichten abgetragen worden sind. Die 
Faltung könnte also dann frühestens in der allerobersten Kreide ein- 
gesetzt haben. Die auf der Beyrichschen Karte in übergreifender 
Lagerung eingetragenen, angeblich noch zur Kreide gehörigen Ab- 
lagerungen sind bekanntlich schon Tertiär, 


332 Hans Scupin, [12] 


nach wie vor den Hauptanteil an der Herausbildung der 
Sudeten trägt und die Kreide in Böhmen und der Grafschaft 
Glatz in so bedeutende Höhe hob, die in der Heuscheuer 
mehr als 900 m erreicht. Sie muldete die Kreidegebiete 
im Norden und Süden des Riesengebirges, die doch 
wohl einst am Landeshuter Pals in einem erst 
später abgetragenen Sattel in Verbindung standen. 

PArrscH!) hat die Möglichkeit des einstigen Zusammen- 
hanges dieser jetzt räumlich getrennten Kreidegebiete, der 
sich bis Grüssau erstreekenden Adersbach -Weckelsdorfer 
Mulde und des südlichsten Zipfels der Löwenberger Kreide, 
der Lähner Grabenmulde, bereits in Erörterung gezogen, 
meint aber, dals sich der Zusammenhang nieht strikt be- 
weisen lasse. Immerhin scheint mir doch nach den neueren 
Untersuchungen von FLEGEL?) die Wahrscheinlichkeit eine 
ziemlich grofse. Bemerkenswert ist besonders, dafs sich 
die feinklastischen Sedimente am Ende des Cenomans und 
am Beginn des Turons hier so weit gegen einander vor- 
schieben. Sie sind in beiden Mulden noch in den äulsersten 
einander zugekehrten Zipfeln zur Ablagerung gelangt; so 
ist das obere Cenoman (Plenus-Zone) in der Lähner Kreide 
am Grunauer Spitzberg als Mergel, in der Adersbach- 
Weekelsdorfer Kreide bei Grüssau als Plänersandstein, die 
Labiatus-Zone am Grunauer Spitzberg als Mergelsandstein, 
bei Grüssau als Pläner entwickelt. Die Entfernung beider 
beträgt nur etwa 30 km. In der Brongniarti-Zone ist dieser 
Meeresarm, der also die „Riesengebirgsinsel“ südöstlich 
umschlang, dann zeitweise versandet, wie die Vorkommen 
von Brogniarti-Quader beweisen, ob bis zur völligen Aus- 
füllung, ist nicht zu sagen. 

Dieser Meeresarm dürfte nicht allzu breit gewesen sein, 
denn bereits wenig weiter gegen Südosten ragte offenbar 
eine zweite alte Landmasse aus dem Kreidemeere 
heraus, die in gleicher Weise wie die Riesengebirgsinsel 


!) Partsch, Schlesien S. 149. 

2) Heuscheuer und Adersbach-Weckelsdorf. Eine Studie über die 
obere Kreide im böhmisch-schlesischen Gebirge. Festschr. d. schles. 
Ges. f. vaterl. Kultur z. Tagung d. deutsch. geol. Ges. in Breslau, 
Sept. 1904, IH. 


"pug}s Sunpurgqıo A Ur pu93on) Ioynysapur] IEp ur soFuga3 
-uasorg SOp YPLPNS OIMOS ZUSNET Ip UI yaıpıgu UHY9SIWUNI-YOSISYORS uop Am sep “uaydog IEZI1aquamgT sep 
19197249] I9p pun IosoIp uaTosIAZ TOSUJ-SFILNAFUASALY Alp yaısoMm IoaM ‘IBM JUU91N93 IH9WEPIOIN UOUOSNEPNSISOM 
wap UOA 9SSTWPURT] OU9SIFAPNSIS() APuaNDaI1}SI9 UHPION U989S AFıqasuany Sep Iaqn ZıgasısyeAy]y WOA yoIs 9ıp 
yomp sep “uay992g AUISISA]LOSIAAIO Hpuaya4s Junpurqio‘ U TO9WAPIVIN uENaSH]Eq Wep Au sep uajso m 'suomj]L, 
sap uudag me AO uaJPpng Iop Sangesun I9p ur puw] pun Issue uoA ZunrspIoA‘ Iop Zungjfe4sieq oyosıyemayag "7 SL] 


335 


Pimuaa4h, a.7750 
4 


Krustenbewegungen usw. 


m] 
©, 
& 
= 
m} 
F- BOANMSIUUO 
5 LM a 
z il NM | N 
3 \ Ir El IN 
= TINO N 
= | ul 
© Pig * LITT 17] 
ei vg ı\ |\ 
2 IND 
= N uayoal 
7 Kal qua 
a l 
| 
IIN 


334 Hans Scurin, [14] 


durch Absinken der umgebenden Landschollen als Pfeiler 
stehen geblieben war (vgl. vorstehende Kartenskizze.) 

Auch hier sind es die Faziesverhältnisse, der Aders- 
bach-Weckelsdorfer sowie der Heuscheuer Kreide, 
die auf eine derartige Landmasse hinweisen. Wie PETRA- 
SCHEK!) und FLEGEL?) erkannten, geht der Turonquader 
auf der Südwestseite der Wünschelburger und Braunauer 
Lehne infolge von Fazieswechsel in Mergel über. In 
gleicher Weise hat Sturm?) auf das Vorhandensein sandiger 
Bildungen in der Brongniarti-Zone westlich und nordwestlich 
Habelschwerdt hingewiesen, während diese weiter südlich 
mergelig entwickelt ist. Wir gelangen also auch hier zu 
der Vorstellung einer Landmasse im Nordosten, die 
etwa im Eulengebirge, sowie den später durch den ost- 
sudetischen Randbruch getrennten Reiehenbacher und 
Strehlener Gneisen gesucht werden könnte. 

Im tiefsten Turon und wenigstens in der obersten Sea- 
phiten-Zone ist ein solcher Fazieswechsel innerhalb des 
einen Horizontes nicht wahrzunehmen; der JImoceramus 
brongniarti führende Quader wird sowohl von Mergeln unter- 
wie überlagert und wir müssen daher annehmen, dafs vorher 
und nachher die Küste weiter gegen Nordost vorgesehoben 
war und die hier gebildeten grobklastischen Küstensedimente 
der Erosion zum Opfer gefallen sind. Das unterste 
Turon ist hier ebenso wie die jüngere Scaphiten- 
Zeitundauch vorherschon das oberste Cenoman eine 
Periode verstärkter positiver Strandverschiebung, 
die Brongniarti-Zeit eine Periode verstärkter Sedi- 
mentation, die möglicherweise noch bis in die ältere Sea- 
phiten-Zeit hineinreieht.t) Ob sich auch hier wie in Sachsen 


1) Zur Geologie des Heuscheuergebirges. Verhandl. d. k. k. geol. 
Reichsanst., 1903, N. 13. 

20a a 0 ST: 

®) Der Sandstein von Kieslingswalde in der Grafschaft Glatz und 
seine Fauna. Jahrb. d. preuls. geol. Landesanst. 1900, S. 43. 

*) Flegels Brongniarti-Pläner in der Heuscheuer umfalst, wie ich 
glaube, noch die Labiatus-Zone, der vielleicht auch noch der unterste 
Teil des sie im Nordosten des Gebietes überlagernden Quaders an- 
gehört. Andererseits könnte dieser Quader möglicherweise, was jedoch 
nicht erwiesen ist, ähnlich wie in den sog. Brongniartischichten in 


[15] Sudetische prätertiäre junge Krustenbewegungen usw. 335 


und an anderen Punkten der Iserschiehten Böhmens infolge 
erneuten Vordringens des Meeres wieder Mergel zwischen 
die sandigen Schichten des Unter- und Mittelturons drängen 
(Brongniarti-Mergel s. str. des hohen Schneeberges, Zwischen- 
pläner der Iserschichten)') ist auch nach den Untersuchungen 
FLEGELS noch nicht entschieden.) 

Die eben genannte Landmasse im Nordosten der Aders- 
bach -Weckelsdorfer und Heuscheuer-Kreide stellt wohl einen 
Teil eines Festlandes dar, das sieh zwischen die ober- 
schlesischen und böhmischen Kreideablagerungen 
schob und das auch aus faunistischen Gesichts- 
punkten heraus vermutet werden kann. LEONHARD°) hat 
in seiner Abhandlung über die oberschlesische Kreide bereits 
darauf hingewiesen, dafs wohl das oberschlesische Kreide- 
meer in keinem unmittelbaren Zusammenhange mit dem 
böhmischen bezw. dem Löwenberger gestanden habe, und 
dals vielmehr engere faunistische Beziehungen zu den bal- 
tischen Kreideablagerungen vorhanden seien. Die Neu- 
bearbeitung der Löwenberger Fauna hat diese Auffassung 
bestätigt. Es fehlen in Oberschlesien die für die Seaphiten- 
zone der böhmisch-sächsisch-niederschlesischen Kreide so 
bezeiehnenden Formen wie Nucula producta auct.*) Leda 


Sachsen, noch in die Scaphiten-Zone hineinreichen, da nach Jahn (Jahrb. 
der k.k.geol. Reichsanstalt, 1895, S.215) auf den Iserschichten, zu denen 
der Quader gehört, im östlichen Böhmen nirgends Teplitzer Schichten 
(untere Scaphiten-Zone) beobachtet sind. Alle früher als Teplitzer 
Schichten angesprochenen Schichten über den Iserschichten haben sich 
vielmehr als Priesener Schichten (obere Scaphitenschichten bezw. Mergel 
von Zatzschke + Cuvieri-Zone) erwiesen. Es ist daher auch nicht aus- 
geschlossen, dafs auch an der Heuscheuer die den Quader über- 
lagernden Mergel erst dem oberen Scaphitenhorizont zuzurechnen sind, 
dessen untere Abteilung dann im Nordosten noch sandig vertreten wäre. 

ı) Fritsch, Iserschichten, Archiv für Landesdurchforschung v. 
Böhmen, V, 1883, S. 5. 

2?) Die Kreide an der böhmisch schlesischen Grenze, Jahrb. d. k. 
k. geol. Reichsanstalt, Bd. 55, 1905, 8. 55. 

®) Die Fauna der Kreideformation in Oberschlesien, Paläonto- 
graphica, 44, 1897/98, S. 20. 

4) Besser mit dem neuen Namen Nucula productoides zu bezeichnen, 
unter dem sie in der angekündigten Abhandlung beschrieben und ab- 
gebildet ist. 


336 HANS, SCUPIN, [16] 


semilunaris Reuls, Pleurotomaria baculitarum Gein., Den- 
talium medium Sow.; umgekehrt ist Ananchytes ovata Leske 
Oberschlesien und Wollin gemeinsam, während diese sonst 
so häufige Form in der böhmiseh-sächsisch-niederschlesischen 
Entwicklung der Kreide fehlt. 

Im Süden legt sich zwischen die glätzischen und ober- 
schlesischen Kreideablagerungen das Reichensteiner und 
Altvatergebirge, die als südliehe Fortsetzung dieser 
Landmasse aufgefalst werden können. Diese kann hier 
stellenweise nur eine geringe Breite gehabt haben. Die 
Entfernung zwisehen der Kreide bei Leobschütz und den 
Kreideablagerungen im Graben der Glatzer Neilse bei 
Kieslingswalde beträgt nur etwa SO km. Nun ist der, wie 
bekannt, zum Emscher gehörige Kieslingswalder Sandstein, 
der sich natürlich noch über seine jetzigen, durch Brüche 
bezeichneten Grenzen hinaus erstreckt haben muls,1) sicher 
bereits in grölserer Küstennähe zur Ablagerung gelangt als 
das ihn unterlagernde mergelige, mittlere und obere Turon, 
die Kieslingswalder Tone, die den böhmischen Teplitzer 
und Priesener Schichten entsprechen. Der trennende Land- 
streifen muls also am Ende der Turonzeit eine noch ge- 
ringere Breitenausdehnung gehabt haben. 

Nach Norden hin könnte sich diese Landmasse vom 
Eulengebirge über das Zobtengebirge und etwa den 
Granit und die alten Schiefer bei Striegau-Jauer 
fortgesetzt haben. Weiter nördlich, östlich von Goldberg, 
war die Landmasse dann wohl ebenfalls zum grolsen Teil 
aus den alten Schiefern der niederschlesischen 
Tonschieferformation zusammengesetzt. 

Auch hier im Löwenberger Becken?) weist, wie schon 
oben angedeutet, die Zunahme des grobklastischen 
Charakters der Kreideablagerungen in verschiedenen 
Zonen nach Osten auf ein dort liegendes Festland 
hin, eben dieser nördlichen Forsetzung der Eulengebirgs- 


!) Vgl. Sturm, Der Sandstein von Kieslingswalde und seine 
Fauna, Jahrb. d. preufs. geol. Landesanstalt, 21, 1900, 8. 39. 

2) Nicht „Löwenberger Bucht“, wie ziemlich allgemein auch noch 
in neueren Werken zu lesen. Dafs es sich hier nicht um eine solche 
handelt, ergibt sich aus den obigen Ausführungen. 


[17]  Sudetische prätertiäre junge Krustenbewegungen usw. 3837 


landmasse, die wohl als im Süden wurzelnde Halbinsel an- 
zusehen ist. 

Bereits am Ende des Cenomans zeigt sich eine Fazies- 
versehiebung in der genannten Richtung, indem der Pläner 
der Plenus-Zone in der Goldberger Gegend teilweise durch 
Plänersandstein ersetzt wird.!) In gleicher Weise ist die 
Labiatus- und Brongniarti-Zone bei Löwenberg als Mergel- 
sandstein entwickelt, der zwischen Löwenberg und Gold- 
berg durch einen mittel- bis grobkörnigen, stellenweise 
konglomeratische Bänke enthaltenden Sandstein (Raben- 
dockensandstein) vertreten wird und besonders schön im 
Katzbachtal sowie östlich desselben aufgeschlossen ist. 
Ebenso scheinen die tonigen Mergel der oberen Seaphiten- 
zone (Gr.-Raekwitzer Seaphitenmergel = Baculitenmergel 
von Zatzschke) unweit Löwenberg, im Osten in der Gold- 
berger Gegend nicht mehr vorhanden zu sein, hier wurden in 
der Seaphiten-Zone nur Mergelsandsteine beobachtet. Wie 
sich die Halbinsel weiter nach Norden erstreckt hat, ist 
natürlich nieht zu sagen. 

Die Senkung des Gebietes in der Umgebung der 
eben geschilderten Landmassen hielt während des 
ganzen Cenomans und Turons an und kam erst im 
Laufe des Senons zum Stillstand. Durch die Senkung 
des Mündungsgebietes der einmündenden Flüsse wurde deren 
Gefälle und damit ihre erodierende Kraft erhöht, und es 
zeigt sich nunmehr gewissermalsen das Bestreben, die 
Senkung des Meeresgrundes durch vermehrte Sedimentation 
wieder auszugleichen, wobei bald die erstere bald die letztere 
das Übergewicht erlangt. 

Gegen Ende des Cenomans ist infolge des Vorrückens 
des Meeres im weiteren Umkreis der geschilderten Landmassen 
feinklastisches Material auf dem gröberen des tieferen 
Cenomans niedergeschlagen worden; es bilden sich die Pläner 
und etwas weiter gegen die Küste hin die Plänersand- 


!) Vgl. Seupin, Die Gliederung der Schichten in der Goldberger 
Mulde, Zeitschr. d. deutsch. geol. Ges., 1902, S. 106 und Zimmer- 
mann, Der Bau der Gegend bei Goldberg, Jahrb. d. preuls. geolog. 
Landesanst. für 1902 (1905), S. 679; ferner Seupin, Neues Jahrb. f. Min., 
Beil. 24, 1907, 8. 679. 

Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a.S. Bd.82. 1910. 22 


338 Hans Scupin, [18] 


steine der Plenus-Zone in Saehsen, Böhmen und Nieder- 
schlesien. 

Vom Turon an beginnt allmählich die Aufschüttung 
zuzunehmen, die nun an der Küste stärker wird als der 
Betrag der Senkung. Neue Sandmassen schieben sich über 
das feine Material der Plenus-Zone und rücken allmählich 
von der Küste aus vor; es entstehen der Labiatus- und 
Brongniarti-Quader Sachsens, die Iserschiehten Böhmens, 
denen auch der oben genannte Brongniarti-Quader der Aders- 
bach-Weckelsdorfer Felsen und der Heuscheuer zuzuzählen ist, 
und der sog. Rabendocken-Sandstein der Löwenberger Kreide 
in der Katzbaeh-Gegend. Erst in etwas grölserer Entfernung 
von der Küste werden diese Sandmassen, bei denen vielleicht 
auch ins Meer gewehte Dünen eine Rolle gespielt haben 
mögen,!) wieder durch Sedimente mergeligen Charakters ver- 
treten, die Labiatus-, Brongniarti- und Scaphiten- (Strehlener) 
Mergel in Sachsen und Nordböhmen, die Weissenberger, 
Malnitzer und Teplitzer Schiehten Böhmens, die Mergel- 
sandsteine der Löwenberger Gegend und weiter südlich der 
Lähner Mulde. Während diese im Norden sich bald weiter 
vorschieben, bald wieder mehr vom Gebirge entfernen, in 
mehrfacher Wechsellagerung mit sandigen Ablagerungen, 
schliefslich aber im mittleren Turon (untere Seaphiten-Zone) 
den vordringenden Sandmassen weichen, macht das Meer 
in Schlesien, wo der Labiatus- und Brongniarti-Quader der 
Katzbach-Gegend (Rabendockensandstein) wieder von mer- 
gelig-sandigen Schichten (Hermsdorfer Mergelsandstein) über- 
lagert wird, am Beginn der Seaphiten-Zone wieder weitere 
Fortschritte. Nieht ganz sicher ist der Zeitpunkt des er- 
neuten Vordringens des Meeres südwestlich des Eulengebirges?) 
im Heuscheuer-Gebirge und bei Adersbach - Weckelsdorf. 

Allgemein wird das Vorrücken des Meeres jedoch erst 
gegen Ende des Turons (obere Scaphiten-Zone). In Schlesien 
legt sich über den stellenweise auch reine Sandsteinbänke 
enthaltenden Löwenberger Mergelsandstein der stark thonige 


ı) Eine Auffassung, der Herr Professor J. Walther in der Dis- 
kussion dieses Vortrages Ausdruck gab und die jedenfalls nicht von 
der Hand zu weisen ist. 

2) Vgl. S. 334. 


[19] Sudetische prätertiäre junge Krustenbewegungen usw. 339 


Seaphiten- Mergel von Grofs-Rackwitz, in Sachsen schiebt 
sich der petrographisch und faunistisch vollständig gleich- 
artige Bakuliten-Mergel von Zatzsehke weit über die Sand- 
massen des Brongniarti-Quaders der sächsischen Sehweiz. 
In Böhmen zeigt sich das gleiche Schauspiel. Wie die 
Karten des Komitees für Landesdurehforschung von Böhmen 
erkennen lassen, ist keines der älteren mergeligen Schichten- 
systeme so weit gegen das Gebirge vorgeschoben wie die 
Priesener Sehiehten, deren tiefsten Horizont die Baku- 
liten-Mergel von Zatzschke darstellen, die hier vielfach die 
sandigen Iserschichten überlagern. Eine an Fischen und 
Cephalopoden reiche Fauna nimmt ihren Einzug.!) In dieser 
Zeit dürfte die grölste Meerestiefe der ganzen Kreide- 
transgression in Sachsen und Schlesien erreicht sein. 

Von jetzt ab zeigt sich hier ein ziemlich stetiges Flacher- 
werden, das nur gelentlich zum Stillstand kommt und vielleicht 
auch wiederum einen kleinen Rückschritt erfährt. Es erfolgt 
wieder stärkere Zufuhr gröberen klastischen Materials, neue 
Sandmassen schieben sich in Sachsen über die mergeligen 
Ablagerungen der jüngsten Scaphiten-Zone, es entsteht der 
sächsische Überquader. Derselbe Vorgang vollzieht sich in 
der nördlichen schlesischen Kreide, wo sich ein ebenfalls 
zur Cuvieri-Zone gehöriger Quader, der Ludwigsdorfer Sand- 
stein über die Gr.-Rackwitzer Scaphiten-Mergel legt. Be- 
merkenswert ist das Auftreten zahlreieher Kaolinpartikelehen 
in dem eingespülten Material, während solehe in den älteren 
Sandsteinen des Mittelturons nur ausnahmsweise auftreten. 
Immer grölsere Flächen des krystallinen Gebirges der 
Riesengebirgsinsel scheinen jetzt freigelegt zu werden, wenn 
auch die Kaolinbildung erst im Untersenon einen erbeblicheren 
Umfang erreicht. 

Während in Sachsen?) die Kreide mit dem Turon ab- 
schliefst, läfst sich die geologische Entwicklung in Schlesien 
noch weiter verfolgen, wo im unteren Emseher die be- 


!) Auffallend ist übrigens die Kleinheit sehr vieler Arten. 

2) Dafs in der sächsischen Kreide Senon nicht vorhanden ist, wie 
dies u. a. neuerdings auch Reinisch noch in seiner Geologie der 
deutschen Mittelgebirge angibt, glaube ich in dem oben genannten Auf- 
satz einwandsfrei bewiesen zu haben. 


22* 


340 Hans Scupin, [20] 


kannten Neu-Warthauer-Schiehten, wenn auch toniger, als 
die vorgenannten Sandsteine und gelegentlich mergelig-sandig 
werdend, durch die eingeschwemmten Reste von Landpflanzen, 
Blätter und Zweige, Zeugnis für die Nähe des Landes ab- 
legen. Noch deutlicher kommt die Küstennähe zum Ausdruck 
in den sich auflegenden, wieder rein sandigen, lokal sogar 
konglomeratischen Schiehten des oberen Emschers, des sog. 
schlesisehen Oberquaders, in dem sich ebenfalls derartige 
Pflanzenreste, sowie besonders auch diekschalige Gastro- 
poden (Nerineen und Omphalien), zum Teil in massenhafter 
Anhäufung, und widerstandsfähigere Zweischaler (Ostreen, 
Panopaeen) finden. Vielleicht darf man aus dem Auftreten 
konglomeratischer Bänke in diesen Schichten im Norden 
des Gebietes bei Nieder-Bielau an der Neisse im Gegensatz 
zu den weiter südöstlich gelegenen Gegenden der Mulde, 
wo Konglomerate erst wieder im Untersenon (Überquader) 
auftreten, den Schluls ziehen, dafs die Verlandung im Norden 
schnellere Fortschritte gemacht habe und erst allmählich auch 
mehr gegen Nordosten bezw. Osten vorgedrungen sei. 

Anders wie in Sachsen und im nördlichen Schlesien 
äulserte sich die Strandverschiebung im grölsten Teile 
Böhmens und dem südlichen Schlesien, in der Grafschaft 
Glatz. Das Meer behielt hier noch länger seine bedeutendere 
Tiefe. Wohl treten auch in Böhmen in der Nähe des alten 
Gebirges aın Schlusse der Turonzeit sandige Bildungen auf 
— das Vorkommen von Turnau bei Vorderrad und Zbiroh 
am Jeschkengebirge wurde schon erwähnt —, doch dringen 
auch in weit gegen das Gebirge vorgeschobenen Gegenden, 
in der Heuscheuer, bei Kieslingswalde, bei Kreibitz erst 
gegen Beginn des Senons im Emscher wieder küstennahe 
Sedimente rein sandigen Charakters über die mergeligen 
der Seaphiten- und Cuvieri-Zeit vor, wenn auch bei Kieslings- 
walde die Cuvieri-Zone (obere Kieslingswalder Tone) bereits 
etwas sandiger als die Scaphiten-Zone (untere Kieslings- 
walder Tone) entwickelt ist. Noch weiter westlich sind viel- 
leicht, was noch nieht sicher zu entscheiden, auch nach 
Beginn des Senons küstenfernere Sedimente (oberste Priesener 
Sehiehten?) abgelagert worden, so dals dann also die Ver- 
landung hierher noch später vorgedrungen wäre. 


[21]  Sudetische prätertiäre junge Krustenbewegungen usw. 34] 


In Schlesien, wo die geologischen Urkunden am weitesten 
reichen, hat das Land wohl am Beginn des Untersenons, 
wie schon angedeutet, bereits einen Zuwachs erfahren. Es hat 
sieh ein schlammiges Becken gebildet, in dem Brackwasser- 
muscheln stellenweise in grolsem Individuenreichtum aber 
artenarm erscheinen. In massenhaften Anhäufungen bedeckt 
Oyrena cretacea Dreseh. den zeitweise aus feinstem Ton- 
schlamm bestehenden Boden dieses Beekens; nur einige in 
stärker salzigem Wasser heimische, schon aus den älteren 
Meeresablagerungen bekannte Tiere sind daneben noch zu 
finden, wenige davon wie Cardium pectiniforme J. Müll. 
auch in grölserer Häufigkeit. Die eingeschwemmten Land- 
pflanzenreste häufen sich. Blätter, Zweige und auch grölsere 
Stammstücke sind den eingespülten Ton- und Sandmassen 
beigemengt, daneben auch feine Partikelehen von Pflanzen- 
resten, die stellenweise, jedoch immer nur während relativ 
kurzer Zeit allein das Material der Sedimentbildung aus- 
machen und die hier vorkommenden nur wenig mächtigen, 
höchstens etwas mehr als 1/, m erreichenden Kohlenflöze 
bilden. 

Ich halte diese Kohlen, wie an anderer Stelle!) aus- 
einandergesetzt, im wesentlichen nieht für autochthon. 
Nirgends wurden etwa Wurzeln im Liegenden oder sonstige 
für Authochthonie spreehende Merkmale beobachtet, dagegen 
spricht für Alloehthonie die Beschaffenheit der liegenden, 
dureh Kohle verunreinigten Bildungen, die echte mechanische 
Ablagerungen sind und stellenweise durch Abnahme der 
beigemengten anorganischen Sedimente in die Kohle über- 
gehen, ferner die Unregelmälsigkeit in der Verbreitung der 
meist nur auf kurze Strecken hin aushaltenden Kohlen- 
flöze und der sie einschliefsenden Sedimente. An der 
angegebenen Stelle ebenfalls erwähnt wurde auch das Auf- 
treten von Kaolinen an sekundärer Lagerstätte, das zu 
meiner Auffassung gut palst, nach der hier besonders 
umgelagerte Moore bei der Kohlenbildung eine Rolle ge- 
are haben. 


!) Die Entstehung der niederschlesischen Senonkohlen, Zeitschr. 
f. prakt. Geologie 1910, Juliheft S. 254. 


342 Hans Scurın, [22] 


Dals in diese Becken, wohl infolge weiterer Senkung 
des Meeresbodens, vielleicht auch infolge klimatischer 
Änderungen, gelegentlich wieder das Meerwasser eindrang, 
zeigt das Auftreten von Sandsteinen mit reicher mariner, 
wenn auch dem flachen Meere angehöriger Fauna, in der 
besonders Zweischaler sowie auch Schneeken eine Rolle 
spielen, während Cephalopoden bemerkenswerter Weise so 
gut wie ganz fehlen; nur ein einziger kleiner Hamitenrest 
wurde in der grolsen Menge der tierischen Reste gefunden. 
Hier weicht der Individuenreiehtum bezeichnenderweise 
wieder der Artenfülle des normal gesalzenen Wassers. 
Krocke!) hat die Vermutung ausgesprochen, dals der Ein- 
bruch des Meeres vielleicht auch dureh Stürme bedingt ge- 
wesen sein könnte, doch glaube ich, dais diese im vor- 
liegenden Falle nieht allein zur Erklärung ausreichen würden. 

Im Untersenon reifst der Faden der geologischen Über- 
lieferung für das ganze Kreidegebiet in der Umgebung der 
Sudeten ab: was später noch zur Ablagerung gelangte, ist 
der Erosion zum Opfer gefallen. 

Man ist vielfach geneigt, den Wechsel mergeliger und 
sandiger Schichten auf eine oszillierende Bewegung der 
Küste bezw. auf abwechselnde Hebungen und Senkungen 
zurückzuführen. In der südostdeutschen Kreide, wie 
man die schlesisch-sächsisch-böhmisehe Kreide einschlielslich 
der fränkischen zweckmälsig vielleicht bezeichnet, wenn man 
nieht etwa den Ausdruck „sudetische Kreide“ vorzieht,?) 
ist eine Annahme wiederholter Hebung und Senkung 
jedenfalls nicht nötig. 

Der mannigfache Wechsel von Mergeln und Sandsteinen 
läfst sich hier unsehwer durch einen einheitlichen Vorgang 
erklären, durch einen Kampf zwischen Senkung und 
Aufscehüttung. Erstere verursacht lokal positive Strand- 
verschiebung, auf die ganze Fläche des Meeres bezogen, 
dem dadureh neue Gebiete erschlossen werden, dagegen 


1) Lausitzer Magazin, Bd. 41, S. 260. 

?) Die mitunter gebrauchte Bezeichnung „hereynische Kreide“ 
für das ganze Gebiet scheint mir nicht empfehlenswert, wenn man den 
Begriff hereynisch im Sinne von Lepsius (Geologie von Deutschland, 
IT2S: S)nEalstaner 


[23] Sudetische prätertiäre junge Krustenbewegungen usw. 343 


entsprechend verminderte, oft wohl nur minimale, negative 
Strandverschiebungen. Letztere veranlalst lokal ein Zurück- 
weichen des Meeres, auf die ganze Meeresfläche bezogen 
dagegen ein entsprechend minimales, erst durch ihre Dauer 
wirksam werdendes Vordringen desselben. Erhält die Senkung 
das Übergewicht, immer neue Küstengebiete in Mitleiden- 
schaft ziehend, so schieben sieh die küstenferneren mer- 
geligen Ablagerungen über die küstennahen sandigen fort, 
erhält die Aufschüttung durch die Senkung des Küsten- 
gebietes infolge nunmehr stärker wirkender Erosion die 
Oberhand, so schieben sich umgekehrt die küstennahen 
Sandmassen über die küstenferneren mergeligen der ver- 
flossenen Periode. 

In der oberen Kreide ist es, wie auseinandergesetzt, 
besonders die Zeit des oberen Cenomans und der oberen 


ce £ : e su 


pl Sc 


Fig. 2. Schematische Darstellung der Veränderung der Meerestiefe 
während der oberen Kreide für die Gegend zwischen Bunzlau und 
Löwenberg in Schlesien 


ce = Üenoman sc — Seaphiten-Zone 
pl = Plenus-Zone e = Emscher 
Te luron sw = Untersenon 


Seaphiten-Zone, in der die Senkung ein merklicheres 
Übergewicht über die Aufschüttung erlangt und ein stärkeres 
Vordringen gegen die stehengebliebenen alten Landmassen 
erfolgt. Andererseits ist der Rückzug des Meeres am Ende 
der Kreidezeit wohl im wesentlichen durch Verlandung zu 
erklären, die von den Landmassen aus allmählich vor- 
schreitet. 

Die Verschiebungen in der Meerestiefe lassen sich durch 
obenstehende Kurve zum Ausdruck bringen, die etwa für die 
Gegend zwischen Bunzlau und Löwenberg in Schlesien zu- 
trifft, wo die Schiehtenfolge am vollständigsten entwickelt ist. 

Überblicken wir noch einmal das oben Gesagte, so 
sehen wir zunächst eine ältere, verhältnismälsig schwache 


344 H. Scurin, Sudet. prätert. junge Krustenbeweg. usw. [24] 


Krustenbewegung wahrscheinlich spätjurassischen 
oder altkretaeischen Alters. Ihr folgte eine stärkere 
mit dem Cenoman einsetzende Krustenbewegung, 
die das Absinken grolser Sehollen in der Umgebung 
einerseits des Riesen- und Isergebirges, anderseits 
der geschilderten schmalen, sich vom Altvater- 
gebirge über das Eulengebirge gegen Norden er- 
streekenden Landmasse zur Folge hatte und den 
Einbruch des Kreidemeeres wohl ganz allein ver- 
anlalste. 

Die Hauptteile des böhmisch-schlesischen 
Grenzgebirges waren nach oben Gesagtem also 
bereits zur Kreidezeit vorhanden, und zwar in zwei 
getrennten Massen. Erst die tertiäre Faltung aber 
hob sie an der nordost-sudetischen Randlinie zusammen mit 
den inzwischen gebildeten Kreigeablagerungen stärker heraus 
und schweilste sie am Landeshuter Pals zu dem 
heutigen grolsen Gebirge zusammen. 


Die Larve von Simulia ornata Me. 


von 
Johannes Liebe, Gandersheim 


Mit 16 Figuren im Text 


Die Dipteren-Gattung Simulia (oder Simulium) ist in 
weiten Kreisen bekannt geworden durch den Schaden, 
welchen die Imago von Simuhia columbaczensis Schönbauer 
unter den Viehherden Serbiens, Ungarns und Rumäniens 
gestiftet hat und noch immer von neuem anrichtet, ohne 
dals man imstande wäre, dieser Gefahr wirksam entgegen- 
zutreten. Nach der Berechnung des Bezirks-Physikus 
Dr. Mevovıcst) beträgt der Schaden in Serbien jährlich 
drei Millionen Kronen im Rinderbestande. Daneben fallen 
den Mücken aber noch recht erhebliche Mengen von 
Pferden, Sehafen und Schweinen zum Opfer.?) Ausführliches 
über die bisherigen Forsehungen über diese Mücke findet 
sich zum grölsten Teile in Werken ungarischer Zunge, 
speziell in denen des früh verstorbenen Gelehrten Dr. 
E. TömösvÄry, welcher sich auch um die Entwicklungs- 
geschi®hte dieser Art grolse Verdienste erworben hat, da 
er „1883 im Auftrage des ungarischen Ackerbauministers 
an der unteren Donau nahezu drei Monate ausschliefslich 
dem eingehenden Studium dieser Mücke oblag“.!). Auf grund 
seiner Veröffentlichungen und hinterlassenen Aufzeichnungen 


!) v. Aigner-Abafi, „Die Kol. Fliege“. Allgem. Zeitschr. für 
Entomologie. Neudamm 1903, Nr. 5, 6/7. 

2) Vgl. F.Plettke, „Über das massenhafte Auftreten einer Simulie 
in Nordwestdeutschland. Jahrb. d. ver. Naturf. a. d. Unterweser. 1901/02, 
S. 44—AT. 


346 JOHANNES LIEBE, [2] 


stellte Dr. G. HorvArn eine Lebensgeschichte der Mücke 
zusammen. Im 8. Bande der allgemeinen Zeitschrift für 
Entomologie, Neudamm 1905, Nr. 5 und 6/7 hat der Buda- 
pester Gelehrte L. v. AIGNEr-ABarı eine deutsche Über- 
setzung dieser interessanten Arbeit sowie auch die nötigen 
Literaturnachweise für die älteren Aufzeichnungen über 
dieses Thema gegeben. 

Diese sämtlichen Veröffentliehungen bringen indessen 
keine Beschreibung des feineren Baues der Larve oder der 
Puppe des Insekts. Vielmehr scheinen gerade die relativ 
vollständigsten Beobachtungen, die von G. HorVÄTH einer 
Ergänzung bezw. Berichtigung zu bedürfen. Freilich ist 
dabei natürlich auch zu beachten, dals von dem ungarischen 
Forscher die Kolumbaezer Mücke, von mir dagegen die Art 
ornata untersucht wurde; im entwickelten Zustande sind 
sich 8. columbaezensis und $. ornata, wie man in jeder 
grölseren Dipteren-Sammlung feststellen kann, zum Ver- 
wechseln ähnlich. 

Nachdem er die entwickelte Mücke beschrieben hat, 
fährt HorvArH folgendermalsen fort (nach der deutschen 
Übersetzung von v. AIGNER-ABArFT): 

„Das Weibehen legt die mit freiem Auge nieht siecht- 
baren winzigen Eier (im Durchschnitt 5000 bis 10000) in 
der zweiten Hälfte Mai und ersten Hälfte Juni in das 
kristallbelle Wasser der von den bewaldeten berggegenden 
herabströmenden Bäche. Die Eier sind mit einem schleimigen, 
gallertartigen, gelblieh-weilsen Stoff umgeben und in flachen 
kleinen Bündeln an im Wasser befindliche oder beständig 
vom Wasser bespülte Steine, Grashalme und ähnliche nu 
stände befestigt. 

Aus den Eiern schlüpfen nach zwei bis drei Wochen 
die winzigen Larven aus, welche sich vermittelst der am 
hinteren Körperende befindlichen zwei sägeförmigen Lamellen 
an die am Grunde des Wassers liegenden Steine, Blätter, 
Äste usw. anheften und sich nun zu nähren beginnen. Ihre 
Nahrung besteht aus Algen und sonstigen winzigen Pflanzen- 
partikeln, welehe sie vermittelst des auf dem Kopfe sich 
erhebenden eigentümlichen Rotationsorgans und des dadurch 
verursachten Wasserwirbels ihrem geräumigen Munde zu- 


08 Die Larve von Simulia ornata Mg. 347 


führen. Die anfänglielı weilsen Larven nehmen, nach mehr- 
maliger Häutung, allmählieh eine grünlich-braune Färbung 
an; nach der vierten Häutung erreichen sie eine Länge 
von 6—7 mm und erhalten eine annähernd einer Biskote 
gleichende Form. Untersucht man im Juni und Juli das 
Bett eines kleinen Bergbaches mit Aufmerksamkeit, so sieht 
man zerstreut Hunderte der kleinen an Steinen befestigten 
Larven, mit dem Kopfe nach oben ausgestreckt, wie sie 
vom Wasser hin- und herbewegt werden. Rührt man an 
dem betreffenden Steine, so ziehen sie sich zusammen 
und richten sieh erst wieder auf, wenn die Störung 
aufhört. Das Leben der Larven ist entschieden an das 
Wasser gebunden; denn nimmt man sie heraus, so gehen 
sie, gleich den Fischen, zu grunde, weil sie die zum 
Atmen erforderliche Luft nur dem Wasser zu entnehmen 
vermögen. 

Nach 6—8 Wochen erreichen die Larven ihre volle 
Eutwieklung und verwandeln sich zur Puppe. Das erfolgt 
gewöhnlich im August oder September, obgleich man auch 
schon Ende Juli zahlreiche Puppen findet. Zur Verpuppung 
sucht die Larve an der Unterseite eines im Wasser liegenden 
Steines oder ins Wasser hängenden Grashalmes eine ge- 
eignete Stelle, wo sie sich anheftet und aus einem eigen- 
artigen spinnwebeartigen Stoffe eine triehterförmige, am 
breiteren (oberen) Ende offene Cyste von der Grölse eines 
Reiskernes spinnt, worin sie sich verpuppt. Die Cysten 
stehen immer so, dafs ihre Öffnung der Strömung folgt, 
nie gegen dieselbe. In der ÖOyste verbringt die Puppe den 
ganzen Herbst und — erstarrt — den Winter, um im 
Frühling wieder erwacht das Wasser als vollkommen ent- 
wickelte Fliege zu verlassen.“ 

Wir sehen, die Beschreibung von Larve und Puppe der 
Kolumbaezer Kriebelmücke ist äufserst lückenhaft. Auch 
die Entwicklung anderer Arten der Gattung Simulia ist 
nur von wenigen Forschern genauer studiert worden, eine 
ausgeführte Beschreibung der Larve findet sich nirgends, 
höchstens eine solche der Puppe. Eine Darstellung des 
Entwicklungsganges von Simulia auf grund von eigenen 
und fremden Beobachtungen gegeben, verdanken wir dem 


348 JOHANNES LIEBE, [4] 


Londoner Professor L. ©. Miauı.!) Er stützt sieh zum Teil 
auf Untersuehungen von HAGEN über Sim. pictipes?) und auf 
VERDATS Geschichte der Simulien,?) welch letztere Ab- 
handlung neuerdings vom Baron ÖSTEN-SACKEN ins Englische 
übertragen ist.) Die ungarischen Veröffentliehungen über 
S. columbaczensis erwähnt Mrauı, nirgends. Er beschreibt 
nun die Larve und Puppe von Simulia mit folgenden Zeilen 
(das Original ist englisch): 

„In lebhaft strömenden Gewässern kann man die nied- 
lichen schwärzlichen Larven von Simulium oft in zahllosen 
Mengen finden. Sie sitzen je nachdem an Wasserkräutern 
wie Nixenhaar, Wasserkresse, Wasserschlingen u. dergl. Man 
findet sie auch an Steinen, doch ich bin der Ansicht, dals 
diejenigen Larven, welche man in steinigen Bächen findet, 
zu einer anderen Spezies gehören. In einem Bachlauf, wo 
alle nötigen Bedingungen ausreichend erfüllt sind, das sind 
ein nie aufhörender Zufluls sauerstoffreichen Wassers, eine 
Menge untergetauchter Blätter, eine Menge mikroskopischer 
Organismen, da sind die Larven oft im Überfluls vorhanden, 
kleine schwarze Würmer von höchstens 5/; Zoll Länge. Unter- 
sucht man das Laub mit unbewaffnetem Auge, so entdeckt 
man vielleicht keine einzige Larve. Sie sind meistenteils 
an der Unterseite zusammengedrängt und werden nur sicht- 
bar, wenn man das Blatt abpflückt oder umdreht. Sie sind 
am zahlreiehsten, wo die Strömung rasch ist. In York- 
Shire finde ich sie massenhaft in pflanzenreichen Bächen, 
welche von den Mooren herabkommen, und zwar besonders 
in den reifsenden obe en Wasserfällen. HAGEN nennt die 
Larve und Puppe von Simulium pictipes häufig im Ausable- 
River in den Adoniraek-Bergen. Hier befinden sieh die 
Puppengehäuse angeheftet an die Felsen in Haufen, welehe 
kleinen Wespennestern ähneln. Wenn auch die Larven 
sauerstoffreiehes Wasser verlangen, so darf es doch nicht 


!) Miall, The natural history of aquatie inseets. London, Mac- 
millan and Co. 1895. 

2) H. A. Hagen, Proc. Boston Soc. Nat. Hist. Vol. XX, S. 305 
= 071880. 

s) Naturw. Anzeiger der allgem. Schw. Gesellsch. 1822. 

4) Amer. Ent. Vol. II, S. 229. 


[5] Die Larve von Simulia ornata Mg. 349 


rein sein. Durch Abwässer verunreinigte Bäche enthalten 
sie oft in grolser Zahl. 

Dals Futter der Larve ist völlig mikroskopisch. Ich 
fand den Magen mit den Kieselsehalen von Diatomeen und 
Desmidien, hin und wieder auch mit Stücken von einem 
niederen Krebse gefüllt. Ein Paar gefranster Anhänge, 
einer auf jeder Seite des Kopfes, werden wie der ähnliche 
Apparat der Gmnitzenlarve (Öulex) dazu gebraucht, um die 
Partikelehen in die Larve hineinzufegen. 

Der Rumpf der Larve ist zylinderförmig und im hinteren 
Teile des Abdomens erweitert. An die Mundwerkzeuge 
angefügt sieht man die fächergleichen Anhänge, jeden 
mit etwa fünfzig langen Filamenten versehen, welche auf 
einer Seite gefiedert sind und die Nahrung in die Kehle 
hineinfegen. Da das Leben der Larve von diesen zarten 
Organen abhängt, überrascht es nicht, wenn man grolse 
Sorgfalt darauf verwendet findet, sie vor dem Zusammen- 
kleben zu bewahren. Mit Hilfe einer Lupe kann man oft 
bemerken, wie die Larve sie mit ihren Mandibeln auskämmt. 
Es sind zwei Paar auf zahlreiehe Pigmentflecken reduzierte 
Augen und kleine dreigliedrige Antennen vorhanden. 

Es sind zwei Paar Beine vorhanden, wie bei der Larve 
von Chironomus, und diese endigen in Hakenkränze. Allein 
die Simulienlarve hat keine Höhle um sich festzuhalten, 
und die Beine werden daher stark umgebildet. Jedes Paar 
verwächst zu einem einzigen Organ, welches durchaus wie 
ein Saugnapf angewendet wird. Das vordere Paar, welches 
am 1. Thorakalsegment entspringt, wird indessen gewöhnlich 
als Greifwerkzeug gebraucht, indem es dem Kopf opponier- 
bar ist. Die Funktion dieser Saugnäpfe zeigt sich leicht, 
wenn man eine Larve frisch aus dem Bache in eine Unter- 
tasse mit Wasser befördert. Sie kriecht umher wie ein 
Blutegel, indem sie die beiden Enden ihres Körpers ab- 
wechselnd an die glatte Oberfläche der Untertasse anheftet. 
Sogar in einem rasch flielsenden Gewässer sieht man sie 
nie wider ihren Willen losgerissen werden. Die Haken, 
welehe denen an den Beinen der Uhironomus-Larve nicht 
unähnlich gestaltet sind, bilden an der aus den ver- 
schmolzenen Beinen gebildeten Extremität der Simulienlarve 


300 JOHANNES LIEBE, [6] 


konzentrische Kreise. Sie dienen jedenfalls dazu das Ab- 
gleiten von dem glatten Blatte oder schlammigen Steine zu 
verhindern. Bei den Saugnäpfen des Tintenfisches ist zu 
demselben Mittel gegriffen worden. Jeder Saugnapf ist ein 
Becher, dessen Höhluog durch Muskelzug ausgedehnt werden 
kann derart, dals der Druck innerhalb des Bechers geringer 
als der Aufsendruck wird. Der Rand des Bechers ist wie bei 
Simulium dureh zahlreiche winzige Zähnchen, welehe das 
Ausgleiten verhindern, raub gemacht. 

Beim Fressen hält sieh die Larve mit ihrem hinteren 
Saugnapfe fest und streckt ihren Rumpf ausgereckt ins 
Wasser. Ist aber die Strömung ungewöhnlich heftig, so 
schlägt die Larve oft, indem sie nicht mehr frilst, ihren 
Körper um und hält sich an der Oberfläche des Blattes 
mit beiden Saugnäpfen an.“ 

Nun geht der Verfasser auf die eigentümliche Fähigkeit 
der Larve, Gespinstfäden zu produzieren, ein. Dann folgt 
noch einiges über den inneren Bau und die Puppenruhe, was 
hier ebenfalls in Übersetzung wiedergegeben werden mag: 

„Die Speicheldrüsen, welche den Gespinstfaden ab- 
sondern, sind bei dieser Larve ungewöhnlieh lang. Sie 
durehziehen die ganze Länge des Rumpfes und krümmen 
sich dann um ein Drittel ihrer Länge nach vorn. Die 
Tracheenröhren sind weit und geben ein Netzwerk feiner 
Seitenzweige an die Haut ab. Diese scheint Sauerstoff aus 
dem Wasser zu absorbieren; denn es ist keine Öffnung in 
das Tracheensystem vorhanden. 

Naht die Zeit der Puppenruhe, so bedarf es in An- 
betracht der eigenen Umstände, unter welchen das ganze 
Wasserleben bei Simulium vor sich geht, besonderer Sorg- 
falt. Eine untätige und freie Pappe wie die von Ohironomus 
mag wohl in dem weichen, schlammigen Grunde eines träge 
flielsenden Gewässers lebensfähig sein, allein soleh eine 
Puppe würde in einem Augenblick hinweggeschwemmt 
werden von den Gielsbächen, in welehen Simulkum meist 
heimisch ist. Vor der Verpuppung verfertigt sich das Insekt 
eine Art Nest, in Gestalt nicht unähnlich den Nestern 
mancher Sehwalben. Dieses Nest ist an der Oberseite einer 
Wasserpflanze festgeklebt. Die Speicheldrüsen, welche die 


[7] Die Larve von Simulia ornata Mg. sl 


Ankerfäden liefern, stellen auch das Material, aus welchen 
das Nest gebaut wird. Eingeschlossen in diesem weichen, 
spitzzulaufenden Cocon, dessen verjüngtes Ende strom- 
aufwärts gerichtet ist, während die offene Mündung strom- 
abwärts gekehrt ist, bleibt die Puppe während ihrer Ver- 
wandlung in Sicherheit. 

Solange der Cocon noch gebildet wird, ist er vollständig 
geschlossen, wenn aber das Insekt die Larvenhaut abgeworfen 
hat, wird das eine Ende des Cocons aufgestolsen, und die 
Puppe steekt nun den vorderen Teil ihres Körpers in den 
Wasserstrom. Die Atemfäden, welehe unmittelbar hinter 
dem zukünftigen Kopfe hervorspringen, genau wie bei 
Chironomus, entnehmen dem sauerstoffreichen Wasser rings- 
um einen genügenden Luftvorrat. Die Ringe des Abdomens 
sind mit einer Anzahl vorragender Häkchen versehen und 
in dem Malse, wie das Innere des Cocons infolge von 
Gespinstfäden filzig ist, bekommt die Puppe festen Halt in 
ihrem Coeon. Wenn sie aber sehr erschüttert wird, wird 
eine Anzahl Gespinstfäden aus dem filzigen Futter heraus- 
gerissen.“ 

So weit Mar! Auch von anderen Autoren ist die 
Puppe besonders besprochen; so hat VoGLER!) in einem 
kleinen Aufsatze die Tracheenkiemen der Simulienpuppen 
behandelt. Über die Prothorakal-Stigmen der Dipteren- 
puppen gibt J. C. H. DE MEJERE?) im Zoologischen Anzeiger 
einen Beitrag. Die Embryologie von Simulia hat eingehend 
ELıas Mecznıkow°) geschildert, wobei der Bau der Larven- 
organe natürlich nieht berücksichtigt wird. Während also 
Puppe und Eier hinreichend deutlich beschrieben sind, so- 
dals man sich ein Bild von ihrer äufseren Gestalt und — 
in Analogie zu denselben Stadien anderer Dipteren von 
ähnlichem Bau — auch eine Vorstellung von ihrer inneren 
Organisation machen kann, so fehlt eine ins einzelne gehende 
Beschreibung des vom Gewöhnlichen sehr abweichenden 


1) Mitteilungen der Schweizer Ent. Gesellsch. Bd. 7, Heft 7, S. 277 
bis 382. 

2) Zool. Anzeiger, Bd. 23, Nr. 632, S. 676—678. 

>) E. Meeznikow, „Über die Embryologie von Simulia ete.“. 
Zeitschr. für wissensch. Zoologie, 1866, Bd. 16, S. 392—406. 


352 JOHANNES LIEBE, [8] 


Baues der Larve. MiaLL gibt uns zwar ein besseres und voll- 
ständigeres Bild von der Lebensweise und dem Entwieckelungs- 
ablaufe der Mücke als HorvÄrH, hat aber kein Interesse 
daran, die Beschreibung der Larve bis ins einzelne zu 
verfolgen. Wir erfahren durch ihn nichts von der Gestalt 
der Mundwerkzeuge oder anderer Teile des Kopfes, ins- 
besondere der Bestandteile des Fächers; wie die Bewegung 
des Fächers vor sich geht, und wie die Körperextremitäten 
sich einstülpen, bleibt ungewils. Auch wird der Ausdruck 
„Saugnapf“ „sucker“ bei der Vorderextremität zu Unrecht 
angewendet. Im folgenden soll nun die eigenartige Or- 
ganisation der Larve von Simulia möglichst eingehend 
beschrieben und, soweit angängig, auch gedeutet werden. 

Einige Vorbemerkungen mögen hier Platz finden. Die 
erste Bekanntsehaft mit den Simulienlarven machte ich vor 
vielen Jahren auf einer von meinem damaligen Lehrer 
Privatdozent Dr. BRANDES veranstalteten Exkursion zwischen 
Ziegenrück und Triptis, wo wir in den kleinen Abflüssen des 
Kulmplateaus u. a. unsägliche Mengen von diesen Larven 
antrafen und für ihre sonderbare Lebensweise interessiert 
wurden. Von der Gattung Simulia sind mir zwei in Larven- 
und Puppenzustande verschiedene Formen bekannt geworden. 
Die eine Art konnte ich, da mir das Imagostadium dazu 
fehlte, nicht bestimmen. Von der anderen habe ich im 
August 1901 ein Exemplar der entwickelten Mücke aus der 
Larve gezüchtet und damit die Herkunft einwandfrei er- 
mittel. Die Imago wurde von Herrn v. RöDER-Hoym in 
Anhalt, dem ieh die Mücke einsandte, freundlich bestimmt 
und als Simulia ornata Mg. erkannt. 

Die kleinen dreieckigen Eier habe ich immer erst in 
der vorgerückten Jahreszeit gefunden, weshalb ieh vermute, 
dals die von mir beobachteten Arten im Eistadium über- 
wintern. Sehr zeitig im Frühjahr, schon Anfang April 
begegnete ich ausgewachsenen Larven, was auf ein frühes 
Verlassen der Eihülle schliefsen lielse. Das von mir 
gezogene Tierchen hat im August genau vierzehn Tage in 
der Puppe geruht. Dies ist um so bemerkenswerter, weil 
columbaczensis ja meist als Puppe überwintern soll. Am 
deutlichsten prägt sich der Gegensatz der beiden von mir 


[9] Die Larve von Simulia ornata Mg. 359 


untersuchten Formen im Puppenstadium aus. Bei der nicht 
bestimmten Art sind die Stigmenschläuche am Prothorax in 
ein diehotomiseh verästeltes Büschel von jederseits vier, 
bei ornata in ein solehes von acht Fäden zerteilt. 

Die Larven beider Arten stimmen in ihrer Lebensweise, 
von noch anzuführenden Punkten abgesehen, völlig überein. 
Sie krieehen mit Hilfe des vorderen Hakenkranzes, der 
Mundwerkzeuge und des hinteren Haftapparates nach Art 
und Weise der Spannerraupen. Hierzu tasten sie zuerst 
mit der Unterlippe im ganzen Umkreise die Gegend ab und 
spinnen schlie[slich an einem geeigneten Punkte plötzlich 
einen Faden, an dem sie sich mit den Mundwerkzeugen 
und dem an diese hinaufgestreckten vorderen kleinen Haft- 
organe festzuhalten verstehen. Nun ziehen sie, das Abdomen 
nach oben krümmend, schnell das Leibesende nach und 
setzen den hinteren grofsen Hakenkranz von der Seite 
zwisehen Mund und Vorderextremität, die sofort losläfst. 
Darauf machen sie auch die Mundwerkzeuge los und 
suchen nach einem neuen Befestigungsort — wofern sie 
nämlich noch keinen endgültigen Ruhepunkt gefunden haben. 
Sitzen sie aber einmal in dieser Lage fest, so vermag keine 
noch so starke Strömung sie loszureilsen, und gerade an 
den stärkstflielsenden Stellen der Bäche halten sie sich 
mit besonderer Vorliebe auf. Es leuchtet ein, dals sie 
hierbei in eine Stellung kommen, bei der die ventrale 
Seite nicht der Strömung entgegengerichtet ist, obwohl dies 
zur Nahrungsaufnahme das Beste wäre. In der Tat findet 
man auch den aboralen Hakennapf immer mit seiner 
dorsalen Seite dem Wasserstrom entgegen festgeheftet. Um 
nun trotzdem am Kopfende die ventralen Gliedmalsen 
dem Wasserstrom zuzuwenden, wird der Rumpf um seine 
Achse um zwei Rechte gedreht und so die Nahrung auf- 
genommen. 

So fand ich S. ornata oft zu hundert Individuen, 
einen schmutzfarbenen, rasendichten Überzug bildend, an 
Steinen oder Stengeln nebeneinander. Die Larve der 
anderen beobachteten Art bevorzugt steinige Bäche in der 
Nähe der Quellen; man findet diese Art auch meist einzeln 
oder zu wenigen beisammen, und die Tierehen sind daher 

Zeitschr. f. Naturwiss. Hallea.S. Bd. 82. 1910. 23 


354 JOHANNES LIEBE, [10] 


sehr schwer zu finden, zumal sie heller wie ornata gefärbt 
und dem Untergrunde der Bachkiesel sehr angepalst sind. 

Der walzenrunde Körper der Larve mifst nach der 
letzten Häutung mit Kopf 71/, bis 81/), mm in der Länge 
und 1,4 mm an der dieksten, 0,75 mm an der Stelle der 
stärksten Einschnürung, welche etwa in der Mitte der 
ganzen Körperlänge liegt. Er besteht aus Kopf und Rumpf, 
welch letzterer Brust und Hinterleib ohne deutliche Abgrenzung 
enthält. Der Hinterleib gliedert sich nieht sehr deutlich in 
neun Segmente. Die Farbe des diekeren Chitinbezuges ist 
dunkelbraun, rostbraun bis gelb; die Bedeekung des Thorax 
(Brust) und des Abdomen (Hinterleib) hat, wo sie nicht 
durehsiehtig lederfarben ist (wie an den segmentalen 
Grenzmembranen) einen fleischfarbenen Ton. Die ganze 
Oberfläche ist fein gerunzelt und infolgedessen im auf- 
fallenden Lichte irisierend. Bei der unbestimmten Larven- 
art ist auch, wie erwähnt, eine Zeichnung vorhanden. Jedes 
Segment weist auf der Bauchseite beiderseits einen schräg 
von aulsen und vorn nach der Mitte und hinten verlaufenden 
dunkelbraunen Strich auf; der Thorax besitzt drei soleher 
Strichpaare, ein Zeichen dafür, dafs er aus der entsprechen- 
den Zahl von Segmenten zusammengesetzt ist. Diese Zeiehnung 
ist bei manchen Larven von ornata auch zu sehen, jedoch 
ganz undeutlich. 

Der tonnenförmige Kopf ist von einem Chitinpanzer 
bekleidet, weleher ungefähr die Gestalt eines Hohlzylinders 
hat. Ventral und hinten befindet sich an diesem Kopf- 
panzer ein dreieckiger Einschnitt, wo die weichere Chitin- 
bekleidung des übrigen Körpers die Haut bildet, um dem 
dahinter am Thorax ansitzenden beweglichen Stiel des 
vorderen Hakennapfes freien Spielraum zu gewähren. Der 
vordere wie der hintere Rand der Chitinbedeekung des 
Kopfes weist gewisse Verdiekungen auf, welche Muskeln 
als Ansatzstellen dienen. Die vordere Öffnung wird durch 
ein Kopfschild überwölbt, welches am Rücken angefügt ist. 
Am ventral gerichteten Ende dieses den Kopf haubenartig 
bedeekenden Stückes erhebt . sich die Oberlippe; diese 
bedeckt die Innenseite der ventral gegenübersitzenden Unter- 
lippe. An beiden Seiten der Oberlippe erheben sich zwei 


[11] Die Larve von Simulia ornata Mg. 355 
eigenartige Auswüchse, welehe zu Fangorganen ausgebildet 
sind. An sie schliefsen sieh seitlich nach unten je ein Ober- 
kiefer und je ein Unterkiefer mit Taster an. Aulsen an 


dem Stiel des erwähnten Fangorganes bemerkt man jeder- 
seits einen Fühler. Soweit die Aufzählung der Kopfglied- 
malsen, Fig. 1 und 2. 

Hinter den Fühlern, ungefähr in der Mitte des Kopfes 
liegen jederseits zwei Flecken schwarzen Pigments, die 
Augen, von denen das hintere grölser ist als das vordere. 

23* 


356 JOHANNES LIEBE, [12] 


Der ganze Kopf ist, zum Teil sehr reichlich mit kurzen 
Borsten besetzt. 

Der Thorax ist unbehaart, äufserlich nieht gegliedert. 
Auf der ventralen Seite sitzt vorn der schon erwähnte 
Hakennapf an einem beweglichen Stiele auf. Dieser Stiel 
ist so mit Muskeln versehen, dals das napfförmige Ende 
aus seiner gewöhnlichen oralen Lage (a) heraus auch nach 
unten fast senkrecht zur Körperachse gestellt werden 
kann (b). 

Von den neun völlig glatten Segmenten des Abdomens 
sind die ersten sieben deutlich gegeneinander abgesetzt und 


schmäler als die beiden letzten. Das neunte trägt an seinem 
Ende einen komplizierten Haken- und Saugnapf, dessen 
Öffnung etwas ventral gedreht ist. Dorsal, unmittelbar 
darüber sitzen drei bandschuhfingerförmig ausgestülpte 
Oberflächenverbreiterungen der Haut, unter denen der After 
mündet. Fig. 3. 


Der Sinnesapparat. 


Das Nervensystem, dessen Hauptstrang schon äulserlich 
dureh dunklere Färbung auf der Bauchseite sichtbar wird, 
kennzeichnet sich bei näherem Zusehen als ein gewöhnliches 
Striekleiternervensystem; sämtliche elf Ganglienpaare des 
kumpfes sind so miteinander verwachsen, dals nur eine 
einfache Ganglienkette vorhanden zu sein scheint. Die drei 
letzten Paare sind sehr dieht aneinander gerückt und liegen 
im zehnten Körpersegment. Das letzte Paar sendet vier 


[13] Die Larve von Simulia ornata Mg. 357 


Nervenstränge nach hinten. Die Längskommissuren sind 
überall getrennt. Die anderen Sehlundganglien sind zu 
einem dreieckigen Gebilde vereinigt, an dem man aber 
deutlich die Grenzen der symmetrischen Hälften erkennt. 
Sie senden ihre vorderen Nervenfortsätze um den Ösophagus 
herum zu den unmittelbar darüber- 
liegenden beiden oberen Schlund- 
ganglien, welche über dem Öso- 
phagus durch eine breite Quer- 
kommissur verbunden sind. Diese 
entsenden ihre Nerven vorzugs- 
weise nach den Muskeln der 
Mundwerkzeuge sowie nach den 
Augen und Antennen. 

Von Augen sind jederseits 
zwei vorhanden; sie haben Ähn- 
liehkeit mit denen der Culieiden. 
Nach aufsen schliefst sich an sie 
eine ovale Scheibe von Zellen an, 
welche vielleicht die Bildungs- 
zellen der Kristallkegel für das 
Imagoauge sind. 

Die Antennen sind deutlich 
dreigliedrig. Das Basalglied ist 
etwa halb so lang, über doppelt 
so stark als das Endglied; vom 
Mittelgliede, welches sich nach 
dem Endgliede konisch verjüngt, Fig. 4. 
wird es um das Dreifache an 
Länge übertroffen. Am vorderen Ende sitzt ein Leypi@scher 
Sinneskörper,!) zu welchem ein Nerv leitet. Dasselbe 
Ganglion (innerhalb des Basalgliedes), von welchem dieser 
Nerv enspringt, sendet noch zwei Nerven zu zwei am Ende 
des mittelsten Gliedes befindlichen Sinneskörperchen. Fig. 4. 

Die Maxillartaster bestehen aus einer wulstförmigen 
Basis und einem zapfenartigen Hauptteil. Sie sind reichlich 


1) Zoolog. Anzeiger, 9. Jahrg., Nr. 222, S. 284—291 und Nr. 223, 
S. 308— 314. 


358 JOHANNES LIEBE, [14] 


mit Haaren bedeckt, die grölstenteils, an dem Zapfen sogar 
alle, mit Nerven in Verbindung stehen, also wohl sieher 
Sinnesfunktion versehen. Auch in die Maxillen selbst führen 


Fig. 6. 


Nerven, gewils ein Beweis, dals auch sie Sinnesempfindungen 
vermitteln können. Fig. 5. 

Zu erwähnen sind an dieser Stelle noch rätselhafte 
Bildungen an den Fangfächern, die mit Nerven in Verbindung 


[15] Die Larve von Simulia ornata Mg. 359 


stehen. Am höchsten Punkte der Aulsenseite des Stieles 
sitzen auf einer Membran, welehe die beweglichen Teile 
des Fächers verbindet, drei kleine Chitinringe. In diese 
verlaufen die Enden von Nerven, welche den Stiel durch- 
ziehen. Ob diese Organe etwa Druckänderungen übermitteln, 
wage ich nieht zu entscheiden. Fig. 6. 


Fig. 7. 


Der Bewegungsapparat. 


Nieht Beine oder Flossen bilden die Bewegungsorgan 
dieses merkwürdigen Geschöpfes, sondern neben den Mandibeln, 
die gelegentlich zum Festklammern des Körpers verwandt 
werden, dienen dazu die beiden einander bis zu gewissem 
Grade ähnlichen Hakennäpfe, deren vorderer auf einem 
muskulösen Fuls an der Ventralseite des Prothorax aufsitzt 
(Fig. 7), und deren hinterer den analen Abschluls des 
Leibes bildet. (Fig. 3—10). 

Der Fufs, welcher den vorderen Hakennapf trägt, liegt 
nach vorn gerichtet, unterhalb der Stelle, wo die Kopfkapsel 


360 JOHANNES LIEBE, [16] 


dünneres Chitin aufweist, sodals in der Ruhelage die dureh 
den Körpersaft ausgestülpte Hakenkrone des Napfes in die 
Nachbarsehaft der Mundgliedmalsen und auf eine eben 
verfertigte Gespinstfläche reicht. Der Durchmesser des 
vorderen Napfes beträgt 0,2 mm, seine Haken sind zurück- 
gebogen, mit einer breiten Basis versehen und alle unter- 
einander von gleicher Grölse. Sie laufen links und rechts 
sowie an der Vorderseite am Stiel ein Stück herab, und zwar in 
ungefähr sechsundzwanzig Längsreihen, welche jede durch- 


schnittlieh sieben Widerhaken enthalten. Der hakenbesetzte 
Kopf der Extremität ist einziehbar durch vier Muskeln, 
welehe paarig den Stiel durehziehen und an seinem Fulse 
in der Leibeswand inseriert sind. Hervorzuheben ist, dals 
die Hakenkrönung in toto eingezogen, also nieht umgestülpt 
wird. Von einer Verschmelzung aus zwei Hälften ist aulser 
dem paarigen Muskelsystem nichts zu bemerken. Doch ist 
es höchstwahrscheinlich, dafs wir es hier mit einem um- 
gebildeten Extremitätenpaare zu tun haben. 

Der hintere Hakennapf (Fig.8) ist wesentlich kom- 
plizierter gebaut, über doppelt so grofs im Durchmesser und mit 
zahlreicheren Widerhaken versehen als das eben beschriebene 
Organ. Er ist in der Ruhelage im Verein mit den Segment- 


[17] Die Larve von Simulia ornata Mg. 361 


muskeln, welehe sieh in der Längsriehtung unter der 
Hypodermis durch den ganzen Körper binziehen, das Haupt- 
bewegungsorgan des Tieres.!) Der Ausdruck Napf kann bei 
beiden Extremitäten nur für den Zustand gelten, in welehem 
sie, fest an den Untergrund angeprelst, Scheibengestalt an- 
nehmen. Betrachtet man den hinteren Körperpol des toten 
Tieres, so erbliekt man auf der Chitinhaut einen Kranz von 
Dornen. Es sind Widerhaken von derselben Form, nur 
etwas kleiner wie beim vorderen Napfe. Sie verlaufen in 
diehtgedrängten Reihen von ungefähr je sechzehn strahlen- 
förmig nach einem Punkte im Innern, ihre Spitzen nach 
der Peripherie gerichtet. Die Anzahl der Radialreihen 


kann schätzungsweise auf 24 angegeben werden. An der 
Peripherie verlaufen zahlreiche Muskeln nach den Seiten- 
wänden des Rumpfes, welche den Kranz befähigen, sich 
wieder einzustülpen, nachdem er durch den Blutdruck 
herausgequollen ist. Auf der Dorsalseite wird die Basis 
‘ dieses sonderbaren Kranzes von einem zangenförmigen Spreiz- 
apparat begrenzt, dessen Enden oben durch starke Zug- 
muskeln mit der Seitenwandung des Körpers in Verbindung 
stehen. Die Zange besteht aus zwei Winkelhebeln, die am 
Drehpunkt dureh ein Scharnier verbunden sind, und ist im 
eingestülpten Zustand zusammengeklappt. Fig. 9. Durch 
das Auseinanderspreizen dieser Zange wird die Ausbreitung 
des Hakenkranzes eingeleitet und in der Form reguliert. 


1) Horväth nennt „zwei sägeförmige Lamellen“ als das kaudale 
Befestigungsorgan von S. columbaczensis. Sicherlich meint er nichts 
anderes als unseren hinteren Hakennapf. 


362 JOHANNES LIEBE, [18] 


Dann treibt der Körpersaft den einwärts gekehrten Haken- 
kranz heraus. Jemehr von den Widerhaken, deren Spitzen 
ja nach auflsen gerichtet sind, hervorquellen, desto fester 
wird die Verankerung des Körpers; von aufsen nach innen 
fortschreitend, rücken schnell mehrere hervor und hängen 
sich in dem Untergrunde fest, wobei der dorsale Teil des 
Napfes anfangs etwas zurückbleibt. Sehliefshieh sind alle 
gleichmälsig zu einem Fünfeck zusammengetreten. Diese An- 
heftung geht fast in einem Augenbliek von statten. Fig. 10. 

Wie erwähnt wird der Untergrund sehr sorgfältig 
ausgewählt, aulserdem aber stets mit einer Gewebsschicht 


von Gespinstfäden überzogen, die die Larve fortwährend 
erzeugen kann. Es ist daher nicht zu verwundern, wenn 
der Sitz eine so bedeutende Festigkeit erlangt, dals er viele 
Stunden, ja Tage lang für das Geschöpfehen derselbe bleibt. 
Hierzu kommt noch folgendes: Das Körperende bildet mit 
dem Hakenkranze ein ringförmiges Polster und schlielst, 
fest angeprelst, den vom Ringe eingeschlossenen Raum vom 
Wasser ab. So wird die Bedeutung eines Längsmuskels 
klar, weleher im Inneren des Hakenkranzes inseriert ist 
Fig. 10 m. Durch seine Kontraktion muls ein Vakuum 
entstehen, ähnlich wie bei den Saugnäpfen des Tinten- 
fisches oder denen der Larve von Liponeura.!) Der Druck 
des Wassers also ist es zuletzt, das last not least dem 
Organ den festen Halt verleiht, und wir müssen es als 


1) Fritz Müller, A metamorphose de uno insecto Diptero, Archivo 
Mus. Nacion. Rio de Janeiro, Vol. 4, p. 4, 1885, 


[19] Die Larve von Simulia ornata Mg. 363 


einen Saugnapf ansprechen. Den vorderen Hakenkranz 
dagegen habe ich weder je als Saugnapf fungieren gesehen, 
noch habe ich an ihm eine das Ansaugen ermöglichende 
luftdieht sehliefsende Fläche gefunden. Der Ausdruck 
sueker-Saugnapf bei Miaur trifft also nieht das Richtige, 
soweit die orale Extremität in Frage kommt. 


Der Ernährungsapparat. 

Dem Sehlunde wird die Nahrung durch ‘die Mund- 
sliedmalsen zugeführt; zugleich bilden diese auch den oberen 
Verschluls des gesamten Verdauungstraktus. Der Sehlund 
erweitert sich nach oben ventral zu einer unbeweglichen 
Unterlippe. Diese ist horizontal nach aulsen umgebogen 
und wird ventral von einer senkrechten Platte, der Kehle, 
welche eine Verlängerung des Kopfskeletts darstellt, ver- 
deckt. Von oben her wird der Schlund durch die 
übrigen Mundgliedmalsen geschlossen, welehe die Nahrungs- 
aufnahme besorgen. Die Oberlippe, welche jedenfalls auch 
beim Fadenspinnen eine wichtige Rolle spielt, deckt den 
Schlundkopf von oben; seitlich sitzen die paarigen Ober- 
und Unterkiefer, welehe zusammen besonders die Zer- 
kleinerung der Nahrung bewirken. Die Unterkiefertaster 
und gewisse Stellen der Unterkiefer selbst sind vielleicht 
mit Tast- und Geschmackskörperehen versehen. Dorsal er- 
heben sich zu beiden Seiten der Öberlippe, wie schon erwähnt, 
zwei grolse fächerförmige Strudelapparate (Fig. 1 und 2). 
Sie sind viel verwickelter im Bau als dem gleichen Zweck 
dienende und homologe Bildungen der Larve von Cule«. !) 

Die Oberlippe, welche mit einem halbmondförmigen 
Basalstick an dem gewölbten Kopfsehild aufsitzt, ist 
schnabelförmig nach vorn gebogen und hohl, trägt an ihrem 
Vorderende auf der oberen Seite einen diehten Haarwall 
und eine doppel-T-trägerförmige Chitinversteifung. Das 
gebogene Basalstück setzt die Oberlippe mit den beiden 
seitlichen Fächerorganen in Zusammenhang; diese Anhänge 
sind nämlich Erweiterungen der Oberlippe, des Labrums. 


!) Raschke, Die Larve von (Oulex nemorosus. Inaug.-Dissert. 
Leipzig und Arch. f. Naturgesch. 53. Jahrg., 1887, Bd. 1, Heft 2, S. 133 
bis 163, 


364 JOHANNES LIEBE, [20] 


Dieses kann durch zwei Retraktoren nach unten gezogen 
werden. Beweglieher sind seine Appendices, die Fangorgane. 

Sie gleiehen ihrer Gesamtgestalt nach einem Fächer 
auf breitem Stiele. Ihre Mechanik ist sehr kompliziert. 
Der Stiel ruht auf einem eigenartigen Gerüst von Chitin- 
balken und gleieht in seiner Gestalt einem abgestumpften, 
an der Spitze abgerundeten halben Kegel. Der Rückenteil 


Fig. 11. 


des Stieles besteht aus steifem Chitin, geht in das Kopf- 
schild über und ist wie dieses mit zahlreichen Sinnesbaaren 
besetzt. Auf der fast halbkreisförmigen oberen Kante sitzt 
der bewegliche Hauptfächer (Fig. 11). Die ventrale, ebene 
Fläche des Stieles wird auf den Seiten und unten durch 
Chitinleisten begrenzt, welehe untereinander und mit einem 
etwa die Mitte des Stiels bildenden Balken, der den Fächer 
stützt, gelenkig verbunden sind. Der Balken geht oben 
allmählich in ehitinige Membran über. Solche füllt auch an 
seinen Seiten die Felder zwischen den Randleisten aus. 
Sie hat die Eigenheit, dals sie sich in bestimmten Falten 
zusammenlegt. Am Oberende des Balkens sitzt in der 


[21] Die Larve von Simulia ornata Mg. 365 


Sagittalebene, nach der Leibesachse gerichtet, nur durch 
Chitinhaut verbunden, ein Querbälkehen (Fig. Ila u. b) an. 
Von der Ansatzstelle dieses Bälkehens zieht sich eine Falte 
nach dem oberen Rande der Membran. An dem obersten, 
"halbkreisförmigen Rande des Stieles sitzt, durch feine, bieg- 
same Membran verbunden, der grolse Fächer. Er wird beim 


De 
AN ID BL 
OU DUSE eu 


er A 


Fe o 
ILL 
>= 


erwachsenen Tiere aus etwa fünfzig (bei eben geschlüpften 
aus neun) S-förmig gebogenen Chitinstäben von der Länge 
des Stieles gebildet, welche auf einer Seite mit kurzen 
Fiedern besetzt sind (Fig. 12 u. 13). In grölseren Abständen 
finden sich Fiedern von der doppelten Länge als die anderen. 
Jeder Stab bildet an der Basis eine ein wenig windschiefe 
Lamelle, die ungefähr das unterste Drittel der Gesamtlänge 
einnimmt. In der Mitte dieser Lamelle besitzt jeder Stab 


Fig. 13. 


JOHANNES LIEBE, [22] 


einen schräg nach unten und innen 
gerichteten ziemlich langen Fortsatz. 
Bis zu diesen Fortsätzen breitet sieh 
nämlich die Membran aus, welehe 
von dem Mittelbalken des Stieles 
ausgeht, setzt sich zwischen den 
Lamellen hindurch als feine Ver- 
bindungshaut der einzelnen Lamellen 
auf der Rückenseite fort und ver- 
läuft, bausehige Säckehen bildend, 
auf dem Rücken des Stieles. 
Zwischen je zwei Stäben streckt 
die Membran noch einen Zipfel aus. 
Es entsteht auf diese Art ein Hohl- 
raum, welcher vom Stiel, von den 
Fächerstäben und von der Membran 
allseitig geschlossen wird. Nach 
der Medianebene hin, wo die nasen- 
artigen Vorsprünge immer dichter 
an die Basis ihrer Fächerstäbe 
heranrücken, schliefst sieh ein frei 
hängender, sonst gleichartig ge- 
bildeter Fächerstab mit längeren 
nach unten gerichteten Fiedern und 
in weiterer Folge eine Reihe an der 
Basis miteinander verwachsener ähn- 
licher Stäbe an, deren Ansatzstelle 
unterhalb des genannten Quer- 
bälkehens liegt. Auf der anderen 
Seite, aulsen variieren die Fächer- 
stäbe. plötzlich zu eigentümlichen 
Plättchen, deren jedes einzelne 
andere Form hat, und welehe nicht 
mehr an die Membran angeschlossen 
sind. An sie reiht sich, nach innen 
und oben geschlagen, ein der 


Membran ansitzender kleiner Fächer, dessen fiedrige, wie 
ein S gestaltete Bestandteile ziemlich in einen Punkte ent- 
springen und sich zu einer etwa halbkreisförmig begrenzten 


[23] Die Larve von Simulia ornata Mg. 367 


Sehraubenfläche ausbreiten. Auch der grofse Fächer bildet 
im aufgerichteten Zustande eine solche Schraubenfläche 
(Fig. 14). 

Die Entfaltung dieses eigenartigen doppelten Fächer- 
systems wird allein dureh den Blutdruck bewirkt. Im Ruhe- 
zustand des Tierchens ist der Fächer eingeklappt und bis 


Fig. 14. 


Fig. 15. 


auf den Stiel unsiehtbar. Den Hohlraum des Stieles erfüllt 
dann zwar die Leibesflüssigkeit, doch nieht prall, sodals 
die blasigen Aussackungen der Fächerbasis schlaff hängen. 
Die Fächerstäbe liegen umgeklappt, parallel so dieht neben- 
einander, als möglich ist, etwa wie die Stäbe eines Schirmes, 
auf der Innenseite des Stieles. Dieser ist beinahe senk- 
reeht nach oben gerichtet. Man sieht am ruhenden Indivi- 
duum daher die Fächerapparate lediglich als eine Art 
Hörner (Fig. 15). Will das Tier Nahrung zu sich nehmen, 


368 JOHANNES LIEBE, [24] 


so legen sich durch verstärkten Blutdruck zunächst die 
beiden Stiele etwas nach aulsen. Diese Stellung wird da- 
durch eine dauernde, dafs sich an der Basis seitwärts und 
aulsen eine Falte bildet, welehe durch eine gewisse Steif- 
heit des Chitins erhalten bleibt. Die beiden Stiele stehen 
dann mit ihren Enden schräg nach aufsen. Dadurch wird 
der Hohlraum bedeutend verengert, und die Leibesflüssigkeit 
füllt auch die Falten des Fächerhohlraumes. Auf diese 
Weise wird durch den Druck der Leibesflüssigkeit der 


Fächer in die Höhe geklappt und, während sich die Lamellen 
noch teilweise decken, strahlenförmig auseinandergebreitet 
(Fig. 16). Nun steht der Blutdruck und die Elastizität des 
Stieles einerseits in Wechselwirkung mit der Tätigkeit eines 
Muskels andererseits, welcher an der Basis des Mittelbalkens 
mit Pseudosehnen ansetzt und sich durch den Kopf bhin- 
dureh in der Längsriehtung bis zum unteren Rande des 
Kopfskeletts hinzieht. Seine Kontraktion übt einen Zug 
auf den Mittelbalken aus. Dadurch wird, unterstützt dureh 
das Querbälkehen (das dann einen rechten Winkel, nieht 
mehr einen stumpfen bezw. spitzen bildet), das Volumen 
des Stieles vergrölsert. Der Druck des Körpersaftes kann 
den Fächer nieht mehr ausgebreitet halten, und dieser fällt 
augenblieklich zusammen, hebt sich aber noch schneller 


[25] Die Larve von Simulia ornata Mg. 369 


wieder, da der Zug des Muskels nur ein momentaner ist 
und die Elastizität des ganzen Stieles ihm entgegenwirkt. 
Über 90 mal in der Minute wird der Fächer auf- und zu- 
geschlagen. Die Bewegung erfolgt auf beiden Seiten nicht 
gleichzeitig, sondern links und rechts abwechselnd, mitunter 
auch auf kurze Zeit nur mit dem einen Fächer allein, 
während der andere ausgebreitet ruht. 

Seiner Form nach stellt der Apparat ein Greiforgan 
dar. Die Betrachtung des lebenden Insekts beweist auch 
die Richtigkeit dieser Auffassung. Das Geschöpf ist kein 
Räuber wie etwa Corethra; es sitzt am liebsten fest und 
erbeutet auch in selshafter Stellung seine Nahrung. Einen 
wesentlichen Teil derselben machen die im Wasser befind- 
liehen mikroskopischen Lebewesen aus — ich fand im Darm- 
lumen unter anderem Panzer von Rädertierchen. MiıALL 
nennt als gewöhnliche Nahrung der Simulien Diatomeen 
und Desmidien und in zweiter Linie niedere Kruster. Diese 
Nahrung ist in reichem Mafse in dem umgebenden Elemente 
vorhanden und wird dureh die Strömung immer von neuem 
zugeführt. Sie in möglichst grolser Menge dem Munde zu- 
zustrudeln, ist Aufgabe des Fächerorgaus, und mit seinen 
befiederten Stäben dient dieses zugleich als ein Seihapparat. 
HorvÄtH nennt Algen und Pflanzenpartikel als Nahrung 
von 8. columbaezensis. Mit der Nahrungsgewinnung durch 
den Fächer steht dies nun in vollem Einklange; denn pflanz- 
liche Teilchen flottieren so gut im Wasser wie tierische, 
und ich bin fest überzeugt, dals manche Pflanzenstoffe auch 
von unseren deutschen Simulien mitgefischt werden, wenn 
auch die Hauptnahrung nicht daraus besteht. 

Zu beiden Seiten der Mundöffnung stehen in unmittel- 
barer Nähe der eben beschriebenen Fächer die Oberkiefer, 
denen die Unterkiefer sieh anschlielsen. Der Zwischenraum 
zwischen rechtem und linkem Unterkiefer wird durch die 
Unterlippe ausgefüllt. 

Der ÖOberkiefer macht in seinem Gesamthabitus den 
Eindruck eines grolsen Zahnes. Sein Drehpunkt befindet 
sich oberhalb einer doppelten Chitinverstärkung des Kopf- 
skeletts. Die Muskeln greifen so an, dals die Beuge- 
bewegung sich etwa in der Sagittalebene vollzieht. Der 

Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a.8. Bd.82. 1910. 24 


370 JOHANNES LIEBE, [26] 


Oberkiefer besitzt eine äufsere, d. h. auf der dem Unterkiefer 
zugewandten Seite liegende und eine innere, auf der anderen 
Seite gelegene Krönung. Die äulsere trägt ein diehtes Büschel 
steifer Haare und Borsten; die innere läuft spitz aus und 
ist ziemlich am Rande mit etwa zehn einwärts gerichteten 
Zähnen bewehrt, von denen sich besonders der drittoberste 
durch Gröfse auszeichnet. An der Basis entspringt, dem 
Unterkiefer zugekehrt, ein besenartiges Bündel sehr langer, 
steifer Borsten, welche in den Schlund hineinragen. Einige 
davon sind gefiedert, andere einfach, die meisten enden 
eigentümlich stufig abgeschnitten und mit einer Endborste. 
Sie dienen zweifellos als Putz- und Fegewerkzeuge. 

Die Unterkiefer sind dieke löffelförmige Gebilde, stark 
behaart, mit Flexor und Extensor versehen; sie senden nach 
aulsen einen Taster und sind selbst reichlich mit Tasthaaren 
versehen. Die Basis des Unterkiefers und seines Tasters 
berührt einen medianen unpaaren Kopfteil, die Kehle. 

. Dies ist eine vertikal nach oben ragende trapezförmige 
Platte, deren kürzere obere Kante stark verdickt ist und 
elf Zähne trägt, von denen der mittelste bei weitem am 
längsten ist. Auch ihre Seitenkanten sind höckerig gezähnt. 
Ein Stück einwärts erhebt sich, den beiden Seiten parallel, 
je eine Reihe von fünf langen, in Gelenkgruben aufsitzenden 
Borsten. So wie diese sind die meisten der am Kopfskelett 
sitzenden Borsten gelenkig inseriert wie bei den Larven von 
Ütenophora.') 

Die Unterlippe bildet den verbreiterten Rand des 
Sehlundes. Sie steht horizontal und hat die Gestalt einer 
Sehaufel. An ihrem Vorderrande und parallel dahinter ist 
sie durch gebogene Leisten versteift, welche feine nach 
aulsen gerichtete Börstehen tragen. In der Mitte der 
hintersten Spange oder Leiste ist die Behaarung etwas nach 
hinten gerückt. Der Vorderrand ist lang und kräftig be- 
haart. In seiner Mitte zwischen zwei Polstern mündet 
innerhalb eines kleinen diehten Haarbüschels der gemein- 
same Ausführungsgang der Spinndrüsen, die ungeheuer lang 


1) Weyenbergh, Beiträge zur Anatomie und Histologie der 
hemiceph. Dipt.-Larven. Inaugural-Diss. Göttingen 1873. 


[27] Die Larve von Simulia ornata Mg. 371 


sind und bis tief ins Abdomen reichen. Die seitliche Be- 
festigung der Unterlippe geschieht dureh Doppelspangen, 
welche dureh balkenartige Träger mit der äulseren Körper- 
wandung verbunden sind. Nach innen schliefst eine breite 
gebogene Spange den Schlundkopf ab. 

Die Spinndrüsen, durchziehen, indem sie von ihrer 
Ursprungsstelle im drittletzten Abdominalsegment aus zu- 
nächst in den hinteren Segmenten eine Windung vollführen, 
unverästelt den ganzen Körper. Ihre einfache Wand besteht 
aus verhältnismälsig grolsen Zellen, welehe die Eigentümlich- 
keit einer an der Aulsenseite der Drüsen verdiekten Membran 
besitzen. Ihr Produkt, der Speichel, verhärtet an der Luft 
und liefert den Stoff zu Spinnfäden, welche bei der Fort- 
bewegung als Brücke und Halt und bei der Verpuppung als 
Bestandteile des Cocongewebes eine wichtige Rolle spielen. 


Der Verdauungs- und der Atmungsapparat. 

Mit dem Darmtraktus hängen sämtliche Mundgliedmalsen 
durch Bindegewebe zusammen; keines von allen setzt sich 
so direkt in den Schlund fort wie die Unterlippe, indem 
sich deren seitliches Gestänge bis zu den Enden eines Chitin- 
bogens ausdehnt, der sich um die Ventralseite des Schlundes 
schlingt. Dort kreuzt dieser einen zweiten aulsen darüber 
verlaufenden Bogen zweimal. Die Auskleidung der Intima 
des Sehlundes wird von einer muskulösen gestreiften Schicht 
gebildet. Besonders die erste Hälfte bis zu den beiden 
sich kreuzenden Bögen ist stark horizontal gestreift; die 
Streifung zeigt, dafs die Muskelfasern längs gerichtet sind. 

In der sich anschliefsenden Speiseröhre geht die eben 
behandelte Muskelschicht in gleicher Beschaffenheit weiter 
bis zum Anfang des Hinterleibes, wo der Magen beginnt. 
Das Bindegewebe, welches die ganze Unterlippe stützt, 
bekleidet auch die Speiseröhre und schlielst sie an die 
Bauchwand an. In ihrer oberen Hälfte bildet die Speise- 
röhre eine Art Kropf. 

Mit dem Eintritt in den Hinterleib nimmt die Intima 
die gewöhnliche glatte Struktur an; sie verliert die Muskel- 
schicht. Die Speiseröhre erweitert sich zum Magen. Auf 
ihn folgt im Mittelbruststück der eigentliche Darm. Er ver- 

24* 


372 JOHANNES LIEBE, Die Larve von Simulia ornata Mg. [28] 


läuft gestreckt, ungeteilt, verjüngt sich, wird dann zum 
Enddarm und bildet als soleher eine Schleife. Das Rektum 
ist sehr kurz und mündet im neunten Hinterleibsringe in 
den After. Malpighische Gefälse oder sonstige Blindsehläuche 
der Verdauungsorgane sind nieht vorhanden. 

Die Intima des Darmes ist ein Plattenepithel aus grofsen, 
vieleckigen, deutlich gekernten Zellen. Genau so ist auch 
die äulsere Körperhaut der Larve zusammengesetzt. 

Die Atmung erfolgt, da das Tracheensystem wie bei 
Chironomus vudimentär ist und blind schliefst, durch die 
Haut. Besonders bemerkenswert sind drei zwischen dem 
After und den Spangen des hinteren Hakennapfes hervor- 
tretende Hautverbreiterungen von Fingerform, welche sonst 
keinerlei Struktur aufweisen. Sie sind sicher als Atmungs- 
werkzeuge aufzufassen. Ihr Inhalt ist nicht etwa Luft, 
sondern Körperflüssigkeit, sodals sie wie entsprechende Ge- 
bilde bei der verwandten Chironomus-Larve als echte Kiemen 
des lakunären Blutkreislaufes angesehen werden können. 


Eine für Deutschland neue Noctue 


von 
E. Bauer, Referendar. 


Wenn wir heute grolse Originalsendungen von Schmetter- 
lingen aus Gegenden fremder Länder bekommen, über deren 
Fauna bisher nur wenig bekannt ist, ist es keineswegs eine 
auffallende Tatsache, wenn sich unter den Fremdlingen aulser 
bekannten Sachen auch ein oder das andere neue, noch 
unbeschriebene Tier befindet. Es würde durch die gegen- 
teilige Entdeckung nur die unter diesen Umständen wohl- 
begründete Hoffnung auf eine Neuentdeckung zu nichte 
gemacht! Wie viel schwieriger ist es da, in unserem deutschen 
Heimatlande bisher unbeschriebene Tiere zu finden, ein Fall, 
der schon zu den gröfsten Seltenheiten gehört und sich 
meines Wissens seit langer Zeit nicht ereignet hat. Ist es da 
doch schon eine das Herz jedes lokalfaunistisch arbeitenden 
Entomologen erfreuende Sache, wenn er ein für eine Gegend 
‘ seines Heimatlandes bisher nieht bekanntes, wenn auch schon 
sonst beschriebenes Tier der Fauna neu einverleiben kann! 
Bei dem immer mehr gesteigerten Interesse für die Ento- 
:mologie und besonders für die Makrolepidopteren ist unser 
deutsches Faunengebiet hinsichtlich dieser Insektengruppe 
so genau durchforscht, dafs es jetzt nur noch selten gelingt, 
Spezies, die in Deutschland bisher noch nieht beobachtet 
waren, zu erbeuten. 

Dieses Glück sollte mir an einem an und für sich sonst 
recht wenig erfolgreichen Leuchtabend vergönnt sein. Ich 
hatte mich an einem warmen Frühlingsabend Ende Mai 1904 
von Freiburg im Breisgau aus in die ausgedehnten Laub- 
und Nadelwaldungen der Umgebung dieser Stadt begeben, 


374 E. BAuER, Eine für Deutschland neue Noetue. - [2] 


um mit meiner Acetylenlaterne dem Lichtfang obzuliegen. 
Es flog jedoch nur wenig an: einige Scoria lineata, 1 Larentia 
silaceata, 2 Mamestra leucophaea und eine Eule, die mir 
unbekannt war. Jahrelang befand sieh diese Eule unbestimmt 
in meiner Sammlung, bis ich mieh vor einiger Zeit auf das 
fast vergessene Exemplar hbesann und sie als Dianthoecia 
(Harmodia) magnoli Bsd. feststellen konnte. Nach der mir 
zur Verfügung stehenden Literatur ist das Tier bis zum 
Jahre 1904 in Deutschland noch nieht beobachtet worden; 
auch Reurrı führt in seinem die fragliche Gegend so er- 
schöpfend behandelnden Werke: „Die Schmetterlinge des 
Grolsherzogtums Baden“ Dianth. magnoli nieht für dieses 
Gebiet auf. 

Durch Feststellung dieser Spezies in Deutschland ist 
wiederum ein Beweis für die Tatsache erbracht, dafs manche 
Insekten ihr Wohngebiet durch Überwandern weiter aus- 
zudehnen bestrebt sind. Dianth. magnoli galt bisher für 
ein in dem südliehen Europa und einigen Gegenden Asiens 
heimisches Tier, doch reichte seine Verbreitung bis Österreich 
und in die Schweiz. Wenn nun jetzt diese Spezies gerade in 
der Südwestecke von Deutschland gefunden ist, also einer 
Stelle, die ihrem schweizerischen Fluggebiet am nächsten 
liegt, so dürfte der Annahme nichts entgegenstehen, dals 
sie von der Schweiz aus in Deutschland einzuwandern be- 
ginnt und bald zu unseren heimischen Arten zu zählen sein 
wird. Da die Nahrungspflanze der Raupe — Stlene nutans 
— sich in ganz Deutschland findet, dürfte der weiteren 
Verbreitung des Tieres nichts im Wege stehen. 

Wie ich aus einer Notiz in einer entomologischen Zeit- 
schrift ersah, sollen zwei Exemplare dieses Falters in den’ 


letzten Jahren — meine Beobachtung stammt, wie oben 
erwähnt, bereits aus dem Jahre 1904 — in Oberschlesien 


gefangen worden sein. Auch diese neuerliche Beobachtung 
würde meine Annahme, dals der Falter von seinen Deutsch- 
land benachbarten Flugorten, in diesem Falle also von Öster- 
reich aus, allmählich einwandert, unterstützen. 


Kleinere Mitteilungen. 


Ein Verfahren zur Abformung von Pflanzenblättern. 


Die grolsen gefärbten Sehnitte z. B. von menschlichen 
Gehirnen wurden bisher in Kanadabalsam eingebettet und 
zwischen zwei Glasplatten aufbewahrt. Es gelang mir, 
einen Ersatz für dieses sehr teure Verfahren dadurch zu 
schaffen, dafs ich die Glasplatten mit 5,prozentiger Gelatine- 
lösung übergols, den aus lauwarmem Wasser kommenden 
Gehirnsehnitt darauf legte und dann nach erfolgter Er- 
starrung nochmals mit Gelatinelösung übergols. Nach der 
Troeknung erfolgte noch eine Lackierung der Oberfläche. 
Der Breehungsindex der getrockneten Gelatine besitzt hin- 
reichende Ähnlichkeit mit demjenigen des Schnitts. 

Es lag nahe, dieses Gelatine-Einbettungsverfahren auch 
einmal für Pflanzenblätter zu versuchen. Denn es war zu 
erwarten, dafs sich dann Form und Farbe besser kon- 
servieren würde als nach den bisher üblichen Verfahren. 
Die zuerst mit den flachen Blättern der Kapuzinerkresse 
angestellten Experimente ergaben jedoch etwas Unerwartetes: 
Die Gelatine, welehe unterhalb des Blattes lag, wollte nicht 
ihr Wasser verlieren. Infolge des vieltägigen Feuchtbleibens 
trat eine Zersetzung der Gelatine ein: sie ging in Gelatose 
über, und damit war die Herstellung eines Dauerpräparates 
ausgeschlossen. Es war dies deshalb nicht vorauszusehen 
gewesen, weil die Zwischenlagerung der Gehirnschnitte 
durehaus nieht die Trocknung der Gelatine verzögert hatte; 
selbst dann nicht, wenn noch ein Unter- und Überguls 
mit Celloidin, wie es bei manchen histologischen Färbe- 
verfahren üblich ist, die Scehieht wesentlich verstärkt hatte. 
Und sogar solehe Schichten hatten eine Trocknung gestattet, 


376 Kleinere Mitteilungen. 


bei welchen diese theoretisch ganz ausgeschlossen hätte 
sein sollen, nämlich Blattsilber. Die stets vorhandenen 
feinen Löcher waren daran schuld gewesen. — Bei den 
Pflanzenblättern bildete der dünne Wachsüberzug das grolse 
Hindernis für die Passage des Wassers. Die Einbettungs- 
versuche mulsten aus diesem Grunde aufgegeben werden, 
obgleich sieh Form und Farbe sonst wirklich tadellos zu 
konservieren schienen. 

Dieser Wachsüberzug der Blätter ermöglichte aber ein 
anderes: Während Gehirnschnitt und trockne Gelatine ganz 
fest zusammenhängen, lälst sich letztere vom Pflanzenblatt 
leicht abziehen. Es sind dann alle Details der betreffenden 
Blattoberfläche darin abgeformt. Da diese Struktur der 
mikroskopischen Untersuchung sonst nieht leicht zugänglich 
ist, dürfte die Benutzung der Gelatine für diesen Zweck 
Wert haben. 4 

Glasplatten werden reichlich mit einer 5 prozentigen 
Gelatinelösung übergossen, und vor deren Erstarren Blätter 
darauf gelegt. Dann wird weiter so viel Gelatinelösung 
darüber gegossen, dals alles davon bedeckt ist. Wieder ist 
es die Wachsschieht, die hier einige Schwierigkeit macht. 
Die Gelatinelösung wird nämlich stark davon abgestolsen. 
Wenn man aber das Aufgegossene fast bis zur Erstarrung 
abkühlen und dadureh schwerflüssig werden lälst, gelingt 
die gleiehmälsige Überbreitung doch. — [Vor der Verteilung 
verhalten sich die Gelatinemassen wie Tautropfen. Man 
erkennt daran, wie am Leuchten der letzteren im Sonnen- 
lieht eine dünne adsorbierte Luftschieht zwischen Blatt und 
Wasser als spiegelnde Fläche viel mehr beteiligt ist, als 
die Liehtbrechungen im Tropfen selbst] — Je nach der 
Dieke der obenstehenden Gelatineschieht ist deren Troek- 
nung in ein oder zwei Tagen beendigt. Diese vollkommene 
Troeknung reicht dann genau bis zum Blatt; unter diesem 
ist auch nach zwei Wochen die Gelatine ganz wasserhaltig. 
— Schneidet man an den Rändern die Folie durch, so kann 
man sie leicht abziehen und ihre Struktur der mikro- 
skopischen Untersuchung unterziehen. 

Eine Verstärkung der Reliefbild-Wirkung durch Zusatz 
von Farbstoffen zur Gelatine erwies sich als nicht nötig. 


Kleinere Mitteilungen. 377 


Ein soleher z. B. von Chlorophyll oder ähnlichen grünen 
Pigmenten würde nur dann in Betracht kommen, wenn 
man die Präparate nieht zur wissenschaftlichen Untersuchung, 
sondern für dekorative Zwecke benutzen wollte. 


Frankfurt a. M., Neurolog. Institut. 
RAPHAEL ED. LIESEGANG. 


Aus den Sitzungen der Entomologischen Gesellschaft 
zu Halle a. 8. (E.V.) 


Sitzung vom 4. April 1910. Herr HAupr zeigte eine 
neue Auswahl exotischer Singeieaden, vornehmlich Ost- 
asiaten. Da die Unterordnung der Ciecaden meist kleine 
bis kleinste, unscheinbare Formen enthält, fallen die bis 
fingerlangen Platypleuren, die zudem an Farbenpracht mit 
den schönsten Schmetterlingen wetteifern, umsomehr ins 
Auge. Ihrer Gröfse entsprechend vollführen die Riesen- 
eicaden einen ziemlichen Lärm; eine javanische Form erzeugt 
einen weit hörbaren, klingenden Ton, ähnlich dem Hämmern 
eines Schmiedes auf dem Ambols. Der Fang der teilweise 
recht gefährlich aussehenden Tiere ist schwierig, da sie 
gewöhnlich hoch auf den Bäumen sitzen und sehr scheu 
sind. — Herr Spörreu I legte frische Frühlingskäfer vor. 
Wenn nach REICHARDT Tropinota hirta gelbe Blüten bevor- 
zugen soll, so erklärt sich dies nach Ansicht des Vor- 
tragenden einfach dadurch, dafs unsere Frühlingsblumen 
fast sämtlich gelb blühen; wenn später andersfarbige Blüten 
kommen, findet sieh der Käfer auch in diesen, z.B. gern 
in Kirschblüten. — Herr RosEnßAum sprach unter Vorlegung 
lebender Blattfulskrebschen (Branchipus) von der Rabeninsel 
iiber die Biologie dieses interessanten Phyllopoden. — Herr 
KLEineE führte als bemerkenswertestes Ergebnis einer Oster- 
fahrt nach Regensburg umfangreiche Fralsstücke von Ory- 
phalus fagi und piceae, Phthorophloeus spinulosus, micro- 
graphus und chalcographus sowie von Polygraphus poly- 
graphus vor. 


Sitzung vom 18. April 1910. Herr Haupr besprach 
eine Reihe Lege-Immen, darunter eine bisher nur als Primär- 


378 Kleinere Mitteilungen. 


schmarotzer bei Schmetterlingen und bei Chrysopa perla 
bekannte Zehrwespe (Perilampus sp.), die von Herrn KLEINE 
als Sekundärparasit aus einer Tachina gezogen ist, die 
ihrerseits bei Taeniocampa stabilis schmarotzte. Ferner aus 
der Dübener Heide die 4,5 mm grolse Pimpla angens, die in 
den Eiersäcken von Arachniden schmarotzen soll. Endlich 
Männchen und Weibehen der P. terebrans Ratz., von Herrn 
KLEINE aus Pissodes notatus gezogen, die bisher nur als 
Scehmarotzer anderer Pissodes-Arten und nur im weiblichen 
Geschlecht bekannt war. Ist schon bei dem Weibehen in der 
Segmentierung der Übergang zu Ephialtes angedeutet, so 
zeigt das neue Männchen direkt einen ausgeprägten Ephialtes- 
Habitus, — Herr KLEınE sprach über unsere Bremsen 
(Tabanidae). Die Tabaniden, sämtlich Blutsauger, lieben 
lichte Waldstellen, besonders in der Nähe von Viehweiden, 
nur T. spodopterus zieht Obstplantagen und Alleen vor. Bei 
uns sind 13 Arten festgestellt, darunter als Seltenheiten 
maculicornis, solstitialis, sudeticus und ein Überbleibsel aus 
der Eiszeit: tarandınus. Bei der Bearbeitung eines grölseren 
Materials des häufigen 7. luridus fand der Vortragende ver- 
schiedentlich leicht irreführende Unregelmälsigkeiten im 
Flügelgeäder, indem am oberen Sector der Radialis eine Ver- 
längerung auftrat, was er mit Hilfe des die Schwierigkeiten 
derartiger Untersuchungen spielend bewältigenden Zeils-Bino- 
eulars an mehreren Stücken veranschaulichtee — Herr 
BANDERMANN zeigte eine von ihm täuschend zusammen- 
gesetzte Nachbildung des im Posener Kaisermuseum auf- 
bewahrten MANGELSDoRFschen Wolfsmilchsehwärmers, den 
REBEL für eine Kreuzung von Deilephila livornica mit 2ygo- 
phylli, JoRDAN von lwvornica mit euphorbiae, ev. auch mit 
dahli hält. — Herr Spörter demonstrierte die Blattkäfer- 
gruppe der Crioceridae, von denen das rote Lilienhähnchen 
durch seine Zirptöne bei Jung und Alt bekannt ist. Dals 
sich die Larven in eine Kotdecke hüllen, dürfte wohl nicht 
als Sonnenschutz aufzufassen sein, wie einige wollen, sondern 
eher als Schutzmittel gegen Feinde, z.B. Vögel. — Bei 
Laccophilus hyalinus sind Stridulationsorgane bekannt, nicht 
aber bei Gyrinus. Herr Krüger teilte jedoch mit, dafs auch 
eine Gyrinusart Töne hervorbringe, wie er in seinem Aquarium 


Kleinere Mitteilungen. 379 


unzweideutig beobachtet habe. Der Käfer klammerte sich 
dabei an Pflanzen fest und rieb mit den Hinterbeinen den 
Rand der Flügeldecken. 


Sitzung vom 2.Mai 1910. Herr BAuEr hielt die 
zweite diesjährige botanische Demonstration. Seit den ver- 
heilsungsvollen Anfängen in den paar warmen Märztagen 
ist das Pflanzenleben bei Halle fast auf demselben Fleck 
stehen geblieben, so dals der Vortragende kaum ein Dutzend 
Arten vorlegen konnte, über deren Bewohner dann die Kenner 
der jeweils in Betracht kommenden Insektenordnungen 
sprachen. Herr Bauer legte auch einen Nachtkerzen- 
schwärmer (Pterogon proserpina) vor, den er an den 
Blüten des Gundermann gefangen hatte. — Unter Vor- 
legung von 21 Arten sprach Herr Haupr über die Schlupf- _ 
wespengattung Pimpla, deren Larven in den verschie- 
densten Sehmetterlingen schmarotzen. Obwohl die Gattung 
meist grolse bis sehr grolse und auffallend gezeichnete 
Arten enthält, ist ihre Systematik schwierig. Gleich ein 
hauptsächliches Trennungsmerkmal, ob nämlich die Atem- 
löcher an der Brust oval oder rund sind, ist, wie SCHMIEDE- 
KNECHT selbst bemerkt, oft Gefühlssache. Ein von Herrn 
KLEINE aus Spinnenkokons gezogenes, in die Nähe von P. 
oculatoria gehörendes Stück ist mindestens eine noch un- 
bekannte Farbvarietät, wahrscheinlich sogar eine neue Art. 
Von gleichzeitig vorgelegten anderen seltenen Hymenopteren 
von allgemeinerem Interesse seien erwähnt die erst 1898 publi- 
zierte, bisher nur je einmal bei Hamburg und bei Schwerin 
gefangene Clkstopyga sauberi BRAUNs, oder der mächtige, 
vom Vortr. in grofser Anzahl aus einem Birkenknüppel ge- 
zogene Tremex fuscicornis, der ausnahmsweise einmal aus 
Sehwarzpappel gezogen ist und sonst als Buchenzerstörer 
gilt. Die seltene, zwischen Blatt- und Holzwespen stehende 
Xyela juli soll sich nach Harrıgs Vermutung in trockenen 
Kiefernästen entwickeln, ist aber bereits von ZETTERSTEDT 
auf einer gänzlich kiefernlosen Insel bei Tromsoe erbeutet 
worden, und Herr Haupr fand sie in diesem Frühjahr zahl- 
reich in der Dölauer Haide an Gräsern. — Herr KLEınE 
brachte einen neuen Beleg für die Annahme, dafs die Fliegen 
mit untingierten Flügeln zu Reduktionen im Geäder neigen: er 


380 Kleinere Mitteilungen. 


fand bei einer aus dem Erzgebirge stammenden Leptis aequalis 
den Sektor von der unteren Abbiegung bis zum Rand, also 
den ganzen konkaven Teil, erloschen. 


Sitzung vom 6. Juni 1910. (Statt der Sitzung vom 
16. Mai eine Exkursion in die Goitzsche) Herr Dr. med. 
SCHWARZENBECK legte einen Schmetterlingsbastard vor, der 
einer Kreuzung von Smerinthus populi mit ocellata ent- 
sprossen sein dürfte Das Stück ist insofern von hohem 
theoretischen Interesse, als man zwar wiederholt, z. T. unter 
Anwendung ganz verschmitzter Kunstgriffe, experimentell 
Schwärmerbastarde erzielt hat, dieses Exemplar jedoch ein 
Hybrid aus der freien Natur ist, da es bei gewöhnlicher 
Haltung (Futter: Weide) neben zehn normalen Geschwistern 
‘ von demselben Baum auskam. — Herr KLEINE erläuterte 
an farbigen Tafelzeichnungen den normalen Bau des Leptiden- 
flügels (Dipt.) und die von ihm mehrfach beobachteten Re- 
duktionen im Geäder, die in verschiedener Hinsieht die 
Apoupusche Theorie stützen. — Herr Haupr referierte über 
den Feldzug, der angesichts der bedrohliehen Zahl von Malaria- 
fällen in Deutschland (jährlich über 1000!) zurzeit von der 
Senekenbergischen Naturforschenden Gesellschaft gegen die 
keimübertragende Anopheles- Mücke organisiert wird. In 
der Debatte wurden von den Herren Dr. JaruA, Pastor 
Manrrıus, und dem Referenten diesbezügliche Beobachtungen 
aus verschiedenen Gegenden unseres Vaterlandes mitgeteilt. — 

Herr DAEHNE sprach unter Vorlegung der Hallischen 
Arten über Bau und Lebensweise der hübschen, sattgelbe, 
rostbraune, zartgraue und silberweilse Farbtöne in aparter 
Zusammenstellung vereinenden Wicklergattung Kuzxanthis. 
Die in Norddeutschland im allgemeinen seltene E. zoegana 
ist hier nicht selten; E. straminea zeigt einen deutlichen 
Sexualdimorphismus dadurch, dafs das Männchen hellgraue, 
das Weibehen braungraue Hinterflügel hat; von der hier 
häufigsten Art, E. hamana, ist weder die Raupe, noch die 
Futterpflanze, noch die Generationenzahl sicher festgestellt. — 
Herr Spörtet I zeigte aus Spickendorf zur Bestimmung ein- 
gesandte Exemplare des Pilzkäfers Atomaria linearis, der 
dort als Rübenschädling aufgetreten ist, so dals bereits ein 


Kleinere Mitteilungen. 381 


1/, Morgen grolses Feldstück umgepflügt werden mulste. Die 
etwa 1 mm grolse Oryptophagide frilst tagsüber an den 
Wurzeln und schwärmt nur abends zur Begattung umher. 
Die Rüben gehen dureh die Schädigung entweder ganz ein, 
oder sie bilden statt der Pfahlwurzel eine Reihe wertloser 
Nebenwurzeln. Die Aussichten für eine erfolgreiche Be- 
kämpfung sind leider sehr gering; der Vortragende empfahl 
möglichst spätes Verziehen. Herr SPÖTTEL zeigte ferner 
unter einer gröfseren Käferkollektion eine aus der Heide 
stammende, auf beiden Elytren verschieden gezeichnete 
Synharmonia conglobata (Coccinellidae) nebst farbiger Zeich- 
nung in starker Vergröfserung. 


Sitzung vom 20. Juni 1910. Zunächst kamen zwei 
Arten aus der Stadt zur Bestimmung eingesandter kleiner 
Insekten zur Vorlage. Die Tierchen sollten in Unmenge als 
Zerstörer von Reisekörben (Weide) auftreten, und zwar ab- 
wechselnd in einem Jahre immer das eine viel häufiger als 
das andere. Sie wurden gleich in der Sitzung als ein Poch- 
käfer (Anobium) und eine zu den Braconiden gehörende 
Sehmarotzerwespe (Spathius) erkannt; als bequemste Be- 
kämpfung wurde Übergabe der Körbe an ein mit Schwefel- 
kohlenstoff arbeitendes Mottentötungs-Institut empfohlen. Mit 
seiner Beobachtung hat der Einsender übrigens einen Ein- 
blick in das Walten eines allgemeinen Naturgesetzes ge- 
wonnen: Tritt ein Tier in grolser Menge auf, so vermehren 
sich infolge der günstigen Nahrungsbedingungen auch seine 
Scehmarotzer bis zum Überwiegen; mit dem nunmehr ein- 
tretenden Nahrungsmangel geht ihre Zahl zurück, und der Wirt 
gewinnt wieder die Oberhand. — Herr Dr. von SCHLECHTEN- 
DAL zeigte lebende, auf der sog. Turmschwalbe (Oypselus 
apus) schmarotzende Lausfliegen (Stenopteryx hirundinis) und 
sprach dann über seine Impfungen ausländischer Eichenarten 
mit verschiedenen Gallenerzeugern, wodurch er u. a. bei einer 
amerikanischen Art die Zusammengehörigkeit einer ge- 
schleehtslosen mit einer geschlechtlichen Form hier in Halle 
eher nachwies als die Amerikaner selbst. — Herr Haupr legte 
eine Auswahl Hautflügler vor, und zwar die dureh einen 
sehr dieken Kopf und eine nach vorn gerichtete scheinbare 


382 Kleinere Mitteilungen. 


Mundspalte ausgezeichneten Xoridinen, darunter vier 
Gattungen und fünf Arten neu für Halle. 

Ferner von Herrn SPöTTEL 1 gezogene Töpferwespen 
(Trypoxylon) mit ihren Kunstbauten in Brombeerstengeln und 
eine der seltensten Hymenopteren Europas, Trigonalys hahni 
Curt. (nec Pseudogonalos hahni Spin.!), den Sehreeken der 
Systematiker, weil sie ihrem Geäder nach eine Blattwespe, 
dem Leib nach eine Scehlupfwespe ist und nach ihren zwei 
Scheukelringen beides sein könnte. — Herr Kern teilte die 
beachtenswerte Beobachtung mit, dals die fleischfressenden 
Laufkäfer Carabus clathratus und violaceus rohe Äpfel an- 
fressen. — Herr KLEINE demonstrierte von einer Kgl. 
Bayrischen Versuchanstalt eingesandte Espenhölzer mit Frals- 
gängen des Espenbocks (Saperda populnea) und Fliegen- 
kokons. Der Bock wird sehr stark von Schmarotzern heim- 
gesucht — der Vortragende hat bereits über 30 Arten fest- 
gestellt —, das Vorkommen einer Sarcophaga ist aber neu, 
zumal sich die Fliege gewöhnlich in Faulstoffen entwickelt. 
Der Befall dürfte, da die Fliege nur wenige Wochen zu 
ihrer Entwicklung braucht, im zweiten Larvenjahre er- 
folgen und wahrscheinlich, da sie vivipar ist, in der Weise, 
dafs die Fliegenmaden dureh die Bohrlöcher in die Gänge 
kriechen. — Herr BAUER zeigte eine Hallische Spezialität, 
die begehrte Eule Plusia consona, deren Raupe in vorzüg- 
lieher Anpassung auf der Kalk, Lehm und Löls bevorzugenden 
Boraginee Nonnea pulla frilst. 


Sitzung vom 4. Juli 1910. Unter Vorlegung von 
52 Hallischen Wiecklerarten sprach Herr DAEHNE über die 
ohne Zweifel allgemein unterschätzte Bedeutung dieser Klein- 
schmetterlingsgruppe im Haushalt der Natur. Wegen ihrer 
Kleinheit und ihrer verborgenen Lebensweise werden die 
Räupehen gewöhnlich kaum beachtet; durch ihre Zerstörung 
der lebenswichtigsten Teile unserer Kulturpflanzen vermögen 
sie aber, besonders bei Massenvorkommen, der Land- und 
Forstwirtschaft, dem Gartenbau und der Obstzucht erheblichen 
Schaden zu bereiten. Leider stehen wir dieser ständigen 
Schädigung unseres Nationalvermögens so gut wie machtlos 
gegenüber und müssen die Bekämpfung der Wickler in der 


Kleinere Mitteilungen. 383 


Hauptsache ihren natürlichen Feinden überlassen. Die allein 
1006 paläarktische Arten zählende Gruppe wird in geradezu 
merkwürdiger Weise von den Sammlern vernachlässigt, ob- 
wohl sie durch gefälliges Äufsere, durch hochinteressante 
Lebensweise und durch ibre praktische Wichtigkeit besticht, 
und obwohl ihr Studium infolge der grofsen Lücken in ihrer 
Biologie und Morphologie von vornherein verlockend erscheint. 
— Herr Bauer besprach etwa 20 Nährpflanzen von Schmetter- 
lingen, Käfern und Fliegen, dabei besonders betonend, dafs 
auch einige vor nicht allzu langer Zeit neu eingeführte 
Pflanzen regelmälsig von alteinheimischen Insekten befallen 


werden. — Herr KLEine sprach über die Larven des Feuer- 
käfers Pyrochroa coceinea, die in vermorschtem Holz von 
Eiehen — nur einmal fand er sie in Rüster — stets im 


Cambium leben, vielleicht erst nach vorhergehendem Bock- 
käfer- Befall. Auch er beobachtete den von DAEHNE in 
wiederholten Zuchten festgestellten Kannibalismus der assel- 
artig flachen, gelbroten Larven, die ebenso geschickt rück- 
wärts wie vorwärts laufen. In vier verschiedenen Versuchs- 
anordnungen fand er, dafs die als Steigeisen gedeuteten 
Anhänge keinesfalls zu diesem Zwecke dienen; die Larven 
verwenden vielmehr zum Klettern ein drüsenartiges, aus 
dem After hervortretendes Organ, mit dem sie sich fest- 
saugen. — Herr HemPRricH zeigte Seidenspinner-Kokons vom 
Gardasee, die dort anscheinend nach einem neuen Verfahren 
behandelt werden. Denn während bei dem altbekannten 
Dämpfungsverfahren die Puppen abgetötet werden, fanden 
sie sich in den vorgelegten abgehaspelten Kokons sämtlich 
lebend vor. Herr BANDERMANN führte die neuesten Ergeb- 
nisse seiner in grolsem Malsstabe angelegten Weilslingszuchten 
vor, darunter ein durch Treiben erzieltes Stück der forma 
immaculata von Pieris brassicae. 


Sitzung vom 18. Juli 1910. Herr RosEnBAuMm legte 
lebende, aus dem Ei gezogene Larven von Libellula quadri- 
maculata im jüngsten Stadium vor. — Herr DaEHNE sprach 
an der Hand zahlreicher Tafelzeichnungen über die um- 
fassenden Vererbungsversuche, die W.L. Tower an der von 
Carnegie eigens für experimentelle Entwicklungsgeschichte 


384 Kleinere Mitteilungen. 


gegründeten und reieh dotierten (!) „Carnegie institution of 
Washington“ durchgeführt hat. Abgesehen von einer ganzen 
Anzahl anderer wichtiger Feststellungen erzielte Tower durch 
Sinwirkung äulserer Reize (Kälte, Wärme, Feuchtigkeit) auf 
den Kartoffelsehädling Leptinotarsa decemlineata — 1875 
als „Koloradokäfer“ auch in Europa eingeschleppt — künst- 
lich eine Reihe in der freien Natur vorkommender Lokal- 
varietäten. Und zwar nach Belieben mit unvererbbaren oder 
mit vererbbaren Charakteren, je nachdem er die Reize erst 
auf die Puppen oder schon auf die fertigen Käfer zur Zeit 
der Eireife wirken liels. Sogar von denselben Mutterkäfern 
erhielt er sowohl weiter vererbbare Abänderungen als auch 
den Eltern genau gleiche Nachkommen, indem er die Mutter- 
käfer z. B. zur Reifezeit der drei ersten Eiportionen beein- 
flulste, zur Reifezeit der zwei letzten Eiportionen aber unter 
normalen Verhältnissen liefs. So hat in dem grolsen Streit 
der Vererbungslehren, der durch Darwın in den Vorder- 
grund des öffentlichen Interesse gerückt in der ganzen Kultur- 
welt wiederhallt und sich neuerdings immer mehr zu einem 
Zweikampf zwischen Lamarekismus und Weismannismus zu- 
gespitzt hat: die Entomologie ein ausschlaggebendes Gewicht 
in die Wagschale des letzteren gelegt. — Herr RoSENBAUM 
schilderte den anatomischen Aufbau eines Filterapparates 
im Pylorusmagen der höheren Krebse (Malakostraka). In 
der Mitte des Magens drückt eine unten ausgehöhlte, ehitinöse 
Platte die autgenommene Nahrung gegen ein diehtes, von 
der unteren Magenwand schräg nach oben gerichtetes 
Borstensystem, das die flüssigen Bestandteile in den resor- 
bierenden Teil des Mitteldarmes abfiltriert, während die 
harten, unverdaulichen Reste in den ehitinisierten Enddarm 
abgeleitet werden. Ferner skizzierte Herr RoSENBAUM die 
JorDANschen Untersuchungen über die Leistungen des Ge- 
hirns bei Krebsartigen. Im Gegensatz zu den Schnecken, 
bei denen das Gehirn alle Muskeln gleichmälsig quantitativ 
beeinflufst, wirkt es bei den Krebsen nur auf besondere 
Muskelgruppen, was sich anschaulich nachweisen läfst, 
wenn man bei einseitig enthirnten Krabben die Wirkung des 
Gehirns durch elektrische Reizung der vom Gehirn aus- 
gehenden Nervenstränge der Schlundkommissur ersetzt. 


Kleinere Mitteilungen. 385 


Herr Spörteu I hielt einen Demonstrationsvortrag über 
die Käferfauna von Schmiedefeld (Thür.), die, entsprechend 
der Höhenlage von 700-800 m eine Anzahl bei Halle nieht 
vertretener Bergformen aufweilst. — Herr Dr. med. SCHWAR- 
ZENBECK sprach über die Verbreitung und die Gewohnheiten 
des sehr flüchtigen grauen Prachtkäfers Anthazxia quadri- 
punctata, den er im Stakendorfer Busch (Bitterfeld—Zörbig) 
auf Habiehtskräutern auffand. — Die Herren DAEHNE, KLEINE 
und Dr. SchwArZENBECK teilten neue eigene Beobachtungen 
über Fang und Verzehren verschiedener Schmetterlingsarten 
durch einheimische Vögel mit. Diese Tatsache wird bekannt- 
lieh von angesehenen Fachgelehrten, hauptsächlich aus 
theoretischen Erwägungen heraus, ebenso energisch bestritten, 
wie von praktischen Entomologen auf Grund eigener Be- 
obaehtungen behauptet. 


Sitzung vom 1. August 1910. Die Sitzung diente 
gröfstenteils der Sichtung verschiedener Ferienausbeuten, und 
zwar besprach Herr BAUER Schmetterlinge aus den Hach- 
alpen, Herr Haupr Hautflügler und Fliegen aus der Dres- 
dener Heide und vom Erzgebirge, Herr KLEIneE Fliegen aus 
den Alpen und Herr SpörteuL I Käfer aus dem Mittelgebirge 
(Thür. Wald) von 800 m und aus den Hochalpen von 2000 m 
Höhe. Allgemein wurde über zu geringe Ausbeute geklagt; die 
langen Regenwochen scheinen vielerorts fast alles Insektenleben 
vernichtet zu haben. — Herr Haupr referierte über Nonnen- 
schäden und ihre Bekämpfung, die gerade jetzt wieder Gegen- 
stand eines hitzigen Streites zwischen den beiden Richtungen 
der „Leimfreunde“ und der „Leimgegner“ ist. Zwar vermag 
das Leimen eine Nonnenkalamität nicht radikal zu beseitigen, 
aber ebenso falsch ist es, dieses kostspielige Bekämpfungs- 
mittel als gänzlich nutzlos, wenn nicht gar schädlich zu ver- 
schreien: entschieden führt es eine progressive Entlastung des 
Waldes und eine Linderung der Krankheit herbei. Allerdings 
muls man sich dabei hüten, das Kind mit dem Bade aus- 
zuschütten, und muls nicht blindlings alle von den Leimringen 
abgefangenen Raupen töten. Dadurch würden auch die von 
verschiedenen Feinden — namentlich von dem Erbfeind der 


Nonne, der Raupenfliege Parasetigena segregata — befallenen 
Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a.,$S. Bd.82. 1910. 25 


386 Kleinere Mitteilungen. 


Raupen mitsamt den nützlichen Schmarotzern verniehtet werden. 
Unumgänglich nötig ist es vielmehr, mit dem Töten der Raupen 
dann aufzuhören, wenn ein bestimmter Prozentsatz — die Säch- 
sische Regierung schreibt z. B. 50 %/, vor — angestochen ist, 
damit die natürlichen Feinde sich mögliehst vermehren und 
das Ende der Kalamität beschleunigen können. — In einem 
seiner regelmälsigen Berichte über den Fortsehritt der ento- 
mologischen Wissenschaft referierte Herr DAEHNE über eine 
sehr beachtenswerte Arbeit des dänischen Forschers KryGER 
aus dem wenig bebauten Gebiete der Spinnenschmarotzer. 
Dureh planmälsige Zuchten erhielt Kryger aus den Eiern 
von 56 Spinnenarten nicht weniger als 75 verschiedene Para- 
siten, darunten 68 Hautflügler und 4 Fliegen. Von den 
Hymenopteren leben bezeiehnender Weise 60 Ichneumoniden 
frei in der ganzen Eiermasse, 3 Proetotrupier in den einzelnen 
Eiern, während 4 Chaleidier als Secundärparasiten wiederum 
die Schmarotzer ersten Grades befallen. — Herr KLEINE er- 
läuterte die Variabilität der Fliegengattung Heteroneura; die 
Arten pieipes und albimana scheinen häufig zu bastardieren. — 
Herr Haupr schilderte die systematischen Schwierigkeiten 
die aus der aufserordentlichen Geäder-Variation der Holz- 
wespe Xiphydria camelus entspringen. Von 20 Staudinger- 
schen Exemplaren wiesen kaum 2 genau gleiche Aderung 
auf; ein Stück zeigte sogar auf beiden Vorderflügeln ver- 
schiedenes Geäder. — Herr SPöTTEL I zeigte Bockkäfer aus 
der Gattung Leptura, darunter die bei Halle nicht vor- 
kommende maculicornis, und die 2 Kurzdecekflügler Lomechusa 
strumosa und Dinarda dentata, bekannt durch ihre merk- 
würdige Lebensweise bei Ameisen. — Herr DAEHNE sprach 
über das Vorkommen und über strittige Punkte in der Biologie 
des viersehrötigen peehsehwarzen Gerberbocks Prionus 
coriarius und des eleganten, von Unkundigen regelmäfsig 
für eine Wespe gehaltenen Fliegenbocks Necydalıs mavor. 


Sitzung vom 15. August 1910. Herr BAuEr zeigte 
eine südamerikanische, aber neuerdings gern bei uns kulti- 
vierte Pflanze, Asclepias syriaca, die mittels kleiner, zwischen 
den Staubgefälsen sitzender Sperrblättehen Insekten fängt; 
und zwar nicht nur kleine Schwebfliegen — die in den vor- 


Kleinere Mitteilungen. 387 


gelegten Blüten dutzendweis hingen — sondern vereinzelt 
sogar robuste Honigbienen. Ferner wies er in den Hoch- 
alpen erbeutete Stücke eines Schmetterlingshaftes (Ascala- 
phus) vor, der bei 2000 m Höhe Jagd auf Schmetterlinge 
machte. Die Tiere sind echte Netzflügler, nach ihrer 
prächtigen, Goldgelb mit Samtbraun vereinenden Färbung 
und den wie bei den Tagfaltern durch einen Endknopf 
ausgezeichneten, langen Fühlern könnte man sie jedoch 
beinahe für Schmetterlinge halten. — Als einzige Ausbeute 
einer Sammeltour durch den Böhmerwald legte Herr Spörter II 
ein Kästehen Grolsläufer (Carabini) und Bockkäfer (Ceram- 
byeidae), sowie ein Hornissennest mit lebenden Larven vor. 

In auffallendem Gegensatz zu den entmutigenden Er- 
fahrungen sämtlicher übrigen Mitglieder brachte Herr 
HEMmPRICH von einer Sammelreise dureh die Lausitz drei 
Riesenkästen voll Schmetterlinge, Käfer und Libellen heim. 

Herr Haupr zeigte eine neue Auswahl exotischer Laternen- 
träger (Hom.), die an Farbenpracht nach einstimmigem Ur- 
teil den schönsten Schmetterlingen mindestens gleichkommen. 
Die Deutung des grolsen Stirnfortsatzes als Balanzierorgan er- 
. seheint insofern nieht einwandfrei, als es auch Arten ohne diesen 
Fortsatz gibt. Herr BANDERMANN legte ein halbes Dutzend 
lepidopterologischer Kostbarkeiten vor, eine aus Pyrameis 
atalanta gezogene Theronia atal. Poda und 3 Abarten eines 
Bären (Arctia hebe), die er neben 29 normalen Geschwistern 
gezogen hat. — Herr SpörtEL I demonstrierte ein Exemplar 
des Leinkrautes (Linaria vulgaris), in dem zwei verschiedene 
Rüfsler hausten: Gymnetron antirrhini in den Fruchtkapseln 
und @. linariae in Wurzelgallen. — Unter Vorlegung lebender 
Ameisenlöwen sprach Herr RosEnBaum über die Biologie von 
Myrmecoleon formicarius. Aus wenigen, verhältnismälsig 
grolsen Eiern schlüpfen die Larven, die in den bekannten 
Fangtrichtern zwei Jahre lang als blutdürstige Wegelagerer 
hausen und sich dann in einem kugelförmigen Sandkokon 
verpuppen. — Den Hauptteil des Abends füllte ein Demon- 
strationsvortrag des Herrn Haupr über die Schlupfwespen- 
gruppe der Evaniidae, die durch die ungewöhnliche Ein- 
lenkung ihres Hinterleibs ganz oben am Rücken schon be- 
sonders auffallen. Zudem ist der Hinterleib bei manchen Arten 


20° . 


388 Kleinere Mitteilungen. 


so stark seitlich zusammengedrückt, dals er von oben gesehen 
fast verschwindet, das Tier also nur aus dem Vorderkörper 
zu bestehen scheint. Während die Gattungen Evania, Aulacus, 
Brachygaster und Stephanus nur wenige Arten enthalten, 
umfalst die Gattung Gasteruption deren 120, die trotz ihres 
sehr zarten Legebohrers empfindlich stechen können, und 
dadurch ein merkwürdiges Flugbild zeigen, dafs sie die 
langen Beine schräg nach unten und den Hinterleib schräg 
nach oben halten. Die Gruppe scheint sehr altertümlich zu 
sein. Denn erstlich besitzt sie ein sehr einfaches Geäder 
und ferner schmarotzt sie teilweise bei sehr altertümlichen 
Wirtstieren. So hat sich Evania appendigaster mit ihren 
Wirten, den Schaben Periplaneta orientalis und americana 
fast über die ganze Erde verbreitet — beiläufig erregt sie 
durch ihr häufiges Auftreten auf den modernen Ozeandampfern 
öfter die Bewunderung der Reisenden, die sich nicht erklären 
können, wie die grolsen schwarzen Tiere an Bord gekommen 
sein mögen!. — sie ist aber merkwürdiger Weise noch nicht 
bis zu uns vorgedrungen. Bei einer Schabe (Eetobia lapponica) 
schmarotzt auch brachygaster minuta, dagegen Aulacus bei 
Käfern und der Holzwespe Xiphydria, und Gasteruption bei 
Bienen. 


Sitzung vom 5. September 1910. Unter Vorlegung 
einer Auswahl Hallischer Wanzen sprach Herr MEYER über 
Bau und Lebensweise dieser arg verkannten Sippe. Er- 
fahrungsgemäfs löst bei dem grolsen Publikum, das die 
ganze Unterordnung nach dem einem widerwärtigen Bett- 
bewohner beurteilt, schon die blolse Erwähnung des ver- 
pönten Namens die Vorstellung von etwas Häflslichem und 
Ekelhaftem aus. Dabei erfreut aber die Mehrzahl der Wanzen 
ebenso durch schöne Färbung, eigenartige Zeichnung oder 
bizarre Form das Auge, wie durch interessante Lebensweise 
den denkenden Sinn. Manche Gruppen fallen als Schmarotzer 
lästig, manche werden als Pflanzenfeinde direkt schädlich, 
andere aber sind uns willkommene Bundesgenossen im Kampfe 
gegen unsere vielen kleinen Feinde. Gelegentlich findet 
sich auch Futterwechsel; so wird die gewöhnlich von Tier- 
säften lebende Strachia oleracea bei Massenauftreten zu 


Kleinere Mitteilungen. 389 


einem Kohl- und Rübenschädling. — Mit Hilfe zahlreicher 
Präparate und Zeiehnungen führte Herr Haupr in das wenig 
gekannte Gebiet der Cieadinen-Schmarotzer, dabei auf Grund 
sorgfältiger Zuchten verschiedene Irrtümer älterer Autoren 
berichtigend. Einen sehr merkwürdigen Parasitismus übt 
z.B. die zu der eigentümlichen Gruppe der Betylidae ge- 
hörende Wespe Gonatopus spec. an der Larve von Cicadula 
sexnotata insofern, als sie ihr Opfer zur Verwandlung kommen 
läfst. Der Parasit sitzt, ohne erkenntliche Belästigung seines 
Wirts, in einer grofsen, runden Kapsel hinter dem zweiten 
Segment der Cieadenlarve und macht — wie der Vortragende 
im Gegensatz zu Mıks, auf einer unrichtigen Übersetzung 
einer Perrısschen Beschreibung beruhenden Angaben mit 
Sicherheit nachwies — zwei richtige Häutungen durch. Erst 
nach der Verwandlung platzt die Kapsel auf, die Wespen- 
larve drängt, sich auf die doppelte Länge ausdehnend, ein 
rüsselartiges Organ in den Körper der Cicade und zehrt 
diese so vollständig auf, dals nur der sauber ausgeräumte 
Balg übrig bleibt. Dann wandert sie, auf dem Rücken 
kriechend, zum Einspinnen ab und entläfst schliefslich die 
5—8 mm grolse Imago, die im weibliehen Geschlecht ein 
zu einer Schere umgebildetes Klauenglied besitzt, wohl um 
sich an den Cieaden beim Belegen festhalten zu können. — 
Im Anschluls an die Kuhntschen Untersuchungen kam Herr 
BAUER in einer technischen Erörterung über den Schutz der 
Insektensammlungen gegen Zerstörer zu dem Schlufs, dals 
nur Schwefelkohlenstoff unbedingte Sicherheit gewährleiste, 
alle anderen gepriesenen Schutzmittel aber teils nutzlos, teils 
sogar schädlich seien. — Herr RosEnBAUM erbrachte an 
einem überzeugenden Belegmaterial den Nachweis, dals unsere 
beiden einheimischen Dornschrecken Tettix subulatus und 
T. bipunctatus lückenlos ineinander übergehen! — Herr BAUER 
erläuterte an seiner Kleefalter-Spezialsammlung die Systema- 
tik der etwa 40 paläarktische Arten umfassenden Gattung 
Oolias. — Herr SpörreL I sprach über Futterwechsel bei 
Laufkäfern (Carabidae). Mit Ausnahme des bekannten Ge- 
treideschädlings Zabrus tenebrioides gelten die Raubläufer 
durchweg als reine Fleischfresser, doch sind gerade in letzter 
Zeit mehrere Arten von den Mitgliedern der E. G. als Gelegen- 


390 Kleinere Mitteilungen. 


heits-Vegetarier festgestellt worden. Als neues Beispiel führte 
der Vortragende den Pseudophonus pubescens an, den er auf 
der Passendorfer Wiese beim Verzehren der Früchte von 
Pastinaca sativa beobachtete. — Herr HEMPRICH demon- 
strierte Gold- und Schlupfwespen aus der Niederlausitz sowie 
einige Kästen Riesenschmetterlinge aus Java. 


Sitzung vom 19. September 1910. Herr LassmAnNn 
demonstrierte eine mehrere Hundert Teile umfassende Zu- 
sammenstellung der hauptsächlichsten Feinde unserer ge- 
meinen Kiefer mitsamt den von ihnen hervorgerufenen Zer- 
störungen in Rinde und Holz, den Blütenteilen und Wurzeln. 
Die Kiefer ist einer unserer meistbefallenen Waldbäume; sie 
vereinigt Angehörige aller Insektenordnungen, höchstens die 
Scheinnetzflügler und Netzflügler ausgenommen, zu einer 
Lebensgemeinschaft, in der sich die verschiedenartigsten 
Interessen kreuzen. Ein grolser Teil ihrer Bewohner be- 
wirkt nur leiehtere Deformationen; viele Arten sind selbst 
als Freunde der Kiefer zu betrachten, da sie als Räuber 
oder Schmarotzer unter den Kieferfeinden aufräumen. Die 
meisten jedoch gefährden als physiologische Sehädlinge das 
Leben des Baumes oder machen sogar als technische Schäd- 
linge die Verwertung der Baumprodukte, vor allem des 
Holzes, teilweise oder ganz unmöglich. Die gefährlichsten 
physiologischen Feinde finden sich unter den Schmetterlingen: 
Kiefernspinner, Nonne, Kiefernspanner; die gefährlichsten 
technischen Feinde unter den Käfern: Borkenkäfer, Rülsler, 
Pracht-, Schnell- und Bockkäfer. — In einer seiner regel- 
mälsigen botanischen Demonstrationen zeigte Herr BAUER 
u.a. einen Büschel Artenusia absynthium mit Eulenraupen 
(Oueullia sp.), deren orangebraune Wülste den Blütenköpfen 
täuschend gliehen. Ferner zeigte er mehrere Stücke des 
Wicklers Argyroploce schultziana, der an Pinus, vielleicht 
auch an Vaccinium vorkommen soll, den er aber bei Lettin, 
weit entfernt von diesen beiden Nährpflanzen, an Erica auf- 
fand. — Herr KLEıne sprach über die in den Kambial- 
schichten der Kiefer bei Spannerfrals (bupalus piniarius) auf- 
tretende Temperatursteigerung um 5—6 Grad, die aus der 
geminderten Respiration resultieren dürfte. — Unter Vor- 


Kleinere Mitteilungen. 391 


legung reichlichen lebenden und präparierten Materials sprach 
Herr Lassmann über die Biologie der „Wachsmotte“ (Galleria 
mellonella). Das wegen seiner Verschiedenheit vom Männ- 
chen früher für eine eigene Art gehaltene Weibchen legt 
seine Eier in Bienenstöcke. Die Raupen, die ihre Fralsgänge 
mit einem stichfesten Seidengewebe auskleiden, leben vom 
Wachs und können durch ihre Zerstörungen, namentlich 
durch das tötende Blolslegen der Bienennymphen, den ganzen 
Stock vernichten. Bis vor kurzem schien es, als ob dieser 
von den Imkern bitter gehafste Schädling zu einem Segen 
für die Menschheit werden würde, weil er uns eine schneidige 
Waffe gegen den schlimmsten Menschenwürger, die Tuber- 
kulose, zu liefern versprach. Die Tuberkelbazillen verdanken 
nämlich ihre aulserordentliche Widerstandsfähigkeit einer 
feinen Wachsumhüllung, und da allein die Zünslerraupen 
Wachs schlankweg verdauen, so hoffte man, aus ihnen das 
wachsspaltende Ferment gewinnen und damit die Bazillen 
abtöten zu können. Leider sind die in der Theorie so aus- 
sichtsvollen Versuche vorläufig auf dem toten Punkt ange- 
kommen. DAEHNE. 


Literatur-Besprechungen. 


Hersen, C. und Hartz, R., Telegraphen-Ingenieure bei 
der Telegraphen-Apparatwerkstatt des Reichspostamts in 
Berlin, Die Fernsprechteehnik der Gegenwart (ohne 
die Selbstanschlulssysteme). 686 S. Mit mehr als 600 
Abbildungen und einer Tafel. Braunschweig, Friedrich 
Vieweg & Sohn. Geheftet 30,— M., in Leinwand ge- 
bunden 32,— M. 

Das Werk, auf dessen Erscheinen sehon in einer früheren 
Nummer unserer Zeitschrift (Heft 1—3, 1910) hingewiesen 
ist, bildet die V. Abteilung der „Telegraphen- und Fernspreeh- 
technik in Einzeldarstellungen von Tu. Karrass“, deren 
bereits erschienene Bände zum Teil von uns bereits be- 
sprochen sind. Wie seine Vorgänger gibt es eine er- 
schöpfende Darstellung seines Gebiets und was die Haupt- 
sache ist, es füllt eine fühlbare Lücke aus, denn aulser 
den in den Fachschriften zerstreuten einzelnen Abhandlungen 
und oberflächlichen populären Darstellungen hat die deutsche 
elektrotechnische Literatur seit WIETLISBACHS grundlegendem, 
klassischen „Handbuche der Telephonie“ kein zusammen- 
hängendes Werk mehr zu verzeichnen. In der Auswahl 
und Begrenzung des Stoffes haben sich die Verfasser sicher 
in schwieriger Lage befunden. Hätten sie, wie es WIETLIS- 
BACH noch konnte, das gesamte Fernsprechwesen be- 
handelt, also geschiehtliche Entwiekelung, wissenschaftliche 
Grundlagen, technische Einrichtung und Betrieb der Sprech- 
stellen und Ämter, sowie endlich den Leitungsbau mit dem 
aulserordentlich wichtigen Kapitel der Sprechfähigkeit, von 
dem Fernsprechen ohne Draht ganz zu schweigen: so hätte 


Literatur-Besprechungen. 393 


bei der riesigen Entwickelung, die das Fernsprechwesen 
im letzten Jahrzehnt genommen hat, ein vielbändiges Werk 
entstehen müssen, in welehem möglicherweise die eigentliche 
Technik zu kurz gekommen wäre. Diese aber nach dem 
heutigen Stande gründlich zu behandeln, war das Ziel des 
Buches und dieses Ziel ist erreicht, bezüglich der deutschen 
Einriehtungen vollkommen, hinsichtlich des Auslandes in 
ausreichendem Malse. Besonders haben die amerikanischen 
Einriehtungen eingehende Berücksichtigung gefunden und 
das mit Recht, denn es gibt keinen Zweig der Fernsprech- 
technik, der nieht seine Wurzeln oder seine Entfaltung auf 
amerikanischem Boden gehabt hätte. Bei den meisten 
Apparaten und Schaltungen ist ihrer geschichtlichen Ent- 
wiekelung gedacht und, wo deren verschiedene noch jetzt 
gleichzeitig verwendet werden, fehlt es nieht an einem zu- 
treffenden Urteil über ihre Vorzüge und Nachteile. Auf 
diese Weise ist zwar kein Werk entstanden, das der ge- 
bildete Laie mit Genu[s zum Selbststudium verwenden könnte, 
auch ist das Verhältnis zwischen der Wichtigkeit einzelner 
Apparate und Einriehtungen und der auf ihre Besprechung 
verwendeten Zeilen nieht immer richtig — z.B. sind dem 
Wecker 24 Seiten gewidmet, während das wichtige Kapitel 
tiber die Bauart der Fernsprechämter sich mit 14 Seiten 
begnügen muls — aber der Fachmann findet ein gründliches 
Nachschlagewerk und der junge Telegraphenbeamte ein 
sehr brauchbares Lehrbuch. 

Die Zeiehnungen sind klar und übersichtlich; die Aus- 
stattung ist gediegen. 

O. ScHÜTz. 


Pohl, Robert, Dr., Assistent am Physikalischen Institut der 
Universität Berlin, Die elektrische Fernübertragung 
von Bildern. Heft Nr. 34 der Sammlung naturwissen- 
schaftlieher und mathematischer Monographien „Die 
Wissenschaft“. 45 S. Mit 25 Abbildungen. Geheftet 
1,80 M., in Leinen gebunden 2,50 M. 


Das Büchlein gibt eine kurze Darstellung der wissen- 
schaftlichen Grundlagen für die Fernübertragung der mensch- 


394 Literatur-Besprechungen. 


liehen Handschrift sowie von Zeiehnungen und Bildern, an- 
knüpfend an die geschiehtliche Entwiekelung dieses Zweiges 
der Telegrapbie. In übersichtlicher Weise sind die physi- 
kalischen Bedingungen erörtert, auf denen sieh die drei 
Haupttypen dieser Art von Telegraphen aufbauen. Zunächst 
ist der sogenannten Kopiertelegraphen von BAKEWELL und 
CAsELLı gedacht, die bereits vor ungefähr 60 Jahren er- 
fanden wurden. Sie bedürfen synchron laufender Sender 
und Empfänger und liefern dureh elektrolytische Strom- 
wirkungen schraffierte Bilder der Urschrift. Hieran schlielst 
sich der Kopiertelegraph von LAcoInE, der keiner Syn- 
ehronismuseinriehtungen, dafür aber zweier Leitungen bedarf 
und gestattet, die Bewegung der schreibenden oder zeich- 
nenden Hand unmittelbar zu übertragen. Schliefslich ist 
etwas eingehender das eigentliche fernphotographische Ver- 
fahren beschrieben, welches nieht nur: die Umrisse der Ur- 
bilder, sondern auch die Feinheiten der Schattierungen 
weitergibt, wie sie etwa gut durehgearbeitete Photographien 
enthalten. Man benutzt denn auch als Sender die photo- 
graphische Platte, deren Bild plastisch gemacht wird, z. B 
durch Anwendung der Bichromate des Kaliums, Natriums 
usw., so dafs der durch die aktive Schicht fliefsende Strom 
bald diekere, bald schwächere Stellen trifft und damit mehr 
oder weniger in seiner Stärke und folglich auch in seiner 
Wirksamkeit beeinfiulst wird. Am Empfangsorte erscheint 
ein dementsprechend abgetöntes Bild. Noch feiner, und zur 
Zeit am brauchbarsten ist das Verfahren unseres Lands- 
manns, des Prof. Korn. Er läfst durch ein gewöhnliches 
photographisches Negativ Licht auf eine Selenzelle fallen, 
deren Ohmscher Widerstand bekanntlich bei der Belichtung 
sinkt. Derartige Zellen sind gegenüber Liehtschwankungen 
so empfindlich, dals sie die feinsten Abstufungen wieder- 
geben, selbst auf grolse Entfernungen. So gelang es dem 
Erfinder, das Bild des Kronprinzen von München nach 
Berlin klar zu übermitteln. 

Auf die technische Ausgestaltung der verschiedenen 
Verfahren geht der Verfassser nicht näher ein, wohl um 
den Rahmen der rein wissenschaftlichen Abhandlung, auf 
die er es abgesehen hatte, nieht zu überschreiten. Daher 


Literatur-Besprechungen. 395 


wird sich der Leser, der nieht schon einigermalsen mit dem 
Stoffe vertraut ist, kaum ein deutliches Bild über die 
Wirkungsweise der verschiedenen Apparate und Einrichtungen 
machen können, denn gerade die technische Seite bietet 
die grölsten Schwierigkeiten auf diesem Gebiete und nur 
ihrer Ausgestaltung ist der schliefsliehe Erfolg zu danken. 
Es wäre daher sehr erwünscht gewesen, Hinweise auf die in 
den Fachschriften zerstreuten, umfassenderen Abhandlungen 
zu geben. Aber auch so bietet das Werk einen willkommenen 


Beitrag zur Schwachstromliteratur. 
O. ScHÜTz. 


Zittel, Karl A. von, Grundzüge der Paläontologie 
(Paläozoologie). 1. Abteilung: Invertebrata. Dritte ver- 
besserte und vermehrte Auflage. Mit 1414 in den Text 
gedruckten Abbildungen. Neubearbeitet von Ferdinand 
Broili. München und Berlin 1910. 607 8. 


ZITTELS Grundzüge der Paläontologie waren als der 
beste kurze Ausdruck unseres Gesamtwissens von den 
fossilen Tieren nicht nur in Deutschland, sondern in allen 
Ländern der Erde, in denen Paläontologie getrieben wird, 
ein durchaus unentbehrliches Buch geworden. Nach der 
Fertigstellung der I. Abteilung der zweiten Auflage!) setzte 
der Tod dem eminent arbeitsreichen Leben des Verfassers 
(am 6. Januar 1904) ein Ende. Da die zweite Auflage der 
II. Abteilung bis heute nieht erschienen ist, und auch die 
zweite Auflage der I. Abteilung bereits wieder vergriffen 
war, mulste uns bange Sorge um das unentbehrlicehe Buch 
ergreifen. Jetzt liegt eine dritte Auflage der I. Abteilung 
(Invertebrata) aus der Feder eines Schülers und langjährigen 
Assistenten des Altmeisters vor. Sie rechtfertigt die Hoffnung, 
dals uns das Werk Zırreus in der altbewährten Form er- 
halten bleibt, und dafs es dem Neubearbeiter gelingen wird, 
dem Werke seinen Weltruf zu erhalten. 

Die Form des Werkes ist unverändert geblieben, den 
Förtschritten unserer Wissenschaft aber nach Kräften 


!) Besprochen in dieser Zeitschrift, Bd. 76, 1903, S. 377—378,. 


396 Kleinere Mitteilungen. 


Reehnung getragen. Da der Neubearbeiter die Aufforderung 
zur Herausgabe der dritten Auflage erst im Herbste 1909 
erhielt, war es ihm nicht möglich alle Abschnitte in dem 
von ihm selbst gewünschten Umfange neu durehzuarbeiten. 
Gleichwohl zeigt die Neuauflage umfangreiche und be- 
deutungsvolle Änderungen. Die Seitenzahl ist um etwa 50 
gewachsen. Die Zahl der Abbildungen ist nur unbedeutend 
vermehrt, doch sind etwa 60 Abbildungen durch neue er- 
setzt worden. Zudem sind dankenswerter Weise einer Reihe 
älterer Abbildungen das Verständnis erleichternde erklärende 
Buchstaben zugefügt worden. In den Literaturangaben sind 
nieht nur die wiehtigeren Neuerscheinungen, sondern auch 
manche Arbeiten der älteren Literatur nachgetragen worden. 
Völlig umgearbeitet ist der Absehnitt über die Insekten, dem 
HaAnDLigscHhs Handbuch zu Grunde gelegt worden ist. Aber 
auch sonst, z.B. in den Abschnitten über Foraminiferen, 
Graptolithen, inartikulate Brachiopoden usw., finden sich er- 
hebliehe Umarbeitungen und Zusätze. Den Flagellaten ist 
ein besonderer Absehnitt gewidmet und die Receptaculida, 
die ZiTTEL in der zweiten Auflage als vermutlich zu den 
Pflanzen gehörend weggelassen hatte, sind neu aufgenommen. 
Ew. Wüsr. 


Reinisch, R., Entstehung und Bau der deutschen 
Mittelgebirge. Mit 48 Abbildungen. Leipzig 1910. VIII 
und 206 Seiten. Leipzig, Dieterich. Geheftet 3,50 M. 


Eine brauchbare kurze zusammenfassende Darstellung 
der erdgeschiehtliehen Entwicklung und des geologischen 
Baues Deutschlands ist ein für weiteste Interessentenkreise 
dringendes aber leider bisher unbefriedigtes Bedürfnis. Auch 
das vorliegende Buch trägt nur wenig zur Befriedigung 
dieses Bedürfnisses bei. Es beschränkt sich auf das deutsche 
Mittelgebirgsland, für das eine zusammenfassende Darstellung 
am dringlichsten ist. Es ist nicht zu verkennen, dals 
Reınısch mit Fleifs — aber oft ohne zureichende Kritik — 
ein nieht unbeträchtliches Material, vor allem eine ganz gute 
Sammlung von Profilen und Kartenskizzen zusammengetragen 
hat, aber er steht im allgemeinen zu wenig über dem be- 


Literatur-Besprechungen. 397 


handelten Stoffe und läfst die erdgeschichtliehen Momente 
zu wenig in den Vordergrund treten, als dafs wesentlich 
mehr als eine ziemlich dürftige Kompilation herausgekommen 
wäre, welehe immerhin ihre Dienste tun kann, bis einmal 
etwas brauchbareres vorliegen wird. 

Ew. Wüsr. ' 


Schurig, Walter, Dr., Biologische Experimente nebst 
einem Anhang: Mikroskopische Technik. 8°%. 1908. 
Leipzig, Quelle & Meyer. Gebunden 2,80 M. 


Das Buch gliedert sich in drei Abschnitte. Teil I und II 
bringen eine Zusammenstellung meist einfacher und in- 
struktiver Versuche aus dem Gebiet der Pflanzen- und Tier- 
biologie; Teil III enthält einen kurzen Abrils der mikro- 
skopischen Technik, soweit deren Kenntnis zur Ausführung 
der behandelten Experimente notwendig ist. 

Das Werk wird als erste Anleitung manchem Natur- 
freund willkommen sein. Insbesondere scheint es mir brauch- 
bar für die immer noch grolse Zahl derjenigen Lehrer, die 
— ohne eine besondere praktische Ausbildung in diesen 
Fächern erfahren zu haben — naturkundlichen Unterricht 
erteilen müssen und dabei auf das wertvolle Hilfsmittel des 
Versuches nicht verzichten wollen. Diese werden vorzüglich 
die Zusammenstellung der wichtigsten Konservierungs- und 
Färbemethoden gern benutzen. Auch dem Fachlehrer wird es 
angenehm sein, ein bequemes Nachschlagebuch zu besitzen, 
das ihm der Mühe überhebt, die einzelnen Versuche selbst 
zusammenzustellen. Dr. LEERE. 


Uhlenhuth, Eduard, Vollständige Anleitung zum 
Formen und Gie[sen nebst genauer Beschreibung aller 
in den Künsten und Gewerben dafür angewandten 
Materialien. 192 S. 22 Abbild. VI. Aufl. Chemisch- 
Technische Bibliothek Bd. 49. Wien, A. Hartleben. Ge- 
bunden 2,— M. 


Die vorliegende Neuauflage des Buches hat eine er- 
hebliehe Erweiterung erfahren. In der ersten Hälfte desselben 


398 Literatur-Besprechungen, 


werden ausführlich das Formen und Giesen in Gips, ferner 
die Fabrikation und Verwendung der verschiedenen Zemente, 
die Fabrikation von Tonwaren und die neuerdings so be- 
deutungsvoll gewordene Herstellung von Zelluloidwaren be» 
handelt. Die zweite Hälfte ist der Bespreehung der Metall- 
gielserei gewidmet. Hier sind besonders die Ausführungen 
über die in der Praxis verwendeten Legierungen von Inter- 
esse. In dem Abschnitte über Bronzegielserei ist auch die 
Herstellung japanischer Bronzen, ferner die Verwendung 
elastischer Formen bei der Herstellung der Wachsmodelle 
für den Metallguls berücksiehtigt worden. Das umfangreiche 
Kapitel über Eisengielserei enthält u. a. eine Beschreibung 
des GoLpscHMIDTschen Thermitverfahrens. Der Stahlgielserei 
ist in der Neuauflage entsprechend ihrer Entwicklung ein 
eigener Abschnitt vorbehalten. Neu aufgenommen sind 
ferner noch eine Besprechung der Bleigielserei und, nach 
einer ausführlieberen Behandlung der Patina, eine Anleitung 
zum Reinigen und Konservieren antiker Bronzen. 
Dr. LEERE. 


Hegi, 6., Dr., Illustierte Flora von Mitteleuropa. Mit 
besonderer Berücksichtigung von Deutschland, Osterreich 
und der Schweiz. München, Verlag von J. F. Lehmann. 


Die inzwischen erschienenen Lieferungen 23—25 (160 8. 
mit 12 Tafeln und 68 Abbildungen im Text) schreiten in 
der Behandlung der Dicotyledonen fort bis zu den Cheno- 
padiaceae. Die textliche Bearbeitung ist eine recht aus- 
führliehe. So wird bei der Besprechung der Fagaceae die 
Physiognomie der mitteleuropäischen Flora besonders hervor- 
gehoben; auch werden — und in gleicher Weise geschieht 
das auch bei anderen wichtigen Arten — die typischen Be- 
gleitpflanzen zusammengestellt. Unter den @Quercus-Arten 
erfahren die häufiger kultivierten und gelegentlich ver- 
wilderten amerikanischen Arten Berücksichtigung. Hier wie 
bei den Ulmen werden anhangsweise die mannigfachen 
Gallbildungen behandelt. 

Als Kulturpflanzen werden insbesondere Feige, Hopfen 
und Hanf gewürdigt; auf die interessanten Geschlechts- 


Literatur-Besprechungen. 399 


verhältnisse und Bestäubungsvorgänge der ersten wird be- 
sonders eingegangen. Bezüglich der Mistel wird die von 
TusBEUrF kürzlich aufgestellte Einteilung in die drei bio- 
logischen, ernährungsphysiologischen Rassen, Laubholz-, 
Tannen- und Führen-Mistel übernommen. 

Dr. LEERE. 


Artus, W., Dr., Grundzüge der Chemie für Gewerbe- 
treibende sowie für Lehrer an Gewerbeschulen. 
II. Aufl. Neu bearbeitet von E. Nicolas. 8%. 424 8. 
62 Abb. Chemisch-Teehnisehe Bibliothek Bd. 64. Wien, 
A. Hartleben. Gebunden 6,— M. 


Das Werk stellt ein kurzes Handbuch der Chemie vor, 
der im Titel ausgesprochenen Tendenz entsprechend, ist, ohne 
die wissenschaftliche Behandlungsweise des Stoffes ganz 
fallen zu lassen, die Verwendung chemischer Fachausdrücke 
und Formeln auf ein geringes Mals beschränkt worden. 
Dafür erfahren dann die technisch wichtigeren Verbindungen. 
und ihre Darstellung, sowie die gegenseitigen Beziehungen 
der einzelnen Zweige der chemischen Industrie eine weiter- 
gehende Berücksichtigung, als dieses sonst üblich ist. 

2 Dr. LEERE. 


Schuster, Fr., Oberstleutnant a.D., Der Einflufs des 
Mondes auf unsere Atmosphäre. 318. 2 Taf. Karls- 
ruhe, Fr. Gutsch. Broschiert 1,40 M. 

Verfasser will eine Lanze brechen für den alten Glauben 
an den Einfluls des Mondes auf den Stand des Barometers 
und damit auf das Wetter. Die wechselnde Stärke der 
Anziehung des Mondes soll eine Barometerwelle von 1 mm 
Höhe und 23 Tagen Länge hervorrufen, welehe sich mit 
einer anderen, durch die Mondphasen bedingten Wellen- 
bewegung zu einem — dem Verfasser übrigens selbst nicht 
ganz klaren — kombinierten Wellensystem vereinigen und 
in periodischen Schwankungen unseres Wetters ihren Aus- 
druck finden soll. Der Theorie FaLzs kann Verfasser auf 
Grund seiner Untersuchungen eine gewisse Berechtigung 
nieht absprechen. Dr. LEEKE. 


400 Literatur-Besprechungen. 


Binz, Artur, Prof. Dr, Kohle und Eisen. IV, 137 8. 
„Wissenschaft und Bildung“, Nr. 69. (Leipzig, Quelle & 
Meyer.) 

Es ist zweifellos keine leichte Aufgabe über ein so 
umfangreiches Stoffgebiet, wie „Kohle und Eisen“, auf wenig 
Seiten zu beriehten; insbesondere erscheint es schwierig, die 
mannigfachen, scheinbar weit voneinander entfernt liegenden 
Sondergebiete organisch mit dem Ganzen zu verknüpfen 
und in einer ihrer Bedeutung entsprechenden Weise zu 
berücksichtigen. Dieses aber hat Verfasser in dem genannten 
Büchlein in vortrefflieher Weise verstanden. 

In der ersten Hälfte desselben erfährt der Leser über 
die Entstehung und Gewinnung der Holz-, Braun-, Steinkohle 
und über ihre Bedeutung vorzüglich für die Eisenbereitung in 
früherer und jetziger Zeit alles wichtige; von dem einfachen 
„Herdfrischen“ mit der Holzkohle durchleben wir den langen 
Gang der technischen Entwicklung der Eisenindustrie bis 
zur Herstellung der Kruppschen Panzerplatten. In der 
zweiten Hälfte werden wir mit der Industrie des Leucht- 
gases und seiner Konkurrenten, sowie derjenigen des 
Ammoniaks und der Gewinnung der Farbstoffe aus dem 
Steinkohlenteer bekannt gemacht. Auch hier wird durch 
Schilderung des genetischen Zusammenhanges der einzelnen 
Industriezweige ein tieferes Verständnis angebahnt. 

Die Darstellung ist aulserordentlich klar und frei von 
jener Trivialität, die man heute leider so häufig in sogen. 
populären Arbeiten findet. Insbesondere muls der Versuch, 
die Bedeutung der KrkuLeEschen Benzolformel für die Ent- 
wicklung der Farbstoffindustrie in einer auch dem Nicht- 
fachmann verständlichen Weise klar zu legen, als gelungen 
bezeichnet werden. Unter den Abbildungen erregen vor- 
züglich einige aus dem Kgl. Materialprüfungsamt zu Grols- 
Lichterfelde stammende mikrophotographische Aufnahmen 
unser Interesse, welche deutlich die Abhängigkeit der Be- 
schaffenheit des Eisens und Stahls von Kohlenstoff und 
anderen Beimischungen zeigen. 

Dr. LEERE. 


Druck von Ehrhardt Karras, Halle a. S. 


Über den Formenkreis der Statice Limonium 
und ihrer nächsten Verwandten 


Vorstudien zu einer Monographie 
von 
Dr. Walther Wangerin 


Der Formenkreis der Statice Limonium und ihrer 
nächsten Verwandten, der im Folgenden einer eingehenderen 
kritischen Untersuchung unterzogen werden soll, gehört 
innerhalb der Gattung Statice, die ja bekanntlich der 
systematischen Gliederung und Artunterscheidung überhaupt 
nieht unerhebliche Schwierigkeiten bereitet, mit zu den 
schwierigsten und kompliziertesten, sowohl was die gegen- 
seitige Abgrenzung der Formenkreise und die systematische 
Wertung der einzelnen Glieder, als auch was die Synonymie 
anlangt. Die Schwierigkeiten, welche diese Gruppe bereitet, 
liegen nicht allein in der starken Variabilität der meisten 
zur Artunterscheidung gebrauchten Charaktere begründet, 
sondern vor allem auch darin, dals mehrere der hierher 
gehörigen Arten ursprünglich vorzugsweise auf Grund ihres 
abweichenden Habitus aufgestellt wurden und sich infolge- 
dessen später, bei erweiterter Kenntnis des Formenkreises, 
die Notwendigkeit ergab, diese mehr oder weniger schwan- 
kenden Habitusmerkmale durch bestimmter definierte Charak- 
tere zu ersetzen, was aber keineswegs immer in einwand- 
freier Weise möglich ist. Einen Teil der hierher gehörigen 
Arten hat neuerdings bereits SALmon!) einer Revision unter- 
zogen; indessen kann ich mich, worauf weiter noch zurück- 


!) Salmon, Notes on Limonium in Journal of Botany XLIII 
u. XLVIl. 


Zeitschr, f. Naturwiss. Halle a.S. Bd.82. 1911. 26 


402 WALTHER WANGERIN, [2] 


zukommen sein wird, mit seinen Ergebnissen nicht in allen 
Punkten einverstanden erklären, auch hat er lediglich die 
bekanntesten europäischen Glieder des Formenkreises be- 
rücksichtigt, während nur eine alle Glieder der Gruppe 
gleichmälsig umfassende Betrachtung zu einer befriedigenden 
Darstellung und Klärung führen kann; es dürfte daher der 
folgende, auf Sichtung eines sehr umfangreichen Materials 
beruhende Versuch nicht unangebracht sein. 


I. 
Der Formenkreis der eigentlichen Statice Limonium 
und der St. bahusiensis. 

Linn& !), auf den der Name Statice Limonium zurück- 
geht, kannte nur eine Gesamtart, die bei ihm nicht weiter 
gegliedert erscheint, da die von ihm aufgeführten Varietäten 
8—6 sämtlich anderen, unserer Gruppe ferner stehenden 
Arten zugehören; sein Name umfalst indessen im heutigen 
Sinne mindestens drei verschiedene Arten, nämlich aufser 
der eigentlichen St. Limonium noch die St. bahusiensis (ein 
Exemplar derselben liegt in seinem Herbar unter dem Namen 
St. Limonium) und die St. caroliniana, da er auch die 
Küsten von Virginien als Heimatsgebiet seiner St. Limomium 
angibt. Ebenso falste auch WILLDENOW?), der der Gruppe 
in St. Gmelini und St. scoparia zwei neue Arten hinzufligte, 
denen der zweite Abschnitt dieser Arbeit gewidmet sein 
wird, die gesamten mittel- und südeuropäischen Formen als 
St. Limonium zusammen. Der erste Versuch einer Gliederung 
des Formenkreises rührt von REICHENBACH?) her; er bezog 
den Lınneschen Namen auf eine bestimmte südeuropäische 
Form, neben der er noch eine zweite Art als St. serotina 
aus dem Mediterrangebiet beschrieb, während er die an den 
Küsten des nördliehen Mitteleuropa vorkommende Pflanze 
mit dem Namen St. Pseudolimonium belegte. Durch Fries?) 
!) Linn, Spee. pl. ed. 1 (1753) 274. 

2) Willdenow, Sp. pl. I (1797) 1524. 
®) Reichenbach, Ie. pl. erit. VIII (1830) fig. 959, 997 u. 998 und 


Fl. Germ. exeurs. (1830) 191. 
*) Fries, Nov. Fl. Suec. Mant. I (1832) 10. 


[3] Über den Formenkreis der Staticee Limonium ete. 403 


wurde letztere zerlegt in St. Limonium scanica und St. Limo- 
nium bahusiensis; erstere wurde von DREJER!) sechs Jahre 
später unter dem Namen St. Behen zur eigenen Art erhoben, 
von letzterer eine in Dänemark vorzugsweise vorkommende 
niedrige Form als St. rariflora beschrieben. Die Darstellung 
in der Monographie von BoiIssier?) schlielst sich im wesent- 
liehen an REICHENBACH an, nur dafs er dessen drei Arten als 
Varietäten unter dem Namen St. Limonium vereinigt und 
daneben St. bahusiensis, wenn auch mit einigen Bedenken, 
als eigene Art aufführt; die übrigen von BoıssIErR in unserer 
Gruppe unterschiedenen, zum grolsen Teil neu aufgestellten 
Arten sind entweder amerikanisch oder gehören zum Formen- 
kreis der St. Gmelini. Später hat allerdings Bo1ssıer°) 
seine Meinung insofern geändert, als er seine früheren Varie- 
täten «a. genuina (= St. Limonium Rehb.) und y. macroclada 
(= St. serotina Rehb.) einfach als Synonyme zu St. Limonium 
aufführt, so dafs er also diesen Namen in erster Linie eben- 
falls auf die südeuropäische Form bezieht und die nord- 
europäische als besondere var. Behen ansieht. Schon vor 
Boissier hatte übrigens REICHENBACH FIL.*) einen ähnlichen 
Schritt getan, indem er (abgesehen von St. bahusiensis) nur 
noch zwei Arten, die nordeuropäische St. Pseudolimonium 5) 
und die südeuropäische St. serotina unterscheidet, so dals hier 
also, wie es schon FrıEs vorgeschlagen hatte, der Name St. 
Limonium ganz fallen gelassen wird. Ähnlich ist auch die Dar- 
stellung bei JAnKA®) nur mit der Abweichung, dals dieser für 
die nordeuropäische Form den Linx&schen Namen beibehält, 
wie es ähnlich z. B. schon GRENIER und GODRON’’) getan hatten. 

Was nun zunächst die an den Küsten des nördlichen 
Mitteleuropa vorkommenden Formen der St. Limonium an- 


!) Drejer, Fl. exceurs. hafn. (1838) 122. 

2) Boissier in DC. Prodr. XII (1848) 644— 645. 

°) Boissier, Fl. orient. IV (1879) 858 — 859, 

*) Reichenbach fil., Ic. Fl. Germ. et Helvet. XVII (1855) 62. 

°) Die zugehörige Tafel trägt merkwürdigerweise den Namen 
St. Behen, obwohl im Text die Priorität des Namens St. Pseudolimonium 
ausdrücklich betont wird. 

°) Janka, Plumbaginaceae europaeae in Termöszetrajzi Füzetek 
VI. 1 (1882) und Engl. Bot. Jahrb. IV (1883) 117—125. 

‘) Grenier et Godron, Fl. de France II (1850) 739 —740. 


26* 


404 WALTHER WANGERIN, [4] 


geht, so können dieselben als in Habitus und Charakteren 
verhältnismälsig konstant bezeichnet werden. Die Höhe 
der Pflanzen beträgt im allgemeinen 20—40 em; zwergige 
Exemplare sind gelegentlich nur 7—12 em hoch. Die 
Blätter sind lang elliptisch bis umgekehrt lang eiförmig 
oder lanzettlich, durehsehnittlich 21/),—3!/,mal so lang als 
breit, seltener erheblich schmäler; die Länge des Stieles 
beträgt gewöhnlich !/, bis 1/, von derjenigen der Spreite, 
doch habe ich auch Exemplare mit fast sitzenden Blättern 
gesehen, andererseits aber auch solche, bei denen der Blatt- 
stiel ungefähr die Länge der Spreite erreichte. Der blatt- 
lose, stielrunde Schaft ist etwa von der Mitte an wiederholt 
gabelig verzweigt; die primären Äste, die nicht allzu weit 
voneinander entspringen, gehen unter einem ziemlich spitzen 
Winkel ab, sie sind steif aufrecht und gewöhnlich gerade, 
nur am Ende etwas nach aulsen gebogen. Auch die 
sekundären Äste, welehe entweder selbst oder erst an den 
Auszweigungen dritter Ordnung die Blüten tragen, sind 
einander ziemlich genähert und gerade aufrecht; die blüten- 
tragenden Äste, welehe die „Spieulae“ in diehter, regelmälsig 
zweizeiliger Anordnung zu 1—2 em langen kleinen Ähren 
vereinigt tragen, sind ziemlich diek und ebenfalls aufrecht 
oder nur wenig gebogen. Die Gesamtinfloreszenz ist daher 
in der Regel eine dichte, wenig ausgebreitete, ebensträulsige 
Rispe. Die Spieulae sind zumeist zweiblütig; die äufsere 
Braktee, aus deren Achsel die Spieula entspringt, ist 
mindestens halb so lang wie die obere, die Blüten um- 
schlielsende oder noch etwas länger, von lang eiförmiger 
Gestalt, zugespitzt oder meist deutlich mukronat, mit 
schmalem bis mälsig breitem Hautrand und auf dem Rücken 
mit starkem, diekem Kiel versehen; die mittlere Braktee 
ist von gleicher Länge wie die untere, und mit Ausnahme 
des gekielten Rückennerven wie bei fast allen Arten der 
Gruppe vollständig hyalin; auch an der obersten Braktee ist 
der Rückennerv bisweilen etwas gekielt, und fast bis zum 
oberen Rande durehgezogen, der Hautsaum ist mälsig breit 
und meist von weilslicher Farbe. Der Kelch ist 7 mm lang; 
sein weilshäutiger, bisweilen etwas blau überlaufener Saum 
ist reichlieh halb so lang wie die Röhre, die Zipfel sind 


[5] Über den Formenkreis der Staticee Limonium ete. 405 


grols, dreieckig bis lanzettlich und spitz, in den Buchten 
zwischen ihnen befinden sich (wie bei den meisten Arten der 
Gruppe) noch fünf sehr kleine, kaum !/, so lange Zähnchen. 
Die Behaarung der Kelehröhre beschränkt sich in der Regel 
auf die beiden inneren Rippen. Die blauviolette Blütenkrone, 
deren Zipfel nur am Grunde zusammenhängen, überragt 
den Kelch um ca. 3 mm. 

Wie schon bemerkt, ist der geschilderte Normaltypus 
ziemlich konstant, wenn auch im einzelnen der Habitus 
geringe Abweichungen aufweist, was zum Teil wohl durch 
die Standortsverhältnisse bedingt sein dürfte. Exemplare 
mit höherem, reicher verästeltem Schaft, mit verlängerten, 
zum Teil bogig abstehenden oder spreizenden Ästen, welche 
eine etwas lockere, subpyramidale Rispe bilden, sind als 
var. pyramidalis Syme beschrieben werden; ein grölserer 
systematischer Wert dürfte derselben nicht zukommen, da 
zwischen solehen Exemplaren und den typischen alle mög- 
lichen Übergänge an demselben Standort beobachtet werden. 
Von gröfserem Interesse ist die als var. hallandica von NEU- 
MAN!) beschriebene Pflanze. Dieselbe zeichnet sich vor 
allem dadurch aus, da/s der Schaft nur an seiner Spitze 
verzweigt ist und die primären Äste alle dicht beieinander 
entspringen; der blütenlose Teil dieser Zweige ist auffallend 
kurz, die äulseren Blütenäste sind nach aulsen gebogen, 
die übrigen schräg aufsteigend bis aufrecht. Die Corolle 
überragt den Keleh nur um 1 mm; die Kelchnerven ver- 
schwinden bereits unterhalb der Basis der Zipfel, während 
sie gewöhnlich bis in die Zipfel hinein zu verfolgen sind. 
Die Blätter sind stark sukkulent, nur doppelt so lang als 
breit und sehr lang gestielt (Stiel länger als die Spreite); 
der Schaft ist 15—25 em hoch. Aufser in Schweden soll 
diese Varietät auch in Dänemark und auf den nordfriesischen 
Inseln vorkommen. 

Von sonstigen Abweichungen bezüglich der Blüten- 
verhältnisse erwähne ich noch ein Exemplar aus Varel in 
Oldenburg (Herb. Berlin), bei dem der Kelchsaum tief zer- 
schlitzt und die Zipfel sehr schmal lanzettlich waren. 


!) Neuman, Bot. Not. (1897) 203. 


406 WALTHER WANGERIN, [6] 


Die Gesamtverbreitung der Form erstreekt sich über die 
deutsche Nord- und Ostseeküste (hier bis nach Mecklenburg 
und Vorpommern), Dänemark, Südskandinavien, England 
und Sehottland (scheint in Irland zu fehlen), Holland, 
Belgien, die französische Kanal- und Ozeanküste und Nord- 
spanien.!) 

In den Blütenverhältnissen stimmt St. bahusiensis im 
wesentlichen mit der vorigen überein, nur ist die untere 
Braktee etwas schwächer gekielt und nur zugespitzt, nicht 
mukronat, und sind meist alle Kelehrippen behaart; die 
Blüten wie die ganzen Spieulae sind meist noch etwas 
srölser (Keleh 8—9 mm lang). Auch zeichnet sich die 
Pflanze dadurch aus, dafs der Hautrand der Brakteen und 
der Kelehsaum lebhaft purpurrot überlaufen sind. Die Unter- 
schiede der St. bahusiensis gegenüber der St. Limonium- 
Form des nördlichen Mitteleuropa beruhen im wesentlichen 
auf dem Habitus der Infloreszenz. Der Schaft, der nicht 
stielrund, sondern etwas kantig ist, ist gewöhnlich von der 
Mitte, seltener fast vom Grunde an verästelt; die primären 
Äste sind schräg nach aufwärts abstehend, ziemlich steif 
und gerade; das gleiche gilt auch von den Blütenzweigen 
(Äste zweiter oder dritter Ordnung), welehe verlängert (bis 
5 em lang), ziemlich diek und steif und meist nur wenig 
gebogen sind; die regelmälsig zweizeilig angeordneten 
Spieulae stehen an ihnen sehr locker und (besonders die 
unteren) weit voneinander entfernt. 

Auch diese Pflanze ist wenig veränderlich, fast nur die 
Höhe und die Gröfse der Blätter variieren in stärkerem 
Mafe. Während die normale Pflanze (var. «. boreals Fries) 
20—40 em hoch und ziemlich reich und locker verästelt ist, 
kommen in Dänemark vorwiegend, doch auch in den übrigen 
Teilen des Verbreitungsgebietes niedrige Formen von 7—12 em 
Höhe mit entsprechend kleineren Blättern (nieht über 4 em 
lang und 1'!/, em breit) und sehr viel weniger reich ver- 
ästelter und minder reichblütiger Rispe vor. Auf solche 
Formen bezieht sich in erster Linie der Name S$t. rariflora 
Drejer (= St. bahusiensis var. ß. danica Fries), der indessen 


!) Nach Wilk. et Lange, Prodr. Fl. Hisp. II (1870) 380, 


[7] Über den Formenkreis der $tatice Limonium ete. 407 


nach NEUMAN!) den DrEJERSschen Originalexemplaren zufolge 
daneben auch noch den Bastard zwischen St. Limonium 
und bahusiensis umfalst, weshalb jener Autor für die frag- 
liche Pflanze die neue Bezeichnung St. bahusiensis form. nana 
eingeführt hat. 

Die Verbreitung der St. bahusiensis erstreckt sich über 
Dänemark (südliehster Standort auf der Insel Aarö an der 
Ostküste von Schleswig), Südskandinavien, England, Schott- 
land, Irland und Nordfrankreich. 

Zwischen St. Limonium und St. bahusiensis existiert, 
wie schon bemerkt, ein Bastard, der von SALMoN?) unter 
dem Namen Limonium Neumani beschrieben worden ist 
und diesem Autor zufolge in England, Schottland, Dänemark 
und Schweden vorkommt. Die Hybride ist im Habitus 
ziemlich wechselnd, doch schliefst sie sich zumeist mehr an 
die St. bahusiensis an; der Schaft ist bald etwas kantig, 
bald ziemlich stielrund, bald fast vom Grunde an, bald nur 
an der Spitze verzweigt und bildet eine unregelmälsige 
Rispe, deren Äste bald aufrecht abstehend, bald mehr 
oder weniger gebogen sind. Die Blütenzweige sind länger 
als bei St. Limonium, jedoch kürzer als bei St. bahusiensis, 
die Spieulae einander mehr genähert als bei letzterer, jedoch 
nicht imbrikat. Keleh und Brakteen sind ähnlich wie bei 
St. bahusiensis purpurn überlaufen. Der Pollen ist oft normal 
entwickelt, während die Frucht meist fehlschlägt. 


In viel höherem Malse variabel als die beiden vorigen 
sind die im Mediterrangebiet vorkommenden Formen der 
St. Limonium, welche habituell von den nordeuropäischen 
in der Regel recht erheblich abweichen. Die Rispe ist stets 
sehr viel stärker ausgebreitet und viel weniger dieht, auch 
allermeist nicht korymbos, sondern + unregelmäfsig, bisweilen 
fast besenartig. Es ist das vor allem dadurch bedingt, dafs 
die primären Äste der Rispe weit voneinander entfernt sind, 
vom Hauptschaft stark abstehen und viel mehr in die Länge 
gestreckt sind als bei der nordeuropäischen St. Limonium; 
sie sind in der Regel stark nach aulsen gebogen, zuletzt 

1) Neuman, Sveriges Fl. (1901) 205. 

2) Salmon in Journ. of Bot. XLII (1904) 361—363, tab. 466. 


408 WALTHER WANGERIN, [8] 


fast wagerecht oder sogar nach unten gekrümmt, seltener 
schräg aufsteigend und nur wenig gebogen. Auch die 
sekundären Äste sind meist sehr locker und ziemlich weit 
voneinander entfernt; sie sind allermeist bogig aufsteigend, 
seltener ziemlich gerade aufwärts von den primären Ästen 
abstehend. Sehr wechselnde Verhältnisse herrschen bezüglich 
der blütentragenden Äste; es sind dies in den unteren Teilen 
der Rispe gewöhnlich die Zweige dritter bis vierter Ordnung, 
während in den oberen Teilen (sowie auch gegen das Ende 
der primären Äste hin), wo die Verzweigung allmählich 
ärmer wird, auch bereits die Zweige niedrigerer Ordnung 
Spieulae tragen. Bald sind die sekundären Äste reich ver- 
ästelt, so dafs die Blütenzweige, welche dann ziemlich kurz 
und zur Seite gebogen bis bogig aufstrebend sind, an ihrem 
Ende kleine, bald sehr lockere, bald etwas diehtere Eben- 
sträulse bilden; oder aber die sekundären Äste sind nur 
wenig verästelt und dafür die einzelnen Blütenzweige lang 
(bis 4 em) und stark nach aufsen gebogen. Ebenso ist 
auch die Dichtigkeit der Spieulae an den einzelnen Blüten- 
zweigen eine wechselnde; meist sind sie einander ziemlich 
genähert oder sogar + imbrikat, bisweilen aber auch sind 
sie ziemlich locker angeordnet. Übrigens sei bemerkt, dafs 
das mehr oder weniger dichte Aussehen der Blütenzweige 
nicht nur abhängig ist von dem gegenseitigen Abstand der 
primären Brakteen, aus deren Achseln die Spiculae ent- 
springen, sondern auch von der Zahl der in jeder Spieula 
enthaltenen Blüten; dieselbe beträgt in der Regel drei bis 
zwei, in den letzten Spieulae kommt oft auch nur eine Blüte 
zur Entwieklung; doch sah ich z. B. im Breslauer Herbar 
ein von Weiss in Brioni gesammeltes Exemplar mit fünf- 
bis dreiblütigen Spieulae, bei dem infolgedessen die Blüten- 
zweige ein ungewöhnlich kompaktes Aussehen hatten. 
Infolge der angeführten Verhältnisse ist der Gesamt- 
habitus der Infloreszenz ein ziemlich wechselnder, und dieser 
Umstand ist es wohl in erster Linie, der, worauf bereits 
oben hingewiesen wurde, seinerzeit REICHENBACH und ihm‘ 
folgend Boissıer zu dem Versuch veranlafst hat, eine Schei- 
dung der mediterranen Formen in zwei Arten resp. Varietäten 
vorzunehmen. Dals ein solcher Versuch aussichtslos ist, 


[9] Über den Formenkreis der Statice Limonium- ete. 409 


dürfte aus den vorstehenden Angaben über die Mannig- 
faltigkeit der vorkommenden Formen zur Genüge hervor- 
gehen. REICHENBACH stützte sich allerdings bei der Unter- 
scheidung seiner beiden Arten nicht nur auf den Habitus 
der Infloreszenz, sondern auch noch auf ein zweites Merk- 
mal, nämlich die Insertion des Mukro am Ende des Blattes, 
ob derselbe direkt aus der Spitze oder auf der Unterseite 
etwas unterhalb der Spitze aus der Mittelrippe entspringt; 
indessen ist mit diesen Merkmal noch weniger anzufangen, 
da in dieser Hinsicht sogar an den Blättern eines und des- 
selben Stockes Verschiedenheiten begegnen. Auffällig ist 
es übrigens, dafs REICHENBACH in seinen Exsikkaten unter 
Nr. 1516 als St. scoparia eine Pflanze von Zaule bei Triest 
ausgegeben hat, die mit seiner St. serotina völlig überein- 
stimmt, während die von ihm als St. scoparia beschriebene 
und abgebildete Pflanze zum Formenkreis der St. Gmelini 
gehört. Ferner sei in diesem Zusammenhange auch gleich 
erwähnt, dals es für die REICHEnBACHsche St. serotin« 
einen älteren Namen gibt, St. angustifolia Tausch, den z. B. 
KERNER aus Prioritätsgründen in der „Flora austro-hungariea 
exsieeata“ (Nr. 255, von Zaule bei Triest) angenommen hat. 
Indessen ist die Originaldiagnose von Tausch!) so kurz 
gefalst, dals eine Identifizierung fast nur auf Grund der 
beigefügten Standortsangabe (österreichisches Litorale) mög- 
lich ist; vor allem aber fällt der Umstand ins Gewicht, dafs 
die von Tausch beschriebene Pflanze nur eine spezielle, 
durch besonders lange und schmale Blätter ausgezeichnete 
Form darstellt. Allerdings haben die meisten Exemplare 
gerade aus dem österreichischen Küstenland lang gestielte 
(Stiel 1/, bis ?/; so lang wie die Spreite), lang gestreckte, 
schmal oblonge bis lanzettliche Blätter (Spreite vier- bis 
fünfmal so lang als breit); indessen liegen mir daneben in 
nieht geringer Zahl auch Exemplare mit kürzer gestielten, 
bisweilen fast sitzenden und breiteren elliptischen Blättern 
vor; ich halte daher den Namen St. angustifolia zur Be- 
zeichnung des gesamten mediterranen Formenkreises für 
ungeeignet. 


!) Tausch, Syll. pl. nov. Ratisbon. II (1825) 254. 


410 WALTHER WANGERIN, [10] 


Wie sehon bemerkt, sind die habituellen Unterschiede 
zwischen der süd- und der nordeuropäischen Form der 
St. Limonium im allgemeinen recht typisch und deutlich 
ausgeprägt, und ebenso wie bei den Formen von den Küsten 
des nördlichen Mitteleuropa nur selten habituelle Anklänge 
an die südeuropäischen Exemplare zu verzeichnen sind, so 
habe ich auch umgekehrt aus dem Mediterrangebiet unter 
der grolsen Zahl der von mir untersuchten nur wenige Exem- 
plare gesehen, welche sich habituell der nordeuropäischen 
Form stärker nähern. Eine solche Übergangsform hat 
mir z. B. vorgelegen aus San Sebastian; bei derselben war 
zwar die Rispe lockerer und stärker ausgebreitet als es bei 
der nordeuropäischen Form in der Regel der Fall zu sein 
pflegt, andererseits aber waren die primären Äste steiler 
und weniger bogig ansteigend und auch die Blütenäste mehr 
aufrecht als man es bei den mediterranen Formen gewöhnlich 
antrifft. Ebenso zeigten auch bei einem Exemplar von 
Aigues mortes (Südfrankreich) die Partialinfloreszenzen eine 
der nordeuropäischen Form ähnliche Gestaltung und war 
die Gesamtrispe ziemlich ebensträufsig. Übrigens bemerkt 
PosricHAL,!) dals zwar die grolse Mehrzahl der sich im 
österreichischen Küstengebiet findenden Pflanzen infolge der 
weitschweifig ausgespreizten Äste und der schmalen Blätter 
ein von der gedrungenen St. Limonium der nördlichen See- 
küste stark verschiedenes Aussehen besitze, dals aber auf 
schlammig-brackigem Boden gelegentlich Stöcke vorkommen, 
die sich durch steifen und niedrigeren Wuchs, breit ovale 
Grundblätter und mehr straff aufrechte Äste der nördlichen 
Form sehr nähern, so dals er die Vermutung ausspricht, 
die südliehe Form sei vielleicht nur eine durch warmen, 
trockenen Boden erzeugte Varietät. 

Was den Bau der Spieulae und der Blüten bei der 
südeuropäischen Form angeht, so ist die primäre untere 
Braktee in der Regel breit eiförmig mit deutlichem Kiel 
auf dem Rücken, mit kurzer Stachelspitze und ziemlich 
breitem Hautrand; auch die oberste Braktee ist gewöhnlich 
mit recht breitem Hautsaum versehen. Die Längenverhält- 


!) Pospichal, Fl. des österr. Küstenlandes II (1898) 464 —465. 


[11] Über den Formenkreis der Statice Limonium ete. 411 


nisse der Brakteen sind nicht absolut konstant, doch ist 
allermeist die untere deutlich kürzer als die halbe obere, 
oft nur !/, so lang wie diese und die mittlere Braktee 
deutlich länger (bis doppelt so lang) als die untere; nur 
selten ist die untere Braktee ziemlich halb so lang wie die 
obere. Die Behaarung der Kelchrippen ist auch hier recht 
wechselnd; bald sind alle Rippen ziemlich dieht abstehend 
behaart (z. B. bei dem Exemplar der Fl. austr.-hung. exsice. 
n. 255, ferner auch bei algerischen Exemplaren u. a. m.), 
bald sind es nur zwei Rippen, die eine deutliche Behaarung 
aufweisen (z. B. bei dem Exemplar von F. Schultz, Herb. 
norm. n. 324), bald ist auch bei diesen die Behaarung sehr 
schwach und nur. auf die Basis beschränkt. Die Länge des 
Kelehes beträgt durchschnittlich 6—7 mm, die Blüten sind 
also nur wenig kleiner als bei der nordeuropäischen Form, 
bisweilen auch ebenso grols; die Kelchzipfel sind grols, bald 
etwas breit eiförmig-dreieckig und akuminat, bald mehr 
lanzettlich, stets aber spitz; die Farbe des Kelehsaumes ist 
bald rein weils, bald mehr oder weniger blauviolett über- 
laufen. 

Es verbleiben nun noch einzelne stärker abweichende 
Formen hervorzuheben, soweit solche bei der in vielen Einzel- 
heiten bestehenden grolsen Variabilität und der dadurch 
bedingten Formenfülle besondere Erwähnung verdienen. In 
habitueller Hinsicht auffällig war ein Exemplar, das in der 
„Flora lusitanica exsieeata“ unter Nr. 686 ausgegeben worden 
ist, dadurch, dals die einzelnen Glieder des Hauptschaftes 
sehr stark winklig hin und her gebogen sind; es ist dies 
eine Erscheinung, die bei manchen Statice-Arten besonders 
gegen das Ende der primären Seitenäste hin nicht selten 
sich findet, die ich aber am Hauptschaft selbst nirgends so 
stark ausgeprägt gesehen habe und die bei Arten unserer 
Gruppe überhaupt nur selten und in geringem Malse sich 
findet; die Seitenzweige, sowohl die primären als die sekun- 
dären, waren bei dem fraglichen Exemplar stark gekrümmt, 
die Blütenzweige verhältnismälsig robust, ebenfalls sehr stark 
gekrümmt, die Spieulae sehr dieht. Bemerkenswerter ist 
noch ein Exemplar (Herbar de Candolle), das von Brunı 
bei Barletta gesammelt worden ist; zwar war der Gesamt- 


412 WALTHER WANGERIN, [12] 


aufbau der Rispe vom Typus nieht abweichend, dagegen 
waren die bogig aufsteigenden blütentragenden Zweige sehr 
verlängert (4—8 cm) und die Spieulae sehr weit voneinander 
entfernt, so dals die Pflanze, die sich auch durch eine un- 
gewöhnlich frühe Blütezeit auszeiehnete (Mai statt Juli bis 
September), sich in ihrem Aussehen der St. bahusiensis 
näherte. Andere ebenfalls von Brunı bei Barletta ge- 
sammelte Exemplare waren durchaus typisch, auch bezüglich 
der Blütezeit; Brunı glaubte daher, in jener fraglichen Pflanze 
eine neue Art vor sich zu haben und hat auch handsehriftlich 
den Namen St. barulensis hinzugefügt, denselben aber allem 
Anschein nach niemals publiziert. Ähnliche Exemplare mögen 
es vielleicht gewesen sein, welehe Rouy!) zu der Angabe 
veranlalt haben, St. bahusiensis komme auch im Mediterran- 
gebiet vor, was ich für vollständig ausgeschlossen halte. 
Auf Grund der grölseren oder geringeren Dichtigkeit der 
Spieulae unterscheidet der genannte Autor noch zwei be- 
sondere Formen als Subsp. aggregata und Subsp. remotziflora, 
die aber nach meinem Dafürhalten keinen grölseren syste- 
matischen Wert besitzen, da, wie schon bemerkt, die Aus- 
gestaltung der Partialinfloreszenzen bei den mediterranen 
Formen eine sehr wechselnde ist und sich zwischen extrem 
dieht- und besonders lockerblütigen Formen eine lückenlose 
Reihe von verbindenden Zwischengliedern herstellen läfst. 
Endlich ist noch zu erwähnen die St. drepanensis Tin., die 
zwar habituell vom Typus nicht abweicht, bei der jedoch 
Sehaft und Blütenzweige warzig rauh sind und die deshalb 
wohl als besondere Varietät aufgeführt zu werden verdient. 

Was die Verbreitungsverhältnisse angeht, so scheint 
unsere Pflanze im mittleren Teil des Mediterrangebietes 
(Südfrankreich, Italien und Sizilien, österreichisches Küsten- 
land bis Dalmatien) am häufigsten zu sein und sowohl gegen 
Westen (Spanien, Portugal) als auch gegen Osten (Griechen- 
land, Mazedonien bis Byzanz) seltener zu werden; aulserhalb 
Europas kommt sie in Algier und Kleinasien (Smyrna) vor. 


!) Rouy, Rev. Bot. System (1903) 167. 


[13] Über den Formenkreis der Statice Limonium ete. 413 


1I. Der Formenkreis der Statice Gmelini. 


Komplizierter noch als bei der St. Limonium liegen die 
Verhältnisse bei dem Formenkreis der St. Gmelini, einmal, 
weil die Zahl der hier unterschiedenen „Arten“ eine be- 
trächtlich gröfsere ist, sodann aber vor allem, weil neben 
der Frage der inneren Gliederung des Formenkreises auch 
noch das Problem der Abgrenzung gegenüber demjenigen 
der eigentlichen St. Limonium hinzukommt. In der Original- 
diagnose von WILLDENOoW!) heist es in dieser Beziehung: 
„Simillima St. Limonio, sed folia firmiora margine non 
plieato undulata, forma eorum obovata, mucro magis dissitus, 
flores duplo minores eonferti, et habitus totius scapi diversus.“ 


Es waren also in erster Linie in der Diagnose nicht 
näher präzisierte Eigentümlichkeiten des Habitus und die 
Kleinheit der Blüten, welche WıLLDEnow zur Aufstellung 
seiner Art veranlalsten. Bo1ssiEr?) fügt noch ein die Be- 
schaffenheit der Primärbrakteen der Spieulae betreffendes 
Merkmal hinzu; in seiner Monographie sagt er über die 
St. Gmelini: „A St. Limonio egregie distineta foliis latioribus 
brevius petiolatis, floribus dimidio minoribus, braeteis in- 
ferioribus fere omnino membranaceis superiore subrotunda“; 
und in der „Flora orientalis“ heilst es ebenfalls: „A 
St. Limonio floribus minoribus, braeteis externis fere omnino 
membranaceis et ealyeis lobis obtusis distineta“, doch spricht 
er hier nieht mehr von „ausgezeichneten“ Unterscheidungs- 
merkmalen, sondern räumt ausdrücklich ein, dals gewisse 
Exemplare hinsichtlich ihrer Zugehörigkeit zu der einen 
oder anderen Art Zweifel zu erwecken imstande seien. 

Vorweg sei bemerkt, dals mit der Gestalt und Kon- 
sistenz der Blätter und der Länge des Blattstieles für die 
Charakterisierung unserer Art wenig anzufangen ist; neben 
kurz gestielten, fast sitzenden Blättern kommen auch solehe 
mit deutlichen Stielen, die bisweilen sogar länger sind als 
die halbe Spreite, vor, und die Gestalt der Spreite ist auch 


ı) Willdenow, Sp. pl.I (1797) 1524. 
2) Boissier in DC. Prodr. XII (1848) 645. 
®) Boissier, Fl. orient. IV (1879) 859. 


414 WALTHER WANGERIN, [14] 


bei nicht kritischen Exemplaren, bald breit umgekehrt 
eiförmig, bald ovat-elliptisch bis oblong; und was die Kon- 
sistenz der Spreite angeht, so sind dick lederartige Blätter 
auch bei den südeuropäischen Formen der St. Limonium 
häufig, während allerdings die nordeuropäische St. Limonium 
meist etwas dünnere Blätter besitzt. Wir können sonach 
die Blattmerkmale von vornherein ausscheiden und uns auf 
die Untersuchung der sonst in Betracht kommenden Charak- 
tere beschränken. 


Da der WıLLprnowsche Name ursprünglich auf sibi- 
rische Exemplare gegründet ist, so wird es berechtigt sein, 
wenn wir mit TRAUTVETTER!) in von dort stammenden 
Exemplaren den eigentlichen Typus der Art erblieken. Mir 
liegen z. B. Exemplare vor, welche von SCHRENK in der 
songorischen Steppe gesammelt worden sind und die auch 
TRAUTVETTER seiner var. iypica zugrunde gelegt hat. Bei 
denselben ist der Schaft kahl, 45—50 eın hoeh und etwa 
von der Mitte an locker und regelmälsig verzweigt; die 
primären Äste sind weit abstehend, anfangs bogig auf- 
steigend, zuletzt fast wagerecht oder sogar nach aulsen und 
unten gekrümmt, die sekundären sind voneinander entfernt 
oder (am Ende der unteren sowie an den kürzeren oberen 
Primärästen) einander. etwas genähert, bogig aufsteigend 
und nur an ihrer Spitze verästelt; die Blütenzweige sind 
dicht zusammengedrängt, stark zur Seite gebogen und 
ziemlich kurz, die Spieulae einander sehr genähert. Infolge- 
dessen erhalten die Partialblütenstände ein überaus charakte- 
ristisches, stark geknäueltes Aussehen; der Umrils der Gesamt- 
rispe ist ziemlich regelmälsig pyramidenförmig. Die Spieulae 
sind zwei- bis einblütig; die primären Brakteen sind von 
breit eiförmiger Gestalt, kurz zugespitzt und auf dem Rücken 
deutlich gekielt; sie sind mit Ausnahme des gekielten Rücken- 
nerven und der Basis zumeist vollständig hyalin und etwa 
1/, so lang wie die nur mit schmalem Hautrand versehene 
obere und wenig mehr als halb so lang wie die mittlere, 
Der Keleh ist 4 mm lang; die ziemlich schlanke Röhre ist 


1) Trautvetter in Bull. phys.-math. Acad. St. Pötersb. XIV, Nr. 16 
(1855) 252. 


[15] Über den Formenkreis der Statice Limonium ete. 415 
nur an den beiden inneren Rippen etwa bis zur Mitte locker 
und kurz abstehend behaart, der Saum ist sehr schmal, die 
Zipfel klein, breit dreieckig, abgerundet; oft sind nur die 
fünf den Rippen entsprechenden Hauptzipfel entwickelt und 
fehlen die intermediären Zähne völlig. Die Farbe des Kelch- 
saumes ist bei neueren Exemplaren regelmälsig hell violett- 
blau, bei älteren dagegen meist verblalst und rein weils. 
Die übrigen sibirischen Exemplare der St. Gmelini, die 
mir vorgelegen haben, stimmten mit der geschilderten Pflanze 
in allen wesentlichen Punkten überein. Als Hauptmerkmale 
für den Typus unserer Art, den wir im Anschluls an Bo1ssIer 
am besten als subspee. genuwina bezeichnen, können wir also 
betrachten in habitueller Beziehung die regelmälsig ver- 
zweigte subpyramidate Rispe mit bogig abstehenden, nicht 
besonders verlängerten primären Ästen und die dicht glome- 
raten Blütensträu/se, hinsiehtlich des Blütenbaues die Kürze 
des Kelches (niemals über 41/;, mm, oft nur 23/,—3!/, mm), 
die Schmalheit des Kelchsaumes und die geringe Grölse 
der Kelehzipfel. Die Verbreitung des Typus scheint nach 
Osten bis ins baikalische Sibirien sich zu erstrecken, während 
ich über die Grenze nach Norden keine genaueren Angaben 
zu machen imstande bin; am häufigsten scheint die Pflanze 
im russischen und in dem westlichen ebinesischen Turkestan 
(Dsungarei, Altai, Kirgbisensteppe usw.) vorzukommen. 
Daneben findet sich St. Gmelini jedoch auch noch im süd- 
lichen und südöstlichen Teil des europäischen Rufslands, in 
Ungarn, Siebenbürgen, der Balkanhalbinsel und Kleinasien 
in zum Teil recht weiter Verbreitung, und bei den aus diesen 
Gegenden stammenden Exemplaren liegen die Verhältnisse 
weit weniger einfach als bei den sibirischen. Am zweck- 
mälsigsten werden wir die Besprechung mit den Exemplaren 
beginnen, welehe wenigstens in habitueller Hinsicht mit der 
typischen Form einigermalsen übereinstimmen. Dies ist z. B. 
zunächst der Fall bei den beiden Exemplaren Nr. 89 und 90 
des Herb. ruthen. von Läng und Szovits aus der Gegend 
von Odessa, von denen das eine als St. Gmelini, das andere 
unter .dem Namen St. scoparia ausgegeben worden ist. Bei 
beiden stehen die Blütenzweige in dichten kleinen Eben- 
sträulsen an der Spitze der Sekundäräste, sie sind allerdings 


416 WALTHER WANGERIN, [16] 


bei Nr. 89 zum Teil etwas länger und dafür weniger zahl- 
reich als bei der typischen subspee. genwina, doch stimmen 
in dieser Hinsicht selbst verschiedene Exemplare derselben 
Nummer nieht völlig überein; ferner kommen, allerdings nur 
vereinzelt und auch nicht regelmäfsig, im unteren Teil der 
Rispe sterile Nebenäste vor. Der Gesamtumrils der Rispe 
ist zumeist nicht so regelmälsig und ausgesprochen pyramidat 
wie beim Typus. Bemerkenswert ist es auch, dals bei 
einem im Herbar Wien befindlichen Exemplar der Nr. 90 
die feineren Infloreszenzzweige etwas warzig punktiert und 
zum Teil fein kurzhaarig sind. Die Blüten sind zum Teil 
etwas grölser als beim Typus (Kelch ca. 5 mm lang); die 
Kelehröhre ist etwas dieker, umgekehrt kegelförmig, eben- 
falls nur an den beiden inneren Rippen behaart; der Kelch- 
saum ist schmal, die Kelchzipfel klein und breit dreieckig, 
jedoch spitz, die intermediären Zähne sind deutlich ent- 
wickelt. Die Beschaffenheit der primären Brakteen ist nicht 
völlig konstant; dieselben sind bei Nr. 89 fast völlig hyalin, 
bei Nr. 90 dagegen ist nur ein ziemlich breiter hyaliner 
Saum vorhanden und der Rücken krautig. Auch bei den 
übrigen südrussischen Exemplaren, so weit sie durch den 
Besitz dieht glomerater Partialinfloreszenzen ausgezeichnet 
sind, halten sieh die Abweichungen in denselben engen 
Grenzen; besonders erwähnt sei daher nur noch ein Exemplar 
aus Bessarabien (Herb. Wien, leg. Marsch. v. Bieberstein), bei 
dem an den unteren primären Ästen der Rispe die meisten 
Sekundärzweige steril sind und nur die äulsersten kleine 
diehte Ebensträulse von Blütenzweigen tragen, sowie ein 
anderes gleichfalls von M. v. BIEBERSTEIN gesammeltes 
Exemplar aus Taurien mit etwas grölseren Kelchzipfeln und 
Primärbrakteen, die nur einen schwachen Hautrand besitzen. 

Auch die überwiegende Mehrzahl der ungarischen und 
siebenbürgischen Exemplare stimmen habituell mit der mehr 
oder weniger ausgeprägt pyramidaten Rispe und den kurzen, 
in dichten glomeraten Ebensträufsen an der Spitze der 
Sekundärzweige vereinigten Blütenzweigen gut mit der 
typischen St. Gmelini überein. Aber auch hier erweist sich 
die Beschaffenheit der Primärbrakteen sowohl als auch die 
Ausbildung des Kelches und die Blütengröfse als nicht 


[17] Über den Formenkreis der Statice Limonium ete. 417 


konstant. Z. B. ist an dem Exemplar von F. Schultz, Herb. 
norm. Nr. 1213 (Umgebung von Budapest) der Kelch zwar 
nur 4 mm lang, die Zipfel aber sind grofs (reichlich die 
Hälfte des Saumes einnehmend), von ähnlicher Gestalt wie 
bei St. Limonium und sehr spitz; dagegen zeigen Exemplare 
von den Bittersalzquellen bei Hunyadi Janos zwar etwas 
gröfsere Blüten (Kelch 3°/, mm lang), dagegen sind die 
Kelchzipfel klein und wenig spitz. Ähnliche Schwankungen 
kommen auch bei den übrigen ungarischen und sieben- 
bürgischen Exemplaren vor; in der Mehrzahl der Fälle sind 
allerdings die Kelchzipfel klein, breit und wenig spitz, 
während die Länge des Kelches zwischen 4 und 5!1/, mm 
schwankt und die Kelehröbre zumeist ausgeprägt obkonisch 
und ziemlich weit ist; so extrem kleinblütige Formen wie 
die sibirischen habe ich überhaupt bei dem ganzen mir 
vorliegenden europäischen Material der St. Gmelini nicht 
wieder angetroffen. Die Ausbildung der Gesamtrispe ist 
nieht immer so regelmälsig pyramidat; die Primärbrakteen 
sind bald ganz hyalin, bald auf dem Rücken ziemlich breit 
krautig und nur von einem + breiten Hautrand umsäumt. 
Die gleichen Eigenschaften wie die ungarischen und sieben- 
bürgischen zeigen auch Exemplare aus Serbien, die mir 
vorgelegen haben. 


Neben der St. Gmelini beschreibt nun WILLDENOW!) 
unter dem von Partas herrührenden Namen St. scoparia 
noch eine zweite Art, von der es in der Diagnose heilst: 
„Simillima St. latifoliae, sed non pilosa et scapi fere ut in 
St. Limonio; pagina foliorum inferior punetis parvis elevatis 
lente tantum conspieuis est tecta.*“ Nach Boıssıer soll 
allerdings das Exemplar der St. scoparia aus dem WILLDE- 
nowschen Herbar mit dem der St. Gmelini völlig überein- 
stimmen, während die Beschreibung bei aller Kürze doch 
wohl keinen Zweifel lälst, dafs WILLDENow eine von der 
St. Gmelini vor allem habituell stark abweichende Pflanze 
im Sinne hatte; wie dieser Widerspruch zu erklären ist, 
läfst sich nicht mehr aufhellen, immerhin aber glaube ich, 


1) Willdenow, Spee. pl. I (1797) 1524. 
2) Boissier in DC. Prodr. XIII (1848) 646. 
Zeitschr. f. Naturwiss. Hallea. 8. Bd. 82. 1911. 37 


418 WALTHER WANGERIN, [18] 


mit TRAUTVETTER!) den sehr bezeicehnenden Namen St. sco- 
paria nicht fallen lassen und durch den Boıssıerschen var. 
laxıflora ersetzen zu sollen, zumal jener Name — abgesehen 
von WILLDENOW — bereits vor Boissıer von anderen 
Autoren?) in dem gleichen Sinne wie die von BoIssIER 
geschaffene Benennung gebraucht worden ist. Der Be- 
schreibung der hierher gehörigen Formen möge etwa zugrunde 
gelegt werden das Exemplar von Callier, Iter taurieum 
seecundum Nr. 305. Bei demselben ist der Schaft ungefähr 
vom unteren Drittel an locker verästelt; die primären Äste 
sind bogig abstehend und aufsteigend bis nach aulsen zurück- 
gekrümmt oder unregelmälsig hin und her gebogen und 
ziemlich stark verlängert; die Blütenzweige bilden an der 
Spitze der bogig abstehenden und aufsteigenden Sekundär- 
äste kleine, lockere Ebensträufse; sie sind kurz, zur Seite 
gekrümmt oder halb aufrecht und tragen die Spieulae in 
lockerer, zumeist einseitswendiger Anordnung. Letztere sind 
zumeist nur einblütig; die primäre Braktee ist fast ganz 
hyalin, die obere mit ziemlich breitem Hautrand versehen. 
Der Kelch ist 41/,—5 mm lang, seine Röhre an zwei oder 
drei Rippen schwach behaart, der Saum wenig erweitert 
und ziemlich schmal, hellviolett überlaufen, mit ziemlich 
grolsen, stumpfen, dreieckigen Zipfeln; die intermediären 
Zähne ‘sind fast halb so grols wie die Hauptzipfel. Teil- 
weise noch stärker verästelt sind Exemplare, die Hohen- 
acker (Unio itineraria 1838) bei Kumbaschinsk in der 
Provinz Talysch am Kaspischen Meer gesammelt hat. Der 
Schaft ist hier vielfach fast vom Grunde an verästelt und 
bildet eine sehr stark ausgebreitete, unregelmälsig besen- 
förmige Rispe mit langen, weit abstehenden, gebogenen und 
sehr stark verzweigten Ästen; die kurzen Blütenzweige 
bilden kleine lockere Ebensträulse; die Spieulae sind einander 
zum Teil etwas melır genähert, zum Teil auch ziemlich 
locker. Die untere Braktee ist ziemlich hyalin; der Keleh 
ist 31/,—41/, mm lang, der Saum ist schmal, die Zipfel 
bald klein, bald ziemlich ansehnlich, bald abgerundet, bald 

1) Trautvetter, ]. ec. 253— 254. 

2) Z.B. von Lessing, Beitr. z. Fl. d. südl. Ural u. d. Steppen in 
Linnaea IX (1835) 196. 


[19] Über den Formenkreis der Statice Limonium ete. 419 


spitz, zum Teil sogar an verschiedenen Blüten derselben 
Pflanze nicht ganz gleichmälsig gestaltet. Diese Exemplare 
waren es, auf die Boıssıer!) hauptsächlich seine St. Meyer: 
gegründet hat, welche zwischen St. Limonium und St. Gmelini 
gewissermalsen eine Mittelstellung einnimmt; später?) jedoch 
hat er diese Art wieder eingezogen und mit seiner var. law:- 
flora vereinigt. Neuerdings hat SaLmon®) den Namen als 
var. Meyeri wieder hergestellt und dazu aulser den be- 
schriebenen russischen auch gewisse griechische Exemplare 
gezogen, die aber, worauf weiter unten noch zurückzukommen 
sein wird, mit jenen in wesentlichen Punkten nieht überein- 
stimmen und eine besondere selbständige Form der St. Gmelini 
darstellen. 

Die Unterschiede der subspee. scoparia gegenüber der 
typischen St. Gmelini sind also wesentlich habitueller Natur; 
sie liegen vor allem begründet in dem unregelmälsig besen- 
artigen Gesamtcharakter der aulserordentlich stark ver- 
ästelten Rispe mit ihren sehr stark verlängerten und weit 
abspreizenden Zweigen, den lockere Ebensträufse dar- 
stellenden Partialinfloreszenzen und der etwas lockeren An- 
ordnung der Spieulae. Hinsichtlich der Blütencharaktere 
hingegen lälst sich ein positives Unterscheidungsmerkmal 
nicht angeben; es kommen hier bezüglich der Blütengröfse 
wie der Gestalt und Grölse der Kelchzipfel dieselben 
Sehwankungen vor, die schon bei den europäischen Exem- 
plaren der subspee. genwina zu verzeichnen waren. Ich 
vermag TRAUTVETTER?) nieht beizustimmen, wenn er zur 
Charakterisierung seiner var. scoparia gegenüber der var. 
typica nur ganz geringfügige Differenzen des Blütenbaues 
(Blüten etwas gröfser, Kelehsaum deutlich zehnzähnig) als 
malsgebend ansieht und und im übrigen habituell ganz ver- 
schiedene Formen in seiner var. scoparia vereinigt; denn 
wenn auch bei den sibirischen Formen der St. Gmelini die 
intermediären Kelehzähne meist nur sehr schwach entwickelt 
sind, so fehlen sie doch durchaus nieht immer gänzlich; mir 


!) Boissier in DC. Prodr. XII (1848) 645. 

®) Boissier, Fl. orient. IV (1879) 859. 

°) Salmon in Journ. of Bot. XLVIH (1909) 288. 
% Trautvetter, \.c. 253—254. 


27* 


420 WALTHER WANGERIN, [20] 


scheint daher jenes Merkmal zur Gliederung des Formen- 
kreises ungeeignet und ich glaube den Charakter der In- 
floreszenz für die Unterscheidung in den Vordergrund stellen 
zu müssen. Aulser aus dem südliehen und südöstlichen 
europäischen Rufsland haben mir Exemplare der subspee. 
scoparia z. B. vorgelegen aus der Dobrudscha (Sintenis Nr. 201 
und 202), Rumänien, Transkaspien (Sintenis, Iter transcasp.- 
pers. Nr. 1307) und Nordpersien (leg. Szovits). Die letzteren 
Exemplare weichen allerdings von der gewöhnlichen Form 
der subspee. scoparia dadurch ab, dals die Verästelung der 
Rispe, deren sämtliche Zweige sehr schlank und dünn sind, 
eine regelmälsigere und infolgedessen ihr Umrifs ein sub- 
pyramidater ist; auch sind die Blütenäste an den bogig 
aufstrebenden Sekundärzweigen sehr regelmälsig angeordnet, 
stark zur Seite gebogen und gar nieht oder nur sehr wenig 
verästelt, so dafs auch die Partialinfloreszenzen im Umrifs 
pyramidenförmig erscheinen; die Spieulae sind mäfsig dieht 
bis etwas locker 'angeordnet, die Blüten sehr klein (Kelch 
kaum 4 mm lang), die Kelehzipfel klein und abgerundet. 
Es dürfte dementsprechend angemessen sein, die fragliche 
Pflanze als besondere var. gracilis der subspee. scoparia 
unterzuordnen. Nebenbei sei bemerkt, dafs im nördlichen 
Persien auch die subspee. genwina vorkommt; z. B. gehört 
zu ihr ein von Buuse in der Provinz Ardebil gesammeltes 
Exemplar mit sehr diehten, ausgerprochen glomeraten Partial- 
infloreszenzen und ebenfalls sehr kleinen Blüten. 

Schon oben wurde erwähnt, dafs SALMON zu seiner 
var. Meyeri, welche hinsichtlich der russischen Exemplare 
im wesentlichen unserer subspee. scoparia entspricht, auch 
noch gewisse griechische Exemplare zieht, welche von 
Phaleron in Attika stammen und von ORPHANIDES (Fl. graec. 
exsiee. Nr. 266) und v. HELDREICH (Herb. graec. normale 
Nr. 495) unter dem Namen St. Limonium var. macroclada 
ausgegeben worden sind. Auch Haracsy!) zieht die frag- 
lichen Exemplare zu St. Limonium, wohl im Anschluls an 
Boissier, der zwar in seiner Monographie seine St. Meyeri 
auch — obsehon mit einigen Bedenken — für Griechenland 


ı) Halacsy, Consp. Fl. graee. III (1904) 16—17. 


[21] Über den Formenkreis der Statice Limonium ete. 421 


angibt, in der „Flora orientalis“ jedoch, wo er ja den Namen 
St. Meyeri ganz fallen lälst, die betreffende Angabe aus- 
drücklich auf St. Limonium bezieht. Nun hat Sarmon aller- 
dings recht, wenn er darauf hinweist, dafs die fraglichen 
Pflanzen nicht zu St. Limonium gehören, sondern dem 
Formenkreis der St. Gmelini zugerechnet werden müssen. 
Das ergibt sich mit voller Deutlichkeit aus der geringen 
Gröfse der Blüten (Keleh nur 4 mm lang), der Schmalheit 
des Kelehsaumes und der äulserst geringen Gröfse der spitz- 
lichen Kelehzähne. Dagegen vermag ich der von SALMON 
vorgenommenen Vereinigung jener Pflanzen mit den oben 
ausführlich beschriebenen südrussischen Exemplaren nicht 
beizustimmen. Sie gleichen denselben zwar in der sehr 
starken Verästelung und dem besenartigen Gesamteharakter 
der Rispe, deren primäre Zweige auch hier sehr verlängert 
und gebogen weit abspreizen; die Bildung der Partial- 
infloreszenzen dagegen ist bei den griechischen Exemplaren 
eine wesentlich andere. Die primären Äste tragen hier.nur 
gegen ihr Ende hin wenige bogig aufsteigende, ebenfalls 
ziemlich lange Sekundäräste, die ihrerseits an ihrer Spitze 
nur wenige + genäherte, kurze, schräg nach aufwärts ab- 
stehende oder zur Seite gebogene Blütenzweige tragen; 
letztere sind sehr dieht mit mehrblütigen Spieulae besetzt 
und zeigen daher ein recht kompaktes Aussehen. Bezüglich 
des Baues der Spieulae sei noch hinzugefügt, dals die fast 
kreisförmigen, kaum zugespitzten und nur schwach gekielten 
Primärbrakteen auf dem Rücken krautig und blofs mit 
schmalem Hautsaum versehen sind. Um diesen Unter- 
schieden Rechnung zu tragen, scheint es mir am zweck- 
mälsigsten, die fragliche Form als besondere var. limonioides 
der subspee. scoparia anzugliedern; der Name soll die habi- 
tuelle Ähnlichkeit der Pflanze mit gewissen mediterranen 
Formen der St. Limonium zum Ausdruck bringen. Inwieweit 
die von Hauacsy angegebenen griechischen Fundorte der 
St. Limonium auf unsere Form zu beziehen sind, vermag ich 
nieht festzustellen; ich habe dieselbe aufser vom Phaleron, 
wo sie mehrfach gesammelt worden ist, noch gesehen von 
der Eurotaswündung und vom Peloponnes, ferner aufser- 
halb Griechenlands noch von Saida in Syrien (Reliquiae 


422 WALTHER WANGERIN, [22] 


Mailleanae Nr. 1616 und 1616a) und von Mersina in Ana- 
tolien (Bornmüller Nr. 1799b). Die letztere Pflanze ist es 
vornehmlich, die mich veranlalst, die in Rede stehende Form 
nur als Varietät der subspec. scoparia und nicht als eigene 
Unterart zu betraehten; denn sie nähert sich im Verzweigungs- 
habitus der typischen St. scoparia, stimmt dagegen hinsichtlich 
der Partialinfloreszenzen und der Blütenzweige mit den 
sehr genäherten Spieulae mit der griechischen Form überein. 

TRAUTVETTER!) beschreibt neben seinen beiden Varietäten 
a. typica und ß.scoparia noch eine dritte unter dem Namen 
y. steiroclada, die sich durch zahlreiche sterile Zweige an 
der Basis des Blütenstandes, dünneren und schlankeren 
Sebaft, kurze und armblütige Blütenähren und zehnzipfligen 
Keleh auszeichnen soll. Ich habe bisher unter dem mir 
vorliegenden Material kein Exemplar gesehen, das ich als 
zweifellos zu jener Varietät gehörig betrachten könnte; nach 
der Beschreibung glaube ich kaum, dals dieselbe als eine 
unseren Unterarten genuina und scoparia gleichwertige Form 
zu betraehten, sondern höchstens als besondere Varietät der 
ersteren zu bewerten ist; denn das Vorkommen von sterilen 
Zweigen in grölserer Zahl stellt eine Erscheinung dar, die 
sich als gelegentliche Ausnahme bei den meisten Arten der 
sanzen Limonium-Gruppe findet und die für die systematische 
Gliederung nicht sonderlich bewertet werden kann, und im 
übrigen bemerkt TRAUTVETTER selbst, dals die fragliche 
Pflanze habituell der typischen Form am nächsten komme. 
Sehr beachtenswert hingegen scheint mir der Hinweis 
TRAUTVETTERS, dals die von BoIssıer?) auf Grund eines 
sehr unvollständigen Exemplars aufgestellte, aus dem Altai 
stammende St. gracilis, die Boissıer — wohl wegen der zahl- 
reichen sterilen Zweige und der hyalinen Beschaffenheit der 
Primärbraktee — in die Gruppe der „Ayalolepideae“ neben 
St. caspia stellt, hierher gehören dürfte; denn es ist in der 
Tat auffällig, dals Boissıer eine Art mit deutlich zehn- 
zipfligem Kelch, in dem er gerade eines der Hauptmerkmale 
seiner Gruppe der „Genuinae“ erblickt, nieht dieser zu- 


1) Trautvetter 1. c. 254. 
2) Boissier in DC. Prodr. XII (1848) 660. 


[23] Über den Formenkreis der Statice Limonium ete. 423 


rechnet, sondern in einen andern Verwandtschaftskreis stellt, 
in dem jenes Merkmal sonst nicht vorkommt, und ich glaube 
daher, dals die TRAUTVETTERsche Vermutung das Richtige 
treffen und es sich hier nur um eine Form der vielgestaltigen 
St. Gmelini handeln dürfte. 

Eine gute, selbständige Unterart stellt dagegen die St. 
Ilacina dar, die BoissiEr!) ursprünglich als eigene Art auf- 
gestellt, später?) jedoch als Varietät zu St. Gmelini gezogen 
hat. Das Originalexemplar, das von Baransa (Pl. d’orient 
Nr. 927) bei Caesarea in Cappadocien gesammelt worden 
ist, hat lang gestielte Blätter mit auffallend breiten Blatt- 
scheiden und umgekehrt eiförmig-spathulaten Spreiten. Der 
ziemlich stielrunde, gegen 40 cm hohe Schaft ist schon 
weit unterhalb der Mitte verzweigt und bildet eine reich 
verästelte, ausgebreitete Rispe, deren primäre Äste weit 
bogig abstehen und anfangs aufsteigend, am Ende fast 
wagerecht zurückgebogen sind, während die bogig auf- 
steigenden oder halbaufrechten Sekundäräste an ihrer Spitze 
in lockerer bis mälsig dichter Anordnung die bis 1!/, em 
langen, zur Seite gebogenen Blütenäste tragen; an letzteren 
stehen die drei- bis zweiblütigen Spieulae dicht gedrängt. 
Die untere Braktee ist fast ganz hyalin, die obere mit sehr 
breitem weilsem Hautrande versehen, der Kelch ist 31/, mm 
lang, mit auffallend dieker Röhre, die an allen Rippen bis 
zum Grunde des Saumes herauf behaart ist, und sehr stark 
erweitertem, ziemlich breitem, kaum gezähneltem Saum. 
Eine besondere von mir als var. laxiflora bezeichnete Form 
dieser Subspecies wird dargestellt durch ein von ZEDERBAUER 
(Reise nach dem Erdschias- dagh) in der Salzsteppe bei 
Saisaly gesammeltes Exemplar; dasselbe unterscheidet sich 
vom Typus durch den erst von der Mitte an verzweigten 
Schaft und längere, lockere Blütenzweige mit sehr locker 
angeordneten Spieulae. 

Der St. Gmelini ist nächst verwandt die ebenfalls von 
Boissier®) aufgestellte St. tomentella, in welcher TRAUT- 


!) Boissier, Diagn. pl. orient. ser. 2. IV (1859) 68. 
2) Boissier, FI. orient. IV (1879) 859. 
®) Boissier, in DC. Prodr. XII (1848) 645. 


424 WALTHER WANGERIN, [24] 


VETTER!) auch nichts als eine Varietät der ersteren sieht. 
Das einzige positive Merkmal, das für die Unterscheidung 
brauchbar ist, liegt in der Behaarung; bei typischen Exem- 
plaren ist die Blattmittelrippe unterseits dicht mit feinen 
kurzen Härchen besetzt, und ebenso sind der Schaft und 
die Äste der Rispe dicht kurz-weichfilzig; von den Brakteen, 
ist mindestens die obere auf dem Rücken dicht kurz seidig- 
filzig, und die Kelehröhre ist nieht nur längs sämtlichen 
Rippen lang abstehend behaart, sondern auch zwischen den 
Rippen kurz und dicht pubescent. In dieser Weise typisch 
sind z. B. die im „Herbarium Florae Rossiae“ unter 
Nr. 1588a (von Sarepta) und 1588b (Distr. Starobelsk, 
Prov. Charkow) ausgegebenen Exemplare. Bei dem ersteren 
sind die Blätter mittellang gestielt, und ziemlich breit 
obovat-elliptisch; der 70 em hohe, schwach kantige Schaft 
ist sehr reich verästelt und bildet eine ausgebreitete, 
lockere Rispe, deren primäre Aste stark bogig abstehend 
und aufsteigend, die sekundären + bogig aufstrebend sind; 
die kurzen Blütenzweige stehen ziemlich dicht gedrängt an 
der Spitze der Äste zweiter oder dritter Ordnung, sie 
tragen die Spieulae in diehter Anordnung. Die Brakteen, 
auch die unteren, zeigen nur einen schmalen Hautsaum, der 
Keleh ist 4—4!/, mm lang, der Saum schmal, wenig er- 
weitert, mit zehn kleinen Zipfeln, deren fünf grölsere breit 
dreieckig und stumpf sind. Bei dem anderen Exemplar 
sind die Blätter fast sitzend, der Schaft sehr viel weniger 
und nur in seinem obersten Teil verzweigt und die Blütenäste 
noch viel ausgesprochener glomerat. 

Nun weist aber TRAUTVETTER mit Recht darauf hin, 
dafs die Behaarung keineswegs immer “än dieser typischen 
Weise entwickelt ist. Das ergab sich auch mir bei der 
Untersuchung zahlreieher, zumeist von BEGKER in der Flora 
von Sarepta gesammelten Exemplare. Stengel und Zweige 
sind regelmälsig kurzhaarig, obschon oft sehr viel weniger 
dicht als beim Typus, die Blattmittelrippe hingegen ist 
bisweilen, obsehon selten, fast vollständig kahl. Die Brakteen 
der Spieulae sind bei diesen schwach behaarten Formen 


1) Trautvetter, l. c. 255—256. 


[25] Über den Formenkreis der Staticee Limonium ete. 425 


meist völlig kahl oder höchstens ganz zerstreut behaart; bei 
dem Kelch beschränkt sich die Behaarung auf die fünf 
Rippen, ist aber auch an diesen merklich sehwächer, während 
die Zwischenräume gänzlich der Behaarung entbehren. In 
habitueller Hinsicht gleichen die meisten Exemplare der 
Nr. 1588a des „Herbarium Florae Rossicae“, sie haben also 
eine reich verzweigte, ausgebreitete Rispe mit ziemlich dicht 
zusammengedrängten bis ausgeprägt geknäuelten Blüten- 
zweigen. Stärker abweichend waren in dieser Beziehung 
nur zwei ebenfalls von BECKER bei Sarepta gesammelte 
Pflanzen (Herbarium Berlin), die sich auch durch ihren 
niedrigen Wuchs und die lang gestielten, schmalen Blätter 
auszeichneten; bei denselben war der Schaft fast vom Grunde 
an unregelmälsig verästelt, die Blütenzweige lang, locker 
und nur wenig gebogen, die Spieulae etwas voneinander 
entfernt, die Blüten etwas grölser. 

Bei dieser Lage der Sache ist es offenbar nicht möglich, 
die St. tomentella als selbständige Art von St. Gmelini zu 
trennen, da die Grenzen zwisehen beiden bei den schwach 
behaarten Formen fast vollständig verschwimmen; man wird 
sie der letzteren vielmehr als Subspeeies unterordnen müssen, 
die sich dann in eine var. Zypica und eine var. subglabra 
gliedern läfst. 

Mit der St. tomentella wird von NyMmAnt!) fälschlich 
indentifiziert die von BECKER?) als St. sareptana beschriebene 
Pflanze, von der ich von BECKER selbst gesammelte authen- 
tische Exemplare (Becker, Pl. Wolgae inferioris Nr. 42; 
F. Schultz, herb. norm. Nr. 1211, u.a. m.) in gröfserer Zahl 
gesehen habe. Die Pflanzen besitzen kurz bis mittellang 
gestielte, umgekehrt eiförmige bis oblonge Blätter, deren 
Mittelrippe kurz und fein abstehend behaart ist, während 
die lederige Spreite oberseits ziemlich dieht warzig punktiert 
ist. Der Schaft ist stielrund, im unteren Teil ziemlich dicht 
mit sehr kurzen abstehenden Haaren bedeckt, welehe einzeln 
oder seltener zu mehreren aus kleinen warzigen Erhebungen 


!) Nyman Consp. fl. europ. (1881) 609. 


2) Becker in Bull. Soc. nat. Mose. (1854) p. 454 und (1858) p. 12 
und 60. 


426 WALTUER WANGERIN, [26] 


entspringen, nach oben zu allmählich verkahlend, so dafs 
die meisten Äste der Rispe völlig kahl oder höchstens noch 
fein warzig punktiert sind. Der Schaft ist fast vom Grunde 
an sehr stark besenartig verästelt, alle Zweige sind weit 
abstehend, ziemlich verlängert und oft unregelmäfsig hin 
und her gebogen, die Blütenzweige kurz bis mittellang, halb 
aufrecht oder zur Seite gebogen, zu sehr lockeren oder 
seltener mälsig diehten Ebensträulsen vereinigt, die Spieulae 
stehen sehr locker und sind allermeist einblütig. Die untere 
Braktee ist klein, sehr breit eiförmig, auf dem Rücken nur 
schwach gekielt und abgerundet oder kaum zugespitzt mit 
mälsig breitem Hautrande; die obere Braktee ist reichlich 
dreimal so lang, mit breitem hyalinen Saum und auf dem 
Rücken kahl oder sehr zerstreut kurzhaarig. Der Keleh ist 
5'5—6 mm lang, seine Röhre nur an den beiden inneren 
Rippen behaart und sehr schlank, der weilse Saum etwas 
erweitert, mälsig breit, mit ziemlich grofsen, dreieckigen, 
spitzen Zipfeln und deutlich entwickelten, gleichfalls spitzen 
intermediären Zähnen. Es handelt sich hier sonach um 
eine Form, welche, vor allem habituell, sich der St. latifolia 
nähert und wohl als Verbindungsglied zwischen dieser und 
dem Formenkreis der St. Gmelini betrachtet werden kann. 
St. latifolia ist insbesondere durch ihre grolsen, sternfilzigen 
Blätter gut charakterisiert; ihr gegenüber ist St. sareptana 
aulserdem auch durch den deutlich zehnzähnigen Kelch 
unterschieden, während sie andererseits auch auf Grund der 
angeführten Merkmale neben St. Gmelini als selbständige 
Art belassen werden kann. 

Gleiehfalls der Flora von Sarepta gehört die von OLAus!) 
als St. Bungei beschriebene Art an, die mir nur aus der 
recht genauen und ausführlichen Originaldiagnose bekannt 
ist. Danach würde die Pflanze, welche ebenfalls habituell 
der St. latifolia am ähnliehsten zu sein scheint, in den 
meisten Merkmalen mit der St. sareptana übereinstimmen; 
abweichend sind nur der sehr lange Blattstiel, die aus- 
drücklich hervorgehobene Kahlheit des Schaftes und die 


1) Claus, Lokalfl. d. Wolgagegenden in Beitr. zur Pflanzenkunde 
d, russ. Reiches VIII (1851) 308. 


[27] Über den Formenkreis der Statice Limonium ete. 427 


Fünfzähnigkeit des Kelehes. Möglicherweise würden also 
beide Arten zu vereinigen sein, doch kann ich diese Frage 
ohne Autopsie der St. Bungei nicht sicher entscheiden. 
Den beiden letzten Arten sehr nahe steht auch die 
St. membranacea Czernajew!) aus den Steppen der Ukraine, 
von der authentische Exemplare im Berliner Herbar vor- 
handen sind. Die Pflanze besitzt sehr kurz gestielte, obovat- 
elliptische, kahle Blätter und einen 50—45 em hohen, ebenso 
wie die Zweige ziemlich schlanken und stielrunden, kahlen 
Schaft, der schon weit unterhalb der Mitte reich verästelt 
ist; die primären Äste sind bogig aufsteigend und zuerst 
nur wenig abstehend, erst am Ende sind sie stärker nach 
aulsen gekrümmt; die sekundären Aste sind flexuos auf- 
steigend, locker verästelt, die unteren zum grolsen Teil 
steril, die Blütenzweige kurz und mit wenigen lockeren 
Spieulae besetzt. Die untere Braktee ist fast ganz hyalin, 
deutlich gekielt und zugespitzt, die obere 2'/,—3 mal längere 
-mit breitem Hautsaum versehen; der Kelch ist 5 mm lang, 
die schlanke Röhre nur an der Basis der beiden inneren 
Nerven schwach behaart, der Saum ist weils, schmal, mit 
kleinen, breit dreieckigen, subakuten Zipfeln und halb so 
grolsen, deutlich entwiekelten intermediären Zähnen. 


Endlich gehört in diese Verwandtschaft auch noch die 
kleinasiatische St. effusa Boiss., welehe ebenfalls den Habitus 
der St. latifolia besitzt, von dieser jedoch, abgesehen von 
der Behaarung und den Blättern, durch die Zehnzähnigkeit 
des Kelehsaumes sich unterscheidet, während sie gegenüber 
den vorigen vor allem durch die viel kleineren Kelchzipfel 
unterschieden ist. 

Als letzte Art aus dem JFormenkreis der St. Gmelini 
ist schliefslich noch die St. pycnantha Koch (= St. Balansae 
Boiss.) zu erwähnen; dieselbe kommt in Cappadocien und 
Armenien vor und schlie/st sich durch die dieht glomeraten 
Partialinfloreszenzen eng an die subspee. genwina der St. 
Gmelini an, ist von dieser aber durch noch kleinere Blüten 
und den tief und sehr spitz fünfteiligen Kelehsaum unter- 
schieden. 


!) Czernajew, Consp. pl. Charcov. (1859) 51. 


428 WALTHER WANGERTN, [28] 


III. Die amerikanischen Arten. 


Es ist pflanzengeographisch von grofsem Interesse, dals 
der Formenkreis der St. Limonium auch in Amerika mit 
mehreren Arten vertreten ist, die zum Teil geradezu als 
Parallelformen zu den altweltlichen betrachtet werden können. 
Es ist dies der einzige Verwandtschaftskreis aus der ganzen 
Gattung Statice, der auch in Amerika sich findet, mit einziger 
Ausnahme der ganz isolierten, eigenartigen St. plumosa in 
der Wüste Atacama und der der europäischen St. caspia 
und damit auch der Zimonium-Gruppe nahestehenden St. 
bahamensis. 

Im grofsen und ganzen scheinen die amerikanischen 
Arten nieht in so hohem Mafse variabel zu sein wie die 
altweltlichen und sind demgemäls voneinander leichter und 
schärfer zu trennen; nichtsdestoweniger wird die systematische 
Gliederung des Gesamtformenkreises durch sie nieht un- 
erheblich erschwert und kompliziert, weil eben die ameri-. 
kanischen Arten den altweltlichen nicht als in sich ge- 
schlossene Gruppe gegenüberstehen, sondern die Differen- 
zierung, wie schon bemerkt, im grofsen und ganzen in 
ähnlichen Bahnen sich bewegt. 

Diejenige Art, die am längsten unterschieden ist, ist 
St. caroliniana Walt., deren Verbreitung sich über die ganze 
atlantische Küste von Nordamerika erstreckt. Dieselbe hat 
meist ziemlich schmal oblonge (drei- bis sechsmal so lang 
als breit), lang gestielte Blätter und einen etwas kantigen, 
etwa von der Mitte reich und locker verästelten, eine meist 
ziemlich ausgesprochen pyramidenförmige, seltener unregel- 
mälsig besenartige Rispe bildenden Schaft. Die primären 
Aste sind weit voneinander entfernt, entweder schräg auf- 
wärts abstehend und nur zuletzt nach aufsen gebogen oder 
von vornherein stark bogig abstehend, die sekundären bogig 
aufsteigend oder seltener etwas steif aufrecht, locker ver- 
ästelt; die Blütenäste sind mittellang (bis zu 3 em), halb 
aufrecht oder + gekrümmt mit nicht sehr zahlreichen, von- 
einander entfernten Spieulae. Letztere sind allermeist ein- 
blütig; die primäre Braktee ist kaum 1/, so lang wie die 
obere und um die Hälfte kürzer als die mittlere, eiförmig, 


[29] Über den Formenkreis der Staticee Limonium ete. 429 


zugespitzt, schwach gekielt und ebenso wie die obere mit 
breitem Hautrand versehen. Der Keleh ist 6—7 mm lang, 
die Röhre sehlank, an den inneren Rippen + stark behaart, 
der Saum wenig erweitert, nieht abspreizend, mit fünf 
grolsen, lanzettlichen, spitzen Zipfeln und fünf kleinen 
spitzen Zähnchen in den Buchten zwischen ihnen. 


Wir haben es hier sonach mit einer Art zu tun, welche, 
vor allem hinsiehtlich der Anordnung der Spieulae, der St. 
bahusiensis am nächsten steht und sich von derselben haupt- 
sächlieh durch die schlankeren, dünneren Zweige und die 
ganze Verzweigungsart unterscheidet. 

Gleichfalls in die Verwandschaft der St. bahusiensis 
scheint die durch HEemsLeyY!) von den Bermudas-Inseln 
beschriebene St. Lefroyi zu gehören; ob dieselbe aber von 
St. caroliniana genügend unterschieden ist, geht aus der 
Diagnose nicht mit hinreiehender Deutlichkeit hervor und 
erscheint mir mindestens zweifelhaft. 

Der nordeuropäischen Form der St. Limonium steht 
am nächsten die St. californica Boiss. Bei derselben sind, 
wie bei jener, die Spieulae zu kurzen, dichten, steif auf- 
rechten Ähren angeordnet; indessen ist die Gesamtverzweigung 
eine wesentlich andere: die Verzweigung beginnt bereits 
unterhalb der Mitte des Schaftes, die primären Äste sind 
weit voneinander entfernt, steif aufrecht abstehend und meist 
nur gegen ihr Ende hin verzweigt; die Gesamtrispe ist 
daher locker und meist im Umrils pyramidenförmig. Der 
Bau der Spieulae stimmt im wesentlichen mit dem von S$t. 
Limonium überein: die Brakteen sind nur mit schmalem 
Hautsaum versehen, die untere stark gekielt, zugespitzt und 
reichlich halb so lang wie die obere; der Kelch ist 6 mm 
lang, an allen Rippen locker abstehend behaart,?) der Saum 
wenig erweitert, mit mälsig grolsen, dreieckigen, spitzen 
Zipfeln. 


!) Hemsley in Journ. of Bot. XXI (1883) 105. 

2) Die Angabe von Small (Flora of the southeastern United 
States [1903] 900), die Kelchrühre bei St. californica sei kahl, entspricht 
nicht den tatsächlichen Verhältnissen; auch Boissier sagt in der 
Originaldiagnose (in DC. Prodr. XII, 648) „tubo calyeino ad 5 costas 
breviter hirsuto.“ 


430 WALTHER WANGERIN, [30] 


Der St. californica ist habituell die St. chilensis Phil. 
aulserordentlich ähnlich; auch diese besitzt eine locker ver- 
ästelte Rispe mit etwas steifen, aufrecht abstehenden, nur 
wenig gebogenen Asten und ziemlich steif aufrechten, kurzen, 
eine dichte Ahre darstellenden Blütenzweigen. Auch der 
Bau der Spieulae ist, vor allem was die Grölsenverhältnisse 
und die Beschaffenheit der Brakteen angeht, wesentlich 
übereinstimmend; der Unterschied ist in der Hauptsache der, 
dals die Spieulae bei St. californica drei- bis zweiblütig, bei 
St. chilensis dagegen nur einblütig sind, und dafs bei letzterer 
die Blüten etwas kleiner (Keleh nur 41/,—5 mm lang), die 
Kelchröhre völlig unbehaart und die sehr breit dreieckigen 
Kelehzipfel stumpf sind. 

Weniger konstant in ihrem Habitus ist die gleichfalls 
durch eine völlig kahle Kelehröhre ausgezeichnete St. brasi- 
liensis Boiss., welehe mir nur in zahlreichen Exemplaren aus 
Brasilien, Argentinien und Patagonien vorgelegen hat, nach 
SMALL!) auch in Carolina und Florida vorkommen soll. Bei 
den meisten Exemplaren ist der Schaft etwa von der Mitte 
an sehr reich verästelt und bildet eine ausgebreitete lockere, 
subpyramidate oder seltener etwas ebensträufsige Rispe. Die 
primären Äste sind voneinander entfernt, bald stark zur 
Seite gebogen und zum Teil fast wagerecht abstehend, bald 
etwas steif aufwärts abstehend; dementsprechend sind auch 
die sekundären Äste bogig aufsteigend oder ziemlich steif 
aufrecht, bald ziemlich reich, bald nur sparsam locker ver- 
ästelt; die Blütenzweige sind meist kurz, halbaufreeht oder 
nur wenig zur Seite gebogen, sie tragen nur wenige Spieulae 
in mälsig bis ziemlich dieht imbrikater Anordnung. Ich 
habe jedoch auch einzelne Exemplare (z. B. E. Ule Nr. 376) 
mit nur an der-Spitze schwach verästeltem Schaft und ver- 
längerten Blütenzweigen mit deutlich voneinander entfernten 
Spieulae gesehen. Ein wesentliches Merkmal der Art liegt 
darin, dafs die Zweige der Rispe stets + dicht warzig rauh 
sind. Was den Bau der Spieulae angeht, so sind dieselben 
zwei- bis einblütig, seltener mehrblütig; die unterste Braktee 
ist sehr klein, fast breiter als lang, kaum zugespitzt und 


1) Small, 1. c. 900. 


[31] Über den Formenkreis der Statice Limonium ete. 431 


nur schwach gekielt, mit äulserst schmalem Hautsaum; die 
obere Braktee ist mehr als dreimal so lang, ihr Hautsaum 
ebenfalls nur schmal; der Kelch ist 51/; mm lang, der Saum 
kaum erweitert, schmal, mit eiförmig-dreieekigen, kaum 
zugespitzten Zipfeln. Die St. patagonica Spegazz. scheint 
mir nach dem mir vorliegenden Exemplar (Dusen Nr. 5226) 
von St. brasiliensis nieht verschieden zu sein. 

SMALL!) beschreibt unter dem Namen Limonium angu- 
statum noch eine weitere, mir bisher nieht bekannte Art 
aus Florida, welche ebenfalls. eine unbehaarte Kelehröhre 
besitzen und vor allem durch sehr schmale Blätter (vom 
Autor als „linear“ bezeichnet) charakterisiert sein soll. Im 
übrigen läfst die recht oberflächliehe Diagnose, welche auf 
die Art der Verzweigung und den feineren Bau der Spieulae 
gar nicht näher eingeht, nichts Genaueres über die Merk- 
male und Verwandtschaftsbeziehungen dieser Art erkennen. 

Hatten wir in St. californica eine Paralellform zu der 
nordeuropäischen Form der St. Limontium, so lälst sich auch 
deren sjideuropäischer Form eine amerikanische Art an die 
Seite stellen in einer Pflanze, die mir in mehreren Exem- 
plaren (Herb. Berlin u. DC.) aus Texas (leg. Leybold) und 
Mexiko (Tamaulipas, Berlandier iter tex.-mexie. Nr. 3179) 
vorliegt und die allem Anschein nach mit dem von SMALL!) 
beschriebenen Limonium Nashü identisch sein dürfte. Die 
Blätter der fraglichen Pflanze sind lang gestielt (Stiel 
5—9 em lang) und schmal oblong (10—12 em lang, 11/, 
bis 2!1/, em breit). Der schwach kantige Schaft ist etwa 
vom unteren Drittel an loeker und reich verzweigt, eine 
ausgebreitete, subpyramidate bis subeorymbose Rispe bildend. 
Die etwas starren primären Äste spreizen stark nach auf- 
wärts ab und sind an ihrer Spitze nach aufsen zurück- 
gebogen, seltener sind sie von Anfang an bogig abstehend; 
die sekundären Äste, deren untere zum Teil steril sind, sind 
bogig aufsteigend, sie tragen an ihrem Ende kleine lockere 
Ebensträulse von stark zur Seite gebogenen, mälsig langen 
Blütenzweigen, an denen die Spieulae in ziemlich dichter 
Anordnung stehen. Letztere sind drei- bis zweiblütig; die 


!) Small, 1. e. 900. 


432 WALTHER WANGERIN, [32] 


untere Braktee ist eiförmig, kurz stachelspitzig, auf dem 
Rücken sehwach gekielt und mit schmalem Hautsaum ver- 
sehen; die mittlere, etwa um die Hälfte längere Braktee ist, 
abweichend von allen übrigen Arten der Gruppe, nieht voll- 
ständig hyalin, sondern nur am Rande von einem mälsig 
breiten Hautsaum umgeben und im übrigen krautig; die 
obere ist 21/,mal länger als die primäre, ihr Hautsaum 
ebenfalls ziemlich schmal. Der Kelch ist 6'/,—7 mm lang, 
an den beiden inneren Rippen sparsam abstehend behaart, 
der Saum wenig erweitert, mit langen, lanzettlichen, spitzen 
Zipfeln, welehe dreimal länger sind als die intermediären 
spitzdreieckigen Zähne. 

Aus Mexiko, und zwar ebenfalls aus dem Staate Tamau- 
lipas, liegt mir noch eine andere, bisher noch nicht be- 
schriebene Art vor, die ich nach dem Sammler (Endlich 
Nr. 549, Herbar Berlin) St. Endlichiana benenne. Dieselbe 
ist ausgezeichnet durch einen fast vom Grunde an ver- 
zweigten, eine fast besenartig ausgebreitete Rispe bildenden 
Schaft. Die nur mäfsig weit voneinander entfernfen Äste 
sind schräg aufwärts abstehend oder von vornherein stark 
zur Seite gebogen; sie sind wiederholt locker und sparrig 
verästelt, mit bogig aufsteigenden, zum Teil sterilen Sekundär- 
ästen; die Blütenzweige bilden lockere Ebensträufse, sie sind 
ziemlich lang, stark gekrümmt und tragen die Spieulae in 
etwas lockerer Anordnung. Die primäre Braktee ist breit 
eiförmig, zugespitzt oder kurz stachelspitzig, schwach gekielt, 
mit ziemlich schmalem Hautrand; die mittlere ist doppelt 
so lang und vollständig hyalin, die obere 21/,—3mal so lang, 
mit ziemlich breitem Hautrand; der Keleh ist 7 mm lang, 
die Röhre längs zwei Rippen kurz abstehend behaart, 
schlank, mit grolsen, lanzettlichen, zugespitzten Zipfeln. 

Die letzte amerikanische Form Art endlich ist St. limbata 
(Small) Wang. aus Neu-Mexiko, von der mir authentische 
Exemplare (Wooton Nr. 172, Earle Nr. 341) vorliegen. Die- 
selbe ist in habitueller Hinsicht ausgezeichnet dadurch, dafs 
die primären Äste der stark verästelten, ausgebreiteten, sub- 
korymbosen Rispe steil und gerade schräg nach aufwärts 
abstehen; ebenso sind auch die sekundären Aste ziemlich 
aufrecht, sie tragen am Ende etwas lockere bis ziemlich 


[33] Über den Formenkreis der Statice Limonium ete. 483 


diehte Ebensträufse von kleinen, aufreehten oder zur Seite 
gebogenen Blütenzweigen, an denen die Spieulae in dicht 
imbrikater, meist regelmäfsig disticher Anordnung stehen. 
Die Spieulae sind klein, drei- bis zweiblütig; die breit- 
eiförmige Primärbraktee ist kaum zugespitzt, nur schwach 
gekielt und ebenso wie die dreimal längere obere nur 
schmal häutig berandet. Der Kelch ist 31/, mm lang, seine 
Röhre an zwei Rippen dieht behaart, der Saum deutlich 
erweitert und abspreizend, mit grolsen, breit dreieckigen, 
subakuten Zipfeln, zwischen denen die u = Zähne 
fast ganz fehlen. 


IV. Zusammenfassung. 


Aus der vorstehenden ausführlichen Darstellung der in 
in die engere Verwandtschaft der St. Limonium gehörigen 
Arten und Formen geht klar hervor, dafs wir es hier mit 
einem aufserordentlich polymorphen Formenkreis zu tun 
haben, dessen Glieder vielfach ineinander übergehen und in 
dessen Bereich sich kein zu einer durchgreifenden, scharfen 
Gliederung geeignetes Merkmal finden läfst. Dementsprechend 
sind auch viele der unterschiedenen Arten von manchen 
Autoren nur als Varietäten unter dem Namen St. Limonium 
vereinigt worden, z. B. St. caroliniana, St. californica, St. 
bahusiensis, selbst St. Gmelini. Ich vermag mich indessen 
zu einer so weitgehenden Einbeziehung der verschiedenen 
Formen in eine einzige grolse Sammelart nicht zu ent- 
schliefsen; denn einmal ist ja damit für die Behebung der 
Schwierigkeiten, die der systematischen Gliederung entgegen- 
stehen, de facto noch gar nichts gewonnen, und anderer- 
seits erscheinen doch einzelne Formen, wie St. bahusiensis, 
St. caroliniana, St. brasiliensis, hinlänglich scharf eharakteri- 
siert, um ihnen unbedenklich den Rang selbständiger Arten 
zubilligen zu können; es wäre aber offenbar unnatürlich, 
aus dem grolsen Komplex der an sich sämtlich ziemlich 
gleichwertigen Formen die einen ‘als eigene Arten heraus- 
zugreifen, die anderen, bei denen durch Übergangsformen 
zwar die Trennung erschwert wird, die eigentlichen Typen 
aber ebenso gut unterschieden sind, einer Kollektivspezies 

Zeitschr, f. Naturwiss,. Halle a.S. Bd.82. 1911. 28 


434 WALTHER WANGERIN, [34] 


zu subsumieren. Vor allem aber muls es, trotz aller Über- 
gangsformen, als unnatürlich bezeichnet werden, solche 
Pflanzen, wie es die typischen Formen der St. Gmelini, 
Limonium, caroliniana z. B. sind, sämtlich als Vertreter einer 
einzigen Art anzusehen. Freilich ist es nieht möglich, einen 
allen Fällen gerecht werdenden analytischen Schlüssel zu 
konstruieren; um einen solchen zu gewinnen, muls man sich 
bei dem Schwanken fast aller Merkmale zunächst auf die 
Unterscheidung der sozusagen normalen Durchschnittstypen 
beschränken und sich darüber klar sein, dals die gezogenen 
Trennungslinien bis zu einem gewissen Grade künstliche 
sind und dureh Übergangsformen vielfach überbrückt werden. 

Legt man in diesem Sinne eine einigermalsen enge 
Fassung des Artbegriffes zugrunde, so werden zunächst die 
gesamten amerikanischen Formen als selbständige Arten 
anzuerkennen sein, desgleichen natürlich auch die St. bahu- 
siensis. Ich sehe mich dann ferner aber auch genötigt, die 
nord- und die südeuropäische Form der eigentlichen St. 
Limonium voneinander zu trennen, einmal wegen der doch 
meist recht typischen habituellen Unterschiede und ferner 
wegen des Längenverhältnisses der Brakteen, das ja zwar 
auch nieht absolut konstant, aber doch in der überwiegenden 
Mehrzahl der Fälle typisch ausgeprägt ist und das auch 
sonst in unserer Gruppe ein gut brauchbares und unentbehr- 
liches Unterscheidungsmerkmal darstelit. Es erhebt sich 
nun aber die Frage, welehe Namen diesen beiden Arten 
beizulegen sind. Dals nicht mehr festzustellen ist, welehe 
von beiden ein etwaiges Vorrecht auf den Namen St. Limonium 
hat, der ja bei Linn& aulserdem auch noch die St. bahusiensis 
und St. caroliniana umfalst, hat bereits Fries!) mit Recht 
betont. Man wird sich also in erster Linie von Zweck- 
mälsigkeitsgründen bei der Entscheidung leiten lassen, und 
da dürfte es am nächsten liegen, den Namen St. Limonium 
wenn man ihn nieht ganz fallen lassen will, auf die nord- 
europäische Form anzuwenden. Dazu bestimmt mich vor 
allem auch noch der Gesichtspunkt, dafs diese Pflanze sonst 
den Namen St. Pseudolimonium, der die Priorität vor dem 


ı) Fries, Summa veget. Scand. I (1846) 200, 


[35] Über den Formenkreis der Staticee Limonium ete. 435 


DrEJERSchen Namen St. Behen besitzt, erhalten mülste, und 
das scheint mir wenig angemessen. Für die südeuropäische 
Art bleibt dann der Name St. serotina, da aus oben erörterten 
Gründen der ältere Name St. angustifolia nicht in Betracht 
kommt. Bei der nordeuropäischen St. Limonium ist dann 
als besondere Form die form. pyramidalis und aulserdem 
noch die var. hallandica zu unterscheiden; bei der südeuro- 
päischen, die ja in erheblich stärkerem Mafse variabel ist, 
besehränke ich mich darauf, nur die var. drepanensis und 
die auf die oben ausführlich beschriebene Brunısche Pflanze 
von Barletta gegründete var. Drunü als besondere Formen 
hervorzuheben. Für den Formenkreis der St. @melini ergibt 
sich bezüglich der Gliederung in Unterarten und Varietäten, 
wie bezüglich der Frage, welehe Formen als eigene Arten 
betrachtet werden können, das Nötige bereits aus der obigen 
ausführlichen Darstellung; hinzugefügt sei nur noch, dals es 
vielleicht zweckmälsig ist, die subspee. genuina in eine var. 
typica und eine var. vulgaris zu gliedern, welch letztere 
die europäischen Formen umfalst, die ja von den sibirischen 
Typen in manchen Einzelheiten etwas abweichen. 

Bemerkt sei noch, dafs es vielleicht angebracht sein 
dürfte, aus der Boıssierschen Seet. Platyhymenium gewisse 
Arten wie St. Dungeana, St. sinensis, St. australis heraus- 
zunehmen und an die Limontum-Gruppe anzuschlielsen; 
denn es kann keinem Zweifel unterliegen, dals die genannte 
Sektion in der von BoıssIier gegebenen Umgrenzung durchaus 
unnatürlich ist und nicht aufrecht erhalten werden kann. 
Ich gedenke indessen hierauf bei anderer Gelegenheit zurück- 
zukommen und sehe deshalb von einer ausführlichen Be- 
handlung der fraglichen Arten an dieser Stelle ab; bemerkt 
sei nur, dals dieselben auf Grund der gelben Farbe der 
Corolle von den sämtlich blaublütigen Arten der Limonium- 
Gruppe unterschieden und deshalb im Schlüssel als eigene 
Unterabteilung leicht untergebracht werden könnten. 

Es möge nunmehr zum Schlufs eine in Form eines 
„Sehlüssels“ gehaltene kurze Gesamtübersicht über die 
Gliederung unseres Formenkreises gegeben und daran eine 
Zusammenstellung der Synonymie und wichtigsten Literatur 
nebst kurzen Diagnosen der unterschiedenen Varietäten 

28* 


436 WALTHER WANGERIN, [36] 


and Formen, soweit solche erforderlich sind, angeschlossen 
werden. 


A. Kelehröhre vollständig kahl. 

a) Blätter lineal St. angustata. 

b) Blätter oblong bis obovat-elliptisch. 

a. Zweige der Rispe + warzig-rauh; untere Braktee 

fast kreisförmig, kaum !/; so lang wie die obere 

St. brasıliensis. 

8. Zweige der Rispe vollständig glatt; untere Braktee 

mehr als halb so lang wie die obere St. chilensis. 

B. Kelehröhre an allen Rippen oder wenigstens an den beiden 
inneren + abstehend behaart. 

a) Kelehsaum ansehnlich, meist nicht mehr als 2— 21/,- 
mal kürzer als die Röhre; Kelehzipfel grofs, drei- 
eckig bis lanzettlich, intermediäre Zähne deutlich; 
Blüten grofs (Keleh 6—9 mm lang). 

a. Spieulae an den Blütenzweigen weit voneinander 
abstehend. 

I. Blütenzweige aufrecht oder wenig gebogen, in 
subkorymboser Rispe; obere Braktee kaum 
doppelt so lang wie die untere; Kelchzipfel 
lang dreieckig; meist alle Kelehrippen behaart 

St. bahusiensis. 

II. Blütenzweige dünn, meist stark gebogen, in sehr 
reich verzweigter, gewöhnlich subpyramidater 
Rispe; obere Braktee dreimal länger als die 
untere; Kelehzähne schmal lanzettlich; nur 
zwei Rippen behaart St. caroliniana. 


ß. Spieulae genähert, oft imbrikat in dichten Ähren. 


I. Die beiden unteren Brakteen gleich lang; die 
obere kaum doppelt so lang. 

1. Rispe mit aufreehten, wenig abstehenden 
Zweigen, dieht ebensträulsig; obere Braktee 
auf dem Rücken konvex St. Limonium. 

2. Rispe mit geraden, schräg abspreizenden 
Ästen, subpyramidat; obere Braktee auf dem 
Rücken schwach gekielt St. californica. 


[37] Über den Formenkreis der Statice Limonium ete. 437 


II. Untere Braktee deutlich kürzer als die halbe 
obere, meist nur !/, so lang wie diese; mittlere 
Braktee länger (bis doppelt so lang) als die untere. 

1. Rispe sehr locker verästelt, mit meist bogig 
abspreizenden langen Ästen. Mittlere Braktee 
vollständig hyalin, die beiden anderen mit 
breitem Hautsaum St. serotina. 

2. Äste der subpyramidaten Rispe aufrecht ab- 
stehend und nur am Ende wenig nach aufsen 
gebogen; mittlere Braktee auf dem Rücken 
krautig, die übrigen nur mit schmalem Haut- 
saum St. Nashii. 

3. Schaft fast vom Grunde an verästelt, eine 
sehr ausgebreitete besenartige Rispe bildend, 
mit unregelmälsig gebogenen und abstehenden 
Ästen. Spieulae ziemlich locker angeordnet; 
Brakteen mit breitem Hautsaum, die mittlere 
hyalin St. Endlichiana. 

b) Kelchsaum schmal, drei- bis viermal kürzer als die 
Röhre; Blüten klein (Kelch meist nieht über 5 mm lang). 
a. Äste der Rispe aufrecht abstehend; Blütenzweige 
in kleinen, ziemlich dichten Ebensträufsen; 
Brakteen nur mit schmalem Hautrand; Keleh 
mit fünf ansehnlichen, breit dreieckigen Zipfeln 
St. limbata. 

ß. Aste der Rispe weit bogig abspreizend. 

I. Spieulae genähert bis dieht imbrikat. 

1. Kelehzipfel klein, gewöhnlich kaum !/, von der 
Breite des Saumes einnehmend St. Gmelini. 
- # Schaft und Zweige kahl. 

 Kelehröhre schlank oder obkonisch, nur 
an zwei Rippen behaart; Blattscheide 
nicht auffallend breit. 

° Blütenzweige in diehten, glomeraten 
Partialinfloreszenzen, Spieulae dicht 
imbrikat; Rispe regelmälsig verästelt, 
subpyramidat, ihre primären Äste 
nicht besonders verlängert 

subsp. a. genuina. 


438 WALTHER WANGERIN, [38] 


00 Primäre Äste der sehr reich verästelten, 
besenartigen Rispe stark verlängert; 
Blütenzweige in lockeren Eben- 
sträulsen; Spieulae meist etwasloekerer 

subsp. b. scoparia. 
ir Kelchröhre dick zylindrisch, an allen 

Rippen behaart; Blattstiele mit auffallend 

breiten Scheiden subsp. e. lilacina. 

®*® Schaft und Zweige + dieht kurzhaarig 
bis filzig; Kelch an allen Rippen und oft 

auch in den Zwischenräumen dicht behaart 

subsp. d. tomentella. 

2. Kelehsaum tief fünfspaltig, Zipfel spitz 

St. pyenantha. 
II. Spieulae in sehr lockerer Anordnung; Rispe reich 
verästelt, besenartig. 

1. Schaft am Grunde kurz weichhaarig, nach 
oben zuallmählieh verkahlend; oberste Braktee 
auf dem Rücken zerstreut kurzhaarig; Blätter 
oberseits warzig punktiert St. sareptana. 

2. Sehaft völlig kahl. 

* Untere Braktee auf dem Rücken krautig, 
mit mälsig breitem Hautrand; Kelchsaum 
fünftteilig, mit dreieckig oblongen, spitzen 
Zipfeln St. Bungei. 

** Untere Braktee vollständig hyalin. 
 Spieulae meist einblütig. Kelchzipfel 
deutlich, breit dreieckig, subakut 
St. membranacea. 
jr Spieulae zweiblütig. Kelehsaum nur 
sehr schwach und fast gleichmälsig 
zehnzähnig St. effusa. 


Es möge nochmals darauf hingewiesen werden, dals 
der Wert dieses Schlüssels nur ein relativer ist, denn wie 
schon oben betont, muls man sich damit begnügen, die 
typischen Normalformen zugrunde zu legen und ist es nicht 
möglich, dem vollen Umfange der bestehenden Variabilität 
gerecht zu werden. So bestehen z. B. nicht nur Übergänge 


[39] Über den Formenkreis der Statice Limonium ete. 439 


zwischen St. Limonium und serotina, sondern auch letztere 
und die subspee. scoparia der St. Gmelini kommen in 
einzelnen Fällen einander ziemlich nahe. Ferner sei erinnert 
an die var. Bruni der St. serotina, die ohne Zweifel an diese 
Art angeschlossen werden muls, trotzdem sie habituell mit 
der St. bahusiensis eine gewisse Ähnlichkeit besitzt. Auch 
im Formenkreis der St. G@melini bestehen zwischen der aus- 
geprägt diehten und der auffallend lockeren Anordnung der 
Spieulae Übergänge, insbesondere bei der subspee. scoparia, 
obsehon für das Gros der Formen jenes Merkmal unbedenklich 
als gutes Charakteristikum betrachtet werden kann. Anderer- 
seits ist aber auch zu beaehten, dafs manche der Arten dureh 
Eigentümlichkeiten des Habitus und sonstige kleine Züge, 
die auch in der ausführlichsten Beschreibung sieh nicht 
genau definieren lassen, in Wahrheit schärfer charakterisiert 
sind, als es nach dem Schlüssel den Eindruck machen 
könnte. 

1. Statice angustata Wangerin nom. nov. — Limonium 
angustatum Small Fl. of the southeastern United States 
(1903) 900. 

2. Statice brasiliensis Boissier in DC. Prodr. XII (1848) 
644; Schmidt in Fl. brasil. VI, 4 (1878) 164, tab. XLVI, 
fig. 1. — St. patagonica Spegazz. — Limonium brasiliense 
Small l.e. — L. patagonicum Maeloskie in Rep. Princeton 
Univ. Exped. Patag. VIII (1905) 656. 

3. Statice chilensis Philippi in Anal. Univ. Chil. (1861) 58. 

4. Statice bahusiensis Fries nov. mant. I (1832) 10 et 
Summ. veget. Seand. I (1846) 200 (var. «. borealis). — 
St. Limonium Linn. Spee. pl. ed. 1 (1755) 274 1. p.; 
Fl. dan. tab. 315. — St. Orouanii Lenorm. ex Nym. 
Consp. fl. europ. (1881) 609. — Limonium humile Mill. 
Gard. Diet. ed. 8 (1768) n. 4. — L. rariflorum O. Ktze. 
Rev. gen. (1891) 396. 

form. nana Neuman Sveriges Fl. (1901) 205. — St. 
rariflora Drej. Fl. exeurs. hafn. (1838) 121 e.p. — St. 
bahusiensis var. 8. danica Fries Summ. veget. Scand. I 
(1846) 200 e. p. 

5. Statice caroliniana Walter Fl. Carol. (1788) 118. — 
St. Limonium Linn. 1. e. e. p. — St. Limonium var. 


440 WALTHER WANGERIN, [40] 


caroliniana A. Gray. — Limonium carolinianum Britten 
in Mem. Torr. Club V (1894) 255. 

6. Statice Limonium Linn. Spee. pl. ed. 1 (1753) 274 
(e. p.). — St. Limonium scanica Fries Nov. Mant. I 
(1852) 10. — St. Limonium ß. Bbehen Boiss. in DC. 
Prodr. XII (1848) 645. — St. Pseudolimonium Rehb. 
Ie. pl. erit. VIII (1830) 6, fig. 959 et Fl. germ. exeurs. 
(1830) 191. — St. Behen Drejer Fl. excurs. hafn. (1838) 
122; Fries Summ. veget. Seand. I (1846) 200. — St. 
scanica Lange Handb. Danske Fl. (1886/88) 539. — 
Limonium vulgare Mill. Gard. Diet. ed. 8 (1768) n. 1. 

form. pyramidalis Syme Engl. Bot. ed. 3 (1867) 160. 
— 5t. Limonium a. genuina Boiss. in DC. Prodr. XII 
(1848) 644 e. p. — Limonium vulgare form. pyramidale 
Salmon in Journ. of Bot. XLIII (1905) 12. 

var. hallandica Neuman Bot. Not. (1897) 203. — 
Limonium vulgare var. hallandicum Salmon 1. e. 14. 

7. Statice californica Boiss. in DC. Prodr. XII (1848) 
643. — St. Limonium var. californica Wats. Bot. Calif. I 
(1881) 466. — Limonium californicum Small 1. e. 

8. Statice serotina Rehb. Ie. pl. erit. VIII (1830) 21, 
fig. 998. — St. Limonium Linn. 1. e. e.p.; Rehb..l. e. 21, 
fig. 997, Host Fl. austr. I (1827) 407 et var. auet. — 
St. Limonium a. genwina (e. p.) et Y. macroclada Boiss. 
in DC. Prodr. XII (1848) 644—645. — St. angustifolia 
Tausch in Syll. pl. nov. Ratisbon. II (1828) 254. — 
St. Gmelini Koch (non Willd.) Synopsis ed. 2 (1843) 
684. — St. limonioides Bernh. ex Link Enum. hort. 
Berol. I (1821) 295. — Limonium vulgare var. macro- 
cladon Salmon in Journ. of Bot. XLIII (1905) 13. 

var. drepanensis Rouy Rev. Bot. System. (1903) 169. 
— St. drepanensis Tin. ex Guss. Fl. Sie. suppl. II (1843) 
805. — Limonium vulgare var. drepanensis Salmon ]. e. 14. 

var. Brunii Wangerin nov. var. — Differt ramulis 
florigeris ineurvo-flexuosis valde elongatis, spieulis valde 
dissitis, habitu ad St. bahusiensem accedens, sed 
braeteae et flores ut in St. serotina typiea. 

9. Statice Nashii Wangerin nom. nov. — Limonium 
Nashii Small l. e. 


[41] Über den Formenkreis der Staticee Limonium ete. 441 


10. Statice Endlichiana Wangerin n. sp. — Perennis, 
glaberrima. Folia omnia radicalia, oblonga, coriacea, 
51/, em longe petiolata, 81/, em longa et 21/, cm lata 
mihbi visa. Scapus 35 em altus, subangulatus, e basi 
fere ramosissimus, ramis primariis flexuoso-patentibus 
pluries diehotomis, seeundariis areuatim adseendentibus 
ex parte sterilibus, ramulis florigeris valde laxis paulo 
elongatis recurvatis spieulis unilateralibus laxiuseule 
seriatis vel paulo ‘approximatis, omnibus panieulam 
effusam amplissimam scopariam formantibus. Spieulae 
2-florae, eonspieuae; braetea exterior ovata, acutata 
vel breviter mueronulata, dorso leviter earinata, anguste 
membranaceo-marginata ceterum herbacea, 2 mm longa, 
intermedia hyalina fere 2-plo, suprema obtusa apice 
saepius ineisa late hyalino-marginata 21/,—3-plo 
longior. Calyeis 7 mm longi tubus longe obeonieus 
basi secus costas 2 interiores pilosus, limbus eonspieuus 
lobis laneeolato-triangularibus acutis 1!/;, mm longis 
dentieulos intermedios manifestos 3-plo superantibus. 
Corolla eoerulea. — Mexiko, im Staate Tamaulipas: 
Rineön del Toro, an der ausgetroekneten Meeresbucht 
Laguna Madre (R. Endlich Nr. 549, blühend im Juni 
1904; herb. Berlin). 3 

11. Statice limbata Wangerin nom. nov. — Limonium 
Iimbatum Small]. e. 

12. Statice Gmelini Willd. Spee. pl. I (1797) 1524. — 
Limonium Gmelini Salmon in Journ. of Bot. XLVII 
(1909) 287. 

subspee. «. genwina Boiss. in DC. Prodr. XII (1848) 
645. Glaberrima. Panieula + manifeste pyramidata; 
ramuli florigeri ad apicem ramorum secundariorum in 
faseieulos subglomeratos dense conferti; spieulae im- 
brieatae. 

a.typica Trautv. in Bull.phys.-math. Acad. St. Petersb. 
XIV, Nr. 16 (1855) 252. — Flores valde minuti (calyx 
haud ultra 4 mm longus); ealyeis tubus angustus sub- 
eylindrieus, limbus paulo patulus lobis parvis late tri- 
angularibus obtusis dentieulis intermediis saepius vix 
manifestis vel omnino obsoletis. 


WALTHER WANGERIN, [42] 


3. vulgaris Wangerin. — St. scoparia Willd. herb.; 
Rehb. Ie. pl. erit. III (1825) 37, fig. 391. — St. Gmelini 
9. scoparia form. minor Trautv. 1. e. 254. — St. glauca 
Willd. ex Roem. et Schult. Syst. VI (1820) 799. — 
Flores sueto paulo majores, ealyeis tubus late obeonieus, 
limbus haud patulus lobis saepius majoribus atque 
+ acutis dentieulis intermediis manifestis. 

form. steiroclada Wangerin. — St. Gmelini y. steiro- 
clada Trautv. l. e. 254. — Habitu graeiliore, ramulis 
secundariis magna ex parte sterilibus distineta. 

subspee. b) scoparia Wangerin. — St. scoparia Pall. 
ex Willd. 1. e. — St. Gmelini var. y. laxiflora Boiss. in 
DC. Prodr. XII (1848) 645 et Fl. orient. IV (1879) 859. 
— St. Gmelini ß. scoparia form. scorpioidea et form. 


ramosissima Trautv. ]. e. — St. Meyeri Boiss. in DC. 
Prodr. XII (1848) 645. — St. Limonium Pall. Tabl. 
Taur. 49. — Limonium Gmelini var. Meyeri Salmon 


l. e. 288. — Scapus plerumque e basi fere ramosissimus, 
ramis valde patulo-reeurvis atque elongatis, ramulis 
florigeris in eorymbos laxiuseulos valde ramosos eoalitis, 
spieulis saepius laxius paulo spicatis. 

var. gracilis Wangerin nov. var. — Scapo ramisque 
valde graecilibus, infloreseentiis partialibus subpyrami- 
datis, ramulis florigeris valde recurvis vix ramulosis, 
spieulis subdensis, floribus minutis, ealyeis lobis obtusis 
insignis. — Nordpersien (leg. Szovits). 

var. limonioides Wangerin nov. var. — St. Limonium 
Boiss. Fl. orient. IV (1879) 858—859 e. p.; Hal. Consp. 
Fl. graee. III (1904) 16—17 e. p. — Paniculae rami 
nudi, apicem versus ramulos nonnullos secundarios 
areuatim adscendentes elongatos gerentes; ramuli flori- 
geri paulo eonferti, breves, oblique patentes vel recurvi, 
spieulis dense imbrieatis eompaeti. — Griechenland, 
Kleinasien, Syrien. 

subspee. e. Zilaeina Boiss. Fl. orient. IV (1879) 859 
(pro var. 29). — St. lilacina Boiss. Diagn. pl. orient. 
ser. 2. IV (1859) 68. — Foliorum petiolus longus, basi 
in vaginam valde amplam dilatatus. Panieula ramo- 


[43] 


13. 


14. 
15. 
16. 


17. 


Über den Formenkreis der Statice Limonium ete. 443 


sissima ampla; ramuli florigeri breves, spieulis dense 
eonfertis. Calyeis tubus erasse subeylindraceus secus 
eostas omnes dense hirsutus, limbus valde patulus 
amplus vix dentieulatus. — Cappadocien (bei Caesarea, 
leg. Balansa). 

var. lJawiflora Wangerin nov. var. — A forma typica 
ramulis florigeris paulo longioribus, spieulis laxe dis- 
positis differt. — Bei Saisaly in Cappadoeien (leg. 
Zederbauer). 

subspee. d. tomentella Wangerin. — St. Gmelini 
d. tomentella Trautv. 1. e. 255 — 256. — St. tomentella 
Beiss. in DC. Prodr. XII (1848) 645. — Folia subtus 
seeus costam mediam atque scapus eum ramulis + dense 
brevissimeque pubescentes. Calyeis tubus secus costas 
omnes atque saepius in interstitiis quoque pilosus. — 
Siüdöstliches Rulsland. 

d. typica Wangerin. — Scapus et panieulae ramuli 
dense pubescenti-tomentellae. Braeteae spieularum 
d.orso dense sericeo-tomentellae, calyeis tubus totus 
velutinus. 

ß. subglabra Wangerin. — Scapus cum ramulis 
sparse tantum puberulus; bracteae omnino fere glabrae; 
calyeis tubus secus eostas tantum pilosus. 

Statice pycnantha Koch in Linnaea XXI (1848) 
716; Boiss. Fl. orient. IV (1879) 860. — St. Balansae 
Boiss. Diag. pl. orient. ser. 2. IV (1859) 69. 

Statice sareptana Becker in Bull. Soc. nat. Mose. 
(1854) 454 et (1858) 12 et 60. 

Statice Bungei Claus in Beitr. Pflzkde. russ. Reich. VIII 
(1851) 308. 

Statice membranacea Üzernajew Consp. pl. Charcov. 
(1859) 51. 

Statice effusa Boiss. in DC. Prodr. XII (1848) 645 et 
Fl. orient. IV (1879) 860. 

Noch könnte die Frage nach den gegenseitigen phylo- 


genetischen Beziehungen zwischen den verschiedenen Gliedern 
unseres Formenkreises gestellt werden, die um so mehr 
Interesse verdient, als unserer Gruppe innerhalb der Gattung 


444 WALTHER WANGERIN, [44] 


Statice ohne Zweifel eine gewisse zentrale Stellung zukommt. 
Bei der Geringfügigkeit der unterscheidenden Charaktere 
und dem allseitigen Fluktuieren ist es jedoch schwer, auf 
jene Frage eine bestimmte Antwort zu geben, da weder 
morphologische noch pflanzengeographische Gründe uns in 
die Lage versetzen, gewisse T'ypen als primäre, andere als 
abgeleitete zu betrachten, da bestimmte Entwieklungs- 
richtungen kaum erkennbar sind und es sich in manchen 
Fällen nieht entscheiden läfst, ob das Vorhandensein von 
Übergangsformen zwischen zwei Gliedern nur auf Konvergenz 
oder auf gegenseitiger Abstammung beruht. Immerhin mag 
versucht werden, mit ein paar Bemerkungen jener Frage 
noch näher zu treten. Zunächst kann es keinem Zweifel 
unterliegen, dals St. Limonium und St. serotina unmittelbar 
zusammengehören und dals erstere wiederum mit St. bahu- 
siensis in engster Beziehung steht. Dem Ursprung dieser 
drei Arten dürfte derjenige Zweig nahe stehen, dem die 
überwiegende Mehrzahl der amerikanischen Arten angehört. 
Unter diesen stehen sich zunächst St. cakifornica und St. 
chilensis so nahe, dals für beide wohl eine gemeinsame 
Abstammung angenommen werden darf; ihrem Ursprung 
dürfte die St. brasiliensis einigermalsen nahe kommen, 
während man St. caroliniana einerseits, St. Nashii und 
Endlichiana andererseits wohl besser als Repräsentanten je 
eines besonderen Seitenastes ansieht. Der St. angustata 
vermag ich zur Zeit eine Stellung nicht anzuweisen, da ich 
diese Art aus eigener Anschauung nicht kenne und die 
Originalbeschreibung keine genügenden Anhaltspunkte ge- 
währt. Isoliert steht unter den amerikanischen Arten St. 
limbata, die zwar mit dem Formenkreis der St. Gmelini 
manche Züge gemeinsam hat, aber doch schwerlich von 
diesem abgeleitet werden kann. Nicht zweifelhaft erscheint 
es mir, dals der gesamte Formenkreis der St. Gmelini auch 
phylogenetisch als einheitlich betrachtet werden kann; hier 
dürfte die subspee. genuina und die St. pycnantha als End- 
glieder eines Zweiges zu betrachten sein, während St. sarep- 
tana, St. Bungei usw. einem zweiten angehören, der sich 
einerseits an die subspee. scoparia anschliefst, andererseits 
zu der St. latifolia hinüberleitet. Alles in allem ergibt sich 


[45] Über den Formenkreis der Statice Limonium ete, 445 


so folgende schematische Darstellung der mutmalslichen 
Verwandtschaftsbeziehungen, in der die einzelnen Arten der 
Einfachheit halber mit den Nummern der vorstehenden Liste 
bezeichnet sind: 


&) 
& ve 
K%) 
N 
& 
S 
.. 
S © 

© © 

' ($ ; & 


Verzeichnis der bis jetzt in Thüringen 
beobachteten Homopteren 


H. Haupt, Halle a. S. 


Diese Homopterenfauna von Thüringen ist durch die Ver- 
einigung zweier Lokalfaunen entstanden, nämlich der „Hemi- 
ptera van Thüringen“ von Mr. A. J. F. FokKEr (Zierikzee- 
Holland) in der Tijdskrift voor Entomologie deel XLII (1899) 
S. 14—16 und dem „Verzeichnis der vom Oberpfarrer KRIEG- 
HOFF in Thüringen bis jetzt (1903) gefundenen Homopteren“. 

FokkeEr hat das Material zu seiner Fauna Thüringens 
nicht selbst gesammelt, sondern seinerzeit von Prof. Dr. 
O. SCHMIEDEKNECHT-Blankenburg i. Thür. mit Hemiptera 
heteroptera zusammen zur Bestimmung erbalten. Die Be- 
stimmung der Homopteren überliels er zum grölsten Teil den 
Herren B. LErHIEerry (Lille) und Dr. L. MELICHAR (Wien). 
Da nun den Hemiptera in Deutschland bis dahin wenig 
Aufmerksamkeit geschenkt worden war, so stellte FOKKER 
in dankenswerter Weise die Bestimmungsresultate zu einem 
Verzeiehnis zusammen, das aulser einer grolsen Anzahl 
Hemiptera. heteroptera auch 117 Arten Hemiptera homoptera 
enthält. 

Das Verzeichnis der vom Öberpfarrer KRIEGHOFF- 
Langenwiesen i. Thür. erbeuteten Homopteren ist nur hand- 
schriftlich vorhanden. Es ist im Jahre 1903 abgeschlossen 
worden und enthält 127 Arten. Die Bestimmung derselben 
hat durehweg Dr. MELıicHAr besorgt. Es wurde von KRIEG- 
HOFF im Februar 1904 dem Hemipterenforscher Dr. Tr. 
HüsBER-Ulm übermittelt, der es bei Aufstellung seines „Cata- 


[2] Verzeichn. d. bis jetzt in Thür. beobachteten Homopteren. 447 


logus Inseetorum faunae germanieae: Hemiptera homoptera 
(1904)“ benutzte und es anhangsweise beim Verzeichnis der 
einschlägigen Literatur erwähnt. Da ich von der Firma 
O. Staudinger & A. Bang-Haas in Blasewitz b. Dresden den 
gesamten unbestimmten Nachlals KrıeGuorrs (gest. Januar 
1907) an Homopteren zur Bestimmung erhielt, bat ich Herrn 
Dr. Hörer um Überlassung des erwähnten Manuskriptes 
zur Veröffentlichung, worauf er es mir schenkte, wofür ich 
ihm an dieser Stelle nochmals meinen Dank abstatten 
möchte. 

Die nachgelassene Sammlung KRIEGHoFFSs befand sich 
leider in keinem guten Zustande, vor allem fehlten bei den 
meisten Tieren die Fundortsangaben. Immerhin konnte ich 
noch einige herausfinden, die in seinem Manuskript fehlten, 
von FoKkkKErR aber schon als Thüringer Arten aufgeführt 
wurden. Ferner fanden sich noch vier Tiere, die für die 
Fauna Thüringens neu waren: 


Platymetopius guttatus de G. 
Cicadula cyanae Boh. 

Eupteryx löwi Then. 

Eupteryx urticae var. cyclops Mats. 


Euptery& cyclops Mats. wurde von Dr. S. MATsUmURA 
in „Die Cieadinen der Provinz Westpreulsen“ (Schriften der 
naturforschenden Gesellschaft in Danzig Bd. XI, Heft 4, 
S. 65—82) als neue Art beschrieben. Da ich aber lückenlose 
Übergänge von der Stammform E. urticae Fab. bis zu E. 
cyclops Mats. besitze und der Unterschied zwischen beiden 
nur in der Punktierung der Stirn besteht, so habe ich E. 
cyclops Mats. als Art eingezogen. — Eine Beschreibung der 
Varietäten von E. urticae Fab. folgt in nächster Zeit. 

Das Verzeichnis KRIEGHOFFS enthält aulser den Cieadinen 
noch eine Aufzählung von 17 Psylliden, darunter als neu 
für die Fauna Deutschlands Psylla sorbi L., die bisher nur 
aus Schweden bekannt war. 

Bei der Aufstellung des Verzeichnisses habe ich mich 
nach dem „Verzeichnis der palaearktischen Hemipteren“ von 
B. OsHAnın (St. Petersburg 1908) gerichtet und dort, wo es 
in der Benennung von MELICHAR, „Cieadinen von Mittel- 


448 H. Haupr, [3] 


europa“ abweicht, die darin gebrauchten Namen zum Zwecke 
besserer Orientierung in Klammern beigefügt. 

Hinter denjenigen Tieren, die nur von FOKKER genannt 
werden, steht ein (F.), hinter denen, die nur von KRIEGHOFF 
aufgeführt werden, ein (K.). Bei den Tieren, deren Namen 
in beiden Verzeichnissen stehen, ist jede besondere Be- 
zeichnung fortgelassen. 

Da ich soeben eine Revision der Varietäten von Phi- 
laenus spumarius L. beendet habe, die auch in dieser Zeit- 
schrift zur Veröffentlichung gelangen wird, habe ich zwei 
Varietäten dieser Art eingeklammert. Ich habe gefunden, 
dals var. apicalis Germ. synonym mit var. praeustus Fab. 
ist; var. pallidus Zett. halte ich für ein bleiches Stück der 
var. maculatus Zett. Dieser Name wieder ist in MELICHAR, 
„Cieadinen von Mitteleuropa“ für var. ustulatus Fall. einzu- 
setzen, desgl. bei OsHAnIn u. a., die sich auf ihn beziehen. 


Hemiptera-Homoptera. 
Sectio Auchenorhyncha. 
I. Fam. Cicadidae. 


Cicadetta Kolen. 
1. C. montana Scop. 


II. Fam. Cercopidae. 
Subf. Cercopina. 


Treciphora Am. S. 


D 
ia! 


. vulnerata Ilig. 


Subf. Aphrophorina. 


Lepyronia Am. 8. 
3. L. coleoptrata L. 


Aphrophora Germ. 
4. A. corticea Germ. (F.). 
salicis de G. (K.). 
6. „ almi Fall. 


Sx 


[4]  Verzeichn. d. bis jetzt in Thür. beobachteten Homopteren. 449 


Philaenus Stäl. 
7. Ph. lineatus L. (K.). 
8. ,„ execlamationis Thunb. 
9. „ albipennis Fab. 
10. ,„ spumarius L. (Stammform, bzw. var. maculatus Zett. 
Flor.) 

var. leucophthalmus L. 

„ biguttatus Fab. 

„ lateralis L. 


„ (apicalis Germ.) Sämtliche Varietäten 
„ leucocephalus L. ı werden von KRIEGHOFF 
„ praeustus Fab. aufgeführt; 

„ vittatus Fab. FokKER nennt keine. 


„ lineatus Fab. 
„ (pallidus Zett.) 
„ populi Fab. | 


III. Fam. Membracidae. 
Subf. Centrotina. 


Centrotus Fabr. 
11. ©. eornutus L. 


Gargara Am. S. 
12. @. genistae Fab. 


IV. Fam. Jassidae. 
Subf. Ulopina. 


Ulopa Fall. 
13. U. reticulata Fab. 


Subf. Megophthalmina. 


Megophthalmus Curt. 
14. M. scanicus Fall. 


Subf. Ledrina. 


Ledra Fab. 
15. L. aurita L. 


Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a. S. Bd.82, 1911. 39 


450 


16. 


167% 
18. 


30. 


I. HAUPT, 
Subf. Tettigoniina. 


Tettigonia Geoffr. 
T. viridis L. 
F „ var. arundinis Germ. (K.). 


Euacanthus Lep. et Serv. 


S 


interruptus L. 
„ acuminatus Fab. 


Subf. Bythoscopina. 
Idiocerus Lewis. 
I. sceurra Germ. 
„ notatus Fab. (F.). 
, adustus H. S. (K.). 


. „ similis Kbm. (K.). 

. „ herrichöäi Kbm. 

. „ maculatus Mel. (K.). 
5. „ poecilus H. S. (R.). 
. „ hturatus Fall. 

. „ tremulae Estl. (K.). 
. „ laminatus Flor. (K.). 
. „ cognatus Fieb. (F.). 
. „ confusus Flor. 


„ albicans Kbm. (K.). 


i ; aurulentus Kbm. (K.). 
3. „ populi L. 
. „ fulgidus Fab. 


Macropsis Lewis. 


‚ M. lanio L. 


» var. brunnea Fab. (K.). 


Bythoscopus Germ. Fieb. 


B. alnı Sehr. 
„ flavieollis L. 
„ rufusculus Fieb. (K.). 


Pediopsis Burm. 
P. tiliae Germ. 
„ cerea Germ. 


[6] Verzeichn. d. bis jetzt in Thür. beobachteten Homopteren. . 451 


41. P. virescens Fab. 
a Z var. graminea Fab. (K.). 
42. „ mendax Fieb. (F.). 
43. „ distineta Seott. (K.). 
44. „ nassata Germ. 
: 4 var, marginata H. 8. 
45. „ scutellata Boh. 
46. „ nana H. S. (F.). 
47. „ megerlei var. bipunctata Leth. (K.). 


Agallia Curt. N 
48. A. brachyptera Boh. (K.). 
49. „ venosa Fall. 


Subf. Jassina. 
Div. Acocephalaria. 
Eupelix Germ. 
50. E. depressa Fab. (F.). 


5l. „ producta Germ. 
52. „ cuspidata Fab. 


S 


Acocephalus Germ. 


59. A. nervosus Sehr. (striatus Fab.) 

‚94. „ bifasciatus L. (K.). 

55. „ tricinctus Curt. 

56. „ albifrons Seott. 

57. „ flavostriatus Donov. (rivularis Germ.). 


Div. Jassaria. 


Doratura J. Shlb. 
58. D. stylata Boh. (K.). 


Graphocraerus Thoms. 
59. G. ventralis Fall. 


Platymetopius Burm. 
60. P. guttatus Fieb. (K.). 
61. „ undatus de G. 
292 


452 H. Haupt, 


Deltocephalus Burm. 


62. D. punctum Flor. (K.). 

63. „ socialis Flor. (K.). 

64. „ bohemanni Zett. (F.). 
; 5 var. calceolatus Boh. 

65. „ multinotatus Boh. (F.). 

66. „ distinguendus Flor. 

67. „ parallelus Fieb. (F.). 

68. „ pieturatus Fieb. 

69. „ flori Fieb. (K.). 

70. „ pulicari& Fall. (K.). 

71. „ hyalinus Fieb. (F.). 

72. „ striatus L. 

73. „ abdominalis Fab. 

74. „ collinus Boh. (K.). 

75. „ cephalotes H. S. 


Jassus Fab. (Allygus Fieb.). 


76. J. commutatus (Fieb.) Seott. 
77... mayrı Rbmr eo): 

78. „ mixtus Fab. 

79. „ modestus (Fieb.). 


Goniagnathus Fieb. 
80. G. brevis H. S. (F.). 


Athysanus Burm. 


81. A. stactogalus Am. (F.). 
82. „ striatulus Fall. (K.). 
A r var. orichalceus Tbms. (F.). 
83. „ striola Fall. (K.). 
84. „ lineolatus Brulle. 
85. „ schenki Kbm. (K.). 
86. „ grisescens Zett. (F.). 
87. „ plebejus Fall. 
88. „ absoletus Kbm. 
89. „ brevipennis Kbm. (K.). 


8] 


107. 


108. 
10% 


110. 


LET 


112. 


Verzeichn. d. bis jetzt in T’hür. beobachteten Homopteren. 


Thamnotettix Zett. Fieb. 


Th. fenestratus H. S. (F.). 

„ quwinquenotatus Boh. (K.). 
tenuis Germ. 

croceus H. S. 
attenuatus Germ. (F.). 
torneellus Zett. 
abietinus Fall. 

pictus Leth. (F.). 

„ subfusculus Fall. 

„ erythrostictus Leth. (F.). 
„ prasinus Fall. (K.). 

„ simplex H. S. 

„ eruentatus Pnz. 

„ Ppreyssleri H. S. (F.). 

„ quadrinotatus Fab. 

„ frontalis H. S. (K.). 

„ sulphurellus Zett. 


Grypotes Fieb. 
G. pinetellus Zett. 


Oicadula Zett. 


Ü. cyanae Boh. (K.). 

„ sexnotata Fall. 

e a var. diminuta Leth. (K.). 
„ punctifrons Fall. 


Ballutha Kirk. (Gnathodus Fieb.). 
DB. punctata Thunb. 


Subf. Typhloeybina. 
Alebra Fieb. 


A. albostriella Fall. 
: n var. wahlbergi Boh. 
D » » fulweola H. S. (K.). 


H. HAupr, 


Erythria Fieb. 


. E. manderstjernai Kbm. (K.). 


„ aureola Fall. (F.). 


Dieraneura Hardy. 


. D. agnata Leth. (K.). 


, flavipennis Zett. (K.). 
„ mollicula Boh. (K.). 


Chlorita Fieb. 


. Ch. flavescens Fab. 


„ solani-tuberosi Kollar. (K.). 
„ viridula Fall. 


Empoasca Walsh. (Kybos Fieb.). 
. E. smaragdula Fall. 


Euptery& Curt. 


. £. viitata, L. (RK): 


, notata Curt (wallengreni Stäl) (K.). 
„ germarı bett. 

„ löwi Then. (K.). 

„ concinna Germ. (F.). 

„ pulchella Fall. 

„ stellulat« Burm. (F.). 

,‚ atropunctata Goeze (carpini Leth.). 
„ aurata L. 

„ urticae Fab. 

. 2 var. cyclops Mats. (K.). 


Typhlocyba Germ. 


. T. jucunda H. S. 


„ eruenta H. S. (K.). 

„ sexpunctata Fall. (K.). 
„ nitudula Fab. 

„ rosae,L, (K.): 

„ geometrica Sehrk. 

„ quercus Fab. 


110] 


139. 
140. 
141. 
142. 


143. 


144. 


145. 
146. 
147. 
148. 


149. 


154. 


Verzeichn. d. bis jetzt in Thür. beobachteten Homopteren, 


Zygina Fieb. 
Z. hyperici H. 8. (K.). 
„ scutellaris H. 8. (F.). 
„ parvula Boh. (F.). 
„ flammigera Geoffr. (blandula Rossi) (K). 


V. Fam. Fulgoridae. 
Subf, Cixiina. 
Oliarius Stäl. 
O. panzeri P. Löw. (F.). 


Cixüus Latr. 

C. pilosus Oliv. 

„ var. infumatus Fieb. (F.). 
L 5 „ albieinetus Germ. (F.). 
„ nervosus L. 
„ heydeni Kbm. (K.). 
„ cunicularius L. 
„ simplex H. S. (F.). 


Subf. Issina. 
Div. Issaria. 
Issus Fab. 
coleoptratus Geoffr. 


Subf. Tettigometrina. 
Tettigometrina Latr. 


. T. virescens Pnz. (F.). 


„ impressopunctata Duf. 
„ macrocephala Fieb. (F.). 
„ obliqua Pnz. 


Subf. Delphaeina. 


’ Asıraca Latr. 
A. clavicornis Fab. (F.). 


455 


157. 


163. 
164. 


=S 


H. Haupr, 11] 


Dtenocranus Fieb. 


— 


. minutus Fab. (lineola Germ.). 


Kelisia Fieb. 


. K. guttula Germ. 


Eurysa Fieb. 
E. lineata Ferr. (F.). 


Conomelus Fieb. 


. ©. limbatus Fab. 


Delphax Fab. (Liburnia Stäl). 


. D. pellucida Fab. 


„ sordidula Stäl. 
„ fairmavrei Perr. (F.). 


Dicranotropis Fieb. 


. D. hamata Boh. (F.). 


Stiroma Fieb. (F.). 
St. albomarginata Curt. (K.). 
„ affinis Fieb. (F.). 


Nachzutragen ist noch Thamnotettix splendidulus Fab., 


die MELICHAR (Cieadinen von Mitteleuropa) als Thüringer 
Art aufführt. 


Sectio Sternorhyncha. 
Subseetio Phytophthires. 
Fam. Psyllidae. 


Div. Aphalararia. 


Aphalara Frst. 


1. A. artemisiae Frst. 


2. 
3. 


„ exihs Weber et Mohr. 
„ Ppicta Zett, 


[12] Verzeichn. d. bis jetzt in T'hür. beobachteten Homopteren. 


4. 


12: 


BR. 


Psyllopsis FF. Löw. 
fraxini L. 


Psylla Geoffr. F. Löw. 


. erataegi Sehr. 


pyrisuga Fıst. 
mali Schmdbg. 
ulmi Frst. 

alnı L. 

foersteri Flor. 
prumi Scop. 
melanoneura Frst. 
nigrita Zett. 
saliceti Frst. 
sorbi L. 


Arytaena Frst. 


. genistae Latr. 


Div. Triozaria. 


Trioza First. 


. urticae L. 


ä! 


7 


Einiges über die höhere Tierwelt der 
Marianen 


von 


Dr. med. Schnee, Kaiserl. Regierungsarzt auf Saipan 


Saipan, die Hauptinsel der Marianen-Gruppe liegt etwa 
unter dem 15.° n.Br., somit schon weit genug vom Äquator 
entfernt, dals im Gegensatz zu Ponape und anderen Karolinen- 
Inseln bereits Erscheinungen auftreten, die man auf jenen 
vergeblich sucht;. dahin rechne ich in erster Linie das Auf- 
treten einer Morgen- und Abenddämmerung. Des weiteren 
sind aber auch die Jahreszeiten hier schon schärfer aus- 
geprägt, jedoch nieht in der Art, dals sie etwa auf die 
Pflanzen- oder Tierwelt irgendwie von Einfluls sein könnten. 
Nein, das Klima ist and bleibt ein tropisches und somit jenem 
der Karolinen-Gruppe recht ähnlich, indem ja auch hier be- 
deutende Regenmengen niedergehen, wie das bei Inseln in 
der Mitte eines so gewaltigen Meeres nicht Wunder nehmen 
kann. Was ich im folgenden von Saipan zu berichten ge- 
denke, palst naturgemäls auch auf die anderen Marianen- 
eilande und dürfte cum grano salis auch auf die Karolinen 
Anwendung finden. 

Saipan ist eine etwa an den Umrils einer Fledermaus 
erinnernde Insel von 120 Dkm Oberfläche, welehe von Kalk- 
gebirgen durchzogen wird, die sich bis 466 m erheben. Nach 
Westen zu hat sich ein angeschwemmtes Vorland gebildet 
mit einer allerdings nicht sehr tiefen Ackerkrume, die öst- 
liche Breitseite fällt dagegen steil ab. 

Säugetiere gab es auf dem Eilande ursprünglich nicht. 
Die einzigen Vertreter dieser Klasse, die vor dem Menschen 


[2] Einiges über die höhere Tierwelt der Marianen. 459 


anwesend waren, stellen Fledermäuse dar. Warum gerade 
sie die Insel erreicht haben, liegt auf der Hand. Solche 
Tiere können von Insel zu Insel wandernd selbst weite, 
trennende Meere überfliegen, welche ftir andere Geschöpfe 
eine unüberwindliche Sehranke bilden. Merkwürdigerweise 
hat auch eine kleine, insektenfressende Art (Eimballonura 
semicaudata, Peale) die Insel erreicht. Das verdankt sie 
wohl weniger ihrer Flugkraft als der Benutzung von schwim- 
menden Bäumen oder anderen Transportmitteln. Dafs solche 
kleinen Arten gelegentlich sehr weit verschlagen werden, 
weils ich von Jaluit her. Für dessen Fauna war in einer 
mir augenblieklich nieht mehr erinnerlichen Quelle dieselbe 
Art angegeben. Ich habe mich indessen durch Umfrage 
bei den Eingeborenen vergewissert, dals sie dort fehlt und 
dafs es sich um ein verschlagenes, übrigens bald ein- 
gegangenes Stück gehandelt hat, auf welches dort Bezug 
genommen wurde. Ich weils übrigens wirklich nicht, ob 
unsere Fledermäuse den Ruf schlechter Flieger in der Tat 
verdienen oder ob er nur im Vergleich zu den — auf 
diesem Gebiete ja ungleich Besseres leistenden — Vögeln 
berechtigt ist. Die gro/sen fruchtfressenden Arten unter- 
nehmen selbst gröfsere Sreifzüge nach Art der Zugvögel 
und führen diese ohne Beschwerde durch. Hierfür ist ein 
wenig bekannter Beweis, dafs jeden Sommer in die Gegend 
von Sydney ganze Herden dieser gefräfsigen Gesellen kommen, 
obwohl diese Stadt bereits aufserhalb des von ihnen be- 
wohnten Gebietes liegt. — Der hier lebende fliegende Hund 
oder „fanihi“, wie die Eingeborenen ihn nennen, ist ein 
stattliches Geschöpf, welches nach meiner Taxe gegen 1 m 
zu klaftern vermag. Wissenschaftlich ist er als Pieropus 
keraudreni, Q. und G., bekannt. Der gewaltigen Flugkraft 
entspricht seine weite Verbreitung, indem sich die Art von 
den Palau- bis zu den Fidchi-Inseln hin findet. Die auf 
Samoa lebende, dort „manu-langi*, d.h. Himmelsvogel, ge- 
nannte Art, steht ihm sehr nahe, was auf deutsch ja nichts 
anderes heilst als: beide Formen sind bereits lange genug 
von einander isoliert, um sich abändern zu können. 

Doch zurück zu unserm fanihi! Wenn man die Tiere 
bisweilen auch am Tage herumfliegen sieht, wie mir erzählt 


460 DR MED. SCHNEE, [3] 


ist, so bemerkt man sie doch am häufigsten in mondhellen 
Nächten. Wenn ieh früber bei Dunkelheit zu meiner etwa 
15 Minuten vom Dorfe entfernt liegenden Wohnung zurück- 
kehrte, so habe ich diese riesigen „Nachtvögel“ nieht selten 
über die Kronen der Fruchtbäume dahinsegeln sehen, indem 
sie lautlos wie gespenstischer Schatten oder wie eine schwarze 
Silhouette an dem blauen Himmel vorbeistrichen, während 
andere bei meiner Annäherung in dem dämmernden Grün 
der leise rauschenden Gipfel verschwanden. Ihr rattenartiges 
Pipsen habe ich auch am Tage, wo sie schlaftrunken an 
Ästen hängen, öfters vernommen. Die Nahrung der fliegenden 
Hunde besteht aus Früchten, insbesondere jener der zahl- 
losen Guaven (Pisidium guajava, L.), die hier als ein gräu- 
liches Unkraut auftritt, weiterhin fressen sie auch Brotfrüchte 
und die an eine riesige Ananas erinnernden Drupa der 
Schraubenpalmen oder Pandaneen; ebenso wenig ver- 
schmähen sie natürlich die eingeführten Anonen, Bananen 
und die Darbietungen anderer Fruchtbäume. Pteropus kommt 
nicht in soleher Menge vor, dals der Schaden, den er an- 
richtet, bemerkbar würde! Trotzdem stellen ihm aber die 
Eingeborenen eifrig nach, gilt doch sein Fleisch für einen 
vorzüglichen Leckerbissen! 

Mit einem grolsen, am Ende einer langen Stange be- 
festigten Netze zieht man zum Fanihifange aus. Mit Hilfe 
des beschriebenen Instrumentes wird der schlaftrunkene 
Flederhund leicht vom Aste losgerissen und in einem Korbe, 
den der zweite „Jäger“ trägt, geborgen. Die Beute wird 
später mit der Haut gekocht und auch so verzehrt. Sie 
schmeckt, wie die Eingeborenen angeben und wie ich aus 
eigener Erfahrung sagen kann, nach Moschus. Es ist in- 
dessen nicht jedermanns Sache, einen noch behaarten Braten 
auf dem Teller zu haben, weshalb wohl wenige Europäer 
dieses Gericht versucht haben mögen. Das Fleisch schmeckt 
im übrigen hühnerartig. Die grofse Leber halte ich geradezu 
für einen Leckerbissen und versäume, seit ich dieses in Er- 
fahrung gebracht habe, nicht bei Eingeborenenessen mir 
dieses Stück zu Gemüte zu führen. Bei der erwähnten Fang- 
metbode gelangen nicht selten junge Fanihi in die Hände 
der Chamorro. Sie sollen äulserst zahm werden, nachts 


[4] Einiges über die höhere Tierwelt der Marianen. 461 


ausfliegen und am Morgen zurückkehren. Ich habe zweimal 
versucht, junge Tiere dieser Art aufzuziehen, indessen war 
es mir in beiden Fällen nicht möglich, die Tierchen vor 
Ameisen zu schützen, trotzdem ich ihnen als Ruheplatz einen 
freischwebenden, an zwei Bindfaden hängenden Ast an- 
gewiesen hatte. 

Eine importierte Hirschart Cervus martannus, Desm., ist 
insbesondere auf der jetzt amerikanischen Marianeninsel 
Guam häufig, ja sie scheint dort bereits zu einer Art Land- 
plage geworden zu sein. Das Tier wurde von den Philip- 
pinen aus dureh Mariano Tobias, welcher von 1771— 1774 
Gouverneur der Gruppe war, eingeführt. Im deutschen Teile 
des Archipels ist der Hirsch auf Rota bereits häufig, von 
dort wurde er nach Saipan überführt, doch dürfen die Tiere 
bei uns noch nieht erlegt werden, während auf Guam die 
Hirschjagd eine beliebte Beschäftigung der Chamorro bildet. 
Auf unserem Eilande leben die Hirsche mit Vorliebe auf 
der fast unbevölkerten Ostseite, doch kommen sie zur Brunst- 
zeit bis in die Nähe der an der Westküste liegenden An- 
siedelung. In meiner früheren, aulserhalb des Dorfes befind- 
lichen Wohnung habe ich mehrmals das Brüllen derselben 
gehört. Sie waren in einer solchen Nähe, dals alle jene 
dem Brunstschrei von den Jägern angediehtete Poesie 'ver- 
loren ging und das rinderartige der Laute bereits un- 
angenehm in den Vordergrund trat. Wie die Spuren aus- 
wiesen, war der Hirsch das eine Mal nur wenige hundert 
Schritte von meinem Hause entfernt gewesen. Wenngleich 
ich die Tiere in Freiheit noch nieht gesehen habe, so kenne 
ich doch eine von hier stammende und in Ponape aus- 
gesetzte Ricke, aulserdem besitze ich einige Schädel von 
dem benachbarten Rota. Dort pflegen einzelne Stücke von 
Zeit zu Zeit zu „verunglücken“, wohl nicht ganz ohne Nach- 
hilfe von Seiten der Eingeborenen. — Das Geweih ist drei- 
sprossig, sehr kräftig entwiekelt, unten auffallend stark und 
meist von guter Perlung, die Entfernung vom Rosenkranz 
bis zur Spitze beträgt in gerader Richtung etwa 35 em. 

Das Ratten und Mäuse auf unserem Eilande nicht 
fehlen ist selbstverständlich. Die Wälder werden belebt von 
verwilderten Rindern und namentlich Schweinen, weleh letztere 


462 DR. MED. SCHNEE, [5] 


von den Chamorro mit Hunden gejagt oder in Schlingen 
gefangen werden, Auf dem Nachbareilande Tinian fanden 
sich früher grölsere Herden wilder Rinder, schätzungsweise 
2000— 3000 Stück, doch sind diese, seit die Jagd dort ge- 
werbsmälsig zur Bereitung von Trockenfleisch ete, betrieben 
wird, recht geliehtet. Dagegen sind ganz sonderbar hoch- 
beinige, langrüsselige Schweine noch häufig; eine besonders 
bergige, schwer zugängliche Eeke der 92 Dkm grolsen Insel 
wird dagegen von Ziegen bewohnt. Weiter gibt es auch 
eine grolse und eine kleine Rasse sog. „Wildhunde“. Alle 
diese genannten, heute völlig freilebenden Geschöpfe stammen 
natürlich aus der spanischen Periode von Haustieren her, 
welche auf der lange Zeit unbewohnten Insel sich ungestört 
vermehrt haben. 

Unter den Landvögeln fallen in erster Linie die überall 
gegenwärtigen und sich durch ihr eharakteristisches Geschrei 
bemerkbar machenden Eisvögel auf. Abweichend von ihren 
deutschen Verwandten sind sie dem Wasser abhold und 
erwerben ihre Beute einzig und allein auf dem trockenen 
Boden. Einen grolsen Teil ihrer Nahrung bilden wohl die 
zahlreichen Heuschrecken der Insel, mit denen man sie 
nieht selten auf einem umgefallenen Baume unweit des 
Weges sitzen sieht. Des weiteren sollen sie mit Vorliebe 
Eidechsen verzehren, was ich nur bestätigen kann; ja es 
wird sogar behauptet, die zahlreiehen Eidechsen bildeten 
einen Hauptbestandteil ihrer Nahrung. . 

Man dürfte nach dem eben Angeführten geneigt sein, 
die Eisvögel für nützliche Tiere zu halten, leider ist das 
aber durehaus nieht der Fall! Auf Küchlein sind sie z. B. 
äulserst erpicht, auch andern jungen Vögeln gegenüber 
dürften sie kaum weniger blutdürstig sein. Vor einigen 
Tagen hat sogar ein Eisvogel einem ausgewachsenen Huhne 
den Kopf zerhackt und es so getötet. In der Nähe der 
Wohnungen müssen die Tiere jedenfalls unbedingt ab- 
geschossen werden, weil andernfalls die Hühnerzucht völlig 
illusorisch werden würde. Ich habe nun zwar gesehen, dals 
die Henne solehem freehen Räuber sehr energisch entgegen- 
tritt und ihn auch glücklich in die Flucht schlägt und noch 
eine Strecke weit verfolgt, gewöhnlich aber stürzt der Strauch- 


[6] Einiges über die höhere Tierwelt der Marianen. 4653 


dieb so heimtückisch zwischen die Schar der harmlosen 
Küchlein, dafs jeder Verteidigungsversuch seitens der be- 
sorgten Henne zu spät kommt. Selbst der Kanarienvogel 
in seinem Käfig ist vor dem Unhold nieht sicher; frech 
kommt er auf die Veranda und reilst dem Sänger den Kopf 
ab. Bei allen seinen Räubereien geht der „sihig* ebenso 
geschickt wie energisch vor. — Eines Abends sals ich auf 
‘meiner Veranda und beobachtete eine Echse, welche auf 
dem herabhängenden Blatte einer dieht daneben stehenden 
Cocos hin- und herlief und sich äulserst behaglich zu fühlen 
schien, indem die Abendsonne sie so recht angenehm durch- 
wärmte. Da plötzlich ein kreischender Ton, ein Eisvogel 
stürzte mit unglaublicher Geschwindigkeit heran, nahm im 
Fluge das Eehslein fort und war mit ihm verschwunden, 
ehe ich eigentlich recht begriff, was vorgefallen war. 

Der gewaltige keilföürmige Stolsschnabel mit seiner 
breiten Wurzel und den gerade verlaufenden Seitenrändern 
des Oberkiefers bildet nicht nur eine gefährliche Waffe, die 
auf den Beschauer bereits im ersten Augenblicke imponierend 
wirkt, sondern sie ist auch ganz geeignet eine Beute, und 
wenn es eine stahlglatte Echse wäre, zu fassen und sicher 
festzuhalten. 

Der verbreitetste Eisvogel Saipans ist Halcyon sauro- 
phagus, J. Gd., eine von den Molukken bis zu den Salomonen 
hin lebende Art. Kopf, Hals und Unterkörper sowie Unter- 
flügel- und Unterschwanz-Federn des Tieres sind weils. Der 
Zügel ist schwärzlich und setzt sich in einen dunklen, um 
den Hinterkopf verlaufenden Kranz fort. Flügel, Schwanz 
und Rücken erscheinen hellblau, bei genauerer Betrachtung 
bemerkt man indessen, dals letzterer mehr grünlich und 
somit abweichend gefärbt ist. Der Schnabel ist schwarz, 
die Wurzel des Unterkiefers weilslich. 

Im sehärfsten Kontraste zu dieser üblen Sippe steht 
ein reizendes, sperlingartiges Vöglein, von den Eingeborenen 
Chiehirika genannt, welches sich durch sein zutrauliches 
Wesen die Zuneigung eines Jeden gewinen muls. Es ist 
ein kleiner Fliegenschnäpper von unscheinbarer Färbung. 
Hals und Körper erscheinen rötlich braun, der Kopf und 
Rücken sind dagegen dunkel gefärbt. Einige anspruchslose 


464 DR. MED. SCHNEE, [7) 


weilse Querbinden der Flügel geben ihm jedoch bereits ein 
zierlicheres Ansehen. Einfach aber recht ansprechend ge- 
zeiehnet ist der Schwanz, deren schwarze Federn je einen 
weilsen, auffallenden Fleck an ihrem Ende tragen, was dem 
Tierchen zum grolsen Schmucke gereicht. Dieser Fliegen- 
schnäpper hat die Gewohnheit, jeden, der in seine Nähe 
kommt, eine Zeitlang zu begleiten, wobei er sich in kurzen 
Zwisehenräumen auf einem Aste ete. niederlälst, um seinen 
Schwanz wie einen Fächer mit einer geradezu erstaunlichen 
Gewandtheit zu entfalten, wobei er höchst sonderbare Be- 
wegungen ausführt; er erinnert so an einen Pfau im kleinen, 
und wenn die Färbungen seines Rades auch nur einfache 
sind, so wirkt doch das lichte Weils am Rande des schwarzen 
Miniaturfächers inmitten des Laubgrünen, sein Auf- und 
Zuklappen im Verein mit den zierliehen Bewegungen des 
munteren Vögleins ungemein niedlich. Leider wird diese 
Zutraulichkeit dem Fächerschwanzfliegenfänger (Rhipidura 
uraniae, Oustalet) nur zu oft zum Verderben, indem er leicht 
herumstreiehenden Hauskatzen oder Ratten zur Beute fällt. 

Im Jahre 1904 sind hierselbst Perlhühner ausgesetzt, 
welche sich gut vermehrt haben und in Trupps die Um- 
gebung der Ansiedlung, übrigens auch andere Teile der 
Insel beleben. Eine Schar hält sich in der Nähe des 
Exerzierplatzes auf, wo man sie oft zu sehen bekommt. Da 
die Hühner nicht gejagt werden dürfen, sind sie wenigscheu, 
lassen den Menschen aber doch nur bis auf eine gewisse 
Entfernung an sieh herankommen. Ihre eharakteristische, 
wenig schöne Stimme hört man öfter als einem lieb ist. 
Dafs diese Tiere sieh auf Saipan trotz der zahlreichen 
Ratten haben vermehren können, verdanken sie zum grolsen 
Teile ihren ungemein hartschaligen Eiern, welche diesen 
Nagern unüberwindliche Schwierigkeit entgegensetzen, wenn 
es gilt, dieselben sofort zu zerbrechen. Die Brut selbst 
leidet aber naturgemäls vielen Schaden. Neuerdings sollen 
sich die Perlhüihner nieht mehr so gut vermehren. Es liegt 
nahe zu vermuten, dals die Eingeborenen unter der Hand 
vielleieht manches Stück fangen und verzehren. Wenn man 
versucht, die Eier durch Haushennen ausbrüten zu lassen, 
so gelingt das meistens, indessen hat man an seinen Pfleg- 


[8] Einiges über die höhere Tierwelt der Marianen. 465 
lingen wenig Freude. Sie bleiben nur eine Zeitlang in der 
Nähe des Hauses und laufen, wenn sie älter werden, regel- 
mälsig in den Busch. 

Obwohl einige Eingeborene zahme Tauben halten, eine 
grolse, blaue Rasse, die wohl von den Spaniern stammt, so 
sind solehe doch nieht gerade häufig. Dagegen finden sich 
mehrere wilde Vertreter einer nahestehenden Familie, die 
man als Fruchttauben bezeichnet. Sie eharakterisiert vor 
allem, im Gegensatz zu den echten Tauben, ihr starker, 
gesehwollener, kurzer Schnabel und das vorwaltend grüne 
Gefieder. Mangels jeglicher Literatur kenne ich mich mit 
diesen Tieren nieht recht aus, Bälge stehen mir auch nicht 
zur Verfügung, somit möchte ich denn nur in aller Vorsicht 
über sie reden. Zunächst ist vor ea. 7 Jahren eine grofse 
Taube mit schwarzen Flügeln von den Palauinseln hierher 
gebracht und auf der Ostseite der Insel ausgesetzt. Die Tiere 
scheinen sich seitdem gut vermehrt zu haben, wenigstens 
sieht man jetzt nicht ganz selten Exemplare in der Nähe 
unserer, wie bemerkt, auf der Westseite des Eilandes liegenden 
Ansiedlung. Zwei z. B. beobachtete ich öfters auf dem Wege 
in der Nähe des Hospitals. 

Von den einheimischen Fruchttauben dürfte Pilopus 
roseicapellus, Less., die schönste sein. Sie steht der samoa- 
nischen Fruchttaube (P. fasciatus, Peale) sehr nahe. Die 
beiden Geschlechter sind gleich gefärbt, das Gefieder ist 
grün, der Scheitelpurpur rot, die Unterseite ist gelb und 
orange gefärbt, auf der Brust stehen gleichfalls einige 
Purpurflecke. Die Eingeborenen nennen sie tot-tot und 
stellen ihr wie den andern Arten eifrig nach. Es klingt 
zwar unglaublich, indessen ist es doch Tatsache, dafs diese 
Tiere mit dem bereits erwähnten Fanihinetz gefangen 
werden können, indem man auf schmalen Pfaden die An- 
fliegenden einfach zu Boden schlägt. Ihre Nahrung besteht 
aus allerlei Früchten, insbesondere sollen sie jene des llang- 
Ilangbaumes und des Cestrum, sowie die des Piod genannten 
und des Lemoneito-Strauches verzehren. Der erst erwähnte 
(Canangium odoratum, Lam.) dürfte als Lieferant eines be- 
liebten Parfüms bekannt genug sein. Dagegen verdienen 
die übrigen Nährpflanzen einige Worte. Cestrum ist eine 

Zeitschr. f. Naturw. Halle a.S. Bd.82. 1911. 30 


466 DR. MED. SCHNEE, [9] 


Solanacee, aus deren zarten weilsen Blütenröhrehen sich 
eiförmige Beeren von der Grölse einer wilden Kirsche ent- 
wiekeln. Diese enthalten übrigens einen Saft, der als Tinte 
bentitzt werden kann, die allerdings mit der Zeit fuchsig 
wird, so dafs z. B. eine von mir ausgeführte Zeiehnung der 
Pflanze heute recht übel aussieht. Unser Cestrum wurde 
mir hier als „Nanagu“ bezeichnet, andere Eingeborenen 
sagten, es hätte überhaupt keinen Namen. Soviel steht 
jedenfalls fest, dals die Pflanze eine relativ neue Errungen 
schaft der Marianenflora ist, da ältere Sammler sie nirgends 
erwähnen. Nachdem sie einmal Fuls gefalst hatte, haben 
die Tauben die Samen offenbar nach allen Richtungen 
hin verschleppt und die Art somit über das ganze Eiland 
verbreitet. — Lemoneito ist ein naher Verwandter unseres 
Zitronenbaumes, er trägt kleine orangenfarbige Früchte, will 
aber wegen seiner starken grünen Dornen mit Vorsicht be- 
handelt sein. Piod endlich, ein weit verbreitetes Tropen- 
gewächs, gehört zur Familie der Olacineae. Sein botanischer 
Name lautet Himenia americana, L. Er tritt als Strauch oder 
kleiner Baum auf, der eiförmige, kleine Früchte trägt, die 
zuerst eine grüne, später eine orangefarbige Schale besitzen. 
Der weilse, von einer braunen Aulsenhaut (wie bei einer 
Nufs) umhüllte Kern riecht mandelartig angenehm und 
erinnert im Geschmack etwas an die Birne. 

Aulser der erwähnten Taubenart gibt es hier noch 
mehrere andere, deren wissenschaftliehe Namen mir aber 
unbekannt sind. Eine seltenere Art, von den Eingeborenen 
als Apaka, „die Weilse*, bezeichnet, ist fast völlig braun 
gefärbt, besitzt aber eine leuchtend weilse Brust. Ein von 
mir gemessenes Stück war 26 em lang. 

Wir redeten schon oben von der importierten Palau- 
taube; eine zweite, anscheinend von den Philippinen stam- 
mende und vor Zeiten durch die Spanier eingeführte Spezies 
ist die paluma -halom tano, d. h. die Waldtaube der hiesigen 
Chamorro. Ich nehme an, dafs sie mit der Zurtur dussu- 
mieri, Temm., die auf Guam häufig vorkommt, identisch 
ist. Von ihr rühren die einem schmelzenden „Du...du...* 
gleichenden Laute her, welehe allabendlieh unser Ohr 
erfreuen. 


[10] Einiges über die höhere Tierwelt der Marianen. 467 


Äufserst merkwürdig ist das Vorkommen eines Grolsfuls- 
huhnes, welches in der Savane ein sehr verborgenes Leben 
führt. Diese Vögel zeiehnen sich bekanntlich durch starke 
Entwieklung der Fülse aus. Sie bedürfen einer solehen Aus- 
rüstung, da sie grolse Haufen von Laub ete. zusammen- 
kratzen, in welehe sie ihre grofsen Eier ablegen, welche 
dureh die Wärme der verwesenden Stoffe gezeitigt werden. 
Eine nahestehende Art des Bismarek-Archipels vergräbt sie 
übrigens in den warmen, vulkanischen Sand der Feuerspeier. 
Ich kann aus eigener Erfahrung mitteilen, dals sie unsere 
Hühnereier an Wohlgeschmack übertreffen. Diese Hühner 
sind hinsichtlich der Brutweise also auf der Stufe der 
Reptilien stehen geblieben. Jedenfalls verlassen die ge- 
reiften Jungen, ohne ihre Eltern kennen gelernt zu haben, 
nach einiger Zeit den natürlichen Brutofen und laufen davon, 
um ein Leben auf eigene Faust zu beginnen. Bei uns lebt 
ein Angehöriger der Gattung Megapodius, die sich durch 
den zehnfedrigen breiten Schwanz auszeichnet, während er 
bei den beiden anderen Gattungen eine dachförmige Gestalt 
hat und aulserdem acht Federn mehr enthält. Die hiesige 
Art ist braun, der Kopf grau» eine nackte Stelle desselben 
ist rot gefärbt, Schnabel und Fülse gelb; wissenschaftlich 
ist sie als M. laperousi, Quoy und Gaimard, bekannt. — 
Die Eingeborenen verstehen das Huhn mit Schlingen zu 
fangen; da das Fleisch aber hart ist, wird der „Sasengat“ 
wenig geschätzt und meist in Ruhe gelassen. Die grolsen 
grünlichen Eier sollen dagegen gut sein. Ich habe sie noch 
nicht gegessen, wenn sie aber nur halb so wohlschmeckend 
sind, wie die des auf Neu-Pommern lebenden Buschhuhnes, 
sehe ich dem Versuch mit Interesse entgegen. Ich habe 
von Megapodius hier bisher nur ein halb erwachsenes 
abgebalgtes Exemplar gesehen, habe aber Aussicht, in der 
nächsten Zeit lebende Vögel dieser Art zu bekommen, über 
deren Gebahren ich vielleieht später einmal berichten kann. 

Auf dem stark bevölkerten, wie bereits erwähnt, im 
amerikanischen Besitze befindlichen Guam fehlt der Sasengat 
(offenbar bereits seit lange ausgerottet), auf unseren Inseln 
kommt er aber wohl noch überall vor. Sein Vorkommen 
ist indessen nicht auf die Marianen beschränkt, sondern 

30* 


468 DR. MED. SCHNEE, [11] 


erstreckt sich bis nach den Palau-Inseln, woraus man wohl 
schlielsen darf, dals zur Tertiärzeit beide Inselgruppen eine 
zusammenhängende Landmasse gebildet haben. 

Für diese Ansicht ist auch das Vorkommen einer kleinen 
blauschwarzen, metallisch glänzenden Wurmschlange von 
Wichtigkeit; sie lebt mit den Regenwürmern zusammen unter 
Balken, vermoderndem Laub und ähnlichen Plätzen. Sie 
ist für den Laien derartig dem Regenwurm ähnlich, dafs 
die Eingeborenen von schwarzen und weilsen Regenwürmern 
sprechen, also keinen Unterschied zwischen Reptil und Wurm 
machen. Ich wurde durch die Muskelkraft dieser etwa finger- 
langen Schlänglein in lebhaftes Erstaunen versetzt; auf den 
Tisch gelegt bewegen sie sich derartig behende, dals sie 
den Erdboden erreicht haben, ehe man noch zufassen kann. 
Da diese Reptilien ausgesprochene Bodentiere sind, so ergibt 
sich auch aus ihrem Vorkommen, dafs die Marianen früher 
Teile eines Festlandes waren. — Kleine Echsen, insbesondere 
das in der Südsee so weit verbreitete Lygosoma ceyanurum, Less., 
welches ich auch zur Winterszeit in der Nähe von Sydney 
herumlaufen sah, sind häufig, ebenso verschiedene Geekonen. 
Alle machen sich als halbe Haustiere durch das Wegfangen 
von Fliegen, Mücken, Motten u. dgl. Ungeziefer nützlich. 

Im Gegensatz zu ihnen ist der gegen Armlänge er- 
reichende Yaranus indicus, Daud, ein höchst übler Gesell, 
der neben dem „Sihig* den Hauptgeflügelfeind aus der 
Klasse der Reptilien bildet. Gegen beide führt man daher 
notgedrungen einen beständigen Kampf. — Die mächtige 
Echse ist eigentlich ein schönes Tier, das infolge der grolsen, 
goldgerandeten Augen einen entschieden energischen Eindruck 
macht. Sein Kostüm ist bunt und besteht aus zahlreichen, 
lebhaft gelben Tupfen, die sich von dem schwarzen Unter- 
grund wirkungsvoll abheben. Die Färbung ist somit eine 
recht auffallende. Sobald man aber etwas zurücktritt, macht 
sich sogleieh ein grünlieher Schimmer bemerkbar, der aus 
noch weiterer Entfernung gesehen noch stark genug ist, das 
rasch dahinlaufende Tier derartig zu verdecken, dals es 
sich von dem Untergrunde kaum noch abhebt. 

Als Nistgelegenheit für die Hennen pflegt man hierzu- 
lande zwischen etwa meterhoch befestigten Querstäben aus 


12] Einiges über die höhere Tierwelt der Marianen. 469 


Kokosblättern gefloehtene Körbe aufzuhängen, in denen sich 
Laub befindet. Die Varane bohren sieh mit ihrem spitzen 
Kopfe in den Boden ein, drängen das Geflecht allmählich 
auseinander und holen dann unter der brütenden Henne die 
Eier fort. Ganz vor kurzem hörten wir am hellen Mittage 
das Geschrei einer Henne. Unter dem Dache aus Kokos- 
blättern, welches die Nistgelegenheiten vor Regen schützt, 
sah der Koch einen grofsen Varan aus einem solehen Korbe 
zu Boden gleiten. Er kam gerade noch recht, den Übeltäter 
vermittelst einer Schlinge, die er an einer langen Stange 
befestigt hatte, abzufangen und unschädlich zu machen. Die 
Tatsache, dals ich seit etwa 14 Tagen fast gar keine Eier 
mehr bekommen hatte, war somit erklärt. Die Ratten, auf 
deren Konto die gefundenen ausgefressenen Eier gesetzt 
wurden, waren somit ungereehterweise von mir verdächtigt 
worden. Die Schale war übrigens nur an zwei Stellen ein- 
gedrückt, sonst aber unverletzt. Hieraus scheint hervor- 
zugehen, dals das Bild in Brenm’s Tierleben, das einen 
Varan darstellt, der Eier verschluckt, falsch ist. — Vor 
einigen Wochen sind in derselben Lokalität innerbalb von 
drei Tagen zwei weitere gro[se Exemplare gefangen. Ebenso 
sehr wie auf Eier sind die Varane auf junge Vögel erpicht, 
sie scheinen hier die Nesträuber par excellence zu sein. 
Nicht so ganz selten passiert es, dafs der Spaziergänger 
Vögel ängstlich schreien hört und näher kommend einen 
dieser Strauchdiebe bemerkt, der sich eben seitlich weg- 
schleicht. Hat man einen guten Hund bei sich, so nützt 
ihm seine Hast, den nächsten Baum zu erreichen, nichts 
mehr. Ehe er es sich versieht, hat ihn unser vierbeiniger 
Begleiter am Nacken und schüttelt ihn so energisch, dafs 
die mächtige Eehse bald mit gebrochener Wirbelsäule liegen 
bleibt. Die meisten hiesigen Hunde hegen einen ganz 
aulserordentlichen Hals gegen die Varane und scheuen weder 
die spitzen Zähne, noch die sehr scharfen Krallen derselben, 
wenn es gilt einen dieser ihrer Erbfeinde unschädlich zu 
machen. Hat sich ein soleher Eierdieb in der Eile des 
Rückzuges auf einen kleinen Baum geflüchtet, so ist es 
leicht, ihn herabzuschütteln, da er sieh an dessen dünnen 
Zweigen nicht genügend festhalten kann; auch bei gröfseren 


470 Dr. mep. Scuner, Einiges über die höhere Tierwelt ete. [13] 


gelingt es häufig, den „hilitui*, wie die Eingebornen das 
Tier nennen, auf einen dünneren Zweig zu treiben. Die 
Leute hier steigen einem solehen Varan auch wohl nach, 
ergreifen ihn plötzlich am Schwanze und werfen ihn mit 
einem plötzlichen Ruck herab. Das Ende einer solehen 
Jagd ist jedenfalls meist, dals die Echse wie ein Sack zur 
Erde plumpst und, ehe sie Zeit hat einen andern Zufluchts- 
ort aufzusuchen, von einem Hunde abgefangen und un- 
verzüglich ins bessere Jenseits befördert wird. 

Da es Amphibien und Sülswasserfiseche auf Saipan nicht 
gibt, kann ich meine Ausführungen, die meinen Landsleuten 
einen Überblick über die hiesige, in die Augen fallende 
Tierwelt gewähren sollten, schliefsen. Bei der Lektüre 
dieser mehr wie anspruchslosen Zeilen möge sich der ge- 
neigte Leser vor Augen halten, unter welchen Umständen 
sie geschrieben sind. In einer Zeit, wo eine bedeutende 
Arbeitslast auf mir ruhte, blieb mir niehts anderes übrig 
als die wenigen Beobachtungen, welche ich hier gemacht 
hatte, kurz zusammenzustellen, wenn ich anders der freund- 
lichen Anregung des Herrn Herausgebers Folge leisten wollte. 


Erklärung und tatsächliche Berichtigung. 


Herr Prof. Dr. E.Wüsr in Kiel hat im 3. bis 5. Heft des 
82. Bandes (1910) der Zeitschrift für Naturwissenschaften, 
Organ des Be Vereins für Sachsen und 
Thüringen zu Halle a. S., das auf dem grünen Umschlage 
als Termin der Fertigstellung: März 1911 trägt und in die 
Hände der Vereinsmitglieder im Juni gelangte, auf Seite 162 
gesagt, dals ich über vertikale Verbreitung der Fossilien im 
Travertinlager von Weimar-Taubach-Ehringsdorf noch nichts 
veröffentlicht hätte; dem gegenüber stelle ich hierdurch fest, 
dals bereits am 8. August vorigen Jahres (1910) von mir 
eine Abhandlung, betitelt: 

Das Pleistocän der Umgegend von Weimar. 
Nach den bisherigen Forschungen kritisch behandelt von 
Dr. phil. Artur Weifs, Physiker am Teechnikum Hildburghausen. 
Hildburghausen. 
Druck und Kommissionsverlag von F. W. Gadow & Sohn, 
Herzogl. Hofbuchdruckerei. 

im Buchhandel erschien. In dieser Abhandlung ist ungefähr 
dasselbe angegeben, was jetzt Herr Prof. Dr. E. Wüsr als 
seine Ergebnisse dem Publikum preisgibt. Alles, was ich 
in obenerwähnter Abhandlung über die Wüsrschen Abhand- 
lungen damals sagte, ist vollständig bestätigt durch die 
jetzige Wüstsche Schrift, so besonders das auf Seite 55 
angeführte (siehe Weiss, Pleistoeän und die Abhandlungen, 
die von mir seit 1895 erschienen). Ich sehe mich deshalb 
in keinerlei Weise veranlalst etwas von dem, was ich im 
vorigen Jahre über die Methode der Wüsr-HAnne schen 
Forschungen ausführte, zurückzunehmen oder etwa zu mildern. 
Grund dieser tatsächliehen Mitteilung ist die Wahrung meiner 
Priorität auf dem Gebiete der Erforschung der Weimaraner 
Travertinlager gegenüber dem Herrn Prof. Dr. E. Wüsr. 


Dr. phil. A. Weıss. 


Literatur-Besprechungen. 


Monographien einheimischer Tiere. Herausg. v. Prof. 
Dr. H. E. Ziegler, Stuttgart u. Prof. Dr. R. Woltereck, 
Leipzig. 

Band I. Der Frosch, zugleich eine Einführung in das 
praktische Studium des Wirbeltierkörpers von Dr. Friedrich 
Hempelmann. Verlag von Dr. Werner Klinkhardt, Leipzig. 
Preis geh. 4,80 M., geb. 5,70 M. 

Band II. Das Kaninchen, zugleieh eine Einführung 
in die Organisation der Säugetiere von Privatdozent Dr. 
U. Gerhardt, Preis geh. 6,— M., geb. 7,— M. 

Mit der Herausgabe dieser Monographien wird eine 
wesentliche Lücke in unserer deutschen Literatur beseitigt 
werden. ‘Bei uns war bisher lediglich eine derartige Mono- 
graphie verbreitet und das ist eine Übersetzung aus dem 
Englischen, nämlich HuxLeys musterhaftes Buch „Der 
Krebs“, das alles Wissenswerte über dieses wirbellose Tier 
in handlicher und billiger Form vermittelt. ZIEGLER und 
WOLTERECcK beabsichtigen nun in ähnlicher, ja noch gründ- 
licherer Weise alle wichtigen typischen Vertreter der heimischen 
Tierwelt zu behandeln, um allen Iuteressenten, vom aka- 
demischen Lehrer bis zum dilettantierenden Naturfreund, 
alle wesentlichen Daten, die über den Bau, die Entwieklung, 
die Physiologie, die Biologie, oder die Systematik der uns 
auf Sehritt und Tritt vorkommenden Tiere in zahlreichen weit 
verstreuten Einzelarbeiten vorliegen, in handlicher und über- 
siehtliceher Form zugänglich zu machen. Was bisher von 
der Reihe vorliegt, macht einen vielversprechenden Eindruck, 
so dals wir unsern Lesern nur aufs wärmste empfehlen 
können, das Erscheinen dieser Monographien aufmerksam zu 
verfolgen. 


Literatur-Besprechungen. 473 


Der erste Band behandelt in mustergültiger Weise den 
Frosch. Dr. HEmPpELMANN hat es verstanden, auf 200 Seiten 
unter Beigabe einer Farbentafel mit unseren heimischen Frosch- 
arten und 90 Textfiguren wirklich alle wesentlichen Punkte 
aus der Anatomie, Histologie, Physiologie, Embryologie, Bio- 
logie, geographischen Verbreitung, Paläontologie und Syste- 
matik der Frösche übersichtlich zusammentragen und sie 
so voraussetzungslos darzustellen, dafs auch der Niehtzoologe 
sich in die Materie hineinzuarbeiten vermag. 

Bildet dieser 1. Band gleichzeitig eine erschöpfende Ein- 
führung für das Studium der Wirbeltiere, so verfolgt der von 
Dr. GERHARDT verfalste 2. Band die Aufgabe, in die Kenntnis 
der Säugetiere einzuführen; die Darstellung fufst also insofern 
auf Band 1, als das Kaninchen ja ein Vertreter des Wirbel- 
tiertyps ist, den wir im Frosch kennen gelernt haben. Im 
besonderen vermittelt uns das rund 300 Seiten mit 60 Ab- 
bildungen umfassende Werk den Bau eines Nagetierkörpers 
und alles Wissenswerte vom Kaninchen, von seinen Rassen, 
seiner Verwandtschaft mit den Hasen, seiner Lebensweise und 
seinen Krankheiten. Auch dieses Werk macht einen vorzüg- 
lichen Eindruck. Prof. Dr. G. BRANDES. 


Brehms Tierleben. Allgemeine Kunde des Tierreichs. 
Mit etwa 2000 Abbildungen im Text, über 500 Tafeln in 
'Farbendruck, Kupferätzung und Holzsehnitt und 13 Karten. 
Vierte, vollständig neu bearbeitete Auflage, herausgegeben 
von Professor Dr. Otto zur Strassen. Leipzig und Wien, 
Bibliographisehes Institut. Bd. 6. Die Vögel von ALFRED 
BrEeum. Neubearbeitung von WILLIAM MARSHALL (T), 
vollendet von F. HEMPELMANN und OTTO ZUR STRASSEN. 
Erster Band: Flachbrustvögel, Tauchvögel, Pinguinvögel, 
Sturmvögel, Storehvögel, Gänsevögel, Raubvögel. Mit 
100 Abbildungen im Text und 36 Tafeln von A. FIEDLER, 
R. KRETSCHMAR, W. KUHNERT, G. MÜTZEL, A. REICHERT, 
F. ScHmiDTr-KAHRıNG, F. SPECHT, C. STERRY und 14 Tafeln 
nach Photographien. 

War es schon immer ein Ereignis, wenn eine neue Auf- 
lage von BrEHMs Tierleben erschien, so ist es diesmal ein 
ganz besonderes Ereignis, da es sich nieht wie früher nur 


474 Literatur-Besprechungen. 


um eine Berichtigung und eine Vervollständigung der früheren 
Auflage handelt, sondern um eine wirkliche Neubearbeitung. 
Sehon ein Bliek auf den zuerst erschienenen 6. Band zeigt 
uns dies aufs deutlichste. Gleich der allgemeine anatomische 
Teil ist von Grund aus umgearbeitet und jetzt mit zahl- 
reichen vorzüglichen Illustrationen versehen. Von prinzipieller 
Bedeutung für die ganze Darstellung in Brehms Tierleben 
ist darin das Kapitel über die geistigen Fähigkeiten: die 
frübere psychologische Vermenschliehung, der zufolge die 
Tiere mit „Intelligenz“ und „Verstand“ ausgerüstet waren, 
gilt als abgetan, dafür treten der angeborene Instinkt und 
die assoziative Einprägung in ihre Rechte. .— Eine zweite 
wesentliche Änderung betrifft die Einteilung der Vögel in 
Ordnungen. Der neue Brehm beginnt mit den Ordnungen, 
die früher den Beschluls machten. Dies wird sich auch in 
der Anordnung der übrigen Bände bemerklich machen; die 
moderne Zoologie verlangt eben ein Fortschreiten von den 
einfacheren Lebewesen zu den komplizierteren, während man 
früher die Betrachtung mit den höchstentwiekelten Tieren, 
den Affen, begann. Die Darstellung der Vögelordnungen 
fängt also in der neuen Auflage mit den Straufsen an und 
zwar werden nach dem GAapowschen System alle Strauls- 
vögel wieder zu einer Ordnung vereinigt, auch die Kiwis, 
die nach dem früheren FÜRBRINGERSchen System zu den 
Hühnervögeln gestellt waren. Neu ist in diesem Absehnitt 
die Behandlung der ausgestorbenen Moas von Neu-Seeland 
und von Madagaskar. Im übrigen sind in dem vorliegenden 
Bande noch folgende Ordnungen behandelt: die Taucher, 
die Pinguine (einschlielslieh der früher anderweit unter- 
gebrachten Riesenpinguine, die Sturmvögel, die Storchvögel, 
die Gänsevögel und die Raubvögel. Die am meisten in 
die Augen fallende Änderung betrifft die Abbildungen. 
Man findet ja eine ganze Reihe alter guter Bekannter von 
MüÜrzEL, KRETSCHMER und SPECHT, aber die neuen Bilder 
herrschen vor und besonders solehe von der Meisterhand 
Wırn. Kunnerrs. Die früheren Farbentafeln sind sämtlich 
verschwunden, aber dafür sind neue an ihre Stelle getreten 
und neu hinzugekommen, und man braucht nur die Tafeln 
mit gleichem Sujet nebeneinander zu halten, um zu sehen, 


Literatur-Besprechungen. 475 


welehe aufserordentliche Verbesserung die neue Auflage in 
dieser Hinsicht erfahren hat. Eine weitere mit grolser Freude 
zu begrüfsende Verbesserung bedeuten die zahlreichen neuen 
Kunstdrucktafeln mit vorzüglichen photographischen Auf- 
nahmen von meist selteneren Vogelarten. Bei dieser Wert- 
sehätzung wirklich guter Illustrationen ist es nicht recht 
verständlich, wie die alte Nandu-Tafel von BECKMANN- 
Düsseldorf durchsehlüpfen konnte, sie fiel schon früher un- 
vorteilhaft auf und stellt eher den afrikanischen Straufs oder 
den Emu dar als den Nandu mit seinen langwallenden 
Flügelfedern, die den ganzen Rumpf mitsamt den Schenkeln 
bedecken. Sonst aber mufls jeder an dem Bildermaterial 
seine helle Freude haben. Hoffen wir, dafs der alte Brenm 
auch im neuen Gewande seine Anziehungskraft auf alle 
Naturfreunde beibehält. 
Prof. Dr. G. BRANDES. 


Tierbau und Tierleben in ihrem Zusammenhang betrachtet 
von Prof. Dr. Richard Ilesse und Prof. Dr. Franz Doflein. 
I. Bd. Der Tierkörper als selbständiger Organismus von 
Richard Hesse. Mit 480 Abbildungen im Text und 15 
Tafeln in Schwarz-, Bunt- und Liehtdruck. Leipzig, Verlag 
von B. 6. Teubner. Preis geb. in Leinwand 20,— M. 
in Halbfranz 22,— M. 


Wir haben im „Brehm“ ein Standardwerk über die 
Tierformen der Erde und ihre Lebensweise in gemein- 
verständlicher Form, dieses Werk kann aber naturgemäfs 
nicht auf den feineren Bau und die Physiologie des Tier- 
körpers, sowie auf die vielen interessanten Fragen nach den 
Beziehungen zwischen Körperbau und Körperleistung ein- 
gehen. 

Für die Pflanzen liegt ein solches Werk in Kerner 
v. Marilauns „Pflanzenleben“ vor, für die ungleich mannig- 
faltiger gestalteten und noch nicht annähernd so gründlich 
erforschten Tiere ist es aufserordentlich schwierig, etwas 
ähnliches zu schaffen, aber dieses schwierige Werk ist von - 
den beiden genannten Autoren mutig in Angriff genommen 
worden und der bisher vorliegende erste Band verspricht 
ein volles Gelingen. 


476 Literatur-Besprechungen. 


Hesse behandelt auf 768 Seiten Lex.-Form. (mit 15 Tafeln 
und 480 Figuren) die Tierwelt in ihrer ganzen Mannig- 
faltigkeit hinsiebtlich des Zusammenhanges von Bau und 
Funktion. „Lebensäufserung und Bau verhalten sieh zu- 
einander wie zwei Seiten einer Gleichung. Man kann keinen 
Faktor, auch nicht den kleinsten, verändern, ohne die 
Gleichung zu stören.“ Dieses von Hesse zitierte Wort 
LEUCKARTS könnte dem Werke als Motto dienen, denn um 
den darin ausgesprochenen Gedanken dreht sich die ganze 
Darstellung. Vor nunmehr länger als 60 Jahren erschien 
zum ersten Male ein umfassendes Werk, das vom gleichen 
Gesichtspunkte ausging. Es war Bergmanns und Leuckarts 
vergleichend-anatomisch-physiologische Übersicht des Tier- 
reichs, in dem eben jenes Zitat enthalten ist. Dieses hervor- 
ragende Werk würde nie in Vergessenheit geraten sein, wenn 
nicht durch Darwıns Auftreten die ganze Naturforschung 
in die Bahınen der Erforschung der Deszendenz gedrängt 
worden wäre: es interessierte plötzlich weniger, wie das 
Tier ist, sondern man wollte erforschen, wie und woher es 
so geworden war. Seitdem sind nun zahllose Arbeiten auf 
allen Gebieten der Morphologie erschienen, und ein Werk, 
das von den gleichen Gesichtspunkten wie das Bergmann- 
Leuckartsche ausgeht, muls daher ein ganz anderes, viel 
reicheres Bild ergeben; was aber jedem bei einem Vergleich 
der beiden Bücher auf den ersten Blick als wesentlichster 
Unterschied in die Augen springt, ist die Art der Illustration, 
nach dieser Riehtung hin ist das heutige Werk dem älteren 
dank der enormen Fortsehritte der Technik himmelhoch 
überlegen. Was nun den Inhalt des Hesseschen Werkes 
angeht, so folgen einer ausführlichen Einleitung über das 
Leben und den Lebensträger, das Protoplasma, über die 
Einteilung der Organismen und die Abstammungslehre vier 
umfangreiche „Bücher“ mit folgenden Titeln: 1. Statik und 
Mechanik des Tierkörpers, 2. Der Stoffwechsel und seine 
Organe, 3. Fortpflanzung und Vererbung, 4. Nervensystem 
und Sinnesorgane. Den Sehlufs bilden drei Kapitel über 
die Arbeitsteilung im Tierkörper, die Bindung der Teile zum 
ganzen und die Anpassung der Teile aneinander. Wenn wir 
aus der Fülle des Dargestellten etwas herausheben sollen, 


Literatur-Besprechungen. 477 


so müssen wir in erster Linie auf das glänzende Kapitel 
des 4. Buches „Sehen und Sehorgane“ verweisen, das in 
geradezu mustergültiger Weise unsere Kenntnisse von den 
Sehorganen und deren Leistungen, an deren Beibringung 
der Autor wesentlich beteiligt ist, zusammenfalst. 

Alles in Allem ist das Buch ein klassisches Werk und 
jedem, der eindringen möchte in die wunderbaren Geheim- 
nisse der Beziehungen des Baues des tierischen Körpers zu 
seinen Lebensäufserungen wärmstens zu empfehlen. Man 
darf gespannt sein auf den zweiten Band, den Prof. DorLEINn 
unter der Feder hat. Prof. Dr. G. BRANDES. 


Geyer, D. Unsere Land- und Sülswasser-Mollusken. 
Einführung in die Molluskenfauna Deutschlands. Mit über 
500 lithographischen Abbildungen auf 18 Tafeln und Text- 
illustrationen. Nebst einem Anhang über das Sammeln 
der Mollusken. Zweite, vollständig neu bearbeitete Auf- 
lage. 155 S. Stuttgart, K. G. Lutz’ Verlag, o. J. (1909). 
Geb. 3,75 M. 


Eine dem gegenwärtigen Stande unseres Wissens ent- 
sprechende Darstellung der deutschen Binnenmolluskenfauna, 
nach der auch der Anfänger seine Funde leicht und sicher 
bestimmen kann, wurde lange schmerzlich vermilst. GEYERS 
Buch hilft endlich diesem Mangel ab. Der Verf. ist ein 
ausgezeichneter Kenner unserer Binnenmolluskenfauna, um 
die Erforschung derselben durch eine Reihe von wertvollen 
faunistischen und systematischen Arbeiten hochverdient. Erst 
kürzlich hatte ich die Freude, in dieser Zeitschrift (Bd. 81, 
1909, S. 312) ein prächtiges Büchlein des Verf. über die 
Biologie unserer heimischen Mollusken zu empfehlen. Das 
jetzt vorliegende Buch ist ganz auf die Bedürfnisse des 
Anfängers abgefalst und vermeidet jeden dafür überflüssigen 
wissenschaftliehen Ballast. Trotz der bescheidenen Form, 
in der das kleine Bueh auftritt, findet der Kenner allent- 
halben das reife Urteil des erfahrenen Fachmannes und so 
manche neue Beobachtung. Dem Anfänger bietet das Buch 
alles, was er zum Sammeln und Bestimmen unserer Mollusken 
braucht. Übersichtliche Bestimmungssehlüssel, kurze, klare 


478 Literatur-Besprechungen. 


und scharfe Diagnosen und ein ganz vorzügliches Abbildungs- 
material ermöglichen eine leichte und sichere Bestimmung, 
wovon ich mich durch zahlreiche Stichproben überzeugt 
habe. Die Verbreitungsangaben sind kurz gehalten, bieten 
aber dennoch ein klares, zuverlässiges Bild der Hauptzüge 
der Verbreitung der einzelnen Arten. Nur der Kenner kann 
ermessen, wieviel Arbeit in diesen kurzen Angaben steckt. 

Das zu Grunde gelegte System der Schnecken ist das 
altgewohnte. Dieses System ist zwar veraltet; doch bin ich 
mit dem Verf der Ansicht, dals es richtig ist, dasselbe in 
einem Buche für Anfänger beizubehalten, bis der Ausbau 
eines neuen, auf anatomischer Grundlage aufgebauten Systems 
im wesentlichen vollendet ist. Eine heikle Aufgabe war die 
kurze Darstellung der so vielgestaltigen Wassermollusken, 
besonders der Unioniden und Cyeladiden, in deren Systematik 
durch sinnlose Formenspalterei so unendlich viel Unheil 
angerichtet worden ist. Ich kann dem Verf. nur vollkommen 
beipfliehten, wenn er gerade im Hinblicke auf die beiden 
genannten Familien sagt: „Was ich gegeben habe, ist das, 
was ein ehrlieher Mann heutzutage bieten kann.“ Das 
gediegene, preiswerte Buch verdient wärmste Empfehlung. 

Ew. Wüsr. 


Werth, Emil. Das Eiszeitalter. Mit 17 Abbildungen 
und einer Karte. (Sammlung Göschen Nr. 431). Leipzig 
1909. Preis geb. 0,80 M. 


Bei dem grofsen allgemeinen Interesse der Eiszeit- 
forsehung und ihrer Bedeutung für die verschiedensten Wissens- 
gebiete ist eine kurze Übersicht über den heutigen Stand 
der Kenntnis und Erkenntnis des Eiszeitalters für weiteste 
Kreise von Wert. Eine solehe Übersicht fehlte uns, denn 
Gzinırz’ 1906 ersehienenes Buch über „Die Eiszeit“ bietet 
ganz abgesehen von noch anderen schwerwiegenden Mängeln 
schon deshalb keine brauchbare Einführung in die Kenntnis 
des Eiszeitalters, weil er seine Hauptaufgabe darin sieht, 
die von der ganz überwiegenden Mehrzahl der Eiszeitforscher 
als indiskutabel abgelehnte Anschauung von der „Einheitlich- 
keit der Eiszeit“ zu propagieren. WERrTH liefert ein auf 
modernem Standpunkte stehendes, inhaltsreiches Büchlein, 


Literatur-Besprechungen. 479 


das auch eigene Beobachtungen und Gedanken enthält. Der 
Bedeutung der Vorgänge des Eiszeitalters für die Gestaltung 
der Erdoberfläche ist ausgiebig Reehnung getragen. Leider 
lassen die Angaben des sonst vortrefflichen Büchleins öfters 
an Zuverlässigkeit zu wünschen, so dals für eine neue Auf- 
lage eine sorgfältigere Durcharbeitung notwendig ist. Das 
Abbildungsmaterial ist recht dürftig. Ew. Wüsr. 


Naturwissenschaftliehe Bibliothek für Jugend und 
Volk. Herausgegeben von Konrad Höller und Georg 
Ulmer in Hamburg. Reich illustrierte Bändehen im Um- 
fange von 140—200 Seiten. Geschmackvoll gebunden je 
1,80 M., geheftet 1,40 M. Leipzig, Verlag von Quelle & Meyer. 

Von dem Erscheinen dieser Bibliothek haben wir bereits 
früher Kunde gegeben; seitdem sind eine ganze Reihe 
schmucker Bändehen herausgekommen, die die verschieden- 
artigsten Wissensgebiete volkstümlich behandeln. 

So findet „der deutsche Wald“ seine Würdigung 
dureh den Botaniker Prof. Dr. Buesgen, das „Tierleben 
des Waldes“ behandelt mit der Begeisterung des Jägers 
und Hegers Forstmeister Sellheim, „Die Ameisen“ mit 
ihren wundersamen Lebensgewohnheiten schildert uns der 
bekannte Dresdener Myrmekologe Viehmeyer, „Unsere 
Singvögel“ der vorzügliche Vogelstimmenkenner Prof. Dr. 
Alwin Voigt, „die Heide“ mit allen ihren versteckten 
Reizen zu würdigen unternimmt der Hamburger W. Wagner, 
„im Hochgebirge“ aller Länder ist uns hinsichtlich der 
Tierwelt der Zürieher Prof. Dr. Keller ein zuverlässiger 
Führer, über „Reptilien- und Amphibienpflege unter- 
richtet uns der Herpetologe Dr. P. Krefft und über „das 
Sülswasser-Aquarium“ der Hamburger €. Heller, „die 
Schmarotzer der Menschen und Tiere“ lehrt uns in 
ihren wichtigsten Vertretern der als Helminthologe sehr 
bekannte Generaloberarzt Dr. v. Linstow ‚kennen, „Die 
mikroskopische Kleinwelt unserer Gewässer“ in ihrer 
ganzen reizenden Vielgestaltigkeit behandelt der Weimaraner 
Reukauf und in dem Büchelehen „Niedere Pflanzen“ 
werden uns durch Dr. R. Timm die Gefäfskryptogamen, die 
Moose und Lebermoose, die Algen, Pilze und Flechten in 


480 Literatur-Bespreehungen. 


ihrem Bau und in ihren Lebensäufserungen nahe gebracht. 
Alle Bändehen zeichnen sieh durch vorzügliche Farbentafeln 
und zahlreiche treffliehe Figuren aus und sind jedermann 
als reizende Geschenke warm zu empfehlen. 


Wissenschaft und Bildung. Einzeldarstellungen aus allen 
Gebieten des Wissens. Herausgegeben von Privatdozent 
Dr. Paul Herre. Verlag von Quelle & Meyer, Leipzig. 
Im Umfange von 130—180 Seiten. Geh. 1,— M., Original- 
leinenbd. 1,25 M. 

Auch diese im gleichen Verlage erscheinende Bändchen- 
serie ist bereits früher von uns angezeigt worden; heute 
liegen daraus wieder eine Anzahl von Bändehen naturwissen- 
schaftlichen Inhalts vor, die wir als zuverlässige wissen- 
schaftliche Ratgeber warm empfehlen können. Es sind 
folgende: 

1. Die Polarvölker von Dr. A. Byhan, Abteilungsvorsteher 
am Museum für Völkerkunde in Hamburg. Mit 16 Tafeln 
und 2 Karten. 

2. Der Tierkörper, seine Form und sein Bau unter dem 
Einflufs der äufseren Daseinsbedingungen von Dr. Eugen 
Neresheimer mit 14 Figuren auf Tafeln und 30 Figuren 
im Text. er 

3. Die Säugetiere Deutschlands, ihr Bau, ihre Lebens- 
weise und ihre wirtschaftliche Bedeutung von Privat- 
dozent Dr. Curt Hennings. Mit 1 Tafel und 47 Figuren 
im Text. 

4. Tier- und Pflanzenleben des Meeres, von Prof. Dr, 
Alexander Nathanson. Mit 3 Tafeln und 56 Figuren 
im Text. 

5. Der menschliche Organismus und seine Gesund- 
erhaltung von Privatdozent und Oberstabsarzt Dr. Menzer, 
mit 1 Tafel und 48 Figuren im Text. 

6. Unsere Sinnesorgane und ihre Funktion von Privat- 
dozent Dr. med. et phil. Ernst Mangold. Mit 40 Figuren 
im Text. Prof. Dr. G. BRANDES. 


Druck von Ehrhardt Karras, Ilalle a. S. 


By ra, OA Eat za 


; eirz j 
q MM. R Ta > 4 u RT 
ER m gu ae en en Perry” ee Ar 


1 '®. BAND [CVE 


1. und 2.H: 


- THE NFW VoRK ; | 
ACADEMY Gr SCIENCES | 


Zeitschrift für 
[Naturwissenschaften 


Organ des naturwissenschaftlichen Vereins für Sachsen und 
Thüringen zu Halle a. S. 


> .' 2 
Bes 
A 
4 P 
d 
et 
; 
at 
Ei, 
Er \ 
re. 
En? 
ad] 
} 
N 
*h 
ra) 
; 
a 
7% 


unter Mitwirkung von Prof. Dr. C. Mez-Königsberg i. Pr. 
und Geh. Rat Prof. Dr. E. Schmidt-Marburg 


I: herausgegeben von 


IR Professor Dr. G. Brandes 


Professor der Zoologie an der tierärztlichen Hochschule 
und Direktor des zoologischen Gartens zu Dresden 


NOVEMBER 1910 


_ VERLAG VON QUELLE & MEVER IN LEIPZIG || 


£ 5 
* £I > BA A 

> + > g. P} 

BE Zr To a 9 2, Dr 


Inhalt. 


Original-Abhandlungen. Seite 


Hoffmann, Dr. Karl, Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden 
Pilze’(mit’9Riguren im"Text)”. sa. 2222. er ie Fu 35 
Lange, Dr. Hans, Studien über die Zusammensetzung heliumführender 
Mineralien (mit 7 Figuren im Text). 2... .. 2.2... St 
Schulze,Erwin, Literatur über die triadische Pflanzengattung Pleuromeia 135 
Wein, K., Th. Beling, Beiträge zur Flora des nordwestlichen Harzes . 129 


Kleinere Mitteilungen. 


Gesteine und Minerale des Radautales (Dr. Fromme) ........, 139 
Neue Funde von Gletscherschliffen bei Halle a. S. (Prof. Dr. Wagner) 142 
Über den Köderfang im Hochgebirge (E.Bauer) ......... 143 
Zur Schmetterlingsfauna der Goitzsche (F. Bandermann). .. ..145 
Ein Zwitter (?) von Saturnia pavonia L. (F. Bandermann) ..... 146. 
Variationen im Geäder des Dipterenflügels (R. Kleine) ....... 147 
Aus den Sitzungen der Entomologischen Gesellschaft zu Halle a. S. (E. V.) 
(Daehne).:.. nee er ee 148 
Literatur-Besprechungen . . . 2. 2 2. 2. 0 2 nn nn 154 


Jährlich erscheint 1 Band in 6 Heften 
Preis des Bandes 12 Mark 


u» = wei 


VERLAG VON QUELLE & MEYER IN LEIPZIG 


ERDBEBEN 


Eine Einführung in die Erdbebenkunde 


Prof. William Herbert Hobbs 


Erweiterte Ausgabe in deutscher Übersetzung von Prof. Dr. Julius Ruska 
Mit 30 Tafeln und zahlreichen Textillustrationen 


Geheftet M. 6.60. In Originalleinenband M. 7.20 


D* Sternwarten, die die Erscheinungen am Himmel verfolgen, 
und den Wetterwarten, die uns über die atmosphärischen 
Verhältnisse Aufschluß geben, haben sich in neuester Zeit die 
Erdbebenwarten zugesellt, um die Bewegungen in den Tiefen der 
Erde aufzuzeichnen und zu studieren. Sie haben ein Forschungs- 
gebiet erschlossen, das noch vor wenigen Jahren für völlig unzu- 
gänglich gehalten werden mußte, und es entspricht nur dem 
geschichtlichen Verlauf der Dinge, wenn über Bau und Einrichtung 
der Sternwarten und meteorologischen Stationen wie über die 
Beobachtungs- und Meßinstrumente der Astronomen und Meteo- 
rologen meist klarere Vorstellungen vorhanden sind als über die 
Mittel und Wege, durch welche die geheimnisvollen Kräfte der 
Tiefe in den Bereich der exakten Beobachtung gezogen wurden. 

Man wird daher ein Buch willkommen heißen, das nicht 
nur die instrumentelle Ausrüstung dieser Institute bis zu den 
jüngsten Fortschritten in allgemeinverständlicher Weise darstellt, 
sondern ebenso die geologischen Ursachen der Erdbeben, die 
allgemein beiErdbebenbeobachteten Erscheinungen, die wichtigsten 
Erdbeben der letzten Jahre, wie die Geschichte der Erdbeben- 
forschung und diein Erdbebenländern auftauchenden praktischen 
Fragen in eingehender und lichtvoller Weise behandelt. Es ist 
das Werk desum die Erdbebenkundehochverdienten amerikanischen 
Geologen Prof. Dr. William Herbert Hobbs, das wir hiermit in 
einer vom Verfasser durchweg auf den neuesten Stand der Wissen- 
schaft gebrachten Form von Prof Dr. J. Ruska ins Deutsche über- 
tragen, den naturwissenschaftlich interessierten Kreisen vorlegen. 

Möchte das Werk, dem in den Ländern englischer Zunge ein so 
großer Erfolg beschieden war, nun auch in seiner verjüngten 
und erweiterten deutschen Gestalt aufmerksame Leser finden. 


Ausführliche Prospekte unentgeltlich und postfrei 


\ 


DEUTSCHLANDS | 


Eine Einführung in die deutsche Landschei 
| für Lehrende und Lernende von 


Dr. JOHANNES WALTHER 


a4 o. Professor an der Universität Halle. 


X'VI und 368 Seiten. Broschiert Mark 6.80, in Leinenband Mark 7.60. 

Mit zahlreichen Abbildungen und Profilen sowie einer geologischen Karte. 
’ Der Herausgabe eines Lehrbuches der Geologie stellen sich u 5 
sachliche und formelle Schwierigkeiten in den Weg, denn nur ein Fach- 
" gelehrter kann das ungeheure Tatsachenmaterial dieser aufblühenden 

"Wissenschaft kritisch überschauen und aus der großen Zahl mehr oder 
| weniger hypothetischer Anschauungen diejenigen Schlüsse auswählen, 
| welche dem modernen Standpunkt entsprechen. er! 
Nach langjährigen eingehenden Vorarbeiten hat Her durch seine c 
" weitverbreitete Vorschule der Geologie bekannte Verfasser es unter- ji 
nömmen, die geologische Entwicklung unseres Vaterlandes nach dem 
neuesten Standpunkt der Wissenschaft zu schildern und den geologischen 
"Bau der verschiedenen deutschen Landschaften von Borkum bis nach 
Memel und von Holstein bis zu den Alpen so darzustellen, daß tür das 
Studium der natürlichen Bodenverhältnisse, der Oberflächengestaltung. 
und Heimatskunde jedes einzelnen Gebietes eine wissenschaftliche Grund- x 
‚lage geboten wird. Künstlerisch ausgeführte Landschaftsbilder, Profile, 
Karten und andere Abbildungen erläutern den Text. So will das Werk € 
zum Verständnis unserer Heimat beitragen. Wir sollen angeleitet werden, 3 
jede Geländeform, jeden Bergabhang und jede Talschlucht als Vorhang 

geheimnisvoller und doch wohlbekannter Naturkräfte zu erfassen. Wir . 3 
sollen lernen, die Eigenart unserer Heimat mit dem Charakter anderer 
Gegenden zu vergleichen und die kleinen und großen Schönheiten der 2 
"Natur verständnisvoll zu sehen. - Das ist der Geist, aus dem dies Werk 
‚geschrieben. Es wird dem Laien wie dem Fachmann in gleicher 
Weise reiche Anregung bieten. Von besonderer Wichtigkeit dürfte es 
aber für den Lehrer sein, der beim heimatkundlichen oder BE y 
zn Unterricht, bei Schülerausflügen oder Ferienreisen sich über die a 

‘= Landes orientieren will. 


v, BEA 
N 


12 BAND (1910) 


THE NEW YORK 
ACADEMY OF Scırmr 


Zeitschrift für 
Naturwissenschaften 


Organ des naturwissenschaftlichen Vereins für Sachsen und 
Thüringen zu Halle a. S. 


unter Mitwirkung von Prof. Dr. C. Mez-Königsberg i. Pr. 
und Geh. Rat Prof. Dr. E. Schmidt-Marburg 


herausgegeben von 


- Professor Dr. G. Brandes 


Professor der Zoologie an der tierärztlichen Hochschule 
und Direktor des Zoologischen Gartens zu Dresden 


MÄRZ 1911 


"VERLAG VON QUELLE & MEYER IN LEIPZIG 


Inhalt. : N ! 


Original-Abhandlungen. Seite x 


Bandermann, Franz, Über zwei Zuchten von Abwreiohripeh des 
‚Wolfsmilehschwärmers S=.R 98.22 en ee ae ae 819 
Füge, Bernhard, Beiträge zur Mikrolepidopteren-Faunavon Hallea.S.. 295 
Kanngießer, Dr. med. et phil. Friedrich, Die Etymologie der Pteri- 
dophyten-Nomenklatur. Eine Erklärung der wissenschaftlichen, 
der deutschen, französischen, ee und holländischen Namen 


der: Farukrautgewächse- ", r.2 ak ae Sen Wu Sven 274 
Liebe, Johannes, Die Larve von Simulia ornata ae: Mit 16 Figuren 
im Texts: 0: AN EEE EI BEE Ce Re Fe 344 


Sceupin, Prof. Dr. Hans, Über sudetische: prätertiäre, junge Krusten- 
bewegungen und die Verteilung von Wasser und Land zur Kreide- 
zeit in der Umgebung der ‘Sudeten. und des ee Mit- 
2: Figuren‘ im Text are AN 3217 


Streicher, Dr, Otto, Der Kreislauf a Kohlenstoffes in der Natur . 253. Er 


Wangerin, Dr. Walther, Weitere Beiträge zur Kenntnis der Flora 


von Burg‘... 2. Zn RER En ER a ‚262. ) 


Wüst, Prof. Dr. Ewald, Die plistozänen Bis engen ale Travertin- 
gebietes der Gegend von Weimar und ihre Fossilienbestände in 
ihrer Bedeutung für die Beurteilung der Klimaschwankungen des 
Eiszeitalters Mit 1 Profiltafel, 1 Tabelle und 1 Figur im Text 161 


Kleinere Mitteilungen. . 


Ein Verfahren zur Abformung von. Pflanzenblättern (Raphael Ed. a 
Liese gang) en ae SEE TR BD 
Aus den Sitzungen der Entomologischen Gesellschaft zu Halle a. 8... 377 


Literatur-Besprechungen . ... 2... ... EIER N 392° Pe 


Jährlich erscheint 1 Band in 6 Heften 
Preis des Bandes 12 Mark 


VERLAG VON QUELLE & MEYER IN LEIPZIG 


ERDBEBEN 


Eine Einführungin die Erdbebenkunde 


Prof. William Herbert Hobbs 


Erweiterte Ausgabe in deutscher Übersetzung von Prof. Dr. Julius Ruska 
Mit 30 Tafeln und zahlreichen Textillustrationen 


Geheftet M. 6.60. In Originalleinenband M. 7.20 


E)* Sternwarten, die die Erscheinungen. am Himmel verfolgen, 
und den Wetterwarten, die uns .über die atmosphärischen 
Verhältnisse Aufschluß geben, haben sich in’ neuester Zeit die 
Erdbebenwarten zugescellt, um die Bewegungen in den Tiefen der 
Erde Aufzuzeichnen und zu studieren. Sie haben ein Forschungs- : 
gebiet erschlossen, das noch vor wenigen Jahren für, völlig unzu- 
gänglich gehalten werden mußte, und es entspricht nur. dem 
geschichtlichen Verlauf der Dinge, wenn über Bau und Einrichtung 
der Sternwarten und meteorologischen Stationen wie über. die 
Beobachtungs- und Meßinstrumente der Astgonomen und Meteo- 
rologen meist klarere Vorstellungen vorhanden sind als über die 
Mittel und Wege, durch welche die geheimnisvollen Kräfte der 
Tiefe im den Bereich der exakten Beobachtung gezogen ‚wurden. 

Man’ wird daher ein Buch wıllkommen heißen, das nicht 
nur die instrumentelle Ausrüstung dieser Institute bis zu den 
jüngsten Fortschritten in allgemeinverständlicher Weise darstellt, 
sondern ebenso .die geologischen Ursachen der Erdbeben, die 
allgemein bei Erdbeben beobachteten Erscheinungen, die wichtigsten 
Erdbeben der let *en Jahre, wie die Geschichte der Erdbeben- 
forschung und die in Erdbebenländern auftauchenden praktischen 
Fragen in eingehender und lichtvoller. Frage behandelt. Es ist 
das Werk des umdie Erdbebenkunde hochverdienten amerikanischen 
Geologen Prof, Dr. William Herbert Hobbs, das wir hiermit, in 
einer vom Verfasser durchweg auf den neuesten Stand der Wissen- 
schaft gebrachten Form von Prof. Dr. |. Ruska ins Deutsche über- 
tragen, den naturwissenschaftlich interessierten Kreisen vorlegen. 

Möchte das Werk, dem in den Ländern englischer Zunge ein so 
großer Erfolg beschieden war, nun auch in seiner verjüngten 
und erweiterten deutschen Gestalt. aufmerksame Leser finden. 


-Ausführliche Prospekte unentgeltlich und postfrei 


———— EINE 


m 


Verlag von QUELLE "& MEYER ı in Leipzig. 


4 
J 


| GEOLOGIE 
DEUTSCHLANDS 


Ei) Eine Einführung in die deutsche Landschaftskunde € 


\ für Lehrende und Lernende von 


Dr. JOHANNES WALTHER 


0. Professor an der Universität Halle, N 


Tg re un 


2.5 


t 

Ä XVI und 368 Seiten. Broschiert Mark 6.80, in Leinenband Mark 7.60. 1 
Mit zahlreichen Abbildungen und en. sowie einer geologischen Karte; 26° 

E 

1 


Isa Der Herausgabe eines Lehrbuches der Geologie stellen sich Frohe 
a sachliche und formelle Schwierigkeiten in den Weg, denn nur ein Fach- 
, gelehrter kann das ungeheure Tatsachenmaterial dieser aufblühenden 
| ‚ Wissenschaft kritisch überschauen und aus der großen Zahl mehr oder 
wit weniger hypothetischer Anschauungen diejenigen Schlüsse auswählen, a 
1 welche dem modernen Standpunkt entsprechen. B 
\ 
{ 
F 


wi 


sl Nach langjährigen eingehenden Vorarbeiten hat der durch seine 
Lwi s 


weitverbreitete Vorschule der Geologie bekannte Verfasser es unter 
E27 ' nommen, die geologische Entwicklung unseres Vaterlandes nach dem 
=: neuesten Standpunkt der Wissenschaft zu schildern und den geologischen 
M Bau der verschiedenen deutschen Landschaften von Borkum bis nach _ 
St Memel und von Holstein bis zu den Alpen so darzustellen, daß tür das 

' Studium der natürlichen Bodenverhältnisse, der Oberflächengestaltung = 
2 und Heimatskunde jedes einzelnen Gebietes eine wissenschaftliche Grund- 


lage geboten wird. Künstlerisch ausgeführte Landschaftsbilder, Profile, 
Karten und andere Abbildungen erläutern den Text. So will das Werk 


£ > 
5 a ers Bu nn 


2). zum Verständnis unserer Heimat beitragen. Wir sollen angeleitet werden, 
7 jede Geländeform, jeden Bergabhang und jede Talschlucht als Vorhang 
en geheimnisvoller und doch wohlbekannter Naturkräfte zu erfassen. Wir 
“© sollen lernen, die Eigenart unserer Heimat mit dem Charakter anderer 


i Gegenden zu vergleichen und die kleinen und großen Schönheiten der 

‘ Natur verständnisvoll zu sehen. Das ist der Geist, aus dem dies Werk r 

geschrieben. Es wird dem Laien wie dem Fachmann in gleicher e%. 

Weise reiche Anregung bieten. Von besonderer Wichtigkeit dürfte es E 
aber für den Lehrer sein, der beim heimatkundlichen oder geographi- 

, schen Unterricht, bei Schülerausflügen oder Ferienreisen. sich über "ie 

' Geologie des Landes orientieren will ie HN 


82. BAND (1910/11) 6. Heft 


vwrnir 


Zeitschrift für 
Naturwissenschaiten 


Organ des naturwissenschaftlichen Vereins für Sachsen und ° 
Thüringen zu Halle a. S. 


unter Mitwirkung von Prof. Dr. C. Mez-Königsberg i. Pr. 
und Geh. Rat Prof. Dr. E. Schmidt-Marburg 


herausgegeben von 


Professor Dr. G. Brandes 


Professor der Zoologie an der tierärztlichen Hochschule 
und Direktor des Zoologischen Gartens zu Dresden 


JANUAR 1912 


VERLAG VON QUELLE & MEVER IN LEIPZIG 


i Homoptern ne an ern 
Schnee, Dr. med., Einiges über die höhere Tierwelt der Marian i 


- Wan gerin, Dr. Walther, Über den Formenkreis der Statice Limo- 
nium und ihrer nächsten Verwandten. Vorstudien zu einer 


Monographie , m... 02 ou ae eu 
Weiß, Dr. A., Erklärung und tatsächliche a 
- Literatur-Besprechungen a ee A re Fe 


Jährlich erscheint a Band in 6 Heften 
A Preis des. Bandes 13 Mark 


„ 


ZEZZZELZEZLLLLZLELLZLZLELEEN 


VERLAG VON QUELLE & MEYER IN LEIPZIG. 


Lehrbuch der | 
allgemeinen Pflanzengeographie 


nach entwicklungsgeschichtlichen physiologisch - ökologischen Gesichtspunkte 
mit Beiträgen von Dr. med. et phil. Paul Ascherson, Geh. Reg.-Rat, Prof. der Botanik a. d. Universität Berli 
bearbeitet von . 


Prof. Dr. Paul Graebner 


Kustos am Kol. Bolan. Garten der Universität Berlin und Dozent an der Kgl. Gärtnerlehranstalt zu Dahler 


312 Seiten mit zahlr. Abbild. Broschiert M. 8.— In Originalleinenbd. M. 9.- 


„Die Ausführungen des Verfassers sind klar und übersichtlich, so daß das Werk si 
schönen Überblick "des heutigen Standpunktes der Pflanzengeographie gibt. Bei jede 
Behandlung der einzelnen Gebiete, der geologischen und paläontologischen Betrachtungen 
sowie der physiologischen Ausführungen im Abschnitt, der die ökologische Pflanzen 
geographie behandelt, hat Verfasser in Anmerkungen die wichtigste klassische Literatui 

beigefügt. '% Naturwissenschaftl. Rundschau. Nr. ı8. 26. Jahrgang, 

„Das Buch eignet sich daher in. vorzüglicher Weise zur Einführung in das Studium 
der Pflanzengeographie und auch zur Vorbereitung auf Lehrerprüfungen. Jüngere Lehrer, 
die für die 2. Lehrerprüfung nach einem Spezialgebiet suchen, finden hier ein Werk, wie 
es besser noch nicht existiert. Das Buch sei daher der Lehrerschaft bestens empfohlen. 

Schulblatt der Provinz Sachsen. Nr. 4, 1911 


VREERERRRERRERFRERRRURERERER! 


OOOOOOOHOOI HIHI OHOOO HIHI OHIO HOHHHH OO IHHHLEAIH IE O HL OH HH HH HH + vorn sr 00040 + 


4] 22:3 VERLAG VON QUELLE & MEYER IN LEIPZIG :: 4 


x 


nr 


Lebensfragen ausder heimischen Pflanzenweli 


Biologische Probleme von Prof. Dr. Georg Worgitzky. ; 
311 S. m. zahlr. Abb, u. 23 Tafeln. In Originallbd. zirka M. 7.— i 


\ 
3 


: 
| Unsere Naturbetrachtung hat im letzten Jahrzehnt eine völlige Wandlung erfahren, sie stehj 
allenthalben im Zeichen der Biologie. Nicht mehr die Form von Pflanze und Tier wollen wiı 
kennen und „bestimmen“ lernen, sondern überall erheben wir die Frage nach dem Warum, 
nach den Beziehungen der Form zu den Bedingungen der Umgebung, nach dem Wesen und den 
. Ursachen des Lebens. So leicht es noch verhältnismäßig bei tierischen Organismen gelingt, 
einige dieser Fragen eine Antwort zu finden, so spröde erweist sich hier zunächst die Pflanze. 
| Wohl atmet sie, nimmt sie Nahrung auf und "wächst sie wie wir, um später sich zu vermehrenf 
und dann zu sterben wie wir — aber über diese äußerlichen Analogien hinaus treten uns tiefe 
Wesensunterschiede entgegen, die Hinsicht und Verständnis erschweren und die vielfach noch 
der Wissenschaft selbst jede sichere Erklärung versagen. Den Naturfreund in solche Fragen ein- 
zuführen, nicht auf alle Fälle ihre Beantwortung zu geben, ihn überhaupt auf ihr Vorhandensein 
und damit auf das wahrhaft Geheimnisvolle im Leben und Weben der Pflanzennatur hinzuweisen, 
ihn „sehend“ zu machen in Wald und Flur, ist der oberste Zweck des vorliegenden Buches. Wie 
der Verfasser in seinen „Blütengeheimnissen“ bemüht war, an häufigen Pflanzen unserer Heimat J 
die Tatsachen der Blütenbiologie klarzulegen, so hier in erweiterter Fassung die der allgemeinen | 
"Biologie. Dabei wurde die Form zwangloser Bilder gewählt, wie sie uns alltägliche Spaziergänge 
vom Vorfrühling durch den Sommer zum Spätherbst und hinein bis in den winterlichen Wald 
| darbieten. Der Leser soll überall auf alte Bekannte treffen, die sich ihm aber nunmehr in viel- 
“fach neuem Lichte zeigen und zu erneuter und eingehender Beobachtung auffordern, und soll 
dadurch einen Fernblick gewinnen, wenn auch nur auf einen Ausschnitt vom großartigen GB 
mälde des organischen Lebens. | 


4 
53 


LEISTSTPEITEPEEEEEOESOETEFERPREEETETTEREEEEEEEEEEEETEEEEEEETEETEEETETFEEEREEESTEEREREER 
BE DEE ER TER - ’ 2 P 3 u x 


nen zu lernen. 


EOLOGISCHE AUSFLÜGE 


NDER MARK BRANDENBURG 
Von Oberlehrer Kurt Hucke 


155 Seiten mit 57 Abbildungen. In Originalband M. 3.20 


ologie kann nur im Freien gelehrt und gelernt werden; denn die Fülle von reizvollen 
interessanten Problemen, welche fie bietet, zwingt uns immer wieder zu Wanderungen 
zu Beobachtungen der Natur. Das geologilche Studium der Heimat zu fördern, if die 
fgabe vorliegenden Buches. Die darin enthaltenen ı7 Exkurfionen find fo gewählt, daß jede 
"ikurfion den Lefer mit einer neuen geologifchen Formation bekannt macht. Bei der Auswahl 
- Ausflüge leiteten den Verfaller nicht nur willenchaftliche, fondern auch ästhetilche Gefichts- 
kte. Es find deshalb, wenn möglich, zugleich landfchaftlich Ichöne Punkte berückfichtigt. 
o wird diefes Werkchen jedem Naturfreund, insbelondere allen Lehrern und Schülern bei 
ren Wanderungen ein wertvoller Führer fein und fie anleiten, die Natur ihrer Heimat 


VERLAG VON QUELLE & MEYER IN LEIPZIG 


er 


g von QUELLE & MEYER, LEIPZIG. 


rc der allgemeinen Botanik 


- Von GUSTAV ANDERS. 
- gr. 8%. 471 Seiten mit 284 Abbildungen. 

. M.4.40, in Originalleinenband M.4.80. 
„Nach Angabe des Verfassers ist das 
rbuc ‚für diejenigen berechnet, weldıe 


© 


” 2 Kenntnis in der allgemeinen Botanik 
U >r das in den Schulen gebotene Maß 
]  auszu erweitern gedenken und die nicht 
rt zu den umfangreicheren wissen- 
ftlichen Werken greifen wollen‘. In 
: Einleitung verbreitet sich Verfasser für 
änger im Mikroskopieren über das 
roskop und das Mikroskopieren. Der 
auptteil des Buches handelt vom vege- 
ven Leben mit: folgenden 5 Unter- 
ilungen: Zelle, Wurzel, SproB, Blatt 
Stoffwechsel, der II. Hauptteil von 
" Fortpflanzung mit 9 Unterabteilungen: 
pflanzung der Algen, der Pilze, der 
ose, der Gefäßkryptogamen, Übergänge 
den Kryptogamen zu den Phanero- 
en, die Blüte der Phanerogamen, 
en und Früchte, die ungeschlechttliche 
getative) Vermehrung, Bedeutung der 
schlechtlichen Fortpflanzung. Das Werk 
n zum Selbststudium gut emp- 
en werden.“ A.K. 
Allgemeine Botanische Zeitschrift. 12. Nr. 1908. 


Verlag von QUELLE & MEYER in Leipzig | 


botanisches Praktikum 


mit Berücksichtigung der biologischen 
Gesichtspunkte und Anleitung zu physio- 
logischen Versucen 


Von Prof. Dr. Kienitz-Gerloff 
Direktord. Landwirtschaftsschulei. Weilburg a.d.Lahn 


197 und 78 Seiten mit 14 Abbildungen im f 
Text und 317 Figuren in besonderem Heft 


Broschiert . . . . M. 480 
in Originalleinenband M. 5.60 


Das Buch ist für alle diejenigen be- 
stımmt, die mit den Grundzügen der allge- 
meinen Botanikbekannt ündmit der Kenntnis } ' 
derhäufigsten höheren undniederen Pflanzen | 
ausgerüstet, den Wunsch hegen, nicht nur 
aus Büchern und Abbildungen, sondern aus f 
der Natur selbst durch eigene Untersuchungen f 
zu lernen. Es führt daher den Anfänger in) 
die mikroskopische Technik ein undbehandelt }; 
die Anatomie der Pflanzen von leichteren |, 
zu schwierigen Aufgaben aufsteigend. Dem 
Buche ist in einem besonderen Heft eine | 
reidie Zahl von Abbildungen beigegeben, 
welche ausnahmslos von dem Verfasser nach 
von ihm selbst hergestellten Präparaten 
gezeichnet sind. 


EN Al 
DEN, 


as Ru e 
9 a ee ee mn ar 5, A a en a Eee ee 


naturwissensch 


| Zeitschrift fur 


|  — 
ee DE zu X u 
| 
| ee : 


100213409