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Full text of "Zeitschrift für Wissenschaftliche Zoologie"

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Zeitschrift 


WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE- 


herausgegeben 


Carl ‚Theodor v. „Siebold, 
und 


Albert v. Kölliker, 


Professor an der Universität zu Würzburg, 


unter der Redaktion von 


Ernst Ehlers, 


Professor an der Universität zu Göttingen 


NG 
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Hünfunddreissigster Band. 


Mit 35 Tafeln und 9 Holzschnitten. 


LEIPZIG, 
Verlag von Wilhelm Engelmann. 
1881. 


Inhalt des fünfunddreissigsten Bandes. 


Erstes Heft. 
Ausgegeben den 6. November 1880. 


Seite 
Über die Verwandtschaftsbeziehungen der an Von H. v. Ihering. 
Bi ueklelzschnitt:\.... .... . .....”. ; RL SE Sale A 
Über den Ursprung des Nervus opticus und den feineren Bau des Tectum 
opticum der Knochenfische. Von J. Bellonei. (Mit Taf. I und II.) . 23 


Das Riechorgan der Landpulmonaten. Von D. Sochaczewer. (Mit Taf. III.) 30 
Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina Be 


Gehäuse. Von Fritz Müller. (Mit Taf. IV und V.). ...... re 
Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. Von W. Marshall. 

BR ara MIT: und: 4, Holzsehnitt.)... 2... 2 30.2 lade ea 288 
Über zwei frühzeitige menschliche Embryonen. Von W. Krause. (Mit Taf. IX 

und 2 Holzschnitten).. .. nennen en. 180 
Das Fußnervensystem der Paludina vivipara.. Von H. Simroth. (Mit A 

ESSEN or ee ee 


Zweites Heft. 
Ausgegeben den 1. Februar 1881. 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. Von H. Adler. (Mit 


ah Zelle ee 
Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche. 
BomeHe N irchrow. (Mit Taf. XIII und XIV.). : 20.2 42 0.200 2 282.2 247 


Untersuchungen über Orthonectiden. Von E. Metschnikoff. (Mit Taf. XV.) 282 


Beiträge zur Kenntnis der Chorda supra-spinalis der Lepidoptera und des 
centralen peripherischen und sympathischen Nervensystems der Raupen. 


Be Gasse (Mit Ware XML)... 2.020... 0.20% 
Über die Paarung und Fortpflanzung der Scyllium-Arten. Von H. Bolau. 
(Mit 2 Holzschnitten.) . . ..... Ser Ss ee 


Über die Entstehung der Eier bei Eudendrium. Von N. Kleinen ers . 326 


IV 
Drittes Heft. 
Ausgegeben den 22. April 1881. 


Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. Ein Beitrag Zur 
Erkenntnis der Einheit des Molluskentypus. Von J. W. Spengel. (Mit 


Seite 


Taf. XVII-XIX und 2 Holzschnitten.). N NS 
Kleine Beiträge zur Kenntnis der Gregarinen. Von O. Bütschli. (Mit i 
Taf. XX und XXI.) . : 384 
Untersuchüngen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Zehnte 
Mittheilung. Corticium candelabrum ©. Schmidt. Von F.E. Schulze. 
(Mit Taf. XXI). EHEETE : : u RN Ba 
Der Theilungsvorgang bei Euglypha alveolata Von A.Gruber. (Mit Taf. XXIII) 434 
Zur Entwicklungsgeschichte der Amphipoden. VonB.Ulianin. (MitTaf. XXIV.) 440 
Über Molluskenaugen mit ale A Von P. Fraisse, (Mit 
Taf. XXV und XXVI.) A 5 Re U] 
Die Eiweißdrüsen der han a VonP.A.Loos. a Taf. XXVII.) 478 
Viertes Heft. 
Ausgegeben den 14. Juni 1881. 
Der Bau der Stigmen bei den Insekten. Von OÖ. Krancher. (Mit Taf. XXVIII 
und XXIX.) : ..805 
Revision der Mertens-Brandt’schen Holothurien. Von H. Ludwig . 575 
Beitrag zur Kenntnis der Hydrachniden-Gattung Midea Bruzelius. Von F. 
Könike. (Mit Taf. XXX, Fig. 1—6.). . 600 
Revision von H. Lebert’s Hydrachniden des Genfer Sees. Von F. Könike. 
(Mit Fig. 7 auf Taf. XXX.). . 643 
Beiträge zur Kenntnis der Fischpsorospermien. Von ©. Bütschli. (Mit 
Taf. XXX1I.) ee a a a 
Studien über Bopyriden. Von R. Kossmann. alt Taf. XXXII—XXXV.) 
I. Gigantione Moebii und Allgemeines über die Mundwerkzeuge 
der Bopyriden . 652 
Il. Bopyrina Virbii; Beiträge zur Kenntnis der Anatomie und Meta- 
morphose der Bopyriden. . 666 


| Über die Verwandtschaftsbeziehungen der Gephalopoden. 


Von 


Dr. H. von Ihering. 


Mit 1 Holzschnitt. 


Die Gruppe der Gephalopoden ist wohl diejenige Klasse der Mollus- 
ken, welche von jeher in bevorzugtem Grade die Aufmerksamkeit der 
Zoologen gefesselt hat. Man wird das leicht begreiflich finden, wenn 
man erwägt, dass die Tintenfische die höchstorganisirten Geschöpfe 
unter den Mollusken, ja unter den Wirbellosen überhaupt enthalten, 
dass die systematische Gliederung innerhalb der Gruppe eine sehr ein- 
fache markirte ist und endlich fossile Überreste aus allen Schichten 
in einer Fülle und Mannigfaltigkeit der Formen erhalten sind, welche 
wohl von keiner anderen Abtheilung des Thierreiches übertroffen wird. 
Man könnte unter solchen Umständen leicht der Meinung sein, es würde 
dementsprechend auch die Stellung dieser interessanten Geschöpfe im 
System am besten erkannt sein, überhaupt ihre Stammesentwicklung 
uns klarer vorliegen als jene zahlreicher anderen Thiergruppen. Schein- 
bar trifft das auch zu — aber auch nur scheinbar, in Wahrheit bietet 

keine Abtheilung der Mollusken so viel Schwierigkeiten dar, ist uns 
' keine, wie ich darzulegen denke, zur Zeit so räthselhaft als die- 
‚ jenige der Gephalopoden. 

| Es kommen für uns dabei zwei verschiedene Fragen in Betracht, 
| einmal die Deutung der Theile des Gofhalopedenikerpärs, 
‚ dann die zwischen den Gephalopoden und den übrigen 
‘ Mollusken obwaltenden Beziehungen. Die erstere Frage hat 
| vorzugsweise die gesammten morphologischen Verhältnisse der Gepha- 
| lopoden zu beachten und auf Grund der innerhalb der Klasse zur Beob- 
, achtung kommenden Verschiedenheiten die Deutung der einzelnen Theile 
‚ festzustellen. Nach dieser Richtung hin ist, glaube ich, in den letzten 


Jahren viel geschehen und an Stelle mehr oder minder glücklicher Ver- 
Zeitschrift £. wissensch, Zoologie. XXXV. Bd. 4 


9) H. von Ihering, 


muthungen schon vielfach der feste Boden gesicherter Deutungen ge- 
treten. Die verschiedenen Theile des Gephalopodenleibes sind bekannt- 
lich in sehr verschiedener Weise aufgefasst worden. Lov&n nahm zuerst 
den Trichter als Fuß in Anspruch, bezog aber die Arme auf das Velum, 
wogegen L£vckArt die Arme zuerst richtig als Gebilde besonderer Art, 
den Kopfkegeln von Clio vergleichbar in Anspruch nahm, aber mit dem 
Fuße nicht nur den Trichter, sondern auch die vorderen Kopflappen des 
Sepia-Embryo in Verbindung brachte. Huxıry deutete Arme wie Trichter 
als Theile des Fußes, den Trichter mit den Epipodien vergleichend. Letzte- 
rer Annahme hat sich noch Grenacner angeschlossen, welcher das Proto- 
podium, die eigentliche Hauptmasse und Grundlage des »Fußes« den 
Gephalopoden fehlen lässt und in ihren Armen ein modifieirtes Velum er- 
blickt. Ich habe in meinem Werke über das Nervensystem der Mollusken 
diese Ansichten eingehend diskutirt und gehe daher hier nicht darauf ein. 
Wenn dieselben alle nicht zu gesicherten Deutungen gelangen konnten, 
so lag das wohl darin, dass alle jene Forscher vorzugsweise die Ent- 
wickiungsgeschichte zum Ausgange ihrer Betrachtungen gemacht haben. 
Nun ist aber die Entwicklung der Gephalopodeneier durch den Verlust 
des freien Larvenstadium und die massenhafte Anhäufung des Nahrungs- 
dotters so sehr modificirt, dass sie selbst der Erklärung noch sehr be- 
dürftig ist, nicht aber der Erklärung des Gephalopodenleibes zum Aus- 
gang dienen kann. Erst wenn dereinst die Entwicklungsgeschichte des 
Nautilus bekannt ist, wird es wohl möglich sein die Brücke zu schlagen 
zwischen der Embryologie der Gephalopoden und der übrigen Mollusken. 
Bis dahin aber, so Jange die wichtigste Form hinsichtlich der Embryolo- 


gie absolut unbekannt ist, kann die vergleichende Embryologie nicht | 


den Ausgangspunkt für die morphologische Betrachtung bilden, was 
übrigens nicht einmal nöthig ist, weil noch ein anderer Weg offen steht, 
jener, der von mir eingeschlagen wurde und der in der Beurtheilung der 
morphologischen Dignität der Organe auf Grund ihrer Innervation be- 
steht. Da die Pedalganglien nur die zum Fuße gehörigen Theile inner- 
viren, so werden bei den Tintenfischen die vom Pedalganglion innervir- 
ten Theile den Fuß repräsentiren. Auf Grund erneuter Untersuchung 
des Nervensystems des Nautilus war es möglich die volle Übereinstim- 


mung mit dem bei Gastropoden und Pieropoden so häufig angetroffenen 


Typus zu erweisen und aus der Vergleichung des Centralnervensystems 


von Nautilus und den Dibranchiaten gelang es, den Beweis dafür abzu- F | 
leiten, dass die Ganglien für die Armnerven innerhalb der Reihe der 


bekannten Gephalopoden eine Translokation von der dorsalen gegen die 


ventrale Seite hin erleiden, wodurch zu dem Pedal- und dem Visceral- i 
Ganglion bei den Dihranchiaten noch eine dritte vorderste Abtheilung 


Über die Verwandischaftsbeziehungen der Cephalopoden. 3 


hinzukommt, das Brachialganglion. Es haben mithin die Arme nichts 
mit dem Fuße zu thun ; für ihre von LeuckArr befürwortete Vergleichung 
mit den Kopfkegeln oder Gephaloconen von Glio war der Befund ver- 
wendbar, den die Untersuchung des peripherischen Nervensystems von 
Clio lieferte, indem sich die Nervenstämme der Gephaloconen an der 
Basis durch Kommissuren verbunden zeigten wie bei den Dibranchiaten. 

Da diese Ergebnisse, welche aus der vergleichenden Anatomie des 
Nervensystem abgeleitet wurden, von nachfolgenden das Nervensystem 
und die Anatomie der Gephalopoden überhaupt behandelnden Autoren wie 
Diett und Brock acceptirt worden sind, auch schon in GEGENBAUR’S 
Grundriss weiteren Kreisen vorgetragen wurden, und so viel ich weiß, 
von keiner Seite ein Widerspruch dagegen sich erhoben hat, so dürfte 
wohl kein Grund vorliegen, nochmals darauf zurückzukommen. Dage- 
gen werden einige Bemerkungen über Trichter und Trichterklappe am 
Platze sein. Aus der vergleichenden Anatomie wie aus der Embryologie 
geht, wie ich seiner Zeit nachwies, hervor, dass die bei Nautilus be- 
kanntlich noch nicht zur Röhre verwachsenen Trichterhälften den Flossen 
oder Pteropodien der Pteropoden entsprechen, wogegen die Trichterklappe 
in dem mittleren unpaaren Theile des Fußes von Clio, dem sog. Hals- 
kragen ihr Homologon hat, während GrEnAcHER in dem hinteren Zipfel 
des Halskragens das Protopodium sah. Ich glaube nachgewiesen zu 
haben, dass dieser Zipfel bei eingehenderer Vergleichung so wie auch 
embryologisch sich als ein unwesentlicher Theil, als eine Differenzirung 
am Protopodium darstellt, und mithin am Pteropodenfuße keinesfalls 
mehr als zwei Theile, nämlich das unpaare mittlere Protopodium und 
das in der Mittellinie verbundene Paar der Flossen oder Pieropodien zu 
unterscheiden sind. Damit ergeben sich sehr einfache Anhaltspunkte für 
die Vergleichung mit den Gephalopoden, deren Trichter ja auch aus zwei 
seitlichen Hälften entsteht und innen einen unpaaren Theil, die Klappe, 
trägt, welche einem in zwei gleiche Seitenhälften gegliederten Protopo- 
dium entspricht. So lange man für das Verständnis der Gephalopoden 
die Pteropoden heranzieht, dürfte dies wohl die einfache gegebene Er- 
klärung der Verhältnisse bleiben. Wir werden nun aber im Folgenden 
sehen, dass von einer näheren Verwandtschaft der Pteropoden und 
Gephalopoden nicht die Rede sein kann, und hier mithin nur eine äußer- 
liche Ähnlichkeit vorliegt, nur von Analogie die Rede sein kann. Ist 
dem aber so, dann kann auch der eben angeführte Vergleich nicht bis 
in die Einzelheiten weiter durchgeführt werden, und kann nur so viel 
gesagt werden, dass in ganz analoger Weise wie bei den Pteropoden 
eine Differenzirung der einzelnen Theile des Gephalopodenfußes statige- 
funden hat und mithin Trichter und Flossen nicht als streng homologe 


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4 H. von Ihering, 


oder homogenetische, sondern höchstens als homöogenetische Organe 
können angesehen werden. 

Für das Verständnis des Gephalopodenorganismus hat man meines 
Wissens immer nur die Pieropoden als die einzigen dafür allenfalls in 
Betracht kommenden Mollusken zum Vergleiche herangezogen. Es ist 
daher wohl leicht begreiflich, dass auch ich auf Grund der oben ange- 
führten Verhältnisse in diesem Sinne früher befangen war. Seit dem 
Abschlusse meines citirten Buches hat sich aber durch neuere Forschungen 
von einer Reihe von Autoren und mir selbst die Sachlage so verändert, 
dass ich von jener Auffassung ganz zurückgekommen bin und nunmehr 
glaube, dass die Muscheln, Dentalien und niedersten Arthro- 
cochliden den Gephalopoden weit näher stehen als die 
Pteropoden. Bei jener Vergleichung von Pteropoden und Gephalopo- 
den waren nämlich zwei Organsysteme, Niere und Genitalapparat, gar 
nicht oder kaum vergleichbar. Am meisten gilt das von der paarigen bei 
Nautilus in der 4- (oder 6-) Zahl vorhandenen Niere, so dass da, zumal 
bei Berücksichtigung des Nautilus, jede Möglichkeit der Vergleichung mit 
der Niere der Pteropoden hinwegfällt. Aber auch für den Genitalapparat 
schien es nicht anders zu stehen, so fern man wenigstens der GEGENBAUR- 
schen Annahme beipflichten wollte, wonach die Duplicität der Ausfüh- 
rungsgänge, zumal der Eileiter den primären Zustand repräsentirt. Da 
die Pteropoden einen ganz typischen hermaphroditischen Genitalapparat 
wie die Ichnopoden besitzen, so schien es mir, dass GEGENBAUR Sich eines 
Widerspruches schuldig mache, wenn er einerseits die Gephalopoden auf 
die Pteropoden bezog, andererseits die Duplicität der Eileiter für das 
Primäre halte. Ich glaubte nun diesem allerdings immer von Neuem sich 
wieder aufdrängenden Dilemma durch die Hypothese entgehen zu können, 
dass die doppelten Eileiter durch Spaltung eines einzigen unpaaren ent- 
standen seien. Dafür konnte namentlich der Umstand geltend gemacht 
werden, dass bei Nautilus nur ein einziger Eileiter ®xistirt, während die 
einzige Unterordnung der Gephalopoden, bei welchen die Duplicität der 
Eileiter die Regel bildet, die Octopoden sind, welche man aus vielerlei 
Gründen sich gewöhnt ide als das letzte Endglied der ganzen innerhalb 
der Gephalopoden zu konstatirenden Entwicklungsreihe zu betrachten. 
Dass diese Hypothese diskutwrbar war, geht wohl auch daraus hervor, 
dass Brock !, dem wir so werthvolle Aufschlüsse über den Geschlechts- 
apparat der Gephalopoden verdanken, in seiner ersten bezüglichen Arbeit 
esnoch als unentscheidbar dahingestellt sein ließ, »ob die Einzahl oder die 
Doppelzahl der Eileiter als das Primäre angesehen werden muss « p. 69. 


1 Brock, Über die Geschlechtsorgane der Cephalopoden. I. Diese Zeitschrift. 
Bd. XXX. 4879. p. 1—446. Taf. I—IV. 


\ 
4 
£ 


Über die Verwandtschaftsbeziehungen der Gephalopoden. 5 


In der folgenden Abhandlung ! jedoch zeigte Brock, dass der einfache 
Eileiter des Nautilus ein unpaarer und zwar der rechte ist, worauf die 
fast mediane Ausmündung desselben nicht ohne Weiteres hinwies. Dar- 
aus ergab sich dann im Zusammenhang mit den, die verschiedenen Gat- 
tungen der Dibranchiaten behandelnden Untersuchungen, dass der 
doppelte Eileiter die älteste Form des weiblichen Geschlechtsapparates 
darstellt. Sicher bewiesen würde dieser Schluss, wenn sich heraus- 
stellen sollte, dass embryologisch bei den Myopsiden zwei Eileiter noch 
zur Anlage kämen, indessen dürfte hiervon allein schwerlich viel ab- 
hängen, da die vorliegenden Thatsachen zur Sicherung des von Brock 
erhaltenen Resultates meiner Ansicht nach so vollkommen genügen, dass 
jetzt auch ich meinerseits mich vollkommen diesem von GEGENBAUR Ver- 
iretenen Standpunkte anschließen muss. Damit fällt dann allerdings, 
wie ich im Folgenden darlegen zu können glaube, die Möglichkeit noch 
weiterhin die Gephalopoden in phylogenetischem Sinne mit dem Ptero- 
poden in Verbindung zu bringen. 

Noch in einem anderen Punkte zeigt der Genitalapparat der Gepha- 
lopoden ganz andere Verhältnisse, als sie bei Ichnopoden und Pteropoden 
“ vorliegen. Bei den letzteren setzt sich die einfache Zwitterdrüse un- 
mittelbar in den Zwitterdrüsengang fort. Bei den Gephalopoden dagegen 
liegt die Geschlechtsdrüse frei in der Leibeshöhle, ohne allen Zusammen- 
hang mit den Ausführgängen, ganz in der Art wie es bei den Wirbel- 
ihieren wiederkehrt. Dieses Verhältnis tritt uns auch bei vielen Wür- 
mern, namentlich gegliederten, entgegen, und ferner auch unter den 
niedersten Formen der Muscheln und Arthrocochliden. Nur bei den höhe-. 
ren, mit Sipho, verwachsenen Mantelrändern etc. versehenen Muscheln, 
sind Genitalapparat und Niere ganz unabhängig von einander, bei den 
niederen und älteren dagegen erfolgt die Entleerung durch die einem 
Paare von Segmentalorganen gleichzusetzenden Bosanus’schen Organe 
und das gleiche ist auch bei gewissen tieferstehenden Arthrocochliden 
der Fall (Fissurella, Haliotis). Da in beiden Gruppen dieses Verhalten 
' von den in der morphologischen Differenzirungsreihe am tiefsten stehen- 
den und zugleich paläontologisch ältesten Formen dargeboten wird, so 
wird man nicht umhin können in dieser Entleerung der Geschlechts- 
stoffe durch die paarigen Nieren eine von den Würmern überkommene 
Einrichtung zu erblicken. Und in diesem Sinne scheint auch das Ver- 
halten der Cephalopoden zu deuten zu sein. Wenigstens in so fern be- 
steht die Übereinstimmung, als ja auch die Geschlechtsstoffe zunächst 
frei in die Leibeshöhle gelangen, denn dass die Höhlung der Genital- 


1 Brock, Studien über die Verwandtschaftsverhältnisse der dibranchiaten Cepha- 
lopoden. Habilitationsschrift. Erlangen 1879. 


6 H. von Ihering, 


kapsel nichts Anderes ist als ein Theil der Leibeshöhle, ist durch Brock 
festgestellt und war auch schon aus dem Umstande wahrscheinlich, dass 
von ihr die Wasserkanäle entspringen, die bekanntlich zum eigentlichen 
Genitalapparat in keiner Beziehung stehen. Andererseits freilich würde 
dann die Folgerung nahe liegen, dass die Leitungswege, welche aus der 
Leibeshöhle in ursprünglich paariger Anordnung die Geschlechtsstofle 
nach außen befördern, als Segmentalorgane anzusehen wären. Hierüber 
werden die Akten wohl so bald noch nicht geschlossen. werden. Ich 
möchte aber in dieser Beziehung auf einen eigenthümlichen wohl nur in 
morphologischem Sinne verwendbaren Befund von Brock aufmerksam 
machen, wonach bei Sepia vom Vas eflerens des männlichen Geschlechts- 
apparates eine kleine Röhre abgeht, welche sich frei in jene fimmernde 
Bauchfellstasche öffnet, welche die ausführenden Geschlechtsorgane um- 
schließt. Brock beschränkt sich auf die Mittheilung des Sachverhaltes. 
Ich möchte aber hier wenigstens so weit auf die Bedeutung dieser Brock- 
schen Röhre eingehen, dass ich auf die Ähnlichkeit mit einer bei Nautilus 
beobachteten Einrichtung hinweise. Dort kommt am Eileiter ein in einen 
Peritonealraum sich öffnendes Loch vor, das Kererstein (in Bronn, Klassen 
und Ordnungen. Bd. Ill. Taf. GXIV, Fig. 13 00”) abgebildet hat; diese 
Öffnung mit der Brocr’schen Röhre zu vergleichen ist wohl um so eher 
gestattet als ja Sepia auch im Besitze der sekundären Genitalkapsel mit 
Nantilus übereinstimmt und eine allgemeine Homologie der männlichen 
und weiblichen Leitungswege überhaupt angenommen werden muss, 
wobei aber am männlichen Apparat die Reduktion der einen Hälfte weit 
früher erfolgte als am weiblichen. 

Eine Nothwendigkeit die ausführenden Geschlechtswege der Gepha- 
lopoden auf Segmentalorgane zurückzuführen liegt aber keineswegs vor, 
ja lässt sich wohl sogar ausschließen. Denn es existiren ja bei den 
Gephalopoden echte paarige als Harnsäcke bezeichnete Nieren, von denen 
bei den Dibranchiaten ein, bei den Tetrabranchiaten zwei Paare vorhan- 
den sind. Die üblichen Beschreibungen knüpfen zwar zumeist dabei in 
erster Linie an die Venen an, als deren Anhänge die secernirenden Theile 
der Niere erscheinen und es gewinnt damit den Anschein, als falle die 
Möglichkeit einer Vergleichung mit den Exkretionsorganen anderer Mol- 
lusken hinweg. Allein die schönen Untersuchungen von BosrErzky! 
über die Entwicklung der Gephalopoden haben dargethan, dass die Bil- 
dung der Niere und der Venenanhänge nicht von den Venen anhebt, 
sondern dass zuerst jederseits sich ein Harnsack anlegt, der erst sekun- 
där eine weite auch die Schenkel der Vena cava umfassende Ausdehnung 


I BoBRETZKY, Untersuchungen über die Entwicklung der Gephalopoden. Moskau 
1877. (Russisch !) 


N 


Über die Verwandtschaftsbeziehungen der Cephalopoden. 7 


gewinnt. Es sind mithin die Venenanhänge Theile der Niere, welche erst 
sekundär ihre innige Beziehung zur Wand der Venen gewonnen haben. 

Mit den Ergebnissen der eben erwähnten Untersuchungen von 
Boseerzky lassen sich diejenigen, welche Vıczrius! in seiner wichtigen 
Arbeit über die Anatomie der Niere der Gephalopoden gewonnen hat, 
wie ich im Folgenden darzulegen gedenke, wohl in Einklang bringen. 
Danach besitzen die Tetrabranchiaten vier, die Octopoden zwei geson- 
derte Harnsäcke, deren jeder mit einer gesonderten Öffnung nach außen 
mündet. Bei den myopsiden Decapoden dagegen ist nur ein einziger 
Harnsack vorhanden , welcher aber durch zwei symmetrisch gelegene 
Öffnungen mit der Außenwelt in Verbindung steht. Die hierin zunächst 
sich äußernde Verschiedenartigkeit ist von VigzLıus für größer angesehen 
worden als sie in Wahrheit sich herausstellt. Vıierrius äußert sich näm- 
lich dahin, »dass die Formen, unter welchen das exkretorische System 
der lebenden Gephalopoden auftritt, so sehr unter einander abweichen, 
dass von einer wahren Homologie zwischen ihnen keine Rede sein kann « 
und ferner, » dass die morphologische Verwandtschaft zwischen dem ex- 
kretorischen System der Octopoden so gut wie ganz abgebrochen sei «. 
Diesen Ansichten wird man also sich nicht anschließen können, sobald 
man auch die Entwicklungsgeschichte der Niere nach der angezogenen 
Arbeit von BosrErzky mit in Betracht zieht, was von Seiten VıigeLius’, 
dem diese russisch geschriebene Arbeit entgangen, nicht geschehen ist. 
Natürlich kommt es zunächst auf die richtige Fragestellung an. Es kann 
nicht die Frage erhoben werden: ob der exkretorische Apparat des 
Nautilus schlechthin jenem der Octopoden entspreche, denn bei letzteren 
sind eben zwei, bei jenen aber vier Harnsäcke vorhanden, von denen also 
höchstens zwei bei den Octopoden ihr Homologon besitzen könnten. Da 
die Harnsäcke und zumal ihre äußere Öffnung in inniger Beziehung zu den 
Kiemen stehen, so ist es begreiflich, wie beim Nautilus mit der Erhöhung 
der Anzahl der Kiemen auch eine solche der Harnsäcke Hand in Hand 
gehen konnte. Es kann daher für die vergleichende Betrachtung überhaupt 
nur um die Frage sich drehen, ob eines der beiden Paare von Kiemen und 
Nieren, welche der Nautilus besitzt, den entsprechenden Gebilden der 
Octopoden homolog sei oder nicht. Wir werden weiterhin sehen, dass 
und wie diese Frage sich mit voller Sicherheit beantworten lässt. Nimmt 
man hierauf Rücksicht, indem man also davon absieht, dass beim Nau- 
tilus nebst dem zweiten Kiemenpaare auch noch ein weiteres Paar von 
Harnsäcken hinzugekommen ist, so ergiebt sich vielmehr, dass zwischen 
den verschiedenen Abtheilungen der Cephalopoden sich die Homologie 


1! Vierrivs, Bijdrage tot de Kennis van het excretorisch Systeem der Cephalo- 
poden. Academ. Proefschr. Leiden 1879. 


g HH. von Ihering, 


des exkretorischen Apparates mit voller Sicherheit verfolgen lässt. Es 
gelingt dies namentlich auf Grund des Umstandes, dass, wie die Ent- 
wicklungsgeschichte zeigt, auch bei den Myopsiden zwei-getrennte Harn- 
säcke zur Anlage kommen, die also erst sekundär durch Verschmelzung in 
einen einzigen sich vereinigen. Es kann mithin die Homologie des einen 
großen Harnsackes der Myopsiden mit den beiden gesonderten Harnsäcken 
der Octopoden — und vielleicht auch eines Theiles der Ögopsiden ? — 
nicht in Frage gezogen werden. Aus dem, was wir durch Boprerzky über 
die Entwicklung der Niere erfahren haben, geht ferner hervor, dass der 
Harnsack nicht einen Theil der Leibeshöhle darstellt, resp. nicht als ein 
Peritonealsack aufzufassen ist, sondern von einem echten Epithel aus- 
gekleidet und durch Einstülpung vom Ektoderm aus gebildet ist. Es 
ist mithin nicht zutreffend, wenn Vicerius in der Niere der Gephalopoden 
einen Peritonealsack sieht. Wäre Letzteres richtig, so würde allerdings 
die Brücke zu den Exkretionsorganen der übrigen Mollusken fehlen. So 
aber wie die Verhältnisse jetzt liegen, scheint das nicht der Fall zu sein, 
da doch wohl auch die Bosanus’schen Organe der Muscheln in gleicher 
Weise sich anlegen, und da ferner entwicklungsgeschichtlich sich der 
Harnsack und seine Wandung als das Wesentlichere und Primäre her- 
ausstellt, wogegen die Beziehungen zu den Venen erst sekundär hinzu- 
treten. Vorausgesetzt also, dass die vergleichende Embryologie die gleiche 
Entstehungsweise beider Theile, der Bosanus’schen Organe und der Harn- 
säcke der Gephalopoden darthut, so würde nichts der Homologisirung 
beider Organe im Wege stehen, wie das in der That auch meiner Meinung 
nach das Wahrscheinlichste ist. 

Die Beantwortung der weiteren Frage: welches von den beiden bei 
Nautilus vorhandenen Paaren von Harnsäcken dem einzigen Paare der 
Dibranchiaten entspricht, knüpft unmittelbar an die Verhältnisse der 
visceropericardialen Höhle an, resp. auch an das Verhalten derselben zu 
den Harnsäcken. Beim Nautilus steht die, das Herz und einen Theil 
der Gefäße enthaltende Pericardialhöhle in offenem Zusammenhang mit 
der Leibeshöhle, von der sie also einen Theil darstellt. Diese Viscero- 
pericardialhöhle mündet jederseits in die Kiemenhöhle durch eine Öff- 
nung, welche dicht neben der Harnsacköffnung der ventralen Kieme ge- 
legen ist. Genau dieselbe Einrichtung besteht nun bei den Dibranchia- 
ten, nur befindet sich die Ausmündung der visceropericardialen Höhle 
nicht mehr neben der Harnsackmündung, sondern in ihr, und zwar ent- 
weder wie bei Eledone noch sehr nahe bei der Mündung im Ureter oder 
wie bei den übrigen im Anfangstheile des Harnsackes selbst. Die Viscero- 
pericardialhöhle bietet, wie Brock nachgewiesen hat, bei den Dibranchia- 
len Beziehungen einerseits zur Genitalkapsel, andererseits zum Kiemen- 


Über die Verwandischaftsbeziehungen der Cephalopoden. 9 


herzen dar, so dass man also aus der Kiemenhöhle durch die Niere und 
die Visceropericardialhöhle in die Genitalkapsel gelangen kann, in welche 
bekanntlich die Geschlechtsstoffe hineinfallen, bevor sie von ihren Aus- 
führgängen aufgenommen werden. Bei den Dibranchiaten hat die be- 
zeichnete Höhle eine Reduktion erlitten, aber immerhin bewirkt dieselbe 
doch auch hier einen Zusammenhang der, einen Theil der Leibeshöhle dar- 
stellenden Genitalkapsel mit der Außenwelt, nur dass, wie bemerkt, die 
äußere Mündung sich nicht mehr neben, sondern in dem Ureter befindet. 

Die weitgehendste Reduktion hat der uns beschäftigende Theil der 
Visceropericardialhöhle bei den Octopoden erfahren, wo er aus einem 
engen von der Genitalkapsel oder direkt von der Geschlechtisdrüse ab- 
tretenden Kanale besteht, welcher mit dem anderen Ende in den Harn- 
sack sich öffnet, und hier in Verbindung steht mit einem flaschenförmigen 
zur Aufnahme des Kiemenherzanhanges bestimmten Theil. Dieses seit 
Kronnw’s Untersuchungen bekannte Kanalsystem der Octopoden wird hier 
als Wassergefäßsystem bezeichnet. Bei den Decapoden sollte dasselbe 
fehlen, doch hat neuerdings Brock nachgewiesen, dass auch diesen ein 
entsprechender Apparat nicht abgeht. Allerdings ist das betreffende 
Höhlensystem hier viel weiter und enthält auch noch einige weitere 
Organe als bei den Octopoden. VıczLius hat daher die Brock’sche Be- 
zeichnung desshalb als Wassergefäßsystem nicht acceptirt, sondern 
bringt wie für die entsprechenden Theile des Nautilus, die Bezeichnung 
als Visceropericardialhöhle in Anwendung. VicrLius hat in so fern in 
seiner Argumentation gewiss Recht, als die betreffenden Theile einander 
bei Octopoden und Decapoden nicht vollkommen entsprechen, da wie 
bemerkt der ganze Apparat bei den Octopoden eine verhältnismäßig weit 
gehende Rückbildung erfahren hat. Aber VıgeLıus geht entschieden zu 
weit, wenn er im Gegensatze zu Brock die Homologie der betreffenden 
Theile bei den genannten beiden Abtheilungen der Dibranchiaten ge- 
radezu in Frage zieht. Mir scheint, dass hier Brock die richtige Auf- 
fassung vertritt, natürlich unter Berücksichtigung der oben erwähnten 
Einschränkung. Denn damit, dass bei den Octopoden der betreffende 
Apparat enger geworden, und überhaupt eine Rückbildung erfahren hat, 
wird doch nicht seine Homologie aufgehoben, um so weniger als doch in 
beiden Fällen die Beziehung des betreffenden Hohlraumes einerseits zum 
Harnsacke, andererseits zum Kiemenherzen und der Genitalkapsel vor- 
handen ist. Übrigens glaube ich nicht einmal, dass faktisch eine Meinungs- 
verschiedenheit vorliegt, da VıceLıus selbst zugiebt, dass das Wasserge- 
fäßsystem der Octopoden und die Visceropericardialhöhle der Myopsiden 
auf einen gemeinsamen Ursprung hinweisen, indess seien beide nicht 
homolog, sondern nur »phylogenetisch verwandt«. Derartige durch ge- 


10 H. von Ihering, 


meinsamen Ursprung überkommene Theile, mögen sie immerhin eine mehr 
oder minder weitgehende Modifikation in den einzelnen systematischen 
Abtheilungen erlitten haben, pflegt man doch eben als homolog zu be- 
zeichnen, so dass eben, wie man sieht, die ganze Differenz schließlich 
auf einen Wortstreit hinausläuft. 

Diese häufig als Wassergefäßsystem bezeichnete Visceropericardial- 
höhle der Dibranchiaten ist nun, wie ViıerLius nachgewiesen hat, mit 
derjenigen des Nautilus homolog und der Unterschied zwischen beiden 
redueirt sich, wie schon erwähnt, nach Vierzivs darauf, dass die bei 
Nautilus dicht neben der Harnsackmündung gelegene Öffnung bei den 
Dibranchiaten in dieselbe, resp. in den ausmündenden Theil des Harn- 
sackes hinein verlegt ist. Aber auch der Nautilus seinerseits repräsentirt 
hierin wohl kaum ein primäres Verhalten, und es erhebt sich die Frage : 
auf welche Weise die bei Nautilus bestehende äußere Ausmündung der 
Leibeshöhle entstanden sein möge. Die Entscheidung über diese Frage 
dürfte sich wohl erst durch die Embryologie herbeiführen lassen. Der 
einzige Gesichtspunkt, der bis dabin vermuthungsweise, wie mir scheint, 
in Betracht kommt, ist der, dass die Ausmündung der Leibeshöhle erst 
sekundär zu Stande gekommen durch Vermittlung von Hautporen. Es 
existiren bekanntlich bei den Gephalopoden solche von p’Orsıcny als 
Ouvertures aquiferes bezeichnete Löcher in der Haut, welche in große 
subeutane Sinus hineinführen. Diese paarweise gelegenen Öflnungen 
kommen an den Armen, am Kopf, aber auch als Pori anales an der Basis 
des Trichters nicht weit vom After entfernt vor. So wie es bei den 
Myopsiden zur Verschmelzung der sich berührenden beiden Harnsäcke 
gekommen ist, so würde auch bei näherer Berührung eines solchen Sinus 
mit der Leibeshöhle es leicht zurKommunikation beider kommen können. 
Es wird sich gewiss durch embryologische Untersuchung feststellen lassen, 
ob die Leibeshöhle von Anfang an nach außen geöffnet ist oder nicht, 
beziehungsweise ob die betreffende Öffnung so wie die übrigen Haut- 
poren entsteht oder nicht. 

Durch das besprochene Wassergefäßsystem der Dibranchiaten wird 
also eine Kommunikation hergestellt zwischen dem Hohlraum des Harn- 
sackes und der Leibeshöhle, womit eine auch bei anderen Mollusken 
bekannte Einrichtung gegeben ist. Beim Nautilus dagegen existirt ein 
solcher Zusammenhang zwischen Niere und Leibeshöhle, resp. Pericar- 
dialhöhle nicht, und es erweist sich diese Kommunikation mithin als eine 
den älteren Gephalopoden abgehende und erst innerhalb der Klasse er- 
worbene Einrichtung. Die Existenz der Kommunikation zwischen Niere 
und Pericardium ist für viele ein besonders entscheidendes Argument 
für die gemeinsame Abstammung aller Mollusken. Ilier nun sehen wir 


ee u un 


Über die Verwandtschaftsbeziehungen der Cephalopoden. 11 


aber, dass schon den niederer stehenden Gephalopoden diese Verbindung 
fehlt und dieselbe vielmehr selbständig innerhalb der Klasse erworben 
ist. Es trifft mithin wenigstens für die Gephalopoden die Gültigkeit jener 
der Kommunikation von Niere und Pericardium entnommenen Argumen- 
tation nicht zu. Aber noch mehr, wir haben sogar Grund zu der An- 
nahme, dass wenigstens bei einem Theile der übrigen Mollusken die 
Entstehungsweise jener Kommunikation eine ganz andere gewesen ist. 
Denn auch bei den Würmern sind wimpernde Öffnungen der Exkretions- 
organe in die Leibeshöhle sehr verbreitet, und zwar sowohl bei Glieder- 
würmern als auch bei Plattwürmern, und von beiden Seiten her können 
daher die betreffenden wimpernden Öffnungen der Niere wohl auf die 
entsprechenden Schnecken übertragen sein. Mit anderen Worten ich 
denke, dass die wimpernde Öffnung der meisten anderen Mollusken 
nicht so wie die entsprechende Öffnung in der Niere der Cephalopoden 
entstanden ist, sondern eine direkt von Würmern ererbte Einrichtung 
darstellt, die nur dadurch bei den Mollusken eine besondere Modifikation 
erfahren hat, dass sich derjenige Theil der Leibeshöhle, in welchen die 
Wimperöffnung der Niere mündet, zum Pericardium redueirt hat. Natür- 
lich wird es, zumal so lange noch verwerthbare embryologische Unter- 
suchungen vollkommen fehlen, mir so wenig wie wohl irgend Jemand 
anderen beifallen, zu glauben, dass zur Zeit bereits die Homologie der 
Exkretionsorgane bei Mollusken und Würmern sich durchführen lasse, 
allein ich meine das, was wir jetzt über die vergleichende Morphologie 
der Leibeshöhlenöffnungen bei den Gephalopoden erfahren haben, muss 
doch wohl davor warnen mit der vorgefassten Meinung einer unmittel- 
baren Verwandtschaft aller Mollusken, resp. Gastropoden an die Beur- 
theilung dieser schwierigen Frage heranzutreten. Es ist daher gewiss 
auch leicht begreiflich, dass sich VıekLius in dieser Frage eines bestimm- 
ten Urtheiles enthält und anerkennt, wie alle diese berührten Verhältnisse 
zu Gunsten des polyphyletischen Ursprunges der Mollusken sprechen. 
Es sei mir an dieser Stelle gestattet mit einigen Worten auf die 
- heftigen Angriffe zu reden zu kommen, welche in einem der letzten Hefte 
des morphologischen Jahrbuches in einer Abhandlung von Rasr gegen 
mich enthalten waren, und die um so mehr eines wirklichen Anlasses 
entbehrten, als ja die Irrthümer, welche in Ragr’s erster Abhandlung 
enthalten waren und von mir als solche erwiesen wurden, nunmehr auch 
von Rası selbst als Irrthümer anerkannt werden. Auf die persönlichen 
Bemerkungen Rusr’s werde ich nicht eingehen, da ich, wenn auch nicht 
in meinen ersten Publikationen, so doch seit Jahren bemüht bin, derartige 
vom wissenschaftlichen Standpunkt aus überflüssige Diskussionen bei 
Seite zu lassen. Auf die unrichtigen Verallgemeinerungen hinsichtlich 


13 H. von Ihering, 


der Furchung der Gastropodeneier werde ich bei anderer Gelegenheit 
eingehen. Was den sachlichen Gegensatz bezüglich der Phylogenie der 
Mollusken betrifft, so kann derselbe allerdings kaum schärfer gedacht 
werden. Rasr sucht, ausgehend von Erörterungen über die »polare 
Differenzirung der Planaea« so wie »über die allmähliche Ausbildung 
der heteropleuren oder dysdipleuren Grundform der Gastropoden « aus 
der vergleichenden Embryologie die allen Gastropoden gemeinsamen 
Charaktere herauszufinden und somit zu Vorstellungen über die Phylo- 
genie zu gelangen. Die vergleichende Anatomie! der Mollusken findet 
dabei kaum, ihr palaeontologisches Auftreten gar nicht Beachtung. Im 
Gegensatz dazu scheint mir die Aufgabe phylogenetischer Studien darin 
zu bestehen, sich auf engere Gruppen zu beschränken und innerhalb 
derselben Alles was über vergleichende Anatomie, Entwicklungsge- 
schichte, Systematik und Palaeontologie bekannt ist zu beherrschen und 
durch planmäßig angelegte Untersuchungen zu erweitern, bestrebt zu 
sein. Dass ich bei meinen einschlägigen Arbeiten auch die vergleichende 
Embryologie eingehend berücksichtigt habe, geht wohl aus dem Um- 
stande hervor, dass weder Rası noch andere Embryologen mir für meine 
phylogenetischen Folgerungen die Unbekanntschaft mit irgend welchen 
wichtigen ontogenetischen Thatsachen haben vorhalten können, während 
der umgekehrte Fall nicht einmal bezüglich der Embryologie zutrifft, da 
z. B. Rıgr für die aus den Embryonen der Malermuschel abgeleiteten 
Betrachtungen nur die europäischen Formen, nicht aber die zahlreichen 
darauf untersuchten nordamerikanischen Arten berücksichtigt hat, deren 
Embryonen zum Theil namentlich bezüglich des Mangels des Schalen - 
hakens wesentlich anders gebaut sind. Da nun einerseits mir voll- 
kommen das Interesse und das Verständnis abgeht für Spekulationen 
über die biologische und morphologische Differenzirung der hypothe- 
tischen Planaea und Gastraea, da ich den Nutzen und Werth derselben 
nicht zugeben kann, da ich also mit anderen Worten unfähig bin, meinem 
Gegner auf das von ihm kultivirte Gebiet zu folgen, da ich andererseits 
aber bei ihm die erforderlichen Vorbedingungen und Vorkenntnisse für 
den von mir eingenommenen Standpunkt vermisse, so sehe ich eben 
den Gegensatz zwischen den beiderseitigen von uns eingeschlagenen 
Richtungen sich in einer Weise zuschärfen, dass ein Ausgleich ausge- 
schlossen ist, und. es der Zukunft überlassen bleiben muss darzuthun, 
welcher Weg der richtige ist. Ich meinerseits sehe mich zu der weiteren 


1 So ist z.B. Rısr die Existenz des großen als Velum allgemein bekannten 
Körpertheiies von Tethys vollkommen unbekannt, so dass er meine bezüglichen 
Mittheilungen missverstehend, zu dem Ausspruche kommt, dass der Begriff des 
» Velums« mir vollkommen unklar sei. 


Über die Verwandtschaftsbeziehungen der Gephalopoden. 13 


Verfolgung der von mir erwählten Richtung sehr ermuntert durch die 
Art wie bei den Gephalopoden durch die unabhängig von einander, aber 
in gleicher Weise angestellten Untersuchungen über das Nervensystem, 
den Genitalapparat und die Niere nahezu übereinstimmende Resultate 
erzielt worden sind, die uns im Zusammenhang mit den palaeontologi- 
schen Daten das Bild der Gephalopodenentwicklung in seinen wesent- 
lichsten gröberen Zügen zu rekonstruiren gestatten. 


Durch die oben besprochenen Untersuchungen von Vigzrius ist also 
der Nachweis erbracht worden, dass das Wassergefäßsystem sammt 


A, Nautilus, B, Octopoden, C, myopside Decapoden, p, Öffnung der visceropericardialen Höhle oder 
des Wassergefäßsystems, v, Kiemenherz ; punktirt ist der Harnsack, schraffirt, die 
Visceropericardialhöhle, 


seinen in den Harnsack mündenden Öffnungen, der Visceropericardial- 
höhle des Nautilus entspricht, welche letztere also jederseits nicht in, 
sondern neben dem Ureter sich öffnet. Dem zweiten Paare von Harn- 
säcken, welches beim Nautilus vorkommt, fehlt diese Beziehung ganz. 
Ich verweise zur Erläuterung auf die obenstehenden schematischen Dar- 
stellungen. Wir haben mithin in der Beziehung der Visceropericardial- 
höhle zum einen Paare der Harnsäcke ein so ausgeprägtes Merkmal, dass 
auf Grund desselben es möglich wird zu behaupten, dass das eine 
Kiemenpaar der Dibranchiaten dem ventralen Kiemenpaare des Nautilus 
entspricht. Da nun die Harnsackmündung mit der Kiemenbasis zumal 


14 | H. von Ihering, 


auch beim Nautilus in inniger Lagebeziehung steht, so ergiebt sich dar- 
aus ferner, dass das ventrale Kiemenpaar der Tetrabran- 
chiaten dem einzigen der Dibranchiaten -homolog ist. 
Wenn damit auch feste Anhaltspunkte gewonnen sind für die Beur- 
theilung der anatomischen Beziehungen von Tetrabranchiaten und Dibran- 
chiaten, so bleibt doch immer noch die Frage nach den gegenseitigen 
Verwandtschaftsbeziehungen beider Abtheilungen offen. In dieser Be- 
ziehung begegnet man allgemein der von Owen zuerst ausgesprochenen 
Ansicht, wonach dieDibranchiaten von den Tetrabranchiaten abstammen, 
und auch bei ersteren noch Spuren des untergegangenen zweiten 
Kiemenpaares nachweisbar seien. Die letztere häufig reproducirte An- 
nahme beruht indessen auf einem vollkommenen Irrthume. Owen bezieht 
sich zur Begründung seiner Annahme auf ein von Home in seiner Comp. 
Anat. Vol. IV. Taf. Ak—45 »G« abgebildetes rudimentäres Organ, 
welches als Rudiment des zweiten zu Grunde gegangenen Kiemenpaares 
gedeutet wird. Dieses fragliche Organ ist gegenwärtig bekannt unter 
dem Namen des Kiemenherzanhanges; es ist nach VieELius wahrschein- 
lich, dass derselbe den sogenannten Venenanhängen entspricht. Wie es 
auch hiermit stehen mag, so viel ist aber jedenfalls sicher, dass das be- 
treffende Organ als ein im Innern des Körpers, resp. der Leibeshöhle 
gelegener Theil nicht mit den Kiemen in Vergleich gebracht werden 
kann. Auch abgesehen von diesem Missverständnisse existirt nichts, 
was auf ein verkümmertes zweites Kiemenpaar hinweisen könnte, weder 
in anatomischer, noch in einbryologischer Beziehung. In letzterer Hin- 
sicht aber würde man doch wohl erwarten dürfen, dass in ähnlicher 
Weise, wie bei den höheren Wirbelthieren die rückgebildeten Kiemen- 
bogen, so hier embryologisch das angeblich rückgebildete zweite Paar 
von Kiemen und Nieren noch nachweisbar sein würden, was in Wahr- 
heit jedoch nicht zutrifft. Aber noch mehr, es lässt sich auch wahrschein- 
lich machen, dass kein Grund für die Annahme vorliegt, als müssten mit 
der Rückbildung des einen Paares von Kiemen auch die entsprechenden 
Nieren zu Grunde gegangen sein. Denn die Harnsäcke konnten der 
eigenthümlichen Beziehungen ihres Epithels zu den Venen wegen auch 
nach Verkümmerung der Kiemen persistiren. Sie sind eben an die 
Existenz der Venen gebunden, nicht aber an jene der Kiemen, mit denen 
sie nur bezüglich der Lage ihrer äußeren Ausmündung in Zusammen- 
hang stehen. 

Es ergiebt sich daher nach keiner Richtung hin irgend ein Anhalts- 
punkt, der uns berechtigte, die Existenz eines rückgebildeten zweiten 
Kiemenpaares bei den Dibranchiaten anzunehmen. Aber auch als ein 
durch andere Verhältnisse gebotenes Postulat kann eine solche Annahme 


DEE NET 


Über die Verwandtschaftsbeziehungen der Cephalopoden. 15 


nicht hingestellt werden. So sind bekanntlich die Arme von Nautilus 
in ganz anderer Weise gebaut und angeordnet wie diejenigen der Di- 
branchiaten. Ich habe hierauf an anderer Stelle hingewiesen, und 
namentlich hervorgehoben, dass wenn man auch jene Arme mit den 
Saugnäpfen der Dibranchiaten vergleichen dürfte doch die Versuche in | 
der Anordnung derselben ein auf die Arme der Dibranchiaten bezieh- 
bares Verhalten erkennen zu wollen als gescheitert zu betrachten sind. 
Man hat sich daher eben einfach mit der Thatsache abzufinden, dass die 
Arme bei beiden Gruppen nicht direkt auf einander beziehbar sind. Eine 
besonders werthvolle Stütze hat diese den Nautilus nicht als Stammform 
unserer Dibranchiaten erkennende Auffassung erfahren durch die Unter- 
suchungen von Brock, durch welche sich herausstellte, dass der eine 
Eileiter des Nautilus ein unpaarer, und zwar der rechte ist. Da nun eine 
derartige Rückbildung eines der beiden primären Eileiter auch bei den 
Decapoden sehr häufig vorkommt, so ergiebt sich, dass Nautilus hierin 
sich schon weit von dem ursprünglichen Verhalten en®fernt hat. Nautilus 
kann daher auch in dieser Beziehung nicht als die Stammform der 
Dibranchiaten gelten. Nautilus nimmt in einigen Beziehungen eine be- 
sonders niedere Stellung ein, wie namentlich bezüglich des noch nicht 
zur Röhre verwachsenen Trichters und des Nervensystems, und dies hat 
man bisher unberechtigter Weise zu der Annahme verallgemeinert, dass 
Nautilus in jeder Beziehung ein primitives Verhalten aufweise und allen 
. vergleichend morphologischen Verhandlungen als Ausgangspunkt dienen 
müsse. Nachdem wir diesen verkehrten Standpunkt überwunden, wird 
auch die Frage nach der Verwandtschaft von Tetrabranchiaten und 
Dibranchiaten von Neuem und in anderer Weise aufgenommen werden 
müssen. Wir sahen oben, dass bei den Dibranchiaten nichts auf die 
ehemalige Anwesenheit eines zweiten rückgebildeten Kiemenpaares hin- 
weist, wir sahen ferner, wie der Nautilus als eine einseitig modificirte 
und weit von dem vorauszusetzenden primären Verhalten entfernte Form 
anzusehen ist und es wird daher auch die Möglichkeit nicht in Abrede 
zu stellen sein, dass das zweite Paar Nieren und Kiemen des Nautilus 
von diesem erst nach der Abzweigung von den gemeinsamen Stamm- 
formen erworben worden sei. Was zunächst hierfür spricht, ist der 
Umstand, dass bei den übrigen Mollusken mit Einschluss der dibran- 
ehiaten Gephalopoden überall höchstens zwei paarig gelegene Nieren 
angetroffen werden, und es macht das die Annahme mindestens sehr 
wahrscheinlich, dass bei allen Mollusken ursprünglich nur zwei oder 
nur eine Niere vorhanden waren. In diesem Falle würden also auch 
die ältesten Gephalopoden nur ein Paar von Nieren oder Bosanus’schen 
Organen besessen haben und es wäre beim Nautilus das zweite Paar 


16 | H. von Ihering, 


J 


erst sekundär erworben im Zusammenhang mit dem Erscheinen des 
zweiten Paares von Kiemen, an deren Basis die den Ausgangspunkt der 
Entwicklung bezeichnende Mündung gelegen ist. Eine solche Annahme 
entbehrt keineswegs der Parallelen in anderen Thiergruppen. So z.B. 
. bildet für die Brachiopoden, — und wie es mir scheint auch für die mit 
ihnen nächstverwandten Bryozoen — das Vorhandensein von einem ein- 
zigen Paare von Exkretionsorganen die Regel und wohl auch den Aus- 
gangspunkt. Bei der Gattung Rhynchonella aber ist noch ein zweites 
Paar hinzugetreten. Eben so haben wir es bei den Gephyreen in der 
Regel mit einem Paare von Exkretionsorganen typischer Art zu thun, 
aber bei Echiurus und Thalassema ist noch ein zweites oder gar wohl 
auch noch ein drittes Paar hinzugekommen. Um einen derartigen Wie- 
derholungsprocess wird also auch beim Nautilus es sich handeln. Viel- 
leicht weist hierauf auch der Umstand hin, dass die neu hinzugekommene 
dorsale oder sekundäre Kieme, wie man sie nennen kann, kleiner ist als 
die primäre bei Tetrabranchiaten und Dibranchiaten gemeinsam vorhan- 
dene. Wir sehen aber sehr allgemein, dass bei einer derartigen meta- 
merischen Wiederholung die neuerworbenen Theile kleiner sind als die 
ursprünglich vorhandenen. 


Hiernach also scheint mir die vergleichende Morphologie uns darauf 


hinzuweisen, dass die ältesten Gephalopoden Dibranchiaten waren, und 
dass aus ihnen erst durch den beschriebenen Verdoppelungsvorgang 
sich die Tetrabranchiaten entwickelt haben, vermuthlich nur als ein 
verhältnismäßig unbedeutenderer Seitenzweig, während die übrige große 
Menge aus Dibranchiaten bestand. 

Wir hätten mithin die Tetrabranchiaten von den Di- 
branchiaten abzuleiten, nicht umgekehrt, wie dasbisher 
die Meinung war. | 

Ein in vieler Beziehung zutreffenderes Bild von der Organisation 
der ältesten Gephalopoden geben uns die Octopoden, eine Gruppe, von 
welcher man das wohl am wenigsten erwarten konnte, und welche man 
sich daher wohl im allgemeinen gewöhnt hatte als die meistmodificirte 
und jüngste unter den Gephalopoden anzusehen. In der That stellen die 
Octopoden in vieler Beziehung das Endglied der innerhalb der Dibran- 
chiaten zu verfolgenden Entwicklungsreihen dar, und manche Vorgänge, 
welche bei den Decapoden eingeleitet sind, haben bei den Octopoden 
die höchste zur Beobachtung gelangende Stufe erreicht. Dies gilt z. B. 
von der Rückbildung der Trichterklappe, des Nackenknorpels und des 
Mantelschließapparates, es gilt aber im besonderen Grade namentlich 
von der Schale. Die gekammerte Schale der älteren Dibranchiaten ist 
bekanntlich bei der überwiegenden Mehrzahl der recenten Decapoden 


4 
EN RE ET I EEE 


Über die Verwandtschaftsbeziehungen der Cephalopoden. 17 


zu einem unbedeutenden inneren Rudimente herabgesunken. Diese 
innere Schale entsteht durch eine sich einsenkende und endlich ab- 
schnürende Schalendrüse. Bei den Octopoden! fehlt die Schale ganz, 
aber zur Bildung der Schalendrüse kommt es, wie BOBRETZKY zeigte, 
wenigstens bei Argonauta noch. Es nehmen mithin hinsichtlich des 
ganzen Rückbildungsprocesses der Schale die Octopoden enischieden die 
höchste Stufe ein. Wenn so aber die, an den einzelnen Organsystemen 
in den verschiedenen Abtheilungen der Gephalopoden unabhängig von 
einander sich vollziehenden Vorgänge gerade bei den Octopoden den 
höchsten Grad der Ausbildung erreicht haben, so kann das keineswegs 
für alle Organe oder für die ganze Abtheilung gelten. Im Gegentheil, 
es nehmen gerade in manchen wichtigen anatomischen Charakteren die 
Octopoden die niedere Stufe ein. Zuerst ergab sich das durch die Ver- 
gleichung des Nervensystems, indem das bei den Decapoden weit vom 
übrigen Gehirn abgerückte Ganglion suprapharyngeale oder das soge- 
nannte G. buccale superius bei den Octopoden noch mit dem Gehirn ver- 
einigt ist. Ich musste dies als das primäre Verhalten ansehen, und diese 
Annahme hat unterdessen eine Bestätigung erfahren durch die von Bo- 
BRETZKY gemachte Beobachtung, dass beim Embryo von Loligo das be- 
treffende Ganglion dem Gehirn anliegt, und also erst im Laufe der weite- 
ren Entwicklung sich von demselben entiernt. Eben so fand weiterhin 
Brock, dass hinsichtlich des Genitalapparates die Decapoden weit mehr 
Differenzen und Rückbildungen aufweisen, als die Octopoden, welche 
bekanntlich die Duplicität der Eileiter konstant besitzen. In gleicher 
Weise fand dann auch VierLius bezüglich der Niere bei den Octopoden 
primitivere Verhältnisse, die ihn zu dem Ausspruche bewogen: »Die 
Octopoden siehen phylogenetisch den Nautiliden am nächsten«. Aus 
dem Bemerktem ergiebt sich ohne Weiteres, dass an eine Ableitung der 
Octopoden von den uns bekannten Decapoden nicht gedacht werden 
kann. Es sind doch schließlich noch andere Unterschiede zwischen ihnen 
vorhanden als die Armzahl, und es wäre daher nicht möglich, dass aus 
den uns bekannten Decapoden die Octopoden durch Verlust der Fang- 
arme hervorgegangen wären. Ich bemerke das namentlich mit Rücksicht 
auf den achtarmigen Decapoden Verania, bei welchem die hinfälligen 
langen Arme regelmäßig zu Grunde gehen. 

Es zeigt sich daher, dass die Octopoden als eine selbständige Gruppe 
von hohem Alter anzusehen sind, welche in mancher Beziehung noch 
ursprünglichere Verhältnisse aufweist als die Decapoden, d. h. als die 
recenten und die aus mesozoischen Schichten bekannten Dibranchiaten. 

! Die eigenthümliche Schale von Argonauta hat bekanntlich anderen Ursprung 
ı und Bedeutung. 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXY.Bd. 2 


18 H. von Ihering, 


Es müssen mithin die mit äußerer gekammerter Schale ausgerüsteten 
etwaigen gemeinsamen Vorfahren der Octopoden und Decapoden bereits 
in palaeozoischen Schichten angetroffen werden, wie ich das bereits 
früher hervorgehoben und wie es dann weiterhin auch Brock urgirt hat. 
Es fragt sich nun: welche der palaeozoischen Gephalopodengattungen 
sind Dibranchiaten gewesen und welche Tetrabranchiaten. Eine voll- 
kommene und sichere Lösung der Frage wird sehr schwierig wo nicht 
unmöglich sein, indessen liegen doch bereits nach zwei verschiedenen 
Richtungen hin Anhaltspunkte vor, welche noch dazu in erfreulicher 
Weise zu demselben Resultate geführt haben, zu dem nämlich, dass die 
Ammoniten so wieihrepalaeozoischen Vorläufer, die Gonia- 
titen, Dibranchiaten waren. Indem ich bezüglich der ausführlichen 
Begründung auf meine bald erscheinende Abhandlung über Aptychus 
im neuen Jahrbuche für Mineralogie verweise, hebe ich hier nur kurz 
die wesentlichsten Resultate hervor. Einen der beider erwähnten Wege 
bildet die Untersuchung des Embryonalendes der Schale, welche, wie 
zuerst BarranDE hervorhob, bei den Nautiliden ganz anders beschaffen 
ist als bei den Goniatiten und Ammoniten, die sich hierin an Spirula und 
die Belemniten anschließen. Munier-Cuarmas und Branko haben die Ent- 
deckung Barrınne’s bestätigt und weiter verfolgt und daraus den natür- 
lichen Schluss gezogen, dass auch die Ammoniten Dibranchiaten waren. 

Zu einer Bestätigung nun dieses Resultates brachten mich die im 
Folgenden vorliegenden Untersuchungen über die mikroskopische Struk- 
tur eines bisher noch immer räthselhaften Organes der Ammoniten, des 
sog. Aptychus, welcher meinen Untersuchungen zufolge sich als ein 
partiell verkalkter Knorpel herausstellt, welchem am 
Körper der lebenden Decapoden der Nackenknorpel ent- 
spricht. Bevor ich auf die Vergleichung beider eingehen kann muss 
ich die Beschreibung des Nackenknorpels voraussenden, zu der ich mich 
daher wende. 

So weit meine im Folgenden vorzulegenden Erfahrungen reichen, 
lassen sich innerhalb der Decapoden zwei verschiedene Typen hinsicht- 
lich des Nackenknorpels unterscheiden. Den einen vertritt Sepia, den 
anderen Loligo. Bei Sepia ist der Nackenknorpel dünn und flach und 
hat nur eine obere und eine untere Fläche, die in einem schmalen Rande 
zusammenstoßen. Die ganze obere Fläche ist vom Epithel überzogen, 
und nur am Rand und an die Unterseite inseriren sich Muskelfasern. 
Bei Loligo dagegen ist die freie vom Epithel überzogene Fläche schmal 
und über sie hinaus setzt sich jederseits die Knorpelmasse fort in Gestalt 
eines breiten flügelförmigen Anhanges, welcher zur Muskelinsertion dient. 
Beide Formen von Nackenknorpel sind, wie wir weiterhin an Rossia 


Über die Verwandtschaftsbeziehungen der Cephalopoden. 19 


sehen werden, nicht unvermittelt. Die einfachsten Verhältnisse in der 
zu Loligo führenden Reihe findet man bei Onychoteuthis. Die weit- 
gehende Übereinstimmung zwischen Loligo und Ommastrephes und ihre 
Verbindung mit Onycho- und Enoploteuthis bestärken mich in meiner 
im Gegensatz zu Brock vertretenen Ansicht, dass die Gruppen der 
Myopsiden und Ögopsiden keine natürlichen sind. Loligo und Omma- 
strephes weit zu trennen und dafür Sepia und Loligo in nähere Be- 
ziehung zu einander setzen, das heißt meiner Meinung nach nicht den 
natürlichen Verwandtschaftsbeziehungen Rechnung tragen. 

Der Nackenknorpel der Dibranchiaten ist ein hinter dem 
Kopf unter dem vorderen Ende der Rückenschulpe gelegener Knorpei, 
welcher an seiner konkaven untereren Fläche einer Menge von Muskel- 
fasern zur Insertion dient. Die Lage des Knorpels ist eine ganz ober- 
flächliche, so dass nur eine einfache Epithelschicht ihn an seiner oberen 
oder dorsalen konvexen Fläche überzieht. So weit dieser Epithelüberzug 
reicht, welcher bei Sepia ein viel größeres Feld überzieht als bei Loligo, 
gehen keine Muskeln an den Knorpel, da er hier unmittelbar an das 
Epithel grenzt, so dass hier der Knorpel fast frei nach außen zu Tage 
tritt. Diese vom Epithel überzogene Fläche ist aber nicht direkt von 
außen zugänglich, sondern sie ist noch überdeckt von einer Art dicker 
Klappe, die nach hinten hin mit dem Epithelüberzuge des Nacken- 
knorpels kontinuirlich zusammenhängt. Es entsteht dadurch eine nach 
hinten blind endigende Tasche, eine Nackenhöhle, in welche der Ein- 
gang von der dorsalen Seite des Kopfes her führt. Während nun den 
Boden dieser Nackenhöhle der Nackenknorpel bildet, ist die Decke ge- 
bildei durch das Vorderende der Schale. Diese liegt bekanntlich in 
einem Sacke, dessen untere oder ventrale Wandung dann die Decke der 
Nackenhöhle bildet. In dieser Decke liegt nun ein flacher Knorpel, der 
Rückenknorpel, welcher in der Medianlinie stärker angeschwollen ist. 
Es entsteht dadurch eine mediane dicke Knorpelleiste, welche in der 
Längsrichtung in die Nackenhöhle hineinragt und gegen den Nacken- 
knorpel gepresst werden kann, in welchem sich eine mediane Furche 
zu seiner Aufnahme befindet. Dadurch entsteht die zweitheilige Gestalt 
des Nackenknorpels. Bei Sepia ist in Folge der beträchtlichen Tiefe der 
medianen Furche die mediane Verbindungsbrücke sehr dünn. Jede 
Hälfte des Nackenknorpels hat ihr eigenes Wachsthum, welches von der 
Medianlinie aus gegen die Seitentheile fortschreitet, so dass man an dem 
meist angeschwollenen Seitenende jeder Hälfte lebhafte Wachsthumsvor- 
gänge im Knorpel konstatirt. Die Gefäße treten in Form weniger großer 
Stämme von der konkaven Seite her in den Knorpel ein, wo sie sich 
verästeln und namentlich eine große Anzahl von kleinen Endzweigen 

9* 


20 H. von Ihering, 


gegen die konvexe Fläche hin entsenden. In diesen Endzweigen scheint 
es häufig zu Verstopfungen oder Gerinnungen, kurz zu Thrombosen zu 
kommen, in Folge deren man kugelige Gerinnungsmassen! im Knorpel 
dicht unter der konvexen Oberfläche antrifft, welche weiterhin sich noch 
mehr dem Epithelüberzuge nähern, um so endlich aus dem Knorpel her- 
aus zu kommen, in dem sie Löcher oder Poren hinterlassen, welche 
zum großen Theil noch mit der Gerinnungsmasse erfüllt sind. Ob und 
wie diese eigenthümlichen Vorgänge in physiologischem Sinne zu deu- 
ten sind, ist mir nicht klar. Ich bin jedoch eher geneigt darin patho- 
logische Vorgänge zu sehen, die allerdings mit großer Regelmäßigkeit 
wiederkehren. Sehr wichtig scheinen mir nun dieselben für das Ver- 
ständnis jener Aptychen zu sein, welche an ihrer konvexen Oberfläche 
Poren tragen. Denn nimmt man überhaupt die Identität von Nacken- 
knorpel und Aptychus an, so sind wohl, wenigstens in manchen Fällen, 
auch diese nach außen sich öffnenden Poren der konvexen Seite iden- 
tische Gebilde. Je nachdem das Gerinnsel die Pore noch erfüllt und 
überragt, hat man es mit Poren oder Höckern bei Loligo zu thun und es 
bliebe daher noch zu untersuchen ob etwa die mit Papillen besetzten 
Aptychen ähnlich zu deuten oder ob ihr Besatz in die gleiche Kategorie 
gehört wie die Leisten, die bei anderen die äußere Fläche zieren, resp. 
also ob von der Substanz der Tuben oder von der homogenen die Papil- 
len gebildet werden. An der unteren konkaven Fläche findet sich in 
bestimmt angeordneter, hier aber im Einzelnen nicht weiter interessiren- 
der Weise feine Leisten für den Muskelansatz. Diese Leisten sind nichts 
anderes als die freien Enden der Lamellen, welche über einander ge- 
lagert die untere Begrenzungsschicht des Knorpels bilden. Der ganze 
Knorpel lässt auf dem Querschnitt drei Schichten erkennen, je eine 
äußere und innere Begrenzungsschicht und eine dicke Zwischenmasse. 
Nur die letztere enthält die Knorpelzellen. Es finden sich also einzeln 
oder nesterweis zusammenliegend Knorpelzellen mit ihren feinen Aus- 
läufern in einer homogenen Intercellularsubstanz. In dieser nun kommt 
es streifenweise in der Richtung von einer freien Fläche zur anderen zu 
faserartigen Verdichtungen des Gewebes und ein eben solches dichteres 
Gewebe ist es auch, in welches sie gegen die Begrenzungsschichten hin 
ausstrahlen und welches eben diese Schichten zusammensetzt. Verkalkt 
ist auch dieses faserige oder lamellöse Gewebe nicht. 

Bei OnychoteuthisLichtensteini hat der Nackenknorpel im 
Wesentlichen die gleiche Gestalt wie bei Loligo, aber die Unterseite ver- 


1 Ich kann wie gesagt über die Natur dieser Körper nicht definitiv urtheilen. 
Möglich wäre es auch, dass sie sich selbständig in der Grundsubstanz des Knorpels 
bilden. 


Über die Verwandischaftsbeziehungen der Cephalopoden. 21 


hält sich in so fern etwas anders, als die kleine bei Loligo so deutlich 
abgegrenzte vordere Grube hier fehlt oder ganz seicht ist. Der Muscu- 
lus collaris bietet hier ein sehr instruktives Verhalten dar. Er besteht 
aus zwei Lamellen, einem oberflächlichen und einem tieferen Blatte, die 
ich als verschiedene Muskeln, als M. collaris superficialis und profundus 
beschreiben werde. Beide Blätter hängen vorn gegen den Kopf hin so 
zusammen, dass sie nur als Theile eines einzigen zusammengefalteten 
Muskelblattes erscheinen. Die Umschlagsfalte, in der also das obere Blatt 
in das tiefere nach hinten hin zurücklaufende sich fortsetzt, liegt vorn 
jederseits frei, so dass also das tiefere Blatt nicht der Unterlage fest auf- 
liegt, sondern eine ziemliche Strecke weit frei zu Tage liegt. Das ober- 
flächliche Blatt tritt nach oben gegen den Nackenknorpel hin bis an den 
Falz, in dem es sich inserirt, wobei es mithin frei über die dorsale 
Fläche des Muskelfortsatzes wegläuft. Das tiefere Blatt aber heftet sich 
an den Rand des Muskelfortsatzes, und zwar an die obere dorsale Kante 
seines Seitenrandes. In der Fortsetzung gegen den Trichter hin ent- 
spricht in seiner Verlängerung das oberflächliche Blatt des Musculus col- 
larıs der ventralen gegen den Mantel sehenden Wand des Trichters, wo- 
gegen das tiefere der entgegengesetzten Trichterwand entspricht, resp. 
sich theilweise in sie fortsetzt. Nach hinten hin endet das oberflächliche 
Blatt mit freiem zugeschärftem Rande, um welchen herum man in eine 
große zwischen beiden Blättern des M. collaris eingeschlossene Höhle 
gelangt. 

Bei Enoploteuthis Owenii finde ich die Verhältnisse sehr ähn- 
lich oder jedenfalls leicht auf diejenigen von Onychoteuthis zurückführ- 
bar. Der Hauptunterschied besteht darin, dass die vordere Umschlags- 
falte des Musculus collaris nicht mehr frei liegt, sondern dem unter- 
liegenden Körpertheile fest angewachsen ist. Dadurch gewinnt es den 
Anschein, als ob der Musculus collaris nur durch das superficiale Blatt 
repräsentirt sei. In Wahrheit ist auch das tiefe Blatt vorhanden, nur ist 
es mit den tieferen Muskelschichten verwachsen, resp. ihnen aufge- 
wachsen. Aber die Umschlagsfalte ist noch sehr wohl sichtbar. Es ist 
wohl nicht zu bezweifeln, dass diese Verwachsung ein sekundärer, übri- 
gens ja auch bei Loligo und Sepia bestehender Vorgang ist, so dass in 
dieser Hinsicht Onychoteuthis die tiefere Stufe einnimmt. Das tritt auch 
an anderen Organen hervor, so dass Enoploteuthis nichts als eine höhere 
Stufe auf dem von Onychoteuthis eingeschlagenen Wege darstellt. Beide 
sind bekanntlich durch den Besitz von Haken an den Saugnäpfen 
charakterisirt. Diese sind bei Onychoteuthis auf die langen Fangarme 
beschränkt, finden sich aber bei Enoploteuthis auch auf den anderen. 
' Ein schönes Beispiel dafür, wie gewisse von einer beschränkten Anzahl 


32 H. von Ihering, Über die Verwandtschaftsbeziehungen der Cephalopoden. 


von Antimeren oder Metameren erworbenen Strukturverhältnisse suc- 
cessive auch an den übrigen zur Ausbildung gelangen können. Endlich 
finde ich auch darin Onychoteuthis die niedere Stufe einnehmen, dass 
hier die obere oder dorsale gegen den Leib gerichtete Wand des Trichters 
nicht an diese angewachsen, sondern frei ist. Nur zwei symmetrisch in 
der Längsrichtung gestellte Membranen verbinden Trichterwand und 
Körperwandung; zwischen beiden bleibt ein abgekammerter nach vorn 
zugänglicher Raum. Bei Enoploteuthis nun ist wie bei den Myopsiden 
der hierdurch eingeleitete Befestigungsprocess des Trichters an die ven- 
trale Körperwand zum Abschluss gebracht, indem die beschriebenen, 
wohl ontogenetisch noch nachweisbaren Trichtersuspensorien fest ange- 
wachsen und so verkürzt sind, dass nichts mehr direkt auf sie hinweist, 
vielmehr der Trichter fest angelöthet ist. 

Die bei Enoploteuthis bestehenden Verhältnisse kehren auch bei 
Ommastrephes wieder und bei Loligo. Andere als die genannten Gat- 
tungen habe ich von Ögopsiden nicht untersucht. 

An Sepia schließt sich die Gattung Rossia an. Die zwei untersuch- 
ten Arten verhalten sich sehr ungleich. Rossia macrosoma hat eine in 
ganzem Umfang von außen nach Zurückschlagen des Mantelrandes sicht- 
bare ovale Nackenplatte, hinsichtlich deren ich auf meine Abbildungen 
in der Aptychus-Abhandlung im Neuen Jahrb. f. Mineralogie verweise. 
Der Nackenknorpel hat nach hinten jederseits einen nicht sehr großen 
flügelförmigen Muskelfortsatz, was an die Verhältnisse von Loligo er- 
innert und den Übergang — im organologischen Sinne — vermittelt. 
Rossia dispar bildet eine Brücke zur Gattung Sepiola. Der Mantelrand 
ist im Nacken nicht mehr ganz frei, sondern von hinten her eine Strecke 
weit in der Medianlinie festgewachsen. Im Zusammenhang damit ist der 
Nackenknorpel rückgebildet. Nur sein vorderer Theil ist gut erhalten 
und dick. Bei Sepiola ist die Verwachsung des Mantels mit dem Nacken 
beendet und der Nackenknorpel auf geringe Reste reducirt. | 

Hinsichtlich seiner Festigkeit sind am Nackenknorpel zwei Gewebe 
zu unterscheiden, Faserknorpel und hyaliner Knorpel, von denen ersterer 
die äußere und innere Begrenzungsschicht bildet, so wie ein mehr oder 
minder vollkommenes inneres Maschenwerk. Dasselbe kehrt nun am 
Aptychus wieder. Eine Gerüstmasse von verkalkter Gewebsmasse ent- 
hält in Röhren oder Zellen eine sekundär eingelagerte Gesteinsmasse, 
die an Stelle des macerirten Hyalinknorpels getreten ist, wie bei den fos- 
silen Squatinawirbeln nach Hasse, indem daselbst Lagen von verkalktem 
Knorpel und hyalinem Knorpel abwechseln. 


Leipzig, den 26. April 1880. 


Uber den Ursprung des Nervus opticus und den feineren Bau des 
Tectum opticum der Knochenfische. 


Von 


Dr. Joseph Bellonei aus Forli. 


Mit Tafel I und II. 


In einer im vorigen Jahre veröffentlichten Abhandlung über das 
Gehirn der Knochenfische! stellte ich zwei Behauptungen von großer 
Wichtigkeit auf: 1) dass die Opticusfasern ausschließlich ihren Ursprung 
von der äußern Schicht des Tectum opticum nehmen und 2) dass diese 
Fasern, hier verbunden, sich in ein feines Netz auflösen, welches direkt 
mit den langen, aufsteigenden Fortsätzen der Nervenzellen vereinigt ist, 
die sich in der innern Schicht des Tectum befinden. 

Die erste dieser Behauptungen steht der Meinung fast aller 
Beobachter entgegen, welche im Allgemeinen annehmen, dass außer den 
Fasern des Tectum opticum noch andere Fasern, welche aus dem 
Innern der Lobi optici hervorkommen, an der Bildung der Opticus- 
fasern Theil nehmen. Dies veranlasste mich bei der Schwierigkeit dieser 
Untersuchungen und der Wichtigkeit der Frage neue und vollständigere 
Studien über dieselbe anzustellen, und meine Behauptung durch eine 
Reihe von Figuren in möglichst klarer Weise zu versinnlichen. 

Die zweite von mir behauptete Thatsache dringt in die wichtigsten 
Fragen der Histologie der Nervencentren ein; ich habe dieselbe mit der 
größten Sicherheit bestätigt, und zugleich auch neue Besonderheiten 
rücksichtlich des Baues des Tectum opticum aufgefunden. 

Alle meine Untersuchungen wurden an mit Überosmiumsäure er- 
härteten Präparaten gemacht. 

Der Ursprung eines Bündels von Opticusfasern aus der äußern 
Schicht des Tectum ist nach meinem Dafürhalten vollkommen bewiesen 


1 G. Bertoncı, Ricerche intorno all’ intima tessitura del cervello dei Teleostei. 
Memorie della R. Accademia dei Lincei, Anno CCLXXVI (1878—1879). Roma. 


34 Joseph Bellonci, 


und festgestellt und gehe ich daher auf diesen Punkt nicht weiter ein. 
Rücksichtlich der angeblichen Opticuswurzel, welche aus der Pars 
peduncularis hervorkommt, giebt Stıepı ! keine genaue Auskunft; 
Fritsch? und Sınpers ? stimmen überein. Diese Wurzel soll nach diesen 
Forschern ihren Ursprung im Centrum der Lobi optici haben, und indem 
sie den inneren und unteren Rand des Tectum umschließt, nach dem 
vorderen Theile desselben herabgehen, um sich mit dem Tractus opticus 
zu vereinigen. Dieses Faserbündel (Taf. I, fc) existirt in der That und 
kann man dasselbe auch mit einer gewissen Leichtigkeit beobachten; es 
schließt sich an den Tractus opticus an, an dessen unterer Oberfläche 
und innerem und unterem Rande es seine Lage hat, aber anstatt sich 
wieder mit den Opticusfasern zu vereinigen, bildet es die Commissura 
transversa (G), welche unmittelbar hinter der Kreuzung der Optici (IT) 
liegt. Die Fasern des inneren unteren Randes des Tectum (Taf. I, f), 
welche zum Nervus opticus gehören, sind so innig mit diesem Bündel 
vereinigt, dass man sie leicht mit ihnen verwechseln kann, und auch 
die Beziehungen der Commissura transversa mit den Nervi optici sind 
so innig und verwickelt, dass man sehr leicht in den Irrthum verfallen 
kann, die Fasern des eben beschriebenen Bündels als zum Nervus opti- 
cus gehörig anzusehen. Bei der Anwendung der Überosmiumsäure zeigt 
sich das kommissurale Bündel weniger geschwärzt als der Tractus opti- 
cus und zwar aus dem Grunde, weil die Fasern des letztern mehr Mark 
in sich haben und enger unter sich vereinigt sind, als die Fasern von 
jenem. Die Tuberwurzel von Fritsch und die Opticuswurzel der Hypo- 
aria (Lobus inferior) von Sınpers sind nichts Anderes, als kleine Faser- 
bündel, welche zur Bildung der vorderen und hinteren Commissura 
transversa beitragen (Ce). 

Einige optische Fäserchen lösen sich unmittelbar noch vor dem 
Tectum auf (tr o’); andere im äußeren Corpus geniculatum (fr 0”). 

Zur deutlichen Veranschaulichung dieser zusammengesetzten Ver- 
hältnisse verweise ich statt weiterer ausführlicher Beschreibungen auf 
die in Taf. I dargestellten Figuren. 

Um den feineren Bau des Tectum opticum der Knochenfische 
(Tinca v.) klar darzustellen, habe ich jene Art von morphologischer 


1 L. STIEDA, Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische. Diese 
Zeitschr. Bd. XVIII. 1867. 

2 G. Fritsch, Untersuchungen über den feineren Bau des Fischgehirns. Berlin 
1878. | 

3 SAnDERs, Contributions to the Anatomy of the central nervous System in verte- 
brate Animais. Philosophical Transactions of the Royal Society of London, for the 
year MDCCCLXXVII. Vol. 469. P, II. London MDCCCLXXIX. 


Über d. Urspr. des Nervus opticus u. d, feineren Bau des Tectum optie. d. Knochenfische, 25 


Analyse angewendet, von welcher ich bereits in einem anderen Werke! 
gehandelt habe, und findet man auf Taf. Il sowohl die nervösen Elemente 
(Fig. 1) als die nicht nervösen (Fig. 2), und zwar jedes besonders vor 
Augen gelegt. Im ganzen Tectum opticum findet sich ein feines Nerven- 
netz, dessen Maschen von so feinen Fäden gebildet sind, dass man sie 
bloß nach einer Vergrößerung von etwa 1000 Diameter erkennen kann. 
Dieselben sind in einer dickeren Umhüllungsschicht eines zusammen- 
hängenden, schwammigen Gewebes enthalten, von welchem sie sich 
bloß nach einer langen praktischen Übung im Studium der nervösen 
Gewebe unterscheiden lassen. Die engen, aufsteigenden Fortsätze der 
kleinen Zellen der inneren Schicht, welche unter dem Tractus opticus 
vereinigt sind, werden ganz dünn, verzweigen sich dann, und von ihren 
zarten Ästen gehen anastomotische Seitenästchen aus, welche dazu die- 
nen, theils mit anderen Fortsätzen gleicher Natur, theils mit den ersten 
Enden der Verzweigungen der optischen Fäserchen sich zu vereinigen, 
auf welche Weise das erwähnte feine Netz gebildet wird, dessen Maschen 
in der That geschlossen sind. Ich muss hier bemerken, dass diese feinen 
Besonderheiten nicht immer wahrzunehmen sind und dass vorzügliche 
Präparate dazu gehören, um sich mit Bestimmtheit von denselben zu 
überzeugen. 

In der inneren Schicht des Tectum opticum, welche durch die 
Zellen des Epitheliums und das mächtige Bindegewebe verwickelt wird, 
befinden sich die Nervenzellen, welche sich durch Überosmiumsäure 
nicht färben (Taf. II, Fig. ! c); sie haben einen breiten aufsteigenden 
Fortsatz und einige absteigende Fortsätze. Über der Schicht dieser Zellen 
befinden sich die Gruppen der kleinen spindelförmigen Zellen (e), welche 
für das Tectum opticum charakteristisch sind, und welche durch Über- 
osmiumsäure sich braun färben. Diese Zellen haben ihre größere senk- 
rechte Achse nach der Oberfläche des Tectum gerichtet und entsenden 
je einen aufsteigenden und einen absteigenden Fortsatz. Der erste, 
weicher, wie ich bemerkt habe, sich in ein Netz unter dem Tractus opti- 
. eus auflöst, ist breiter als der zweite, der wegen seiner Feinheit nicht 
weiter verfolgt werden kann; jener lässt sich als protoplasmatischer, 
dieser als »Cylinder-axis«-Fortsatz ansehen, möglicherweise ist jedoch 
das Deiters’sche Schema nicht streng anwendbar auf diese kleinen Ele- 
mente. Ich vermuthe, dass auch der absteigende Fortsatz sich verzweigt, 
und mit den Fasern der Stiele der Lobi optiei sich in Verbindung setzt, 
welche sich zum Theil in dieser Schicht verzweigen. Diese Zellen (e) 
haben oft auch ganz zarte Seitenverlängerungen. Außerdem bemerke 


1 G. Berroncı, Ricerche comparative sui centri nervosi dei Vertebrati. Memorie 
della R. Accademia dei Lincei, anno CCLXXVII (4879, 4880). Roma. 


36 Joseph Bellonci, 


ich, dass unter den Gruppen der sich schwärzenden Zellen auch kleine 
runde Zellen vorkommen, welche ungefärbt bleiben. 

Über den eben beschriebenen Nervenzellen befinden sich die mark- 
haltigen Fasern, die aus den Stielen des Tectum opticum hervorkommen. 
In der von diesen Fasern durchzogenen und vom Tractus opticus be- 
grenzten Schicht finden sich viele Nervenzellen: einige sind spindelförmig 
und in Osmium sich schwärzend (/), andere (sehr schmale) multipolar 
und ebenfalls sich schwärzend, noch andere sind blass und abgerundet ; 
von diesen sind einige von gewöhnlicher Größe, andere aber sehr klein. 
Die spindelförmigen Zellen dieser Schicht wurden von Stıepa! als Zellen 
der Grundsubstanz beschrieben ; es sind jedoch, wie auch SANDERS ? zu- 
giebt, wahre Nervenzellen, welche von denen der inneren Gruppe nur 
durch ihre Breite sich unterscheiden. Ihre Hauptachse steht perpendiku- 
lär auf der Oberfläche des Tectum und haben dieselben zwei Haupifort- 
sätze, einen aufsteigenden und einen absteigenden: jener (n) ist breiter, 
verzweigt sich und löst sich, nachdem er den Tractus opticus durch- 
kreuzt hat, in dem kleinen Netze der äußeren Schicht des Tectum auf, 
wobei er bisweilen lange Bogen in dieser Gegend beschreibt. Der ab- 
steigende Fortsatz (m) verzweigt sich nach einem kürzeren oder länge- 
ren Verlaufe ebenfalls, um sich in das feine Nervennetz aufzulösen; aber 
seine Verzweigungen sind weniger häufig und weniger deutlich als die 
des aufsteigenden Fortsatzes. Diesen letzteren kann man auch als proto- 
plasmatischen betrachten, und ist er dazu bestimmt, die Zellen mit den 
Fasern des Nervus opticus in Verbindung zu setzen; der absteigende 
Fortsatz dagegen dient dazu, um ebenfalls durch Vermittlung des feinen 
Netzes die Zellen mit den Fasern des Tectum opticum in Verbindung zu 
bringen und kann man denselben als Gylinder-axis-Fortsatz betrachten. 
Möglicherweise haben wir hier den ersten Anfang jenes Unterschiedes 
zwischen den Fortsätzen der Nervenzellen vor uns, welcher an den 
Zellen des Rückenmarks so bestimmt sich ausspricht und der ihre Aus- 
läufer genau von einander unterscheiden lässt. 

Außer den genannten Zellen enthält die betreffende Lage zahlreiche 
feine Verzweigungen der optischen Fasern, der stielartigen Fasern und 
der Zellenfortsätze, die sich alle in das feine nervöse Netz auflösen. 

Als eine interessante Besonderheit dieser Schicht habe ich eine 
Opticusfaser gezeichnet (0), welche sich vertikal absenkt und sich in 
der inneren Schicht verliert, und eine Faser der Stiele (h’), welche ver- 
tikal aufsteigt, sodann sich plötzlich herabwendet und, in entgegenge- 
setzter Richtung verlaufend, der ersten parallel sich verfeinert und im 
feinen Netze verzweigt. 

12]..C.. p. 40. 21. Ic. p. 75A 


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Über d. Urspr. des Nervus opticus u. d. feineren Bau des Tectum optic. d. Knochenfische. 27 


In der zwischen der Pia mater und dem optischen Zuge liegenden 
Schicht lösen sich, wie ich bereits bemerkt habe, nach und nach die 
aufsteigenden Fortsätze der spindelförmigen Zellen der mittleren Schicht 
auf; in ihr findet sich das feine Nervennetz, und man bemerkt hier und 
da zerstreute kleine Nervenzellen, welche sich mittels der Überosmium- 
säure nicht bräunen. Von dieser Schicht gehen sehr feine blasse Faser- 
bündel aus, welche, nachdem sie parallel der Oberfläche des Tectum ver- 
laufen sind, dieselbe in schräger Richtung durchziehen, und sich theils 
in der darunter befindlichen Region nach dem Tectum zu, theils im 
Toruslongitudinalis allmählich auflösen, und zum Theil dazu bei- 
tragen, die obere Commissur des Tectum zu bilden. 

Das Bindegewebe der inneren Schicht des Tectum bildet ein dickes 
mit den Epithelialzellen und den Deıters’schen Zellen vereinigtes Netz. 
In dem Reste des Tectum nimmt das Bindegewebe die feinschwammige 
Form an, welche man überall in der grauen Substanz der Gehirnrinde 
trifft; ein wenig gröber ist das Bindesubstanznetz in der Nähe der mark- 
haltigen Fasern, wo hier und da zerstreute freie Kerne (ö) vorkommen. 
In der äußeren Schicht des Tectum unter der Pia finden sich DEITERs- 
sche Zellen und außerdem sendet die Pia Fortsätze in diese Schicht 
(Stiftfasern). 

Wesentlich in derselben Weise wie das Tectum opticum der Knochen- 
fische sind nach meinen Beobachtungen auch das Tectum opticum der 
Batrachier (Rana) und der Reptilien (Emys) so wie die Corpora 
bigemina der Vögel (Taube) gebaut. 

Auf dieser Basis wird man daher auch, wie ich glaube, die großen 
Streitfragen über den Ursprung des Nervus opticus und über den Bau 
der Corpora quadrigemina der Säugethiere und des Menschen zu lösen 
haben. 

Allgemein aufgefasst folgt der Nervus opticus der Fische, was seinen 
Ursprung anlangt, dem Verhalten der übrigen Sinnesnerven. 


Bologna, Februar 1880. 


38 Joseph Bellonci, 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel I. 


Pr 


Schnitte durch das Gehirn des Carassius auratus, welche den Ursprung des 
Nervus opticus darstellen. Neben jeder Figur ist auf einer Umriss-Zeichnung 
des Gehirns des Carassius die Schnittrichtung angegeben (x’). 

II, Nervus opticus, 

iro, Tractus opticus, 

tr o', Faserbündel des Nervus opticus, welches sich im vorderen 
Theile des Tectum auflöst, 

ir 0", Faserbündel des Nervus opticus, welches sich im äußeren Cor- 
pus geniculatum auflöst, 

c9, Corpus geniculatum externum, 

a, Faserbündel der Pars peduncularis, welche sich im Gorpus 
geniculatum lösen, 

b, Faserbündel der Pars peduncularis, welche sich im vorderen 
Theile des Tectum auflösen, | 

f’, Faserbündel des Tractus opticus, welches am inneren und unte- 
ren Rande des Tectum liegt, 

fe, Faserbündel, welches die Commissura transversa anterior 
bildet, 

fe‘, Faserbündel, welche die schräge Commissura transversa 
posterior bilden, 

C, Commissura transversa anterior, 

c, Commissura transversa posterior, 

p, Stiele der Hemisphären, 

E, Hemisphären, 

li, Lobus inferior. 


En 


Tafel II. 


Fig. A. Schnitt senkrecht auf die Oberfläche des Tectum und schräg in Bezug 
auf die sagittale Medianebene des Gehirns um die nervösen Elemente des Tectum 
opticum der Tinca vulgaris zu zeigen. Vergr. 500. Die feineren Besonderheiten 
wurden nach dem Immersionssystem J. von Zeıss, Oc. 3, 4 studirt. 

a, markhaltige Fasern der Stiele des Tectum opticum, 

b, ungefärbte Faserbündel, welche aus der oberflächlichen Schicht des 
Tectum hervorkommen, 

c, ungefärbte Zellen der inneren Schicht des Tectum, 

d, überaus kleine ungefärbte Zellen aus derselben Region, 

e, Gruppen von kleinen Zellen, welche sich mit Überosmiumsäure braun 
färben, 

f, Cylinder-axis-Fortsätze dieser Zellen, 

9, protoplasmatische Fortsätze derselben Zellen, 

h, markhaltige Fasern, welche aus den Stielen des Tectum opticum her- 
vorkommen, 


Uber d. Urspr. des Nervus optieus u. d. feineren Bau des Tectum optic. d. Knochenfische, 29 


h’, eine dieser Fasern, welche vertikal aufsteigt, sich dann umbiegt, in 
 entgegengesetzter Richtung verlaufend sich verdünnt und im Nerven- 

netz sich auflöst, 

h”, Verästelungen eben derselben Fasern, 

i, ungefärbte Zellen der mittleren Schicht des Tectum, 

‘', sehr kleine ungefärbte Zellen von eben derselben Schicht, 

k, durch Überosmiumsäure braun gefärbte multipolare Zelle derselben 
Schicht, 

I, braune spindelförmige Zellen dieser Schicht, 

m, Cylinder-axis-Fortsatz, 

n, protoplasmatischer Fortsatz dieser Zellen, 

_n’ letzte Verästelungen der protoplasmatischen Fortsätze dieser Zellen, 

0, Opticusfasern, 

0’, Verästelungen und feine Bündel dieser Fasern, 

o”, optische Faser, welche sich verdünnend nach der inneren Schicht des 
Tectum herabsteigt, 

o"’, optisches Fäserchen, welches sich in der äußeren Schicht des Tectum 
auflöst, 

p, kleine ungefärbte Zellen der äußeren Schicht des Tectum. 

Fig. 2. Nicht nervöse Elemente des Tectum opticum, wie sie sich an einem 
Schnitte zeigen, welcher auf gleiche Weise wie die vorhergehenden gemacht wurde. 
Vergr. 500. 

ce, Epithelialzellen, 

8, Querschnitt eines Blutgefäßes, 

y, DeEiters’sche Zellen der inneren Schicht des Tectum, 
ß’, Blutcapillaren, 

d, freie Kerne in der Grundsubstanz, 

y', Deıters’sche Zellen der äußeren Schicht des Tectum, 
9, Stiftfasern. 


Das Riechorgan der Landpulmonaten. 
Von 


Dr. phil. D. Sochacezewer in Berlin. 


Mit Tafel II. 


Die Landpulmonaten sind sowohl in anatomischer wie physiologi- 
scher Hinsicht vielfach auf ihr Riechvermögen untersucht worden. Es 
waren hier Objekte gegeben, an denen es nicht so schwierig war, Ver- 
suche zu machen, welche das Vorhandensein des Geruchsinnes fest- 
stellen, und außerdem war es möglich, wenn ein von zahlreichen Nerven 
versorgtes Organ die Aufmerksamkeit auf sich zog, die Empfindlichkeit 
desselben auf Riechstoffe zu prüfen. Doch trat hier der Mangel an 
morphologischen Vergleichungspunkten und die Schwäche der Beweis- 
kraft der einzelnen Versuche, der Erkenntnis so hinderlich entgegen, 
dass meist nur Vermuthungen, über den Sitz der Riechempfindung ge- 
macht werden konnten. Abgesehen von der vereinzelten Ansicht Cuvier’s, 
nach welcher die ganze Hautoberfläche des Thieres gegen Riechstoffe 
empfindlich sein sollte, neigt sich das Schwergewicht der Vermuthungen 
den Fühlerpaaren der Pulmonaten zu, von denen Lı Prucaz (Schauplatz 


der Natur I. p. 275), VALMONT DE BOMARE, BLAINVILLE und Spix die vor- 


deren Tentakel, Asst, Duruy, Moguin Tanpon und Lespis die großen 
augentragenden Fühler und endlich VeLten und ihm sich anschließend 
Fremning beide Tentakelpaare zugleich als Riechorgane hinstellten. Gegen- 
über dieser Mehrheit glaubte Carus, das Riechorgan in den Eingang der 


Athemhöhle, Semrer in das neben und unter dem Mundrand gelegene 


lappige Organ von Limax, Leipy und Desnayzs in die Fußdrüse zu ver- 
legen. 

Von allen diesen Ansichten dürften diejenigen von Guvier und 
Carus am allerwenigsten wahrscheinlich sein. Die erstere, welche die 
Haut der Pulmonaten als Träger des Tast- und Riechsinnes hinstellt, 
lässt außer Acht, dass, wenn die Riechstoffe von allen Stellen der Haut 


bang EL dr a el ln ni SE 30 Ai mo zauhenn Sun nn dan an nn nn ad nen u u nen a a er Sei en . Si -. 


2 Ne 


Das Riechorgan der Landpulmonaten. 31 


pereipirt werden, eine Orientirung durch den Sinn, wie sie Mogum 
Tanpon unzweifelhaft nachgewiesen hat, gar nicht möglich ist. Carus 
hingegen von der irrigen Ansicht ausgehend, dass analoge Organe in 
allen ihren Theilen analoge Funktionen ausüben müssten, hat den Be- 
weis nicht geliefert, dass am Eingang der Athemhöhle bestimmte Sinnes- 
zellen lagern, die den Sinneseindruck vermitteln. 

Einer genaueren Prüfung scheinen daher nur die drei Ansichten zu 
bedürfen, wonach die Tentakel, das Semper’sche Organ oder die Fußdrüse 
der Pulmonaten Riechorgane sein sollen. 


Die Fühler. 


Die Fühler der Landpulmonaten sind sehr genau von KEFERSTEIN!, 
Leypie 2, Hensen®, Hucuenın * und Freunmne> untersucht worden, und 
zwar-von den ersten vier Autoren in anatomischer, von Fremming auch in 
histologischer Hinsicht. Nach diesen Untersuchungen ist von Bedeutung, 
dass von dem großen Ganglion, welches die Fühlerhülle birgt, feine 
Fasern in das Hautepithel des Fühlers ausstrahlen und in demselben 
zu zarten, vasenförmigen Endkölbchen anschwellen, welche, wie allge- 
mein angenommen wird, der Vermittlung von Sinneswahrnehmungen 
dienen sollen. Die Epithelzellen der Haut oberhalb des Ganglion, zwi- 
schen denen jene Nervenzellen sitzen, enthalten sehr wenige Becher- 
zellen, weiche auch an Größe den Schleim- und Farbbechern der übrigen 
Haut nachstehen, so dass der Fühlerknopf die trockenste Hautstelle der 
Schnecke besitzt. 

In Betreff der Funktion der Fühler sind die Meinungen getheilt. 
Während die Einen mit Lınn# den Fühlern nur Tastempfindungen zu- 
schreiben, glauben Andere in ihnen Riechorgane vor sich zu haben. 
Unter den Letzteren ist besonders Mogoum Tanpon® und nach ihm 


1 KEFERSTEIN, Göttinger Nachrichten 4864. Juli. Nr. 14 und Klassen und Ord- 
nungen des Thierreichs. III. 

2 LeyDıG, Archiv f. mikr. Anatomie. Bd. I und Histologie 1864. p. 257. 

3 HEnsen, Diese Zeitschr. 1865. Bd. XV. p. 97. 

* HucvEnin, Diese Zeitschr. 4872. Bd. XXI. p. 126. Hucuknın macht in dieser 
Arbeit unter dem Titel »Neurologisches« seine durchweg falsche Ansicht über die 
Fühleranatomie bekannt. Das Ganglion hält er für die Retina und das Auge für eine 
zurückziehbare Linse, welche bei der Ausstülpung wie ein Brennglas über der Re- 
tina, bezw. Ganglion, schwebt. Fremming hat in demselben Heft der Zeitschrift 
p- 365 die Auffassung Hucuznin’s eingehend widerlegt. 

5 FLEMNInG, Archiv für mikrosk. Anat. 4870. p. 440 und diese Zeitschr. 4872. 
Bd. XXI. p. 365. 

6 Moguın Tanpon, Memoire sur l’organe de l’odorat chez les Gasteropodes ter- 
restres et fluviatiles. Annales des sciences naturelles. Zoologie. T. 45. 4854, 


32 D, Sochaczewer, 


VELTEN! hervorzuheben, die zuerst durch Experimente den Beweis, dass 
die Fühler der Gastropoden der Geruchempfindung dienen, geliefert zu 
haben glaubten. - 

Moguın Tanpon 2, welcher nach J. MüLzr fand, dass die Anschwel- 
lung des Fühlernerven nicht als Ganglion opticum zu betrachten, und 
dass der N. opticus nur ein Zweig des Tentakelnerven war, erzählt, 
dass er zwei Ariones empiricorum der oberen Tentakel beraubt habe, 
und dass sie nach Verlauf von zwei Monaten nicht die geringste Geruch- 
empfindung gezeigt hätten. VELTEn modificirt diese Angabe dahin, dass 
so verstümmelte Thiere noch Spuren eines Geruchsinnes zeigen, dass 
sie z. B. bei Annäherung eines Tropfens Petroleums, Terpentinöls oder 
Spiritus zurückwichen. Dagegen soll bei Exstirpation ihrer beiden 
Fühlerpaare nicht die geringste Bewegung kund thun, dass sie eine 
riechende Substanz wahrnehmen. 

Dieser Meinung, die auf so sichern Experimenten zu beruhen scheint, 
stehen indess zwei Erscheinungen entgegen. Zunächst fällt auf, dass 
gerade die am wenigsten mit Schleimdrüsen versehene Stelle, eine 
vollkommen trockene Sinneszellenschicht, dazu erkoren sein sol! den Ge- 
ruchswahrnehmungen zu dienen. Überall bei den anderen Thiertypen, 
die ein Geruchsorgan besitzen, bei den Wirbelthieren und Gliederfüß- 
lern, ist das Riechepithel stets von einem Sekret benetzt, welches be- 
sonderen Drüsen entquillt. Diese Thatsache weist darauf hin, dass jenes 
Drüsensekret in Zusammenhang zu bringen ist mit der chemischen 
Empfindlichkeit des Geruchsinnes, und dass es aus diesem Grunde zur 
sinnlichen Wahrnehmung wohl unentbehrlich ist. 

Auch die Funktionen der Fühler rechtfertigen nicht die Annahme, 
sie als Geruchsorgane zu betrachten. Höchst seltsam wäre es, wenn die 
Thiere mit jener zarten Riechschleimhaut Gegenstände betasteten, wie 


i VELTEN, Dissertatio de sensu olfactus Gasteropodum. Bonn 4865. 

2 Moouin TAnpon, Memoire (l. c.) $ IV. L’annee derniere, vers la fin de l’ete, je 
coupais par le milieu des grands tentacules de deux Arions de maniere a enlever la 
papille olfactive et le globe oculaire. Je placai les Mollusques dans un endroit hu- 
mide, sous un pot de terre. Au bout de deux mois, je visitai les pauvres betes et 
les trouvais parfaitement gueries: les deux troncons de tentacule &taient normale- 
ment cicatrices. Je presentai aux Arions diverses matieres nutritives odorantes, des 
morceaux de pomme, de carotte, de fromage, que je placai a un faible distance de 
leur tete. Les Mollusques ne firent aucun mouvement pour se porter vers les sub- 
stances. Japprochai alors une fraise de la bouche de !’un d’eux; il la toucha, la 
mordit et la mangea avec beaucoup de !’avidite. 

Il est done permis a conclure que l’odorat des Gasteropodes a tentacules ocul&s 
a son siege dans le bouton terminal de ces m&mes tentacules, que le renflement 
nerveux de ce bouton est une papille olfactive, et que le nerf tentaculaire est le nerf 
de l’olfaction. 


| 
| 


Das Riechorgan der Landpulmonaten. 33 


es in der That geschieht. Während eine Schnecke mit ausgestülpten 
Fühlern einherkriecht, sind die Fühler stets nach vorn geneigt und be- 
rühren jeden Gegenstand, der auf ihrem Wege liegt. Der Umstand je- 
doch, dass die Tentakel sich nach jeder Berührung ganz oder zur Hälfte 
einstülpen, findet desshalb statt, um die am meisten exponirte Stelle des 
Körpers, welche noch dazu so edle Organe wie das Ganglion und Auge 
trägt, so schnell als möglich in Sicherheit zu bringen. Auch das Zurück- 
ziehen der Fühler bei bestimmten Affekten des Thieres, z. B. bei unan- 
genehmen ätzenden Gerüchen ist nur eine Gebärde, die auf den eben 
angeführten Grund zurückzuführen ist. 

Hierzu kommt endlich, dass die von Mogum Tanpon und VELTEN 
angestellten Untersuchungen einer richtigen Kritik der Fehlerquellen 
entbehren. Ein Arion oder eine Helix pomatia, denen durch Beseitigung 


_ der Fühler ihr vorzüglichster Orientirungsapparat geraubt ist, werden 


stets unbeholfen und träge in ihrer Bewegung und unsicher über die sie 
veranlassenden Impulse sein. Selbst bei deutlichen Geruchsempfindungen 
werden sie in der Ausführung ihrer Absicht sich einem Gegenstand zu 
nähern oder. sich von demselben zu entfernen durch das Fehlen ihrer 
Tastwerkzeuge gestört. Das Thier ist durch den Verlust der Fühler zu 
einem geistig niederen Wesen herabgesunken; in seinem Zustande gleicht 
es — natürlich cum grano salis — einer enthirnten Taube, bei welcher 
die Reflexbewegungen, die Elemente der Seelenthätigkeit allein vor- 
herrschen. Wenn daher Moouın Tanvdon die Aufmerksamkeit des Thieres 
erst durch Annäherung der Speisen erregen konnte, so bleibt noch 
immer unbewiesen, ob das Thier nicht in der That die Speise vorher 
gerochen hatte, und nur durch das mangelnde Vermögen, sich bei seiner 
Bewegung sicher zu orientiren, daran gehindert wurde, der Nahrung 
entgegen zu gehen. Hierbei wäre es auch unerlässlich geblieben, für das 
Thier eine Auswahl der Speisen festzustellen, weil erst dann aus der 
unterlassenen Bethätigung dieses Vermögens auf eine Störung, bezw. 


_ auf den Verlust des Geruchsinnes geschlossen werden konnte. 


Einige Experimente an dem lebenden Thier, welche VELTEN gemacht 


hat, ergeben, dass die Reizung des Geruchsinnes durch einen mit rie- 


chender Flüssigkeit benetzten Stab, welcher der rechten oder linken 
Seite genähert wurde, jedes Mal die Einstülpung des Fühlerpaares auf 
der betreffenden Seite zur Folge hatte. Ausgeschlossen hätten hierbei 
allerdings die Flüssigkeiten bleiben müssen, welche wie Weingeist und 
Ammoniak durch ihre Dämpfe die sehr empfindliche Schleimhaut der 
Schnecke affıciren, und Stoffe wie Petroleum und Terpentinöl allein in 
Anwendung gebracht werden sollen. Was aber die einseitige Reaklion 
der Fühler bei entsprechender Reizung betrifft, so kann dieselbe auch 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV.Bd. 3 


234 D. Sochaczewer, 


der Ausdruck einer Gebärde sein, welche einem unangenehmen Reiz 
widerstrebt. Jeder einseitige mechanische Reiz hat denselben Erfolg, 
und bei einiger Übung kann sogar die Einstülpung der Fühler in belie- 
biger Folge bewirkt werden. Dieser Umstand aber beruht auf der Fein- 
heit des Ortsinnes, welcher an dieser Stelle besonders entwickelt und 
auch mit dem Geruchsinn verbunden ist. Hat die Schnecke daher den 
ihr unangenehmen Geruch empfunden und bemerkt, dass derselbe nur 
von einer Seite herströmt, so wird sie, eben so wie wir von einem Orte, 
welcher widerliche Gerüche erzeugt, den Kopf abwenden, je nach der 
größeren oder kleineren Entfernung und der Stärke des Geruches mehr 
oder weniger heftige Bewegungen machen, der übelriechenden Stelle 
auszuweichen. Im einfachsten Falle wird sie die Fühler auf der dem 
Geruche nächsten Seite einstülpen, und zwar aus demselben Bestreben, 
welches sie bei dem einfachen, mechanischen Reiz empfindet, ihre edel- 
sten Organe zu schützen. 

VELTEn will nach der Exstirpation beider Fühlerpaare keinerlei 
Geruchsempfindung bei der Schnecke bemerkt haben. Dieser Beob- 
achtung steht folgender Versuch entgegen. Eine ihrer Tentakeln be- 
raubte Helix pomatia setzte ich 1, nachdem die Wunden geschlossen und 
vernarbt waren, in die Mitte eines flachen Tellers, dessen Rand mit 
Terpentinöl bestrichen war, die Schnecke wurde veranlasst, aus der 
Schale herauszukriechen und sich in Bewegung zu setzen. Die Bewe- 
gung war ungemein langsam und unsicher. Das Thier legte ungefähr 
die Hälfte der Entfernung zurück, welche eine intakte Helix in derselben 
Zeit durchmessen hätte. Als sie sich dem Tellerrande näherte, hob sie 
sich steil in die Höhe und wandte sich sofort genau in der gleichen 
Weise ab, als es eine mit Fühlern versehene Schnecke that, mit der ich 
das Experiment wiederholte. Eben so geschah dies an allen Stellen des 
Tellerrandes, so dass die Schnecke zuletzt nach der Mitte des Tellers 
kroch und sich in die Schale zurückzog. Ein Kontrollversuch, den ich 
mit derselben Schnecke auf einem reinen, unbenetzten Tellerrand an- 
stellte, zeigte, dass sie sich durchaus nicht stören ließ, den schmalen 
Tellerrand zu überschreiten und auf dem Tische weiter zu kriechen. 


! In dem »Versuch einer systematischen Abhandlung über die Erdkonchylien, 
sonderlich derer, welche um Thangelstedt werden«, 4774, hat J. S. SCHRÖTER einen 
ähnlichen Versuch angestellt. Pag. 64 in der Anmerkung heißt es (l. c.): »Ich hatte 
ein Kästchen, darinnen eine gute Anzahl Kahnschnecken lagen, die ich nicht gleich 
zu meinem Gebrauch beobachten konnte, am Rande mit Terpentinöl bestrichen, 
und sah dann, dass sich keines dieser Thierchen dem Rande nähern wollte. Sie 
legten sich vielmehr, wider ihre Gewohnheit, auf einen Klumpen zusammen, ohne 
Zweifel, weil ihnen der Geruch des Öls so sehr zuwider war. Folglich musste dieses 
Öl, vermittelst des Geruchs, auf sie wirken. 


Das Riechorgan der Landpulmonaten. 39 


Diese Erscheinungen veranlassten mich zu einer Wiederholung der 
Verren’'schen Versuche. Hierbei ergab sich, dass das Thier allerdings 
nicht reagirte, sobald der mit Terpentinöl benetzte Stab oberhalb der 
Stelle, wo früher die Fühler gewesen, gehalten wurde‘, dass sie sich 
aber mit dem deutlichen Ausdruck des Abscheus sofort zurückzog, wenn 
der Stab in die Nähe des Mundes gebracht wurde. An einer intakten 
Schnecke war ungefähr dasselbe zu beobachten. Ein genau in der 
Mittellinie des Thieres gehaltener Stab wurde von hinten her den Fühlern 
genähert und allmählich bis zum Munde geführt. Anfangs erfolgte keine 
Art von Störung in der Bewegung des Thieres; so lange der Stab zwi- 
schen den großen Fühlern blieb, setzte es ruhig seinen Weg fort und 
stülpte die Fühler bei vorsichtigem Halten des Stabes gar nicht ein. 
Einmal geschah es sogar, als ich vorsichtig den Stab dem Fühlerknopfe 
von außen her näherte, dass derselbe den Stab berührte, sich mit Ter- 
pentinöl ein wenig benetzte, und erst nach dieser Berührung sich einzog. 

Aus diesen Versuchen geht mit großer Wahrscheinlichkeit hervor, 
dass die Fühler nicht der Riechfunktion dienen, sondern ein anderes in 
der Nähe des Mundes liegendes Organ wohl zu diesem Zwecke auser- 
sehen ist. 


Das Semper’sche Organ. 


In seinen »Beiträgen zur Anatomie und Physiologie der Pulmonaten« 
(Inaug.-Dissertat. 1856) macht Semrer p. 29 zuerst auf ein Organ auf- 
merksam, welches bei Limax besonders stark entwickelt ist und bei den 
anderen Pulmonaten (Helix, Arion und Limnaeus) so klein ist, dass es 
ihm erst nach vielen Versuchen gelang dasselbe nachzuweisen. Ich habe 
es bei Limax allein gesehen und zwar in Gestalt von vier bis fünf drüsi- 
gen Lappen, welche sich um den Mundrand ziehen. Die Zahl der Lappen 
ist eine sehr schwankende, eben so die Größe eines jeden. Gewöhnlich 
' liegen zwei Läppchen auf der vorderen und oberen Seite des Schlund- 
| kopfes, zwei größere seitlich und unterhalb desselben, alle sind durch 
‚ Zwischenräume von einander getrennt. Jeder Lappen ist am Rande ein- 
‚ gekerbt, und von dieser Einkerbung zieht sich zuweilen eine seichte 
| Furche über den ganzen Lappen. In mehreren meiner Präparate sind 
statt der Furchen deutliche Einschnitte zu sehen. Der Lappen ist an 
‚ der angehefteten Seite von durchgehenden nach der freien Seite sich 
 verengernden Schlitzen getrennt, die aber am Rande des Lappens auf- 

hören, so dass der Lappen ungefähr das Bild eines drei- oder vierzackigen 
Kammes gab, wo die Kante durch den freien Rand, die Zacken durch die 
‚nach vorn spitzen Läppchen dargestellt werden. Als Maximum sah ich 
‚ vier solcher Einschnitte in jedem Lappen, zwischen diesen Einschnitten 


3* 


86 D, Sochaczewer, 


spannt sich eine zarte Membran aus, welche vollständig aus denselben 
Elementen aufgebaut ist, wie die, die einzelnen Drüsenkörbchen um- 
gebende Membran, von welcher später die Rede sein wird. 

Nach Senper soll dieses Organ sehr reich an Nerven sein und dess- 
halb die Deutung eines Sinnesorgans zulassen. Ich suchte jedoch ver- 
geblich nach den drei bis vier Nervenstämmen, welche für sich allein 
das Organ innerviren sollen. Man sieht, wenn das Semper’sche Organ 
eines Limax cinereoniger oder L. variegatus von oben bloßgelegt ist, 
vier feine Fasern scheinbar nach ihm hinaufziehen. Von diesen sind die 
zwei nach der Mitte gelegenen Stämme Muskelfasern, die von dem hin- 
teren Viertel des Schlundkopfes nach den Lippenwarzen hinauf ziehen, 
während die seitlichen Nervenstämme als eigentliche Nervi labiales be- 
trachtet werden müssen, von denen zu beiden Seiten nur ein feines 
Nervenfädchen in die Semper’schen Drüsenmassen abgeht. Einen beson- 
deren Zweig, welcher nach der Gegend der kleinen Tentakel hinziehen 
soll, habe ich nicht bemerkt. Da die verschiedenen Nerven, welche von 
den supraösophagealen Ganglien ausgehen, in ihren centralen, dem 
Ganglion anhaftenden Partien sehr dicht neben einander liegen und in 
ihrem Verlauf ein unklares Gewirr von gekreuzten und über einander 
liegenden Nerven darstellen, so ist ein Irrthum leicht möglich. Ich habe 
jedoch den Lippennerven bis zum Ganglion gerade verlaufen sehen, ohne 
dass eine Abzweigung nach den kleinen Tentakeln zu erkennen war 
(Fig. 1). Die Hülle dieser Tentakel ist außerdem durch muskulöses 
Bindegewebe mit dem unteren Rande der seitlichen Lappen verbunden. 

Was nun die Zellen dieses einzelnen Lappens betrifft, so erinnern 
dieselben, wie Srmper ! selbst ausführt, an die Speicheldrüsenzellen und 
noch mehr an die secernirenden Zellen der Fußdrüse. Die einzelne Zelle 
hat entweder eine rundliche oder länglich ovale Gestalt, ihr Inhalt be- 
steht aus einer feinkörnigen Substanz, in der ein großer Kern lagert. 
Die Größe der Zelle und des Kerns ist wechselnd. Der Kern enthält 
größere Körner und zuweilen ein stark lichtbrechendes Kernkörperchen. 
Die von ihren Meınbranen allseitig umschlossenen Zellen ruhen in einem 
Bindegewebsfasernetze, welches aus blassen Fasern mit eingestreuten 
rundlichen Kernen zusammengesetzt ist. Ein solches Drüsenzellenkörb- 
chen, welches eine geschlossene Masse bildet, wird dann noch von einer 
aus eng an einander liegenden Fasern bestehenden Membran umhüillt. 
Die von einer solchen Membran umschlossenen Drüsenmassen haben 


1 ].c. p. 30. »Was nun die histologische Struktur dieses Organes betrifft, so 
habe ich bis jetzt nur so viel ermittelt, dass es zum größten Theile aus Zellen be- 
steht, welche in ihrem Aussehen einigermaßen an die der Speicheldrüsen er- 
‚innern.« 


Das Riechorgan der Landpulmonaten. 37 


eine ovale Gestalt, welche sich nach den Lippenwarzen zu verjüngt. 
Die einzelnen Follikel liegen dicht neben einander; eine Verbindung 
derseiben, welche auf eine acinöse Drüsenform schließen ließe, habe 
ich nicht erkannt. Es ist nun sehr wahrscheinlich, dass die Membran, 
welche die Drüsenzellen sackförmig umschließt, sich in ihrem vorderen, 
dem Mundrand zugewandten Theile, zu einem Ausführungsgange um- 
gestaltet, dessen Mündung allerdings sehr eng sein muss, da ich niemals 
größere Öffnungen auf den Lippenwarzen wahrgenommen habe. 

Diese histologische Struktur gestattet wohl nicht, das Organ als ein 
Sinnesorgan zu betrachten. Nach Semrer’s und nach den eben beschrie- 
benen Untersuchungen sind die einzelnen Lappen drüsiger Natur; 
Sinneszellen bei den Mollusken sind dagegen nach den Fremning’schen 
Arbeiten über diesen Gegenstand zarte, haarförmige Gebilde, die an 
"ihrem Grunde einer runden mit großen Kernen versehenen Zelle ent- 
sprossen, und nach der Peripherie zu einem kleinen zuweilen mit feinen 
Härchen besetzten Kölbchen anschwellen. Da sich nun in der Haut über 
diesem Organ, in der Lippengegend eine große Menge derartiger Sinnes- 
zellen finden, könnte der Gedanke nahe liegen, dass das Semper’sche 
Organ eine Riechschleimdrüse sei und das Lippenepithel die Riech- 
zellenschicht darstelle. Gegen diese Annahme spricht indess zunächst 
der Kontakt der Lippen mit der Nahrung, ferner die Existenz selbstän- 
diger Lippendrüsen und endlich die Rudimente oder sogar der Mangel 
des betreffenden Organes bei den anderen Heliciden. Da außerdem der 
Nervenreichthum des Organes nicht sehr groß ist, dürfen wir wohl die 
Vermuthung, dass dieses Organ der Sitz der Geruchsempfindung sei, 
als nicht hinreichend begründet betrachten. 


Die Fußdrüse. 


Die Fußdrüse, welche sich tief in die Mitte des Fußes hineinzieht, 
ist in anatomischer Hinsicht von DeLLEe OnrasE!, Kıeepere?, Leipy, 
Semrer und SıesoLn 5 genauer beschrieben worden. Leıpy und Desnavss 
‚bielten dieselbe für das Geruchsorgan der Pulmonaten, SEMPER und 
SırsoLn sahen dagegen in der Fußdrüse nur einen schleimabsondernden 
Apparat. Da aber Letztere Zweck oder Bestimmung dieses Apparates 


! PaAscH, in WIEGMANN’S Archiv 4843, p. 574. DELLE CHIAJE, Descrizione e no- 
tomia degli animali invertebrati. Napoli 4844. Il. p. 40. 

2 KLEEBERG, in Isis 1830. 

3 Leipy, Proceedings of the academy of Philadelphia. 1846. III und in Edinb. 
Journal of natural and geographical science. 

4 SEMPER, Zur Anatomie und Physiologie der Landpulmonaten. Diese Zeitschr. 
4856. p. 14. 
5 SıEBOLD, Lehrbuch der vergl. Anatomie. 1848. p. 343. 


33 D. Sochaezewer, 


nicht feststellten, so genügt es hier, allein auf die Ansicht der beiden 
erstgenannten Forscher einzugehen. 

Leipy beschreibt (l. c.) das Organ sehr kurz mit folgenden Worten: 
it is composed of two laminae : a delicate lining mucous membrane and 
an external layer, having a whitish and reddish glandular appearence. 
A large nerve, on each side, from the suboesophageal ganglion, is distri- 
buted to its commencement, besides which it receives numerous smaller 
branches along its course from the same ganglia. Its arterial supply is 
derived from the cephalic branch of the aorta. Da der Reichthum der 
Nerven sehr groß ist und die Größe des Organes dem scharfen Ge- 
ruchsvermögen der Landpulmonaten entspricht, kam er auf die Ver- 
muthung, ein Geruchsorgan vor sich zu haben. 

Die Fußdrüse liegt in der oberen ausgebuchteten Fläche des Fußes, 
und zwar in ihrem vorderen Theile befindet sich dieselbe unmittelbar 
unter dem Schlundkopfe und Ösophagus, im hinteren Theile ist sie von 
der Haut des Fußes bedeckt. Sie zieht sich von ihrer Mündung an, 
welche unter der Mundöffnung liegend, von zwei seitlichen Papillen ge- 
schützt wird, bei Limax variegatus ungefähr zwei Drittel, bei Arion 
empiricorum und Helix pomatia vier Fünftel der Sohlenlänge in den 
Fuß hinein. Die Drüse selbst besteht aus ovalen Zellen, die in den 
Maschen zweier sich kreuzenden Muskellagen! ruhen, welche an den 


1 Die Fußmuskulatur trägt vollkommen den Charakter eines Schwellgewebes. 
Sie ist in zwei größeren Arbeiten von Sımrora (über die willkürliche Muskulatur der 
Pulmonaten. Diese Zeitschr. 4878 und die Lokomotion der Landschnecken haupt- 
sächlich erläutert an der Sohle von L. cinereoniger. Diese Zeitschr. 1879) be- 
schrieben und ihre physiologische Bedeutung näher untersucht worden. Hiernach 
dienen die schrägen Muskelzüge, welche von den beiden Ecken des oberen Fuß- 
randes fächerartig durch den ganzen Fuß ausstrahlen, zur Verkürzung der Sohle 
und des Fußes; in gleicher Weise sollen die größeren Längsfaserbündel funktioni- 
ren, welche nicht direkt über dem mittleren Sohlendrittel, der eigentlichen loko- 
motorischen Fläche liegen. Dagegen soll die Lokomotion allein durch besondere 
extensile Längsfasern bewirkt werden, die in großen Bögen, welche von vorn nach 
hinten längs der lokomotorischen Sohlen ziehen und zwischen den Epithelzellen 
endigen, dicht über dem Sohlenepithel lagern. In diesen Fasern soll die Expansion 
durch Gerinnung des Myosins entstehen, welche allmählich durch die von vorn 
nach hinten sich auslösende Nervenreize nach vorn strebende Scheiben aus ge- 
ronnenem Myosin erzeugt. Wenn nämlich in Folge eines Impulses an einer Stelle 
der extensilen Faser eine Gerinnung des Myosins eintritt, so sucht es sich nach 
vorn und hinten auszudehnen; doch kann die Expansion nur nach vorn geschehen, 
weil am hinteren Rande der geronnenen Myosinscheibe fortdauernd eine Lösung 
entweder durch den noch unveränderten Muskelinhalt oder durch die Gewalt der 
von der folgenden Welle nach vorn getriebenen Serumflüssigkeit stattfindet und 
nur am vorderen Rande neue Massen von Myosin in die Koagulation hineingezogen 
werden. Der mittlere Theil der Myosinscheibe bleibt für eine kurze Zeitdauer un- 
verändert und unbeweglich, so dass er momentan eine feste Scheidewand darstellt, 


Das Riechorgan der Landpulmonaten. 39 


Ecken der Sohle schwach konkavy gebogen nach aufwärts steigen. Die 
Kreuzungsstelle dieser schrägen Muskellagen befindet sich genau in der 
Ebene, welche senkrecht zur Sohlenfläche durch die Mittellinie des Fußes 
gelegt wird, und welche desshalb auch die Richtung der mechanischen 
Wirkung der schrägen Muskelzüge darstellt. 

Gefäße umgeben rings die Drüse, und zwar sind bei den Limax- 
arten drei vorhanden, von denen zwei seitlich sich befinden, das dritte 
unter der Fußdrüse parallel der Soblenfläche liegt. Bei Arion und den 
Helixarten sind nur die beiden seitlichen Gefäßstämme zu erkennen, 
während der blutführende Spalt unterhalb der Drüse fehlt. 

Die Drüsenzellen, welche, zu größeren Gruppen vereinigt, zwischen 
den Muskelzügen liegen, sind in ein Netz oder Körbchen von Bindege- 
websfasern eingelagert (s. Fig. k A) und nicht, wie SEmPrEr (l. c.) an- 
nimmt, »je eine Zelle von einer bindegewebigen Membran umschlossen, 
welche am Ende der Zelle zu einer verhältnismäßig sehr schmalen Röhre 
wird, die den Ausführungsgang dieser einzelnen Sekretionszelle dar- 
stellt. Ein solches Bindegewebsnetz ist sehr schön an solchen Schnitten 
zu erkennen, wo die einzelnen Zellen zerstört und herausgefallen sind. 
Es besteht aus blassen Fasern, welche oft einen Kern von rundlicher 
Gestalt erkennen lassen, der 0,006 mm lang und 0,004 mm breit er- 
scheint. Bei unmittelbar in Alkohol gehärteten Präparaten sieht man die 
zusammengeschrumpften Zellen allseitig von einem solchen Bindege- 
websring umgeben, der mit den anderen verbunden ist. Dagegen zeigte 


von welcher hinten die gleiche Menge durch Lösung hinweggespült wird, als vorn 
durch neue Koagulation gewonnen wird. Diese Scheidewände nun werden hier- 
durch langsam nach vorn getrieben und veranlassen durch die Summirung der 
Expansionen, welche vermittelst der am vorderen Rande der Scheibe statthabenden 
Koagulation entstehen, eine Ausdehnung der Faser nach vorn und, da alle Fasern 
gleichzeitig von dem Impulse getroffen werden, eine Ausdebnung der lokomotori- 
schen Sohle. Gegen diese Anschauung lässt sich aber wohl einwenden, dass nicht 
abzusehen ist, wesshalb die Expansion des am vorderen Rande gerinnenden Myo- 
sins nicht eben sowohl auf die seitlichen Wände der Faser als nach vorn wirken 
_ soll, so dass der Zwischenraum zweier auf diese Weise nach vorn bewegten Scheiben 
hierdurch eine mehr kugelige Gestalt annimmt, d. h. sich kontrahirt. Es ist mir 
desshalb nicht klar, wie auf diese Weise eine Dehnung der Fasern stattfinden kann, 
da die Auftreibung der seitlichen Faserwände ja den Druck nach vorn sehr stark 
abschwächt und vermindert. Im Gegensatz zu Sımrorn möchte ich annehmen, dass 
das durchweg kavernöse Gewebe des Fußes nicht bloß zur Unterstützung der soge- 
nannten extensilen Fasern dient, sondern dass es hauptsächlich die Lokomotion be- 
wirkt. Die Fasern selbst werden durch die einströmende Flüssigkeit gedehnt und 
wirken erst nach reflektorischem Anreiz treibend auf die die Maschen anschwellende 
Blutmenge. Die Wellen, welche über die Sohlenfläche gleiten, können dann wohl 
der Ausdruck der durch periodisch ausgelöste Muskelthätigkeit erzeugten Strömung 
sein. Näher hierauf einzugehen würde jedoch zu weit führen. 


40 ID, Sochaczewer, 


sich nie ein Ausführungsgang, der von solchen Fasern gebildet war. 
Eben so wenig waren Lumina, die an jene größeren, mit Flimmerepi- 
thel besetzten Ausführungsgänge, welche Srmper erwähnt, erinnern 
könnten, in meinen Querschnitten zu finden. Die Form einer Zelle ist 
sehr wechselnd, sie schwankt zwischen einer kugelrunden und ovalen 
Gestalt, sie ist circa 0,07 mm lang und 0,017 mm breit von einer zarten 
Membran umgeben und trägt entweder in der Mitte oder excentrisch einen 
0,008 mm langen und runden Kern der etwas breiter als hoch ist. Der 
Inhalt der Zelle ist körnig, der Kern zeigt ein deutliches Gerüst, zu- 
weilen auch ein excentrisch liegendes Kernkörperchen von 0,0043 mm 
Durchmesser. Bezüglich der Absonderung des Sekrets in den großen Aus- 
führungsgang liegt die Vermuthung sehr nahe, dass das aus den Zellen 
diffundirende Sekret in die Maschenräume der Muskulatur hineinquillt 
und von dem Druck der Muskeln gezwungen nach dem großen Drüsen- 
gange durchsickert. Wenn nun auch der gemeinsame Ausführungsgang 
von den gleich zu beschreibenden Epithelzellen an vielen Stellen so dicht 
ausgekleidet ist, dass nur an unbekleideten oder von einem leicht zurück- 
weichenden Epithel begrenzten Stellen das Sekret hindurchdringen kann, 
so sind doch in meinen Präparaten auch solche Stellen vorhanden. 

Der Ausführungsgang (s. Fig. 3) hat in den Querschnitten eine sehr 
wechselnde Form, die aber nach einem Grundtypus gebaut zu sein 
scheint. Nach oben ist er bei Limax durch eine dünne Quermuskel- 
schicht von der Leibeshöhle abgeschlossen, die sich bogenförmig über einen 
an den Seiten horizontalen, in der Mitte sich senkrecht in die Drüse hinein- 
ziehenden Raum spannt. Der Spalt, dessen Achse die senkrechte Medial- 
achse des Thieres ist, flacht sich nun nach einigen meiner Schnitte mehr 
und mehr ab, ja verschwindet ganz in einigen meiner Präparate, welche 
Querschnitte durch den Fuß und die Drüse von Helix betreffen — leider 
ist in diesen Präparaten das Epithel ganz unkenntlich —, so dass nur 
der horizontale Spalt übrig bleibt. Dieser Umstand lässt darauf schließen, 
dass der Boden des Drüsenganges eine wellenförmig unregelmäßige Ge- 
stalt hat, die Seiten dagegen horizontal spaltförmig sind. 

Das Epithel (s. Fig. 5), welches die Wände des Zwischenganges 
auskleidet, besteht aus zweierlei Zellenformen, von denen die in den 
senkrechten Spalten befindiichen durchweg von den übrigen Zellen 
verschieden sind. Die Gestalt der gewöhnlichen Zellen ist eine platt 
cylindrische, welche in der Nähe des Spaltes Flimmern trägt. Die Mög- 
lichkeit, dass die im Präparat flimmerlosen Cylinderzellen die Flimmern 
durch die Präparationsmethode ! verloren hatten, ist nicht durchweg 


! Ich härtete Stücke des Fußes, welche die Fußdrüse enthielten, in 1/0/, Über- 
osmiumsäure, legte sie dann, nachdem ich die Säure abgespült hatte in 40%/, Chrom- 


Das Riechorgan der Landpulmonaten. 41 


ausgeschlossen, indess ist dies nicht wahrscheinlich, da an den anderen 
flimmertragenden Orten die Härchen sehr wohl erhalten waren. Wenn 
auch die am Rande der Vertiefung des Ausführungsganges gelegenen 
Zellen beinahe dieselbe Form wie die flimmerlosen Cylinderzellen haben, 
so liegt doch andererseits die Grenze, welche leiztere von den Flimmer- 
zellen scheidet, fast immer an demselben Ort, so dass aus diesem Grunde 
wohl eine Übereinstimmung der natürlichen mit den präparirten Ver- 
hältnissen vorliegt. Die Vertiefung des Ganges ist nun von eng an ein- 
ander liegenden Flimmerzellen (s. Fig. 2) begrenzt, die aber ungefähr 
in der Mitte des flimmernden Abhanges von ihrem gewöhnlichen platt- 
cylindrischen Charakter abweichen. Man sieht nämlich in tieferer Lage 
_ ovale Zellen (s. Fig. 5), deren Inhalt durch den großen Kern auf einen 
schmalen Raum zusammengedrängt ist, nach der Oberfläche ein zartes 
'Stäbehen senden, welches zu einem, die Flimmern tragenden, kurzen 
Knöpfchen anschwillt. Diese dem einfachen Pistille einer Pflanze ähn- 
lichen Gebilde sind die vorzüglichsten Bestandtheile der flimmernden 
Rinne und erinnern genau an die Neurozellen, welche FLemning in seinen 
Arbeiten über die Sinneszellen der Mollusken gefunden hat. 

Wir hätten also hier in einem, im Innern des Thieres verborgenen, 
drüsigen Organe, welches mit der Außenwelt kommunicirt, Zellen, 
welche vollkommen in ihrer Form mit den haartragenden Sinneszellen 
in der Haut der Mollusken übereinstimmen und denen wir desshalb 
sensible Funktionen zuschreiben müssen. In macerirten Präparaten, 
welche circa drei bis vier Tage in 1/;, bis !/,, %/, Überosmiumsäure oder 
circa fünf bis sieben Tage in 1/,,/, Chromsäure lagen, sah ich viele 
dieser Zellen isolirt. Gewöhnlich hatte sich das Fädchen mit dem knopf- 
artigen, flimmertragenden Ende von der großen ovalen Zelle abgelöst, 
auch sah man oft die flimmertragenden Köpfchen allein. Selten gelang 
es mir, eine vollständige Zelle zu erhalten und dann nur immer mit 
anderen zusammen. Die Messungen ergaben für die Länge einer ziemlich 
großen Zelle 0,024 mm, für die untere Anschwellung 0,0066 mm, für 
das obere Stück 0,018 mm. Das Köpfchen betrug circa 0,003 bis 
0,004 mm in seiner Breite. Die Maße variiren jedoch sehr, da die mehr 
nach der Mitte des flimmernden Abhanges gelegenen Zellen kleiner 


säure oder in 4—60/, Kali bichromicum. Nach vier bis fünf Tagen zog ich die Säure 
oder das Salz durch Spülen mit einer Mischung von Glycerinwasser und Alkohol 
aus und brachte die ziemlich gehärteten Theile in Alkohol absolutus. Auf diese 
Weise erhielt ich knorpelharte Präparate, die mit dem Rıver-Frıtsca’schen Mikro- 
tom geschnitten mir 1/4, bis 1/gp mm dünne Schnitte gaben, auf welchen ich Ele- 
mente wie Schichten in ausgezeichneter Weise erkennen konnte. Die Schnitte färbte 
ich gewöhnlich mit Pikrokarmin und Hämatoxylin, eine Doppelfärbung, welche mir 
von der Haut der Mollusken brillante Präparate lieferte. 


42 D. Sochaczewer, 


sind, als die in der Tiefe gelegenen. Was die Flimmerhärchen anbe- 
trifft, so sind sie auf dem Köpfchen der Fadenzellen länger, als auf den 
platten, cylindrischen Zellen des Randes, treten hier -aber in größerer 
Anzahl auf, als dort. Drei bis vier ist die Durchschnittszahl, während 
am Rande und bis zur Mitte des Spaltes acht bis neun Flimmerhärchen 
auf einer Zelle stehen. Die Härchen durchdringen eine zarte, sehr dünne 
Cuticula, die auf dem Köpfchen der Fadenzelle wie der hintere Rand 
einer Scheibe erscheint, der weitere Verlauf ist nicht mehr zu erkennen. 

Unterhalb der Flimmerzellen befinden sich kleine unregelmäßig 
gestaltete Zellen mit kleinen rundlichen Kernen, welche dicht an einan- 
der gereiht liegen. Ob dies vielleicht Bildungszellen sind, aus denen 
neue Epithelzellen entstehen, oder ob sie ein Stützgewebe für das 
Flimmerepithel darstellen, möge unentschieden bleiben. Mehr in der 
Tiefe, unterhalb der Fadenzellen , ziehen feine Fäden nach der Ober- 
fläche, welche wahrscheinlich nervöser Natur sind. 

Der obere Raum des Drüsenganges ist in den meisten meiner Quer- 
schnitte ganz frei von flimmerlosen Cylinderzellen, so dass die Drüsen- 
zellen frei in den horizontalen Spalt hineinragen. Ob dieser Umstand 
auf das natürliche Verhalten hinweist, oder nur ein künstliches Erzeug- 
nis darstellt, muss ich einer späteren Entscheidung überlassen. Im 
ersteren Falle würde das Sekret in den Drüsengang frei und ungehindert 
hineinströmen, im anderen Falle muss eine Ablösung der Cylinderzellen 
stattfinden, welche durch den Druck der Flüssigkeit bewirkt wird. An 
den Stellen nun, wo das Cylinderepithel noch ganz erhalten ist, konnte 
ich konstatiren, dass dasselbe sich sehr leicht von der unmittelbar unter 
ihm befindlichen Drüsenschicht ablöste, so dass oft ein Zwischenraum 
zwischen dem Epithel und der Drüsenschicht war. 

Bei den Limaxarten ziehen die Drüsenzellen sich nicht ganz um 
den Ausführungsgang herum, sondern lagern seitlich und unterhalb des- 
selben. Anders ist es bei Arion und Helix, wo über dem großen Drüsen- 
gange eine Drüsenzellenschicht liegt, welche circa !/, bis 1/; der unter- 
halb desselben gelagerten Massen ausmacht. Wo die Drüsenzellen dicht _ 
unter dem Epithel des Ausführungsganges sich befinden, bestehen die 
Zellen, welche das Epithel zusammensetzen, aus jenen plattcylindri- 
schen Zellen, die ich oben beschrieben habe. Das Sekret, welches aus 
einem zähen, fadenziehenden Schleim besteht, der unter dem Mikroskop 
zahlreiche Körnchen und die großen Kerne der Drüsenzellen zeigt, 
träufelt also von einer bestimmten Höhe in den senkrechten Spalt hinein 
und wird dann von den Flimmerzellen desselben nach vorn getrieben. 

Was nun die Funktion der Fußdrüse ! anbetrifit, so berechtigen 


1 Um auf die Annahme von SıEBOLD und SEMPER noch einmal zurückzukommen, 
welche die Fußdrüse für einen einfachen, schleimabsondernden Apparat erklären, 


Das Riechorgan der Landpulmonaten. 43 


die in dem Epithel des Ausführungsganges gefundenen, genau mit den 
Fremnine’schen haartragenden Sinneszellen übereinstimmenden Formen 
wohl zu der Annahme, dass Lzıpy mit Recht in der Fußdrüse das Ge- 
ruchsorgan der Schnecken sah. Die drei nothwendigen Faktoren eines 
Geruchsorganes, nämlich das Vorhandensein einer Sinneszellenschicht, 
das Überströmtwerden mit Luft und die Benetzung durch ein aus einer 
zugehörigen Drüse quellendem Sekret, sind in der Fußdrüse enthalten. 
Die Öffnung am vorderen Rande gestattet der Luft freien Zutritt und die 
in ihr suspendirten Riechstoffe mischen sich mit dem vom Wimperstrome 
nach vorn getriebenen Sekret, so dass sie mit den peripherischen Ner- 
venzellen in Berührung kommen. Diese leiten den Impuls weiter, bis er 
sich in die bewusste Empfindung umsetzt. 

Diesen Beobachtungen gegenüber scheint auch der Einwand SEnpEr’s 
nicht durchschlagend zu sein, dass der nach vorn gerichtete Schlag der 
Flimmern gegen die Annahme eines Geruchsorganes spreche. Es ist 
nicht nothwendig, dass alle Erscheinungen, die wir der vergleichenden 
Anatomie der höheren Thiere entnehmen, auf das ganze Gebiet des 
Thierreichs zutrefien. Wenn auch der Trieb der Flimmern in der Nasen- 
höhle der höheren Wirbelthiere nach innen der Mundhöhle zu gerichtet 
ist, — eine Form der Bewegung, welche meiner Ansicht nach nichts 
mit der Sinnesfunktion zu schaffen hat, sondern dazu dient, das Sekret, 
welches sich in engen labyrinthischen Gängen der Ethmoidalregion zu 
sehr anhäufen würde, nach der Mundhöhle zu spülen —, so ist kein 
Grund anzunehmen, dass dieselbe Flimmerrichtung in dem betreffen- 
den Organ niederer Thiere beibehalten wird. Gerade bei den wirbel- 
losen Thieren sehen wir oft die anatomischen und histologischen Befunde 
über die Sinnesorgane der höheren Thiere nicht in gleicher Weise auf- 
treten. So liegen nicht immer die Augen am Kopfe, wie das Beispiel von 
Euphausia, Pecten und gewissen Anneliden lehrt; die Stäbchenschicht 
im Auge der Wirbellosen ist gerade entgegengesetzt gelagert, als es bei 
Wirbelthieren der Fall ist, bei Mysis findet sich das Gehörbläschen im 
 Schwanzanhang, auch die Elemente der anderen Sinne lagern, wie in 
der Einleitung gezeigt ist, nicht immer an homologen Stellen, obwohl 
die Funktion dieselbe ist. Ein Einwand in dieser Hinsicht kann daher 
so ist nicht recht einzusehen, wozu ein solches Organ noch nöthig ist, da ja überall 
hinreichend bei den Schnecken für Schleimabsonderung gesorgt ist. In dem Sekret, 
welches klar und durchsichtig ist und welches sich nie zu trüben, kalkigen Massen 
anhäuft, habe ich nicht jene bakterienartigen Schleimkörperchen bemerkt, auf die 
SEMPER in dem Sekret der gewöhnlichen Hautschleimdrüsen aufmerksam macht. 
Außerdem ist die dünne Sekretschicht, welche nicht nur gewöhnlich, sondern auch 


bei starken Reizen den Drüsengang nur netzt, wohl mehr von nebensächlicher Be- 
deutung, als dass sie die Gesammithätigkeit des Organes ausmachen dürfte. 


44 D. Sochaczewer, 


nicht verhindern, ein Organ der Landschnecken, welches nicht von dem 
supraösophagealen Ganglion seine Nerven erhält, und nicht im Kopftheil 
des Thieres sich befindet, welches aber alle Bedingungen eines geruch- 
empfindenden Organes erfüllt, für ein Geruchsorgan zu halten. 

Eher könnte als ein Mangel in der Beweisführung angesehen wer- 
den, dass vorläufig physiologische Experimente an dem tief in das Innere 
des Thieres sich hineinerstreckenden Organe nicht versucht werden 
können. Moguın Tanvon! (l. c.) erwähnt, dass eine Ätzung des vorde- 
ren Fußtheiles von Helix aspersa und H. Pisana keine Veränderung in 
der Perceptionsfähigkeit für Gerüche ergeben hätte. Doch genügt diese 
kurze Angabe nicht einer eingehenden kritischen Betrachtung, da weder 
der Stoff, mit dem geätzt wurde, noch genau die Stelle, noch auch das 
Verhalten der Thiere in eingehender Weise beschrieben wird. 

Einige Nachträge zur Anatomie der Fußdrüse, den Verbreitungsbe- 
zirk der Sinneszellen und die anderen Epithelien des Ausführungsganges 
betreffend, hoffe ich in der nächsten Zeit geben zu können. 


Als Ergebnis der angestellten Untersuchungen lässt sich kurz zu- 
sammenfassen, dass von den drei Annahmen, wonach die Tentakel das 
Semper’sche Organ und die Fußdrüse der Riechfunktion dienen sollten, 
die letztere am meisten Wahrscheinlichkeit hat. Während gegen die 
Tentakel die physiologischen Bedingungen und die im Abschnitt I ange- 
geführten Experimente sprechen, während das Semper’sche Organ drüsi- 
ger Natur ist und wohl als eine besondere Lippendrüse aufzufassen ist, 
sind auf dem Boden des Ausführungsganges der Fußdrüse deutliche 
Sinneszellen zu erkennen, die vollkommen in ihrer Form den FLemminG- 
schen haartragenden Sinneszellen in der Haut der Mollusken gleichen. 
Die Funktion dieser Sinneszellen bleibt allerdings bei der durch die 
Lage des Organes gegebenen Schwierigkeit, Versuche anzustellen, 
zweifelhaft. Aber wir dürfen immerhin sagen, es sei in hohem 
Grade wahrscheinlich, dass die Fußdrüse das Riechorgan der Land- 
schnecken ist. 

Diese Arbeit habe ich in der mikroskopischen Abtheilung des physio- 
logischen Instituts gemacht, dessen Mittel mir Professor Frıtsca in höchst 
liberaler Weise gewährte. Ich nehme daher an dieser Stelle Gelegen- 
heit, ihm hierfür meinen herzlichsten Dank auszusprechen. 


Berlin, im Januar 1880. 
1 Jai cauterise profondement, sur plusieurs Helix apersa et Pisana, la partie 


interieure du pied; j’ai constate, que mes Mollusques, apres l’operation, se dirigaient 
vers les matieres odorantes, comme ils le faisaient auparavantes. 


Das Riechorgan der Landpulmonaten. 45 


Nachtrag. 

Obwohl ich an einer genauen Darstellung meiner nachträglich an- 
gestellten Untersuchungen zeitlich verhindert bin, so will ich dennoch 
eine kurze Mittheilung hierüber nicht zurückhalten. 

Ich habe Längsschnitte von der Fußdrüse angefertigt, indem das 
Organ nach der bekannten Semper’schen Methode (schwache Ghromsäure 
und einige Tropfen Essigsäure) konservirt und, mit dem GRENAcHER’schen 
Alkoholkarmin in toto gefärbt, in Paraffin eingebettet wurde. In den- 
selben war das Flimmerepithel wohl erhalten, und es war deutlich zu 
erkennen, dass ungefäihr 3—4 mm von der Mündung der Fußdrüse 
die Flimmerzellenschicht sich allmählich senkte und eine Strecke von 
circa 2 mm eine durchweg andere Zellenform annahm. Die Flimmer- 
zellen dieser Strecke sind in einigen meiner Präparate sehr deutlich 
und stimmen vollkommen überein mit den in Fig. 5 (s) und Fig. 7 ge- 
zeichneten Zellen; in anderen Präparaten ist nur die völlige Verschieden- 
heit der Formen von den gewöhnlichen Flimmerzellen festzustellen. All- 
mählich geht dann diese Zellenform, indem sich die Schicht hebt, in die 
gewöhnlichen Flimmerzellen über, so dass in 3—4 mm Entfernung von 
der Mündung des Ausführungsganges eine Vertiefung vorhanden ist, in 
welcher die Flimmerzellen von Fig. 5 (s) sich befinden. Sind nun diese 
Zellen für Sinneszellen anzusehen, wie aus den schönen Freuning’schen 
Untersuchungen hervorgeht, so wäre in der Nähe der Fußdrüsenmün- 
dung eine Stelle für gewisse Sinnesempfindungen bestimmt, deren Lage 
es vielleicht ermöglicht, Versuche anzustellen und so der Leipv'schen 
Ansicht, in der Fußdrüse das Riechorgan der Landschnecken zu sehen, 
eine sichere Basis zu geben. 

Was die Drüsenzellen anbetrifft, so konnten vermöge der vortreff- 
lichen Methode einige neue Beobachtungen über ihre Strukturverhältnisse 
gemacht werden. Einen Ausführungsgang je einer Drüsenzelle habe ich 
nicht erkannt und ich muss daher an meiner ersten Annahme festhalten. 
Hierzu kommt noch, dass in den ersten und letzten Längsschnitten die 
Drüsenzellen nicht von einem Epithel bedeckt sind, und allein über den 
mittleren Theil sich die Flimmerlage erstreckt, die außerdem in den 
hinteren Partien der Drüse aufzuhören scheint. 

Die Drüsenzelle selbst zeigt ein deutliches Gerüst, wie ich es noch 
nie zu sehen Gelegenheit hatte. Mit Hämatoxylin gefärbt wurden Balken 
sichtbar, die sich zu einem Netz zusammenspannen und den Kern all- 
seitig umgeben. Diese Netzfäden bilden ein vollkommenes Maschenwerk, 
in welchem große und kleine Körner sich befinden, doch konnte ich 
nicht erkennen, ob das Netz ein kontinuirliches ist, oder ob die Fäden 


46 D. Sochaczewer, Das Riechorgan der Landpulmonaten. 


einzeln oder in doppelter und dreifacher Verbindung in der Drüsen- 
flüssigkeit liegen. Das Bild als ein Artefakt anzusehen, liegt kein Grund 
vor, und die Annahme, dass die Fäden der optische Ausdruck von Mem- 
branzerknitterungen seien, wird dadurch widerlegt, dass die Falten der 
sehr dünnen Membran neben diesen Fäden deutlich als solche erkannt 
werden. Außerdem sieht man diese Fäden bei hoher wie tiefer Ein- 
stellung die ganze Zellenmasse erfüllen. Interessant muss es sein, diese 
Netze in der lebenden Zelle zu beobachten. 


Berlin, im August 1880. 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel III. 


Fig. 4. Schlundkopf mit dem Semper’schen Organ. Seitenansicht. Limax cinereo- 
niger. Circa 2fach vergrößert. ! 

ph, Schlundkopf, 

oe, Ösophagus, 

m, Oberkiefer, 

l, Lippengegend, 

s, SEMPER SChes Organ, 

nl, nervus labialis, 

nph, der Nerv, der in die unteren seitlichen Muskeln des Schlundkopfes 
eindringt, 

ga, Supraösophagealganglien, 

ts, obere große Tentakel mit 

oc, Auge, 

ti, unterer Tentakel, 

pe, Penis. 

Fig. 2. Querschnitt durch die Fußdrüse von Limax cinereoniger. Ungefähr der 
vierte Theil einer circa 200 fach vergrößerten, vermittelst des OBERHÄUSER'schen 
Zeichenapparates angefertigten Zeichnung. 

gl, Drüsenlager, 

vl, seitliche Gefäße, 

vi, unterer Gefäßstamm, 

mir, Schrägmuskelbündel, 

ml, Längsmuskelbündel, 

c, Bindegewebe, 
v, Flimmerzellen 
s, Sinneszellen 
d, Zellen der Unterlage. 

Fig. 3. Schematischer Querschnitt der Fußdrüse, um die Form des Ausfüh- 
rungsganges darzustellen. 

A, von Arionempiricorum, B, vonHelix nemoralis, C, von Helix nemoralis, 

Fig. 4. Isolirte Drüsenzellen und solche, welche sich im Bindegewebsgerüst 
befinden. Einzelne Zellen sind herausgefallen. A, B, C. 610/1, 

Fig. 5. Ein Querschnitt von dem halben, senkrechten Spalt des Ausführungs- 
ganges. 640/14 vergr. 

v, gewöhnliche Flimmerzellen, s, Sinneszellen, o, Zellen der Unterlage. 

Fig. 6. Gewöhnliche Flimmerzellen in 1/19%/u Chromsäure macerirt. 610/14 vergr. 

Fig. 7. Sinneszellen in 2/o9 bis 1/g90/o Überosmiumsäure macerirt. 640/1 vergr. 


}.des Ausführungsganges, 


Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina 
verfertigten Gehäuse. 


Von 


Dr. Fritz Müller. 


(Archivos de Museu national. Vol. II. p. 99—434, p. 209—244. Rio de Janeiro. 
4880. Aus dem Portugiesischen übersetzt von dem Bruder des Verfassers, 
Dr. HERMANN MÜLLER in Lippstadt.) 


Mit Tafel IV und V. 


Einleitung. 

Die Ordnung der Trichopteren ist unter zwei verschiedenen Ge- 
sichtspunkten von hohem Interesse: dem genealogischen und dem bio- 
logischen. 

In dem genealogischen System der Insekten nehmen die Trichopteren 
in Bezug auf die Schmetterlinge dieselbe Stellung ein, die unter den 
Säugethieren,, nach der heute fast allgemeinen Annahme, den anthropo- 
morphen Affen in Bezug auf den Menschen zukommt; es ist im höchsten 
Grade wahrscheinlich, dass die Schmetterlinge von irgend einem ausge- 
storbenen Trichopteron abstammen, oder wenigstens, dass beide Ord- 
nungen aus einer gemeinsamen Stammform hervorgegangen sind, von 
der sich die unansehnlichen Trichopteren weniger, die farbenprächtigen 
‚Schmetterlinge viel weiter entfernt haben. Wenn nun dieser Grund, 
der kleinen Ordnung der Trichopteren eine große Wichtigkeit beizulegen, 
von sehr neuem Datum ist, so haben dagegen schon in sehr entfernten 
Zeiten die Gehäuse oder Futterale, die die Larven dieser Insekten bauen, 
das lebhafteste Interesse Derer erregt, die sich damals dem Studium der 
Biologie der Insekten hingaben. Nach der Meinung verschiedener Schrift- 
steller wäre der Holzverderber (&vAo@9:000g) des ARISTOTELES eine Phry- 
ganidenlarve gewesen; doch ist es, da er nichts von der Wasser-Lebens- 
weise dieses Thieres erwähnt, wohl wahrscheinlicher, dass es die Larve 
_ irgend eines Schmetterlinges, vielleicht aus der Gruppe der Psychiden, 


48 Fritz Müller, 


gewesen sein mag. Dem sei aber wie ihm wolle, jedenfalls haben die 
großen Beobachter des vergangenen Jahrhunderts, denen die Biologie 
der Insekten so viel verdankt, Rtaumur, DE GEER und RoeseL, auch sehr 
wichtige Studien über die Naturgeschichte und den Bau der Trichopteren- 
larven, so wie ihrer Gehäuse gemacht. 

Im gegenwärtigen Jahrhundert widmeten sich dem speciellen Stu- 
dium dieser Thiere Pıcrer, Kotenatı, Hasen, Mac Lacnzan und Andere. 
Alle diese Arbeiten blieben indessen fast ausschließlich auf Europa be- 
schränkt, so dass die Naturgeschichte der außereuropäischen Arten fast 
noch heute ein jungfräuliches und der Wissenschaft unbekanntes Ge- 
biet ist. 

Im Jahre 1864 veröffentlichte Hacen ein Verzeichnis nebst Beschrei- 
bungen aller Trichopteren-Gehäuse, von denen er Exemplare gesehen 
oder über die er bei anderen Schriftstellern irgend eine Angabe gefun- 
den hattel; in dieser Liste von 150 Arten finden sich aus dem unge- 
heuren Gebiet Brasiliens nur eine Grumicha von Saınr HiLAIRE und eine 
Helicopsyche-Art erwähnt. Hiernach wird es also nicht unzweckmäßig 
sein, eine kurze Mittheilung über diejenigen Arten zu machen, die ich 
in der Provinz Santa Catharina beobachtet habe. Denn mag auch meine 
Liste der Arten dieser Provinz noch so mangelhaft und unvollständig 
sein, so wird sie wenigstens zeigen, wie viel unerwartete und merk- 
würdige Formen noch aufgefunden werden können, wenn man die Ge- 
wässer Brasiliens auf Trichopterenlarven durchsucht. Ich beschränke 
mich für dies Mal auf die von den Larven gebauten Gehäuse und nehme 
höchstens nebenbei Bezug auf die eine oder andere bemerkenswerthe 
Eigenthümlichkeit des Baues oder der Gewohnheiten ihrer Bewohner, 
deren Beschreibung ich einer anderen Arbeit vorbehalte. 

Als Bremı vor 25 Jahren die Gattung Helicopsyche aufstellte, von 
der man in jener Epoche kaum die Gehäuse der Larven kannte, stützte 
er sich auf die Hauptthatsache, dass »alle bis dahin in dieser Hinsicht 
gemachten Beobachtungen immer bewiesen hatten, dass die in der 
Grundform des Baustils der Phryganiden-Gehäuse bestehenden Ver- 
schiedenheiten verschiedene Gattungen anzeigen«. Ich folge dem Bei- 
spiele Bremr’s, indem ich für verschiedene ganz neue Grundformen 
(Typen) von Trichopteren-Gehäusen neue Gattungen aufstelle; ein sol- 
ches Vorgehen scheint mir hinlänglich gerechtfertigt, wie sehr auch die 
vollkommenen Insekten noch unbekannt sein mögen. Nehmen wir zum 
Beispiel die Helicopsyche-Arten, die sich durch ihre schneckenförmig 
eingerollten Gehäuse so sehr auszeichnen. Drei Fälle können sich dar- 


1 Harn, Über Phryganiden-Gehäuse. Stettiner entomol. Zeitung. XXV. 4864. 
p- 114 und 224. 


Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. 49 


bieten. Erstens könnten die vollkommenen Insekten, die aus den schon 
so zahlreichen und durch die ganze Welt verbreiteten Arten dieser 
schneckenförmigen Gehäuse hervorgehen, alle unter sich eben so ähn- 
lich und von allen übrigen Trichopteren, die eine besondere Gattung 
bilden, eben so verschieden sein; in diesem Falle würde über die 
Gattung Helicopsyche gar kein Zweifel sein. 

An zweiter Stelle könnte man annehmen, dass alle Trichopteren, 
die aus schneckenförmigen Gehäusen hervorgehen, den Arten irgend 
einer anderen Gattung so ähnlich wären, dass sie im Zustande der fer- 
tigen Insekten nicht generisch unterschieden werden könnten: auch in 
diesem Falle (der sich in Helicopsyche borealis Hag. nicht bewahrheitet) 
würde es passend sein, die Gattung Helicopsyche festzuhalten, da ja 
ohne irgend welchen Zweifel das Merkmal der schneckenförmigen Ge- 
häuse viel wichtiger ist und viel sicherer auf Verwandtschaft hinweist 
als jene leichten Unterschiede in den Flügelnerven und andere desselben 
Schlages, die man heute anwendet, um die Gattungen der Trichopteren 
zu unterscheiden. Endlich wird es sich treffen können, dass die ver- 
schiedenen Arten, deren Larven schneckenförmige Gehäuse bauen, im 
Zustande fertiger Insekten so verschieden unter sich sind, dass es pas- 
send sein würde, sie in verschiedene Gattungen zu trennen; auch in 
diesem Falle müsste der Name Helicopsyche bestehen bleiben, um mit 
einem einzigen Worte die Erbauer schneckenförmiger Gehäuse zu be- 
zeichnen, und müsste mit demselben Rechte beibehalten werden, mit dem 
man fortfährt, die Namen Bipinnaria, Pluteus, Nauplius, Zoea u. Ss. w. 
zu gebrauchen. Alles was ich soeben hinsichtlich der Helicopsyche- 
Arten gesagt habe, gilt aber ganz eben so für alle Gattungen, die ich in 
dieser Arbeit aufstellen werde. 


1) Die Gehäuse der Rhyacophiliden (Fig. 1—4). 

Nach Pieter! leben die Larven der Rhyacophiliden ohne Gehäuse 
in fließenden Gewässern und bauen nur, wenn sie sich verpuppen 
‚wollen, auf den Steinen ein rohes und unbewegliches Gehäuse; gleich- 
wohl hat schon Pıcter selbst ein bewegliches Gehäuse abgebildet, das 
von der Larve einer Art dieser Familie aus Steinen verfertigt war?. 
Nach dem Bau und der Befestigung ihres Gehäuses machen die Larven 
der Rhyacophiliden, bevor sie sich umwandeln, um sich herum noch 
eine zweite Hülle, einen Kokon aus einer ziemlich widerstandsfähigen 
Haut, von ovaler Form, der sich, von allen Seiten geschlossen, lose im 
Inneren des Steingehäuses befindet. Durch diese zweite Hülle unter- 

1 Citirt von Hasen, 1. c. p. 142. 


2 HAGEn, 1. c. p. 144. n. 6. 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. JA 


50 Fritz Müller, 


scheiden sich die Puppen der Rhyacophiliden leicht von denen aller 
übrigen Trichopteren. In Quellen und Bächen, die dem Itajahy zu- 
fließen, giebt es einige Arten dieser Familie, die im Larvenzustande von 
Gehäusen abzusehen scheinen ; die Hüllen ihrer Puppen finden sich mit 
einigen roh zusammengehäuften Steinchen bedeckt, die ein so unregel- 
mäßiges Häufchen bilden, dass es den Namen eines Gehäuses nicht ver- 
dient. Viel häufiger sind einige andere Arten, die schon im Larvenzu- 
stande in beweglichen Gehäusen leben. Diese Gehäuse (Fig. 1—4) sind 
aus Steinen verfertigt, von ovaler Form, mit zwei Öffnungen oder Thüren 
an den beiden Enden der Bauchseite. Es ist kein Unterschied zwischen 
dem vorderen und hinteren Ende des Gehäuses; die Larve kann eben 
so gut aus der einen wie aus der anderen Thür hervorkommen. Bevor 
sie sich zur Puppe umwandelt, entfernt die Larve die Bauchwand, 
heftet den ganzen Rand des Gewölbes ihres Gehäuses an irgend einen 
größeren Stein und verbindet gleichzeitig die Steinchen dieses Gewölbes 
fester mit einander. 

Die Gehäuse aller Trichopterenlarven müssen beständig von einem 
Strom frischen Wassers durchflossen werden, der die Athmung dieser 
Larven unterhält. Nun befinden sich die beiden Thüren der beweg- 
lichen Häuschen der Rhyacophiliden, wie schon gesagt, in der Bauch- 
wand und dem Steine angedrückt, auf dem sie leben; dieser Umstand, 
der gewiss sehr nützlich ist, um den Eintritt irgend welches Feindes zu 
verhindern, ist dagegen für die Cirkulation des Wassers sehr ungünstig. 
Dieses Hindernis findet sich bei verschiedenen Arten von St. Catharina 
auf verschiedene Weise beseitigt. Bei einer kleinen Art (Fig. 1), deren 
Gehäuse in seltenen Fällen 5 mm Länge bei 3 mm Breite überschreiten, 
sind die Steinchen des Gewölbes derart mit einander verbunden, dass 
sie zwischen sich kleine Öffnungen oder unregelmäßige Zwischenräume 
lassen, die an Zahl, Größe und Form mannigfach wechseln. Bisweilen 
findet sich nahe dem einen oder anderen Ende eine etwas größere Öff- 
nung. Diese Art lebt in verschiedenen kleineren Quellen von raschem 
Lauf; gewöhnlich auf der oberen Seite der Steine; die Gehäuse der 
Puppen (Fig. 1 B, B’) pflegen an der unteren Seite derselben Steine 
befestigt zu werden. 

Eine andere Art (Fig. 2), die ich im Bache » Affenwinkel« (Gruta 
dos Macacos) antraf, und die verhältnismäßig große Steine beim Bau 
ihrer Gehäuse anzuwenden pflegt, lässt eine einzige größere Öffnung in 
der Mitte des Gewölbes. Diese Öffnung ist häufig viereckig und von 
vier Steinen umgrenzt; sie wird geschlossen, wenn die Larve sich zur 
Puppe umwandeln will. 

An fast allen Stellen, wo ein größerer oder kleinerer Bach in einem 


| 


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Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. 51 


Bette von Steinen schnell fließt, finden sich diese mit Tausenden von 
Rhyacophilidenhäuschen (Fig. 3) bedeckt, die, statt einer einfachen Öfl- 
nung, in der Mitte des Gewölbes einen Schornstein oder eine Röhre be- 
sitzen — mehr oder weniger hoch, im Allgemeinen aus viel kleineren 
Steinchen gebaut, als das übrige Gehäuse. Die Formen und Farben 
dieser Gehäuse variiren ins Unendliche nach dem mineralogischen Cha- 
rakter des Baumaterials, welches die Larven in den Gewässern an- 
treffen, nicht nur in den verschiedenen Bächen, die sie bewohnen, 


‚sondern auch an derselben Lokalität. Die drei Gehäuse von Fig. 3 


wurden mit einigen Dutzend anderen, nicht weniger verschiedenen 
einem einzigen Steine des Baches Garcia entnommen. Die Gehäuse der 
Puppen, die gewöhnlich an der Unterseite der Steine befestigt sind, 
haben keinen Schornstein mehr. Wegen der außerordentlichen Varia- 
bilität und Unregelmäßigkeit dieser Häuschen ist es, ohne eine minutiöse 
Untersuchung der Larven und Puppen, die sie bewohnen, und der fer- 
tigen Insekten, in die diese sich umwandeln, kaum möglich zu ent- 
scheiden, ob sie alle zu einer einzigen Art gehören. Die, welche ich im 
Monat August im Bache »Trauriger Jammer« (Triste Miseria) fand, 
unterscheiden sich durch einen weniger hohen , weniger engen, und oft 
etwas geneigten Schornstein (Fig. 4). Sie bilden vielleicht eine ver- 
schiedene Art. 


2) Die Gehäuse der Hydropsychiden (Fig. 5, 6). | 

Aus der Familie der Hydropsychiden ist keine Larve bekannt, die 
ein bewegliches Gehäuse anfertigti ; sie leben fast alle in Verstecken von 
sehr roher Bauart: entweder in ziemlich langen, gekrümmten Gängen, 
die mit Steinen, Pflanzenbruchstücken u. s. w. bedeckt sind, oder auch 
ia cylindrischen Kanälen, deren von der Larve gewebte Wände aus 
Seide und Thon oder feinem Sand bestehen, wie die von der Larve von 
Hydropsyche maculicornis gebauten!. In der Provinz Santa Catharina 
ist in fast allen fließenden Gewässern auf der Unterseite der Steine eine 
Larve dieser Familie ungemein häufig, die größte aller bis jetzt bekann- 


‚ten Trichopterenlarven. Sie lebt in einer Art Kanal oder Gang, der von 


unregelmäßig zusammengehäuften und mit einigen Seidenfäden im All- 
gemeinen sehr schlecht befestigten Steinen bedeckt ist. Um sich in eine 
Puppe umzuwandeln, baut sie ein Gehäuse von fest zusammengehefte- 
ten, bisweilen für ein so kleines Tbier auffallend großen Steinen. Die 
äußere Form dieser mit ihrer Unterseite an größere Steine befestigten 
Gehäuse (Fig. 5 A) ist sehr unregelmäßig, nach der Form der bei ihrem 


1 Westwoop, Introduction to modern classification of Insects. II. p. 62. 
Fig. 68, 8. 


4% 


52 Fritz Müller, 


Bau verwendeten Steine ins Unendliche wechselnd. Sie umschließen 
einen cylindrischen oder ovalen Hohlraum von ungefähr 20 mm Länge 
bei 6 mm Breite. Die innere Wandschicht des Gehäuses ist aus Thon, 
Sand oder Steinchen verfertigt, die mittels der von den Seiden- oder 
Spinndrüsen der Larve gelieferten Seide sehr innig vereinigt sind. Die 
innere Oberfläche des Gehäuses ist glatt; an jedem Ende ist die Wand 
von ungefähr einem halben Dutzend kleiner Löcher durchbohrt, um das 
zur Athmung der Puppe nöthige Wasser aufzunehmen. Unmittelbar an 
der inneren Oberfläche des Steingehäuses befindet sich ein Kokon von 
weißer, schwach gelblicher Seide (Fig. 5 B). Die Haut des Kokons ist 
zwar sehr dünn, aber in hohem Grade widerstandsfähig; die Enden 
oder Grundflächen des Cylinders sind von sehr zahlreichen Löchern von 
ungefähr 0,08 mm Durchmesser siebartig durchlöchert (Fig. 5 B!). 
Seltener ist eine andere Art derselben Familie (Fig. 6), die man 
nur in Quellen von sehr raschem Laufe, z. B. im » Affenwinkel« und im 
» Traurigen Jammer« der Kolonie Blumenau antrifft. Ihre Gehäuse ge- 
hören zu den interessantesten, nicht nur in der Ordnung der Trichopte- 
ren, sondern der Insekten überhaupt; sie können mit denen der Ter- 
miten, Ameisen, Wespen, Bienen u. s. w. wetteifern. Diese Gehäuse 
sind niemals auf der Unterseite, sondern auf der Oberseite der Steine 
angeheftet; sie sind ohne große Kunst gebaut und sind nichts weiter 
als Röhren oder Kanäle von etwa 7 mm Länge bei 2 mm Durchmesser, 


hergestellt aus unregelmäßig über einander gelegten oder durch einan- 


der geflochtenen Pflanzenfasern, oder auch aus Steinchen. Jedes Ge- 
häuse hat einen Vorhof oder eine Veranda, die sich trichterförmig er- 
weitert, deren Eingang bis zu 7 mm Höhe bei doppelt so viel oder mehr 
Breite misst. Die Seitenwände sind gewöhnlich aus durch einander 
geflochtenen Fasern hergestellt und dienen als Deckung für ein höchst 
zierliches Netz von Seide, dessen viereckige Maschen gewöhnlich 0,2 bis 
0,3 mm Weite haben. Die Gehäuse sind unabänderlich derart orientirt, 
dass der Wasserstrom in den Eingang des Trichters schlagen muss. In 
seltenen Fällen leben diese Larven einzeln. Gewöhnlich machen sie 
ihre Gehäuse dicht neben einander, so dass sie bisweilen eine lange 
ununterbrochene Reihe bilden, die senkrecht zum Laufe des Wassers 
steht und auf diese Weise in ihren Trichtern Alles auffängt und zurück- 
hält, was das Wasser Genießbares mit sich bringen mag. Bei der Um- 
wandlung in Puppen scheinen die Larven die vegetabilischen Fasern 
ihrer Gehäuse immer durch kleine Steine zu ersetzen; diese Steinchen 
sind fest vereinigt und bedecken einen Hohlraum von etwa 7 mm Länge 
bei 3 mm Breite (Fig. 6 B, B’), dessen Wand inwendig, eben so wie bei 
der vorhergehenden Art, von einer widerstandsfähigen Haut ausgeklei- 


Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. 53 


det ist. An diesen Puppengehäusen ist niemals eine Veranda; ich weiß 
indess nicht, ob dieselbe von der Larve entfernt wird, wenn sie das 
Gehäuse für ihre Umwandlung zurichtet oder ob sie allmählich durch 
die Strömung des Wassers zerstört wird. Die Insekten, in die sich die 
Bewohner dieser interessantesten Gehäuse endlich umwandeln, sind im 
Baue der Fühler und Flügelnerven der Gattung Smicridea MacLachlan 
ähnlich. Eben so wie beide Geschlechter von Smicridea haben die 
Weibchen einen einzigen Sporn an den vorderen, vier Sporne an den 
mittleren und vier an den hinteren Schienen; die Männchen dagegen 
haben nur zwei Sporne an den hinteren Schienen. Der Fall ist analog 
dem der Gattung Heteroplectron M’Lachl., aus der Familie der Leptoceri- 
den, bei der die Hinterschienen beider Geschlechter in derselben Weise 
differiren. Ich schlage für den geschickten Baumeister und Weber den 
Namen Rhyacophylax vor. 


3) Die Gehäuse der Leptoceriden (Fig. 7—15). 

Die Gehäuse aller Arten dieser Familie sind beweglich und haben 
fast alle die Form enger, kegelförmiger, ein wenig gebogener Röhren. 
Die Larven verschiedener Arten sind sehr unter sich verschieden, so- 
wohl in Bezug auf das Material, das sie beim Bau ihrer Gehäuse oder 
Futterale verwenden, als auch hinsichtlich der Art, dieselben zu befesti- 
gen und zu verschließen, wenn sie im Begriff sind, sich in Puppen um- 
zuwandeln. 

Das einfachste und roheste Gehäuse (Fig. 7) ist das einer Larve, 
die sich zu diesem Zwecke der Bruchstücke kleiner Zweige bedient, die 
in den Waldbächen stets in reichlicher Menge vorhanden sind. Wenn 
die Zweige hohl sind, werden sie ohne weitere Vorbereitung in Ge- 
brauch genommen; die Larve schneidet ein Stück von passender Länge 
ab und nagt ein halbkreisförmiges Stück aus dem Bauchrande des Ein- 
ganges (Fig. 7 A, C), so dass der Kopf der Larve von dem Rückenrande 
desselben Einganges bedeckt und geschützt bleibt. Oft befestigt die 
 Larve an diesen oberen Rand des Einganges einen oder einige kleine 
Steine, wodurch sie den Eingang noch mehr schützt. Wenn die Äste 
nicht hohl sind, so hat die Larve sie erst auszuhöhlen, dann muss sie 
außerdem ein seitliches Loch in das hintere Ende der von ihr ausgehöhl- 
ten Röhre machen, für den Austritt des Wassers, das ihr zur Athmung 
gedient hat. Die von erwachsenen Larven bewohnten Stäbchen haben 
gewöhnlich 30 bis 35 mm Länge; nur in seltenen Fällen erreichen sie 
50 mm oder mehr; ein einziges sah ich, das 80 mm Länge bei 
3 mm Durchmesser hatte. Vielleicht hatte die Larve desshalb unter- 
lassen, einen Theil desselben abzuschneiden, weil es sehr leicht war. 


54 Ä Fritz Müller, 


Wenn die Zeit ihrer Umwandlung herannaht, befestigt die Larve ihr 
Gehäuse mit dem Bauchrand des vorderen Endes an die Unterseite irgend 
eines größeren Steines oder in das Wasser gefallenen Baumstammes. 
Dies gethan, stopft sie den Eingang mit einem Stein zu (Fig. 7 A’p), den sie 
an das vordere Ende des häutigen Puppenkokons (Fig. 7 A'n) heftet oder, 
besser gesagt, leimt. In dem Zwischenraum zwischen dem Steine und der 
Wand der Röhre ist der Kokon von Löchern von ungefähr 0,12 mm siebartig 
durchlöchert. Eben so befindet sich ein Quersieb (Fig. 7 A’, A”) am hinte- 
ren Ende des Puppenkokons. Dieses Sieb ist fast lederartig und dicker 
und härter als die Haut, welche die Wand der Röhre auskleidet. Manchmal 
trifft es sich, dass dasselbe Sieb sich an die Seitenöffnung der Röhre 
anlegst (Fig. 7 B, B'). Wenn das benutzte Zweigstück hohl ist, so ver- 
stopft es die Larve gewöhnlich auch am hinteren Ende mit einem Stein; 
manchmal indess holt die Larve ein Steinchen in das Innere der Röhre 
und legt es an das Sieb (Fig. 7 C, 0’). Auch in diesem Falle machen die 
Larven aus Gewohnheit ein Loch in die Seitenwand der Röhre (Fig. 7 


CO’, o), ein Loch, das, wie unentbehrlich es sein mochte, wenn die Röhre 


hinten geschlossen war, durchaus überflüssig und unnütz ist, wenn sie 
offen war. Es ist dies eines der passendsten Beispiele, um die angeb- 
liche » Unfehlbarkeit des Instinktes« zu widerlegen. 

Unter dem Namen Grumicha beschrieb Aus. Sr. Hıraıke ! » Röhren 
aus einer harten, hornigen Substanz, von halber Daumenlänge, glatt 
und glänzend, schwarz, gebogen und an Dicke allmählich abnehmend 
wie ein Horn, von einer Larve bewohnt und in den Flüssen Brasiliens 
vorkommend«. Diese Beschreibung passt vollständig auf die Futterale 
einer Larve aus der Familie der Leptoceriden, die in einigen größeren 
Zuflüssen des Rio Itajahy (den Bächen Garcia, Warnow, Neisse) ziemlich 
häufig ist. Nur sind die Gehäuse von hier (Fig. 8 A) ein wenig größer; 
vielleicht hat Sr. Hıraıre nur die noch nicht erwachsenen Larven ge- 
sehen. In jedem Falle ist die von dem berühmten französischen Natur- 
forscher beschriebene Art der unserigen, wenn nicht gleich, wenigstens 
sehr ähnlich. Ich maß 20 angeheftete, also erwachsene Futterale von 
Weibchen, die durchschnittlich 26 mm Länge ?2 hatten und zwischen 24 
und 28 mm variirten ; 20 ebenfalls festgeheftete Futterale von Männchen 
hatten durchschnittlich 18 mm Länge und variirten zwischen 16 und 
24 mm. Die Futterale sind in ihrer ganzen Ausdehnung fast gleich- 
mäßig gekrümmt; der Radius der Krümmung beträgt ungefähr 3 cm 
und nimmt am vorderen Ende ein wenig zu. Die Futterale der Männchen 


1 Voyage au Bresil. Tom. III. 1830. p. 62. 


2 Unter Länge der gekrümmten Futterale verstehe ich die Sehne zwischen den. 


Endpunkten, und nicht die Länge des Bogens. 


a 


Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. 55 


entsprechen Bogen von ungefähr 36°, die der Weibchen Bogen von un- 
sefähr 52%. Das hintere oder Afterende des Köchers hat ungefähr I mm 
Durchmesser, das vordere oder Mundende ungefähr 2 mm bei den Futte- 
ralen der Männchen und 3 mm bei denen der Weibchen. Das hintere 
Ende ist durch eine Querwand verschlossen, aus derselben Substanz 
wie das Futteral; diese hat in der Mitte ein kreisförmiges Loch, dessen 
Durchmesser 1/, bis !/; mm beträgt (Fig. 8 B). Die Larven befestigen 
sich gern gemeinsam, die einen neben oder selbst an den Futteralen der 
anderen. Nicht selten trifft man Gruppen von mehr als funfzig und 
selbst Hundert an einander geleimter Futterale. Die Futterale sind nur 
mit dem vorderen Ende mittels einer kleinen Haftscheibe befestigt, die 
von einem kurzen Fuß oder Stiel getragen wird; diese gestielten Scheiben, 
welehe aus derselben Substanz wie die Gehäuse bestehen, entspringen 
gewöhnlich vom Seitenrande, in seltenen Fällen vom Rückenrande, fast 
niemals vom Bauchrande der Mundöffnung des Futterals; manchmal ist 
das Futteral durch zwei oder drei Scheiben in verschiedenen Richtungen 
befestigt. Nachdem das Gehäuse, sei es an einem Stein, sei es an einem 
anderen Gehäuse, befestigt ist, wird es mit einem Deckel oder einer 
Querwand verschlossen, die in geringer Entfernung (immer unter | mm) 
von der äußeren Öffnung liegt. Dieser Stöpsel oder Deckel wird eben- 
falls aus derselben Substanz verfertigt wie das Futteral. Er bietet eine 
Querspalte dar, die ein wenig unter der Mitte des Deckels liegt und 
gewöhnlich gekrümmt ist, so dass sie ihre konvexe Seite nach unten 
kehrt (Fig. 8 C, D). Ich maß die Deckel von 17 Weibchen und von 
eben so viel Männchen, was sich sehr leicht ausführen lässt, nachdem 
sie durch die Puppen entfernt worden sind, die das Futteral verlassen 
haben, um ihre letzte Umwandlung zu erleiden. Der Durchmesser der 
Deckel der Weibchen variirt von 2 bis 2,4 mm (Durchschnitt: 2,24 mm); 
der der Deckel der Männchen von 1,6 bis 1,8 mm (Durchschnitt: 
1,64 mm); die Länge des Spaltes ist bei jenen 0,5 bis 0,8 mm (Durch- 
schnitt: 0,69 mm); bei diesen 0,45 bis 0,6 mm (Durchschnitt: 0,52 mm); 
die Breite des Spaltes endlich beträgt bei den ersteren 0,1 bis 0,15 mm 
(Durchschnitt: 0,123 mm); bei'den letzteren 0,07 bis 0,12 mm (Durch- 
schnitt: 0,09 mm). Indem man die Länge mit der Breite multiplicirt, 
erhält man ohne merklichen Fehler den Flächenraum der Spalte, der 
für die Futterale der Weibchen hiernach 0,085 Quadratmillimeter be- 
tragen würde. Nun ist der Flächenraum der kreisförmigen Öffnung am 
hinteren Ende, dessen Durchmesser bei den Weibchen !/, mm beträgt, 


gleich 2. — 0,087 Quadratmillimeter. Die beiden Öffnungen, die vor- 


dere und hintere, durch die der Eintritt und Austritt des Wassers statt- 


56 | Fritz Müller, 


findet, welches die Athmung der Puppe unterhält, haben also gleiche 
Flächenräume, trotz ihrer so verschiedenen Gestalt. 

Was den Stoff betrifft, aus dem die Futterale der Grumicha ver- 
fertigt werden, so glaubte Brenı, dass er von den Larven selbst geliefert 
würde; Hagen dagegen hielt es für wahrscheinlicher, dass er aus 
Pflanzenfasern zusammengesetzt wäre!. Ich finde diese Meinung 
Haczn’s unzulässig, weil es zwischen den dunkeln, fast homogenen, 
harten und elastischen Deckeln der Grumicha, und den Netzen oder 
Sieben, die man an den Enden der Puppenkokons gewisser Hydro- 
psychiden (Fig. 5 B’) antrifft (bei denen alle Fäden, aus denen sie ge- 
webt sind, unterschieden werden können), so viele Zwischenformen giebt, 
dass es unmöglich in Zweifel gezogen werden kann, dass die einen 
und anderen auf dieselbe Weise hervorgebracht werden. Nun können 
die Hydropsychiden in ihren von allen Seiten geschlossenen Steinge- 
häusen ihre Kokons nicht aus irgend einem äußeren Material anfertigen. 
Eben so wird bei dem Gehäuse der Helicopsyche und anderer Arten 
sicher Niemand in Zweifel ziehen, dass die Deckel ihrer Gehäuse, die 
denen der Grumicha schon viel ähnlicher sind, aus einem Stoffe ver- 
fertigt werden, der von den Seiden- oder Spinndrüsen der betreffenden 
Larven abgesondert wird. Zwischen der Substanz des Deckels und des 
Futterals der Grumicha ist aber gar kein Unterschied ; dieses ist also 
sicher ebenfalls ein ausschließliches Produkt der Larve. Hagen würde 
sicherlich einen solchen Irrthum nicht begangen haben, wenn er die 
Deckel der Grumicha studirt hätte; aber bei drei Futteralen, die er 
untersuchte, fand er die Mund- und Afteröffnung mit kleinen Steinen 
verstopft, ohne einen anderen Deckel zu entdecken. 

Diese Beobachtung Hacen’s war für mich lange Zeit hindurch ein 
Räthsel, für welches ich mich vergeblich bemühte, irgend eine plau- 
sible Lösung zu finden. An einer so leicht festzustellenden und von 
einem so gewissenhaften und durchaus zuverlässigen Beobachter er- 
mittelten Thatsache zu zweifeln war mir unmöglich. Aber wie anderer- 
seits glauben, dass Larven, die identische Gehäuse machen, sie in so 
grundverschiedener Weise befestigen und verschließen sollten ? 

Indessen ist die Thatsache sehr einfach. Die Futterale Hacen’s 
waren Grumichafutterale, bewohnt, befestigt und verschlossen von 
einer anderen, eingedrungenen Art. 

Im Bache Garcia, nahe einer Stelle, wo Grumicha sehr häufig ist, 


habe ich ebenfalls kürzlich einige Grumichagehäuse gefunden, die durch 


einen Stein verschlossen und mit dem Bauchrande der vorderen Öffnung 


i Hagen, 1. c. p. 227. 


Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. 57 


mittels einer stiellosen, bräunlichgelb gefärbten, lederartigen Quer- 
scheibe (Fig. 9 d) befestigt waren. Indem ich eines dieser Futterale 
öffnete, sah ich, dass es keine Grumichapuppe, sondern vielmehr eine 
Puppe enthielt, die mit derjenigen der Holzstäbchen (Fig. 7) identisch oder 
ihr wenigstens sehr ähnlich war. Das Futteral war, wie die Höhlung 
der Stäbchen, mit einer Haut ausgekleidet, die um die Puppe herum 
einen hinten von einem Quersieb begrenzten Kokon bildete; eben so 
war auch die Haut, die den zwischen dem Futteral und dem als Deckel 
dienenden Stein befindlichen Zwischenraum verschloss (Fig. 9 B), sieb- 
artig durchlöchert. 

Die Insekten, deren Larven als Eindringlinge in den Grumicha- 
futteralen leben, und die der Stäbchen, sind sehr ähnlich; von den 
einen und anderen sah ich nur sehr wenige und habe sie noch nicht im 
Einzelnen untersucht; bis jetzt besteht der einzige Unterschied, den ich 
zwischen ihnen gefunden habe, in der Farbe, die bei allen Eindring- 
lingen viel blasser, bei den Insekten der Stäbchen dunkler ist. Man 
sieht aus diesem Beispiele, dass nicht nur die Wohnungen der Termiten 
und Bienen, sondern auch die Gehäuse der Trichopteren von einge- 
drungenen Arten bewohnt sein können, und desshalb auch die Insekten 
dieser Ordnung nicht immer ohne weitere Probe und Untersuchung als 
die Verfertiger der Gehäuse, in denen sie ihre Umwandlung durch- 
machen, betrachtet werden können. 

Im Bache »Affenwinkel« lebt eine zweite Grumicha-Art (Fig. 10), 
die ich sonst noch nirgend angetroffen habe. Sie ist viel kleiner und 
ich will sie desshalb mit. dem Verkleinerungsworte Grumichinha be- 
zeichnen. Ihre Länge übersteigt nicht 40 mm. Die Futterale beider 
Arten sind genau auf dieselbe Weise gekrümmt, indem der Radius der 
Krümmung ungefähr 3 cm beträgt. Eben so sind in allen oder den 
meisten Stücken beide Arten sehr ähnlich und, abgesehen von der 
Größe, passt die Beschreibung Sr. Hıraıre’s eben so gut auf Grumi- 
chinha; es sind »Röhren von einer harten, hornigen Substanz, glatt, 
glänzend, schwarz, gebogen und an Dicke etwas abnehmend, wie ein 
Horn«. Es würde daher sehr schwierig sein, beide Arten zu unter- 
scheiden, bevor die Grumicha die Dimensionen der Grumichinha über- 
schritten hat, wenn nicht der Bau der Larven, die so ähnliche Futterale 
hervorbringen, ziemlich verschieden wäre. Die beiden Arten lassen 
sich leicht an der Farbe der Beine unterscheiden, selbst ohne dass man 
auf eine Untersuchung der Einzelheiten ihres Baues eingeht; denn bei 
Grumicha sind die Beine schwarz und glänzend, bei Grumichinha blass 
und bräunlichgelb. Von 20 erwachsenen (schon befestigten) Gehäusen, 
die ich maß, hatte das kleinste 6 mm, das größte 10 mm Länge, im 


58 Fritz Müller, 


mittleren Durchschnitt betrug die Länge 7 mm; zweierlei scharf ge- 
trennte Gruppen größerer und kleinerer Futierale, wie sie bei Grumicha 
den beiden Geschlechtern entsprechen, sind bei Grumichinha nicht vor- 
handen. Ihre Art und Weise, die Futterale zu befestigen, ist fast die- 
selbe wie bei Grumicha; nur ist zu bemerken, dass der Stiel der Kleb- 
scheibe vom Bauchrande des Einganges ausgeht, was bei Grumicha fast 
niemals vorkommt: außerdem befindet sich die Spalte des Deckels 
(Fig. 10 B) immer über dessen Mitte und nicht unter derselben wie bei 
Grumicha (Fig. 9 C, D)!. 

In einem Bächelchen, das in den Bach Garcia fließt, und in dessen 
etwas sumpfigem Wasser eine Gallitriche-Art ungemein häufig ist, fand ich 
eine Trichopterenlarve, die nach ihren sehr dünnen und langen Hinter- 
beinen zur Familie der Leptoceriden zu gehören scheint. Sie verfertigt 
ihr Gehäuse aus den Samen dieser Gallitriche (Fig. 41). Manchmal sind 
in einem Theil des Gehäuses die Samen durch kleine Bruchstücke der 
Kapseln der Callitriche ersetzt, Die Samen sind quer gestellt, d. h. 
senkrecht zur Achse des Gehäuses, das fast eylindrisch, nur am hinteren 
Ende etwas verengt ist. Die Gehäuse haben 5 bis 6 mm Länge bei 
etwa 2 mm Durchmesser. Ihr Eingang sieht sehr verschieden aus, je 
nach der Zahl der Samen, die ihn umgrenzen, manchmal stellt er ein 
gleichseitiges oder gleichschenkeliges Dreieck dar (Fig. 11 B), andere 
Male ein regelmäßiges oder unregelmäßiges Viereck u. s. w. Wenn die 
Larven im Begriff sind, sich zu verwandeln, schließen sie den Eingang 
mit einer Querhaut, in deren Mitte sie ein kleines Loch lassen. 

In stehendem Wasser der größeren Bäche, z. B. des Baches Garcia, 
lebt an Baumstämmen, die dort verwesen, oder auch an Steinen, eine 
Larve aus der Familie der Leptoceriden (Fig. 12), die ihre Futterale oder 
Gehäuse aus Pflanzenfasern oder dünnen und langen Holzstückchen 
macht, die sie wahrscheinlich von den Bäumen entnimmt, an denen sie 
lebt. Die Dicke dieser kleinen Bruchstücke ist gewöhnlich ungefähr 
0,25 mm, bei einer zwischen 1 bis 10 mm wechselnden Länge. Das 
größte der noch freien Futterale, das ich sah, hatte 20 mm Länge vom 
hinteren Ende bis zum oberen Rande und 17 mm bis zum unteren 
Rande des Einganges; der Durchmesser beträgt 2 mm am Eingang und 
I mm am hinteren Ende; es ist also stark verdünnt, und gleichzeitig 
sehr wenig gebogen, da der Radius der Krümmung der Bauchfläche un- 
gefäihr 8 cm beträgt. Auf der Rückenfläche des Gehäuses sind die 
Fasern, der Länge nach, parallel der Achse geordnet; etwa ein halbes 


1 In der Gebirgsschlucht: » Trauriger Jammer« in Blumenau lebt eine dritte, 
noch kleinere Art von Grumicha, deren Beschreibung ich in einem Nachtrage zu 
dieser Arbeit geben werde. 


Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina veriertigten Gehäuse. 59 


Dutzend dieser Längsfasern verlängern sich über den oberen Rand des 
Einganges hinaus und verbergen. und schützen so den Kopf der Larve. 
Die Fasern der Rückenfläche haben 5 bis 6 mm Länge, einige kommen 
indess vor von mehr als 10 mm Länge. Die Fasern der Seitenflächen 
haben dieselbe Länge und eine schiefe Richtung, indem sie nach der 
Bauchseite und dem hinteren Ende des Gehäuses zu konvergiren und 
mit denen der entgegengesetzien Seite einen sehr spitzen Winkel bil- 
den. Auf der Bauchseite endlich sind die Fasern viel kürzer, von I bis 
2 mm Länge, und die der einen bilden mit denen der anderen Seite im 
vorderen Theile des Gehäuses ziemlich rechte Winkel. Diese Anordnung 
der Fasern ist kei allen Gehäusen, die ich gesehen habe, ziemlich die- 
selbe, wenn sie auch nicht immer so regelmäßig ist, wie ich so eben 
beschrieben habe. Die Larven befestigen häufig am hinteren Ende des 
Gehäuses eine oder zwei sehr lange Fasern, die manchmal länger sind 
als das ganze Gehäuse. An einem der Gehäuse sah ich den größten 
Theil der Oberfläche nur mit schwarzen Holzfäserchen bedeckt, die 
kaum die Hälfte der gewöhnlichen Dicke hatten und wahrscheinlich von 
dem Stamme einer Samambaia entnommen waren. Die Puppengehäuse 
sind kürzer als die der erwachsenen Larven; acht, die ich maß, variir- 
ten zwischen 9 und 10,5 mm Länge; das kommt daher, dass die Larven 
gewohnt sind, den hinteren Theil ihrer Gehäuse abzuschneiden, bevor 
sie dieselben befestigen. 

Beide Enden jedes Gehäuses werden mittels einer gestielten Haft- 
scheibe befestigt, die gewöhnlich vom Bauchrande, in seltenen Fällen 
(wie z. B. am vorderen Ende der Fig. 12 A, A’) vom Seitenrande aus- 
geht. Die vordere und hintere Öffnung sind beide mit einem häutigen 
Deckel verschlossen, der in der Mitte einen elliptischen Spalt von unge- 
fähr 0,1 mm Breite bei 0,4 mm Länge darbietet. Der hintere Spalt ist 
senkrecht, von der Rücken- nach der Bauchseite gerichtet; welche 
Richtung der vordere Spalt hat, weiß ich noch nicht, da ich nur lose 
Deckel gesehen habe. 

In der Art, ihre Futterale zu befestigen und in der senkrechten 
Richtung des hinteren Spaltes stimmt mit der eben besprochenen Art 
eine andere (Fig. 13) überein, deren Futterale übrigens von sehr ver- 
schiedenem Aussehen sind. Es sind enge, runde, fast gerade, im hinte- 
ren Theile etwas verdünnte Röhren. Diese Röhren sind aus einer 
widerstandsfähigen und elastischen Haut gemacht, die mit so feinem 
Sande bedeckt ist, dass man ihn leichter durch das Gefühl als durch 
das Gesicht entdeckt, da er den Röhren ein vollkommen glattes und 
glänzendes Aussehen giebt. Ihre dunkelbraune Farbe verdankt das Ge- 
häuse der oben erwähnten Haut, nicht dem Sande, der sie bedeckt und 


60 Fritz Müller, 


der gewöhnlich aus durchsichtigen Quarzkörnchen von 0,05 bis 0,1 mm 
Durchmesser zusammengesetzt ist. Die Länge der befestigten Futterale 
beträgt 7 bis 8,5 mm; der vordere Durchmesser der größten beträgt 
ungefähr 4,2 mm, der der kleinsten 0,9 mm, so dass sie mehr in der 
Weite als in der Länge differiren, da der Durchmesser des hinteren 
Endes immer ungefähr ?/s von dem des vorderen Endes beträgt. 


Unter den freien Futteralen traf ich einige, deren Länge fast das 
Doppelte der befestigten betrug; bei diesen Futteralen war das hintere 
Ende stark verdünnt und merklich gekrümmt. Die Futterale werden 
mit dem Bauchrande beider Enden festgeheftet; die Haftscheiben sind 
gewöhnlich zweilappig oder ausgeschnitten (Fig. 13 A’). 


Die hintere und vordere Öffnung werden beide mit einem häutigen 
Deckel verschlossen. Der vordere Deckel (Fig. 13 A”) hat in der Mitte 
eine kreisrunde Öffnung von 0,075 mm Durchmesser, um welche herum 
man drei sehr verschiedene concentrische Zonen oder Ringe sieht; die 
zweite ist dunkler als die erste, und die dritte erhebt sich wie ein ring- 
förmiger Wall über das Niveau der beiden anderen; die verhältnis- 
mäßige Breite der drei Ringe ist sehr variabel. 


Der hintere Deckel (Fig. 13 A”) hat in der Mitte eine elliptische 
Öffnung; die Achsen der Ellipse betragen ungefähr 0,25 und 0,1 mm; 
die größere Achse steht, wie bei der vorhergehenden Art, senkrecht. 
Bis vor Kurzem betrachtete ich diese Art als sehr selten, da ich sowohl 
in verschiedenen kleineren Bächen als im Bache Garcia nur wenige 
Futterale gefunden hatte; neuerdings aber habe ich in demselben Bache 
eine Stelle entdeckt, wo sich fast an jedem Steine 10 bis 20 oder mehr 
dieser Futterale angeheftet finden. 


Die Ähnlichkeit der beiden letzten Arten beschränkt sich nicht auf 
die in gleicher Weise befestigten und verschlossenen Futterale; ihre 
Verwandtschaft zeigt sich auch im Bau der Larven, Puppen und fertigen 
Insekten. Ihre Larven sind die einzigen unter allen der Trichopteren 
von S. Catharina, die schwimmen können, wozu sie sich der Hinter- 
beine bedienen; von den anderen Larven der Familie der Leptoceriden 
unterscheiden sie sich auch durch entwickeltere Fühler. Die Puppen 
haben am Hinterleibsende zwei starke und lange Spitzen, die sie mit 
einer hin- und hergehenden Bewegung aus dem hinteren Spalt hervor- 
treten lassen; diese Bewegung dient wahrscheinlich dazu, die für die 


Athmung nöthige Wasserströmung hervorzubringen. Die fertigen Insek- 
ten der letzten Art endlich gehören zu den schönsten, die es in der 


Ordnung der Trichopteren giebt; ihre gelben, wie bei den Schmetter- 
lingen mit Schuppen bedeckten Vorderflügel sind mit silbernen Quer- 


. See 


Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. 61 


streifen und schwarzen runden Flecken geschmückt. Die Insekten der 
vorhergehenden Art haben ähnliche, jedoch viel verwachsenere Farben. 

Es giebt noch einen anderen Typus von Leptoceriden-Fuiteralen in 
den Gewässern von Santa Catharina, der durch zwei sehr ähnliche, aber 
an Größe sehr verschiedene Arten (Fig. 14 und 15) vertreten ist. Ihre 
Fuiterale sind von kleinen Steinchen gemacht; sie sind kegelförmig, ge- 
krümmt; für die Umwandlung werden sie mit dem Bauchrande beider 
Enden befestigt und mit Steinen verschlossen, so dass eine halbmond- 
förmige Spalte frei bleibt, die längs des Bauchrandes mit Zähnen be- 
Setzt ist. 

Die Futterale der größeren Art (Fig. 14) sind aus Steinchen von 
ungefähr 0,8 mm Durchmesser (im Ganzen wechseln sie von weniger 
als 0,3 bis 2 mm) angefertigt; die der erwachsenen Larven sind weni- 
ger gekrümmt und am vorderen Ende erweitert, als die der jüngern. 
An einem Gehäuse von 9 mm Länge hatte das vordere Ende 3 mm, das 
hintere 4 mm Durchmesser; der Radius der Krümmung der Bauchseite 
betrug ungefähr I cm. Dagegen hatte an einem schon befestigten Fut- 
teral von 15 mm Länge das vordere Ende 4 mm, das hintere 3 mm 
Durchmesser, und der Radius der Krümmung der Bauchseite betrug 
ungefähr 3 cm. Die hintere Öffnung des Larvenfutterals (Fig. 14 4A’) ist 
mit einer Querwand verschlossen, die aus einer braunen oder schwar- 
zen, harten Substanz, ähnlich der der Grumichafutterale besteht, an 
welche angeleimt sich gewöhnlich einige Steinchen finden; diese Wand 
nimmt die zwei unteren Drittel der Höhe der besagten Öffnung ein; das 
obere, dorsale Drittel lässt sie offen ; diese Öffnung ist unten von einer 
geraden Linie begrenzt. Die Futterale sind in einspringenden Winkeln 
oder Spalten der unteren Seite der Steine befestigt und zwar mit dem 
Bauchrande beider Enden, mittels eines harten, kurzen und breiten 
Bandes, das !/, bis !/; des Umfanges des Futterales einnimmt (Fig. 14 
BCE). 

Um den Bauchrand des hinteren Endes befestigen zu können, muss 
die Larve offenbar die dort vorhandene Querwand entfernen; wenn sie 
dann ihr Gehäuse wieder verschließen will, befolgt sie einen ganz ver- 
schiedenen Plan, indem sie einen engen Spalt zwischen den Bauchrän- 
dern der Querwand und des Futterals frei lässt (Fig. 14 E’). Überdies 
macht sie in diesen Spalt, längs dem Bauchrande des Futterals, eine 
Reihe von 12 bis 15 Zähnen (Fig. 14 B”), die aus derselben harten 
und dunkeln Substanz bestehen, wie der Deckel. Das vordere Ende 
wird auf dieselbe Weise befestigt; nur pflegen die Zähne des Spaltes 
kleiner und zahlreicher zu sein (Fig. 14 0”). Die äußere Oberfläche der 
Deckel ist fast immer mit kleinen flachen Steinen bedeckt (Fig. 14 B’, C). 


62 Fritz Müller, 


Der hintere Spalt findet sich in der Regel nicht am Ende, sondern ist 
‚ein wenig nach innen zurückgezogen, indem der Bauchtheil des Deckels 
sich etwas in das Innere des Futterals krümmt (Fig. 14 E’, E"). 

Wie bei Grumicha können die Puppengehäuse nach ihrer Größe in 
zwei verschiedene Gruppen getheilt werden; die größeren (Fig. 14 D, E) 
haben ungefähr 15 mm, die kleineren (Fig. 14 B, 0) ungefähr 12 mm 
Länge; es ist sehr wahrscheinlich, dass, wie bei jener Art die größeren 
von Weibchen, die kleineren von Männchen bewohnt sind. 

Die Futterale der kleineren Art (Fig. 15) sind im Ganzen denen der 
größeren ähnlich; die Länge der erwachsenen beträgt 8—9 mm, der 
vordere Durchmesser ungefähr 2, der hintere ungefähr 11/; mm, der 
Radius der Krümmung der Bauchseite ungefähr 15 mm. Sie sind aus 
kleineren Steinchen angefertigt, die im Allgemeinen 0,5 mm nicht über- 
schreiten. Die Öffnung des oberen Theils der Querwand, welche die 
hintere Öffnung verschließt (Fig. 15 A’) ist von ovaler Form, unten von 
einem Bogen begrenzt, und nicht ‚von einer geraden Linie wie bei der 
größeren Art. 

Diese Wand pflegt von bräunlicher Farbe zu sein, dunkler um die 
Öffnung herum, manchmal blass, andere Male schwarz. Die Art, das 
Futteral zur Verwandlung in die Puppe zu verschließen und zu be- 
festigen ist dieselbe wie bei der größeren Art; der einzige bemerkens- 
werthe Unterschied besteht in den zum vorderen Deckel gebrauchten 
Steinen; statt einiger kleinerer platter Steine, die sich nicht über die 
Ebene des Einganges erheben, verstopft die kleinere Art sowohl die 
vordere als die hintere Öffnung des Futterals mit einem einzigen Stein- 
chen, welches weit über diese Öffnungen nach außen vorzuspringen 
pflegt (Fig. 15 B’, B”). 

So unregelmäßig diese Steinchen, von außen gesehen, erscheinen, 
so sind sie doch stets mit vieler Sorgfalt ausgesucht; wenn man sie 
untersucht, nachdem sie die Puppe bei ihrem Ausschlüpfen aus dem 
Futteral entfernt hat, sieht man, dass sie alle eine fast ebene und 
kreisförmige Fläche haben, gleich der Öffnung des Futterals, dessen 
Innerem diese Fläche zugewendet ist. 


4) Gehäuse von Arten unsicherer systematischer 
Stellung (Fig. 16, 17). 

Von den beiden folgenden Arten habe ich bis jetzt weder die ferti- 
gen Insekten, noch auch die Puppen untersuchen können, eben so wenig 
habe ich an den Larven Merkmale gefunden, die mir gestattet hätten, 
die Familie, zu der sie gehören, mit Sicherheit zu bestimmen; ich kann 
nur sagen, dass es entweder Leptoceriden oder Sericostomiden sind. Zu 


Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. 63 


Gunsten dieser letzteren Familie können die Vorderecken des Prothorax 
angeführt werden, die bei den Larven der ersteren Art in scharfe und 
lange Spitzen ausgezogen sind, was an die zugespitzten Vorderecken der 
Brustringe erinnert, die, nach Pıcret, die Larven der Gattung Tricho- 
stoma aus der Familie der Sericostomiden charakterisiren !. Die Ge- 
häuse beider Arten sind plattgedrückt und aus Blättern gemacht; die 
der ersteren Art (Fig. 16) bestehen fast immer aus vier Blattstücken, 
von denen zwei die Bauchseite und die beiden anderen die Rückenseite 
bilden; ihre Größe und Gestalt sind im höchsten Grade wechselnd, wie 
die Figuren 16 A, B, C, D, alle in natürlicher Größe, zeigen. Was kon- 
stant ist, ist 1) dass die beiden vorderen Blätter den vorderen Theil der 
hinteren bedecken; 2) dass das vordere Rückenblatt sich nach vorn 
weit über das Bauchblatt hinaus ausdehnt, so dass es auf diese Weise 
den Kopf der Larve schützt; 3) dass die obere Fläche der Blätter dem 
Inneren des Gehäuses zugekehrt und die untere nach außen gewendet 
ist. Diese letzte Regel scheint keine Ausnahme zu haben, und es wir- 
ken vielleicht zwei Beweggründe dahin zusammen, dass die Larve die 
Blätter immer in dieser Weise legt, da nicht nur die untere Fläche wegen 
der Nerven weniger glatt ist, sondern es auch leichter ist, irgend ein 
Blatt so zu krümmen, dass die untere Fläche sich konvex biegt und 
die obere konkav, als in entgegengesetztem Sinne. Die Blätter dehnen 
sich im Allgemeinen nach den Seiten weit über die innere Höhlung des 
Gehäuses (Fig. 16 E) aus, die mit einer sehr dünnen Haut ausgekleidet 
ist; der Querschnitt derselben ist von elliptischer Gestalt, ungefähr halb 
so hoch als breit. Die Dimensionen des inneren Hohlraumes sind viel 
weniger variabel als die der Blätter; er hat etwa 45 mm Länge bei 
% mm Breite und 2 mm Höhe. Das Puppengehäuse ist nur mit dem vor- 
deren Ende befestigt, und zwar vermittels einiger Seidenfäden, die von 
beiden Seiten des Einganges ausgehen; der innere Hohlraum ist an 
jedem der beiden Enden mit einem Siebe (Fig. 16 D’) verschlossen. 
Diese Art ist zwar nicht sehr häufig, sie lebt aber an’ den verschieden- 
sten Örtlichkeiten, sowohl in fast stagnirenden Gewässern, als in Quel- 
len von raschem Lauf. Um sich festzusetzen zieht sie den Steinen die 
ins Wasser gefallenen Baumstämme vor. 

Eine zweite Art (Fig. 17) ist sehr bemerkenswerth durch den unge- 
wöhnlichen Ort, an dem die Larve ihren Wohnsitz hat. Zwischen den 
Blättern der Bromeliaceen, die an den Bäumen des Urwaldes in reich- 
licher Menge schmarotzen, sammelt und erhält sich auf lange Zeit Regen- 
wasser, so wie auch eine außerordentliche Mannigfaltigkeit vegetabili- 


! Westwoop, Introduct. to mod. classific. of Insects. II. p. 68. 


64 Fritz Müller, 


scher Substanzen : Bruchstücke von Zweigen, Blätter, Blüthen, Früchte 
und Samen, die bisweilen dort keimen; endlich trifft man hier eine 
Menge Land- und Wasserthiere, die sich von den mehr oder weniger 
verwesten oder in Humus umgewandelten vegetabilischen Überresten 
nähren: Landplanarien (Geoplana), Blutegel (Clepsine), Asseln, Tausend- 
füße, Ameisen, Dipterenlarven, Wasserjungfern etc. Eines Tages fiel 
mir ein, dass, eben so gut wie so viele andere wasserbewohnende 
Larven, in diesen luftigen Wasserbehältern auch irgend eine Tricho- 
pterenlarve leben könnte. Mit dem Waldmesser bewaffnet ging ich sofort 
in den Wald und hatte wohl kaum ein Dutzend Bromelien abgehauen 


und untersucht, als ich auf ein Trichopterengehäuse stieß, das von allen, 


die ich an anderen Orten gesehen hatte, verschieden war, wenn es auch 
denen der vorigen Art sehr ähnlich ist. Wie diese ist es aus Blattstücken 
gemacht und in der That ist das das einzige Baumaterial, das die Larve 
hier zu ihrer Verfügung hat. Der Bau des Gehäuses ist anscheinend 
sehr ähnlich dem der letzten Art, es wird aber hinreichen folgende 
Unterschiede hervorzuheben, um sie sicher zu unterscheiden: 

1) Die Gehäuse sind viel kleiner; das größte, das ich gesehen habe, 


hatte I mm Länge bei 4 mm Breite; der innere Hohlraum hatte etwa 


2 mm Breite bei I mm Höhe. 

2) Die Zahl der Blattstücke ist viel größer; in der Regel beträgt sie 
14 (wovon 5 auf die Bauchseite, 6 auf die Rückenseite kommen, Fig. 17 
A, A’) oder 13 (6 auf der Bauch-, 7 auf der Rückenseite, Fig. 17 B, B'); 
das kleinste Gehäuse, das ich gesehen habe, hat 7,5 mm Länge und ist 
aus 9 Stücken (4 Bauch- und 5 Rückenstücken) zusammengesetzt. 

3) Diese Blattstücke sind schärfer von einander abgesetzt und in 
der Mitte der Rücken- und Bauchfläche regelmäßig gekrümmt. 

k) Sie gehen über die Seiten des inneren Hohlraumes nicht viel hin- 
aus; die Gehäuse haben daher ein viel regelmäßigeres und gleichartige- 
res Aussehen. 

Die Seitenkanten sind scharf und fast geradlinig, entweder parallel 
(Fig. 17 A) oder nach hinten merklich konvergirend (Fig. 17 B). Die 
übermäßige Breite und die unregelmäßigen Ränder vieler Gehäuse der 
vorhergehenden Art würden für den engen Wohnsitz des Bromelien- 
gastes nicht passen !. 


! Es giebt noch eine dritte Art, die in den Dimensionen des Gehäuses und 
der Zahl der Blätter, aus denen es gemacht ist, zwischen den beiden beschriebenen 
die Mitte hält. Ich werde sie in einem Nachtrage zu dieser Arbeit beschreiben. 


RR 


Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. 65 


5) Die Gehäuse der Sericostomiden (Fig. 18—21). 


Die Familie der Sericostomiden ist bis jetzt in der Provinz Santa 
Catharina nur durch die Gattung Helicopsyche vertreten. 

Nun sind die schneckenförmigen Gehäuse dieser Gattung schon so 
viele Male beschrieben worden, dass es sich nur dann der Mühe lohnen 
würde, von den Arten von Santa Catharina zu sprechen, wenn es mög- 
lich wäre, sie mit den zahlreichen von ‚verschiedenen Autoren veröffent- 
lichten Arten zu vergleichen und ihre unterscheidenden Merkmale fest- 
zustellen. 

Ich beschränke mich daher darauf, die Abbildungen derjenigen 
Formen zu geben, denen ich begegnet bin. 

Die erste derselben (Fig. 18) ist häufig in verschiedenen Quellen 
von raschem Lauf, ungemein häufig über der Waldschlucht » Trauriger 
Jammer« in Blumenau. Wenn ich mich nicht irre, war es diese nämliche 
Art, die ich auf der Serra do Itajahy gesehen habe. Eine zweite (Fig. 19) 
wurde nur in dem » Weißbach« (Ribeiräo Branco), einem Zufluss des 
Itajahy, gefunden; eine dritte (Fig. 20) in stehendem Wasser des Baches 
Garcia; eine vierte (Fig. 21), wie es scheint, sehr seltene, sowohl im 
Bache Garcia als in einigen kleineren Bächen. 

Da ich von den Helicopsyche-Arten spreche, so darf ich nicht unter- 
lassen, eine Stelle Hacen’s!, die sich auf diese Thiere bezieht, zu be- 
rühren. Nachdem er die von Suurteworru beobachtete Thatsache eitirt 
hat, dass sich in allen mit Deckeln versehenen Gehäusen Larven oder 
Puppen fanden, fährt Hagen fort: »daraus würde sich ergeben, dass 
diese Thiere, gegen die Gewohnheit der Phryganiden, schon als Larven 
ihre Gehäuse mit einem Deckel versehen, der bei anderen Arten nur im 
Puppenzustande angetroffen wird«. Nun befestigen und verschließen 
aber alle Trichopterenlarven ihre Gehäuse, bevor sie sich in Puppen 
umwandeln; alle bleiben, nachdem das Gehäuse für die Verwandlung 
bereit ist, noch einige Zeit im Larvenzustande. Die Helicopsyche-Arten 
unterscheiden sich in dieser Beziehung in Nichts von den übrigen 
Trichopteren; sie machen ebenfalls den Deckel des Einganges erst, wenn 
sie im Begriffe stehen sich zu verwandeln und nachdem sie ihr Gehäuse 
befestigt haben. 


6) Die Larven der Hydroptiliden (Fig. 22—30). 
Noch übrig ist die Familie der Hydroptiliden, die in Bezug auf die 
Gehäuse oder Futterale der Larven bis jetzt von allen die reichste an 


1 Hasen, 1. c. p. 425. 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Ba. 


o 


66 Fritz Müller, 


ganz neuen und interessanten Formen ist. Haszn kannte im Jahre 1864 
die Gehäuse von vier Arten dieser Familie ; bis jetzt habe ich schon neun 
neue Arten angetroffen, die sechs verschiedene Typen darstellen. 

Die Gehäuse der ersten Art (Fig. 22) sind diejenigen, die denen 
der anderen Familien noch am meisten ähnlich sehen. Da sie in ihren 
Dimensionen nicht viel hinter denen zurückstehen, die bei den Lepto- 
ceriden und Sericostomiden angetroffen werden, so könnten sie für Ge- 
häuse einer Art dieser Familien .durchgehen. Es sind dünne Röhren, 
deren Länge nicht über 2,5 mm hinausgeht, bei 0,5 mm Breite; sie 
sind aus einer elastischen, widerstandsfähigen Haut gemacht, die mit 
feinstem Sande von hellbrauner Farbe bedeckt ist. Sie sind nicht walzen- 
föormig, sondern abgeplattet, so dass ihre Höhe ungefähr die Hälfte der 
Breite beträgt; die Bauchfläche ist entweder eben (Fig. 22 C’), oder 
häufiger ein wenig konkav (Fig. 22 A’); von oben gesehen zeigen sie 
die Seiten entweder gerade, nach dem hinteren Ende etwas konver- 
girend (Fig. 22 A) oder etwas konvex (Fig. 22 B, O). 

Die Mundöffnung befindet sich an der Bauchseite, sie ist manchmal 
von einer Art Schild bedeckt, welches breiter ist, als der übrige Theil 
der Röhre (Fig. 22 B, D). Die Afteröffnung liegt entweder am Ende oder 
auf der Bauchseite der Röhre. Die Röhren sind mit dem Bauchrande 
beider Enden befestigt; am Mundende haben sie zwei Haftscheiben 
oder eine einzige zweilappige, am Afterende eine einfache Scheibe 
(Fig. 22 0). Diese winzige Art ist in allen größeren und kleineren 
Bächen ziemlich häufig auf der unteren Seite der Steine.‘ Die Larven 
dieser und der folgenden Art sind die einzigen aus der Familie der 
Hydroptiliden, bei denen ich Kiemen gesehen habe; es sind drei lange 
Fäden am Ende des Hinterleibes. 

Die drei folgenden Arten (Fig. 233—25) bauen ihre Futterale nach 
dem Typus der Gattung Hydroptila, von der sich indess die fertigen In- 
sekten dadurch unterscheiden, dass sie einen Sporn an den Hinter- 
schienen haben. Die Futterale sind seitlich zusammengedrückt und 
öffnen sich an jedem Ende mit einem sehr schmalen senkrechten Schlitz. 
Die Gehäuse der ersten dieser drei Arten (Fig. 23) haben ungefähr 3 mm 
Länge bei I mm Höhe und 0,5 mm Breite; sie sind aus einer widerstands- 
fähigen Haut gemacht, mit feinem Sand bedeckt und von aschgrauer 
Farbe. Ihr Querdurchschnitt (Fig. 33 C’) ist linsenförmig; Rückenrand 
und Bauchrand sind gerade und fast immer parallel (Fig. 23 A, B); 
manchmal indessen konvergiren sie ein wenig nach einem Ende 


(Fig. 23 C). Die Enden sind abgerundet, halbkreisförmig (Fig. 23 A, 0); 


bisweilen bilden sie Bogen von mehr als 180° und sind in diesem Falle 


breiter als der mittlere Theil (Fig. 23 B). Es besteht kein Unterschied 


]l 
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Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. 67 


zwischen Vorder- und Hinterende, eben so wenig zwischen Rücken- 
und Bauchkante. Die Larve tritt ohne Unterschied aus dem einen oder 
anderen Ende hervor. Zur Verwandlung werden die Gehäuse an beiden 
Enden mit faserigen Bändern befestigt. 


In der Gestalt und den Dimensionen sind die Gehäuse dieser Art 
denen der folgenden (Fig. 24) sehr ähnlich; doch sind deren Gehäuse 
an der Verschiedenheit des Materials, aus dem sie zusammengesetzt 
sind, und ihre Larven an dem Fehlen der Kiemen sehr leicht zu unter- 
scheiden. Auch zeigt sich bei ihnen in der Anordnung der Baustoffe eine 
sehr bemerkenswerthe Verschiedenheit zwischen dem Rücken- und dem 
Bauchrande, indem der Bau des Gehäuses vom Rückenrande her 


angefangen wird. Das vordere und hintere Ende sind gleich. Manche 


Gehäuse sind aus grünen Stengelchen gemacht, die bisweilen von einer 
Alge herstammen (Fig. 24 A); bisweilen scheinen sie verschiedener Art. 
Die zahlreichsten Gehäuse (Fig. 24 B, C) sind aus Diatomeen (Fig. 24 D) 
gemacht, rechteckigen mikroskopischen Stäbchen von etwa 0,25 mm 
Länge hei 0,01 bis 0,015 mm Breite; die koncenirischen Streifen, die 
durch die Anordnung dieser Stäbchen hervorgebracht werden, geben 
den kleinen Gehäusen das Aussehen winziger Muscheln. 


Zusammen mit diesen, oder auch für sich allein, verwenden die 
Larven eine andere Art Stäbchen von einer schönen Orangefarbe 
(Fig. 24 D’), die aus Gliedern von 0,02 bis 0,025 mm Breite zusammen- 
gesetzt sind, und sich von den blassen, durchscheinenden Stäbchen 
wie goldige Guirlanden abheben. Die Gehäuse werden wie die der vor- 
hergehenden Art befestigt (Fig. 24 B, C). 

Die Gehäuse der dritten catharinensischen Art (Fig. 25), die nach 
dem Typus von Hydroptila gebaut werden, sind nur aus einer farblosen, 
durchscheinenden Substanz zusammengesetzt, die von der Larve selbst 
hervorgebracht wird, ohne Hinzunahme fremder Körper. 


Sie haben 3 bis 3,5 mm Länge bei 1 bis 1,25 mm Höhe und 0,3 mm 


‚ Breite; sie sind also stark zusammengedrückt, besonders im oberen 


Theile (Fig. 25 B’, B”). 

Der Bauchrand ist fast gerade, der mittlere Theil des Rückenrandes 
sehr konvex, die Enden abgerundet. Zwischen den beiden mit enger 
Spalte versehenen Enden ist kein Unterschied. 

Das Gehäuse wird mittels Fasern, die sich dem ganzen Bauchrande 
entlang zu erstrecken scheinen, in senkrechter Stellung an den Steinen 
festgeheftet. 

Die drei vorhergehenden Arten sind nicht sehr selten an den Steinen 
des Bugres-Baches, der fast zwei Kilometer unterhalb des Baches Garcia 

5* 


68 Fritz Müller, 


auf der rechten Seite in den Itajahy mündet. Einige wenige Exemplare 
wurden auch an anderen Stellen gefunden. 

Derselbe Bugresbach ist auch der Lieblingswohnsitz der folgenden 
Art (Fig. 26), deren Häuschen einen ganz neuen Typus darstellen. 
Wegen der beiden Schlote oder Röhren, mit denen diese Häuschen ver- 
sehen sind, habe ich diesem Typus den Namen Diaulus (dıavlog = 
zweiröhrig) gegeben; die Art Diaulus Ladislavii, habe ich zu Ehren des 
Direktors des National-Museums von Rio de Janeiro benannt. 

Die Gehäuse, von ungefähr 2,5 mm Länge bei 0,75 mm Breite, sind 
von den Seiten stark zusammengedrückt, so dass ihre Breite ein Drittel 


bis ein Halb der Höhe beträgt. Der Querdurchschnitt ist elliptisch oder 


linsenförmig; Rücken- und Bauchrand sind fast gerade und parallel; 
die beiden Enden, zwischen denen kein Unterschied ist, sind gerundet 
und mit einem schmalen Schlitz versehen. Vom Rückenrande erheben 
sich zwei fast cylindrische Röhren, von ungefähr 0,2 mm Durchmesser 
und doppelt so viel Höhe, entweder senkrecht oder ein wenig nach den 
Enden des Gehäuses geneigt. Der Abstand der beiden Röhren ist im 
Allgemeinen gleich oder wenig größer als die Hälfte der Länge des Ge- 
häuses; bisweilen jedoch ist der Abstand nur ein Drittel dieser Länge 
oder noch kleiner. Bei einem einzigen Gehäuse (Fig. 26 B) unter Tausen- 
den, die ich sah, habe ich drei Röhren statt zwei angetroffen. Die Ge- 
häuse des Diaulus Ladislavii sind aus denselben rechteckigen und 
durchsichtigen Stäbchen (Fig. 24 D) gebaut, die von einer der vorher- 
gehenden Arten verwendet werden und die sich an den Steinen, wo 
ihre Larven leben, in reichlicher Menge vorfinden. Die Anordnung der 
Stäbchen (Fig. 26 CO) lässt erkennen, dass der Bau des Gehäuses mit 
der Mitte des Rückenrandes angefangen wird; der obere Theil der Röhren 
wird nur aus einer durchscheinenden Haut, ohne Stäbchen, gemacht. 
Oftmals habe ich die Larven dieser, wie auch der Art von Fig. 23, mit 
' dem Mikroskop lebend in ihren Gehäusen beobachtet. Die Form der 
Gehäuse ist, abgesehen von den beiden Röhren des Diaulus, fast die- 
selbe, aber das Verhalten der Larven ist sehr verschieden. Die der mit 
Schloten versehenen Häuschen verhalten sich ruhig, fast bewegunsslos, 
die der nur mit zwei schmalen Schlitzen versehenen Häuschen dagegen 
machen mit ihrem Hinterleib fast ununterbrochen lebhaft schlängelnde 
Bewegungen. Der Grund dieser Verschiedenheit ist leicht einzusehen. 
Die engen Thüren, die den Vortheil haben, den Eintritt irgend eines 


Feindes zu hindern, haben gleichzeitig die Unbequemlichkeit den Durch- 


gang des für die Athmung der Larve unentbehrlichen Wassers zu 
erschweren; diese ist dadurch genöthigt, zur Erneuerung desselben un- 
unterbrochene Anstrengungen zu machen. 


Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. 69 


In den Gehäusen des Diaulus Ladislavii geben die Schlote dem 
Wasser leichten Zutritt, und die Larven können ausruhen, während die 
anderen arbeiten. Es ist sehr merkwürdig, dass so verschiedene Larven 
wie die des Diaulus Ladislavii und der Rhyacophiliden, die bewegliche 
Häuschen aus Steinen (Fig. 3) machen, sich zur Erleichterung der Cir- 
kulation des Wassers in ihren Gehäusen desselben Auskunftsmittels be- 
- dienen, obgleich diese Gehäuse doch übrigens ganz verschieden sind. 
Zur Verwandlung in Puppen werden die Gehäuse des Diaulus Ladislavii 
mit dem ganzen Bauchrande in senkrechter Stellung an der oberen Seite 
von Steinen befestigt. Die Larven setzen sich gern Seite an Seite neben 
einander fest, so dass sie bisweilen ganze Dörfer dieser niedlichen 
Doppelschlothäuschen bilden. 

Nachdem das Gehäuse befestigt ist, webt die Larve einen ovalen, 
am vorderen Ende etwas erweiterten Kokon, der auf allen Seiten ge- 
schlossen ist wie der der Rhyacophiliden, von dem er sich dadurch 
unterscheidet, dass er nicht frei liegt, sondern mit den Wänden des 
Gehäuses zusammenhängt. Wie Diaulus verhalten sich in dieser Be- 
ziehung auch die drei folgenden Arten. 

In einigen kleinen, langsam fließenden Bächen, die mit Heteran- 
thera reniformis, Gallitriche und Spirogyren erfüllt sind, waren Mitte 
August Larven und Puppen einer sehr interessanten Hydroptiliden-Art 
(Fig. 27) sehr häufig, der ich, nach der Form ihrer Futterale und der 
Pflanze, auf der sie leben und von der sich die Larven nähren, den 
Namen Lagenopsyche Spirogyrae gegeben habe. Eine zweite Art der- 
selben Gattung, für die ich, wegen der vollkommenen Durchsichtigkeit 
ihrer Futterale, den Namen Lagenopsyche hyalina vorschlage (Fig. 28), 
lebt unter Steinen, in Quellen von rascherem Laufe, wie im Bugresbache. 

Um sich eine Vorstellung von den Larven von Lagenopsyche zu 
machen, denke man sich den Boden einer Flasche abgeschnitten und 
dann den unteren Theil dieser bodenlosen Flasche zusammengedrückt, 
bis sich die entgegengesetzten Ränder berühren. Die Mündung der 
‚Flasche ist kreisförmig; weiter hinten ist der Querdurchschnitt elliptisch, 
so dass die beiden Achsen der Ellipse immer verschiedener werden ; 
die längere Achse nimmt nämlich mehr und mehr zu, während die 
kürzere bis nahe dem entgegengesetzten Ende etwa gleich dem Durch- 
messer der Mündung bleibt; hier nimmt sie plötzlich ab und reducirt 
sich an dem Ende selbst, in welchem die entgegengesetzten Wände sich 
an einander legen, auf Null. Die Larve tritt aus ihrem Gehäuse durch 
die Mündung hervor, kann jedoch auch aus dem entgegengesetzten Ende 
hervortreten, indem sie die sich berührenden Wände des Spaites von 
einander entfernt; sie trägt das Futteral in solcher Stellung, dass die 


70 Fritz Müller, 


größere Achse jedes Querschnittes senkrecht, die kleinere wagerecht 
steht (Fig. 27 C). Während bei den Häuschen von Diaulus Ladislavii 
kein Unterschied zwischen den beiden Enden, dagegen ein sehr großer 
Unterschied zwischen Rücken- und Bauchseite besteht, sind bei den 
Futteralen von Lagenopsyche, im Gegentheile, Rücken- und Bauchrand 
identisch, so dass das Thier ohne Unterschied den einen oder den ande- 
ren nach oben kehrt, dagegen die beiden Enden sehr verschieden, in- 
dem das vordere eine kreisförmige Mündung, das hintere einen vertika- 
len Spalt darstellt. 

Die Futterale werden, ohne fremde Körper, nur aus einem Stoffe 
gemacht, den die außerordentlich großen Seiden- oder Spinndrüsen der 
Larve liefern; aus diesem Stoffe wird, indem er erhärtet, eine leder- 
artige elastische Haut. 

Der Bau der Futterale beginnt mit der Mündung der Flasche 
(Fig. 27 A, B, C, D) und es scheint, dass die Larve, indem sie ihr Werk 
hinten fortsetzt, gleichzeitig den vorderen Theil mit neuen Schichten 
verstärkt; wenigstens sind dort die Wände der Flasche viel dicker, 
während sie am entgegengesetzten Ende am dünnsten sind. Allen übri- 
gen Trichopterenlarven, deren Gehäuse zwei verschiedene Enden haben, 
dient das neueste Ende als Thür; die von Lagenopsyche sind die einzi- 
gen, deren Thür sich am ältesten Ende befindet. Dieser Thür oder 
Flaschenmündung wird von Anfang an ihr definitiver Durchmesser ge- 
geben; sie erfährt später keine Erweiterung. Es erscheint mir wahr- 
scheinlich, dass die Larven im zarten Alter ohne Futterale leben; 
wenigstens waren die kleinsten Futterale, die ich gesehen habe, von 
schon ziemlich herangewachsenen Larven bewohnt, denen sie kaum 
irgend einen Schutz gewähren konnten; es waren sehr kurze Trichter 
von äußerst dünner Haut, in denen noch nicht einmal die Hälfte der 
Larve Platz hatte. Wahrscheinlich wird der Hauptnutzen des Futterals 
darin bestehen, nicht die Larve, sondern vielmehr die Puppe zu 
schützen, die unfähig ist zu fliehen und sich zu veriheidigen. Die 
Mündung der Flasche hat bei Lagenopsyche Spirogyrae ungefähr 0,5 mm 
Durchmesser, während die Länge 3,5 bis 4,5 mm und die Höhe des 
hinteren Endes 1,25 bis 1,5 mm beträgt. Weder in der Form noch in 
den Dimensionen unterscheiden sich die Flaschen von Lagenopsyche 
hyalina (Fig. 28 A) bemerkenswerth von denen von L. Spirogyrae. Ein 
auffallenderer Unterschied zwischen beiden Arten besteht in dem Aus- 
sehen der Futterale, die bei L. hyalina farblos und vollständig durch- 
sichtig, bei L. Spirogyrae von einer dunkelrothen, mehr oder weniger 
ins Braune spielenden Farbe sind; diese Farbe der Spirogyraefutterale 
ist am Munde dunkler, bisweilen fast schwarz, bleibt dagegen hinten 


Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse, 71 


jedes Mal heller und verwaschen. Nebenbei sei bemerkt, dass sich die 
Larven beider Arten leicht an den Mittel- und Hinterbeinen unter- 
scheiden lassen, die bei L. Spirogyrae mit viel längeren Krallen ver- 
sehen sind, als bei L. hyalina. Die Larven der Lagenopsyche Spirogyrae 
befestigen ihre Futterale an der unteren Seite der Blätter von Heteran- 
thera oder Gallitriche (ich habe 17 Futterale an einem einzigen Blatte 
von Heteranthera gezählt) — die der L. hyalina an der Unterseite von 
Steinen. Zu diesem Zwecke wird das Futteral auf eine Seite gelegt, und 
dann jederseits an beiden Enden mittels gestielter Haftscheiben be- 
festigt; Alle diese Stiele sind bei L. Spirogyrae (Fig. 27 E, F) einfach; 
bei L. hyalina dagegen theilen sich die des dem Munde entgegengesetz- 
ten Flaschenendes in zwei Äste, deren jeder mit einer Scheibe endigt 
(Fig. 28 B, C). 

Nachdem das Futteral befestigt ist, spinnt die Larve ihren an allen 
Seiten geschlossenen Kokon, der mit den Wänden des Futterals ver- 
schmilzt; von diesem bleibt nur etwa ein halbes Millimeter am breiteren 
Ende unbesetzt. Das Ende, welches für die Larve das hintere war, ist 
für die Puppe das vordere, denn bevor sie sich umwandelt, wechselt 
die Larve zwei Mal ihre Stellung; zuerst (Fig. 27 E) wendet sie ihren 
Kopf nach dem breiteren Ende und dann (Fig. 27 F) dreht sie den 
Rücken an die freie Oberfläche des Futterals. Obgleich übrigens sehr 
verschieden, gleichen die Futterale von Lagenopsyche in der Art, wie sie 
befestigt werden, denen der Hydroptila flabellifera Bremi, die in der 
Schweiz gefunden worden sind und nach Hasen zur Gattung Agraylea ! 
gehören können. 

Der erste Versuch einer Eintheilung der Trichopterengehäuse scheint 
von WıLLucHBy gemacht worden zu sein; er wurde 1710 in der Historia 
Insectorum von Ray veröffentlicht. 

Die Gehäuse werden in zwei Hauptklassen getheilt 2: 

»Insecta aquatica thecis se contegentia sunt vel theca 

I. immobili seu lapidibus affıxa ..... . vel 
II. mobili aut portatili, migratoria «. 

- Dieser Eintheilung Wırrucagy’s ist noch Hagen ® gefolgt, der eben- 
falls unterscheidet: 1) befestigte, unbewegliche Gehäuse; 2) freie, be- 
wegliche Gehäuse. 

Und in der That können alle bekannten Arten auf eine dieser bei- 
den Klassen bezogen werden. Heute liegt der Fall anders; in den 
Quellen Santa Catharina’s giebt es eine Larve, für die WıLLucHBYy eine 


1 Hacen, 1, c. p. 445 und p. 234, Nr. 44. 
2 Hasen, 1. c. p. 139. Westwoo», Introduct. II. p. 63. 
3 HAGEN, 1. c. p. 14% und 223. | 


72 Fritz Müller, 


dritte Klasse aufstellen müsste : »theca lapidibus affıxa, mobili«, da ihre 
Futterale mittels eines biegsamen Seiles befestigt sind (Fig. 29). Ich 
stelle für diese merkwürdige Art den Namen Rhyacopsyche Hagenii auf, 
indem ich sie dem ausgezeichneten Entomologen am Museum zu Cam- 
bridge, Dr. H. A. Hasen, widme. Die Gestalt der Futterale dieser Art 
ändert sich etwas mit dem Alter derLarve, entsprechend dem wachsen- 
den Umfange des Hinterleibes, der in der Familie der Hydroptiliden bei 
erwachsenen Larven eine bisweilen außerordentliche Dicke zu erreichen 
pflegt. Die Futterale der weniger alten Larven, die ich gesehen habe, 
waren cylindrisch, fast gerade, an beiden Enden geöffnet, von unge- 
fähr 4,5 mm Länge bei 0,4 mm Durchmesser. Vom Rande einer der 
Öffnungen geht ein Seil ab, aus in der Regel wenig unterscheidbaren, 
mehr oder weniger gedrehten Fäden, dessen Länge der des Futterals 
ungefähr gleich zu sein pflegt; mit dem anderen Ende ist das Seil an 
der oberen Seite irgend eines Steines befestigt. Die Farbe des Futterals 
ist verwaschen braun; ich wage nicht zu entscheiden, ob es ohne 
fremde Körper gemacht wird, oder ob mikroskopische Algenfragmente 
in seine Zusammensetzung eintreten. Später erscheint an der Seite des 
Cylinders, von der das Seil ausgeht, eine Art Bruch (hernia) (Fig. 29 
A, B, C); er wird von einer glatteren, blassen Haut gebildet, die mit 
der Zeit, sowohl an Länge als an Breite, immer mehr zunimmt, bis sie 
schließlich fast drei Viertel der Länge des Gylinders einnimmt (Fig. 29 C) 
und in der Mitte eben so dick wie dieser ist. Die Grenze zwischen dem 
ursprünglichen Cylinder und diesem Zuwachs neuern Datums hebt sich 
im Allgemeinen sehr scharf ab; wenn die Larve im Begriff steht, sich 
zu verwandeln, verschließt sie zuerst (Fig. 29 D, E) das dem Seilende 
entgegengesetzte Ende des Futterals mit einer homogenen, der des Fut- 
terals gleichen Haut. Gleichzeitig beginnt die ganze Wand des Futterals 
mittels neuer Schichten sich bedeutend zu verdicken, wodurch ihre 
Haut jedes Mal dunkler wird. Dann verkürzt sich die Länge des Seiles 
bedeutend und es verwandelt sich in einen kurzen und festen Schaft, 
der im Stande ist, das Futteral in aufrechter Stellung zu tragen. End- 
lich wird die zweite Öffnung des Futterals ebenfalls verschlossen 
(Fig. 29 F). Die Puppe befindet sich in dem Futterale mit dem Kopfe 
nach oben; zum Ausschlüpfen macht sie am oberen Ende ein Loch. 

Diese Hydroptilide ist sehr selten; ich habe wenigstens noch keine 
Stelle gefunden, wo sie häufig wäre. | 

Sie lebt in verschiedenen Bächen (Jordan, Affenwinkel, Trauriger 
Jammer u. s. w), zieht aber Stellen vor, wo der Lauf des Wassers sehr 
rasch ist. Sie scheint sich von Algen zu nähren, die gewöhnlich die 
Steine solcher Stellen bedecken. 


Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. 73 


Da sie sich mit einem Seile festheftet, so kann sie nicht von der 
Strömung des Wassers weggeführt werden und theilt auf diese Weise 
_ den Vortheil der unbeweglichen Gehäuse; gleichzeitig ist sie aber im 
Stande, eine weit größere Fläche abzuweiden als wenn das Gehäuse 
unbeweglich wäre; die Larve kann ohne Unterschied aus der einen oder 
anderen Thür ihres Häuschens hervortreten und wird wahrscheinlich 
die Länge des Seiles verändern können. Diese sonderbare Gewohnheit, 
ein Haus an einem biegsamen Seile zu befestigen, wird dem sehr selt- 
sam erscheinen müssen, der nur die Gehäuse und die todten Larven 
studirt. Wer die lebenden Larven 'beobachtet, wird sich leicht über- 
zeugen können, dass mannigfache andere Arten ebenfalls ihre Gehäuse 
zu befestigen pflegen, wenn auch nur vorübergehend. Wenn man z.B. 
Larven von Helicopsyche in ein Wasserglas setzt, an dessen senkrech- 
ten Wänden sie, da sie mit schweren Steinhäusern belastet wandern, 
nur mit vieler Mühe emporklimmen und sich festhalten können, so ver- 
weilen sie trotzdem oftmals während ganzer Stunden an irgend einem 
Punkte dieser Wände. Untersucht man diese Larven-Halteplätze, so 
sieht man, dass die Larven sich vollkommen in das Gehäuse zurückge- 
zogen haben, ohne sich mit den Beinen festzuhalten, und wenn man das 
Glas leicht schüttelt, überzeugt man sich, dass sie sich mit einigen 
Seidenfäden angeheftet haben. Es ist wohl bekannt, dass verschiedene 
Schmetterlingsraupen,, die in Futteralen leben (Psyche), auf dieselbe 
Weise vorschreiten, indem sie mit einigen Fäden die Futterale festheften 
und sich in das Innere derselben zurückziehen, wenn sie sich ausruhen 
wollen. 

Ich schließe die Reihe neuer Formen, die ich so eben beschrieben 
habe, mit einer Art (Fig. 30), von der ich noch nicht das vollkommene 
Insekt, sondern nur Bruchstücke der Puppe gesehen habe und desshalb 
nicht mit Sicherheit weiß, zu welcher Familie sie gehört. Der Hinter- 
leib der erwachsenen Larve ist äußerst stark verbreitert, mehr als bei 
irgend einer anderen catharinensischen Art; das ist der Hauptgrund, 
wesshalb ich sie hier besprochen habe. 

Die Gehäuse sind unbeweglich, indem sie mit der ganzen Bauch- 
fläche an den Steinen größerer Bäche von raschem Laufe befestigt sind. 

Vor einigen Jahren sah ich sie in großer Menge im Bache Warnow 
(einem Zufluss des Itajahy), wogegen sie im Bache Garcia sehr selten 
sind. Sie sind elliptisch, von A bis 5 mm Länge und 2,2 bis 2,5 mm 
Breite; in seltenen Fällen erheben sie sich in der Mitte auf mehr als 
0,5 mm. 

Sie sind also abgeplattet, ähnlich einem Schild, oder, noch besser, 
den Kapseln, welche die Eier der Nephelis vulgaris, eines in den Ge- 


74 Fritz Müller, 


wässern Europas sehr häufigen Blutegels, umschließen. Eben so wie 
diese Kapseln von Nephelis sind sie von brauner Farbe und aus einer 
lederartigen Substanz gemacht, die wahrscheinlich von den Spinndrüsen 
der Larve abgesondert worden ist. Die Rückenwand ist viel dichter als 


die Bauchwand, so dass sie kaum unversehrt von dem Stein, an dem 


sie sitzen, getrennt werden können. Auf der Rückenfläche erheben sich 
fast immer parallele Linien, die, senkrecht zur größeren Achse der 
Ellipse, fast ununterbrochen von einem zum anderen Seitenrande ver- 
laufen. Der Abstand von einer zur anderen Linie pflegt von 0,08 bis 
0,12 mm zu variiren. Einmal sah ich diese Linien durch Querreihen 
kleiner Höcker ersetzt; in anderen Fällen sind die Linien mehr oder 
weniger unbestimmt. Nahe jedem Ende der größeren Achse befindet 
sich eine kreisförmige oder elliptische Öffnung, die die Larve vollständig 
zu verschließen scheint, ehe sie in den Puppenzustand übergeht. 

Ich stelle für den Bewohner dieses merkwürdigen Gehäuses den 
Namen Peltopsyche Sieboldii auf, indem ich diese Art dem ehrwürdigen 
Veteranen der deutschen Zoologen, dem Professor Carı THEODOR von 
SIEBOLD, widme. 


Das sind die Trichopterengehäuse, die ich bis jetzt in der Provinz 


Santa Catharina gefunden habe. Ohne Zweifel muss die Zahl der Arten, 
die die Gewässer dieser Provinz bewohnen, sehr viel größer sein und 
meine Liste wird Nachträge, von wahrscheinlich größerer Ausdehnung 
als diese Liste selbst, erfordern. Unvollkommen jedoch und unvoll- 
ständig, wie sie ist, kann die vorliegende Arbeit vielleicht dazu dienen, 
andere Naturforscher anzuregen, in anderen Theilen des Reichs nicht 
nur die so merkwürdigen Gehäuse der Trichopteren zu sammeln, son- 
dern sich auch dem viel interessanteren Studium der Biologie ihrer 
Einwohner zu widmen. 


Itajahy, Oktober 1878. 


Nachtras. 


Mit diesem Nachtrage beabsichtige ich nicht bloß die Liste der 
catharinensischen Arten zu vervollständigen, sondern auch ihre systema- 
tische Stellung, besser als es mir möglich war, so lange ich nur ihre 
Larven und Puppen kannte, zu präcisiren. Heute bereits habe ich die 
Verwandlung der meisten bis zum Zustande der fertigen Insekten ver- 
folgt. | 


; ur er re ER 


Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. 75 


1) Hydropsychiden. 

Diese Familie ist von MacLachran! in fünf Sektionen getheilt wor- 
den, von denen in der Provinz Santa Catharina sich wenigstens drei 
vertreten finden. 

Das Gehäuse (Fig. 5) gehört zur Gattung Macronema, die Mac- 
LacaLan’s zweite Sektion ausmacht. Obgleich sie reich ist an über alle 
tropischen Länder verbreiteten Arten und sich in Nordamerika bis zum 
46., in Asien bis zum 55. Breitengrade ausdehnt, wusste man noch 
Nichts von den Larven dieser Gattung und von ihren Gehäusen. 

Die Gatiung Rhyacophylax (Fig. 6) wird in die vierte Sektion ein- 
treten müssen; sie unterscheidet sich von allen übrigen Gattungen, 
nicht nur dieser Sektion, sondern der ganzen Familie der Hydropsychi- 
den, durch die Zahl der Sporne an den Schienen der Männchen (Il, 4, 2). 

In die fünfte Sektion ist wahrscheinlich eine kleine Hydropsychide 
einzureihen, von der ich die fertigen Insekten noch nicht gesehen habe, 
und deren Larven an senkrechten Felswänden, die vom Staubregen 
irgend eines Wasserfalles immer feucht gehalten werden, gewöhnlich 
sehr häufig sind. Wenigstens sind die von den Larven verfertigten Ge- 
häuse (Fig. 31 A, B) sehr ähnlich denen von Tinodes (Hydropsyche) 
maculicornis Pict. 

Diese an den Felsen festsitzenden Gehäuse haben im Allgemeinen 
1 bis 2 cm Länge bei doppelt so viel mm Breite; an beiden Enden sind 
sie etwas verdünnt; bisweilen steigert sich ihre Länge, ohne merkliche 
Zunahme der Breite, auf 4 bis 5 cm. 

Die längsten sind gewöhnlich mehr oder weniger gekrümmt, so dass 
sie gewissen Würmern (Geoplana oder Nemertinen) ähneln, und zwar 
nicht nur in der Gestalt, sondern auch darin, dass sie weich sind. 

Ihre Farbe ist aschgrau, mehr oder weniger grünlich. 

Sie sind aus Seide gemacht, die mit mikroskopischen Algen, Dia- 
tomeen u. s. w. vermischt und bedeckt ist. Sie sind halb cylindrisch 
und haben keine Bauchwand, da der Felsen, dem sie die Seitenränder 
des Halbcylinders anlegen, selbst als solche dient. 

Die Larven, die diese Gehäuse weben und bewohnen, erreichen 
bisweilen noch nicht einmal ein Zehntel der Länge der Gehäuse; auch 
behalten sie, wenn sie im Begriff sind, sich in Puppen umzuwandeln, 
nur ein kleines Stück, von eiwa 5 mm Länge, von ihrer Wohnung 
(Fig. 31 C), deren Wände sie sehr verdicken; gleichzeitig mit der Zu- 
nahme an Dicke werden die Wände widerstandsfähiger, hart und fast 


1 MAcLachLan, A monographic revision and synopsis of the Trichoptera of the 
European fauna: Part. VII. 4878. 


76 Fritz Müller, 


knorpelig. Die Puppengehäuse haften fest an den Felsen, während die 
der Larven fast frei sind und dem Versuche, sie zu entfernen, keinen 
merklichen Widerstand entgegensetzen. 

Im Flusse Itajahy traf ich an der Oberfläche von Felsen, besonders 
solcher, die mit Podostemeen besetzt waren, einige wenige Gehäuse 
einer Hydropsychide, die wahrscheinlich ebenfalls in die fünfte Sektion 
MacLacuzan’s gehört; sie sind bemerkenswerth wegen ihrer außer- 
ordentlichen Ähnlichkeit mit den Gehäusen der Gattung Peltopsyche aus 
der Familie der Hydroptiliden. Eben so wie diese sind es platte ellip- 
tische Schilde von mehr oder weniger dunkelbrauner Farbe von unge- 
fähr 7 mm Länge bei 3 mm Breite. Sie sind also größer als die unserer 
Peltopsyche-Arten. Es fehlt ihnen eine Bauchwand, da die Ränder an 
die Felsen festgeheftet sind. Sie sind aus Seide gemacht, die eine sehr 
widerstandsfähige, fast lederartige Haut bildet und deren innere Ober- 
fläche blässer oder bis vollkommen weiß ist. Ich habe die fertigen In- 
sekten noch nicht gesehen, aber die Puppen zeigen durch die Zahl der 
Schiensporne (2, 4, 4), durch die Kiefertaster und durch andere Merk- 
male, dass sie nicht zur Gattung Peltopsyche, auch nicht zu einer ande- 
ren Gattung der Hydroptiliden, sondern zu den Hydropsychiden gehören. 


2) Leptoceriden. 

MacLacntan theilt diese Familie in vier Sektionen, von denen der 
Fauna von Santa Catharina nur die erste fehlt. 

Zur zweiten Sektion, die in der europäischen Fauna auf die 
Gattung Odontocerum beschränkt ist, gehören die beiden Arten, deren 
aus Steinchen gebaute Röhren in Fig. 14 und 15 dargestellt sind. Sie 
werden eine neue Gattung bilden müssen ; ich schlage für dieselbe den 
Namen Marilia vor und nenne die beiden Arten Marilia major (Fig. 14) 
und Marilia minor (Fig. 15). Diese neue Gattung unterscheidet sich von 
Odontocerum durch die nicht gezähnten Fühler, durch die sehr großen 
Augen der Männchen (auf dem Scheitel der Männchen von Marilia minor 
berühren sich die Augen; bei Marilia major sind sie nur durch einen 
schmalen Zwischenraum getrennt), durch das Verschmelzen des Radius 
und der ersten Endader (sector apical) sowohl auf den Vorder- als auf 
den Hinterflügeln, und durch andere Merkmale. 

. Die beiden Arten Marilia, deren Gehäuse ich beschrieben habe, 
sind in verschiedenen Bächen häufig. Es giebt eine dritte, anscheinend 
sehr seltene Art, deren Larven ich im Flusse Itajahy gefunden habe. 
Die Gehäuse unterscheiden sich von denen von Marilia major fast nur 
dadurch, dass sie viel kürzer sind, so dass es überflüssig ist, eine Ab- 
bildung von ihnen zu geben; um eine genaue Vorstellung von ihrer 


Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse, 77 


Gestalt zu gewinnen, braucht man sich nur von den Gehäusen von 
Marilia major (Fig. 14 A) die hintere Hälfte abgeschnitten zu denken. 
Das einzige Gehäuse dieser dritten Art, welches ich jetzt habe, hat 
6 mm Länge, 2 mm Durchmesser des Einganges und 1,5 mm Durch- 
messer des hinteren Endes. Das hintere Ende ist, wie bei den anderen 
Marilia-Arten, durch eine Querscheidewand mit einem elliptischen Loch 
im oberen Theile verschlossen. Die Substanz, aus der diese Wand ge- 
macht ist und mit der die Steinchen des Gehäuses an einander geleimt 
sind, ist sehr blass, fast farblos, während sie bei den beiden anderen 
Arten schwarz oder braun ist. 

Vielleicht muss in dieselbe zweite Sektion MacLacaLan’s auch die 
Grumicha (Fig. 8) eingeschlossen werden ; wenigstens wird sie von der 
vierten Sektion durch das Fehlen der Medianzelle, von der dritten durch 
das Vorhandensein einer zweiten Endgabel (apical fork«) in allen 
Flügeln ausgeschlossen. 

In die dritte Sektion MacLacnran’s gehören die Arten der Figu- 
ren 7, 9, 10, 42, 43 und wahrscheinlich, nach der Länge der Hinter- 
beine der Larven zu urtheilen, die von Figur 11. Die genannten Arten 
gehören zu drei verschiedenen Gattungen. 


Tetracentron. — Die Insekten, deren Larven in hohlen Stäb- 
chen (Fig. 7) oder als Eindringlinge in den Gehäusen von Grumicha 
(Fig. 9) leben, bieten alle von Brauer für die Gattung Tetracentron an- 
gegebenen Merkmale dar, von der bis jetzt nur zwei Arten (T. saro- 
thropus Br. und T. amabile MacLachl.), beide in Neu-Seeland ein- 
heimisch, bekannt waren. 


Die Grumicharöhren sind nicht die einzigen, die von eingedrungenen 
Larven benutzt werden; auch die verschiedener kleinerer Arten, wie 
Setodes gemma (Fig. 13), Marilia minor (Fig. 15) und Grumichella 
(Fig. 10) finden sich bisweilen von Larven besetzt, die wahrscheinlich 
ebenfalls in die Gattung Tetracentron gehören. Sie stimmen mit den 
eingedrungenen Larven der Grumicharöhren nicht nur in der Gewohn- 
heit überein, sich fremder Gehäuse zu bemächtigen, sondern auch in 
Eipenthümlichkeiten des Baues, z. B. darin, dass die Hinterschienen in 
zwei Glieder getheilt sind. 


Die Larven, die als Eindringlinge in den Röhren von Setodes, 
Marilia und Grumichella leben, pflegen an das vordere Ende dieser 
Röhren Holzstückchen zu befestigen. Diese Holzstückchen, die biswei- 
len viel dicker und länger sind, als die Röhren selbst, legen sich ent- 
weder an diese an oder stehen in verschiedenen Richtungen unter 
Winkeln von selten mehr als 30° von der Röhre ab. (Siehe Fig. 33, in 


78 Fritz Müller, 


welcher A bis G Röhren von Setodes gemma, H und / Röhren von 
Marilia minor und K eine Röhre von Grumichella darstellt.) 

Wahrscheinlich dienen diese Holzstückchen oder Stäbchen dazu, 
die Röhren zu verdecken und auf diese Weise den Feinden ihrer legi- 
timen Eigenthümer zu entziehen. In der That ist es in gewissen Fällen 
(Fig. 33 G und K) schwer, die Röhre zwischen den sie umgebenden 
Stücken zu entdecken. 

Wenn auch zu derselben Gattung, so dürfte doch nicht zu derselben 
Art eine Larve gehören, die ich im Bugresbache gefunden habe (Fig. 34); 
sie wohnte in einem hohlen Stäbchen und machte, trotzdem dass dies 
am oberen Ende offen war, ein kleines Loch, und bedeckte die Öffnung 
mit einem Holzstück, unter dem sie vollkommen verborgen blieb: 
außerhalb dieses Holzstückes befestigte sie an den Seiten und an der 
Bauchfläche des vorderen Endes ihres Häuschens kleinere Stücke. 

Grumichella (Fig. 32). Die Insekten, deren Larven die Futterale 
machen, die ich unter dem Namen Grumichinha (Fig. 10) beschrieben 
habe, sind nächste Verwandte der Gattung Leptocerus, von der sie sich 
jedoch dadurch unterscheiden, dass sie in den Vorderflügeln sowohl in 
dem einen als im anderen Geschlechte die Endgabeln 3? und 5? besitzen, 
während in der Gattung Leptocerus 3? fehlt, dagegen 1? vorhanden ist, 
die bei den Grumichinhas nicht angetroffen wird. 

Ich schlage für diese Insekten den Gattungsnamen Grumichella vor. 
Bis vergangenes Jahr hatte ich die Grumichinhas nur im Bache » Affen- 
winkel« gefunden, wo sie ziemlich selten sind; in weit größerer Menge 
leben sie an den Wasserfällen verschiedener Bäche (Trauriger Jammer, 
Caete u. s. w.), da sie senkrechte Felsen vorziehen, an denen eine sehr 
dünne Wasserschicht herabläuft. | 

Das hintere Ende der Grumichinharöhren wird, wie bei Grumicha, 
durch eine mit einem centralen Loch versehene Querwand verschlossen ; 
unter diesem Loch erhebt sich von der Endwand der Grumichinharöhre 
ein dreieckiger Vorsprung, eine Art Sporn (Fig. 32 A, B, C, D), ent- 
weder gerade oder ein wenig nach oben gebogen. In irgend einen 
mikroskopischen Spalt des Felsens eingefügt wird dieser Sporn zum 
Festhalten der Grumichinhas dienen können. 

Noch viel seltsamer ist die Art, wie die Grumichinhas den Gefahren 
zu entgehen wissen, von denen sie an den Wasserfällen, die sie be- 
wohnen, unvermeidlich bedroht erscheinen. 

Andere Trichopteren, unter ihnen auch Grumicha, durchschneiden, 
wenn die Puppen bereit sind, sich in fertige Insekten zu verwandeln, 
mit den Mandibeln den Rand des Deckels, der den Eingang der Röhre 
verschließt; wenn dies geschehen ist, fällt der Deckel, während er an 


Über die von den Triehopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. 79 


der Röhre befestigt bleibt; alsdann kriecht die Puppe hervor und er- 
leidet, an der Oberfläche des Wassers schwimmend, hier ihre Umwand- 
lung. Da die Röhren der Grumichinha sich in der Regel, mit dem Ein- 
gange nach oben gekehri, an Felsen befestigt finden, wo das Wasser 
der Wasserfälle aus der Höhe auf sie herabfällt, so würden die Puppen, 
zarte und zerbrechliche Thierchen wie sie sind, nach der Entfernung 
des Deckels nicht aus ihren Futteralen hervorgehen können, ohne fast 
unfehlbar durch die Gewalt des Wassers zerquetscht zu werden. 

Diese Gefahr wird auf eine höchst einfache Weise glücklich ver- 
mieden: der Stiel der Scheibe mittels welcher die Röhren der Puppen an 
die Felsen geleimt sind, geht nicht, wie bei Grumicha , vom Rande der 
Röhre, sondern vom Deckel aus (Fig. 32 E). Sobald daher der an die 
Felsen befestigte Deckel von der Röhre getrennt ist, wird die Puppe, in 
ihrem Gehäuse unversehrt, durch. das Wasser bis zu irgend einer ruhi- 
gen Stelle fortgeführt, wo sie ausschlüpfen und sich verwandeln kann. 

Die von verschiedenen Wasserfällen stammenden Röhren der Gru- 
michinhas scheinen gewisse Verschiedenheiten darzubieten: die des 
"Affenwinkels sind vollständig glatt und schwarz; die des Traurigen 
Jammers sind im Allgemeinen weniger dunkel, kleiner und mit mehr 
oder weniger deutlichen ringförmigen Streifen versehen; die eines 
Wasserfalls nahe bei Belxior (Fig. 32 B, B’) pflegen einen sehr kurzen 
Sporn zu haben. Abweichender sind die vom Bache Caete; sie sind im 
Allgemeinen länger, weniger dick und mit einem deutlich nach oben 
 gekrümmten Sporn (Fig. 32 C, D) versehen; ihr Deckel zeigt nicht, wie 
bei den Exemplaren anderer Wasserfälle, einen halbmondförmigen 
Spalt über der Mitte (Fig. 10 B), sondern außer einem Spalte von ver- 
schiedener und wechselnder Gestalt, ein oder zwei kleinere Löcher, die 
unter dem Hauptspalt liegen (Fig. 32 E, F, @). 

Ich weiß nicht, ob dieser Unterschied sich als konstant heraus- 
stellen wird, da ich nur ungefähr ein halbes Dutzend Deckel von dem 
‚genannten Bache untersucht habe; von anderen Lokalitäten habe ich 
mehr als 40 Deckel untersucht und immer einen halbmondförmigen 
Spalt gefunden. 

Es muss bemerkt werden, dass es vom Affenwinkel zum Bache 
Caeie nur 16 bis 20 Kilometer sind; die Existenz so verschiedener 
 Lokalvarietäten an so wenig von einander entfernten Orten würde da- 
her sehr interessant sein. 
| Setodes (Fig. 35, 12,13). Die Insekten, deren Larven die Röhren 

von Fig. 42 und 13 bauen, sind in Gestalt, Nerven der Vorderflügel und 
anderen Merkmalen sehr ähnlich der Setodes punctata und viridis, die 
MacLacatAan als typische Arten der Gattung Setodes betrachtet. Doch 


30 Fritz Müller, 


sind die Hinterflügel bei den catharinensischen Arten weniger breit als bei 
den beiden europäischen ; sie gleichen mehr denen der Gattung Homilia. 

Wenn unsere Arten aus diesem Grunde aus der Gattung Setodes 
in dem von MacLacnLan beschränkten Sinne entfernt werden müssten, 
so würden sie wenigstens zu dieser Gattung in dem bisher gebräuch- 
lichen weiteren Sinne zu stellen sein. 

In Bezug auf jene beiden Arten sagt MacLacnLan, dass es wahre 
Juwelen seien unter den europäischen Trichopteren. Dasselbe lässt 
sich mit noch mehr Recht von einer unserer Arten (der von Fig. 13) 
sagen, deren gelbliche oder orangegelbe Vorderflüge! von weißen, 
silbernen Bändern durchschnitten und mit sammetschwarzen Flecken 
verziert sind. Ich schlage für diese schönste Art den Namen Setodes 
gemma vor. 

Neuerdings habe ich eine dritte Art derselben Gattung gefunden 
(Fig. 35), deren (sehr seltene) Larven und Puppen in verschiedenen 
Bächen (z. B. dem Bugresbache) unter Steinen wohnen, indem sie die- 
jenigen Örtlichkeiten vorziehen, an denen das Wasser fast stille steht. 
Die Larvenfutterale (Fig. 35 A, A’) sind gerade, kegelförmige Röhren, 
aus Seide gefertigt, die mit äußerst winzigen Sandkörnchen vermischt 
und bedeckt sind. Das größte, das ich gesehen habe, hatte 14 mm Länge, 
während der Durchmesser des Einganges 2 mm, der des entgegenge- 
setzten Endes kaum 0,25 mm betrug. 

An diesen Röhren finden sich, der einen oder anderen Seite der 
Rückenfläche angeheftet, Holzstückchen oder andere Pflanzenfragmente, 
die einen großen Theil der Röhre bedecken und mehr oder weniger 
über sie hinausgehen; die des vorderen Theiles sind im Allgemeinen 
größer und hervorragender; sie pflegen, unter Winkeln von 15 bis 20 
Grad mit der Achse, schräg nach hinten gerichtet zu sein. 

Nach der Natur dieser Anhänge, die in ihren Dimensionen, Gestal- 
ten und Farben beträchtlich variiren, variirt das Aussehen des Futterals 
(Fig. 35 A, B, C, D) eben so ins Unendliche. Wie die beiden anderen 
catharinensischen Arten, so schneiden auch die Larven dieser Art, bevor 
sie sich festsetzen, den hinteren Theil ihrer Futierale ab, so dass die 
Futterale der Puppen (Fig. 35 B, C, D) kürzer sind als die der er- 


wachsenen Larven (Fig. 35 A). Auch die Weise, die Futterale zu be- 
festigen und zu verschließen, ist dieselbe wie bei den beiden anderen 


Arten. Der fertigen Insekten sind viel unansehnlicher; sie haben blasse 
einfarbige Flügel. | 
Zur vierten Sektion MacLacnLan’s gehören die beiden Arten, deren 


Larven in Blatigehäusen leben (Fig. 16, 47) und über deren systema- | 
tische Stellung ich in meiner ersten Arbeit in Zweifel blieb. Von keiner | 


| 


Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. 81 


Art dieser Sektion waren bisher die Larven und ihre Gehäuse bekannt. 
Die fertigen Insekten unterscheiden sich von allen bis jetzt in dieser 
Sektion aufgestellten Gattungen durch den Radius, der sich in den 
Vorder- wie in den Hinterflügeln mit dem ersten Endnerven (sector 
apical) vereinigt, durch die in den Hinterflügeln offene Discoidalzelle 
und durch dasFehlen der ersten Endgabel in denselben Flügeln, in denen 
nur die Gabeln 2°, 3° und 5° vorhanden sind. Nach MacLacnran haben bei 
allen oder den meisten Arten der vierten Sektion die Hinterflügel eine 
geschlossene Discoidalzelle und besitzen die Endgabeln 1?, 2°, 3° und 5%. 

Ich schlage für unsere Arten den Namen Phylloicus (@vAAov, Blatt, 
oixog, Haus) vor und nenne die größere Art Phylloicus major, die kleine, 
die durch den Aufenthaltsort ihrer Larven an Bromelien so bemerkens- 
werth ist, Phylloicus Bromeliarum. 

Die beiden Arten sind sehr interessant durch die Zahl ihrer Schienen- 
sporne. Es giebt eine kalifornische Gattung Heteroplectron, in der die 
Männchen 2, 4, 2 Sporne (d. h. zwei an den Vorder-, vier an den 
Mittel-, zwei an den Hinterschienen) und die Weibchen 2, 4, 4 haben. 
Bei Phylloicus major haben nun beide Geschlechter 2, 4, 4 und bei Phyl- 
loicus Bromeliarum beide Geschlechter 2, 4, 2 Schiensporne. 

Im Übrigen aber sind beide Arten so ähnlich, dass es eine große 
Thorheit sein würde, sie in zwei Gattungen trennen zu wollen. Sie 
liefern daher ein vortreffliches Beispiel dafür, dass die heute allgemein 
als richtig anerkannte Regel, dass irgend welcher Unterschied in den 
Schienspornen zur generischen Trennung ausreichend sei, keineswegs 
immer zu gelten braucht. 

Um dieses Beispiel noch schlagender zu machen, giebt es noch eine 
dritte catharinensische Art, die in jeder Hinsicht zwischen den beiden 
anderen in der Mitte steht, und der ich desshalb den Namen Phylloicus 
medius gegeben habe; sie hat 2, 4, 4 Sporne wie Phylloicus major, 
während sie sich in Bezug auf alle übrigen Merkmale mehr wie Phylloi- 
cus Bromeliarum verhält, der 2, 4, 2 hat. Die Larven dieser dritten 
Art leben vorzugsweise in den kleineren Wasseradern, in deren Bett 
das Wasser langsam von Stein zu Stein tropft. Ihre Gehäuse sind sehr 
_ ähnlich denen von Phylioicus Bromeliarum ; jedoch sind sie größer und 
aus einer kleineren Zahl von Blättern zusammengesetzt; sie pflegen auf 
der Bauchseite drei oder vier, auf der Rückenseite vier oder fünf Blatt- 
Stücke zu haben; während die Gehäuse von Phylloicus Bromeliarum in 
der Regel auf der Bauchseite fünf oder sechs, auf der Rückenseite sechs 


! »It has become a recognised rule that a difference in the number of spurs in 
two insects otherwise allied is sufficient for generic separation«. MACLACHLAN, op. 
eit. part, I. 1874. p. 12. 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 6 


SD) | Fritz Müller, 


oder sieben, und die von Phylloicus major jederseits zwei haben. Wenn 
die Larven von Phylloicus medius sich festheften wollen, schließen sie 
den Eingang des Gehäuses mit einem weiteren Blattstück, das sie der 
Bauchseite hinzufügen. Dasselbe thun die Larven von Phylloicus Bro- 
meliarum, während die von Phylloicus major es unterlassen. 


3) Sericostomiden. 

Helicopsyche (Fig. 36, 37). Die verschiedenen Arten dieser 
Gattung unterscheiden sich nicht allein durch die Gestalt der schnecken- 
förmigen Gehäuse, die ihre Larven bauen, sondern auch durch die 
Deckel, mit denen diese Gehäuse verschlossen werden, bevor die 

Larven in den Puppenzustand übergehen. Ich habe bereits die Abbil- 
dungen der Deckel zweier Arten gegeben (Fig. 18, 19 B), bei denen sie 
einen einfachen Querspalt besitzen. 

Bei den Deckeln der Gehäuse von Fig. 20 sind die Ränder dieses 
Spaltes mit einer Zahnreihe besetzt, die etwa ein Dutzend Zähne an 
jeder Seite hat. 

Die Form des Spaltes wie die der Zähne ist ziemlichen Abände- 
rungen unterworfen, wie Fig. 36 A, B, Ü zeigen. 

An den Deckeln der Gehäuse von Fig. 21 ist kein Spalt vorhanden; 
das zur Athmung der Puppe nöthige Wasser wird durch zahlreiche 
kleine Löcher eingeführt, die unter der Mitte des Deckels eine Art Sieb 
bilden (Fig. 37). 

Auch unter den Helicopsychen giebt es eine Art, die außerhalb des 
Wassers lebt, an Felsen, die dem Staubregen der Wasserfälle ausgesetzt 
sind (z. B. im Affenwinkel und Traurigen Jammer in Blumenau) ; ihre 
Häuser sind sehr ähnlich denen von Fig. 21, aber die Deckel sind mit 
einem einfachen Spalte versehen. 


4) Hydroptiliden. 

In Gesellschaft der Larven von Hydropsychiden (Fig. 31), Leptoce- 
riden (Grumichinha Fig. 32) und Sericostomiden (Helicopsyche), die die 
Felsen unserer Wasserfälle bevölkern, leben auch die Larven einer Art 
von Hydroptiliden (Fig. 38). 

Ihre Häuschen haben ungefähr 3 mm Länge bei 0,6 mm Höhe; 
sie sind von den Seiten zusammengedrückt; an dem einen Ende sind 
sie abgerundet, am anderen, nachdem sie sich mehr oder weniger ver- 
engert haben, gerade abgeschnitten (Fig. 36 A). Durch dieses Ende 
pflegt die Larve den Kopf herauszustecken, um zu essen oder zu wan- 
dern; mit diesem Ende wird auch das kleine Gehäuse befestigt und an 
den Felsen aufgehängt (Fig. 38 B, C). Nachdem das Gehäuse befestigt 


Über die von den Triehopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. 83_ 


ist, webt die Larve einen an allen Seiten geschlossenen Kokon , der fast 

das ganze Gehäuse einnimmt, mit dessen Wänden er verschmilzt, indem 
_ er nur einen engen Raum am unteren Ende frei lässt. In diesem Kokon 
liegt die Puppe mit nach unten gerichtetem Kopfe. Sie nimmt also, wie 
die von Lagenopsyche, im Innern ihres Gehäuses eine entgegengesetzte 
Lage ein als sie im Larvenzustande zu haben pflegte. 

Als ich im Oktober des vergangenen Jahres die Gehäuse von Pelto- 
psyche (Fig. 30) beschrieb, war ich über die systematische Stellung 
dieser neuen Gattung noch im Zweifel. Seitdem habe ich Gelegenheit 
gehabt, mich durch die Untersuchung einer großen Zahl von Larven 
und Puppen zu überzeugen, dass ich nicht geirrt habe, indem ich sie in 
die Familie der Hydroptiliden stellte. 

Es ist eine der außerordentlichsten Gattungen, die sich von den 
meisten, nicht nur der genannten Familie, sondern der ganzen Ordnung 

der Trichopteren durch einen sehr ungewöhnlichen und komplicirten . 
Bau der männlichen Fühler auszeichnet. Auch habe ich mich überzeugt, 
dass das Fehlen der Streifen auf der Rückenwand der Gehäuse nicht 
bloß eine individuelle Abänderung ist, sondern eine Artverschiedenheit 
der Bewohner anzeigt, indem die Puppen und der Bau der männlichen 
Fühler beider Arten sehr verschieden sind. Die Art mit gestreiften Ge- 
häusen, Peltopsyche Sieboldii (Fig. 30) ist viel häufiger und kommt in 
fast allen größeren Bächen, die in den Itajahy münden (Garcia, Encano, 
Warnow u. s. w.) in großer Menge vor. Die Art mit glatten Gehäusen, 
für die ich den Namen Peltopsyche MacLachlani vorschlage, wurde bis 
jetzt nur im Bache Warnow angetroffen, wo sie in Gesellschaft der 
Peltopsyche Sieboldii lebt. 


5) Gehäuse ungewissen Ursprungs (Fig. 39). 


In verschiedenen Bächen habe ich an Orten, wo das Wasser fast 
still stand, an dort in Verwesung begriffenen Baumstämmen haftend, 
mehr oder weniger cylindrische Köcher von 3 bis 4 cm Länge bei 6 bis 
40 mm Durchmesser angetroffen, die aus ziemlich unregelmäßig an ein- 
_ ander gefügten Blattstücken und anderen Pflanzenfragmenten zusammen- 
gesetzt waren, Diese Substanzen bildeten verschiedene über einander 
gelegte Schichten, so dass der Durchmesser der inneren Höhlung viel 
kleiner als der der äußeren Oberfläche war, und bisweilen nicht ein- 
mal auch nur annähernd die Hälfte desselben erreichte. Nach den Sub- 
stanzen, aus denen sie sich zusammensetzen, ist das Aussehen dieser 
Futterale sehr verschieden. 

So ist das Futteral Fig.39 A (aus dem Bugresbache) fast ausschließ- 
lich aus Dicotyledenenblättern verfertigt, zwischen denen man einigen 

6* 


84 Fritz Müller, 


a begegnet. Dagegen treten in den Bau des Futterals 
Fig. 39 B (aus dem Bache Garcia) nur Bruchstücke von Monokotyledonen-, 
blättern ein, die vielleicht von einer Palme stammen. 

Alle Gehäuse, die ich bis jetzt gesehen habe, waren schon leer und 
enthielten nur noch abgelöste Bruchstücke des Larvenskeletts, die zwar 
offenbar von einer Trichopterenlarve herrühren, aber nicht zu entschei- 
den gestatten, zu welcher Familie sie gehören müssen. 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel IV und V. 


Fig. —4. Gehäuse von Rhyacophiliden. Vergr. 2:4. 

Fig. 4. Aus dem Bugresbache. A, A’, freies Larvengehäuse ; A, von oben, A’, 
von der Bauchseite gesehen und die beiden Thüren des Gehäuses zeigend. B, B’, 
festgeheftetes Puppengehäuse ; B, von oben, B’, von der Bauchseite gesehen ; da es 
keine Bauchwand mehr hat, sieht man in B’ den inneren Hohlraum des Gehäuses. 

Fig. 2. Aus dem Affenwinkel. Freie Larvengehäuse; A, B, von oben gesehen, 
die Rückenöffnung zeigend ; A’, das Gehäuse A von der Bauchseite gesehen. 

Fig. 3. Aus dem Bache Garcia. Freie Larvengehäuse mit Schornstein, von der 
Seite gesehen. 

Fig. 4. Aus dem »Traurigen Jammer« von Blumenau. A, B, freie Larvenge- 
häuse, von der Seite gesehen; C, 0’, befestigtes Puppengehäuse ohne Schornstein; 
C, von oben, C’, von der Bauchseite gesehen ; man sieht im Innern den losen Pup- 
penkokon. 

Fig. 5 und 6. Gehäuse von Hydropsychiden, in natürl. Größe. 

Fig. 5. Aus dem Bugresbache. A, A’, Puppengehäuse; A, von oben, A’, von der 
Bauchseite gesehen, mit geöffnetem inneren Hohlraum, B, häutiger Puppenkokon, 
aus dem Steingehäuse, in dem er eingeschlossen lag, herausgenommen; B’, Sieb 
. am Ende dieses Kokons. 15:4. (Gattung Macronema des Nachtrags.) 

Fig. 6. Rhyacophylax. Aus dem Affenwinkel. A, unbewegliches Larvengehäuse 
mit trichterförmigem, von einem Netz bedeckten Vorhof; B, B’, Puppengehäuse;; B, 
von oben, B’, von der Bauchseite gesehen. 

Fig. 7—15. Gehäuse von Leptoceriden. 

Fig. 7. Von Leptoceridenlarven bewohnte Zweige, in natürl. Größe. A, Puppen- 
gehäuse; A’, dasselbe im Längsdurchschnitt; p, Stein, der den Eingang verschließt; 
rn, häutiger Kokon der Puppe; cr, Sieb am Ende des Kokons; ca, von der Larve 
‚ausgehöhlte Röhre; o, Loch in der Wand der Röhre ; m, Mark des Zweiges. 

Ar, das, Sieb (cn) 8.1. 

B, anderer, die Puppe einschließender Zweig, dadurch bemerkenswerth, dass | 
das Sieb des Kokons sich der Seitenöffnung der Röhre angelegt findet; B’, diese Öff- ' 
nung mit dem Siebe. 8:1. 


Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. 85 


C, hohler, die Puppe einschließender Zweig; C’, Längsdurchschnitt desselben; 
die Buchstaben wie bei A’. (Gattung Tetracentron des Nachtrages.) 

Fig. 8. Grumicha vom Bache Garcia. A, Gruppen festgehefteter Futterale in 
natürlicher Größe; die größeren sind von Männchen, die kleineren von Weibchen ; 
B, Deckel der hinteren Öffnung mit kreisförmigem Loch in der Mitte. 8:4. C, vor- 
dere Deckel von Weibchen, mit Querspalt unter der Mitte. 8:4. D, dessgleichen von 
einem Männchen. 8:4. 

Fig. 9. A, Grumichafutteral, von einer eingedrungenen Puppe besetzt, mit einem 
Steine (p) verschlossen, und mit einer ungestielten Querscheibe (d) befestigt; cr, die 
Stelle, wo inwendig sich ein Quersieb befindet. Aus dem Garciabache. Natürliche 
Größe. (Der Eindringling = Tetracentron spec. des Nachtrages.) 

B, Stein, der dem Futteral A als Deckel gedient hat, durch die Puppe bei ihrem 
Ausschlüpfen aus dem Futteral entfernt, mit dem siebförmig durchlöcherten Ringe, 
der den Stein mit dem Futterale verband. 5:1. 

Fig. 40. Grumichinha (Grumichella des Nachtrages), aus dem Affenwinkel. A, 
festgeheftete Puppenfutterale; in natürl. Größe. B, vorderer Deckel mit Querspalt 
über der Mitte. 45:4. 

Fig, 44. A, aus Samen von Callitriche gemachtes Gehäuse, aus einem kleinen 
 Bache, der in den Garciabach fließt. 3:1. 4', Eingang desselben Gehäuses, mit 
‚einer Querhaut verschlossen, die in der Mitte ein Loch hat. 15:4. B, Eingang eines 
anderen, noch geöffneten Gehäuses. 3:1. 

Fig. 12. Gehäuse aus Holzstückchen, aus dem Garciabache. 2:4. A, A’, fest- 
geheftetes Puppengehäuse;; A, von der Bauchseite, A’, von der linken Seite gesehen ; 
A”, vorderer, A’”, hinterer Deckel desselben Gehäuses. 8:4. B, freies Larvenge- 
häuse, von Ger Bauchseite gesehen. (Setodes spec. des Nachtrages.) 

Fig. 13. A, mit feinstem Sande bedecktes Puppenfutteral, aus dem Garciabache, 
von der Seite gesehen. 3:4. A’hinteres Ende desselben Futterals mit der Haft- 
scheibe. 45:4; A”, vorderer, A'"', hinterer Deckel desselben. 45:4. (Setodes gemma.) 

Fig. 44. Steinröhren, größere Art (Marilia major des Nachtrages) aus dem 
Bugresbache, von der rechten Seite gesehen, in natürlicher Größe. A, freie Larven- 
gehäuse ; B, C, kleinere befestigte Puppengehäuse (von Männchen?) ; D, E, dessel. 
größere (von Weibchen ?); A’, Querwände des hinteren Endes der Larvengehäuse A, 
3:4; B’, C’, vorderes Ende der Puppengehäuse B, (, 3:1; B”, Spalt am hinteren 
Ende des Puppengehäuses B, 15:4; C”, Spalt am vorderen Ende von (, 45:1; E', 
hinteres Ende des Puppengehäuses E, 3:4 ; E”, Längsdurchschnitt desselben Endes, 
6:4. 

Fig. 45. Steinröhren, kleinere Art (Marilia minor des Nachtrages) aus dem 
Affenwinkel, von der rechten Seite gesehen, in natürlicher Größe. A, freie Larven- 
gehäuse; B, festgeheftete Puppengehäuse ; A’, Querwand des hinteren Endes des 
' Larvengehäuses, 15:4; B’, hinteres, B”, vorderes Ende von B, 4:4; B’", Spalt des 
‚hinteren Endes und BIV, Bauchrand des vorderen Spaltes von B, 15:1. 

' Fig. 16—17. Gehäuse von unsicherer systematischer Stellung. 
(Gattung Phylloicus, zu MacLAcaLan’s vierter Sektion der Leptoceriden gehörig; 
laut Nachtrag!) } 

Fig. 16. Blattgehäuse von verschiedenen Bächen (Phylloicus major des Nach- 
'trages), in natürlicher Größe. A, A’,B, B’, C, freie Larvengehäuse; A, B, C, von 
oben, A’, B', von der Bauchseite gesehen ; D, festgeheftetes Puppengehäuse; cr, be- 
zeichnet die Stelle, an der sich das hintere Sieb befindet, 5:4; D’, vorderes Sieb 
desselben Gehäuses, 5:4; E, Querdurchschnitt eines Gehäuses, in natürl. Größe. 


86 Fritz Müller, 


Fig. 17. Blattgehäuse von Larven, die zwischen den Blättern im Urwalde | 
schmarotzender Bromeliaceen leben (Phylloicus Bromeliarum des Nachirages). 2 a 
A, B, von oben gesehen; A’, B’, dieselben von der Bauchseite gesehen; C, C’, Quer- 
durchschnitte durch ein Gehäuse. 5:1. | 

Fig. 18—24. Gehäuse von Sericostomiden der Gattung Helico- | 
psyehe. 2:1. | 

Fig. 18. Vom Bache »Trauriger Jammer« in Puma B, B', B'", Deckel von | 
Puppengehäusen. 8:1. | 

Fig. 49. Vom Weißbach (Ribeiräo branco). B, B’, B”, Deckel von Puppenge- 
häusen. 8:1. 

Fig. 20. Aus stehendem Wasser des Baches Garcia. 

Fig. 21. Aus dem Bache Garcia. 

Fig. 22—30. Gehäuse von Hydroptiliden. 3:1 

Fig. 22. Mit feinstem Sande bedeckte Röhrchen aus dem Bugresbache. A, 4’, B, 
freie Larvengehäuse;; A, von der Bauchseite; A’, von der linken Seite gesehen; B, 


anderes Gehäuse, von oben gesehen; C, festgeheftetes Puppengehäuse, von oben | t 


gesehen ; C’, dasselbe, von der linken Seite; (C’”, dasselbe von der Bauchseite ge- | 
sehen; D, Larvengehäuse von oben gesehen. 45:41. | 
Fig. 23. A, B, C, mit Sand bedeckte Larvengehäuse aus dem Bugresbache, von | 
der Seite gesehen;; 0’, Querdurchschnitt von C. bi 
Fig. 24. Gehäuse anderer Art, aus demselben Bugresbache. A, freies Larven- | 


gehäuse, aus grünen Algen (oder anderen Pflanzenfragmenten); B, C, festgeheftete | 5 


Puppengehäuse, aus Diatomeen; D, D’, das Baumaterial dieser Gehäuse. 90:4. 

Fig. 25. Durchscheinende Gehäuse, ohne fremde Körper gebaut, aus dem 
Bugresbache. A, freies Larvengehäuse; B, mit dem Bauchrande er Ik: 
Puppengehäuse; B’, B”, Qnerdurchschnitte von B. | 


Fig. 26. Gehäuse von Diaulus Ladislavii aus dem Bugresbache. A, nor- | ! 
males Gehäuse, mit zwei Schornsteinen; A’, Querdurchschnitt desselben, 45:4; B, I 
Gehäuse mit drei Schornsteinen (das einzige, das gefunden wurde); C, Larvenge- In 
häuse, welches noch im Bau begriffen ist, wie man an den noch wenig über die 


Schornsteine hinaus verlängerten Enden sehen kann. 25:1. | 

Fig. 27. Gehäuse von Lagenopsyche Spirogyrae, aus einem kleinen | E 
Nebenbächlein des Garciabaches (im Gebiete von HEnRıQUE KoELER). A,B,C,D, | 
freie Larvengehäuse, in verschiedenen Zuständen, von der Seite gesehen; E, be- | 
festigtes Gehäuse, dessen Larve sich noch nicht zur Puppe umgewandelt hat, von I# 
oben gesehen; F, befestigtes Puppengehäuse von oben gesehen; F’, F”, F"’, Quer-! 
durchschnitte desselben Gehäuses durch die Punkte f’, f", f’””. | 

Fig. 28. Gehäuse von Lagenopsyche hyalina, aus dem Bugresbache. A, Larven- \ 
gehäuse; B, C, Puppengehäuse. | 

Fig. 29. Gehäuse von Rhyacopsyche Hagenii, aus dem Bache »Affenwinkel «. | \ 
4A, B, C, Larvengehäuse in verschiedenen Zuständen, an einem biegsamen Seile be- \ 
festigt, an beiden Enden offen; h, neuerer Theil des Gehäuses; D, E, Puppenge-| 


häuse, an einem Ende bereits geschlossen ; F, Puppengehäuse, von allen Seiten ge- 


schlossen, auf einem kurzen, kräftigen Stiele befestigt, F’, Querdurchschnitt des- | Ä 
selben Gehäuses. | 
Fig. 30. Gehäuse von Peltopsyche Sieboldii aus dem Bache Garcia. A, Larven- 
gehäuse ; B, Puppengehäuse, beide mit der ganzen Bauchfläche befestigt; A’, Quer- i 
durchschnitt von A. 'M1 


a 


Y 


Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. 87 


Nachtrag. 


Fig. 34. (Nat. Größe.) A, B, Larvengehäuse einer Hydropsychide, die an den 
Felsen von Wasserfällen lebt; C, Puppengehäuse derselben Art; C’,Querdurchschnitt 
durch eines dieser Puppengehäuse. 3:4. 

Fig. 32. (15 malige Vergrößerung.) A, B, C, hinteres Ende der Puppengehäuse 
von Grumichella, von oben gesehen ; 4’, B’, C’, dessgleichen, von der linken Seite 
gesehen; A, A’, vom Wasserfall das »Traurigen Jammers« in Blumenau; B, B’, von 
einem Wasserfall in der Nähe von Belxior; C, C’, aus dem Bache Caete; D, Ge- 
häuse einer jungen Larve derselben Art, aus dem Bache Caet&e, von der rechten 
Seite gesehen; E, F, G, Deckel von Puppengehäusen aus demselben Bache. 

Fig. 33. (3 malige Vergrößerung.) Von eingedrungenen Larven bewohnte Röhren 
(Tetracentron?). A—G, Röhren von Setodes gemma ,; H, I, Röhren von Marilia minor ; 
K, eine Röhre von Grumichella. 

Fig. 34. Gehäuse einer Larve (Tetracentron?) aus dem Bugresbache, von der 
Bauchseite gesehen. 2:1. 

Fig. 35. (2 malige Vergrößerung.) Röhren einer Setodesart. A, Larvenröhre 
von unten; A’, dieselbe von oben gesehen; B, C, D, Puppenröhren;; D’, Deckel des 
hinteren Endes von D. 6:4. 

Fig. 36. Der Deckel des Helicopsychegehäuses von Fig. 20. 45:4. B, C, Spalte 
anderer Deckel derselben Art. 45:4, 

Fig. 37. Deckel des Helicopsychegehäuses von Fig. 21. 45:4. 

Fig. 38. (Smalige Vergrößerung.) Hydroptilidengehäuse von den Wasserfällen. 
A, Larvengehäuse; B, (, festgeheftete und am hinteren Ende aufgehängste Puppen- 
gehäuse. 

Fig. 39. (Nat. Größe.) Futterale irgend einer Trichoptere unbestimmier syste- 
matischer Stellung. A, aus dem Bugresbache ; B, aus dem Bache Garcia. 


Berichtigung eines Irrthums. 


Durch eine Nachlässigkeit habe ich im vergangenen Jahre versäumt, die Taster 
der Männchen zu untersuchen und desshalb irrthümlicherweise die Grumicha in 
_ die Familie der Leptoceriden (oder Mystaciden) versetzt, indem ich dem Beispiele 
HAGEN’ folgte, der sie Leptocerus Grumicha nennt. Das vollkommene Insekt stimmt 
in den Schienspornen und anderen Merkmalen mit der Gattung Barypenthus überein, 
von der BURMEISTER zwei Arten von Neu-Freiburg beschrieben hat. Nun ist diese 
Gattung, der die Grumicha verwandt zu sein scheint, von MacLAcaLan ebenfalls 
kürzlich in die Familie der Leptoceriden gestellt worden. Mein Irrthum kam von 
dem zu großen Vertrauen her, das ich in diese beiden hervorragenden Entomologen 
setzte, die heute in Bezug auf Trichopteren die ersten Autoritäten sind. 


6 Fritz Müller. 


Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. 
Von 


Dr. William Marshall. 


Mit Tafel VI—VIII und einem Holzsehnitt. 


Die beiden Spongiengruppen, die ich im Folgenden beschreiben ' 


werde, stehen, so weit wir bis jetzt übersehen können, in gar keinem 7 


näheren, verwandtschaftlichen Zusammenhange; wenn ich sie dennoch 
zugleich mit einander behandle, so geschieht dies desshalb, weil beide 
Gruppen eine große und höchst originelle Ähnlichkeit in einem sehr 
wesentlichen Punkte zeigen ; beide haben sich nämlich dahin angepasst, ' 


zum Aufbaue der festen Stütze ihres Leibes, zur Bildung des Skelettes 7 


hauptsächlich fremde, dem umgebenden Sand- und Schlammboden ent- | 
nommene Körper zu verwenden. | 

Das Material, das für beide Gruppen fast nur von Australien stammt, | 
verdanke ich der wohlwollenden Güte des Herrn Professor HArcker, der | { 
einst selbst die Absicht hegte diese Spongien zu bearbeiten und sie da- | 


her, rücksichtlich der Arten sowohl wie Individuen, möglichst zahlreich } 
sammelte und mit vorläufigen Namen versah. Es sei mir gestattet 7 
meinem verehrten Lehrer für seine große, mir so oft bewiesene Libera- ” 


lität auch an dieser Stelle zu danken. 


Historisches. 


Im Jahre 1842 brachte Jounston in seiner »History of british spon- | 
ges and lithophytes« die Schwämme der englischen Küste in acht Genera, " 
von denen nur eins von ihm neu creirt wurde, nämlich Duseideia; diesen 


Namen änderte er in der seinem Buche beigefügten Synopsis richtig in 
Dysidea um. Dies Genus wird folgendermaßen charakterisirt: »spongia 
multiformis sessilis crasse cellulosa mucagine sabulo arenata scatens, 


siccata friabilis, fibris imperfectis seposita:: spieulis sparsis paueis forma 


NEE 


Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. 40) 


et magnitudine incertis.« Zwei Species werden beschrieben: die eine, 
fragilis, ausführlich von Bowersank, die andere, papillosa, kurz von 
Jounston selbst!. Der Autor hat dieser letzteren Art ein Fragezeichen 
beigefügt und bemerkt, es sei ihm wahrscheinlich, dass sie das Nest 
(nidus) irgend eines wirbeliosen Seethieres, vielleicht einer Natica sei. 
Es hat sich herausgestellt, dass Dysidea papillosa eine Zoantharie ist. 
BOWERBANK?2 macht aus dem Genus von JoHnsTon eine eigne, die 
siebente Unterordnung seiner dritten Spongien-Ordnung »Keratosa « und 
charakterisirt dieselbe folgendermaßen : »the peculiarity of this suborder 
is, that the fibre of the sceleton is a full and complete but elongate ag- 
sregation of particles of sand, each separatly coated by keratode, forming 
a series of stout anastomosing fibres, consisting of innumerable extra- 
neous molecules encased by a thin coat of keratode.« Er benennt neben 
fragilis noch eine zweite Art, D. Kirkii, die er aber nicht beschreibt, 
sondern erwähnte nur, bei ihr seien die Haupt- und Verbindungsfasern 


breit, oft breiter als eine halbe Linie. Es ist sehr wohl möglich, dass 


unter den von mir in den folgenden Seiten beschriebenen Arten, die fast 
sämmtlich von Australien stammen, sich auch D. Kirkii von BowERBANK 
befindet, aber die Angaben des englischen Autors sind (in diesem Falle) 
zu kurz und nichtssagend, als dass sie Berücksichtigung verdienten. 

Später beschreibt BowErBAnK? eine neue, sehr gut charakterisirte 
Art, Dysidea coriacea, von der englischen Küste bei Hastings, die sich 
besonders durch eine lederartige, ziemlich derbe Oberhaut auszeichnet, 
auch ist ihr Skelett derber und weitmaschiger als bei D. fragilis. Bei 
dieser letzteren Art verfällt BowErsank übrigens wiederholt in den Irr- 
thum, die in ihr vorkommenden mannigfachen Kieselnadeln für genuin 
zu halten. 

In Gray’s? System bildet Dysidea eine eigene, die fünfte Familie der 
Hornschwämme, die Dysideidae: »sponge massive, formed of reticulated 
horny fibres, with sand (or the spicula of other sponges) imbedded in 
the centre, and covered with a more or less thick coat of horny matter. « 

Durch diesen letzteren Satz erweitert Gray die Bowergank’sche Dia- 


- gnose wesentlich, und dies war nothwendig, da er die vier von ScHMmiDT 
in den »Spongien des adriatischen Meeres« beschriebenen Arten von 
‚Spongelia zu Dysidea zieht. Da er dies thut, so ist es vollkommen ge- 


_ rechtfertigt, dass er Jonnston’s Halichondria areolata mit unter Dysidea 


aufführt, denn dieser Schwamm, von dem gesagt wird, er zeichne sich 


1 p.185—19. 

2 A monogr. of the brit. sponges. Vol. I. p. 244 und Vol. I. p. 384. 
Salrc. Vol. 11. p. 341. 

* Proceed. of z. Soc. 1867. p. 544. 


Ka 
7 


& 


“90 William Marshall, 


durch die Seltenheit der Spicula aus, statt deren hauptsächlich kleine, ' 
amorphe Sandkörner vorhanden wären, ist offenbar keine Halichondrie | 
oder sonstiger Kieselschwamm, sondern höchst wahrscheinlich eine echte | 
Spongelia, wenn nicht eine Lokalvarietät von Dysidea fragilis. | 

Dieser letzteren Ansicht scheint Bowersank ! zu sein, der im zwei- | 
ten Theile seiner Monographie Halichondria areolata Johnst. als synonym | 
mit D. fragilis aufführt. i | 

CARTER? reiht das in Rede stehende Genus als sechzehntes der 
zweiten Familie (Hircinidae) der dritten Ordnung (Psammonemata) ein 
und erwähnt, als einen neuen Charakter, dem wir bis jetzt noch nicht | 
begegnet sind, in der Diagnose, dass die Fasern dieses Geschlechts | 
zweierlei wären, vertikale oder breite und horizontale oder schmale. 
Auch er vereinigt Spongelia mit Dysidea. 

ArpHeus Hyatt? hingegen trennt beide Genera scharf; Spongelia | 
bringt er mit Spongia, Stellospongia, Carteriospongia und Phyllospongia | 
zu seiner ersten Familie der Hornschwämme, zu den Spongiadae, Dysi- | 
dea aber zur zweiten, zu den Hirciniadae. Er betont, dass bei Dysidea | 
die Haupt- und Verbindungsfasern mit Fremdkörpern erfüllt seien und 
eben so die inneren Theile der Sarkode und »the membranes every- | 
where«. Nur eine Species, »fragilis«, wird angeführt. Es passirt ihm | 
übrigens der kleine Lapsus, dass er zu Dysidea synonym citirt »Spon- 
gelia (pars) Schmidt and Bowerbank«; Spongelia Bowerbank giebt es 
aber nicht. 


Während Gray und Carter, indem sie Spongelia für synonym mit 7 
Dysidea halten; dem letzteren Namen die Priorität einräumen, ist man ” 


auf dem Kontinent Betreffs der Synonymität zwar derselben Ansicht, " 
aber man will umgekehrt nur die Benennung Spongelia gelten lassen. | 

Im Jahre 1847 hatte Narno ein Schwammgenus Spongelia benannt, 7 
nachdem er bereits 1834 diejenigen Arten seiner Gattung Aplysina, welche 
schwache und eng stehende Fasern besitzen, als Aplysinae spongeliae 
abgezweigt hatte. | | 

Schnipr * nahm den Narno’schen Namen an und diagnostieirte das \ 
Genus: » Ceraospongiae omnino et praesertim exsiccatae maxime fragiles, | 
uno genere fibrarum praeditae. Fibrae homogenae, minime elasticae. | 
Substantia sarcoidea rara« und hebt in den Diagnosen der Arten avara ' 
und pallescens den übergroßen Reichthum an Fremdkörpern in den | 
Fasern hervor, die bei incrustans zurücktreten und bei elegans ganz ver- | 


1 ].c. Vol. I. p. 381. 

2 Ann. and Mag. of nat. hist. ser. 4, vol. XVl. p. 76.d. 8. A. 
3 Mem. Bosten Soc. of nat. hist. vol. II. p. 544. 

4 Spongien des adriatischen Meeres. p. 28 fl. 


Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. 91 


schwinden, oder doch so reducirt sind, dass Scuwmipr ihrer nicht Er- 
wähnung thut. 

In seinem »zweiten Supplement der Spongien des adriatischen 
Meeres« hat Scuuipt sich der dankenswerthen Mühe unterzogen, die 
Bowersank’schen Genera auf seine eigene Nomenclatur zurückzuführen 
und zieht er Dysidea als synonym zu Spongelia, welcher Ansicht er 
später noch kräftigeren Ausdruck verleiht, indem er sagt: »Sie sel. D. 
fragilis) zeichnet sich vor der im Mittelmeer so verbreiteten Spongelia 
pallescens Sdt. durch eine noch größere Haltlosigkeit der Fasern und 
eine noch größere Anhäufung fremder Einschlüsse aus. Wer Gefallen 
daran finden sollte, auf diese Merkmale hin zwei Arten 
festzuhalten, möge es thun.« 

Auch F. E. ScuuLze ! vereinigt in der sechsten seiner glänzenden 
Mittheilungen über Spongien Dysidea mit Spongelia. 

Gesetzten Falles Spongelia und Dysidea wären synonym, so gebührt 
dem Jonnston’schen Genusnamen doch der Vorzug, da er die Priorität 
hat. Allerdings hat, wie erwähnt, Narno schon 1834 von seinem frühe- 
ren Genus Aplysia einen Theil der Arten als Aplysinae spongeliae abge- 
trennt, aber dieser binäre Name eines Subgenus kann nicht ein Genus- 
name lege artis genannt werden, einen solchen lieferte Narno erst 1847, 
als er die in Rede stehenden Spongien Spongeliae schlechtweg nannte. 
Und zugegeben, dass der Narpo’sche Name ganz dieselbe historische 
Berechtigung habe, wie der Jounstox’sche, so gebührt diesem letzteren 
doch darum der Vorzug, weil er ein Name ist, der gut gebildet wurde 
und etwas bezeichnet, Spongelia hingegen ist ein ganz barbarisches 
Wort und heißt gar nichts; es ist eine ganz unmögliche Diminutiv-Form 
von Spongia, Spongilla ist schon besser, das einzig Richtige aber ist 
Spongiola. Doch dies nur beiläufig. 

Es würde nun noch die Frage zu erörtern sein, ob Dysidea und 
Spongelia wirklich synonym sind und diese Frage kann man theilweise 
bejahen und theilweise verneinen. Dysidea fragilis im Sinne Jonnston’s 
und Bowersank’s ist den Beschreibungen nach (ich kenne die Spongie 
nur in sehr macerirtem Zustande) allerdings von Spongelia pallescens 
kaum specifisch zu trennen. Dysidea coriacea Bowerbank und Dysidea 
fragilis Hyatt aber sind ganz andere Schwämme; die erstere hat eine 
derbe, feste Oberhaut und bei letzterer sind die Membranen allenthalben 
und die ganze Sarkode des Körpers voll Fremdkörper. 

Ganz scharf zu trennen sind diese Genera freilich nicht, so wenig 
wie Euspongia und Cacospongia, diese und Spongelia. 


1 Diese Zeitschr. Bd. XXXI. p. 117 ff. 


92 William Marshall, 


Außer Dysidea coriacea Bwb. und fragilis Hyatt halte ich nur noch ' 
eine bis jetzt beschriebene Spongie für eine Dysideide in meinem Sinne, | 
nämlich Oligoceras collectrix F. E. Schulze. Diese sonderbare Spongie 
hat, nach Scaurze, keine Kieselkörper, dafür aber außer zahlreichen, ' 
im Gewebe zerstreut liegenden isolirten Fremdkörpern einzelne, spärlich 
verästelte, rundliche, sandreiche Hornfasern. »Diese Hornsubstanz «1, 
fährt SchuLze fort, »ist so spärlich entwickelt, dass man erbsengroße | 
Stücke des Schwammkörpers untersuchen kann, ohne etwas davon zu 
finden.« Wir werden im Psammopemma ein ganz ähnliches Geschöpf 
kennen lernen. IR | 

Die zweite in gegenwärtiger Arbeit abgehandelte Spongiengruppe 
ist noch vollständig unbekannt, ich habe wenigstens in der mir zugäng- 
lichen, ziemlich umfassenden Litteratur nichts, was auf sie Bezug haben 
könnte, aufzufinden vermocht. 


I. Dysideidae. 


Die Dysideiden sind Hornschwämme, bei denen die, auch allen 
übrigen Hornschwämmen in höherem oder geringerem Maße inne- 
wohnende Fähigkeit, das eigene Skelett durch aufgenommene Fremd- 
körper zu verstärken, den höchsten Grad erreicht hat. Nur ausnahms- 
weise sind Fasern auf kurze Strecken ganz frei von Fremdkörpern. Fast 
alle Arten der Familie besitzen eine abziehbare, von Fremdkörpern mehr 
oder weniger erfüllte Dermalmembran. Nicht wenig Arten zeigen Fremd- 
körper nicht nur in den Fasern, sondern im ganzen übrigen Syncytium, 
bisweilen in so hohem Grade, dass der ganze Körper zu einer kompak- 
ten, von den Leibeshohlräumen spärlich durchsetzten Sandmasse wird. 


Das Genus Psammascus. 


Schlauchförmig, monozoisch. Außenseite ohne besondere Oberhaut, 
mit wabenartigen Gruben, durch Enden der Fasern sammetartig; am 
Munde ein Kranz freier Faserenden. Fremdkörper in allen Fasern und 
im ganzen Syncytium. Fasern von dreierlei Art: gastrale Längsfasern ; 
von außen nach innen und von Längsfaser zu Längsfaser verlaufende 
Sekundärfasern, beide reich an großen Fremdkörpern; Tertiärfasern von 
Sekundärfasern zu Sekundärfasern mit wenigen kleinen Fremdkörpern. 

Von allen Dysideiden kommt dies Genus dem Genus Spongelia am 
nächsten, ist aber durch die Anwesenheit von Fremdkörpern auch in den 
Weichtheilen wohl unterschieden. 


1 Diese Zeitschr. Bd. XXXIII. p. 35. 


Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. | | 93 


Psammascus decipiens. 
Dysidea decipiens, Haeckel in schedul. 


Dieser Schwamm besteht in der Regel aus einem einfachen Schlauch, 
es kann aber auch vorkommen, dass zwei schlauchförmige Individuen, 
die sich sehr nahe neben einander entwickelt haben, der Länge nach 
mit einander verwachsen ; aber gewiss geht bei dieser Erscheinung, die 
bei schlauchförmigen Spongien öfters zu beobachten ist, die getrennte 
Individualität der beiden verwachsenen Personen nicht verloren. 

Bei einem wohlentwickelten, solitären Individuum beträgt die Länge 
100 mm, der Durchschnitt ist oval, an der Mundöffnung beträgt der 
größere Durchmesser 20 mm, der kleinere 10 mm. In den drei obersten 
Vierteln seiner Länge verjüngt sich der Schwamm sehr allmählich nach 
hinten, im letzten Viertel aber sehr rasch. Das Wandungsgewebe ist am 
Mundrand I mm, am Fußende 4 mm stark, sehr zart und hinfällig, so 
dass es in Wasser vollkommen flottirt und bei dem Herausnehmen kol- 
labirt der Schwamm zu einer formlosen Masse. 

Die Außenseite weist dicht an einander gelagerte, polygonale Grüb- 
chen mit abgerundeten Ecken auf, die 0,5—1 mm im Durchmesser 
haben. Die größeren liegen in der Regel im oberen, jüngeren Theile 
des Schwammes, doch kommen hier auch kleine und große umgekehrt 
im älteren Gewebe vor. Die Wandungen der Grübchen werden aus 
verschiedenen, später noch näher zu beschreibenden Fasern des Ske- 
leites gebildet. Aus der Tiefe des Gewebes, von der Innenseite des 
Körperschlauches her steigen derbere Fasern nach außen und oben, 
deren Enden über dem Niveau der Körperoberfläche hervorragen und 
derselben jenes sammetartige Ansehen verleihen. Auch diese freien 
Faserenden sind im jüngeren Theile der Spongie länger und deutlicher 
und stehen weiter aus einander. Die derben Fasern befinden sich in den 
abgerundeten Ecken der Grübchen und sind durch zarte Querfasern, 
die die Hauptmasse der Wandungen der Grübchen bilden, mit einander 
verbunden. Die Grübchen bilden, da die größeren Fasern centripetal 
von der Oberfläche des Körpers nach dessen Achse verlaufen, unregel- 
mäßige, mit der Spitze nach innen liegende Hohlpyramiden, in deren 
Grund eine sehr feine Pore liegt. Meist ist diese Art der Organisation 
‚indessen undeutlich und verwischt, da auch im Lumen der Grübchen ‘ 
selbst, namentlich in den tieferen Theilen, zarte Querfasern,, unregel- 
mäßige Netze formend, aufsteigende Fasern mit einander verbinden. 

Am Mundrande des Schwammes bilden hervorragende Faserenden 
einen kontinuirlichen peristomen Kranz; diese Enden sind von den 
übrigen, auf der Körperoberfläche zu Tage tretenden nur darin ver- 


94 William Marshall, 


schieden, dass sie etwas weiter isolirt und ohne verbindende Quer- 
fasern sind, daher länger erscheinen. 

Bei vollständigen Exemplaren des Schwammes findet sich ein be- 
sonderer Wurzeltheil, bestehend aus einem verworrenen Geflechte der- 
berer Fasern, die in sehr unregelmäßiger Weise durch dickere und 
dünnere Querfasern verbunden sind, oft sich dichotomisch theilen und 
dicht mit einander verfilzen. In ihnen findet man die ansehnlichsten 
Fremdkörper und dies Fasergeflecht, das man als Wurzelausläufer be- 
zeichnen kann, umklammert und umspinnt innig große und schwere 
Rudera von Muscheln, Echinodermen, ja kubische Steinchen von 
5—6 mm Höhe. Diese Wurzelfasern seizen sich isolirt direkt in das 
Gewebe der Schwammwandung fort, gerade wie sich bei Hexactinelliden 
diejenigen Stränge langer Ankernadeln, welche die Wurzelschöpfe (wie 
z. B. bei Euplectella) bilden, in hohem Grade am Aufbau des Wan- 
dungskelettes betheiligen. 

Schneidet man einen Schlauch der Länge nach auf, so sieht man 
eine Anzahl (bis zwölf) von 0,5 — ! mm breiter, weißschimmernder 
Längszüge , welche wie Leisten in das Lumen der Magenhöhle herein- 
ragen, oft mit einander Anastomosen eingehen oder Zweige abgeben, 
die sich im Wandungsgewebe feiner und feiner auflösen. 

Nach dem Hohlraum des Körpers geben die Längszüge keine Äste 
ab, wohl aber in einem nach oben offenen Winkel von 45°, nach der 
Körperoberfläche und mannigfach verästelt nach den benachbarten Längs- 
zügen. Die Längsfasern mit ihrem System von Nebenfasern lassen sich 
am besten mit dicht neben einander liegenden halbirten Lampenglas- 
bürsten vergleichen, die seitlichen Haare verflechten sich mit den seit- 
lichen Haaren der Nachbarbürsten, die übrigen strahlen frei nach außen. 
Allerdings muss hierbei betont werden, dass sich auf der Außenseite 
des Schwammes keine den Längsfasern der Innenseite entsprechende 
Wülste oder Leisten finden. 

Die Borsten- oder Sekundärfasern sind durch Quer- oder Tertiär- 
fasern nach allen Richtungen hin häufig mit einander verbunden. Die 
Breite der Längs- oder Primärfasern beträgt 0,6— 1 mm, die der Bor- 
sten- oder Sekundärfasern 0,3 — 0,6 (am stärksten diejenigen die von 
Längsfaser zu Längsfaser verlaufen) und die der Quer- oder Tertiär- 
fasern 0,2—0,4. Doch zeigen sich hierbei mancherlei Schwankungen, 
so sind im ältern Schwammgewebe alle Fasern stärker und eben so die 
Sekundärfasern gastralwärts. | 

Die organische Substanz der verschiedenen Fasern ist stets wasser- 
hell, und auch da, wo sie, wie in den Tertiärfasern, das Übergewicht 
über die Fremdkörper hat, ungeschichtet; es wollte mir auch bei An- 


Wr 


Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. 95 


- wendung der optischen und mannigfacher chemischer Hilfsmittel nicht 


gelingen, eine, bei andern Hornschwämmen so leicht (z. B. durch 
Maceriren mit verdünnter Schwefelsäure) nachweisbare Schichtung zu 
konstatiren. Gegen den Einfluss chemischer Reagentien ist die organische 
Substanz des Skeleites viel weniger resistent als dies bei Euspongia, 


_ Cacospongia und vollends bei den Aplysiniden der Fall ist. 


Nach Behandlung mit verdünnter Salzsäure, bei der die meisten 
der hauptsächlich aus Kalk bestehenden Fremdkörper verschwinden, 
erschienen die Primär- und Sekundärfasern im optischen Quer- oder 
Längsschnitte von einer schmalen durchsichtigen Zone umgeben, wäh- 
rend das dunklere Innere von sehr feinen staubartigen Körperchen er- 
füllt war; öfters zeigten sich auch größere Körnchen, die ab und zu 
zu längeren Partien, deren Längsachse in der Wachsthumsrichtung der 
Faser lag, zusammentraten. Die helle Zone ist wohl der dünne, von 
Haus aus freie Überzug über die zusammengeballten Fremdkörper und 
sind jene im Innern der Fasern vorhandenen Körperchen und Körnchen 
die Residua der unter Einfluss der Säure verschwundenen Fremdkörper. 


Es fanden sich weiter noch in den Fasern kleine, runde, stark licht- 


brechende Körper und ab und zu eine Kieselnadel oder ein Sandkorn 
nicht kalkiger Natur. Es wollte mir nie gelingen, in den Fasern auch 
nur Andeutungen von Hohlräumen an Stelle der durch Säuren ent- 


fernten Fremdkörper zu finden, wohl aber schrumpfen so behandelte 


Fasern auf den dritten ja vierten Theil ihrer ursprünglichen Dicke zu- 


"sammen. 


Psammascus wird übrigens beim Trocknen viel weniger spröde 
und brüchig als die übrigen Dysideiden und, als der Beschreibung nach, 
die Mehrzahl der Spongelien. 

Die Schar der Fremdkörper setzt sich nach wiederholten (20 ma- 
ligen) an vier Individuen vorgenommenen Zählungen im Durchschnitt 
so zusammen: 


Bruchstücke von Muschelschalen . . . 49% 
Sam ie. 
oramimferen 0.0, 0 li 
Spongiennadeln . . . ee) 


Allerlei Theile von end Sclero- 
dermiden von Gorgoniden, Ascidien etc. 2 
100 %o- 


Die Größe der Fremdkörper ist sehr schwankend; einzelne wenige 
erreichen eine Größe von 4 mm und darüber, andere sind kaum mess- 
bar. Die größten finden sich in den Wurzelfasern und frei im Syr- 


96 William Marshall, 


cytium liegend ; hier trifft man stattliche Foraminiferen, ansehnliche | 
Sandkörner und große Spongiennadeln, meist sind es kugelige oder | 
scheibenförmige Körper oder, im Falle es Schwammnadeln sind, drei- | 
strahlige Kalknadeln. In den Primärfasern erreichen die Fremdkörper | 
eine Länge bis zu 0,5 mm. Doch finden sich dazwischen zahlreiche | 
kleinere und kleinste, manchmal auch schlanke Schwammnadeln oder | 
Bruchstücke von ihnen von mehr wie | mm Länge. In den Sekundär- | 
fasern ist die größte Länge der Fremdkörper durchschnittlich 0,2 mm, 
doch finden sich auch hier die kleinern massenweise und ab und zu 
wohl auch größere. 

Während in diesen beiden Arten von Fasern die Fremdkörper dicht | 
an einander gepackt und über einander gelagert sind, so dass die orga- 
nische Materie der Spongie nur einen verschwindend kleinen Bruchtheil 
der Faser bildet, gestalten sich in den Tertiärfasern die Verhältnisse ' 
anders. Hier sind die Fremdkörper, die durchschnittlich eine Länge 
von 0,05 mm erreichen, nur in der Mitte perlschnurartig angeordnet | 
und präponderirt die organische Substanz bei Weitem. 

Die Anordnung der Fremdkörper, sobald diese wenigstens gewisse 
Eigenthümlichkeiten besitzen , ist in den Fasern durchaus nicht zufällig, 
sie folgt vielmehr ganz gewissen mechanischen Gesetzen und zwar den- 
selben, denen die Anordnung der im Schwamme selbst erzeugten Hart- 
gebilde der Kalk- und Kieselschwämme folgt. | 

Hazcker ! hat zuerst die Lagerung der Skeletttheile der Schwämme 
und zwar zunächst der Kalkschwämme eingehender gewürdigt. Er 
sagt: »Offenbar ist die bestimmte Art und Weise der Lagerung der Spi- 
cula in den Kanalwänden ursprünglich unmittelbar durch den Wasser- 
strom bedingt, welcher den Kanal durchfließt, und zwar lässt sich in 
dieser Beziehung folgendes allgemeine Gesetz aufstellen: Die Längsachse 
der Stabnadeln liegt in einem Meridian der Stromesrichtung. Bei den 
paarschenkligen Dreistrahlern und Vierstrahlern ist der basale Schenkel | 
parallel dem Stromeslauf und mit seiner Spitze dessen Richtung ent- | 
gegengekehrt.« | 

Ich machte mich, um die Anordnung der Fremdkörper in den Fasern ! 
der Dysideiden verstehen zu können, selbst ans Experimentiren,, aller- ! 
dings unter sehr bescheidenen Verhältnissen , und da fand ich, dass bei 
der Lagerung schwimmender Körper zum Wasser zwei Faktoren von 
 Hauptbedeutung sind, erstens die Gestalt des Körpers und dann die Ge- 
walt des Wasserstroms. Brachte ich einen Körper von verschiedenen 
Dimensionen, und auf einen solchen kommt es ja hier nur an, in nicht 


1 Kalkschwämme. Bd.I. p. 298. 


Untersuchungen tiber Dysideiden und Phoriospongien. 97 


zu rapide Strömungen, wie wir sie uns im Spongienleibe vorstellen 


müssen, so sah ich, dass sie ihre Längsachse parallel der Stromesrichtung 
anordneten, und dass, im Falle sie an den Enden verschieden dick 
waren, das weniger dicke Ende sich gegen den Strom richtete. So liegen 
auch in den Fasern der Spongien Fremdkörper unter gleichen Bedin- 
gungen (also keulenförmige Gesieinstückchen, stecknadelartige Kieselge- 


bilde ete.) im Allgemeinen parallel der Stromesrichtung und mit der 


Spitze dieser entgegen. 

Es ließe sich annehmen, dass primäre und sekundäre Fasern ziem- 
lich gleichzeitig angelegt wurden. Die letzteren wachsen von innen 
nach außen dem Fremdkörper zuführen- 
den Wasserstrome entgegen, daher sind 
sie gastralwärts am stärksten, facial- 
wärts werden sie zarterund sind weniger 
von Fremdkörpern angefüllt, die äußer- 
ste Spitze ist in der Regel sogar frei 
von ihnen. Zahlreiche Eindringlinge 
werden mit dem Wasserstrome an den 
sekundären Fasern vorüber zur Gastral- 
seite der Körperwand gelangen und hier 
vom Strome entlang der Wandung oral- 
wärts gerissen werden. Hierdurch sind 
die Primärfasern, in deren jeder sich 
eine Masse von Sekundärfasern treffen, 
in der Lage sich zu verstärken, und durch | 
den Strom sind sie zugleich gezwungen, Schema des Wasserverlaufs und des 
möglichst ihre Wachsthumsrichtung bei- ; a, a a a 
zubehalten. Selbstredend sind diese parietalen Wasserstromes und Ent- 
Länesfasern im älteren unteren Theile STE 
dicker als im oberen, jüngeren. 

- In den Tertiärfasern gestalten sich die Verhältnisse etwas anders. 
Während Primär- und Sekundärfasern durch ein mechanisches Gesetz 
gezwungen sind in einer bestimmten Richtung und mit einer gewissen 
Regelmäßigkeit zu wachsen , sind die Tertiärfasern in ihrer ersten An- 
lage Kinder des Zufalls und wirken modificirend auf den Wasserstrom, 
‚und später erst bestimmt dieser ihr weiteres Wachsthum. Denken wir 
unsin dem obenstehenden Schema verliefe der Wasserstrom in der Rich- 
tung von a nach b, so ist es klar, dass der Theil des Stromes, der in der 
Mitte zwischen ab und «a’b’, also im Centrum einer mehr oder weniger 
pyramidalen, von Sekundärfasern und Syncytium umgebenen Grube, 


| rascher fließen wird, als die Theile, die an den Wandungen Reibungen 


Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 7 


98 Ä William Marshall, 


ausgesetzt sind. Diese langsamer fließenden Theile des Wasserstromes 
werden, wenn die Wandungen überall gleichmäßig glatt sind, nicht 
alterirt werden; wenn aber, wie es ja häufig geschieht, in einer Sekun- 
därfaser ein Fremdkörper in das Lumen der Grube hereinragt, dann 
wird ein Theil des Wasserstroms sich an ihm brechen und abgeleitet 
werden. Durch die hierdurch hervorgerufene locale Reizung, vielleicht 
auch auf rein mechanischem Wege, wird nun aus dem Protoplasma des 
Syncytium , möglicherweise unter Anwesenheit von Spongoblasten, sich 
nach und nach eine Faser entwickeln, deren Wachsthumsrichtung durch 
die Richtung des abgeleiteten Wasserstroms bedingt ist. Dieser, als 
lokaler Theil viel schwächer als der Hauptstrom, hat nicht die Kraft 
größere Fremdkörper und kleinere in Massen an sich und mit sich zu 
reißen und kann den Tertiärfasern, deren Urheber er ist und der ent- 
lang er verläuft, nur kleinere Partikelchen in bescheidener Menge zu- 
führen. 

Es verdient schließlich hervorgehoben zu werden, dass die isolirt 
im Syncytium vorkommenden Fremdkörper, ganz wie die in Spongien 
selbst erzeugten Hartgebilde von einem zarten, strukturlosen Häutchen 
horniger Substanz, gleichsam von einer Spiculinscheide überzogen sind, 
welches Häutchen nach Behandlung eines Stückes des Schwammes mit 
verdünnter Salzsäure zurückbleibt. 

Die Weichtheile von Psammascus zeigen, wie die Weichtheile fast 
aller in schwachem Spiritus konservirten Spongien durchaus nichts 
Besonderes. 


Das Genus Dysidea. 


Massig, polyzoisch. Fasern von dreierlei Art bei Formen mit ent- 
wickelter Leibeshöhle, von zweierlei Art bei solchen, bei denen Lipo- 
gastrie eingetreten ist. Außenseite mit abziehbarer Haut, in dieser und 


in allen Fasern, aber niemals im Syncytium, Fremdkörper. 
Hierher gehören von beschriebenen Arten Dysidea fragilis Hyatt 
und D. coriacea Bowerb. 


Dysidea favosa, Haeckelin sched. 


Rundliche, massige Stücke, auf denen sich in wechselnder Anzahl ' 
kurze flache Kegel von circa 20 mm Basal-Durchmesser und höchstens | 
10 mm Höhe erheben, oft sind zwei benachbarte der ganzen Länge nach | 
verwachsen. An ihrem abgestumpften Ende sind sie mit einem runden | 
Loche von 6—-9 mm Durchmesser versehen, jeder Kegel ist ein Schwamm- ! 
individuum und das gipfelständige Loch der Mund. Um diesen herum | 


Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. 59 


befindet sich ein 3—4 mm breiter, beweglicher, von nur sehr wenigen 
Skeletifasern innerlich gestützter Hautsaum, den man Munddiaphragma, 
Lippe oder Rüssel nennen kann. Die Außenseite des Schwammes ist 
von einer schleimigen, derben Oberhaut bedeckt, die sich auch über 
dichtan einander stehende, unregelmäßig polygonale Gruben von 1—3 mm 
Durchmesser wegspannt, und oberhalb dieser von zahlreichen runden 
0,1—0,15 breiten Poren durchsetzt ist. 

Entfernt man diese Oberhaut, so sieht man, dass sich unterhalb 
derselben die Gruben in eine Tiefe von I—2 mm fortsetzen, in ihrem 
Grunde gewahrt man mehrere Öffnungen im Gewebe, die Mündungen 
von Kanälen, die in einen größeren Hohlraum führen, der mit einen 
oder mehreren breiteren Kanälen mit der Leibeshöhle kommunicirt, oft 
liegen auch mehrere solche Hohlräume von wechselnder Gestalt und 
Größe hinter einander und verbinden sich durch Kanäle sowohl unter 
_ einander als wie mit seitlich benachbarten Hohlräumen. Sehr häufig 
münden die Endkanäle mehrerer Systeme derartiger Hohlräume in wand- 
ständige, große Gruben der Magenhöhle, die oft durch unterhalb vor- 
springende, aus Skelettfasern gebildeten und von Magenhaut überklei- 
deten Leisten, die halbmondförmig nach oben geöffnet sind, das Ansehen 
von Taschen gewinnen. Durch eine Oberhaut führen also Dermalporen 
in subdermale Räume, aus diesen führen mehrere Kanäle in sinuöse 
Anschwellungen (Geißelkammern?) , die ihrerseits wieder mit einem 
oder einigen größeren Kanälen mit der Magenhöhle kommuniciren. Das 
Astkanalsystem ist also, wie. HaEckeL es bezeichnet, nach dem » blasen- 
förmigen Typus« (Kalkschwämme Taf. XL, Fig. 10) oder, wenn man 
will, nach einer Kombination dieses und des »traubenförmigen Typus « 
angeordnet (Kalkschwämme, Taf. XL, Fig. 8). 

Der Magenhohlraum ist entweder einfach trichterförmig oder er löst 
sich in selteneren Fällen in einige wenige, größere Äste auf; bisweilen 
kommuniciren auch die Magenräume verschiedener , benachbarter Kegel 
mit einander. | 

Die Anordnung des Skeletts stimmt im Ganzen und Wesentlichen 
mit den von Psammascus beschriebenen Verhältnissen überein. In dem 
massigen Basaltheile der Spongie zwar ist das Gewebe verworren, in 
dem untersten Theile werden runde Maschen und Lücken von sehr 
 schwankender Größe von dickeren und dünneren Fasern umgrenzt, ohne 
dass sich im Auftreten dieser Fasern ihren verschiedenen Dimensionen 
‚nach irgend etwas Gesetzmäßiges finden ließe. Neben und durch ein- 
ander verlaufen starke und schwache Fasern , horizontal und vertikal. 
In den mehr mundwärts gelegenen Stellen des Basaltheils gewahrt man 
indessen eine gewisse Tendenz längerer und stärkerer Fasern, sich mehr 

7* 


100 William Marshall, 


centripetal zu ordnen, aber auch hier ist das Bild der Regelmäßigkeit oft 
verwischt, oft verwachsen mehrere neben einander gelagerte Längsfasern 
zu festeren Strängen, die bisweilen, Hohlräume in sich einschließend, 
zu Röhren werden. Häufig zeigen sich in der Basalmasse große (bis 
40 mm und darüber im Durchmesser habende) runde oder längliche, 
von Haut ausgekleidete Höhlungen, vielleicht Theile von Magen, die bei 
dem Weiterwachsen der den Schwamm zusammensetzenden Individuen 
durch überwuchernde Skelettmasse abgeschnürt wurden. Jedenfalls 
stimmt die sie auskleidende Haut mit der später zu beschreibenden 
Magenhaut überein. 

Bei der Länge nach durchschnittenen Schwämmen sieht man, dass 
die Trennung der Individuen viel früher beginnt, als man den kurzen 
freien Kegeln nach vermuthen sollte; die einzelnen Magenhohlräume 
dringen tief, stellenweise sogar sehr tief in die Basalmasse ein. Diese 
scheint übrigens, wenn auch Magenräume in ihr fehlen, vollkommen 
funktioniren zu können, wenigstens ist auch bei ihr die Oberhaut von 
denselben Poren durchsetzt, wie solche in den höher gelegenen Schwamm- 
theilen sich finden. So ließe sie sich wohl mit einer selbständigen Spon- 
gie vergleichen, bei der Lipogastrie eingetreten ist. 

Auch bei diesem Schwamme verlaufen in der Wandung des Magens 
Züge von Längsfasern, aber viel weniger deutlich wie bei Psammascus. 
Sie haben eine noch größere Neigung Anastomosen zu bilden und geben 
auch nach innen Äste ab zur Bildung der Gruben und Magentaschen, 
durch deren Gegenwart dem regelmäßigen. Verlaufe der Primärfasern 
überhaupt schon Eintrag geschieht. 

Nach außen und oben von ihnen steigen in die Körperwand, die 
auch noch in den freien Kegeln 6 mm und unmittelbar unter dem Mund- 
rande 2 mm stark ist, in derselben Weise wie bei Psammascus Sekun- 
därfasern, die ebenfalls durch Tertiärfasern verbunden sind. Wenn 
zwei neben einander gelegene Individuen verwachsen, so wird das 
Wandgewebe zwischen ihnen in seinem regelmäßigen Wachsthum ge- 
stört, die Fasern verflechten sich und die Maschen und Hohlräume liegen 
in steil nach oben steigenden Zügen. 

Die Fasern dieser Dysidea sind gleichfalls wasserhell, ungeschichtet 
und fähig, dem Drucke folgend, sich etwas zu verbreitern, nehmen aber 
bei Nachlassen des Druckes ihre ursprüngliche Form wieder an. Im 
trocknen Schwamme, der genau wie gewisse kaleinirte Knochen aus- 
sieht, schwinden sie um den vierten bis dritten Theil ihrer Breite. In 
diesem Zustande ist der Schwamm nicht oder doch nur in sehr geringem 
Grade zerreiblich. | 

Die Fremdkörper zeigen manches Eigenthümliche: sehr selten sind 


Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. 101 


in den Fasern Kalksterne von Ascidien , häufiger gestreckte Sandpar- 
tikelchen und Kieselnadeln, resp. deren Bruchstücke, bei Weitem aber 
herrschen Nadeln und Nadelfragmente von Kalkschwämmen vor. Die 
verschiedenartigen Fremdkörper treten in den Fasern in folgendem Ver- 
hältnis auf: 


Palkmadein 1 22... . 0.0.0... 02 200, 
Kreselnadeu 0 0... 0.0 0 027 
Sans a er era; 
Fragmente von Muschelschdlen . . . 2 


Allerlei (Gorgoniden-Scleroderm, Asci- 
diensterne, Bruchstücke von Echino- 


dermen eich, m. 00 nt 
100%). 


Auch an den Fremdkörpern dieser Dysidea finde ich das HAEckEL- 
sche Gesetz über die Anordnung der Nadeln durchaus bestätigt. 

Die Oberhaut des Schwammes, ungefähr 0,3—0,5 mm stark, ist 
derb und lässt sich in großen Stücken abziehen. Die Dermalporen haben 
circa 0,3 mm im Durchmesser und stehen etwas, aber nicht streng regel- 
mäßig, alternirend ; bei den untersuchten Spiritusexemplaren waren sie 
durch ein zartes, von Fremdkörpern freies Häutchen geschlossen. Die 
'Zwischenräume zwischen den Poren sind ein Drittel bis halb so breit 
wie diese und bilden ein elegantes, von Fremdkörpern strotzendes Netz. 

Diese Fremdkörper treten hier in anderer Art auf als in den Skelett- 
fasern: 


Ascidiensierne, 3 nn ee ne Kae, 
Kalk- und Kieselnadeln.: ...::...... .:23 
Kleine Sandkörner. 0.3, 2, erster 0 
Muschelfraementes u: sinus as 
Nllorleiis 2 00 ei es BusteikD 


also bilden runde oder doch rundliche Körper circa 70%, der Gesammt- 
masse, gestreckte bloß 30 %/,. 

Gewiss treten mit dem Wasserstrome nicht nur lange Fremdkörper 
in den Schwamm ein, sondern eben so gut auch oder mehr noch runde, 
aber die langen werden an die, im Leben gewiss etwas klebrigen Fasern 
angedrückt, während die runden, die auf kurze Momente nur geringe 
Berührungspunkte bieten, durch die Gewalt des Stromes weiter gerollt 
_ werden und so in den Magenraum und endlich zur Mundöffnung heraus 
gelangen. Sobald aber hiermit die treibende Kraft nachgelassen hat, 
fallen sie über den Mundrand auf die Oberfläche der Spongie und bleiben 
auf dieser, die wir uns gleichfalls als etwas klebrig vorstellen müssen, 


102 William Marshall, 


haften. Viele dieser Körper mögen die Reise durch den Spongienkörper 
öfter wiederholen, bis sie endlich zur Ruhe gelangen. 

Hyarr ! hat die Hypothese aufgestellt, dieFasern der Hornschwämme 
wüchsen auf doppelte Art und entwickelten sich aus zwei verschiedenen 
Keimblättern,; der innere Theil derselben bilde sich durch eine (ge- 
wissermaßen trompetenartige) Einstülpung der Oberhaut und auf diese 
Einstülpung setzten sich die bekannten Deckschichten aus dem Syneytium 
des Mesoderms ab. Wäre dies wirklich wahr, so müssten unter den 
Fremdkörpern der Sekundärfasern bei Dysidea favosa die Ascidiensterne 
vorherrschen, wie sie es in der äußeren Haut thun, aus der sie ja, unter 
den von Hyarr angenommenen Wachsthumsvorgängen, in das Innere 
der Fasern gelangen müssten und gewiss leichter als große Bruchstücke 
von dreistrahligen Kalknadeln gelangen könnten. Dass dies ganz und 
gar nicht der Fall ist, beweist ein Vergleich der beiden von mir ge- 
gebenen Übersichten über die Arten der Fremdkörper in den Fasern und 
in der Oberhaut. 

Fallen die aus dem Munde ausgestoßenen Fremdkörper auf Theile 
der Oberfläche des Schwammes, an denen die Poren gerade geschlossen 
sind, so werden sie sich über diesen Theil in toto und damit auch über 
die Schließhäutchen der Poren regellos vertheilen. Durch das fortge- 
setzte Öffnen dieser Poren aber werden sie mechanisch in die umgeben- 
den Wälle zu den dort schon befindlichen Fremdkörpern hingedrängt 
und von der klebrigen Haut festgehalten. Man kann leicht beobachten, 
dass langgestreckte Fremdkörper der Außenseite tangential zu den Poren 
liegen, eine Lage, zu der sie gleichfalls durch die Bewegungserscheinungen 
des verschließenden und öffnenden Protoplasma-Sphinkter (um es einmal 
so zu nennen, da es keine Haut ist) genöthigt werden. Größere drei- 
. strahlige Kalknadeln liegen stets so, dass zwischen je zweien ihrer Schenkel 
ein Hautporus sich befindet, die einzig für sie mögliche Lage, denn es 
ist klar, dass Alles was sich von Fremdkörpern diesem mechanischen 
Zwange nicht fügen kann, von dem Wasserstrome wieder mit in die 
Ramalkanäle hineingerissen wird. Auch dies ist ein Grund mit, dass in 
der Oberhaut rundliche Körper, die weniger leicht passiven Widerstand 
zu leisten vermögen, vorherrschen. 

Man darf aber nun nicht meinen, dass diese hier von n Dys. favosa 
beschriebenen Verhältnisse auch bei den übrigen Dysideiden stattfänden: 
eine Spongie mit Fasern, die stärker kleben, oder in deren Körperwand 
das Kanalsystem anders angeordnet ist, wird ein unter Umständen sehr 
abweichendes Arrangement der Fremdkörper zeigen. 


lc. p. 482 ff. 


Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. 103 


Die Magenhöhle von D. favosa ist gleichfalls mit einer Haut ausge- 
kleidet, die mit der Oberhaut kontinuirlich zusammenhängt, obwohl sie 
zarter ist als diese; am Munddiaphragma gehen sie in einander über. 
Auch in der Magenhaut verschwinden die Fremdkörper nicht ganz, sind 
aber doch viel seltener als in der Oberhaut. Sie liegen nicht unregel- 
mäßig, sondern entweder einzeln, und falls sie dann gestreckt sind, 
parallel mit der Körperachse, oder in kleinen Gruppen, die, gleichfalls 
länglich, in der Richtung des oralwärts fließenden Wasserstromes ange- 
ordnet sind. 

Nach Behandlung mit Essigsäure nimmt die ursprünglich homogen 
erscheinende Magenhaut ein faseriges Ansehen an; eine Erscheinung, 
die nicht auf dem Auftreten feiner Falten, sondern auf dem wirklichen 
Vorhandensein von Fibrillen beruht, denn bei Zupfpräparaten erscheinen 
am Rande öfters streckenweise isolirte Fasern, und außerdem zerreißt 
beim Zupfen die Haut in der gleichfalls oralwärts verlaufenden Richtung 
der Fasern. 

Diese eigenthümliche Struktur, bei deren Betrachtung man unwill- 
kürlich an manche organische Muskelgewebe erinnert wird, ließen mich 
hoffen in dem Mundsaume etwa eine sphinkterartige Anordnung der 
Fibrillen anzutreffen, aber meine Erwartungen wurden getäuscht. 

In der Magen- und Oberhaut bleiben übrigens, nach Behandlung mit 
verdünnter Salzsäure, feine Häutchen zurück , von denen (nach Art der 
Spiculinscheiden der Hartgebilde der Kalk- und Kieselschwämme) die 
zerstörten Kalkkörperchen umgeben waren. 

Die blasenartigen Erweiterungen des Kanalsystems, die aller Ana- 
logie nach als Geißelkammern aufzufassen sind, werden von einer feinen, 
von Fremdkörpern freien Haut ausgekleidet, an der irgend eine Struktur 
aufzufinden nicht gelang. Man sieht mit dem Mikroskop in ihr (bei 
manchen Individuen häufig) trübe, rundliche Partien von wechselnder 
Größe, wahrscheinlich durch die Aufbewahrungsmethode veränderte Ei- 
zellen. Bei einem Individuum lagen in den Geißelkammern und in den 
Kanälen magenwärts von diesen runde Körper von gelber bis orangener 
Farbe von 0,8 mm Durchmesser, daher für das bloße Auge sehr wohl 
wahrnehmbar. Sie entpuppten sich bei schwacher Vergrößerung als 
Eier im Morulastadium. Die in den Kanälen befindlichen waren wohl, 
wie Fremdkörper, auf einer passiven Wanderung begriffen um in den 
Magenraum zu gelangen und aus der Mundöffnung ausgeworfen, »gelegt« 
zu werden. 

Das heimatliche Gewässer dieser Spongie ist die Bass-Straße. 


104 William Marshall, 


Dysidea callosa mihi. 


= 


Aus derben, "klumpigen Massen erheben sich fingerförmige bis 
lappige Fortsätze von 40—60 mm Höhe und sehr schwankendem Durch- 
messer, der aber an der Basis nie weniger als mindestens ein Drittel der 
Höhe beträgt. An der Spitze sind die kegelartigen Fortsätze mit Löchern, 
Mundöffnungen versehen, die fingerförmigen, von einem Individuum ge- 
bildeten mit einem, die lappigen aus mehreren verschmolzenen Indivi- 
duen bestehenden mit mehreren. Um die Mundöffnungen, welche nicht 
immer rund sondern bisweilen auch schlitzförmig erscheinen, steht ein 
dünner noch nicht 1 mm breiter Hautsaum. Die Oberfläche zeigt un- 
regelmäßige, in keiner bestimmten Richtung verlaufende, flache und 
kurze Wülste und sehr wenige, runde, warzenartige Papillen von 1 bis 
1,5 mm Durchmesser, welche im obern Theil häufiger werden und um 
den Mund herum endlich sehr dicht stehen. Die Oberhaut ist auf den 
Kegeln glatt und glänzend, weniger auf dem Basaltheile. 

Das Skelett zeigt nicht die regelmäßige Anordnung wie bei D. favosa; 
die Fasern lassen sich nicht als verschiedenartig unterscheiden, ja stellen- 
weise kann man von diskreten Fasern gar nicht sprechen. Man kann in 
der Fremdkörpermasse (der Kegel wenigstens) schwache Züge beob- 
achten, die in durchschnitienen Wandungen fiederartig von innen und 
unten nach außen und oben verlaufen, aber von regelmäßigen Netzen 
und Geflechten kann nirgends die Rede sein, und die Basalmassen 
vollends gleichen einem zusammenklebenden Haufen Sandes, der von 
größeren und kleineren Löchern und Gängen regellos durchsetzt wird. 
Die aufsteigenden Fasern der Kegel verbreitern sich an dem Ende, mit 
dem sie an die Haut treten, und dadurch kommen die erwähnten Er- 
höhungen der Oberseite zu Stande, Wülste imälteren Theile, wo mehrere 
Fasern verschmelzen und einzelne sich verdicken und Papillen in den 
jüngeren Regionen, in denen schlankere Fasern mehr vereinzelt ver- 
laufen. Es ist übrigens nicht ausgeschlossen, dass sich benachbarte 
Fasern wohl einmal mit Querfasern verbinden; ab und zu sind sie auch 
auf längere oder kürzere Strecken zu Platten und Klumpen, mit nur 
wenigen perforirenden Löchern und Gängen verschmolzen. 

Bei diesem Schwamme zeigen die Fasern einen merklichen Unter- 
schied von den bei Psammascus und D. favosa beschriebenen Verhält- 
nissen. Während bei diesen die kontinuirlichen Massen der Fremdkörper 
von einer besondern, wenn auch strukturlosen Ceratin- oder Spongin- 
hülle umgeben waren und die Faser vor Aufnahme der Fremdkörper 
sich aus dem umgebenden Syncytium (vielleicht unter Anwesenheit von 
Spongoblasten) als klebriger Strang differenzirte, wie sie ja in ihrem 


- Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. 105 


facialwärts stehenden, jüngsten Ende frei von Einschlüssen ist, — liegen 
bei Dys. callosa die Verhältnisse anders. Hier sind die Fremdkörper zu 
dieken Strängen dicht an einander gepackt ohne umgebende gemeinsame 
‚Hülle, und nachdem man mit verdünnter Salzsäure die meisten Fremd- 
körper entfernt hat, bleibt kein Fasernetz zurück und die ursprünglichen 
organischen Bestandtheile des Skeletts heben sich unter dem Mikroskop 
nur dadurch vom übrigen Syncytium ab, dass sie etwas dichter sind. 

Beim Trocknen schrumpft der Schwamm zu einer derben, kork- 
artigen Masse zusammen und zeigt kein wohldifferenzirtes Skelett mit 
verschiedenen Fasersystemen und Maschen, nur die größeren Kanäle 
treten als Löcher und Gänge auf. Der trockene Schwamm ist in hohem 
Grade zerreiblich, was bei dem großen Reichthum an Fremdkörpern und 
dem Mangel eines Hornskeletts leicht erklärlich ist. 

An dem Skelett dieses Schwammes kann man erkennen, wie Horn- 
fasern, zu deren Verstärkung ursprünglich Fremdkörper in bescheidenem 
Maße aufgenommen wurden, nach und nach verschwinden und jene 

vollständig an deren Stelle treten. 
| Von allen von mir untersuchten Dysideiden herrscht hier am wenig- 
sten irgend eine besondere Art von Fremdkörpern vor, es finden sich : 


REIF NTERIREHIUN 
Sponeiennadeln.;. u. =. . 4er. ur :93 
Ruischeltraemente „. ,- . . . . 2... 25 
ienlene 0 00 0 n .0yd 

5 | 100 90. 


Das Gastrokanalsystem ist sehr stark entwickelt. Unmittelbar unter 
dem Munde theilt sich der Magen meist in mehrere Hohläste, die ent- 
weder gleich weit sind, oder aber, und dies ist das Häufigere, der Mittel- 
theil, also der eigentliche Magen, bleibt weiter als die Zweige, die er 
abgiebt. Nicht eben selten gewahrt man beim Einblick in die Mund- 
höhle eine Art von Steg, der die verschiedenen Magenäste trennt. Die 
Gastralkanäle dringen sehr tief in die Basalmasse ein und erweitern sich 
hier nicht selten zu kugeligen Hohlräumen. 
| Im Allgemeinen werden die Äste und Ästchen des sich vielfach 

theilenden, auch Anastomosen eingehenden Kanalsystems facialwärts 
feiner und feiner, — es ist der baumförmige Typus des Astkanal-Systems 
(HAzcker) der uns hier entgegentritt. Bemerkt sei noch, dass ganz feine 
Kanäle direkt aus dem Haupt-Magenraum entspringen können, eine suc- 
cessive Abstufung von stärkeren zu feineren also durchaus nicht noth- 
‚wendig ist. 
Unterhalb, d. h. aboralwärts, steht unter jeder Mündungsöffnung, 


106 William Marshall, 


der größern Kanäle wenigstens, eine halbmondförmige Klappe oder eine 
nach oben offene, häutige Tasche, die wohl auch das Resultat der oral- | 
wärts strebenden Wasserströme ist, zugleich aber auch ihre funktionelle! 
Bedeutung hat. Wenn nämlich die Dermalporen streckenweise geschlossen ' 
sind, was bei Spongien nicht selten vorkommt, so wird gewissen Zweig- | 
kanälen kein Wasser von außen zugeführt. Mündeten diese nun in dem! 
nächsten Kanal ganz frei, so würde das in demselben oralwärts strömende| 
Wasser mit Fäces, überflüssigen Fremdkörpern, vielleicht auch Genital- 


produkten etc. leicht in sie eindringen können, — ein Ereignis, das, 7 


wenn auch nicht besonders schädlich, so doch recht störend würde 
wirken können. So aber werden jene Klappen, wie der Deckel beim 
Schlingen auf den menschlichen Kehlkopf, auf die Eintrittsöffnungen 
gedrückt und diese damit geschlossen. 

Das ganze Gastralkanal-System (Magenhöhle etc.) ist von einer feinen 
zusammenhängenden Haut ausgekleidet, die auch als Duplicatur die 
Schließklappen bildet. Diese Haut, in und auf der sich sparsam Fremd- 
körper finden, giebt unter dem Mikroskope Bilder, die ganz an fibrilläres 
Bindegewebe erinnern; sie setzt sich aus sehr feinen Längsfasern zu- 
sammen, die sich durch anhaltendes Zupfen auf kurze Strecken isoliren 
lassen. An den halbmondförmigen Klappen geht die Längsrichtung nach” 
und nach in eine transversale über, und längliche Fremdkörper (Kiesel- 
nadeln etc.), die in den klappenfreien Theilen vertikal liegen, gruppiren” 
sich in den Klappen von unten nach oben immer mehr horizontal und! 
sind hier auch häufiger; beides ein Resultat der Kraft des Wasserstroms, | 
der an den Klappen einen Widerstand findet. Wirft man in fließendes F 
Wasser eine Anzahl Späne, so wird man sehen, dass sich ein Theil! 
derselben an einer Stauungsstelle quer zur Richtungsachse des Wasser-) E 
stroms legt, und dass sie hier sich häufen ist selbstverständlich. Diese) 
innere Haut hängt wie bei D. favosa mit der Oberhaut kontinuirlich zu-" 
sammen, indem sie sich um den Mundrand schlägt. 7 


. u u nn 


— 


(mit dem längsten Durchmesser in der Wachsthumsrichtung stehenden) hl 
Hautporen ein feines Netz bilden und dabei in deren unmittelbaren‘ 
Nähe eine mehr koncentrische, sphinkterartige Anordnung gewinnen.) 
Die Oberhaut ist sehr derb, fast lederartig, führt aber auf den kegel-! 
förmigen Individuen auffallend wenig Fremdkörper in und auf sich, 
während das übrige Skelett so ungemein reich an ihnen ist. Die Poren! 
durchsetzen die Haut meist nicht direkt, ein Porus kann vielmehr in) 
seinen tieferen Stellen von Querfasern durchzogen sein, und es zeigen 


Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. 107 


sich mit der Einstellung des Mikroskops verschiedene über einander ge- 
lagerte Hautnetze. Die tiefefen Fasern sind zarter als die oberflächlichen 
und meist vollständig frei von Fremdkörpern. 

In dem älteren basalen Theile sind die Hautporen entweder ganz 
verschwunden oder sie sind doch als sehr feine, vereinzelt stehende 
Löcher gegen die Masse der Haut sehr zurückgetreten. An diesen Stel- 
len sind die Fremdkörper häufiger und rekrutiren sich meist aus langen 
Nadeln und Nadelfragmenten,, die eigenthümlicherweise zur Hälfte in 
der Haut stecken und mit der andern Hälfte frei über die Oberfläche 
hervorragen, so dass der Schwamm hier fein stachlig wird. Wo die 
Nadelstücke die Haut durchbohren, ist diese ein wenig erhöht und gleich- 
sam nachgezogen. 

In dem Syncytium, das hier ganz ungemein zurückgetreten ist, ge- 
lang es leider nicht irgend etwas Besonderes wahrzunehmen; es zeigten 
sich stellenweise mehr oder weniger runde, undurchsichtige Partien und 
die bekannten feinen Körnchen. 

Das Vaterland dieses Schwammes ist unbekannt; die Exemplare 
der jenaer Sammlung sind in einer Flasche ohne Etiquette, doch stam- 
men sie höchst wahrscheinlich gleichfalls von Australien. 


Dysidea argentea, Haeckel in sched. 


Massig, polyzoisch mit einfachen Mundöffnungen von 1—2,5 mm 
Durchmesser. Das Exemplar ist auf Bruchstücken von Muschelschalen 
angesiedelt und von Sertularien durchwachsen. Die Oberhaut ist in nur 
kleinen Fetzchen abreißbar, von silbrigweißem Glanze, was einiger- 
maßen auffallend ist, da sie bei den übrigen Dysidea-Arten, an in Spi- 
Titus konservirten Exemplaren wenigstens, eine schmutzige graugelbe 
Farbe besitzt. Die kleinen, 0,25 mm im Durchmesser haltenden Poren 
sind dicht über die ganze, weder durch Gruben noch Wülste unebene 
Oberfläche verbreitet. Bei schwacher Vergrößerung sieht man manche 
Poren schwarz und in runden Gruppen, die bisweilen zusammenhängen, 
vereinigt. Diese stehen direkt über Hohlräumen im Skelett, während 
die andern über einem Netze von an die Oberfläche herantretenden Fasern 
sich befinden und in dessen feinste Maschen führen. 
| Mittels des Mikroskopes sieht man, dass die Wälle um die Dermal- 
poren herum sich hauptsächlich aus Nadelfragmenten aufbauen; diese 
sind klein, im Durchschnitt 0,08 mm lang und bilden ein stellenweise 
sehr zierliches Netz wie aus Pflaster oder Mosaik bestehend, das bei 
regelmäßiger Stellung der Poren und bei der tangentialen Anordnung 
der Fremdkörper oft sehr symmetrisch wird. 

In den Fasern sind die fremden Einschlüsse gleichfalls fast nur klein 


108 | William Marshall, 


und dicht an einander gepackt. Oft entwickeln sich im Skelett Platten’ if 
durch Verschmelzung der Fasern, und wenn auch bei diesen die orga-| 
nische Substanz zurückgetreten ist, so ist sie doch stets deutlich vor- | 
handen, und die Fremdkörper erscheinen nicht wie bei D. callosa ein- 
fach in das Syncytium eingelagert. | 

Das feste Skelett setzt sich aus folgenden Bestandtheilen zusammen : | 


Kalknadin . . „. ... 250, 
Kieselnadeln .. .. ........00 
Sand. a ln 
Muschelschälen . . . ...46 
Allerlei... u... 2 20820 2010 

| 100 9%. 


Über das Arrangement der Fasern bin ich leider nicht in der Lage” 
 bemerkenswerthe Mittheilungen machen zu können, eben so wenig über” | 
das Gastrovascular-System. '# 

Es ist von mir im Verlaufe dieser Darstellung schon mehrfach da- | M 
rauf hingewiesen worden, dass die Fremdkörper bei den Dysideiden' 
eben so wie die in andern Schwämmen selbst entstandenen Hartgebilde LK 
von einer zarten Haut, einem der Spiculinscheide entsprechenden Säck-" 
chen umschlossen sd. Nirgends sieht man dies deutlicher wie bei‘ ’ 
D. argentea. 5 

Die Oberhaut bietet, wenn man die meist kalkigen Fremdkörper! 
mittels Säure entfernt hat, bei starker Vergrößerung Bilder, die lebhaft” 
an gewisse Epithelien erinnern. Die Fremdkörper-Säckchen hängen, wie‘ 
Zellen, dicht an einander und nur wenig organische Substanz (ihre sich" 
berührenden Wandungen) ist zwischen ihnen. In ihrem Innern ge-" 
wahrt man sehr feine Körnchen und ab und zu runde, stark lichtbre- 
chende Körperchen, die als von der Säure nicht aufgelöste Residua auf- 
zufassen sein dürften. Auch in den Häutchen selbst gewahrt man sehr! 
feine Körnchen und eine feine Strichelung. j 

Diese Säckchen haben ihre ursprüngliche Gestalt, in der sie der| 
Form der Fremdkörper folgten, etwas verändert, es sind nicht mehr! 
Cylinder, was sie zum größten Theile als Überzüge von Nadelfragmenten 
waren, sondern sie sind polyedrisch geworden. Da der feste Widerstand 
mit den Fremdkörpern verschwunden ist, so suchen die nachgiebigen 
Überzüge durch mechanischen Einfluss, vielleicht durch Gasentwicklung, | | 
eine rundliche Form anzunehmen, wobei sie sich, wie Blasen im Seifen- | 
schaum an einander abplatten müssen. N 

Dies ist weniger oder gar nicht der Fall in den mit verdiännias 74 
Salzsäure behandelten Präparaten von Fasern. Hier legt der, wenn auch |" 


Untersuchungen über Dysideiden und Phioriospongien. 109 


dünne so doch feste Überzug des Ganzen ein energisches Veto ein und 
man erhält sehr originelle Bilder, in denen die Säckchen genau die Form 
der verschwundenen Fremdkörper annehmen oder vielmehr behalten. 

Diese Dysidea, welche nur in einem Exemplare vorlag, konnte nur 
sehr mangelhaft untersücht werden; sie stammt gleichfalls von Austra- 
lien und befindet sich im jenaer Museum. 


Das Genus Psammoclema. 


Polyzoisch, sich unregelmäßig verästelnd. Oberfläche glatt mit ab- 
ziehbarer Haut. Fremdkörper in einfachen, fächerartig von unten und 
innen nach oben und außen verlaufenden Zügen mit wenig organischer 
Substanz, stets ohne Querfasern. Im Syneytium gleichfalls freie Fremd- 
körper. 


Psammoclema ramosum. 
2 Dysidea ramosa Haeckel in sched. 


Dersich unregelmäßig verzweigendeSchwamm hat wenige drehrunde 
Äste mit einem Durchmesser von 8—10 mm, nur in den jüngsten Spitzen 
reducirt sich dies Maß auf 5—6 mm. Die Mundöffnungen sind zahlreich, 
von I—2 mm Durchmesser , kreisrund oder häufiger oval, und dann 
steht die längere Achse in der Wachsthumsrichtung des Schwammes. 
Sie treten in Abständen von 5—50 mm auf, aber diese Extreme sind 
selten, meist beträgt ihre Entfernung von einander 12—15 mm. Am 
freien Ende der Äste ist der Schwamm sanft abgerundet. Über das 
untere Ende kann ich nichts sagen, dasselbe war bei dem vorliegenden 
Material stets abgerissen. Auf ansehnliche Strecken sind oft die ein- 
zelnen Äste mit einander verschmolzen. Dies kann entweder unmittel- 
bar nach der Trennung geschehen und dann verrathen sich die ur- 
sprünglich diskreten Äste durch eine oberhalb und unterhalb ihrer 
Verwachsungslinie verlaufende Furche, oder aber die Verschmelzung 
‚tritt erst im weiteren Verlaufe ein, so dass zwei Äste eine Strecke weit 
getrennt neben einander verlaufen, dann sich wieder auf eine Strecke 
vereinigen und endlich wieder frei werden; ja es kann vorkommen, dass 
Äste sich auf diese Art öfter mit einander verbinden. Man kann diese 
Erscheinung nicht eben selten auch bei andern Horn- und Kiesel- 
schwämmen beobachten, doch ist sie bei dieser Dysideide besonders in 
die Augen fallend. 

Das Skelett besteht aus centralen Längsfasern von 0,5—1 mm 
Breite, die, sich fast stets dichotomisch theilend, sekundäre Äste ab- 
geben, die nach oben (d. h. nach der Astspitze) und außen unter Ver- 


110 °- William Marshall, 


breiterung des Endes an die Oberhaut treten. Diese 0,5 mm starken | 
Äste theilen sich auch häufig, und vor einer derartigen Theilung ge- 
schieht es ab und zu, dass sie sich ansehnlich verbreitern; es wurde | 
aber nie beobachtet, dass sie sich durch tertiäre Querfasern verbänden. | 
Sie sind im Durchschnitte nicht kreisrund, sondern etwas flach gedrückt. | 
Ihre organische Substanz ist sehr geringfügig und eben genügend die | 
vorhandenen Fremdkörper (hauptsächlich Bruchstücke von Spongien- | 
nadeln) zusammenzuhalten. Die Maceration mit verdünnter Kalilauge | 
verträgt sie noch, aber nach Kochen in starker war ein Stück von 2 cm | 
Länge nach zwei Minuten vollkommen verschwunden und nur ein Haufe 
von Fremdkörpern übrig geblieben. Wenn man mit sehr verdünnter ! 
Kalilauge manipulirt, so erhält man besonders aus den Astspitzen höchst 
zierliche Faserbäumchen, die außerhalb einer Flüssigkeit sofort zu un-| 
entwirrbaren Knäueln kollabiren. 

Die Arten der Fremdkörper, aus denen sich die Fasern aufbauen, | 
und die in ihrer Anordnung strikte dem Harcker’schen Gesetze folgen, ' 
sind diese: | 


Bruchstücke von Kalkschwamm-Naden . . . 52% 
Bruchstücke von Kieselschwamm-Nadeln . . . 48 
Sand Fr ST AN > 
Muschelschal-Stückchen . . . . 2.2.0.2. 7 
Allerlei ame. ee 1 
100%. 


Beim Trocknen wird der Schwamm, indem er auf ein Drittel seines | 
ursprünglichen Volumens zusammenschrumpft, steinhart. Die chemische | 
Untersuchung ergab, dass die Spongie 


an, verbrennlicher Substanz . .. .......... 25,20) 
an unverbrennlichem Rückstande . . . . 74,80), 


ihres Gewichtes besaß, also einen Reichthum an Fremdkörpern aufwies, ' 
wie er bei Spongelia nicht vorkommt. 

Außer in den Fasern finden sich noch isolirte Fremdkörper im gan- | 
zen Syncytium mehr oder weniger häufig; meist sind sie größer als im 
übrigen Schwamme und besonders Sandkörner. 

Man beobachtet aber noch andere sehr eigenthümliche Körper, über 
deren Natur und Herkommen ein Uriheil zu fällen ich mir nicht erlau- 
ben will. Sie sind linsenförmig und stark lichtbrechend. Unter dem 
Polarisationsapparat erscheinen sie doppeltbrechend; ihr Durchmesser 
beträgt circa 0,05 mm. Bisweilen Zwillinge, kommen sie am häufigsten 
im Syncytium, nur sehr selten auf der Oberhaut vor. In den Fasern | 
treten sie, wie es scheint, gar nicht auf, wie sie denn auch durch den 


4 


Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. 111 


Einfluss verdünnter Salzsäure verschwinden. Diese Körnchen sind nun 
_ entweder Rollstückchen von Fremdkörpern, aber dann bleibt es sonder- 
bar, dass sie stets nur kalkiger Natur sind und bei andern Dysideiden 
fehlen, oder sie sind zweitens vom Schwamme selbst gebildet, was freilich 
ohne Analogon sein dürfte, denn keine Spongie bildet andere wie nadel- 
förmige Kalkkörper, so weit wir wissen, — oder endlich können es erst 
post mortem entstandene Kunstgebilde sein. Wie gesagt, ich enthalte 
mich jeder Entscheidung und will hiermit bloß die Thatsache registrirt 
haben. 

Sämmtliche Exemplare des Schwammes zeigen noch eine sonder- 
bare, wenn auch nicht vereinzelt dastehende Erscheinung. Sie sind 
nämlich von einer Fadenalge, die ich für nahe verwandt mit Oscillaria 
Spongeliae F. E. Schulze halte, dicht erfüllt. F. E. Schuzze ! beschreibt 
diese in Spongelia pallescens parasitisch auftretende Alge ausführlich ; 
sie erreicht eine Länge von 0,4 mm und setzt sich aus einer Anzahl 
Glieder von Form der holländischen Käse zusammen, die circa 0,006 mm 
breit und 0,004 mm hoch sind. Diese Oscillaria lebt nur in den Weich- 
 theilen des Schwammes bis 5 mm unter der Oberfläche, was ScuuLze 
wohl richtig auf das Lichtbedürfnis der im Leben braunrothen Pflanze 
zurückführt. In einzelnen Varietäten der Spongelie ist sie fast regel- 
mäßig anzutreffen. 

Die bei Psammoclema vorkommende Alge zeigt eine schlankere 
Form, sie ist bis 1 mm lang, vielleicht noch länger, denn es ist äußerst 
schwierig die Individuen zu isoliren; die einzelnen Glieder sind wie bei 
Osc. Spongeliae 0,006 mm breit, aber nicht weniger hoch, so dass sie 
sich im Profil mehr der Kreisform nähern. Die Farbe bei den Spiritus- 
exemplaren ist schwach gelblich. Sie durchsetzt in sehr zahlreicher 
Menge die Weichtheile des Schwammes und dringt auch in die Ober- 
haut, niemals aber in die Fasern ein. Sie ist bei der geringen Dicke 
der Äste nicht gezwungen, eine gewisse, vom Einfluss des Lichtes ab- 
hängige Zone einzuhalten, und erscheint manchmal als dichter Filz un- 
entwirrbar sich kreuzender Fäden, die die Substanz des Syncytium ganz 
verdrängt haben. Herr Professor STRASSBURGER, der die Güte hatte Prä- 
parate zu untersuchen, hielt die Alge unzweifelhaft für eine Oscillaria, 
_ wahrcheinlich nahe mit dem Genus Lyngbya verwandt. Es sei bemerkt, 
dass eine Reaktion auf Chlorophyll nicht gelang. 

Der Schwamm scheint übrigens durch Anwesenheit der Pflanze in 
seinem Wohlbefinden nicht beeinträchtigt zu sein ; alle Exemplare schie- 
nen mir wohl entwickelt. Vielleicht, dass wir es hier mit einer Erschei- 


1 Diese Zeitschr. Bd. XXXI. p. 147. 


112 William Marshall, 


nung der wunderbaren Symbiose zu thun haben, was ich auch von den 
Fäden der Hircinien vermuthe und worauf bei diesen Schwämmen schon | 
ScauLze hingedeutet hat. Wenn Carter ! bemerkt, er habe gewisse Hir- | 
cinien mit diesen Fäden, aber gelegentlich auch ohne dieselben gesehen, | 
so dürfte dies doch wohl beweisen, dass jene Fäden Eindringlinge sind, 
deren Anwesenheit im Schwamme, wie die Anwesenheit der Osc. Spon- | 
geliae in gewissen Varietäten der Sp. pallescens, äls Regel anzusehen ' 
ist. Dass ein so gewiegter Spongienkenner wie Carter, der so viel 
gesehen und untersucht hat, sich hier gröblich täusche, kann kaum an- 
genommen werden. | 

In dem Beweise, dass die Fäden der Hircinien parasitischer Natur ' 
seien, dürfte, sobald er geführt ist, der Todeskeim für die Gruppe der 
Hirciniaden liegen, deren Mitglieder sich dann wohl in andere Familien | 
der Hornschwämme werden unterbringen lassen. 

Die Oberhaut von Psammoclema ist schwer und nur in kleinen | 
Fetzchen loszulösen,, zeigt auch verhältnismäßig nur wenig Hautporen | 
(von 0,4 mm Durchmesser). Die Fremdkörper überwiegen bei Weitem ' 
und zeigen auch hier die mehrfach beschriebene tangentiale Anordnung, 
-nur sind dreistrahlige Nadeln, die übrigens, wie alle Fremdkörper, 
klein sind, hier bei der Breite der interstitiellen Wälle nicht, wie bei | 
Dys. favosa genöthigt in ihrer Lage sich in so hohem ‘Grade nach den 
Hautporen zu richten. 

Das Gastrovascular- System ist bei Psammoclema von besonderem 
Interesse. Die Mundöffnungen befinden sich alle auf einer Seite, wie 
bei manchen Formen von Halichondria oculata Grand und bei Veluspa 
polymorpha v. digitata Miclucho. Es scheint dies dafür zu sprechen, 
dass der Schwamm nicht aufrecht wächst, sondern wie viele Pflanzen 
im Meere, horizontal. Ein aufrechtes Wachsthum dürfte wohl auch 
schon bei der Schwere des Schwammes seiner geringen Festigkeit und 
Widerstandsfähigkeit gegenüber unmöglich sein. 

Jeder Mund führt in einen länglich sackartigen, schräg nach hinten 
(von der Astspitze aus) gerichteten Magen, der nach allen Richtungen 
hin sich verzweigt. Ein Theil der Zweige verläuft cenirifugal und ein 
andrer zwischen den Centralfasern. Die Zweige vereinigen sich mit be- 
nachbarten Magenhöhlen direkt oder bilden Anastomosen mit von diesen 
abgehenden Zweigen. Die feinsten Ramalkanäle enden einfach unter ' 
der Oberhaut mit relativ ansehnlichen konischen Erweiterungen (sub- 
dermalen Räumen). Auf Querschnitten erhält der Schwamm durch diese 
Abwechslung von Hohlräumen und Faserzügen, oder richtiger coulissen- 


1 Ann. Mag. nat. hist. 1878. Ser. V. Vol. 2. p. 457. 


Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. 113 


artigen Platten aus zusammengeklebten Fremdkörpern, ein oft sehr regel- 
mäßiges radiäres Ansehen. 

Das Gastrovascular-System ist hier nach dem astförmigen Typus an- 
geordnet, erscheint aber durch die Verbindung der einzelnen Magenräume 
ungewöhnlich komplicirt. 

Diese merkwürdige Spongie kommt von der Bass-Straße. Jenaer 
Museum. 


Das Genus Psammopemma. 


Kuchenförmige, feste, von äußerst feinen Kanälen durchzogene 
Sandmassen mit Lipostomie und Lipogastrie; der Sand nur von wenig 
Protoplasma zusammengehalten. Oberhaut schwach, durchsichtig und 
homogen. 


Psammopemma densum. 
Dysidea densa Haeckel in sched. 


Dieser sonderbare Schwamm stellt unregelmäßig runde, oben ab- 
geflachte, unten gewölbte Kuchen dar, die einen Durchmesser von 30 bis 
35 mm nicht zu überschreiten scheinen. Über den ganzen Schwamm, 
besonders aber die Unterseite, verlaufen regellos sehr schwache und 
niedrige Wülste. Getrocknet ist diese sandreichste aller Dysideiden im 
höchsten Grade zerbrechlich, bei einem Falle aus geringer Höhe zerspringt 
sie sofort in kleine Stücke und mit Wasser gelinde geschüttelt zerfällt 
sie vollkommen. 

Die Fremdkörper sind nirgends zu Fasern angeordnet; sie durch- 
setzen vielmehr den Schwamm vollkommen gleichmäßig, — abgesehen 
von sehr feinen, 0,2 mm breiten, wenig zahlreichen und im Verlaufe 
nicht verfolgbaren Kanälen. Ganz regellos scheint ihre Anordnung in- 
dessen auch hier nicht zu sein, ich fand Stellen, in denen eine centri- 
fugale Richtung sogar deutlich ausgeprägt war. 

Folgende Arten von Fremdkörpern finden sich: 


Bruchstücke von Muschelschalen . . . 51% 
Sa 10h IE ER WAREN Ber, REN LE DU MR RA RA SR SSR) 
SRaueiennadeln fs. nierntrine toren 
Eoramminaferens er martnatsleitetD a fsfreike sn] 
Mlenleı , 0.000 Sucher? 
lo 


Manche dieser Fremdkörper, besonders Muschelschal-Fragmente, sind 
oft recht ansehnlich, Stücke von 0,5—0,8 mm sind gar nicht selten, ja 
oberflächlich kommen deren von 1,5—2 mm Länge vor. 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 8 


114 William Marshall, 


Es finden sich ferner im ganzen Schwamme zerstreut kurze, bis 
6 mm lange, derbe, sehr dunkelbraune Fäserchen, die sich unter dem 
Mikroskop als unverästelte,, platte, geschichtete Hornfasern ausweisen. 
Meist sind sie an den Enden etwas verbreitert, wobei ihre Substanz 
merklich heller wird, und dann enthalten sie zahlreiche, oft ansehnliche 
Fremdkörper; ein Zusammenhang mit den übrigen Elementen des Kör- 
pers ist nicht nachweisbar. i 

Wenn ich auch nicht zweifle, dass die von F. E. ScnuLze bei Oligo- 
ceras beschriebenen Hornfasern wirklich zu diesem Schwamme gehören, 
so bin ich doch geneigt die bei Psammopemma aufgefundenen als ein- 
gedrungene oder besser aufgenommene Fremdlinge zu betrachten. Sie 
kommen in allen Theilen des Schwammes vor und liegen fast ausnahms- 
los centrifugal. Diese letztere Thatsache beweist indessen durchaus nicht 
ihre Zugehörigkeit zum Schwamme, sondern lediglich wieder die oft be- 
tonte Gewalt und Wirkung des Wasserstroms; ich habe bei andern 
Hornschwämmen mit sehr ausgeprägter centrifugaler Anordnung der 
Fasern, besonders bei Arten aus dem Genus Stellospongia aber auch 
Cacospongia, oft kürzere und längere (bis mehrere Zoll lange), dünne 
Holzsplitter,, Sertularienstücke etc. gefunden, die zwar nicht in den 
Fasern selbst eingebettet, aber doch merkwürdig fest in das dichte Skelett 
eingekeilt waren, und dabei, gezwungen von dem Einflusse des ein- 
dringenden Wasserstroms, den benachbarten Hauptfasern parallel lagen. 
Es ist übrigens eine auffallende Erscheinung, dass man so selten, ja so 
gut wie gar nicht Fremdkörper von ausgesprochen pflanzlicher Natur oder 
von nachgiebiger, elastischer Beschaffenheit, wie Stücke von Hydroid- 
polypen etc. unter der großen Schar der in den Fasern der Horn- 
schwämme vorkommenden Fremdlinge auffindet; dass dieselben auf 
den betreffenden Stellen des Meeresbodens nicht vorkämen, ist kaum 
anzunehmen. Ich erinnere mich nur einige Male Sporenkapseln von 
Algen gesehen zu haben und öfter, einmal sogar bei einer Spongelia 
in großer Menge, Diatomeen. 

Die festen Fremdkörper sind bei Psammopemma gleichfalls von | 
feinen Häutchen umgeben, die, wie man nach Behandlung mit verdünn- 
ter Salzsäure gewahr wird, eine gewisse Dicke haben, wesshalb ihre 
Wandungen deutlich doppelt contourirt erscheinen ; in ihrem Innern sind | 
immer sehr feine, dunkle Staubkörnchen und nicht selten runde, stark 
lichtbrechende Körperchen vorhanden. 

Die Sarcodine tritt ungemein sparsam auf, ist hyalin und nur ab 
und zu kommen Ballen oder Wolken einer trüben, undurchsichtigen 
Substanz vor, die aber mikroskopisch nicht näher zu analysiren ist. 
Daneben die kleinen Körperchen, wie sie auch die Scheiden der Fremd- 


Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. 115 


‚körper bergen. Bei dieser Spongie gelang es mir auch in der Sarcodine 
Kerne von circa 0,008 mm Größe aufzufinden, die mit einem winzigkleinen 
Kernkörperchen versehen und von Ballen der bei den andern Dysidei- 
den nicht beobachteten Granula umgeben waren. 

Die Oberhaut ist sehr zart und hinfällig, von absoluter Durchsichtig- 
keit, ohne irgend welche Fremdkörper und bei dem Spiritus-Exemplare 
strukturlos. In derjenigen der trocknen Exemplare erscheinen feine 
Wellenstreifchen. Eigenthümliche zerstreut liegende zellige Elemente 
kommen in der Haut vor, die den Spindelzellen des Bindegewebes 
gleichen; bei dem in Alkohol konservirten Schwamme waren sie an den 
Enden in sehr feine und lange, häufig gewellte Zipfel ausgezogen. Bald 
war an jedem Ende ein Zipfel, bald am einen einer, am andern zwei, 
“oder endlich zwei an beiden; ich beobachtete auch gelegentlich, dass 
ein ursprünglich einfacher Zipfel an seinem Ende sich gablig theilte. Die 
eigentliche Zelle enthielt keinen Kern aber zahlreiche, sehr feine dunkle 
Körnchen. In den trocknen Exemplaren sind die Zipfel verschwunden, 
die Zellen erscheinen oval und ihre Haut etwas verdickt. Die Maße bei 
dem besser konservirten Exemplare betragen: Länge der eigentlichen 
Zelle 0,02—0,035 mm, die der einzelnen Zipfel 0,04—0,06. Außerdem 
fanden sich noch in der Oberhaut runde, stark lichtbrechende Körper 
von 0,005 mm Durchmesser und bei dem einen der trocknen Exemplare 
eigenthümliche, bräunliche, runde Kapseln von 0,05 mm Durchmesser, 
erfüllt von einer krümligen, erdigen Masse und mit einzelnen runden, 
sehr dunklen Körnern. Diese Kapseln halte ich für Eindringlinge, ent- 
‚weder zufälliger oder parasitischer Natur. 

Das Kanalsystem ist äußerst reducirt; auf der Oberseite des 
Schwammes sieht man sehrfeine, 0,3 mm breite und vereinzelt stehende 
Öffnungen, die in die Tiefe in die erwähnten feinen Kanäle führen. Außer- 
dem kommen allerdings auf der Oberfläche noch einzelne größere Öff- 
nungen vor und auf Durchschnitten gewahrt man in der Sandmasse 
kästchenartige Hohlräume, diese haben aber mit dem Gastrovascular- 
System der Spongie nichts zu thun, es sind lediglich Wohnstätten von 
nicht bestimmbaren Anneliden. 

Dieser sehr einfach organisirte Schwamm zeigt wesentliche Ab- 
weichungen in der Organisation von andern Dysideiden, so eine von 
- Fremdkörpern freie Oberhaut mit Spindelzellen, Zellkerne und Granula, 
in der Sarcodine den völligen Mangel von Fasern und das ganz rückge- 
bildete Gastrovasceular-System, das wie bei vielen Arten von Suberites 
kaum erkennbar und jedenfalls nicht verfolgbar ist. 

Psammopemma densum stammt von Tasmanien; die der Unter- 
suchung zu Grunde liegenden trocknen Exemplare befinden sich im jenaer 

g*+ 


116 . William Marshall, 


Museum, das in Spiritus bewahrte gehört dem Museum -GoDEFFROY in 
Hambure. | 

Eine zweite von mir untersuchte in Jena befindliche Form stammt 
vom Cap der guten Hoffnung; bei ihr sind die Fremdkörper, die eben so 
zahlreich und ganz so gelagert erscheinen wie bei der tasmanischen Form, 
von folgender Art: 


Sand „m 2. 000000000 
Kieselnadelfragmene -— . _ .. 2 
Kalknadeln °. :, 0.0.2. .00200 
Muschelschalstückchen . . . . ..,.40 
Allerlei... .. 0.002 en ln 
100%. 


In diesem Individuum finden sich nur circa 30°/, Fremdkörper kalki- 
ger Natur, während es bei dem von Tasmanien mehr wie 60°/, waren, 
daher erscheint die Form vom Cap auch weißer und glänzender; der 
Sand in ihr besteht fast ausschließlich aus reinen, glashellen Quarz- 
körnern. Diese Charaktere genügen natürlich nicht entfernt die beiden 
Formen specifischer zu trennen, die Art und Beschaffenheit der Fremd- 
körper ist von sehr untergeordneter Bedeutung. Im Übrigen kann ich 
an den Schwämmen keinen wesentlichen Unterschied finden, beide wer- 
den sogar in gleicher Weise von Anneliden bewohnt, deren Bestimmung 
ohne Zerstörung der Spongien nicht möglich und dann noch sehr proble- 
matisch war. u‘ 


Ich muss gestehen, ich habe lange geschwankt, ehe ich mich für 
die Annahme der Spongiennatur von Psammopemma entschied. Eine 
Zeit lang dachte ich, es könnten diese Sandmassen recht wohl von den 
sie bewohnenden kleinen Anneliden gebildet und also gewissermaßen 
eine Kolonie verschmolzener Hermellen , Terebellen oder ähnlicher Ge- 
schöpfe sein. 

Hiergegen aber und für die Spongiennatur sprechen die, wenn auch 
feinen Kanäle, das Vorhandensein einer Oberhaut mit deutlichen Zellen 
und das Vorhandensein einer Sarkodine mit Zellkernen. 


Im Leipziger Museum befindet sich ein Glas voll Laich, den QvEINnTzIUS 
im Anfang der vierziger Jahre zu Port Natal gesammelt hat. Derselbe ist in 
flache, 1,5 mm dicke Kuchen der Art angeordnet, dass die Eier in unregel- 
mäßigen Reihen neben, nie über einander liegen. Ihre Größe beträgt 1 mm 
und sind sie, nach Beschaffenheit des Chorions, das eine unregelmäßige ! 
grubige Skulptur zeigt, als von Fischen herrührend anzusehen. | 
Die gemeinsame Kittmasse, das Eiweiß, in der sie eingebettet sind, ist 
selbstredend strukturlos, hyalin und von gelblicher Farbe, ihre Konsistenz | 


Ne 
= 


Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. 117 


ist gering. Sie ist dicht von Fremdkörpern, meist Quarzkörnern von 0,5 mm 
Größe mit abgerundeten Ecken, erfüllt, besitzt also im frischen Zustande die 
Fähigkeit, wie Vogelleim, fremde Gebilde in sich zu fixiren. Nur an einer 
Seite, wahrscheinlich der Unterseite, liegen direkt unter den einzelnen Eiern 
nur wenig Fremdkörper und erscheinen diese Stellen als runde, pocken- 
narbenartige Eindrücke. 

Obgleich wir es hier offenbar mit Fischlaich zu thun haben, so hielt ich 
die Sache für interessant genug, um sie in Anschluss an die merkwürdige 
Psammopemma wenigstens kurz zu erwähnen. 


Allgemeines, 


Leider ist dasjenige, was ich an den Weichtheilen der Dysideiden 
aufzufinden vermochte, von verschwindend geringer Bedeutung, doch 
dürfte die Schuld hieran weniger an mir als an dem Erhaltungszustande 
des untersuchten Materials liegen. Fast alle Spongien, die nicht lebend 
in sehr guten Weingeist gethan und in demselben konservirt werden, 
sind nur sehr unzureichende Objekte zur Untersuchung der Weichtheile. 

Umfassender, hoffe ich, wenn auch noch lange nicht erschöpfend, 
ist vielleicht dasjenige was ich am Skelett und in den gröberen ana- 
tomischen Verhältnissen zu beobachten vermochte. 

Zuerst hat bekanntlich O. Scamipr! die Aufmerksamkeit auf den 
regelmäßigen, durch mechanische Einflüsse bedingten Faserverlauf der 


- Spongien gelenkt. Er sagt: »es tritt nun in den Fasernetzen fast aller 


Arten von Euspongia, Gacospongia, Hircinia, Tuba und den in den Ge- 
wässern von Florida reich entfalteten Chalineen ein entschiedener Gegen- 
satz zwischen den stärkern centrifugalen Fasern und den schwächern 
koncentrischen Verbindungsfasern hervor. In allen diesen Fällen glaube 
ich die mechanische Ursache dieser Erscheinung in der Richtung der 
Wasserströmungen zu finden, welche centripetal und centrifugal beson- 
ders lebhaft ist. « " | 

Auf das Harcker’sche Gesetz , das zunächst für die Kalkschwämme 
aufgestellt wurde, das aber für alle mit eignen oder fremden Hartge- 
bilden im Skelette versehenen Spongien gilt, wurde weiter oben schon 
hingewiesen. 

Man kann nach den Beobachtungen dieser beiden Forscher und nach 
meinen eignen behaupten: das Skelett aller Spongien, in denen ein ge- 
regelter Verlauf der Wasserströme auftritt, richtet sich in der Anordnung 
wenigstens seiner Hauptfasern und Züge nach diesem Verlaufe und es 
ist dabei gleichgültig, ob das Skelett lediglich aus Hornfasern, aus diesen 
und Hartgebilden oder endlich bloß aus letzteren besteht. 


1 Grundzüge. p. 7, 


118 William Marshall, 


Je deutlicher und schärfer das Gastrovascular-System entwickelt 
ist, desto deutlicher wird die Wirkung dieses Gesetzes zu Tage treten, 
— bei verschmolzenen Schwammindividuen und bei solchen, bei denen 
Lipogastrie eingetreten ist, wird die regelmäßige Anordnung des Skeletts 
bis zum Verschwinden verwischt sein können. 

Bei einer interessanten Stellospongia ! von Eiform, die nur in der 
obern Hälfte eine fast obliterirte Magenhöhle hat, sehe ich auf dem Durch- 
schnitte, dass im untersten Theile die Fasern ein ganz regelloses, ver- 
worrenes Netz bilden, während in der obern Hälfte der regelmäßige 
Einfall der Hauptfasern gegen die Längsachse sehr ausgeprägt ist und 
beide Partien sind scharf gegen einander abgesetzt. 

Eine andere, mundlose Cacospongia ? von Ruderform mit deutlicher 
Magenhöhlung im Blatte besitzt so weit dies Blatt reicht den schönsten 
gefiederten Verlauf der Hauptfasern, während die gleich starken Horn- 
fasern im soliden Stiele ein kleinmaschiges , höchst unregelmäßiges Netz 
bilden. 

Die Hauptfasern verlaufen stets, wie der eintretende Wasserstrom, 
centripetal nach unten, wenigstens ist mir keine Spongie mit horizontalen 
oder gar steigenden Fasern bekannt, und der Winkel, den die Haupt- 
fasern zur Längsachse des Schwammkörpers bilden, wird um so spitzer, 
je dicker die Wandungen der Spongie sind. Der in den Schwamm durch 
die Hautporen eintretende oder hineingerissene Wasserstrom wird doch, 
trotz der größeren oder geringeren Rapidität, mit der er eintritt, dem 
Gesetze der Schwere folgend, nach unten drücken und je länger der Weg 
ist, auf dem er bei diesem Drucke einen Widerstand findet, um so mehr 
wird er den Widerstand leistenden Körper, in diesem Falle eine Horn- 
faser, zwingen, seiner nach zwei Seiten, nach unten und innen wirken- 
den Kraft und Richtung zu folgen, es werden daher radiär angeordnete 
Fasern, — auf eine radiäre Anordnung läuft die Sache schließlich doch 
hinaus, — in dickwandigen Spongien steiler nach unten fallen als in 
dünnwandigen und bei sehr dünnwandigen könnte man allenfalls einen 
horizontalen Verlauf der Fasern vermuthen. 

Was den feinern Bau des Skeletts der Hornschwämme betrifft, so 
unterscheide ich mit F. E. SchuLze einen Achsenstrang und eine Rinde 
der Fasern, ob aber ersterer bei allen Spongien in den Verbindungs- 
fasern auftreten muss, erscheint mir zweifelhaft. Die Rinde besteht 
auch nach meinen Beobachtungen aus durchaus homogenen, koncen- 


1 Es ist LAmArK’s Spongia turgida, anim. s. vert. 2me 6d. T. II. p. 548. Nr. 27 
var, Typus aus Neuholland im Leidner Museum. 

?2 Spongia pluma Lamark anim. s. vert. 2me ed. T. II. p. 550. Nr. 36 von 
Australien. Gleichfalls ein LamArr’scher Typus. 


x Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. 119 


trischen Schichten; Längsfaserungen derselben sind durchaus auf Ver- 
letzungen zurückzuführen, wie auch die bisweilen vorkommenden 
queren Spaltungen. Spongoblasten, eine Entdeckung, die ein großes 
Verdienst Schuze’s ist, habe ich nie gesehen, aber ich war auch nicht 
in der Lage frische Hornschwämme zu untersuchen , muss es auch spä- 
tern Untersuchungen überlassen zu konstatiren, ob jene Gebilde überall 
vorhanden sind. Die Lamellen der Hornfasern sind doch wohl kaum 
etwas Anderes, als die von mir und Andern beschriebenen und abge- 
bildeten Mantelschichten in den zusammenhängenden Kieselgerüsten 
der Hexactinelliden , so wie die koncentrischen Schichten der isolirten 
Kiesel- und Kalknadeln, während der Inhalt dieser Gebilde dem Achsen- 
strange der Hornfasern entsprechen dürfte. HarckEL in seiner so gründ- 
lichen Untersuchung der Kalkschwämme, LIEBERKÜHN, CARTER und andere 
gewissenhafte Forscher, die in der Lage waren, Kieselschwämme in fri- 
schem Zustande zu untersuchen, erwähnen nirgend wo ähnlicher, im 
Grunde doch nicht leicht zu übersehender Gebilde, — dass aber die Kiesel- 
deckschichten von den Horndeckschichten anders wie chemisch, etwa 
genetisch, verschieden sein sollten, ist wohl kaum anzunehmen. 

Bei den gegenwärtiger Untersuchung zu Grunde liegenden Dysi- 
deiden vermochte ich eine geschichtete Rinde der Fasern nicht aufzu- 
finden , — dieselbe stellt ja nur ein feines Häutchen dar; mit der ver- 
mehrten Fähigkeit Fremdkörper zur Stärkung der Fasern aufzunehmen, 
schwand das Bedürfnis einer stärkern Rinde. 

Die Aufnahme der Fremdkörper scheint nach BowErBANk! an den 
feinsten Enden der jungen Fasern stattzufinden, die wahrscheinlich 
klebrig sind und an denen die fremden Körper hängen bleiben und von 
der nachwachsenden Hornsubstanz umhüllt werden. Bei Dysidea Bow. in- 
dessen soll diese Eigenthümlichkeit nicht auf die Spitze beschränkt bleiben 
sondern auch den weiter im Innern gelegenen Fasertheilen zukommen. 

Die Anschauung Hyarr's über die Art und Weise, wie die nicht im 
Schwamme gebildeten Partikelchen in die Fasern gelangen, wurde wei- 
ter oben erwähnt und die Gründe, welche mir gegen dieselbe zu spre- 
chen scheinen, entwickelt. 

Auch F. E. ScauLze ? ist ähnlicher Ansicht wie BowERBANK; er nimmt - 
an, dass die fremden Körper an den in die Conuli hineinragenden jüng- 
sten Spitzen der Hauptfasern »am leichtesten haften bleiben; und das 
um so eher, als sich ja gerade hier ein im Wachsen begriffenes und da- 
her besonders weiches, vielleicht sogar etwas klebriges Gewebe befindet. « 


re NV. p. 78. 
? Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. 7. Mit- 
theilung. Diese Zeitschr. Bd. XXXII. p. 638. 


120 William Marshall, 


Diese Annahme kann ich, so weit meine eignen Beobachtungen an 
Cacospongien, Hircinien und Spongelien reichen, durchaus bestätigen. 
Bei Hireinia campana, einer Art, deren Oberhaut besonders reich an 
Fremdkörpern ist, sah ich einige Male die jüngsten dermalständigen 
Enden der Fasern schwach verbreitert, ohne Rindenschichten und in 
ihnen lagen die Fremdkörper nicht dicht an einander, sondern zerstreut, 
während weiter von der Oberhaut ab mit dem Auftreten der Rinden- 
schichten die fremden Körper auf einem viel schmälern Raume, als das 
Faserende, dicht an einander gepackt waren, — mit andern Worten: 
die festeren Rindenschichten sind im Stande die weichere Achsensub- 
stanz zusammen und damit die Fremdkörper in einer centralen Reihe 
dicht an einander zu pressen. Es ist möglich, dass Hyarr eine ähnliche 
Beobachtung gemacht, jedoch auf seine Weise gedeutet hat. 

Für die Fasern der Dysideiden in meinem Sinne muss ich mit Bo- 
WERBANK annehmen, dass sie in ihrer ganzen Ausdehnung die Eigen- 
schaft behalten, von außen hereingelangte Partikelchen in sich aufzu- 
nehmen, denn sonst könnten bei Psammascus die Primärfasern nicht 
stärker sein wie die centrifugalen Sekundärfasern und diese selbst wür- 
den in ihrem Verlaufe gleich stark bleiben, während sie sich in Wahr- 
heit nach der Spitze hin kontinuirlich und beträchtlich verjüngen. 

Die Aufnahme der Fremdkörper geschieht wohl ohne Auswahl; 
was der betreffende Meeresboden der Spongie bietet, wird von derselben 
benutzt, so weit es mit ihrer ganzen Organisation vereinbar ist. Ob dies 
Sand, Muschelfragmente, Spongiennadeln sind, ist gleichgültig, wenn 
nur die Größe eine angemessene ist. Ich muss entschieden der mecha- 
nischen Erklärungsweise Schurze’s ! über die Aufnahme der Fremdkörper 
bei den Physemarien beistimmen gegen Harcker, der eine sorgfältige 
Auswahl der Skeletttheile annimmt. Was Hırereı ? von der Verschie- 
denheit der Substanzen sagt, aus denen Phryganiden-Larven und Röh- 
renwürmer ihre Gehäuse aufbauen und die nach den Species häufig so 
auffallend streng geschieden sind, ist unzweifelhaft richtig, — aber wer 
bürgt uns denn dafür, dass hier eine auf geistigen Kräften beruhende 
Auswahl stattfindet und dass nicht vielmehr auch hier rein äußerliche, 
.über dem Willen des Thieres stehende Gesetze walten? Ich habe von den 
geistigen Fähigkeiten einer Spongie eine zu geringe Meinung, als dass 
ich ihr ein verständnisvolles Aussuchen der Gegenstände, womit sie ihr 
Skelett etwa absichtlich befestigen wollte, zutrauen könnte. — 
| Mein Freund, Herr cand. phil. W. Porrscn hatte angefangen die 
Gewichtsverhältnisse der unverbrennlichen Fremdtheile zu der ver- 


1 Diese Zeitschrift. Bd. XXXI. p. 134. 
? Biolog. Studien. Heft II, die Physemarien, p. 213. 


Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. 121 


brennlichen Substanz zu bestimmen, leider aber wurde diese mühsame 
"Untersuchung durch ein langes Leiden des genannten Herrn unter- 
brochen. Er untersuchte zwei Arten und schrieb mir darüber Folgen- 
des: »Ich bemerke, dass die Verbrennungsrückstände erst nach dem 
Erhitzen mit Ammoniumcarbonat bestimmt sind, d. h. nachdem der im 
lebenden Thiere als kohlensaurer Kalk befindliche Kalk, welcher durch 
‚das Glühen zerstört ward, wieder in die alte Form zurückgeführt war. 
Es fand sich bei: 


1) Psammoclema ramosum 


werbrennliche'substanz °.......). . 225,200 
unverbrennliche Rückstände . . . 74,8 
2) bei Dysidea favosa 
verbrennliche Substanz. . . . „34,00% 
unverbrennliche Rückstände . . . 66,00 
100,09. 


Die auffallende Abwesenheit von Fremdkörpern in der Oberhaut 
von Psammopemma wird vielleicht durch das so gering entwickelte 
Gastrovascular-System der Spongie bedingt. Es will mir fast scheinen, 
als ob dies Genus auf eine andere Art wächst und den Sand etc. in sich 
aufnimmt wie Psammascus, Dysidea und Psammoclema. Bei diesen 
drei letzteren werden die Fremdkörper unzweifelhaft von den eintreten- 
den Wasserströmen eingeführt und das Wachsthum ist gewissermaßen 
passiver Natur, Psammopemma aber scheint, ähnlich wie die Phorio- 
spongien, die Sandmassen zu umspinnen und zu durchwachsen, die- 
selben also aktiv in sich aufzunehmen. 


So klar die allgemeine systematische Stellung der Dysideiden ist, 
so schwierig dürfte es sein ihnen eine Stelle anzuweisen, die ihren 
wahren Verwandtschafts- Verhältnissen genau entspricht. Einschlüsse 
von Fremdkörpern kommen bei allen Hornschwämmen vor (jedoch bei 
Aplysiniden nur äußerst selten), am meisten bei Spongelien und Hir- 
cinien, — wenn man letzterer Familie das Recht, als solche zu bestehen, 
noch einräumen will, — aber gerade diese beiden Familien haben einen 
Charakter, der sie von andern Hornschwämmen und besonders von 
unsern Dysideiden trennt, — die Conuli nämlich. Man könnte ver- 
muthen, dass bei den Dysideiden die große Menge fremder Körper in 
der Haut der Entwicklung derselben Abbruch thäte, aber Dys. callosa 
hat wenig fremde Einschlüsse und keine conuli (die wenigen, vereinzelt 
stehenden, unzusammenhängenden Wärzchen sind nicht mit ihnen zu 


122 William Marshall, 


vergleichen). Umgekehrt strotzt die Oberhaut von Hircinia campana 
von Fremdkörpern, und doch sind die Conuli hier stark entwickelt und 
durch Leisten mit einander verbunden, so dass sie der Außenseite der 
Spongie ein elegantes Ansehen geben. 

Mir scheinen die Dysideiden (vielleicht mit Ausnahme von Psam- 
 mascus) eine wohlumschriebene, eigene Familie zu bilden, charakte- 
risirt durch glatte Oberfläche, abziehbare Haut und Fremdkörper in 
allen Fasern. Diese Familie würde sich den Spongelien am besten an- 
schließen, ja Psammascus ist vielleicht eine aberrante Spongelienform. 


Il. Das Genus Phoriospongia. 


Kieselschwämme mit schlanken, einfachen Nadeln mit einer Spitze, 
Stecknadeln und Doppelhaken durchziehen und umspinnen Sandmassen, 
sie zu Klumpen vereinigend; das Ganze ist mit einer abziehbaren Haut 
bedeckt. 


Phoriospongia solida. 
Chalina solida Haeckel in sched. 


Dieser Schwamm konnte in zwei Exemplaren untersucht werden, 
die kurze und plumpe Kegel darstellen. Die Außenseite ist von einer 
schleimigen Haut überzogen, durch die größere und kleinere Sandpar- 
tikelchen und Bruchstücke von Muschelschalen hindurchschimmern. 
Einzelne wenige, unregelmäßig vertheilte, runde Öffnungen von 0,5 bis 
2 mm Durchmesser führen in das Innere. Durchschneidet man die Spon- 
gie, so sieht man, dass sie aus einer von größeren und kleineren Kanälen 
ganz regellos durchzogenen Sandmasse besteht, deren einzelne Theile 
bei Spiritusexemplaren zusammenhalten, bei trocknen aber sich lösen, 
so dass der Schwamm zerfällt. Die Fremdkörper schwanken bedeutend 
in der Größe; oft sind sie sehr ansehnlich. Stücke von 5—6 mm sind 
nicht selten, ja ganze Muschelschalen kommen dazwischen vor. Haupt- 
sächlich sind es Fragmente von Conchylienschalen (gegen 70°/,) und 
dann Sand, Stücke von Serpularöhren , Foraminiferen ete. Eine be- 
stimmte Anordnung in Fasern oder eine regelmäßige Lagerung in Zügen 
zeigen diese Körper niemals, auch folgen sie nicht dem Hazckzr’schen 
Gesetz von der Lagerung der Hartgebilde bei Spongien , sie sind viel- 
mehr vollständig durch einander gewürfelt, d. h. die Richtung der in 
den Schwamm eintretenden Wasserströme ist auf sie ohne Einfluss. 

Das von einer Haut ausgekleidete Kanalsystem nimmt, wie erwähnt, 
keinen regelmäßigen Verlauf, — horizontale und vertikale Gänge von 
4—5 mm Weite durchziehen die Sandmasse ; oft erweitert sich ein Gang 


Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. 123 


zu einer Hohlkugel von einem Durchmesser bis zu 10 mm. Der Ver- 
lauf der feinern Kanäle lässt sich bei den gegebenen Verhältnissen nicht 
verfolgen. 

Der häutige Überzug besteht aus zwei Schichten : die äußere, höchst 
feine ist ein strukturloses Häutchen von absoluter Durchsichtigkeit; 
selbst nach Tinktionen, z. B. mit Bismarckbraun, nimmt sie so wenig 
Farbstoff auf, dass sie nur da, wo eine Falte entsteht, also in doppelter, 
resp. dreifacher Lage, einen schwachen Farbenton zeigt. Häufig ist die 
Oberhaut durch Fremdkörper verunreinigt. 

In ihr finden sich eigenthümliche Körper von unregelmäßiger Maul- 
beerform von 0,04—0,06 mm Größe, die zwar nicht sparsam, aber doch 
stets einzeln liegen. Derartige Körperchen wurden schon von Grant! 
und Hancock ? bei Vioa, resp. bei Thoosa beobachtet und beide Forscher 
halten sie für Kieselgebilde. Bowersank 3 erklärt sie für Rudera der von 
dem Bohrschwamm bewohnten Muschelschale und behauptet ihre kalkige 
Natur. Die bei Phoriospongia in der Oberhaut und nur hier auftretenden 

maulbeerförmigen Körper sind entschieden kieselig, nur Flusssäure ver- 
mag sie zu zerstören. 

Eine Zeit lang glaubte ich, wir hätten es hier mit irgend einer zu- 
fällig post mortem, an denSchwamm gerathenen organischen Verbindung, 
einem Fette etwa zu thun, aber die chemische Untersuchung ergab ein 
negatives Resultat. Zu dem Vermuthen, dass die in Rede stehenden 
Körper nicht zum Schwamm gehörig seien, wurde ich durch ihre Genese 
geführt, die allerdings eine für Hartgebilde der Spongien ganz ungewöhn- 
liche ist. 

In der Oberhaut, aber nur hier, gewahrt man in großer Menge platte, 
oblonge, mehr oder weniger regelmäßige Parallelopipeda von 0,02 mm 
Länge; häufig bilden dieselben Zwillinge, dann schießen sie weiter wie 
Drusen an einander und diese Drusen vergrößern sich unter Verschwin- 
den der scharfen Ecken und Kanten der ursprünglichen Körper, bis 
sie nach und nach die Maulbeerform annehmen. 

Andere Kieselgebilde sind zahlreich im Schwamme. Erstens finden 
sich sehr dünne nur 0,008 mm starke Nadeln, deren eines Ende spitz 
ist, das andere entweder einfach abgerundet, oder in seltneren Fällen 
mit einem runden Knöpfchen versehen ist, ab und zu ist auf diesem 
dann noch ein zweites kleineres; die Länge beträgt 0,2—0,3 mm. 

Als zweite Form treten Doppelhaken von 0,04 mm Länge auf, deren 
Hakenspitzen an der Umbiegungsstelle entweder abgerundet sind oder 

! Edin. New. Phil. Journ. I. p. 78 and II. p. 183. 


2 Ann. and Mg. N. hist. 1849. III. p. 324. IV. p. 355. 
1. c. Vol. H. p/ 218. 


124 William Marshall, 


steil nach vorn abfallen. Die einzelnen Theile der Haken liegen nicht in 
einer Ebene, die Spitzen divergiren stark nach außen. | 
Das Vaterland dieser Spongie ist Tasmanien (die Bass-Straße). 


Phoriospongia reticulum. 
Chälina reticulum Haeckel in sched. 

Der Schwamm ist massig mit vielen, polygonalen, tiefen Gruben, 
wodurch er ungefähr das Ansehen einer Trüffel erhält. Die Gruben 
schwanken in der Größe von 1—-10 mm; vorherrschend sind solche von 
3—4 mm Durchmesser. Bisweilen sind sie schmal, aber dabei sehr in 
die Länge gezogen; nach der Unterseite verlieren sie sich, wenn sie auch 
nicht ganz verschwinden. Sie führen nicht direkt in den Schwamm hin- 
ein, sind vielmehr im Grunde von einer zarten Haut ausgekleidet, unter 
der sich flache Hohlräume befinden : die Oberhaut schlägt sich über den 
ganzen Schwamm und wo die Körpermasse in Gestalt von Windungen 
an die Oberfläche herantritt, liegt die Haut derselben unmittelbar auf, 
in den Gruben aber spannt sie sich über Subdermalräume weg. Von 
diesen dringen je nach ihrer Größe ein bis vier Kanäle in die Schwamm- 
masse ein; ganz regelmäßig sind indessen diese Verhältnisse keineswegs, 
es können unter Umständen in einem kleinen Subdermalraum mehr Kanäle 
entspringen, als in einem benachbarten größern. Die Kanäle gehen bald 
Anastomosen unter einander ein und durchziehen den ganzen Schwamm; 
ihre Breite beträgt höchstens 1,5 mm. 

Die Fremdkörper bilden auch hier die große Masse der Spongie und 
zeigen nicht die geringste Spur einer faserigen Anordnung oder überhaupt 
einer regelmäßigen Gruppirung; sie sind weit kleiner als bei Ph. solida, 
im Mittel die Breite von 0,5 mm nicht überschreitend, doch giebt es ab 
und zu auch Stückchen von I—2 mm. Während es bei Ph. solida meist 
Muschelfragmente waren, die der Schwamm benutzt hatte, sind es hier 
Sandpartikelchen und zwar runde Quarzkörner, die circa 60°), der Ge- 
sammtmenge betragen mögen. 

Die Oberhaut ist weniger derb wie bei Ph. solida und nimmt, was 
bei jener nicht der Fall war, auch Fremdkörper in sich auf. Die äußerste 
Lage ist ein strukturloses, glasiges Häutchen mit oblongen platten Kiesel- 
scherbchen von circa 0,02 mm, die sich aber niemals vereinigen, um zu 
maulbeerförmigen Gebilden zu werden. In den Gruben ist die Haut von 
einzelnen, kleinen, 0,04 mm breiten Dermalporen durchsetzt, die in die 
Subdermalräume führen. 

Die Kieselnadeln, die in dem unteren Theile der Haut und in den 
zwischen den Fremdkörpern gelagerten Schwammmassen vorkommen, 
sind sehr feine gerade Nadeln, ganz wie bei Ph. solida, und gleichfalls 


Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. 125 


Doppelhaken, aber nur die Sorte mit abgerundeten Spitzenenden, die 
sich übrigens viel zahlreicher finden als dort. 

Die Kanäle sind mit einer sehr feinen Haut ausgekleidet, die sich 
wie bei den Dysideiden, ähnlich dem Bindegewebe, aus faserigen Ele- 


- menten zusammensetzt und zahlreiche Doppelhaken, einige Fremdkörper, 


aber keine Nadeln enthält. 

Auch dieser Schwamm, der trocken zerreiblich wird, stammt von 
Tasmanien. — 

Die beiden Arten von Phoriospongia sind offenbar sehr nahe mit 
einander verwandt. Was zunächst die Verschiedenheit ihres äußeren 
Habitus betrifft, so möchte ich hierauf gar kein Gewicht legen; hier 
kann die zufällige Verschiedenheit des zum Aufbau benutzten fremden 
Materials von Einfluss gewesen sein. Dass bei Ph. solida ferner keine 
Dermalporen aufgefunden wurden, kann ein Beobachtungsfehler sein. 
Auch auf das verschiedene Vorkommen und Verhalten der Kieselscheib- 
chen resp. der maulbeerförmigen Körper ist kein übergroßes Gewicht 
zu legen, so lange wir nicht positiv wissen, dass sie den Schwämmen 


_ wirklich angehören und von ihnen gebildet sind. 


Wichtiger erscheint mir die Thatsache, dass so ungemein charak- 
teristische Gebilde, wie die Haken bei beiden Species in verschiedener 
Art und verschiedener Menge auftreten. 


Allgemeines über Phoriospongia. 


Im Jahre 1858 beschrieb Gray ! einen Schwamm, Xenospongia pa- 
telliformis von der Torres-Straße, der eine Sandscheibe darstellt, die am 
Rande und um die Mundöffnung herum mit Kieselnadeln versehen war. 

BOWERBANK 2 machte uns mit einem anderen Kieselschwamme, Ha- 
lienemia patera von Shetland, bekannt, der gleichfalls auf der Ober- 
seite von Fremdkörpern dicht bedeckt ist. Seine Nadeln sind mannig- 
fach, theils lange und stabförmige Gebilde, theils kurze Stifte mit dickem 
Kopf, oft in der Mitte mit Anschwellungen oder hantelförmig. 

Diese beiden Spongien sind aber nicht näher verwandt mit Phorio- 
Spongia, einem Genus, welches durch die ausgezeichneten Doppelhaken 
als vielleicht in den Formenkreis der Desmacidonten gehörend charak- 


terisirt sein könnte. Mehreres erinnert dabei an Vioa. 


Wenn wir uns vorstellen, dass eine Vioa-Art anstatt in Muschel- 
schalen oder in Steinstücke, ihre Gänge in Sand und Schlamm anlege, 


1 P.Z.S. p. 230. 1858. 
nlzeVol.ll. p. 96. 


126 William Marshall, 


was gar nicht so wunderbar wäre, so würden wir ein ähnliches Geschöpf ' 
wie eine Phoriospongia vor unserm Geist entstehen sehen. 
Jounston! beschreibt von seiner Halichondria celata zwei Formen, 7 


eine bohrende und eine freilebende, welche letztere BowErBANK ? zu einer 7 


neuen Art eines neuen Genus, Raphyrus Griffithsii, erhebt; von Carter? U 
werden beide und, wie mir scheint, mit Recht wieder vereinigt. | 


Von der freilebenden Form sagt Jounston, sie sei zerreiblich und 7 


angefüllt mit Muscheln, Wurmröhren und Sand; M’Coızı, von dem 
Jonunston die Spongie erhielt, bemerkt noch, sie sei für Muscheln, die | 
mit ihr in Berührung kämen, sehr verderblich. | 

Die Angaben BoweErBANK’s passen sehr gut für Phoriospongia. Wie 
es freilich mit der Gefährlichkeit für lebende Muscheln ist, kann ich nicht 
wissen, indessen will ich hier bemerken, dass das eine Exemplar von 
Ph. solida auf einer sehr wohl erhaltenen Pectunculus-Schale sitzt und ” 
dass ich zweimal in demselben Schwamme wohl erhaltene, zusammen- 7 
haftende Doppelschalen einer sehr zarten Tellina fand. | 

Die Doppelhaken bei Phoriospongia würden allerdings ein für Vioa 
ungewöhnlicher Charakter sein, aber wir müssen uns erinnern, dass es 
auch eine Reniere giebt — und mit denRenieren sind auch nach Scanipr’s 
Ansicht die Vioen verwandt, — die Doppelhaken hat, nämlich Reniera ” 
fibulata O. Schm. | | 

Ich möchte demnach Phoriospongia in den Kreis der Cioniden oder 
Vioen aufgenommen wissen. | 


Jena, März 1880. 


1]. c. p. 125. 2 ].c. Vol. II. p. 354. 3 l.c. p. 30. 


Se ; 


Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. 127 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel VI. 
Psammascus decipiens. 


Fig. 4. Vollständiges Exemplar. Nat. Größe. 

Fig. 2. Ein Stück der Länge nach aufgeschnitten. Innenseite 2 Mal vergrößert. 
a, Magenhöhle mit den anastomosirenden Primärfasern; db, Wandungsgewebe mit 
aufsteigenden Sekundär- und verbindenden Tertiärfasern. 

Fig. 3, Anastomosirende Sekundärfasern aus dem oberen und äußeren Theil der 
Spongie, die Fremdkörper sind noch wenig zahlreich und es präponderirt die orga- 
nische Masse in den Fasern. Tangentialschnitt. Vergr. 150. a, Sekundärfaser; b, 
Fremdkörper (Foraminifere) im Syneytium; c, Ballen (metamorphosirte, resp. ver- 
dorbene Eizellen ?). 

Fig. 4. Sekundär- und Tertiärfaser nach Behandlung mit Salzsäure, aus dem 


ältern Theil des Schwammes. a, äußere hyaline, b, innere, von größeren runden, 


und zahlreichen kleinen, staubartigen Körnchen erfüllte Schicht mit einzelnen Fremd- 
körpern kieseliger Natur. 250 Mal vergrößert. 

Fig. 5. Fasern aus demäätern Theile der Spongie. Vergr. 400. a, Primär-, b 
Sekundär-, c, Tertiärfaser. 


’ 


Dysidea favosa, 


Fig. 6. Zwei erwachsene Individuen von oben gesehen. a, Mundöffnung; b, 
Hautsaum. Nat. Größe. 

Fig. 7. Zwei verwachsene Individuen der Länge nach halbirt. a, Mundrand mit 
Hautsaum; b, Erweiterungen der Ramalkanäle (Geißelkammern?); c, Magenhöbhle, die 
mit der Magenhöhle des benachbarten Individuums unten kommunicirt; d, Sekun- 
där-, e, Tertiärfaser; f, Gastralostium mit Hauttasche. Nat. Größe. 

Fig. 8. Oberfläche, 4 Mal vergrößert. a, Grube mit Hautporen; b, von unten 
her antretende Fasern. 

Fig. 9. Oberhaut, 400 Mal vergrößert. a, Dermalporus durch ein Protoplasma- 
häutchen verschlossen ; d, Wälle von Fremdkörpern in denen c, dreistrahlige Kalk- 


 nadeln so zu liegen kommen, dass zwischen je zwei Schenkeln ein Porus ist und d, 


lange Körper sich tangential anordnen. 

Fig. 40. Schema des Gastrovascular-Systems. «a, Oberhaut; b, b, subdermale 
Gruben; c, fein verästelte Parietalkanäle führen in d, Geißelkammern, die durch 
Querkanäle e, mit einander und durch größere Kanäle f, mit der Magenhöhle kom- 
Municiren; g, Magentasche; i, Hautklappe gestützt durch Skelettmasse h; o, Eier. 

Fig. 44. Schräger Schnitt durch eine Geißelkammer a und durch gastral laufende 


' Parietalkanäle; b, Sekundär-, c, Tertiärfaser; ov, Ei. 


Dysidea callosa. 
Fig. 42. Einindividuum von oben gesehen. a, Mundrand mit Hautsaum ; b, Steg, 


‚der die Magentaschen, c, c, trennt. Nat. Größe. 


128 William Marshall, 


Tafel VII. 


Fig. 4. EinIndividuum halb aufgeschnitten. a, Papillen der Oberseite ; db, Mund- | 
rand mit Hautsaum ; c, Magenhöhle; d, Gastralostium mit Hauttasche; e, Wandung. 
Nat. Größe. | 

Fig. 2. Oberhaut. a, Dermalpore;, b, Hautnetz mit Fremdkörpern; c, ein tiefer © 
liegendes; aus dem jüngern Theil der Spongie. Vergr. 400. '# 

Fig, 3. Oberhaut aus dem Basaltheil des Schwammes. Vergr. 200. | 

Fig. +. Wandungsgewebe, Vertikalschnitt. a, Oberhaut; 5, b, b, aufsteigende T 
Fasern, die bei c verschmelzen; d, Querfasern. Vergr. 20 Mal. '# 

Fig. 5. Schema des Gastrovascular-Systems. a, Mundöffnung ;d, häutige Schließ- © 
klappe der Dermalostien; c, Magenhöhle; d, weiter, e, enger Parietalkanal. | 


Dysidea argentea. 


Fig, 6. Dysidea argentea. Nat. Größe. 
Fig. 7. Oberhaut mit Dermalporen; a, führen direkt in das Schwammgewebe, | 
d, in die Hohlräume. Vergr. 6. | 
Fig. 8. Oberhaut, a, Dermalporus; 5, Fremdkörper Wall. | 
Fig. 9. Oberhautnach Behandlung mit Salzsäure. a, Sponginsäckchen ; b, Fremd-7 
körper kieseliger Natur. 
Fig. 410. Faser. 
Fig. 41. Faser nach Behandlung mit Salzsäure. a, a, Fremdkörper kieseliger’ 
Natur; b, Sponginsäckchen mit Inhalt (was?). 


Psammoclema ramosum. 


Fig. 12. Der Schwamm von oben gesehen. Nat. Größe. 

Fig. 43. Oberhaut. Vergr. 60. a, Dermalporus; db, Hautnetz mit Fremdkörpern. 

Fig. 14. Schema des Gastrovascular-Systems. Vertikales Astende. a, subder- 
maler Raum und Parietalkanäle; db, Magenraum;; c, Äste (verbindende Kanäle) der- 
selben; «, 8, Richtung, in welcher der Schnitt, Taf. VI, Fig. 3, geführt wurde; y, d, 
der in Taf. VI, Fig. 3. 

Fig. 45. Syncytium mit der Alge. 200 Mal vergrößert. 


Tafel VIII. 


Fig. 1. Vertikalschnitt zwischen zwei Magenräumen. a, Längsfasern, dazwischen 
kommunicirende Kanäle der Magenräume; b, aufsteigende Fasern, die sich an der 
Wandung verbreitern; c, subdermale Räume (Geißelkammern). 4 Mal vergr. | 

Fig. 2. Horizontaler Schnitt eben daher. Bezeichnungen wie in Figur 4. 

Fig. 3. Schema des Gastrovascular-Systems. a,b, wie inFig. 14, Taf. V; c, Ein- 
gang in einen Seitenast (Verbindungskanal); d, Seitenast mit centrifugalem Verlauf. 

Fig. 4. Faserskelett einer Astspitze mit Kalilauge schwach Breen.: Nat. Go | 

in 5. Ein Stückchen davon, 30 Mal vergr. 


in 


Ds oola ne aa densum. 


Fig. 6. Exemplar von Tasmanienr, theilweiser Durchschnitt. Nat. Größe. a,b, 
Wurmgänge. a 
Fig. 7. Zwei vereinzelt vorkommende Hornfasern. Vergr. 8/4. 
Fig. 8. Gewebe aus dem Innern des Schwammes mit Salzsäure behandelt. @, 
Sarcodine mit Ballen und lichtbrechenden Körperchen;; db, Sponginsäckchen der 
Fremdkörper ; c, Kieselkörperchen. Vergr. 200/4. I ol a 


Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. 129 


Fig. 9. Oberhaut des Spiritus-Exemplares. a, Spindelzelle; b, helles Körnchen. 
Vergr. 500/1. 

2 Fig. 10. Oberhaut eines trocknen Exemplars. a, geschrumpfte Spindelzellen; 
b, Parasiten (?). Vergr. 300/A. 

- Fig. 44. Exemplar vom Cap. Nat. Größe. 


Phoriospongiae. 
Fig. 42. Phoriospongia solida, Durchschnitt. Nat. Größe. 
Fig. 43. Phoriospongia solida, Oberhaut mit den maulbeerförmigen Körperchen. 
Fig. 44. Phoriospongia solida, Oberhaut, tiefere Schicht. a, hakenförmige, b, 
‚stecknadelförmige Kieselgebilde; c, d, e, Entwicklungsstadien der Maulbeer-Körper. 
Fig. 45. a—f, Entwicklungsstadien der Maulbeer-Körper. 
Fig. 46. Nadeln. a, häufigste Form; b, etwas weniger häufig; c, seltener; d, 


Fig. 47. Haken. a, häufigere, b, seltenere Form; c, von der Seite gesehen. 
(Fig. 18. Phoriospongia reticulum. Nat. Größe. 

Fig. 49. Phoriospongia reticulum, Oberhaut mit Haken, Nadeln und zahlreichen 
 Fremdkörpern. 


Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. rg 


Über zwei frühzeitige menschliche Embryonen. 
Von 


Dr. W. Krause, 
Professor in Göttingen. 


Mit Tafel IX und zwei Holzschnitten. 


Der von mir! früher abgebildete menschliche Embryo ist vor 
Kurzem von Hıs als Vogelembryo gedeutet worden. An und für sich 
wäre es wohl selbstverständlich, dass ich keinen Hühnerembryo als 
etwas Besonderes beschrieben haben werde und es könnte sich höch- 
stens umgekehrt fragen, wie Hıs dazu kam, einen notorischen mensch- 
lichen Embryo für einen Vogel zu erklären. Der außergewöhnliche 
Scharfsinn aber, welcher in der Hıs’schen? Darlegung entwickelt ist, 
macht es interessant dieselbe zu lesen; sie wird daher hier wiederholt: 

»Wenn man die unter sich übereinstimmenden Figuren Krause’s 
mit guten Abbildungen menschlicher Embryonen derselben Entwick- 
lungsstufe vergleicht, so tritt einem sofort eine Reihe recht erheblicher 
Unterschiede entgegen. Fürs erste die Konformation des Kopfes: schon 
das Mittelhirn erscheint bei jenen sehr groß, vor Allem aber zeigt das 
Auge einen Umfang, wie er nicht entfernt demjenigen menschlicher 
Embryonen entspricht. Bei der 3 Mal vergrößerten Figur Krausr's be- 
trägt der Durchmesser des Auges 3, bei der 7 Mal vergrößerten 7 mm, 
was übereinstimmend einen natürlichen Durchmesser von I mm ergiebt, 
anstatt der 0,3 mm, weiche in der Zeit der vorspringende Theil mensch- 
licher Augen misst. In der Hinsicht gleichen die Figuren Krause’s viel- 
mehr einem Vogelembryo, denn einem menschlichen. Allein auch in 
anderen Eigenthümlichkeiten nähern sich Krause’s Zeichnungen sehr | 
viel mehr den ersteren als den letzteren Originalien. — Wie dies die | 
Darstellungen von Jon. MüLLer, von CostE und von WarpeEyer über- 


1 Archiv für Anatomie und Physiologie. 4875. p. 215. Tat. VI. 
? Anatomie menschlicher Embryonen. Abth. I. 1880. p. 72. 


Über zwei frühzeitige menschliche Embryonen. 131 


einstimmend bestätigen, so sind beim menschlichen Embryo dieser 
- Entwicklungsstufe die Schlundbogen kräftig angelegt und die vorderen 
beiden erstrecken sich unter der Zone des Auges durch bis unter das 
Vorderhirn. Krause’s Zeichnungen zeigen eine Reihenfolge kurzer schma- 
ler Schlundbogen, deren Spitzen kaum bis in die Verlängerung des 
hinteren Augenrandes reichen. An menschlichen Embryonen ist zwi- 
schen oberer und unterer Extremität der Rücken ziemlich stark. ge- 
wölbt, bei Krause’s Zeichnung verläuft dieser nahezu gestreckt. Darf 
man auf diesen letzten Punkt vielleicht kein allzugroßes Gewicht legen, 
so scheinen wiederum andere Unterschiede von erheblicher Bedeutung. 
Beim menschlichen Embryo von 7—8 mm findet sich unterhalb des 
Herzens eine bereits recht ansehnliche Leberanschwellung, von welcher 
an Kravse’s Zeichnung keine Spur zu sehen ist. Ferner ist beim mensch- 
liehen Embryo der nach vorn umgeschlagene Theil des hinteren Leibes- 
endes von beträchtlicher Länge, bei Krause’s Zeichnung erscheint dies 
Stück nur als kurzer Stummel. — Dabei ist allerdings hervorzuheben, 
dass beim jungen Hühnchen, so lange man dasselbe nicht künstlich 
streckt, der Kopf stark vornüber gebogen zu sein pflegt, ein Verhalten, 
dasich an der Zeichnung! um den Betrag des am Hals bezeichneten 
Dreieckes abgeändert habe. « — — — 

»Da die drei Zeichnungen Krause’s in allen Hauptpunkten unter 
sich übereinstimmen und da an eine dreimalige Wiederkehr derselben 
sröblichen Verzeichnungen nicht wohl gedacht werden darf, so komme 
ich zum Schluss, dass jene Zeichnungen ihr Original getreu wieder- 
geben. Damit begründete sich aber die weitere Folgerung, dass der 
angebliche Menschenembryo Krause’s ein Vogelembryo 
gewesen ist. — — 

KöLLıker ? war zu einer anderen Folgerung gekommen. Seine ur- 
sprüngliche Auffassung lautete nämlich: 

»Auch der neuerlich von Krause beschriebene Fall einer freien 
Allantois erweckt gerechte Bedenken. Ein Embryo von 8 mm Größe 
aus der vierten Woche mit Anlage beider Extremitäten, Kopf- 
krümmungen, Kiemenspalten, Augen, entwickeltem Herzen, soll noch 
keinen Nabelstrang besessen haben, während doch bei entschieden 
_ jüngeren Embryonen, wie vor Allem den nachfolgenden Beobachtungen 
von Coste und Tnomson, dann aber auch bei allen anderen Embryonen 
der dritten Woche schon ein Funiculus umbilicalis gefunden worden 
ist! Bis auf Weiteres halte ich die fragliche Allantois für den Dottersack 
oder die Nabelblase, wie sie beim Menschen heißt, und den zerrissenen 

EiTsaR..c, 18803 px 74% Big.,7. 

2 Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte, Zweite Aufl. 1879. p. 306 (u. 4013). 

9,* 


132 Pie W. Krause, 


Dottersack von Krause, der bei Embryonen dieses Alters nie 
mehr so groß ist wie die Figur zeigt, für den abgerissenen Nabel- 
strang mit anhangenden Fetzen des Amnion u. s. w.« 

»(Pag. 1013) Krause glaubt noch immer, dass er wirklich einen Em- 
bryo mit freier Allantois beobachtet habe. Ich bleibe dabei, dass Em- 
bryonen von der Größe und Entwicklung des von Krause beschriebenen 
einen Nabelstrang und somit keine freie Allantois besitzen, wenn auch 
möglicherweise meine Deutung der Krause'schen (Allantois-) Blase a! 
nicht die richtige war. Dieselbe könnte auch eine pathologische Bildung 
sein u.5. w.«c | 

HEnsen hält » die lange Reihe negativer Befunde über die Allantois- 
blase gegenüber den einzelnen positiven Befunden, die die Litteratur 
aufweist, von überzeugender Beweiskraft« und citirt dabei die angeführte 
Bemerkung KöLLıkEr’s, wonach eine Verwechslung der Dotterblase mit 
Amnionfetzen bei meinem Embryo vorliegen soll. — Dabei ist zu be- 
merken, dass der Hrxsen’sche Embryo, dessen Länge Hensen zu 4,5 mm 
fand, in Wahrheit etwas länger und vielleicht auch älter ist als der 
meinige. Ersteres, weil er stärker gekrümmt liegt, letzteres, weil der 
erste Kiemenbogen schon entwickelt ist, ein Geruchsgrübchen deutlich 
sich zeigt u. s. w. Eine Leber ist gleichwohl nicht wahrzunehmen. 

Auch v. Esxer® ist der Meinung, dass eine freie blasenförmige 
Allantois wahrscheinlich zu keiner Zeit beim Menschen vorhanden sei. 


Was zunächst die erste der oben erwähnten Anschauungen 
Köuuıker’s anlangt, so lehrt ein Blick auf die Fig. 4 (Taf. IX), dass die 
Dotterblase nicht von mir mit Amnionfetzen verwechselt wurde. Ihr Stiel 
kommt von der Wirbelsäule her und man sieht in die geöffnete Höhlung 
der Blase hinein. 

Auf die Bemerkung von Hıs habe ich * bereits einleitungsweise er- 
wiedert: | 

»— somit bietet es ein hohes Interesse dar, zu untersuchen, wie 
Hıs dazu kam, einen sehr jungen menschlichen für einen Vogelembryo 
zu nehmen. Jedenfalls besaß ich den Embryo schon lange, ehe noch 
von einer Hıs-Harcker’schen Kontroverse die Rede war und der von 
Hıs 6 erwähnte E. Krause ist mir vollkommen unbekannt. — — — —« 

1 Archiv für Anatomie und Physiologie. 4876. p. 204. 

2 Archiv für Anatomie und Physiologie. 41877. Anat. Abth. p. 2. 

3 Mittheilungen des Vereins der Arzte in Steiermark. 28. Mai 4877. p. 4 eines 
durch die Güte des Verfassers erhaltenen Separat-Abdruckes. 

4 Zoologischer Anzeiger. 1880. p. 284. 


5 Vergl. Archiv für Anatomie und Physiologie. 4875. p. 216. 
6 1.c. p. 68. Anm. 4. 


Über zwei frühzeitige menschliche Embryonen. 133 


Obgleich der von mir beschrievene Embryo seiner Entwicklung 
nach etwas jünger ist als die beiden von Hıs in mikroskopische Schnitte 
zerlegten,, wie schon aus dem Vorhandensein einer eben erst hervorge- 
wachsenen blasenförmigen Allantois sich ergiebt, so lässt sich doch aus 
dem Präparate selbst seine Natur als menschlicher Embryo, resp. seine 
Differenz von Vogelembryonen derselben Entwicklungsstufe erweisen. 
Bei dem jetzigen Stande der Kontroverse erscheint diese Art von Be- 
weis besonders instruktiv. Anstatt denselben in Worten anzutreten, 
wird es nützlicher sein, zunächst die in verschiedenen Lagen des Em- 
bryo aufgenommenen, von Herrn PETErs in Göttingen mit bekannter Treue 
gezeichneten Abbildungen (Taf. IX, Fig. 1, 2, 5) vorzulegen. 

Zur Vergleichung habe ich einen menschlichen Embryo und zwar 
den nächst älteren !, den ich ebenfalls schon sehr lange besitze, hinzu- 
gefügt (Fig. 3). Ferner zwei Hühnerembryonen; der kleinere (Fig. 4) 
hat dieselbe Länge (”—8 mm) wie der kleinere menschliche Embryo, 
differirt aber von demselben in vielen wesentlichen Punkten. Der etwas 
ältere Hühnerembryo (Fig. 6) zeigt eine blasenförmige Allantois. 

"Alle Figuren der Tafel sind unter denselben Beleuchtungsverhält- 
nissen, bei derselben Vergrößerung (die Fig. 3 ist im Verhältnis von 
5:7 redueirt worden), von derselben geübten Hand gezeichnet. Sie 
sind also unter einander vergleichbar und der nächstliegende Weg einen 
Embryo zu klassifieiren besteht wohl darin, dass man ihn (Fig. 1) mit 
einem weiter in der Entwicklung vorgeschrittenen (Fig. 3), dessen Na- 
tur unverkennbar ist, zusammenstellt. Sollte indessen Jemand an der 
Naturtreue der Zeichnungen Zweifel hegen, so wird er freundlichst er- 
sucht, den Embryo bei mir in Göttingen sich anzusehen, da ich den- 
selben zur Zeit den Gefahren einer Eisenbahnversendung nicht wohl 
aussetzen kann? (vergl. p. 138). 

Bei der Vergleichung ist namentlich die Form des Mittelhirns 
(Fig. 2, resp. 6), so wie die des Schwänzchens (Fig. 5, resp. 4) zu be- 
achten. 


! Zur Vermeidung von Missverständnissen muss bemerkt werden, dass es sich 
hier nicht etwa um den von mir (Göttinger Nachrichten. 1865. p. 303) früher er- 
wähnten Embryo handelt. — Auf einen etwa vierwöchentlichen, in letzter Zeit mir 
zur Verfügung gestellten menschlichen Embryo wird bei anderer Gelegenheit zu- 


rückzukommen sein. 


2 Am schönsten würde es sein, wenn die Autoritäten auf diesem difficilen Gebiete, 
z.B. die Herren Ecker, HEnsEn, Hıs, KöÖLLIKER, KOLLMANN, KUPFFER, LIEBERKÜHN U. S. W. 
sich verabreden wollten, eine Art von Embryologen-Versammlung in Göttingen oder 
auch in Kassel etwa zum 45. März 4884 zu berufen. Da die Angelegenheit meines 
Embryos sehr rasch sich erledigen dürfte, so würde wohl Zeit bleiben, eine Reihe 
anderer belehrender Vorträge und Demonstrationen daran zu knüpfen. 


134 W, Krause, 


Was die Tafel an einem instruktiven Beispiel lehrt, ist nichts Ande- 
res, als die von Hıs! so eifrig verfochtene Lehre, dass für eine ins 
Feinste eindringende Analyse sehr charakteristische Unterschiede der | 
Embryonen verschiedener Thiere schon in frühem Stadium auftreten. | 
Seitens der Fachgenossen ist es auch wohl niemals bezweifelt worden, | 
dass Hıs hierfür überzeugende Beweise beigebracht hat. Die Differen- ' 
zen, welche Hıs zur Unterstützung der Diagnose zwischen menschlichem | 
und Vogel-Embryo anführte, sind in Kurzem folgende: 

4) Die Größe des Mittelhirns. — Vergleicht man Fig. 4 oder Fig. 6 | 
mit Fig. 2, so ragt beim Hühnchen (Fig. 4 und 6) das Mittelhirn ent- ' 
schieden stärker hervor. | 

2) Die Größe des Auges, etwa 4 mm beim Hühnchen und nur 
0,3 mm beim Menschen betragend. — Ein so großes Auge, wie es | 
einem Hühnerembryo (Fig. 4 und 6) entsprechen würde, ist an meinem | 
Embryo keinenfalls vorhanden (Fig. 1). | 

3) Die Entwicklung der Kiemenbogen. — Bei einer ‚Belenektuni | 
in der man die ganze Länge des größten Kiemenbogens (Fig. 1) wahr- ! 
nehmen kann, zeigt sich derselbe kräftig entwickelt und ein wenig, über | 
das Niveau der übrigen hervortretend. 3 

4) Die Größe der Leber. — Von einer behirnukaherehe die Hıs 
zu sehen erwartet, ist an dem Embryo sonst keine Spur, als eine relativ 
etwas stärkere Auftreibung unterhalb der Gegend der oberen Extremi- N) 
tät (Fig.:2) wahrzunehmen. Die Leberanlage fehlt aber auch bei dem | 
Hensen’schen Embryo (p. 132). 

'5) Die Krümmung des Schwanzendes. — Das Söhtiwärtzchen ist in | 
Fig. 1 und Fig. 5 deutlich‘und differirt erheblich von dem Schwanzende 
eines Hühnchens, welches genau entsprechende absolute Körperlänge hat. | 
Das letztgenannte Ende ist in Flächenansicht gezeichnet (Fig. %). ) 

6). Die Biegung des Halses. — Der Kopf des Hühnchens ist " 
stärker vornüber gebogen (Fig. 2, resp. Fig. 4 und 6). — Um in diesem I 
entscheidenden (vergl. unten p. 138) Punkte eine Ähnlichkeit meines 
Embryos mit dem Vogel herzustellen, hat Hıs (I. c. p. 71. Fig. 7) sich ij 
aus dem Halse des letzteren ein m Stück herausgeschnitten | 
denken müssen. | 

7) Die Wölbung des Rückens ist beim Hühnchen geringer. — Hıs 7 
legt selbst auf diesen Punkt kein großes Gewicht und da die Lage des 
Embryos während seiner Erhärtung in Betracht kommt, so kann man | 
die Sache wohl auf sich beruhen lassen. ann ö | 

Nach dem bisher Gesagten lässt sich die menschliche Natur des | 
Emban: aus folgenden Punkten ableiten : 

! Unsere.Körperform. 4875. p. 192. 


Über zwei frühzeitige menschliche Embryonen. 135 


A. Aus der Form des Gehirns, namentlich des Mittelhirns (Fig. 2, 
resp. Fig. 4 und 6). 

B. Aus dem Schwänzchen (Fig. 5, resp. Fig. A). 

C. Aus der Kleinheit des Auges (Fig. 4, resp. Fig. 4 und 6). 

Letzterer Umstand bedarf nun noch einer besonderen Erörterung. 
Wie ich! bereits angedeutet habe, basirt die Hıs’sche Deduction, es 
handle sich um einen Vogelembryo, vorzugsweise? auf der Annahme, 
mein späterer Holzschnitt (s. unten Fig. II) sei eine neue Originalabbil- 
dung. Es war aber in der That nicht vorauszusehen, dass Jemand den- 
selben für etwas Anderes nehmen würde, als für das was er ist, nämlich 
eine verkleinerte und korrumpirte Kopie der Fig. B (hier Fig. 2). Letztere 
ist die Originalfigur. Darin hat zuerst der Kupferstecher das »Auge« zu 
scharf umrissen. Da ich die Originalzeichnung noch in Händen habe, 
so konnte die reine Profilansicht des Embryos in Fig. 2 (Taf. IX) nach 


Fig. 1. Fig. II. 
Wie die Kopie der Fig. 2 aus- Was der Holzschneider (1876) aus 
sah und eigentlich hatte aus- der Kopie gemacht hat. 


sehen sollen. 


derselben lithographirt werden ; sie weicht außer in anderen Punkten 
von der Fig. B in der Umgrenzung des » Auges«, so wie in der Form des 
größten Kiemenbogens, in der Abgrenzung des Mittelhirns und des 
Schwanzes nicht unerheblich ab. Die Zeichnung war. vollkommen 
naturgetreu, wie ursprünglich angegeben wurde; für die Erscheinungs- 
weise der Abbildungen im Druck, womit Hıs sich zu ihun gemacht 
hat, habe ich selbstverständlich damit keine Garantie übernommen. In 
der diesmaligen Publikation kann ich es thun in Folge des freundlichen 
_ Entgegenkommens der Redaktion dieser Zeitschrift (Prof. EnLers). 


I Zoologischer Anzeiger. 1880. p. 284. 

2 Gegenüber meiner Fig. B (1875. Taf. VI) ist von Hıs (Anatomie menschlicher 
Embryonen. Abth. I..1880. p. 71. Fig. 6) die größte Länge des Mittelhirns an der 
Trennungsfurche desselben von 45 auf 13 mm vermindert, die vierte Hirnhöhle 
weggelassen u. S. w. ‚. 


136 . 3 » W. Krause, 


Fig. 11 ist eine von Herrn Perers in Göttingen verkleinert abge- 
zeichnete Kopie der Fig. 2 (Fig. B des Archivs für Anatomie und. Physio- 
logie. 1875. Taf. VI). Diese Kopie wurde jetzt von Herrn. -Prosst in 
Braunschweig, der sämmtliche Holzschnitte für mein Handbuch der 
menschlichen Anatomie? ausgeführt hat, xylographirt. Fig. II (p. 135) 
ist nach derselben Vorlage, die sich ebenfalls noch: heute in meinen 
Händen befindet, durch einen von der früheren Verlagshandlung. des 
Archivs für Anatomie und Physiologie (1876) engagirten Xylographen in 
Holz geschnitten. Nach diesem Holzschnitt ist die Fig. II kopirt worden. 

Die Differenz ist so beträchtlich, dass man zu dem Schlusse kommt, 
Fig. Il sei Anfänger-Arbeit, vielleicht die Leistung eines Lehrlings. Der 
Holzschneider. des früheren Holzschnittes (Fig. II) hat nämlich nicht nur 
das »Auge« noch schärfer markirt als der Kupferstecher (Taf. VI, Fig. B. 
1875), sondern jede Schattirung viel zu dunkel dargestellt, sogar die 
des Amnionschleiers, welchen er nicht verstanden haben wird. Dafür, 
dass dieser Künstler seiner Aufgabe so wenig gewachsen war, muss ich 
meinerseits die Verantwortung ablehnen, weil den Verfassern von Jour- 
nalaufsätzen auf die Auswahl des Xylographen kein Einfluss zusteht. 

Durch Kombination dieser. beiden Leistungen (des Kupferstechers 
und Holzschneiders) ist nun däs merkwürdige Bild entstanden, welches 
Hıs? sich von meinem Embryo gemacht hat. | 

Veranlassung dazu erhielt Hıs außer den erwähnten Umständen 
besonders noch durch einen Fehler in der Erklärung der Figur B. Das 
von mir als »Auge« bezeichnete Gebilde. (A)? ist jedenfalls nicht das 
Auge gewesen, sondern ein Theil des Gehirns (Fig. 1 und 2). Das jetzt 
für ein Auge anzusprechende Gebilde (Fig. 1 o) ist viel kleiner und fehlt 
in Fig. 2 gänzlich. 

Der Irrthum ist auf folgende Art zu Stande gekommen. Da sich an 
meinem Embryo sonst nichts auffinden ließ, was wie ein Auge ausge- 
sehen hätte, so deutete ich mir damals den äußeren größeren koncen- 
trischen Ring (Fig. 2) als die aus der Tiefe durchschimmernde 
Peripherie der Augenblase oder deren Umgebung. Zu jener Zeit konnte 
man glauben, dass das Auge z. B. im Vergleich zu demjenigen des viel 
kleineren Tnonson’schen Embryos $® an Größe entsprechend zugenommen 

i Der Holzschnitt Fig. I giebt meine frühere Handzeichnung vom Jahre 1876, 
die ich damit verglichen habe, recht getreu wieder. 
Göttingen, den 28. Juli 4880. O. PETERS. 
?2 Hannover. Bd. I. 4876. — Bd. II. 1879. — Bd. III. 1880. 
° 3 Anatomie menschlicher Embryonen. Abth. I. 41880. p. 71. 
4 Archiv für Anatomie und Physiologie. 1875. Taf. VI. Fig. C. 


5 Daselbst, Taf. VI, Fig. C, A. 
6 Verg. KöLuıker, Entwicklungsgeschichte. 4876. p. 314. Fig. 231. 


— 


Über zwei frühzeitige menschliche Embryonen. 137 


haben werde. :Ich bin jedoch bei stärkerer, 10—18 facher Vergrößerung, 
als ich sie früher angewendet hatte, , darüber:zweifelhaft geworden. In 
der Schrägansicht (Fig. I o) sieht man einen kleinen. hervorragenden 
- Fleck , der: durch‘ den getrübten Amnionschleier hindurch früher nicht 
- zu entdecken war und auch: nicht: wohl ein Kiemenbogen sein kann. 
Derselbe hat etwa 0,3 mm Durchmesser, , welches Maß nach Hıs dem 
Auge zukommen würde, entspricht außerdem seiner Lage nach dem 
Auge .des-älteren. menschlichen Embryos (Fig. 3). Alsdann muss jener 
äußere, in Fig. 2 koncentrische Ring als Gehirntheil! und zwar als die 
bei: Beleuchtung des Profils von der Dorsalseite ‘her allein sichtbare 
Kuppe des Großhirnbläschens, der kleinere innere koncentrische Ring 
dagegen als zufällige (?) Depression gedeutet werden. Bei der erwähnten 
"Profilansicht (Fig. 2) ist das jetzt von mir als Auge bezeichnete Gebilde 
in der Grube zwischen der Wurzel des größten Kiemenbogens und dem 
früher sog. »Auge« verborgen. Leider hat: man ohne‘ Zerlegung des 
Embryos kein Mittel, die Natur eines mikroskopischen Pünktchens mit 
Sicherheit zu konstätiren, wie schon R. Wacner ? bei einem ähnlichen 
_ 24 tägigen menschlichen Embryo das Auge nicht mit Bestimmtheit auf- 
finden konnte. — Vergl. auch Hiıs, 1. c.. 4880. p. 15. Anm. 3. 

Man könnte bezweifeln, ob das letztere in diesem speciellen Falle 
überhaupt schon wahrnehmbar sei und auch :sonst sind keineswegs alle 
Schwierigkeiten in Bezug auf die Topographie des Kopfes, z. B. in Be- 
treff' des Vorderhirns, beseitigt. Mag dem sein wie ihm wolle, so 
steht jedenfalls fest, dass das Auge meines Embryos nicht die von 
dem früheren Holzschneider (Fig. I) und von Hıs supponirte Größe 
hat, sondern viel kleiner sein muss — worauf es hier allein ankommt. 
Denn es ist nochmals daran zu erinnern, dass ich schon bei meiner 
ursprünglichen Publikation nicht im mindesten beabsichtigte und auch 
jetzt nicht beabsichtige, einen Beitrag zur Kasuistik menschlicher Em- 
bryonen zu liefern. Andernfalls würde wohl die Frage aufzuwerfen 
gewesen sein, wesshalb der Embryo nicht wenigstens von seinem 
Amnionschleier befreit worden sei. Mein Augenmerk war vielmehr 
nur darauf gerichtet, ein früher noch nicht mit Sicherheit beob- 
achtetes Stadium der Allantoisentwicklung beim Menschen zur An- 
 schauung zu bringen. In diesem für mich ausschließlich in Betracht 
kommenden Punkte sind meine ersten Abbildungen (1875) für sich 
allein ausreichend und so getreu, wie sie nur sein können. Dem Ge- 


i Vergl. Archiv für Anatomie und Physiologie. 4875. Taf. VI, Fig. A, woselbst 
der Embryo von der linken Seite dargestellt ist. ua 

2 Icones physiologicae. 1839. Abtheilung I. Taf. VII, Fig. XI. — Taf. VII, 
Fig. II. 


138 W. Krause, 


sagten entsprechend hatte ich gleich Anfangs meine Mittheilung ! als eine 
vorläufige, d. h. als ein Bruchstück aus einer größeren Untersuchungs- 
reihe bezeichnet. 

In Betreff der oben als wünschenswerth angedeuteten Zerlegung des 
Embryos in mikroskopische Schnittserien ergiebt sich folgende Sachiage: 
Würde die Thatsache der freien Allantoisentwicklung beim Menschen 
oder, was augenblicklich dasselbe bedeutet, die menschliche Natur 
des fraglichen Embryos allgemein anerkannt sein und letzterer nur noch 
historisches Interesse besitzen, so würde ich denselben am besten ver- 
wendet glauben, wenn er Behuf fernerer Untersuchung in Durchschnitte 
zerlegt werden könnte. Zur Zeit ist er aber das einzige Beweisstück. 

Für die menschliche Natur meines Embryos, so weit ihre Nach- 
weisung hier aus dem Präparat allein geführt werden soll, kommt außer 
den oben erwähnten Punkten nun noch ein Umstand in Betracht, den 
Hıs ganz mit Stillschweigen übergangen hat. Ein Hühnchen von der- 
selben Körperlänge wie mein Embryo sieht aus wie Fig. 4. Ein Hühn- 
chen aber von der Entwicklungsstufe meines Embryos sieht aus wie 
Fig. 6. Jeder erkennt, dass der Vogelembryo von ungefähr gleich weit 
vorgeschrittener Entwicklungsstufe sehr viel länger ist, als mein Em- 
bryo. Der Unterschied lässt sich natürlich nicht durch eine einzige 
Messung an dem zusammengebogenen Körper präcisiren, misst man 
aber die Länge eines Embryos wie Fig. 6 in gestrecktem Zustande (vergl. 
z. B. das von Hıs abgebildete Modell-Hühnchen 2), so zeigt sich die 
Differenz verhältnismäßig enorm (9:42 mm) und beträgt 20—30%,. 
Dieser Punkt ist so schlagend , meiner Ansicht nach für sich allein ent- 
scheidend, zugleich so unabhängig von der Deutung des Auges und aller 
Detailzeichnung des Holzschneiders oder Lithographen, dass eine ein- 
fache Contourzeichnung die ganze Sache erledigt haben würde. Da aber 
an einem Beispiel demonstrirt werden sollte, dass eine auf andere Mo- 
mente gestützte Differentialdiagnose möglich ist, so mag die Ausführlich- 
keit dieses Aufsatzes dadurch entschuldigt werden. 

Überblicken wir den bisherigen litterarischen Lebenslauf des frag- 
lichen Embryos, so ist seine blasenförmige Allantois bereits erklärt worden: 

a) Für eine Dotterblase vom Menschen (Körrıker, 1876. p. 307). 

b) Für eine pathologische Bildung (Körurker, 1878. p. 1043). 

c) Für die Allantois eines Vogels (Hıs, 1880). 

Vielleicht wird schon das nächste Stadium der Angelegenheit die 

von mir? vor Jahren vorausgesagte sein. 


1 Archiv für Anatomie und Physiologie. 1875. p. 246. 
2 Unsere Körperform. 4875. p. 88. 
3 Archiv für Anatomie und Physiologie. 1876. p. 207. C. 


Über zwei frühzeitige menschliche Embryonen. 139 


‘ Später wird es in der Geschichte dieser in ihrer Art einzig da- 
stehenden Kontroverse merkwürdig erscheinen, dass es ganz besonders 
den Arbeiten von Hıs zu verdanken ist, wenn gezeigt werden konnte, 
dass jener menschliche Embryo auf einer genau korrespondirenden Ent- 
wicklungsstufe steht, in welcher z. B. beim Hühnchen eine eben her- 
vorsprossende Allantois in die Erscheinung tritt. 

Kann hiernach über die Thatsache der freien Allantois beim Men- 
schen kein Zweifel mehr bestehen, so fragt es sich noch, ob irgend 
welche andere Beobachtungen vorliegen, die mit jener Thatsache nicht 
in Übereinstimmung zu bringen sind. Nun giebt es, wie allgemein be- 
kannt, einige mehr oder weniger gute Beschreibungen von menschlichen 
Embryonen, die beträchtlich kleiner, so wie ihrer sonstigen Entwicklung 
zufolge jünger waren als der meinige, und gleichwohl eine solche Allan- 
tois nicht mehr zeigten. 

Es ist nicht recht verständlich, wesshalb Hıs und A. in dieser 
einfachen Sache Schwierigkeiten finden. Was liegt näher als die An- 
nahme, dass bei den letzterwähnten Embryonen der Dotterkreislauf 
_ frühzeitig gestört wurde? In Folge davon blieben die Embryonen in 
ihrer Entwicklung stehen, verkümmerten , es traten mitunter Unregel- 
mäßigkeiten in der Form und Größe einzelner Körpertheile auf; die 
Allantois bildete sich relativ zu früh, um die hydraulische Störung 
auszugleichen und das Ende war Absterben des Embryos nebst Abor- 
tus. Ob die Annahme solcher Störungen bei abortirten, also patho- 
logischen Eiern zulässig, resp. naheliegend ist, darüber dürfte wohl 
keine Verschiedenheit der Meinungen bestehen. | 

Es sind hiernach nur diejenigen menschlichen Embryonen für ganz 
normal zu halten, welche sich nicht nur an den meinigen, sondern z.B. an 
den oben citirten R. Wasner’schen und namentlich an die für gewöhnlich 
Tegelrecht entwickelten thierischen Embryonen anschließen lassen. 

Diese letzte Auseinandersetzung läuft auf den eigentlich sich von 
selbst verstehenden Satz hinaus: Frühzeitige Verwachsungen des Em- 
bryos mit dem Chorion sind pathologisch. Beim Menschen sind solche 
nicht selten und wahrscheinlich Veranlassung zu Abortus. 

Schließlich ist noch auf die außerordentliche Häufigkeit des letzte- 
ren am Ende der ersten vierwöchentlichen Periode hinzuweisen. Wenn 
_ die praktischen Ärzte jeden Blutklumpen bei einer Frau, die einmal 
abortirt hat, untersuchen wollten, würden die Embryologen nicht lange 
mehr über Mangel an Material zu klagen haben. Man könnte sogar eine 
kleine Familie von embryonalen Geschwistern in die Hände bekommen. 


Göttingen, im Juli 1880. 


140 W. Krause, Über zwei frühzeitige menschliche Embryonen. 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel IX, 


Sämmtliche Figuren mit Ausnahme von Fig. 3 sind 7fach vergrößert. 

‚Fig. 4. Menschlicher Embryo mit blasenförmiger Allantois von der rechten 
‚Seite und ein wenig von vorn gesehen ;. das Amnion theilweise entfernt. 4, vierte 
Hirnhöble; o, Auge (vergl. p. 436). 

Fig. 2. Derselbe Embryo in reiner Profilansicht. Nach derselben Originalzeich- 
nung, nach welcher die Fig. B (Archiv für Anatomie und Na 1875. Taf. VI) 
angefertigt ist. 

Fig. 3. Etwas älterer menschlicher Embryo mit Nabelblase. Vergr. 5. 

Fig. 4. Hühnerembryo vom Ende des dritten Dr Das Schwanzende in 
Flächenansicht. 

Fig. 5. Der Embryo von Fig. 4 und 2. Ansicht vom Schwanzende her. 

Fig. 6. Hühnerembryo vom Anfang des vierten Tages. Blasenförmige Allantois 
wie in Fig. A. ; 


Zusatz. 


Auf den Wunsch des Herrn Professor Krause habe ich den fraglichen Embryo 
in der Lage von Fig. 4 mit der Originalzeichnung verglichen, von welcher diese 
Figur kopirt ist, und kann bestätigen, dass diese Zeichnung in den wesentlichen 
Punkten ein treues Bild desselben giebt. Auch ist in der lithographischen Wieder- 
gabe diese Figur, wie die übrigen, so getreu ausgefallen, dass man damit’ zufrieden 
sein kann; die Weichheit der Originalzeichnung und vollends der Natur wird freiz 
lich von der Lithographie nicht erreicht. 

Göttingen, im September 1880. Ehlers. . 


Das Fulsnervensystem der Paludina vivipara. 
Von 
Dr. Heinrich Simroth in Leipzig. 


Mit einem Holzschnitt. 


Durch die weitere Ausdehnung meiner Untersuchungen über die 
Locomotion der Weichthiere auf die wichtigeren einheimischen Vertre- 
ter des Typus gerieth ich in jüngster Zeit auf die Paludina und nahm 
_ Veranlassung, deren Fulsnervensystem zu präpariren, um es mit dem 
der Pulmonaten, so weit ich es beschrieben und für die Deutung der 
Bewegungsvorgänge verwandt, vergleichen zu können. Die Methode 
der Darstellung ist nicht .eben schwierig. Für die Maceration leistet 
stark verdünnter Alkohol hier mehr, als Chromsäure und ihre Verbin- 
dungen, welche künftiger mikroskopischer Erforschung wohl vor- 
arbeiten. Diese ist aber leider hier ausgeschlossen durch die Dichtig- 
_ keit des Farbstoffes, der eben so wie bei Limnaea und Planorbis die 
Verfolgung der letzten Nervenästchen vereitelt, daher über diese, so 
weit sie dem bloßen Auge oder der Lupe sich entziehen, bier nichts 
ausgesagt werden kann. Koncenirirte Kalilauge (schwächerer Mittel gar 
nicht zu gedenken) klärt zwar das Pigment auf, aber erst lange nach- 
dem selbst von Nervenstämmen keine Spur mehr zu finden; starke 
Salpetersäure erhält die Nerven sehr wohl und zieht eine mäßige 
Menge eines schwarz violetten Stoffes aus; aber der Rest lässt die ge- 
Schrumpfte Sohle dunkler erscheinen als zuvor. 

Der makroskopischen Zerlegung bereitet der Fuß weniger Schwie- 
riekeiten als der der Landschnecken. Der massige Retraktor kann ohne 
‚besondere Mühe, gewiss einem inneren Faserverlauf zufolge, durch 
seitlichen Zug in zwei Hälften getrennt werden, welche sich mit 
Leichtigkeit, nach beiden Seiten sich verjüngend, genau bis zum Sohlen- 
rande abziehen lassen. Denn die Retraktorfasern mischen sich. nicht, 


| 1 SımkoTH, Die Bewegung unserer Landschnecken, hauptsächlich erörtert an 
der Sohle des Limax cinereoniger. Diese Zeitschr. Bd. XXX. 


142 Heinrich Simroth, 


wie bei den Lungenschnecken, bündelweise mit denen der Sohle, son- 
dern bilden ein darüber gelegenes Dach, das sich ziemlich bequem ab- 
heben lässt, da es nur rings am Fußrande in festerer Verbindung der 
Sohle eingefügt ist. Somit böte die Sohle einen sehr bequemen Einblick 
in die Mechanik des Kriechens, wenn sie weniger geschwärzt und das 


Vvergr. 5:1. 
Sohle der Paludina vivipara mit den Pedalganglien, Pedalnervenstämmen, den Kommissuren, peri- 
pherischen Nerven und deren Kommissuren. Zwischen den Stämmen ein von oben geöffneter Blut- 
sinus. Die Sohle ist in der Mitte dick und lleischig, nach dem Rande zu verdünnt sie sich bis fast 
‚zur Heutstärke. 


Thier beweglicher wäre. Doch davon künftig. Beim Abnehmen des 
Retraktors bleibt fast nie einer der Fußnerven daran hangen, ein siche- 
rer Beweis, dass diese Nerven lediglich in der Sohle ibre Verzweigung 
finden. Die Sohle ist auch bier reich an Blutlakunen. Ein mittlerer 
Sinus wird zuerst aufgedeckt (siehe den Holzschnitt) mit einer Menge 
von Öffnungen, die nach unten zwischen die Muskulatur führen. Zwei 


Das Fußnervensystem der Paludina vivipara, 143 


- seitliche Bluträume, welche von vorn nach hinten aus einander weichen, 


sind in der Figur nicht mit dargestellt. Zwischen dem mittleren und je 
einem seitlichen Sinus verläuft nun jederseits der dicke, nach hinten 
sich verjüngende Stamm des Pedalnerven. Beide entspringen in der 
bekannten Weise aus dem durch eine starke, kurze Kommissur ver- 
bundenen Pedalganglion und sind selbst unter einander durch eine An- 


zahl von Kommissuren verknüpft. Ich habe kaum nöthig, die gelbrothe 


Färbung der frischen Ganglien und Stämme, so wie den allmählichen 
Übergang zwischen beiden oder die gangliöse Beschaffenheit der Nerven- 
stämme wiederum zu erwähnen. Die Stämme nehmen ziemlich gleich- 
mäßig nach hinten an Stärke ab, indem sie nur die Nerven und Kom- 
missuren mit breiten Wurzeln abtreten lassen, also an den betreffenden 


‚Stellen eine geringe Verdickung erfahren. 


Von besonderem Interesse sind nach dem jetzigen Standpunkte der 
Schneckensystematik natürlich die Kommissuren. Ich habe deren zwi- 
schen den Stämmen vier gefunden, die ihre Lage bei den verschiedenen 
Individuen sehr bestimmt einhalten. Die vorderste Kommissur ist den 


 Ganglien ziemlich genähert, und obwohl sie von deren Kommissur an 


Dicke beträchtlich, um ein Mehrfaches, übertroffen wird, ist sie doch 
noch einmal so stark als die zweite, die wiederum die dritte und vierte 
an Stärke hinter sich lässt. Die zweite Kommissur, welche die größte 
Länge hat, ist von der ersten etwa noch einmal so weit entfernt, als 
diese von den Ganglien. In dem Abstande zwischen der ersten und 
zweiten folgt dieser die dritte Kommissur, welche, kürzer als die vorige, 
die hier zusammengebogenen Stämme verknüpft. Dicht hinter ihr kommt 
die vierte, die aber nur wenigen Scharfsichtigen regelmäßig wahr- 
nehmbar sein dürfte. Mir glückte es nur bei einigen geeigneten Indi- 
viduen, sie aufzufinden. Sie erfordert vorsichtiges Präpariren und 
Augenanstrengung, zwei Postulate, die es nicht unwahrscheinlich 
machen, dass zwischen den letzten Stammausläufern, die nahe der 
Mittellinie auf die Dicke zarter peripherischer Nerven herabgedrückt 
sind, noch weitere zarteste Anastomosen statthaben möchten. Die bei- 
den vorderen Kommissuren sind nach vorn, die beiden hinteren nach 
hinten konkav gebogen. Das unbewaffnete Auge lässt keine von den 


Kommissuren abtretenden Nerven erkennen, wohl aber zeigte solche 


das Mikroskop bei der zweiten Kommissur (siehe die Abbildung) ; doch 
können diese deren Charakter so wenig beeinträchtigen, als das etwa 


bei Carinaria oder Patella nach von Inerıng’s Darstellung! geschieht, 


daher ich auf die weitere Prüfung dieser Verhältnisse bei der beklagens- 
werihen Verstecktheit der letzten Nervenästchen verzichtet habe. 
! v. Iuerıng, Vergl. Anat. d. Nervensyst. u. Phylogenie d. Mollusken. Fig. 24 u. 31. 


144 Heinrich Simroth, 


Die Nerven, welche von den Pedalstämmen in die Sohle ausstrah- 
len, verlaufen mit vieler Regelmäßigkeit. Man könnte sie in innere und 
äußere theilen, wenn nicht das vorderste Paar der ersteren (siehe die 
Abbildung) durch seinen Verlauf zu den letzteren gerechnet werden 
müsste. Die übrigen inneren sind bei ihrer Feinheit nur schwierig zu 
erkennen, daher in der Figur nur vereinzelt beobachtete eingezeichnet 
werden konnten, und noch schwieriger zu verfolgen. Die äußeren 
treten einigermaßen symmetrisch ringsherum nach außen ab und 
ändern ihre Länge je nach dem Abstande zwischen Nervenstamm und 
Sohlenrand. Um sie bloßzulegen, muss man die Muskulatur so weg- 
nehmen, dass sich die Sohle nach dem seitlichen Rande fast bis zur 
Hautdicke verjüngt und daher hier nun ganz schwarz erscheint. Man 
sieht da die Nerven sich wiederholt verzweigen, und zwar jedes Mal mit 
einiger Verdickung an den Gabelungsstellen, gemäß der bei den 
Schnecken so gewöhnlichen Einlagerung von Ganglienzellen in die 
Nerven, welche Zellen auch der zweiten, darauf geprüften Kommissur 
nicht fehlen. Ob die letzten Nervenästchen gegenseitig Fasern aus- 
tauschen, musste, so wenig die Wahrscheinlichkeit dagegen spricht, 
Dank dem Pigment, unentschieden bleiben. 

Eine besondere Beachtung verdient das erste innere Nervenpaar 
mit äußerer Verzweigung. Der Ursprung eines solchen Nerven ist unter | 
allen peripherischen der stärkste, stärker auch als die vorderste Kom- 
missur. Sein Stamm wendet sich erst ein wenig nach hinten und unten 
und dann in einer Schlinge weiter nach vorn zu der einen Hälfte des 
vorderen Sohlenrandes. Der Verlauf dieses Nerven ist unter allen, von 
denen hier gehandelt wird, der längste, so wie auch der Abstand zwischen 
dem Pharynx und dem vorderen Sohlenrande bei Paludina um ein Mehr- 
faches größer ist, als bei unseren übrigen Schnecken. Bald nach seiner 
Umbiegung nach unten theilt sich der Nerv in zwei Zweige, einen 
stärkeren lateralen, der in direkter Linie der seitlichen vorderen Sohlen- 
ecke zustrebt, und in einen schwächeren medialen, welcher, etwas der 
Mitte sich zuneigend, fast gerade nach vorn verläuft. Der laterale Zweig | 
giebt auf seinem Wege noch einige Aste nach vorn ab, und von diesen | 
verbindet sich der erste durch eine Anastomose mit einem Ästchen des 


medialen Zweiges. Von hervorragendem Belange ist endlich das Ver- 


halten der beiden medialen Äste rechts und links, denn sie verbinden ' 
sich ziemlich weit vorn durch zwei kurze feine, zur Längsachse des 
Körpers senkrechte Kommissuren,, die es wohl angebracht erscheinen | 
lassen, sie mit den Kommissuren zwischen den Nervenstämmen zu- " 
sammenzustellen. Bestimmt man daher, den Gesichtskreis erweiternd, 

die Anzahl der Querbrücken, welche die rechte und linke Hälfte des | 


Das Fußnervensystem der Paludina vivipara. 145 


Fußnervensystems, und nicht bloß die Stämme, verbinden, so ergeben 
sich sechs, vier zwischen den Stämmen und zwei zwischen den vor- 
dersten Nerven; zwei, die beiden letztgenannten, dicht bei einander 
am vorderen, zwei eben so am hinteren Körperpole, dazwischen zwei 
in größeren Abständen, eine vordere kürzere und stärkere und eine 
hintere schwächere, aber längere, womit nicht behauptet werden soll, 
dass dieses umgekehrte Verhältnis zwischen ihrer Länge und ihrem 
Querschnitt eine physiologische Bedeutung haben müsse. Die beiden 
vorderen und die beiden hinteren Kommissuren liegen ziemlich dicht 


_ der Haut auf, die ersteren am meisten, die beiden mittleren sind durch 


ein dickeres kavernöses Muskelpolster weiter von ihr getrennt. 


Das Bestreben, vorstehende Thatsachen durch Vergleich mit be- 
kannten Schneckenzergliederungen zu Folgerungen von allgemeinerer 


Bedeutung zu benutzen, wirft mehr Fragen auf, als es beantworten 
kann, und reizt mehr zur Erweiterung der Untersuchungen, als es den 


beendeten den Werth der Beweiskraft zuertheilt. Es wird in litterari- 


- scher Hinsicht nur nöthig sein, auf die Ansichten von Inzrıng’s (l. c.) ein- 


| 


zugehen, da man seinen Angaben über frühere Beobachtungen gewiss 
trauen darf; handelt es sich doch um einen Angelpunkt seiner Deduk- 
tionen. Wenn er in seinem Werke die Klasse der Gastropoden in zwei 
von einander unabhängige Stämme trennt und die einen, die Arthro- 
cochliden, von den gephyreenähnlichen Amphineuren Chaetoderma und 
Neomenia, — die anderen, die Platycochliden, von einer ganz anderen 
Würmergruppe, den dendrocoelen Turbellarien herleitet, so stützt sich 
diese phylogenetische Erklärungsweise zum großen Theile auf das Fuß- 
nervensystem, wie ja auch aus den Verhältnissen desselben bereits Ein- 
würfe dagegen erhoben wurden, die ich indess zurückweisen zu dürfen 
glaubte (l. c. p. 317). Das Hirn der Platycochliden soll bei deren erster 
Ordnung, den Protocochliden, aus einer einfachen dorsalen Ganglien- 
masse bestehen, mit oder ohne einfache Kommissur, und davon sollen 
zwei unter einander nicht verbundene Pedalnerven ausstrahlen. Umge- 
kehrt werden zwischen die Arthrocochliden und die Amphineuren die 


von den Schnecken abgetrennten Chitoniden als Placophora eingescho- 


ben, deren Hirn aus einem (mehr weniger gefalteten, was hier nichts 
verschlägt) Schlundringe besteht, in welchem Ganglien und Kommissu- 
ren sich kaum gesondert haben. An diesen Ring schließen sich, von 
allem Übrigen abgesehen, zwei starke, zellenreiche Pedalnervenstämme, 
welche durch zahlreiche Querkommissuren unter einander verknüpft 
sind. Diese wichtigen Kommissuren bilden die Brücke, die von der 


‚ ebenfalls mit derartigen Kommissuren versehenen Neomenia zu den 


Zeitschrift f. wissansch. Zoologie. XXXV. Ba. 40 


146 Heinrich Simroth, 


tiefststehenden Arthrocochliden hinüberführt; denn an Chiton fügt sich 
zunächst von den Arthrocochliden Haliotis an, deren Pedalnervenstämme 
zwölf bis funfzehn Kommissuren mit einander auswechseln. Hierauf 
folgt Fissurella, bei der nach von Inzring’s Abbildung (l. c. Taf. VI, 
Fig. 27) nur noch die sechs vordersten Kommissuren erhalten, aber 
ganz nahe an die Pedalganglien heran- oder fast schon in diese hinein- 
gerückt sind, so dass es nur eines kurzen Schrittes bedarf, um sie mit 
diesen verschmelzen zu lassen. Das soll nun bei allen übrigen Arthro- 
cochliden, im Allgemeinen den früheren Prosobranchiern, geschehen, 
für diese also das Strickleiternervensystem aus der Welt geschafft sein. 
Wenn ich nun ein solches oben für Paludina nachgewiesen habe, so ist 
es jedenfalls sehr bemerkenswerth, dass diese Schnecke gerade zu der 
Klasse der Arthrocochliden, den Chiastoneuren, gehört, als deren unterste 
Glieder eben Fissurella und Haliotis aufgestellt werden; und zwar zählt 
sie zu der letzten Unterordnung der letzten Ordnung dieser Klasse, so 
dass sie also gewissermaßen auf der höchsten Sprosse der Entwicklungs- 
staffel thront, deren unterste jene Strickleiterschnecken einnehmen. 
Auch lässt der für dieses Phylum ungewöhnliche Aufenthalt im süßen 
Wasser stärkere Umbildungen als Folgen der Anpassung erwarten. Der 
erstere Umstand, die direkte phylogenetische Verknüpfung mit den 
Strickleiterbesitzern lässt die Verhältnisse der Paludina in einem Lichte 
erscheinen, vor dem die Eintheilung von Inerıne's zu nichte werden 
muss; der letztere jedoch, die zu erwartenden Anpassungen betreffend, 
heißt uns überlegen, ob nicht das Strickleiterfußnervensystem der 
Paludina mit jenem von Haliotis und Chiton verwandtschaftlich gar 
nichts gemein habe, vielmehr unabhängig davon, in viel späterer Zeit, 
auf physiologischem Wege erworben sei. Beide Seiten der Frage müssen 
erörtert werden. 

Die Form des Kommissurensystems, um mit der Beziehung zu 
Haliotis und Chiton zu beginnen, spricht vielleicht nicht ganz für eine | 
direkte Vererbung von jenen Thieren oder deren einstigen Ahnenarten 
her; denn bei jenen ist die Zahl der Querbrücken viel größer, als bei | 
Paludina, wo ja zwischen den Nervenstämmen selbst nur vier nach- ! 
weisbar waren. Doch kann dieser Unterschied kaum von wesentlicher ! 
Bedeutung sein, da ja auch bei den drei Gattungen Chiton, Haliotis und 
Fissurella die Anzahl der Kommissuren erheblich schwankt; auch ! 
könnte man sich denken, dass bei Paludina eine Reihe derselben be- 
reits mit der Pedalkommissur verschmolzen, die bestehenden also nur | 
als ein Rest der früheren Vielzahl anzusehen wären. Vielleicht spricht | 
gerade die Dicke und der Zellenreichthum der Fußnervenstämme, so HN 
wie ihre Farbe, die mit der des Hirnes übereinkommt, dafür, dass hier | | 


Das Fußnervensystem der Paludina vivipara. 147 


ein viel näherer Verwandter der Käferschnecke vorliegt, als nach 
von Iuerıng’s System angenommen wird. Sei dem wie ihm wolle, auf 
jeden Fall erwächst aus der Parallelisirung der Paludinennerven mit denen 
Chiton’s der Zoologie die Forderung, dann auch bei allen übrigen 
Zwischengliedern, also bei jenem Dutzend bekannter Familien, die zwi- 
schen den Fissurelliden und den Paludiniden eingeschaltet werden (den 
Pleurotomariden, Tecturiden, Patelliden, Lepetiden, Littoriniden, Rissoel- 
liden, Rissoiden, Cyclostomaceen, Gyclotaceen, Pomatiaceen und Aciculi- 
den), dieselben Kommissuren nachzuweisen. Und es wäre zu verwundern, 
wenn man sie noch hei keinem der dahin gehörigen Thiere aufgefunden 
hätte. Indess, was bei der viel untersuchten Süßwasserschnecke dem 
Auge, u. A. eines Leyvis, entging (jedenfalls, weil die Tagesfragen nicht 
auf diesen Punkt hinwiesen), warum sollte das nicht bei den Seethieren, 
die doch immerhin seltener unter das Messer kommen, nicht auch 
unbemerkt geblieben sein? Weist doch von Inerıne auf die Schwierigkeit 
hin, die Kommissuren der Käferschnecke zu präpariren, während ande- 
rerseils es bei Paludina nach einiger Übung meist wenigen Schnitten 


gelingt, wenigstens die ersten beiden Kommissuren sichtbar zu machen. 


Wenn aber auch in jenen Zwischenfamilien, welche einen Hauptantheil 
der Vorderkiemer ausmachen, die Kommissuren gefunden werden, wie 
steht es dann mit ihrer Anreihung an Fissurella, kurz mit dem ganzen 
System ? 

Auch den Umstand, dass von der zweiten Kommissur der Paludina 
Nerven abtreten, kann man nicht mit Vortheil gegen eine Hombologisi- 
rung mit den Kommissuren Chiton’s, also gegen die Eigenschaft als 
echte Kommissur verwenden, wie denn von Inzrıng selbst (l. c. p. 26) 
hinreichend ausgeführt hat. »Eben so wie bei den Ganglien, sagt er, 
kommt es auch bei den Kommissuren auf zweierlei Weise zur Neubil- 


‘ dung. Entweder nämlich entstehen aus einer einzigen Kommissur 


mehrere durch Spaltung. .. Andererseits aber kommt es zur Bildung 
neuer Kommissuren durch die Entstehung einer Anastomose zwischen 
zwei gleichnamigen Nerven. Da, wie die Erfahrung zeigt, die Ausbil- 
dung von Kommissuren zwischen den Ganglien sehr vortheilhaft sein 


"muss, so werden solche Anfangs nur schwache Anastomosen bald mäch- 


tiger entwickelt. Dabei treten die ursprünglich vorhandenen Nerven- 
äste immer mehr an Bedeutung zurück, um schließlich zu verkümmern, 
und so wird die Anastomose zur Kommissur. Andererseits giebt es 


‚ zahlreiche Kommissuren, von denen Nerven enispringen, sei es, dass 
‚ diese in Wahrheit von einem benachbarten Ganglion entspringen, und 
‚nur mit ihrem Ursprunge auf die Kommissur übergetreten sind, sei es, 


dass ein scharfer Gegensatz zwischen Kommissur und Ganglion über- 
10* 


148 Heinrich Simroth, 


haupt nicht existirt, wie es z. B. bei den tieferstehenden Arthrocochli- 
den der Fall ist. Es existirt daher zwischen Kommissur und Nerv kein 
direkter Gegensatz, indem ein Nerv zur Kommissur werden und eine 
Kommissur Nerven abgeben kann.« Der Leser erkennt, dass gegen die 
Bezeichnung der Paludinenquerbrücken als Kommissuren nach dieser 
jedenfalls richtigen Ausführung nichts einzuwenden ist. Man sieht dem- 
nach, dass in der Frage, ob die Paludinenkommissuren denen des 
Chiton homolog, also ursprünglich ererbt seien, so viele Gründe für 
und wider ins Feld geführt werden können, dass ohne eine genauere 
Untersuchung mindestens einer Anzahl Meeresprosobranchier ein Ur- 
theil unstatthaft sein dürfte. 

Nicht weiter kommt man, wenn man die andere Seite des Streit- 
punktes ins Auge fasst und untersucht, ob der Ursprung der Kommis- 
suren mit Wahrscheinlichkeit als Anpassung auf eine physiologische 
Forderung zurückgeführt werden kann. Mir selbst ist es, wie ich hoffe, 
gelungen, im Fußnervensystem der Landlungenschnecken den Übergang 
von Anastomosen in Kommissuren, um mit voN IHEring zu reden, in 
Folge physiologischer Forderung, direkt nachzuweisen. Es zeigte sich 
da der Fortschritt eines maschenförmig anastomosirenden Fußnerven- 
netzes (bei Helix) zu einem solchen, das durch gleichmäßig eingelegte 
Kommissuren genau regulirt wird (bei Limax), im unmittelbaren Zu- 
sammenhange mit der Ausbildung der Fußsohle zum Kriechen {ein 
Gegenstand, auf welchen ich gelegentlich wieder bei Suceinea, Limnaea 
und Planorbis zurückzukommen gedenke). Je mehr die lokomotorischen 
Wellen sich aus der ganzen Sohle, wo sie ziemlich diffus erscheinen, ' 
auf ein bestimmtes Mittelfeld mit Schärfe herausarbeiten, um so mehr | 
werden die Maschen von Kommissuren beherrscht. Ja es mag schon 
jetzt hinzugefügt werden, dass da, wo sich die lokomotorischen Pulsa- | 
tionen der Sohle noch nicht einmal zu Querwellen vereinigt haben 
(Limnaca, Planorbis), auch die Verschmelzung der beiderseitigen Pedal- ji 
nerven zu einem Maschennetze fehlt. Tritt hier also unter unseren r 
Platycochliden die physiologische Bedeutung des Fußnervensystems und \ 
seine Anpassungsfähigkeit klar hervor, so fragt es sich: gilt dies Gesetz E 
auch für die Arthrocochliden? Wie stellen sich die Kommissuren der | 
Paludina zu ihrer Kriechbewegung? Leider ist Paludina zu träg, nament- 
lich am Glase und beobachtet, also immerhin verschüchtert, als dass sie | 
durch Lebhaftigkeit den Einblick in die Mechanik des Fußes erleichterte. | | 
Doch lässt sich so viel sagen, dass der Fuß keine regelrechten Quer- | 
wellen zeigt, ja dass er überhaupt der Symmetrie ein wenig zu ent- DE 


behren scheint, in so fern , als das Thier schief, also nicht in der Rich- 


tung der Sohlenlängsachse,, sondern in einem spitzen Winkel dazu, sich 


Das Fußnervensystem der Paludiua vivipara. 149 


bewegen kann, wie man es nicht selten an Schnecken sieht, die an der 
Glaswand des Aquariums dicht unter dem Wasserspiegel, die Schnauze 
nach oben, wagerecht hingleiten. Wenn sonach hier ein Mangel an 
Symmetrie in den Sohlenhälften die Verbindung der Pedalnerven durch 
Brücken aus nächstliegenden physiologischen Gründen nicht eben wahr- 
scheinlich macht, wenigstens bei Weitem nicht so deutlich hervortreten 
lässt, als etwa bei Limax, so spricht doch andererseits für einen solchen 
physiologischen Zusammenhang die bestimmte und ganz einseitige Rich- 
tung der Pedalnerven in der Sohle (mit strengem Ausschluss des Re- 
traktors), andererseits aber noch mehr die Thatsache, dass die Kommis- 
suren nicht nur zwischen den Nervenstämmen herüberwechseln, son- 
dern vorn, wo diese fehlen, zwischen den peripherischen Nerven, dass 
es also vielmehr darauf anzukommen scheint, beide Sohlenhälften 
funktionell zu vereinigen, als Gentraltheile (wozu die gangliösen Stämme 
doch gerechnet werden müssen) zu verbinden, in welch letzterem Falle 
meist das Physiologische noch dunkel zurück-, das Morphologische da- 
gegen hervortritt. — Von welcher Seite man demnach auch das Pedal- 
nervensystem der Paludina anfasst, von der morphologischen oder von 
der physiologischen, man sieht: nur Fragen, keine Antworten. Möge 
man mir es indess nicht verübeln, diese offenen Fragen aufgeworfen zu 
haben, in der Absicht, das Interesse mehr und mehr auf ein physiolo- 
gisch so dunkles Gebiet, wie die Schneckenlokomotion ist, zu lenken, 
ein Gebiet, von dem ich nur den kleinsten Theil selbst erst zu betreten 
gewagt habe, und ob mit Glück, muss dahin gestellt bleiben, so lange 
nicht andere auf dem gleichen, jedenfalls fruchtbaren, wenn auch harten 
Boden mitarbeiten. Vielleicht deuten die aufgestellten Fragen wenig- 
stens den Weg an, auf dem man am kürzesten zu einer Antwort gelangen 
kann. Es würde sich darum handeln, von einheimischen Schnecken 
CGyclostoma, so wie Neritina und Valvata, zu untersuchen, jene erstere 
in physiologischer Hinsicht, weil ihre Fußhälften gesondert sich bewe- 
gen, diese letzteren, weil sie zur zweiten Klasse der Arthrocochliden 
von Iuerıng’s, den Orthoneuren, gehören, so dass man mit dieser ge- 
ringen Anzahl immerhin einen Anhalt zur Entscheidung über die 
funktionelle und phylogenetische Bedeutung des Fußkommissuren- 
‚systems erhoffen dürfte. Ich würde jedem der Herren Zoologen, der 
mir gelegentlich eine Anzahl dieser Thiere lebend oder in schwachem 
Alkohol (15—30°/,) zusendete (Leipzig, Il. Realschule), mich zu lebhaf- 
tem Danke verpflichtet fühlen. 


Leipzig, den 49. Juni 1880. 


m nn 


150 Heinrich Simrotb, Das Fußnervensystem der Paludina vivipara. 


Nachtrag. 


Es ist mir inzwischen gelungen, an Paludinenembryonen, die vor 
der Zeit, etwa zu zwei Dritteln ausgebildet, aus ihrer Mutier Leib ge- 
schnitten, aber schon völlig lebensfähig waren, wenigstens die drei 
vorderen Kommissuren zwischen den Stämmen, welche oben als be- 
sonders beständig bezeichnet wurden, in der kaum gefärbten Sohle mit 
dem Mikroskope zu bestätigen. Etwa übersehene Zwischenverbindungen 
waren nicht wahrzunehmen. Dagegen fiel es auf, dass diese drei Kom- 
missuren viel bestimmter hervortraten, als die meisten der peripheri- 
schen Fußnerven. Sollte man daraus nicht ihren morphologischen Werth 
steigern und sie als alt ererbt betrachten dürfen ? 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 
Von 


Dr. H. Adler. 


Mit Tafel X—XII. 


Kapitel 1. 


Einleitung, frühere Ansichten, meine erste Beobachtung 
des Generationswechsels, Untersuchungsmethode. 


Die auffallende Erscheinung, dass viele Eichen-Gallwespen aus- 
schließlich im weiblichen Geschlechte vorkommen, hat schon seit 
längerer Zeit die Entomologen zu einem genaueren Studium dieser 
interessanten Thiere veranlasst. Es war zuerst von Harrıc ! durch nach 
Tausenden zählende Zuchten nachgewiesen worden, dass mehrere Arten 
nur im weiblichen Geschlechte vorkommen, dass ihre Ovarien sofort 
nach dem Ausschlüpfen aus den Gallen mit vollständig entwickelten 
Eiern gefüllt sind und dass die Wespen sofort zum Ablegen der Eier 
gehen. War hiernach die Parthenogenesis dieser Arten keinem Zweifel 
unterworfen, so blieb, um einerseits die Lebensgeschichte derselben 
andererseits die der geschlechtlichen Arten näher aufzuklären, nichts 
Anderes übrig als direkte Zuchtversuche anzustellen. Aber Schwierig- 
keiten mancherlei Art, die mit dergleichen Zuchtversuchen verbunden 
sind, verhinderten für längere Zeit eine Lösung des Räthsels. So kam 
es, dass man zunächst mit Erklärungsversuchen sich begnügte, die über 
den Werth einer bloßen Hypothese sich nicht erhoben. 

Im Jahre 1861 veröffentlichte Osten-Sıcken?, der um die Erfor- 
schung der zahlreichen nordamerikanischen Eichen -Gallwespen sich 
sehr verdient gemacht hat, eine ganz neue Ansicht. Er glaubte näm- 
lich gefunden zu haben, dass auch zu den bisher als »agame Cynipiden « 


! Über die Familien d. Gallwespen. Germar's Zeitschr. f.d. Entomol. 41840—4843. 
2 Stettin. Entomolog. Zeitschr. 1864. . 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 44 


152 H. Adler, 


bezeichneten Weibchen Männchen gehörten, dass aber diese letzteren 
aus anders geformten Gallen als die ersteren sich entwickelten. Nach 
seiner Ansicht kam es also nur darauf an, die zusammengehörigen 
Gallenformen aufzufinden. Diese Ansicht aber hat Osten-Sıcken, da 
weitere Beobachtungen keine Bestätigung brachten, nachher wieder 
aufgeben müssen. 

Nach ihm war es der Amerikaner Waısn!, der 186% mit einer ganz 
neuen Erklärung auftrat. Warsn hatte aus anscheinend ganz gleichen 
Gallen einerseits beide Geschlechter der Cynips spongifica und anderer- 
seits ganz verschieden gestaltete Weibchen der Cynips aciculata gezogen. 
War nun die Beobachtung richtig, dass aus derselben Galle einerseits 
Männchen, andererseits zwei verschiedene Formen von Weibchen her- 
vorgingen, so war auch damit die Parthenogenesis der agamen Cynipi- 
den hinfällig geworden. Alle diese agamen Arten musste man für 
dimorphe weibliche Formen halten und es kam jetzt nur darauf an die 
zusammengehörigen Weibchen aufzufinden. Es schien, als hätte man 
es bei den Gallwespen mit derselben Erscheinung zu thun, welche 
Warrick bei den malayischen Papilioniden entdeckte, dass bei der- 
selben Art die Weibchen in zwei und auch drei ganz verschiedenen 
Formen vorkommen. Aber Warsu fand mit dieser neuen Ansicht wenig 
Anklang. In Deutschland erhob sich Reınnarn ? mit einer Widerlegung 
gegen ihn, die mit dem Resultate schloss, dass bei vielen Cynipiden- 
Arten unzweifelhaft eine Parthenogenesis stattfindet. Darauf scheint die 
Frage längere Zeit geruht zu haben, wenigstens ist mir nicht bekannt, 
dass weitere Untersuchungen für oder wider Wasu veröffentlicht sind. 

Erst im Jahre 1873 hat ein Landsmann des inzwischen verstorbenen 
Warsu, der Amerikaner Bassett, weitere Beobachtungen über die Fort- 
pflanzung der Gynipiden veröffentlicht?®. Die am meisten interessirende 
Beobachtung ist folgende: Bassett hatte wiederholt auf einer kleinen 
Eiche (Quercus bicolor) die Gallen einer Cynipiden-Art, in kolossaler 
Anzahl gefunden. Die Gallen erschienen mit den Blättern und bildeten 
unförmliche Anschwellungen der Blattstiele und Mitteladern ; jede Galle 
enthielt eine größere Zahl von Wespen, welche im Juni ausschlüpften 
und in beiden Geschlechtern gleich zahlreich erschienen. Darauf bilde- 
ten sich an derselben Eiche im Spätsommer an den Spitzen der jünge- 
ren Zweige anders gestaltete Gallen, in denen die Wespen überwinter- 
ten. Die letztere Art erschien ausschließlich im weiblichen Geschlechte, 


1 Wausa, Proc. of Ent. Sce. of Philadelphia. Vol. 1. 

2 REINHARD, Die Hypothesen über die Fortpflanzungsweise der eingeschlechtigen 
Gallwespen. Berl. Entom. Zeitschr. 1865. 

3 Canadian Entomologist. 1873. Nr. 5. p. 91. 


| 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 153 


war. der vorigen sehr ähnlich, nur etwas größer. Aus dieser Beobach- 
tung zieht Bassett den Schluss, dass alle nur im weiblichen Geschlechte 
vorkommenden Cynipiden-Arten in einer folgenden Generation in bei- 
den Geschlechtern vertreten sind, wobei er sich gleichzeitig gegen die 
von Warsn aufgestellte Hypothese ausspricht. 

Basserr meint schließlich, er werde sich nicht wundern, wenn er- 
mitielt werde, dass alle Arten des Genus Cynips zwei Generationen all- 
jährlich haben, die in der angegebenen Weise sich unterscheiden. — 

Als ich im Jahre 1875 genauere Untersuchungen über die Gall- 
wespen anzustellen begann, waren mir die Beobachtungen von Bassett 
noch nicht bekannt, ich würde sonst vielleicht eher den Schlüssel zur 
Lösung der bis dahin ganz räthselhaften Fortpflanzung gefunden haben. 
Ein glücklicher Zufall ließ mich für die ersten Versuche Neuroterus- 
Arten wählen, die sich besonders dazu eignen, indem ihre Gallen leicht 
in größerer Zahl zu bekommen sind und die Zuchten der Wespen weni- 
ger Schwierigkeiten machen. Das erste Erfordernis bei allen Versuchen 
war, die Wespen aus den Gallen zu erziehen, um vollständig sicher zu 
gehen. Aus den im Herbste reifenden Neuroterus-Gallen pflegen die 
Wespen im nächsten März und April auszuschlüpfen und alsdann sofort 
ihre Eier in Eichenknospen zu legen. Auffallend war es nun bisher, dass, 
trotzdem die Eier so frühzeitig gelegt werden, die Gallen erst im Juli sich 
entwickeln. Diese räthselhafte Erscheinung einerseits und andererseits 
das Verlangen, die Art der Gallenbildung kennen zu lernen, veranlasste 
mich zunächst, direkte Zuchtversuche anzustellen. Diese aber lieferten 
mir das überraschende Resultat, dass aus den von Neuroterus 
gelegten Eiern eine total verschiedene Generation her- 
vorgeht, welche von ihren Erzeugern so wesentlich ab- 
weicht, dass sie bisher als eine ganz andere Gattung 
(Spathegaster) beschrieben worden war. Diese neue That- 
sache wurde 1877 von mir veröffentlicht!. Das was Bassett schon 
1873 nur als Vermuthung ausgesprochen hatte war somit für eine Art 
nachgewiesen. Dagegen ist es nicht zutreffend, wenn behauptet worden 
ist, Wars habe eigentlich schon diesen Generationswechsel entdeckt. 
Wars# hat nur die Vermuthung ausgesprochen, dass zu einer männ- 
‚lichen Art zwei ganz verschiedene bisher als diskrete Arten beschrie- 
bene weibliche Formen gehören möchten. Darnach ist es klar, dass der 
von mir entdeckte Generationswechsel der Cynipiden mit dem von 
Warsn supponirten Dimorphismus gar nichts gemein hat. 

Nachdem ich einmal diesen merkwürdigen Generationswechsel zu- 


! Deutsche Entomolog, Zeitschr. 1877. Heft I. 
44 * 


154 Il. Adler, 


nächst für die Neuroterus-Arten ermittelt hatte, war es von Interesse 
auch die übrigen Arten rücksichtlich ihre Fortpflanzungsweise zu 
untersuchen. Ich habe desshalb meine Beobachtungen auf alle hier 
vorkommenden Eichen-Gallwespen ausgedehnt. In der hiesigen Fauna 
kommen einige vierzig Arten vor, welche zugleich die wesentlichen 
Repräsentanten der im nördlichen Deutschland vorkommenden Eichen- 
Gallwespen sind. 

Bevor ich aber zu einer speciellen Beschreibung dieser Arten über- 
gehe, wird es nothwendig sein kurz die angewandte Untersuchungs- 
methode zu erwähnen. 

Um zuverlässige und unanfechtbare Resultate zu erhalten, kam es 
darauf an, eine Methode zu wählen, welche eine sichere Bürgschaft 
gegen jede Täuschung gewährte. Nur dann, wenn für jede untersuchte 
Art die Entwicklung von dem gelegten Ei bis zur Vollendung der Galle 
beobachtet wurde, konnte sie mit Bestimmtheit festgestellt werden. 
Hierbei besteht aber die eigenthümliche Schwierigkeit, dass die wich- 
tigste Phase in der Entwicklung sich der direkten Beobachtung ganz 
entzieht, indem die Eier von den Wespen tief in die Knospen oder 
andere Theile der Eiche hineinversenkt werden. Eine direkte Unter- 
suchung der gelegten Eier muss aber nothwendigerweise mit einer Zer- 
störung derselben endigen. Es führt also nur eine indirekte Beobach- 
tung zum Ziele. Wenn z. B. eine Gallwespe die Eier in eine Knospe 
legt, so wird man mit Bestimmtheit ermitteln können, welche Galle da- 
durch erzeugt wird, wenn man dafür sorgt, dass weder vorher noch 
nachher dieselbe Knospe von einer andern Wespe angestochen worden 
ist. Es mussten also die Zuchtversuche so angestellt werden, dass jede 
Art genau isolirt beim Eierlegen beobachtet werden konnte. 

Zu dem Zwecke hatte ich eine Anzahl kleiner Eichbäumchen in 
Töpfe eingepflanzt; jeder Topf trug seine Nummer und je ein Topf 
diente für die Versuche mit Wespen derselben Art. Die Versuche wur- 
den im Zimmer angestellt und nachdem einige Wespen auf das Bäum- 
chen gebracht waren, abgewartet, bis sie anfingen die Knospen anzu- 
stechen. Es wurden die Knospen, welche unzweifelhaft angestochen 
waren, durch einen unterhalb umgelegten Faden bezeichnet. Natürlich 
war es nicht möglich, Stunden lang die Wespen zu beobachten; damit 
nun die Wespen nicht entweichen konnten oder eine andere zufällig auf 
dasselbe Bäumchen gelangen mochte, wurde dieses während der Dauer 
des Eierlegens abgeschlossen durch einen darüber gestellten Zwinger. 
Anfänglich dienten mir Glasbehälter, später wählte ich solche mit Gaze 
überzogene, die oben mit einem Glasdeckel versehen waren. Derartige 
Behälter lassen sich leicht in verschiedener Größe herstellen, gestatten 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 155 


eine bequeme Beobachtung und lassen eine ungehemmte Ventilation zu. 
Daher können unter ihnen die Bäumchen Tage lang stehen bleiben, 
während bei den gläsernen Behältern sich bald Wassertröpfchen an den 
Wänden absetzen und ein häufiges Reinigen erfordern. 

Eichbäumchen für die Zuchtversuche habe ich theils selbst gezo- 
gen, theils aus Baumschulen entnommen; die vier- bis sechsjährigen 
Stämme schienen mir wegen der passenden Größe am bequemsten. 
Eine große Auswahl kleiner Eichen erleichtert die Versuche außer- 
ordentlich. Ich benutzte fast nur Quercus sessiliflora; auf einen Punkt 
muss man achten, dass nur solche Bäumchen zu den Versuchen gewählt 
werden, deren Knospen gut entwickelt sind, da diese von den Wespen 
vorgezogen werden. 

Eine Schwierigkeit aber bereiten diejenigen Arten, welche ihre 
Eier nur in Blüthenknospen legen. Für diese Arten können die kleinen 
Bäumchen zu den Zuchtversuchen nicht verwandt werden, weil sie 
noch keine Blüthenknospen produciren. Es blieb mir daher für diese 
Arten nichts Anderes übrig, als die Zuchtversuche mit allen möglichen 
Cautelen im Freien an großen Eichbäumen anzustellen. 

Dagegen konnten mit den Arten, welche die Eier in Blätter und 
Rinde der Eichen legen, an den kleinen Bäumen Zuchtversuche gemacht 
werden. 

Nach der angegebenen Methode habe ich die Fortpflanzung der hier 
vorkommenden und jetzt näher zu heschreibenden Arten erforscht. 

Da die Gallwespen ihrer Färbung und äußeren Merkmalen nach 
sehr schwer, bei manchen nahe verwandten Arten überall nicht mit 
Sicherheit zu unterscheiden sind, so würde eine bildliche Darstellung 
der Wespen selbst nicht genügen. Dagegen sind die sämmtlichen Arten 
mit Berücksichtigung ihrer Gallen ohne Schwierigkeit zu unterscheiden. 
Es sind desshalb die Gallen aller untersuchten Arten in möglichst ge- 
treuer, nach frischen, typischen Exemplaren gefertigter Abbildung 
wiedergegeben. Der bequemeren Übersicht wegen führen die Gallen der 
zusammengehörenden Generationen dieselbe Zahl und zwar die nur im 
weiblichen Geschlechte vorkommende Generation ist mit n, die in bei- 
den Geschlechtern vorkommende mit. n@ bezeichnet. 

Der bequemeren Übersicht wegen habe ich die Arten in folgende 
Gruppen zusammengestellt: 


I. Neuroterus-Gruppe. 
II. Aphilotrix-Gruppe. 
III. Dryophanta-Gruppe. 
IV. Biorhiza-Gruppe. 


156 H. Adler, 


Kapitel 11. 


Beschreibung der rücksichtlich des Generations- 
wechsels untersuchten Gynipiden-Arten. 


I. Neuroterus-Gruppe. 


41) Neuroterus lenticularis Ol. 


Galle: Stets an der Unterseite der Eichenblätter, oft in großer 
Zahl (k0—50) an einem Blatte. Die Galle ist kreisrund, 4—6 mm im 
Durchmesser, die am Blatte anliegende untere Fläche glatt und flach, 
von weißlicher Farbe, die obere mit schwach kegliger Erhebung in der 
Mitte, von gelblich weißlicher oder röthlicher Farbe, mit braunen Stern- 
haaren besetzt. Sie erscheint im Juli, reift im September und fällt Ende 
September oder Anfangs Oktober zur Erde (Fig. 4). 

Zucht der Wespe: Die reifen Gallen werden zur angegebenen 
Zeit, wenn sie anfangen von den Blättern abzufallen, eingesammelt. 
Die im Gentrum der Galle in einer kleinen Höhlung liegende Larve ist 
dann noch sehr klein und bedarf zur weiteren Entwicklung eines ge- 
wissen Grades von Feuchtigkeit. Man legt desshalb die Gallen auf 
feuchten Sand, muss aber, um die Bildung von Schimmelpilzen zu 
vermeiden, einen möglichst luftigen Platz wählen. Werden die Gallen 
im: Zimmer aufbewahrt, so entwickeln sich die Larven bei der höheren 
Temperatur weit schneller als im Freien. Nach Verlauf von etwa vier 
Wochen sind sie dann bereits ausgewachsen. Wenn jetzt das Ein- 
trocknen der Gallen verhütet wird, indem man sie auf feuchtem Sande 
oder über Wasser aufbewahrt, so kann man nach ferneren vier Wochen 
bereits die ersten Wespen erhalten. Auf diese Weise habe ich die 
Wespen im November und December gezogen. Es zeigt sich aber bald, 
dass diese gezeitigien Wespen für Zuchtversuche nicht recht geeignet 
sind, weil sie viel schwächer und hinfälliger als die unter natürlichen 
Verhältnissen entwickelten sind. Es ist daher noihwendig, die Gallen 
im Freien überwintern zu lassen. Am einfachsten geschieht dies in 
folgender Weise: ein Blumentopf wird zur Hälfte mit Erde oder Sand 
gefüllt, darauf die Gallen ausgebreitet und mit einer Lage von Moos be- 
deckt. Über den Topf wird zum weiteren Schutze ein Stück starke 
Gaze gebunden und dann derselbe bis an den Rand in die Erde gegra- 
ben. Diese Art der Überwinterung empfiehlt sich überhaupt für alle 
Gallen ; sie befinden sich so unter ganz naturgemäßen Bedingungen und 
man wird sich überzeugen, dass die Entwicklung der Wespen ganz 


| 


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| 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 157 


regelmäßig von statten geht. In unserem Falle erscheinen die Wespen 
meistens im April, einzelne auch erst im Mai. Für die wechselnde Zeit 
des Erscheinens ist die Temperatur allein maßgebend. 

Wespe: Die Größe beträgt 2,5—3 mm; Farbe schwarz, Thorax 
matt, rauh durch feine Punktirung, Hinterleib glänzend, fast rund von 
der Seite betrachtet, etwas komprimirt. Die Beine sind heller, von 
bräunlich rother Farbe mit Ausschluss der Hüften und der oberen Hälfte 
der Oberschenkel, welche braun sind. Die beiden Basalglieder der 


_ 4ögliedrigen Fühler sind gelblich. 


Zuchtversuche: Mit Neuroterus lenticularis wurden die ersten 
umfangreichen Zuchtversuche 1875 angestellt. Gerade mit dieser Art 
gelingen die Versuche ziemlich leicht, wenn nur eine genügende Anzahl 
von Wespen zu Gebote steht. Sobald als sie die Gallen verlassen haben, 
schicken sie sich auch schon an in die Eichenknospen ihre Eier zu 
legen. 

Es wurde bis dahin als selbstverständlich angenommen, dass diese 


Art auch dieselbe Galle erzeugen würde, aus der sie hervorgeht. Frei- 


lich blieben dabei mehrere Punkte dunkel und räthselhaft. So war es 
längst bekannt, dass die lenticularis-Galle erst im Juli sich bildet; da 
aber schen im April die Eier von der Wespe gelegt werden, so ver- 
gingen drei Monate, ehe von einer Gallenbildung etwas zu bemerken 
war. Einstweilen musste man annehmen, dass die embryonale Ent- 
wicklung ‘der Larve einen so langen Zeitraum in Anspruch nehme, zu- 
mal da bei anderen Arten eine noch viel länger dauernde Ruhe des 
Eies vorzukommen schien. Es fliegt z. B. Andricus curvator im Juni, 
lebt dann zwei bis drei Wochen und setzt in dieser Zeit seine Eier ab; 
im nächsten Frühjahre aber erscheinen erst die Gallen. Dies war nur 
so zu erklären, dass das Ei überwinterte und erst im nächsten Früh- 
jahre sich entwickelte, wie dies von manchen Schmetterlingen bekannt 
ist. Es konnte also eine drei Monate dauernde Ei-Ruhe bei lenticularis 
nicht gerade befremden. Aber ein genauer Nachweis für die Richtigkeit 
dieser Annahme fehlte bisher, überdies ließ sich eine andere Erschei- 
nung nicht gut erklären. Man findet nämlich an einem einzelnen Eich- 
blatte bisweilen 100 bis 150 Neuroterus-Gallen sitzen. Es hätte also 


‚in eine einzige Knospe die große Zahl von 400 bis 150 Eiern gelegt 


werden müssen und dabei mussten diese Eier genau an dasselbe in der 
Knospe eingeschlossene Blätichen zu liegen kommen. Dieses war eine 
Voraussetzung, die von vorn herein sehr unwahrscheinlich erschien. 
Über diese dunkeln Vorgänge verschafften mir erst die Zuchtver- 
suche völlige Aufklärung. 
Nachdem im Jahre 1875 eine genügende Anzahl von Wespen aus 


158 \ H. Adler, 


. den Gallen ausgeschlüpft waren, fing ich im März damit an, sie auf 
kleine Eichen zu bringen und das Anstechen der Knospen abzuwarten. 
Man erkennt sofort, wenn die Wespe sich zum Stechen anschickt; sie 
verfährt dabei folgendermaßen. Zunächst prüft sie genau mit den Füh- 
lern die Knospen; hat sie dann eine zusagende gefunden, so nimmt sie 
eine andere Stellung ein. Sie geht gegen die Spitze der Knospe und 
beginnt den Stachel von oben her unter eine der Knospen-Schuppen zu 
stoßen. Ist nach einigen Anstrengungen der Stachel eingedrungen, so 
gleitet er unter den Schuppen gegen die Basis der Knospenachse hinab, 
um von hier aus in das Innere derselben einzudringen. Dies kann nur 
so geschehen, dass dem Stachel eine zu der bisherigen im stiumpfen 
oder rechten Winkel stehende Richtung gegeben wird. Dabei kommt 
der Wespe die natürliche Krümmung des Stachels zu statten, aber 
immerhin erfordert es einen erheblichen Aufwand an Kraft und Zeit, 
bis der Stachel in das Innere der Knospe eingedrungen ist. Zur nähe- 
ren Untersuchung aller dieser Verhältnisse, welche den Akt des Legens 
betreffen, ist ein gutes Mittel die Wespe in der stechenden Stellung zu 
fixiren, indem man sie rasch in Chloroform oder Äther eintaucht. 

Bei meinem im Jahre 1875 angestellten Versuche wurden in der 
Zeit vom 28. März bis 6. April an einer kleinen Eiche 34 Knospen an- 
gestochen. Von diesen Knospen entwickelten sich überall nur 19. Als 
sie sich nun entfalteten und die eingeschlossenen Blättchen sichtbar 
wurden, begann ich mit größter Sorgfalt ihre Oberfläche zu durch- 
mustern. Es musste sich jetzt herausstellen, was aus den bisher in der 
Knospe eingeschlossenen Eiern geworden war. Ich wurde zunächst 
enttäuscht, indem ich erst nach längerem Suchen unter den entfalteten 
Trieben fünf entdeckte, an denen die Blättchen eine beginnende Gallen- 
bildung zeigten. Es waren kleine, rundliche Bildungen von saftreicher 
Beschaffenheit. Dieselben vergrößerten sich ziemlich schnell und waren 
bald als die Gallen von Spathegaster baccarum zu erkennen. 

Es waren also unter Beobachtung aller Cautelen die Knospen von 
Neuroterus lenticularis angestochen worden, es hatte sich dann aber 
eine ganz andere Galle gebildet als diejenige ist, aus welcher Neurote- 
rus lenticularis hervorgeht. Mit diesem einen Versuche habe ich mich 
übrigens nicht begnügt, sondern mit dieser wie mit anderen Neuroterus- 
Arten mehrere Jahre hindurch Versuche angestellt. 

Des einen Umstandes muss noch gedacht werden, dass bei den 
Zuchtversuchen oftmals nur so wenige Gallen zur Entwicklung gelangen, 
obwohl in eine Menge von Knospen Eier gelegt werden. Abgesehen 
von den Knospen, welche sich überhaupt nicht entwickeln, sind unter 
den übrigen eine größere Zahl, in denen es nicht zu einer Gallenbildung 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 159 


kommt. So machte ich im Jahre 1877 einen Versuch mit auffallend 
ungünstigem Resultate. Eine kleine Eiche war von Neuroterus lenticu- 
laris reichlich angestochen; gleichwohl bildete sich nur eine einzige 
baccarum-Galle. Man könnte vermuthen, dass bei den Zuchtversuchen 
die natürlichen Lebensbedingungen für die Wespen nicht erfüllt wer- 
den können und dass in Folge davon eine Menge der gelegten Eier zu 
Grunde geht. Allein ich habe dieselbe Erscheinung beobachtet, wenn 
im Freien Eichen angestochen wurden. Ich glaube daher, dass vor 
Allem die Witterungsverhältnisse maßgebend sind. Das Erscheinen der 
Wespen erfolgt fast immer zu derselben Zeit, und nachdem die Eier 
gelegt worden sind, beginnt auch sofort die embryonale Entwicklung. 
Eine vollkommene Ruhe des Eies tritt nicht ein, mag auch die Tempe- 
ratur noch eine sehr niedrige sein, so beginnt doch sofort die Bildung 
der Keimhaut. Natürlich geschieht dies bei kälterer Witterung viel 
langsamer als bei wärmerer. Durch vergleichende Versuche habe ich 
festgestellt, dass, wenn angestochene Knospen im warmen Zimmer auf- 
bewahrt wurden, die einzelnen Stadien der embryonalen Entwicklung 
weit schneller verliefen als bei solchen Knospen, die in der Außen- 
temperatur blieben. Jedenfalls hat in einigen Wochen der Embryo 
seine volle Ausbildung erreicht. Nun aber kann es sich ereignen, dass 
zu dieser Zeit die Vegetation noch weit zurückgeblieben ist und dass 
die Cirkulation des Saftes in den Bäumen noch gar nicht beginnt. Wenn 
aber der Embryo ausgebildet ist, so ist auch der Augenblick da, wo 
die Gallenbildung ihren Anfang nehmen soll. So lange die Eihülle von 
der ausgewachsenen Larve noch nicht durchbrochen ist, bemerkt man 
nichts von einer Gallenbildung, aber in dem Momente, wo die Larve sich 
aus der Eihülle befreit, beginnt dieselbe. Rings um die Larve herum 
entsteht eine Zellenwucherung, welche die erste Anlage der Galle dar- 
stellt. Aber die Möglichkeit, dass diese Bildung neuer Zellen beginnt, 
ist bedingt durch die Vegetationsperiode; das Material für die Zellen- 
bildung, der eirkulirende Pflanzensaft muss vorhanden sein. Wird nun 
durch kalte Witterung die Vegetation zurückgehalten und der Knospe 
kein oder ungenügendes Material zugeführt, so kann die Gallenbildung 
nicht beginnen und die Larve geht schließlich zu Grunde. Damit stimmt 
es überein, dass nach kalten, verspäteten Frühjahren die Gallen. der 
Wespen, welche sehr früh die Knospen anstechen, sehr sparsam zu sein 
pflegen. So war z. B. 1877 das Frühjahr kalt und sehr spät, und dem- 
entsprechend die frühzeitigen Gallen außerordentlich selten, womit auch 
meine Zuchtversuche übereinstimmten. Dieser Umstand erschwert 
außerordentlich die Untersuchungen. Würde in jedem Falle, wo eine 
Knospe von einer Gallwespe angestochen ist, auch eine Galle erhalten, 


160 H. Adler, 


so wäre die Folge der verschiedenen Generationen sehr leicht festzu- 
stellen, aber leider schlagen sehr viele Versuche fehl. 

Ich suchte schließlich dadurch Abhilfe, dass ich die angestochenen 
Eichen in wärmerer Zimmerluft vorzeitig zum Treiben brachte, aber 
auch hiermit war ich nicht glücklicher. Bei einzelnen Arten gelang es 
allerdings die Entwicklung der Gallen zu beschleunigen, bei anderen 
dagegen blieb das Resultat negativ. 


12) Spathegaster baccarum L. 


Galle: Kugelrund, 3—5 mm im Durchmesser, von grünlicher Farbe, 
oft mit rothen Pünktchen besetzt, von weich saftiger Konsistenz; die Galle 
ist durch das Blatt hindurchgewachsen, das größere Segment der Galle 
liegt an der unteren Blatifläche. Dieselbe Galle kommt nicht bloß an 
den Blättern, sondern auch an den Stielen der männlichen Blüthen vor 
und ist dann von weißlich röthlicher Farbe und geringerem Durch- 
messer (Fig. 1°). 

Wespe: Größe 3—5 mm, von schwarzer Farbe, Thorax matt, 
wenig rauh, Beine mit den Hüften gelb, eben so die Basalglieder der 
Fühler. Hinterleib deutlich gestielt, das g' mit 15-, das Q mit 14gliedri- 
gen Fühlern. Flügel lang, gegen die Spitze erweitert, länger als das 
Thier. — | 

Zucht der Wespe: Die Wespe fliegt hier Anfangs bis Mitte Juni. 
Bei der saftigen Beschaffenheit der Gallen ist es nicht rathsam sie lange 
vor der Flugzeit der Wespen einzusammeln, weil sonst ein Schrumpfen 
und Eintrocknen nicht immer zu vermeiden ist. Sollen aber die Wespen 
regelmäßig ausschlüpfen, so ist vor allen Dingen nothwendig, die Gallen 
frisch zu erhalten. In verschlossenen Blech- oder Glasgefäßen ist dies 
kaum länger als acht Tage möglich. Da diese Wespe in beiden Ge- 
schlechtern vorkommt, so ist darauf Bedacht zu nehmen, dass vor dem 
Eierlegen eine copula stattfindet. — Ich pflegte die eingesammelten 
Gallen zunächst auf feuchtem Sande auszubreiten und darüber ein mit 
Gaze überzogenes Gestell zu setzen. Die Männchen erscheinen gewöhn- 
lich zuerst; sobald nun auch die Weibchen hervorkommen findet die 
copula statt. Man wird aber nur selten Gelegenheit haben, durch den 
Augenschein sich von dem Akte zu überzeugen, weil er außerordentlich 
rasch vollzogen wird. Will man Gewissheit darüber haben, so muss 
man einige weibliche Wespen untersuchen und das receptaculum 
seminis präpariren. Ist dieses mit Sperma gefüllt, so kann man an- 
nehmen, dass die meisten Weibchen befruchtet worden sind. 

Man kann jetzt sofert zu Zuchtversuchen schreiten. Die Weibchen 
werden auf eine kleine Eiche gebracht, bei deren Auswahl aber darauf 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 161 


zu achten ist, dass die Blätter noch zart und im Wachsen begriffen 
sind, denn nur diese werden von den Wespen angestochen. Kann man 
ihnen Blätter von dieser Beschaffenheit nicht bieten, dann ist ein Resul- 
tat nicht zu erwarten. 

Die ersten Beobachtungen über das Eierlegen von Spathegaster 
baccarum wurden im Freien angestellt. Im Jahre 1875 den 18. bis 
91. Juni beobachtete ich mehrere baccarum-Weibchen, welche an der 
Unterseite zarter Eichenblätter umherkrochen und in die Blattfläche hin- 
einbohrten. Die angestochenen Blätter wurden durch einen um den 
Blattstiel gelegten Faden bezeichnet und dann die Entwicklung der 
Gallen abgewartet. Nach drei Wochen waren die ersten Anfänge der 
beginnenden Gallen zu erkennen, die sich bald als die lenticularis- 


Gallen erwiesen. 


Ich wiederholte unter genauer Kontrolle den Versuch im Juni 1876, 
indem ich die selbst gezogenen Wespen auf eine kleine Eiche brachte. 
Angestochen wurden zwei Blätter; bereits nach 20 Tagen konnte ich 


die ersten Anfänge der Gallenbildung erkennen, die wieder die lenticu- 


laris-Gallen lieferte. 

Es war jetzt das Räthsel vollständig gelöst, was aus den von 
Neuroterus lenticularis in die Knospen gelegten Eiern wird und wess- 
halb die erst im Juli erscheinenden Gallen in so großer Menge an einem 
Blatte sich finden. Zwischen dem Momente, wo das Ei gelegt wurde 
und dem Erscheinen der Galle hatte sich eine andere Generation einge- 
schoben. 


2) Neuroterus laeviusculus Schenck. 


Galle: Napfförmig mit aufgebogenem und etwas einwärts ge- 
rolltem scharfen Rande, im Centrum mit kleinem, aber deutlichem 
Nabel, der von einem Kranze bräunlicher Haare umgeben ist; Durch- 
messer 2—3 mm. Die Form der Galle ist oft unregelmäßig, der Rand 
verbogen, Farbe weißlich oder röthlich. Die Galle erscheint im Juli, 
reift im September (Fig. 2)!. 

Zucht der Wespe: Nachdem die reife Galle vom Blatte sich ge- 
löst hat schwillt sie an der unteren Fläche stark an. Will man im 


Zimmer die weitere Entwicklung beobachten, so müssen die Gallen 


wieder auf feuchtem Sande aufbewahrt werden. Man kann auch diese 


‚ Wespen früher zur Entwicklung bringen und im Zimmer bereits im 


1 Es ist diese Galle wiederholt mit der von Neuroterus fumipennis verwechselt 
worden. Bei meiner ersten Veröffentlichung habe ich ebenfalls diese Verwechslung 


begangen. Diese beiden Namen sind desshalb umzutauschen; an der Sache selbst 
ändert es nichts. 


162 H. Adler, 


November erhalten ; naturgemäß fliegen sie erst im März des nächsten 
Jahres. Der früheste Termin, an dem ich sie im Freien traf, war der 
9. März. 

Wespe: 2—4 mm groß, schwarz, Thorax glatt und glänzend, 7 
Hinterleib sehr stark komprimirt, länglich. Beine heller gezeichnet, | 
weißlich oder gelblich, Hüften und Oberschenkel dunkel. | 

Zuchtversuche: In derselben Weise wie mit der vorigen Art | 
sind auch mit laeviusculus Zuchtversuche angestellt worden. Ich habe 
wiederholt an kleinen Eichen die Wespen stechen lassen. Die ersten 
genauen Versuche wurden im März 1875 angestellt. Von einer größeren ' 
Anzahl Wespen waren in der Zeit vom 1%. bis 26. März im Ganzen | 
36 Knospen angestochen worden. An den entwickelten Blättern er- | 
schien darauf im Mai eine ganz andere Galle, nämlich die von Spathe- | 
gaster albipes. Bei der genauen Kontrolle war es nicht zweifelhaft, dass ! 
diese.Galle von Neuroterus laeviusculus herrührte. Bei dem ersten Ver- | 
suche erhielt ich 36 Gallen. Bei einem im Jahre 1877 angestellten Ver- | 
suche erhielt ich nur zwei Gallen. Im Allgemeinen pflegen sonst die " 
Versuche mit dieser Wespe ziemlich sicher zu gelingen. 


2?) Spathegaster albipes Schenck. | 

Galle: 4—2 mm lang, oval, mit kurzer Spitze, von grünlich- 7 
gelber Farbe, glatt oder mit vereinzelten Härchen besetzt. Die Galle 
sitzt auf den Blättern und bewirkt eine größere oder geringere Defor- ' 
mation des Blattes, indem dasselbe an der Stelle ausgebuchtet oder tief 
eingeschnitten, oftmals auch verkrümmt ist. Diese Erscheinung hängt 


mit der Entstehungsweise der Galle zusammen, indem sie sich bereits 


innerhalb der Knospe an einer der Blattanlagen bildet. Die allerdings " 
nur kleine Zone, welche von der Galle in Anspruch genommen wird, | 
fällt bei dem entfalteten Blatte aus und tritt dann in einem weit größeren | 
Maßstabe in die Erscheinung (Fig. 2%). | 

Wespe: 4—2 mm lang, schwarz, Thorax glatt und glänzend, | 
Hinterleib deutlich gestielt. Beine weißlich, nur die Hüften und Basis 
der Schenkel: dunkel. Die Wespe fliegt Ende Mai oder Anfangs Juni. 

Zuchtversuche: Zum ersten Male beobachtete ich die Wespen 
im Jahre 1875 den 3. Juni im Freien, während sie damit beschäftigt I 
waren in die Unterseite von zarten Eichenblättern hineinzubohren. Die | 
kleinen Wespen sind sehr hinfällig und können gewöhnlich nur wenige 
Tage am Leben erhalten werden, doch gelingt es nicht schwer, sie beim " 
Stechen zu beobachten, wenn man ihnen nur recht zarte Blätter bietet. I 
Man sieht sie dann bald mit großer Behendigkeit an denselben um- f 
herlaufen , die Blattfläche mit den Fühlern genau betastend; hierauf ' 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 163 


wird die Spitze des Hinterleibes senkrecht gegen die Blattfläche ge- 
richtet, der Stachel dringt in dieselbe ein und ein Ei gleitet in die 
gebohrte Öffnung. In kurzer Zeit ist die Wespe im Stande eine größere 
Anzahl von Eiern in die Blattfläche abzusetzen. Die erste Gallenbildung 
erfolgt nach drei Wochen, es erscheinen dann kleine, etwas behaarte 
Pünktchen, die bald zu den laeviusculus-Gallen auswachsen; an einem 
einzigen Blatte können sich 200 finden. 


3) Neuroterus numismatis Öl. 


Galle: Sehr zierliche, kreisrunde Galle, gleicht einem mit brauner 
Seide übersponnenem Knopfe, in der Mitte mit seichter Vertiefung, 
Durchmesser 2 mm. Reife wie bei den vorigen (Fig. 3). 

Die Zucht der Wespe ist ganz wie bei lenticularis. 

Wespe: 2,5 mm lang, schwarz, Thorax matt, fein punktirt, 
Schildehen ziemlich dicht behaart. Die Färbung der Beine wechselnd, 
gelblichbraun, Oberschenkel meistens dunkel. Hinterleib von der Seite 

gesehen fast kreisförmig. Basalglieder der Fühler dunkel. (Einziges 
- Kennzeichen, um diese Wespe von lenticularis zu unterscheiden.) 

Zuchtversuche: In der früher angegebenen Weise wurden auch 
mit dieser Wespe Versuche angestellt; zum ersten Male im März 1875. 
Bei diesem ersten Versuche erhielt ich, nachdem 32 Knospen ange- 
stochen worden waren, im Ganzen fünf Gallen. Dieselben hatten sich 
innerhalb der Blatifläche gebildet und erwiesen sich als die von Spathe- 
gaster vesicatrix. Im Jahre 1876 wiederholte ich den Versuch mit dem- 
selben Erfolge. Später hat auch der englische Entomologe FLETCHER 
ähnliche Versuche angestellt und dieselbe Spathegaster-Form erhalten!. 


32) Spathegaster vesicatrix Schltdl. 


Galle: Unscheinbar, liegt derartig in der Blattfläche, dass sie nur 
an der Oberseite des Blattes ein wenig über das Niveau hervorragt; sie 
trägt in der Mitte eine kleine kegelförmig hervorragende Spitze, von der 
nach dem Rande strahlenförmige Radien auslaufen (Fig. 3°). 

Die Wespe fliegt im Juni und wird am besten erzogen, wenn man 
die Gallen kurz vor der Reife einsammelt. 

Wespe: Größe 2 mm, schwarz, Thorax glänzend, Beine gelblich, 
Hüften und Oberschenkel dunkel. Männchen und Weibchen von gleicher 
Färbung. 

Zuchtversuche: Da von dieser Art die Wespen in größerer 

Anzahl schwieriger zu erhalten sind, so habe ich nur einmal einen 


! FLETCHER, Entom. Month. Magaz. Mai 1878. 


164 H. Adler, 


Zuchtversuch anstellen können und zwar lediglich im Freien. Im Jahre ' 
1875 den 20. Juni beobachtete ich mehrere Weibchen, die an Eichen- 
blättern umherkrochen und in die untere Blattfläche ihre Eier legten. 7 
Ich bezeichnete acht Blätter, welche angestochen waren, durch das Um- 

legen eines Fadens; nach 3—4 Wochen brachen kleine rundliche Gallen 
an ihnen hervor, die sich als die von Neuroterus numismatis erwiesen. 


4) Neuroterus fumipennis Hte. 


Galle: Meistens kreisrund, der Rand oft aufwärts gebogen und 
‚ausgebuchtet. Die Galle ist von weißlicher oder röthlicher Farbe mit 
zierlichen braunen Sternhaaren bedeckt (Fig. &). | 

Diese Galle hat eine gewisse Ähnlichkeit mit der lentieularis, ist | 


aber auch mit der laeviusculus öfter verwechselt worden. Wie schon 


erwähnt hatte ich bei meiner ersten Veröffentlichung auch die beiden |! 
Namen laeviusculus und fumipennis verwechselt. | 
Zucht der Wespe: Die Gallen werden zur Zeit ihrer Reife, ) 
Anfangs Oktober, eingesammelt und wie bei. lentieularis angegeben, | 
überwintert. Allein in einem Punkte unterscheidet sie sich wesentlich ) 
von dieser; während bei der letzteren die Entwicklung der Larve stetig | 
fortschreitet, sobald sie zu Boden gefallen ist, tritt bei fumipennis eine | 
vollkommene Winterruhe ein. Öffnet man im folgenden März eine fumi- 
pennis-Galle, so findet man, dass die Larve auf derselben unentwickel- | 
ten Stufe wie im vorigen Herbste steht, während in den anderen | 
Neuroterus-Gallen die Larve schon ausgewachsen oder bereits in das | 
Puppen-Stadium übergegangen ist. Erst im Laufe des März beginnt bei 
fumipennis die Larven-Entwicklung, gegen Ende April erfolgt die Ver- | 
puppung und im Mai erscheint die Wespe. In der Flugzeit kommen | 
Differenzen von 2—3 Wochen vor, bedingt durch die Temperatur. Man ! 
kann bei dieser Galle nicht wie bei den vorigen eine frühere Entwick- " 
lung der Larve erzielen, indem man sie während der Wintermonate in | 
ein warmes Zimmer bringt. 
Wespe: Von den übrigen Neuroterus-Arten ist diese sehr leicht | 
zu unterscheiden ; Größe2 mm. Thorax matt, schwarz, Basis des Hinter- | 
leibes gelbroth, Beine mit Einschluss der Hüften gelbroth, Flügel rauchig ' 
getrübt, namentlich an der Spitze. | | 
Zuchtversuche: Da die Wespe erst im Mai fliegt, so findet sie 
die Eichenknospen bereits weiter entwickelt; sie beginnen zu treiben, | 
das feste Gefüge der umschließenden Deckschuppen lässt nach. Für die | 
Wespe ist es desshalb viel leichter mit dem Stachel in die Knospe ein- 
zudringen. Die ersten Versuche habe ich im Mai 1875 angestellt und 
darauf im Mai 1876 wiederholt. Die kleinen sehr behenden Wespen | 


Über den Generationswechsel der Richen-Gallwespen. 165 


unterscheiden sich von den vorigen Arten dadurch, dass sie mit großer 
Eile an den Trieben hin- und herlaufen, oft von einem zum andern 
fliegen. Sie können ohne größere Anstrengung in die gelockerten 
Knospen hineinbohren und ein Ei hineinschaffen; häufig kommt es da- 
bei vor, dass sie an dasselbe Blättchen mehrere Eier legen. Daher 
findet man später an einem Blatte 3 bis 5 Gallen sitzen, wodurch das 
Blatt verkrümmt und ganz zusammengezogen ist. Die von dieser Art 
erzeugte Galle ist aber die zu Spathegaster tricolor gehörende. 


4°) Spathegaster tricolor Hte. 


Galle: Weich und saftig, von rein weißer oder etwas gelbgrüner 
Farbe, rund, oben abgeflacht, mit einfachen, gerade abstehenden, weiß- 
lichen Haaren bedeckt. Zur Zeit der Reife sind diese Haare in der Regel 
abgeiallen und die Galle könnte dann mit baccarum verwechselt wer- 
den (Fig. 4°). 

Die Galle reift hier immer erst im Juli und liefert Anfangs bis Mitte 


Juli die Wespe. 


Wespe: Größe 2 mm, schwarz, Thorax wenig glänzend, etwas 
punktirt, Beine gelbroth, Abdomen dunkelbraun, an der Basis gelbroth ; 
Flügel wolkig getrübt, besonders gegen die Spitze hin. Fühlerbasis hell. 
Männchen und Weibchen gleich gefärbt. 

Zuchtversuche: Meine Beobachtungen über die Art des Stechens 
dieser Wespe machte ich im Jahre 1875; am 17. Juli fand ich mehrere 
Weibchen, die eifrig suchend an Eichblättern umherkrochen und schließ- 
lich anfingen in die untere Blattfläche hineinzubohren. Im Laufe des 
August entwickelten sich an den angestochenen Blättern die Gallen von 
Neuroterus fumipennis. Weitere Zuchtversuche habe ich mit dieser Art 
nicht angestellt. 

Die eben beschriebenen Neuroterus- und Spathegasterformen wur- 
den bisher, da man nicht wusste, dass sie zusammengehörende Genera- 
tionen wären, als verschiedene Gattungen angesehen. Zu dieser Auf- 


 fassung war man auch vollkommen berechtigt, weil sehr wesentliche 


Unterschiede zwischen diesen beiden Generationen bestehen. Ein Ver- 


gleich der beiden Generationen mit Rücksicht auf ihre Gallen zeigt, dass 


von einer Verwechslung keine Rede sein kann. Denn die Differenzen 
sind viel größer als die zwischen zwei sonst verschiedenen Arten wie 


lenticularis und numismatis. Auf das wichtige Unterscheidungsmerk- 
mal, dass die Wespen der einen Generation ausschließlich im weiblichen 
 Geschlechte vorkommen , die der andern dagegen in beiden, werden 


| 


wir später zurückkommen. Die immer parthenogenetisch stattfindende 


166 H. Adler, 


Fortpflanzung von Neuroterus ist eine so sicher konstatirte Thatsache, 
dass sie jetzt keiner Beweise mehr bedarf. | 

Vergleicht man die Wespen der beiden Generationen einer der be- ' 
schriebenen Arten, so zeigen sie im Äußeren zum Theil nur geringfügige 


Differenzen. Die Unterschiede in der Färbung sind unbedeutend und 7 


beziehen sich meistens nur auf etwas abweichende Färbung der Beine, | 
auch die Körpergröße ist nicht sehr verschieden, Form und Skulptur | 
des Skelettes in vielfacher Beziehung übereinstimmend. Gleichwohl ist 
es nicht schwierig die beiden Generationen aus einander zu halten. 
Legt man sie neben einander so wird man sie schwerlich verwechseln ' 
können. Es besteht nämlich ein total verschiedener Körperbau; Neuro- 


terus ist durchweg gedrungener, der Hinterleib viel mächtiger ent- ” 


wickelt, die Flügel sind meistens kürzer als die Körperlänge, die Fühler 
etwa 2/; der letzteren; Spathegaster dagegen ist schlanker, hat längere | 
schmälere Flügel, die immer etwas die Körperlänge übertreffen, die 
Fühler sind etwas unter .2/, der letzteren, der Hinterleib endlich ist | 


weniger stark entwickelt. Konfiguration und Größe des Hinterleibes 


hängt lediglich von der Form und Größe des Stachels ab. Auch wenn | 


der Stachel von großer Länge ist, wie bei Neuroterus laeviusculus liegt ' 
er während der Ruhelage ganz in dem Abdomen eingeschlossen, indem 7 
er zu einer Spirale aufgerollt ist. Durch den größeren Raum, den ein ” 
solcher Stachel beansprucht, wird wieder eine größere Ausdehnung des " 
Hinterleibes bedingt. Bei der zugehörigen Spathegaster-Generation ist \ 
der Stachel total verschieden, klein und zart; er beansprucht daher nur 
einen geringen Raum der Hinterleibshöhle, was wieder eine ganz andere | 
Form des Abdomen mit sich bringt. Diese Differenz des Stachels ist | 
natürlich eine konstante, während sonst die beiden Generationen einan- " 
der sehr ähnlich werden können. So sind z. B. fumipennis und tricolor " 
in Größe und Färbung einander so ähnlich, dass man sie bei ober- 
flächlicher Betrachtung verwechseln könnte. Berücksichtigt man aber ' 
den ganzen Bau, die Form des Hinterleibes, die Länge und den Schnitt 
der Flügel und endlich den Stachel, so lassen sich die beiden Genera- | 


tionen scharf von einander trennen. 


Auf die interessanten Verschiedenheiten des Stachels komme ich, 
bei der Wichtigkeit dieses Organes, später zurück. Die wichtigsten 
Formen sind nach genauen nach Photogrammen entworfenen Zeichnungen 
dargestellt und geben desshalb bis ins Detail alle Verhältnisse mit Zu- ! 


verlässigkeit wieder. 


Da die beiden Generationen, die bisher aufgestellten Neuroterus- | 
und Spathegaster-Arten, zusammengehören, so hätte ich streng genom- 7 
men die herkömmliche Bezeichnung zweier verschiedener Gattungen | 


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Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 167 


fallen lassen müssen, jedoch habe ich sie einstweilen beibehalten, um 
Verwechslungen zu vermeiden. 

Bei früheren Beschreibungen der beiden Gattungen Neuroterus und 
Spathegaster sind Unterschiede in der Gliederzahl der Taster angegeben, 
es sollten nämlich bei der ersteren die Maxillartaster vier-, die Labial- 
taster zweigliedrig, bei der letzteren fünf- und dreigliedrig sein. Nach 
einer genauen Untersuchung aller eben beschriebener Formen finde ich 
aber, dass ohne Unterschied die Maxillar- vier-, die Labialtaster zwei- 
gliedrig sind. 


II. Aphilotrix-Gruppe. 


Die Gattung Aphilotrix umfasst eine größere Anzahl von Gall- 
wespen, bei denen ich wiederum einen Generationswechsel gefunden 
habe. Die Gattung Aphilotrix kommt, eben so wie Neuroterus, nur im 
weiblichen Geschlechte vor. 


5) Aphilotrix radicis Fbr. 

Galle: Vielkammerige an den Wurzeln oder an dem unteren 
Stammesende der Eiche vorkommende Galle von sehr wechselnder 
Größe, von dem Umfange einer Kirsche bis zu dem einer geballten Faust. 
Anfänglich ist die Galle von heller, fast rein weißer Farbe, in so fern 
sie unter der Erde mit Abschluss des Lichtes sich bildet, und von der 
Konsistenz einer Kartoffel. Später bräunt sie sich, verholzt, erlangt eine 
bedeutende Härte, namentlich an der Basis. Zur Zeit der Reife erscheint 
die Oberfläche uneben, vielfach zerklüftet, braunschwarz und auf dem 
Durchschnitte zeigen sich die zahlreichen, rundlichen Larvenkammern 
(Fig. 5). 

Zucht der Wespe: Die reifen Gallen, welche man im Herbst 
findet, werden eingesammelt und während des Winters an einem kühlen 
Ort aufbewahrt. Die Wespen sind freilich schon im Herbst vollständig 
ausgebildet, wovon man sich überzeugen kann, wenn man einige der 
Kammern öffnet, sie überwintern aber in der Galle und erscheinen erst 
im nächsten Frühjahr Ende April oder Anfangs Mai. 

Wespe: Größe 5—6 mm, rothbraun, dunkel ist auf dem Vorder- 


rücken die Mittel- und Seitenlinie, wie auch eine Querlinie vor dem 


Schildehen, ferner der Hinierrücken und ein unregelmäßiger Fleck auf 
dem ersten Segment des Hinterleibes, eben so die Basis der Hinter- 


‚ hüften, Hintertibien und Klauen. Der Thorax hat eine dichte seiden- 


artige Behaarung; die Fühler sind von wechselnder Färbung, die vier 
ersten Glieder stets rothbraun, die Spitze dunkel. 
Zeilschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 419 


168 'H. Adler, 


Zuchtversuche: Nachdem die Wespen die Gallen verlassen 
haben, pflegen sie erst einige Tage zu ruhen, bevor sie anfangen ihre 
Eier zu legen. Als ich zum ersten Male im Jahre 1875 Versuche mit 
dieser Art anstellte, ging ich von der Voraussetzung aus, dass sie den 
unteren Theil des Stammes oder die Wurzel aufsuchen würde, um dort 
ihre Eier zu legen. Allein sehr bald zeigte sich, dass sie immer den 
Stamm hinaufkrochen, um die Knospen aufzusuchen. Nachdem sie 
dann mit den Fühlern sorgsam tastend die Knospen untersucht hatten, 
fingen sie an dieselben anzubohren. Es geschieht dies in ähnlicher Weise 
wie bei Neuroterus; nur postirt die Wespe sich mehr gegen die Basis 
der Knospe und führt zunächst den Stachel unter eine der Deckschuppen, 
bis er den Fuß der Knospenachse erreicht hat. Von hier aus bohrt die 
Wespe den Stachel nicht gegen das Centrum der Knospe mit den Blatt- 
anlagen, sondern bleibt unterhalb derselben. Es wird die Spitze des 
Stachels in das Gewebe hineingeführt, von welchem das Spitzen wachs- 
thum des späteren Triebes ausgeht. Einzelne Eier können allerdings an 
die Basis der Blattanlagen zu liegen kommen, aber die Mehrzahl wird 
unterhalb derselben abgesetzt; daher werden wir in der Regel an den 
späteren Blättern keine Gallen finden. 

Wenn nun die angestochenen Knospen zu treiben anfangen, dauert 
es überhaupt eine längere Zeit, bevor man von einer Gallenbildung 
etwas bemerken kann. Dieselbe giebt sich am ersten dadurch zu er- 
kennen, dass einzelne Triebe in der Entwicklung zurückbleiben und 
kleinere oder größere Deformationen und Verdickungen zeigen. Ein 
Schnitt durch solche Stellen zeigt, dass in den Verdickungen kleine 
Larvenkammern liegen. Bei meinem ersten Zuchtversuche im Jahre 
1875 erhielt ich das unzweifelhafte Resultat, dass diese Galle von 
Aphilotrix radieis erzeugt war, welche bisher als zu Andricus noduli 
gehörend beschrieben ist. In den folgenden Jahren habe ich diese Ver- 
suche mit gleichem Erfolge wiederholt; sie empfehlen sich sehr, weil 
eigentlich niemals ein Fehlschlagen stattfindet. 

In der Regel liegen die noduli-Gallen innerhalb der Triebe, ein- 
zelne finden sich aber auch in den Blattstielen, da, wie bemerkt, die 
Eier von radicis bisweilen in den Bereich der Blattanlagen zu liegen 
kommen. Bemerkenswerth ist es, dass einzelne Exemplare von radicis 
sehr spät erscheinen, Ende Mai oder gar Anfangs Juni. Um diese Zeit 
haben sich die Knospen schon zu längeren Trieben ausgedehnt; in 
diese bohren die Wespen jetzt hinein. Die Folge ist, dass in denselben 
Trieb eine große Anzahl von Eiern gelegt wird, so dass er nachher mit 
kleinen noduli-Gallen vollständig durchsetzt ist. Derartige, ganz ver- 
krüppelte Triebe von einem Zoll Länge liefern bisweilen 200 Wespen 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 169 


und darüber. Es leuchtet ein, dass in die noch geschlossene Knospe 
eine so große Anzahl von Eiern nicht gelegt werden kann. 


5% Andricus noduli Htg. 

Galle: Kaum 2 mm lang, liegt innerhalb der jährigen Eichen- 
triebe, oftmals äußerlich durch rundliche oder beulige Auftreibungen 
der Rinde kenntlich. Die reife Galle bildet eine Höhlung im Holzkörper, 
die von einer dünnen Membran ausgekleidet ist. Nicht selten kommt 
diese Galle auch in den Blattstielen vor, die dann verdickt und ge- 
schwollen erscheinen. Stets werden durch sie mehr oder weniger große 
Difformitäten bewirkt (siehe die Abbildungen Fig. 5°). 

Zucht der Wespe: Um die Wespen sicher zu ziehen, werden 
die Triebe, in denen die Gallen sich gebildet haben, nicht zu lange vor 
der Flugzeit der Wespen eingesammelt, damit ein zu starkes Eintrocknen 
des Holzes vermieden wird. Die Flugzeit der Wespen ist verschieden 
angegeben ; durch mehrfache Zuchten habe ich mich überzeugt, dass sie 
Anfangs August beginnt und etwa bis Mitte des Monats dauert. 

Es kann aber auch vorkommen, dass einzelne Wespen erst im 
nächsten Jahre erscheinen ; sie mögen zum Theil von den verspäteten 
radicis-Exemplaren herrühren, jedenfalls machen sie nur eine Minder- 
zahl aus. 

Wespe: Größe 2 mm. Weibchen und Männchen unterscheiden 
sich in der Färbung. 

Weibchen, Thorax schwarz, matt, bisweilen mit gelbrothen 
Strichen,, Hinterleib gelbroth, schwarz ist ein Flecken auf dem Rücken 
des ersten Segmentes, die Spitze des Hinterleibes und die Bauchschuppe ; 
Beine gelbroth, nur die Hinterhüften dunkel; die Fühler an der Basis 
gelbroth, sonst dunkel. 

Männchen, Thorax und Hinterleib schwarz, letzterer stark 
_ glänzend, Beine hell, schmutzig gelb, Hüften und Hintertibien etwas 
dunkler, Fühler an der Basis hell, sonst schwarz. 

Zuchtversuche: Sind genügend Exemplare aus den Gallen 
ausgeschlüpft, so hat man zunächst einige Zeit zu warten, um sicher zu 
sein, dass die Weibchen befruchtet worden sind. Hat man sich durch 
Untersuchung des receptaculum seminis einiger Weibchen von der statt- 
_ gehabien Befruchtung überzeugt, so kann der Versuch beginnen. Bei 
der Kleinheit der Wespen empfiehlt es sich, wenn man dasselbe Bäum- 
chen, an welchem die Gallen saßen, weiter benutzt. Nur muss dafür 
gesorgt sein, dass die Wespen die Wurzel leicht erreichen können; zu 
dem Zwecke pflanzte ich mehrere kleine Eichen so in Töpfe, dass die 
lange Pfahlwurzel nicht abgeschnitten, sondern aufwärts gebogen wurde, 

19* 


170 H. Adler, 


so dass das Ende neben dem Stamme aus der Erde hervorragte. Mag, 
auch die äußerste Spitze absterben, so bilden sich unterhalb derselben 
Seitenwurzeln, die so oberflächlich liegen, dass die Wespen sie leicht 
erreichen können. An einer so hergerichteten Eiche .stellte ich am 
10. August 1878 einen Versuch an; ich konnte mich bald überzeugen, 
dass einzelne Wespen anfingen, mit den Fühlern an den Wurzeln zu 
tasten und schließlich in die Rinde hineinbohrten. Bei der Untersuchung 
einer angestochenen Stelle fanden sich mehrere Eier in der Cambium- 
schicht. 

Die Zahl der an einer Stelle gelegten Eier ist eine sehr verschiedene, 
wie der Umfang und die Zahl der Larvenkammern der späteren radicis- 
Gallen lehrt. Ich glaube es wird häufiger vorkommen, dass gleichzeitig 
zwei oder mehrere Wespen neben einander an derselben Stelle ihre 
Eier absetzen. Denn nur so können die kolossalen Gallenkomplexe sich 
hilden, welche man bisweilen findet. In einem Falle habe ich aus einer 
radicis-Galle 1100 Wespen gezogen; da aber eine einzelne noduli-Wespe 
in ihrem Ovarium nur circa 500 Eier führt, so kann eine derartige Galle 
nur unter gleichzeitiger Betheiligung mehrerer Wespen sich bilden. 

An dem im August 1878 angestochenen Eichbäumchen wurde die 
fernere Entwicklung der Galle verfolgt. Im September bildete sich an 
der von der Wespe angestochenen Stelle eine Verdickung, die Rinde 
wurde in die Höhe gehoben und schließlich von einer halbkugeligen 
Neubildung durchbrochen. Wenn nun im Oktober die Vegetations- 
periode ihr Ende erreicht und die Blätter zu fallen beginnen, hört das 
Wachsthum der Galle auf, um erst im nächsten Frühjahre seinen Fort- 
gang zu nehmen. In diesem ersten Bildungsstadium ist die Galle von 
der Konsistenz einer Kartoffel und es lassen sich zur genaueren Er- 
kennung der Struktur leicht feinere Schnitte anfertigen. Das scheinbar 
homogene Gewebe ist von zahlreichen kleinen Larvenkammern durch- 
setzt. Im Centrum jeder Kammer liegt die noch sehr kleine Larve, um- 
schlossen von einer Reihe koncentrisch gelagerter Zellenkreise. Die 
zunächsi der Larve liegenden Zellen sind am größten, mit Amylum- 
körnchen gefüllt, einige im Zerfall begriffen. Die entfernteren Kreise 
zeigen kleinere Zellen, welche schließlich unmerklich in das umgebende 
Cambiumgewebe übergehen. Hin und wieder ziehen sich Gefäßstränge 
zwischen das neu gebildete Gewebe hinein und bringen es dadurch in 
innige Beziehung zu dem Mutterboden, dem es entwuchs. 

Etwa im Mai ist die ganze Galle ausgewachsen, die Larven sind 
ebenfalls vollkommen entwickelt und jetzt beginnt die Galle zu ver- 
holzen. Noch im Laufe des Sommers tritt die Larve in das Puppen- 
stadium ein und bereits im Herbst findet man die fertige Wespe, 


Uber den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 171 


welche aber in der Galle überwintert, um im nächsten April zu er- 
scheinen. 

Bemerkenswerth ist, dass für die Vollendung eines Generations- 
cyklus 2 Jahre erforderlich sind. Die radicis-Generation, welche im 
April eines Jahres mit gerader Zahl fliegt, erscheint erst wieder im April 
des nächsten Jahres mit gerader Zahl; in die Zwischenzeit fällt die ge- 
schlechtliche Generation und das lange dauernde Larvenstadium der 
radicis selbst. 


6) Aphilotrix Sieboldi Htg. 

Galle: Findet sich meistens dicht gehäuft an dünnen Eichenzweigen 
oder jüngeren Bäumen, vorzugsweise nahe dem Erdboden. Die Galle 
ist kegelförmig, im frischen Zustande von einer schön kirschrothen 
Schale bedeckt. So findet man die Galle im Juni. Im Herbste, wenn 
die Galle reif ist, trocknet die saftige Außenschale ein, verwittert all- 
mählich und löst sich ab; dann erscheint die verholzte Innengalle als 
fester Kegel mit regelmäßigen Furchen, die von der Spitze des Kegels 
zur Basis verlaufen. Die Galle steckt mit ihrer Wurzel tief in dem Holz- 
körper; kleinere Stämme pflegen in Folge dieses Eingriffes abzusterben 
(Fig. 6). 

Zucht der Wespe: Die Wespe ist sehr leicht zu ziehen, wenn 
die reifen Gallen im Herbste eingesammelt und während des Winters 
an einem kühlen Orte aufbewahrt werden. Im nächsten Frühjahre, 
Ende April und Anfangs Mai beginnen die Wespen die Gallen zu ver- 
lassen. | 

Wespe: Größe A—5 mm, rothbraun, fast einfarbig, auf dem 
Vorderrücken einige feine schwarze Linien, der Hinterrücken etwas 


‚dunkler; Beine gleichmäßig rothbraun. Der ganze Thorax stark behaarı, 


Fühler dunkler, an der Basis heller. Die Wespe ist der radicis sehr 
ähnlich, nur etwas heller. 

Zuchtversuche: Es gelingt nicht schwer diese Wespe beim 
Stechen zu beobachten, sie verfährt eben so wie radicis. Die Knospen 
werden wieder in der Weise angestochen, dass die Wespe den Stachel an 
die Basis der Knospenachse führt, doch pflegt sie im Allgemeinen noch 
in den Bereich der Blattanlagen die Eier abzusetzen. Es bildet sich dann 
in den Blattstielen und in den Blattrippen eine der noduli außerordentlich 
ähnliche Galle, welche.als zu Andricus testaceipes gehörig bisher beschrie- 
ben worden ist. Um sicher vor einer Verwechslung mit der noduli-Galle 
zu sein, habe ich mehrere Jahre Zuchtversuche angestellt und die Eich- 
bäumchen stets unter genauer Kontrolle im Zimmer gelassen, erhielt aber 
stets dieselbe der noduli ähnliche Galle. 


m H. Adler, 


6°) Andricus testaceipes Hig. 


Galle: In vielen Fällen erkennt man äußerlich die Galle an einer 
kugligen oder wulstigen Verdickung der Blattstiele und der Blattrippen 
(vergl. die Abbildung Fig. 6°). Innerhalb dieser Verdickung liegt die 
Galle, ein kaum 2 mın langer Hohlraum, der von einer dünnen Membran 
ausgekleidet gegen das umgebende Gewebe sich abgrenzt. Aber die- 
selbe Galle kommt auch innerhalb des Holzkörpers der Triebe vor und 
ist desshalb gar nicht von der noduli-Galle zu unterscheiden. 

Die Wespe fliegt eben so wie noduli Anfangs August. 

Wespe: Größe ungefähr 2 mm. Weibchen: Thorax schwarz, 
matt, Hinterleib gelbroth, Rücken des Hinterleibes und Bauchschuppe 
dunkel, Beine gelbroth. Männchen: ganz schwarz, Hinterleib stark 
glänzend, nur die Beine gelblichweiß. Mit Sicherheit ist diese Art von 
noduli nicht zu unterscheiden. 

Zuchtversuche: Bei einer genügenden Anzahl von Wespen 
gelingt es nicht so schwer, das Eierlegen zu beobachten. Das befruchtete 
Weibchen begiebt sich zu dem Ende an dünnere Triebe oder Stämme, 
um dicht am Erdboden in die Rinde hineinzubohren. In der Regel wer- 
den die Eier ringförmig um den ausgewählten Trieb in die Rinde hin- 
eingelegt. Im Laufe des September beginnt die Gallenbildung; an den 
angestochenen Stellen bemerkt man eine Verdickung der Rinde, die sich 
bald gegen die unversehrte Region deutlich emporhebt. Legt man feine 
Querschnitte durch die verdickten Stellen, so zeigen sich in der Gam- 
biumschicht kreisrunde Zellennester mit centralem Hohlraum, in welchem 
die Larve liegt. Mit Eintritt der kälteren Jahreszeit ruht dann die 
Gallenbildung, um im nächsten Frühjahre rasch sich zu vollenden. Im 
Mai nimmt die Verdickung der Rinde sehr zu, es bilden sich umschrie- 
bene, rundliche Auftreibungen und bald brechen aus denselben die 
schön roth gefärbten, kegelförmigen Gallen hervor. Sie wachsen 4 bis 
5 mm über das Niveau der Rinde, wurzeln aber mit der Basis in dem 
Holzkörper!. Im Juni erreichen sie die Reife; im Herbst ist die Wespe 
ausgebildet und überwintert in der Galle. 


1 Diese wie andere Gallen sind in hohem Grade den Nachstellungen verschie- 
dener Schmarotzer (Torymus- und Synergus-Arten) ausgesetzt. Interessant ist es 
nun zu beobachten, wie indirekt der Galle eine Eigenschaft zum Schutze gereicht. 
Die rothe saftige Außenschale sondert ein klebriges Sekret ab, welches von Ameisen 
begierig aufgesogen wird. Um diesen Saft ungestört genießßen zu können, bauen sie 
aus Sand und Erde einen vollständigen Mantel um die Gallen und gewähren den In- 
sassen auf diese Weise die beste Deckung gegen ihre Feinde. 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 173 


- 


7) Aphilotrix cortieisLl. 

Galle: In der Rinde dicker Eichenwurzeln oder auch in den 
wulstigen Überwallungen um früher stattgefundene Verletzungen der 
Rinde, wie sie an den Stellen vorkommen, wo Äste abgesägt worden 
sind. Im frischen Zustande erscheint die Galle als halbkugliges oder 
ovales Gebilde von saftreicher, röthlichgelber oder lehmgelber Schale 
bedeckt. Die eigentliche Larvenkammer liegt unter dem Niveau der 
Rinde und ragt mit kegelförmiger Spitze in den Holzkörper hinein. Die 
kuglige, obere Hälfte trocknet nach der Reife ein und stößt sich dann ab, 
so dass man dann ein ganz anderes Bild erhält. Man sieht jetzt nur 
die Basis der Galle, welche ganz in der Rinde steckt; dieselbe ist von 
einem Scharfen etwas erhöhten Rande umgeben, der an seiner Innen- 
seite eine Reihe tiefer, gleichsam eingestochener Punkte trägt. Diese 
kleinen Öffnungen rühren noch von der früheren Wachsthumsperiode 
her, durch sie traten die Gefäßbündel hervor, welche die obere saftige 
Hälfte der Galle versorgten. In der Mitte der Basis nagt sich später die 


 Wespe das Flugloch (Fig. 7). 


BEE EEE 


ZuchtundFlugzeitder Wespe ist wie bei den vorigen Aphilotrix-Arten. 

Wespe: Größe 4 mm, das ganze Thier dunkel, von braun- 
schwarzer Farbe, heller rothbraun sind nur die Augenränder, Basis der 
Fühler, Bauchkante, theilweise die Beine, die Kniee regelmäßig heller. 
Der Thorax ist matt, seidenartig behaart. 

Zuchtversuche: Auch bei dieser Wespe gelingen die Zuchtver- 
suche ohne große Schwierigkeit. Bald nachdem sie die Galle verlassen 
hat, beginnt sie Knospen anzustechen. Sie giebt den Knospen den Vor- 
zug, welche schon anfangen zu treiben. Der Stachel wird wieder so 
tief in die Knospe versenkt, dass die Eier an die Basis der Blattan- 
lagen zu liegen kommen. Man wird darnach annehmen müssen, dass 
bei der sonstigen Ähnlichkeit mit den beiden vorigen Arten auch eine 
ähnliche Galle erzeugt wird. Anfänglich glaubte ich auch, dass es eine 
ähnliche Galle, wie die von Sieboldi gemachte, wäre, bis mir Zuchtver- 
suche, die ich 1877—1879 angestellt habe, die gewünschte Aufklärung 
brachten. Im Jahre 1877 wurden vom 6. bis 8. Mai 20 Knospen einer 
kleinen Eiche im Zimmer von corticis angestochen. Erst als im Juni die 


Eiche vollständig belaubt war, bemerkte ich hin und wieder neben 


einem Blattstiele oder auch in einer Blattachsel kleine etwa 1 mm hohe 
Hervorragungen von grünlicher oder bräunlicher Farbe. Zufällig erhielt 
ich keine Wespen, indem ich den Zeitpunkt des Ausschlüpfens verpasst 
hatte; ich konnte nur konstatiren, dass Anfangs August die Gallen von 
den Wespen verlassen waren. 


174 H. Adler, 


Im Jahre 1878 wiederholte ich den Versuch; in der Zeit vom 23. 
bis 28. April wurden 10 Knospen angestochen, an einer zweiten Eiche 
vom 3. bis 6. Mai 12 Knospen. Im Juni erschienen wieder dieselben 
kleinen Gallen, aus denen ich bereits Ende Juli die Wespen erziehen 
konnte. Zum dritten Male habe ich 1879 den Versuch mit gleichem Er- 
folge wiederholt. 


e 


7°) Andricus gemmatus.n.sp. 


Galle: Die kleine, unscheinbare, kaum 2 mm lange Galle wird 
sehr leicht übersehen, weil sie oft nur eben mit der Spitze hervorragt ; 
gewöhnlich bildet sie sich in der Nähe der späteren Winterknospen, 
sitzt in den Blattachseln und ist scheinbar aus einer Knospenanlage her- 
vorgegangen, aber man findet sie auch frei an den Trieben. Es kann. 
immerhin ja vorkommen, dass das Ei gerade in die spätere Blattachsel 
gelegt wurde, wodurch es den Anschein gewinnt, als sei die Galle aus 
der kleinen axillären Knospe hervorgegangen. Die Galle besteht aus 
einer dünnen glatten Schale, die Anfangs von grüner, später von bräun- 
licher Farbe ist. Man erkennt die Galle am besten an dem Flugloche der 
Wespe! (Fig. 7%). 

Wespe: 2mm groß. Weibchen: schwarz, Thorax matt, spär- 
lich behaart, Hinterleib stark glänzend, Bauchkante röthlich braun, Beine 
gelbroth, Hüften und Hintertibien dunkel, Fühler an der Basis röthlich- 
gelb, an der Spitze dunkel. Männchen: schwarz, Hinterleib stark 
glänzend, die Beine etwas heller, Hüften und Oberschenkel dunkel, 
Fühlerbasis hell. Flugzeit Ende Juli und Anfangs August. 

Mit dieser Andricus-Generation habe ich, da ich nur über eine 
kleinere Anzahl von Wespen verfügen konnte, keine Zuchtversuche an- 
gestellt, habe daher die Bildung der corticis-Galle direkt nicht weiter 
verfolgen können. Bei anzustellenden Zuchtversuchen ist es übrigens 
schwierig zusagende Eichbäumchen zu beschaffen, weil diese Wespen, 
wie erwähnt, vorzugsweise in Überwallungen der Rinde ihre Eier 
legen. 


8) Aphilotrix globuli Hteg. 

Galle: Die schön grün gefärbte, kuglige Galle bricht erst im Sep- 
tember aus den Eichenknospen hervor und ist dann an der Basis von 
den Knospenschuppen umhüllt. Im frischen Zustande ist die Galle von 
einer saftigen grünen Schale bedeckt, darunter liegt die verholzte Innen- 


i Galle und Wespe ist bisher noch nicht beschrieben worden. Ich habe die 
Bezeichnung gemmatus gewählt von gemmare »Knospen treiben«, weil die Gallen 
zuerst kleinen hervorbrechenden Knospen ähnlich sind. 


| 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 175 


galle mit großer Larvenkammer. Im Oktober fällt die Galle aus den 
Knospen heraus, die saftige Schale löst sich ab und die holzige Innen- 
galle wird bloßgelegt. Sammelt man dagegen die Galle im frischen 
Zustande ein, so trocknet die grüne Schale fest an und zeigt nachher 
eine unebene und netzadrige Oberfläche; so ist diese Galle mehrfach 
beschrieben worden. Die holzige Innengalle zeigt regelmäßige Furchen 
und Kiele (Fig. 8). | 

Zucht der Wespe: Die Zucht der Wespe macht einige Schwie- 


_ rigkeiten wegen des lange dauernden Larvenstadiums. Wenn auch die 


Larve Ende Oktober vollkommen ausgewachsen ist, so verpuppt sie sich 
nicht in demselben Jahre. Die Angabe, dass schon im nächsten Früh- 
jahre die Wespe erscheint, beruht auf einem Irrthume. Die Larve ruht 
vielmehr das folgende Jahr, um erst im Herbste sich zu verpuppen. 
Darauf erscheint im nächsten April die Wespe. Werden aber die ein- 
gesammelten Gallen nicht so viel wie möglich denselben Bedingungen 
wie im Freien ausgesetzt, so hält es überall schwer die Wespen zu 
ziehen. Die Gallen müssen daher in der früher angegebenen Weise im 


Freien durchwintern. Nur dann gelingt es, die regelmäßige Verwand- 


lung der Larve zu erreichen. Werden die Gallen im Zimmer aufbe- 
wahrt, so bleibt eigenthümlicherweise die Verwandlung der Larve aus. 
Ich habe Gallen mit vollkommen ausgewachsenen Larven mehrere Jahre 
hindurch aufbewahrt, ohne eine einzige Wespe zu erhalten. Bei den 
im Freien durchwinterten Gallen sollen die Wespen regelmäßig im 
zweiten Jahre erscheinen, einzelne aber erscheinen immer erst im drit- 
ten Jahre. So erhielt ich aus Gallen, welche im Oktober 1876 einge- 
sammelt waren, im April 1878 die Wespen, einige Gallen aber lieferten 
erst im April 1879 die Wespen. Dieselbe Erscheinung kommt übrigens 
bei mehreren anderen Arten auch vor, wovon noch später die Rede 
sein wird. 

Wespe: Größe 4 mm, Kopf und Thorax schwarz, matt, dicht be- 
haart; Abdomen stark glänzend, oben dunkel, unten röthlichbraun ; 
Fühler gleichmäßig dunkel, Beine röthlichbraun, dunkel sind immer die 
Hüften, Mittel- und Hintertibien. 

Zuchtversuche: Die Wespe fliegt schon sehr frühzeitig, ein- 
zelne schon Ende März. Im Jahre 1878 stellte ich am 30. März Ver- 


‚suche an; es wurden fünf angestochene Knospen durch einen umgeleg- 


ten Faden genau bezeichnet. Beim Stechen verfuhren die Wespen in 
ähnlicher Weise wie die früheren Aphilotrix-Arten ; der Stachel wurde 
wieder unter die Knospenschuppen geführt und dann gegen die Basis 
gebohrt, das Ei nicht an die Blattanlagen sondern unterhalb derselben, 
ziemlich genau in das Centrum der Krospenachse gelegt. In jede Knospe 


176 I. Adler, 


wurde nur ein Ei gelegt, und jeder einzelne Akt erforderte ungefähr 
20 Minuten. Ich konnte hiernach erwarten, dass aus der angestochenen 
Knospe sich nur eine einzelne Galle entwickeln würde. Die fünf ange- 
stochenen Knospen begannen im Mai zu treiben, doch blieb eine bald in 
dem Längenwachsthum zurück und zeigte eine schnell zunehmende Ver- 
dickung; sehr bald war eine Gallenbildung zu erkennen und die aus- 
gewachsene Galle entsprach der als Andricus inflator beschriebenen. 
Bei diesem Versuche erhielt ich nur die eine Galle. 

Im nächsten Jahre wiederholte ich den Versuch ; am 25. März 1879 
wurden mehrere Wespen auf eine kleine Eiche gebracht, die im Ganzen 
9 Knospen anstachen. Im Mai erhielt ich zwei Gallen von Andricus 
inflator. 


8°) Andricus inflator Hte. 


Galle: Die aus einer Knospe hervorgehende Galle ist von grüner 
Farbe, mit Blättern bedeckt und gleicht einem enorm verdickten und 
verkürzten Triebe. Im ersten Jahre ist das Wachsthum nicht beein- 
trächtigt und es entwickeln sich an der Galle regelmäßig in den Blatt- 
achseln die Winterknospen. Im nächsten Jahre aber sterben alle diese 
Triebe ab. Ein Längsschnitt durch diese Galle zeigt, dass im Inneren 
ein cylindrischer Hohlraum sich befindet, an dessen unterem Ende die 
kleine Innengalle sitzt, aus welcher die Wespe hervorgeht. Das obere 
Ende der Höhlung wird durch eine anfänglich rothe, später gelbliche 
Decke verschlossen (Fig. 8%). 

Um die Wespe aus den Gallen zu ziehen, muss man die letzteren 
Mitte Juni einsammeln. Die Wespe fliegt Ende Juni bis Anfangs Juli. 

Wespe: Größe 2,1 mm, Kopf und Thorax schwarz, wenig glän- 
zend. Hinterleib des Weibchens oben schwarz, unten roth oder gelb- 
roth, beim Männchen ganz schwarz. Beine rothgelb, nur die Hinter- 
tibien und Hinterhüften dunkel. Fühler an der Basis hell, sonst dunkel. 

Zuchtversuche: Die ausgeschlüpften und befruchteten Weib- 
chen suchen sich möglichst zarte Knospen aus, mögen es terminale oder 
axilläre sein und legen in je eine Knospe ein Ei. Bisweilen stechen die 
Wespen auch die axillären Knospen an, welche sich auf der Galle selbst 
gebildet haben. Aus den angestochenen Knospen entwickeln sich im 
September die globuli-Gallen. Die eigenthümliche Erscheinung, dass 
einer inflator-Galle eine oder mehrere globuli-Gallen aufsitzen, erklärt 
sich so ganz einfach. Meine Beobachtungen über Andricus inflator habe 
ich nur im Freien angestellt; genauere Zuchtversuche sind nicht ange- 
stellt worden. 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 177 


9) Aphilotrix collaris Htg. 


Galle: Diese Galle ist ihrer Kleinheit wegen leicht zu übersehen, 
sie bildet sich wieder aus einer Knospe und steckt zur Zeit der Reife 
so tief zwischen den Knospenschuppen, dass man eigentlich nur die 
Spitze wahrnehmen kann. Sie ist kegelförmig, im frischen Zustande 
von rothbrauner Farbe, an ihrer Basis entspringt ein feiner Fortsatz, der 
ziemlich tief in die Knospenachse hineinragt. Im September oder Okto- 
ber löst sie sich aus der Knospe und fällt zu Boden, der weiche Fortsatz 
schrumpft ein und fällt ab. Sehr häufig findet man aber Gallen, welche 
in den Knospen sitzen bleiben und bei näherer Untersuchung fest ange- 
wachsen sind. Daher kommt die Angabe, dass diese Galle auch in den 
Knospen überwintere. Nun aber zeigt sich, dass aus allen solchen fest 
angewachsenen Gallen stets nur Inquilinen oder Schmarotzer hervor- 
gehen. Hier tritt wieder die sich noch öfter wiederholende Erscheinung 
ein, dass, wenn in die noch nicht ausgewachsene Galle ein Inquiline 
sein Ei legt, mit dem Absterben der ursprünglichen Gallwespenlarve 
auch das Wachsthum der Galle sich ändert und ein pathologisches wird. 
Theils bleiben derartige Gallen kleiner, theils verwachsen sie fest mit 
dem Mutterboden (Fig. 9). 

Zucht der Wespe: Um die Wespe aus den Gallen zu erziehen 
müssen dieselben Vorsichtsmaßregeln wie bei der vorigen Aphilotrix-Art 
beobachtet werden. Die Dauer des Larvenstadiums ist dieselbe; nach 
der Reife der Galle vergehen wieder 11/, Jahr bis die Wespe erscheint. 

Wespe: Größe 3 mm, Kopf und Thorax dunkel, auf dem Rücken 
oft röthliche Linien, der Thorax glatt und glänzend, Schildchen braun- 
roth, matt, behaart. Hinterleib dunkel, Basis bisweilen röthlich. Beine 
röthlichgelb, die Hüften stets, bisweilen auch die Basis der Schenkel 
dunkel. ; | 

Zuchtversuche: Diese Wespe galt bisher als selten, hauptsäch- 
lich wohl desshalb, weil die Gallen schwer zu finden sind und die Zuch- 
ten nicht immer gelingen. Weitere Beobachtungen aber haben mir 
gezeigt, dass die Wespe bisweilen recht häufig ist. Die ersten Zucht- 
versuche stellte ich 1876 mit zwei Wespen an: vom 4. bis 6. April 
stachen dieselben mehrere Knospen an. Die Eier wurden in das Cen- 
trum der Knospe unmittelbar an die kleinen Blattanlagen gelegt. Dar- 
nach war zu erwarten, dass die Gallen an den Blättern sich entwickeln 
würden. Dies traf auch ein, denn, als die Knospen sich entfalteten, 
war an zwei Blättern als beginnende Gallenbildung eine wulstige Ver- 
dickung zu bemerken; dieselbe nahm rasch zu und war dann als die 
Galle von Andricus curvator zu erkennen. Im Jahre 1878 wiederholte 


178 H. Adler, 


ich den Versuch und brachte sechs Wespen auf eine kleine Eiche, die” 
mehrere Tage lang Knospen anstachen. Das Resultat war überzeugend, | 
indem im Juni die kleine Eiche mit den Gallen von Andricus curvator voll- | 
ständig übersäet war. Ein kleiner Trieb dieser Eiche hat der Abbildung 
vorgelegen. 


92) Andricus curvator Htg. 


Galle: Bildet sich an den Blättern und erscheint im Mai als un-' 
regelmäßige Verdickung der Blattfläche. Anfänglich zeigt sie auf dem” 
Durchschnitte einen soliden Kern, bei dem weiteren Wachsthum aber 
bildet sich allmählich im Innern ein Hohlraum, in welchem der Innen-" 
wand lose aufsitzend die kleine bräunliche Innengalle liegt. Wenn sich” 
an demselben Triebe, wie dies häufiger vorkommt, mehrere Gallen bilden, a: 
so werden dadurch die Blätter an ihrer Entwicklung verhindert und! 
erscheinen nur als Rudimente (Fig. 9%). ß i' 

Die Wespe fliegt im Juni. I | 

Wespe: Größe 1,5—2 mm, schwarz, Thorax glatt, bisweilen. 
etwas runzlig ohne Abzeichen. Hinterleib glänzend schwarz, Beine, 


röthlichgelb, Hüften dunkel, oft auch die Schenkel. Männchen und. 
Weibchen sind gleich gefärbt. 


Zuchtversuche: Mit dieser Art habe ich mehrfach Versuche 
angestellt. Werden die befruchteten Weibchen auf eine kleine Eiche 
gebracht, so beginnen: sie in der Regel bald die Knospen anzustechen. | 
Dabei macht die Wespe auf der Spitze einer Knospe Halt und bohrt den 
Stachel von oben schräg nach abwärts in das Innere der Knospe. In! 
jede Knospe wird nur ein Ei gelegt. Es vergeht längere Zeit bevor von! 
einer Gallenbildung etwas zu bemerken ist. Die Galle fängt im Septem- | 
ber an sich zu entwickeln, ausnahmsweise auch schon im August; an- a. 
fänglich ist die Galle schwer zu erkennen, indem sie mit der braunen 
Spitze kaum aus den Knospenschuppen hervorragt. Erst zur Zeit der! 
Reife tritt die Galle weiter hervor, indem sich ihre Basis allmählich von) 
dem Gewebe der Knospenachse löst. | 


Y 


Ehe man wusste, dass Aphilotrix collaris und Andricus curvator‘ |. 
zwei zusammengehörige Generationen wären, nahm man an, dass die‘ 
im Juni von curvator gelegten Eier in den Knospen bis zum nächsten |, 
Jahre ruhten und dass dann mit der neuen Wachsthumsperiode die cur- | R 
vator-Gallen sich wieder an den Blättern bildeten. Man durfte dies um | 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen, 179 


in andern Fällen, dass durch die Larve die schlafende Knospe zum 
Treiben veranlasst wird. 


10) Aphilotrix fecundatrix Htg. 


Galle: Die Galle ähnelt einer Hopfenfrucht und erscheint von fest 
an einander liegenden Schuppen umschlossen, welche anfänglich von 
grüner Farbe, später braun werden, sich lockern und weiter abstehen. 
Am Grunde des Kegels sitzt die kleine Innengalle von länglich ovaler 
Form. Zur Zeit der Reife löst sie sich und fällt zu Boden. Anfänglich 
ist die Innengalle mit der Basis der ursprünglichen Knospenachse fest 
verwachsen, im August aber lockert sich diese Verbindung, indem die 
Grundfläche sich zusammenzieht. Dadurch werden die Schuppen fester 
zusammengedrängt und schieben die Innengalle vollständig hinaus. In 
diesem Stadium ist die Galle von gelblich grüner Farbe und noch 
weicher Konsistenz; erst am Boden erfolgt die völlige Reife, die ganze 
Galle wird dunkel, sehr fest und hart und gewährt der Larve hin- 
reichenden Schutz gegen die Einflüsse der Witterung. Zu bemerken 
ist, dass einzelne Gallen zwischen den Schuppen der Außengalle stecken 
bleiben (Fig. 190). 

In vielen Fällen findet sich in der äußerlich gut entwickelten Galle 
eine kleine rundliche rudimentäre Innengalle; dann birgt sie regelmäßig 
Inquilinenlarven, bisweilen nur eine, bisweilen mehrere, die in ge- 
trennten Fächern liegen. Durch den Einfluss der Inquilinen wird die 
Entwicklung der Galle gehemmt und total verändert. 

Zucht der Wespe: Trotz der Häufigkeit der Galle pflegt es 
schwierig zu sein‘, die Wespen zu erziehen. Da das Larvenstadium 
wieder sehr lange dauert, kommt es darauf an, die natürlichen Lebens- 
bedingungen herzustellen. Die Überwinterung muss im Freien erfolgen. 
Die Larve ruht eben so lange wie die von collaris; die im August 1876 
eingesammelten Gallen lieferten mir im April 1878 die Wespen; ein- 
zelne Gallen bleiben aber regelmäßig zurück, aus denen die Wespe erst 
im dritten Jahre erscheint. Werden die Gallen nach dem Einsammeln 
im Zimmer aufbewahrt, so bleibt die Metamorphose der Larve aus; man 
kann sie mehrere Jahre lebend in den Gallen erhalten, bis sie endlich zu 
Grunde geht. Wie die veränderten Außenbedingungen einwirken, ist 
schwer zu sagen, aber die Einwirkung der atmosphärischen Einflüsse 
von Kälte, Nässe und Hitze scheint für den regelmäßigen Verlauf der 
Metamorphose der Larve unbedingt nothwendig zu sein. 

Die Flugzeit der Wespe fällt in den April. 

Wespe: Größe 4—5 mm, die ganze Wespe dunkel, fast schwarz, 
Thorax matt, runzlig mit weißer seidenartiger Behaarung,, Hinterleib 


A150. H. Adler, 


glänzend schwarz nur an den Seiten mehr oder weniger rothbraun. Die | 
Beine in der Regel dunkel, nur die Kniee deutlich rothbraun, die Vorder- | 
beine bisweilen in größerer Ausdehnung hell, rothbraun und nur bis 


zur oberen Hälfte der Schenkel dunkel. 


Zuchtversuche: Bei den Versuchen mit dieser Art stößt man? 


auf eine Schwierigkeit, weil die Wespe nur in die männlichen Blüthen-" 
knospen ihre Eier legt. Da aber kleinere Eichbäumchen, wie ich sie in” 
Töpfe gepflanzt hatte, überall keine Blüthen produciren, blieb mir nichts” 
Anderes übrig als im Freien die Wespe beim Stechen zu beobachten. | 


Es gelang mir im April 1878 mehrere genau beim Stechen zu beobach- 
ten, die erste am 1%. April. Um über die Art des Stechens klar zu 


werden, ließ ich mehrere selbst gezogene Wespen an abgschnittenen” 
Reisern im Zimmer stechen. Ich fand, dass die Wespe den Stachel | 
unter die Knospenschuppen führt, bis an die in der Knospe ruhenden! id 
Staubbeutel bohrt und an diese die Eier absetzt. Es war darnach un-! { 
zweifelhaft, dass die Galle an den Staubbeuteln sich bilden würde. Bei 


N 


meinen im Freien angestellten Beobachtungen wurden mehrere Kno-' 


spen unter meinen Augen angestochen, welche ich durch einen unterhalb ! hi 
umgelegten Faden bezeichnete. Als darauf im Mai die Staubblüthen sich " 


entwickelten, zeigten sich an denen der angestochenen Knospen bald’ 


kleine, zierliche Gallen, welche einzeln oder zu mehreren gehäuft an 


den Blüthenspindeln saßen. Ich fand dieselbe Galle an zwei verschie- 


denen Bäumen, an denen beiden fecundatrix gestochen hatte; ich konnte 


daher gegen eine Verwechslung oder zufällige Täuschung sicher sein. 
Die gleich näher zu beschreibende Galle entspricht einer Andricusart. 


Bemerkenswerth ist, dass Aphilotrix fecundatrix vorzugsweise, m: 
vielleicht ausschließlich die Blüthenknospen von Quercus robur (pedun- 
culata Ehrh.) ansticht. Der Grund der Bevorzugung dieser Eichenart 


mag wohl darin liegen, dass sich dieselbe etwa 14 Tage früher ent- 


wickelt als Quercus sessiliflora. 


10%) Andricus pilosus n. sp.!. 


Galle: Die kleine zierliche Galle ist ungefähr 2 mm lang, von | 


länglich ovaler Form mit deutlicher Spitze, dünnwandig, anfänglich von 7‘ 


grüner, zur Zeit der Reife von bräunlicher Farbe mit steif abstehenden 7 
weißlichen Haaren bedeckt. Sie sitzt einzeln oder zu mehreren zwischen 


den Staubbeuteln an der Blüthenspindel (Fig. 10°). 


Um die Wespe zu erziehen wird die Galle kurz vor der Reife ein- 7 


1 So weit ich habe ermitteln können war die Galle bisher nicht beschrieben. | 
Den Namen pilosus habe ich gewählt, weil sie zum Unterschiede von anderen nahe 7 


stehenden mit kurzen Haaren bedeckt ist. 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 181 


gesammelt, Ende Mai; man erhält dann die Wespen Anfangs oder Mitte 
Juni. 

Wespe: 1,5 mm lang, schwarz, Thorax glatt, wenig glänzend, 
Schildchen rauh, Abdomen einfarbig schwarz, glänzend; Beine von den 
Hüften bis zu dem unteren Dritttheile der Schenkel gleichmäßig dunkel, 
im Übrigen röthlichgelb; Fühler gelblich, nur die Spitze dunkel; das 
Männchen hat dieselbe Färbung, nur sind die Fühler fast ganz dunkel. 

Zuchtversuche: Mit dieser Art habe ich im Juni 1878 eine 
Reihe von Zuchtversuchen angestellt, sowohl im Zimmer als im Freien. 
Ich brachte entweder die Wespen direkt auf kleine Eichen oder be- 
festigie die Gallen kurz vor dem Ausschlüpfen an die letzteren. Die 
Wespen suchen vorzugsweise die zarleren axillären Knospen auf und 
beginnen diese anzustechen. Ist die passende Knospe gefunden, so 
macht die kleine Wespe auf der Spitze Halt und bohrt den Stachel 
schräg von oben direkt in das Innere der Knospe. Es wird nur ein Ei 
in eine Knospe gelegt, wozu immer eine Zeit von 20 bis 30 Minuten ge- 
braucht wird. Während des Stechens ist die Wespe so unempfindlich 
- gegen Störungen, dass man den Zweig, an dem sie sticht, abschneiden 
und zur besseren Beobachtung unter die Lupe legen kann. Ist ein Ei 
gelegt, so wird sofort eine neue Knospe aufgesucht. Die Lebensdauer 
dieser Wespe beläuft sich durchschnittlich wohl auf acht Tage. 

Bei meinen Versuchen im Juni 1878 hatte ich im Ganzen 26 Kno- 
spen als angestochen bezeichnet, 16 im Zimmer, 10 im Freien. Bereits 
im Juli ließ sich an einzelnen Knospen eine Veränderung wahrnehmen, 
indem sie merklich dicker und größer wurden. Bereits am 10. Juli 
konnte ich deutlich erkennen, dass die fecundatrix-Galle sich bildete. 
An den kleinen im Zimmer angestochenen Eichen erhielt ich drei Gallen, 
an den im Freien vier Gallen. Auffallend war wieder, dass nur so 
wenige der angestochenen Knospen eine Galle lieferten. 


44) Aphilotrix callidoma Htg. 


Galle: Diese zierlichste unserer norddeutschen Gallen bietet ein 
gewisses historisches Interesse, indem sie bereits von Marrisnr! (1682) 
beschrieben worden ist. Trotzdem hat es bis in die neueste Zeit ge- 
dauert, ehe es gelang die Wespe daraus zu erziehen. Meines Wissens 
hat Giraup 2 (1859) zuerst die Wespe erzogen und beschrieben. 

Die Galle entspringt mehr oder weniger lang gestielt aus den Blatt- 
achseln, der dünne Stiel trägt die spindelförmige oder spitzkugelförmige 


1 Marpıcaı, Plant. anatome II de Gallis. 
2 GırauD, Signalements etc. de Cynipides. Verhdl. zool. bot. Ges. Wien. IX. 
pP. 337—374. 


182 H, Adler, 


Galle, welche regelmäßige, ziemlich scharf vorspringende Längsreifen 
hat; sie ist gewöhnlich von grüner Farbe, höchstens die Rippen roth 
gefärbt (Fig. 11). 

Die Gallen erscheinen zu verschiedenen Zeiten theils im Juli, theils im 
August, sie reifen schnell und die ersten fallen bereits EndeJuli zu Boden. 

Um die Wespen zu erziehen sammelt man die ausgewachsenen 
Gallen ein, lässt sie so lange auf feuchtem Sande liegen bis sie anfangen 
braun zu werden, ein Zeichen, dass die Larve ausgewachsen ist. Als- 
dann werden die Gallen während des Winters an einem kühlen Orte 
oder im Freien aufbewahrt. Die Wespen erscheinen dann zum Theil 
schon im nächsten Frühjahre, einige Gallen aber ruhen bis zum zweiten 
Jahre. Es hängt wahrscheinlich so zusammen, dass die früh reifenden 
Gallen die Wespen schon im nächsten Jahre liefern, die spät reifenden 
dagegen im zweiten Jahre. Es ist übrigens zu bemerken, dass die Mehr- 
zahl der Gallen immer von Schmarotzern besetzt ist und dieser Umstand 
mag wohl der Grund sein, dass es so lange gedauert hat, bis man die 
Wespe kennen gelernt hat. 

Wespe: Länge 4 mm, röthlichgelb, schwarz sind die Fühler, die 
Nähte des Thorax, die Umgrenzungslinien des Schildchens; der Rücken 
des Hinterleibes ist dunkelbraun. Kopf und Thorax dünn behaart; Beine 
gelbbraun, nur die Trochanteren schwarz, Hintertibien braun. 

Zuchtversuche: Die im April ausschlüpfenden Wespen suchen 
wiederum die männlichen Blüthenknospen auf, um in diese ihre Eier 
zu legen. Aus diesem Grunde habe ich das Stechen nur im Freien oder 
an abgeschnittenen Reisern beobachten können. Die Wespe legt ihre Eier 
an und zwischen die in der Knospe eingeschlossenen Staubbeutel, oft 
eine größere Anzahl in dieselbe Knospe. Im April 1878 bezeichnete ich 
eine Anzahl im Freien angestochener Knospen; zur Zeit als die übrigen 
Knospen sich schon mehr oder weniger entwickelt hatten blieben die 
angestochenen in auffallender Weise zurück und einzelne Blüthen- 
spindeln ragten kaum aus ihnen hervor. Bei weiterer Untersuchung 
zeigte sich, dass die Staubbeutel durch kleine, gedrängt sitzende Gallen 
ganz verkümmert waren. Diese jetzt zu beschreibende Galle ist: 


14°) Andricus cirratus.n. sp.!. 
Galle: Ungefähr 2 mm, eiförmig mit abgerundeter Spitze, frisch 
von grüner, bei der Reife von bräunlicher Farbe. Das abgerundete Ende 
der Galle trägt einen Büschel langer, dichter, weißlicher Haare, die drei 


1 Diese Galle ist bisher noch nicht beschrieben worden; ich habe die Benen- 
nung cirratus gewählt wegen des Haarbüschels (cirrus), welchen die Spitze der 
Galle trägt. 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 183 


bis vier Mal so lang als die Galle sind. Die Galle sitzt auf der Blüthen- 
spindel der männlichen Blüthe, an ihrer Basis sind zwei seichte Ein- 
drücke zu erkennen, welche von den Nähten des Staubbeutels her- 
rühren, aus dem die Galle hervorgegangen ist. Die Gallen sitzen oft so 
dicht gedrängt, dass sie eine zusammenhängende weiß-filzige Masse zu 
bilden scheinen; die einzelnen Kätzchen sind dann mehr oder weniger 
verkümmert und man sieht eigentlich nur die weißen Haarbüschel aus 
der geöffneten Knospe hervorragen (Fig. 11%. 

Die Wespe ist sehr leicht zu erziehen, wenn man Ende Mai oder 
Anfangs Juni die Gallen einsammelt. 

Wespe: Länge 1,5 mm, schwarz, Thorax matt, Schildchen rauh, 
Abdomen an den Seiten röthlichgelb. Beine gleichfarbig röthlichgelb, 
nur die hinteren Trochanteren dunkel, Fühler gelbroth mit dunkler Spitze. 
Männchen von gleicher Färbung, nur das Abdomen etwas heller. 

Zuchtversuche: Nachdem Anfangs Juni 1878 eine größere 
Anzahl Wespen ausgeschlüpft war, brachte ich sie am 8. Juni auf eine 
kleine Eiche und sah, dass sie bald anfingen in die kleinen axillären 
Knospen zu stechen. Es wurden im Ganzen 14 Knospen bezeichnet. 
Nach Verlauf von etwa vier Wochen (5. Juli) bemerkte ich, dass an drei 
Knospen eine Galle sich entwickelte, die bald lang gestielt aus der Knospe 
hervorwuchs und als die callidoma-Galle zu erkennen war. Darauf eni- 
wickelten sich Anfangs August noch zwei Gallen. Woher diese Verspä- 
tung rührte, ist schwer zu sagen, obwohl alle Knospen gleichzeitig an- 
gestochen worden waren. Die Galle wächst sehr schnell und erreicht in 
drei Wochen die Reife, worauf sie zu Boden fällt. 


12) Aphilotrix Malpighii n. sp.!. 

Galle: Diese Galle ist der vorigen sehr ähnlich, von derselben 
spindelförmigen Gestalt, doch ist sie kürzer und gedrungener,, meistens 
gar nicht oder ganz kurz gestielt. Auch die Zeit der Reife ist eine andere, 
indem sie viel später als die vorige erscheint, sie beginnt erst im Sep- 
tember aus den Knospen hervorzubrechen und erreicht im Oktober die 
Reife (Fig. 12). 

Die Entwicklung der Wespe weicht von der vorigen ab; die im 
Oktober gereiften Gallen enthalten freilich die ausgewachsene Larve, 
aber sie verpuppt sich nicht in demselben Jahre, sondern ruht noch das 


1 Bei der großen Ähnlichkeit mit der callidoma-Galle ist diese früher mit 
letzterer zusammengeworfen. Entscheidend für die Trennung ist der Umstand, dass 
eine ganz verschiedene geschlechtliche Generation dazu gehört. Zur Erinnerung 
daran, dass MArpıcaı vor fast 200 Jahren bereits die callidoma-Galle beschrieb, habe 
ich die vorliegende nach ihm benannt. 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 13 


184 H. Adler, 


nächste Jahr, um sich im Herbste zu verpuppen und im April des 
zweiten Jahres die Wespe zu liefern. 

Wespe: Länge 3 mm, röthlichgelb, etwas dunkler als callidoma, 
Thorax mit schwarzen Strichen, oben glatt, an den Seiten spärlich be- 
haart, Schildchen rauh; Rücken des Abdomen dunkelbraun; Beine röth- 
lichgelb, die Trochanteren alle bräunlich, eben so die obere Hälfte der 
Schenkel und der Außenrand der Tibien ; Fühler schwarz. 

Der Färbung nach ist diese Wespe der callidoma so ähnlich, dass 
man sie nur mit Sicherheit unterscheiden kann, wenn man sie aus den 
Gallen erzieht. 

Zuchtversuche habe ich mit dieser Wespe nicht anstellen können, 
dagegen habe ich mit der entsprechenden geschlechtlichen Generation 
Zuchten angestellt, welche mir ein sicheres Resultat geliefert haben. 


12°) Andricus nudus n. sp.!. 


Galle: Die kleine und unscheinbare Galle, 1,5 mm lang, ist von 
länglich ovaler Form mit deutlich abgesetizter Spitze, sie sitzt an der 
Blüthenspindel der männlichen Blüthe zwischen den Staubbeuteln. Die 
Galle ist kahl, nur ausnahmsweise an der Spitze mit einzelnen kleinen 
Härchen besetzt, im frischen Zustande von grünlicher, bei der Reife von 
gelblicher Farbe (Fig. 12%). 

Um die Wespe zu erziehen werden die Gallen Ende Mai einge- 
sammelt, die Wespe fliegt im Juni. 

Zuchtversuche: Mit dieser Wespe sind mir die Zuchtversuche 
ohne Schwierigkeit gelungen. Im Jahre 1877 machte ich den ersten 
Versuch; eine Anzahl befruchteter Weibchen war auf eine kleine Eiche 
gebracht und von diesen wurden am 41. Juni 140 Knospen angestochen. 
Die kleinen sehr behenden Wespen wählen immer möglichst zarte axil- 
läre Knospen; man muss desshalb zu den Zuchtversuchen solche Eichen 
nehmen, an denen die Knospen von zarter und weicher Beschaffen- 
heit sind. 

Es währte sehr lange, bevor an den angestochenen Knospen eine 
Veränderung zu bemerken war. Erst am 3. September zeigten zwei 
eine beginnende Gallenbildung, am 2. Oktober erschien noch eine dritte 
Galle; alle drei Gallen entsprachen der eben als Malpighii beschriebenen. 
Aus diesen drei Gallen erhielt ich 1879 im April zwei Wespen. 

Einen zweiten Zuchtversuch mit Andricus nudus stellte ich 1878 
an. Aus den eingesammelten Gallen erhielt ich schon am 30. Mai die 
1 Auch diese Art ist bisher nicht beschrieben worden; ich habe den Namen 


nudus gewählt, weil sie zum Unterschiede von den ähnlichen vorbin beschriebenen 
vollständig kahl ist. 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 185 


ersten Wespen; am ersten Juni brachte ich sie auf eine kleine Eiche und 
bemerkte, dass mehrere bald zu stechen anfingen. Im Ganzen wurden 
48 Knospen bezeichnet. Aus diesen Knospen brachen Anfangs Sepiem- 
ber drei Gallen hervor, darauf Ende September noch weitere vier Gallen. 
Mir scheint darnach die Zusammengehörigkeit von Aphilotrix Malpighii 
und Andricus nudus genügend erwiesen. 


13) Aphilotrix autumnalis Hte. 


Galle: Ähnlich wie die früher beschriebene globuli-Galle ent- 
wickelt sich auch diese aus einer Knospe und ist an der Basis von den 
Knospenschuppen umschlossen ; sie ist von länglich ovaler Form, an der 
Spitze mit deutlich abgesetztem Nabel, im frischen Zustande von einer 
bräunlichen saftigen Schale bedeckt. Die Galle bildet sich erst im 
Oktober und fällt zur Zeit der Reife, Ende Oktober, aus den Knospen 
zur Erde. Die saftige Schale löst sich dann von der verholzten Innen- 
galle ab, welche auf der Oberfläche flache Riefen zeigt (Fig. 13). 

Die Wespe erscheint erst im zweiten Jahre; die im Oktober 1876 
eingesammelten Gallen lieferten im April 1878 die Wespen. 

Wespe: Länge 3 mm, Kopf und Thorax schwarz , letzterer matt, 
runzlig. Abdomen glänzend, auf dem Rücken dunkel, an den Seiten 
rothbraun ; Beine gleichmäßig rothbraun, nur die Trochanteren dunkel. 
Flugzeit April. 

Dass bei dieser Art auch ein Generationswechsel stattfinden würde, 
war zu erwarten, einerseits wegen der großen Ähnlichkeit mit globuli, 
andererseits mit Rücksicht auf das Erscheinen der Galle. Da die Wespe 
im April ihre Flugzeit hat, die Galle aber erst im Oktober aus einer 
Winterknospe, welche im April noch gar nicht vorhanden ist, sich 
bildet, so muss eine andere Generation dazwischen treten, welche erst 
die Galle erzeugt. Direkte Zuchtversuche mit Aphilotrix autumnalis 
habe ich nicht angestellt. Dagegen habe ich die Art des Stechens bei 
dieser Wespe beobachtet. Anfänglich glaubte ich, dass dieselbe nur 
Blüthenknospen anstechen würde, indem sie diese sofort anstach, wie 
ich sah, als ich einige Wespen auf abgeschnittene Reiser gebracht hatte. 
Später überzeugte ich mich, dass sie ohne Unterschied auch andere 
Knospen ansticht. Die Blüthenknospen erhalten vielleicht desshalb den 
Vorzug, weil sie größer sind und die Knospe sich eher entfaltet. Es 
werden nämlich von dieser Wespe in dieselbe Knospe eine größere 
Anzahl Eier gelegt; bisweilen bohrt die Wespe um die ganze Peripherie 
der Knospe herum, so dass man nachher im Innern eine Menge Eier 
findet, einzeln aber auch dicht zusammenliegend. Die Eier werden an 
die Blätichen oder an die Staubbeutel gelegt. Ich habe aber die daraus 

13* 


se H, Adler, 


resultirende Galle nicht selbst erzogen, dagegen die zu autumnalis ge- 
hörende geschlechtliche Generation ermitteln können; diese ist: 


132) Andricus ramuliLll. 


Galle: Die sehr oft aus männlichen Blüthenknospen aber auch 
aus Blattknospen hervorgehende Galle gleicht einer Baumwollenkugel 
von wechselnder Größe. Ihr Umfang hängt ab von der Anzahl der das 
Konglomerat zusammensetzenden Einzelgallen. Erstaufdem Querschnitte 
erkennt man diese Zusammensetzung aus einzelnen kleinen ovalen Gallen 
von 2 mm Länge; jede derselben trägt einen sehr langen Büschel weiß- 
lichgelber Haare. Diese unter einander sich verwebenden Haare bilden 
einen dichten weißlichen Filz und verleihen der Galle ein sehr zierliches 
Aussehen (Fig. 13%). 

Die Wespe fliegt in der ersten Hälfte des Juli. 

Wespe: Länge 2 mm, gleichmäßig gelb, nur die Nähte des Thorax 
etwas dunkler; beim Weibchen ist der Rücken des Hinterleibes bräun- 
lich, beim Männchen schwarz. Die Fühler und Beine sind gleich- 
farbig gelb. 

Zuchtversuche: Da die ramuli-Galle hier ziemlich selten vor- 
kommt, habe ich nur einmal Beobachtungen über die Fortpflanzung der 
Wespe anstellen können. Am 9. Juli 1878 fand ich mehrere dieser 
Wespen, welche axilläre Knospen anstachen. Ich bezeichnete durch 
einen umgelegten Faden sechs solcher Knospen; aus zwei derselben 
entwickelte sich Anfangs Oktober die Galle von Aphilotrix autumnalis. 


III. Dryophanta-Gruppe. 


1%) Dryophanta scutellaris Hig. 


Galle: Findet sich immer an der Unterseite der Blätter, ist kugel- 
förmig von sehr wechselnder Größe bis zu 2 cm im Durchmesser; die 
Galle entspringt immer von den Blattrippen, häufiger von den Haupt- 
als den Nebenrippen, ist aber nur an einem Punkte mit der Blattrippe 
verwachsen, so dass beim Betrachten der oberen Blattfläche ihre An- 
wesenheit nicht erkannt wird. Die Galle ist von gelber oder weißer 
Farbe, an der von der Sonne beschienenen Seite schön roth; sie er- 
scheint Anfangs Juli und reift im Oktober (Fig. 1%). 

Die Wespe ist aus den Gallen leicht zu ziehen; die Angaben über 
die Flugzeit gehen aus einander. Nach einigen Beobachtern sollen die 
Wespen schon im Oktober, nach anderen erst im März erscheinen. Um 
‚die naturgemäße Flugzeit kennen zu lernen, muss man die Gallen im 
Freien aufbewahren. Werden die Gallen im Zimmer behalten, so 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 187 


erscheinen allerdings die Wespen im November, anders dagegen ist es 
im Freien. Die Wespe fängt freilich im Oktober oder November an von 
der centralen Kammer aus, in welcher sie liegt, einen Gang gegen die 
_ Peripherie aus zu nagen, ohne aber die Galle sofort zu verlassen. Viel- 
mehr lässt die Wespe eine dünne Lamelle der äußeren Schale stehen; 
diese Lamelle ist so zart, dass man das Lumen des Ganges durch- 
schimmern sieht. Jetzt können noch Wochen verstreichen, bevor die 
Wespe die letzte unbedeutende Schranke durchbricht und aus der Galle 
hervorkommt. Die Witterung allein ist dafür maßgebend. Tritt bei- 
spielsweise schon im December anhaltender Frost ein, so bleibt die 
Wespe in der hart gefrierenden Galle; folgt dann aber Thauwetter, so 
befreit sich die Wespe sofort aus der Galle, wohl schon desshalb, weil 
die aufthauende Galle bald in Zersetzung übergeht. Ich habe wiederholt 
beobachtet, dass wärmere Tage mit Thauwetter im Januar die Wespe 
sofort hervorlockten. Bleibt aber während des Januar anhaltender Frost, 
so wird das Erscheinen der Wespe bis zum Februar oder noch länger 
bis zum Eintritte von Thauwetter verzögert. In diesem Falle erscheinen 
manche Wespen erst im März. 

Wespe: Länge 4 mm, schwarz, am Kopfe ist die Scheitelgegend 
braunroth, eben so die Seiten des Thorax, bisweilen das Schildchen; 
Abdomen pechschwarz, stark glänzend, Beine schwarz, nur die untere 
Hälfte der Schenkel und die obere der Tibien braunroth. Die Flügel 
sind lang, das ganze Thier stark behaart: charakteristisch sind die lang 
abstehenden Haare der Beine und Fühler; letztere sind 13gliedrig. 

Zuchtversuche: Schon im Jahre 1876 hatte ich mit dieser 
Wespe Versuche angestellt, welche mir lehrten, dass sie vorzugsweise 
die kleinen Adventivknospen am Stamme älterer Eichen ansticht. Der 
damalige Versuch wurde mit nur wenigen Wespen im Freien ange- 
stellt und erwies sich mir später das erhaltene Resultat als falsch. Im 
größeren Umfange wiederholte ich die Versuche im Jahre 1878. Ich 
hatte eine größere Anzahl von Gallen im Freien durchwintert; im 
Januar fingen die Wespen an die Gallen zu verlassen. Ich brachte sie 
jetzt auf eine kleine Eiche im Zimmer; nach einigen Tagen bemerkte 
ich auch, dass sie anfingen zu stechen; sie wählten dazu die kleinen 
Adventivknospen, welche an dem Stamme sich finden. Die Knospen 
werden in der Weise angestochen, dass die sich hoch aufrichtende 
Wespe den Stachel gerade auf die Spitze der Knospe aufsetzt und den- 
selben dann senkrecht hineinbohrt. Die Wespe ist zu dem Ende mit 
einem ziemlich geraden, kräftigen Stachel ausgerüstet. Für das Legen 
eines Eies ist eine geraume Zeit erforderlich; die Wespe verharrt 
meistens 1/, Stunde in der stechenden Stellung. In je eine Knospe wird 


188 H. Adler, 


nur ein Ei gelegt. Untersucht man eine angestochene Knospe, so zeigt 
sich, dass das Ei an der Basis der Knospenachse in der Cambiumschicht 
et, welche sich in die Knospe fortseizt. Darnach war mit Bestimmt- 
heit zu erwarten, dass eine Knospengalle sich bilden würde. 

Bei meinem Versuche wurden vom 20. bis 26. Januar 34 Knospen 
angestochen. Erst gegen Ende April konnte ich an einzelnen Knospen 
eine beginnende Gallenbildung bemerken. Die Spitze der Knospe färbte 
sich dunkelblau und bald trat deutlich die sammetartige zierliche Galle 
von Spathegaster Taschenbergi hervor. Bis Anfangs Mai entwickelten 
sich an dem Bäumchen AA Gallen. 

Im Jahre 1879 habe ich den Versuch wiederholt und wieder die 
Taschenbergi-Gallen erhalten. 


14°) Spathegaster Taschenbergi Schltdl. 


Galle: Kleine, sehr zierliche Galle von 2—3 mm Länge, mit ab- 
gerundeter Spitze, von dunkelvioletter Farbe und sammetartiger Ober- 
fläche. Die schöne Farbe wird durch eine Schicht peripherer Pigment- 
zellen bedingt, von denen ebenfalls kurze, weißliche Haare entspringen, 
welche das sammetartige Aussehen der Oberfläche bewirken. Der innere 
Kern der Galle ist weich und besteht aus Stärkemehl-haltigen Zellen, die 
von der Larve völlig aufgezehrt werden, so dass schließlich nur eine 
dünne Schale übrig bleibt (Fig. 14). | 

Um die Wespen zu ziehen, muss man die Gallen Anfangs Mai ein- 
sammeln und auf feuchtem Sande aufbewahren; die Wespen erscheinen 
Ende Mai oder Anfangs Juni. 

Wespe: Länge 2,5 mm, Fühler, Kopf, Thorax, Abdomen schwarz, 
Tborax glatt, stark glänzend, Schildchen matt, nicht behaart, Beine 
gelblich, nur die Trochanteren schwarz, Flügel lang, rauchig getrübt. 
Männchen und Weibchen sind gleich gefärbt. 

Zuchtversuche: Nach stattgefundener Befruchtung gehen die 
Weibchen bald daran Eier zu legen. im Mai 1878 benutzte ich zu dem 
Versuche die kleine Eiche, an welcher die Taschenbergi-Gallen sich ge- 
bildet hatten. Die ersten Wespen erschienen am 26. Mai. Wenn eine 
Wespe sich zum Stechen anschicken will, so sieht man sie sehr emsig 
mit den Fühlern an den Blattrippen tasten und sie bohrt darauf in die- 
selben hinein. Das Ei kommi also in die Blattrippe zu liegen. Soll der 
Versuch gelingen, so müssen die Blätter noch sehr zart und weich sein, 
ganz ausgewachsene Blätter scheinen der Wespe nicht zuzusagen. Bei 
meinem Versuche wurden nur fünf Blätter angestochen , wäil wohl die 
Blätter zum Theil schon zu weit entwickelt waren. 

Anfangs Juli bemerkte ich eine beginnende Gallenbildung, aus der 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 189 


Mittelrippe des einen Blattes brach eine kleine rundliche Galle hervor; 
bald folgten noch einige nach und im Ganzen erhielt ich acht Gallen, 
die sich wieder als die scutellaris-Gallen erwiesen. 

Es ist somit die Zusammengehörigkeit von Dryophanta scutellaris 
und Spathegaster Taschenbergi erwiesen. Die in meiner ersten Mit- 
theilung gemachte Angabe, dass Trigonaspis crustalis die zu scutellaris 
gehörende geschlechtliche Generation sei, beruht auf einem Irrthum, der 
dadurch entstand, dass ich damals meine Beobachtungen, weil im Freien 
angestellt, nicht sicher genug kontrolliren konnte. 


15) Dryophanta longiventris Hteg. 

Galle: Wie die vorige an der Unterseite der Eichenblätter aus 
den Blattrippen entspringend, aber kleiner, höchstens bis 1 cm Durch- 
messer; sie ist von lebhafter Färbung schön roth und weiß gebändert, 
Oberfläche glatt oder etwas höckerig (Fig. 15). 

Die Zucht der Wespen ist einfach, wenn man zur Zeit der Reife im 
Oktober die Gallen einsammelt. Ich habe die Wespen Ende November 
und im December erhalten. Obwohl die Galle nicht selten ist hält es 
doch schwer eine größere Anzahl von Wespen zu erhalten, da die 
meisten Gallen von Schmarotzern besetzt sind. 

Wespe: Länge 3—4 mm, schwarz, Augenränder, Seiten des 
Thorax, zwei Striche auf dem Mittelrücken, Schildehen rothbraun ; 
Abdomen schwarz, stark glänzend; Beine rothbraun, Trochanteren und 
obere Hälfte der Schenkel schwarz. Behaarung wie bei scutellaris, von 
der sie überhaupt nicht mit Sicherheit zu unterscheiden ist. 

Zuchtversuche: Bei der geringen Anzahl dieser Wespen, die 
ich mir nur verschaffen konnte, habe ich größere Schwierigkeiten ge- 
habt, Zuchtversuche mit Erfolg anzustellen. Im November 1877 hatte 
ich. mehrere Wespen auf eine kleine Eiche gebracht; ich beobachiete, 
dass sie wie scutellaris kleine Adventivknospen aufsuchten und in diese 
hineinbohrten. Es war darnach wahrscheinlich, dass auch eine ähnliche 
Knospengalle sich bilden würde, aber das Resultat blieb negativ, ich 
erhielt keine Galle. Ein zweiter im Jahre 1878 angestellier Versuch 
blieb auch negativ. Endlich versuchte ich zum dritten Male im Novem- 
ber 1879 die Galle zu erzielen. Es wurden auch mehrere Knospen an- 
gestochen und es glückte mir im April 1880 zwei Gallen zu erhalten. 
Sie waren der Taschenbergi sehr ähnlich aber bei genauerem Vergleiche 
nicht schwer zu unterscheiden. 

Es war mir dieses Resultat schon desshalb interessant, weil ich, 
wie mir jetzt klar wurde, die neue noch nicht beschriebene Galle früher 
mit der Taschenbergi zusammengeworfen hatte. Ich erhielt nämlich bei 


190 H. Adler, 


einem Versuche im Jahre 1876, als ich die Zusammengehörigkeit der 
beiden vorigen Generationen noch nicht kannte, an Blättern, die 
meiner Meinung nach nur von Spathegaster Taschenbergi angestochen 
worden waren, auch Gallen von Dryophanta longiventris. Unter den 
eingesammelten Taschenbergi-Gallen waren eben einige gewesen, in 
der Färbung auch als verschieden zu erkennen, welche mit denjenigen 
übereinstimmten, die ich jetzt bei meinem Zuchtversuche mit longiven- 
tris erhalten hatte. Diese näher zu beschreibende Galle ist: 


15%?) Spathegaster similis n. sp.!. 

Galle: Ungefähr 2 mm lang, der vorigen ähnlich aber schlanker 
und mehr zugespitzt, von grünlich grauer Farbe und sammetartiger 
Oberfläche. Die grünliche Farbe rührt wieder von einer peripherischen 
Zellenschicht her, welche ein grünliches Pigment enthält; diese Fär- 
bung wird aber dadurch gedämpft, dass sie mit längeren weißlichen 
Haaren bedeckt ist. Dieser Überzug giebt ihr zugleich den ins Graue 
spielenden Farbeton. Übrigens ist die stärkere und längere Behaarung 
ein wesentlicher Unterschied von der Taschenbergi-Galle (Fig. 15°). 

Man findet auch diese Galle fast ausschließlich an den Adven- 
tivknospen am Fuße älterer Eichen; es kann aber auch vorkommen, 
dass sie aus den Knospen letztjähriger Triebe hervorgeht, welche sich 
nicht selten an dem Stamme der Eichen bilden. | 

Dass die beiden beschriebenen Dryophanta-Arten gerade die kleinen 
Adventivknospen am Fuße der Eichenstämme aufsuchen, hat jedenfalls 
seinen Grund darin, dass zu diesen Knospen im Frühjahre der auf- 
steigende Saft zuerst gelangt und daher eine Gallenbildung schon ein- 
treten kann, während die höher sitzenden Knospen noch zu schlafen 
scheinen. Es ist aber für die Sommergeneration der Dryophanta ein 
Vortheil, wenn die Wespen die Gallen möglichst früh verlassen können, 
weil sie so den Nachstellungen‘der Schmarotzer eher entgehen. 

Die similis-Galle liefert die Wespe bereits im Mai, fast 44 Tage 
früher als die Taschenbergi-Galle. 

Wespe: Länge 2 mm, schwarz, Taschenbergi zum Verwechseln 
ähnlich, nuran der dunkleren Färbung der Beine zu unterscheiden; diese 
sind dunkler gelb, Schenkel und Tibien am Außenrande schwärzlich. 


16) Dryophanta divisa. 
Galle: Von der Größe eines Rehposten, meist zu mehreren an 
der Unterseite der Eichenblätter, von den Blattrippen entspringend; sie 


1 So genannt wegen der großen Ähnlichkeit mit der Taschenbergi-Galle. 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 191 


ist anfänglich von hellrother Farbe, die zur Zeit der Reife mehr ins 
Bräunliche übergeht. Die Galle erscheint Ende Juni und reift im 
Oktober (Fig. 16). 

Wespe: Länge —5 mm, braunroth, schwarz sind die Fühler, 
die Nähte des Thorax , zwei Striche auf dem Mittelrücken, eben so der 
Rücken des Hinterleibes. Die Beine sind braun, nur die Trochanteren 
zum Theil schwarz, eben so die Tarsalglieder. Behaarung wie bei 
scutellaris. 

Die Wespe fliegt regelmäßig bereits Ende Oktober oder Anfangs 
November und beginnt dann auch bald Knospen anzustechen. Es be- 
stätigt sich hier wieder, dass die Gallwespen ohne Ausnahme gleich 
nach dem Verlassen der Gallen anfangen ihre Eier zu legen, dass also 
keine Wespe außerhalb der Galle überwintert, um erst im nächsten 
Frühjahre die Eier den Knospen zu überliefern. 

Mit dieser Wespe habe ich mehrfache Zuchtversuche angestellt. Im 
Oktober 1877 hatte ich mehrere Wespen auf eine kleine Eiche gebracht 
und eingezwingert; Anfangs November bemerkte ich, dass die Wespen 
die Knospen anstachen. Abweichend von den beiden vorigen Dryo- 
phanta-Arten wählte diese nicht die kleinen Adventivknospen, sondern 
vorzugsweise die größeren, terminalen. Es wurde wieder der Stachel 
auf die Spitze der Knospe aufgesetzt und senkrecht hineingebohrt; als 
ich eine angestochene Knospe untersuchte fand ich zwei Eier, welche 
unmittelbar an die Blattanlagen gelegt waren. Darnach wusste ich, dass 
in eine Knospe mehr wie ein Ei gelegt werden und konnte vermuthen, 
dass die Galle an den Blättern sich bilden würde. Die Bestätigung blieb 
indessen aus, weil ich gar keine Gallen erhielt. 

Im Jahre 1878 wiederholte ich den Versuch; nachdem eine Anzahl 
Wespen eingezwingert waren fingen sie am 28. Oktober an die Knospen 
anzustechen. Die Wespen blieben etwa 14 Tage am Leben und stachen 
während dieser Zeit eine Reihe von Knospen an. Nach dem Absterben 
brachte ich die Eiche, zum Überwintern ins Freie. Anfang Mai des 
nächsten Jahres, als die Knospen zu treiben anfingen, nahm ich die 
Eiche zur bequemeren Beobachtung ins Zimmer. Als die Blätter sich 
entfalteten erschienen kleine zierliche Gallen an denselben, im Ganzen 
fünf; außerdem war eine direkt aus einer Knospe hervorgegangen. Diese 
von divisa erzeugte Gallenform ist: 


16°) Spathegaster verrucosus Schltdl. 
Galle: Ungefähr # mm lang, von ovaler Form mit erweiterter, 
abgerundeter Spitze, von grüngelber oder etwas röthlicher Farbe. Die 
Galle hat eine eigenthümlich körnige, mattglänzende Oberfläche, dadurch 


192 Ä H. Adler, 


bedingt, dass die peripheren Zellen statt der Härchen kuglige Bläschen 
tragen, welche mit einer hellen Flüssigkeit gefüllt sind (jedenfalls eine 
Schutzvorrichtung gegen Schmarotzer). Bemerkenswerth ist der Sitz der 
Galle, indem sie theils auf den Blättern, theils an den Trieben selbst 
vorkommt, theils aus den Knospen entspringt. Dies hängt so zusammen, 
dass, wie erwähnt, von Dryophanta divisa die Eier im Allgemeinen an 
die Blatianlagen gelegt werden, im einzelnen Falle aber verschiedene 
Lagerungen stattfinden können. Eine geringe Verschiebung des Eies, 
durch welche es höher oder tiefer zu liegen kommt, sind für den Ur- 
sprung der Galle maßgebend. Liegt das Ei an der Spitze eines Blätt- 
chens, so entwickelt sich von diesem Punkte aus die Galle und das aus- 
gewachsene Blatt trägt an seiner Spitze die Galle. Kommt aber das Ei 
tiefer zu liegen an die Basis des Blättchens, so wird die ganze Blatt- 
fläche absorbirt und die Galle sitzt dem immer nachweisbaren kurzen 
Blattstiele unmittelbar auf. Oftmals kann es dann den Anschein haben, 
als wenn die Galle von dem Triebe selbst ihren Ursprung genommen 
hat, aber in dem Winkel, den sie mit demselben bildet, sitzt immer die 
kleine axilläre Knospe, ein Beweis dafür, dass die Galle das Blatt sub- 
stituirt. Endlich kommt der Fall vor, dass das Ei noch tiefer in die 
Knospenachse versenkt wird und dass dann bei der Gallenbildung die 
ganze Knospe in dieselbe auigeht, dass mit anderen Worten eine 
Knospengalle sick bildet. Diese verschiedenen Verhältnisse sind abge- 
bildet (Fig. 16°). 

Die Galle reift bereits Ende Mai und die Wespe fliegt in den letzten 
Tagen des Mai oder Anfangs Juni. 

Wespe: Länge 3 mm, schwarz, Thorax glatt und glänzend, nur 
an den Seiten matt punktirt. Schildchen rauh, am Hinterrücken spär- 
liche, weißliche Behaarung. Hinterleib glänzend pechschwarz ; Beine 
röthlichgelb, Trochanteren schwärzlich. Das Männchen eben so gefärbt, 
nur die Beine dunkler. 

Es sind mit dieser Wespe keine Versuche angestellt worden ; nach- 
dem aber die Gallenbildung der agamen Generation, Dryophanta divisa, 
festgestellt wurde, ist es nicht zweifelhaft, dass Spathegaster verrucosus 
die zu jener gehörige geschlechtliche Generation ist. 


IV. Biorhiza-Gruppe. 


17) Biorhiza aptera Fhr. 
Galle: Findet sich nur an den Wurzeln der Eiche, sowohl an den 
dünnsten wie an den dicksten. Sie bricht aus der Rinde hervor, ist an- 
fänglich von weiß-röthlicher Farbe und weicher Konsistenz. Erst zur 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 193 


Zeit der Reife verholzt die Galle, nimmt eine braune Farbe an und er- 
langt eine beträchtliche Festigkeit. Die Galle ist von sehr wechselnder 
Größe, die kleineren nur etwa so groß wie eine Erbse, seltener kommen 
sie isolirt vor, meistens verschmelzen sie zu einem größeren Kon- 
glomerate (Fig. 17). 

Da die Galle ihrer versteckten Lage wegen schwer zu finden ist, 
gelangt man nicht leicht in den Besitz derselben. Um die Wespen zu 
erhalten, ist es einfacher, sie bei ihrem Erscheinen an den Eichen zu 
suchen. Die Zeitangaben über das Erscheinen weichen freilich von ein- 
ander ab, es sollen Exemplare im November, aber auch noch im März 
gefangen worden sein. Nach meinen Beobachtungen muss ich nament- 
lich die letztere Angabe für eine Ausnahme halten; wenigstens habe ich 
in hiesiger Gegend seit mehreren Jahren die Wespen regelmäßig Ende 
December und Anfangs Januar gefunden. 

Wespe: Länge «—7 mm, ungeflügelt, Thorax schmal, an den 
Seiten dünn behaart, das ganze Thier gelbbraun, der Hinterleib dunkler 
und namentlich eine Querbinde auf der Mitte des letztern fast schwarz, 
Beine gleichfarbig. Die Größe der Wespe ist sehr wechselnd. 

Zuchiversuche: Mit aptera habe ich. mehrfache Zuchtversuche 
anstellen können. Dabei überzeugt man sich sehr bald, dass die Wespe 
nicht an die Wurzeln der Eichen geht, um ihre Eier dort abzusetzen, 
sondern vielmehr nach oben strebt und an den Stämmen hinaufkriecht. 
Hier angekommen sucht sie vorzugsweise die größeren terminalen 
Knospen auf und beginnt in diese hineinzubohren. Das Stechen erfolgt 
in einer besonderen von anderen Gallwespen abweichenden Weise. 
Nachdem die zusagende Knospe gefunden ist, macht die Wespe Halt, 
wendet sich mit dem Kopfe nach abwärts, richtet den Hinterleib gegen 
die Spitze der Knospe; in dieser Stellung setzt sie den Stachel etwas 
unterhalb der Mitte der Knospe auf und bohrt dann direkt gegen die 
Basis der Knospe. Die Eier kommen tief unten in der Knospe zu liegen, 
in oder auf dem Gewebe, von welchem das Spitzenwachsthum ausgeht. 
Nachdem die Wespe den Stachel hineingebohrt hat beginnt sie in dieser 
Schicht, welche die Eier aufnehmen soll, einen Stichkanal neben den 
andern zu bohren, so dass die ganze Schicht siebartig durchbrochen 
wird. Ist diese Arbeit vollendet, dann werden erst die Eier successive 
in die Stichkanäle hineingeschoben. Die Eier liegen schließlich so dicht 
neben einander, dass sie wie eine zusammenhängende Masse aussehen. 

Die Arbeit, welche die Wespe leistet, um in dieser Weise ihre Eier 
abzusetzen, ist eine ganz erstaunliche. Zunächst ist sie Stunden lang 
damit beschäftigt, die verschiedenen Kanäle zu bohren. Daher kommt 
die mir zuerst unerklärliche Erscheinung, dass, wenn auch eine Wespe 


194 H. Adler, 


mehrere Stunden an einer Knospe gestochen hatie, gleichwohl kein Ei 
hineingelangt war; es müssen erst alle Bohrkanäle für die Aufnahme 
der Eier angefertigt werden. Diese Arbeit erfordert jedenfalls die meiste 
Zeit. Über die Dauer des Eierlegens habe ich folgende Beobachtung ge- 
macht; eine Wespe war am 27. Januar 1878 auf eine kleine Eiche ge- 
bracht und begann auch bald eine Knospe anzustechen. Als sie mit der 
ersten Knospe fertig war, machte sie sich ohne Unterbrechung an eine 
neue Knospe und war im Ganzen 87 Stunden fortwährend mit Eierlegen 
beschäftigt. In den beiden Knospen zählte ich 582 Eier. 

Für den eigentlichen Zuchtversuch hatte ich an zwei kleinen Eichen 
Wespen stechen lassen, von denen auch sechs Knospen angestochen 
worden waren. Anfangs Mai ließ sich an zwei Knospen eine Gallen- 
bildung erkennen. An der Basis der Knospe bildete sich eine rasch zu- 
nehmende Schwellung, der eigentliche Knospenkegel wurde vollständig 
in die Höhe gehoben und saß der Galle lose auf, ein Beweis dafür, dass 
die Gallenbildung von dem Vegetationspunkte an der Basis ausgeht. 
Ende Mai waren die Gallen ausgewachsen und erwiesen sich als die 
von Teras terminalis!. Mag man die Versuche mit Biorhiza aptera im 
Zimmer oder im Freien anstellen, man wird immer finden, dass in vielen 
Knospen keine Gallenbildung zu Stande kommt. Die Ursache dieser Er- 
scheinung ist die, dass durch den Stachel der Wespe eine weit greifende 
Zerstörung des Pflanzengewebes hervorgerufen wird; bleibt aber an dem 
Vegetationspunkte nicht eine intakte Zone übrig, so kann keine Gallen- 
bildung stattfinden. Eine Entwicklung der Knospe ist in keinem Falle 
möglich, weil die ganze Knospenachse vollständig durchsägt worden ist. 


17%) Teras terminalis Fbr. 


Galle: Sie geht, wie schon der Name sagt, meistens aus termi- 
nalen, aber auch aus axillären Knospen hervor. Sie ist von kugliger 
Form, sehr wechselnder Größe, indem der Durchmesser von 1—4 cm 
variirt. Im frischen Zustande ist sie von weißlicher Farbe, oft schön 
roth angeflogen und gleicht dann einem Apfel. Das anfänglich weiche 
und saftreiche Gewebe geht zur Zeit der Reife im Innern in festes Holz- 
gewebe, an der Peripherie in ein lockeres schwammiges Gewebe 
über. In dem verholzten Kerne liegen die zahlreichen Larvenkammern 
(Fig. 17°). 

Die Galle reift im Juni und die Wespen fliegen im Juli aus. Bei 
der großen Häufigkeit der Galle wird man ohne Schwierigkeit die 


1 Die Zusammengehörigkeit der beiden Generationen Biorbiza aptera und Teras 
terminalis ist auch von Dr. BENERINCK nachgewiesen, wie ich aus einer Mittheilung 
ersehe. Entomolog Nachrichten. 4880. H. V. 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 195 


Wespen in großer Menge erziehen können, obwohl die Gallen durch 
Schmarotzer massenhaft zerstört werden. Sehr verderblich wird ihnen 
namentlich die Larve eines Rüsselkäfers, Balaninus villosus. Ich habe 
diesen im Ganzen ziemlich seltenen Käfer auf den Gallen von terminalis 
häufiger gefunden; er höhlt mit seinem langen, dünnen Rüssel einen 
senkrechten Gang aus, legt ein Ei hinein und schiebt es dann mit dem 
Rüssel an das Ende des Ganges. Nachher frisst sich die dem Ei ent- 
schlüpfende Larve in verschiedenen Richtungen durch die Galle. Da 
gewöhnlich mehrere Eier in eine Galle gelegt werden, so wird dieselbe 
von den Larven so vollständig durchwühlt, dass oftmals keine einzige 
Larvenkammer unzerstört bleibt. 

Wespe: Länge 3 mm, von gleichmäßig gelber Farbe, Hinterleib 
dunkler, namentlich auf dem Rücken; Männchen sind heller gefärbt. 
Die Weibchen sind flügellos oder mit ganz rudimentären Flügelstummeln, 
die Männchen geflügelt. 

Zuchtversuche: Die ersten Versuche stellte ich im Juli 1876 
an; ich brachte eine größere Anzahl von Wespen auf eine kleine Eiche 
unter einen Zwinger und beobachtete sie mehrere Tage hindurch im 
Zimmer. Als die Wespen anfingen ihre Eier zu legen, war mir zunächst 
sehr auffallend, dass sie nicht bloß in die Wurzelrinde, sondern auch in 
die Knospen, ja sogar in die Blattstiele hineinbohrten. Um gegen jede 
Täuschung sicher zu sein, untersuchte ich angestochene Knospen und 
Blattstiele; ich fand allerdings den Bohrkanai und in demselben das Ei. 
Es wurde jetzt der Zeitpunkt der Gallenbildung abgewartet; gegen Ende 
August gewahrte ich aus mehreren Knospen, aus einem Blattstiele und 
aus mehreren Stellen der Wurzelrinde gleichzeitig kleine lebhaft rothe 
Gallen hervorbrechen. Sie wuchsen nur langsam weiter; Ende Sep- 
tember hatten die Wurzelgallen zum Theil einen Durchmesser von Y, bis 
i cm erreicht, die Knospen- und Blattstielgallen dagegen waren nur so 
groß wie eine Erbse. Im Oktober verloren die beiden letzteren ihre 
lebhafte rothe Farbe und trockneten ein. Die Wurzelgallen schienen 
anfänglich gut zu durchwintern, gingen aber schließlich auch ein, so 
dass es mir nicht gelang eine Wespe zu erhalten. 

Im Juli 1878 wiederholte ich den Versuch; neben einzelnen Kno- 
spengallen erhielt ich mehrere Wurzelgallen, die ich zur völligen Ent- 
wicklung brachte. Im Oktober hörte das Wachsthum der Gallen auf; 
sie waren noch von weicher saftiger Konsistenz, die Larven sehr klein. 
Erst im nächsten Frühjahre wuchsen sie aus und begannen zu verholzen. 
Durch einen unglücklichen Zufall erhielt ich freilich keine Wespen aus 
diesen Gallen. 

Interessant war in diesem Falle die schon erwähnte Beobachtung, 


196 H. Adler, 


dass Teras terminalis auch Knospen ansticht. Die Annahme, dies sei 
nur als ein Irren des Instinktes aufzufassen, scheint mir sehr misslich. 
Ich sehe in dieser Erscheinung vielmehr eine von der aptera-Generation 
ererbte Eigenthümlichkeit. Die beiden Generationen sind einander so 
außerordentlich ähnlich, dass abgesehen von den bei terminalis stets 
vorhandenen Männchen zwischen den beiden weiblichen Wespen kein 
bestimmter Unterschied aufzufinden ist. Diese nahe Verwandtschaft be- 
kundet sich dann auch darin, dass bei Teras terminalis zum Theil die 
Gewohnheit fortbesteht, wie die Mutterwespe, Knospen anzubohren. 

Auffallend bleibt in diesem Falle die große Ähnlichkeit der beiden 
Wespen trotz der so verschiedenen Entwicklung und Lebensweise. Da 
aptera flügellos ist so kann es von vorn herein nicht Wunder nehmen, 
dass die terminalis-Generation ebenfalls der Flügel entbehrt, jedoch ist 
dabei der Umstand zu berücksichtigen, dass die Männchen stets mit 
vollkommenen Flügeln ausgerüstet sind und dass auch manche Weib- 
chen kurze Flügelstummel besitzen. Soll man diese Rudimente als Or- 
gane betrachten, welche in der Rückbildung oder in der Ausbildung 
begriffen sind? Ich glaube in diesem Falle muss die Entscheidung da- 
von abhängen, ob der Besitz der Flügel den Weibchen einen größeren 
Vortheil als die jetzigen Rudimente gewähren würde. Wenn man aber 
die Wespen beim Stechen beobachtet, so wird es bald klar, dass voll- 
kommene Flügel ihnen von keinem größeren Nutzen sein können. Um 
die Stätte aufzusuchen, an denen sie ihre Eier absetzen soll, bedarf die 
Wespe der Flügel nicht, da sie nur nöthig hat an dem Stamme hinunter 
zu kriechen, um an die Wurzel zu gelangen. Aber auch in die Erde 
selber muss sie eindringen und das bewerkstelligt sie in der Weise, dass 
sie rückwärts hinabsteigt, indem sie mit dem Hinterleibe voran sich 
den Weg bahnt. Bei diesem Eindringen in die Erde würden ihr aber 
die Flügel nur hinderlich sein. Daraus geht hervor, dass die Flügellosig- 
keit entschieden von Vortheil für die Wespe ist. 

Einer auffallenden Erscheinung bei den Zuchten von Teras termi- 
nalis muss noch gedacht werden; es zeigt sich nämlich, dass, während 
einzelne Gallen beide Geschlechter liefern, andere dagegen nur Weib- 
chen oder nur Männchen liefern. Es hat darnach den Anschein als 
wenn von einzelnen aptera-Exemplaren nur Männchen, von anderen 
nur Weibchen producirt würden. Man muss daher annehmen, dass 
schon die Eikeime zu den verschiedenen Geschlechtern differenzirt wer- 
den, denn auf einen andern Umstand, wie die verschieden reichliche 
Nahrung der Larven, wird man diese Erscheinung nicht zurückführen 
können. 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. | 197 


18) Biorhiza renum Hte. 


Galle: Die kleine, nierenförmige Galle findet sich gewöhnlich in 
größerer Anzahl an der Unterseite der Eichenblätter, in Reihen an den 
Blattrippen sitzend; sie ist von grünlicher oder gelblicher Farbe, bis- 
weilen etwas roth angeflogen. Die Galle bildet sich erst im September, 
erreicht im Oktober ihre Reife und fällt dann zur Erde (Fig. 18). 


Die Zucht der Wespe gelingt trotz des oft massenhaften Vorkom- 
mens der Gallen nicht immer leicht. Wenn im Oktober die Gallen ab- 
fallen, ist die Larve noch nicht ausgewachsen, es müssen daher die ein- 
gesammelten Gallen sorgfältig auf feuchtem Sande aufbewahrt werden. 
Haben sie allmählich eine dunklere bräunliche Färbung angenommen, 
so kann man das Wachsthum der Larve als vollendet annehmen. Jetzt 
müssen die Gallen im Freien durchwintert werden. Die Larve ruhi 
dann das nächste Jahr bis zum Oktober, worauf sie in das Puppen- 
stadium übergeht. Die Wespe erscheint dann während des December 
und Januar. Eine Anzahl von Gallen bleibt übrigens immer zurück, 
aus denen die Wespen erst im dritten Jahre ausschlüpfen. 

Wespe: Länge 1,5 mm, ungeflügelt, das ganze Thier rothbraun, 
die Beine etwas heller gelbbraun. Thorax matt punktirt, Hinterrücken 
behaart. Abdomen fast sitzend, stark glänzend, auf dem Rücken des 
ersten Segmentes eine auffallende Skulptur, in der Mittellinie eine 
flache Rinne, daneben jederseits eine bucklige Hervorwölbung;; Fühler 
13gliedrig, Labialtaster zwei-, Kiefertaster viergliedrig. 


Zuchtversuche: Anfänglich war ich ganz im Unklaren dar- 
über, wie diese Wespe ihre Eier legen würde. Nur das ließ sich mit 
Bestimmtheit annehmen, dass die im Januar erscheinende Wespe nicht 
direkt die im September an den Blättern sich bildenden renum-Galler 
erzeugen würde. Nach der Konstruktion des Stachels war zu ver- 
muthen, dass sie Knospen anstechen würde. Es wollie mir zuerst gar 
nicht gelingen, die Wespe beim Eierlegen zu beobachten. Im Jahre 
1878 hatte ich im December eine Anzahl Wespen gezogen, welche ich 
auf eine kleine Eiche brachte; zunächst blieben sie unthätig sitzen, be- 
gannen aber endlich umherzukriechen und an den kleinen Adventiv- 
knospen des Stammes mit den Fühlern zu tasten; von diesen Knospen 
wurden darauf mehrere angestochen. 

Ende April des folgenden Jahres brach aus zwei Knospen eine kleine 
roth gefärbte Galle hervor, welche ich bald als die zu Trigonaspis crusta- 
lis gehörige erkennen konnte. 


198 Dan H. Adler, 


18%) Trigonaspis crustalis Htg. 

Galle: Die kuglige, saftreiche weiß oder rothe Galle ist von sehr | 
wechselnder Größe von der einer Erbse bis zu der einer Kirsche; sie 
findet sich meistens unten am Stamme älterer Eichen, hier oft dicht ge- | 
drängt; daneben kommt sie aber auch an kleineren letztjährigen Trieben ' 
vor; sie geht allemal aus einer Knospe hervor uhd ist daher keine | 
Rindengalle. An älteren Eichen findet sie sich freilich oftmals ganz unter ' 
Moos versteckt, so dass es den Anschein hat, als ob sie direkt aus der ' 
Rinde hervorginge, aber dieses ist nicht der Fall; wenn man die Basis 
der Galle untersucht, so wird man immer den Ursprung aus einer 
kleinen Knospe erkennen können (Fig. 18°). | 
Um die Wespe zu ziehen darf man die sehr saftreiche Galle erst 
kurz vor der Reife, Ende Mai, einsammeln. Die Mehrzahl der Wespen 
fliegt Anfangs bis Mitte Juni. | 
Wespe: Länge 4 mm, Kopf und Thorax schwarz ; Abdomen leb- 

haft gelbroth, nur an der Spitze schwärzlich, deutlich gestielt, glänzend, 
von rundlicher Form; Beine gleichfarbig gelbroth, Flügel sehr lang; 
Männchen und Weibchen sind von gleicher Färbung; Fühler des ersteren | 
15-, des letzteren 14gliedrig, Lippentaster 3-, Kiefertaster ögliedrig. 
Zuchtversuche: Ich hatte diese Wespe schon wiederholt im ' 
Freien beim Stechen beobachtet, ehe es mir gelang festzustellen, welche | 
Galle sie erzeugte. Der Bau des Stachels, welcher mit dem von Spathe- 
gaster Taschenbergi übereinstimmt, ließ erwarten, dass sie auch Blätter | 
anstechen würde und schließlich beobachtete ich bereits 1876 im Juni 
mehrere Wespen, welche an der Unterseite der Eichenblätter in die 
Blattrippen hineinbohrten. Ein Zufall bereitete mir damals eine schlimme 
Täuschung und veranlasste mich zu der Annahme, dass Trigonaspis 
crustalis die früher beschriebenen, auch an den Blättern vorkommenden 
scutellaris-Gallen erzeugt hätte. | 
Im Jahre 1878 habe ich aber mit Erfolg an eingezwingerten Eichen 
Zuchtversuche mit Trigonaspis crustalis angestellt. Es gelingt nicht 
schwer, die Wespen zum Stechen zu bringen, vorausgesetzt, dass man 
eine Eiche mit ganz zartem Laube zur Verfügung hat. An ganz ausge- 
wachsene Blätter machen sich die Wespen nicht heran, sie wählen 
nur solche, deren Blattrippen noch weich und zart sind. Auch pflegen 


1 Es waren am 24. Juni 1876 mehrere Blätter unter meinen Augen von Tri- 
gonaspis crustalis angestochen worden; im Juli bildeten sich an diesen Blättern die 
scutellaris-Gallen. Es waren dieselben Blätter also auch von Spathegaster Taschen- 
bergi angestochen worden; da ich versäumte später wieder nachzusehen, Kkonnie | 
ich nicht wissen, dass noch eine andere Galle an denselben Blättern sich bildete. 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 199 


sie erst gegen Abend zu stechen oder während des Tages nur im tiefen 
Schatten. Eine Befruchtung der Weibchen muss in diesem Falle wie- 
der vorausgegangen sein. 

Wenn die Wespe anfangen will zu stechen, so erkennt man dies 
sofort an der charakteristischen Stellung, die sie einnimmt; zuerst 
kriecht sie an der Unterseite der Blätter umher, unablässig mit den 
Fühlern tastend, endlich macht sie Halt, richtet den Hinterleib fast 
senkrecht gegen den Winkel, welchen Blattrippe und Blattfläche bildet 
und schneidet dann seitlich in die Blattrippe hinein. An einem einzigen 
Blatte macht erustalis ganze Reihen von Einschnitten ; man sieht hinter- 
her deutlich die in den Rippen zurückgebliebenen Verletzungen. Ich 
ließ vom 6. bis 12. Juni 1878 die Wespen gleichzeitig an zwei kleinen 
Eichen stechen ; den einen Topf behielt ich im Zimmer, den anderen 
brachte ich ins Freie. Es verstrichen die beiden nächsten Monate, ohne 
dass eine Spur von Gallenbildung zu bemerken war. Ende August 
untersuchte ich einige Blätter, fand auch von den noch immer kennt- 
lichen Sägeschnitten ausgehend einige Eier, welche einen lebhaft sich 
bewegenden Embryo enthielten. Endlich am 6. September brachen 
gleichzeitig aus mehreren Blattrippen kleine weibliche Gallen hervor; 
langsam wachsend waren sie erst nach drei Wochen deutlich als die 
Biorhiza renum-Gallen zu erkennen. An der einen Eiche bildeten sich 
60, an der anderen circa 70 Gallen. Hiermit war der Generations- 
cyklus vollständig beobachtet. 

Bei dem morphologischen Interesse, welches die beiden Generationen 
bieten, habe ich eine Abbildung der Wespen beigefügt (Fig. 18 und 18%). 

Ein Vergleich dieser beiden Generationen ergiebt ganz auffallendeDiffe- 
renzen; Form, Größe, Färbung des Körpers sind vollständig verschieden. 
Auch auf andere Theile des Körpers erstreckt sich die Verschiedenheit; 
bei erustalis sind die Fühler 14-, resp. Nögliedrig, Kiefertaster 5-, Lippen- 
taster 3gliedrig,, bei renum dagegen die Fühler A3gliedrig, Kiefertaster 
4-, Lippentaster 2gliedrig, endlich ist der Stachel von ganz abweichender 
Konstruktion (siehe die Abbildung). Bei diesen wesentlichen Verschieden- 
heiten würde man unter andern Umständen die beiden Generationen 
unbedenklich als zu verschiedenen Gattungen gehörig ansehen müssen. 


Anhang. 


19) Neuroterus ostreus Hrt. 


Obwohl es mir nicht gelungen ist, den Generationscyklus dieser 
Wespe festzustellen, schien es mir doch von Interesse zu sein, auch 
diese Art mit aufzunehmen. Obwohl sie bisher zu Neuroterus gezogen 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV.Bd. 1W3 


200 H. Adler, 


ist, unterscheidet sie sich von den früher beschriebenen Neuroterus- 
arten so wesentlich, dass ich es vorziehe, von diesen sie zu trennen. 


Galle: Die kleine zierliche Galle ist kugelrund, 1—2 mm im 


Durchmesser, geht gewöhnlich aus der Mittelrippe an der Unterseite der 


Eichenblätter hervor und ist zuerst von zwei bräunlichen Klappen um- | 
schlossen. Später wächst sie aus den Klappen hervor, die dann ab- 
fallen; sie ist von weißlicher oder gelblicher Farbe, sehr oft mit röth- 
lichen Flecken gezeichnet. Die Galle erscheint im August und Septem- | 


ber, und fällt zur Zeit der Reife zu Boden (Fig. 19). 


Wenn die Galle von den Blättern sich löst, ist die Larve noch klein; 
es müssen daher die eingesammelten Gallen noch eine Zeit lang auf | 
feuchtem Sande aufbewahrt werden. Es ist mir schwer gewesen eine 
größere Zahl dieser Wespen zu erziehen, weil die Mehrzahl aller Gallen | 
regelmäßig von Schmarotzern besetzt ist. Indessen habe ich so viel er- 
mittelt, dass die Wespe zu verschiedenen Zeiten erscheint; die früh | 
reifenden Gallen, welche schon Anfangs September ausgewachsen sind, | 
liefern die Wespe noch in demselben Jahre, gegen Ende Oktober; da- | 
gegen entwickeln sich in den Gallen, welche erst im Oktober reifen, die 
Wespen nicht mehr in demselben Jahre, durchwintern im Puppen- 


stadium und erscheinen im nächsten März. 


Wespe: Länge 2,5—3 mm, schwarz, Thorax matt, sparsam weiß- 
lich behaart, Schildchen rauh. Fühler an der Basis etwas heller, sonst 


schwarz ; Beine gleichfarbig gelbroth. 


Zuchtversuche mit dieser Wespe haben mir kein Resultat ergeben; / 
es wurden allerdings von Wespen, die im Oktober 1878 erzogen waren, | 
einige Knospen angestochen, jedoch ich erzielte keine Gallen. Dass aber 
bei dieser Art ein Generationswechsel stattfinden muss, ist nach der 
Bildungsweise der Galle nicht zu bezweifeln. Die im Oktober oder 
März fliegende Wespe kann nicht die im August erscheinende Galle 
direkt erzeugen; da diese Galle erst im Spätsommer aus einer Blait- | 
rippe entspringt, so muss von einer anderen Generation auch dorthin 


ein Ei geschafft worden sein. 

Ich möchte vermuthen, dass die zu Neuroterus ostreus gehörende 
geschlechtliche Generation in Spathegaster aprilinus zu suchen ist. Eine 
gewisse Ähnlichkeit und der Bau des Stachels, welcher dazu geeignet 
ist, in die Rippen der Blätter zu bohren, sprechen dafür. 


419%) Spathegaster aprilinus Gir. 
Galle: entspringt aus Knospen, von wechselnder Größe, kuglig, 


weißlich oder gelbgrün, an der Basis von den Knospenschuppen um- | 


geben. Sie ist sehr dünnwandig und enthält eine oder mehrere Larven- 


|] 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 201 


kammern, die oft schon durch äußere Abgrenzung sich zu erkennen 
geben. Die Galle erscheint Ende April oder Anfangs Mai und reift sehr 
schnell (Fig. 19%). 

Die Wespe fliegt hier Ende Mai. 

Wespe: Länge 2,5 mm, schwarz, Thorax etwas glänzend, Schild- 
chen gerunzelt, Hinterleib glänzend; Fühler schwarz, Beine dunkelgelb, 
Hüften und obere Hälfte der Schenkel schwärzlich. Männchen und 
Weibchen von gleicher Färbung. 

Zuchtversuche habe ich mit dieser Wespe nicht anstellen können. 

Von den sehr ähnlichen Spathegaster Taschenbergi und similis 
unterscheidet sich diese Art leicht durch den Stachel, der verhältnis- 
mäßig länger ist und vollständig spitz und gerade ausläuft. 


Bei den bisher beschriebenen Gallwespen der Eiche war die interes- 
sante Erscheinung zu beobachten, dass ein regelmäßiger Generations- 
eyklus vorkommt, der sich aus zwei mehr oder weniger verschiedenen 
Formen zusammensetzt. Dabei ist die eine nur im weiblichen Ge- 
schlechte vorkommende Generation auf rein parthenogenetische Fort- 
pflanzung angewiesen, die andere dagegen erscheint stets in beiden 
Geschlechtern und eine parthenogenetische Fortpflanzung ist bestimmt 
auszuschließen. Dieser bei den eben beschriebenen Arten vorkommende 
Generationswechsel schien mir ein ganz gesetzmäßiger und allgemeiner 
zu sein, so dass ich anfänglich glaubte, die Frage wegen der sogenann- 
ten agamen Gallwespen wäre damit erledigt, dass dieselben mit den 
geschlechtlichen einen zusammenhängenden Cyklus von Generationen 
bildeten. Indessen weitere Beobachtungen haben mir gezeigt, dass das 
Bestehen eines Generationswechsels nicht eine allgemeine für alle Eichen- 
gallwespen gültige Regel ist. Es bleiben eben einzelne agame Wespen 
übrig, bei denen kein Generationswechsel vorkommt. 

Diese allerdings nur wenigen Arten pflanzen sich stets in ununter- 
brochener Generationsfolge im weiblichen Geschlechte fort. Bei dem 
Interesse, welches es bietet, dieselben mit den anderen Arten näher zu 
vergleichen , lasse ich ihre Beschreibung folgen ; sie gehören sämmtlich 
zu dem schon früher erwähnten Genus Aphilotrix. 


20) Aphilotrix seminationis Gir. 


Galle: Von spindelförmiger Gestalt, gestielt oder sitzend, mit 
scharfen oder kaum angedeuteten Längskielen, von grüner, oft roth an- 
geflogener Farbe, zuerst behaart, namentlich an der Spitze, später 
meistens glatt. Die Galle kommt sowohl auf den Blättern als auf den 
Spindeln der Blüthenkätzchen vor. Bildet sich die Galle auf den 

4h* 


202 H, Adler, 


Blättern, so erleiden dieselben auffallende Deformitäten, indem die 
Blattfläche bald tief eingeschnitten, bald mannigfach verkrümmt ist; 
bildet sie sich an den Blüthenspindeln, so sind diese immer abnorm 
verdickt und bleiben fast den ganzen Sommer an dem Zweige sitzen, 
während sie sonst nach dem Verblühen abfallen. Die Gallen erscheinen 
Ende Mai, reifen im Juni und fallen dann zur Erde (Fig. 20). 

Diese Galle hat mit der callidoma-Galle eine große Ähnlichkeit, ist 
aber durch ihren Ursprung leicht zu unterscheiden, indem sie niemals 
wie callidoma aus einer Knospe hervorgeht. 

Die Zucht der Wespe geschieht ohne Schwierigkeit; die einge- 
sammelten Gallen müssen eine Zeit lang auf feuchtem Sande liegen, 
später im Freien überwintern; im nächsten April erscheint die Wespe. 
Einige Gallen aber ruhen das ganze Jahr und liefern erst im zweiten 
Jahre die Wespe. 

Wespe: Länge 3—4 mm, die Färbung ist nicht konstant gelb- 
braun bis dunkelbraun; die helleren Exemplare haben auf dem Mittel- 
rücken vier schwarze Linien von wechselnder Breite, gewöhnlich sind 
die Linien nicht scharf, sondern etwas verschwommen. Bei den dunkle- 
ren Exemplaren ist die Linienzeichnung kaum zu erkennen, der Rücken 
erscheint fast gleichmäßig dunkelbraun, nur das Schildchen ist hell. 
Die Seiten des Thorax sind weißlich behaart, im Übrigen ist er glatt 
und glänzend. Hinterleib oben dunkelbraun, an der Bauchfläche heller. 
Farbe der Beine wechselt von gelbroth bis braun, Hüften sind dunkel, 
Außenrand der Schenkel und Tibien schwärzlich. 

Zuchtversuche: Es kam bei dieser Art darauf an, mit absolu- 
ter Sicherheit die Fortpflanzung festzustellen. Desshalb habe ich drei 
Jahre hinter einander Zuchtversuche angestellt. Die in der ersten Hälfte 
des April ausschlüpfenden Wespen gehen bald daran, Knospen anzu- 
stechen. Sie verfahren dabei ähnlich wie die Neuroterus-Arten; der 
Stachel wird unter die Knospenschuppen geführt, gleitet bis zur Basis 
hinab und wird dann in das Innere der Knospe gebohrt, worauf das Ei 
unmittelbar an die Blattanlagen zu liegen kommt. Im Jahre 1876 stellte 
ich den ersten Versuch an; am 3. bis 5. April wurden mehrere Knospen 
angestochen, am 28. Mai bildeten sich zwei seminationis-Gallen. Im 
Jahre 1877 wurden vom 13. bis 15. April sieben Knospen angestochen, 
worauf ich im Juni vier seminationis-Gallen erhielt. Schließlich machte 
ich im Jahre 1878 einen Versuch mit Wespen, die aus den Blüthengallen 
gezogen waren, um mich von der Identität mit den aus Blattgallen 
stammenden zu überzeugen. Diese Wespen fingen auch bald an, die 
Knospen einer kleinen Eiche anzustechen und das Resultat war, dass 
sich Anfangs Juni fünf seminationis-Gallen an den Blättern bildeten. 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 203 


Bei der Bildungsweise dieser Galle ist die Eigenthümlichkeit zu 
beobachten, dass, wenn an der sich entfaltenden Blattfläche die Galle 
als kleines behaartes Knötchen erscheint, ein längerer Stillstand des 
Wachsthums eintritt. Es‘ dauert fast 14 Tage bevor sie weiter wächst, 
bei den an den Blüthenspindeln vorkommenden oftmals noch länger. 
Bei letzteren ist überhaupt das erste Zeichen der beginnenden Gallen- 
bildung eine oft ganz monströse Verdickung der ganzen Spindel. 


21) Aphilotrix marginalis Schltdl. 


Galle: Die theils kegelförmige, theils ovale Galle bildei sich an 
den Blättern, oft sitzen mehrere an einem Blatte; sie ist von grüner 
Farbe. oder röthlich gestreift, die Oberfläche mit unregelmäßigen Längs- 
kielen, unbehaart; die Galle ist immer ungestielt und sitzt mit breiter 
Basis dem Blatte auf, dessen Fläche eingeschnitten oder verzogen er- 
scheint in Folge der Gallenbildung. Die Galle erscheint im Mai und 
reift im Juni (Fig. 24). 

Die Zucht der Wespe ist wie bei der vorigen, sie erscheint ebenfalls 
im April. 

Wespe: 2,5—3 mm lang, in der Färbung der vorigen sehr ähn- 
lich (mit Sicherheit nur nach den Gallen zu unterscheiden). Einzelne 
Exemplare sind noch dunkler als die vorige, von schwarzbrauner Farbe; 
nur das Schildchen bleibt immer hell. Die Farbe der Beine ist wechselnd 
von gelbroth bis dunkelbraun. 

Zuchtversuche: Wiederholt habe ich mit dieser Wespe Zucht- 
versuche angestellt. Die im April ausschlüpfenden Wespen fangen bald 
an die Knospen anzustechen; sowohl 1876 als 1877 habe ich bei meinen 
Versuchen die Gallen erhalten. Die erste Andeutung der Gallenbildung 
ist eine kleine grüne oder meistens röthliche Verdickung der Blattfläche, 
welche sehr schnell weiter wächst. Um die Bildung dieser Galle mit 
der vorigen bequemer vergleichen zu können, machte ich im April 1879 
einen kombinirten Versuch, indem ich diese beiden letzien Arten zu- 
sammen auf einer kleinen Eiche Knospen anstechen ließ. Von den bei- 
den Wespen wurden mehrere Knospen unter meinen Augen angestochen; 
ich ließ sie noch mehrere Tage darauf verweilen. 

Im Mai waren die Anfänge der Gallen zu bemerken; die marginalis- 
Gallen waren bereits am 30. Mai vollkommen ausgewachsen, während 
die seminationis-Gallen erst als kleine behaarte Knötchen zu erkennen 
waren. Die viel schnellere Entwicklung der marginalis-Gallen, welche 
es mit sich bringt, dass die Reife zwei bis drei Wochen früher als bei 
seminationis erfolgt, dient zur sicheren: Unterscheidung der beiden 
Gallen. | | (er Ä 


204 H. Adler, 


22) Aphilotrix quadrilineatus Htg. 


Galle: Dieselbe ist von ovaler, bisweilen fast rundlicher Form, 
glatt oder mit unregelmäßigen Furchen und Kielen besetzt, von grüner 
oder röthlicher Farbe; sie kommt meistens an den Spindeln der Blüthen- 
kätzchen vor, ausnahmsweise aber auch an den Blättern; sie erscheint 
im Mai und reift im Juni (Fig. 22). ’ 

Diese Galle ist der vorigen so ähnlich, dass man sie nicht mit Be- 
stimmtheit unterscheiden kann ; wahrscheinlich ist sie also mit derselben 
identisch. Eben so wie seminationis seine Gallen auf Blättern und 
Blüthenkätzchen erzeugt, würde auch marginalis und quadrilineatus 
dieselbe Art darstellen, deren Gallen ebenfalls bald auf Blättern bald 
auf Blüthenkätzchen sich bilden. 

Obwohl diese Galle sehr häufig ist gelingt es doch nicht leicht die 
Wespen zu erziehen. Aus der Mehrzahl der Gallen entwickeln sich 
regelmäßig Schmarotzer, ferner entwickelt sich ein großer Theil der 
Larven erst nach zwei Jahren zum Imago ; werden daher die Gallen nicht 
so viel wie möglich unter den naturgemäßen Bedingungen aufbewahrt, 
so gehen sie zu Grunde. 

Nachdem die Gallen eingesammelt sind müssen sie zunächst auf 
feuchtem Sande liegen, bis sie eine braune Färbung annehmen, ein 
Zeichen, dass die Larve ausgewachsen ist. Dann ist es am besten sie 
im Freien an einem geschützten Orte hinzustellen, wo sie auch während 
des Winters verweilen müssen. Man kann dann sicher darauf rechnen 
einige Wespen im April zu erhalten. 

Wespe: Länge 2—3 mm, braunroth, Fühler dunkel, vier Striche 
auf dem Mittelrücken schwarz ; diese Zeichnung ist indessen sehr vari- 
abel, oftmals verbreitern sich die beiden mittleren Striche und fließen 
zusammen; bei sehr hellen Exemplaren dagegen sind sie oft kaum an- 
gedeutet. Thorax glatt und glänzend, an den Seiten etwas behaart, 
Schildchen rauh ; Hinterleib oben dunkelbraun, Hüften und Basis der 
Schenkel dunkel, eben so der Außenrand der Tibien, im Übrigen die 
Beine gelbbraun. 

Diese Art ist bisher sehr verschieden beurtheilt und beschrieben ; 
bei der großen Variabilität sowohl in der Färbung der Wespe als auch 
in der Form der Galle hat man eine ganze Reihe verschiedener Arten 
aufgestellt, die indessen alle derselben Form angehören. Auffallender- 
weise aber ist diese Art von dem ersten Beschreiber (Harrıc) zu dem 
Genus Andricus gestellt, weil er auch Männchen gefunden haben wollte. 
Woher dieser Irrthum entstanden ist, weiß ich nicht, jedenfalls steht 
so viel fest, dass Männchen nicht vorkommen, auch von keinem Ento- 


Über den Generationswechsel der Richen-Gallwespen. 205 


_ mologen später nachgewiesen sind. Die Zuchten aus den Gallen er- 
geben ohne Ausnahme Weibchen. 

Zuchtversuche mit dieser Art sind wieder dadurch erschwert, 
dass die Wespe nur die männlichen Blüthenknospen anzustechen pflegt. 
Da aber gelegentlich dieselben Gallen auch an den Blättern sich finden, 
so lag der Gedanke nahe, dass es gelingen würde von dieser Wespe Blatt- 
gallen zu erziehen. Bisher konnte ich aber nur einmal einen Zuchtver- 
such anstellen und derselbe lieferte mir kein Resultat. Wird aber er- 
mittelt, dass quadrilineatus eben so wohl an Blättern die Gallen erzeugen 
kann, wie an den Blüthenkätzchen, dann darf man diese Art gewiss mit 
marginalis vereinigen. Im Freien habe ich die Wespe wiederholt beob- 
achtet und Blüthenknospen anstechen sehen, so am 13. April 1878; die 
Wespe hat die Gewohnheit am Tage sich möglichst verborgen zu halten 
und erst gegen Abend die Knospen anzustechen. Ich bezeichnete da- 
mals sieben Knospen, die unter meinen Augen angestochen wurden und 
konnte im Mai die Wahrnehmung machen, dass an den Kätzchen sämmt- 
licher Knospen die quadrilineatus-Gallen sich gebildet hatten. 


23) Aphilotrix albopunctata Schltdl. 


Galle: Sehr zierliche Knospengalle, einer kleinen Eichel ähnlich, 
4—5 mm lang, von grünlichgelber oder bräunlicher Farbe mit weiß- 
lichen Flecken, an der Spitze mit deutlich abgesetztem Nabel. Die 
Galle bricht Anfangs Mai aus den Knospen hervor, reift bald und fällt 
Ende Mai zur Erde (Fig. 23). 

Die Wespe ist leicht zu ziehen und erscheint im nächsten April; 
auch bei dieser Art erscheinen einige Wespen regelmäßig erst im zwei- 
ten Jahre. 

Wespe: Länge 3—4 mm, gelbbraun, Fühler schwarz mit Aus- 
nahme der Basalglieder, welche unten gelb sind, Kopf und Thorax gelb, 
auf dem Mittelrücken vier schwarze Striche, entweder scharf und schmal 
oder verbreitert, im letzteren Falle die beiden mittleren zusammen- 
fließend, Thorax glatt, an den Seiten behaart, Schildchen rauh. Hinter- 
leib gelb, oben schwarz, Beine gelbroth, Basis der Hüften dunkel. Die 
Wespe hat große Ähnlichkeit mit callidoma, ist aber durch die ange- 
gebene hellere Färbung der Fühler zu unterscheiden, welche bei jener 
ganz dunkel sind. 

Zuchtversuche: Im Jahre 1875 im April beobachtete ich die 
Wespe zum ersten Male, wie sie auf einer Knospe sitzend beschäftigt 
war dieselbe anzustechen. In Jahre 1876 stellte ich einen Versuch an, 
indem ich mehrere Wespen auf eine kleine Eiche brachte. Obwohl 
einige Knospen angestochen wurden, erhielt ich doch keine Galle. Bei 


206 H. Adler, 


einem neuen Versuche 1877, wo 10 Wespen am 14. April auf eine kleine 
Eiche gebracht wurden und darauf mehrere Knospen anstachen, gelang 
es mir die Galle zu erhalten. Am 10. Mai brach die erste Galle aus einer 
Knospe hervor, dann folgten noch vier, im Ganzen erhielt ich fünf albo- 
punctata-Gallen. Damit war die Frage entschieden, dass Aphilotrix 
albopunctata dieselbe Galle erzeugt, aus der sie hervorgeht. 


Im Vorstehenden habe ich die Lebens- und Fortpflanzungsweise 
einer Anzahl von Eichen-Gallwespen auf Grund mehrjähriger Beob- 
achtungen geschildert. Die vorgeführten Arten, der hiesigen Fauna an- 
gehörig, ergeben zugleich ein ziemlich vollständiges Bild der überall im 
nördlichen Deutschland vorkommenden Eichen-Gallwespen. An süd- 
deutschen Arten, also namentlich an denjenigen, welche ganz auf Quer- 
cus cerris angewiesen sind, habe ich bisher keine Beobachtungen an- 
stellen können. Ein weites Gebiet der Forschung und Beobachtung 
bleibt dort noch übrig. 

Die sämmtlichen in ihren Generationsverhältnissen beschriebenen 
Arten lasse ich jetzt der bequemeren Übersicht halber in einer tabel- 
larischen Zusammenstellung folgen , zunächst diejenigen , bei denen ein 
Generationswechsel, dann diejenigen, bei denen eine einfache Gene- 
rationsfolge stattfindet. 


I. Cynipiden mit Generationswechsel. 


Nr. || Parthenogenetische Generation | Flugzeit | Geschlechtliche Generation || Parthenogenetische Generation | Flugzeit Geschlechtliche Generation | Flugzeit 


A Neuroterus lenticularis April Spathegaster baccarum | Juni 
März | : 

3 N. laeviusculus April Sp. albipes Juni 
3 N. numismatis April Sp. vesicatrix Juni 
4 N. fumipennis Mai Sp. tricolor Juli 
5 Aphilotrix radicis is Andricus noduli August 
6 A. Sieboldi u A. testaceipes August 
April | Juli 
7 A. corticis Mai A. gemmatus August 
8 A. globuli April | A. inflator en 
9 A. collaris April a curvator Juni 
10 A. lecundatrix April A. pilosus Juni 
AA A. callidoma April A. cirratus Juni 
12 A. Malpighii April A. nudus Juni 
13 A. autumnalis April A. ramuli Juli 
Januar * Mai 

Ah Dryophanta scutellaris Fehrlär Spathegaster Taschenbergi juni 
45 D. longiventris November SD similis no 
Oktober Mai 

16 D. divisa |November! Sp. verrucosus Aa 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 207 


Nr. || Parthenogenetische Generation | Flugzeit | Geschlechtliche Generation | Flugzeit 
EEE EEE TEE EETTIERENDTRREET EBENE THFETUNUOWNREITTHT CANSTTo SHHUESNDESDIISTEREN 
a December a 
47 Biorhiza aptera Tafisr Teras terminalis Juli 
| December ; £ Mai 
| ST ß : 
18 B. renum | Januar Trigonaspis erustalis ar 
| November Br Mai 
r S 
49 Neuroterus ostreus März Spathegaster aprilinus? Ber 
! 


II. Cynipiden ohne Generationswechsel. 


Ausschließlich parthenogene- 


er | tische Art uliezeiı 
20 | Aphilotrix seminationis April 
24 | A. marginalis April 
22 A. quadrilineatus April 
3311| A. albopunctata April 


Il 


Kapitel IM. 
Über die Gallenbildung der Gallwespen. 


Bei der im vorigen Kapitel entworfenen Biographie der Eichen- 
Gallwespen ist wiederholt auf die Wichtigkeit einer genauen Erforschung 
der Gallen hingewiesen. Das Studium der Wespen muss mit den Gallen 
beginnen, sie liefern unter allen Umständen das beste und oft das 
einzige Unterscheidungsmerkmal nahe verwandter Arten, sie spielen 
endlich in der Ökonomie der einzelnen Art die wichtigste Rolle, weil 
die Zeit, während welcher sie dem Individuum, sei es als Larve, sei es 
als Imago, zum Aufenthalte dienen, die längste in der ganzen Lebens- 
dauer ist. Ich will daher versuchen eine allgemeine Darstellung der 
Gallenbildung zu geben. 

Trotz der großen Mannigfaltigkeit der Gallen in Form und Bildungs- 
weise, in Größe und Aussehen können wir sie doch auf einen gemein- 
samen Ursprung zurückführen. Mögen sie aus Knospen oder Blättern, 
aus der Rinde des Stammes oder der Wurzel hervorgehen, der Mutter- 
boden, aus dem sie entspringen, hat stets die gleiche physiologische 
Dignität. Dieser ist nämlich diejenige Zone bildungsfähiger Zellen, welche 
als CGambiumring bezeichnet, von den feinsten Wurzelfasern beginnend 
bis in die Blattflächen hinaufsteigt und wie ein Schlauch die ganze 
Pflanze umhüllt. Von den Zellen des Cambiumringes geht das ganze 
vegetative Leben aus; diese Zellen sind Stätten eines regen Stoffwechsels, 
sie sind noch nicht zu einem stabilen Gewebe differenzirt, sondern 
stehen vor einer Periode lebhafter Entwicklungsvorgänge. Ein derartiges 


208 -H. Adler, 


Gewebe, welches die genannten Eigenschaften besitzt, ist die Grundbe- 
dingung für die Gallenbildung. 

Nachdem also in die Region dieses Gewebes ein Ei von der Gall- 
wespe hineingeschafft worden ist, was erfolgt dann? Zunächst hat der 
Akt des Eierlegens an sich gar keine Wirkung. Der bloße Stich und die 
dadurch gesetzte Verwundung des Pflanzengewebes giebt noch keinen 
Anlass zur Gallenbildung. Allerdings wurde bisher vielfach ange- 
nommen, dass durch den Stich der Gallwespe und ein gleichzeitig er- 
gossenes Drüsensekret eine specifische Zellenthätigkeit angeregt würde, 
welche der Gallenbildung zu Grunde liegt. Es lag diese Vermuthung 
um so näher, weil man aus vielen Vorgängen bei den Pflanzen schließen 
konnte, dass der Reiz, den eine Verwundung mit sich bringt, eine ge- 
steigerte Zellenproduktion bewirken kann; ein Beweis dafür sind die 
Überwallungen der Rinde an Sägeschnitten. Nach analogen Erschei- 
nungen der thierischen Gewebe dachte man sich, dass die Zelle auf den 
traumatischen Reiz in der Weise reagirte, dass sofort eine Zunahme des 
Stoffwechsels und damit eine Produktion neuer Zellen stattfände. Dazu 
kam für die Gallwespen die sehr verführerische Hypothese, dass durch 
das aus der Giftdrüse gleichzeitig in die Wunde ergossene Sekret ein 
specifischer Reiz auf die Zellenthätigkeit ausgeübt werde und dass auf 
diese Weise jede Art ihre besonders geformte und ausgerüstete Galle 
erzeugte. Bei dieser Voraussetzung blieb freilich nichts Anderes übrig 
als jeder Art ein specifisches Sekret zuzuschreiben. Diese Ansicht über 
die Gallenbildung findet man noch bis in die jüngste Zeit, z. B. von 
Lussock ! ausgesprochen. Es hat aber bereits 1873 Professor Tuomas in 
Ohrdruf sich gegen diese Erklärung der Gallenbildung ausgesprochen. 
Nach meinen vielfachen Untersuchungen bin ich zu demselben Resultate 
gekommen, dass bei den Eichen-Gallwespen der bloße Stich der Wespe 
die Gallenbildung nicht hervorruft, dieselbe vielmehr erst dann beginnt, 
wenn die Larve aus dem Ei hervorgegangen ist. 

Zu erwähnen aber ist, dass dieser Ausspruch zunächst nur für die 
Eichen-Gallwespen Gültigkeit hat, denn es giebt Gallen erzeugende 
Wespen aus einer anderen Klasse der Hymenopteren, welche die Gallen 
in der früher angenommenen Weise erzeugen. Bei einer Art Nematus 
Vallisnierii habe ich diesen Vorgang genauer untersucht. Die Wespe 
mit einem feinen sägeartigen Stachel ausgerüstet schneidet in die zarten 
Blättchen der Endtriebe von Salix amygdalina ein und schiebt ihre Eier 
in die geöffnete Wunde hinein ; häufig werden in dasselbe Blatt mehrere 
Eier gelegt. In die Wunde des Blattes fließt gleichzeitig von dem Drüsen- 


1 LUBBOCK, Ursprung und Metamorphosen der Insekten. 1876. p. 8. 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 309 


sekret etwas hinein. Schon wenige Stunden nach der Verletzung nimmt 
die Blatifläche ein anderes Aussehen an und es beginnt eine reichliche 
Neubildung von Zellen, die bald zu einer umschriebenen Verdickung 
der Blattfläche führt. Nach Verlauf von etwa 14 Tagen ist die bohnen- 
förmige, grünlich-röthliche Galle vollständig ausgewachsen. Öffnet man 
sie jetzt, so liegt in dem kleinen centralen Hohlraume immer noch das 
Ei, die embryonale Entwicklung ist noch nicht vollendet; erst nach drei 
_ Wochen schlüpft die Larve aus. Sie findet rings um sich das fertige 
Ernährungsmaterial vor. In diesem Falle wird also durch die von der 
Wespe bewirkte Verwundung sofort die Zellenthätigkeit zu einer Gallen- 
bildung angeregt. 

Bei einer anderen Abtheilung Gallen erzeugender Insekten, den 
Gecidomyia-Arten, kann wieder von einer Verwundung der Pflanzenzelle 
keine Rede sein, weil ihnen der Stachel fehlt. Sie vermögen das Ei nur 
mit einer lang vorstreckbaren Legeröhre in eine sich öffnende Knospe zu 
schieben; die ausschlüpfende Larve ruft erst die Gallenbildung hervor. 

Bei den Gallwespen wird ebenfalls erst durch die ausschlüpfende 
Larve die Galle erzeugt, wie sich unschwer nachweisen lässt. Bei den 
Zuchtversuchen wiederholt sich nämlich immer die Erscheinung, mögen 
die Wespen in Knospen oder in Blätter ihre Eier gelegt haben, dass 
nach dem Stich zunächst keine Reaktion des betreffenden Pflanzenge- 
webes eintritt. Öffnet man die Knospen, in welche Eier gelegt sind, so 
findet sich im Innern der Knospe , abgesehen von dem feinen Stichkanal 
gar keine Veränderung, so lange die Larven noch nicht ausgeschlüpft 
sind. Bei den Blätter anstechenden Gallwespen lässt es sich noch 
leichter kontrolliren. Ist z. B. von Spathegaster baccarum ein Blatt an- 
gestochen, so sieht man deutlich die Stelle wo der Stachel eingedrungen 
ist, aber während der ersten 14 Tage tritt eine weitere Veränderung 
der Blatifläche nicht ein, sondern erst mit dem Ausschlüpfen der Larve. 
Unzweifelhaft wird bei dem Stechen gleichzeitig etwas Sekret der Gift- 
drüse in die Wunde gelangen, welches eben den vom Stachel gemachten 
Schnitt in die Blattfläche verkleben soll; aber irgend einen Reiz auf die 
Zellenthätigkeit übt dieses Sekret nicht aus. Noch weit frappanter ist 
dieser Vorgang bei Trigonaspis crustalis; wenn von dieser Wespe im 
Mai Blätter angestochen worden sind, so vergehen Monate, bevor eine 
Spur von Gallenbildung zu bemerken ist. Die Wespe schneidet mit 
ihrem ziemlich kräftigen Stachel in die Blattrippen hinein und hinter- 
- lässt dadurch eine deutliche Spur, wo ein Ei abgesetzt wurde. Man kann 
von dieser geführt leicht einige Eier aufsuchen; erst im September 
schlüpfen die Larven aus und dann beginnt die Gallenbildung. 

Natürlich wird es von Interesse sein, den Zeitpunkt wahrzunehmen, 


210 H. Adler, 


wo die Larve dem Ei entschlüpft und die Gallenbildung einleitet. Leider 
ist dies recht schwierig. Mag das Ei in einer Knospe oder in einem | 
Blatte eingeschlossen sein, stets ist es dem Blicke entzogen und es hält | 
schwer den Moment abzupassen, wo die Larve ausschlüpft. Es ist mir 
gelungen einige Male bei Neuroterus laeviusculus und Biorhiza aptera | 
dieses Stadium zu beobachten. In dem Augenblicke nun, wo die Larve 
die Eihaut durchbrochen hat und zum ersten Male mit den feinen Kiefern | 
die nächstgelegenen Zellen verwundet, beginnt eine rapide Zellen- 
wucherung. Dieselbe geht so rasch von statten, dass, während die 
Larve mit dem Hinterleibsende noch in der Eihaut steckt, vorn bereits 
eine wallartige Wucherung von Zellen sich erhebt. Man kann sich freilich 
diese schnelle Zellenvermehrung wohl erklären, weil der von der Larve 
ausgehende Reiz im höchsten Grade bildungsfähige Zellen triffı, die 
alle Bedingungen zu neuem Wachsthume in sich vereinigen. 

Zunächst bilden sich um die Larve herum Zellen, die von den um- 
gebenden Parenchymzellen, aus denen sie hervorgehen , nicht zu unter- 
scheiden sind. Es scheint bei der Gallenbildung sich immer der Vor- 
gang zu wiederholen, dass zunächst nur eine einfache Zellenvermehrung | 
stattfindet. Die Galle ist nicht anzusehen wie ein Parasit, der in das | 
umgebende Gewebe hineinwächst, sondern besteht zunächst aus den- 
selben Elementen wie dieses und substituirt dasselbe. Daher erfolgt im 
Allgemeinen das Wachsthum der Galle nach Maßgabe der betreffenden 
Zellenschicht, in welche das Ei gelegt wurde. Nehmen wir den einfach- 
sten Fall, dass das Ei in ein Blatt gelegt wurde. Dann beginnt die 
Gallenbildung in der Lage bildungsfähiger Zellen an der unteren Blatt- 
fläche; die oberen Schichten des Blattes bestehen aus stabil gewordenen 
Zellen, die sich nicht weiter verändern, auf einen Reiz, der sie trifft, 
nicht reagiren und zu keiner Bildung neuer Zellen fähig sind. Nur von 
den Zellen der unteren Fläche kann eine Neubildung ausgehen. Die 
Gallenbildung nimmt nur einen kleinen Bezirk umgebender Zellen in | 
Anspruch, erhält aber bald die eigenen neu gebildeten Gefäßstränge und 
beginnt dann als selbständiges Gebilde weiter zu wachsen. 

Anders verhält es sich, wenn das Ei in eine Knospe gelegt war und 
_ die ausschlüpfende Larve eine der kleinen Blattanlagen vorfindet. Die- 
selbe besteht noch aus gleichwerthigen Zellen, welche, mögen sie der 
oberen oder unteren Blattfläche entsprechen, alle in gleicher Weise eni- 
wicklungsfähig sind; in Folge dessen nehmen sie alle an der Gallen- 
bildung theil und es entsteht ein vollständiger Defekt in der späteren 
entfalteten Blaitfläche; wir haben eine sogenannte durchwachsene Galle 
vor uns. | 
Anders wiederum verhält es sich, wenn das Ei in den Cambiumring 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 211 


der Rinde gelegt wird. Hier bildet sich zuerst um die Larve eine Zellen- 
wucherung, die sich von den umgebenden Zellen des Gambiumgewebes 
gar nicht unterscheidet. Im weiteren Verlaufe tritt scharf ein polarer 
Gegensatz hervor; die periphere Zone des Cambiumringes liefert die 
Epidermiszellen der Rinde, die centrale dagegen die Holzzellen. Eben 
so bildet sich ein centrumwärts verholzender Pol der Galle, dagegen ein 
peripherer aus saftreichen Parenchymzellen bestehender. Wir wissen 
aber, dass alle Rindengallen mit ihrer verholzten Basis mehr oder weni- 
ger tief in den Holzkörper hineinreichen, dagegen mit der anfänglich 
stets weichen und fleischigen Spitze aus der Rinde hervorragen. 

Die um die Larve herum sich bildenden Zellen lagern sich in regel- 
mäßigen concentrischen Kreisen. Aber bei der Zellwucherung bleibt es 
nicht, auch der Stoffwechsel der Zellen wird alterirt. Die der Larve 
zunächst liegenden Zellen schwellen an, ihr Inhalt wird trübe und es 
zeigt sich eine Anhäufung von Amylumkörnchen. Diese erste Anlage 
der Galle bezieht ihr Nahrungsmaterial zunächst aus dem umgebenden 
Gewebe, erhält später aber eine größere Selbständigkeit, indem ein 
neues Element zum weiteren Aufbau hinzukommt. Von den in der 
Cambiumschicht liegenden Spiralgefäßen werden in die Gallenanlage 
Fortsätze getrieben. Der Eintritt dieser Gefäße erfolgt immer an einer 
umschriebenen Stelle, an der unteren Fläche der Galle, mag sie mit 
breiter Basis oder schmalem Stiel dem Mutterboden aufsitzen. 

Jetzt ist die Galle ein selbständiges Gebilde geworden, dem direk- 
ten Einflusse der umgebenden Zellenregion, aus welcher sie hervorging, 
entzogen. Die eigenartige Organisation äußert sich jetzt darin, dass es 
zu der komplicirtesten Umbildung der ursprünglich morphologisch 
gleichen Zellen kommt; namentlich sind es die peripheren Zellen, 
welche durch Aufnahme eigenthümlicher Pigmentstoffe oder durch Aus- 
wachsen zu verschieden gestalteten Haargebilden eine erstaunliche 
Mannigfaltigkeit der Differenzirung an den Tag legen. Wie freilich diese 
Differenzirung vor sich geht, die jeder Galle ihr individuelles Gepräge, 
wie räumliche und zeitliche Umgrenzung verleiht, das ist ein dunkler 
Punkt. 

Der Hauptzweck dieser Bildung ist im Allgemeinen der, für die 
Galle Schutzvorrichtungen zu liefern. Namentlich die Behaarung tritt 
in außerordentlich verschiedenen Formen auf, bald als zarter Anflug 
bald als dichter Filz. Bisweilen schwitzen die Härchen einen klebrigen 


Saft aus, der die Schmarotzer verhindert an die Galle heranzukommen;; 


auch glatte Gallen, wie Aphilotrix Sieboldi, secerniren einen Saft, der, 
wie schon erwähnt, Ameisen anlockt. Wie Wächter beschützen sie die 


212 H. Adler, 


Gallen, jagen andere Insekten fort und bauen oftmals einen Mantel von 
Erde um die Gallen. | 

Für den normalen Verlauf der Gallenbildung ist ferner der Einfluss 
der Larve ein nothwendiger Faktor. Denn es lässt sich nicht verkennen, 
dass, wenn vor dem abgeschlossenen Wachsthume der Galle die Larve | 
zu Grunde geht, jedes Mal eine Missbildung der Galle entsteht. Schon | 
bei Beschreibung der fecundatrix-Galle wurde erwähnt, dass in vielen 
Fällen sich eine kleine, rundliche, unentwickelte Innengalle findet und | 
dass diese regelmäßig Schmarotzer beherbergt; ähnlich geht es bei der | 
collaris-Galle, wenn sie von Schmarotzern angestochen wird; sie ver- | 
wächst dann anomalerweise mit der Knospenbasis. An den Gallen von | 
Aphilotrix Sieboldi finden wir häufig eine analoge Erscheinung; wird 
die in der Entwicklung begriffene Galle von einem Schmarotzer ange- 
stochen, so bleibt sie kleiner, ragt kaum aus der Rinde hervor, ist nicht, 
wie die normal entwickelte, regelmäßig gestreift, hat überall ein so ver- 
schiedenes Aussehen, dass man sie früher für eine besondere Art ge- 
halten hat. Jedenfalls steht so viel fest, dass der Einfluss der Larve | 
nicht bloß für die erste Anlage der Galle, sondern auch für die spätere, 
regelmäßige Ausbildung nothwendig ist. Kreisförmig lagern sich die 
ersten Zellen um die Larve und weisen damit auf den centralen Punkt 
hin, von dem ihr Wachsthum fortdauernd beherrscht wird. 

Erwähnenswerth ist hier noch ein Vorkommen, welches leicht einen ' 
verhängnisvollen Irrthum veranlassen kann. Es wird nämlich von einer 
später erscheinenden Gallwespe die von einer anderen früher fliegenden 
Art bereits hervorgerufene Gallenbildung auch als Stätte für die zu er- 
zeugende Galle benutzt. In einem Falle habe ich dieses Zusammentreffen 
genau beobachten können. Die Galle der Aphilotrix fecundatrix, welche | 
. von dem kleinen Andricus pilosus erzeugt wird, bildet sich Ende Juni 
oder Anfangs Juli; anfänglich erkennt man sie nur an einer Vergröße- 
rung und Ausdehnung der betreffenden Knospe. Um diese Zeit aber 
fliegt Andricus curvator, der seine Eier auch wieder in Knospen lest; 
bei dem häufigen Vorkommen der fecundatrix-Galle ereignet es sich nun 
gar nicht selten, dass Andricus curvator auch ein Ei in dieselbe Knospe 
legt, schon aus dem Grunde, weil der Stachel in die sich aufblähende | 
Knospe leichter eindringt. Später findet man dann an der Basis der 
. reifen fecundatrix-Galle zwischen den Knospenschuppen die collaris- | 
Galle, welche durch Andricus curvator erzeugt ist. Ich habe in einer 
fecundatrix-Galle mehrmals zwei und drei collaris-Gallen gefunden. Da | 
nun die collaris-Galle ihrer Kleinheit wegen leicht übersehen werden 
kann, so leuchtet es ein, dass bei einer Zucht der Wespe sehr leicht ein 
Zweifel über ihre Herkunft entstehen kann. Diese Eigenthümlichkeit | 


> 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 313 


von Andricus curvator, die Anlage der fecundatrix-Galle auch zu be- 
nutzen ist übrigens auch desshalb von Interesse, weil unzweifelhaft 
durch weitere Ausbildung dieser Gewohnheit die Inquilinen sich von 
dem Stamme der so nahe verwandten Gynipiden abgezweigt haben. Die 
zahlreichen Inquilinen der Eichen-Gallwespen, welche regelmäßig die 
Mehrzahl aller Gallen in Besitz nehmen, die schlimmsten Feinde für 
unsere Beobachtungen, sind in ihrer ganzen Organisation den echten 
Gallwespen so nahe verwandt, dass sie nur durch geringfügige Merk- 
male sich unterscheiden. Daher sind sie ohne Zweifel aus jenen hervor- 
gegangen. Durch Benutzung der schon gebildeten Galle wird für die 
Nachkommenschaft weit sicherer gesorgt und desshalb sind die Inqui- 
linen gewöhnlich viel leichter zu erhalten als die rechtmäßigen Erzeuger. 

Aus der früheren Beschreibung der einzelnen Gallen ist bekannt, 


dass dieselben sich an allen Theilen der Eiche bilden können, an den 


Blättern, Blüthen, am Stamme, an der Wurzel, in den Knospen. In 
allen diesen Regionen findet die Gallwespe dieselbe bildungsfähige Zone, 
in die das Ei nur hineingeschafft zu werden braucht, damit die aus- 
schlüpfende Larve die Gallenbildung anregen kann. Wir wissen auch, 
dass die Gallwespe in dieser Hinsicht mit richtiger Wahl verfährt, indem 
sie bald die zarten Blätter, bald die terminalen Knospen, bald die 
Blüthenknospen aufsucht. Gleichwohl bleibt eine Menge von Gallen aus, 
wie schon mehrfach erwähnt wurde, wenn auch unzweifelhaft ein Ei 
von der Wespe gelegt wurde. 

Woher rührt dieses häufige Ausbleiben der Gallen? Man könnte 
zunächst glauben, dass eine Störung der embryonalen Entwicklung ein- 
getreten wäre, allein dagegen muss ich bemerken, dass ich nur in 
seltenen Fällen ein abgestorbenes Ei gefunden habe, welches nicht zur 
Entwicklung gelangt war. Die Ursache liegt anders wo. Bei den ver- 
schiedenen Zuchtversuchen wurde wiederholt darauf aufmerksam ge- 
macht, dass regelmäßig eine große Anzahl von Gallen ausbleibt. Am 
deutlichsten lässt sich diese Erscheinung bei den Gallwespen nach- 
weisen, welche Knospengallen erzeugen und daher nur je ein Ei in eine 
Knospe legen. Von den im Sommer fliegenden Arten können natürlich 
nur Winterknospen angestochen werden, welche eigentlich für die 
nächste Vegetationsperiode bestimmt sind. In diesem Umstande könnte 
man einen Grund für das Ausbleiben der Gallen suchen und annehmen, 
dass die vorzeitige, anomale Entwicklung der Winterknospen oftmals 
nicht eintritt. Allein nach allen Beobachtungen kann dieses allein nicht 
die Ursache sein, die Hauptbedingung für die Entstehung der Galle ist 
die richtige Lage des Eies. Die Gallenbildung wird nicht ausbleiben, 
wenn die aus dem Ei schlüpfende Larve das dafür erforderliche 


214 H, Adler, 


Zellenterritorium trifft. Zu dem Ende aber muss von der Wespe mit 
der größten Genauigkeit das Ei gelegt werden. Gerade in den Fällen, 
wo Winterknospen angestochen werden, muss das Ei genau in die Zone 
des Cambiumringes, der sich als ein schmaler Saum in die Basis des 
Knospenkegels erstreckt zu liegen kommen. Wir sehen nämlich, dass 
aus den angestochenen Winterknospen ausnahmslos nur Knospen-, nie- 
mals Blattgallen hervorgehen, ein Beweis dafür, dass eine Entfaltung der 
Blätter durch die Larve nicht erreicht werden kann, sondern dass nur 
von der Zone des Cambiumringes die Gallenbildung ausgehen kann. Wird 
also von der Wespe das Ei nicht ganz genau so gelegt, dass die aus- 
schlüpfende Larve den schmalen Cambiumring erreichen kann, dann geht 
sie zu Grunde ohne eine Galle zu bilden. Bedenkt man aber die große 
Schwierigkeit für die Wespe, jedes Ei so genau zu legen, so darf man 
sich nicht wundern, wenn viele Eier fehlerhaft zu liegen kommen. Man 
darf auch nicht glauben, dass die ausschlüpfende Larve sich in irgend 
einer Weise fortbewegen kann; dazu fehlen ihr die Hilfsmittel und 
überdies liegt das Ei von dem Gewebe der Knospe so fest umschlossen, 
dass schon aus diesem Grunde ein Weiterkriechen der Larve nicht mög- 
lich ist. 

Ich glaube wohl, dass in allen Fällen, wo Knospen in der Weise 
angestochen werden, dass die ausschlüpfende Larve eine Knospengalle 
erzeugt, das. häufigste Fehlschlagen eintritt; viel seltener kommt dies 
bei den Arten vor, welche Blattgallen erzeugen, weil in diesen Fällen 
die Wespe das umfangreichere Territorium der rudimentären Blattan- 
lagen innerhalb der Knospe benutzen kann. Gewiss wiederholt sich 
auch hier dasselbe, dass einzelne Eier nicht unmittelbar in den Bereich 
der Blattanlagen gelegt werden und desshalb zu Grunde gehen müssen. 

Dass eben eine fehlerhafte Lagerung des Eies der Hauptgrund für 
das häufige Ausbleiben der Gallenbildung ist, findet auch darin seine 
Bestätigung, dass in den Fällen, wo die Wespe nicht leicht die Zone der 
Cambiumschicht verfehlen kann, in der Regel kein Fehlschlagen beob- 
achtet wird. Dies gilt für die Wespen, welche in die Rinde und in die 
Blattfläche bohren ; es braucht nur die äußere Epidermislage durchbohrt 
zu werden. In annähernd gleicher Tiefe liegt stets die gesuchte Zellen- 
region, während bei den Knospen mit sehr verschiedener Ausbildung, 
bald längerem, bald kürzerem Bau der Knospenachse, das Maß für die 
Tiefe, bis zu welcher das Ei versenkt werden muss, ein sehr wechseln- 
des ist. 

Eng an die Vegetationsperioden der Eiche gebunden hört mit den: 
Abschlusse dieser Perioden auch für die Galle die weitere Entwicklung 
auf; daher sehen wir die meisten Gallen in einer jährlichen Periode sich 


Über den Generationswechsel der Richen-Gallwespen. 315 


vollenden. Einzelne Arten freilich giebt es, welche eine zweijährige 
Periode in Anspruch nehmen. In diesem Falle aber sind es allemal 
Rindengallen ; im ersten Jahre bildet sich die Anlage der Galle, deren 
Weiterentwicklung bis zum nächsten Frühlinge ruht, worauf mit der 
neuen Vegetationsperiode die Ausbildung der Galle erfolgt. 


Kapitel IV. 


Der Stechapparat, das Eierlegen, die Bedeutung und 
Funktion des Eistieles. 


Die Gallenbildung ist, wie aus dem Vorstehenden erhellt, ein kompli- 
_ eirter Vorgang und setzt bei der Wespe einen sehr vollkommenen Appa- 
rat voraus, damit auch jedes Ei genau an die Stätte geschafft wird, von 
welcher die Gallenbildung ausgehen kann. Wir sehen daher die Gall- 
wespen mit einem besonders konstruirten Stechapparat ausgerüstet. Bei 
der großen Wichtigkeit desselben scheint eine kurze Beschreibung am 
Platze zu sein. 

Der eigentliche Stachel besteht aus drei Stücken, für deren Be- 
zeichnung die einmal von KrarpzLin! eingeführte Nomenklatur beibehal- 
ten werden soll; es sind die Schienenrinne und die beiden Stechborsten. 
Die beiden Stechborsten sind paarige Stücke, auch die Schienenrinne 
ist an ihrem Ursprunge deutlich aus zwei getrennten Hälften zusammen- 
gesetzt; im weiteren Verlaufe aber sind die beiden Hälften fest zu einem 
Ganzen verschmolzen. Dieser Stachel ist nun mit zwei besonders ge- 
stalteten, während der Ruhelage im Hinterleibe ganz versteckten Chitin- 
platten verbunden, ich unterscheide diese beiden Platten als die vor- 
dere (äußere) und hintere (innere); über diese Bezeichnung kann kein 
Irrthum entstehen, wenn man den Stachel so vor sich legt, wie es der 
natürlichen Lage im Hinterleibe der Wespe entspricht. Die beigegebenen 
Zeichnungen zeigen allemal den Stachel in dieser Lage. Die beiden 
Platten sind, wie ein Blick auf die Zeichnungen lehrt, von sehr ver- 
schiedener Form und geben dadurch wesentlich dem Stechapparate der 
verschiedenen Arten sein besonderes Gepräge. Stets aber bleibt ihre 
Verbindung mit dem Stachel dieselbe, wie auch die Muskelgruppen in. 
derselben Weise bei den verschiedenen Stacheln sich wiederholen. 

Die Verbindung mit dem Stachel ist folgende; am Ursprunge jeder 
Stechborste befindet sich ein breites fast dreieckiges Ansatzstück (von 
KrarpeLin Winkel genannt), welches mit der vorderen wie mit der hinte- 
ren Platie gelenkartig verbunden ist. Es sind Charniergelenke, doch ist 


1 KrAEPELIN, Diese Zeitschr. Bd. XXIII. Heft 2. 1872. 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 15 


216 H. Adler, 


die Gelenkverbindung mit der hinteren Platte eine freiere und mehr | 
bewegliche wie die mit der vorderen Platte. Diese doppelte Gelenkver- | 
bindung der beiden Stechborsten hat einerseits den Zweck, dass sie | 
leicht hin und her geschoben werden können, andererseits dass sie nicht 
aus ihrer Lage weichen können. 

Um nun die Stechborsten in Bewegung zu setzen dienen verschie- | 
dene Muskeln, deren Zug aber zunächst nur auf die beiden Platten 
wirkt, mit denen die Stechborsten durch Gelenke verbunden sind. 
Jede durch Muskelkontraktion hervorgerufene Verschiebung der Platten | 
wird durch die Gelenkverbindung auch auf den Winkel übertragen und | 
dadurch die mit dem Winkel verbundene Stechborste in Bewegung ge- 
setzt. Die einzigen möglichen, aber für das Stechen auch nur noth- 
wendigen Bewegungen bestehen in einem Vor- und Rückgleiten der | 
Stechborsten. Gleichwohl dienen zur Ausführung dieser Bewegungen | 
mehrere Muskeln. Zunächst ist aber noch der zweite Theil des Stachels, | 
die Schienenrinne, zu betrachten. | 

Die Schienenrinne ist nur mit den beiden vorderen Platten ver- | 
bunden; wie der ganze Stechapparat ist sie dadurch ebenfalls paarig in 
ihrer Anlage. Von dem oberen Rande jeder vorderen Platte geht näm- | 
lich der sogenannte Bogen aus, der direkt in die Schienenrinne über- | 
geht. Da wo die beiden Bogen zusammenstoßen, ist der eigentliche 
Ursprung der Schienenrinne. An der unteren Fläche trägt die Schienen- 
rinne gerade an diesem Punkte einen stark chitinisirten Vorsprung (als 
Horn bezeichnet), der von Wichtigkeit ist, weil an denselben ein starker ' 
Muskel sich inserirt. Der Schienenrinne bleibt in Folge ihres Ursprunges 
und der Art ihrer Befestigung nur ein geringer Grad von Beweglichkeit. 

Das Chitingerüst des Stechapparates kommt zur Anschauung, wenn 
man den letzteren aus dem Hinterleibe der Wespe herausnimmt, er tritt 
aber auch beim Stechen mehr oder weniger hervor. Dagegen kann man 
sich über die Muskeln erst nach weiterer Präparation orienliren, um sie 
frei zu legen muss man die beiden Plattenpaare, die fest zusammenge- 
fügt sind und von einer besonderen Chitinhaut umschlossen werden, in 
der Mittellinie von einander trennen. Dann liegen an der inneren Fläche 
eines jeden Plattenpaares die zugehörigen Muskeln. Im Ganzen haben 
_ wir fünf Muskelpaare zu betrachten. | 

Beginnen wir mit der vorderen Platte, so sehen wir den ersten) 
recht kräftigen Muskel von dem oberen Dritttheile derselben, einem” 
vielstrahligen Fächer gleich, entspringen und mit starker Sehne an dem” 
Vorsprunge der Schienenrinne (von KrarpELın »Horn « genannt) sich an- 
setzen. Bei der Kontraktion wird dieser Muskel das Horn nach abwärts 
ziehen, dadurch wird die ganze Schienenrinne aus ihrer Ruhelage” 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 27 


gehoben und nach abwärts gerichtet; beim Stechen die erste einleitende 
Bewegung. 

Ein zweiter kleiner Muskel entspringt ebenfalls von der vor- 
deren Platte und zwar hauptsächlich vom Bogen, um sich mit einer 
langen Chitinsehne, neben dem vorigen an die Basis des Horns anzu- 
seizen. Bei der Kontraktion wird durch diesen Muskel die Schienen- 
rinne gegen die vordere Platte herangezogen. Er würde also der 
_ Antagonist des vorigen sein. Übrigens ist dieser Muskel von sehr 
wechselnder Stärke, bisweilen auf wenige Muskelfibrillen reducirt; bei 
Neuroterus laeviusculus fehlt er ganz; auch der vorige Muskel ist bei 
dieser Wespe außerordentlich schwach entwickelt. 

Ein dritter kräftiger Muskel entspringt von der mehr oder 
weniger hakenförmig gebogenen Spitze der vorderen Platte und von 
dem Rande des Ausschnittes, in welchem der Winkel liegt. Dieser 
Muskel setzt sich in einer langen Ansatzlinie an eine starke Chitinleiste 
- der hinteren Platte. Bei der Kontraktion zieht dieser Muskel die hintere 
Platte nach aufwärts. Diese Bewegung der Platte überträgt sich auf 
den Winkel und die mit demselben verbundene Stechborste. Das 
Resultat ist, dass die letztere vorgestoßen wird. Diese Bewegung ist 
von der größten Wichtigkeit, denn durch die vorstoßende Stechborste 
wird die erste Öffnung gemacht, durch welche der ganze Stachel in das 
Pflanzengewebe eindringt. 

Ein vierter sehr kräftiger Muskel entspringt von einer 
scharf vortretenden Leiste der vorderen Platte, um sich an die obere 
Hälfte der hinteren Platte anzusetzen. Durch die Kontraktion dieses 
Muskels wird die hintere Platte gegen die vordere gezogen und dadurch 
die vorgestoßene Stechborste wieder zurückgezogen. Es ist also dieser 
Muskel der Antagonist des vorigen. 

Ein fünfter Muskel endlich entspringt von dem Rande des 
Ausschnittes in der vorderen Platte und inserirt sich auf der hinteren 
Platte neben dem Muskel Nr. 3. In seiner Wirkung wird er den vorigen 
unterstützen. 

Die Wirkungsweise dieser eben beschriebenen Muskeln kann man 
bei ihrer versteckten Lage am lebenden Thiere direkt nicht beobachten, 
dagegen ist es möglich, die während des Stechens von dem Thiere 
gemachten Bewegungen zu verfolgen. Sehr gut eignet sich dazu Neuro- 
terus laeviusculus. Der lange Stachel dieser Wespe (siehe Fig. 2, 
Taf. XII), während der Ruhe im Hinterleibe verborgen, tritt beim 
Stechen allmählich hervor und mit ihm die beiden Plattenpaare. Da 
nun die eigentlichen Bewegungen der Stechborsten nur durch geringe 
Excursionen der Platten ausgelöst werden, so lässt sich an den frei 

15* 


218 H. Adler, 


liegenden Platten die Art dieser Bewegungen wahrnehmen. Das beste 
Beobachtungsobjekt verschafft man sich folgendermaßen. Man wartet 
ab, dass eine Neuroterus laeviusculus eine Knospe ansticht; ist nun der 
Stachel in die Knospe ganz eingedrungen, so versucht man mit raschem 
Zuge die Wespe von der Knospe fortzuziehen ; der Stachel sitzt aber zu 
fest und reißt ab. Mit ihm in Verbindung bleibt aber der ganze 
motorische Apparat und auch das große Ganglion, welches die Muskeln 
innervirt. In Folge davon werden die Stechbewegungen bis zum 
Absterben der Muskeln regelmäßig fortgesetzt. Man erkennt dann 
deutlich, dass die vordere Platte stets punctum fixum bleibt, dass da- 
gegen die hintere Platte auf- und niedergezogen wird. Durch diese 
einfachen Bewegungen der hinteren Platte wird das Hin- und Her- 
schieben der Stechborsten besorgt; beim Vorstoß der Stechborsten gilt 
es die schwerste Arbeit zu leisten, daher sind dafür zwei kräftige 
Muskeln bestimmt, während die leichtere Arbeit des Zurückziehens 
durch einen Muskel besorgt werden kann. Während des Stechens bleibt 
also die vordere Platte in Ruhe und daher nimmt die fest mit ihr ver- 
bundene Schienenrinne mehr einen passiven Antheil an dem Stechen: 
sie wird von der Wespe fest aufgestemmt und dringt in den von den 
Stechborsten geöffneten Bohrkanal nach. 

Es ist ferner zu untersuchen, auf welche Weise die Gallwespe mit 
diesem Apparat das Ei in die Knospe schafft. Bisher wurde der Vor- 
gang des Eierlegens der Cynipiden nach Harrıc so erklärt, dass das 
sehr dehnbare Ei durch den Stachel selbst hindurchgetrieben würde. 
Harrıc dachte sich, dass der Eiinhalt in den Eistiel eintrete und in dem 
kolbigen Ende des letzteren sich ansammle, nachdem aber der eigent- 
liche Eikörper in den betrefienden Pflanzentheil hineingeschafft sei, 
dorthin zurückströme. Harrıc wollte diese Annahme um so wahr- 
scheinlicher machen, weil sich das Ausströmen des Eidotters in den 
Eistiel an den Gynipideneiern leicht beobachten lässt; man kann diese 
Erscheinung leicht wahrnehmen, wenn die dem Ovarium entnommenen 
Eier nach Zusatz von Wasser unter dem Mikroskop betrachtet werden. 
Über die Bedeutung dieses Vorganges wird noch später die Rede sein. 

Diese Harrıe’sche Erklärung muss aber sofort aufgegeben werden, 
wenn man die Länge des Eistieles mit der des Stachels vergleicht. In 
allen Fällen ist der Stachel ein beträchtliches Stück länger als das Ei, 
wie ein Blick auf die Abbildungen der Taf. XII lehrt, wo der Stachel 
nebst zugehörigem Ei nach Photogrammen, die bei derselben Vergröße- 
rung aufgenommen, gezeichnet sind. Daraus folgt, dass das eine Ende 
des Eies nicht in den Pflanzentheil gesenkt werden kann, während das 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 219 


andere sich noch in der Scheide befindet. Damit aber fällt die Harrıc- 
sche Erklärung. 

Es ist aber auch ferner nicht möglich, dass das ganze Ei von dem 
Stachel aufgenommen wird und durch diesen hindurchgleitet. Denn 
der Stachel ist nicht einer Röhre mit centraler Höhlung zu vergleichen. 
Er besteht, wie angegeben, aus drei Theilen, die fest in einander gefügt 
sind; der obere ist die Schienenrinne, an deren unterer Fläche auf zwei 
Nuthen die beiden Stechborsten eingefügt sind. Die Schienenrinne 
enthält zwar einen centralen Hohlkanal, aber derselbe steht mit der 
Scheide in keiner Verbindung und dient dazu, einen Nervenast, eine 
Trachee und etwas Blutflüssigkeit aufzunehmen. Durch den Stachel 
hindurch, wie Harrıc es sich dachte, kann das Ei nicht passiren. Da- 
gegen ist zwischen den beiden Stechborsten so viel Spielraum, dass sie 
den Eistiel zwischen sich nehmen können. 

Schwierig aber ist die Ermittelung, wie schließlich das Ei in die 
Knospe befördert wird. Äußerlich erkennt man wohl die einleitenden 
Stechbewegungen, die von der Wespe ausgeführt werden, aber von 
dem Ei und seinem Transport kann man nichts wahrnehmen. Nur auf 
“ einem Umwege gelangt man zur Erkenntnis dieses Vorganges. Der Akt 
des Eierlegens erfordert bei Neuroterus laeviusculus eine geraume Zeit, 
etwa 15—20 Minuten. Wenn nun eine stechende Wespe in ihrer Stel- 
lung fixirt wird, indem man sie plötzlich in Chloroform oder Äther ein- 
taucht, so wird man nach Eröffnung der Knospe feststellen können, wie 
weit der Stachel eingedrungen ist und wo sich das Ei befindet. Würde 
man, wenn stets die Dauer des Eierlegens gerade 15 Minuten betrüge, 
von Minute zu Minute eine stechende Wespe in ihrer Stellung fixiren, 
so bekäme man nach Präparation der Knospen eine fortlaufende Reihe 
der verschiedenen Stadien der Geburt eines Eies. Dieses Ideal lässt 
sich freilich wegen praktischer Schwierigkeiten nicht erreichen. Einmal 
ist die Zeit, in welcher das Anstechen der Knospe ausgeführt wird, nicht 
immer dieselbe, andererseits sind die einzelnen Akte auch nicht von 
derselben Dauer, weil in dem einen Falle größere Widerstände für die 
Wespe zu überwinden sind als in dem andern. Es ist daher nur mög- 
lich, einzelne der verschiedenen Stadien kennen zu lernen und aus 
diesen den ganzen Vorgang sich zusammenzusetzen. 

Beginnen wir mit dem Momente, wo die Wespe den Stachel auf 
eine Knospe ansetzt. Als Ansatzpunkt wählt sie immer die Grenze 
einer der äußeren Deckschuppen und führt den Stachel unter dieselbe. 
Dann gleitet der Stachel unter den Schuppen bis an die Basis der 
Knospenachse. Schon dieser erste Akt erfordert seitens der Wespe 
große Anstrengungen ; man sieht oft, wie sie immer aufs Neue den 


220 H. Adler, 


Stachel ansetzt, ehe es ihr gelingt, ihn unter die Deckschuppen zu 
bringen. Bei Knospen mit sehr fest anliegenden Schuppen gelingt es 
ihr gar nicht, wesshalb sie die Knospen mit locker liegenden Schuppen 
vorzieht. Ist der Stachel bis zur Basis vorgedrungen, so wird er direkt 
gegen das Centrum der Knospenachse getrieben , bis die rudimentären 
Blätichen erreicht sind. Der so vom Stachel zurückgelegte Weg ist stets 
mehr oder weniger gekrümmt. An einer angestochenen Knospe sieht 
man bei sorgfältiger Präparation den Stichkanal ganz deutlich und kann 
demselben folgend die Richtung feststellen, welche der Stachel einschlug. 

Nachdem die Wespe den ersten Theil ihrer Arbeit vollendet und 
den Stachel bis in das Centrum der Knospe gebohrt hat, tritt ein Mo- 
ment vollkommener Ruhe ein; die Wespe sitzt unbeweglich auf der 
Knospe. Fixirt man sie rasch in dieser Stellung durch Eintauchen in 
Chloroform, so ist von dem Ei noch nichts zu sehen, es steckt noch in 
der Scheide. Es erfolgt also jetzt der zweite Theil der Arbeit, die Be- 
förderung des Eies in die Knospe. 
 DasEi gleitet mit dem umfangreichen Eikörper voran an die Basis 
des Stachels, zwischen die Anfangsstücke der beiden Stechborsten. An 
dem Punkte, wo die beiden Stechborsten in die Schienenrinne über- 
gehen, angelangt, gleitet der Eikörper darüber hin, indem die schmale 
zwischen den beiden Stechborsten offen bleibende Spalte ihn nicht 
aufzunehmen vermag. Aber der nachfolgende Eistiel gleitet zwischen 
die beiden Stechborsten , wird von ihnen gefasst und dann weiter ge- 
schoben. Auf diese Weise wird nun das Ei, mit nach außen hängendem 
Eikörper, an dem Stachel hinabgeschoben. 

Wenn nun schließlich das Ei in den Bohrkanal eintreten soll, der 
in das Gentrum der Knospe führt, so lehrt der Augenschein, dass un- 
möglich gleichzeitig Stachel und Eikörper diesen Kanal passiren können. 
Der Eikörper hat immer einen viel größeren Durchmesser als der 
Stachel. Desshalb wird jetzt der Stachel von der Wespe etwas zurück- 
gezogen, So dass der Stichkanal frei wird. Voran tritt der Eikörper ein 
in den Stichkanal, der Stachel folgt nach und schiebt ihn vor sich her; 
schließlich wird durch den Eistiel allein die Fortbewegung vermittelt, 
indem er durch das Hin- und Hergleiten der Stechborsten vorwärts ge- 
schoben wird. So gelangt das Ei an das Ende des Bohrkanals, der Ei- 
stiel dagegen bleibt in dem Kanal liegen. 

Man kann den ziemlich komplicirten Vorgang des Eierlegens in drei 
Stadien zerlegen. 

4) Der Kanal wird gebohrt, indem zuerst der Stachel unter den 
Deckschuppen an die Basis der Knospe gleitet, dann aber in das Gentrum 
der Knospenachse getrieben wird. 


7 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 2231 


2) Das Ei gelangt aus dem Ovarium an den Anfang des Stachels, 
der Eistiel wird zwischen die Stechborsten geklemmt und das Ei an 
dem Stachel hinuntergeschoben. 

3) Nachdem die Spitze des Stachels aus dem Stichkanal zurückge- 
zogen ist, tritt der Eikörper in denselben ein, wird von dem Stachel 
vorwärts geschoben, bis er an das Ende des Bohrkanals gelangt ist. 

Vergegenwärtigt man sich alle diese Manipulationen, so muss man 
darüber erstaunen, mit welcher Sicherheit dieselben von der Wespe 
ausgeführt werden und dabei muss die Wespe vielmals hinter einander 
diese Operation ausführen. Durch denselben Bohrkanal kann allemal 
nur ein Ei passiren, für ein zweites ist kein Platz vorhanden, weil der 
Eistiel des ersten Eies in dem Bohrkanal liegen bleibt. 

Diejenigen Wespen, welche in die Blatifläche ihre Eier legen, haben 
es natürlich viel leichter, weil sie nur eine so dünne Schicht zu durch- 
bohren haben. Die Einrichtung des Stechapparates bleibt aber dieselbe. 

Es muss noch einer Einrichtung des Stachelapparates gedacht wer- 
den, welche es der Wespe ermöglicht alle die zum Stechen erforder- 
lichen Operationen mit der größten Exaktheit auszuführen. Zu dem 
Ende ist das starre Chitingerüst an verschiedenen Stellen mit Tasthär- 
chen versehen. Die den Insekten eigenthümlichen Tastorgane, feine 
Härchen, die an ihrer Basis mit einer ganglionären Anschwellung einer 
sensibeln Nervenfaser zusammenhängen, finden sich an verschiedenen 
Stellen des Stachelapparates. Ganz konstant bei allen Hymenopteren 
kommen sie an den Bogen der vorderen Platte vor; ihre Anzahl variirt 
bei den verschiedenen Arten zwischen 20 und 50. Man darf diesen 
sehr zarten Härchen nicht irgend eine mechanische Funktion bei der 
Herausbeförderung des Eies zuschreiben. Sie sind nur Tastapparate, 
weil jedes Härchen mit einer Nervenfaser in Verbindung steht. Diese 
Nervenfasern entspringen aber alle aus dem großen Bauchganglion, 
welches auch die motorischen Äste zum Stechapparat abgiebt. Bei 
keiner anderen Abtheilung ist das Bauchganglion so mächtig entwickelt 
als bei den Hymenopteren, weil es den so komplicirten Stechapparat zu 
innerviren hat. Den über die Bogen vertheilten Tasthärchen kommt nun die 
wichtige Funktion zu, die Wespe genau über die Lage des Eies zu orien- 
tiren. Während das Ei an der harten Chitinhülle des Stachels hingleitet, 
kann die Wespe nur dadurch eine Empfindung von der Fortbewegung 
des Eies erhalten, dass von einer Etappe zur andern das Ei ein Tastbär- 
chen berührt und dadurch sein Fortschreiten bekundet. Daher stehen 
diese Härchen dicht gedrängt an der Stelle (an den Bogen), wo der Ei- 
stiel zwischen die beiden Stechborsten aufgenommen werden soll. Ge- 
rade hier kommt es darauf an, dass die Wespe genau orientirt ist, wo 


292 H. Adler, 


der Eikörper sich befindet. Wenn bis zu einem bestimmten Punkte das 
Ei gelangt ist, wird wahrscheinlich durch starkes Zurückziehen beider 
Stechborsten und dann folgendes Vorstoßen der Eistiel gefasst. Während 
dann das ganze Ei an dem Stachel hinabgeschoben wird, ist dafür ge- 
sorgt, dass die Wespe durch Tasteindrücke über den Fortgang des Eies 
unterrichtet wird. Es sind nämlich an der Schienenrinne namentlich 
gegen die Spitze hin Tastorgane vorhanden, freilich nicht in Form von 
Härchen, sondern als flache Hervorwölbungen der Chitinhaut auftretend. 
Übrigens finden sich bei einzelnen Hymenopteren (Platygaster) voll- 
ständige Härchen an der Spitze des Stachels. Der sensible Nervenast in 
dem centralen Hohlraume der Schienenrinne versorgt diese Tastapparate. 
In Folge dieser Ausstattung benutzt die Wespe den Stachel zugleich als 
eine empfindliche Sonde und wählt mit großer Sicherheit den Ort aus, 
wo das Ei abgesetzt werden soll. Die Wespe wäre sonst gar nicht im 
Stande innerhalb einer Knospe entweder die Blattregion oder den Vege- 
tationspunkt zu finden, an welchen das Ei gebracht werden muss, damit 
später eine Gallenbildung erfolgen kann. 

Ein weiterer Beweis für das feine Tastvermögen der Gallwespen 
liegt auch in der Thatsache, dass, wie früher erwähnt, manche Arten 
nur Blüthenknospen anstechen. Allerdings dienen hier der Wespe bei 
der Auswahl der verschiedenen Knospen zunächst die Fühler. Beob- 
achtet man eine Aphilotrix fecundatrix , welche auf verschiedene abge- 
schnittene Reiser gebracht ist, so bemerkt man bald, dass sie sorgsam 
tastend die Blüthenknospen herausfindet und diese ansticht. Allerdings 
kann es auch vorkommen, dass sie gelegentlich in eine Blatiknospe ein 
Ei legt, aber, als habe sie ihren Irrthum erkannt verlässt sie die Knospe 
gleich hinterher. Bei diesen Versuchen. machte ich selber die Probe, ob 
es möglich wäre Blatt- und Blüthenknospen zu unterscheiden. Gewisse 
Differenzen zwischen diesen beiden lassen sich nicht verkennen. In der 
Blüthenknospe findet sich die Anlage der Pollen als ein dickes, rund- 
liches Konvolut, welches einen größeren Umfang als die entsprechende 
Blattanlage hat. Es können nun in einer Knospe alle Blattanlagen durch 
Pollenanlagen vertreten sein oder es kommen beide zusammen vor. Je 
mehr Pollenanlagen sich in einer Knospe befinden, um so mehr verän- 
dern sich ihre Gontouren. Die ganze Knospe bekommt dadurch ein an- 
deres Ansehen; in der Mitte erscheint sie dicker als andere Knospen, 
gegen die Spitze aber stärker verschmälert. Ich bestimmte vorher, ob 
Blüthen- oder Blatiknospe und überzeugte mich, dass die Bestimmung 
in den meisten Fällen zutraf. Nachdem die Wespe mit ihren Fühlern 
eine Knospe genau untersucht, kann es vorkommen, dass der ein- 


ie 
; 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 223 


dringende Stachel sie eines anderen belehrt, worauf sie die Knospe 
verlässt und eine andere aufsucht. 

Der Umstand, dass mehrere Gallen ausschließlich auf den Kätz- 
chenblüthen vorkommen, spricht an sich schon dafür, wie sicher im 
Allgemeinen die Wespe die Blüthenknospen zu finden weiß. 

Bei der eben gegebenen Beschreibung des Eierlegens ist wiederholt 
darauf hingewiesen, dass der Eistiel dazu dient, das Ei hinauszuschaffen, 
indem derselbe von den Lanzen gefasst und fortgeschoben wird. Aber 
dies kann die eigentliche Funktion und Bedeutung des Eistieles nicht 
sein; dagegen sprechen folgende Thatsachen. 

Zunächst ist es schon auffallend, dass nur bei einer geringen Zahl 
von Hymenopteren überhaupt gestielte Eier vorkommen, dass sie nament- 
lich in den Familien der Pimplarier und Cryptiden, die zum Theil mit 
sehr langen Stacheln versehen sind, vollkommen fehlen. Wir dürfen 
daraus den Schluss ziehen, dass der Stiel nicht unbedingt nothwendig 
für das Hinausschaffen des Eies ist. 

Ferner unterscheiden sich die Cynipideneier wesentlich von den 
gestielten Eiern anderer Hymenopteren; bei ersteren sitzt der Eistiel 
immer an dem vorderen, bei letzteren an dem hinteren Eipole, es geht 
desshalb bei der Geburt des Eies bei ersteren der eigentliche Eikörper, 
bei letzteren der Eistiel voran. Allerdings passte dies für die Harrıc- 
sche Erklärung des Eierlegens sehr schlecht und so ist es gekommen, 
dass man mit Vernachlässigung der anatomischen Verhältnisse annahm, 
bei den Cynipiden werde auch zuerst der Eistiel geboren. Es sollte 
dann der Eiinhalt zuerst in den Eistiel und nachher in den Eikörper 
zurückströmen. Aber was wichtiger ist, der Eistiel des Gynipideneies 
zeigt eine ganz andere Entstehungsweise und einen ganz anderen Bau 
als der an gestielten Eiern anderer Hymenopteren. Betrachten wir ein 
gestieltes Tryphonidenei, so erscheint der sehr verschieden geformte 
Stiel als ein solider Anhang der Eihülle, welcher den Cuticularbildungen 
zuzurechnen ist. Seine Bestimmung ist die, in die Haut von Raupen 
eingebohrt zu werden. Ganz anders verhält sich der Stiel des Cynipi- 
deneies; derselbe ist kein bloßer Anhang, sondern enthält einen Hohl- 
raum, welcher mit der Dotterhöhle in direkter Verbindung steht, 


namentlich zeigt noch sein Ende eine größere, kolbige Erweiterung. 


Es kann daher ein Theil des Eidotters ungehindert in den Eistiel über- 
ireten, was, wovon noch die Rede sein wird, bei jedem Eierlegen auch 
stattindet. Dieser Bau des Cynipideneies lässt sich sehr deutlich bei 
einer früheren Entwicklungsstufe des Eifollikels im Ovarium erkennen. 
Es ist in Fig. 9, Taf. XII ein Theil einer Eiröhre von Neuroterus fumi- 
pennis dargestellt, welche dies Entstehen des Eistieles klar macht. An 


224 H. Adler, 


den jüngeren Eikeimen ist von dem Stiel noch nichts zu bemerken, bei 
diesen zeigt die Dottermasse eine cylindrische Form; dagegen bei der 
letzten weiter entwickelten Eizelle erkennt man deutlich an der flaschen- 
förmigen Gestalt, welche jetzt die Dottermasse einnimmt, den sich bil- 
denden Eistiel. Wie bei dem letzten Ei zu erkennen ist, bilden sich 
später auch an den jüngeren Eizellen die Eistiele und liegen schließlich 
an der einen Wand der Eiröhre dachziegelartig über einander. 

Um sofort die Bedeutung des Eistieles zu erkennen, ist es nöthig 
ein späteres Stadium der embryonalen Entwicklung zu betrachten. Es 
tritt nämlich bei der Entwicklung die auffällige Erscheinung ein, dass 
sich der Eikörper ausdehnt und vergrößert, in einzelnen Fällen in einem 
bedeutenden Grade. Man vergleiche Taf. XII, Fig. 8, ein Ei von Biorhiza 
aptera, welches aus dem Ovarium genommen ist mit einem andern, 
welches im Januar gelegt und Anfangs April aus einer Knospe heraus- 
präparirt ist. Worin besteht die auffallende Zunahme des Umfanges? 
Wesentlich darin, dass etwa die Hälfte des Eies mit einer Flüssigkeit 
erfüllt ist. Der Embryo liegt an dem hinteren Pole und nimmt kaum die 
Hälfte der Eihöhle ein, vor ihm liegt ein mit Flüssigkeit gefüllter Sack. 
Dieser Sack setzt sich nicht in den Eistiel fort, sondern endigt bei dem 
Ursprunge des letztern. Der Embryo ist wiederum von einer besonde- 
ren zarten Membran umschlossen und schwimmt so zu sagen in der 
Flüssigkeit. Der Eistiel nimmt übrigens auch an der allgemeinen Er- 
weiterung theil, namentlich ist das kolbige Ende stark ausgedehnt; 
ebenfalls ist der Eistiel mit einem Fluidum angefüllt. Wozu kann diese 
Einrichtung dienen? Da zeigt sich nun, dass das kolbige Ende des Ei- 
stieles, welches zuletzt in den betreffenden Pflanzentheil befördert 
wurde, der äußeren Peripherie des letzteren am nächsten bleibt, in der 
Regel nur durch eine einzelne dünne Knospenschuppe von der um- 
gebenden Luft getrennt bleibt. In Folge davon ist dieser Theil des Ei- 
stieles den physikalischen Einflüssen der umgebenden Atmosphäre 
zugänglich, es kann also namentlich ein Gasaustausch stattfinden. Die 
von einer nur sehr zarten Membran umschlossene Flüssigkeit in dem 
kolbigen Ende kann Sauerstoff aufnehmen und da der Eistiel nur eine 
Ausstülpung der Eihöhle ist, so kann dem Embryo auf diese Weise 
Sauerstoff zugeführt werden. 

Desshalb hat meiner Auffassung nach der Eistieldie Fun ktion 
einer Athemröhre. 

Zur weiteren Begründung dieser Auffassung kann ich noch Folgen- 
des anführen. Der Embryo des Cynipideneies bedarf schon in einem 
sehr frühen Stadium der Entwicklung der Zufuhr von Sauerstoff. Schon 
längere Zeit vor seiner Vollendung fängt er an kontinuirliche Bewegungen 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 225 


zu machen. Das von mir dargestellte aptera-Ei (Taf. XII, Fig. 8) enthält 
einen Embryo, an dem nur die Anlage des Kopfes und der Mundtheile 
mit Sicherheit zu erkennen ist. Gleichwohl erfolgen regelmäßige Rota- 
tionen, so dass man bald eine Seiten-, bald eine Flächenansicht des 
Embryo erhält. Diese Bewegungen erfolgen in dem langsamen, welligen 
Verlaufe, welcher der Sarkode eigenthümlich ist und sind von den 
schnellen Kontraktionen der eigentlichen Muskelsubstanz noch sehr 
verschieden. Dieses embryonale Stadium wird schon sechs Wochen vor 
der Vollendung der Larve beobachtet. Wo aber solche kontinuirliche 
Bewegungen ausgeführt werden, da erscheint eine Zufuhr von Sauer- 
stoff unerlässlich. Das tief im Innern der Knospe liegende Ei kann aber 
den unentbehrlichen Sauerstoff nicht anders beziehen als durch Ver- 
mittelung des Eistieles, denn durch die dicke Schicht der Knospe kann 
ein Austausch des Gases nicht stattfinden. Das umgebende Pflanzen- 
gewebe, welches vollkommen ruht und in dem ein Stoffwechsel noch 
nicht erfolgt, vermag ebenfalls nichts zu liefern. 

Jetzt auch tritt die Erscheinung, dass die Eistiele von sehr ver- 
schiedener Länge sind, in ein anderes Licht. Ist der Eistiel nur dazu 
bestimmt, um die Führung des Eies längs des Stachels beim Legen zu 
vermitteln, so genügt dazu auch ein kurzer Eistiel. Nun aber ist die 
Länge sehr verschieden und ich glaube nachweisen zu können, dass sie 
von der Dicke der Schicht, welche den Eikörper von der umgebenden 
Luft trennt, abhängig ist. Da der Eistiel eine Ausstülpung der Dotter- 
höhle ist, welche in möglichst nahem Kontakte mit der umgebenden 
Luft bleiben soll, so finden wir an den Eiern, welche sehr tief in die 
Knospe versenkt werden, allemal einen langen Stiel. Meistens trifft es 
zu, dass dem langen Stachel ein langer Eistiel entspricht, aber es giebt 
auch Ausnahmen und gerade diese kann ich für meine Auffassung ver- 
werthen. Ein Blick auf die Abbildung Taf. XII lehrt, dass Andricus 
noduli bei verhältnismäßig langem Stachel nur kurz gestielte Eier hat. 
Dazu aber muss man erwägen, dass Andricus noduli seine Eier im 
August in den Gambiumring der Eichenrinde legt, also in ein Pflanzen- 
gewebe, in welchem fortwährende Assimilationsvorgänge stattfinden, 
ein Mangel an Sauerstoff kann hier nicht eintreten, die Aufnahme von 
Sauerstoff vermittels des Eistieles ist nicht erforderlich. Die Sommer- 
generationen vieler Arten legen unter denselben günstigen Verhältnissen 


wie Andricus noduli ihre Eier; die Eistiele sind daher von geringer 


Kürze. Es gilt dies aber nur für die Arten, welche ihre Eier in die 
Blätter hineinlegen, eine Ausnahme machen wieder diejenigen, welche 
Winterknospen anstechen. Da die Winterknospen den ruhenden zu 
vergleichen sind, liefert das umgebende Pflanzengewebe keine Nähr- 


236 H, Adler, 


stoffe und daher muss der Eistiel so lang sein, um mit der äußeren Luft 
in Kontakt treten zu können. 

Einwenden könnte man gegen diese Ausführung über die Be- 
deutung des Eistieles, dass anderen Hymenopteren diese Einrichtung 
fehlt. Allein in allen diesen Fällen wird es nicht schwierig sein nach- 
zuweisen, dass dieselben dieser Vorkehrung auch nicht bedurften. So 
wird von allen Ichneumonen das Ei dem betreffenden Wirthe übergeben 
und findet damit alle Nährstoffe, deren es bedarf, von vielen Blatt- 
wespen werden die Eier in Pflanzentheile versenkt, aber zu einer Zeit, 
wo ein reger Stoffwechsel stattfindet. Bei den Gallwespen der Eiche 
liegt aber die Sache so, dass von den meisten Wintergenerationen das 
Ei zu einer Zeit gelegt wird, wo die Pflanze selbst keine Lebenserschei- 
nungen äußert und der Stoffwechsel ruht. 

Ein anderer scheinbarer Einwand ist der, dass die den echten 
Cynipiden nahe stehenden Inquilinen ebenfalls gestielte Eier haben. In 
diesem Falle kann man aber dem Stiele nicht dieselbe wichtige Funktion 
einer Athemröhre zuschreiben,, denn die Eier bedürfen derselben nicht. 
Aber es wird wohl Niemand bezweifeln, dass die Inquilinen aus den 
Cynipiden hervorgegangen sind, worauf ihre große Übereinstimmung 
im äußeren Habitus und ganzer Organisation hinweist. So ist ihnen 
auch die Eigenthümlichkeit der gestielten Eier geblieben. Der Eistiel 
braucht aber nicht in der früheren Weise zu funktioniren und thut es 
auch nicht, denn das eigenthümliche bei Biorhiza aptera vorkommende 
Stadium der embryonalen Entwicklung fehlt hier. 

Ich habe, um auf die Funktion des Eistieles schließen zu können, 
ein vorgeschrittenes Stadium der embryonalen Entwicklung angeführt, 
aber auch schon in dem Momente, wo das Ei gelegt wird, spielt der Ei- 
stiel eine Rolle.- Es wurde schon erwähnt, dass die Eihöhle frei mit dem 
Eistiele kommunicirt; daher kann ein Theil des Eiinhaltes ohne Weiteres 
in den Stiel übertreten. Dies geschieht auch regelmäßig bei dem Legen 
eines jeden Eies. Wird ein Ei, welches von einer Wespe in eine Knospe 
hineingelegt worden ist, hinterher herauspräparirt, so zeigt sich der 
Anfang des Eistieles ganz erfüllt mit der feinkörnigen Emulsion, welche 
den Eiinhalt bildet. Nach einiger Zeit gehen in dieser Emulsion Ver- 
änderungen vor sich, es bilden sich in derselben kleinere und größere 
stark Licht brechende Kugeln, schließlich hellt sich der ganze Inhalt 
des Eistieles auf und zugleich bildet sich ein feines Häutchen, welches 
zunächst die Einmündung des Eistieles in die Eihöhle abschließt. Dieser 
einleitende Vorgang ist immer ein sicheres Zeichen, dass die Entwick- 
lung des Eies ihren Fortgang nimmt, worüber man natürlich im Zweifel 
sein kann, wenn man ein frisch gelegtes Ei aus der Knospe genommen 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 227. 


hat und in der feuchten Kammer weiter beobachtet. So oft ich auch 
diesen Vorgang in dem Eistiele beobachtet habe, so wenig bin ich im 
Stande ihn weiter zu erklären. So viel ist mir aber gewiss, dass dies 
ein sehr wichtiger Vorgang sein muss; ist derselbe eingetreten, so kann 
man das Ei Tage lang in der feuchten Kammer erhalten und den Ver- 
lauf der verschiedenen embryonalen Entwicklungsstadien beobachten. 
Aber es wollte mir niemals gelingen ein Ei zur Entwicklung zu bringen, 
welches unter allen Cautelen aus dem Ovarium (natürlich einer partheno- 
genetischen Wespe) genommen war und unter verschiedenen Modifika- 
tionen beobachtet wurde. 


Kapitel V. 


Vergleichende Zusammenstellung der zusammengehöri- 
gen Generationen der Gallwesven bezüglich ihrer 
Organisation. 


Die Thätigkeit der Wespe culminirt in dem Eierlegen, die Sorge für 
die Nachkommenschaft füllt die Zeit der individuellen Existenz aus. 
Daher schien es zweckmäßig eine Beschreibung des komplicirten Lege- 
apparates voranzuschicken. Es erübrigt aber noch, die ganze Organi- 
sation der beiden Generationen mit einander zu vergleichen und zwar 
während der verschiedenen Stadien des Imago und der Larve. 


Was zunächst die äußere Erscheinung der Gallwespen betrifft, so 
wurden bereits in dem speciellen Theile die Unterschiede in Färbung, 
Skulptur, Behaarung des Skelettes aufgezählt. Im Allgemeinen bieten 
diese äußeren Merkmale bei den Gallwespen wenig Charakteristisches 
dar; die eintönigen, düstern Farben wiederholen sich fast bei allen 
Arten. Manche Arten sind desshalb auch, wenn man die Wespe allein 


berücksichtigt, nicht von einander zu unterscheiden. Auch bei je zwei 


zusammengehörenden Generationen bietet die Färhung allein meistens 
nur geringe Verschiedenheiten; weit wichtiger sind Form, Bau und 
Größe. In dieser Beziehung kommen zwischen je zwei Generationen 
recht erhebliche Differenzen vor. Hält man neben einander eine Neuro- 


- terus und dazu gehörige Spathegasterform, so wird man trotz ziemlich 


übereinstimmender Färbung die Thiere doch niemals mit einander ver- 
wechseln können. Die Größe kann annähernd dieselbe sein, allein die 


Form des Thorax, der Schnitt der Flügel, die Konfiguration des Hinter- 


leibes sind so verschieden, dass man unmöglich die beiden Thiere ver- 
wechseln kann. Vorzugsweise. wird die äußere Verschiedenheit durch 
die Form und den Bau des Stachels bedingt. Der kleine, zarte Spathe- 


228 II. Adler, 


gasierstachel nimmt nur einen geringen Raum ein, während der lange, 
spiralig aufgerollte Neuroterus-Stachel die ganze Hinterleibshöhle in 
Anspruch nimmt; daher die verschiedenen Contouren des Hinterleibes. 
Die Art wie Spathegaster in die Blätter bohrt setzt eine größere Beweg- 
lichkeit des Hinterleibes voraus, derselbe ist desshalb deutlich gestielt, 
bei Neuroterus dagegen fast sitzend. Endlich sucht Spathegaster Blätter 
von bestimmter, sehr zarter Beschaffenheit auf, um in diese die Eier zu 
legen und muss daher im Stande sein sich rasch fortzubewegen; wir 
finden desshalb Spathegaster mit längeren und breiteren Flügeln ausge- 
rüstet als Neuroterus, die eines besonderen Flugvermögens nicht be- 
darf, da sie überall Knospen findet, in welche sie die Eier legen kann. 

Indem man gewissermaßen aus dem Stachel das ganze Thier kon- 
struiren kann, ist es begreiflich, dass bei seiner verschiedenen Funktion 
derselbe auch bei den verschiedenen Gattungen sichere Unterscheidungs- 
merkmale zu liefern vermag. Wenn zwei zusammengehörende Gene- 
rationen unter ganz verschiedenen Außenbedingungen leben, wird vor 
Allem der Stachel sich accommodiren müssen und eine Form annehmen, 
welche für die sichere Unterbringung der Eier am passendsten ist. Wenn 
also die eine Generation zu einer Jahreszeit erscheint, wo nur Knospen sich 
finden, so muss dieselbe mit einem Stachel ausgerüstet sein, der zum 
Anbohren der Knospen geeignet ist; wenn dagegen die folgende Gene- 
ration zu einer Vegetationsperiode erscheint, wo sowohl Knospen wie 
Blätter vorhanden sind, so wird bei Bevorzugung der letzteren eine 
ganz andere Ausbildung des Stachels erfolgen müssen. Eine genaue 
Kenntnis des Stachels ist aber auch wichtig für die Erforschung der 
Gallwespenarten, deren Zusammengehörigkeit man noch nicht kennt. 
Wenn z. B. aus einer Blattgalle eine Wespe erzogen wird, deren 


Stachel für das Anbohren von Blättern nicht eingerichtet ist, so kann, 


man den sicheren Schluss ziehen, dass zu dieser Wespe eine andere 
Generation gehört, welche die Blattgalle erzeugt. Mir scheint desshalb 
ein Vergleich der verschiedenen Stachelformen von Interesse zu sein. 


1) Neuroterus-Spathegaster-Gruppe. 


Ein Blick auf die Abbildungen ! der beiden Stachel zeigt deutlich 
den großen Unterschied. Bei Neuroterus laeviusculus ist der sehr lange 
Stachel vollständig zu einer Spirale aufgerollt, bei Spathegaster albipes 
dagegen kurz und wenig gebogen. Die übrigen Neuroterus-Arten 


1 Ich bemerke hierbei, dass die Abbildungen alle nach Photogrammen gezeich- | 
net sind und daher die relativen Größenverhältnisse genau wiedergeben. Die 
daneben stehenden Bilder der Eier sind ebenfalls bei derselben Vergrößerung | 


photographirt worden. 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 3239 


zeigen einen etwas kürzeren Stachel, besonders fumipennis, der Spathe- 
gaster-Stachel bleibt immer derselbe. Der Neuroterus-Stachel hat eine 
hakenförmige Spitze und kann desshalb niemals senkrecht in eine 
Knospe eindringen, der Spathegaster-Stachel mit nur flacher Krüm- 
mung kann senkrecht in die Blattfläche einschneiden. Bei diesen beiden 
Stacheln ist besonders noch die verschiedene Form der Platten auf- 
fallend ; bei Neuroterus sind sie beinahe kreisförmig und in Folge der 
starken Krümmung ist für den sonst so mächtigen Muskel der vorderen 
Platte (Nr. 1) kein Raum, derselbe ist ganz rudimentär; der zweite vom 
Bogen entspringende Muskel fehlt ganz. ’ 


2) Aphilotrix-Andricus-Gruppe. 

‚Auch in dieser Gruppe treten uns Verschiedenheiten des Stachels 
entgegen, sind aber in einzelnen Fällen nur sehr gering. Vergleicht 
man die beiden Stachel von Aphilotrix radicis und Andricus noduli, so 
zeigt sich eine große Übereinstimmung der Form, doch ist eine funktio- 
nelle Verschiedenheit unschwer zu erkennen. Der radicis-Stachel endigt 
mit scharf gebogener Spitze und ist in Folge dessen nicht im Stande 
senkrecht in das Pflanzengewebe einzudringen; die Wespe muss den 
Stachel auf einem Umwege in die Knospe führen. Zunächst gleitet der 
Stachel unter die Knospenschuppen an die Basis der Knospenachse und 
wird dann wieder aufwärts geführt. Der noduli-Stachel kann dagegen 
mit seiner fast gerade auslaufenden Spitze senkrecht in die Rinde ein- 
dringen. Bei sonst so ähnlichen Stacheln, wie es diese beiden sind, ist 
es gut ein weiteres Merkmal zu haben, an dem man sie unterscheiden 
kann. An dem Ende der hinteren Platte befindet sich bei allen Gall- 
wespen eine kleine deutlich abgesetzte Papille von etwas zarterem Bau, 
mit reichlichen Tasthaaren besetzt. Es liegen nämlich die paarigen 
Theile des Stachels und also auch die beiden hinteren Platten fest auf 
einander; nun muss aber zwischen ihnen Raum für den Durchtritt des 
Mastdarms bleiben. Desswegen ist in jeder Platte ein kleiner Ausschnitt, 
der durch die erwähnte Papille gedeckt wird; zwischen den beiden 
Papillen der hinteren Platten liegt die Ausmündung des Afters. Je 
kürzer nun verhältnismäßig der Stachel ist, desto weiter rückt die 
Papille gegen das Ende der Platte, je länger er ist, um so mehr entfernt 
sie sich vom Ende. Darnach hat noduli einen verhältnismäßig langen 
Stachel. Wir wissen aber auch, dass noduli die Rinde durchbohren 
muss, um den Gambiumring erreichen zu können; desswegen müsste 
der Stachel eine Länge haben, um etwa 2 mm einzudringen. Er misst 
ungefähr 21/, mm und übertrifft also die Länge der ganzen Wespe. 

Bei anderen Andricus-Arten findet man einen verhältnismäßig 


230 | H. Adler, 


kürzeren Stachel und dem entsprechend rückt die Papille weiter gegen 
das Ende. Dieses kann man an dem Stachel von Andricus eirratus er- 
kennen; er dient der Wespe, um in die kleinen sich eben entwickeln- 
den Winterknospen zu bohren, in welche er höchstens !/; mm einzu- 
dringen braucht, damit das Ei in das Centrum der Knospenachse 
hineingelegt wird. i 

Je länger der Stachel verhältnismäßig wird, desto stärker wird 
seine spiralige Krümmung, der Durchtritt des Mastdarms muss aber, 
um keine Knickung zu erleiden, immer an derselben Stelle erfolgen. 
Desshalb liegt seine Ausmündung dem Ende der Stachelplatten bald 
näher, bald ferner. Ein Blick auf die Abbildungen lehrt, dass die Länge 
der Platten und des Stachels immer dieselben sind, weil die schmalen 
Fortsätze der vorderen Platte zugleich die Scheide des Stachels bilden, 
welche in der Ruhelage denselben umschließt. 

So ähnlich die Stachel der beiden Generationen in einigen Fällen 
sind, so ist doch der konstante Unterschied da, dass der Aphilotrix- 
stachel mehr oder weniger hakenförmig an der Spitze gebogen ist, weil 
er, wie angegeben, niemals direkt in das Centrum der Knospe hinein- 
gebohrt wird, wie der Andricus-Stachel, sondern immer auf einem 
Umwege. 


3) Dryophanta-Spathegaster-Gruppe. 

Bei dieser Gruppe sind die beiden Stachelformen scharf von einan- 
der geschieden, indem die Art des Stechens eine wesentlich verschiedene 
ist. Dryophanta bohrt in Knospen hinein, Spathegaster dagegen in 
Blattrippen ; erstere ist mit einem sehr starken Stachel ausgerüstet, der. 
nur wenig gebogen, namentlich an der Spitze fast gerade ist, letztere 
mit einem kurzen, an der Spitze etwas hakig gekrümmten. Dryophanta 
verfährt beim Stechen anders als die vorigen Wespen, welche ebenfalls 
Knospen anbohren, sie setzt den Stachel senkrecht auf die Knospe und 
bohrt in gerader Richtung in die Knospe hinein; das Ei kommt entwe- 
der in das Centrum der Knospenachse oder an eins der Blättchen zu 
liegen. Spathegaster durchschneidet nur die Epidermis der Blattrippen 
und schiebt das Ei in die Öffnung hinein. 


4) Biorhiza-Gruppe. 

In dieser Gruppe haben wir zwei Arten betrachtet, aptera und 
renum, welche eigentlich kaum in dieselbe Gattung vereinigt werden 
dürfen ; dies wird besonders klar, wenn man die beiden geschlechtlichen 
Generationen mit einander vergleicht. : Biorhiza aptera stimmt mit der 
geschlechtlichen Generation Teras terminalis so sehr überein, dass 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 331 


bestimmte Unterschiede sich kaum auffinden lassen, auch der Stachel 
hat dieselbe Form. Wenn auch die beiden Wespen gerade nicht in den- 
selben Pflanzentheil stechen, aptera vielmehr nur in Knospen, terminalis 
in die Rinde, so stimmt doch der Bau des Stachels bei beiden überein, 
indem in beiden Fällen senkrecht in den betreffenden Pflanzentheil hin- 
eingebohrt wird. Biorhiza renum hat einen anders geformten Stachel 
wie aptera, obwohl derselbe auch zum Anbohren von Knospen bestimmt 
ist; dagegen hat wieder Trigonaspis crustalis, die geschlechtliche Gene- 
‚ration, einen vollständig verschieden geformten Stachel, der mit dem 
von Spathegaster Taschenbergi übereinstimmt und wie dieser zum An- 
bohren der Blattrippen bestimmt ist. 

Es ist klar, dass die verschiedene Form des Stachels in manchen 
Fällen eine sichere und leichte Trennung sonst nahe verwandter Arten 
ermöglicht. Durch Anpassungen an verschiedene Bedingungen hat der 
Stachel große Formverschiedenheit angenommen, während die übrige 
Organisation der Wespe im Großen und Ganzen dieselbe geblieben ist, 
wenigstens durch auffallende äußere Abweichungen sich nicht ausge- 
prägt hat. 

Es ist nun von Interesse die verschiedenen Generationen mit Rück- 
sicht auf ihre bisherige systematische Eintheilung mit einander zu ver- 
gleichen. Indem die Systematik im Allgemeinen nur nach äußeren 
Merkmalen unterscheidet, sind mehrfach ganz heterogene Arten in die- 
selbe Gattung vereinigt!’ Bei manchen Insektenklassen mögen zur 
Trennung der Arten äußere Merkmale vollständig genügen, indem in 
ihnen die wechselnde Lebensweise und die verschiedenen Anpassungen 
sich ausprägen, allein bei denjenigen, deren Lebensweise mehr oder 
weniger übereinstimmt, ist es zu solchen Differenzirungen nicht ge- 
kommen. Man muss desshalb bei der ausschließlichen Berücksichtigung 
der äußeren Merkmale oftmals die subtilsten Unterschiede hervorsuchen 
und erlangt doch keine sichere Grundlage für eine zweifellose Unter- 
scheidung. So wurden bisher in dem Genus Spathegaster die ge- 
schlechtlichen Generationen, welche zu Neuroterus und diejenigen, 
‘welche zu Dryophanta gehören, vereinigt. Eben so wenig wie die bei- 
den agamen Gattungen Neuroierus und Dryophanta zusammengehören, 
_ kann man die beiden Spathegasierformen in eine Gattung vereinigen. 
Es lässt sich freilich nicht leugnen, dass in den äußeren Merkmalen die 
beiden Spathegaster ziemlich übereinstimmen, dagegen bietet der Stachel 
einen 'wesentlichen Unterschied. Mit Berücksichtigung desselben muss 
eine Trennung der beiden eintreten. Es möchte der Einwand erhoben 
werden, dass eine Unterscheidung, lediglich auf Form und Bau des 


Stachels basirt, zu subtil sei, aber es bietet sich kein anderes konstantes 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Ba. 16 


232 H. Adler, 


Merkmal. Auch die Gattung Biorhiza enthält heterogene Arten; aptera | 
und renum sind nur dem äußeren Habitus nach einander ähnlich, der ! 
Stachel ist wieder sehr verschieden; ferner sind die zu den beiden ge- | 
hörigen geschlechtlichen Generationen so verschieden, dass sie überall | 
nicht in eine Gattung vereinigt werden können. | 

Neben den Verschiedenheiten, welche der Stachel bietet, giebt die | 
Art der Gallenbildung ein vortreflliches Kriterium für die Entscheidung | 
der Zusammengehörigkeit verschiedener Arten. Man würde mit Berück- 
sichtigung dieser beiden Faktoren bei der Klassificirung der Cynipiden | 
vollständig auskommen. Es muss als ein Fortschritt begrüßt werden, 
wenn dieser Weg bei Aufstellung analytischer Tabellen eingeschlagen | 
wird, wie dies von SCHLECHTENDAL geschehen ist, der nach den Gallen | 
der Gynipiden eine Bestimmungstabelle entworfen hat!. 

Eine große Schwierigkeit macht vorläufig noch der Umstand, dass 
der Generationswechsel und die Gallenbildung aller unserer Cynipiden 
noch nicht erforscht ist; dies gilt namentlich von den auf Quercus cerris 
lebenden Arten. Hier steht noch ein weites, aber dankbares Beob- 
achtungsfeld offen. | 


Die Lebensweise der Cynipiden bietet so sehr große Übereinstim- | 
mung, dass bei den rein vegetativen Organen eine Anpassung an 
besondere Verhältnisse nicht vorgekommen ist, so dass eine weitere ” 
Differenzirung derselben nicht eingetreten ist. Dies gilt zunächst von 
dem Verdauungstractus. Zunächst sind die Mundtheile ganz überein- 
stimmend; sämmtliche Gallwespen sind mit starken Kieferzangen ausge- 
rüstet, da sie sich durch die oft sehr feste Wand der Galle hindurch- 
beißen müssen. Nur die Taster der Unterkiefer und der Lippe zeigen” 
eine gewisse Differenz. Auf die Gliederzahl dieser Taster ist ursprüng- 
lich von Harrıs großes Gewicht gelegt und die Verschiedenheit ihrer 
Zahl als Unterscheidungsmerkmal benutzt. Die Harrıs'schen Angaben 
sind in die meisten späteren Beschreibungen übergegangen, bedürfen 
aber sehr der Korrektur. Die der Kleinheit der Mundtheile wegen” 
erforderliche genaue’ Präparation scheint unterlassen worden zu Sein. 
Meistens gilt es als Regel, dass die beiden zusammengehörenden Gene-" 
rationen die gleiche Gliederzahl der Taster haben. Neuroterus mit den 
entsprechenden Spathegasterformen besitzt viergliedrige Kiefer-, zwei- 
gliedrige Lippentaster, dagegen Dryophanta mit den Spathegastergene-" 
rationen fünfgliedrige Kiefer-, dreigliedrige Lippentaster. Eine Ausnahme 
macht der Generationscyklus Biorhiza renum und Trigonaspis crustalis,' 


! R. v. SCHLECHTENDAL und O. WÜNSCHE, Die Insekten. 4579. 


DE u BR 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 233 


indem die Gliederzahl eine verschiedene ist, renum hat viergliedrige 
Kiefer-, zweigliedrige Lippentaster, crustalis dagegen fünfgliedrige 
Kiefer-, dreigliedrige Lippentaster, Was die Zahl der Fühlerglieder 
betrifft, so ist sie in der Regel bei den beiden Generationen dieselbe, 
bei renum und crustalis indessen verschieden, erstere hat I3gliedrige, 
letztere I4gliedrige Fühler. Immer kommt übrigens der Unterschied vor, 
dass bei den geschlechtlichen Generationen die Männchen ein Fühler- 
glied mehr haben als die Weibchen. Übrigens ist es klar, dass die 
Verwerthung der verschiedenen Zahl der Glieder an Tastern und Fühlern 
als Unterscheidungsmerkmal ziemlich illusorisch ist. 

Der übrige Darmtractus der Gallwespen ist einfach und überein- 
stimmend, indem seine Funktion eine sehr beschränkte ist. Mit den 
früheren Beobachtungen stimmen auch die meinigen überein, dass die 
Cynipiden eigentlich keine Nahrung, während ihres Daseins als Imago, 
aufnehmen mit der alleinigen Ausnahme von Wasser. Die Wintergene- 
rationen erscheinen ja fast alle zu einer Zeit, wo das Pflanzenleben ruht 
und überhaupt keine Nahrung sich bietet, aber auch die Sommergene- 
rationen nehmen außer Wasser keine weitere Nahrung zu sich. Dass 
alle Gallwespen des Wassers bedürfen und dasselbe begierig zu sich 
nehmen lehrt die Beobachtung; es ist schlechterdings nicht möglich 
Zuchtversuche mit ihnen anzustellen, wenn man ihnen nicht öfter Ge- 
legenheit giebt, Wasser zu trinken. Für die Sommergenerationen soll 
allerdings nicht in Abrede gestellt werden, dass sie gelegentlich an den 
Blättern austretenden Saft auflecken, aber im Wesentlichen nehmen sie 
nur Wasser auf. Bei Eröffnung des Mitteldarms und Magens findet man 
ihn leer oder wenig klares Fluidum enthaltend; als zufällige Bei- 
mischungen können Stückchen der Gallenwand vorkommen, welche 
während des Durchbeißens verschluckt wurden. Der ganze Verdauungs- 


tractus ist kurz und einfach, namentlich auch die Marricur’schen Drüsen 


klein, wenig zahlreich, farblos durchsichtig. Bei den aus den Gallen 
ausschlüpfenden Wespen finden sich in dem hinteren Abschnitte des 
Darms die während der Larvenperiode angehäuften Excretionsprodukte, 
die bald nach dem Ausschlüpfen entleert werden. Eine größere Menge 
findet sich namentlich bei den Wintergenerationen, welche ein langes 
Larvenstadium durchlaufen. Diese Excremente sind immer von dünn- 
flüssiger Beschaffenheit und es scheint mir am Orte zu sein, der Ein- 
richtung zu gedenken, durch welche ein Regurgitiren in den Vorderdarm 
und Magen verhindert wird. Im Dickdarm der Insekten finden sich 


» Wülste von räthselhafter Bedeutung«, wie sie schon Leyvig bezeichnet, 


die sogenannten Rectaldrüsen. Der Zahl und Form nach sehr verschie- 
den finden wir bei den Insekten stets an demselben Abschnitte des 
16* 


2 34 H. Adler y 


Dickdarmes diese Wülste, welche alle darin übereinstimmen, dass sie 
in das Lumen des Darmes hineinragen. Leypie ist zweifelhaft, ob er 
sie für Drüsen halten soll, da doch die Grundbedingung einer Drüse, 
das secernirende Epithel und ein Ausführungsgang ihnen fehlt und 
bringt sie in Beziehung zur Respiration, da bekanntlich bei den Libellen- 
larven analoge Mastdarmkiemen vorkommen, welche die Athmung ver- 
mitteln. Später sind von Gaun ! aufs Neue diese Organe untersucht und 
beschrieben und schließlich als Drüsen bezeichnet worden, denen eine 
besonders rege Sekretion zugeschrieben wird. Es lässt sich aber nicht 
leugnen, dass, wenn man den Darm einer frisch aus der Galle entnomme- 
nen Wespe freilegt, eine andere Vorstellung von der Funktion der Rectal- 
drüsen bekoinmt. Es zeigt sich nämlich der Enddarm durch flüssige 
Excremente sackartig ausgedehnt, darauf folgt genau an der Stelle, wo 
die Rectaldrüsen sitzen, eine ringförmige Einschnürung und dadurch ein 
Verschluss des Darmrohres. Also stehen die Rectaldrüsen mit einer 
sphinkterartigen Einrichtung in Verbindung; dadurch, dass sie in das 
Lumen des Darmrohres hineinragen und sich an einander legen, wird 
bei gleichzeitigem Tonus des Sphinkter ein vollkommener Abschluss 
des Darms erzielt und damit verhindert, dass die Excremente in den 
vorderen Darmabschnitt zurückfließen. 

Wenngleich ich diese Wülste nicht durch alle Insektenabtheilungen 
genau verfolgt habe, kann ich doch nach meinen Untersuchungen sagen, 
dass sie namentlich bei den Insekten ausgebildet sind, welche eine 
flüssige Nahrung zu sich nehmen, wie Hymenopteren, Dipteren, Lepi- 
dopteren, dass sie dagegen bei den Käfern ganz zu fehlen scheinen. Ich 
muss darnach annehmen, dass diese Wülste nur dazu bestimmt sind, 
einen sicheren Abschluss des Darmrohres zu ermöglichen. Bei allen 
Insekten, in deren Enddarm flüssige Excretionsprodukte sich ansammeln, 
ist sonst nicht abzusehen, wie ein Zurückfließen in den Vorderdarm ver- 
hindert werden sollte. 

Die beschränkte Nahrungsaufnahme der CGynipiden weist auf eine 
kurze Dauer des Imago-Daseins hin. Bei beiden Generationen ist die 
Lebensdauer eine kurze, länger aber bei den Wintergenerationen, indem 
einzelne Arten zwei bis vier Wochen ausdauern. Manche Wespen der 
Sommergeneration sind außerordentlich hinfällig und leben höchstens. 
einige Tage. Die ganze Thätigkeit der Wespen besteht in der Sorge für 
die Unterbringung der Eier. Je leichter und schneller die Eier abgesetzt 
werden können, um so kürzer ist die Existenz des Individuums, wie 
z.B. bei den Spathegaster-Arten. Macht das Eierlegen größere Schwie- 

! €. Cuun, Rectaldrüsen der Insekten. Frankfurt a/M. 1875. Verhandlungen d- 
SENCKENBERG. Gesellsch. Bd. X. 


| 


Über den Generationsweehsel der Eichen-Gallwespen. 235 


rigkeiten, erfordert es namentlich einen größeren Kraftaufwand, so sind 
die Wespen dementsprechend kräftiger und langlebiger. Die Winter- 
generationen, die immer die schwierige Aufgabe haben, in Knospen ihre 
Eier zu legen, sind desshalb von einer weit kräftigeren Organisation als 
die entsprechenden Sommergenerationen, wodurch sie zugleich im 
Stande sind den Unbilden einer rauhen Jahreszeit zu widerstehen. Eine 
Biorhiza aptera kann bei einer Temperatur von 0% in Knospen bohren, 
die entsprechende Sommergeneration (Teras terminalis) würde ohne 
Zweifel sofort erstarren. 

Von Wichtigkeit ist es endlich noch die Reproduktionsorgane bei 
den beiden Generationen mit einander zu vergleichen. Es zeigt sich 
dabei im Allgemeinen eine völlige Übereinstimmung bei den beiden 
Generationen. Die Ovarien haben denselben Bau, jedes enthält eine 
größere Anzahl von Eifächern, in denen je sechs bis zwölf Eier liegen. 
Im Allgemeinen gilt die Regel, dass die agamen Generationen eine größere 
Anzahl von Eiern bei sich führen als die geschlechtlichen;; bei ersteren 
ist die Zahl der einzelnen Eifächer wie auch die der in jedem Fache 
enthaltenen Eier eine größere. 

Die muskulöse Scheide mit ihren Anhangsdrüsen ist bei beiden 
Generationen gleich. Jederseits neben der Tube mündet in die Scheide 
ein einfacher Drüsenschlauch. Das Sekret desselben wird wahrschein- 
lich nur dazu dienen, um ein Fluidum zu liefern, von welchem die aus 
dem Receptaculum seminis austretenden Spermatozoen aufgenommen 
und dann dem Ei zugeführt werden, welches bei seinem Eintritte in 
die Vagina befruchtet werden soll. Es ist daher die Regel, dass diese 
Drüsen bei den geschlechtlichen Arten stärker entwickelt sind als bei 
den agamen. 

Bei beiden Generationen kommt auch das Receptaculum seminis 
vor. Es ist von Interesse, dass es auch den Arten nicht fehlt, welche 
sich rein parthenogenetisch fortpflanzen, wenn auch eine Befruchtung 
niemals mehr stattfindet. Ein Vergleich mit dem Receptaculum der ge- 
schlechtlichen Arten lässt aber eine gewisse Atrophie nicht verkennen; 
bei den agamen Arten scheint eine mehr oder weniger rudimentäre 
Beschaffenheit desselben vorzuherrschen. Die Kapsel ist collabirt, atro- 
phisch ohne Pigment, die Anhangsdrüse ebenfalls reducirt. Das kon- 
Stante Vorkommen des Receptaculum seminis weist aber darauf hin, 
dass in einer weiter zurück liegenden Periode auch Männchen existirt 
haben müssen. Dafür sprechen auch noch andere Erscheinungen. Be- 
obachtet man nämlich die Wespen einer agamen Generation, z. B. 
Aphilotrix radieis bald nach dem Verlassen der Gallen, so sieht man oft, 
dass sie nach einiger Zeit den ganzen Stachelapparat hervorschieben und 


236 H. Adler, 


in dieser Stellung längere oder kürzere Zeit verweilen. Warum thun 
sie dies? Ganz denselben Vorgang kann man auch bei den geschlecht- ' 
lichen Generationen beobachten und der Zweck wird bald klar, indem | 
man erkennt, dass es der einleitende Schritt zu der nachfolgenden 
CGopula ist, die nur so ermöglicht wird. In der Ruhelage ist ja bei den 
langstachligen Gallwespen der ganze Stechapparat weit in die Bauch- 
höhle zurückgezogen; sollte nun eine Copula mit Erfolg stattfinden, so 
müsste der Penis der Männchen von gleicher Länge wie der spiralig ge- 
wundene Stachel sein, allein er ist nur von geringer Länge. Es kann 
desshalb auch nur bei vorgestrecktem Stechapparat die Vagina von dem 
Männchen erreicht werden. Indem nun die agamen Generationen die 
Gewohnheit, den Stachel vorzustrecken, beibehalten haben, was als die | 
Einleitung für eine nachfolgende Copula aufgefasst werden muss, scheint | 
mir dies in der That darauf hinzuweisen, dass früher Männchen vorge- | 
kommen sind. 

Nun ist ferner bekannt, dass bei anderen nicht auf der Eiche leben- 
den Gallwespen einzelne Männchen vorkommen, obwohl die Fortpflan- 
zung eine rein parthenogenetische geworden ist; es gilt dies für die | 
Rosengallwespen Rhodites rosae und Eglanteriae. Bei beiden treten 
konstant noch immer einzelne Männchen auf, obwohl wahrscheinlich | 
schon seit langer Zeit keine Gopula mehr stattfindet. 

Es sind schließlich außer den schon genannten noch zwei Anhangs- 
drüsen zu erwähnen, welche mehr gegen den Ursprung des Stachels 
hin der Scheide aufsitzen. Durch ihre kuglig vorspringende Form so wie 
die rein milchweiße Farbe sind sie leicht kenntlich ; sie enthalten reich- 
liches Sekret, das am nächsten einer Fettemulsion zu vergleichen ist. 
Dem entsprechend glaube ich auch, dass das Sekret lediglich mechani- 
schen Zwecken dienen soll, nämlich als Schmiere für den Stachelapparat. 
Bei anderen Iymenopteren (Aculeata) hefindet sich am Ursprunge des 
Stachels die sogenannte Öldrüse und ergießt das feltige Sekret auf die 
Stelle, wo die beiden Lanzen in die Rinne eingefügt sind, damit das 
leichte Hin- und Hergleiten ungehindert erfolgen kann. Den Gallwespen 
fehlt die Öldrüse, statt dessen besitzen sie das viel mächtigere schon er- 
wähnte Drüsenpaar. Bei ihrer angestrengten, lange andauernden Arbeit i 
ist ein Einfetten der Stechborsten jedenfalls nothwendig, um ihr leichtes | 
Hin- und Hergleiten zu sichern. | 


Auch die früheren Stände der beiden Generationen bieten Ver- | 
- schiedenheiten ; aber die Erforschung dieser Verhältnisse ist eine frag- | 
mentarische geblieben und ich kann nur einzelne Punkte hervorheben. f 
Beginnen wir mit dem Ei und dessen Entwicklung. 


{ 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 337 


So verschieden auch die Entwicklungsdauer der gelegten Eier ist, 
so gilt doch als Regel, dass sofort nach dem Legen die Entwicklung ihren 
Anfang nimmt, so dass eine längere Eiruhe nicht stattfindet. Auch bei 
den Eiern, welche mitten im Winter von-November bis Februar gelegt 


- werden, beginnt sofort die embryonale Entwicklung. Natürlich geht sie 


in der kalten Jahreszeit sehr langsam von statten, erfordert dagegen bei 
den Sommergenerationen weit kürzere Zeit. Aber auch bei letzteren 
kommt es vor, dass der Embryo eine ungewöhnlich lange Zeit innerhalb 
des Eies verweilt. Wenn bei einem im December oder Januar gelegten 
Ei das embryonale Stadium sich mehrere Monate hinzieht, so ist dies 
wohl zu begreifen, da erst mit dem Beginn des Pflanzenwachsthums im 
April oder Mai eine Nahrungszufuhr für den Embryo eintritt. Wenn aber 
bei den Eiern von Trigonaspis crustalis, welche Ende Mai oder Anfangs 
Juni gelegt werden, dieselbe Erscheinung vorkommt, so ist die lange 
Ruhe des Embryo schwer zu verstehen. Es vergeht ein Zeitraum von 
drei Monaten völliger Latenz; erst im September durchhricht der Em- 
bryo die Eihülle und jetzt beginnt die Gallenbildung. Dass für letztere 
jetzt die Bedingungen günstiger sein sollten als einige Wochen oder 
Monate früher ist eigentlich nicht anzunehmen, da im September die 
Vegetationsperiode schon ihrem Ende zugeht. Am wahrscheinlichsten 
ist die Erklärung, dass diese Eigenthümlichkeit der embryonalen Ent- 
wicklung von der aptera-Generation vererbt wird, bei welcher das 
embryonale Stadium reichlich vier Monate währt. Übrigens ist zu be- 
merken, dass diese Erscheinung bei allen Arten nicht vorkommt; so hat 
2. B. Dryophanta divisa ein noch länger dauerndes Embryonalstadium, 
weil die Eier bereits Ende Oktober gelegt werden, die Galle sich aber 
erst im Mai bildet. Bei der zugehörigen Sommergeneration (Spathegaster 
verrucosus) bilden sich aber die Gallen sofort und erscheinen vier 
Wochen nachdem die Eier gelegt sind. 

Die Eier der beiden Generationen, die also bei der einen stets un- 
befruchtet, bei der andern stets befruchtet sind, machen keine längere 
Ruhe durch, sondern zeigen alsbald nach dem Legen den Anfang der 
embryonalen Entwicklung. Die parthenogenetischen Eier, weiche fast 
alle in der kälteren Jahreszeit gelegt werden, zeigen nur eine viel lang- 
samer verlaufende Entwicklung als die befruchteten, welche alle in der 
wärmeren Jahreszeit gelegt werden. Bei dem sehr langsamen Verlaufe 
der verschiedenen Entwicklungsstadien bieten erstere sehr gute Objekte 


_ für die Beobachtung. Es ist oftmals leider nur schwierig und umständ- 


lich, sie unversehrt aus den Knospen herauszupräpariren. Alle Versuche, 
dies zu umgehen, und die dem Ovarium direkt entnommenen Eier zur 
Entwicklung zu bringen, erwiesen sich, wie schon bemerkt, als ver- 


938 1.270 "Adler; 


geblich. So einfach an sich die Bedingungen erscheinen, unter denen | 
die Eier in den Knospen ruhen, so ließen sie sich dennoch nicht erfüllen. ' 
Ich habe sie unter verschiedenen Modifikationen Tage lang beobachtet, 
ohne dass eine beginnende Furchung des Dotters eingetreten wäre, | 
während sie bei den gleichzeitig in Knospen gelegten Eiern mit Sicher- 
heit nach 20 Stunden zu erkennen war. i | 

Über die wichtige Rolle, welche der Eistiel bei der Einleitung der | 
embryonalen Entwicklung spielt ist schon früher die Rede gewesen. | 

Das Larvenstadium der beiden Generationen bietet Verschie- 
denheiten dar, aber nur rücksichtlich der sehr verschiedenen Entwick- 
lungsdauer. In ihrem Bau und Organisation zeigen die Larven eine 
vollkommene Übereinstimmung; da sie unter gleichen Verhältnissen 
leben, so bot sich keine Gelegenheit zu Anpassungen an verschiedene 
äußere Bedingungen. Einen Unterschied bloß zeigen einzelne Arten in | 
Bezug auf den Bau der Kiefer; so haben die Neuroterus-Larven stärkere 
gezähnte Kiefer, die Spathegaster-Larven dagegen einfache, ungezähnte. | 
Dieser verschiedene Bau der Kiefer hängt wohl mit der Beschaffenheit | 
der Gallen zusammen; bestehen sie aus einem festeren Gewebe, wie 
die Neuroterusgallen, so sind die Larven mit stärkeren Kiefern ausge- 
rüstet, dagegen gebrauchen die in saftreichen, zartwandigen Gallen | 
lebenden Spathegaster-Larven nur einfache und schwächere Kiefer. 

Die Entwicklungsdauer der Larven ist bei den beiden Generationen 
sehr verschieden. Für die Sommergeneration gilt es, dass die Larve so- 
fort heranwächst und dass dem vollendeten Wachsthum kontinuirlich | 
das Puppenstadium folgt; bei der Wintergeneration dauert das Larven- 
stadium viel länger ; es kommen hierbei folgende Verschiedenheiten vor: 

4) Die Larve entwickelt sich in demselben Jahre, wächst voll- 
kommen aus und ruht dann ein Jahr und länger in der Galle (Aphilotrix- 
arten). 

2) Die Larve vollendet im ersten Jahre ihr Wachsthum nur bis zu 
einem gewissen Grade, überwintert und bildet sich erst im zweiten 
Jahre vollständig aus. | 

3) Die Entwicklung der Larve steht, nachdem sie das Ei verlassen | 
und die Gallenbildung eingeleitet hat, vollkommen still, ruht einige 
Monate und entwickelt sich erst weiter, wenn die Galle zu Boden ge- ' 
fallen ist (Neuroterus). | 

Auffallend bleibt in vielen Fällen die lange Larvenruhe und beson- | 
ders bemerkenswerth ist es, dass in vielen Fällen die Larven sogar bis | 
in das dritte Jahr ruhen, ehe sie in das Puppenstadium übergehen. Auch | 
bei den Arten ohne Generationswechsel liefert regelmäßig ein Theil der | 
Gallen die Wespe erst im dritten Jahre. Bei der Regelmäßigkeit, mit | 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 339 


welcher diese Erscheinung sich wiederholt, glaube ich, dass eine indi- 
viduelle Verschiedenheit der Entwicklungsdauer sich vollständig fixirt 
hat. Daher finden wir bei derselben Art, dass ein Theil der Individuen 
nur ein Jahr zur vollen Entwicklung bedarf, ein Theil dagegen erst nach 
zwei Jahren dieses Ziel erreicht. 

Die Verlängerung des Larvenstadiums ist eine auffallende Erschei- 
nung; man sollte vielmehr annehmen, dass eine Abkürzung dieses 
Stadiums von Vortheil für die Art sein müsse, weil die allen Einwir- 
kungen der Witterung ausgesetzte Galle nicht immer genügenden Schutz 
gewähren kann. Die Möglichkeit ist da, dass die beiden Generationen 
in einjährigem Cyklus sich entwickeln können, wie das Beispiel von 
Neuroterus-Spathegaster und Dryophanta-Spathegaster lehrt. Ferner ist 
es interessant, dass in der Gattung, deren Arten einen regelmäßig zwei- 
jährigen Cyklus inne halten, eine Art vorkommt, bei welcher die Mehr- 
zahl der Individuen in einem Jahre den Generationscyklus vollendet. 
Vielleicht liegt hierin ein Hinweis, dass früher unter anderen klimati- 
schen Verhältnissen allgemein ein längeres Larvenstadium stattgefunden 
hat, dass aber allmählich eine Verkürzung desselben eingetreten ist, die 
bei einigen Arten vollständig, bei einer theilweise, bei anderen noch gar 
nicht zur Geltung kommt. Von demselben Gesichtspunkte müssen wir 
dann auch die analoge Erscheinung bei den agamen Arten ohne Gene- 
rationswechsel betrachten ; bei einem Theile der Individuen ist der ein- 
jährige Turnus eingetreten, bei einem andern besteht noch der zwei- 
jährige. 


Kapitel VI. 


Über den Generationswechselder Eichen-Gallwespen im 

Allgemeinen. Das Verhältnis der parthenogenetischen 

Generationen zu den geschlechtlichen. Wie soll man 
sich den Generationscyklus erklären? 


Es ist noch übrig den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen 
im Allgemeinen zu berücksichtigen. Dabei muss ich zunächst bemerken, 
dass ich die Bezeichnung Generationswechsel gewählt habe, ohne damit 
etwas präjudiciren zu wollen. Es soll damit nur das Bestehen einer 
eyklischen Fortpflanzung bezeichnet werden; die verschiedenen Aus- 
drücke, mit denen derartige cyklische Fortpflanzungen belegt werden, 
wie Generationswechsel, Heterogonie, Metagenesis, sind, wenn auch im 
Allgemeinen eng zusammenhängend, in verschiedener Bedeutung ange- 
wandt worden. So verlangt Lussock als nothwendige Bedingung für den 


240 H. Adler, 


Generationswechsel, dass die eine Generation sich durch Knospung fort- 
pflanzt, wie dies bei den Blattläusen geschieht. Bei den Gallwespen 
aber kommt eine derartige Fortpflanzung durch Knospung nicht vor. 
Mögen auch Parthenogenesis und Knospung nicht principiell verschieden 
sein, so bleibt doch die große Differenz bestehen, dass im ersteren Falle 
die embryonale Entwicklung ganz außerhalb, im letzteren ganz inner- 
halb des Ovariums verläuft. Bei den Gallwespen geht bei beiden Gene- 
rationen die Entwicklung genau in der gleichen Weise vor sich. Aus 
diesem Grunde kann ich Licutenstem, dem verdienstvollen Erforscher 
der Phylloxera, nicht beistimmen, wenn er geneigt ist, anzunehmen, 
dass die agamen Generationen der Gallwespen zu den geschlechtlichen 
in einem untergeordneten Verhältnisse stehen, wie die knospenden 
Generationen von Phylloxera und Aphis zu den geflügelten und ge- 
schlechtlichen. 

Die Frage nach dem gegenseitigen Verhältnisse der beiden Gene- 
rationen zu einander ist von fundamentaler Wichtigkeit für die Unter- 
suchung über die Entstehung des Generationswechsels überhaupt. 

Zu dem Ende müssen wir zunächst denjenigen Punkt ins Auge 
fassen, der diesen Generationswechsel in einem besonderen Lichte er- 
scheinen lässt, die Parthenogenesis der einen Generation. 

Als ich zuerst den Generationswechsel bei den Gallwespen ent- 
deckte, glaubte ich, dass ein bestimmtes Gesetz bestände, wonach bei 
den Gallwespen die eine Generation immer parthenogenetisch, die 
andere geschlechtlich sich fortpflanzte; indessen weitere Untersuchungen 
zeigten mir, dass ein solches Gesetz nicht aufzustellen war. Ich fand bald, 
dass mehrere Arten sich in einer alljährlichen Generation stets partheno- 
genetisch fortpflanzten. Dieses verschiedene Auftreten der Partheno- 
genesis veranlasste mich zugleich zu weiteren Untersuchungen über 
dieselbe bei anderen Abtheilungen der Hymenopteren, deren Resultate, 
so weit sie für die vorliegende Frage von Interesse sind, kurz angegeben 
werden sollen. 

Bei den Blattwespen ist Parthenogenesis mehrfach beobachtet wor- 
den. Die genauen Beobachtungen, welche Professor v. SIEBoLD an 
Nematus ventricosus angestellt hat, ergaben, dass bei dieser Art, trotz- 
dem dass Männchen und Weibchen in gleicher Anzahl vorkommen, sehr 
leicht eine Parthenogenesis eintritt. Bei solchen Zuchten wurden dann 
auch beide Geschlechter wieder erhalten. Eine andere Art Nematus 
Vallisnierii habe ich selber näher untersucht. 

Im Herbste 1876 war eine größere Anzahl der bekannten bohnen- 
förmigen Gallen dieser Art, welche sich oft in großer Menge auf Salix 
amygdalina finden, eingesammelt worden. Im Mai 1877 erzog ich die 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 341 


Wespen und überzeugte mich, dass es nur Weibchen waren. Zur 
weiteren Beobachtung brachte ich sie auf kleine Weidenschösslinge, 
welche in Töpfe gesetzt waren. Die Wespen begannen auch bald in die 
zarten Blätichen der Spitzentriebe zu sägen und ihre Eier hineinzulegen. 
Anfangs Juli enthielten die Gallen bereits die ausgewachsenen Larven, 
die sich zum Verpuppen in. die Erde begaben. Nach sehr kurzem 
Puppenstadium erschienen bereits am 27. Juli die ersten Wespen. Es 
waren wieder nur Weibchen, die auch bald anfingen ihre Eier abzu- 
setzen. An den angestochenen Blättern waren Ende August die Gallen 
vollständig entwickelt. Die Larven begaben sich im Oktober zur Ver- 
puppung in die Erde. In diesem Falle also erscheinen alljährlich zwei 
Generationen mit ausschließlich parthenogenetischer Fortpflanzung. 

Während also bei Nematus ventricosus nur eine exceptionelle 
Parthenogenesis vorkommt, ist sie bei Vallisnierii vollkommen konstant 
geworden; zugleich zeigt ihr Vorkommen bei ventricosus an, dass sie 
direkt aus der geschlechtlichen Fortpflanzung hervorgehen kann. Wahr- 
scheinlich ist dies bei den Hymenopteren leichter möglich als bei den 
anderen Insektenklassen. Hierfür möchte ich noch folgende an Pteroma- 
lus puparum gemachte Beobachtung anführen. 

Dieser kleine Schmarotzer legt seine Eier in die Puppen verschie- 
dener Tagfalter wie Vanessa Jo, polychloros, urticae, Pieris rapae etc. 
Eine einzige Puppe liefert oft Hundert und mehr dieser kleinen Wespen, 
so dass es nicht schwer ist, sie in genügender Zahl zu ziehen. Da bei 
diesen Zuchten regelmäßig die Männchen zuerst erscheinen, außerdem 
leicht von den Weibchen zu unterscheiden sind, so kann man ohne 
Schwierigkeit die Geschlechter trennen und eine Copula verhindern. 
Bringt man dann die unbefruchteten Weibchen auf Tagfalter-Puppen, 
so beginnen sie gewöhnlich bald, dieselben anzustechen. Ich habe 
diese Versuche mehrfach angestellt und dabei im Allgemeinen das Resul- 
tat erhalten, dass von den unbefruchteien Weibchen vorzugsweise nur 
Männchen erzeugt werden. Ich lasse die Resultate eines Versuches folgen. 

Im Frühjahre 1876 hatte ich eine Anzahl Puppen von Pieris Bras- 
Sicae eingesammelt, welche von Pieromalus puparum angestochen 
waren. Gleichzeitig hatte ich Raupen von Vanessa urticae gezogen, 
welche sich im Juni verpuppten. Diese Puppen wurden von unbe- 
fruchteten Weibchen angestochen. Um ganz sicher zu sein, hatte ich 
hinterher noch das Receptaculum seminis untersucht und wusste dess- 
halb mit Bestimmtheit, dass eine Copula nicht stattgefunden hatte. Die 
angestochenen Puppen lieferten folgendes Resultat: 

I. Buppe — 1245. 3%, Puppe 75:g151Q7 
2. Puppe — 62 31.1.4. Puppe = Ad: gl # ©. 


349 M H. Adler, 


Es mag schließlich noch ein Beispiel aus der Familie der Cynipiden 
selbst angeführt werden, um zu zeigen, dass die Parthenogenesis direkt 
aus der geschlechtlichen Fortpflanzung hervorgeht. Dieses Beispiel bie- 
ten die Rosengallwespen dar. Ich habe mit den beiden Arten Rhodites 
rosae und Eglanteriae Zuchtversuche angestellt. Erstere Art habe ich 
zu Hunderten gezogen und dabei das auch von Anderen erzielte Resul- 
tat erhalten, dass Männchen in sehr geringer Anzahl vorkommen, etwa 
2% auf 100. Bei dieser großen Seltenheit der Männchen bleiben die 
Weibchen regelmäßig unbefruchtet. Zuchtversuche bestätigen dies, 
denn alle Wespen beginnen bald nach dem Verlassen der Gallen ihre 
Eier abzusetzen. Die wenigen noch immer vorkommenden Männchen 
sind überflüssig geworden und man kann wohl mit einiger Wahr- 
scheinlichkeit annehmen, dass sie im Laufe der Zeit vollständig eingehen 
werden. Bei einer anderen Art, Rhodites Eglanteriae, sind ebenfalls 
noch einzelne Männchen beobachtet worden. Ich habe bei wiederholten 
Zuchten nur Weibchen erhalten. 

Alle die angeführten Thatsachen sprechen dafür, dass Parthenoge- 
nesis bei den Hymenopteren sehr verbreitet vorkommt, dass sie direkt 
aus der geschlechtlichen Zeugung hervorgeht. Das Resultat rücksicht- 
lich des Geschlechtes der Nachkommen ist ein sehr verschiedenes und 
es lässt sich kein allgemein gültiges Gesetz aufstellen. Bei einigen 
Hymenopteren überwiegt das männliche Geschlecht, welches bei der 
Biene ausschließlich vorkommt, wenn die Eier unbefruchtet bleiben. 
Bei den Gallwespen überwiegt in einzelnen Fällen das weibliche Ge- 
schlecht, ja es kommt ausschließlich vor. Es scheinen bei lange fortge- 
setzter Parthenogenesis die Männchen schließlich ganz zu verschwinden, 
denn man kennt sie bei Nematus Vallisnierii und mehreren Aphilotrix- 
arten nicht mehr. Es soll aber die Möglichkeit gar nicht ausgeschlossen 
werden, dass unter einer großen Anzahl auch noch einmal ein einzelnes 
Männchen gefunden werden kann. Etwas anders aber liegt die Sache 
bei den Gallwespen mit Generationswechsel; die eine (agame) Gene- 
ration kommt nur im weiblichen Geschlechte vor, die andere dagegen im 
männlichen und weiblichen gleich zahlreich. Indem nun die agame 
Generation beide Geschlechter erzeugt, müssen wir annehmen, dass in 
ihrem Ovarium die Eikeime a priori zu den verschiedenen Geschlechtern 
sich differenziren und dass dies ein von der geschlechtlichen Generation 
überkommenes Erbtheil ist. Für die’ geschlechtliche Generation aber, 
welche nur Weibchen erzeugt, muss man annehmen, dass ohne Aus- 
nahme die Eier befruchtet werden und dass, wie bei der Biene, die be- 
fruchteten Eier stets Weibchen liefern. 

Bei dem Versuche allgemein gültige Gesichtspunkte aufzustellen, 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 243 


tritt uns auch hier die Erscheinung entgegen, dass die Parthenogenesis 
sich verschieden ausgebildet hat, den Bedürfnissen des einzelnen Falles 
entsprechend. Daher muss für jede einzelne Art untersucht werden, 
wie die Fortpflanzung sich ausgebildet hat. 

Bei der Untersuchung der Parthenogenesis war ich von dem Ge- 
sichtspunkte ausgegangen, dass sie der geschlechtlichen Fortpflanzung 
ganz gleich steht und kein Kriterium geben kann, die eine Generation 
der anderen unterzuordnen. Aber noch ein zweiter sehr wichtiger Um- 
stand beweist, dass die beiden Generationen der Gallwespen einander 
coordinirt sind. 

Wenn man versuchen will, das jetzige Vorkommen zweier so total 
verschiedener Generationen zu erklären, wie sie bei den Eichen-Gall- 
wespen vorkommen, so muss man doch unbedingt annehmen, dass ur- 
sprünglich diese Verschiedenheit nicht bestand, sondern dass beide 
Generationen einander gleich waren. Denn als allgemeine Regel gilt es, 
dass von den Erzeugern mit großer Konstanz die gleiche Organisation 
und Körperform auf die Nachkommen vererbt wird. Treten nun Diffe- 
renzen zwischen zwei ursprünglich identischen Generationen auf, so 
wird man dieselben zunächst auf eine Änderung der äußeren Lebensbe- 
dingungen zurückführen müssen. In erster Linie sind dahin Verände- 
rungen des Klima zu rechnen, denn wir wissen nach den Untersuchungen 
von Weısmann über den Saison-Dimorphismus gewisser Schmetterlinge, 
dass differirende klimatische Einflüsse den ersten Anstoß zu Abände- 
rungen zweier Generationen geben können. Was aber den Grad der 
Abänderung betrifft, so wird derselbe durch einen Faktor bestimmt, 
welchen wir nicht genauer präcisiren können. Es ist dies nämlich die 
individuelle Organisation der betreffenden Art, welche bald eine größere 
Neigung zum Variiren, bald aber das Bestreben hat sich konstant zu 
erhalten. So finden wir bei den Gallwespen Generationen, bei denen 
trotz der verschiedensten Außenbedingungen fast keine Differenz ein- 
getreten ist (aptera-terminalis), während daneben eine andere durch 
ihre auffallende Differenz uns frappirt (renum-crustalis). 

Wenn aber ursprünglich die Generationen einander gleich waren, 
was, wie ich glaube, nicht bezweifelt werden kann, so ist es von dem 
größten Interesse zu erfahren, ob man jetzt noch entscheiden kann, 
welche der beiden heutigen Generationen die ursprüngliche oder ihr 
doch am nächsten stehende ist. Zur Entscheidung dieser Frage liegen 
zwei wichtige Thatsachen vor. 

1) Die parthenogenetische Form kommt für sich allein vor (Kapitel II 
sind vier derartige Arten beschrieben). 

2) Bei den Eichen-Gallwespen ist kein Fall bekannt, dass eine 


244 H. Adler, 


geschlechtliche Form für sich besteht; alle geschlechtlichen Arten kennen 
wir nur zu einem Generationscyklus mit einer agamen vereinigt. 

Daraus scheint mir darf man schließen, dass die jetzige agame Form 
die ursprüngliche war und wenn nicht geradezu identisch mit derselben, 
jedenfalls ihr sehr nahe stand. 

Weitere Fragen dagegen lassen sich nicht ermitteln; wann die 
regelmäßige Parthenogenesis eingetreten ist (denn dass dieselbe allmäh- 
lich erworben wurde, kann nach den früheren Ausführungen wohl nicht 
bezweifelt werden), ist eben so wenig festzustellen, als ob ursprünglich 
in einem Jahre eine oder zwei Generationen sich entwickelten. Wahr- 
scheinlich ist es, dass ursprünglich in einem Jahre nur eine Generation 
sich entwickelte, wie dies bei den für sich bestehenden agamen Arten 
noch jetzt der Fall ist. 

Jedenfalls aber halte ich es für sicher, dass die parthenogenetische 
Generation als ursprüngliche anzusehen und daher die geschlechtliche 
ihr unterzuordnen ist. 

Für die Auffassung des ganzen Generationswechsels ist es von der 
größten Wichtigkeit, wenn man mit Bestimmtheit die eine Generation 
als die primäre bezeichnen kann. Die bedeutenden Differenzen zwischen 
den heutigen Generationen erforderten zu ihrer Ausbildung ohne Zweifel 
lange Zeiträume. Ein Maßstab für die Berechnung solcher Zeiträume 
fehlt uns freilich. Wären unter den fossilen Insekten Gallwespen ge- 
funden, so würden wir einen gewissen Anhalt haben, aber ein solcher 
Befund liegt nicht vor. Wir wissen nur, dass in früheren Perioden ein 
von dem heutigen total verschiedenes Klima bestand ; unter dem mäch- 
tigen Einflusse eines sich stetig, wenn auch allmählich ändernden Klimas 
hat sich dann der merkwürdige Generationswechsel ausgebildet, indem 
Anpassungen an neue’ Lebensverhältnisse die ganze Organisation der 
Art mehr oder weniger umänderten. 

- Ein Blick auf die jetzt vorkommenden total verschiedenen Gene- 
rationen zeigt allerdings die Schwierigkeit des Problems »in der Er- 
scheinungen Flucht den ruhenden Pol« zu suchen. Nur in wenigen 
Zügen, einer Lapidarschrift gleich, spricht der jetzt vor unseren Augen 
sich vollziehende Generationswechsel von seiner, lange Zeiträume zu- 
rückreichenden Entstehungsgeschichte. 


Schleswig, im Mai 1880. 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 245 


Erklärung der Abbildungen !. 


Tafel X. 


Fig. 4. Gallen von Neuroterus lenticularis. 

Fig. 42. Gallen von Spathegaster baccarum auf einem Blatte und Blüthenspindel. 

Fig. 2. Gallen von Neuroterus laeviusculus. 

Fig. 22. Gallen von Spathegaster albipes (2 Mal vergrößert). 

Fig. 3. Gallen von Neuroterus numismatis (eine Galle daneben vergrößert). 

Fig. 3%. Gallen von Spathegaster vesicatrix (daneben vergrößerte Galle). 

Fig. 4. Gallen von Neuroterus fumipennis. 

Fig. 42. Gallen von Spathegaster tricolor, 

Fig. 5. Gallen von Aphilotrix radieis, die eine im frischen Zustande, die andere 
nach der Reife im Querschniitte. 

Fig. 52. Gallen von Andricus noduli, ein Trieb mit frischen, der andere mit 
vorjährigen Gallen. 

Fig. 6. Gallen von Aphilotrix Sieboldi, ein Ast mit frischen Gallen, der andere 
mit reifen und verholzten. 

Fig. 6%. Gallen von Andricus testaceipes. 

Fig. 7. Gallen von Aphilotrix cortieis, ein Rindenstück mit frischen, das andere 
mit reifen Gallen. 

Fig. 72. Gallen von Andricus gemmatus, mit den Fluglöchern der Wespe. 


Tafel XI. 


Fig. 8. Gallen von Aphilotrix globuli, reife Galle isolirt daneben. 

Fig. 8%. Gallen von Andricus inflator, daneben Querschnitt, um die Innen- 
galle zu zeigen. 

Fig. 9. Gallen von Aphilotrix collaris, frische Galle in der Knospe und isolirt, 
und daneben reife mit der Knospe verwachsene Galle. 

Fig. 9%. Gallen von Andricus curvator an einem Blatte und Zweige, daneben 
Querschnitt mit der Innengalle. 

Fig. 40. Galle von Aphilotrix fecundatrix, isolirte Innengalle daneben. 

Fig. 402. Gallen von Andricus pilosus, 3 Mal vergrößert. 

Fig. 44. Gallen von Aphilotrix callidoma. 

Fig. 442, Gallen von Andricus cirratus, in natürlicher Größe und daneben eine 
Knospe mit den Gallen 3 Mal vergrößert. 

Fig. 42. Gallen von Aphilotrix Malpighii. 

Fig. 122. Gallen von Andricus nudus, 2 Mal vergrößert. 

Fig. 43. Galle von Aphilotrix autumnalis, reife Galle daneben isolirt. 

Fig. 432. Gallen von Andricus ramuli. 

Fig. 44. Galle von Dryophanta scutellaris. 

Fig. 142. Galle von Spathegaster Taschenbergi, reife Gallen nach dem Aus- 
schlüpfen der Wespe und eine frische Galle vergrößert. 

Fig. 45. Galle von Dryophanta longiventris. 

Fig. 452. Galle von Spathegaster similis, eine an einem Triebe, eine aus einer 
Rindenknospe hervorgehend, eine vergrößert. 

Fig. 46. Gallen von Dryophanta divisa. 

Fig. 162. Gallen von Spathegaster verrucosus, eine Galle auf einem Blatte, eine 
andere auf einem Blattstiele sitzend, daneben eine vergrößerte, schließlich eine aus 
einer Knospe hervorbrechend. 


1 Die Abbildungen der Gallen sind sämmtlich von Herrn O. PETERS in Göttingen 
nach frischen Exemplaren gemalt. 


246 H. Adler, Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 


Fig. 47. Gallen von Biorhiza aptera, frische Gallen aus dem ersten Jahre (bei 
eigenen Zuchtversuchen erhalten), daneben eine reife und verholzte Galle. 

‚Fig. 172. Galle von Teras terminalis, darunter Querschnitt einer reifen Galle. 

Fig. 18. Gallen von Biorhiza renum; Wespe daneben vergrößert. 

Fig. 182. Gallen von Trigonaspis crustalis, Wespen , Männchen und Weibchen, 
daneben vergrößert. 

Fig. 49. Gallen von Neuroterus ostreus. 

Fig. 192. Gallen von Spathegaster aprilinus. 

Fig. 2 Gallen von Aphilotrix seminationis auf Blättern und Blüthenspindeln. 

Fig. 24. Gallen von Aphilotrix marginalis. 

Fig. 22. Gallen von Aphilotrix quadrilineatus. 

Fig. . Gallen von Aphilotrix albopunctata. 


Tafel XII. 


Sämmtliche Figuren dieser Tafel sind nach Photogrammen gezeiclınet. Die bei 
mehreren Stacheln gezeichneten Eier sind bei derselben Vergrößerung wie der zu- 
gehörige Stachel photographisch aufgenommen. Die Stachel je zweier zusammen- 
gehöriger Generationen führen dieselbe Zahl. 

Fig. A. Stachel von Andricus cirratus. Vergr. 55. Die Stechborste ist herausge- 
zogen, damit die beiden Platten, Muskeln und Schienenrinne klar zu übersehen 
sind. | 

9 bis 5 sind die beim Stechapparate beschriebenen fünf Muskeln, welche 
die Stechbewegungen des Stachels vermitteln. 

h, hintere, v, vordere Platte ; db, Bogen, c, Horn, s, Schienenrinne, p, Mast- 
darmpapille, st, Stachelscheide. 

Fig. 2. Stachel von Neuroterus laeviusculus, mit Ei. Vergr. 30 

Fig. 2%. Stachel von Spathegaster albipes, mit Ei. Vergr. 36. 

Fig. 3. Stachel von Neuroterus fumipennis. Vergr. 36. 

Fig. 4. Stachel von Aphilotrix radieis, mit Ei. Vergr. 25. 

Fig. 42. Stachel von Andricus noduli, mit Ei. Vergr. 36. Die Stechborste ist 
vorgezogen. 

Fig. 5. Stachel von Dryophanta scutellaris, mit Ei. Vergr. 30. 

Fig. 5%. Stachel von Spathegaster Taschenbergi, mit Ei. Vergr. 36 

Fig. 6. Stachel von Biorhiza renum. Vergr, 36. 

Fig. 6%. Stachel von Trigonaspis crustalis. Vergr. 30. 

Fig. 7. Stachel von Teras terminalis. Vergr. 30. 

Fig. 8. Ei von Biorhiza aptera direkt aus dem Ovarium genommen und da- 
neben mit einem Embryo. Vergr. 200. Der Eistiel ist kurz abgeschnitten. 

Fig. 9. Eifach aus dem Ovarium von Neuroterus fumipennis, drei noch in der 
Bildung begrifiene Eier darstellend. Vergr. 400. An dem letzten am Weitesten ent- 
wickelten Ei sieht man deutlich die Bildung des Eistieles. 

Fig. 10. Ei von Aphilotrix autumnalis, 40 Stunden nach dem Legen aus einer 
Knospe genommen. Vergr. 200. Der Eistiel hat sich gegen die Eihöhle abgeschlos- 
sen. Die ganze Länge des Stieles war bei dieser Vergrößerung nicht darzustellen. 


EEE USD EV WEN WE 


B 
N 


Über die Gefäfse im Auge und in der Umgebung des Auges beim 
Frosche. 


Von 


Hans Virchow, 
Assistenten am anatomischen Institute zu Würzburg, 


Mit Tafel XIII und XIV. 


Wer das Auge, sei es entwicklungsgeschichtlich, sei es vergleichend 
anatomisch, betrachtet, wird an den inneren ! Augengefäßen ein großes 
Interesse nehmen. Seitdem Hyrır es als Gesetz aufgestellt hat, dass die 
Retina nur bei den Säugethieren vascularisirt sei 2, lag es nahe, zwischen 
den Gefäßen, welche es auf der Oberfläche des Glaskörpers bei ge- 
wissen Kaltblütern gibt, und den Netzhautgefäßen der Säugethiere eine 
Beziehung zu finden. Aber auch der Glaskörper der Säugethiere enthält 
während einer frühen Epoche der Entwicklung Gefäße und auch diese 
schienen den Vasa hyaloidea der Kaltblüter verwandt zu sein. Darin 
liegt ein Widerspruch, der nur dann schwindet, wenn sich aus den 
fötalen Glaskörpergefäßen der Säugethiere die Netzhautgefäße ent- 
wickeln®. Indessen die Untersuchungen sind nicht weit genug vorge- 
schritten, um diese Fragen zu entscheiden. Man weiß gar nichts von 
der Entwicklung der Netzhautgefäße und kennt nicht genau die Gläs- 
körpergefäße der Kaltblüter; nur von den fötalen Vasa hyaloidea der 
Säugelhierembryonen geben die Untersuchungen von Rıcniarpı* ein 
deutliches Bild. Der Einzige, der die Erforschung der Homologien 


1 Zusatz A. 
‘2 HyetL, Über anangische Netzhäute. Sitmuiaehens d. kaiserl. Akad. d. Wissen- 


- schaften, mathem.-naturwissensch. Kl. 43. Bd. Wien 4861. 


EEE Be 


3 KÖLLIKER, Entwicklungsgeschichte d. Menschen und der höh. Thiere. II. Aufl. 
Leipzig 4879. p. 661. 
* RıcHıArDı, Sopra il sistema vasc. sang. dell’ occhio del feto umano e dei mam- 


 miferi. Arch. per la zool. l’anat. e la fisiol. Torino e Firenze 1869. p. 198. 


Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 417 


248 Hans Virchow, 


zwischen den genannten Gefäßen begonnen hat, ist Kesster!; er hat 
eine gleiche Uranlage für die inneren Augengefäße bei verschiedenen 
Wirbelthieren nachgewiesen, unter denen man aliein Repräsentan- 
ten der anuren Amphibien vermisst. Dieselben Untersuchungen haben 
gezeigt, dass den urodelen Amphibien die Anlage innerer Augengefäße 
gänzlich fehlt. 

Die vorliegende Arbeit sollte diese Untersuchungen weiter führen, 
speciell die Entwicklung der Netzhautgefäße verfolgen. Das Studium 
der Glaskörpergefäße des Frosches wurde nur als Voruntersuchung 
unternommen. Dabei stellte sich aber eine unerwartete Verbindung 
dieser Gefäße mit den übrigen Augengefäßen heraus. Und um einen 
festen Boden für die Betrachtung zu gewinnen, wurde die gesammte 
Gefäßvertheilung im Auge und die Anknüpfung dieser Bahnen an die 
größeren Stämme des Kopfes aufgesucht. Die Ergebnisse dieser For- 
schung sind geeignet, auch für sich die Aufmerksamkeit in Anspruch zu 
nehmen. Denn sie zeigen, dass es bedeutende Abweichungen von dem 
Typus giebt, den man von den Säugethieren kennt. 

Die Arbeit behandelt in vier Abschnitten die Gefäße zwischen Herz 
und Auge, die Gefäße der Chorioidea , der Iris, des Glaskörpers. Zum 
Voraus soll jedoch eine Bemerkung über die angewendeten Injektions- 
methoden gemacht werden. 


Methoden. 


Zur Injektion der Vasa hyaloidea eignet sich kaltflüssiges Berliner 
Blau und noch besser blaue Gelatinemasse. Für die übrigen Gefäße 
braucht man andere Mittel. Arrmann3 hat eine ausgezeichnete Methode 
beschrieben, bei welcher in injiciriem Öle der Niederschlag eines Re- | 
duktionsproduktes der Überosmiumsäure erzeugt und dann corrodirt 
wird. Man kann auf diesem Wege Ausgüsse herstellen von den Gefäßen 
der ganzen Iris und aller Theile der Chorioidea. Und es würde gewiss | 
auch möglich sein, mit Hilfe derartiger Präparate die Gefäßvertheilung 
im Auge kennen zu lernen. Es giebt aber eine Masse, die gerade die 
stärkeren Gefäße deutlich hervorhebt, und die dadurch oft mit einem 
Schlage zeigt, was man sonst vergeblich sucht; ja auf Verhältnisse 
führt, die man gar nicht vermuthet. Das ist Schellack. Man injieirt ihn, | 
nachdem er in Alkohol »gelöst« ist. Die Anregung zur Anwendung dieser \ 
Masse gab eine Mittheilung von Hoyer. Die alkoholische Schellack- 


I KEssLEr, Zur Entw. d. Auges der Wirbelth. Leipzig 1877. 2 ]1.:c:p. 4% 
3 ALTMANN, Über d. Verwerthbarkeit d. Korr. in d. mikr. An. Archiv für mikr. if 
Anat. Bd. XVI. 1879. p. 474. | 
* Hoyer, Archiv für mikr. Anat. Bd. XI. p. 645. 


Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche. 249 


lösung kann verdünnt in die feinsten Gefäße, ja durch die Kapillaren 
getrieben werden. Sie lässt sich aber andererseits, wenn man sie 
strengflüssiger herstellt, auf die Arterien oder Venen beschränken. Nur 
dadurch war es möglich zu entscheiden, was Arterien und was Venen 
des Glaskörpers sind. Man füllt die Venen der Augenhöhle von der 
V. cutanea aus. Präparate von der Chorioidea, die mit Schellack injieirt 
sind, überstehen stückweise sogar die Korrosion. Derartige Objekte 
zeichnen sich durch eine ungemeine Körperlichkeit vor denen nach 
Arrtmann’scher Manier aus. Dagegen war es ganz unmöglich, zusammen- 
hängendere Gefäßausbreitungen aus den korrodirenden Flüssigkeiten zu 
retten, da die Theile schon von selbst zerfielen. Mit Schellack waren 
auch diejenigen Thiere injieirt, an denen die Kopfgefäße präparirt wur- 
den. -Hier ist aber eine Kontrole an anders injieirten und an nicht 
injicirten Objekten nothwendig, da durch den Druck der strengflüssigen 
Masse die Gefäße erweitert und verschoben werden. 


Die Gefäße des Kopfes (Fig. 1—4). 


Die A. ophthalmica so wie mehrere Zweige, welche den unteren 
(inneren) Augenhöhlenrand umrahmen und in die Augenmuskeln ein- 
dringen, entspringen der A. carotis; die arteriellen Gefäße, welche den 
äußeren (oberen) Augenhöhlenrand umgeben, einem Aste aus der Aorta, 
welcher von Frıtscn ! und von Huxıey ? A. vertebralis genannt wird; der 
Abfluss des Blutes aus der Augenhöhle erfolgt in die Vena facialis. 


‚Dieser Abschnitt handelt von 
1) der A. ophthalmica, 
2) der A. vertebralis, 
3) der A. cutanea, 
4) der V. facialis. 


Die richtigste und zugleich genaueste Schilderung der Froschgefäße 
stammt aus dem Jahre 1838 3. Aber Burow’s Mittheilungen haben einen 
Schein von Unbestimmtheit, da nur wenige Gefäße benannt sind. 

Die Mundhöhle, die bis 3 mm vor dem Kieferwinkel eine durch den 
Abstand der Kieferränder bedingte Breite besitzt, geht durch einen 
trichterförmigen Abschnitt in die Speiseröhre über. Hier trifft man den 
Ursprung der Gefäße: das Herz mit dem Bulbus arteriosus, aus dem die 


1 Fritsch, Zur vergl. Anat. d. Amphibienherzen. Archiv für Anat. und Phys. 
1869. p. 695. 


2 Huxtey, Handbuch. d. Anat. der Wirbelth. übers. v. RatzeL. Breslau 4873. 
p. 158. 


3 Burow, De vasis sanguif. ran. Diss. Regiomonti 1838. 
17* 


250 Hans Virchow, 


drei Bogen jederseits hervorgehen, liegt auf der Bauchseite der Speise- 
röhre (Fig. 1). Die A. carotis interna aus dem ersten Bogen, und die 
Aorta (A), die Fortsetzung des zweiten, umgeben den Anfang der Speise- 
röhre. Die A. carotis, oder der erste Bogen (A.c), spaltet sich in die 
A. lingualis (A.l) und die A. carotis interna (A.c.i). Letztere zieht wie 
die Aorta an der lateralen Seite der Speiseröhre vorbei auf die obere. 
Um aber zunächst von der ventralen auf die laterale zu gelangen, 
müssen beide zwischen den Mm. petrohyoidei! hindurchpassiren , die 
A. carotis interna zwischen dem M. petrohyoideus anterior und dem 
ersten posterior, die Aorta zwischen erstem und zweitem posterior. Die 
A. carotis interna ist also durch den M. petrohyoideus posterior primus 
von der Aorta getrennt, legt sich dann aber sofort wieder an sie an. 
An dieser Stelle gibt Burow eine strangförmige Verbindung zwischen 
beiden an, in der er den Rest eines embryonalen Ductus Botalli ver- 
muthet?, Huxıry fälschlich einen Ductus Botalli3. Erst da, wo sie die 
dorsale Seite des Schlundes erreicht haben, wendet sich die A. carotis 
interna eben so entschieden vorwärts, wie die Aorta rückwärts. 

Die A. carotis interna, über der Schleimhaut des Gaumens gestreckt 
vorwärts laufend, nähert sich nur sehr allmählich der Mittellinie und 
hat über sich zunächst den Ursprung des M. levator anguli scapulae und 
dann den queren Arm des Os sphenoideum (Fig. 2) und erreicht den 
unteren Augenhöhlenrand lateral von dem hinteren inneren Augen- 
winkel. Hier gibt sie zwei Äste ab, die A. palatina anterior (A.p.a) und 
A. palatina posterior (A.p.p). Letztere vertheilt sich, ohne einen eigent- 
lichen Stamm zu bilden, in dem hinteren lateralen Abschnitte der 
Gaumenschleimbaut, die anterior dagegen verläuft zur Seite des longi- 
tudinalen Armes des Os sphenoideum vorwärts, biegt am Os palatinum 
lateralwärts um und im vorderen lateralen Winkel des unteren Augen- 
höhlenrandes wieder vorwärts, während ein hier abgehender Ast längs 
des Os pterygoideum fast den hinteren lateralen Winkel erreicht. Die 
Arterie selbst, über einer vorstehenden Kante des Oberkieferbeines ver- 
borgen,, erreicht in der Mittellinie das gleichnamige Gefäß der anderen 
Seite und sendet ihre Zweige medianwärts und rückwärts in die 
Schleimhaut vor der inneren Nasenöffnung. Ihre Verzweigungen ge- 
hören fast ausschließlich der Schleimhaut an. Eine von Burow ange- 
gebene Anastomose mit der später zu beschreibenden A. nasalis in der 
Nase existirt nach den vorliegenden Untersuchungen nicht. 

Die A. carotis interna selbst, dem abgerundeten Winkel, welchen 
der longitudinale und der quere Arm des Os sphenoideum bilden, fest 


1 Die Bezeichnungen der Muskeln überall nach Ecker, Anat. des Frosches. 
21. cp 10. 3 1.UCH0pr 458: 


Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche, 251 


angepresst und dabei unter dem Ursprunge des M. pterygoideus gelegen, 
spaltet sich in die A. carotis cerebralis und A. ophthalmica!. 

Die A. carotis cerebralis tritt unmittelbar von dem gemeinsamen 
Stamme ab in eine Öffnnng des knorpeligen Schädels, welche nach ab- 
wärts von einer Verbindungslinie zwischen Foramen opticum und 
Foramen pro trigemino, dem Foramen opticum näher, liegt. Ein Nerv, 
der an derselben Stelle die Schädelhöhle verlässt, N. abducens, befindet 
sich unmittelbar neben der Arterie nach oben und vorn; auf annähernd 
sagittalen Schnitten kann man sehen, dass Arterie und Nerv je ein be- 
sonderes Durchtrittsloch haben. 

Die A. ophthalmica (Fig. 2, A.o), stärker als die A. cerebralis, tritt 
über den Ursprung des M. rectus oculi externus und M. retrahens bulbi 
hinweg in die Mitte des vom inneren hinteren Augenwinkel entspringen- 
den Muskelkegels und legt sich an den N. opticus an. Sowohl an diesem 
als am Bulbus hält sie die Mitte zwischen der ventralen und temporalen 
Seite. Sie liegt der Sclera zwar dicht aber locker an und dringt erst jenseits 
des Äquators durch die äußerste Augenhaut, und zwar so schief, dass 
sie die Chorioidea erst am Corpus ciliare erreicht. In diesem läuft sie 
vermittels eines flachen Bogens?, der seine Konvexität der Iris zu- 
wendet, bis zu seinem untersten Punkte. Aus diesem Bogen treten die 
beiden Arterien der Iris aus, und der Rest der A. ophthalmica ist die 
A. hyaloidea. Diese geht von dem untersten Punkte des Corpus ciliare 
auf die anliegende Stelle des Glaskörpers hinüber. 

Ehe die A. ophthalmiea den Bulbus erreicht, gibt sie, ziemlich an 
derselben Stelle, mehrere Muskeläste und zwei Arterien der Chorioidea 
ab. Die letztgenannten (Fig. 5) kann man nach der üblichen Nomen- 
_ klatur auch als Aa. ciliares bezeichnen. Sie gelangen an der temporalen 
Seite des Sehnerven vorbei, also in einer sehr flachen Spirale, an die 
Sclera dorsal vom Sehnerveneintritt, durchbohren die Sclera sofort und 
gehen in der Chorioidea die eine in temporaler, die andere in nasaler 
Richtung. Da der Sehnerveneintritt der temporalen Seite näher ist wie 
der nasalen, so ist die temporale Arterie kürzer wie die andere. Diese 
beiden Gefäße liegen von ihrem Ursprunge aus der A. ophthalmica bis 
zu ihrer Trennung auf der Chorioidea hart an einander an. 

An der Stelle, wo sich die Aorta nach rückwärts wendet, unmittel- 

bar vor dem Querfortsatze des zweiten Wirbels und wenig nach vorn 
_ von dem Ursprunge der A. subelavia (Fig. 1, A.s), entsteht, letzterer an 
Stärke gleich, ein Gefäß, welches Frırscn und Huxıry A. vertebralis 
nennen (A.v). Es steigt zur Seite des ersten Wirbels in die Höhe, dem 


1 Zusatz 2. 2 Zusatz 3. 


252 Hans Virchow, 


querfortsaizlosen Körper so fest angepresst, dass es ihn nicht nur von den 
Mm. intertransversarii capitis, sondern auch von dem N. sympathicus 
irennt. Jetzt spaltet sich das Gefäß in einen rückwärts und einen vor- 
wärts laufenden Ast. Letzterer (A.oc) durchdringt den Ansatz des M. 
longissimus dorsi, dem Os ocecipitale laterale angeschmiegt, und liegt so- 
dann unmittelbar unter der starken Fascie, welche den M. temporalis 
bedeckt!. Diese Fascie ist von dem Os oceipitale und der Kante des | 
Os frontoparietale ausgespannt zum Processus zygomaticus des Os tym- 
panicum und zum oberen Augenlide und findet ihre Fortsetzung in | 
einem sehr straffen Blatte, welches vom Os tympanicum zum Os maxil- | 
lare hinabreicht und über die hier gelegenen Gefäße, A. temporalis und 
V. facialis, lateral hinwegzieht. Es wäre am natürlichsten, das beschrie- 
bene Gefäß A. oceipitalis zu nennen, wenn nicht dieser Name zur Zeit, | 
freilich unpassend, vergeben wäre. Am vorderen Rande des M. tempo- 
ralis spaltet sich diese Arterie in eine A. nasalis und eine A. temporalis2. 

Erstere (A.n) läuft, bedeckt von der beschriebenen Fascie, über den | 
M. rectus oculi superior hinweg außerordentlich stark geschlängelt an 
der Kante des Os frontoparietale nach vorn, beschickt im vorderen 
medianen Augenwinkel die Harner’sche Drüse und verlässt die Augen- 
höhle durch denselben Kanal im Os ethmoidale, welchen auch der R. 
nasalis vom ersten Aste des Trigeminus benutzt. Zuletzt spaltet sich | 
das Gefäß in zwei Äste, welche über der Schleimhaut der Decke der ” 
Nasenhöhle liegen. | 

Die A. temporalis (A.t), am vorderen Rande des M. temporalis late- | 
ralwärts und abwärts laufend, tritt unter dem vorderen Schenkel des | 
Os tympanicum hindurch und biegt, am Obeıkiefer angelangt, rück- | 
wärts. | 

An dieser Stelle geht ein Ast, der sich bald theilt, oder sogleich ' 
mehrere, oberhalb des Oberkiefers nach vorn, in dem Raume zwischen ” 
Augenhöhlenrand und Kieferrand die Haut versorgend bis vor den auf- 
‚steigenden Fortsatz des Os maxillare; Aa. maxillares superiores (A.m). 

Aus allen den Augenhöhlenrand umgebenden Gefäßen entspringen 
kurze Zweiglein für die Augenlider und die Bindehaut, besonders in | 
den beiden temporalen Winkeln. | 


Kehren wir indessen zur A. temporalis zurück. Diese gibt vor 7 


dem Os tympanicum ein Ästchen aufwärts, wird von der unteren Partie | 
des Trommelfellrandes bedeckt und passirt sodann lateral am unteren | 


Schenkel des Os iympanicum vorbei, um, nachdem sie die äußere durch U 


das Trommelfell verschlossene Öffnung der Paukenhöhle untenher um- | 


1 Zusatz 4. 2 Zusatz 5. 


Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche. 253 


gangen hat, an der hinteren Wand der letzteren in ihre Endäste zu zer- 
fallen. Ein kurzer aber nicht schwacher Ast, R. auricularis (aw’), ver- 
breitet sich sehr reich in der Schleimhaut der hinteren Wand der 
Paukenhöhie und sendet ein Zweiglein auf das Trommelfell, welches von 
dessen oberem Rande gegen die Mitte hinabzieht und um den Ansatz 
der Columella einen Kranz bildet. Ein zweiter Ast geht medianwärts 
und erreicht den unmittelbar vor dem M. deltoides liegenden Feitkörper. 
Ein dritter Ast (A.i.p) endlich läuft an der medianen Seite des Kiefer- 
winkels vorbei nach vorn. 

Aber dieser kann nicht allein auf den Namen einer A. inframaxilla- 
ris Anspruch machen. Es tritt nämlich an der Stelle, wo die A. tempo- 
ralis von dem Trommelfellrande verdeckt ist, eine Arterie (A.i.a) nach 
unten aus, läuft genau in derselben Weise wie der N. inframaxillaris in 
der Furche zwischen M. masseter und M. temporalis, median vom Os 
jugale und lateral von der Mandibula, abwärts und biegt sich schräg 
unter dem Unterkiefer weg an dessen mediane Seite. Beide Aa. infra- 
inaxillares ziehen nun, in den M. mylohyoideus seiner Faserung parallel 
Reiser vertheilend nach vorn bis zur Mittellinie; ein starker Zweig tritt 
auf halbem Wege in die Haut. 

Der R. auricularis der A. temporalis nun anastomosirt mit einem 
Aste der A. cutanea und macht dadurch eine Besprechung dieser Arterie 
nöthig. 

Die A. cutanea (A.cu) aus dem dritten Bogen, eben so stark wie die 
A. pulmonalis (A.p), tritt nicht wie die A. carotis interna und die Aorta 
auf die dorsale Seite der Mm. petrohyoidei, sondern sie bleibt der ven- 
tralen Seite des M. petrohyoideus posterior tertius dicht anliegend bis in 
die Nähe des Felsenbeines, läuft also vorwärts, lateralwärts und auf- 
wärts. Dabei kreuzt sie den lateralen Rand des M. levator anguli scapu- 
lae und erscheint zwischen dem M. protractor scapulae und dem M. 
sternocleidomastoideus. Hier nun wendet sie durch einen kurzen, lateral 
gerichteten, Bogen plötzlich in eine absteigende Richtung um und kommt 
hinter dem Kieferwinkel, am hinteren Rande des M. depressor maxillae 
inferioris zum Vorschein. Der Bogen dient ihr dazu, hinter dem M. 
sternocleidomastoideus hinweg auf dessen laterale Seite zu gelangen, 
und sie liegt während dessen dem Suprascapulare näher wie dem Schä- 
del. Bogen und absteigender Schenkel sind nur von dem flachen M. 
depressor maxillae inferioris verdeckt. Nach ihrem Austritte breitet 
sich die Arterie sofort rückwärts sehr reichlich in der Haut an der Seite 
des Thieres aus, gibt aber auch medianwärts einen Zweig ab, der bis 
zu dem Fettkörper vor dem M. deltoides läuft. 


354 Hans Virchow, 


Zwei Äste entstehen aus 'der A. cutanea, unmittelbar ehe sie den 
Bogen hinter dem M. sternocleidomastoideus bildet. | 

Der eine dieser Äste (d) steigt direkt in die Höhe hinter dem late- 
ralen Ende des Processus squamosus des Os petrosum und hinter dem 
M. temporalis und tritt am vorderen Rande des M. depressor maxillae 
inferioris zur Haut. Auch er verbreitet sich rückwärts, aber nicht an 
der Seite, sondern am Rücken des Thieres, ist also ein Ramus dorsalis 
gegenüber dem R. lateralis (!), der Endigung der A. cutanea. Zur Haut 
des Kopfes gibt er nur ganz schwache Reiser, die bis an das obere 
Augenlid nach vorn reichen !. 

Der andere Ast (aw”), kein Haut-, sondern ein Schleimhaut- und 
Muskelast, entspringt meist aus dem Stamme vor dem Abgange des R. 
dorsalis, zuweilen aber aus diesem. Er verbirgt sich hinter den Mm. 
petrohyoidei. Diese gegen ihren Ansatz hin fächerartig ausgebreiteten 
Muskeln entstehen gedrängt auf kleinem Raume an der hinteren Fläche 
des Felsenbeines, und dabei ist der im weiteren Verlaufe hintere Rand 
des M. petrohyoideus posterior tertius medianwärts gerichtet. Um diesen 
Rand nun schlägt sich die Arterie herum und kommt dadurch an die hintere 
Wand der Paukenhöhle. Dieser Ramus auricularis der A. cutanea also 
ist es, der mit dem R. auricularis der A. temporalis anastomosirt, so 
dass man das Netz an der hinteren Paukenhöhlenwand und die aus 
diesem Netze hervorgehende A. inframaxillaris mit demselben Rechte 
dem einen wie dem anderen zuschreiben kann; eine Auffassung, die 
durch isolirte Injektionen gesichert wird : Durch Vorschieben der Kanüle 
bei der Injektion von einem der Truünci arteriosi aus lässt sich nämlich 
zuweilen die A. cutanea gänzlich von der Füllung ausschließen. Man 
findet trotzdem alle bei der A. temporalis beschriebenen Gefäße voll 
Masse. Andererseits kann es der Zufall fügen, dass im Anfange der A. 
temporalis die Injektion stockt. Dann füllt sich das Paukenhöhlennetz 
und die hintere A. inframaxillaris, ja das Ende der A. temporalis und 
die vordere A. inframaxillaris von der A. cutanea her. 

Auf einem Schema der drei arteriellen Bogen und ihrer Äste hat 
Fritsch der A. cutanea eine A. oceipitalis und eine A. inframaxillaris 
zuertheilt ? und hat sie folgendermaßen beschrieben : »Sie (die A. cutanea) 
giebt nicht ausschließlich Äste zur Haut des Rumpfes, sondern ein 
starker Zweig steigt nach Art einer occipitalis unter der Haut des 
Kopfes in die Höhe«3; ferner »gibt sie am Unterkieferwinkel 
einen starken Ast ab, der in die Tiefe zu den Muskeln des Unterkiefers 
und zu diesem selbst nach Art einer A. inframaxillaris höherer Amphi- 


1 Zusatz 6. 2]. ce. Holzschnitt 3 auf p. 690. & 1. C..p. 689. 


Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche. 255 


bien verläuft«. Nach gütiger mündlicher Mittheilung sind damit die 
beiden oben beschriebenen Äste gemeint. 

Die V. facialis (Fig. 3 und A) ist von Burow! und von GrusyY? be- 
schrieben worden als an der äußeren Seite des Oberkiefers von der 
Nase an rückwärts verlaufend und am Kieferwinkel in die Vena cutanea 
übergehend. Bei genauerer Betrachtung muss man sie vorn und hinten 
beschränken: sie beginnt an der Spitze des Processus zygomaticus des Os 
tympanicum und geht 4 mm vor dem Kieferwinkel auf die Haut über 
vor dem M. depressor maxillae inferioris. 

Unterhalb und lateralwärts von der äußeren Nasenöffnung entsteht 
aus zwei Ästchen, einem oberen und einem unteren, eine kräftige Vene, 
V. nasalis (V.n); läuft oberhalb des Os maxillare rückwärts und ver- 
bindet sich am Augenhöhlenrande mit einer gleich starken Vene der 
Augenhöhle zur V. facialis (V.f). 

Letztere (V.or.a) liegt an der vorderen Wand der Orbita; ihr gegen- 
über vor dem M. pterygoideus eine zweite (V.or.p), welche unter dem 
Processus zygomaticus hindurch in die V. facialis mündet; eine V. orbi- 
talis posterior gegenüber einer V. orbitalis anterior. Diese beiden Venen, 
welche Burow — genauer wie Grusy — angibt, liegen unmittelbar über 
dem M. levator bulbi. Die vordere erhält aus der Harper’schen Drüse 
kurze kräftige Wurzeln. 

Es gibt aber noch eine dritte Vene (V.or.m) an der medialen Wand 
der Augenhöhle, hart am Schädel. Diese V. orbitalis medialis kommt 
aus dem vorderen medialen Winkel, sei es, dass sie aus einer Nasen- 
vene hervorgeht, oder von der Harper’schen Drüse ihre Entstehung 
nimmt, oder mit der vorderen Augenhöhlenvene zusammenhängt. Sie 
hält sich zunächst unmittelbar unter der A. nasalis, senkt sich aber dann 
unter den M. rectus oculi superior und trifft im hinteren medialen 
"Augenwinkel mit der V. orbitalis posterior und der V. jugularis interna 
zusammen. 

Um den Lauf der, letzteren (V.j) zu verstehen, muss man sich 
folgende Punkte vergegenwärtigen: 4) der horizontal vorstehende Pro- 
cessus squamosus des Felsenbeines bildet mit der medialen Wand 
der Paukenhöhle eine rechtwinklige Ecke; 2) die Paukenhöhle ist von 
der Augenhöhle durch eine dreieckige, zwischen gewissen Theilen des 
Os petrosum, Os pterygoideum und Os tympanicum ausgespannte, Mem- 
 bran abgeschlossen, die im medialen Winkel ein Loch hat. Es läuft nun 
eine starke V. spinalis (V.sp), der Hauptzufluss der V. jugularis interna, 
1:1..c.p. 17. 


2 Grupy, Rech. an. sur le systöme veineux de la Grenouille. Ann. d. sc. nat. 
II. Serie. Tome XVII. Zoologie. p. 223. 


356 Hans Virchow, 


über der Medulla oblongata nach vorn, schmiegt sich an die Decke der | 
Ausbuchtung der Schädelhöhle, welche im » Prooticum« liegt und geht | 
an der vorderen Wand dieser Nische im Bogen zum Foramen pro trige- | 
mino nieder. Mit Venen der Hirnhäute vereinigt sie sich zur V. jugula- | 
ris interna. Diese erreicht durch das Foramen pro trigemino, über dem | 
Nerv gelegen, die temporale! Wand der Augenhöhle, läuft hinter dem | 
Periost zu dem Loche in der dreieckigen Membran, hält sich in der | 
oberen medialen Ecke der Paukenhöhle über der Columella und kommt | 
an der hinteren Schädelseite, median von dem R. dorsalis der A. cuta- | 
nea zum Vorschein. | 

Nach dem Austritt aus dem Foramen pro trigemino ist also, wie | 
gesagt, die V. jugularis interna sowohl mit der V. orbitalis posterior als | 
mit der orbitalis medialis verbunden. 

Der Augapfel selbst hat zwei Venen, eine größere untere: V. oph- | 
thalmica, und eine kleinere obere: V. bulbi superior. | 

Die V. ophthalmica (Fig. 3, 4, 6 V.o) tritt aus der Sclera etwas | 
proximal von dem untersten Punkte des Äquators, und erreicht, tempo- 
ralwärts und wenig medianwärts gerichtet, die V. orbitalis posterior. F 
Geht man dem Gefäße durch die Sclera auf die Chorioidea nach, so trifft | 
man in der Chorioidea selbst starke Wurzeln, die, gegen den Äquator | 
konvergirend, ohne einen eigenen Stamm zu bilden, sich mit der ge- | 
schilderten Vene vereinigen (Fig. 15): einen Wirtel ohne Wirtelvene. Hier 
beginnt die V. ophthalmica; sie entsteht durch Vereinigung des Wirtels U 
mit der V. hyaloidea. | 

Die V. hyaloidea kommt vom Glaskörper herüber an derselben 7 
Stelle, an welcher die A. hyaloidea den umgekehrten Weg nimmt, am | 
untersten Punkte des Corpus ciliare. Von da läuft sie an der ventralen U 
Seite der Ghorioidea auf die erwähnte Vereinigungsstelle zu. | 

Die kleine obere Augenvene (Fig. 3, 4, 6A.V.b.s, 6B) entsteht) 
aus zwei Wurzeln, einer nasalen und einer temporalen, die sich erst” 
unmittelbar nach dem Verlassen der Sclera vereinigen. Sie geht von | 
einer Stelle, die nur wenig proximal von dem obersten Punkte des | 
Ans enäghatons liegt, am vorderen Rande des M. rectus u superior 
sofort in die V. önbitalls medialis über 2. | 


Es seien noch einige Venen genannt, weil sie, neben Arterien 
liegend, mit solchen verwechselt werden können. | 
1) Eine Vene, wie die vordere A. inframaxillaris verlaufend, |” 


! Es wäre gut, wenn man sich von diesem unbestimmten Ausdruck losmachen ! 
und die Bezeichnung der Gegend vom Ohre hernehmen könnte, Ich finde aber nur 
»otal«, und das ist etymologisch schlecht. 2 Zusatz 7. | 


Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche. 357 


mündet in die V. facialis. Sie kann nicht V. inframaxillaris heißen, 
weil sie mit der V. maxillaris inferior, der einen der beiden Wurzeln 
der V. jugularis externa, verwechselt werden würde. 

2) Eine tiefe V. auricularis, wie das Ende der A. temporalis ge- 
legen, mündet in die V. facialis. Eine oberflächliche V. auricularis, 
durch den M. depressor maxillae inferioris von der tiefen getrennt, 
mündet in die V. cutanea. 

3) Eine V. nasalis superior verläuft wie das Ende der A. nasalis. 

Um Missverständnissen vorzubeugen, ist es gut, Varianten hervor- 
zuheben:: 4) Die A. palatina anterior spaltet sich am hinteren Rande der 
Augenhöhle und vereinigt sich am vorderen wieder. 

2) Der R. dorsalis der A. cutanea übertrifft an Stärke den R. late- 
ralis. Die Verzweigungen dieser beiden Äste in der Haut sind sehr 
wechselnd. 

3) Der absteigende Schenkel der A. cutanea durchbohrt den M. 
sternocleidomastoideus. 

%) Die V. facialis und die V. maxillaris inferior sind durch eine 
Anastomose verbunden, welche am M. temporalis herabläuft. 


Die Gefäße der Chorioidea (Fig. 5, 6, 10, 12, 13, 44,45, 46,19). 
Im Vorhergehenden sind die zuführenden und die abführenden 
Gefäße der Chorioidea erwähnt. Es sind zwei Arterien, von denen je 
eine an der nasalen und an der temporalen Seite liegt; ein großer ven- 
traler Venenstern, welcher sich am untersten Punkte des Äquators mit 
der V. hyaloidea zur V. ophthalmica vereinigt, und zwei Wurzeln der 
kleinen oberen Vene, die sich erst außerhalb der Sclera verbinden. 
Wenden wir uns nun zu der Gefäßausbreitung in der Chorioidea. 

Jeder kennt das Bild, welches man sich von der Choriocapillaris der 
Säugethiere macht: es ist im genauesten Sinne das Bild eines Netzes 
mit gleichweiten Fäden und gleichgroßen rundlichen Maschen. Der 
Raum, den die Gefäße einnehmen, übertrifft um das drei- bis vierfache 
den, der für die Maschen bleibt. Man findet dieses Netz auch beim 
Frosche; Arrmann! hat es abgebildet. Aber man findet es nur an der 
nasalen und an der temporalen Seite und im proximalen Abschnitte der 
oberen; man vermisst es an der unteren Seite und im distalen Ab- 
schnitie der oberen. Es existirt also im Bereiche der Arterien und fehlt 
in dem der Venen. 

Aber dieser Zustand der Chorioidea, in welchem die Maschen 
außerordentlich dicht sind, und keine bestimmte Richtung in den Ge- 


I’L..e. Taf. XXI, Fig. A. 


358 Hans Virchow, 


fäßen bemerkbar wird, hat nur eine sehr beschränkte Ausdehnung. 
Bereits gegen das Ende der beiden Arterien am Corpus ciliare wird das 
Netz weiter und eben so dorsal und ventral in kurzer Entfernung von 
ihnen. Zugleich treten in den bis dahin gleich vertheilten Kapillaren ge- 
streckte Züge bervor, an Weite noch nicht von den sie verbindenden 
Querkanälen verschieden. \ 

Die Maschen verlängern sich; die gestreckten Züge treten unter 
ganz spitzen Winkeln zusammen; es entstehen dadurch Bahnen von zu- 
nehmender Weite, und die Querkanäle bleiben auf dem Range unterge- 
ordneter Kommunikationen stehen, welche der Blutstrom nur noch zum 
Ausgleiche benutzt. 

In diesen drei Modifikationen zeigt sich das Gefäßnetz der Chorioi- 
dea: als Choriocapillaris, als Übergangsgebiet und als Gebiet der Venen- 
wurzeln. Dieses Gefäßnetz ist überall einschichtig, und nur die beiden 
Arterien mit ihren Zweigen liegen nach außen von der geschlossenen | 
Schicht; die Venenwurzeln dagegen in ihr selbst. Wenn die Retina mit | 
dem Pigmentepithel entfernt ist, so sieht man die Gefäßinjektionen auf 
der inneren Fläche der Chorioidea frei liegen, gleichviel ob sich die In- 
jektion in dem arteriellen oder in dem venösen Abschnitte der Chorioi- 
dea befindet, und nur in den Maschen wird das Pigment der Chorioidea 
sichtbar. Wie stellen sich nun die Abschnitte der Chorioidea in Verbin- 
dung mit den Hauptgefäßen dar? | 

Jede der beiden Arterien gibt eine Anzahl Zweige ab, im Beginn 
unter rechten, gegen das Ende unter spitzen Winkeln. Die ersten Zweige 
sind am längsten, je näher dem Ende, um so kürzer werden sie. Diese 
Zweige theilen sich dichotomisch. Die längeren überspringen etwa 20 
bis 30 Maschen der Choriocapillaris, bevor sie in das Netz der letzteren | 
eingehen. Ihre Zahl ist beschränkt; wenn man das letzte Viertel der 
Arterien nicht berücksichtigt, so findet man nur vier oder fünf Zweige. 
Diese treten alle nach der dorsalen Seite aus, und erst an dem letzten 
Abschnitte der Arterien beobachtet man auch ventrale Zweige!. Durch 
diesen Umstand werden die beiden Arterien, die ohnedies an der dor- | 
salen Seite des Sehnerveneintrittes auf die Ghorioidea gelangen, noch 
mehr der dorsalen Hälfte zugewiesen. Das Anfangsstück jeder der bei- 
den Arterien und der Beginn der größeren Äste liegt sehr oberflächlich: 
wenn sie mit ungefärbtem oder hellgefärbtem Schellack injieirt sind, so | 
sieht man sie unverdeckt nach Entfernung der Sclera auf der schwarzen | 
Chorioidea; und beim Korrodiren solcher Präparate pflegen diese Theile | 
abzubrechen. Zwischen den Arterien und der Choriocapillaris liegt eine 


1 Zusatz 8. 


| 


u 


EEE IENE EL ERTEILT TRETEN 


De nn Al us aaa u 0 um 5 na Eng Su Aral Dylan ge Ar = ee na ne a De DZ Zn au 220 


Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche, 259 


Schicht von Chorioidealpigment, welche sich beim Korrodiren noch er- 
hält, nachdem das übrige Pigment verschwunden ist. Die Lage der Ar- 
terien und ihrer Zweige, die an Schellackpräparaten so außerordentlich 
deutlich ist, weil die volle Plasticität erhalten, ja gesteigert wird, beson- 
ders bei auffallendem Lichte, wird an Öl-Osmiumpräparaten undeutlich, 
weil Alles mehr in ein Niveau sinkt, und weil das absolute Schwarz 
keinen Kontur mehr erkennen lässt, wo ein Gefäßausguss über einem 
anderen liegt. Was man daher an Schellackpräparaten schon mit der 
Lupe sieht, muss man an Öl-Osmiumobjekten mit starken Vergröße- 
rungen suchen. 
Die gestreckten Gefäße, welche vorhin als ein Übergangsgebiet zwi- 
schen der Choriocapillaris und den Venenwurzeln bezeichnet wurden, 
laufen unter einander ziemlich parallel. In der Nähe des Sehnervenein- 
trittes gehen sie unter rechten Winkeln zu den Arterien aus der CGhorio- 


- eapillaris hervor; in der Nähe des Corpus ciliare dagegen unter spitzen 


Winkeln. Die Querkanäle sind an den gestreckten Gefäßen so zahlreich, 
dass die Maschen rund erscheinen. 

Der große ventrale Venenstern nimmt den größten Theil der unte- 
ren Hälfte der Chorioidea ein. Die beiden Hälften dieses Sternes, die 
nasale und die temporale, sind symmetrisch. Sie sind vollkommen von 
einander getrennt. Denn vom Corpus ciliare bis zum Äquator liegt zwi- 


- schen ihnen die V. hyaloidea, und vom Sehnerveneintritte her schiebt 


sich gerade in der Mitte das Übergangsgebiet bis an den Äquator vor. 


Die beiden Hälften münden getrennt an gegenüberliegenden Punkten 


mit der V. hyaloidea zusammen. Unter den Wurzeln ist eine distale von 
den proximalen zu sondern; sie vereinigen sich erst bei der Einmündung 


“in die V. hyaloidea. Die distale Wurzel liegt am Corpus ciliare; sie ist 


sehr lang, denn sie nimmt genau den vierten Theil des Umfanges in dem 
an das Corpus ciliare grenzenden Abschnitte der Chorioidea ein. Die 
Wurzeln stehen durch engere Kanäle beständig in Verbindung. Diese 
Kanäle gehen unter schiefen Winkeln von einer zur andern. Die Wurzeln 


_ entwickeln sich aus den Gefäßen des Übergangsgebietes, die unter spitzen 


Winkeln zusammentreten. Erst von dem Punkte an, wo einzelne stär- 


_ kere Gefäße sich aus der Umgebung der gleichstarken hervorheben, kann 


man von Venenwurzeln reden. 


Die beiden Wurzeln der kleinen oberen Augenvene liegen längs des 
Corpus ciliare. Jede von ihnen nimmt ein Viertel des Umfanges ein. Sie 


sind also den am Corpus ciliare liegenden langen Wurzeln des großen 


Sternes gleichwerthig. Die Gefäße des Übergangsgebietes treffen unter 


rechten Winkeln auf diese Wurzeln und biegen in kurzen Bogen in sie um. 


Zu dem Bilde der Chorioidea gehören endlich noch die Vasa recta, 


260 Hans Virchow, 


welche das Blut aus der Iris abführen. Diese zahlreichen, unter einan- 
der parallelen Gefäße vertheilen sich auf die vier am Corpus ciliare 
liegenden Wurzeln, so dass also das Blut aus der oberen Hälfte der Iris . 
in die kleine Vene, das aus der unteren Hälfte in den großen Stern ge- 
langt. Die Vasa recta, rechtwinklig gerichtet zu den sie aufnehmenden 
Wurzeln, biegen kurz in diese um. Desswegen kann man sie nicht selbst 
als »vordere Wurzeln« bezeichnen. Sie stehen vielmehr auf einer Stufe 
mit dem Übergangsgebiet der gestreckten Gefäße, von dem man nicht 
sagen kann, ob es der Choriocapillaris oder den Venenwurzeln zugehöre. 
Auch zwischen den Vasa recta giebt es zahlreiche Verbindungen, welche 
unter spitzen Winkeln von dem einen zum andern gehen und ein dichtes 
Geflecht besonders vor der Einmündung in die Venenwurzeln erzeugen. 

Es ist ein sehr ausgedehntes und dichtes Gefäßgebiet, welches zwi- 
schen die Arterien und Venen der Chorioidea eingeschoben ist; und die 
direkte Erfahrung des Injicirenden zeigt, dass es langsam durchflossen 
wird. Denn bei Injektion von den Arterien her gelangt auf anderen Kapil- 
larbahnen Masse in die Venen und bis in den großen Venenstern der 
Chorioidea zu einer Zeit, wo das Übergangsgebiet der letzteren noch frei 
ist. Der Abfluss aber ist durch die Anordnung der Gefäße erleichtert. 
Denn das dichteste Netz mit dem Charakter der Choriocapillaris kommt 
nur im Anschlusse an die Arterienzweige vor; weiterhin wird das Netz 
lockerer, die Gefäße gestreckt, und endlich treten die starken Wurzeln 
auf, die sich spitzwinklig vereinigen. 

Nun hat aber ALtmann noch eine zweite Gefäßschicht in der Chorioi- 
‘dea beschrieben und abgebildet!; und da dies den Charakter der Haut 
wesentlich ändert, habe ich auf diesen Punkt eine große Aufmerksamkeit 
verwendet, ohne jedoch die Frage zur Entscheidung bringen zu können. 


Die Gefäße der Iris (Fig. 9). 

Die beiden Arterien der Iris entspringen aus dem Bogen, den die 
A. ophthalmica im Corpus ciliare bildet?, entweder auf getrennten Stellen 
oder auf demselben Punkte. Ihr Anfang liegt also am Giliarrande zwi- 
schen der ventralen und temporalen Seite, aber der ersteren näher. Die 
eine von ihnen wendet sich nasalwärts, die andere temporalwärts: und 
da sie an der nasalen Seite der Iris wieder zusammenireffen, so nimmt 
die erstere knapp ein Drittel, die letztere reichlich zwei Drittel des Um- 
fanges der Iris ein. Die temporale Arterie hält sich mit ihrem ersten 
Drittel am Ciliarrande und nähert sich dann sehr allmählich dem Pupil- 
larrande; die nasale dagegen wendet sich sofort schräg durch die Iris 
gegen die Pupille. Hier verbinden sich die Ausläufer beider Arterien. 

!1.c. p 479. Taf. XXII, Fig. 2. : 2 Zusatz 9. 3 Ss. p. 251. 


Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche. 261 


Diese bilden also nach der gebräuchlichen Ausdrucksweise einen Circulus 
iridis major. 

Dieser Ring wird von zahlreichen feinen Gefäßen gekreuzt. Man 
möchte auf den ersten Blick glauben, dass viele von ihnen aus dem Ringe 
entspringen. In der That aber stammen nur wenige stärkere Äste aus 
den beiden Arterien ab, in dem auf Fig. 9 wiedergegebenen Präparate 
drei aus der temporalen, zwei aus der nasalen. Erst die Enden lösen 
sich in kleine Zweige auf, verhalten sich also selbst wie Äste. Die fünf 
starken Äste treten gegen den Pupillarrand hin. Ihre Verzweigungen 
verbinden sich zu einem unregelmäßigen Netze, welches die ganze Iris 
einnimmt und nur am Pupillarrande einen feinen Saum frei lässt. Die 
beiden Ringarterien liegen nach außen von dem Netze und springen an 
Querschnitten durch uninjicirte Regenbogenhäute weit in die vordere 
Augenkammer vor!. 

Das Netz erschöpfend zu schildern, ist unmöglich ; Regellosigkeit ist 
hier Hauptgesetz: die Gefäße, bald gestreckter, bald scharf gedreht, 
laufen bald schräg, bald radiär zum Pupillarrande, verbinden und kreu- 
zen sich und haben, wenn man Injektionen trauen darf, verschiedene 
Stärke. Indessen unterscheiden sich doch drei Zonen durch bestimmte 
Merkmale: die Gefäße des Pupillarrandes sind am feinsten; sie liegen 
dem Rande parallel. Sie treten theilweise in Verbindung, theilweise über- 
kreuzen sie sich, so dass man mit demselben Rechte von einem Circulus 
iridis minor sprechen kann wie bei Säugetbieren. In dem pupillaren 
Theile der Iris sind circeuläre und radiäre Gefäße gemischt. In dem cili- 
aren dagegen überwiegt die radiäre Richtung; die Schlängelung der Ge- 
fäße ist hier außerordentlich, und dadurch ihr Geflecht sehr dicht. 

Damit sind wir bereits in das Corpus ciliare hineingelangt. Aus 
diesem führen die Vasa recta zu den Venenwurzeln?. 


Die Gefäße des Glaskörpers3 (Fig. 7, 8, 17). 


Es ist im Vorhergehenden erwähnt worden, dass die A. hyaloidea 
vom untersten Punkte des Corpus ciliare auf den Glaskörper übertritt#, 
und dass die V. hyaloidea an derselben Stelle den entgegengesetzten Weg 
nimmt. Man findet das Gewebe der Uvea an jedem der Gefäße erhoben, 
So zu sagen in Form eines breiten Processus ciliaris, und man sieht dem- 
entsprechend an gewissen Schnitten durch den Ciliarkörper ein weites 
Gefäßlumen im Inneren einer Falte. | 

Die Arterie zerfällt, indem sie auf den Glaskörper übertritt, in zwei 
Äste, die Vene entsteht, indem sie von ihm kommt, aus drei Wurzeln. 

Die beiden arteriellen Äste und zwei der venösen Wurzeln bilden 

1 Zusatz 10. 2 s. p. 260. 3 Zusatz 41. 4 s.p. 251. 5 Ss. p. 256. 


962 Hans Virchow, 


je einen Ring um die Linse, circa 0,5 mm von derselben entfernt. Die 
Arterien sind der Linse näher. Die dritte Venenwurzel entsteht in der 
Gegend der Papille des Sehnerven und läuft von da an der ventralen 
Seite, um sich an einem und demselben Punkte mit den beiden andern 
zu vereinigen. | 

Im Interesse einer einfachen Ausdrucksweise wird diejenige Partie 
des Glaskörpers, welche dem Corpus ciliare anliegt, als (distaler) Rand, die- 
jenige Stelle, welche an die Papille stößt, als (proximaler) Pol bezeichnet. 

Die Vasa hyaloidea des Frosches liegen, wie bekannt, ganz auf der 
Oberfläche des Glaskörpers. Hrınricn MÜLLEr sagt, sie befinden sich in 
einer Haut, die sich von der Retina leicht trennen lässt!. Diese Aus- 
drucksweise erweckt den Schein, als wenn bei der Zerlegung des Auges 
eine die Gefäße enthaltende Membran an der Retina zurückbliebe und 
nachträglich von derselben abgehoben werden könnte. In dieser Hin- 
sicht ist zu bemerken, dass man bei dem Versuche, die ganz frische Re- 
tina vom Glaskörper zu lösen, beide, und zwar erstere mehr als letztere, 
beschädigt; dassaber schon nach einer eintägigen Einwirkung von MÜLLER- 
scher Flüssigkeit die fester gewordene Netzhaut von dem Glaskörper ge- 
wissermaßen abfällt, ohne an ihm Spuren zurückzulassen, es sei denn 
an der Zonula ciliaris. Dann sieht man auf der Oberfläche des nur noch 
mit der Linse verbundenen Glaskörpers schon mit bloßem Auge die nicht 
künstlich injieirten Gefäße angedeutet. | 

Eine zweite Frage ist es, ob diese Gefäße in der Membrana hyaloi- 
dea? liegen. Gibt es denn eine Membrana hyaloidea? Bei den fort- 
dauernden Kontroversen über die Natur dieser Haut ist man nicht ein- 
mai in der Lage, eine für die Säugethiere allgemein geltende Ansicht auf 
die Amphibien zu übertragen. Dass an der Oberfläche des Glaskörpers 
beim Frosche eine Schicht von relativ großer Konsistenz liegt, ist kein 
Zweifel. Eine von der Oberfläche eines Glaskörpers aus Mürzer’scher 
Flüssigkeit tangential abgeschnittene Schicht bildet, auf dem Objektträger 
ausgebreitet, zahlreiche Falten, die als feine, haarscharfe Linien bemerk- 
bar werden. Aber ist dies eine verdichtete Randschicht oder eine selb- 
ständige Haut? Letzteres kann man nur dann behaupten, wenn man 
auf dem Querschnitt zwei Konturen sieht, und dies ist mir nicht geglückt, 
so dass ich mich des Urtheils enthalte. Wenn man den Glaskörper von 
ungeschwänzten Amphibien schnell mit starkem Alkohol behandelt, sa 
zieht er sich auf ein dünnes Häutchen an der proximalen Linsenfläche 


1 H. MüLLer, Gesammelte Abhandl. 2 Zusatz 12. 3 Zusatz 43. 

4 Eine Übersicht der streitenden Meinungen ist zuletzt von dem Herzog CArL 
in Baiern gegeben worden. Beitr. zur An. u. Path. d. Glask. GRrAEFE’S Arch. für 
Ophthalmol. XXV, 3. 


Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche. 263 


zusammen !. Aber selbst, wenn man nach längerer Einwirkung von 
Mürrer’scher Flüssigkeit ganz allmählich den Alkohol verstärkt — ein 
Verfahren, bei dem der Glaskörper von Säugethieren seinen Umfang wenig 
ändert —, so schrumpft der des Frosches erheblich. Und wenn man ihn 
dann von der Linse löst, so hat man nur eine Haut vor sich, die an 
manchen Stellen mehr, an anderen weniger durchsichtig ist. Es liegt 
nahe zu vermuthen, dass die Glaskörpersubstanz, weniger konsistent als 
bei Säugethieren, sich nach der Randschicht zusammengezogen habe. 

So lange es ungewiss ist, ob es eine abgeschlossene Membrana hya- 
loidea gibt, bleibt es natürlich auch unentschieden, ob die Gefäße in 
einer solchen liegen. So viel aber ist sicher: an einem Flächenpräparate 
machen die Gefäße aufs genaueste alle Faltungen mit. Von den Bildern, 
die dadurch entstehen, könnte eines vielleicht Täuschungen hervorrufen: 
die feinsten Falten sind nicht durch zwei, sondern nur durch eine einzige 
Linie markirt; da, wo ein Gefäß gekreuzt wird, erscheint sein perspek- 
tivischer Querschnitt als Spindel, die nach beiden Seiten mit der zarten 
Linie in Verbindung steht. 

Von den arteriellen Ästen wendet sich der eine nasalwärts, der 
andere temporalwärts. Aber der R. nasalis nimmt nur ein Viertel des 
Umfanges ein, der R. temporalis drei Viertel. Sie treffen sich also an 
der Nasenseite. Die Zweige treten alle unter rechten Winkeln aus und 
laufen proximalwärts auf den Glaskörper. Aus dem nasalen Aste ent- 
springt nur ein Zweig etwa in halber Länge. Dieser Zweig ist stärker 
als die Fortsetzung des Gefäßes selbst am Rande. 

Der temporale Ast giebt sieben Zweige ab. Von diesen entsteht der 
erste zwischen der ventralen und temporalen Seite des Randes, korre- 
spondirt also mit dem Zweige aus dem nasalen Aste; weicht aber von 
ihm sowohl als von allen übrigen dadurch ab, dass er sofort in zwei 
Unterzweige aus einander tritt, die mitunter isolirt entspringen. Die 
sechs übrigen Zweige des temporalen Astes findet man auf der dorsalen 
Hälfte des Glaskörpers. Von ihnen sind die mittelsten die längsten, die 
an der temporalen und an der nasalen Seite liegenden die kürzesten. 
Jeder Zweig geht in zwei gebogene Endgefäße aus einander. Je zwei der 
letzteren, auf einander zulaufend, bilden einen Spitzbogen. Alle End- 


 gefäße zusammen grenzen eine dorsale Randzone von der Polzone ab. 


Das Ende des temporalen Astes am Rande ist nicht stärker wie ein Zweig 
und gibt wie ein solcher kapillare Gefäße ab. Eben so das Ende des 


.nasalen Astes. 


1 QuEckert ist dadurch sogar verleitet worden, die Vasa hyaloidea des Frosches 
für Kapselgefäße der Linse zu halten. Citirt nach Hyrrı anang. Netzh, 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bad. 48 


264 Hans Virchow, 


Von den drei Venenwurzeln entsprechen die nasale und die temporale 
den beiden Arterienästen in so weit, als die erstere ein Viertel, die 
letztere drei Viertel des Umfanges einnimmt. Aber die nasale Vene liegt 
nicht am Rande, sondern entsteht weiter proximal auf dem Glaskörper, 
so dass dem venösen Ringe ein Viertel fehlt. Diese nasale Vene über- 
kreuzt sich dabei mit dem Zweige des nasalen Arterienastes und liegt 
nach außen von ihm. Genau an der temporalen Seite des Randes 
empfängt die Randvene einen kräftigen Zufluss; sonst hat sie keine kor- 
stanten Seitenwurzeln von größerer Bedeutung. Die nasale Vene ist 
stärker, die temporale schwächer wie die gleichnamige Arterie. 

Beide aber werden übertroffen von der ventralen Wurzel, welche 
am Pole aus gabelig zusammentretenden Gefäßen, einem nasalen und 
einem temporalen, entsteht und etwa in halber Länge noch einmal von 
der temporalen und von der nasalen Seite je einen Zufluss erhält. Ge- 
wöhnlich kann man auch noch an den beiden Gefäßen, aus denen die 
ventrale Wurzel entsteht, eine Vereinigung aus je zwei kleineren Gefäßen 
bemerken. 

Ein Zufluss aber verdient besonders hervorgehoben zu werden, weil 
er der Papille des Sehnerven anliegend, dem Ophthalmoskopirenden in 
erster Linie aufiällt: Wenn man die Richtung der ventralen Wurzel 
selbst nach oben weiter verfolgt, so stößt man auf ein kurzes Stämm- 
chen, welches in die temporale Unterwurzel kurz vor der Vereinigung 
mit der nasalen eingeht!. 

Das zwischen Arterien und Venen liegende Netz ist verschieden an 
den einzelnen Stellen des Glaskörpers; verschieden nach Anordnung und 
nach Dichtigkeit. 

Aus den erwähnten Endgefäßen der dorsalen Arterienzweige ent- 
springen auf der dem Pole zugekehrtien konvexen Seite kleinere Gefäße, 
die sich in Kapillaren theilen. Die letztgenannten laufen, unter einander 
parallel, zur ventralen Vene hinüber und, indem sie sich in ver- 
schiedenen Abständen unter spitzen Winkeln verbinden, sich wieder 
iheilen, wieder verbinden, entsteht, selten durch Querkanäle unter- 
brochen, ein System langgezogener Maschen, welches in die venösen 
Zuflüsse übergeht. 

Den entschiedensten Gegensatz zu dieser Polzone bildet der dorsale 
Theil der Randzone. Die arteriellen Zweige geben in diese Zone erst 
Gefäße ab, nachdem sie sich in die Endzweige geiheilt haben, und auch 
da nur je eines bis drei. Einem so spärlichen Zufluss entspricht das 
Netz : die Gefäße sind zart, alle kapillar, und die Maschen außerordentlich 


1 Zusatz A4. 


Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche. 265 


weit; je näher dem Rande, um so weiter. In der Nähe des Ursprunges 
liegen die Maschen in derRichtung der Spitzbogen, weiterhin unregelmäßig. 
Alle Venen, durch welche dieses Netz mit der Randvene zusammenhängt, 
sind fein und sehr verschieden dicht gestellt. Zuweilen steht zwischen 
zwei Arterienzweigen eine einzige kräftigere Vene, in andern Fällen zwei, 
drei bis fünf kapillare Gefäße. Die Netze in den Feldern der Randzone 
sind nicht von einander isolirt, sondern stehen durch Anastomosen mit 
einander in Verbindung. Hier, wie überall, wo am Glaskörper Arterien 
und Venen sich überkreuzen, liegen die Venen nach außen von den 
Arterien. Dies beobachtet man auch an der nasalen und an der tempo- 
ralen Seite, wenn auch in sehr geringem Maße. 

Die Randzone ist an der nasalen und an der temporalen Seite 
unterbrochen durch ein Gebiet, welches an Dichtigkeit der ersteren 
gleichkommt. Hier ist die Anordnung der Gefäße am komplicirtesten, 
weil mehrere Arterien und mehrere Venen zusammentreffen. 

Die Gebiete zu beiden Seiten der ventralen Venenwurzel nehmen 
in Bezug auf Dichtigkeit eine Mittelstellung ein und haben ihren eigenen 
Charakter. Durch die beiden Zuflüsse, welche sich mit der ventralen 
Venenwurzel, der eine auf der nasalen, der andere auf der temporalen 
Seite, verbinden, werden diese beiden Gebiete in je zwei Felder 
zerlegt, von denen die dem Pole zunächst liegenden auf drei Seiten von 
Venen, die an den Rand anstoßenden auf zwei Seiten von Venen und 
auf der dritten von den Randgefüßen begrenzt sind. In jedes dieser vier 
Felder tritt von der vierten offenen Seite eine Arterie. Die Maschen sind 
langgestreckt und der Arterie parallel. Gegen den Rand zu wird das 
Netz sehr locker und zuweilen vollkommen von dem Charakter der dor- 
salen Randzone. 

Die hier gegebenen Regeln sind so reich an Ausnahmen, dass es 
schwer war, die Regel festzustellen. Ja, es kommt vielleicht niemals 
vor, dass in den beiden Augen eines Thieres die Bilder gleich sind. 
Man kann an Präparaten, die nur zwei oder drei Tage in MüLrer’scher 
Flüssigkeit waren und keine Schrumpfung zeigen, ab und zu hoble, 
blind endigende, mit Kernen besetzte Ausstülpungen von Gefüßen sehen, 
die nur den dritten Theil des Durchmessers von Kapillaren haben. Wenn 
darin der Hinweis liegt, dass sich noch am erwachsenen Thiere eine Um- 
- bildung der Glaskörpergefäße langsam fortsetzt, so wären die zahlreichen 
Varianten theilweise erklärlich !. 

Es muss noch darauf aufmerksam gemacht werden, dass das Bild 
dieser Gefäße, welche so frei liegen, durch jede Art der Injektion ver- 


1 Zusatz 45. 


18* 


956 Haus Virchow, 


ändert wird. Sie werden sowohl in die Weite als in die Länge gedehnt. 
Besonders schlängeln sich die Arterienzweige, und der. Anfang der ven- 
tralen Venenwurzel steigt gegen den Pol in die Höhe, so dass die Zu- 
flüsse derselben sich unter einem stumpferen Winkel vereinigen, als ihn 
der Augenspiegel zeigt. 


Überblick. 


Im Auge des Frosches kommen vor: zwei Arterien der CGhorioidea, 
zwei Arterien der Iris, eine Arterie des Glaskörpers, sämmtlich aus der 
A. ophthalmica stammend; eine Vene des Glaskörpers, ein großer Venen- 
stern der Chorioidea, die sich zur V. ophthalmica vereinigen, und eine 
kleine obere Augenvene. 


Die A. ophthalmica, neben der A. (carotis) cerebralis durch Zerfall 
der A. carotis interna entstanden, liegt am Sehnerven und am Bulbus 
in der Mitte zwischen ventraler und temporaler Seite, dringt jenseits 
des Äquators durch die Sclera und erreicht vermittels eines Bogens im 
Corpus ciliare den untersten Punkt desselben. Aus diesem Bogen treten 
die beiden Arterien der Iris aus, der Rest der A. ophthalmica ist die 
‚A. hyaloidea. 


Die beiden Arterien der Chorioidea, von ihrem Austritt aus der A. 
ophthalmica bis zu ihrem Durchtritt durch die Sclera hart neben einan- 
der gelegen, gehen in der Chorioidea die eine gegen die nasale die 
andere gegen die temporale Seite. Sie sind mit ihren Ästen die einzigen 
Gefäße, welche nach außen von der geschlossenen Gefäßschicht der 
Chorioidea liegen. 


Nur in der unmittelbaren Nähe dieser Arterien hat das Gefäßnetz 
den Charakter der Choriocapillaris. Distalwärts, nach oben und nach 
unten wird es weiter. Hier trifft man ein Übergangsgebiet, in dem zwar 
die Maschen wegen der Häufigkeit der Querkanäle auch rund sind, in 
welchem aber gestreckte Bahnen hervortreten. Diese gehen in die Venen- 
wurzeln über, in der oberen und unteren Hälfte der Chorioidea nach 
einem verschiedenen Modus. Die obere Vene hat zwei Wurzeln, welche 
längs des Corpus ciliare liegen und sich erst jenseits der Sclera vereini- 
gen; in diese Wurzeln münden die gestreckten Gefäße parallel, kurz 
umbiegend. Der ventrale Venenstern hat außer den beiden Hauptwurzeln, 
die wie die Wurzeln der oberen Vene längs des Corpus ciliare liegen 
und je den vierten Theil des Umfanges einnehmen, kürzere Wurzeln, 
die den größeren Theil der unteren Hälfte der Chorioidea füllen. Die 
Leiztgenannten entstehen dadurch, dass die aus der Choriocapillaris 
hervorkommenden gestreckten Gefäße sich spitzwinklig vereinigen. 


Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche. 267 


| Die Vasa recta des Corpus ciliare, welche das Blut aus der Iris ab- 
führen, gehen in die Venenwurzeln;; die der oberen Hälfte zu der dorsalen 
Vene, die der unteren Hälfte zu dem ventralen Stern. 

Der ventrale Stern ist durch die V. hyaloidea in eine nasale und 
eine temporale Hälfte geschieden. 

Von den beiden Arterien der Iris nimmt die nasale ein Drittel, die 
temporale zwei Drittel des Umfanges ein. Sie treffen sich an der nasalen 
Seite des Pupillarrandes. Es entspringen aus ihnen sehr wenige Äste, 
abgesehen von den Enden der Gefäße, welche sich in feine Zweige auf- 
lösen. Die Iris ist eingenommen von einem sehr unregelmäßigen Netze, 
dessen Kapillaren nur am Pupillarrande eine cirkuläre, am ciliaren 
Abschnitte eine radiäre Richtung festhalten. Etwa 120 feine Gefäße 
ziehen an der Innenseite des Ringes vorbei gegen das Corpus ciliare und 
bilden in diesem ein überaus dichtes Geflecht, aus dem die Vasa recta 
entstehen. 

Die A. hyaloidea geht von dem untersten Punkte des Corpus ciliare 
auf den Rand des Glaskörpers über und zerfällt in diesem Momente in 
zwei Äste, die um die Linse einen Ring bilden und sich an der nasalen 
Seite treffen. Der nasale Ast gibt einen, der temporale sieben Zweige 
ab. Die V. hyaloidea entsteht aus drei Wurzeln, einer nasalen, einer 
temporalen und einer ventralen, welche sich zugleich an dem untersten 
Punkte des Glaskörperrandes vereinigen. Die V. hyaloidea läuft von der 
entsprechenden Stelle des Corpus ciliare an der ventralen Seite des 
Bulbus in der Chorioidea bis zum Äquator. Die temporale Wurzel liegt 
am Rande hart neben der Arterie, der Linse ferner, und nimmt drei 
Viertel des Umfanges ein; die nasale füllt nur den vierten Theil des 
Umfanges, hält sich aber etwas abseits von der Linse. 

Das Glaskörpergefäßnetz hat an verschiedenen Stellen einen ver- 
schiedenen Charakter. Es ist am dichtesten am Pole und an der tempo- 
 ralen und nasalen Seite des Randes, weniger dicht zu beiden Seiten der 
‚ventralen Venenwurzel und am lockersten in der dorsalen und ventralen 
Randzone, besonders in der dorsalen. In der Polzone laufen die Kapil- 
laren parallel von oben nach unten, zu beiden Seiten der ventralen 
Wurzel stehen die Maschen rechtwinklig zu dieser und in der Randzone 
sind sie unregelmäßig rundlich. 


Vergleichung. | 

Im Verlaufe dieser Arbeit hat sich gezeigt, dass die Gefäße im 
Froschauge ganz anders vertheilt sind wie im Säugethierauge. 

- Die Chorioidea besitzt keine Aa. ciliares posticae breves, sondern 

' hat an der nasalen und an der temporalen Seite je eine lange Arterie. Aber 


268 Hans Virchow, 


muss man nicht diese beiden Gefäße für das Homologon der Aa. ciliares 
posticae longae bei Säugethieren halten, die doch zur Iris gehen ? 

Zur Iris dagegen haben diese Gefäße keine Beziehung. Diese erhält 
vielmehr zwei Arterien unmittelbar aus der A. ophthalmica, welche bis 
zum Corpus ciliare vordringt. 

Man wird geneigt sein, in der A. ophthalmica.das Homologon zu 
sehen zu der A. ophthalmica anderer Thiere und zu deren Fortsetzung: 
der A. hyaloidea der Fische, der A. pectinis der Vögel, der A. centralis 
retinae der Säugethiere und der A. capsularis ihrer Embryonen. Aber 
wo gibt es ein Beispiel, dass die A. ophthalmica die Sclera jenseits 
des Äquators durchbohrt und die Chorioidea erst am Corpus ciliare er- 
reicht? 

Nur die Venen der Chorioidea zeigen eine gewisse Ähnlichkeit mit 
höheren Zuständen. Aber sie sind weit davon entfernt, den Vv. vorti- 
cosae zu gleichen. Die beiden Wurzeln der oberen Vene nähern sich 
schon innerhalb der Chorioidea stark, und die beiden Hälften des ven- 
tralen Sternes verbinden sich mit der in der Gefäßhaut liegenden V. 
hyaloidea. 

Wenn also Cuarın ! sagt, dass die Chorioidea der Wirbelthiere kurze 
Giliararterien und vier Vv. vorticosae habe, so ist dies nur eine Verall- 
gemeinerung einer von den Säugethieren bekannten Thatsache. In der 
That aber befinden sich die Venen so zu sagen in Vorbereitung für diese 
Gestaltung. 

Die Choriocapillaris findet sich nur in nächster Nähe der Arterien ; 
in allen übrigen Partien ist das Netz weiter und von einem andern 
Charakter. In dieser Hinsicht gleicht die Chorioidea des Frosches voll- 
kommen der des Mauiwurfes, deren Gefäße Kınyı abbildet?. Auch 
darin, dass die Venenwurzeln in dieser Schicht selbst liegen. 

An diesen Punkten wird nichts geändert, selbst wenn nach außen 
noch eine zweite Gefäßlage existiren sollte, wie ALTmann behauptet °. 

Dass die Iris zwei Gefäße enthält, die von einem Punkte ausgehen, 
scheint bei den Amphibien und Reptilien allgemeiner vorzukommen. 
Die A. ophthalmiea des Axolotl dringt, nachdem sie zwei Arterien der 
Chorioidea abgegeben hat, die sich wie die des Frosches verhalten, mit 
dem Sehnerven zusammen durch die Sclera, läuft aber dann zwischen 
Sclera und Chorioidea an der tempöralen Seite des Bulbus, also neben 
der einen Ciliararterie und spaltet sich, ehe sie das Corpus ciliare er- 


1 Cmarın, l.c. p. 464. 

2 Kanyı, Über das Auge des Maulwurfes. Denkschr. d. Akad. d. Wissensch, in 
krakau. IV. Bd. Krakau 4878. Ref. in Jahresber. über die Forischr. der Anat. ung 
Physiol. p. 389. Taf. IV, Fig. 43. 3 ALTMANN, 1. c. p. 479. 


Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche. 269 


reicht, in zwei Arterien der Iris, eine dorsale und eine ventrale, die sich 
an der nasalen Seite wieder trefien. 

Das Gefäßnetz der Schildkröteniris bildet ALtmann nach der Photo- 
graphie eines Öl-Osmium-Korrosionspräparates ab1. Auch hier entstehen 
zwei Arterien durch Spaltung eines Stammes; beide sind gleich lang. 
Im Gegensatze zur Froschiris fällt es auf, dass das Geflecht im pupillaren 
Absehnitte viel dichter ist als im ciliaren. Leider kann man nicht ent- 
nehmen, ob wenige stärkere oder zahlreiche feinere Seitenzweige aus 
dem Ringgefäße austreten. 

Auch die Iris der Eidechse enthält ein Ringgefäß ?. Im Übrigen aber 
müsste man nach der Beschreibung von Faser, der die Gefäße durch 
natürliche Injektion gefüllt fand, glauben, etwas absolut Anderes vor 
sich zu haben: »Man sieht in ziemlich gleichen Abständen Gefäßstämme 
am Giliarrande eintreten, ohneirgend welche Verästelung unter 
mäßigen Windungen nach innen verlaufen, am Pupillarrande eine ein- 
fache Schlinge bilden und in derselben Weise wieder zum Giliar- 
rande zurückkehren, stets von gleicher Weite, 0,04 mm. Außer diesen 
radiären Gefäßstämmen finde ich (FABer) noch ein ungefähr in der Mitte 
der Breite der Iris cirkulär verlaufendes Gefäß, welches jene an Mächtig- 
keit noca übertrifft. Dasselbe ist hinter ihnen gelegen. Eine Kom- 
munikation zwischen beiden konnte ich nicht bemerken.« 

Offenbar gleichen die Irisgefäße der Blindschleiche?3 denen der 
Eidechse. Auch dort bilden die radiären Gefäße am Pupillarrande eine 
Schlinge und laufen unter mäßigen \Windungen und gleich weit vom 
Pupillarrande zum Giliarrande; auch dort liegt das weitere Ringgefäß 
nach innen von ihnen. Und wenn auch die radiären Gefäße sich sowohl 
theilen als verbinden und durch Queranastomosen kommuniciren, so 
wird dadurch doch der Charakter nicht bestimmt. Aber diese radiären 
Gefäße entspringen aus den Ringgefäßen und zwar in Gestalt weniger, 
je näher den Enden um so kürzerer, Äste, die sich gegen den Pupillar- 
rand in eine Anzahl von Endgefäßen auflösen. Die beiden cirkulären 
Gefäße nähern sich allmählich dem Pupillarrande. Wenn man auch hier 
annehmen darf, dass beide Gefäße aus einem Stamme hervorgehen, so 
hätte man die Theilungsstelle anscheinend schon in der Chorioidea zu 
suchen. Welches dieser Stamm sei, ist nicht bekannt. 

Glaskörpergefäße gibt es bei Fischen, ungeschwänzten Amphibien, 
Schlangen und Säugethierembryonen. Was wir über ihre primitive An- 
lage wissen, verdanken wir Kzssrer. Bei Embryonen aus allen 


1 ALTMANN, l.c. Taf. XXI, Fig. 4. 
2 FABErR, Der Bau der Iris d. Menschen u. d. Wirb. Leipzig 1876. p. 72. 
3 Siehe Fig. AA. 2]..e. 


270 Hans Virchow, 


Wirbelthierklassen, ausgenommen denen geschwänzter Amphibien (über / 
ungeschwänzte theilt Kessrer nichts mit), findet sich vor der Einstül- 
pung der Augenblase an der ventralen Seite derselben eine Gefäßschlinge 
mit einem zuführenden dorsalen und einem abführenden ventralen 
Schenkel. Gleichzeitig mit der Umwandlung der Blase in einen an der 
ventralen Seite eingeschnitienen Becher rückt die Gefäßschlinge in die 
Höhe. Der zuführende Schenkel liegt eine Zeit lang in der Augenblasen- 
spalte, dann über derselben, so dass er beim Schlusse derselben im 
Glaskörperraume ist, und erfährt nun verschiedene Schicksale. 

Beim Hühnchen erhebt sich das Gefäß nicht über den Boden des 
Glaskörperraumes, obliterirt da, wo es anfänglich durch das Corpus 
ciliare austrat, und wird zum Stamme der A. pectinis!. 

Bei der Eidechse steigt der zuführende Schenkel höher in den Glas- 
körper hinein; wird aber dann auch zur A. pectinis 2. 

Bei Säugethierembryonen endlich erhebt sich die A. hyaloidea bis 
in die Mitte des Glaskörpers und wird zu der A. capsularis, welche das 
Blut von der Papille zu der proximalen Wand der Linse führt. 

Auch beim Hechte wird aus dem Gefäße die Glaskörperarterie, aber 
diese breitet sich schon an der Papille in mehrere Äste aus, die auf der 
Oberfläche des Glaskörpers bleiben *. 

Diese Angaben sind im Einzelnen gewiss der Vervollständigung be- 
- dürftig, aber das Wesentliche ist geschehen: eine Zusammengehörigkeit 
der inneren Augengefäße erwiesen. 

Bei allen diesen Thieren durchbricht die A. hyaloidea, resp. A. 
pectinis die Gefäßschicht der Uvea an derselben Stelle wie der Sehnerv. 
Das ist bei Amphibien anders: die A. ophthalmica liegt außerhalb der 
Chorioidea bis zum Corpus ciliare hin ; beim Axolotl zwischen Chorioidea 
und Sclera, beim Frosch sogar noch jenseits der letzteren. 

Darf man also die Glaskörpergefäße des Frosches als Homologon an- 
sehen zu denen der Fische und Schlangen? Gewiss nicht.” Sie ent- 
springen an einer ganz anderen Stelle; die A. ophthalmica hat erst die 
Arterien der Iris abzugeben, ehe sie als A. hyaloidea auf den Glaskörper 
übergeht. Man kann also zwischen diesen Gefäßen nur eine Analogie 
sehen, aber nicht nur eine physiologische, sondern eine anatomische 
Analogie. 

Desswegen ist hier auch nicht der Ort, auf die genannten Gefäße 
bei anderen Kaltblütern und bei Säugethierembryonen einzugehen, und 
die Frage zu erörtern, ob sie zu den Retinalgefäßen, sei es phylogene- 
isch, sei es ontogenetisch, eine Beziehung haben. 


1.12€.3P..12. 2].c. pP. 78. 3 1. €..'P. 16. 4]. eo, 1ps80: 


Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche. 271 


Die anuren Amphibien aber haben alle, so weit sie untersucht sind, 
Glaskörpergefäße, die wie die des Frosches vom Rande aus eintreten, 
freilich mit Abweichungen in den Einzelheiten. Es sind dies außer 
Rana temporaria Rana mugiens, Hyla arborea, Galamites coerulea, Peloba- 
tes fuscus, Bufo cinereus. Man kann Alytes obstetricans dazu nehmen, 
denn Lieserkünn giebt bei demselben Gefäße an!. 

Die Urodelen dagegen haben keine Vasa hyaloidea. Hyrrr spricht 
sie den Salamandrinen ab 2, KzssLer den Larven von Triton. Dies fand 
sich bei Injektionen bestätigt für Triton cristatus, Salamandra maculosa, 
Siredon pisciformis. 


Zusätze. 


1) Leser unterscheidet ein Netzhautgefäßsystem und ein Aderhaut- 
gefäßsystem. Aber nur ein Theil der Wirbelthiere hat Netzhautgefäße. 
»Innere Augengefäße« sind die Gefäße von Glaskörper, Pecten und 
Retina; »äußere« die der Chorioidea und Iris, der Scelera und des Horn- 
hautrandes. Dass aber innere und äußere Gefäße nicht überall von 
einander getrennt sind, zeigt sich gerade beim Frosche: das Ende der 
A. ophthalmica zerfällt in die beiden Arterien der Iris und die A. hya- 
loidea. 

2) GörrE® gibt an, dass bei Larven von Bombinator die A. oph- 
thalmica durch das Austrittsloch des Sehnerven nach außen passire. 

3) Auf der beigegebenen Abbildung der Iris ist dieser Bogen in der 
Gegend des Corpus ciliare zu sehen, an Schellackpräparaten sieht man 
ihn in der Iris selbst; das erstere ist vielleicht Folge des Zuges bei der 
Ausbreitung des Objektes, das letztere Folge des Injektionsdruckes. 

%) Abweichend von den hier gemachten Angaben theilt Hyrrı in 
einem Abschnitte über »die großen Schlagaderstämme der nackten Am- 
phibien«® mit: 1) dass die A. ophthalmica aus dem zweiten Bogen stamme, 
und 2) dass der laterale der beiden Äste aus dem ersten Bogen (A. caro- 
tis interna) die vereinigte A. carotis cerebralis und A. oceipitalis sei. 
Nun bezieht sich zwar die beigegebene Figur (Taf. III, Fig. 1) auf Sala- 
mandra atra, aber Hyrrı spricht ohne Unterscheidung von urodelen und 


i LIEBERKÜHN, Über d. Auge d. Wirbelthierembr. Schriften d. Gesellsch. z. Bef. 
d. ges. Naturw. z. Marburg. Bd. X. 5. Abth. 4872. p. 358. 

2 HyRtL,1.c. Über anang. Netzh. p. 210. Anm. 3 KESSLER, I. c. p. 43. 

* LEBER, A) Blutg. d. Auges. Strıcker’s Hdb. d. Gewebel. II. Bd. p. 4049. 2) Die 
Cirkul. u. Ern.-Verh. d. Auges. Hdb. d. ges. Augenheilk. II. Bd. p. 302. 

5 Görtz, Entwicklungsg. d. Unke. Leipzig 1874. p. 755. 

6 Hyrıı, Beob. aus d. Geb. d. vergl. Gefäßl. Med. Jahrb. d. k. k. österr. St. 
XXIV.B. 


272 Hans Virchow, 


von anuren Amphibien, und GzeeEnsaur hat die zweite dieser Angaben 
als für alle Amphibien gültig übernommen 1. 

5) Görte? bildet zwischen dieser Arterie und der A. carotis interna 
einen senkrechten Verbindungsast in der Gegend des hinteren medialen 
Augenwinkels ab. Bei einem erwachsenen injicirten Bombinator habe 
ich ihn nicht gefunden. \ 

6) Bei einem injicirten Bombinator hat sich nur ein Hautast der A. 
cutanea gefunden. Dieser trat etwas lateral von dem Ende des hinteren 
oberen Schenkels des Os tympanicum, am vorderen Rande des M. depres- 
sor maxillae inferioris, zur Haut. 

7) Diese Vene ist es, welche BerLin® nach einer im Vorbeigehen 
angestellten anatomischen Untersuchung für »eine oder die« A. hyaloi- 
dea angesehen hat. Leider ist in die ganz neue vergleichende Anatomie 
der Sinnesorgane von Gnarin® von allen Mittheilungen über Glaskörper- 
gefäße des Frosches nur die von BerLin, und von allen Angaben BerLin’s 
nur die falsche übergegangen. Auch Leser hat die Behauptung von BERLIN 
aufgenommen. 

8) In einem Falle trat indessen die eine der beiden Arterien in ein 
dorsales und ein ventrales Gefäß aus einander. 

9) Man kann sich über diese Frage durch Injektionen und durch 
Schnitte unterrichten. 

Von Injektionspräparaten mit Korrosion nach der Methode von 
ALTMANN lagen vier Stücke aus der Chorioidea vor, von denen eines 
nach einer Photographie wiedergegeben ist. Diese Objekte stammen 
nicht alle von demselben Frosche; alle enthalten einen der beiden Ar- 
ierienstämme. An einigen Stellen sieht man in Verbindung mit der © 
Gefäßausbreitung einen Theil der Venenwurzeln. An dem abgebildeten F 
Präparate ist das letzte Ende der Arterie erhalten mit einigen Vasa recta 
und dem Beginn der distalen Venenwurzeln. Dagegen habe ich nichts | 
von einer äußeren Gefäßschicht im Sinne ALtmann’s wahrgenommen; ich | 


muss aber bemerken, dass diese Objekte auf die vorläufige Mittheilung 7 


des genannten Autors hin gemacht sind, und dass es mir nach Ver- 


öffentlichung seiner ausführlichen Arbeit nicht mehr glückte, die Ver- 7 
suche zu wiederholen, was vielleicht die Schuld des Überosmiumsäure- 7 


präparates war. 


Von Schellackinjektionen sind natürlich die ohne Korrosion für die | 2 


1 GEGENBAUR, Grundz. d. vergl. An. Il. Aufl. Leipzig 1870. p. 842. 

2 GÖTTE, 1. c. Fig. 377. 

3 BerLin, Über Sehnervendurchschn. Klin. Monatsbl. f, Augenh. 4871. p. 282. 
4 CHaAtın, Les organes des sens. Paris 1880. 

5 LEBER, Hdbch. d. ges. Augenh. Bd. II. p. 312. 


Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche, 273 


Entscheidung unserer Frage unverwendkar. Denn die äußere Gefäß- 
schicht würde in dem Pigmente verborgen sein, während die innere frei 
zu Tage liegt. 

Eine Anzahl von Schellackpräparaten hat die Korrosion ausgehalten. 
Es fand sich aber niemals etwas, was man für eine äußere Gefäßschicht 
hätte halten können, abgesehen von einem Falle von Veneninjektion. 
Hier war der ventrale Venenstern und ein Theil der Übergangsgefäße 
gefüllt, so dass fast die ganze untere Hälfte der Ghorioidea im Zusammen- 
hange blieb. Während der Korrosion stellte es sich nun heraus, dass 
eine vollkommen geschlossene Lage nach außen von der der Venenwurzeln 
existirte. Leider brach das Objekt beim Einlegen in der Mitte, so dass 
sich nichts über die Beziehung der V. hyaloidea und V. ophthalmica zu 
dieser Schicht ermitteln ließ. 

Nun hat Antmann sehr viel mit hohem Drucke injicirt, um von den 
Blutgefäßen aus Füllungen der Lymphbahnen zu erhalten ; und man muss 
immerhin daran denken, dass auf diesen Wege ein Kunstprodukt ent- 
standen sei. Extravasate entstehen aus den dünnwandigen Gefäßen des 
Frosches leicht: öfters fand sich Schellackmasse an der ganzen hinteren 
Fläche der Iris ausgebreitet; die Wand der V. facialis platzt besonders 
häufig. Gelatine trifft man zwischen Sclera und Chorioidea selbst nach 
einer Erwärmung des Thieres von nur 30° während der Injektion. An 
derseiben Stelle findet man auch Blut bei Fröschen, die an Ermattung 
gestorben sind. 

Entschied die Injektion und Korrosion nicht, so konnte vielleicht 
der Querschnitt helfen. Am besten kann man sich orientiren, wenn man 
auf eine der beiden Arterien rechtwinklig schneidet. Man kann dann zwar 


noch einen der Äste in Längsrichtung oder schief treffen und dadurch 


das Bild einer zweiten Gefäßlage erhalten. Aber da diese Äste in großen 
Abständen stehen, gewinnt man eine weit größere Zahl von Schnitten, 
die von dieser Zugabe frei sind. Aus einer Reihe von solchen Schnitten 
sind drei abgebildet. DieChorioidea besteht auszwei pigmenlirten Platten, 
einer inneren und einer äußeren ; und nach innen von der ersteren schließt 
sich eine pigmentfreie zusammenhängende Schicht von kapillaren Gefäßen 
an, die Ghoriocapillaris. Diese macht sich schon an der Chorioidea durch 
ein makroskopisches Kennzeichen bemeıkbar: während nämlich die 
äußere Oberfläche der ganzen Gefäßhaut stumpf aussieht, ist die innere 
glatt und glänzend. Die Choriocapillaris ist eben so dick oder doppelt so 
dick als die innere Pigmentplatte. Weit bedeutender ist der Zwischenraum 
zwischen den beiden pigmentirten Lagen; er misst das Fünffache der 
Choriocapillaris und mehr. Dieser Raum ist durchsetzt von Balken, 
welche unter rechten Winkeln von der einen Platte zur andern hinüber- 


274 Hans Virchow, 


treten. Auf kurze Strecken ist die äußere Platte, seltener die innere, in 
zwei oder drei Lagen gespalten. Der Zwischenraum zwischen den beiden 
Lamellen der Chorioidea ist ausgekleidet von einem zarten pigmentlosen, 
an einigen Stellen ziemlich breiten Bindegewebe mit elliptischen Kernen 
an der Oberfläche und runden im Innern. Dieser Überzug umhüllt auch 
die Balken; ja er bildet sie zuweilen allein. Doch ist es möglich, dass 
in diesen Fällen die Balken tangential getroffen sind. 

Die Arterie selbst muss bei der angegebenen Richtung des Schnittes 
quer geschnitten sein, und sie muss, je nach der Gegend des Schnittes, 
eine verschiedene Lage haben. Man trifft sie also zuerst außerhalb der 
äußeren Platte; dann im Niveau derselben; zwischen beiden Platien ; 
im Niveau der inneren; und innerhalb der letzteren. Immer ist sie in 
einem pigmentirten Fache eingeschlossen : Schon da, wo sie noch außer- 
halb liegt, ist sie von einer Falte der äußeren Platte überwölbt!, und 
nachdem sie in die Choriocapillaris eingetreten ist, zieht die innere Platte 
im Bogen über sie fort2. Ä 

Man wird nun glauben, nichts könne leichter sein, als zu entschei- 
den, ob der Raum zwischen den beiden Pigmentlamellen ein Blutraum 
sei. Dieser nämlich ist es, den ALtmann injicirt hat, und an Stelle der 
Balken, welche ihn durchsetzen, entstehen bei der Korrosion Lücken. 
Es haben sich jedoch die widersprechendsten Bilder gezeigt. In einem 
Falle war die Arterie auf allen Schnitten von Blutkörperchen ausgefüllt, 
eben so wie die Membrana choriocapillaris. In den großen Räumen dage- 
gen fand sich nur ab und zu ein Blutkörperchen, welches beim Auflösen 
der Einbettungsmasse in dieselben gespült, ja sogar beim Schneiden 
hineingewischt sein konnte. Die Präparate waren in Paraffin gebettet, 
wurden trocken geschnitten; und unter dem Mikroskope wurde Terpen- 
tin zugesetzt. Hier die CGhorioidea eines anderen Frosches: ein Theil 
der Räume war strotzend von Blut, aber nur in der Nähe des Sehnerven- 
eintrittes; distalwärts sowohl als gegen die dorsale und ventrale Seite 
nahm die Füllung ab. Ein Frosch war mit blauer Gelatinemasse injicirt; 
die Vasa hyaloidea hatten sich vollständig gefüllt ohne Extravasat, aber 
zwischen Ghorioidea und Sclera lag eine dünne blaue Schicht : alle Räume 
zwischen den beiden Pigmentplatten der CGhoricidea, nicht nur im Be- 
reiche der Choriocapillaris, sondern auch in dem der Venenwurzeln 
waren prall von Blut; die blaue Injektionsmasse hatte die gesammte 
Schicht nach innen von der inneren Platte eingenommen und war nur 
an wenigen Stellen in die bluterfüllten Räume eingedrungen. Nun, 
wenn die fragliche Schicht eine venöse Gefäßlage ist, die sich vielleicht 
spät und schwer füllt, so muss man dies ja durch Stauung am besten 

1 Fig. 13.4. 2 Fig. 43 C. 


Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche. 375 


erreichen. Es wurde also die Vorkammer an der Grenze gegen die 
Kammer abgeschnürt; aber gerade in diesem Falle waren die fraglichen 
Räume wieder leer. 

Diese Ergebnisse lassen die Frage völlig im Ungewissen. Aber was 
soll man sich unter einer solchen äußeren Gefäßlage denken? 

Es gibt eine zusammenhängende pigmentfreie Gefäßschicht an der 
inneren Fläche der Chorioidea, welche an der nasalen und temporalen 
Seite den Charakter der Membrana choriocapillaris hat, an der ventralen 
und einem Theile der dorsalen venös ist. Es ist zwar niemals gelungen, 
weder von den Arterien noch von den Venen her dieses Netz vollständig 
zu füllen, doch aber von den Arterien Theile der Venenwurzeln und von 
den Venen das Übergangsgebiet zu injieiren; ja durch Doppelinjektionen 
verschieden gefärbte Massen bis zu großer Annäherung und theilweiser 
Berührung zu bringen. Arrtmann hat eine zweite Lage nach außen von 
- der Choriocapillaris gefüllt, ich selbst nach außen von dem venösen Ab- 
schnitte; diese Schicht würde sich demnach über die ganze Chorioidea 
erstrecken. Sie steht nicht in Verbindung mit der Arterie, enthält nur 
nach Arrmann’s Beschreibung eine Lücke zur Einlagerung derselben. 
Sie hängt aber auch nicht mit der Choriocapillaris zusammen, denn 
Arrmann konnte beide Lagen mit der Nadel leicht von einander trennen. 
Für den venösen Abschnitt der Chorioidea allerdings liegt ein solcher 
Nachweis nicht vor. 

10) Bei lebenden Thieren, nicht nur Fröschen, sondern auch andern 
Anuren, bemerkt man häufig Stücke der Ringgefäße als feine schwarze 
gewundene Linien, besonders in der oberen Hälfte der Iris. Bei einer 
R. temporaria konnte man die temporale Arterie von der temporalen bis 
zur nasalen Seite als einen bluterfüllten Streifen sehen. Nachdem dieses 
Thier mit Schellack injicirt worden war, traten sowohl beide Ringgefäße 
als auch ihre Äste und deren erste Verzweigungen an der äußeren Fläche 
der Iris frei von Pigment hervor, die weiteren Verzweigungen waren 
verborgen. — Dass der Circulus nach außen von den radiären Gefäßen 
liegt, fällt auf in Gegensatze zu der Iris der Eidechse und Blindschleiche!. 

44) So viel mir bekannt, erwähnt Burow ? zuerst diese Gefäße, im 
Jahre 1834; aber er gibt selbst an, sie nur unvollkommen gefüllt zu 
haben. HyrrL3 beschreibt sie 1838, injicirte sie aber schon, wie er 
später betont®, 1830. In dieser späteren Arbeit nimmt er auf die erstere 


i Siehe p. 269. 2 Burow, l.c. p. 22. 

3 Hyatı, Beob. aus d. Geb. d. vergl. Gefäßl. Medic. Jahrb. d. k. k. österr. St. 
XXIV. Bd. oder Neueste Folge XV. Bd. 1838. p. 385. 

4 Hyrrz, Über anang. Netzhäute. Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch. Math. 
naturw. Kl. 43. Bd. Wien 4861. p. 212. 


276 | Hans Virchow, 


Bezug. Die »lange Ciliararterie«, von welcher diese Gefäße ausgehen, 
kann nur die V. hyaloidea sein, da sie »an der inneren Oberfläche der 
Chorioidea nach vorn läuft«, und der »große Ast«, der nebst mehreren 
‚kleinen aus dem arteriellen Ringe kommt, die ventrale Venenwurzel. Ich 
habe noch ein anderes Gitat ohne Angabe des Autors, nach dem fünf 
bis sechs Äste aus dem Ringe entspringen, und nach dem die Arterie 
und die Vene am Rande sich mehrmals um einander winden. Letzteres 
ist ein Irrthum. 

In einer Zusammenstellung mit den Glaskörpergefäßen anderer 
Kalthlüter werden die Vasa hyaloidea des Frosches erwähnt von Hyrrı, 
H. MüLzer !, Leuckart ?; von H. Mürzer auch neben denen von Säuge- 
thierembryonen. Gnarin® bringt sie in Verbindung mit dem rudimen- 
tären (in der That nicht vorhandenen) Pecten, was aber nicht im Sinne 
der Kzssrer’schen Forschungen! gesagt ist. Bei Horrmann> geschieht der 
Glaskörpergefäße keine Erwähnung. 

Das Silberbild derselben beschreibt GoLusEw ®. 

Gewisse Eigenthümlichkeiten des ophthalmoskopischen Bildes heben 
Cursnet ’ und Berrin® hervor. Durch Letzteren ist es zuerst bekannt ge- 
worden, dass das vom Pole gegen den Giliarkörper verlaufende starke 
Gefäß eine Vene ist. 

Übrigens sind diese Gefäße sehr bekannt und werden noch von 
mehreren Autoren, im Anschlusse an die ebengenannten, erwähnt. 

42) Man könnte die Ausdrucksweise H. Mürzer’s auf die Glaskörper- 
gefäße der Schlangen anwenden, denn hier bleiben bei der Zerlegung 
des Auges und der Trennung von Glaskörper und Netzhaut die Gefäße 
an letzterer haften. Es ist jedoch nicht möglich, dieselben nachträglich 
abzuheben; und auf Schnitten sieht man, dass sie durch ein zartes 
Bindegewebe an der Retina befestigt sind. 

13) Schon HyrrL® sagt in seiner ersten Mittheilung über die Glas- 
körpergefäße des Frosches, dass die Hyaloidea »ganz den Charakter der 
Gefäßhaut annehme«. In Übereinstimmung damit weisen H. Mürter 1°, 


1 H. MÜLLER, Ges. Schr. z. Anat. u. Phys. d. Auges. Leipzig 1872. p. 68, 75, 
447, 482. 

2 LEUCKART, Organologie d. Auges. Hdbch. d. ges. Augenheilk. II. Bd. p. 265. 

3 CnHATın, Les organes des sens. Paris 1880. p. 541. A KEsSLER, |. c. 

5 Horrmann in Bronn’s Kl. u. Ordn. d. Amph. Leipzig u. Heidelberg 1873—1878. 

6 GoLusew, Beiträge z. Kenntn. d. Baues u. d. Entw. d. Kapillarg. d. Frosches. 
Arch. f. mikr. Anat. Bd. V. 4869. p. 84. 

7 CuieNET, Circul. du sang obs. a l’ophthalmoscope. Ann. d’oculistique. 4866. 
T. LV. (9. Serie. T. 5.) p. 126. 8 BERLIN, l. c. 

9 HyrtL, Beob. u. s. w. 1838. 

10 H. MÜLLER, |. c. 


Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche. 377 


Leyvis !, GoLUBEW 2, LEUCKART ?, LEBER? den in Rede stehenden Gefäßen 
ihren Platz innerhalb der Membran an. 

BErLIN® spricht auch von Zellen in der Membran. Bei höheren 
Wirbelthieren sucht man die Zellen unter derselben. Der größte Thei! 
dieser Elemente beim Frosche besitzt einen kugelrunden Kern mit einem 
mehr oder weniger dichten Haufen von Körnchen. Mit dem Kerne in 
Zusammenhang steht eine in unregelmäßige Fortsätze ausgezogene Masse, 
von der zuweilen isolirte Theile neben der Zelle liegen. Diese Elemente 
erinnern offenbar an diejenigen, welche SchwaLse ® vom Menschen aus 
dem Glaskörper abbildet, enthalten aber keine Vacuolen (Fig. 18 A). 
Außerdem giebt es noch Gebilde, deren Kern rund oder elliptisch ist 
und deren feingekörnter Leib den Kern umhüllt, entweder rundlich oder 
spindelförmig (Fig. 18 B). 

14) Das Ophthalmoskop kontrolirt die Injektion: die Gefäße sind 
enger und gerader als am anatomischen Präparate. Andererseits aber 
verleitet das Augenspiegelbild ohne Zergliederung zu Irrthümern; denn 
der Ophthalmoskopirende übersieht einen weit kleineren Theil des Augen- 
innern als er denkt. 

15) Die Varianten, welche das Bild der Glaskörpergefäße beein- 
trächtigen, sind: A) Auftreten von zwei Zweigen an Stelle des ersten 
aus dem temporalen Aste, 2) Zunahme oder Abnahme der Zahl der 
Zweige, 3) ungetheilter Verlauf der Zweige bis zu ihrem Ende, 4) Lage 
der nasalen Venenwurzel am Rande, 5) Fehlen des temporalen Zuflusses 
der ventralen Wurzel, 6) starke Entwicklung des nasalen Zuflusses, 
7) schwache Entwicklung des an der Papille liegenden Zuflusses, 8) Ein- 
mündung des letzteren in die nasale Unterwurzel. Es pflegen mehrere 
Abweichungen gleichzeitig vorzukommen und dabei ein Gefäß für ein 
anderes theilweise zu vikariiren. Dazu kommt endlich 9) sehr ver- 

schiedene Dichtigkeit des Netzes. 


1 Levi, Lehrb. d. Hist. d. Menschen u. d. Thiere. Hamm 4857. p. 243. 

2 GOLUBEW, |. c. 3 LEUCKART, |. c. 4 LEBER, ]. c. Hdb. d. ges. Augenh. 
5 BERLIN, 1. c. 

6 SchwALBE, Hdb. d. ges. Augenh. I. Bd. p. 472. 


Würzburg, Ende Juni 1880. 


378 Hans Virchow, 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel XIII und XIV. 


Die Figuren mit Ausnahme der Figuren 49 und 20 sind vom Frosche, meist 
Rana esculenta, zum Theil aber Rana temporaria. r 
Fig. 4. Arterien des Kopfes. Schellackinjektion, Präparation, Muskeln 
entfernt. Natürliche Größe. 
C.v, Wirbelkanal, von oben eröffnet; 
Oe, Speiseröhre, ausgedehnt; 
II, III, Stellen, an denen die Querfortsätze des II. und I/II. Wirbels abge- 
schnitten sind; 
A.c, A. carotis; 
A.l, A, lingualis; 
A.c.i, A. carotis interna; 
A, Aorta; 
A.s, A. subelavia ; 
A.v, A. vertebralis; 
A.oc, A, oceipitalis; 
A.n, A. nasalis; 
A.t, A. temporalis; 
A.m, A. maxillaris superior ; 
A.i.a, vordere A. maxillaris inferior; 
A.i.p, hintere A. maxillaris inferior; 
au', R. auricularis a. temporalis; 
A.p, A. pulmonalis; 
A.cu, A. cutanea; 
d, R. dorsalis 
I, R. lateralis a. cutaneae; 
aw', R. auricularis 
A.sp, A. spinalis. 
Figur 2—4 sind aus mehreren, theils mit Schellack, theils mit blauer Gelatine 
injicirten Präparaten kombinirt. 
Fig. 2. Arterien desGaumens undA. ophthalmica. Aufder rechten 
Seite (der Figur) ist die Schleimhaut erhalten. Natürliche Größe. 
m, Schleimhaut des Gaumens; 
M.t, M. temporalis, durchschnitten ; 
M.p, M. pterygoideus, rechts Sehne desselben durchschnitten ; 
M.r.i, M. rectus oculi inferior ; 
I, erster Wirbel ; 
A.c.i, A. carotis interna; 
A.p.p, A. palatina posterior; 
A.p.a, A. palatina anterior; 
A.0, A. ophthalmica. 
Fig. 3. Venen der Augenhöhle von unten. Auf der rechten Seite (der 
Figur) ist die Schädelhöhle, das Labyrinth und die Paukenhöhle von unten eröffnet. 
Natürliche Größe. 


Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche. 279 


Fig. 4. VenenderAugenhöhle von oben. Natürliche Größe. 
| pt (auf Fig. 3), Os pterygoideum, durchschnitten; 
I (auf Fig. 3), Labyrinth; 
I (auf Fig. 3), erster Wirbel; 
t (auf Fig. 4), Trommelfell : 
M.r.i (auf Fig. 3), M. rectus inferior; 
M.r.s (auf Fig. 4), M. rectus superior; 
M.t, M. temporalis; 
M.p, M. plerygoideus; 
V.c, Übergang der V. facialis in die V. cutanea; 
V.f, V. facialis; 
V.n, V. nasalis; 
V.or.a, V. orbitalis anterior; 
V.or.p, V. orbitalis posterior; 
V.or.m, V. orbitalis medialis; 
V.o, V. ophthalmica; 
V.b.s, V. bulbi superior; 
V.j, V. jugularis interna; 
V.sp (auf Fig. 3), V. spinalis. 

Fig. 5. Die beiden Arterien der Chorioidea des linken Auges im Zu- 
sammenhange mit der A. ophthalmica. Die Sclera ist größtentheils entfernt. Schel- 
lackinjektion. Vergrößerung 2 Mal; großes Thier. 

A, vom proximalen Pole gesehen; 
B, von der temporalen Seite gesehen. 

Fig. 6. Rechte Seite. Vergrößerung 2 Mal; großes Thier. 

A, V.ophthalmica und V. bulbi superior außerhalb der Sclera, 
vom proximalen Pole gesehen; 
V.o, V. ophthalmica ; 
V.b.s, V. bulbi superior; 
A, A. ophthalmica, nicht injicirt. 
B,V.bulbi superior, von oben gesehen. 
Fig. 7. Arterie desGlaskörpers aus dem rechten Auge. Schellackinjek- 
tion, Vergrößerung 3 Mal; großes Thier. 
A, vom proximalen Pole aus gesehen; 
B, von der nasalen Seite. 
n, nasaler Ast; 
t, temporaler Ast; 
!', Ende des temporalen Astes; 
V, ventrale Venenwurzel, nicht injicirt. 

Fig. 8. Vene des Glaskörpers aus dem linken Auge. Schellackinjektion. 

Vergrößerung etwas mehr wie 3 Mal; großes Thier. 
A, vom proximalen Pole; 
B, von der nasalen Seite. 
n, nasale Wurzel; 
it, temporale Wurzel; 
v, ventrale Wurzel; 
’', der Zufluss der temporalen Wurzel, welcher allein konstant 
stark ist. 
Fig. 9. Irisgefäße. Öl-Überosmiumsäure-Korrosion. Photographie. Vergr. 46. 


Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 49 


280 Hans Virchow, 


Ar, Bogen der A. ophthalmica im Corpus ciliare ; 

A.n, nasale 

A.t, temporale 

R, je einer der fünf Äste, von denen drei aus der temporalen, zwei aus 
der nasalen Arterie entspringen. 

Fig. 140. Das letzte Drittel einer der beiden Arterien der Chorioidea mit 
einem Theile der Choriocapillaris und des Übergangsgebietes. Öl-Überosmiumsäure- 
Korrosion. Photographie. { 

R, am Corpus ciliare liegende Venenwurzeln; 

V.r, Vasa recta. 

Fig. 44. Irisgefäße der Blindschleiche. Schellackinjektion ohne Kor- 
rosion. Mit Prisma vorgezeichnet und dann ausgeführt. Vergrößerung 38. 

Fig. 192. Schema der Gefäßverbreitung in der Chorioidea; vom proximalen 
Pole aus gesehen. 

N, Eintritt des Sehnerven, der temporalen Seite näher wie der nasalen ; 

A.n, nasale Arterie; 

A.t, temporale Arterie; 

ch, Gebiet mit dem Charakter der Choriocapillaris; 

V.o, V. ophthalmica; 

V.h, bhyaloidea; 

R.d’, nasale am Corpus ciliare liegende, distale oder lange Wurzel 

R.d”, en des ventralen Sternes; 

R.p', nasale 

R.p", temporale 

V.s’, nasale 

V.s”’, temporale 

r, Vasa recta; 

r', Übergangsgebiet zwischen Choriocapillaris und ventralem Sterne; 

r"', Übergangsgebiet zwischen Choriocapillaris und Wurzeln der oberen 
Vene. 

Fig. 43. Drei Schnitte durch die Chorioidea rechtwinklig auf eine der bei- 
den Arterien. Prismazeichnung. 

A, proximal (in der Nähe des Sehnerveneintrittes); 

B, in der Mitte; 

C, distal (in der Nähe des Corpus ciliare). 

L.e, äußere 
Li, innere 
ch, Membrana choriocapillaris; 

A, A. chorioideae. 

Fig. 44. Der größere Theil einer der beiden Arterien derChoriotdea mit 
dorsal austretenden Zweigen, in Verbindung mit der Choriocapillaris. Schellackin- 
jektion, Korrosion. Vergrößerung 40. 

P, Pigment, welches bei der Korrosion nicht zerstört worden ist; 

r, Übergangsgebiet mit gestreckter Richtung der Gefäße. Auf der gegen- 
über liegenden Seite ist wegen der Krümmung des Präparates die ge- 
streckte Richtung nicht bemerkbar. 

Fig. 45. Der ventrale Venenstern. Schellackinjektion ohne Korrosion. 
Vergrößerung 40. - 

V.o, V. ophthalmica; 


N Arterie der Iris; 


N proximale oder kurze Wurzeln des ventralen Sternes; 


N Wurzel der V. bulbi superior; 


pigmentirte Platte der Chorioidea; 


Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche. 981 


V.h, V. hyaloidea; 

R.d, distale, am Corpus ciliare gelegene Wurzel; 

R.p, proximale Wurzeln; 

r, Vasa recta, vom Corpus ciliare herkommend ; 

r', Übergangsgebiet, von den Arterien her mit anders gefärbter Masse 
gefüllt. 

Fig. 16. Die beiden Wurzeln der V. bulbi superior mit zugehörigen Vasa 
recta. Schellackinjektion ohne Korrosion. Vergrößerung 40. 

r, Vasa recta. 

Fig. 17. Gefäße desGlaskörpers, vom proximalen Pole und zugleich etwas 
von oben, aus dem rechten Auge eines großen Frosches. Injektion blauer Gelatine. 
Vergrößerung 9. 

Fig. 48. Zellen vonder Oberfläche des Glaskörpers nach zweitägiger 
Einwirkung Mürter'scher Flüssigkeit. Leitz, VII, A. 

Fig. 49. Ein Stück der Choriocapillaris mit dem EintritteeinesArterien- 
zweiges. Schellackinjektion. Korrosion. 


A198 


Untersuchungen über Orthonectiden. 
Von 


Elias Metschnikoff. 


Mit Tafel XV. 


Die Orthonectiden gehören noch zu den wenigst bekannten Thier- 
gruppen, wesshalb jeder Beitrag zur weiteren Kenntnis derselben nicht 
unerwünscht sein wird. Aus diesem Grunde will ich über die Resultate 
meiner Beobachtungen, welche ich an zwei Repräsentanten dieser Thier- 
formen angestellt habe, im Folgenden Bericht erstatten. 

Zunächst werde ich die Beschreibung einer Art geben, welche im 
Körper von Nemertes lacteus Grube! parasitirt, einer Nemertine, deren 
Identität mit Lineus lacteus Montagu wohl kaum zu bezweifeln ist?. 
Dieser Wurm gehört zu den häufigsten Bewohnern des Kanals von Mes- 
sina und ist am sandigen Ufer in der Nähe des Fortes S. Salvatore, resp. 
der beiden Leuchtthürme mit Leichtigkeit zu erhalten. Unter mehreren 
hundert Exemplaren der Nemertine findet man ein oder einige wenige, 
welche mit dem uns interessirenden Schmarotzer behaftet sind. Die 
milchweiße Farbe, welche dem Wirthe eben so wie dem Parasiten eigen 
ist, verhindert die Erkenntnis des letzteren mit bloßem Auge oder mit 
der Lupenvergrößerung; um das Vorhandensein des Schmarotzers zu 
konstatiren, muss desshalb eine Untersuchung mit dem zusammenge- 
setzten Mikroskope vorgenommen werden. Dann sieht man durch die 
Haut eine sehr große Menge rundlicher, birnförmiger oder unregelmäßig 
contourirter Körper durchschimmern , welche im Kopftheile der Nemer- 
tine noch vollständig fehlen und erst etwa in der Mitte der Körperlänge 
in beträchtlicher Anzahl angesammelt liegen. Obwohl man bereits am 
lebenden Thiere sehen kann, dass die Parasiten zwischen dem Muskel- 
schlauche und der Darmwandung, folglich in der Leibeshöhle ihren Sitz 


1 Archiv für Naturgeschichte. 4855. p. 451. Taf. VII, Fig. 3, 4. 
2 Man vergleiche MaAcIntosa, A Monograph of the British Annelids. Part. I. The 
Nemerteans. London 1873. Plate V, Fig. 3. p. 190, 491. 


Untersuchungen über Orthonectiden. 283 


haben, so überzeugt man sich davon doch am besten an Querschnitten 
(Fig. 4). An solchen gewinnt man auch die Überzeugung, dass die 
Schmarotzer in sämmtlichen topographischen Abtheilungen der Leibes- 
höhle, an den Seiten, wie an beiden Flächen befindlich sind. Von den 
Organen des Wirthes werden wohl nur die Genitalien von den Parasiten 
befallen; ich habe bei keinem der von mir untersuchten Exemplare Ge- 
schlechtsorgane wahrgenommen, obwohl ich die Thiere gerade zur Zeit der 
Geschlechtsreife (Anfang Mai) beobachtete; aus diesem Umstande sowohl, 
wie aus der Thatsache, dass die betroffenen Nemertinen in der Größe mit 
solchen übereinstimmten, welche bereits Geschlechtsorgane besaßen, 
glaube ich die muthmaßliche Schlussfolgerung ziehen zu können, dass diese 
Organe in Folge der Anwesenheit des Parasiten zu Grunde gegangen sind. 
Eine weitere Stütze für diese Vermuthung werde ich bei der Besprechung 
der anderen von mir untersuchten Orthonectidenart mittheilen. 

Die Größe der parasitischen Körper variirt eben so wie deren äußere 
Form. Die kleinsten Exemplare maßen etwa 0,08 mm, während die 
größten, mit zum Ausschlüpfen fertigen jungen Thieren versehenen 
Körper die Größe von 0,2 mm erreichten. Diese Körper repräsentiren 
protoplasmatische Schläuche, in deren Innern eine Anzahl Embryonen 
und fertiger Orthonectiden beherbergt liegt. Von außen sind diese 
Schläuche von keiner besonderen, etwa aus einer Endothelschicht be- 
stehenden Membran umgeben. Der protoplasmatische Inhalt der Schlauch- 
wandung ist fast vollkommen durchsichtig, weil er nur eine verhältnis- 
"mäßig geringe Anzahl und dazu ganz feiner Körnchen enthält (Fig. 2, 3 
und 18 p); außerdem sind in seinem Innern noch kleine wasserhelle 
Vacuolen enthalten. Amöboide Bewegungen habe ich an diesem Proto- 
plasma nicht wahrgenommen. Die Untersuchung der Organismen, wel- 
che die soeben beschriebenen Schläuche erfüllen, erweist sofort, dass 
die ersteren in zwei Formen erscheinen: in einer größeren, weiblichen, 
und einer kleineren, männlichen, Form. Es ist leicht zu konstatiren, 
dass männliche (Fig. 5), weibliche (Fig. 3, #) und auch zwitterige 
Schläuche (Fig. 6) existiren, wobei zu bemerken ist, dass alle diese 
Kategorien etwa gleich häufig vorkommen; man findet sie alle beisam- 
_ men im Innern einer und derselben Nemertine. Nicht selten findet 
man Bilder, welche eine Vermehrung der Protoplasmaschläuche durch 
Theilung aufweisen ; indessen ist es mir nicht gelungen den Vorgang 
direkt zu verfolgen. Am lebenden Thiere ist die Verschiebung sämmt- 
licher Theile der Nemertine zu groß, um eine Beobachtung solcher Er- 
scheinungen zu gestatten; an Schnitten sind die Gontoure nicht scharf 
genug um zu entscheiden, ob man es mit einer Theilung oder mit zwei 
dicht neben einander liegenden Schläuchen zu thun hat. 


284 Elias Metschnikof, 


Die Anzahl der in den Schläuchen enthaltenen Organismen ist eine 
sehr verschiedene; nicht selten findet man nur ein einziges eingeschlos- 
senes Exemplar, während in der größten Mehrzahl der Fälle eine größere 
Menge (man vergl. die Fig. 2, %, 5, 6) Orthonectiden vorhanden sind. 

Wenden wir uns nun zur Beschreibung der größeren Form. Das 
verlängert ovale Thierchen (Fig. 7) hat eine große Ähnlichkeit mit den 
von KErErsTein ! bei Leptoplana tremellaris und von M.Intosa 2 bei Lineus 
gesserensis entdeckten Parasiten, obwohl es zur Zeit unmöglich ist zu 
entscheiden, ob alle drei Orthonectiden wirklich zu einer einzigen Art 
gehören. Die Größenunterschiede (das von mir untersuchte Thier misst 
0,42 mm in der Länge, während M.Intosu für sein Thier die Länge von 
0,157 mm und Krrerstein 0,135 mm angiebt) lassen sich wahrschein- 
lich am besten durch den Zustand erklären, in welchem die Thiere ge- 
messen worden sind. Die Vergleichung der Abbildungen beider citirten 
Autoren mit den von mir gesehenen Thieren erlaubt mir die Schluss- 
folgerung, dass KErERSTEIN eben so wohl wie M.Intosu keine ganz nor- 
male Parasiten, sondern solche, welche durch Seewasser bereits gelitten, 
als Muster genommen haben. Durch die Einwirkung des Wassers haben 
sich nun die Orthonectiden in die Länge ausgezogen und desshalb größere 
Maße gegeben. Das ovale Thier verschmälert sich an beiden Enden ganz 
gleichmäßig, wesshalb es oft schwierig ist das vordere Ende vom hinteren 
zu unterscheiden. Bei durchfallendem Lichte erscheint unser Parasit 
dunkelgrau oder dunkelbraun, welche Farbe durch reichliches Vorhan- 
densein von kleinen Körnchen in der Haut bedingt wird. An ganz nor- 
malen Thieren kann man eine deutliche Segmentirung wahrnehmen, 
welche aber durch Einwirkung von Seewasser leicht verloren geht. Die 
Segmentgrenzen erscheinen in Form schmaler körnchenloser und voll- 
kommen durchsichtiger Linien, welche sich scharf von den benachbarten 
körnchenreichen Abschnitten unterscheiden. An besterhaltenen Exem- 
plaren habe ich konstant neun Segmente gefunden; oft ist es aber fast 
unmöglich die Segmente deutlich zu unterscheiden und sie gut zu zählen. 
Die von Kererstein und M.Intosn abgebildeten Exemplare zeichnen sich 
durch bedeutend größere Segmentzahl aus; es ist aber nicht möglich 
diesem Umstande ein hohes Gewicht beizulegen, weil es eben außer- 
ordentlich schwierig ist die richtige Segmentzahl deutlich zu unterschei- 
den. Bei Krrerstein sind z. B. die schmalen körnchenlosen Segment- 
grenzen (wahrscheinlich in Folge der Imbibition von Wasser) zu breiten 
den »Segmenten« ähnlichen Streifen angewachsen. 

Die ganze äußere Oberfläche unseres Thierchens ist mit einem Kleide 


1 Beitr. zur Anat. und Entwicklungsgesch. einiger Seeplanarien von St. Malo. 
Göttingen 4868. Taf. II, Fig. 8. 2]. c. Taf. XVII, Fig, 17. 


Untersuchungen über Orthonectiden. 285 


feiner und ziemlich langer Flimmerhaare überzogen, welche nur am 
ersten Segmente nach vorn gerichtet sind. Diese Wimpern dienen zur 
Fortbewegung des Parasiten, welche gewöhnlich in der geraden Rich- 
tung nach vorn geschieht. Bei längerem Aufenthalte im Seewasser ver- 
ändern sich die Flimmerhaare ziemlich rasch und fallen leicht von der 
gesammten Körperoberfläche ab. 

Um den feineren Bau des Parasiten zu untersuchen, muss man die 
Thiere mit mittelstarker Kochsalzlösung behandeln (wobei man die Struk- 
tur der Haut am besten verfolgen kann) und auch Durchschnitte präpa- 
riren. Um die letzteren zu erhalten, behandelt man vorher die mit Para- 
siten behaftete Nemertine mit Pikrinschwefelsäure und erhärtet dann 
in Alkohol (Kırınengerg’s Methode). Die beste Färbung habe ich mit 
Boraxkarmin GrEnAcHER’s erhalten. Zum Schneiden habe ich ganze 
Nemertinenstücke genommen, weil die Orientirung der so einfachen 
Orthonectiden überhaupt keine Schwierigkeiten darbietet. 

Das Thierchen ist auf seiner gesammten Oberfläche mit einer ein- 
schichtigen Epidermis überzogen, deren Zellen verschiedenartige Eigen- 
thümlichkeiten aufweisen. Die meisten Epidermiselemente haben eine 
kubische Gestalt und zeichnen sich durch reichliche Menge von Körnchen 
aus (Fig. 8); am dritten oder vierten Segmente fällt besonders eine Reihe 
verlängerter Zellen auf. Die die Segmentgrenzen bildenden Zellen sind fast 
körnchenlos und stark in die Breite ausgezogen, wesshalb sie in Form ganz 
feiner Linien erscheinen. Auf jedes Segment kommt eine bis vier Reihen 
körnchenreicher Zellen. Die Zellen des hinteren Körperendes schließen 
die größte Menge Körnchen ein. Am vorderen Körperpole befindet sich 
unter der Epidermis ein Haufen kleiner Zellen, dessen Zusammensetzung 
nur anLängsschnitten (Fig. 41) deutlich erkannt werden kann. Amganzen 
Thiere erscheint dieser Zellenkomplex als ein einfacher körnchenreicher 
Körper (Fig. 9). Ich bin nicht im Stande demselben eine bestimmte Rolle 
anzuweisen, glaube jedoch in ihm am ehesten irgend ein rudimentäres 
Organ (vielleicht einen Darmkanal?) zu erkennen. — Der größte Theil des 
Körpers, d. h. der gesammte innere Inhalt des Parasiten besteht aus ver- 
hältnismäßig sehr großen (etwa 0,02 mm messenden) Zellen, welche ab- 
gerundet polygonal erscheinen und sich durch feinkörnigen Inhalt aus- 
zeichnen. Am lebenden Thiere kann man gewöhnlich nur den letzteren 
_ unterscheiden ; beim Zusatze von Essigsäure treten aber sofort die großen 
runden Kerne nebst dem kleinen excentrisch gelegenen Kernkörperchen 
auf (Fig. 10). Diese großen membranlosen Zellen halte ich für Eier, wie 
es weiter unten näher begründet werden soll. Sie bilden eine kompakte 
Masse, wie es am besten auf Querschnitten zu sehen ist (Fig. 12). 

Die kleinere Form (Fig. 13) unterscheidet sich außer der viel ge- 


236 Elias Metschnikoff, 


ringeren Größe noch durch rübenförmige Körpergestalt; am vorderen 
Abschnitte ist sie verdickt, am hinteren dagegen ziemlich scharf zuge- 
spitzt. Die Bewegungen sind überhaupt schneller als bei der größeren 
Form und namentlich sind die zuckenden Kontraktionen des hinteren 
Körpertheiles viel energischer. Auf der äußeren Oberfläche kann man 
ebenfalls Ektodermsegmente unterscheiden, welche mindestens in der 
Achtzahl vorhanden sind; es ist nicht möglich zu entscheiden, ob die 
hinterste Körperspitze nur ein oder zwei Segmente repräsentirt. Der 
Körper ist auf seiner gesammten Oberfläche bewimpert, nur sind die 
Flimmerhaare der beiden ersten Segmente nach vorn, die der übrigen — 
nach hinten gerichtet. Die nähere Struktur der Epidermis ist hier noch 
schwieriger als beim Weibchen zu ermitteln. Die gesammte Haut ist mit 
vielen Körnchen versehen, welche namentlich im ersten Segmente ange- 
häuft sind. Das vierte Segment unterscheidet sich durch sehr lange aber 
äußerst schmale Zellen, welche der Länge des Segmentes nach geordnet 
sind. Im Innern des Körpers befindet sich ein ovaler Sack (Fig. 15); er 
nimmt den Innenraum des dritten bis fünften Segmentes ein und ist mit 
kleinen wimmelnden Körperchen angefüllt, welche isolirt untersucht 
(Fig. 14) sich sofort als Zoospermien ergeben. Jedes Samenthierchen be- 
sitzt einen mit einem stark lichtbrechenden runden Körperchen versehe- 
nen Kopf und eine feine Geißel. Dieser Befund giebt uns das Recht die 
kleinere Form für das Männchen, die größere dagegen für das Weibchen 
zu halten. Von dem unteren Theile des Hodensackes geht ein Ausläufer 
bis zum Hinterende des Männchens; man wird in ihm am ehesten einen 
Samenausführgang erblicken, obwohl es zur Zeit nicht möglich ist einen 
wirklichen Beweis für diese Ansicht anzuführen. Auf Längsschnitten 
sieht man deutlich, dass auch derZwischenraum zwischen Epidermis und 
dem oberen Ende des Hodensackes mit kleinen Zellen angefüllt ist, welche 
vielleicht den oben beschriebenen Zellen des Weibchens entsprechen. 

Aus der Nemertine, resp. aus den Orthonectidenschläuchen heraus- 
genommene Männchen leben, selbst wenn sie auch ganz reifes Sperma 
enthalten, nur kurze Zeit im Seewasser. Sie fangen an sich munter und 
rasch zu bewegen, bald aber b'eiben sie ruhig, verlieren ihre Flimmer- 
haare und selbst die gesammte Körperform erleidet ganz auffallende Ver- 
änderungen. | 

In den meisten von mir untersuchten Schläuchen befanden sich 
fast nur fertige Männchen und Weibchen, doch ist es mir auch gelungen 
einige Embryonalzustände derselben aufzufinden. Die jüngsten Stadien 
bestanden aus rundlichen oder ovalen Zellenaggregaten, in denen man 
größere und kleinere Zellen unterscheiden konnte (Fig. 16) ; solche Em- 
bryonen erschienen in Form von soliden Morulae ohne eine Spur von 


Untersuchungen über Orthonectiden. 287 


Segmentationshöhle. Auf weiteren Stadien konnte man bereits zwei 
Zellenschichten unterscheiden, wovon die innere verschieden bei beiden 
Geschlechtern aussah. Beim Weibchen (Fig. 17) besteht diese innere 
Schicht, welche den jungen Eihaufen oder Eierstock repräsentirt, aus 
verhältnismäßig großen rundlichen Zellen, während die entsprechende 
Schicht des männlichen Embryo (Fig. 18) aus viel kleineren Elementen 
zusammengesetzt erscheint; außerdem ist der junge Hoden viel kleiner 
als der embryonale Eierstock. 

Es ist hier der Ort zu bemerken, dass ich das Vergnügen hatte, die 
wichtigsten der mitgetheilten Befunde Herrn Prof. KLEINENBERG in Messina 
zu demonstriren. ; 

Wenn es auch nicht bezweifelt werden kann, dass der von mir be- 
schriebene Parasit in dieselbe Gattung wie die Orthonectiden von K£rkr- 
stein und M.Intosn eingereiht werden muss, kann ich mich doch nicht 
entschließen denselben mit den von diesen Forschern bekannt gemachten 
Arten zu vereinigen. Den von Garn! ausgewählten Gattungsnamen 
— Intoshia — kann ich indessen nicht acceptiren, wie es weiter unten 
näher begründet werden soll. Den von mir untersuchten Parasiten will 
ich mit dem Namen »Rhopalura Intoshii« bezeichnen, wobei der Gattungs- 
name von GIarD entlehnt -wird, während der Speciesname zur Ehre von 
M.Intosu als dem ersten Entdecker der nemertinenbewohnenden Ortho- 
nectiden, gewählt wurde. 

Die zweite von mir untersuchte Orthonectidenart? bewohnt eine 
lebendiggebährende Ophiuride, Amphiura squamata. Da dieser Schlangen- 
stern mit der sog. Ophiocoma neglecta, wie es mir neuerdings von Herrn 
Dr. H. Lupwic bestätigt wurde, identisch ist, kann es keinem Zweifel unter- 
liegen, dass die von mir beobachtete Form des Mittelmeeres mit den zwei 
von GIAarD beschriebenen Orthonectiden (Rhopalura ophiocomae und In- 
toshia gigas) von der Küste Nordfrankreichs vollkommen übereinstimmt. 
Die nähere Beschreibung meiner Form und die Vergleichung derselben mit 
den beiden Arten Giarv’s wird diesen Schluss zur Genüge bestätigen. 

Die Orthonectidenart, zu deren Beschreibung ich nun übergehe, ist 
von mir zum ersten Male im Mai 1879 in Spezzia gefunden und unter- 
sucht worden. In diesem Jahre habe ich sie in Neapel, während eines 
Aufenthaltes auf der dortigen zoologischen Station des Prof. Donrn, noch 
einmal untersucht. Während ich nun im Winter nur sehr selten mit 
Orthonectiden behaftete Amphiura-Individuen vorfand, gelang es mir im 


1 Les Orthonectida, Classe nouvelle du Phylum des Vermes, in Journ. de l’Anat. 
et de la Phys. Bd. XV. September, Oktober 1879. p. 460. 

2 Eine vorläufige Mittheilung über meine erste Untersuchung dieser Species ist 
im Zoologischen Anzeiger II. Jahrg. Nr. 40 p. 547 enthalten. 


288 Elias Metschnikoff, 


Frühjahr (April, Mai) gar nicht selten solche zu bekommen. Aus dem 
Umstande, dass ich bei Gelegenheit der Untersuchung über Echino- 
dermenentwicklung im Jahre 1868, mehrere hundert Exemplare der- 
selben Ophiuridenspecies und zwar aus demselben Orte (Santa Lucia) 
secirt habe, sowie ferner aus der Thatsache, dass die früheren Autoren 
über Amphiura squamata, wie Kross und M. ScuuLtzz, den Parasiten 
auch nicht gesehen haben, kann ich den muthmaßlichen Schluss ziehen, 
dass der letztere in früheren Zeiten bei Neapel entweder noch gar nicht 
vorkam oder wenigstens ganz außerordentlich selten war. 

Eben so wie Rhopalura Intoshii, ist der Parasit von Amphiura squa- 
mata dimorph. Während aber bei der ersteren beiderlei Formen häufig 
in einem und demselben Schlauche vorkommen, ist dies bei dem letzte- 
ren nicht der Fall. Häufiger enthält eine Amphiura Schläuche, welche 
ausschließlich eine Form beherbergen; nicht selten trifft man auch solche 
Exemplare der Ophiuride, welche zugleich die beidenFormen einschließen. 

Es ist nicht möglich an einer unversehrten Amphiura die Existenz 
des Parasiten mit Sicherheit zu konstatiren. Größere Exemplare, durch 
deren Haut nicht die röthliche, sondern die weiße Farbe durchschimmert 
und welche sich gern von den Haufen, in welchen sich die Amphiuren 
gewöhnlich ansammeln, isoliren, sind am meisten verdächtig und müssen 
desshalb zuerst von demjenigen untersucht werden, welcher nach Ortho- 
nectiden sucht. Man mag die Amphiura mit der größten Vorsicht auf- 
schneiden, es platzen doch sehr viele Orthonectidenschläuche auf, wo- 
bei deren Inhalt, d. h. junge Orthonectiden und Embryonen in Menge 
ausfließen. Um sich desshalb eine richtigere Vorstellung von dem Zu- 
stande zu machen, in welchem sich die Orthonectiden im Innern des 
Amphiurakörpers befinden, ist es unerlässlich Schnitte durch die mit 
Parasiten behafteten Ophiuriden zu machen. Es ist mir zwar nicht ge- 
lungen solche Schnitte zu bereiten, an denen man die histologische 
Struktur der Orthonectiden untersuchen konnte (in dieser Beziehung ist 
Lineus lacteus mit seinem Parasiten viel günstiger); indessen war es 
nicht schwer Orientirungsschnitte zu machen, d.h. solche, an denen 
man die topographischen Beziehungen der Schläuche zur Amphiura zu 
erforschen im Stande war. Zu diesem Zwecke hat mir die oben erwähnte 
Methode (Färbung mit Hämatoxylin oder Boraxkarmin) gedient. Um 
die Thiere möglichst zu schonen, machte ich an der Seite der Amphiura 
einen Nadelstich und untersuchte den ausgeflossenen Tropfen nach Ortho- 
nectiden; die Schnitte wurden dann von der dem Stiche entgegengesetz- 
ten Seite angefangen. Untersucht man einen solchen Schnitt bei schwa- 
cher Vergrößerung (Fig. 19), so gewahrt man in der Peritonealhöhle eine 
beträchtliche Anzahl Schläuche, welche sowohl der Form als der Größe 


Untersuchungen über Orthonectiden. 289 


nach sehr verschieden aussehen. Die Schläuche sind auf der Bauchfläche 
angesammelt, wo sie oft. große Haufen bilden; nur in seltenen Fällen 
habe ich vereinzelte Exemplare zwischen der Magenwand und der Seiten- 
wand des Körpers wahrgenommen. An der Außenfläche der Schläuche 
kann man nicht selten anhaftende Kerne vorfinden und auch auf Schläu- 
chen, welche durch einen Einschnitt aus der Amphiura ausgetreten sind, 
kann man in einigen Fällen einen vollkommenen zelligen Überzug 
(Fig. 20 en) wahrnehmen. Der letztere verdankt wahrscheinlich seinen 
Ursprung dem Körper des Wirthes und ist desshalb nicht zu den Gewe- 
ben des Parasiten zu rechnen. Die Anwesenheit der Orthonectiden ruft 


- noch eine andere Veränderung im Amphiurakörper hervor. Die Amphiu- 


ren, welche, wie es in der Mehrzahl der beobachteten Fälle vorkommt, 
eine große Menge der Parasiten enthalten und welche ihre definitive 
Körpergröße bereits erlangt haben, zeichnen sich durch Mangel sowohl 
der weiblichen als der männlichen Geschlechtsdrüsen aus. In solchen 
Exemplaren dagegen, welche mit keiner so großen Anzahl Orthonectiden 
behaftet sind, kann man noch Genitalien vorfinden, und zwar in einigen 
Fällen beiderlei Geschlechtsdrüsen, in anderen Fällen aber nur Hoden- 
schläuche. Diese Beobachtung lehrt, dass die Ovarien zuerst verloren 
sehen. In allen untersuchten Fällen, wo ich neben Orthonectiden noch 


"Genitalien vorfand, sahen die letzteren entweder normal oder etwas 


verkümmert aus und enthielten niemals Orthonectiden oder deren Eier. 

An solchen Orthonectidenschläuchen,, welche unversehrt aus der 
Amphiura ausgetreten sind, oder auch an Bruchstücken derselben (die 
Schläuche sind außerordentlich zart und zerreißen leicht in mehrere 
Stücke) kann man (bei Untersuchung im Meerwasser) starke amöboide 
Bewegungen wahrnehmen, wie es durch die Fig. 21 —23 illustrirt wer- 
den soll, welche einen und denselben Schlauch in drei verschiedenen 
Bewegungsmomenten zeigen. Die Bewegungen werden durch Bildung, 
resp. Einziehung rundlicher lappenförmiger Ausläufer vollzogen, wie es 
auch für manche Rhizopoden charakteristisch ist. Dabei findet auch eine 
Verschiebung der im Schlauchprotoplasma befindlichen Körnchen statt, 
welche oft so auffallend ist, dass sie an analoge Erscheinung im Plas- 
modium der Myxomyceten erinnert. Überhaupt ist das Protoplasma der 


_ Parasitenschläuche der Amphiura viel körnchenreicher als dasjenige von 
‚Rhopalura Intoshii. 


Die Anzahl der in den Schläuchen enthaltenen Wesen ist eine viel 


_ beträchtlichere als bei Rhopalura Intoshii; Schläuche mit nur wenigen 


‚oder gar einem einzigen eingeschlossenen Individuum habe ich bei dem 


Parasiten der Amphiura überhaupt nicht getroffen. 
Wie es bereits hervorgehoben wurde, besitzt die Orthonectidenspecies 


290 Elias Metschnikoff, 


der Amphiura eine größere und eine kleinere Form. Die erstere (Fig. 24) 
hat im Ganzen eine große Ähnlichkeit mit der entsprechenden Form der 
Rhopalura Intoshii und darf auch als weibliche Form in Anspruch ge- 
nommen werden. Sie unterscheidet sich am auffallendsten durch eine 
bedeutendere Größe (sie ist 0,15 mm lang) und einen viel geringeren 
Inhalt an Körnchen in der gesammten Haut. Die beständigste Anzahl 
von Segmenten ist auch hier neun und das merk würdigste unter ihnen 
ist jedenfalls das zweite. Während dasselbe bei der größten Mehrzahl 
der von mir im Winter und im Frühjahr untersuchten Exemplare nichts 
 Auffallendes darbot und mit den nächstfolgenden Segmenten in jeder 
Beziehung übereinstimmte, zeigte es bei den reifsten und beweglichsten, 
im Juni in Spezia untersuchten Individuen einen merklichen Unterschied. 
Es erschien ganz ohne Wimperhaare und zeigte an der Oberfläche eine 
ganze Reihe Körnchen, welche sich merklich von den wenigen unregel- 
mäßig zerstreuten Körnchen an anderen Segmenten unterschieden 
(Fig. 25). Die Abwesenheit der Bewimperung des zweiten Segmentes ist 
auch Garn nicht entgangen. In seiner letzten Abhandlung! spricht er 
vom »non-ciliated segment«, worunter selbstverständlich nur das zweite 
gemeint werden kann. Auffallend ist es nur, dass er in dem letzterwähn- 
ten Aufsatze dieselben Abbildungen wie in der französischen Arbeit 
wiedergiebt und nur die Wimpern des zweiten Segmentes auslässt. Da- 
durch scheint es, als ob Grarn eine fundamentale Wimperlosigkeit des 
zweiten Segmentes annimmt, was jedenfalls der Wirklichkeit nicht ent- 
spricht. 

Der Körper des Weibchens ist spindelförmig; solche Gestalten wie 
die von GıArD auf der Fig. 5 der englischen Abhandlung abgebildete mit 
einem Einschnitte und einer Einbuchtung sind mir nie vorgekommen 
und erscheinen mir am ehesten als Monstrositäten. 

Die histologische Struktur der Hautschicht zeigt eine große Überein- 
stimmung mit Rhopalura Intoshii. Bei Untersuchung mit Zusetzung mittel- 
starker Kochsalzlösungen oder im etwas verdunsieten Meerwasser? kann 
man sich leicht eine Vorstellung von der Anordnung der Hautzellen machen 
(Fig. 26). Eben so wie bei Rhopalura Intoshii findet man auch hier 
größtentheils verlängerte vierkantige Prismen, deren Reihen durch 
Zwischenreihen von ganz kurzen die Segmentgrenzen bildenden Zellen 
unterbrochen werden. An beiden Körperenden erscheinen die Zellen 


1 The Orthonectida, a New Class of the Phylum of the Worms in Quarterly 
Journ. of Microsc. Science April 1880. p. 232. Taf. XXII, Fig. 6 und 7. 

2 Das ist überhaupt das beste Reagens für die Gewebe der Orthonectiden. Die 
sonst so gut wirkenden Substanzen, wie Osmium- und Essigsäure, leisten bei der 
Untersuchung dieser Thiere fast gar keine Dienste. Die Osmiumsäure ist überhaupt 
gar nicht zu gebrauchen. 


Untersuchungen über Orthonectiden, 291 


mehr abgerundet, würfelförmig oder polygonal. Unter der Epidermis, 
- in Verbindung mit derselben, ist eine Verdickung (Fig. 24 c) vorhanden, 
welche unzweifelhaft ihr Homologon in dem oben beschriebenen sub- 
polaren Zellenhaufen der Rhopalura Intoshii hat. Nur liegt diese Ver- 
dickung bei der Artaus der Amphiura nicht um die Längsachse des Thieres 
herum, sondern sie ist auf der Seite des oberen Körpertheiles angebracht. 
Dadurch wird der vollständig radiäre Bauplan der Rhopalura Intoshii in 
einen bilateralsymmetrischen umgewandelt. Die histologische Struktur 
des fraglichen Organes habe ich nicht ermitteln können, glaube aber, nach 
Allem was ich gesehen habe, dass es in dieser Beziehung mit Rhopalura 
Intoshii übereinstimmt und überhaupt ein Annex des Ektoderms bildet. 

Der gesammte Innenraum ist mit großen Zellen angefüllt, welche 
mit den entsprechenden Elementen der Rhopalura Intoshii durchaus 
übereinstimmen und desshalb auch für Eizellen in Anspruch genommen 
werden müssen. Dicht neben einander gelegen üben sie einen gegen- 
seitigen Druck aus und erscheinen polygonal, meistens fünf- oder sechs- 
kantig. Der Kern und das Kernkörperchen sind oft schon am lebenden 
Thiere wahrzunehmen; jedenfalls treten sie sehr scharf bei Zusatz von 
Essigsäure auf (Fig. 27). 

Grarn erwähnt! noch besonderer Muskelbänder bei der »Intoshia 
gigas«, welche namentlich am vorderen Körpertheile sichtbar sein sollen. 
Ich habe viel nach Muskeln gesucht, habe aber keine finden können. Die 
eigenthümlichen zuckenden Bewegungen sind am unteren Körperende 
koncentrirt, so dass man hier eher das Vorhandensein von besonderen 
Muskelfasern vermuthen dürfte. 

Die kleinere Form ist die erste von Garn? entdeckte und von ihm 
mit dem Namen »Rhopalura ophiocomae « benannte Orthonectide. Sie 
kommt eben so häufig wie die größere vor und erscheint nicht selten in der 
nächsten Nachbarschaft der letzteren. Sie ist mehr als zwei Mal kleiner 
als das Weibchen, indem sie nur eine Länge von 0,066 mm hat. Am 
eigenthümlichen spindelförmigen Körper kann man sechs Segmente unter- 
scheiden, wovon nur das zweite wimperlos und überhaupt in vieler Be- 
ziehung auffallend ist (Fig. 38—31). Dieses Segment besitzt fünf trans- 
versale Reihen von Körnchen, welche stark lichtbrechend sind und ähnlich 
‚wie fettartige Substanzen aussehen, obwohl sie nicht aus Fett bestehen 
und sich leicht in der einprocentigen Osmiumsäure auflösen. Das dritte 


1 Nouvelles remarques sur les Orthonectida, in Comptes rendus 1879 22 Septem- 

' bre. Derselbe Aufsatz ist im Zool. Anzeiger, Jahrg. III, Nr. 47, p. 39 und in Guide du 

Naturaliste de Bouvier, 4880, Nr. I, p. 23 wörtlich abgedruckt und auch in den oben 

eitirten Aufsatz im Quarterly Journal of microsc. Science April 4880 aufgenommen. 
2 Gomptes rendus, 29. Octobre 1879. 


292 Elias Metschnikofl, 


Segment unterscheidet sich durch bedeutendere Größe, weil es die Ge- 
schlechtsdrüse in sich einschließt; eben so wie das erste und die drei 
letzten ist das dritte Segment ganz durchsichtig und enthält nur eine | 
geringe Anzahl sehr feiner Körnchen. Die langen Wimperhaare sind am 
ersten Segmente gewöhnlich nach vorn gerichtet, an den vier letzten 
Segmenten nach hinten (Fig. 29); nicht selten aber wendet sich ein 
Theil der Wimpern des dritten Segmentes nach vorn, was dem ganzen 

Thierchen ein eigenthümliches Aussehen verleiht. Ä 
Die Haut besteht auch hier aus einer einschichtigen Epidermis, deren 
Zellen meistens deutlich durchsichtige Kerne aufweisen (Fig. 31); solche 
habe ich allerdings nicht in den beiden ersten, namentlich im zweiten 
Segmente finden können, wo sie vielleicht durch die in das Zellenproto- 
plasma eingeschlossenen oben beschriebenen Körnchen verdeckt werden. 
Die Zellen der beiden ersten Segmente sind klein und schwer zu zählen; 
trotzdem kann ich mit Sicherheit behaupten, dass deren im ersten Seg- 
mente bedeutend mehr als vier vorhanden sind, welche Zahl von GiarD 
angegeben wird. Sehr eigenthümlich sind die Ektodermzellen des dritten 
Segmentes: sie erscheinen in Form von etwa zwölf langen bandartigen | 
Elementen, welche konstant in schiefer Richtung von links nach rechts | 
gewunden angeordnet sind (Fig. 30). Wenn man das Mikroskop etwas 
tiefer einstellt, so kann man leicht die Epidermiszellen der unteren Fläche | 
wahrnehmen und dann sieht es so aus, als ob sie sich mit denjenigen | 
der oberen Fläche kreuzten. Alle diese Merkmale passen ganz genau auf | 
die von Gıarn beschriebenen Muskelfasern, wie man es am besten aus | 
seiner Fig. 5 (Taf. XXXIV des Aufsatzes im Journ. de l’anat. et de la phys.) ' 
und Fig. 3 des englischen Aufsatzes sehen kann. Früher habe ich! die | 
Meinung ausgesprochen, dass die Muskelfasern dieses Forschers nichts | 
Anderes als die Zoospermienschwänze seiner Rhopalura ophiocomae re- 
präsentiren ; jetzt aber kann ich keinen Zweifel darüber haben, dass er ” 
die gewöhnlichen wimpertragenden Epidermiszellen des dritten Segmen- 
tes als besondere Muskelfasern in Anspruch genommen hat. — Im vierten 
Segmente sind nur zehn, im fünften sechs, und im sechsten — in Über- 
einstimmung mit GrArn — vier Zellen enthalten. | 
Im Innern des Körpers, in dem Raume des dritten Segmentes ist die 
Genitaldrüse — der Hoden enthalten; über die Rolle dieses Organes kann | 
kein Zweifel obliegen, weil man in jedem reifen Individuum eine Menge | 
feiner geschwänzter Zoospermien (Fig. 32) findet, welche durchaus mit 
den oben beschriebenen Zoospermien von Rhopalura Intoshii überein- | 
stimmen. Die Schwänze sind aber nur an aus dem Körper ausgetretenen 
Zoospermien wahrzunehmen; bei der Untersuchung des unversehrten | 
1 Zool. Anz. Nr. 43, 4. December 4879, p. 619. | 


Untersuchungen über Orthoneetiden. 293 


Thieres sieht man dagegen nur ein Gewimmel von kleinen rundlichen 
Körperchen. 

Am schwierigsten ist die Untersuchung der inneren Theile, welche 
oberhalb und unterhalb der Hodenblase gelegen sind. Bei der schlechten 
Konservirung der Schnitte und bei der Undurchsichtigkeit des zweiten 
Segmentes lässt es sich schwer bestimmen, wie eigentlich die inneren 
Theile dieses Segmentes beschaffen sind. Man sieht ohne Mühe, dass 
dasselbe nicht hohl, sondern angefüllt ist; in seltenen Fällen ist es mir 
aber gelungen vier verlängerte Bänder zu sehen (Fig. 34 b), welche 
durch das ganze Segment in Längsrichtung verlaufen. Diese Organe 
könnte man vielleicht mit besserem Recht für Muskelfasern in Anspruch 
nehmen; indessen habe ich keine bestimmten Gründe für diese Ansicht 
finden können. Jedenfalls stimmen sie nicht mit den Muskelfasern von 
Garn überein; Giarn hat diese Bänder gar nicht gesehen. Analoge, 
d. h. ebenfalls verlängerte vier Fasern liegen auch im unteren Theile 
des Körpers, im Innenraume der drei letzten Segmente (Fig. 31 d); 
diese Gebilde scheinen aber oft so innig mit der Hodenblase verbunden 
zu sein, dass man eher geneigt sein wird sie für einen Samengang zu 
halten. 

Neben den bereits beschriebenen weiblichen und männlichen Ortho- 
nectiden findet man in denselben Plasmodiumschläuchen noch eine große 
Anzahl Jugendformen , Embryonen und der dieselben bildenden Zellen. 
Die Darstellung meiner entwicklungsgeschichtlichen Beobachtungen be- 
ginne ich mit isolirten Zellen, welche man im Innern der männlichen 
Plasmodiumschläuche antrifft. Diese Zellen (Fig. 33) sind membranlos, 
haben einen durchsichtigen feinkörnigen Inhalt und einen runden bläs- 
chenförmigen Kern mit Nucleolus; kurzum sie stimmen in jeder Be- 
ziehung mit den oben beschriebenen Eizellen der weiblichen Form (Fig. 27) 
überein. Solche Eier findet man in den männlichen Plasmodiumschläuchen 
nur in spärlicher Anzahl zerstreut. Viel häufiger trifft man zweigetheilte 
Eier (Fig. 34), d. h. das erste Zerklüftungsstadium an, wobei die beiden 
Blastomeren an ihren Rändern mit einander zusammenhängen und in der 
Mitte eine feine spaltförmige Höhle hervortreten lassen. Ein solches 
Stadium ist bereits von Gıarp beschrieben und auf Fig. 9 und 10 (Taf. 
- XXXVI im Arch. de l’Anat.) abgebildet worden. Das Stadium mit vier 
ganz gleichen Blastomeren (Fig. 35) kommt viel seltener zum Vorschein. 
_ Bei weiterer Entwicklung vermehrt sich die Anzahl der Blastomeren, 
wobei jedoch die Größe derselben nicht mehr unter einander gleich bleibt. 
Auf den Fig. 36 und 37 habe ich ein Stadium abgebildet, wo man neben 
drei größeren Blastomeren zwei bedeutend kleinere unterscheidet; solche 
Stadien kommen offenbar dadurch zu Stande, dass von vier ursprüng- 


294 Elias Metschnikoft, 


licheren Zellen sich nur eine getheilt hat. Derselbe Vorgang der un- 
gleichen Blastomerentheilung schreitet immer fort, so dass man weitere 
Stadien antrifft, wo neben größeren Elementen auch viel kleinere vor- 
kommen. Bei geringer Anzahl (wie in Fig. 41) bleiben die kleinen Zellen 
mit einander zusammen, bei der größeren Anzahl solcher Blastomeren 
sind sie mehr oder weniger mit den großen Zellen vermischt (Fig. 38). 
Für die relative Menge beiderlei Zellenformen kann man keine Regel auf- 
stellen; so findet man auf zehn große Blastomeren der Fig. 40, 41 nur 
drei kleine, während bei einem anderen Embryo (Fig. 38, 39) neben 
sieben großen eben so viele kleine Zellen vorhanden sind. GiarD hat ein 
Stadium mit zwei großen und vier kleinen Blastomeren untersucht (Fig. 12, 
Taf. XXXVI, Journ. de l’Anat.), woraus er den Schluss zieht, dass bei 
dem betreffenden Wesen eine Epibolie, d. h. eine Umwachsung der 
großen Zellen durch die kleinen stattfindet. Diese Deutung kann ich 
nicht theilen, wie ich es bereits früher ausgesprochen habe (Zool. Anz. 
Nr.43, p. 620). Es ist möglich, dass Gıarn zwei mit einander verklebte 
Furchungsstadien vor Augen hatte (wie solche Verklebungen häufig 
vorkommen); jedenfalls aber beweisen sämmtliche von mir untersuchte 
Stadien, dass die größeren Zellen von den kleineren nicht umwachsen 
werden, sondern fortwährend mit ihnen in Nachbarschaft bleiben, auch 
dann, wenn die Geschlechtsdrüse »Entoderm« GiarD’s) sich bereits an- 
gelegt hat. Auf solchen Stadien kann man sehen, dass die ersten Geni- 
talzellen eher zu der kleineren Form gehören (Fig. 43 und 45). Die 
größeren Zellen koncentriren sich meist um die Mitte und den Hintertheil 
des Embryo, um die großen Zellen der vier letzten Segmente zu liefern. 
(Man vergl. die Fig. 42, 44, 46 und 47.) Auf allen diesen Stadien kann 
der Embryo in die Kategorie der sog. soliden Morula gebracht werden; 
eine Segmentationshöhle habe ich im vorigen Jahre gesehen, in diesem 
Jahre aber nicht wieder gefunden, was darauf hindeutet, dass diese: 
Bildung in unserem Falle keineswegs zu den konstanten Erscheinungen 
gehört. i 

Die auf früheren Stadien (wie das Stadium der Fig. 42, 43) nur 
schwach angedeutete Trennungslinie zwischen Ektoderm und der Genital- 
anlage (Fig. 43 g) tritt bei weiterer Entwicklung viel schärfer hervor 
(Fig. 45 g); die einzelnen Zellen der Genitalanlage werden zugleich 
kleiner. Auf weiteren Stadien zerfällt der Embryo von der Oberfläche 
betrachtet in zwei Abschnitte, wovon der vordere den beiden ersten 
Segmenten entspricht, während der hintere den Komplex sämmtlicher 
übrigen Segmente bildet. Später differenzirt sich das zweite Segment, 
welches durch Bildung der Körner scharf hervortritt; auch die übrigen 
Segmente werden immer deutlicher (Fig. 47, 48). Die Zellen des dritten 


a EEE 


Untersuchungen über Orthonectiden. 295 


Segmentes erscheinen als die größten, nur liegen sie in der Längsrich- 
tung des Thieres; ihre schiefe Stellung ist überhaupt eine der letzteren 
Embryonalerscheinungen. Die Genitalzellen verkleinern sich noch stär- 
ker, wobei man ihre einzelnen Bestandtheile aus den Augen verliert; 
später liefern sie, wie bereits oben bemerkt wurde, die Zoospermien. 
Der bereits fast fertige männliche Embryo bedeckt sich (mit Ausnahme 
des zweiten Segmentes) mit Wimpern und erscheint in der von GIarD 
als »forme ovoide« bezeichneten verkürzten Gestalt. Durch Verlänge- 
rung des gesammten Körpers, schiefe Stellung der Epidermiszellen des 
dritten Segmentes und Reifung der Zoospermien wird ein solcher Em- 
bryo zum fertigen Männchen. Über die Entwicklung der inneren Gruppen 
von verlängerten Zellen habe ich keine brauchbaren Beobachtungen an- 
gestellt. 

Die Eier der weiblichen Plasmodiumsäcke sind viel schwieriger zu 
erlangen als die oben beschriebenen zu Männchen werdenden Eizellen. 
Der Grund dafür liegt in dem Umstande, dass man in solchen Säcken 
oft große Mengen aus weiblichen Thieren durch Risse herausgetretener 
Eizellen vorfindet und dann kann man nicht mit Sicherheit entscheiden, 
ob man solche künstlich befreite oder wirkliche, d. h. ursprünglich 
isolirte Eier vor sich hat. Für die Beobachtung sind desswegen solche 
Säcke die besten, welche nur verhältnismäßig jüngere Embryonen ent- 
halten. Die Eizelle (Fig. 49) ist den oben beschriebenen Eiern des Weib- 
chens, so wie den Eiern, aus welchen die Männchen hervorgehen, durch- 
aus ähnlich, so dass eine ausführlichere Beschreibung ausbleiben kann. 


Es ist sonderbar, dass, während in männlichen Säcken die zweigetheil- 


ten Eier das häufigste von den frühen Embryonalstadien repräsentiren, 
mir solche unter den weiblichen Embryonen gar nicht vorgekommen 
sind. Das früheste überhaupt von mir gefundene Zerklüftungsstadium 
besaß bereits sechzehn Blastomeren (Fig. 50, 51), welche eine Schicht 
ganz gleicher konisch-prismatischer Zellen bildeten und um das Gentrum 
des kugligen Embryo regelmäßig gruppirt waren. Bei weiterer Ent- 
wicklung vermehrt sich die Anzahl der Blastomeren, welche sämmtlich 
gleich beschaffen sind. Nicht selten findet man auf diesem Stadium eine 
mehr oder weniger geräumige Segmentationshöhle (Fig. 53), welche ich 
aber keineswegs für eine ganz konstante Erscheinung zu halten vermag, 
weil ich sie oft genug vermisst habe; häufig erscheinen die Blastomeren 
der höhlenlosen Blastula in Form verlängerter konischer Zellen mit ge- 
wundenen centralen Enden, welche dem ganzen Embryo (Fig. 52) ein 


eigenthümliches Aussehen verleihen. Etwas später erfolgt einer der 


wichtigsten embryonalen Vorgänge, nämlich die erste Absonderung der 
künftigen Eizellen. Ich habe mir viel Mühe gegeben diesen Process zu 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV.Bd. 20 


296 Elias Metschnikofl, 


erforschen, bin aber nicht zu ganz entscheidenden Resultaten gelangt. 
Auf dem frühesten von den betreffenden Stadien habe ich zwei Zellen 
am Rande der Segmentationshöhle getroffen, sie zeigten aber bereits 
keinen Zusammenhang mit dem Blastoderm des kugligen Embryo. 
Häufiger fand ich Stadien mit einer größeren Anzahl innerer Zellen, 
welche, im Falle des Vorhandenseins einer Segmentationshöhle, ziemliei: 
lose neben einander lagen oder, bei den höhlenlosen Embryonen, einen 
kompakten Zellenhaufen (Fig.54) bildeten. Ob diese Zellen durch Quer- 
theilung der ursprünglicheren Blastomeren, wie das Grarn angiebt, oder 
durch Einwanderung ganzer Zellen ins Innere des Embryo zu Stande 
gebracht werden, konnte ich nicht entscheiden, weil es mir trotz langen 
Suchens niemals gelingen wollte dieselben in ihrer Entstehung zu er- 
tappen. GıiArn’s Annahme eines »processus tres net de delamination « 
ist wohl als eine, allerdings nicht unwahrscheinliche Vermuthung anzu- 
sehen, wie es auch seine eigenen Abbildungen beweisen, an welchen 
bereits ganz fertige Zellen in der Segmentationshöhle dargestellt sind. 

Die weitere Entwicklung des weiblichen Embryo erfolgt sehr ein- 
fach unter einer allgemeinen Körpervergrößerung, wobei sich die Epi- 
dermisschicht eben so wie die Genitalzellen stark vermehren (Fig. 55). 
Der oval verlängerte Embryo bleibt noch längere Zeit ganz nackt, später 
bedeckt er sich mit Wimperhaaren, welche von Anfang an auf seiner 
gesammten Oberfläche auftreten. Die Segmentgrenzen gehören zu den 
spätesten Embryonalvorgängen, eben so wie die Differenzirung verschie- 
dener Formen von Ektodermzellen. In diesem letzteren Umstande, d. h. 
in der lange dauernden Gleichförmigkeit sämmtlicher Zellen der Körper- 
decke sehe ich überhaupt den Hauptunterschied in der Entwicklung 
beider Geschlechter. Der verhältnismäßig sehr frühen Absonderung von 
zwei Zellenformen bei dem männlichen Embryo kann man indessen keine 
hohe Bedeutung zuschreiben, zumal diese Erscheinung als eine Verkür- 
zung des Entwicklungsvorganges am einfachsten ihre Erklärung findet. 

Durch die mitgetheilten Beobachtungen wird der thatsächliche Inhalt 
meiner Untersuchungen erschöpft. Es fragt sich nunmehr, unter welcher 
Bezeichnung die zuletzt beschriebene Art in die Wissenschaft eingeführt 
werden soll? Gıarn bezeichnete das zuerst von ihm gefundene Männ- 
chen mit dem Namen Rhopalura ophiocomae; die später entdeckte weib- 
liche Form belegte er mit dem Namen Intoshia gigas, weil er sie für 
Repräsentant einer besonderen Galtung hielt. Ich behalte den Gattungs- 
namen Rhopalura als den älteren. Für die Speciesbezeichnung halte ich 
den Namen »Ophiocomae« für unbrauchbar, weil der eigentliche Name 
der Ophiuride Amphiura ist und schlage desshalb vor die betreffende Art 
mit dem Speciesnamen »Giardi« zu bezeichnen, zu Ehren des Forschers, 


/ 


Untersuchungen über Orthonectiden. | 297 


welcher zuerst die Orthonectiden zum Gegenstand specieller Unter-. 
suchungen ausgewählt hat. 

Es ist mir nicht gelungen das weitere Schicksal der weiblichen und 
männlichen Rhopalura Giardi zu erforschen. Durch die Thatsachen ge- 
leitet, dass die beiden Geschlechter in vielen Fällen in besonderen 
Amphiura-Individuen ihren Ursprung haben, ferner, dass Rhopalura 
noch während des Verweilens im Plasmodiumsacke fertige Genitalpro- 
dukte (namentlich Zoospermien) bekommt und dass die bereits ganz 
fertigen Geschlechtsthiere nur kurze Zeit im Meerwasser zu leben im 
Stande sind, habe ich die Schlussfolgerung gezogen, dass die Befruch- 
tung außerhalb der Amphiura und bald nach dem Ausschwärmen der 
Geschlechtsthiere erfolgen muss. Meine, mit anscheinend ganz reifen 
Geschlechtsthieren angestellten Versuche haben mir indessen keine Resul- 
tate gegeben. Die in Gläsern zusammengebrachten Männchen mit Weib- 
chen starben bald ab, ohne Zeichen einer Befruchtung oder Ablegung 
der Eier zu zeigen. Es ist mir ebenfalls nicht gelungen eine Einwande- 
rung von Weibchen in gesunde Amphiura zu beobachten. In den Fragen 
über das Schicksal der Geschlechtsthiere und den Ursprung der Plas- 
modiumsäcke ist man desshalb nur auf Hypothesen angewiesen bis zur 
Zeit, wo ein glücklicher Zufall das thatsächliche Material zur Entschei- 
dung liefern wird. Wahrscheinlich wandern die außerhalb des Wirthes 
befruchteten Weibchen in den Körper der Amphiura ein, um sich dort 
in einen, durch Verschmelzung von Ektodermzellen darzustellenden 
Plasmodiumsack zu verwandeln. Dafür spricht die große Ähnlichkeit, 
welche zwischen den Eizellen der weiblichen Individuen mit den Eiern 
der Plasmodiumsäcke besteht. Noch wird diese Ansicht durch einige 
von mir im Juni vorigen Jahres in Spezia beobachteten Weibchen unter- 
stützt, welche noch ein zelliges Ektoderm, obwohl bereits ohne Wimpern, 
zeigten und muthmaßlich Verwandlungsstadien darstellten. Auch Garn 
beschreibt in seinem letzten Aufsatze (Quart. Journ. Taf. XXI, Fig. 14 
und 45) sehr junge Schläuche (Sporocysten), deren Oberfläche noch mit 
Wimpern ausgerüstet ist. Diese Angaben können indessen nur als Ver- 
muthungen, nicht als sicher ermittelte Thatsachen angenommen werden, 


zumal in solchen Dingen stets eine große Gefahr vor Monstruositäten 


‚besteht. Wenn ich zugestehen muss, dass es noch nicht gelungen ist die 


Zugehörigkeit der Plasmodiumschläuche zu Orthonectiden streng nach- 
zuweisen, so muss ich auf der anderen Seite nachdrücklich hervorheben, 
dass gar kein Grund’ vorhanden ist sie für umgewandelte Theile der 


_ Wirthe zu erklären. 


Die Vermuthung, dass die befruchteten Weibchen in den Körper 


‚ des Wirthes einwandern, postulirt die Annahme, dass solche einge- 


20% 


298 Elias Metschnikoff, 


wanderten und verwandelten Individuen sich durch Theilung vermehren 
müssen. Der Grund dafür liegt in dem Umstande, dass die Plasmodium- 
: säcke oft (namentlich bei Rhopalura Intoshii) eine viel geringere Anzahl 
Embryonen enthalten als in einem Weibchen Eizellen vorhanden sind. 
Außerdem wird durch diese Annahme die Thatsache, dass die Plas- 
modiumsäcke gewöhnlich in großer Menge in einem und demselben 
Wirthe liegen, ihre einfachste Erklärung finden. Oben, bei der Be- 
sprechung von Rhopalura Intoshii habe ich bereits einige Stützen für 
diese Annahme angeführt. Die von Gıarp angenommene Knospung der 
Orthonectiden muss ich dagegen entschieden bestreiten. Es ist mir nie- 
mals gelungen einen solchen Vorgang weder bei Rhopalura Intoshii, noch 
bei R. Giardii zu beobachten. Auf der anderen Seite beweisen die Ab- 
bildungen GrAarv’s, dass das, was er für Knospen hält, etwas ganz ande- 
res repräsentirt. Der Grund des Missverständnisses liegt darin, dass 
Garn meint, die Masse der bei der Verleizung des Wirthes her- 
austretenden Thiere und Embryonen liege im normalen Zustande frei 
im Inneren des Amphiurakörpers (was, wie ich oben nachgewiesen 
habe, nicht richtig ist). Desshalb sind für ihn die durch Verletzung be- 
freiten Embryonen wirkliche aus Eiern entstandene Embryonen, während 
ganz identische Gebilde, wenn sie im Innern des Plasmodiumsackes 
(Sporocyste) geblieben sind, für ihn nur Knospenzustände repräsentiren !. 
Dass die Sporocysten Gıarv’s wirklich nichts Anderes sind, als die sämmt- 
liche Embryonen und junge Orthonectiden enthaltenden Plasmodium- 
säcke,, ist nicht möglich zu bezweifeln. Nun glaubt dieser Forscher, 
dass man » souvent plusieurs sporocystes A l’interieur d’une meme ophiure« 
findet. Dieser Ausdruck beweist, dass er die ganze Menge Plasmodium- 
säcke, welche beim Aufschneiden einer Ophiure platzen und ihren In- 
halt ausleeren, für nicht existirend betrachtet, was allein schon hin- 
reicht, um die Annahme von verschiedenen, aus Eiern entstandenen 
Embryonen und ganz gleich aussehenden »Knospen« zu widerlegen. 
Wenn wir schließlich die eigenthümlichen Merkmale der Orthonec- 
tiden resümiren wollten, so müssten wir diese Thiergruppe als eine solche 
betrachten, deren Repräsentanten einen (nur wenige Ausnahmen zeigen- 
den) radiären Bauplan, eine bewimperte und segmentirte Hautschicht, 
stark entwickelte Genitalien mit einem ausgesprochenen geschlechtlichen 
Dimorphismus des ganzen Körpers aufweisen. Diese Gruppe könnte man 
am besten als eine Anhangsgruppe (Ordnung) betrachten, wie dies 
Huxrey für mehrere Thiere mit zweifelhaften Verwandtschaftsverhält- 
nissen annimmt. Wollte man sie aber zu den Würmern rechnen, so 
ist dies nur möglich unter der Bedingung, dass man die Würmer nicht 
! Man vergl. die Bemerkungen im Zool. Anz. 4879 Nr. 43 v. 619, 


Untersuchungen über Orthonectiden. 299 


für einen Typus oder Phylum, sondern für eine Vorrathskammer der in 


ihrer Verwandtschaft unbestimmten Thierformen ansieht. 


In der gesammten Ordnung kann man einstweilen nur eine Gattung 
— Rhopalura — mit zwei, oben beschriebenen Arten unterscheiden. Die 
Selbständigkeit der von KrrErstein und M.Intosn beobachteten Formen 
ist noch sehr zweifelhaft. 


Es giebt viele Schmarotzer, welche, trotz ihrer parasitischen Lebens- 
weise, sich dennoch sehr wenig von ihren freilebenden Verwandten durch 
innere Organisation unterscheiden (z. B. Nematoden, Milben). Andere 
zeichnen sich dagegen durch eine sehr ausgesprochene Degeneration aus, 
welche die meisten Organe betrifft. So verschiedenartige Thiere wie die 
Rhizocephaliden, Entoconcha, Cestoden, haben einen ganz analogen Dege- 
nerationsprocess erfahren, in Folge dessen sie zu einem die mächtig ent- 
wickelten Genitalien enthaltenden und ernährenden Schlauche geworden 
sind. Die gesammte Organisation der Orthonectiden, welche eben nichts 
Anderes als mit Genitalien angefüllte Säcke repräsentiren, deutet darauf 
hin, dass diese Thiere zur zweiten Kategorie der Parasiten ge- 
zählt werden müssen. Es ist mir eben wahrscheinlich, dass sie vieles 
von ihren Ähnlichkeiten mit ihren nächsten freilebenden Verwandten 
verloren haben und dass mehrere ihrer Eigenschaften als sehr einfach 
organisirter Thiere erst sekundär erworben wurden (ich erinnere an das 
oben beschriebene räthselhafte Organ der weiblichen Formen). Unter 
solchen Verhältnissen ist es außerordentlich schwierig sich einen Begrifl 
über die Verwandtschaftsverhältnisse der kleinen Gruppe zu machen. 
Es ist nicht möglich an eine nahe Beziehung zwischen Orthonectiden 
und der analogen Gruppe der Dicyemiden zu denken, indem sich die 
Ähnlichkeiten bloß auf die tiefere Stufe der gesammten Organisation 
beider beschränken. Die für die Orthonectiden so charakteristische starke 
sexuelle Differenzirung fehlt den Dicyemiden, eben so wie den ersteren 
die eigenthümliche ungeschlechtliche Vermehrung der Diceyemiden voll- 
ständig fremd ist. GIarD denkt an die Verwandtschaft zwischen Ortho- 
nectiden und Rotatorien, wofür der oben beschriebene sexuelle Dimor- 
phismus der ersteren als Stütze beigebracht werden kann. Indem ich 
glaube, dass der Gedanke, Orthonectiden durch Degradation von Rota- 
torien abzuleiten, an sich nicht unwahrscheinlich ist, will ich die Auf- 
merksamkeit der künftigen Forscher aufeine andere kleine Würmergruppe 
lenken, welche niedriger organisirt ist als die Rotatorien und möglicher- 
weise irgend eine Auskunft über die Abstammung der Orthonectiden zu 
liefern im Stande sein wird. Ich meine den oft an die Turbellarien 
angereihten Dinophilus, welcher sich durch oberflächliche » Wimper- 


300 Elias Metschnikoff, 


segmente« und einen sehr ausgesprochenen sexuellen Dimorphismus 
auszeichnet. Die winzig kleinen Männchen entwickeln sich aus beson- 
deren Eiern (welche um vieles kleiner als die weiblichen Eier sind) und 
erscheinen in Form rundlicher mit einem Schwanzanhange versehener 
Thierchen, welche sehr einfach gebaut zu sein scheinen und im Innern 
nur ein einziges stark auffallendes Organ, einen geräumigen Hodensack, 
besitzen. 

Bei der Ungewissheit, in welcher wir uns in Bezug auf die Ver- 
wandtschaftsverhältnisse der Orthonectiden befinden, ist es zur Zeit un- 
möglich eine morphologische Definition der dieselben bildenden Organe 
zu geben. Man kann wohl behaupten, dass die bewimperte äußere 
Epithelschicht ein Ektoderm repräsentirt; nichts giebt uns aber das 
Recht die Geschlechtsdrüsen auf irgend ein bestimmtes Keimblatt zurück- 
zuführen. Wir wissen, dass die Genitalien sogar bei nahe verwandten 
Thieren sich aus verschiedenen Keimblättern bilden können und schon 
desshalb kann ich nicht die Ansicht Grarv’s theilen, nach welcher die 
Geschlechtsorgane der Orthonectiden von ihm schlechtweg als Entoderm 
bezeichnet werden. Wo ist nun der Beweis zu schöpfen, dass sie nicht 
das Mesoderm repräsentiren oder nicht etwa Abkömmlinge des Ekto- 
derms sind? Die Frage kann nur durch Vergleichung mit verwandten 
und zugleich besser morphologisch definirbaren Thieren entschieden 
werden; so lange dies nicht geschehen ist, darf man überhaupt nicht auf 
Orthonectiden die rein morphologischen Ausdrücke anwenden. Die topo- 
graphische Lage, auf die sich Gıarn beruft, kann gar nichts beweisen, 
indem das unzweifelhafte Mesoderm mancher Thiere, z. B. Gestoden, in 
seinen Lagerungsverhältnissen durchaus mit dem Entoderm' so vieler 
anderen Thiere übereinstimmt und doch dem letzteren nicht homolog ist. 
Bei darmlosen Parasiten, zu denen ja die Orthonectiden gehören, welche 
sich gerade durch den Mangel des wesentlichen Abschnittes des Ento- 
derms auszeichnen, darf man von diesem Keimblatte nur dann reden, 
wenn seine Existenz wirklich nachgewiesen ist. 

Dieselben Bemerkungen dürfen auch in Bezug auf die unklare Gruppe 
der Dieyemiden gemacht werden. Mit demselben Rechte, mit welchem 
E. v. Benepen die große Fortpflanzungszelle als Entoderm bezeichnet 
hat, kann man sie für eine einzige Mesoderm- oder Ektodermzelle in An- 
spruch nehmen. Der Thatsache, dass sich diese Zelle bei den sog. wurm- 
förmigen Embryonen sehr frühe anlegt und Anfangs außen liegt!, um 
erst später vom Ektoderm umwachsen zu werden, kann keine ent- 
scheidende Bedeutung zugeschrieben werden, weil bekanntlich auch die 


1 E. v. BENEDEN, in Bulletins de !’Acad. de Belgique. 2. Serie. t.X. Nr. 7. 
4876. 


Untersuchungen über Orthonectiden. 301 


Mesodermzellen (wie z. B. beim Embryo von Pedicellina nach HaATschaek) 
auf früheren Stadien außen liegen können und nur später ins Innere des 
Embryo aufgenommen werden. Dasselbe ist mit den sog. Polzellen der 
Dipteren der Fall, weiche bei der Miastorlarve die Geschlechtszellen 
liefern. Wenn man folglich keine Berechtigung hat die große Fort- 
pflanzungszelle der Dieyemiden für ein wirkliches Entoderm zu halten, 
so darf man auch das vorhin erwähnte Embryonalstadium nicht als eine 
Gastrula bezeichnen. Der äußerlichen Ähnlichkeit darf natürlich keine 
wichtige Rolle zugeschrieben werden; man denke sich nur etwa einen 
Pedicellina-Embryo mit seinen zwei großen hervorragenden Mesoderm- 
zellen und mit atrophirter Darmanlage (das letztere kann auch für die 
Dieyemiden angenommen werden) und man erhält eine der »Dieyemi- 
dengastrula« ganz ähnliche Pseudogastrula. 

Die Orthonectiden können noch Verwerthung finden bei der Be- 
sprechung einer in der neuesten Zeit ausgesprochenen Theorie. Ich meine 
die Theorie von Ragr !, nach welcher die Bewegungsrichtung eines Thieres 
in einem innigen Zusammenhange mit dem Bauplane desselben stehen 
soll. Der Ansicht dieses Forschers zufolge ist die bilaterale Symmetrie der 
Thiere als Folge einer konstanten Bewegungsrichtung der Urform Blastaea 
entstanden. Seine Auseinandersetzungen darüber resümirend, sagt er: 
»Demnach können wir die Blastaea radialis, dieStammform der Coelente- 
raten, charakterisiren als einen einschichtigen, polar differenzirten Orga- 
nismus mit radiärem Bau und spiraliger Bewegung; die Blastaea bilate- 
ralis dagegen als einen einschichtigen, polar-differenzirten Organismus 
mit bilateralem Bau und linearer Bewegung« (p. 642). Nun stellt sich 
aber heraus, dass die Thatsachen mit diesem Schlusse nicht überein- 
stimmen. Die bewimperten Larven vieler sog. Bilaterien im Blastula-, 
Gastrula- und noch späteren Zuständen bewegen sich konstant in spiraler 
Richtung; so z. B. die verschiedensten Stadien der Phoronislarven, Pili- 
dium u. s. w. Tornaria hat eben darum ihren Namen erhalten, weil sie 
stets rotirt. Die spiralige Bewegung verschiedener Echinodermenlarven 
ist bereits von J. MüLLer mehrfach hervorgehoben worden. Dasselbe habe 
ich neulich bei den Plutei von Echinus microtuberculatus beobachtet, 
wobei ich auch sehen konnte, dass diese Larven oft mit dem spitzen Pole, 
in anderen Fällen dagegen mit dem entgegengesetzten Körperende nach 
vorn gerichtet sind. Die Orthonectiden stellen uns ein Beispiel von 


radiär gebauten Thieren dar, welche sich vornehmlich linear bewegen, 


was Grarp auch Grund gegeben hat sie gerade als Orthonectiden zu be- 
zeichnen. Es ist demnach vollkommen unberechtigt auf einen konstanten 


1 Über die Entwicklung der Tellerschnecke. Morphologisches Jahrbuch. Bd. V. 
1879. p. 687 ff, 


302 Elias Metschnikofl, 


Zusammenhang zwischen der Bewegungsweise und dem Bauplane zu 
schließen und darauf eine Theorie über die Ursprungsverhältnisse der 
Metazoen zu gründen. Wenn man auch die Ansichten Rasr’s mit der 
linearen Bewegung eines radiären Thieres noch versöhnen könnte, so ist 
dies doch in Bezug auf die oben erwähnten Beispiele spiraler Bewegung 
bei den bilateralsymmetrischen Larven nicht möglich. ° 


Odessa, den 15/27. Juni 1880. 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel XV, 


Fig. A. Querschnitt durch einen mit Orthonectiden inficirten Lineus lacteus. 
Vergrößerung 90. 

Fig. 2. Der kleinste von mir gesehene Plasmodiumschlauch mit noch jungen 
Embryonen. 'Vergr. Oc. 3 -— Syst. 5 von HARTNACK. pP, Protoplasma. 

Fig. 3. Ein Plasmodiumschlauch mit ‚nur einem einzigen weiblichen Thiere. 
Vergr. wie bei Fig. 2. 


Fig. 4. Ein ausschließlich weiblicher Plasmodiumschlauch. Vergr. wie bei Fig. 2. 

Fig. 5. Ein ausschließlich männlicher Plasmodiumschlauch. Dieselbe Vergr. 

Fig. 6. Ein hermaphroditischer Plasmodiumschlauch. Dieselbe Vergr. 

Fig. 7. Eine am weitesten ausgewachsene weibliche Form. Vergr. 400. 

Fig. 8. Die Gruppirung der Ektodermzellen bei einem etwas jüngeren Stadium. 
Vergr. 550. 


Fig. 9. Eine ausgewachsene weibliche Form mit großen Eizellen und dem sub- 
polaren Zellenhaufen, c. Vergr. 400. 

Fig. 40. Einzelne Eizellen. Vergr. 550. 

Fig. 44. Ein durch dieobere Hälfte des Weibchens geführter Längsschnitt. Vergr. 
Oc. 3 + Syst. 12 von HARTNACK. 

Fig. 42. Ein Querschnitt durch die weibliche Form. 

Fig. 413. Das ausgewachsene Männchen. Vergr. 550. 

Fig. 44. Drei Zoospermien desselben. Vergr. 550. 

Fig. 15. Ein unter Wasserbehandlung etwas verändertes Männchen mit scharf 
ausgezeichneter Hodenblase. Vergr. 550. 

Fig. 16. Ein junger Embryo von indifferentem Geschlechte. Vergr. 550. 

Fig. 17. Ein weiblicher Embryo. Vergr. 550. 

Fig. 48. Ein in einem Stücke des Plasmodiumschlauches (p) eingeschlossener 
männlicher Embryo. Vergr. 550. 

Die Fig. 4—48 beziehen sich auf Rhopalura Intoshii, die nächstfolgenden auf 
Rhopalura Giardii. 

Fig. 19. Ein sagittaler Schnitt durch eine mit Orthonectiden behaftete Amphiura. 
Vergr. Oc. 4 + Syst. 2 von HARTNACK. 


Fig. 
Fig. 


Vergr. 400. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
selbe Vergr. 
Fig. 


27. 
28. 
29. 


30. 


Vergr. 550. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


31. 
32. 
33. 
34, 
35. 


36 


Untersuchungen über Orthoneetiden. 303 


. Ein isolirter Plasmodiumschlauch mit aufgerissenem Halse. 


Drei auf einander folgende Zustände eines und desselben Plasmodium- 
schlauches. Vergr. Oc. 3 + Syst. 5. 


. Ein noch nicht ganz ausgewachsenes Weibchen. Vergr. 400. 
. Die älteste von mir gesehene weibliche Larvenform. Vergr. 350. 
26. 


Die Anordnung der Epidermiszellen eines älteren weiblichen Embryo. 


Mehrere Eizellen. Vergr. 550. 
Ein fertiges Männchen. Vergr. 350. 
Ein anderes Männchen mit einer anderen Haltung der Wimpern. Die- 


Ein Männchen mit schiefen Ektodermzellen des dritten Segmentes. 


Ein anderes Männchen im optischen Längsschnitte. Vergr. 550. 
Zwei Zoospermien desselben. Vergr. 550. 

Ein Ei aus dem männlichen Plasmodiumschlauche. Vergr. 550. 
Ein in zwei getheiltes Ei. Vergr. 550. 

Ein vierzelliges Stadium. Vergr. 550. 


\ Zwei Embryonen mit je fünf Blastomeren. Vergr. 400. 


38. 
39. 
40. 
4. 
42. 


Ein vierzehnzelliger Embryo. Vergr. 550. 

Derselbe von der anderen Seite gesehen. Vergr. 550. 

Ein ähnliches Embryonalstadium von oben gesehen. Vergr. 550. 
Dasselbe von unten gesehen. Vergr. 550. 

Ein weiteres Embryonalstadium bei der Betrachtung von der Ober- 


fläche. Vergr. 550. 
Fig. 43. Derselbe Embryo im optischen Längsschnitte. Vergr. 550. 9, Genital- 


zellen. 


Fig. 44. Ein noch älterer männlicher Embryo. Vergr. 550. 
Fig. 45. Ein ähnliches Stadium im optischen Längsschnitte. Das Ektoderm nicht 
ausgezeichnet. Vergr. 550. g, Genitalzellen. 
„ Fig. 46. Ein männlicher Embryo, an welchem bereits die zwei vorderen Seg- 
mente von den vier hinteren durch eine scharfe Trennungslinie abgesondert erscheint. 
Vergr. 550. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


47. 
48. 
49. 
50. 
51. 
52. 


Ein alter männlicher Embryo. Vergr. 550. 

Derselbe im optischen Längsschnitte. Vergr. 550. 

Ein Ei des weiblichen Plasmodiumschlauches, Vergr. 400. 

Ein Embryo mit etwa sechzehn Zellen. Vergr. 400. 

Derselbe im optischen Durchschnitte. Vergr. 400. 

Ein etwas weiter entwickeltes Stadium mit eigenthümlich gewundenen 


_ Zellen. Vergr. 400. 

Fig. 53. Eine weibliche Blastula. Vergr. 550. 

Fig. 54. Ein weiblicher Embryo mit den ersten fünf Genitalzellen. Vergr. 400. 
Fig. 55. Ein weiter entwickeltes weibliches Embryonalstadium. Vergr. 550. 


Beiträge zur Kenntnis der Chorda supra-spinalis der Lepidoptera 
und des centralen, peripherischen und sympathischen Nerven- 
systems der Raupen. 


Von 


Jos. Th. Cattie, 


‘Phil. nat. Cand. Docent der Zoologie und Botanik an der Realschule zu Arnheim 
(Holland). 


Mit Tafel XVI. 


Im Laufe des Herbstes des vorigen Jahres fing ich zufällig einige 
Exemplare von Acherontia atropos. Diese Objekte schienen mir 
ihrer Größe wegen gut geeignet das Nervensystem der Lepidoptera 
zu studiren. Beim Studium des abdominalen Nervenstranges fiel mir 
natürlich das sogenannte Bauchgefäß von Leyvie auf. Ich erinnerte 
mich, dass D. Burger unter Levpie’s Leitung dieses Bauchgefäß einer 
näheren Prüfung unterworfen hatte und die Resultate im Niederl. Archiv 
für Zool. II. 2. Heft niedergelegt waren. - 

Nach Durchlesung dieser Abhandlung beschäftigte ich mich ein- 
gehender mit dem Nervensystem dieses Schmetterlings. Zu gleicher 
Zeit aber wurde das sympathische und centrale Nervensystem der Raupen 
von Acherontia, Sphinx ligustri, Cossus ligniperda und 
Harpyia vinula in den Kreis meiner Untersuchungen gezogen. Ob- 
gleich es mir nicht thunlich war, mehrere Raupenarten zu untersuchen, 
glaube ich doch schließen zu dürfen, dass die von mir gefundenen ana- 
tomischen Verhältnisse auch für die übrigen verwandten Species gültig 
sind. Weil ich zudem bei Acherontia atropos kein paariges System 
des Nervus vagus und kein Ganglion in der Magengegend und auch im 
Betreff der Struktur des Bauchgefäßes Abweichendes von Levpıs und 
Burger fand, glaube ich mich berechtigt meine Untersuchungen in Kürze 
zu veröffentlichen. 


Beitr, z. Kenntn. d. Chorda supra-spinalis d. Lepidoptera n. d. Nervensyst. d. Raupen. 305 


I. Das Bauchgefäß und sympathische Nervensystem von 
Acherontia atropos. 


Aus dem Ganglion supra-oesophagale entspringen die zwei Fühler- 
äste, die Nervi optiei, nebst den Ästen für die drei Ocelli und die zwei 
Wurzeln für das Stirnganglion; aus dem Ganglion infra-oesophagale die 
drei Nervenpaare für die Mundtheile. 

Das erste Bauchganglion ist vom Ganglion infra-oesophagale 7 mm 
entfernt. Die Kommissuren sind doppelt. Dieses Ganglion lässt zwei 
Paar Nerven abtreten; das erste vordere Paar verzweigt sich in mehrere 
Äste (vier bis sechs); das zweite hintere in zwei Äste (Fig. 4). Einer 
dieser Äste innervirt das erste Fußpaar. 

Das zweite Bauchganglion ist vom ersten 4 mm entfernt und mit 
diesem durch zwei in Bogen verlaufende Kommissuren verbunden. Aus 
diesem Ganglion (2) entspringen: ein dicker Nerv, der sich rasch 
gabelförmig theilt (f.f Flügeläste), zwei Nervenpaare (p5, p;) für die 
Beine, nebst einigen kleineren Ästen. 

5 mm von diesem Metathorakalganglion entfernt, sieht man aus den 
Kommissuren (bei k) ein Paar dicke und etwas weiter zwei Paar feine 
Nervenäste abtreten. An dieser Stelle (k) beginnt das sogenannte Bauch- 
gefäß, das ich künftighin, mit Burger, Chorda supraspinalis 
oder kurzweg Ghorda nennen werde. 15 mm vom Metathorakalgan- 
glion findet sich das erste Abdominalganglion. Ungefähr in der Mitte 
zwischen diesen beiden Ganglien verbreitert sich die Ghorda über eine 
kleine Strecke um weiter in gleichmäßiger Breite bis zum letzten Gan- 
glion abdominale zu verlaufen. 

Die Entfernungen zwischen je zwei dieser Ganglien sind nicht gleich 
groß, wie dies Lton Durour! sehr bestimmt von allen Lepidopteren 
sagt, denn sie betragen: 

Vom ersten Abdominalganglion zum zweiten 6 mm, 
» zweiten ) » » dritten 4 mm, 
» dritten » » » vierten 5,5 mm. 
Das letzte Ganglion ist viel größer als die vorigen. Links und rechts 


lässt es zwei Nerven abtreten, während aus dem hinteren Theile drei 


Nervenstämme entspringen, welche noch eine Strecke von der Chorda 
bekleidet werden. Oberhalb des Ganglions verschwinden die oberen 
Lamellen oder Hörner der CGhorda (Fig. 3), und die Muskeln inseriren 
an der lateralen Fläche der äußeren Nerven, wie auch Burger hervorhebt. 


1 L£on Durour, Apergu anatomique sur les Insectes lepidopteres. Comptes 
rendus. 1852. p. 749. 


306 Jos. Th. Cattie, 


Übrigens bildet die Chorda an den vier Ganglien nur einen schmalen 
und lateralen Saum, welcher sich jedoch zwischen zwei Ganglien 
verdickt. 

Um die Gestalt der Chorda und ihre Verbindung mit dem Bauch- 
strang kennen zu lernen, habe ich einen Theil der Chorda vor dem ersten 
Abdominalganglion in 4 °/, Osmiumsäure gehärtet, nachher mit Alkohol 
abgespült, einige Augenblicke mit Terpentin behandelt und in Paraffin 
eingebettet. Mit einem SCHIEFFERDECKER' schen Mikrotom erhielt ich Schnitte 
von 0,05 mm Dicke und weniger. Fig. 2 und 2a zeigen, dass die Form 
eine andere ist als die, welche Bureer! von Smerinthus populi und 
Leypie? von Sphinx convolvuli abgebildet haben. Ganz die gleichen 
Figuren erhielt ich, wenn ich mit Alkohol gradatim härtete und nachher 
in Paraffin einbettete. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat die Einbettung 
in heißes Paraffin eine Quellung des Bindegewebes verursacht, und er- 
klärt sich hierdurch die pilzförmige, von dem optischen Durchschnitt 
(Fig. 3) abweichende Gestalt der gehärteten Schnitte. 

Aus meinen Durchschnitten, sowohl aus denjenigen, welche mit 
Osmiumsäure gehärtet, als aus denen, welche mit Alkohol behandelt und 
nachher mit ammoniakalischem Karmin tingirt sind, geht hervor, dass 
die Chorda in direktem Zusammenhang steht mit dem äußeren Neuri- 
lemm des Bauchmarkes und dieses in die Chorda allmählich übergeht. Die 
Randschicht b’b’, in Fig. 2 und 2a im Umrisse mit der Camera lucida 
(Obj. D, Oc. I Zeıss) gezeichnet, ist dieselbe wie die äußere Schicht, 
welche das innere oder eigentliche Neurilemm umsiebt. 

Wie bereits oben erwähnt, geht die Chorda am letzten Abdominal- 
ganglion in das äußere Neurilemm der drei abtretenden Nerven über, 
was auch für diese Behauptung spricht. 

Um jedoch Gewissheit über die Struktur des Bindegewebes der 
Chorda und dadurch über ihren Zusammenhang mit dem äußeren Neuri- 
lemm zuerlangen, hahe ich Theile der Chorda und derRandschicht, welche 
das innere Neurilemm umgiebt, mit Nadeln zerzupft, und zuerst mit Karmin 
allein, nachher mit Karmin und Essigsäure behandelt. Die Präparate mit 
Essigsäure und Karmin gaben (Imm. K Zeıss, Oc. I) ein Bindegewebe, 
welches sowohl für das äußere Neurilemm als für die Chorda das gleiche 
war (Fig. 4). Mit der Camera lucida unter veränderlicher Focusein- 
stellung gezeichnet erhielt ich für Acherontia ein dicht verzweigtes 
Netz von Bindesubstanz mit runden, ovalen und sternförmigen Zellen. 
Da das Gewebe stark mit Karmin tingirt wurde, waren die Nuclei ganz 
deutlich, eben so die noch dunkleren Nucleoli sichtbar. Die Zellensub- 


1 Niederl. Archiv für Zool. III. 2. Heft. Taf. VI, Fig. A. 
2 Leypis, Tafeln zur vergl. Anatomie. Taf. VI, Fig. A. 


F _ Beitr. z, Kenntn. d. Chorda supra-spinalis d. Lepidoptera u. d. Nervensyst. d. Raupen. 307 


stanz war blassroth tingirt. Dadurch aber waren die weißen Vacuolen 
sehr scharf gesondert. Dieses dicht verzweigte Balkennetz halte ich da- 
her für verzweigte und mit ihren Ausläufern zusammenhängende Zellen, 
so dass wir demnach dieses Bindegewebe als gallertiges! und nicht 
als zellig-blasiges aufzufassen hätten. Burger? deutet, eben so wie 
Leypıe, dieses Bindegewebe als zellig-blasiges und die durchsichtigen 
Vacuolen als Zellen mit wandständigen Kernen; er fand nur beiMicro- 
lepidoptera gallertiges Bindegewebe und fügt hinzu, dass man in 
vielen Fällen nicht ins Reine kommt, und mit LzuckArr nur ein undeui- 
liches faseriges Gefüge bemerkt, dessen eigentliche Struktur sich nicht 
nachweisen lässt. Wirklich ist die Untersuchung des histologischen 
Baues eine sehr schwierige; nur nach mannigfachen Versuchen und 
wiederholtem Einlegen in Karmin gelang es mir über die Struktur des 
Gewebes ins Klare zu kommen. Versuche mit anderen Tinktionsmetho- 
den bewährten sich mir nicht. 

Ich möchte auf einen Unterschied zwischen den gehärteten (Fig. 2 
und 2a) und den optischen Durchschnitten (Fig. 3) die Aufmerksamkeit 
lenken. Während bei den ersteren neben den Kommissuren (f.f) noch 
je ein Nervenstrang (h) anwesend scheint, oder die Kommissuren selbst 
getheilt scheinen, ist mir bei sorgfältigen, zahlreichen Untersuchungen 
dergleichen an optischen Durchschnitten nie aufgefallen. Ob wir hier 
nit einem Artefakt in Folge der Härtung zu ihun haben, lasse ich unent- 
schieden. — 

Wie bekannt ist, entspringen von der oberen Fläche der Chorda 
lateralwärts Muskeln, welche nach starker Theilung parallel verlaufend, 
in regelmäßiger Entfernung sich an der Bauchwand inseriren. Neben 
diesen querverlaufenden Muskeln habe ich Längsmuskeln, wie sie 
Burger ® bei einem Exemplar von Spilosoma menthastri gefunden 
hat, nicht beobachtet. Wie bereits erwähnt, waren am letzten Abdomi- 
nalganglion noch Muskeln geheftet, an der Fortsetzung der Chorda als 
äußeres Neurilemm der drei abtretenden Nerven, was auch Leypıg* bei 
Sphinx convolvuli, und Burger? bei Smerinthus ocellatus 
und populi und bei Deilephila Elpenor gesehen haben. 

Lyonet5 beschreibt unter dem Namen »brides epinieres« bei der 


Raupe von Gossus ligniperda den Nervus sympathicus und wie er 


sich von Ganglion zu Ganglion in Nervi transversi gabelförmig theilt. 


1 Levpıe, Vom Bau des thierischen Körpers p. 29 sqq. und Histologie p. 24. — 
Frey, Handbuch der Histologie und Histochemie. 5. Aufl. p. 203. 

2 BURGER, 1, c. p. 107 u. 108. 3 BURGER, 1. c. p. 105 u. 106. 

* Leypis, Vom Bau u. S. w. p. 212. 

5 LyoneEr, Traite anat. de la chenille qui ronge le bois de saule. p. 204 sqq. 


308 Jos. Th. Cattie, 


Neweorr und Leypıg wiesen derartige Nervi transversi bei Lepi- 
dopteren, Goleopteren, Orthopteren, Hymenopteren und 
Neuropteren nach. Eben so fand letztgenannter Forscher sie bei 
Krebsen, Oniscus, Porcellio, Asellus, Armadillo u. s. w. 
Leyvig ! (und auch Burger 2) lässt diesen medianen Nerv von einer der 
beiden Kommissuren entspringen. Genaue Untersuchung zeigte mir, 
dass dieser mediane Nerv (Nervus sympathicus) nicht aus einer der 
Kommissuren, sondern aus dem vorhergehenden Ganglion entspringt. 
Es ist nicht leicht darüber zur Gewissheit zu gelangen, da der Nerv fein 
ist und überdies das Gewebe der Chorda die Untersuchung sehr erschwert. 
Doch glaubeich die Verbindung des medianen Nervenmit 
dem Ganglion festgestellt zuhabenundfandalsBestäti- 
gung bei den untersuchten Raupen dasselbe Verhältnis, 
worüber später. 

Bekanntlich gehört zum sympathischen Nervensystem außer dem 
Nervus sympathicus (im engeren Sinne) noch der sogenannte unpaare 
Schlundnerv mit den paarigen Schlundnerven (Vagussystem). Auch 
bei Acherontia atropos entspringt der unpaare Schlundnerv mit 
zwei Wurzeln an der Vorderfläche des Ganglions supra-oesophagale. Die 
zwei Wurzeln bilden das auf dem Schlund liegende Ganglion frontale, 
aus welchem der unpaare Nerv (Nervus recurrens) dem Oesophagus ent- 
lang eine Unmasse feiner Nerven in die Muskelhaut des Schlundes sendet. 
Diese feinen Nerven bilden zusammen viele Geflechte, besser ein großes 
Geflecht, welches den Schlund von oben nach unten umhüllt. Dort, wo 
sich diese Nervenäste theilen, beobachtete ich manchmal gangliöse An- 
schwellungen, welche auch Lrynıg ® unter dem Namen »kleine gangliöse 
Knotenpunkte« beschreibt. Wenn nun aber Leypie weiter sagt: »zu einem 
großen Ganglion schwillt der Stammnerv selbst wieder an, wenn er die 
Magengegend erreicht hat«*, so trifft dies für Acherontia wenigstens 
nicht zu. Der Nervus recurrens theilt sich bei ihr, wenn er den Magen 
erreicht hat, gabelförmig, um weiter den Magen zu umspinnen5. In den 
Dünndarm konnte ich den Verlauf der Nerven nicht verfolgen. 

Über den feineren Bau des Stirnganglions sagt Leynig ®, » dass es im 
Gegensatz zu den Ganglien des paarigen Abschnities des Mundmagen- 
nerven centrale Punktsubstanz besitzt«. Wenn man die Ganglien des 
Bauchmarkes mit Karmin tingirt, wird die centrale Punktsubstanz 
weniger imprägnirt als die Ganglienzellen, so dass sie als helle Partie 


1 Leyoie, Taf. z. vergl. Anat. Taf. VI, Fig. 3. 2 BURGER, 1. c. p. 424. 

3, 4 Leypie, Vom Bau u. Ss. w. p. 202. 

5 Der Magen hat eine eigenthümliche Gestalt und besitzt zwei blindsackartige 
Ausstülpungen. Fig. 7 u. 8. 6 Leynıc, Vom Bau u. S. w. pP. 202. 


f Beitr. z. Kenntn. d. Ohorda supra-spinalis d, Lepidoptera u. d. Nervensyst. d. Raupen. 309 
sich leicht sichtbar abhebt. Ich habe nun das Stirnganglion von Ache- 
rontia (und auch der untersuchten Raupenarten) nach der gleichen 
Methode tingirt und präparirt und konnte auch nach sorgfältiger 
Isolirung des Inhaltes keine centrale Punktsubsianz 
finden, so dass ich diesen Unterschied bezweifle. 

Allgemein ! findet man als zum unpaaren Nerven gehörend ein 
paariges System beschrieben, das mit dem Nervus recurrens und seinen 
Ästen und Verzweigungen plexusartige Verbindungen eingeht. Bei 
Acherontia atropos fehltjedoch das paarige System und 
besteht das Vagussystem nuraus dem Nervus recurrens. 


I. Beobachtungen und Untersuchungen über das centrale, periphe- 
rische und sympathische Nervensystem von einigen Raupenarten 
(Acherontia atropos, Sphinx ligustri, Harpyia vinula und 
Cossus lingniperda). 


Bei Acherontia besteht der Nervenstrang außer dem Ganglion 
supra- und infra-oesophagale aus zwölf Ganglien, wovon die beiden letz- 
ten ohne Kommissuren auf einander gedrängt sind. 

Das Ganglion supra-oesophagale besteht, von oben gesehen, aus 
zwei Kugelquadranien, welche neben einander liegen. Bei Karmin- 
tinktion zeigt sich jede Hälfte wieder aus zwei kugelförmigen Körpern 
zusammengesetzt, welche sich von der heller bleibenden Umgebung ab- 
heben. Diese Körper bestehen, wie mir genauere Untersuchung bewies, 
aus central gelegenen Ganglienzellen. 

Das Ganglion supra-oesophagale ist mit dem Ganglion infra-oesopha- 
gale durch eine Kommissur verbunden. Aus ihm entspringt (Fig. 9) die 
bekannte, den Oesophagus ringförmig umfassende Kommissur (’anneau 
cerveux von Lyoxer?, welche feine Ästchen abgiebt, deren Zahl, 
selbst bei der gleichen Species, wie auch mir scheint, nicht konstant ist. 
Nur bei Sphinx ligustri fand ich diese Ästehen nicht. Newport 3 
scheint jedoch einige wenige gefunden zu haben. 

Weiter entspringen aus dem Ganglion supra-oesophagale die zwei 
Wurzeln des Stirnganglions, des Ausgangspunktes des Nervus recurrens 
(ZI, II); ein drittes Nervenpaar (III) verzweigt sich in den Muskeln des 
Kopfes und der Mandibeln, ein anderes (V/), das anliegend am fünften 
Paare (V) entsteht, innervirt die lateralen Integumentmuskeln des Kopfes. 


1 GEGENBAUR, Vergl. Anat. 2. Aufl. p. 274. — Craus, Grundz. der Zool. Dritte 
Aufl. p. 618. — Bronn, Klassen u. Ordn. d. Thierreichs, fortgesetzt von GERSTÄCKER. 
V. A. Abth. Erste Hälfte. p. 73. 2 LyoneEr, Traite anat. etc. p. 576. 
| 3 NEWPORT, On the nervous System ofthe Sphinx. (Phil. Transact. 1832. p. 385.) 


/ 
| 
| 


310 Jos. Th. Cattie, 


Die Nervenpaare für die Antennae (IV) und für die Augen (V) entspringen 
aus der vorderen lateralen Seite des Ganglions. Bei den Antennalnerven 
fand ich in einem Ast eine gangliöse Anschwellung, welche ich für ein 
wahres Ganglion halten möchte. Welche physiologische Deutung dieses 
Ganglion hat, ist mir unbekannt geblieben. 

Bei Acherontia und den übrigen entspringt -aus der hinteren 
lateralen Seite ein letztes Nervenpaar. Jeder dieser Nerven spaltet sich 
gabelförmig und jeder Ast bildet ein kleines Ganglion (Fig. 1 gg). Beide 
Ganglien verbinden sich plexusartig mit einander und lassen Nerven für 
die Tracheen des Kopfes abtreten. 

Diese lateralen Kopfganglien »petits ganglions de la töte« 
von Lyoxer ! haben nach Nrwrorr ? Verbindungsäste mit dem Nerven- 
paare für die Antennae. Weder bei Acherontia noch bei Sphinx 
ligustri fand ich jedoch diese Verbindungsäste. Auch bei Cossus 
und Harpyia waren sie abwesend. Lyoner beschreibt sie auch nicht 
und scheint sie desshalb auch nicht gefunden zu haben. Ich bezweifle 
daher die Angabe von Newrorrt, dass diese lateralen Ganglien mit dem 
Antennalnervenpaare in Verbindung stehen. Aus dem Ganglion infra- 
oesophagale entspringt lateral ein Nervenpaar für die Kopf- und Nacken- 
muskeln (7,1). An der vorderen Seite finden wir zwei Nerven (2, 2), 
welche sich in der Unterlippe und der Spinnwarze verzweigen. Zwei 
andere Nerven (3, 5) innerviren die Maxillae der Raupe »grosbarbil- 
lons« von Lyoner). Das Nervenpaar für die Mandibulae (4,4) theilt 
sich in zwei Äste. Der mehr lateral gelegene Nervenast (4,,4,) vertheilt 
sich in die Mandibulae, das andere Nervenpaar verbindet sich bogenför- 
mig (49, 4) und giebt noch einige Äste ab, welche sich in der Gegend 
der Spinndrüse verzweigen, vielleicht auch in Verbindung treten mit 
Ästchen aus dem Stirnganglion. 

Bekanntlich atrophiren nachher die Mandibulae, dagegen ist die 
Rollzunge oder der Rüssel der Lepidoptera den Maxillae homolog. 
Damit stimmt auch, dass die Nervenästchen für die rudimentären Ober- 
kiefer des Imago sehr fein, die Nerven jedoch für den Rüssel bei dem 
Imago ziemlich stark sind. 

Das erste Bauchganglion ist vom Ganglion infra-oesophagale 1,5 mm 
entfernt. Dieses Ganglion entsendet ein Nervenpaar in die Muskeln des 
Kopfes und ein anderes in das erste Beinpaar und in die benachbarten 
Tracheen. Einzelne Fäden wechseln Äste mit den lateralen Ganglien 
aus. Das zweite Bauchganglion hat eine Entfernung vom ersten von 
4 mm. Zwei Kommissuren entspringen aus diesem Ganglion. Ungefähr 


1 LyoNET, l. c. p. 582. 
2 NEWPORT, 1832. 1. c. p. 387: »anterior lateral ganglia«. 


Beitr. z. Kenntn. d. Chorda supra-spinalis d. Lepidoptera u. d. Nervensyst. d. Raupen. 311 


1,5 mm laufen sie parallel (Fig. 11), dann bogenförmig aus einander 
weichend nach dem zweiten Ganglion. Auch hier bei den Raupen ent- 
springt, wie bei den Schmetterlingen, der mediane Nerv aus dem Gan- 
glion und nicht, wie bisher angenommen, aus einer der Kommissuren, 
ein Verhalten, das namentlich bei Tinktion deutlich hervortritt (siehe 
p- 308). 

Dieser mediane Nervtheilt sich (Fig. I1) etwasvonder 
Stelle, wo die Kommissuren bogenförmig aus einander 
weichen, in drei Äste (a, a, b). Die zwei äußeren laufen den aus 
einander gespaltenen Kommissuren entlang, und kommen ungefähr in 
der Mitte der Bogen scheinbar aus den Kommissuren hervor. 
Newport! lässt diese Stämme bei Sphinx ligustri aus den Kom- 
missuren entspringen, denn er sagt: »Both the cords between the 
second (unser erster) and third ganglion produce a single nerv, which 
is directed backwards and unites at an angle with the first nerv from 
the third ganglion«. Leyvıc 2 ist überzeugt, dass die Seitennerven der 
Längskommissuren ihre Fasern immer aus den ober- und unterhalb 
zunächst folgenden gangliösen Herden, d. h. Knoten des Bauchmarks, 
beziehen. 

Nicht allein bei Acherontia sondern auch bei jeder der anderen 
Arten, wo die Seitennerven anwesend sind, habe ich mich auf verschie- 
dene Weisen überzeugt, dass sie aus dem medianen Nerven ent- 
springen, und daher nicht peripherischer sondern sympathischer Natur 
sind, wie nachher aus verschiedenen Beziehungen noch näher hervor- 
gehen wird. Der Bequemlichkeit wegen werden wir künftighin diese 
Äste die Nervi laterales transversi nennen. 

Der mittlere Ast (Fig. 11 b) des medianen Nerven theilt sich gabel- 
förmig und die Verzweigungen laufen nach den Tracheen. Diese Äste 
sind die eigentlichen Nervi transversi seu respiratorii seu ac- 
cessorii transversi. 

Jeder der Nervi laterales transversi (Fig. 44 a, a) spaltet sich 
(Fig. 44 c und d). Die Nerven cc innerviren theilweise die zwei diago- 
nalen, sich kreuzenden Muskelbündel (Fig. 10 b’5’)3, welche so zwischen 


_ den bogenförmigen Kommissuren hindurchtreten, das jedes Bündel 
_ unter der einen und über der anderen verläuft. Diese Äste cc laufen 


jedoch nicht immer symmetrisch. So fand ich z. B. bei Sphinx ligu- 


‚stri (Fig. 40) bei dem Ganglion an der einen Seite eine andere Thei- 


lung als an der anderen Seite. 


1 NEWPORT, 1832. 1. c. p. 387. 

2 Leypıc, Vom Bau etc. p. 497. 

3 LyonErt, Muscles gastriques obliques. ec, Pl. VII, Fig. A. 
Zeitschrift f, wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 94 


312 Jos. Th. Cattie, 


Die Nerven dd, worin sich aa getheilt hat, dienen zur Verbindung 
mit dem zweiten Ganglion und verlaufen dem ersten Nervenpaar ff, 
das aus diesen Knoten entspringt, entlang, mit ihm durch das Neuri- 
lemm verbunden. Sie endigen in der fein granulirten Substanz des 
Ganglions. 

Etwas weiter verbinden sich die Nerven ff mit den Ästen cc, und 
die dadurch entstandenen Nervenstämme (Ah) innerviren nun zusam- 
men, ihrer gemischten Natur nach, theilweise dorsale, theilweise lateral- 
querverlaufende Muskeln, aber auch Tracheenstämme. Wir werden 
später sehen, dass diese Nervenstämme (hh) zu Flügelnerven werden. 

Wir sehen aus dem Obigen, dass durch die Nervenäste (dd) der 
mediane Nerv aus dem ersten Thoracalganglion mit dem zweiten direkt 
verbunden ist. 

Das zweite Ganglion ist vom dritten 7 mm entfernt. Wir finden 
hier das gleiche Verhalten, wie beim ersten Ganglion. Eine Strecke 
von 2 mm laufen die Kommissuren aus dem zweiten Ganglion parallel 
und gehen dann bogenförmig aus einander, um in das dritte Ganglion 
einzutreten. Auch hier entspringt der mediane Nerv aus dem vorher- 
gehenden Ganglion und spaltet sich ungefähr 4 mm von diesem Gan- 
glion in drei Äste, in zwei nach außen gelegene aa, die Nervi laterales 
transversi, und einen dritten medianen Ast b, welcher sich gabelförmig in 
die Nervi accessorii theilt. Die Nervi laterales transversi (aa) gehen in 
derselben Weise wie beim ersten Thorakalganglion eine Verbindung 
ein mit dem nächstfolgenden Ganglion und mit dem ersten Nervenpaar 
dieses Ganglions. Auch hier werden die Nervenstämme (hh), entstan- 
den durch Vereinigung von ff und cc, zu Flügelnerven des Imago. 

Da die Nervi laterales transversi die Verbindung des ersten mit 
dem zweiten und des zweiten mit dem dritten Ganglion darstellen, ist 
das erste Ganglion mit dem dritten verbunden. Wir werden nachher 
sehen, welches Gewicht diese Verbindung hat. 

Einmal schien es mir, als ob an der Vereinigungsstelle von ce und 
ff eine kleine gangliöse Anschwellung sei. Starke Vergrößerung und 
Tinktion zeigte mir jedoch, dass an dieser Stelle eine dreieckige, von 
Fettzellen angefüllte Lücke, und keine Anhäufung von Ganglienzellen 
sich befand. 

Aus dem dritten Ganglion entspringt ein medianer Nerv, der sich 
gerade vor dem vierten in die Nervi respiratorii theilt (Fig. 10 mm). 
Dasselbe gilt auch bei Acherontia von dem vierten, fünften, sechsten, 
siebenten bis zehnten Ganglion. Vor dem letzten Doppelknoten (77 
und 72) finde ich jedoch keine Nervi respiratorii. Diese Ganglien haben 
nicht gleiche Entfernung. So finde ich: 


Beitr. z. Kenntn. d. Chorda supra-spinalis d. Lepidoptera u. d. Nervensyst. d. Raupen. 313 


Ganglion 3 von Ganglion 4 auf 3 mm entfernt 


» a) » Bis I » 
» 3) » EI DOHIPTN » 
)) 6 » » PbHyR Joy ) 
» Mi» » 8: 90920 ) 
» Ss » » 9»9 » 
» 1 u) » 0»9» » 
» AO » » 1 > » 


Fanden wir oben bei den Thorakalganglien Kommunikation des 
medianen Nerven durch Seitenäste mit dem nächstfolgenden Ganglion, 
auch überall, wo der Nerv sich oberhalb eines Abdominal- 
sanglions gabelförmig spaltet, findet eine Verbindung 
mit diesem statt. Zwei feine Nervenfädchen (Fig. 12 n’n’) gehen 
von der Gabelungsstelle nach der centralen Punktsubstanz des folgen- 
den Ganglions. In den meisten Fällen fand ich diese Fädchen dicht 
neben einander verlaufend, in einzelnen Fällen wichen sie jedoch stark 
aus einander. Dass Lyonet, ein Musterbild genauer Beobachtung, 
diese Verbindung übersehen hat, darf uns nicht wundern, denn nur 
bei 100facher Vergrößerung (CC Zeıss), sehr hellem Licht und auber- 
dem starker Tingirung, gelang es mir, aber dann auch bei jeder 
der untersuchten Arten, diese Verbindung nachzuweisen. 

Durch die Verbindung jedes medianen Nerven mit jedem nächst- 
folgenden Ganglion, wie wir es eben so für einen Thorakalganglion, als 
für einen Abdominalganglion gefunden haben, kommen wir zu dem 
höchst wichtigen Resultat, dass nämlich vom ersten bis zum 
letzten Bauchganglion das sympathische Nervensystem 
der medianen Nerven ein zusammenhängendes Ganzes 
darstellt. Die Nervenfädchen (Fig. 12 n’n’) und die Nervi laterales 
iransversi der Thorakalknoten vermitteln die Kommunikation von 
sämmtlichen medianen Nerven bis zum letzten. 

Vergleichen wir jetzt mit Acherontia das centrale und sym- 
pathische Nervensystem von Harpyia und der anderen untersuchten 
Raupenarten. Wie bei Acherontia sind es auch bei Harnyia das 
erste, zweite und dritte Ganglion, welche durch bogenförmige Kom- 
' missuren verbunden sind. Der letzte oder zehnte Knoten ist nicht 
doppelt; unmittelbar vor diesem, wie vor dem vierten bis neunten, 
' verzweigen sich die Nervi respiratorii. Auch hier entstehen, wie oben 
"beschrieben, aus dem medianen Nerv zwischen erstem und drittem 
 Ganglion die Nervi laterales transversi. Aber außerdem tritt, was ich 
bei keiner der anderen Raupenarten fand, nach dem Kopfehin aus, 
dem ersten Ganglion ein medianer Nerv ab, welcher sich an den 

21 * 


314 | Jos. Th. Cattie, 


Tracheenstämmen des Kopfes verzweigt. Nur bei der Puppe von 
Sphinx ligustri fand Nrwrorr einen solchen Nerven und bildet ihn 
dann auch ab!. Die Raupe von Sphinx ligustri hat ihn jedoch 
nicht, wie ich vorher schon andeutete. 

Auch bei der Raupe von Gossus ligniperda finden wir eine 
kleine Abweichung, nämlich keine Nervi laterales transversi, so wie 
wir sie bei den übrigen Arten fanden, aber doch finden wir Verbin- 
dungsäste mit dem vorderen Nervenpaare des nächstfolgenden Gan- 
glions. Lvoner ? hat sie schon beschrieben, aber nicht mit der Bedeutung, 
welche wir diesen Ästen geben, nämlich als Nerven von sympathischer 
Art, welche die Verbindung mit dem Ganglion darstellen und in die 
centrale Punktsubstanz verlaufen. 

Wie bekannt ist, innerviren die drei Knoten, welche auf das 
Ganglion infra-oesophagale folgen, die drei wahren Füße der Raupen, 
durch das am meisten nach hinten gelegene Nervenpaar (Fig. 10 gg 
von 1, 2,5). Wie Nxwrorr beschrieben und für die verschiedenen 
Stadien abgebildet hat, werden bei den Puppen die Flügel und ihre 
Muskeln innervirt durch Nervenstämme, welche aus dem zweiten und 
dritten Ganglion entspringen, aber sich vorher mit Nervenstämmen, 
welche er aus den Kommissuren abtreten lässt, vermischt haben. 
Nach und nach findet eine Centralisirung der Thorakalganglien der 
Raupe statt und verschmelzen einige dieser Ganglien. Bei dem Imago 
von Sphinx ligustri beschreibt nun NrwProrr, dass die Flügelnerven 
aus den Kommissuren zwischen den beiden Thorakalganglien ? ent- 
springen. Aus welchen Thorakalganglien der Raupe diese beiden Gan- 
glien jedoch entstanden sind, geht aus seiner Beschreibung nicht deutlich 
hervor. Einmal (l. c. p. 394) ist das Metathorakalganglion entstanden 
aus dem zweiten, dritten und vierten Ganglion der Raupe und beginnt 
beim fünften Ganglion, welches atrophirt, die Chorda supraspina- 
lis. An einer anderen Stelle (p. 392 und 394) lässt er das Metathora- 
kalganglion aus dem dritten, vierten und fünften Ganglion der Raupe 
entstehen und bildet dieses auch so ab (Pl. XIV, Fig. 8). 

Vergleichen wir die Abbildungen, welche Nzwrorr von dem centra- 
len, peripherischen und sympathischen Nervensystem der Raupe giebt 
mit denen der Puppe, so sehen wir erstens, wie oben bereits erwähnt, 
dass er unsere gefundenen Nervi laterales transversi aus den Kommis- 
suren hervorgehen lässt, und zweitens, dass diese Nervi laterales trans- 


1 NEWPORT, 4832. Pl. XII, Fig. 5 und Pl. XIII, Fig. 2. 

2 LyoneT, Traite u. s. w. 1. c. p. 202 und Pl. IX, Fig. 4 und 2. Die Äste 2 vor 
»jedem Ganglion auf den Muskeln aa. 

® NEwPoRT, Phil. Transact. 1834. p. 394 u. 392. Pl. XIII, Fig. 6 u. Pl. XIV, Fig. 8, 


i Beitr. z. Kenntn. d, Chorda supra-spinalis d. Lepidoptera u. d. Nervensyst. d. Raupen. 315 


versi, mit dem ersten Nervenpaar des nächstfolgenden Ganglions zu 
einem Stamme vereinigt, entsprechend der fortschreitenden Metamor- 
phose, immer deutlicher bestimmt werden, dereinst ein Flügelpaar zu 
innerviren. 

Nach und nach, während der Metamorphose, - verschmelzen diese 
Thorakalganglien, und da der Prothorakalknoten des Imago das erste 
Fußpaar innervirt, muss dieses Ganglion mit dem ersten Ganglion der 
Raupe homolog sein. Nur mit dem ersten allein, denn aus dem Meta- 
thorakalganglion entspringen die zwei anderen Fußpaarnerven und die 
Flügelnerven; überdies einige andere Nerven, so dass wir dieses Gan- 
glion als aus der Verschmelzung von zwei, drei und vielleicht vier ent- 
standen ansehen müssen. Denn auf welche Weise die zwei Wurzeln für 
die Flügelnerven, welche man bei Sphinx ligustri beobachtet, ent- 
standen sind, hat Nrwrorr weder durch direkte Beobachtungen bei 
Sphinxligustri, noch durch analoge Schlussfolgerungen nach Beob- 
achtungen bei Papilio urticae genau festgestellt. Doch geht aus allen 
seinen Abbildungen hervor, dass immer die Flügelnervenpaare aus den- 
jenigen Nervenpaaren entstehen, welche sich mit den Nervi laterales 
transversi verbunden haben. Aus diesem Verhalten, zusammen mit 
dem von mir gefundenen Ursprung dieser Nerven, dürfen wir also den 
Schluss ziehen, dass das sympathische Nervensystem in 
direkter Verbindung steht mit den Tracheen der Flügel. 

Wegen Mangel an gut konservirten Puppen von Acherontia, war 
es mir nicht möglich die verschiedenen Stadien in den Veränderungen 
des Nervensystems bei Acherontia während der Metamorphose zu 
beobachten. Es ist mir daher auch unmöglich, etwas über die Gleich- 
werthigkeit der Thorakalganglien der Raupe und des Imago zu be- 
haupten. 

Wo bei Acherontia.atropos die Ghorda beginnt, fand ich (siehe 
p-. 305) ein Nervenpaar und ein wenig abwärts noch zwei Paare. Wenn 
ich das letzte Ganglion des Imago gleichwerthig stelle mit dem Doppel- 
ganglion der Raupe, so deutet das Nervenpaar, wo die Ghorda beginnt, 
die Stelle des atrophirten sechsten Ganglion an, während die beiden 
feinen Nervenpaare auf das siebente, ebenfalls atrophirte Ganglion hin- 

_ weisen möchten. 

Innervirt bei allen mir bekannten Raupenarten das erste Ganglion 
das erste Paar wahrer Füße durch das anı meisten nach hinten gelegene 
Nervenpaar, so fand ich bei Harp yia andere Verhältnisse. Da entspringt 
an der Ventralseite des ersten Ganglions ein besonderer Nervenstamm, 
welcher sich gabelförmig theilt und das erste Fußpaar innervirt. Über- 
dies entspringen aus dem Knoten die gewöhnlichen zwei Nervenpaare. 


316 Jos. Th. Oattie, 


Das hintere Nervenpaar verbreitet sich jedoch in den longitudinalen 
Muskeln der Ventralseite. 

Noch einen anderen Unterschied habe ich bei der Raupe von 
Harpyia vinula beobachtet. Wie Lyoxer für die Raupe von Gossus 
ligniperda beschreibt und abbildet!, laufen die Nervi accessorii seu 
respiratorii über die Reihen longitudinaler, ventraler-Muskeln hin. Im 
Allgemeinen gilt dies auch für Sphinx ligustri und Acherontia 
atropos, obwohl hierbei der Lauf nicht so regelmäßig ist. Beillarpyia 
vinula jedoch gehen diese Nerven, mit Ausnahme von denen des ersten 
und zweiten Thorakalganglions unter diesen Muskelbündeln durch. 

Gelegentlich füge ich noch das Folgende hinzu. Im Hinterleib von 
Harpyia liegt eine Fettdrüse, mit zwei Auslührungskanälen, welche in 
die zwei Anhänge des Hinterleibes ausmünden. Die erste Hälfte des 
Ausführungskanals ist farblos, und das Gewebe besteht fast ganz aus 
fetthaltendem Bindegewebe. In der zweiten Hälfte werden die Kanal- 
wände hier und da stark chitinös und im umgebenden Bindegewebe 
liegen außer Fettzellen rothe Pigmentzellen eingebettet. Diese rothen 
Pigmentzellen geben dem Inhalt des Kanales eine rothe Farbe, und es 
ist diese rothe, fettähnliche Masse, welche die Raupe ausspritzt, um sich 
gegen Schlupfwespen zu vertheidigen. Auch Harpyia hat, wie Gos- 
sus, einen Sack, welcher mit einem ölartigen Fluidum gefüllt ist. Mit 
zwei Öffnungen münden die zwei Säcke bei Gossus in den Mund, 
während bei Harpyia nur ein Sack vorhanden ist, der, wenn das Thier 
dorsal geöffnet wird, rechts zwischen dem ersten und zweiten Ganglion 
gelegen ist. Die zwei Ausführungsgänge haben blinde Ausstülpungen 
und sind an der Ventralseite zwischen der Unterlippe und dem ersten 
Fußpaar zu suchen. 

Eigenthümlich ist weiter die Abbildung, welche Newrorr von den 
Nervi accessorii der Raupe von Sphinx ligustri giebt. Aus dem letz- 
ten Ganglion entspringt bei ihm? auch ein medianer Nerv. Bei den 
untersuchten Exemplaren von Sphinx ligustri fand ich diesen nie- 
mals, eben so wenig bei derRaupe von Cossus ligniperda, Harpyia 
und Acherontia. Auch Lyonsr bildet ihn bei Cossus nicht ab. Bei 
allen meinen untersuchten Raupenarten wird das letzte Stigma nicht 
innervirt von den Nervi transversi, sondern von Nervenstämmchen, 
welche aus dem hinteren Theil des letzten Ganglions entspringen. So 
bei Acherontia durch einen Nerv aus dem letzten Ganglion, bei Har- 
pyia durch einen feinen Nerv aus der unteren, hinteren Seite des letzten 


! Lyoner, Traite u. S. w. Pl. IX, Fig. 1 und 2. 
2 Neweort, 1832. Pl. XII, Fig. 1. 


IE 4 


Beitr. z. Kenntn. d. Chorda supra-spinalis d. Lepidoptera u. d. Nervensyst. d. Raupen. 317 


Knoten, bei Gossus auch durch einen Ast des letzten (elften) Ganglion, 
welches dem zehnten aufgedrängt ist. 

Weiter innerviren bei jeder der von mir untersuchten Raupenarten 
die aus dem ersten und zweiten Thorakalganglion entspringenden Nervi 
accessorii niemals ein Stigma, sondern nur den Längsstamm, welcher 
die Stigmata und seine Verästelungen verbindet. Vielleicht ist es mög- 
lich, die Behauptung zu wagen, dass diese Nervi respiratorii sich bei 
anderen Raupenarten auch nicht an der Innervirung eines Stigmas be- 
theiligen. | 

Nachfolgende Tabelle kann dies verdeutlichen : 


Vonhintengerech-/ Acherontia Haba a Syhinx leustri Cossus 
net wird das atropos en Pun.o ligniperda 


it. Stigmapaar 
innervirt vom letzten vom letzten vom letzten |von den Nervi 
Doppelganglion| (44.) Ganglion | (A1.) Ganglion |transversi aus 
dem 40. Gan- 
glion undeinem 
Ast des letzten 
Ganglions 


[897 


. Stigmapaar 
innervirt von den Nervi ebenso ebenso ebenso 
transversi seu 
respiratorii, vor 
dem 10. Gan- 
glion 
3. Stigmapaar 
innervirt |von den Nervi ebenso ebenso ebenso 
transversi vor 
dem 9.Ganglion 


u, S. W. 


8. Stigmapaar 
innervirt von den Neırvi ebenso ebenso ebenso 
transversi vor 
"dem 4.Ganglion 
y. Sigmapaar 
innervirt von Nerven aus|von einem vor-|von Nerven aus ebenso 
dem. Ganglion| wärts laufen- |dem 1.Ganglion 
den, medianen 
Nerv aus dem 
4. Ganglion 


Aus dieser Tabelle ist ersichtlich, dass wirklich die Nervi transversi 
aus den ersten und zweiten Ganglien sich nicht an der Innervirung der 
Stigmata betheiligen. Vielleicht ist es nicht ohne Interesse daran zu 
erinnern, dass die medianen Nerven, aus denen diese Nervi lransversi 
entspringen, auch die Nervi laterales transversi entsenden, und dass diese 
dereinst die Tracheenstämme der Flügel innerviren werden. 

An der Stelle, wo.der mediane Nerv sich theilt, beschreibt Newrorr 


18 | Jos, Th. Oattie, 


ein Ganglion, denn er sagi!: »They form occasionaly distinet, but 
irregularly shaped ganglia«, und bildet sie (Pl. XI, Fig. % e, f, 9, h) ab, 
mit der Beschreibung » of gangliform appearance «?. Niemals sah ich an 
diesen Stellen ein Ganglion, und ich stimme Lewie 3 bei, dass hier nie ein 
Ganglion anwesend ist. Wie aus Fig. 12 erhellt, auch Leypıe an der Raupe 
vonPygaera bucephala beobachtet hat, und mir an jeder der unter- 
suchten Raupenarten recht deutlich war, kommt das scheinbare Ganglion 
dadurch zu Stande, dass sich die beiden Gabeläste nach ihrer Theilung 
durch einen Zug bogiger Fasern wieder verbinden. »Die Stelle, welche 
die Ganglienzellen einnehmen sollten, ist eine dreieckige Lücke ‚« sagt 
Leyvic. Ich füge hinzu, dass diese Lücke in den meisten Fällen mit 
rundlich fünfeckigen, kleinen Kügelchen aufgefüllt ist, welche keinen 
Kern haben, sich nicht wie die Ganglienzellen mit Karmin tingiren, sich 
auch zwischen die Nervenfasern einschieben, sich in Äther lösen, und 
die ich desswegen als Fettkügelchen anspreche. 

An derselben Stelle, wo Nkwrorr diese gangliösen Anschwellungen 
der medianen Nerven der Thorakalknoten abbildet (Pl. XII, Fig. 4), zeichnet 
er auch zwei Nervenfäden, welche die gangliöse Anschwellung mit dem 
folgenden Ganglion verbinden. Übrigens erwähnt er im Texte diese Ver- 
bindung nicht. Weder bei Sphinx ligustri, noch bei einer anderen 
untersuchten Raupenart fand ich eine derartige Verbindung. Ich glaube 
daher nicht an ihre Anwesenheit. 


Fassen wir die gefundenen Resultate zusammen, so sehen wir, dass 
die Chorda noch nicht bei den Raupen anwesend ist, und dass sie bei 
Acherontia atropos aus gallertigem Bindegewebe besteht ®. 


1 NEwPoRT, 1832. p. 394. 2 NEWPORT, 1832. p. 396. 

3 Levoıe, Vom Bau u. S. w. p. 272. 

* Ich kann nicht umhin, einer Vermuthung Raum zu geben, in welcher ich be- 
stärkt wurde durch eine briefliche Mittheilung von Herrn Prof. Harrıng. Prof. HArrınG 
schreibt mir: »Die Ausläufer der Zellen bilden ein Balkennetz, ungefähr wie in den 
Lymphdrüsen der Vertebrata. Vielleicht ist dies eine Mahnung für die physiologi- 
sche Bedeutung des Organs, obgleich es immer gefährlich ist, bei solchen abweichen- 
den Thierformen aus der histologischen Struktur die Funktion zu erschließen.« Oft 
ist mir derselbe Gedanke gekommen, wenn ich das Lückensystem der Zellen der 
Chorda verglich mit den Iymphoiden Follikeln des Milzgewebes, den Follikeln der 
Lymphknoten oder anderer Iymphoider Organe oder Blutgefäßdrüsen des Menschen 
oder der Vertebrata. Vergebens habe ich mich bemüht in den Lakunen des Gewebes 
Lymphoidzellen zu finden. Wäre dies geschehen, bestimmt hätte ich mich für reti- 
kuläre Bindesubstanz ausgesprochen, und im Texte darüber sprechend, auch 
die physiologische Funktion der Chorda behandelt. 

Zur Bestätigung dieser Hypothese kann die Anwesenheit von sonst nicht erklär- 
ten Muskelbündeln an den oberen Hörnern der Chorda dienen, aber vor Allem, dass 


Beitr. z. Kenntn. d. Chorda supra-spinalis d. Lepidoptera u. d. Nervensyst, d. Raupen. 319 


Bei Acherontia ist das Vagussystem nur aus dem Stirnganglion 
und dem Nervus recurrens zusammengesetzt. Ein paariges System, das 
plexusartige Verbindungen mit dem Nervus recurrens eingeht, und ein 
großes Ganglion in der Magengegend, sind nicht anwesend. 

Bei den untersuchten Raupenarten innerviren die kleinen lateralen 
sympathischen Ganglien des Kopfes die Tracheen. Sie stehen nie mit 
den Antennalnerven in Verbindung. 

Das sympathische Nervensystem der Raupen ist ein zusammenhängen- 
des Ganzes. Die medianen Nerven, welche immer aus einem Ganglion 
entspringen, verbinden sich immer direkt mit dem nächstfolgenden 
Ganglion. 

Bei den Thorakalknoten sind es die Nervi laterales transversi, bei 
den Abdomimalganglien zwei dünne Nervenfädchen, welche diese Ver- 
bindung darstellen. 

An der Gabelungsstelle des medianen Nerven findet nie Ganglien- 
bildung statt. 


Arnheim, April 1880. 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel XVI, 
Fig. 4. Das centrale Nervensystem von Acheronlia atropos. Vergr. 3/1. 

9.5.0, Ganglion supra-oesophagale; g.i.o, Ganglion infra-oesophagale ; 
a, Nerven für die Antennen; 0, Nervi optici; S.g, Slirnganglion: 7, 
erstes Thorakalganglion mit Nerven für die Muskeln vom Nacken, den 
Beginn des Thorax und das erste Fußpaar;; 2, zweites Thorakalganglion 
mit Nerven für die Flügel (/f) und die Füße; 5, 4, 5, 6, Abdominal- 
ganglien; k, Anfang der Chorda supra-spinalis, an der Stelle wo einige 
(1 oder 2) Abdominalganglien der Raupe atrophirt sind. 


Leypıs * an Exemplaren von Sphinx convolvuli das Vorhandensein eines unter- 
halb des Bauchmarks f befindlichen Blutsinus entdeckt hat, welcher Fund von 
BurGer ** bestätigt ist, dem auch ich nach eignen Untersuchungen mich anschließe. 
Bei Zygaena filipendula sah Burger diesen »infra-spinal Sinus mit 
einer äußerst feinkörnigen Masse angefüllt, die wohl nichts Anderes als coagulirtes 
Blut und zersetzte Blutkörperchen sein kann«. Fassen wir dabei ins Auge, dass 


 Leyoıg *** bei einer eben ausgeschlüpften Aperea Pernyi das Bauchmark in einer 


regelmäßig pendelförmigen Bewegung sah, und auch Burgzr *** eine ähnliche Beob- 
achtung gemacht hat, so kommt es mir nicht unwahrscheinlich vor, dass die Chorda 
ein Iymphoides Organ ist. Damit sollte denn auch eine unverkennbare Verwandt- 
schaft angedeutet sein zwischen den infra-spinal Sinus der Juliden und anderer 
Arthropoden, und den Spinalblutgefäßen der Hirudineen und anderer 


"Anneliden. 


* Levis, Vom Bau u. Ss. w. p. 214, *%* BURGER, 1. c. p. 114. 
#27 BURGER, !.c. p. 148. 


320 Jos. Th. Gattie, Beiträge zur Kenntnis der Chorda supra-spinalis der Lepidoptera ete. 


Fig. 2. Durchschnitt der Chorda von Acheronlia atrop. 140/4. Mit der Camera 
lucida gezeichnet. Behandlung mit Osmiumsäure. 
t, t, t, longitudinal laufende Tracheenstämme; a, Nervus sympathicus; 5, 


Fig 

Fig 
suren. 

Fig 

Fig 

Fig 
Sr 

Fig 


Fig. 


Fig 
von der 


d, e, c, b, äußeres Neurilemm der Chorda; ff, hh, Kommissuren. 


. 2a. Bezeichnung wie Fig. 2. 
.3. Optischer Durchschnitt der Chorda. tt, Tracheenstämme; ff; Kommis- 


. 4. Stück der Chorda nach Essigsäure-Karmin-Glycerin-Behandlung. 590/14. 
. 5. Der Oesophagus mit dem Stirnganglion und Nervus recurrens. 3/4. 
. 6. Gabelförmige Theilung des Nervus recurrens, nicht unfern des Magens. 


. 7. Der Magen von der Seite mit den Gabelästen des Nervus recurrens. 3/4. 


8. Der Magen von der Vorderseite. 3/1. 


. 9. Ganglion supra- und infra-oesophagale der Raupe von Acherontia atrop. 
Unterfläche. Theils schematisch. | 
9.5.0, Ganglion supra-oesophagale; g.i.o, Ganglion infra-oesophagale; I, 


Fig. 10. 
Raupe von Sphinxligustri. 6/1. 
A.A, longitudinale, dorsale Muskeln der Segmente (Muscles dorsaux, Lyo- 


Fig 


0 41. 
Mm 


> 


Anneau cerveux; ZI], Wurzeln des Stirnganglions ; I/II, Kopfmuskelner- 
ven; IV, Antennalnerven; V, Nervi optici; VI, Nerven für das laterale 
Integument des Kopfes; VII, Nerven für die lateralen sympathischen 
Kopfganglien; 7, Nerven für die Kopf- und Nacken-Muskeln; 2, Nerven 
für die Unterlippe und die Spinnwarzen; 5, Maxillarner'ven (Rollzungen- 
nerven des Imago); 4,4, Ursprung der Mandibularnerven 4;, 4, mit der 
Kreisverbindung 43, 43. 

1—5, Ganglienknoten mit den Nerven der Körpersegmente 2—6 der 


ner); a’a’, longitudinale, ventrale Muskeln (Muscles gastriques, LyoNET); 
b’b', diagonale, ventrale einander kreuzende Muskeln des dritten und 
vierten Segmentes. Die übrigen diagonalen ventralen Muskeln der 
anderen Segmente sind weggelassen, eben so die lateralen Muskeln 
zwischen a’a’ und A’A’. 1, 2,5, 4, 5, die Ganglien; bb, der mittlere 
Ast des medianen Nerven; cc, Nervi laterales transversi; dd, Verbin- 
dungsäste mit dem nächstfolgenden Ganglion ; ff, erstes oder vor- 
deres Nervenpaar; 99, das hintere oder zweite Nervenpaar; hh, ge- 
mischter Nerv, entstanden aus den Nervi laterales transversi und /f; 
bestimmt um Flügelnerven zu werden; 8.7, S.8, 8.9, siebentes, achtes, 
neuntes Stigma. 

Drei Thorakalknoten der Raupe von Acherontia atropos. 12/4. 
medianer Nerv, sich theilend in ‘den Stamm (b) der Nervi accessorii 
transversi und in die Nervi laterales transversi aa, welche den Kom- 
missuren entlang laufen, dann scheinbar aus diesen hervortreten und 
mit dem ersten Nervenpaar /f des nächstfolgenden Ganglion einen Plexus 
bilden und sich verbinden ; ga ga, Nerven für das erste Fußpaar; 9393, 
Nerven für das zweite Fußpaar. 


Fig. 12. Das sechste Ganglion der Raupe von Acherontia atropos mit Karmin 
tingirt und mit der Camera lucida gezeichnet. 40/4. Details nach 100/1. 
b, medianer Nerv, sich theilend in die Nervi transversi nn; b’, medianer 


Nerv, nach dem folgenden Ganglion;; ti, Tracheenstämme; n’n’, Ver- 
bindung des medianen Nerven mit der fein granulirten Punktsubstanz 
des Ganglienknotens; ff, 99, das vordere und hintere Nervenpaar mit 
dem äußeren Neurilemm und seine Matrix mit zahlreichen Kernen; 
cc, Kommissuren mit ihrem äußeren Neurilemm und Matrix ; gz, die 
peripherischen Ganglienzellen des Knotens; gg, Querkommissuren 
der Punktsubstanz. 


En 


Über die Paarung und Fortpflanzung der Scyllium-Arten. 


Von 


Dr. Heinr. Bolau, 


Direktor des Zoologischen Gartens in Hamburg. 


Am 2%. August dieses Jahres starb ein im hiesigen Aquarium seit 
dem 2. Oktober 1875, also seit fast fünf Jahren gehaltener männlicher 
Hundshai, Seyllium caniculaL. (Sc. catulus Guv. nach Mürter und Hente). 
Die Untersuchung der Geschlechtstheile dieses Thieres gab mir eine 
willkommene Gelegenheit, meine früheren Beobachtungen ! über die 
Paarung der Scyllium-Arten zu ergänzen und klar zu stellen. 

Was die Paarung selbst anlangt, so ist sie in unserm Aquarium 
einige Male am Katzenhai, Sc. catulusL. (Sc. canicula Guv. nach MüLLer 
und HEntE), gesehen worden, zwei Mal habe ich sie selber beobachtet. 
Einer unserer Angestellten will bemerkt haben, dass das Männchen schon 
am Tage vor der Begattung sich in der Nähe des Weibchens aufhielt und 
dasselbe verfolgte. In welcher Weise das letztere erfasst wird, wurde 
nicht beobachtet. Während der Begattung wird es vom Männchen auf 
eine höchst eigenthümliche Weise umfasst gehalten (Fig. I auf folgender 
Seite}; dieses schlingt sich quer um das Weibchen herum in der Weise, 
dass der Schwanztheil des Männchens sich von der rechten Seite des Weih- 
chens her über den Rücken desselben hinwegkrümmt, während von der 
linken Seite des Weibchens der Vordertheil des Männchens sich nach oben 


und etwas von hinten in der Weise um das Weibchen schlingt, dass der 


Kopf des Männchens über seinen Schwanztheil weg zu liegen kommt. 
Der umstehende Holzschnitt ist nach ein paar Skizzen, die ich von dieser 
seltsamen Verschlingung aufnahm, ausgeführt worden. 
Dabei führt das Männchen einen der von Perrı2 als Pterygopodien 
! »Kleine Mittheilungen aus dem Aquarium des Zool. Gartens in Hamburg« in 


» Verhandl. des naturw. Ver. v. Hamburg-Altona.« Neue Folge. ill, 1878. 
2 Diese Zeitchrift. Bd. XXX. p. 296. 


322 Heinr. Bolau, 


bezeichneten Anhänge der Bauchflossen in die weibliche Geschlechts- 
öffnung ein. Im ersten von mir beobachteten Fall, am 18. Februar 1878, 
habe ich nicht bemerkt, welches der beiden Pterygopodien funktionirte. 
Am 8. März 1879, wo die Umschlingung der beiden Thiere in ganz 
gleicher Weise erfolgte, war das rechte Pterygopodium in Thätigkeit ge- 
wesen. Unmittelbar nach dem Coitus, wo ich den Fisch aus dem Wasser 
nehmen ließ, war dasselbe stark geschwollen, während das linke seine 


Fig. 1. 


normale Größe behalten hatte. Eine genaue Untersuchung des fraglichen 
Gliedes konnte ich ohne Gefährdung des Thieres nicht vornehmen. Der 
Holzschnitt Fig. 2 giebt daher nur ein ungefähres Bild desselben im eri- 


girten Zustande. 
Ob in dem Falle, wo das linke Pterygo- 


Kal er podium in Thätigkeit kommt, das Weibchen 

von der andern Seite her vom Männchen 
Be umschlungen wird, d. h. so, dass der Kopf 
des Männchens sich von der rechten Seite 


Fig. 2. um das Weibchen legt, der Schwanz aber 
von links, werden weitere Beobachtungen 
lehren müssen. — In beiden Fällen dauerte der Goitus etwa 20 Minuten ; 


ich selbst beobachtete ihn im ersten Fall die letzten 121/, Minuten, kam 
aber erst dazu, als die Thiere bereits etwa 10 Minuten zusammengehangen 
hatten. Im zweiten Fall beobachtete ich 15 Minuten; der Coitus hatte 
dieses Mal eiwa 5 Minuten gedauert, als.ich gerufen wurde. Während 
der Begattung athmete das Männchen Anfangs langsamer, dann schneller, 
zuletzt 56 Mal in der Minute, während es in ruhigem Zustande nur 38 
Athemzüge in der Minute macht. 

Mit meinen Beobachtungen stimmt sehr schlecht was ScumiprLein ! 


! »Beobachtungen über die Lebensweise einiger Seethiere in den Aquarien der 
Zool. Stat. in Neapel« in »Mitth. aus d. Zool. Stat. in Neapel«. 4878. I. p. 2. 


Über die Paarung und Fortpflanzung der Seyllinm-Arten. 393 


über die Begattung der Scyllien sagt: »Die Paarung der Scyllien gleicht, 
wie bei Octopus, mehr einem Kampfe, als einem Liebesspiel. Das Weib- 
chen wird vom Männchen mit den Zähnen an der Brusiflosse ergriffen 
und nun rollen und balgen sie sich auf dem Sande herum, wie in er- 
bittertem Zweikampf. Nach erfolgter Begattung, die in den beobachteten 
Fällen ungefähr 40—15 Sekunden dauerte, wurde ein ferneres Zusam- 
menhalten der Geschlechter nicht bemerkt«. 

Ich habe von einem »rollen und balgen « nichts gesehen; die Thiere 
lagen vielmehr während der Paarung still an einer und derselben Stelle, 
und nur beim Männchen bemerkte ich, offenbar im Zustande der höch- 
sten Erregung, schwache, den ganzen Körper ergreifende Zuckungen. 
Nach dem Coitus legte sich das Männchen still auf den Sand, während 
das Weibchen einige Zeit lebhafı umherschwamm. — Überdies dauerte 
die Paarung, mehr Minuten, als Scumiprzein Sekunden für dieselbe an- 
giebt. Es scheint mir, dass das von ihm Beobachtete nichts, als ein 
(Liebes?-) Spiel der Thiere mit einander gewesen ist. 

Die Art der Übertragung der männlichen Samenflüssigkeit ist mir 
erst durch meine oben erwähnte neuere Untersuchung der männlichen 
Geschlechtstheile von Scyllium canicula klar geworden. 

Das, was ich fand, stimmt vortrefflich mit der Beschreibung, die 
Perrı, l. c., von den männlichen Geschlechtstheilen von Seyllium giebt. 

Ich stelle mir den ganzen Vorgang in folgender Weise vor: Beim 
Einschieben des Pterygopodiums in die Kloake wird die zum Theil rauhe 
Oberfläche desselben durch das Sekret der Glandula pterygopodii einge- 
salbt und schlüpfrig gemacht. Wahrscheinlich findet in diesem Augen- 
blick oder kurz vorher eine stärkere Absonderung dieses Sekretes statt 
und wird dasselbe durch die von Prrrı! beschriebene quergestreifte 
Muskulatur aus der Drüse hervorgetrieben. Wenn das Pterygopodium 
vollständig in die Kloake des Weibchens hineingeschoben ist, liegen die 
Kloakenmündungen beider Thiere unmittelbar an einander und der 
Samenerguss kann ganz direkt in die durch das Pterygopodium er- 
weiterte weibliche Kloake erfolgen. Ob dabei die an der innern Seite 
des Pterygopodiums liegende Rinne mit funktionirt, kann ich nicht sagen. 
Darnach hätten wir es also bei der Paarung der Scyllien mit einer direk- 


_ ten Übertragung der Samenflüssigkeit von Kloake zu Kloake zu thun 


und das Pterygopodium wäre nichts, als ein Organ, das, indem es in die 
weibliche Kloake eingeschoben wird, zunächst die Lage der männlichen 
und weiblichen Kloake zu einander fixirt und außerdem auch durch Er- 


. weiterung der letzteren die Aufnahme der Samenflüssigkeit in sie er- 


leichtert. 
1], ce 337. 


324 | Heinr. Bolau, 


Da sowohl im Jahre 1878, wie 1879 zwei weibliche Katzenhaie in 
einem und demselben Behälter zusammen lebten, so habe ich nicht fest- 
stellen können, wie bald nach erfolgtem Coitus die Ablage der Eier be- 
gann, auch nicht, wie groß die Zahl der von einem Thier gelegten Eier 
ist. Im Jahre 1878 legten die beiden Weibchen zusammen im Ganzen 42 
Bier, im Jahre 1879 sind trotz mindestens zwei Mal erfolgter Paarüng 
keine Eier gelegt worden. Es scheint demnach, was auch im Berliner 
Aquarium beobachtet wurde, dass ein mehrjähriger Aufenthalt im Aqua- 
rum ungünstig auf die Generationsorgane der Haie wirke. 

Die Katzenhai-Eier sind bekamntlich durchscheinend und lassen da- 
her die allmähliche Entwicklung und die Bewegungen des Embryo von 
außen deutlich erkennen. Die Hundshai-Eier sind zwar viel größer — 
11 cm lang und 4,1 cm breit, während die Katzenhai-Eier nur 5,5 bis 
6,0 cm zu 2,2—2,4 cm messen — sie würden sich zur Beobachtung der 
Entwicklung der Jungen also noch besser eignen, — haben aber leider 
eine so dicke Pergamenthaut, dass vom Embryo im Innern wenig zu 
sehen ist. 

In den Besitz von 40 Eiern vom Hundshai, Seyllium canicula L., 
und 8 Eiern vom Katzenhai, Seyllium catulus L., kam unser Aquarium 
am 12. April 1877 durch Tausch mit dem Aquarium in Brighton. Außer- 
dem hatte im selben Jahre am 1. August einer unserer Katzenhaie ein 
Ei gelegt. Von den Hundshai-Eiern ging die Hälfte zu Grunde; aus den 
übrigen schlüpfte das erste Junge am 3. December 1877; die übrigen drei 
folgten am 1., 4. und 17. Januar 1878. Die Entwicklung bei uns dauerte 
demnach resp. 235, 264, 267 und 280 Tage. Von den 8 Katzenhai-Eiern 
aus Brighton schlüpften nach und nach 7 Stück in dem Zeitraum vom 
19. August bis 16. Oktober, also nach 199—187 Tagen aus; — eins 
ging zu Grunde. Da die Embryonen zur Zeit, als wir die Eier erhielten, 
in einigen derselben schon deutlich zu erkennen waren, so ist die Zeit 
ihrer Entwicklung im Ei zum Theil beträchtlich länger, als die oben ange- 
führten Zahlen angeben. — Aus dem bei uns gelegten Ei schlüpfte das 
Junge nach 180 Tagen aus. 

Von den oben erwähnten im Jahre 1878 bei uns gelegten 42 Eiern 
vom Katzenhai wurden einige an andere Aquarien abgegeben, die 
meisten aber bei uns ausgebrütet. Bei einer Anzahl von diesen ist die 


Zeit ihrer Entwicklung genau beobachtet worden. Ich gebe dieselbe in 
den folgenden Zahlen : 


Dauer der Entwicklung 

bei 2 Eiern vom 13. Februar bis 27. Juli — 165 Tage 
» 4 Bı DD. )) » 7. August — 468 » 
» A» » 5. März >». 30: » — Wfl) )) 


Über die Paarung und Fortpflanzung der Seyllinm-Arten. 395 


‚beilEi vom 8.März bis 31. August == 176 Tage 
» A» el 2» 12 September — 112» 
» A » ».. NO 2 DT: » —475 » 
» 1» » 43. April DL » —-.169. » 
Dein 2,90.) » 30. » — lot 
» 4» » 7. Mai » 24. Oktober = 167 » 


Die jungen Katzenhaie sind in allen Fällen leider in den ersten 
Tagen ihres Lebens wieder zu Grunde gegangen. 

Günstigere Resultate hatten wir dagegen mit den Hundshai-Jungen. 
Die vier oben erwähnten Thiere wurden am 1. März 1878 aus dem 
kleinen Behälter, in dem sie das Licht der Welt erblickt hatten, in einen 
größern versetzt. Sie hatten damals 22 cm Länge. Dreizehn Monate 
später, Mitte April 1879 maßen sie 33—33 cm, waren also in reichlich 
einem Jahre 10— 44 cm, d. i. etwa um die Hälfte gewachsen. Bis zu 
den heißen Augustiagen 1880 haben sie sich vortrefllich weiter ent- 
wickelt. Dann sind leider zwei von ihnen, wahrscheinlich, weil sie die 
große Wärme des Wassers nicht vertragen konnten, gestorben. Die beiden 
Überlebenden messen jetzt — den 3. September 1880 — 42—44 cm. 


Über die Entstehung der Eier bei Eudendrium. 


Von 


Nicolaus Kleinenberg. 


In einer Mittheilung über den neuen interessanten Hydroid-Polypen 
Hydrella (Zool. Anz. Nr. 60, 12. Juni 1880) sagt GorttE: »Ich muss hier- 
zu bemerken, dass ich die Eizellen von Eudendrium außerhalb der Gono- 
phoren und der proliferirenden Polypenköpfe viel häufiger innerhalb des 
Ektoderms als des Entoderms antraf; dies stellt aber ihren Ursprung in 
der letzteren Keimschicht nicht in Frage, denn wie mir mein Freund 
KLEINENBERG aus seiner reichen Erfahrung in diesen Dingen mittheilte, 
wandern die Eizellen des Eudendrium mit der größten Leichtigkeit aus 
dem Entoderm in das Ektoderm aus.« 

Diese Worte enthalten die Möglichkeit eines Missverständnisses. Man 
könnte sie so deuten als wären meine Beobachtungen in Einklang mit 
der Behauptung Weısmann’s, dass die Eier von Eudendrium »zweifellos« 
im Entoderm entstehen (Zool. Anz. Nr.55, 10.Mai1880). Der Ausdruck 
»im Entoderm« oder »im Ektoderm«, den Werısmann fast durchgängig 
braucht, wo er vom Ursprung der Geschlechtszellen bei den Hydroiden 
spricht, ist fehlerhaft, denn er antwortet streng genommen gar nicht auf 
die vorausgesetzte Frage. Es handelt sich zu wissen, ob die Eier und 
Spermatozoen »aus« Zellen des Ektoderms oder »aus« Zellen des Ento- 
derms hervorgehen; an welcher Stelle und in welchem der beiden 
Blätter sie liegen ist zunächst gleichgültig. Ein Ei könnte im innern Blatt, 
d. h. umgeben von Entodermzellen,, entstehen und doch dem Ektoderm 
angehören, wenn es die Umbildung einer Ektodermzelle wäre, die sich 
aus ihrem ursprünglichen geweblichen Verband gelöst und zwischen die 
Elemente des andern Blattes gedrängt hat. Ist dagegen solch eine Ver- 
wischung der Zellen beider Blätter als unmöglich nachgewiesen worden, 
dann freilich gewinnt der Ausdruck bedingte Berechtigung. Nur wenn 
im Coelenteratenkörper eine unübersteigliche räumliche Scheidung zwi- 
schen Ektoderm und Entoderm bestände, würde es gestattet sein zu 
interpretiren : Gewebselemente, die ihren Ursprung im ‚Entoderm haben, 
entstehen aus Entodermzellen. 


Über die Entstehung der Rier bei Eudendrium. 327 


‘Und in der That gehen die Deutungen der meisten Beobachter, die 
sich mit der vorliegenden Frage beschäftigt haben, von der Annahme aus, 
dass die sogenannte Stützlamelle wirklich eine unverrückbare Grenz- 
marke zwischen den Gebieten des Ektoderms und des Entoderms fest- 
stellt. Gewiss ist diese Annahme äußerst bequem, denn sie hilft ein gutes 
Theil mühsamer und langweiliger Beobachtungsarbeit überschlagen oder 
unterschlagen ; Niemand hat sie aber auf ihre Richtigkeit ernstlich ge- 
prüft, trotzdem die Aufforderung dazu von mehr als einer Seite sehr nahe 
gelegt war. 

Dass weiße Blutkörperchen nicht nur durch Gapillarwandungen, 
sondern selbst aus den verhältnismäßig so dicken Röhren der kleinen 
Arterien auszubrechen vermögen, ist bekannt. Die Stützlamelle vieler 
Hydroiden ist eine ganz dünne Schicht, die, wie aus der Form der akti- 
ven Bewegungen dieser Thiere hervorgeht, während des Lebens leicht 
jedem Drucke nachgiebt. Wenn also auf der einen oder der andern Seite 
der Stützlamelle Wanderzellen vorhanden sind, würde das Übergehen von 
Gewebselementen aus einem Blatt in das andere nicht besonders erstaun- 
lich sein. Aber wollte man auch die Undurchdringlichkeit der Stütz- 
lamelle zugeben, immer stände doch noch den Wanderzellen ein Weg 
offen zum Verlassen ihrer Bildungsstätten: um den Mundrand herum, 
wo Ektoderm und Entoderm von keiner Zwischenschicht aus einander 
gehalten sind. 

Andrerseits lag wohl auch in den gegensätzlichen Angaben der Be- 
obachter, wonach bei einer Art Eier und Samen aus dem Ektoderm, bei 
einer zweiten aus dem Entoderm, bei einer dritten die Eier aus diesem, 
die Spermatozoen aus jenem Körperblatt hervorgehen sollen, eine starke 
Herausforderung zuzusehen, wie es mit der Zuverlässigkeit der entschei- 
denden Kriterien eigentlich beschaffen sei. 

Als ich mich vor drei oder vier Jahren andauernd mit dem Bau und 
der Entwicklung der Tubularinen beschäftigte, waren es außer diesen 
Erwägungen noch neue Beobachtungen, welche dahin drängten, Auf- 
klärung zu suchen über die Fähigkeit der Geschlechtszellen den Ort zu 
wechseln, und über das Verhalten der Stützlamelle gegen die etwaigen 
 Auswanderungsgelüste dieser Zellen. Was ich davon in Bezug auf Euden- 
 drium weiß, ist ungefähr Folgendes. 
| Bei Betrachtung eines weiblichen Stöckchens findet man oft deutlich 
erkennbare Eizellen zunächst nur im Entoderm. Sieht man indessen 
genauer zu, so zeigen sich ganz ähnliche Zellen auch auf der Außenseite 
der überall vorhandenen zarten Stützlamelle, also im Ektoderm. Dies 
lässt sich schon am lebenden Thier leicht feststellen; die Scheidung 
beider Körperblätter ist so scharf, die Gleichartigkeit der erwähnten Zellen 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd, 99 


3238 Nicolaus Kleinenberg, 


diesseits und jenseits der Stützlamelle und ihre Beziehung zum nach- 
folgenden Fortpflanzungsvorgang so deutlich, dass man die Beobachtung 
gar nicht anders formuliren kann als so: in einer gewissen Entwicklungs- 
periode finden sich bei Eudendrium regelmäßig Eizellen sowohl im Ento- 
derm wie im Ektoderm. Dies hat auch GorTTE erkannt. 

Soll man nun frischweg schließen, dass sich gleichzeitig ohne Unter- 
schied Ektoderm- und Entodermzellen in Eier umwandeln? Das geht 
schon darum nicht, weil man die Untersuchung an dieser Stelle nicht für 
abgeschlossen halten darf. Denn die jungen Eizellen unterscheiden sich 
bereits so sehr von den typischen Elementen jedes der beiden Blätter, 
dass sie nicht für anfängliche, sondern nur für weit vorgeschrittene Sta- 
dien des Umwandlungsvorganges aufgefasst werden können. Jüngere 
Formen sind am lebenden Thier nicht mit Sicherheit zu erkennen, da- 
gegen sehr wohl in passend behandelten Präparaten und am besten in 
feinen Querschnitten. Man findet dann im Ektoderm hier und dort einzelne 
Zellen, die in der Beschaffenheit ihres Protoplasmas, in ihrer Form und 
selbst in ihrer Größe fast völlig mit den Zellen des interstitiellen Ge- 
webes, zwischen denen sie liegen, übereinstimmen: von diesen ausge- 
zeichnet sind sie nur durch den merklich vergrößerten Kern und ein 
stark glänzendes Kernkörperchen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, 
dass diese Zellen vorläufig nur sehr leicht veränderte Elemente der 
tiefern Schicht des Ektoderms sind, eben so sicher sind sie andererseits 
entstehende Eier, denn mit ihnen beginnt die Reihe sitetigster Übergänge 
zu immer größerer innerer und äußerer Umbildung, die ununterbrochen 
und direkt in das reife Ei hinüber führt. Es entstehen also Eier aus 
ektodermalen Zellen des interstitiellen Gewebes. 

Und die Eier, welche im Entoderm liegen? Die Untersuchung zeigt, 
dass auch hier nicht alle Eizellen sich im selben Zustand befinden, man 
kann jüngere und ältere Formen unterscheiden, die ziemlich weit aus 
einander liegen. Aber die jüngsten, gerade kenntlichen Stadien fehlen 
hier stets, und von den vorhandenen Entwicklungsstufen haben die am 
wenigsten vorgeschrittenen größere Ähnlichkeit mit den tiefen Ektoderm- 
zellen, aber nicht die geringste mit den sie umgebenden Epithelien des 
Entoderms. Es fehlen vermittelnde Zustände zwischen Entodermzellen 
und Eiern. Die Umwandlung von Zellen des Ektoderms in Eizellen ist 
dagegen, wie gesagt, klar: so liegt der Schluss nahe, dass sämmtliche 
Eizellen im Ektoderm aus Ektodermzellen hervorgehen und dass einige 
von ihnen, oder vielleicht auch alle, während sie in der Metamorphose 
begriffen sind, ihre ursprünglichen Bildungsstätten verlassen, um sich 
ins Entoderm zu begeben. Man müsste ein Übertreten junger Eier aus 


Über die Entstehung der Eier bei Eudendrium. 3939 


dem einen ins andere Blatt annehmen, denn unveränderte Elemente 
des Ektoderms finden sich nie im innern Blatt. 

Dagegen ließen sich aber doch eineMenge von Einwürfen ausdenken : 
dass die Umwandlung von Entodermzellen in Geschlechtszellen äußerst 
schnell verlaufe; dass der Vorgang sich in bestimmten Stunden der Nacht 
vollzöge — wie manche Entwicklungserscheinungen vieler niederer 
Thiere — wo es unmöglich ist die Untersuchung vorzunehmen und auch 
das Sammeln und Konserviren der Thiere behindert; dass die Eier nicht 
direkt aus präexistirenden Entodermzellen hervorgingen, sondern erst 
aus Theilungsprodukten derselben, wodurch die Zurückführung der einen 
auf die anderen sehr erschwert sein könnte, und was weiß ich sonst noch. 
Freilich wären all diese Einwände künstlicher oder gewaltsamer als die 
einfache Annahme des Auswanderns der Eizellen; immerhin ist es nicht 
wünschenswerth in einer Beobachtungsreihe einen Spalt an entscheiden- 
der Stelle auf noch so starkbeiniger Hypothese überspringen zu müssen. 
Man kann doch hineinfallen. Wahrscheinlich bin und wahrscheinlich 
her: in der modernen Zoologie werden wir bald vor lauter Wahrschein- 
lichkeiten die Wahrheit ganz und gar nicht mehr zu schen bekommen. 
Und im vorliegenden Fall lässt sich mit einigem Bemühen die Annahme 
durch eine Beobachtungsthatsache ersetzen. Man braucht die Lagever- 
änderungen der jungen Eier nicht zu erschließen, man kann dem Vor- 
gang Selbst als Zuschauer beiwohnen. 

Eine Eizelle, die zu Beginn der Beobachtung ganz vom Ektoderm 
eingeschlossen ist, drängt und windet sich allmälig durch die Gewebe 
hindurch — schneller, fast fließend wie eine freie Amoebe, wo das Ge- 
füge der Zellen locker ist, in fast unmerklichem Fortschreiten , wo sie, 
um sich Raum zu schaflen, den festern Zusammenhang der Gewebsele- 
mente zu überwinden hat — bis sie dicht an die Stützlamelle zu liegen 
kommt. Später sieht man einen Theil ihrer Substanz jenseits der Stütz- 
lamelle, diese ist von einem pseudopodienartigen Fortsatz durchbohrt. 
Immer mehr vom Protoplasma der Eizelle fließt durch diese Bruchpforte 
der Lamelle hindurch, und endlich befindet sich dieselbe Zelle, die vor- 
her in der äußern Körperschicht lag, nun vollständig im Entoderm. 
Wahrscheinlich verstreicht nach dem Durchtritt das Loch in der Lamelle 
_ bald wieder. Die übergetretene Zelle kommt jedoch noch nicht zur Ruhe, 
sie zwängt sich zwischen die Entodermzellen ein, bis sie inmitten der- 
selben liegt. Zu direkter Berührung mit dem Inhalt der Nahrungshöhle 
gelangt sie jedoch, wie es scheint, niemals, sondern bleibt von einem 
Saum der seitlich an einander haftenden freien Enden der Darmepithelien 
bedeckt. 

So wie die Eizellen aus dem Ektoderm in das Entoderm kriechen, 

93° 


330 | AU Nicolaus Kleinenberg, 


können sie den Weg noch in umgekehrter Richtung zurück machen. Ichhabe 
diese Lageveränderung gleichfalls beobachtet, freilich seltener und weniger 
genau als die vorher beschriebene. Die wandernden Zellen waren dann 
immer schon sehr groß und von dichtem Protoplasma. In den Präparaten 
stößt man auf zahlreiche Eizellen, die offenbare Anzeichen eines Aufent- 
haltes im Entoderm an sich tragen, und doch auf der Außenseite der 
Stützlamelle liegen. Der Rücktritt der Eizellen aus dem Entoderm ins 
Ektoderm wird also wohl ein häufiges Vorkommnis sein. 

Diese Beobachtungen scheinen mir zu beweisen, dass die Eier bei 
Eudendrium nicht aus Entodermzellen hervorgehen, auch nicht einmal 
im Entoderm entstehen, sondern dass sie umgewandelte Ektodermzellen 
sind, die alle oder zum großen Theil in einer gewissen Entwicklungs- 
periode zu wandern beginnen, durch die Stützlamelle hindurch in das 
Entoderm eindringen, hier eine Zeit lang verweilen und dann eventuell 
wiederum ins äußere Blatt zurückkehren. 

Über die physiologische Bedeutung des zeitweiligen Aufenthaltes der 
Eizellen im Entoderm weiß ich nichts Besonderes zu sagen. Es liegt nahe 
darin ein Mittel zu vollkommenerer Ernährung zu sehen. In der That 
wachsen die jungen Eier im Entoderm beträchtlich. Doch ernähren sie 
sich nicht selbständig, sondern durch Vermittlung des Verdauungsepi- 
thels. Auch erreichen sie ihre volle Größe und Ausbildung erst nachdem 
das Gonophor entstanden ist. 

Ob man sagen darf, dass die Wanderung der Eizellen sich » mit der 
größten Leichtigkeit « vollzieht, hängt natürlich davon ab, was man leicht 
nennt. So viel glaube ich bemerkt zu haben, dass die Stützlamelle ver- 
hältnismäßig nur schwachen Widerstand leistet, selbst geringeren als die 
dichteren Stellen des Ektodermgewebes. 

Wenn aber auch die Eizellen auf keine beträchtlichen Hindernisse 
stoßen, ist es doch nicht leicht ihre Wanderungen zu verfolgen. Im Gegen- 
theil, es bedarf hierzu des Zusammentreflens mehrerer günstiger Um- 
stände, und ziemlicher Geduld und Aufmerksamkeit. Nicht alle Stöck- 
chen und nicht alle Stellen derselben sind geeignet, man muss solche 
suchen, deren Gewebe nicht dicht und besonders hell ist ; der Zweig muss 
unter dem Deckglas vor schädlichen Einflüssen so weit geschützt sein, dass 
er nicht abstirbt oder in seiner Lebensthätigkeit wesentlich herabgesetzt 
wird, ehe der immerhin langsame Vorgang beendigt ist; die Wanderung 
muss gerade in der durch die Achse gelegten optischen Durchschnitts- 
fläche vor sich gehen, weil man nur da die Grenze zwischen Ektoderm 
und Entoderm klar erkennen kann. Überdies ist der Unterschied zwi- 
schen dem Brechungsindex der Substanz des jungen Eies und jenem der 
umgebenden Zellen äußerst gering und wird häufig noch durch die Re- 


Über die Entstehung der Eier bei Eudendrium. 331 


flexe von den dichtern peripherischen Schichten der einzelnen Gewebs- 
elemente verdeckt: da ist es denn nahezu unmöglich den ganzen Umriss 
der, Form und Lage wechselnden, Eizelle beständig festzuhalten. Ein 
Merkmal hat man jedoch fast immer um die Eizelle nicht völlig aus dem 
Auge zu verlieren — ihr stark glänzendes Kernkörperchen, das auch 
unter dunklern Gewebsschichten hervorleuchtet. 

Als einzelner Fall würde die Erkenntnis des Ursprungs der Eizellen 
von Eudendrium bloß dazu beitragen die bestehende Unsicherheit über 
das allgemeine Gesetz, das die Entstehung der Geschlechtselemente bei 
den Goelenteraten und bei den übrigen Metazoen regelt, zu vermehren. 
Dagegen ist hier in den Nebenumständen vielleicht ein Weg angedeutet, 
auf dem es gelingen wird der Lösung der Frage näher zu kommen. Ich 
meine, dass es nun ganz und gar nicht mehr erlaubt ist ohne Weiteres 
zu schließen, Geschlechtszellen , die man in einer Schicht antrifft, seien 
aus Zellen dieser Schicht entstanden. Wenn bei Eudendrium die Eier 
aus Ektodermzellen entstehen und doch ins Entoderm gelangen, dann 
mag dasselbe wohl auch bei andern Thieren und bei der Bildung anderer 
Gewebe vorkommen. Selbst viel dichtere und ausgedehntere Zwischen- 
schichten wird man nicht von vorn herein für unüberwindliche Hinder- 
nisse erklären dürfen, denn wir haben kein Mittel die Energie der 
Wanderzellen zu bestimmen, ja wir wissen nicht einmal, ob bei ihren 
Translokationen bloß mechanische Kräfte zur Geltung kommen, oder ob 
der mechanische Vorgang nicht durch chemische Einwirkungen des 
Protoplasmas auf die umgebenden Substanzen vorbereitet und unter- 
stützt wird. Natürlich besteht aber andererseits durchaus kein Grund 
den zeitweiligen Ortswechsel zu einem allgemein verbreiteten Phänomen 
in der Bildungsgeschichte der Geschlechtszellen der Hydroiden zu machen 
und in der That fehlt er sicherlich bei Tubularia mesembryanthemum, 
T. larynx und Pennaria, und wohl auch bei sonst noch manchen Formen, 
während er bei andern wiederum wahrscheinlich ist. 

So bleibt denn zur Feststellung des Ursprungs der Geschlechtszellen 
kein anderer Weg als sie in jedem Fall durch alle Übergänge bis auf prä- 
existirende Elemente der beständigen Gewebe zurückzuführen. Wo mir 
dies gelungen ist — bei fünf Tubularinen und ein paar Medusen — da 
habe ich die Geschlechtszellen jedes Mal aus Ektodermzellen hervorgehen 
gesehen. In andern Fällen wurden die Schwierigkeiten der Untersuchung 
nicht überwunden und es kam zu keiner sicheren Entscheidung. Darum 
habe ich auch nur von den Eiern von Eudendrium gesprochen, denn die 
Entstehung der Samenzellen war mir hier nicht hinreichend klar gewor- 
den als ich die Untersuchung abbrach. Aber nirgends habe ich die Um- 
wandlung von Entodermzellen in weibliche oder männliche Geschlechts- 


332 Nicolaus Kleinenberg, Über die Entstehung der Eier bei Eudendrium. 


zellen gesehen. Auch von den Darstellungen anderer Beobachter, die 
dies beweisen wollen, überzeugt mich keine einzige völlig. E. van BEnk- 
.ven’s Angaben würden freilich kaum einen Zweifel über die Entstehung 
der Eier von Hydractinia echinata aus Entodermzellen aufkommen lassen, 
entsprächen seine Abbildungen genau den natürlichen Verhältnissen; und 
wenn ich sie bis jetzt noch nicht unbedingt anerkenne, so beruht das 
bloß auf der Erfahrung, dass die Behandlung mit Essigsäure, die er für 
seine entscheidendsten Präparate benutzt hat, gar leicht Täuschungen 
hervorbringt. 

Ich weiß nicht wie es gekommen ist, dass Weısmann das Vorhanden- 
sein von Eizellen im Ektoderm bei Eudendrium übersehen hat. Vielleicht 
beobachtete er dasThier nur außer der Zeit seiner lebhaftesten Geschlechts- 
thätigkeit. Viele IHydroiden, und dies gilt auch für Eudendrium, bilden 
zwar das ganze Jahr hindurch Eier und Samen, in regelmäßig wieder- 
kehrenden Perioden tritt jedoch eine so beträchtliche Erhöhung der 
sexuellen Funktionen ein, dass man diese wohl als die eigentlichen Fort- 
pflanzungsperioden bezeichnen darf. Zwar reifen und entwickeln sich 
auch in den Zwischenzeiten viele Eier, aber neben diesen zeigen sich bei 
manchen Arten zahlreiche abortive Entwicklungen und andere viel auf- 
fallendere Abnormitäten. So gilt bekanntlich Tubularia für streng ge- 
trennt-geschlechtlich und unter den sehr vielen Stöckchen von T. 
mesembryanthemum, die ich während ihrer vollen Geschlechtsthätigkeit 
untersucht habe, fand sich auch nicht eins, bei dem männliche und 
weibliche Organe vereint gewesen wären. Zu anderen Zeiten des Jahres 
sind dagegen Hermaphroditen gar nicht selten. Und zwar entstehen die- 
selben dadurch, dass in ein und demselben Gonophor einige der Keim- 
zellen zu Eiern werden, während gleichzeitig andere sich in Samenzellen 
verwandeln. Man findet dann entwickelte Embryonen, unbefruchtete 
Eier, reife Spermatozoen und junze Samenzellen, Alles zusammen in 
derselben Knospe. 

Eudendrium hat jährlich zwei Epochen erhöhter Geschlechtsfunktion, 
zu Beginn und gegen das Ende des Sommers. Ich erinnere mich freilich 
nicht in der übrigen Zeit des Jahres auffälligere Unregelmäßigkeiten der 
Entwicklung wahrgenommen zu haben, doch mögen sie immerhin vor- 
kommen, und ich wollte darauf hinweisen, weil möglicherweise hier die 
Ausgleichung der Widersprüche zu suchen ist. 


Messina, Oktober 1880. 


Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 


Ein Beitrag zur Erkenntnis der Einheit des 
Molluskentypus. 


Von 


Dr. d. W. Spengel, 
Privatdocenten der Zoologie in Göttingen. 


Mit Tafel XVII—XIX und zwei Holzschnitten. 


In der Literatur über die Anatomie der verschiedenen Mollusken- 
classen finden sich ziemlich zahlreiche Angaben über das Vorkommen 
von » Wimperorganen « unbekannter Function, ohne dass je ein Forscher 
den Versuch gemacht hätte, dem Wesen dieser Organe ernstlich nach- 
zuspüren und den morphologischen Werth derselben zu ergründen. 
In Folge eines äußerlichen Anlasses kam ich dazu, mir diese Fragen 
selbst vorzulegen. Der einfachste Weg, über die Homologien der ver- 
schiedenen Wimperorgane ins Klare zu kommen, schien mir eine Ver- 
gleichung der Innervirungsweise derselben zu sein, und diesen konnte 
ich zunächstan der Hand der in derLiteratur vorliegenden Beobachtungen 
einschlagen. Das Ergebnis dieser Studien war, dass mir einerseits die 
Homologie der von verschiedenen Autoren bei Heteropoden , Pteropo- 
den und Pulmonaten beschriebenen Wimperorgane unzweifelhaft wurde 
und andererseits ein Organ der Prosobranchien, das bisher eine ganz 
andere Deutung erfahren hatte, als in den Kreis dieser Wimperorgane 
gehörig erschien. Da ich durch andere Arbeiten sehr in Anspruch ge- 
nommen war, konnte ich nicht daran denken, eine abschließende 
Untersuchung über diesen Gegenstand vorzunehmen. Indessen schien 
mir das Problem aus mehrfachen Gründen dankbar, und so konnte 
ich der Versuchung nicht widerstehen, bei einem Aufenthalt in der 
Zoologischen Station in Neapel in diesem Frühjahr diese Organe bei 
einer Reihe von Mollusken zu untersuchen und namentlich meine oben 
angedeutete Vermuthung an einigen Prosobranchien zu prüfen. Ich gebe 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 99 


334 J. W, Spengel, 


im Folgenden die Grundzüge der Ergebnisse meiner Beobachtungen und 
knüpfe daran einige Schlussfolgerungen, die es zugleich rechtfertigen 
mögen, dass ich mit so fragmentarischen Untersuchungen an die Öffent- 
lichkeit trete. Eines der Resultate muss ich gleich hier vorweg erwäh- 
nen: es hat sich als unzweifelhaft herausgestellt, dass die in Rede 
stehenden Organe Sinnesorgane sind, und um ihnen.einen Namen zu 
geben, will ich sie als Geruchsorgane bezeichnen. Über die Berech- 
tigung dieser Benennung später noch einige Worte. 

Im Interesse der Verständlichkeit und Übersichtlichkeit wähle ich 
für meine Darstellung einen andern Gang, als ihn meine Untersuchung 
genommen hatte. Ich beginne mit den Prosobranchien und zwar mit 
den von v. Iuzrına! als anisobranchie Chiastoneuren bezeichneten 
Formen, von denen ich einige Arten von Trochus, Turbo und Vermetus 
untersucht habe, und schicke einen Überblick über den Bau des Nerven- 
systems voraus, der mir zugleich Gelegenheit bietet, einige Bemerkungen 
über die Benennung der einzelnen Theile desselben zu machen. Um 
den Schlund sind drei Ganglienpaare gruppirt, von denen für zwei 
zweckmäßige Namen vorhanden und fast allgemein anerkannt sind, näm- 
lich ein Paar Gerebralganglien und ein Paar Pedalganglien, von denen 
das erstere u. A. die Nerven zu den Sinnesorganen des Kopfes, das 
letztere die Nerven zu den Muskeln des Fußes abgiebt; dagegen sind für 
das dritte Ganglienpaar die verschiedensten Namen in Vorschlag ge- 
bracht, ohne dass sich einer allgemeinen Beifalls zu erfreuen gehabt 
hätte. Leider sehe ich mich genöthigt, selbst noch eine neue Bezeich- 
nung dafür vorzuschlagen, da der Huxrzy’sche Ausdruck » parietosplanch- 
nische« weder treffend noch bequem, in den unvermeidlichen Zusammen- 
setzungen aber geradezu unerträglich ist, während die Namen Branchial-, 
Visceral-, Viscerogenitalganglien etc. für andere Ganglien Verwendung 
finden. Mir scheint als eine möglichst kurze und indifferente Benennung 
der Name »Pleuralganglien« passend, den ich daher im Folgenden für 
die betreffenden Ganglien verwenden werde. Diese sechs Ganglien sind 
durch Nervenstränge unter einander verbunden, und unter diesen 
empfehle ich nach dem Vorgange von LacAzE-Durnizrs? die Fäden, welche 
die drei Ganglien einer Seite verbinden als »Connective« zu bezeichnen, 
dagegen den Ausdruck »Commissuren« auf die Verbindungsstränge 
zwischen den gleichnamigen Ganglien der beiden Seiten zu be- 
schränken. Dieselbe Bezeichnung ließe sich zweckmäßig, wie es schon 


1 H. v. Inerıng, Das Nervensystem und die Phylogenie der Mollusken. Leipzig 
4378, 

2 H. pn LACcAZE-DUTHIERS, M&moire sur le systeme nerveux de l’Haliotide. Ann. 
Sc. Nat. Zool. (4) t. XI. p. 253— 254. 


Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 335 


von französischen Forschern geschehen ist, auch auf andere Thiere, 
namentlich Anneliden und Arthropoden, übertragen. Bei den chiasto- 
neuren Gastropoden würde demnach das circumoesophageale Nerven- 
system bestehen aus zwei CGerebral-, zwei Pleural- und zwei Pedalgan- 
glien, zwei Gerebropleural-, zwei Gerebropedal- und zwei Pleuropedal- 
Connectiven und einer Gerebral- und einer Pedalcommissur. Die 
Connective bilden jederseits ein Dreieck, in dessen Winkeln die Ganglien 
liegen, und die beiden Dreiecke sind durch die beiden Gommissuren 
verbunden. Die Pleuralganglien aber stehen durch einen sehr langen 
Nervenstrang in Zusammenhang, in den mehrere Ganglien eingeschaltet 
sind, welche Nerven zu verschiedenen Eingeweiden abgeben. Wir 
wollen diesen Strang daher mit v. Inrrına als » Visceralcommissur « be- 
zeichnen und die in dieser liegenden Ganglien unter dem Gesammtnamen 
» Visceralganglien« zusammenfassen. Die Visceralcommissur nun nimmt 
bei den Chiastoneuren einen höchst eigenthümlichen Verlauf, welchem 
der Inerıng’sche Ordnungsname entlehnt ist: der vom linken Pleural- 
ganglion entspringende Schenkel der Commissur zieht ventral wärts 
vom Darm nach rechts, wendet sich hier gegen die Rückenfläche, 
biegt dorsalwärts vom Darm wieder nach links und zieht in dieser 
Lage zum rechten Pleuralganglion. In den Verlauf dieser achterförmig 
gewundenen Commissur sind bald zwei, bald drei Visceralganglien ein- 
- geschaltet. Von diesen liegt eines etwa in der Mitte der Commissur, in 
der Nähe des Afters; es ist das »Abdominalganglion« v. Inzrıng’s. Von 
den beiden anderen liegt das eine, das »Subintestinalganglion«, in der 
rechten Hälfte, das andere, das » Supraintestinalganglion « in der linken 
Hälfte der Commissur. Bei denjenigen Formen, die nur zwei Visceral- 
ganglien besitzen, wie Vermetus, fehlt das Subintestinalganglion; doch 
entspringt an der entsprechenden Stelle der Commissur ein Nerv, der 
die rechte Hälfte des Mantels versorgt. Aus dem Supraintestinalganglion 
geht ein starker Nerv hervor, der Äste an die Kiemen und an die linke 
Mantelhälfte abgiebt, zum großen Theile aber in ein Organ, das bisher 
fast von allen Autoren als »rudimentäre Kieme«, » Nebenkieme «, » Er- 
gänzungskieme« oder dergl. bezeichnet worden ist, obwohl schon 
Wırzims! gezeigt hatte, dass dasselbe keine Kieme sei. WırLıans 


' glaubte in der Achse einen nach außen mündenden Canal erkannt zu 


haben, und deutete das Organ als »colour gland«, indem er die Ab- 
scheidung des Purpursaftes dahin verlegte. Der Einzige, der dem wirk- 
lichen Verhalten auf der Spur gewesen zu sein scheint, ist LacazE- 


1 T. Wırrıams, On the mechanism of aquatic respiration and on the structure of 
the organs of breathing in inverlebrate animals. — Ann. and Mag. Nat. Hist. (2) 
vol. XVII. p. 255. 


338 


336 J. W. Spengel, 


Duruiers, der sich schon in seiner Abhandlung über den Purpur! sehr 
vorsichtig über die Kiemenähnlichkeit dieses Organes ausspricht, in seiner 
»Me&moire sur l’anatomie et l’embryogenie des Vermets«?, aber ganz be- 
stimmt erklärt, dass der bei Vermetus parallel links neben der Kieme 
hinziehende weißliche Strang keine zweite Kieme sein könne, sondern 
nervöser Natur sei, da zahlreiche Nervenfäden in ihn eintreten. Die 
späteren Beobachter haben keine nähere Untersuchung vorgenommen. 
Ich finde dasselbe seiner größten Masse nach aus Nervensubstanz, näm- 
lich einem mächtigen durch die ganze Länge des Organes verlaufenden 
und von zahlreichen Ganglienzellen begleiteten Faserstrange gebildet, 
und über diesem liegt eine hohe Epithelschicht, in welche man deutlich 
Fasern aus dem Nerven eintreten sieht. Sehr ähnlich verhalten sich die 
Geruchsorgane von Trochus (Fig. 18) und Turbo; sie liegen hier als eine 
bräunliche oder olivenfarbige birnförmige Masse, die sich nach vorn in 
einen feinen Faden fortsetzt, an der Basis des Kiementrägers. Der dicke 
hintere Theil des Organs besteht fast gänzlich aus einem großen Gan- 
glion, aus dem starke Fasern in das hohe Epithel treten. Die feineren 
Structurverhältnisse des Letzteren habe ich nicht eingehend untersucht. 
Das Geruchsorgan von Cyclostoma elegans (Fig. 3) wird von LacAzeE- 
Duruiers 3 abgebildet; doch findet sich im Text kein Bezug darauf. 

Ein complicirterer Bau des Geruchsorganes kommt bei den Chiasto- 
neuren nicht vor; dagegen findet sich bei den Orthoneuren, von denen 
ich Capulus, Calypiraea, Natica, Murex, Nassa, Buccinum, Dolium, 
Cassis und Cassidaria untersucht habe, eine Form, die den Anlass zur 
Deutung des Organes als Kieme gegeben hat. Bei den acht letzten Gat- 
tungen besteht das Geruchsorgan wie bei vielen anderen von älteren 
Autoren (Cuvier, Quoy et GAIMARD, SOULEYET, DELLE ÜHIAJE etc.) unter- 
suchten und abgebildeten Formen (Fig. 15, Buccinum) aus einem durch 
die ganze Länge des Organes verlaufenden Mittelstrange und zwei 
Reihen von diesem entspringender seitlicher Fiedern. Bei Capulus 
(Fig. 17) finde ich nur an der rechten Seite diese Fiedern. Im feineren 
Baue scheinen mancherlei Verschiedenheiten zu bestehen, die ich nicht 
habe verfolgen können ; doch stimmen die Geruchsorgane aller von mir. 
untersuchten Orthoneuren darin überein, dass ihr Mittelstrang ganz von 
einem ungeheuer mächtigen Ganglion mit centralen Fasermassen und 


‘1 H. DE LAcAzE-DUTHIERS, M&moire sur la Pourpre. — Annales des Sciences Natu- 
relles, Zool. (4) t. XII. 14859. 

2 Ann. des Sc. Nat., Zool. (4) t. XIII. 4860. p. 259. 

3 H. oe LACAZE-DUTHIERS, Otocystes ou capsules auditives des Mollusques (Gastero- 
podes). — Archives de Zoologie exper. et gen. t. I. pl. IH, Fig. 8. cf. H. For, ibid. 
t. VIII. p. 167. 


Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 337 


peripherischen Zellen eingenommen wird (Fig. 23), während die Fie- 
dern aus mehr oder minder hohen senkrechten Blättern bestehen und 
aus einer von hohen Wimperepithelien überzogenen bindegewebigen 
Grundlage (mit Bluträumen?) gebildet sind. In die Blätter treten aus 
dem Ganglion starke Nervenfasern ein (Fig. 23), die bei einigen Formen 
eine weite Strecke innerhalb des Epithels verlaufen (Nassa, Fig. 24), 
bei anderen (Murex) in der Bindegewebsschicht liegen und erst mit 
ihren letzten Ausläufern ins Epithel eindringen. 

An der Homologie dieses Geruchsorganes der Orthoneuren mit dem 
der Chiastoneuren kann kein Zweifel sein. Dies zeigt am schlagendsten 
die Innervirung, für deren Schilderung ich mich indessen etwas aus- 
führlicher über den Bau des Nervensystem der Orthoneuren auslassen 
muss, da die Beziehungen desselben zu dem der Chiastoneuren durch 
die Untersuchungen von v. Inerına nicht klar genug gestellt sind. Bei 
allen Orthoneuren finden wir die gleichen drei Ganglienpaare des Central- 
nervensystems wie bei den Chiastoneuren, und auch die Verbindung der 
Ganglien jeder Seite durch drei CGonnective ist dieselbe wie dort; ferner 
besteht eine Cerebral- und eine Pedalcommissur. Dagegen soll sich das 
Visceralnervensystem nach v. Inerıng ganz anders verhalten. Dasselbe 
ist nach den Angaben dieses Beobachters symmetrisch angeordnet, so 
dass » diejenigen Nerven, welche rechts entspringen, auch in die rechte 
Körperseite, und diejenigen, welche links entspringen, in die linke Seite 
des Körpers sich vertheilen. Das erleidet nur eine scheinbare Aus- 
nahme in dem Verhalten des Kiemennerven«, welcher aus dem rechten 
Commissuralganglion (— Pleuralganglion mihi) entspringend quer über 
die Eingeweidemasse hin nach links an die dort gelegene Kieme tritt. 
Diese Kieme aber ist nach v. Inerıng’s Ansicht die auf die linke Körper- 
seite translocirte rechte Kieme, die Asymmetrie des Nervensystems 
daher nur eine scheinbare!. Die visceralen Ganglien, deren Zahl und 
Anordnung wechselt, müssen wir an einem einzelnen Beispiele be- 
trachten, für das ich das von v. Inzrına auf Taf. VII, Fig. 32, von mir 
nach eigenen Untersuchungen in Fig. 4 abgehildete Nervensystem von 
Cassidaria echinophora wähle, die als ein typischer Repräsentant dieser 
Gruppe dienen kann. Es sind hier vier Visceralganglien vorhanden, 
die v. Inerıng als Abdominal-, Genital-, Renal- und Branchial-Ganglion 
bezeichnet. Das Abdominalganglion (Sb, Fig. 4) ist durch zwei Connec- 
tive, die v. Inzring als Visceralcommissur deutet, mit den Pleuralgan- 
glien der rechten und linken Seite anscheinend symmetrisch verbunden. 
Aus demselben entspringt neben einem Nerven zum Spindelmuskel ein 


I v. IHERING, a. a. ©. p. 104. 


338 J. W. Spengel, 


Connectiv zum Genitalganglion und von diesem ein solches zum Renal- 
ganglion, das »Nerven an die Niere, das Pericardium und vielleicht auch 
noch einen Ast an die Kieme abgiebt« (a. a. O. p. 124). Thatsächlich 
aber geht dieser Ast nicht an die Kieme, sondern läuft unter dem äußer- 
sten linken Rande der Kiemenhöhle, in Bindegewebe ziemlich dicht ein- 
gepackt, bis an das »Branchialganglion« (Sp) nach vorn und tritt in 
dieses ein. Ganz eben so verhalten sich u. A. Cassis, Dolium, Tritonium, 
Buccinum und vermuthlich viele, wenn nicht sämmtliche Orthoneu- 
ren. Die Verbindung zwischen dem Branchial- (Sp) und dem Renal- 
ganglion (Ab) ist bei Dolium und Tritonium schon von DELLE ChiAJE 
richtig beobachtet, wie aus den von KerzrstEin in Bronn’s Klassen und 
Ordnungen auf Taf. 86, Fig. 5 und Taf. 87, Fig. 2 reproducirten Ab- 
bildungen deutlich hervorgeht. Das Branchialganglion (Sp) aber ver- 
bindet sich nicht nur durch einen Strang mit dem rechten Pleuralganglion, 
wie es in v. Inerıng’s Figur dargestellt ist, sondern auch der daselbst 
mit 6 bezeichnete Nerv (Fig. #, s), der aus dem linken Pleuralganglion 
hervorgeht, tritt an das Branchialganglion, nachdem er einen Ast an den 
Sipho abgegeben hat. Es ist mir indessen wahrscheinlich, dass diese 
Anordnung nur dadurch zu Stande kommt, dass der Nerv 6 sich mit 
einen aus dem Branchialganglion zum Sipho tretenden Nerven verbindet, 
während ein Übergang von Fasern aus dem Nerven 6 in das Branchial- 
sanglion nicht stattfindet, und ich halte danach diese Verbindung nicht 
für eine ursprüngliche. So sind also sämmtliche visceralen Ganglien in 
einen Bogen eingeschaltet, dessen beide Enden jedoch gegabelt und mit 
beiden Pleuralganglien verbunden sind. Die in diesen -Bogen ein- 
geschalteten Ganglien nun verhalten sich genau so wie die Ganglien 
der Visceralcommissur der Chiastoneuren: das Abdominalganglion (Sb) 
giebt wie das Subintestinalganglion einen starken Nerven in die rechte 
Mantelhälfte, Genital- und Renalganglion versorgen wie das Abdominal- 
ganglion der Chiastoneuren (Ab) die Eingeweide, und das Branchialgan- 
glion (Sp) entsendet Nerven an die Kieme und an das Geruchsorgan. 
Kann sonach wol kein Zweifel darüber bestehen, dass die Visceralganglien 
der Orthoneuren denen der Chiastoneuren homolog sind, so wird man 
auch nicht lange im Zweifel darüber bleiben können, dass die homologe 
Commissur besteht, wenn man sieht, wie der Strang, der das linke Pleu- 
ralganglion mit dem Subintestinalganglion verbindet, unter dem Darme 
hinzieht, während derjenige zwischen dem Supraintestinalganglion und 
dem rechten Pleuralganglion über dem Darme verläuft. Dass aber die Ver- 
bindungen zwischen dem Subintestinalganglion und dem rechten Pleural- 
ganglion (s’) und zwischen dem Supraintestinalganglion und dem linken 
Pleuralganglion (s) als secundär zu betrachten sind, lehren uns schon 


Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 339 


die Chiastoneuren wie Vermetus und Oyclostoma (Fig. 3), bei denen ent- 
sprechende noch sehr feine Nerven auf einer oder auf beiden Seiten vor- 
handen sind. Weitere Bestätigung wird diese Auffassung durch die 
Schilderung des Nervensystems der zeugobranchiaten Ghiastoneuren 
(Haliotis, Fissurella ete.) erhalten. 

Es besteht somit auch bei Orthoneuren — ob bei allen, 
werden ausgedehniere Untersuchungen ergeben — eine geschlos- 
sene, und zwar wie bei den Chiastoneuren achterförmig 
gewundene Visceralcommissur, und die Symmetrie des 
visceralen Nervensystems kommt nur durch secundäre 
Verbindungen von Ganglien desselben mit den Pleural- 
ganglien zu Stande. Es ist möglich, dass bei manchen Formen die 
Continuität der Commissur unterbrochen ist und die secundären Ver- 
bindungen stärker als die primären geworden sind. Eine Eintheilung 
aber der Prosobranchien auf Grund des Vorhandenseins und Fehlens 
einer Torsion des Nervensystems ist nicht zulässig und um so weniger 
ausführbar, als wahrscheinlich reine Ghiastoneuren im Sinne 
v. Inerıng’s überhaupt nicht existiren. v. Inerına zählt zu 
diesen u. A. Cyclostoma, Turritella, Vermetus. Nach meiner obigen 
Darstellung des Nervensystems der Orthoneuren unterscheidet sich dieses 
‚yon dem der Chiastoneuren nur durch die Existenz zweier secundären 
Connective, von denen eines das Subintestinalganglion mit dem rechten 
Pleuralganglion, das andere das Supraintestinalganglion, beziehungs- 
weise durch Vermittlung eines von diesem ausgehenden Nerven, mit dem 
linken Pleuralganglion verbindet. Nun aber habe ich bereits erwähnt, 
dass eine derartige Verbindung des Subintestinalganglions bei Vermetus, 
des Supraintestinalganglions bei Oyclostoma durch Lacaze-Dutniers be- 
schrieben und abgebildet ist. Ferner aber beschreibt v. Inerına ! selbst 
unter dem Namen »Intervisceralcommissur« das Connectiv zwischen 
Subintestinalganglion und rechtem Pleuralganglion bei Turritella. Die 
über andere angebliche CGhiastoneuren vorliegenden Untersuchungen 
sind nicht so genau, dass man über diesen Punkt etwas Sicheres aus 
ihnen entnehmen könnte. Indessen genügt das Vorhandene im Zu- 
sammenhange mit dem nunmehr hinsichtlich der Orthoneuren Festge- 
stellten, um darzuthun, dass die Glassen der Ohiastoneura und 
Orihoneura v. Iurrına’s unhaltbar sind. 

An die anisobranchien Prosobranchien scheinen sich die Hetero- 
poden aufs Innigste anzuschließen, und man könnte geneigt sein, die 
geringen Abweichungen in ihrer Organisation auf Rechnung der An- 


1 H. v. Inerıng, Beiträge zur Kenntnis des Nervensystems der Amphineuren und 
Arthrocochliden. — Morphol. Jahrb. Bd. III. p. 166. 


340 J. W. Spengel, 


passung an die pelagische Lebensweise zu setzen. Indessen bestehen 
nach den bisherigen Schilderungen Unterschiede eingreifender Art im 
Nervensystem der Heteropoden. Es werden drei Paare von Ganglien 
beschrieben, die den perioesophagealen Ganglien der Prosobranchien 
entsprechen sollen und bei Formen wie Atlanta und Carinaria auch auf 
den ersten Blick zu entsprechen scheinen. Sichergestellt ist indessen für 
Atlanta nur die Verbindung zwischen Cerebral- und Pedalganglien durch 
Gerebropedal-Connective (durch GEGENnBAUR!), während Huxıey? auch 
ein von GEGENBAUR nicht beobachtetes Gonnectiv zwischen den Cerebral- 
ganglien und einem »parietosplanchnischen« Ganglion beschreibt und 
abbildet. Verbindungen zwischen dem Pedalganglion aber und den 
parietosplanchnischen Ganglien erwähnt keiner der beiden Beobachter. 
Bei Carinaria sind von MıLne-EpwaArps und später von v. IHERING sieben 
Ganglien beschrieben, nämlich zwei Cerebral-, zwei Pedal- und drei 
Visceralganglien, und zwischen diesen bestehen nach den genannten 
Autoren Gerebropedal-, Gerebrovisceral- und Visceropedal-Connective. 
Es scheint danach auf den ersten Blick kaum zweifelhaft sein zu können, 
dass die zwei Visceralganglien der Atlanta und zwei der Visceralgan- 
glien der Carinaria nicht als solche, sondern als Pleuralganglien ge- 
deutet werden müssen: v. Inzerına bezeichnet sie daher nach seiner 
Nomenclatur als » Gommissuralganglien« und das dritte Ganglion der; 
Carinaria als »Abdominalganglion«. So naheliegend diese Auffassung 
erscheint, muss ich sie doch für unrichtig halten, und zwar hauptsäch- 
lich wegen der Beziehungen zum Geruchsorgan, das bei allen 
Heteropoden vorhanden und von allen Untersuchern beobachtet, von 
R. LEUCKART 3 sogar schon als Geruchsorgan gedeutet ist. LEUCKART und 
GEGENBAUR nennen es » Wimperorgan«, Huxrey »ciliated band«. Bei 
Pteroirachea (Firola) beschreibt es Leuckarr sehr trefiend folgender- 
maßen: »Es liegt auf der Vorderfläche des Nucleus oberhalb der Niere 
und stellt eine kahnförmige Vertiefung von ziemlich ansehnlicher Größe 
dar, deren aufgewulstete Seitenränder mit langen und starken, rädern- 
den Wimperhaaren besetzt sind. — — An die hintere Fläche tritt vom 
vorderen Eingeweideganglion ein ansehnlicher Nervenstamm und endigt 
hier mit einer ganglionären Anschwellung. Das Ganglion hat eine 
spindelförmige Gestalt und reicht vom vordern bis zum hintern Ende des 
Wimperorgans.« lch selbst habe das Geruchsorgan von Pierotrachea 


1 C. GEGENBAUR, Pteropoden und Heteropoden. 4855. p. 107. 

2 T, H. HuxLev, On the morphology of the cephalous Mollusca. Phil. Trans. 
1853. p. 3 

3 R. LEUCKART, Zoologische Untersuchungen. Heft 3. Heteropoden, Zwitter- 
schnecken, Hectocotyliferen. 4854. p. 35—36. 


{eo} 


Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 341 


mutica untersucht und in Fig. 25 einen Schnitt durch dasselbe abge- 
bildet; man sieht das hehe Epithel des rinnenförmigen Organs und 
unter demselben den Durchschnitt des Ganglions, aus dem zu beiden 
Seiten Nerven in eine aus mehreren Lagen polygonaler Zellen zusammen- 
gesetzte Zone des Epithels eindringen. Nach außen von dieser Zone 
steht ein breiter Streifen von Wimperzellen, während den Grund der 
Rinne ein hohes Epithel einnimmt, in dem einzelne Zellen durch den 
Besitz einer ungemein langen, wie mir schien, nicht activ beweglichen 
Geißel ausgezeichnet sind. 

Dies Geruchsorgan liegt bei den mit Kiemen ausgerüsteten Hetero- 
podengattungen Atlanta, Carinaria und Pterotrachea an der Basis der 
Kieme, bei der kiemenlosen Firolo:des an der entsprechenden Stelle. Wie 
aber steht sein Ganglion mit dem übrigen Nervensystem in Zusammen- 
hang? Es verbindet sich nach den übereinstimmenden Angaben aller 
Beobachter, die ich für Pierotrachea und Carinaria bestätigen kann, mit 
einem der sog. Eingeweideganglien. Dann aber entsteht nothwendig die 
Frage: kann unter solchen Umständen dies Ganglion ein Pleuralganglion 
sein, wie v. Iurrıne will? Ich bemerke dazu, dass die Pleuralganglien 
bei allen Prosobranchien dadurch ausgezeichnet sind, dass sie keine 
peripherischen Nerven, sondern nur die Visceralcommissur und die 
secundären Wurzeln derselben abgeben. Dies ist dagegen bei den ver- 
meintlichen Pleuralganglien der Heteropoden nicht der Fall, sondern das 
linke Eingeweideganglion von Pterotrachea verhält sich hinsichtlich der 
abgehenden Nerven wie das Abdominalganglion der Prosobranchien ; 
ihm entspricht das mittlere Eingeweideganglion von Carinaria. Das linke 
von Carinaria versorgt wahrscheinlich die Haut des Nucleus und ver- 
hält sich wie das Subintestinalganglion, vom rechten aber geht ein Nerv 
zu den Kiemen und zum Geruchsorgan, also wie vom Supraintesti- 
nalganglion der Prosobranchien. Die Verbindung des Geruchsorgans 
mit dem rechten der hinteren Ganglien ist ferner für Atlanta, Ptero- 
trachea und Firoloides festgestellt. Ich nehme daher an, dass die hinte- . 
ren Ganglien der Heteropoden nicht Pleuralganglien, sondern Visceral- 
ganglien sind. Dem aber scheint einerseits das Verhalten der Connective 
zu widersprechen, während andererseits diese Auffassung eine andere 
Deutung der übrigen Ganglien als bisher erheischt. Die Entscheidung 
der hier vorliegenden Fragen wird am leichtesten durch eine genaue 


Untersuchung des Nervensystems von Atlanta zu gewinnen sein und 


abhängen von dem Ergebnis der Beobachtung hinsichtlich der Anord- 
nung der von mir als Visceralcommissur gedeuteten Nerven. Es war 
mir bei den langgestreckten Pterotracheen, die mir allein zu Gebote 
standen, nicht möglich, zu ermitteln, ob der aus dem linken »Pedalgan- 


249 J. W, Spengel, 


glion« kommende Nerv zum rechten Visceralganglion und umgekehrt 
der aus dem rechten Pedalganglion kommende zum linken Visceralgan- 
glion zieht, und ich muss gestehen, dass ich die Beantwortung dieser 
Frage für Pferotrachea fast für unmöglich halten möchte, wo sechs sehr 
lange und sehr feine Nerven nahezu parallel dicht neben einander ver- 
laufen. Vielleicht beweist in dieser Beziehung indessen die Richtigkeit 
meiner Auffassung das in mehrfacher Hinsicht lehrreiche Nervensystem 
von Firoloides Desmarestiü Fig. 6). Hier entspringen aus dem »Pedal- 
ganglion« vier Nerven, die sich zu einem Stamme vereinigen, und dieser 
theilt sich dieht vor dem Nucleus in zwei Aste zu den beiden Visceral- 
sanglien. Diese Äste aber umgreifen nicht den Darm, wie sie es noth- 
wendig thun müssten, wenn es die hinteren Enden der Pleuropedal- 
Connective wären, sondern sie lassen beide den Darm zur Linken, wie 
es der hintere Abschnitt der torquirten Visceralcommissur thun muss. 
Ich habe dieser Auffassung in der Färbung der Figur 6 Ausdruck ge- 
geben. Ist diese richtig, dann muss aber die Verbindung der Gerebral- 
sanglien mit den Visceralganglien, die nach den übereinstimmenden 
Angaben von MıLne-EDwARDS, GEGENBAUR und v. Inzrıng für Carinaria 
wol nicht bezweifelt werden kann, und die nach Huxrry auch bei Atlanta 
besteht, als secundär entstanden betrachtet werden. Doch auch mit 
dieser Annahme sind die Schwierigkeiten noch nicht beseitigt, denn es 
fehlen uns noch die Pleuralganglien und die von diesen ausgehenden 
Connective. Die Ersteren können nur in den bisher als Pedalganglien 
gedeuteten Ganglien mit enthalten sein, bei Carinaria und Pteroirachea 
wahrscheinlich in einem der mehreren Lappen derselben. Dafür spricht 
die Existenz von zwei CGonnectivpaaren zu den Cerebralganglien bei 
Carinaria, während allerdings bei Pterotrachea und Firoloides nur ein 
Paar vorhanden ist und dasselbe auch bei Atlanta nach GEGENBAUR und 
Huxıey der Fall ist. Doch zeigt uns Firolordes, dass es bei den Hetero- 
poden zu weitgehenden Verschmelzungen von Nerven kommen kann, 
indem hier eine innige Verwachsung zwischen den Schwanznerven und 
der Visceralcommissur (resp., im Falle der Unrichtigkeit meiner Deutung, 
den Pleuropedal-Connectiven) besteht. 

Nach meiner Auffassung besteht also das Nervensystem ar Hetero- 
poden (Fig. 5 und 6) aus zwei Cerebralganglien und zwei Pleuropedal- 
ganglien, zwischen denen die typischen Connective und Commissuren 
entweder deutlich erkennbar (Carinaria) oder durch Verschmelzung der 
Gerebropleural- und Gerebropedal-Connective verschleiert (Pferotrachea, 
Firoloides, Atlanta?) vorhanden sind, während die den Pleuralganglien 
entsprechenden Theile der Pleuropedalganglien durch eine achterförmige 
Visceraleommissur verbunden sind, in welche ein Abdominal- und ein 


Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken, 343 


Supraintestinalganglion (Pterotrachea, Firoloides und Atlanta) oder außer- 
dem noch ein Subintestinalganglion eingeschaltet ist, und vom Supra- 
intestinalganglion entspringt in allen Fällen ein Nerv 
zum Geruchsorgan. Damit würde das Nervensystem der Heteropo- 
den vollständig auf das der Prosobranchien zurückgeführt sein und, da 
in der übrigen Organisation vollkommenste Übereinstimmung zwischen 
beiden Molluskengruppenr herrscht, auch weiter kein Grund bestehen, 
die Heteropoden als Classe von den Prosobranchien zu trennen, sondern 
die Heteropoden sind durch Anpassungan die pelagische 
Lebensweise modificirte Prosobranchien. 

Dagegen lässt sich eine kleine, wie es scheint, scharf begrenzte 
Gruppe aus der Masse der Prosobranchien herausschälen, nämlich die 
von v. IHErInG unter dem Namen der Zeugobranchien seinen Chiastoneu- 
ren untergeordneten Haliotiden und Fissurelliden. Diese beiden Familien 
unterscheiden sich bekanntlich von den übrigen Prosobranchien durch 
den Besitz von zwei Kiemen, von denen die eine rechts, die andere 
links in der dorsalen Mantelhöhle liegt. Zwischen beiden Kiemen mün- 
det mit einem längern oder kürzern Analrohre der Darm aus, nachdem 
er kurz vorher das mit zwei Vorhöfen versehene Herz durchbohrt hat. 
Bei den Fissurelliden erscheinen die genannten Organe völlig symme- 
trisch angeordnet, bei den Haliotiden (Fig. 14) durch den großen Schalen- 
muskel sämmtlich nach links verschoben. Die Betrachtung des Nerven- 
systems lehrt indessen, dass diese Symmetrie nur eine scheinbare oder 
secundäre ist, und wir werden sehen, dass der Körper der Zeugobran- 
chien durchaus die typische Torsion des Prosobranchienkörpers besitzt. 

Der Bau des Nervensystems von Haliotis (Fig. 1) ist dank den treff- 
lichen Untersuchungen von LacAze-DurHIers so genau bekannt wie von 
wenigen anderen Mollusken. Ich habe daher der Beschreibung des fran- 
zösischen Beobachters nichts hinzuzufügen, kann indessen in der Deu- 
tung eines wichtigen Abschnittes mit ihm und mit v. Iuerıng, der sich der 
Auffassung von LACAZE-DUTHIERS angeschlossen hat, nichtübereinstimmen. 
Die gangliösen Theile des perioesophagealen Nervensystems sind bei Halio- 
iis weniger von den Fasersträngen geschieden, und man kann daher keine 
scharf begrenzten Ganglien erkennen; aber es ist doch möglich, die den 
typischen Ganglien entsprechenden Abschnitte zu unterscheiden und zu 
benennen. Am leichtesten gelingt dies für die Cerebralganglien (Ce), die 
‚zu beiden Seiten des Munddarmes liegen, während die Pedal- und Pleu- 
ralganglien einen gemeinsamen queren Strang (Pl.Pe) unter dem Schlunde 
bilden, der durch ein Gerebropedal- (ce.pe) und ein Cerebropleural- (ce.pl) 
Connectivpaar mit den beiden Cerebralganglien verbunden ist. Von diesem 
Pleuropedalstrange laufen zwei starke, von Ganglienzellen begleitete 


344 J. W, Spengel, 


Nerven (pe) in der Fußmusculatur bis nahe an das hintere Fußende, die 
durch eine Anzahl von Commissuren zu einer Art Strickleiter verbun- 
den sind. Von jedem dieser Stränge (Fig. 26) gehen lateralwärts zweierlei 
Nerven ab, von denen die ventralen den Fuß, die dorsalen die für Halio- 
tıs charakteristische krausenartige Umsäumung des dorsalen Theiles des 
Fußes versorgen. Lacaze-Duruiers betrachtet diese Krause als einen 
Theil des Mantels und nennt ihn daher »manteau inferieur«. Es würde 
danach von den großen Längsnervensträngen nicht nur der Fuß, sondern 
auch ein Theil des Mantels versorgt werden, und diese Thatsache ver- 
anlasst LAcaze-Duruiers, in den Längsnerven zwei Stränge zu unter- 
scheiden, nämlich einen »grand nerf palleal inferieur« und einen »grand 
nerf pedieux posterieur«, die nur durch eine »trace transparente « 
getrennt seien (p. 272). v. Inzrınag acceptirt diese Deutung und be- 
zeichnet den dorsalen Strang als »primären Pallialnerven«, den ventra- 
len als » primären Pedalnerven«, obwohl er die Krause als eine Epipo- 
dialbildung ansieht (p. 71). Dass v. Inzrıng im Rechte ist, wenn er die 
Krause dem Fuße zuzählt, geht aus jedem beliebigen Querschnitte durch 
eine Haliotis (Fig. 26 kr) unzweifelhaft hervor, eben so aber auch, dass 
die Trennung der Längsnerven in zwei Stränge in Wirklichkeit nicht 
besteht, sondern nur durch eine seichte Längsfurche vorgetäuscht wird. 
Dann aber können diese Nerven nur die Pedalnerven sein, und als solche 
müssen wir sie bezeichnen. Aus den Seiten des Pleuropedalstranges 
entspringt endlich die Visceralcommissur, die sich im Wesentlichen ganz 
eben so verhält wie die der anisobranchiaten Prosobranchien, vor Allem 
in typischer Weise torquirt ist, hinsichtlich der von ihr ausgehenden Nerven 
aber unser größtes Interesse beansprucht. Es ist hier (Fig. 1) nur ein 
Ganglion (Ab) in die Commissur eingeschaltet, das Abdominalganglion ; 
aus den dem Supra- und dem Subintestinalganglion entsprechenden 
Winkeln, an denen keine Ganglien liegen, geht je ein starker Nerv her- 
vor, der alsbald in ein Ganglion (O) eintritt. LacAze-Duruiers nennt 
diese Ganglien »ganglions branchiaux«, v. Inerıng aber hält sie für die 
beiden seitlichen Visceralganglien (Supra- und Subintestinalganglion). 
In Wirklichkeit haben dieselben eine ganz andere Bedeutung: es sind 
die Ganglien des bei Haliotis paarigen Geruchsorganes. An 
der Basis jedes Kiementrägers sieht man (Fig. 14) ein im Leben durch 
braunes Pigment ausgezeichnetes ovales Knötchen, das sich nach vorn 
in ein längs des freien Randes des Kiementrägers hinziehendes, gleich- 
falls pigmentirtes Band fortsetzt, und durchaus dem Geruchsorgan der 
Trochiden gleicht. Auf Querschnitten erkennt man in der Mitte das 
Ganglion und aus diesem strahlt eine Anzahl von Nerven aus, die in das 
flimmernde hohe Sinnesepithel, den Träger des Pigments, eintreten. Aus 


Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 345 


dem hinteren Theile des Ganglions zweigt sich ein Nerv ab, der die 
Kieme versorgt. 

Das Nervensystem von Fissurella stimmt in jeder Beziehung mit 
dem von Haliotis überein. Auch hier sind die zwei Längsnerven des 
Fußes, die durch Commissuren strickleiterartig verbunden sind, nicht 
primäre Pedal- und primäre Pallialnerven, wie v. Inerıng will!, sondern 
ausschließlich die Pedalnerven. Und eben so wie bei Haliotis sind nicht 
nur zwei Kiemen, sondern auch zwei an der Basis der Kiemen gelegene 
Geruchsorgane von einfachstem Baue vorhanden. 

An die Haliotiden und Fissurelliden schließen sich die Palelliden an, 
die eine besondere Besprechung verlangen, da sie einige bemerkens- 
werihe Abweichungen darbieten und vermuthlich Übergangsformen von 
den Zeugobranchien zu den Anisobranchien enthalten. Dar? zerlegt die 
Patella-ähnlichen Schnecken in zwei Familien, von denen die der Ac- 
maeidae (mit den Gattungen Acmaea, Lottia und Scurria) durch den 
Besitz einer Kieme in der Mantelhöhle, die der Paiellidae (mit den Gat- 
tungen Patella, Patinella, Nacella, Helcion und Patina) durch den Mangel 
einer solchen »Nackenkieme«, dagegen den Besitz von Kiemenfäden in 
der Mantelrinne charakterisirt ist. Da die Gattungen Lottia und Scurria 
gleichzeitig eine Nackenkieme und Kiemenfäden in der Mantelrinne be- 
sitzen, so ist die morphologische Heterogeneität dieser beiden Arten von 
Athmungsorganen unzweifelhaft. Geruchsorgane waren bisher nicht be- 
kannt. Leider habe ich keinen Vertreter der Acmaeiden untersuchen 
können und muss mich auf eine Schilderung des Nervensystems von 
Paielliden beschränken, von denen ich Paiella vulgata untersucht habe 
(Fig. 2). Die beste Abbildung verdanken wir Lacaze-Durniers®; auch 
die von v. Inerına (Taf. VII, Fig. 31) ist im Wesentlichen richtig, giebt 
aber die Formverhältnisse ungenau wieder. Beide Beobachter stellen 
die achterförmig gewundene Visceralcommissur mit dem Abdominalgan- 
glion richtig dar und lassen von den dem Supra- und Subintestinalgan- 
glion entsprechenden Winkeln je einen Nerven zum Mantel treten. Ver- 
folgt man indessen diesen bis zu seinem Ende, so findet man daselbst 
ein kleines Ganglion (0), und über diesem liegt, wie man an Schnitten 
leicht sieht, ein hobes Cylinderepithel. Es kann wohl keinem Zweifel 
unterliegen, dass wir auch hier wieder zwei Geruchsorgane mit den 


1 H. v. Inerıng, Beiträge zur Kenntnis des Nervensystems der Amphineuren 
und Arthrocochliden. Morph. Jahrb. Bd. II. p. 159. 

2 W.H. DauL, On the limpets, Amer. Journ. of Conchology, vol. VI. pt. 3. 
1871. p. 228— 282. 

3 H. pe LacAze-Durniers, Otocystes ou capsules auditives des Mollusques. Arch. 
Zool. experim. t. 1. pl. IV, Fig. 46. 


346 J. W. Spengel, 


dazu gehörigen Ganglia olfactoria vor uns haben. Neben jedem ein 
kleines ovales Gebiet einnehmenden Geruchsorgane aber liegt eine gleich- 
falls ovale kleine Papille von orangegelblicher Färbung die (Fig. 28 k) von 
einem Netze relativ weiter Ganäle durchzogen ist und in der ich ein 
Rudiment der Nackenkieme glaube erblicken zu dürfen. Diese Deutung 
bedarf natürlich der Prüfung durch Untersuchungen über die Beziehungen 
zum Gefäßsystem so wie über das Verhalten bei anderen Arten und Gat- 
tungen der Patelliden, in denen möglicherweise die Organe in weniger 
reducirtem Zustande sich vorfinden werden. Bei Patina pellucıda 
scheinen sie mir noch weniger entwickelt als bei Patella; doch sind auch 
hier die beiden Geruchsorgane vorhanden. 

Die von mir als rudimentäre Kiemen gedeuteten Organe der Patella 
vulgata sind in neuerer Zeit von zwei Beobachtern gesehen, indessen 
völlig verkannt worden. Ray LAnk&ster ! bezeichnet sie als » capito-pedal 
orifices« und sagt an einer Stelle, sie mündeten »in den die pharyngealen 
Eingeweide umgebenden Blutsinus«, an einer andern dagegen, sie 
» möchten als Genitalporen dienen«. v. Inrrına aber, der die Organe 
zuerst abbildet und für sie den Namen » Nuchalöffnungen « vorschlägt, 
konnte eine innere Öffnung nicht finden, und es schien ihm »als ob 
durch diese Nuchalöffnungen die in der Körperwand enthaltenen Blut- 
räume sich nach außen öffneten«2. Ich kann dagegen mit Bestimmtheit 
erklären, dass eine äußere Öffnung nicht existirt, die in Rede stehenden 
Organe daher weder Geschlechts- noch Gefäßöffnungen sein können, sehe 
aber in den Angaben der beiden genannten Beobachter über den Zu- 
sammenhang mit Theilen des Gefäßsystems eine Bestätigung meiner 
Deutung derselben als Kiemenrudimente, für welche mir in erster 
Linie das topographische Verhalten zum Geruchsorgan und Ganglion 
olfactorium zu sprechen scheint. 

Schon bei Haliotis und Patella glaube ich die Anlagen der secun- 
dären Wurzeln der Visceralcommissur zu erkennen, und zwar in zwei 
Nerven, welche aus den Pleuralganglien entspringen. Bei Haliotis ver- 
bindet sich der linke (s) nach Lacaze-Durniers bereits in der für die 
Orthoneuren v. Inerıng’s typischen Weise mit der Visceraleommissur, wäh- 
rend der rechte (s’) in die rechte Seite des Mantels tritt. Bei Patella 
gehen beide in den Mantel und versorgen die hier gelegenen respira- 
torischen Blättchen. 

Wollen wir auf Grund der auf den vorhergehenden Blättern darge- 


1 E. Ray LANKESTER, On some undescribed points in the anatomy of the limpet 
(Patella vulgata). Ann. and Mag. Nat. Hist. (3) vol. XX. p. 334. 

2 H. v. Inerıne, Zur Morphologie der Niere der sog. Mollusken. Diese Zeitschr. 
Bd. XXIX. p. 605. 


Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 347 


stellten Thatsachen die Frage beantworten, wie wir uns die merkwürdige 
Torsion der Visceralcommissur entstanden denken sollen, so müssen 
wir zuvor erwägen, in welcher Gruppe der Prosobranchien wir die ur- 
sprünglichsten Formen zu erblicken haben. Nach der obigen Darstellung 
vom Verhältnis des Nervensystems der Chiastoneuren und des der Ortho- 
neuren zu einander könnte es auf den ersten Blick am einfachsten und 
naturgemäßesten erscheinen, die Orthoneuren als die ursprünglicheren 
Formen anzusehen und aus dem Nervensystem derselben dasjenige der 
Chiastoneuren dadurch abzuleiten, dass man sich die oben als secun- 
däre Wurzeln der Visceralcommissur bezeichneten Connective zwischen 
den Pleural- und Visceralganglien weggefallen denkt. Allein man über- 
zeugt sich doch bei reiflicher Erwägung der Thatsachen, dass die Sym- 
metrie des visceralen Nervensystems der Orthoneuren doch nur schein- 
bar ist. Wollte man das Subintestinalganglion in die Mittellinie, das 
Supraintestinalganglion sammt derKieme gemäß der Auffassung v. Inerıng’s 
an die rechte Seite verlegen und so die vermeintliche ursprüngliche Lage 
wieder herstellen, so würde zwar das Subintestinalganglion mit den 
beiden Pleuralganglien symmetrisch verbunden sein, die Visceralcom- 
missur aber, die Supra- und Subintestinalganglion verbindet, wäre gar 
keine Commissur mehr, sondern ein ausschließlich der rechten Seite 
angehöriger Nervenbogen, wie man sonst nichts der Art kennt, und die 
Existenz des Connectivs vom linken Pleuralganglion zu dem nach der 
Voraussetzung rechts gelegenen Supraintestinalganglion bliebe unerklärt. 
Dazu aber kommt, dass die Annahme derTranslocirung der rechten Kieme 
an die linke Seite des Darmes durch nichts mehr gerechtfertigt ist, nachdem 
wir erkannt haben, dass das zur Linken der Kieme gelegene gefiederte 
Organ keine rudimentäre Kieme, sondern ein Sinnesorgan ist. Vollends 
unhaltbar aber wird diese Hypothese durch den Nachweis der Existenz 
von zwei solchen Sinnesorganen bei den mit zwei echten Kiemen aus- 
gestatteten Zeugobranchien. Die Kieme der anisobranchiaten Prosobran- 
chien gehört mithin der linken Seite des Körpers an. Dann aber ist die 
Ableitung der Zeugobranchien aus diesen ganz undenkbar; es bleibt 
vielmehr nichts übrig, als die Zeugobranchien als die ursprünglicheren 
Formen zu betrachten. Dafür spricht von vorn herein der Umstand, dass 
- ihr Körper zwar nicht vollkommen symmetrisch ist, aber ein großer Theil 
der Organe doch wenigstens paarig ist. Dahin gehören in erster Linie 
die Kiemen und die Geruchsorgane, das Herz mit seinen zwei Vorhöfen 
und endlich nach den Beobachtungen v. Iszrıng’s! die Nieren. Zu letzte- 
rem Punkte muss ich mir jedoch einige Bemerkungen erlauben. An der 


. 21H. v. Iaerıng, Zur Morphologie der Niere der sog. Mollusken. Diese Zeitschr. 
Bd. XXIX. p. 537. 


348 J. W, Spengel, 


Existenz der beiden von v. Inerıng beschriebenen Organe kann kein 
Zweifel sein, eben so wenig wie an derjenigen ihrer symmetrisch rechts 
und links vom After gelegenen Mündungen. Allein es bleibt die merk- 
würdige, von v. IHErRInG richtig angegebene Thatsache bestehen, dass 
die Wandung der beiden Organe eine ganz verschiedene Structur be- 
sitzt, und derselben kommt doch vielleicht eine größere Bedeutung zu, 
als ihr Entdecker geneigt ist zuzugeben. v. Iuerına erwähnt nämlich 
nicht, dass man von einigen Anisobranchien (Purpura, Murex) zwei 
Drüsen zu den Seiten des Afters kennt, außer der Niere eine » Anal- 
drüse «, die LacazE Dutuiers entdeckt und in seiner Abhandlung über 
den Purpur beschrieben hat!. Ich möchte daher die Frage aufwerfen, 
ob nicht diese » Analdrüse« einer der beiden Nieren der Zeugobranchien 
entspricht. Dadurch wäre es natürlich nicht ohne Weiteres ausge- 
schlossen, dass beide Organe der Zeugobranchien Nieren seien, denn es 
könnte ja recht wol eine der Nieren zur Analdrüse herabgesunken sein. 
Andererseits ist es aber auch möglich, dass nur das eine Organ eine 
Niere ist. Darüber wird vor Allem der Nachweis einer Communication 
mit dem Herzbeutel entscheiden: mir ist ein solcher nur für die linke 
Niere von Haliotis gelungen. Diese aber ist gerade die kleinere und wird 
von v. Inzrıng bei Fissurella sogar als rudimentär bezeichnet. Ohne 
darauf viel Gewicht legen zu wollen, muss ich es aber doch jedenfalls 
für unrichtig halten, wenn v. Inerıne die linke Niere bei den Anisobran- 
chien völlig schwinden lässt; denn bei allen hierher gehörigen Arten, 
die ich selbst untersucht und von denen ich Abbildungen (z. B. in Bronn- 
Krrerstein, Taf. 78, 79) gesehen habe, liegt die Nierenöffnung zwischen 
Enddarm und Kieme, also links vom Darm, und auch LAcAZzE-DUTBIERS 
sagt von der Niere des Vermetus, sie finde sich in der »position habi- 
tuelle qu’on lui connait; on le trouve ä gauche de l’intestin rectum «2. 
Die Morphologie der Prosobranchien-Niere bedarf also, wie man sieht, 
einer neuen Untersuchung, welche diesen Möglichkeiten Rechnung trägt?®. 
Wie indessen die Antwort auch ausfallen mag, sie ändert an der That- 
sache nicht viel, dass bei den Zeugobranchien Organe paarig sind, welche 
bei den Anisobranchien nur einseitig ausgebildet sind, und in dieser 
Beziehung stehen gewiss die Ersteren den Urmollusken näher als die 

1 H. De LAcAzE-Dutniers. Memoire sur la pourpre. Ann. Sc. Nat. Zool. (4) t. 12. 
p- 45. 

2 H. pe LAcAzE-Dutalers, M&emoire sur l’anatomie et !’embryog£nie des Vermeis. 
Ann. Sc. Nat. Zool. (4) t. 43. p. 236. 

3 Ich habe gelegentlich die Nieren einiger Prosobranchien (Dolium, Cassis, Cassi- 
daria, Buccinum, Murex) untersucht und überall einen großen Renopericardialporus 


gefunden, der meines Wissens bis jetzt von Prosobranchien (abgesehen von den 
Heteropoden) nicht bekannt war. 


Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. | 349 


Letzteren, und wir werden daher, wenn wir eine Erklärung für die 
Kreuzung der Visceraleommissur suchen, von den Zeugobranchien aus- 
gehen müssen. 

Wenn die Torsion im Laufe der Ontogenie zu Stande kommt, so dürfen 
wir erwarten, dass es möglich sein wird, dieselbe durch Rückdrehung 
wieder aufzuheben. Dieser Versuch muss natürlich mit der größten 
Umsicht ausgeführt werden, und namentlich darf man die Verbindungen, 
die zwischen dem Nervensystem und verschiedenen Organen des Körpers 
bestehen und natürlich den Bewegungen gewisse Schranken setzen, 
nicht außer Augen lassen. Die perioesophagealen Ganglienpaare müssen 
unverrückt um den Vorderdarm herum liegen bleiben: die Drehung be- 
schränkt sich auf die Visceralcommissur. Diese steht durch zwei Nerven 
mit epithelialen Sinnesorganen in Verbindung, die in der Rückenhaut 
des Thieres liegen, innerhalb dieser aber verschiedene Lage einnehmen 
können. Nicht ohne Weiteres klar ist die Lage der Commissur zum 
After, in so fern bei allen Zeugobranchien ein längeres Analrohr in die 
Kiemenhöhle hineinragt, an dessen Basis ventralwärts das Abdominal- 
ganglion liegt. Trotzdem hat man die Commissur als dorsal vom End- 
darm gelegen und nur durch die Ausbildung des dorsalwärts gekrümm- 
ten Afterrohres scheinbar ventral gerückt zu betrachten. Denn das 
terminale Ende des Körpers fällt bei den Zeugobranchien wie bei allen 
übrigen Prosobranchien nicht mit dem Hinterende zusammen, sondern 
ist auf den Rücken verschoben. Die weiteren Betrachtungen werden 
diese Auffassung erläutern und bestätigen. Durch dieselbe ist uns gleich 
ein Schritt vorgezeichnet, den wir bei unserm Versuche zur Rückdrehung 
des Nervensystems zu thun haben: wir müssen den After wieder ans 
Hinterende des Körpers bringen und lassen dabei die ihm benachbarten 
Theile, nämlich die Nierenöffnungen,, die Kiemen sammt den Geruchs- 
organen und das Abdominalganglion, folgen. Wir können dies Ziel auf 
dreierlei Wegen erreichen, indem wir den After erstens längs der Mittel- 
linie, zweitens im Bogen über die rechte Seite, drittens im Bogen über 
die linke Seite ans Hinterende schieben. Keine dieser Bewegungen allein 
‚ führt zur Aufhebung der Torsion der Visceraleommissur. Durch eine 
‚ Verschiebung im Bogen über die linke Seite würde die Torsion noch 
vermehrt werden, während eine Verschiebung über die rechte Seite 
zwar zur Folge haben würde, dass das Supraintestinalganglion in die 
rechte 'Körperhälfte fiele, allein das Subintestinalganglion bliebe nach 
‚ wie vor gleichfalls in der rechten Hälfte liegen, da die Verbindung mit 
, dem Geruchsorgane verhindert, es unter dem Darme fort auf die linke 
‚ Seite zu ziehen. Eine Bewegung des Afters in der Mittellinie nach hin- 
‚ ten aber bringt allein keine irgend wesentlichen Veränderungen hervor. 
Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. XXXV. Ba. DA 


390 J.. W. Spengel, 


Es muss gleichzeitig eine Lagerungsänderung der umgebenden Organe, 
namentlich der Kiemen, und Geruchsorgane stattfinden, und zwar. in der 
Weise, dass dieselben sich um den Afterals Mittelpunkt eines 
Kreises so drehen, dass die linke Kieme mit dem zuge- 
hörigenGeruchsorgan imBogen vor demAfter herumauf 
die rechte, die rechte Kieme mit dem zugehörigen Ge- 
ruchsorgane im Bogen hinter dem After herum auf die 
linke Körperseite gelangt, bis sie gerade die entgegen- 
gesetzte Lage einnehmen. Während dieser Bewegung zieht sich 
die subintestinale Hälfte der Visceraleommissur unter dem Darme auf 
die linke Seite hinüber, denn sie findet kein Hindernis mehr, da die 
Verbindung des Subintestinalganglions mit dem Geruchsorgane jetzt 
hinter dem After vorbeischlüpfen kann, während die supraintestinale 
Hälfte gleichfalls unbehindert auf die rechte Seite gleitet. Der zwischen 
beiden Ganglien gelegene mittlere Abschnitt der Gommissur aber liegt 
nicht mehr vor, oder dorsal vom After, sondern hinter oder ventral von 
demselben. An dieser Drehung müssen natürlich alle benachbarten 
Organe theilnehmen, unter denen die Nieren und namentlich das Herz 
zu nennen sind. Die Vorhöfe des letzteren, in welche. bei den Zeugo- 
branchien wie bei allen übrigen Prosobranchien die Kiemenvenen von 
vorn her einmündeten, nehmen diese nach der Rückdrehung von hinten 
her auf, und die Aorta entspringt aus dem nunmehr naeh vorn gewendeten 
Ende des Herzens. Das Thier ist also nicht mehr prosobranchiat, 
sondern opisthobranchiat. Esist vollkommen symmetrisch und 
nur mit medianen oder paarigen Organen ausgestattet!. Um den Vorder- 
darm liegen die drei typischen Ganglienpaare mit den typischen Gonnec- 
tiven und Commissuren. Die Visceralcommissur ist sehr langgestreckt und 
liegt mit ihrem hintern Abschnitte hinter dem After, d. h. an der ven- 
tralen Seite des Darmes. Rechts und links vom After findet sich eine 
Nierenöffnung und eine Kieme, an deren Basis ein von der Visceral- 
commissur aus innervirtes Geruchsorgan mit großem Ganglion olfac- 
torium liegt. In die zwei Vorhöfe des Herzens münden von hinten die 
zwei Kiemenvenen ein. Aus einem so organisirten Mollusk kann man 
‚sich durch eine der Bewegung des Uhrzeigers entgegen- 
gesetzt gerichtete Drehung des den Enddarm umgeben- 
den Organcomplexes um den Enddarm als Achse die 
Lagerung der Organe im Körper der Zeugobranchien entstanden | 


1 Ich nehme dabei einstweilen die Duplicität der Nieren an. Die Geschlechts- 
sind noch nicht genügend untersucht, dass man sich eine Vorstellung von 
Irzustande bilden könnte. 


Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken, 351 


denken !, und ich bin geneigt, anzunehmen, dass diese Lagerung wirk- 
lich im Laufe der Ontogenie auf ähnliche Weise zu Stande kommt. Die 
Beobachtungen über die späteren Phasen der Entwicklung der Proso- 


{UNNA 


LITITTT 
ATI 


A 
CE O 
n I®) 
= Ö 
ACH GE 


Holzschnitt A. 


! Ich habe in obenstehendem Holzschnitte einige successive Phasen dieses 
Drehungsvorganges darzustellen versucht, bemerke jedoch, dass in der Wirklichkeit 
die unter gleichzeitiger Größenzunahme des ganzen Thieres stattfindenden Ver- 
' schiebungen nicht so auffällig und ausgiebig zu denken sind. Am besten kann man 
‘ sich die etwas complicirten Lageveränderungen, welche diese Drehung zur Folge 
hat, in allen ihren Phasen an einem einfachen Modelle klar machen, das ich mir 
zusammengestellt habe, und das der Präparator GrApE am Zool.-zoot. Institut hier- 
selbst auf Wunsch anzufertigen bereit ist. Es besteht aus einem mit einem Glas- 
boden versehenen Blechkasten, in dem ein den Darm repräsentirender Eisenstab 
angebracht ist; um das hintere, den After darstellende Ende dreht sich eine Scheibe, 
welche einen kreisförmigen Ausschnitt der Decke des Kastens ausfüllt und außen 
die Kiemen nebst Geruchsorganen und die Manteldecke, innen das Herz, die Nie- 


3u 


352 J. W. Spengel, 


branchien sind indessen noch zu dürftig, um eine Discussion aus diesem 


Gesichtspunkte zu gestatten. 

Entspricht der im Obigen dargelegte Versuch zur Erklärung der 
hisher räthselhaften Kreuzung des visceralen Nervensystems der Proso- 
branchien in der Hauptsache der Wirklichkeit, so ist also die linke 
Kieme der Zeugobranchien eigentlich die rechteund um- 
gekehrt, und dasselbe gilt für die Geruchsorgane und die Nieren. 

Die Ableitung der Anisobranchien aus den Zeugobranchien ergiebt 
sich dann von selbst; nämlich einfach durch den Schwund der rechten 
Niere (siehe oben p. 348), der rechten Kieme und des rechten Geruchs- 
organes und compensatorische Vergrößerung der entsprechenden Or- 
gane der linken Körperhälfte. — So bin also auch ich zu dem Resultate 
gelangt, dass die zur linken Seite des Darmes gelegene Kieme der Aniso- 
branchien eine translocirte rechte Kieme ist, allein auf ganz anderm 
Wege und in ganz anderm Sinne als v. Inrrıng; die sog. »rudimentäre 
Kieme« aber ist überhaupt kein Athmungsorgan, sondern ein Sinnes- 
organ und gehört nicht der entgegengesetzten, sondern derselben Seite 
wie die Kieme an. 

Es entsteht jetzt natürlich die Frage, ob es etwa Mollusken giebt, 
die diesen hypothetischen zurückgedrehten Prosobranchien entsprechen, 
beziehungsweiseZwischenformen zwischen diesen und den gewöhnlichen 
Prosobranchien. Zwischenformen nun sind meines Wissens nicht be- 
kannt, und es scheint mir der Natur der Sache nach durchaus nicht 
nothwendig, dass sie je als ausgebildete Thiere bestanden haben. Denn 
wenn einmal die Druck- und Zugkräfte zu wirken begonnen hatten, 
welche die Drehung herbeiführten, so werden sie wahrscheinlich erst 
zur Ruhe gekommen sein, nachdem eine annähernde secundäre Sym- 
metrie erreicht war. Dagegen scheint mir ein Thier zu existiren, das 
der symmetrischen Stammform der Prosobranchien sehr nahe stehen 
dürfte, obwohl es in einem Punkte eine mir bis jetzt unerklärliche Ab- 
weichung zeigt. Es ist Chiton. Wir besitzen über das Nervensystem 
desselben außer einigen älteren Beschreibungen von CuvIErR, GARNER U. A. 
zwei ausführlichere Untersuchungen von E. Branpr! und von v. IHERING?. 


ren und zwei kleine Ösen trägt. Durch diese Ösen läuft eine Gummischnur, welche 
von den gleich den übrigen perioesophagealen Ganglien mit Ölfarbe auf den Glas- 
boden gemalten Pleuralganglien ausgeht und die Visceralcommissur darstellt. 

1 E. Branpt, Über das Nervensystem von Chiton (Acanthochites) fascicularis. 
Bull. Acad. Petersb. t. XIII. 4869. p. 462. 

2 H. v. Inerıng, Vergleichende Anatomie des Nervensystems und Phylogenie 
der Mollusken. p. 43. Ferner: Beiträge zur Kenntnis des Nervensystems der Amphi- 
neuren und Arthrocochliden. Morph. Jahrb. Bd. III. p. 456. 


Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 353 


Da die Darstellungen dieser Beobachter in einigen Punkten von einander 
nicht unerheblich abweichen, so habe ich einen Versuch gemacht, mir 
selbst durch Präparation und Schnitte das Nervensystem von Chiton vor 
Augen zu führen, ohne dass ich indessen zu vollkommener Klarheit ge- 
langt wäre. Beide Autoren beschreiben einen supraoesophagealen Bogen 
(Fig. 12 Ce) und von den Enden dieses ausgehend jederseits zwei starke 
Nervenstränge (Pe und V:), von denen der laterale (Vi) an der Basis der 
Kiemen hinziehend diese versorgt und von Branpr als » Kiemennerv «, 
von v. IHErıng als » primärer Pallialnerv« bezeichnet wird, während der 
mediale Strang, der Äste an den Fuß liefert, bei Branpr » Pedalnerv «, 
bei v. Iuering » primärer Pedalnerv« heißt. Der letztere Beobachter nun 
hat gefunden, dass die beiden primären Pedalnerven wie die ent- 
sprechenden Nerven von Haliotis und Fissurella durch eine Anzahl feiner 
Commissuren verbunden sind und dass »die beiden primären Pallial- 
nerven am bintern Körperende bogenförmig in einander übergehen « 
(Morph. Jahrb. III. p. 156). Unter dem Schlunde verläuft eine Com- 
missur, in welcher beide Autoren zwei laterale Ganglien unterscheiden 
(Subpharyngealganglien v. Iuerıng’s, vordere untere Pharyngealganglien 
Brandr’s); v. Inerıng nennt die Commissur »Subpharyngeal-Commis- 
sur«. Ich kann in diesen Subpharyngealganglien nach meinen Präpara- 
ten nichts erkennen als die etwas stärkeren Wurzeln der Commissur, 
die ich für die Pedalcommissur halte; es existirt ja auch bei Haliotis und 
Fissurella außer den zahlreichen feinen Commissuren zwischen den 
Pedalnerven eine stärkere vorderste Commissur als besondere Pedal- 
commissur. Die » primären Pallialnerven « betrachtet v. Inerıng als homo- 
log den von ihm mit dem gleichen Namen belegten dorsalen Hälften der 
Längsnerven des Fußes der Zeugobranchien; nachdem wir aber erkannt 
haben, dass diese eben nur die dorsalen Hälften der Pedalnerven sind 
und daher auf den Namen Pallialnerven keinen Anspruch haben, können 
wir auch diese Homologisirung nicht annehmen. Ist aber dieser Ver- 
gleich ausgeschlossen, so bleibt nur die Visceralcommissur übrig, und in 
der That bilden ja die in Rede stehenden Nerven bei Chiton, wie 
v. IBerıng nachgewiesen hat und durch Schnitte und Präparation leicht 
zu bestätigen ist, eine Commissur, d. h. sie gehen bogenförmig in ein- 
‚ ander über. Ich will aber sogleich darauf hinweisen, dass dieser hin- 
‚ tere bogenförmige Abschnitt bei Chiton stets dorsal vom Darme liegt, 
‚ während die Visceralceommissur vor der Drehung ventral liegt. Trotz- 
dem glaube ich, an dieser Deutung, welche mir allein das Nervensystem 

der Polyplacophoren auf das der übrigen Mollusken zurückzuführen zu 
' gestatten scheint, festzuhalten, zumal da von dieser Visceralcommissur 
| wie bei den Prosobranchien die Nerven für die Kiemen abgehen. Die 


354 I J. W. Spengel, 


Kiemen aber sollen nach v. Inerına mit den Kiemen der Prosobranchien 
nichts zu thun haben, sondern wie diejenigen von Patella »Epipodial- 
kiemen « sein. Dagegen ist zunächst zu bemerken, dass die Vergleichung 
der Kiemen von Patella und Chiton von allen Untersuchern von Wiırrıans ! 
bis auf Dar ? mit Recht nachdrücklichst zurückgewiesen ist; ferner aber, 
dass weder die Kiemen von Patella noch die von Chiton als Epipodial- 
kiemen bezeichnet werden können, da beide dem Mantel angehören und 
dementsprechend innervirt sind, nämlich nach v. Inerrıng’s eigener 
Darstellung und Bezeichnung vom »primären Pallialnerven«. Anderer- 
seits hat schon WırLıams auf Grund einer sorgfältigen Untersuchung der 
Chitonkiemen ausgesprochen, »wenn bei COhiton zu jeder Seite der 
Afteröffnung ein Kiemenkegel stände und ohne Veränderung seiner 
Gestalt einfach vergrößert würde, so würden dadurch die Kiemen von 
Fissurella simulirt«, und ferner, »in der anatomischen Anordnung seien 
beide (d. h. die Kiemenkegel von Ohiton und die Kiemen von Fissurella) 
genau gleich«, und ihm hat sich Darı 3 angeschlossen. In der That ist 
die Übereinstimmung in den Grundzügen des Baues eine auffallende 
und weitgehende. = 

Die Kiemen von Haliotis (Fig. 1%) oder Fissurella sind bekanntlich 
im Gegensatz zu den kammförmigen Kiemen von Buccinum, Murex und 
anderen » Pectinibranchien« federförmig, d. h. sie bestehen aus einem 
lang dreieckigen Mittelblatte, und auf jeder Seite dieses Blattes steht 
eine große Anzahl zarter dreieckiger Lamellen, die nach dem freien 
Ende der Kieme allmählich immer kleiner werden. Der feinere Bau 
dieser Lamellen bedarf weiterer sorgfältiger Untersuchung. Das Mittel- 
blatt besitzt zwei Ränder, einen mit Ausnahme des hintersten Ab- 
schnittes vollkommen freien dorsalen oder medianen und einen zum 
größten Theile am Boden der Mantelhöhle angewachsenen ventralen oder 
lateralen. Der vordere freie Abschnitt der Kieme wird von einem drei- 
eckigen, ausgeschweiften Fortsatze des Bodens der Mantelhöhle gestützt; 
dies ist der Kiementräger, an dessen medialer Seite das Geruchsorgan 
liegt. Den beiden Rändern des Mittelblattes entlang verlaufen zwei 
weite Gefäße: das ventrale führt das Blut zur Kieme und durch das 


! T. WırLıans, On the mechanism of aquatic respiration etc. Ann. and Mag. 
Nat. Hist. (2) vol. XVI. p. 408. 

2 W. H. Dart, On the limpets. Amer. Journ. Conchology. vol. VI. 1871. 
p. 240. 

3 W.H. DaAıı, a. a. O.; ferner: Report on the limpets and Chitons of the Alas- 
kan and arctic regions. Scientific Results of the Exploration of Alaska. p. 67. »The 
gills are composed of a row of branchiae, each leaflet of which corresponds to a 
whole branchial plume, such as is found in Acmaea.« \ 


Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 355 


dorsale wird dasselbe, nachdem es zuvor die Lamellen durchströmt 
hat, in’den Vorhof des Herzens abgeführt!. Ganz entsprechend gebaut 
ist jeder Kiemenkegel von Chiton (Fig. 16). Ein solcher besteht aus 
einem Mittelblatte mit zwei Reihen von Lamellen;; durch den medialen, 
resp. ventralen Rand des Mittelblattes läuft das zuführende Gefäß, durch 


1 v. IHerıng hat einen in manchen Puncten das Rechte treffenden Versuch ge- 
macht, die Morphologie der Prosobranchienkiemen zu klären. Da indessen die Auf- 
fassung des Geruchsorganes als translocirte linke Kieme nothwendig einige Irrthümer 
nach sich ziehen musste, so will ich das Verhalten der Kiemen und der Geruchs- 
organe an der Hand der beistehenden schematischen Querschnitte durch die Mantel- 
höhle und ihre Organe kurz darstellen. A stellt einen Schnitt durch den mittleren 
Theil der Mantelhöhle einer Zygobranchie dar: die Kiemen (k) hängen von ihrem 
Träger, 'an dessen medialer Seite das Geruchsorgan (o) sichtbar ist, frei in die 
Höhle hinein. Etwas weiter nach hinten (B) verbindet eine Membran ihren dorsalen 
Rand mit dem Afterkegel (a). Ein weiter nach vorn geführter Schnitt würde beide 
Kiemen vollkommen frei in der Mantelhöhle zeigen. Bei den Trochiden ist nur 
eine Kieme vorhanden, diese aber wie bei den Zygobranchien gefiedert, d. h. 
beide Seiten des Mittelblattes sind mit Lamellen besetzt. An der Spitze verhält sich 
diese Kieme genau wie die der Zygobranchien;; schon in der Mitte (C) aber verbindet 
eine Membran den dorsalen Rand mit der Manteldecke, welcher das Afterrohr 
eng anliegt. Durch diese Membran und den Kiementräger wird eine dorsale Höhle 
begrenzt, in welcher die lateralen Kiemenlamellen liegen. Am Kiementräger sitzt 
das Geruchsorgan (0). Bei der Mehrzahl der übrigen Azygobranchien (D) ist die 


LU 
B 


un 


Holzschnitt 2. 


_ Kieme (k) nicht mehr gefiedert, sondern nur kammförmig, indem die lateralen La- 
mellen geschwunden und die Verbindung mit der Decke der Mantelhöhle von hinten 
bis an das vordere Ende der Kieme vorgeschritten ist; die Höhle für die lateralen 
Lamellen existirt nicht mehr, und damit ist ein besonderer Kiementräger in Wegfall 
gekommen, so dass das Geruchsorgan (0) jetzt an der Decke der Mantelhöhle, links 
von der Kieme, liegt. Bei Ampullaria, deren sog. linke Kieme gleichfalls das Ge- 
ruchsorgan ist, ist dieses sehr weit von der Kieme weg ganz in die Nähe des links 
gelegenen Athemloches gerückt. 


396 .J. W, Spengel, 


den lateralen oder dorsalen das abführende; die Verbindung zwischen 
beiden stellen Blutcanäle her, die in den Lamellen liegen. Sind nun 
auch bei Chiton Geruchsorgane vorhanden? Ich bin nicht im Stande, 
diese Frage mit Sicherheit zu beantworten. Über der Basis der Kiemen 
verläuft, wie wir sahen, ein Nervenstrang, den ich als Visceralceommissur 
zu deuten versucht habe. Von diesem gehen Nerven in die Kiemen und 
zwar in jede Kieme zwei, von denen einer längs des lateralen, der 
andere längs des medialen Randes des Mittelblattes parailel den Ge- 
fäßen verläuft, und über dem lateralen oder dorsalen Nerven ist das 
Epithel an der Basis der Kiemen in einiger Ausdehnung wenigstens bei 
den untersuchten Chiton-Arten braun pigmentirt. Ich habe beobachtet, 
dass ruhig an der Wand einesGlasgefäßes hinkriechende Chitonen diesen 
pigmentirten Theil so vorwölbten,, dass der Strom des Athemwassers 
darüber kräftig hinstreichen musste. Indessen kann ich doch die Deu- 
tung dieses pigmentirten Epithels als rudimentäres Geruchsorgan nur 
mit Vorbehalt aussprechen : dasselbe würde alsdann bei Ohiton an der 
Seite des abführenden Kiemengefäßes liegen, während es bei allen 
 Prosobranchien die Seite des zuführenden Gefäßes einnimmt. Wenn 
dies pigmentirte Epithel wirklich das Geruchsorgan darstellte, so läge 
darin natürlich ein sehr gewichtiges Argument für die Homologie der 
Kiemenkegel von Ohiton und der Kiemen der Zeugobranchien. Allein 
auch ohne dies scheint mir die Übereinstimmung im Bau der beiderlei 
Organe Beweis genug dafür zu sein, dass die in der Mantelrinne 
der Ghitonen gelegenen respiratorischen Kegel nicht eine 
aus vielen Theilen zusammengesetzteKieme, sonderneineAnzahlvon 
hinter einander gelegenen und den Kiemen der Proso- 
branchien homologen Kiemen darstellen; die Chitonen wären 
demnach nicht nur als Polyplacophora, sondern auch als Polybranchiata 
zu bezeichnen. Dann aber entspringen aus dem als Visceralcommissur 
gedeuteten Nervenstrange wie bei Prosobranchien die Nerven, welche 
die Kiemen versorgen, und ‘dies würde rückwärts schließend wieder 
ein Grund mehr sein, an dieser Deutung des Nervenstranges festzuhal- 
ten. Leider wissen wir nichts über die Innervirung des Herzens, der 
Niere und der Geschlechtsorgane; von Untersuchungen über diese Punkte 
ist der Beweis oder die Widerlegung dieser Auffassung zu erwarten. 
Wir wären somit zu einer Auffassung des Nervensystems von 
Chiton gelangt, welche eine Zurückführung der wichtigsten Theile! auf 
die typischen Bestandtheile des Prosobranchien-Nervensystems gestattet 
und zugleich auf einige andere Punkte der Organisation von Chiton will- 


! Über die Sublingualganglien vermag ich zunächst nichts auszusagen. 


Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 357 


kommenes Licht wirft. Wir hätten danach in Chiton ein Mollusk vor 
uns, das der bilateral symmetrischen und ungedrehten Stammform der 
Prosobranchien näher steht als irgend ein anderes Mollusk, von dieser 
aber sich vornehmlich unterscheidet durch die dorsale Lage der Visce- 
ralcommissur,, die ihre Erkläruug wol nur in einer späteren Bildung 
des Afters finden dürfte. Ob die große Zahl der Kiemen eine von 
Chiton erworbene Eigenthümlichkeit ist, oder ob die Zweizahl einen 
Reductionszustand darstellt, lässt sich nicht entscheiden. Zu beachten 
ist die Existenz zweier Geschlechisöffnungen. Genaue Untersuchung 
erheischt dringend das Verhalten der Niere, namentlich mit Rücksicht 
auf ihre äußere Mündung und ihre Beziehung zum Herzbeutel, resp. 
der Leibeshöhle. 

An die Chitonen dürften sich, wie LeuckArrT und v. Inrrıng bereits 
ausgesprochen haben, die Gattungen Neomenia und Chaetoderma an- 
schließen, deren Mollusken-Natur durch die neueren Untersuchungen 
immer unverkennbarer wird, während die Beziehungen zu den » Wür- 
mern« mehr und mehr schwinden. Ich muss es mir versagen, bei dieser 
Gelegenheit über eigene Untersuchungen, die ich an Neomenia, Chaeto- 
derma und ein paar verwandten unbeschriebenen Formen angestellt 
habe, Mittheilungen zu machen, da dieselben noch nicht abgeschlossen 
sind, und will nur auf die Schilderung der: Organisation von Chaeto- 
derma durch Hansen! hinweisen, in welcher wir ein Herz mit einer 
vordern Aorta, zwei vielleicht als Nieren anzusprechende Organe kennen 
lernen und gleichzeitig den Nachweis erhalten, dass der Zahn in der 
Mundhöhle liegt und von zwei Knorpeln gestützt wird, so dass die Ra- 
dula nicht zu verkennen ist. Und nach Koren und DanIELssen 2 besitzt 
auch Neomenia ein Herz und einen complicirt gebauten zwittrigen Ge- 
schlechtsapparat mit Eiweißdrüse, Schleimdrüsen und Receptaculum 
seminis. Sehr groß aber ist die Übereinstimmung im Nervensystem nach 
den Untersuchungen von GrArF 3. Die von diesem Beobachter veröffent- 
lichte schematische Abbildung des Nervensystems von Neomenia ist fast 
identisch mit unserer Abbildung des Nervensystems von Chiton (Fig. 12). 
Welche Bewandtnis es mit dem innern Schlundring hat, ob derselbe die 
Bucealcommissur oder eine Sublingualcommissur wie bei Chiion dar- 
stellt, ist nicht ersichtlich. Vor Allem aber ist die Existenz der langen 


1 A, Hansen, Beskrivelse af Chaetoderma nitidulum Loven. Nyt. Mae. f. Naturv. 
XXI. 1877. Siehe Jahresber. über Anat. u. Phys. 4877. II. p. 89. 

2 J. Koren og D. C. DaAnIELSsEn , Beskrivelse over nye arter henhoerende til 
slaegten Solenopus. Archiv for Mathematik og Naturvidensk. 1877. p. A. 

3 L. Grarr, Anatomie des Chaetoderma nitidulum Loven. Diese Zeitschr. Bd. 
XXVI. p. 4166. — Neomenia und Chaetoderma. Ebenda. Bd. XXVIII. p. 557. 


358 J. W. Spengel, 


ungedrehten Visceralcommissur (sn in GrArF's Figur) hervorzuheben, die 
am Hinterende zu einem dorsal vom After gelegenen Kiemengan- 
glion anschwillt. Das Nervensystem von Chaetoderma ist wesentlich 
gleich gebaut, nur fehlen die Commissuren zwischen den Pedalnerven. 
Nicht unerwähnt lassen möchte ich mit Bezug auf eine oben berührte 
Frage, dass Ohaetoderma und Neomenia ein Paar Kiemen -besitzen. Wie 
weit die Ähnlichkeit im Bau der drei Gattungen Chiton, Chaetoderma und 
Neomenia geht, lässt sich heute noch nicht sagen; sicher ist dieselbe 
sehr groß und erstreckt sich schon jetzt auf eine Anzahl wichtiger Organe, 
namentlich aber auf das Nervensystem, und hier ist allen dreien der 
Besitz einer dorsalen ungedrehten Visceralcommissur, von 
welcher die Kiemennerven ausgehen, gemein, so dass die vorläufige 
Vereinigung derselben in einer mit dem v. Inerıng’schen Namen Amphi- 
neuren! zu belegenden Molluskenclasse gerechtfertigt erscheint. 
Nachdem uns bei der Betrachtung der Prosobranchien das Geruchs- 
organ einen so vortrefflichen Wegweiser geliefert hat, wird es unsere 
nächste Aufgabe sein, zu ermitteln, ob auch die Opisthobranchien solche 
besitzen. Die bisherigen Beschreibungen wissen nichts davon. Ich er- 
fuhr indessen durch eine mündliche Mittheilung meines Freundes 
H. v. Inerıng, dass bei Aplysia in der Nähe der Kieme ein bisher unbe- 
kanntes Sinnesorgan von ihm aufgefunden sei. Ich unternahm daher, 
sobald sich mir Gelegenheit bot, eine Untersuchung der betreffenden 
Region des Aplysia-Körpers und entdeckte auch leicht das gesuchte 
Organ in Gestalt eines von bräunlichem Pigment umgebenen Grübchens, 
dessen Grund eine weißliche, kaum merklich gewölbte Scheibe ein- 
nahm. Das Organ (Fig. 8 und 20) liegt dicht vor der Kieme, zwischen 
dem Vorderende derselben und der Mündung einer eigenthümlichen, von 
Cuvier als »corps en forme de grappe« beschriebenen Drüse, die einen 
ätzenden Saft absondern soll?. Es gelingt sehr leicht, die Innervirung 
dieses Organes festzustellen. Um den Schlund liegen die drei typischen 
Ganglienpaare, die genau in derselben Weise verbunden sind wie bei 
den Prosobranchien. Pieural- und Pedalganglien sind nahe an einander 
gerückt. Aus jedem Pleuralganglion entspringt ein langer Nerv, der unter 
den Eingeweiden hin zu einem in der rechten Körperhälfte, dicht vor 
dem Herzbeutel gelegenen Ganglion zieht, wie dies Alles von Üuvier 
(a. a. ©. pl. Il und IV) schon trefflich abgebildet ist. Aus jeder Hälfte 
dieses Ganglion entspringen Nerven, und zwar aus der linkenu. A. ein mit 
einem Ganglion versehener Genitalnerv, und aus der rechten u. A. ein 


1 H. v. Inerıng, Nervensystem der Mollusken. p. 31, 44. 
2 G. Cuvier, Memoires pour servir a l’histoire et a l’anatomie des Mollusques. 
Art. iX.: Sur le genre Aplysia. Paris 1847. p. 24. pl. IV, Fig. 4 und 2 3. 


Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 359 


Nerv, der unter dem besagten Sinnesorgane ein Ganglion bildet und 
dann zur Kieme weiterzieht. Es ist wol nicht zu bezweifeln, dass die 
beiden Nervenstränge, die aus den Pleuralganglien entspringen und sich 
in dem rechts gelegenen Ganglion vereinigen, die Visceralcommissur 
darstellen; dafür spricht abgesehen von ihrem Ursprunge die charakte- 
ristische Verbindung mit einem Sinnesorgan, das dem die Kieme ver- 
sorgenden Nerven ansitzt, gerade wie das Geruchsorgan der Prosobran- 
chien. Der gröbere Bau des Geruchsorgans der Aplysıa ist sehr einfach ; 
ein senkrechter Schnitt durch dasselbe (Fig. 29) zeigt uns ein etwa halb- 
kugliges Ganglion olfactorium mit den charakteristischen ungeheuren 
Ganglienzellen der Opisthobranchien und über diesem ein Cylinderepithel 
mit kurzen Wimpern. Dieser Epithelfleck ist fast kreisrund und gegen 
die sehr dunkel pigmentirten wimperlosen Zellen der umgebenden Haut 
ziemlich scharf abgesetzt. Wie sonst habe ich auch hier die feineren 
Structurverhältnisse des Epithels nicht in den Bereich der Untersuchung 
gezogen. 

Das Ganglion olfactorium ist schon von v. InerınG als »ein nahe an 
dem Ursprung des Vorhofes des Herzens aus der Kieme liegendes kleines 
Ganglion« beschrieben und abgebildet (p. 211. Taf. IV, Fig. 1A). 

Gleiche Geruchsorgane von ebenfalls sehr geringer Größe habe ich 
bei Doridium aplysiaeforme und Gastropteron Meckelü (Fig. 21) gefun- 
den. Von letztgenannter Form ist das zugehörige Ganglion olfactorium 
auch v. IuErine nicht entgangen. Es ist das von ihm beschriebene Gan- 
glion des Kiemennerven »etwa in der Mitte zwischen dem vordern Ende 
der Kieme und dem hintern Ende der Stirnscheibe « (p. 213). Dagegen 
ist seine Darstellung der Innervirung zwar richtig, bedarf jedoch einiger 
näheren Erläuterung. v. Inzrıng lässt den Kiemennerven (Taf. III, Fig. 
11, g) aus dem rechten » Visceralganglion« entspringen. Dieses ent- 
spricht nun nicht einfach dem Pleuralganglion (= Commissurganglion 
v. [BHErıng’s), sondern besteht (Fig. 7) aus mindestens zwei (oder drei) 
Ganglien, von denen das vorderste das rechte Pleuralganglion darstellt, 
das hintere aber ein Ganglion der Visceralcommissur, also ein Visceral- 
ganglion in unserm Sinne ist. Aus diesem nun kommt der Nerv hervor, 
der das Geruchsorgan und die Kieme versorgt. Beide Organe gehören 
wie bei Aplysia der rechten Körperseite an. Zwei weitere Visceral- 
ganglien sind nahe an das linke Pleuralganglion herangerückt, doch mit 
diesem nicht so innig verbunden wie auf der rechten Seite. Der Genital- 
neryv entspringt aus dem hintern Bogenabschnitte der Visceralcommissur, 
deren beide Schenkel ventralvom Darme verlaufen. 

Das Geruchsorgan von Doridium aplysiaeforme und den dazu ge- 
hörigen Nerv scheint v. Inerıng übersehen zu haben, oder aber das 


\ 


360 J. W. Spengel, 


Nervensystem dieser Art stimmt doch nicht so vollkommen mit dem von 
Philine aperta überein, wie dieser Beobachter angiebt (p. 215). Ich habe 
letztere Art nicht untersucht, kann mich daher über dieselbe nicht mit 
Bestimmtheit aussprechen; doch muss ich die Richtigkeit der Schilde- 
rung v. Inerıng’s jedenfalls in dem Punkte bezweifeln, dass der Kiemen- 
nerv aus in der Mitte der Visceralcommissur eingelagerten Ganglien 
entspringe. Bei Doridium sind an der rechten Seite vom Schlunde vier 
Ganglien vorhanden, von denen drei durch die typischen CGonnective 
verbundenen dem Cerebral-, Pedal- und Pleural-Ganglion entsprechen, 
das vierte aber, das den rechten vordern Winkel des Dreiecks bildet und 
von v. IHERInG bei Philine zum Pleuralganglion gezogen ist, der Visceral- 
commissur angehört, wie daraus hervorgeht, dass aus ihm außer einem 
Nerven zum hintern Visceralganglion ein ziemlich starker Strang hervor- 
geht, der neben dem erstern herläuft und am vordern Ende der Kieme, 
zwischen dieser und der Geschlechtsöffnung, ein Ganglion bildet, das 
nichts anderes als das Ganglion olfactorium ist; über ihm lagert ein 
helles, von braunem Pigment umsäumtes Geruchsorgan. Der linke 
Schenkel der Visceralcommissur, der zum linken Pleuralganglion zurück- 
führt, verläuft wie der rechte ventral vom Darm. 

Bei anderen Opisthobranchien ist es mir nicht gelungen, Geruchs- 
organe aufzufinden, und es bleibt daher weiteren Forschungen vorbe- 
halten, zu entscheiden, welche Verbreitung dieses Organ in der so 
formenreichen Ordnung hat. Die drei genannten Arten gehören sämmt- 
lich einer Gruppe an, die ihren Namen einem Charakter verdankt, der 
für die Ausbildung des in Rede stehenden Sinnesorganes sicherlich nicht 
ohne Bedeutung ist, der Gruppe der Tectibranchia Guvier’s oder der 
Steganobranchia v. Inerıng's. Die Kiemen liegen im Gegensatz zu den 
meisten übrigen Opisthobranchien, die wol als Dermatobranchia zu- 
sammengefasst werden, in einer nach außen mehr oder minder voll- 
kommen verschließbaren Kiemenhöhle, können also, wenn durch das 
Geruchsorgan eine ungeeignete Beschaffenheit des Alhemmediums ange- 
zeigt wird, diesem entzogen werden. Es wäre daher denkbar, dass das 
Geruchsorgan unter den Opisthobranchien wirklich auf die Tectibran- 
chien beschränkt wäre. 

Die Erhaltung des Geruchsorganes in der Gruppe der Tectibran- 
chien aber ist für uns von größter Wichtigkeit, indem sie uns gestattet, 
Schlüsse hinsichtlich der Homologien im Nervensystem der Opistho- 
branchien und Prosobranchien zu ziehen, deren Tragweite ich recht 
hoch anschlagen möchte. Unter der Voraussetzung, dass die Geruchs- 
organe der Prosobranchien und der Opisthobranchien einander homolog 
seien — und dafür spricht die Lage in der Nähe der Kieme, die Ver- 


Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 351 


bindung mit dem diese versorgenden Nerven und die Zusammensetzung 
aus einem peripherischen Ganglion und einem diesem aufgelagerten 
hohen wimpernden Epithel — werden wir nicht daran zweifeln dürfen, 
dass die Commissur, aus welcher der zum Ganglion olfactorium tretende 
Nerv sich bei den Tectibranchien 'abzweigt, die gleiche Commissur ist, 
welche bei den Prosobranchien die Geruchsnerven abgiebt. Dies ist 
aber bei den untersuchten Arten überall die Visceralcommissur ; dess- 
halb war Gewicht darauf zu legen, dass bei Gastropteron wie bei Dori- 
dium der Geruchsnerv nicht aus dem Pleuralganglion, sondern aus einem 
Visceralganglion entspringt, wie es oben geschehen ist. In diese Com- 
missur sind wie bei den Prosobranchien Visceralganglien eingeschaltet, 
welche Nerven für den Mantel und verschiedene Eingeweide, namenti- 
lich Nieren, Geschlechtsorgane und Herz, liefern. Sie verläuft aber nicht 
mit ihrem linken Schenkel unter, mit ihrem rechten Schenkel über dem 
Darme hin, sondern liegt ganz ventralvomDarm; sie istnicht 
gedreht, und das Geruchsorgan liegt nichtanderlinken, 
sondernan der rechten SeitedesKörpers. Ein Vergleich aber 
mit dem hypothetischen zurückgedrehten Nervensystem der Prosobran- 
chien lehrt uns, dass vollste Übereinstimmung besteht, sobald wir uns die 
linke Kieme sammt dem zugehörigen Geruchsorgan geschwunden denken. 
Erinnern wir uns aber, dass auch bei den Prosobranchien die ursprüng- 
liche linke Kieme und das ursprüngliche linke Geruchsorgan geschwun- 
den, die jetzt bei den gewundenen Thieren links vom Darme gelegenen 
Kieme und Geruchsorgan ursprünglich der rechten Seite angehört hatten, 
so kommen wir zu dem Schlusse, dass 1) die Kieme und das Ge- 
ruchsorgan der Tectibranchien den gleichnamigen Or- 
ganen der Prosobranchien entsprechen, und 2) dass das 
Nervensystem der Tectibranchienim Wesentlicheniden- 
tisch mit dem der Prosobranchien ist. Erwägen wir endlich, 
dass durch die hypothetische Rückdrehung der Prosobranchien die Lage 
der Kiemen und der Aorta zum Herzen umgekehrt worden, die Proso- 
branchien, mit anderen Worten, in Opisthobranchien verwandelt waren, 
so werden wir kein Bedenken mehr tragen, das Verhältnis der Proso- 
branchien zu den Opisthobranchien so auszudrücken, dass wir sagen: 
Prosobranchien und Opisthobranchien leiten sich von 
einer gemeinsamen Stammform ab, und sind aus dieser 
entstanden durch Drehung des perianalen Organcomplexes 
um 480° die Prosobranchien; bei den anisobranchiaten 
Prosobranchien wie bei den tectibranchiaten Opistho- 
branchien sind die Bestandtbeile der linken Hälfte dieses 
Organcomplexes geschwunden. Auf den Hermaphroditis- - 


362 J. W. Spengel, 


mus wird man, obwol er nach den bisherigen Beobachtungen allen 
Opisthobranchien eigen zu sein scheint, während weitaus die üher- 
wiegende Mehrzahl der Prosobranchien getrennigeschlechtig ist, wol 
kein entscheidendes Gewicht legen dürfen ; wenigstens scheint mir die 
einzige bekannte Ausnahme von dieser Regel, der complicirte 
Zwitterapparat von Valvata piscinalis zu beweisen, dass man auf 
diesen Grund hin keine scharfe Trennungslinie ziehen kann. Und was 
die Ausbildung von Anhangsdrüsen am Geschlechtsapparate betrifft, so 
wäre auf die Eiweißdrüse von Neritina und Paludina hinzuweisen 
(siehe die Abbildung bei Krrerstein in Bronn’s Klassen und Ordnungen 
nach BaupeLor, Taf. 88, Fig. 5). 

Mit diesem Mangel der Torsion der Visceralcommissur hängt eine 
Erscheinung zusammen, die uns bei den Opisthobranchien vielfach in auf- 
fälligster Weise entgegentritt. Da die ungedrehte Commissur ausschließ- 
lich ventral vom Darme liegt, so kann der hintere Bogenabschnitt aus 
der ursprünglichen Lage in der Nähe des Afters weit nach vorn, bis hart 
an den Schlund rücken. So kommt der kurze enge viscerale Schlund- 
ring mit äußerster Annäherung der Visceralganglien an die drei Ganglien- 
paare des perioesophagealen Nervensystems zu Stande, wie wir sie bei 
den Pleurobranchiden und namentlich bei allen Dermatobranchien finden, 
während bei den Prosobranchien wol die Visceralganglien auf der Com- 
missur bis nahe an den Schlund gleiten können, wie z. B. bei Buccinum, 
die Commissur selbst aber nie sich zum engen Schlundringe zusammen- 
ziehen kann, da ihr mittlerer Abschnitt dorsal vom Darm liegt. 

In der gesammten Anordnung des Nervensystems, namentlich auch 
hinsichtlich des letzterwähnten Verhältnisses, der Verkürzung der Vis- 
ceralcommissur, schließen sich den Opisthobranchien aufs Engste die 
Pulmonaten an. Ich kann hier die Streitfrage, welche Beziehungen 
zwischen den beiden großen Gruppen der Lungenschnecken, den 
wasserbewohnenden Basommatophoren A. Scum. oder Branchiopneusten 
v. Iuerıng und den landbewohnenden Stylommatophoren A. Scum. der 
Nephropneusten v. Iuerıng bestehen, unerörtert lassen, da das, was 
ich vorzubringen habe, sich auf die Basommatophoren beschränkt. 
Für diese schließe ich mich v. Inerıng’s Meinung an, dass sie von 
Formen abzuleiten sind, die mit den Tectibranchien verwandt waren 
und wie diese eine Kiemenhöhle mit einer Kieme besaßen. Doch möchte 
ich mich nicht gerade für die Tectibranchien selbst entscheiden, sondern 
vielmehr für die noch mit zwei Kiemen etc. ausgerüsteten Stammformen. 
Alle Basommatophoren besitzen eine ungedrehte, kurze Visceraleommis- 
sur, in welche drei oder vier Visceralganglien eingeschaltet sind (Lim- 
naeus, Fig. 41). Von diesen versorgen die zwei vordersten den Mantel, 


Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 363 


die mittleren oder das mittlere die Eingeweide. Von den ersteren aber 
giebt eines, und zwar bei den rechtsgewundenen Gattungen Limnaeus 
und ‚Physa das rechte, bei der linksgewundenen Planorbis das linke 
einen Nerven an das von LacAzE-Duruiers ! entdeckte »nouvel organe 
d’innervation«, das entsprechend an der rechten, resp. linken Seite der 
Mantelhöhle gelegen ist. Die Schilderung, welche LacazE-Dursiers selbst 
und nach ihm Sımrortu 2 vom Baue dieses Sinnesorganes giebt, lässt mir 
keinen Zweifel darüber, dass es dasselbe Geruchsorgan ist, das wir 
nunmehr schon von allen Prosobranchien und einer Reihe von Tecti- 
branchien kennen. Lacaze-Durtniers charakterisirt das Organ als »eine 
Einstülpung eines Diverticulums der Haut und des äußern Cylinder- 
epithels in die Mitte eines Ganglions«. Sımrorn fügt einige Detailan- 
gaben hinzu und bildet einen Schnitt durch das »Lacaze’sche Organ« ab 
(Taf. XIX, Fig. 13). Neuerdings erwähnt es For ? in seiner Abhandlung 
über die Entwicklung der Mollusken. Er schildert nicht nur die be- 
greiflicherweise sehr einfache Entwicklung, sondern er vergleicht auch 
das Organ, dem er auch die Function eines Geruchsorganes zuschreibt, 
dem sogleich zu besprechenden Wimperorgan der Pteropoden, dem 
Wimperorgan der Heteropoden (vergl. oben p. 341) und dem von Lacaze- 
Dutuiers (a. a.O. pl. III, Fig. 8 p) abgebildeten, aber nicht beschrie- 
benen Geruchsorgan von Cyclostoma. Dass wir auch in dem »LaAcaAzr- 
schen Organ das Homologon des Geruchsorgans der Tectibranchien und 
Prosobranchien vor uns haben, bedarf nach dem über den Bau und die 
Innervirung Gesagten kaum der ausdrücklichen Constatirung. Dagegen 
hegegnen wir hier zum ersten Male einer Eigenthümlichkeit, die mir von 
Bedeutung für die Beurtheilung der Topographie des Schneckenkörpers 
überhaupt zu sein scheint. Ich meine die Inconstanz der Lage. Auf den 
ersten Blick könnte es scheinen, als sei die Verlegung des Geruchsorganes 
auf die linke Seite bei Planorbis eine einfache und nothwendige Folge 
der entgegengesetzten Windung des Körpers und der Schale. Allein es 
zeigt sich hier sehr deutlich, dass die Torsion der Visceralcommissur 
streng zu unterscheiden ist von der Windung des Eingeweidesackes: es 
sind nicht nur bei den Prosobranchien, wo die Torsion besteht, die 
Schalen durchgehends eben so gewunden wie bei der Mehrzahl der Pul- 


1 H. pe LAcAze-DUTHIERS, Du Systeme nerveux des Mollusques Gasteropodes 
Pulmones aquatiques et d’un nouvel organe d’innervation. — Arch. de Zool. exper. 
1.0: 437. 

2 H. Sınrora, Über die Sinneswerkzeuge unserer einheimischen Weichthiere. 
Diese Zeitschr. Bd. XXVI. p. 308: »LAcaze’sches Organ «. Ferner Anhang. p.338 ff. 

3 H. For, Sur le developpement desMollusques. Arch. de Zool. experim. t. VIII. 
1880. p. 166—167. 


364 J. W, Spengel, 


monaten, deren Visceralcommissur nicht gedreht ist, sondern die Rich- 
tung der Windung des Eingeweidesackes bei den Pulmonaten braucht 
nicht der Lage des Geruchsorganes zu entsprechen. Aller Wahrschein- 
lichkeit nach liegt dieser Fall bei Auricularia vor. Die Visceraleommissur 
dieser rechts gewundenen Schnecke, deren Nervensystem ich nur 
aus der Beschreibung und Abbildung v. Inerıng's (a. a. O. p. 222. Taf. 
IV, Fig. 15) kenne, enthält wie gewöhnlich drei Ganglien, und von 
diesen giebt das linke vordere (»Parietalganglion« v. Inerıng’s) außer 
einem feinen den Spindelmuskel versorgenden Nerven »einen sehr dicken 
Nerven ab, welcher nach außen läuft und bevor er sich in die Körper- 
wand verbreitet, ein Ganglion bildet, aus dem drei Nerven für die seit- 
liche Körperwandung und den Mantel entspringen«. Es scheint mir 
offenbar, dass dies Ganglion das Ganglion olfactorium ist. Ist dies aber 
der Fall und sind im Übrigen die Beobachtungen v. Inerıng’s richtig, so 
besitzt die rechtsgewundene Auriculariaeinlinkes Ge- 
ruchsorgan. Thatsachen dieser Art so wie allein schon die Erschei- 
nung der Inconstanz der Lage des Geruchsorganes nöthigen, meines 
Erachtens, zu der bereits oben erwähnten Annahme, dass die Pulmona- 
ten von Mollusken abstammen, welche noch beide Geruchsorgane, das 
rechte wie das linke, besaßen, nicht aber von Tectibranchien, denen 
nur das rechte Organ zukommt. | 

Bei den Pteropoden hat GEGEnBAur ! Wimperorgane in bestimmter, 
charakteristischer Lage und Beziehung zum Nervensystem genauer be- 
schrieben und als Sinnesorgane gedeutet, die wir gleichfalls als Ge- 
ruchsorgane in Anspruch zu nehmen haben. Bei Hyalaea compla- 
nata fand er in der rechten Seite der ventralen Mantelhöhle vier 
Flimmerlinien,, von denen die drei vordersten einfache Reihen von 
Wimperzellen waren, während die vierte, innerste »als Grundlage eine 
homogen scheinende gelbliche Substanz zeigt. In diese Grundlage tritt 
ein starker Ast des Mantelnerven«. Die Vermuthung GEGENBAUR’s, diese 
Grundlage sei ein Ganglion, bin ich in der Lage, durch eigene Unter- 
suchung bestätigen zu können. In etwas geringerer Ausbildung dürften 
nach GEGEnBAuRSs Schilderung homologe Flimmerleisten bei Cymbulia 
Peroniüt (p. 50) und bei Tiedemannia (p. 62) vorhanden sein; doch fehlen 
hier Angaben über die Innervirung. Ein augenscheinlich hierher ge- 
höriges Organ hat GEGENBAUR bei einem jungen Pneumodermon beobachtet. 
Er beschreibt es folgendermaßen: »Es liegt auf der Bauchseite an der 
Basis des-über dem Herzen entspringenden Hautanhanges und wird 
hauptsächlich von einem gelblichen, etwas erhabenen Kreiswulste, der 


1 C. GEGENBAUR, Pteropoden und Heteropoden. Leipzig 1853. 


Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 365 


0,44—0,20”’ im Durchmesser besitzt, gebildet. Von dem äußern Rande 
dieses Wulstes entspringen lange, lebhaft schlagende Cilien; von der 
Hälfte des Innenrandes treten fünf bis sechs Fortsätze, wie die Speichen 
eines Rades zum Mittelpunkt, um dort in einen Strang zu verschmelzen«, 
nämlich einen Nerven, den GzGEnBAUrR bis zum rechten unteren Schlund- 
ganglion verfolgen konnte. Die Geruchsorgane der thecosomen Pteropo- 
den sind in neuerer Zeit dann wieder von For! erwähnt und an der 
bereits oben angezogenen Stelle dem »Lacaze’schen Organ« der Pulmo- 
naten und dem Geruchsorgan der Heteropoden und der Paludina ver- 
glichen. 

Betrachten wir nunmehr den Zusammenhang mit dem Nerven- 
system, über den leider in keinem einzigen Falle ganz präcise Beob- 
achtungen vorliegen. Am übersichtlichsten sind die Verhältnisse bei den 
Gymnosomen nach den Schilderungen von SouL£EyET 2, dessen Werke die 
Abbildung Fig. 10 entlehnt ist. Man erkennt leicht die sich in der 
Mittellinie berührenden Cerebralganglien (Ce), von denen Nerven zu den 
CGephaloconen und anderen Kopfanhängen ausgehen, die in der Tiefe 
gelegenen Pedalganglien (Pe), deren Nerven nicht gezeichnet sind, und 
zu beiden Seiten die Pleuralganglien (Pl). Es bestehen die typischen 
Connective. Von den Pleuralganglien geht die ventral verlaufende Visce- 
ralcommissur mit zwei Visceralganglien aus (blau). Das rechte von diesen 
muss dem von GEGENBAUR erwähnten unteren Schlundganglion ent- 
sprechen, zu dem dieser Beobachter den Nerven vom Geruchsorgan 
verfolgte. Nach SouLzyer’s Beschreibung geben die Visceralganglien wie 
bei allen anderen Mollusken Nerven zu den Eingeweiden und zum Mantel 
ab. Es dürfte also auch bei Pneumodermon das Geruchsorgan von einem 
rechten Ganglion der Visceralcommissur aus innervirt sein. 

Das Nervensystem der Thecosomen unterscheidet sich von dem der 
Gymnosomen hauptsächlich in Charakteren, die mit der geringen Ent- 
wicklung des Kopfes einerseits und mit der mächtigen Ausbildung des 
weit nach vorn gerückten zweilappigen Schwimmfußes andererseits in 
Zusammenhang stehen. Die Pedalganglien von Hyalaea (Fig. 9) nehmen 
die vorderste Stelle ein und hinter ihnen liegen, gleichfalls ventral oder 
seitlich vom Darm, durch eine lange dorsale Commissur verbunden, 
zwei Ganglien, die den verschmolzenen CGerebral- und Pedalganglien 
‚ entsprechen. Die Gonnective und Commissuren dieser perioesophagealen 
 Ganglienpaare sind mit Ausnahme der Cerebraleommissur, als welche 
‚ wir die erwähnte lange dorsale Commissur erkennen, aufs äußerste ver- 


| ı H. For, Etudes sur le developpement des Mollusques. I. mem. Sur le deve- 
' loppement des Pt6ropodes. p. 143, 167. 

2 Voyage de la Bonite. Mollusques par SoULEYET. 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 95 


366 J. W, Spengel, 


kürzt, und ebenso wird die Visceralcommissur vollständig von den zwei 
sich berührenden Visceralganglien eingenommen. Von diesen entspringen 
dann in genau derselben Weise wie bei Pneumodermon vier Nerven, von 
denen die zwei mittleren die Eingeweide und zwei äußeren den Mantel 
versorgen, und unter den letzteren tritt der rechte an das oben be- 
sprochene Geruchsorgan, wie ich mich durch eigene Untersuchung 
von Hyalaea und Oleodora überzeugt habe. Sruarr ! lässt irrthümlicher- 
weise das Flimmerorgan von Creseis acicula an der linken Seite liegen, 
beschreibt aber im Übrigen die Innervirung richtig. 

Die angeführten Gattungen, die theils den Gymnosomen, theils den 
mit einer ventralen Mantelhöhle ausgestatteten Thecosomen angehören, 
besitzen also sämmtlich ein Geruchsorgan an der rechten Seite, 
dasmiteinem rechten Visceralganglion in Verbindung steht. Leider 
fehlen uns dagegen über das Geruchsorgan der Limaciniden, deren 
Mantelhöhle dorsal liegt, jegliche Beobachtungen, was um so mehr zu 
bedauern ist, als die Existenz eines Deckels auf dem mittleren Fußab- 
schnitte den Gedanken an nähere Beziehungen zu den Prosobranchien 
nahe legen könnte. Wir sind daher genöthigt, von den allgemeinen 
Schlussfolgerungen für die Pteropoden einstweilen die Limaciniden aus- 
zuschließen; dann aber berechtigen uns die oben mitgetheilten That- 
sachen einerseits zu dem Schlusse, zu welchem For auch durch seine 
Untersuchungen über die Entwicklung gelangt ist, dass die Pteropoden 
asymmetrische Thiere sind, die äußerlich und auch nur zum Theil wie- 
der zur Symmetrie zurückkehren; andererseits aber werden wir ihre 
Beziehungen zu anderen Mollusken dahin präcisiren können, dass sie 
sich durch Verlust der linken Bestandtheile des circum- 
analen Organcomplexes, und indem ohne Drehung eine 
Verlagerung dieses Gomplexes vom Hinterende an die 
ventrale Seite des Körpers? stattgefunden hat, von einer 
Stammform ableiten, die der durch Rückdrehung der 
zeugobranchiaten Prosobranchien gewonnenen Form im 
Wesentlichen gleicht. | 


1 A. STUART, Über das Nervensystem von Creseis acicula. Diese Zeitschr. Bd. XXI. 
p. 320. 

2 Es besteht noch eine andere Möglichkeit, diese Anordnung zu erklären: denkt 
man sich nämlich den Längsdurchmesser des Thieres sehr kurz, die Höhe dagegen 
sehr bedeutend, während der After mit seiner Umgebung die terminale Lage beibe- 
hält, so gehört die Athemhöble offenbar der dorsalen Seite und zwar der hinteren 
Hälfte derselben an. Der Unterschied der Limaciniden von den übrigen Pteropoden 
mag sich dann darauf beschränken, dass der After mit seiner Umgebung nicht ter- 
minal, sondern an der rechten Seite, wie bei den Tectibranchien, liegt. Ich habe zu- 
nächst keinen Anhalt, mich für eine oder für die andere Auffassung zu entscheiden. 


Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 367 


. Nachdem wir nunmehr die Übersicht über die Gastropoden in dem 
weitesten Sinne des Wortes, in dem dasselbe z. B. in der 3. Auflage 
von Craus’ »Grundzügen der Zoologie« angewandt ist, beendigt haben, 
wollen wir einen kurzen Rückblick halten, und daran einerseits eine 
kurze Besprechung einiger anderen Versuche zur Vergleichung der hier 
vereinigten Gruppen, andererseits einige Schlußfolgerungen für die 
Classification knüpfen. 

Wir gelangten bei dem Versuche, die Drehung der Visceralcom- 
missur der Zeugobranchien aufzuheben, zu einer hypothetischen Mol- 
luskenform, die der Kürze halber das Urmollusk heihen mag, welche 
dadurch ausgezeichnet war, dass sie — vielleicht mit Ausnahme des 
Geschlechtsapparates — lauter mediane und paarige Organe in sym- 
metrischer Anlage besaß, nämlich einen vom Vorderende bis zum Hinter- 
ende gestreckt verlaufenden Darm, ein medianes Herz mit zwei Vor- 
höfen, welche die efferenten Gefäße zweier Kiemen aufnahmen, wahr- 
scheinlich zwei Nieren, von denen die eine rechts, die andere links vom 
After ausmündeten und vor Allem ein durchaus symmetrisches Nerven- 
system, das aus drei Paar perioesophagealen Ganglien bestand, die durch 
je drei Gonnective und drei Gommissuren verbunden waren; von diesen 
war die die beiden Pleuralganglien verbindende Visceralcommissur sehr 
lang und enthielt eingeschaltet mehrere Visceralganglien, von denen die 
mittleren Nerven an die Eingeweide, namentlich Herz, Nieren und Ge- 
schlechtsorgane, abgaben, während aus zwei seitlichen je ein Nerv ent- 
sprang, der in ein an der Basis jeder Kieme gelegenes Ganglion mit auf- 
liegendem epithelialen Sinnesorgan (Geruchsorgan) eintrat. 

Aus diesem Urmollusk haben wir durch Drehung des circumanalen 
Organcomplexes um 180° Mollusken abgeleitet, die in jeder Beziehung 
die Organisation von zeugobranchiaten Prosobranchien besaßen. 

Aus diesen zeugobranchiaten Prosobranchien entstanden in unge- 
zwungenster Weise durch Schwund der rechten, d. h. beim Urmollusk 
links gelegenen, Kieme, Geruchsorgan, Niere und Herzvorhof die aniso- 
branchiaten Prosobranchien mit Einschluss der Heteropoden. 

Dagegen haben wir aus dem Urmollusk ohne Drehung des circum- 
‚ analen Organcomplexes die Opisthobranchien (zunächst die Tectibran- 
'  chien), ferner die Pulmonaten und endlich die Pteropoden hervorgehen 
lassen. 

Die Pteropoden unterscheiden sich von den beiden anderen unge- 
drehten Gruppen in erster Linie durch die ventrale Lage der Athemhöhle 
und der in dieser gelegenen Bestandtheile, beziehungsweise Mündungen, 
des circumanalen Organcomplexes. 

Die Grundzüge des jetzt gebräuchlichsten Systems der Gastropoden 

52 


368 M dJ. W. Spengel, 


rühren von MıLn£-Epwarps, der in seiner » Note sur la classification natu- 
relle des Mollusques Gasteropodes«! die Unzulänglichkeit der Ein- 
theilungsversuche von Lamarck, Guvier und BramviLLe darthat und dann 
selbst eine Classification vorschlug, in welcher die Heteropoden als 
»Gasteropodes nageurs« den übrigen »Gasteropodes ordinaires « gegen- 
über gestellt und innerhalb der letzteren Unterclasse als. zwei Sectionen 
die Gasteropodes pulmones und die Gasteropodes branchiferes ange- 
nommen wurden, und die letzteren wurden dann nach Maßgabe der Lage 
des Vorhofes zur Herzkammer in die Ordnungen der »Opistobranches « 
und der »Prosobranches« getheilt. Die Pteropoden sind von den Gastro- 
poden ganz ausgeschlossen. Von den hier gebildeten Gruppen hat eine 
der beiden obersten, die der »Gasteropodes nageurs«, bald fallen müssen. 
Im Übrigen hat die Eintheilung in den Hauptzügen bis auf den heutigen 
Tag Geltung behalten, obwol sie von einigen Seiten einer berechtigten 
Kritik unterworfen worden ist. Fragen wir nach dem Grunde dieser 
Thatsache, so glaube ich dafür besonders die unzweifelhafte Natürlich- 
keit der einen Gruppe, nämlich der Prosobranchien, anführen zu müssen. 
MıLne-Enpwarps hat aber nicht nur mit feinem Tacte die Zusammenge- 
hörigkeit der Pectinibranchien, Scutibranchien und Cyclobranchien 
Cuvier’s erkannt, sondern er hat auch mit großem Scharfblicke einen 
Charakter von hoher Bedeutung und großer Constanz herausgefunden, 
nämlich den Eintritt des Kiemenblutes von vorn her in den Vorhof und 
das Herz. Dieser Prosobranchismus, wenn ich mich so ausdrücken darf, 
ist eines der besten und constantesten Merkmale der Prosobranchien, 
und es wird daran nichts dadurch geändert, dass es auch nicht zu den 
Prosobranchien gehörige Gastropoden giebt, für welche dies Merkmal 
gleichfalls zutrifft. Allein als oberstes Eintheilungsprineip muss die Lage 
des Vorhofs natürlich aus diesem Grunde aufgegeben werden, und in so 
fern haben die Gegner dieses Namens vollkommen Recht. Eben so wenig 
kann es bestritten werden, dass die Charakterisirung, die MiLNE-EpwArDs 
seiner Section der Gasteropodes pulmones bei dem damaligen Stande 
der Kenntnisse allein hat geben können, nicht mehr ausreicht, und dass 
die Athmung durch Lungen oder durch Kiemen nicht mehr als oberstes 
Eintheilungsmerkmal angenommen werden kann, nachdem wir Lungen- 
schnecken als echte Prosobranchien kennen gelernt haben. Immerhin ist 
zu bedenken, dass MıLne-Epwarps in die Charakterisirung dieser Section 
den Besitz von hermaphroditischen Geschlechtsorganen aufgenommen 
hatte. Nach Ausscheidung einer geringen Anzahl von getrenntgeschlecht- 
lichen oder sonst abweichenden Lungenathmern wird man die Pulmo- 


1 Ann. Sc. Nat. (3) t. IX. p. 102. 


Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken, 369 


naten zu Recht bestehen lassen können, und dann bleibt als Rest die 
große Menge der nicht-prosobranchiaten Kiemenschnecken nach, für die 
nun allerdings der Name Opisthobranchien recht wenig geeignet sein 
mag; aber auch gegen die Erhaltung desselben dürfte nicht viel einzu- 
wenden sein, wenn man nur bedenkt, dass das im Namen ausgedrückte 
Verhältnis einen recht wesentlichen, obschon nicht constanten und 
durch manche Beziehungen beeinflussten Charakter darstellt. 

Huxrey geht in seiner Abhandlung »on the morphology of the cepha- 
lous Mollusca « ! nicht von Zweifeln an der Richtigkeit der MıLne-EpwArDs- 
schen Classification, sondern von der Absicht aus, ein umfassenderes, 
höheres Glassificationsprincip aufzustellen, das nicht nur auf die Gastro- 
poden Anwendung findet. Er stellt ein Urmollusk, einen » Archetypus«, 
auf mit bilateral symmetrischem Kopf und Körper, einem Bewegungs- 
anhange oder Fuß an der neuralen (— ventralen) Seite und einem un- 
gebogenen Darm mit endständiger Öffnung. Aus diesem »Archetypus« 
sollen hauptsächlich durch Veränderungen, welche den Darm und den 
Fuß betreffen, die verschiedenen Formen von kopftragenden Mollusken 
hervorgehen. Der Darm nämlich soll sich entweder neural- oder hämal- 
(— dorsal-) wärts krümmen, und danach wird der Eingeweidesack als 
»Abdomen«, resp. als »Postabdomen« bezeichnet. Nun soll den Gepha- 
lopoden, den Pteropoden und den Pulmonaten ein Abdomen, den Hete- 
ropoden, Pectinibranchien, Tectibranchien und Nudibranchien aber ein 
Postabdomen zukommen, und die einzelnen genannten Gruppen werden 
nach der Ausbildung der verschiedenen Theile des Fußes aus einander 
gehalten. Diese Eintheilung, die sich meines Wissens nie eines allge- 
meineren Beifalls zu erfreuen gehabt hat, trägt also der Übereinstimmung 
der Gepbalopoden und Pteropoden hinsichtlich der ventralen Lage der 
Athemhöhle Rechnung, trennt dagegen die Pulmonaten von den ihnen 
nächstverwandten Opisthobranchien, und bringt ferner die natürliche 
Begrenzung der Prosobranchien nicht genügend zum Ausdrucke?. Es 
will mir scheinen, dass Huxıry, indem er die offenbar vorhandene Ähn- 
lichkeit zwischen Gephalopoden und Pteropoden hauptsächlich auf die 
Krümmung des Darmes zurückführte, nicht eben einen sehr glücklichen 
Griff gethan hat, ohne dass ich darum diesem Charakter alle Bedeutung 

absprechen wollte. Da aber die Entscheidung über die primäre Krümmung 
des Darmkanales wesentlich von der, bekanntlich sehr wechselnden, 
Lage des Afters abhängt, so muss sie mehr oder minder willkürlich aus- 
fallen, sobald der After an einer Seite des Körpers liegt. Und warum 


1 Phil. Trans. vol. 443. 1853. p. 29. pl. 2—5. 
2 Ich will nicht unterlassen hervorzuheben, dass HuxLey die Vereinigung der 
Heteropoden mit den Pectinibranchien befürwortet. 


370 J. W. Spengel, 


soll z. B. Doris mit ihrem dorsalen After ein Postabdomen, Janella! mit 
ihrem gleichfalls dorsalen After aber ein Abdomen besitzen? Überdies 
wird durch diese verschiedene Krümmung des Darmes keine Erklärung 
für andere Organisationsunterschiede geliefert, wie Huxr£y (p. 57) selbst 
zugesteht, dass dieselbe keinen Einfluss auf die Lage des Herzens habe. 

Der neueste classificatorische Versuch stellt sich auf den Stand- 
punkt der Phylogenie und glaubt von diesem aus nicht nur keines der 
bisher geltenden Systeme bestehen lassen zu können und die von frühe- 
ren Autoren aufgestellten Gruppen in anderer Weise an einander reihen 
zu müssen, sondern es scheint ihm sogar nothwendig, die bisher als 
Mollusken zusammengefassten Formen nach gänzlichem Ausschluss der 
Chitoniden in vier Phylen zu zerlegen. Davon fallen auf die hier zu- 
nächst allein zu betrachtenden Gastropoden zwei Phylen, nämlich das 
der »Arthrocochliden « und das der »Platycochliden «. Gegen die erstere 
Gruppe ist nicht viel einzuwenden, in so fern sie nämlich alle die Formen 
unter einem neuen Namen zusammenfasst, die man nach MıLne-EDwArDs 
als Prosobranchien zu bezeichnen gewohnt war, und zwar mit Ein- 
schluss der Heteropoden. Die Platycochliden enthalten dann die »Ichnopo- 
den«, welche mit den bisherigen Opisthobranchien identisch sind, und 
außerdem die Pteropoden und Cephalopoden. Lassen wir zunächst die 
letztgenannte Glasse außer Betracht, da wir deren Beziehungen zu den 
übrigen Mollusken erst später erörtern können, so bleiben als Platy- 
cochliden diejenigen Gastropoden vereinigt, die nach unserer obigen 
Darstellung eine ungedrehte Visceralcommissur und asymmetrische Ent- 
wicklung der circumanalen Organe besitzen. So weit diese Qlassification 
sich der bisher geltenden anschließt, ist sie mithin unbedenklich, zumal 
da sich den neuen Namen manches Gute nachsagen ließe. Allein aufs 
Entschiedenste zu bekämpfen scheint mir einerseits der scharfe Gegen- 
satz, der zwischen den beiden obersten Gruppen aufgestellt ist, indem 
v. Inerıng sie nicht nur zum Werthe von Phylen erhoben hat, sondern 
selbst keine nähere Verwandtschaft zwischen denselben anerkennt, und 
andererseits die Zerlegung der Arthrocochliden in kleinere Gruppen oder 
Classen.. Den letzteren Punkt habe ich schon oben eingehender erörtert 
und brauche daher hier nur noch zu wiederholen, dass eine Trennung 
zwischen Chiastoneuren und Orthoneuren durchaus unausführbar ist und 
den Thatsachen nicht entspricht, indem dadurch z. B. gute natürliche 
Gruppen, wie die Rhipidoglossen und Taenioglossen, aus einander gerissen 
werden. Dagegen hätte wol der Gegensatz zwischen Zeugobranchien und 
Anisobranchien, den v. Inerına übrigens das Verdienst hat zum ersten 


1 Siehe KEFERSTEIN, Klassen und Ordnungen. Taf. 102. 


Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 371 


Male klar hervorgehoben zu haben, im System einen schärfern Ausdruck 
erhalten können, obwohl es, wie oben erwähnt, nicht an vermittelnden 
Übergängen zwischen diesen beiden Gruppen fehlt. 

Und was dann die Verwandtschaft zwischen Prosobranchien (Arthro- 
cochliden) und Opisthobranchien (Platycochliden, excl. Gephalopoden) 
betrifft, so kann meines Erachtens kein Zweifel darüber herrschen, dass 
dieselbe nicht nur in der That besteht, sondern sogar eine recht nahe 
ist, so dass die Unterschiede zwischen den beiden Gruppen fast aus- 
schließlich die Anordnung und die Gestalt der einzelnen Organe be- 
treffen. Der Bau des Nervensystems der Gastropoden ist gewiss so 
eigenartig, dass man nicht annehmen kann, dass von zwei getrennten 
Ausgangspunkten aus eine so weitgehende Ähnlichkeit hätte zu Stande 
kommen können, die sich nicht nur aufdie Zahl derGanglienpaare, sondern 
auf die Beziehungen aller einzelnen Ganglien zu bestimmten Innervations- 
gebieten erstreckt, und in dieser Hinsicht möchte ich das Verhältnis zu 
einem so typischen Sinnesorgan, wie es das Geruchsorgan ist, nicht an 
letzter Stelle nennen. Und wie groß ist die Übereinstimmung im Bau 
der Excretionsorgane! Bei Prosobranchien und Opisthobranchien haben 
wir dieselbe auffallende Verbindung der Niere mit dem Herzbeutel, 
jenem eben so charakteristischen wie bei anderen Thieren völlig unbe- 
kannten Reste der Leibeshöhle. v. Inerıng’s Versuch !, einen wesentlichen 
Unterschied zwischen den Nieren der Arthrocochliden und denen der 
Platycochliden nachzuweisen, erscheint mir schon aus dem Grunde ver- 
fehlt, weil er auf diesen Zusammenhang keine Rücksicht nimmt, ganz 
abgesehen davon, dass die baumförmige Verästelung des Nierensackes 
allein doch noch keinen Anhalt bieten kann, denselben mit den Wasser- 
gefäßen der Plattwürmer zu vergleichen. Den Versuch im Einzelnen zu 
prüfen, ist hier nicht der Ort. 

Das Ergebnis meiner eigenen, oben mitgetheilten Untersuchungen 
über das Nervensystem und das Geruchsorgan der Gastropoden führt, 
wie wir sehen, nicht zur Aufstellung eines neuen Systems, sondern es 
dient nur zur Klärung der zwischen den bekannten Gruppen bestehen- 
den verwandtschaftlichen Beziehungen, und es entsteht nun die Frage, 
ob es rathsam und nothwendig ist, dieser Erkenntnis in der Qlassification 
Ausdruck zu verleihen. Wie mir scheint ist die Entscheidung darüber 
nicht nur davon abhängig, ob man meine Combinationen billigt, sondern 
auch davon, ob man die Mängel, die den alten Namen anhaflen, für be- 
denklich hält oder nicht. Hält man sie für unzulässig — und es ist ja 


1 H. v. Inerıne, Zur Morphologie der Niere der sog. »Mollusken«. Diese Zeit- 
schrift. Bd. XXIX. 


372 J. W. Spengel, 


wol nicht zu bestreiten, dass es namentlich für den Lernenden ver- 
wirrend ist, dass es prosobranchiate Opisthobranchien geben soll —, 
und giebt man mir zu, dass der Prosobranchismus nicht einen primären 
Charakter bildet, sondern nur als eine der Folgen einer anderen Ur- 
sache anzusehen ist, so wird man vielleicht einige neue Namen den 
alten vorziehen, und ich erlaube mir, hierzu einige unmaßgebliche Vor- 
schläge zu machen. Nachdem durch meine Darstellung des Baues der 
Prosobranchien der Nachweis geführt ist, dass alle hierher gehörigen 
Formen eine oben näher geschilderte Drehung des Körpers erfahren 
haben, welche bei allen eine sehr charakteristische Kreuzung der Vis- 
ceralcommissur zur Folge hat, während bei den übrigen Gastropoden, 
bei denen die erwähnte Drehung des Körpers nicht eingetreten ist, auch 
diese Gommissur ungedreht geblieben ist, so könnte man wol die bis- 
her sogenannten Prosobranchien als Streptoneuren, die übrigen Gastro- 
poden als Euthyneuren bezeichnen. Innerhalb der Streptoneuren kann 
man dann Zeugobranchia oder Zygobranchia und Anisobranchia oder 
wol besser, da die hierher gehörigen Formen nicht zwei ungleiche, 
sondern nur eine Kieme besitzen, Azygobranchia unterscheiden. Die 
Euthyneuren zerfallen dann in die Opisthobranchia, für welche der 
allerdings nicht sehr bezeichnende, aber eben desswegen auch nicht 
verfängliche Name Ichnopoda v. InzrınG eintreten könnte, die Pieropoda 
und die Pulmonata. Man ist jetzt gewohnt, die Pteropoden völlig von 
den Gastropoden zu trennen, aber gewiss nicht mit Recht, und man 
darf meines Erachtens an dieser Trennung, so scharf begrenzt die 
Gruppe durch die eigenthümliche Ausbildung des Fußes erscheint, 
nicht festhalten, zumal nachdem man durch die schöne Abhandlung von 
For die weitgehende Übereinstimmung kennen gelernt hat, die zwischen 
den Pteropoden und Gastropoden hinsichtlich der Ontogenie besteht. 
Eine andere Frage ist es, ob man die Glasse der Pulmonaten aufrecht 
erhalten soll, oder ob die von v. Inzrıng vorgeschlagene Zerlegung der 
Pulmonaten, von denen natürlich unter allen Umständen die lungen- 
athmenden Streptoneuren auszuscheiden sind, in Branchiopneusia und 
Nephropneusta anzunehmen ist. Ich gestehe, dass ich mich der ersteren 
Ansicht zuneige, aber zu einer bestimmten Beantwortung der Frage 
nicht im Stande bin. So weit ich sehe, wird die Lunge der Heliciden, 
welche nach der Meinung v. Inzrıng’s nicht aus einer kiementragenden 
Mantelhöhle, sondern aus dem Endabschnitte der Niere hervorgegangen 
sein soll, nicht von Nierennerven, sondern von demselben Nerven ver- 
sorgt, der bei den Limnaeiden die Lunge versorgt, nämlich vom ersten 
Nerven der rechten Seite der Visceralcommissur. Wir würden dann 
also folgende Anordnung der Hauptgruppen erhalten: 


Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 373 


Classe: Gastropoda. 


1. Ordnung: Streptoneura. 
4. Unterordnung : Zygobranchia. 
52 » Azygobranchta. 
2. Ordnung: EZuihyneura. 
4. Tribus: Ichnopoda. 
2. » Pulmonata. 
3. » Pteropoda. 


Über die Stellung der Chitonen habe ich mich schon oben geäußert, 
und brauche hier nur zu wiederholen, dass sie meiner Meinung nach 
von den Gastropoden auszuschließen sind und vorläufig mit Chaetoderma 
und Neomenia — den »Solenogastres « GEGENBAUR'S — eine besondere 
Classe der Amphineura v. Inzrıne’s bilden müssen. 

Die Sinnesorgane der Lamellibranchien bestehen, so weit man bis- 
her wusste, in den wol allen zukommenden Otocysten, ferner in Papil- 
len und Haaren, denen man mit mehr oder weniger Recht die Funktion 
von Tastorganen zuschreibt, und endlich in den auf wenige Arten be- 
schränkten Augen des Mantelrandes. Diesen kann ich ein, wie es scheint, 
allen Muscheln eigenes epitheliales Sinnesorgan anreihen, das ich für 
das Homologon des Geruchsorgans der Gastropoden zu halten Grund 
zu haben glaube. Die Lage, in welcher man ein solches zu suchen 
haben würde, war mir durch meine Beobachtungen an Gastropoden 
klar genug angedeutet: es musste sich in der Nähe eines der Ganglien 
der Visceralcommissur finden. Wo aber sollte diese selbst sein? Einem 
glücklichen Zufalle habe ich es zu danken, dass ich nicht lange im Dunkeln 
zu tappen gebraucht habe: die erste Muschel, die ich öffnete, um nach 
einem etwaigen Geruchsorgane zu sehen, war eine Arca Noae, die mir 
zunächst für ganz andere Zwecke zu dienen bestimmt gewesen war. 
Auf den ersten Blick fiel mir eine zwischen dem Hinterende des Fußes 
und dem After gelegene quere Schlangenlinie grünbraunen Pigments 
(Fig. 22) auf, in der ich sofort, das gesuchte Sinnesorgan zu erkennen 
glaubte. Doch sprachen verschiedene Thatsachen gegen diese Deutung: 
vor Allem ergab die Durchmusterung einer Anzahl von anderen Muschel- 
arten wie Solen, Cyiherea, Venus, Pholas, Solecurtus, dass der bei Arca 
so auffällige Pigmentstreifen hier fehlte. Dann aber schien das Verhalten 
zum Nervensystem durchaus nicht zur Natur dieses Organes als Ge- 
ruchsorgan zu stimmen ; denn nach der landläufigen Anschauung, gegen 
‚welche meines Wissens niemals, Bedenken geäußert worden waren, 
besteht das Nervensystem der Muscheln aus drei Ganglienpaaren, die 
den perioesophagealen Ganglienenpaaren der Gastropoden homolog sein 
sollten und demnach, der von mir vorgeschlagenen Nomenclatur gemäß, 


374 J. W. Spengel, 


als Gerebral-, Pedal- und Pleuralganglien zu bezeichnen wären. Von 
diesen Ganglien liegt das erste Paar mit seiner Gerebralcommissur vor 
dem Munde und ist durch je ein Connectivpaar mit den im Fuße ge- 
legenen Pedalganglien einerseits, und mit den an der ventralen Seite 
des bei Dimyariern hinteren, bei Monomyariern einzigen Schalenschließ- 
muskels angebrachten Pleuralganglien andererseits verbunden, wohin- 
gegen eine Commissur zwischen den Pedal- und den 
Pleuralganglien fehlt, eine Eigenthümlichkeit, durch welche das 
centrale Nervensystem der Lamellibranchien sich von dem aller übrigen 
Mollusken mit Ausnahme der Solenoconchen unterscheidet. Auf diesen 
Pleuralganglien nun liegt bei Arca Noae das oben erwähnte pigmentirte 
Sinnesorgan (Fig. 43 O0). Unter der Voraussetzung, dass dieses wirk- 
lich dem Geruchsorgan der Gastropoden entspreche, würde es also ent- 
weder in einer anderen Weise als bei diesen innervirt werden, nämlich 
aus den Pleuralganglien, statt aus Ganglien der Visceralcommissur, oder 
aber die Ganglien, von denen es bei Arca versorgt wird, könnten nicht 
die Pleuralganglien sein. | 

Betrachten wir zunächst den Bau des Sinnesorganes von Arca Noae, 
oder, richtiger gesagt, der Sinnesorgane, denn das pigmentirte Band 
besteht aus zwei in der Mitte durch einen schmalen Zwischenraum ge- 
trennten Hälften, von denen jede am medialen Ende mit einer etwas 
unregelmäßig begrenzten Platte beginnt und nach den Seiten hin in eine 
allmählich schmäler werdende Linie ausläuft, die sich am Rande der 
als Kiementräger fungirenden Duplicatur hinzieht. Jedes Organ (Fig. 27) 
setzt sich wie das Geruchsorgan der Gastropoden aus zwei Bestand- 
theilen zusammen, nämlich einem hohen Cylinderepithel, dessen Be- 
grenzung durch die dunkle Pigmentirung sehr deutlich bezeichnet ist, 
und aus einem unter diesem gelegenen Ganglion, das etwa die gleiche 
Ausdehnung wie das Cylinderepithel hat, also sehr langgestreckt ist. 
Daraus erklärt es sich, dass dies Ganglion von den früheren Beobachtern, 
welche sich damit begnügt haben, diese Theile herauszupräpariren, 
ohne auf den mikroskopischen Bau zu achten, für einen starken Nerven 
erklärt ist. Es ist der in Duvzrnoy’s Abbildungen ! mit dem Buchstaben 
& bezeichnete Kiemennerv. In Wirklichkeit unterscheidet derselbe sich 
von allen von den hinteren angeblichen Pleuralganglien ausgehenden 
Nerven dadurch, dass er wie alle echten Ganglien der Muscheln eine 
dicke Rinde von Ganglienzellen hat, während diese den Connectiven 
und peripherischen Nerven fehlt. Die Achse nimmt ein dicker Strang. 
von Fasersubstanz ein. Auf Querschnitten erhält man daher genau das- 


1 Siehe KEFERSTEIN, Classen und Ordnungen. Taf. XXXIV. 


N 


Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 375 


selbe Bild wie von einem Geruchsganglion eines Chiastoneuren. Die 
Ähnlichkeit beschränkt sich aber nicht auf das Ganglion, sondern aus 
diesem treten gerade so wie beim Geruchsorgan von Haliotis oder Trochus 
zahlreiche Nerven aus, die sich bald in das pigmentirte Gylinderepithel 
einsenken und sich in diesem verbreiten (Fig. 27), so dass wir dasselbe 
eigenthümliche Bild einer von starken Nervenfasersträngen durch- 
brochenen Epithelschicht vor uns haben wie dort. Gestattet diese Über- 
einstimmung im Bau wol schon keinen Zweifel mehr an der Gleichartig- 
keit der in Rede stehenden Sinnesorgane von Gastropoden und Arca, so 
findet diese Ansicht ihre Bestätigung in der entsprechenden Lage an der 
Basis der Kiemen, welche in beiden Fällen auf gewisse Beziehungen 
zum Athmungsvorgange, vermuthlich in einer Prüfung des Athem- 
mediums bestehend, schließen lässt, und es würde damit zugleich die 
Frage nach der Homologie von Lamellibranchien- und Gastropoden- 
kiemen aufgeworfen sein, für welche die Innervirung durch Nerven, 
welche aus dem Ganglion olfactorium hervorgehen, , sicher von Bedeu- 
tung sein dürfte. 

Es sei nun hinzugefügt, dass das Geruchsorgan nicht nur bei Arca 
existirt, sondern auch bei zahlreichen andern, wenn nicht allen Muscheln, 
nur fehlt dort in den meisten Fällen, so bei Anodonta, Unio, Venus, 
Cytherea, Pholas, Solen ete., das Pigment, und man findet nur ein höheres 
Gylinderepithel und unter diesem das Ganglion olfactorium, von dem 
zahlreiche Nerven zum Epithel gehen, die z. B. bei Anodonta ein dichtes 
Netz unter demselben bilden. In allen Fällen zieht sich das Sinnes- 
epithel als ein Streifen vom angeblichen Pleuralganglion am Rande des 
Kiementrägers hin, und aus dem Ganglion olfactorium gehen nach außen 
die Kiemennerven hervor. 

Wenn nun aber wirklich das Sinnesorgan dem Geruchsorgan der 
Gastropoden homolog ist, dann kann das hintere Ganglienpaar unmöglich 
den Pleuralganglien entsprechen, sondern es muss ein Visceralgan- 
glienpaar sein, und die Nervenstränge, welche diese Ganglien mit 
den Cerebralganglien verbinden, können nicht Cerebropleuralconnective 
sein, sondern bilden die Visceralcommissur. Mit dieser Deutung 
aber stimmt Alles, was wir über die Beziehung dieser Ganglien zu 
anderen Organen des Körpers wissen, aufs Vollkommenste überein. 
Zunächst wird der Mangel einer Verbindung dieser Ganglien mit den 
Pedalganglien, also, nach der landläufigen Auffassung, einer Pleuropedal- 
commissur verständlich. Dann aber brauchen wir nicht mehr anzu- 
nehmen, dass bei den Lamellibranchien aus den Pleuralganglien Nerven 
zu einer Reihe von Organen, nämlich dem Mantel, den Genitalien und 
Nieren und zum Schließmuskel ausgehen, die bei allen übrigen Mollusken 


376 J. W. Spengel, 


von Ganglien der Visceralcommissur geliefert werden, dessen ganz zu 
geschweigen, dass die sonst unerhörte Einschaltung des Fußes mit seinen 
sämmtlichen Retractoren in den Schlundring durch diese Auffassung 
beseitigt wird. Es würden dann allerdings Pleuralganglien überhaupt 
nicht vorhanden oder mit den Cerebralganglien verschmolzen sein; doch 
kann ich darin kein Hindernis für meine Deutung sehen, und stehe daher 
nicht an, die bisherige Ansicht, nach welcher das Nervensystem der 
Lamellibranchien nur aus den Bestandtheilen des perioesophagealen 
Nervensystems der Gastropoden zusammengesetzt sein soll, für unzu- 
treffend zu erklären ; vielmehr besteht meines Erachtens das Nerven- 
system der Lamellibranchien aus zwei Cerebral- (oder 
vielleicht Gerebropleural-) und zwei Pedalganglien mit 
Gerebral-und Pedalcommissur und zwei Gerebropedal- 
connectiven und ferner einer Visceralcommissur, in 
welche zwei Visceralganglien eingeschaltet sind, deren 
jedes miteinem Ganglion olfactorium nebst epithelialem 
Geruchsorgan verbunden ist. 

Diese Visceralcommissur liegt ventral vom Darm, also gerade so 
wie bei unserm hypothetischen Urmollusk, und somit würde auch die 
OrganisationderLamellibranchien, abgesehen von dem Mangel 
der Pleuralganglien, in allen wesentlichen Zügen derjenigen 
des Urmollusk entsprechen. Die Muscheln würden diesem Ur- 
mollusk näher stehen als alle Gastropoden, da sie ausschließlich paarige 
und mediane Organe in symmetrischer Anordnung (Darm, Fuß, Herz mit 
zwei Vorhöfen, zwei Nieren in charakteristischer Verbindung mit dem 
Herzbeutel, zwei Geschlechtsdrüsen, zwei Kiemen mit zwei Geruchs- 
organen, Centralnervensystem mit ungedrehter Visceralcommissur) be- 
sitzen. 

Über die den Lamellibranchien in so mancher Hinsicht sehr nahe 
stehenden Solenoconchen habe ich nach eigenen Untersuchungen 
nichts zu berichten und nach den Beobachtungen von LAcAzE-DuTHIERS 
nur einige Andeutungen zu machen, die kaum mehr als Vermuthungen 
zu sein beanspruchen. Die von den meisten Autoren (GEGENBAUR, 
HuxLey, Craus, v. Inerıng) den Pleuralganglien der Gastropoden gleich- 
gesetzten »ganglions voisins de ’anus« oder »ganglions respiratoires, 
branchiaux, abdominaux « von Lacaze-Durnuiers ! kann ich eben so wenig 
als solche anerkennen wie die angeblichen Pleuralganglien der Muscheln, 
mit denen sie den Mangel einer Verbindung mit den Pedalganglien 
gemein haben, denen sie indessen schwerlich entsprechen dürften, da 


1 H. pe LaAcAzs-DuTHiErs, Histoire de l’organisation et du developpement du 
Dentale. Ann. Sc. Nat. Zool. (4) t. VI. p. 369. pl. 43. 


Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 377 


die von ihnen abgehenden Nerven sich anders verhalten; jedes giebt 
bei Dentalium nur einen Nerven an das Postabdomen ab, ob auch zu 
der dort gelegenen Geschlechtsdrüse, wird von Lacaze-Durniers nicht 
angegeben. Dagegen entspringen die Nerven, welche den Mantel ver- 
sorgen, von den Ganglien, welche LacazE-Durniers als »secundäre 
hintere Anschwellungen der Gerebralganglien« bezeichnet. Ich bin 
geneigt, in diesen die vordersten Visceralganglien, in den »gan- 
glions respiratoires« hintere Visceralganglien zu sehen und die 
angeblichen Gerebropleuralconnective zusammen mit der CGommissur 
zwischen den respiratorischen Ganglien als die Visceralcommissur 
zu betrachten. Die Annahme, es möchten die Nerven zu dem bekann- 
ten eigenthümlichen Tentakelapparat nicht von den Cerebral-, sondern 
von den vorderen Visceralganglien entspringen und dann dieser Apparat 
vielleicht das Geruchsorgan repräsentiren, ist wol durch die Zuverlässig- 
keit der Lacaze-Duruiers’schen Beobachtungen ausgeschlossen. Anderer- 
seits wäre es möglich, dass die durch besonders starke Flimmerung 
ausgezeichnete Region an der ventralen Seite des Mantels gegenüber 
dem After, welche der französische Beobachter als eine rudimentäre 
Kieme ansieht, das Geruchsorgan darstellte. Die Entscheidung werden 
weitere Untersuchungen zu liefern haben. 

Es bleiben als letzte Molluskenclasse die Cephalopoden übrig. 
Leider vermag ich für diese noch weniger positive Angaben zu machen 
als für die Dentalien; doch werden meine Vermuthungen vielleicht als 
Richtschnur für weitere Untersuchungen nicht ohne Werth sein. 

Durch Körniker ! ist bekanntlich ein Paar von Sinnesorganen in der 
Nähe der Augen einer Reihe von Gephalopoden entdeckt, die von ihm als 
Geruchsorgane gedeutet wurden. Dieselben bestehen aus zwei mehr 
oder weniger tiefen Grübchen dicht hinter den Augen, bei den Deca- 
poden etwas nach der Bauchseite hin, bei den Octopoden in dem Winkel, 
in dem sich der Mantel an den Kopf setzt. Die Wand dieser Grübchen 
besteht nach den Untersuchungen von ZERNOFF 2 aus dreierlei Elementen, 
nämlich Wimperzellen, Sinneszellen und mit einem eigenthümlichen 
Nebenkörper versehenen Ganglienzellen. Sind diese Geruchsorgane der 
CGephalopoden den im Obigen behandelten Sinnesorganen der übrigen 
Mollusken homolog oder nicht? Ich möchte zunächst constatiren, dass 
für die Identität der Function die Lage am Eingange der Mantelhöhle zu 
sprechen scheint. Ich kann ferner mit Bestimmtheit erklären, dass in 
der ganzen Mantelhöhle kein weiteres epitheliales Sinnesorgan existirt; 
denn ich habe nicht nur dieselbe mit aller Sorgfalt bei erwachsenen und 


1 A. KöLLıker, »Entwicklungsgesch. der Cephalopoden«. Zürich 1844. p. 107. 
2 ZERNOFF, Bull. Soc. Imp. Nat. Moscou. 1869. 


378 J. W, Spengel, 


jungen Thieren von der Oberfläche her durchmustert, sondern Schnitt- 
serien durch junge Sepien und Octopus hergestellt. Es findet sich weder 
auf den Ganglia stellata noch an den Kiemen eine ceircumseripte Epithel- 
verdickung, die man als ein Sinnesorgan in Anspruch nehmen könnte. 
Die sog. Milz, die allen Gephalopoden eigen zu sein scheint! und an die 
man allenfalls hätte denken können, da es ein noch wenig bekanntes 
und functionell dunkles Organ ist, hat sicher nichts damit zuthun. Wenn 
also die Cephalopoden überhaupt im Besitze von Organen sind, die den 
Geruchsorganen der übrigen Mollusken entsprechen, so können es füg- 
lich nur die von KörLiker entdeckten Organe sein. Dagegen aber scheint 
der nervöse Apparat zu sprechen. Nach den übereinstimmenden An- 
gaben von KöLLıker, Gutron?, ZERNOFF, V. IHERING und KLEMENSIEWIGCZ ® 
entspringt der Geruchsnerv in der Nähe des N. opticus aus dem Gentral- 
nervensystem. Welchen morphologischen Werth dieser Punkt des 
Centralnervensystems aber hat, darüber lässt sich, scheint mir, bisher 
keine bestimmte Meinung äußern. Alle bisherigen Versuche, die den 
Schlund umgebende Ganglienmasse der Gephalopoden auf die Ganglien 
der Gastropoden zurückzuführen, scheinen von der Annahme auszugehen, 
dieselben müssten den centralen drei Ganglienpaaren entsprechen. 
Wäre dies der Fall, so würden hier die Geruchsorgane vom Central- 
nervensystem aus innervirt werden, während sie bei den Gastropoden 
zur Visceralcommissur gehören. So weit ich die Thatsachen übersehe, 
scheint mir indessen Nichts dagegen, sondern vielmehr Alles dafür zu 
sprechen, dass die Ganglienmasse des Gephalopodenkopfes außer den 
centralen Cerebral-, Pedal- und Pleuralganglien incl. Buccalganglien 
auch die gesammte Visceralcommissur mit wenigstens zwei mächtigen 
Visceralganglien enthält. Als solche glaube ich jedenfalls die » portion 
blanche posterieur« der »masse inferieure« von Ün£ron, das »hintere 
untere Schlundganglion « von OwsJannıkow und KowALevsky ® in Anspruch 
nehmen zu müssen, da aus demselben die Nerven zu den großen Mantel- 
ganglien oder Ganglia stellata und die Visceralnerven zu den Ge- 
schlechts- und Excretionsorganen entspringen, also Nerven, welche bei 
allen übrigen Mollusken ihren Ursprung aus Visceralganglien nehmen. 


1 Ich fand eine wenn auch schwächer entwickelte Milz auch bei Decapoden, 
nämlich Sepia und Loligo. 

2 J. Cukron, Recherches pour servir a l’'histoire du systeme nerveux des C&pha- 
lopodes dibranchiaux. Ann. Sc. Nat. Zool. (5) t. V. 1866. 

3 R. KLEMEnSIEwIcZz, Beiträge zur Kenntnis des Farbenwechsels der Cephalopo- 
den. Wiener Akad. Sitzungsber. 1878. 

4 Pu. Owssannıkow und A. KowALEvskY, Über das Centralnervensystem und das 
Gehörorgan der Cephalopoden. M&m. Acad. Sc. Petersbourg. (7) t. XI. 1867. 


Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 379 


Dann würden wir in der Kopfganglienmasse der Cephalopoden also 
nicht drei, sondern vier Ganglienpaare zu suchen haben und dem ent- 
sprechen auch die von allen Beobachtern unterschiedenen vier Ab- 
schnitte, von denen einer dorsal, die drei andern ventral liegen. Leider 
bin ich zur Zeit nicht in der Lage, eine eingehende Untersuchung über 
das Verhalten der Commissuren und Connective in dieser Ganglienmasse 
anzustellen, von der Aufschluss über die hier noch vorliegenden Räthsel 
zu erwarten ist. Man könnte von vorn herein einen Einwand gegen 
diese Deutung erheben, nämlich, dass ja eine Visceralcommissur außer- 
halb des Kopfes vorhanden sei (siehe v. In£rıng, p. 255, Taf. V, Fig. 24). 
Allein ich vermag in dieser nichts als eine secundäre Verbindung zweier 
peripherischen Nerven zu erkennen, zumal da solche accessorische 
Commissuren bekanntlich auch zwischen den Ganglia stellata! vor- 
kommen (siehe v. Inerıng, p. 257—258) und vollends nicht, nachdem 
Brock? gezeigt hat, dass diese scheinbare Commissur nur durch eine 
Kreuzung der Nervenfasern zu Stande kommt. Im Übrigen halte ich 
zunächst eine eingehendere Discussion des Nervensystems der Gephalo- 
poden für ziemlich aussichtslos, und begnüge mich mit dem Hinweise 
auf die oben angedeutete Möglichkeit der Zurückführung desselben auf 
das Nervensystem der Gastropoden oder richtiger des Urmollusks. 
Gelingt diese, dann wird auch der Vergleichung der übrigen Organi- 
sationsverhältnisse kein unüberwindliches Hindernis mehr im Wege 
stehen; denn es sind bekanntlich bei den CGephalopoden sämmtliche 
iypischen Organe der Mollusken vorhanden und zwar in medianer, 
beziehungsweise symmetrischer Anordnung. Die Entscheidung über 
die specielleren verwandtschafilichen Beziehungen werden allerdings 
weniger durch die Ergebnisse in Betreff der Geruchsorgane und der 
Visceralcommissur beeinflusst werden als durch die Beantwortung der 
Frage nach dem Homologon des Fußes bei den Gephalopoden, nach dem 
morphologischen Werthe der Arme und des Trichters. Eine Ableitung 
der Cephalopoden vom Urmollusk scheint in allen Fällen möglich. Ent- 
sprieht der Trichter dem Fuße, so können wir uns den gesammten 
circumanalen Organcomplex an die Bauchseite gewandert denken, ohne 
dass dabei die gegenseitige Lage der Organe erheblich verändert würde; 
entsprechen die Arme dem Fuße, so werden wir den Gephalopoden- 
körper etwa so orientiren, wie es Huxrey gethan hat und wie wir es 
oben (p. 366 Anmerkung) als einen möglichen Fall für die Pteropoden 
angegeben haben, nämlich so, dass die innere Armfläche der Bauch- 


1 J. Brock, Versuch einer Phylogenie der dibranchiaten Cephalopoden. Morph. 
Jahrb. Bd. VI. p. 227—228. 
2 J. Brock, a. a. O. p. 229—230. Taf. XII, Fig. 9. 


380 J. W, Spengel, 


seite, die sog. Rückenseite der vorderen und die sog. Bauchseite der 
hinteren Hälfte der Rückenseite eines kurzen, aber sehr hohen Thieres 
entspräche. In ersterem Falle würde die Mantelhöhle ventral, in 
letzterem dorsal liegen. Die ungedrehte Visceraleommissur ist in beiden 
Fällen aufs äußerste verkürzt und als ein zweiter Schlundring in den 
Kopf hineingezogen. Wie weit diese rein hypothetische Zurückführung 
der Gephalopodenorganisation auf die typische Molluskenorganisation, 
die nichts als ein Versuch zu sein beansprucht, der einige Gesichts- 
punkte für weitere Uniersuchungen zu präcisiren beabsichtigt, zutrifft, 
muss die Zukunft lehren. 

Lamellibranchiaten und Solenoconchen einerseits und Gephalopoden 
andererseits würden sonach mit den euthyneuren Gastropoden den 
Besitz einer ungedrehten Visceralcommissur gemein haben und daher 
wol auch als euthyneur bezeichnet werden können. Allein es hieße 
doch offenbar den Werth dieses Charakters für die Classification auf- 
heben , wollte man, indem man auch diese drei Molluskenclassen den 
Euthyneuren anschlösse, die bisher als Prosobranchien bezeichneten 
Streptoneuren in Gegensatz zu allen übrigen Mollusken bringen und diese 
unter dem gemeinsamen Charakter der Euthyneurie zu einem Ganzen 
vereinigt denken. Die Euthyneurie ist eben ein Charakter des Urmol- 
lusks, der sich bei allen Mollusken mit Ausnahme der Streptoneuren 
erhalten hat; aber trotzdem ist einerseits die Verwandtschaft der Strepto- 
neuren mit einzelnen der euthyneuren Classen eine viel innigere als mit 
anderen, während andererseits die Euthyneurie bei Formen erhalten ist, 
die sich in anderen Merkmalen so weit von einander entfernen, wie es 
überhaupt innerhalb des Typus der Mollusken möglich ist. Man darf da- 
her, wenn man den Charakter der Euthyneurie in der Classification ver- 
wenden will, ihn nicht als oberstes Eintheilungsprincip aufstellen, sondern 
nur als ein Merkmal innerhalb einer auf gemeinsame Charaktere anderer 
Art begründeten Gruppe benutzen. Nun aber stellen sich die Lamelli- 
branchien und Solenoconchen sowol wie die Gephalopoden durch die fast 
vollkommene Symmetrie ihrer gesammten Organisation in bestimmtesten 
Gegensatz zu den Gastropoden, bei denen die Bestandtheile der ursprüng- 
lichen linken Seite des eircumanalen Organcomplexes geschwunden sind 
und dadurch eine ganz bestimmte Art der Asymmetrie hervorgebracht 
ist, mit alleiniger Ausnahme der Zygobranchien, welche uns eine Über- 
gangsform zu den noch symmetrischen Stammformen der Gastropoden 
darstellen. Innerhalb der durch diese Asymmetrie vereinigten Gastro- 
poden nun erlangt die Euthyneurie den Werth eines classificatorischen 
Charakters, und diesem Verhalten habe ich in der oben (p. 373) auf- 
gestellten Anordnung einen Ausdruck zu geben gesucht. Dagegen 


Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 381 


müssen die bilateral symmetrischen Mollusken nach anderen Merkmalen 
gruppirt werden, und in dieser Beziehung entspricht das übliche 
System allen Anforderungen an eine natürliche Eintheilung. Die 
Lamellibranchien sind durch ihre zweiklappige Schale, die Bildung ihrer 
Kiemen und den Mangel einer Zunge vor allen übrigen Mollusken aus- 
gezeichnet, die Solenoconchen durch ihre röhrenförmige Schale, den 
Mangel der Kiemen und den Besitz einer Zunge von den Lamellibran- 
chien unterschieden, denen sie sich in anderer Beziehung, namentlich 
im Bau des Nervensystems, entschieden anschließen, während die 
Gephalopoden mit ihren Armen, ihrem Trichter und der eigenthümlichen 
Differenzirung des Kopfes eine abgesonderte, in mancher Hinsicht noch 
unverstandene Stellung einnehmen. Dass sie alle aber, Gastropoden, 
Cephalopoden, Lamellibranchien und Solenoconchen, sich von einer 
gemeinsamen Stammform ableiten, welche bereits sämmtliche typischen 
Organe aller jetzt existirenden Mollusken besaß, lässt sich so überzeugend 
darthun, wie es nur überhaupt innerhalb irgend eines Typus des ganzen 
Thierreiches möglich ist, und ich hoffe, dass es mir an der Hand eines 
unscheinbaren, aber durch sein regelmäßiges Auftreten und seine con- 
stanten Beziehungen zum visceralen Nervensystem bedeutsamen Sinnes- 
organes? gelungen sein wird, einen Schritt in der Erkenntnis der Ein- 
heit des Molluskentypus vorwärts zu thun. 


Göttingen, im September 1880. 


i Bei der Übereinstimmung in dem Besitze einer ventralen Mantelhöhle, be- 
ziehungsweise eines hohen kurzen Körpers mit dorsaler, sich nach hinten öffnender 
Mantelhöhle zwischen Cephalopoden und Pteropoden liegt gewiss der Gedanke an 
eine nähere Verwandtschaft dieser beiden Classen, den namentlich v. IHERING aus- 
gesprochen hat, sehr nahe, und ich verkenne nicht, dass auch die Ähnlichkeit der 

'  Cephaloconen und ihres Innervirungsapparates mit den Cephalopoden-Armen für 
diese Ansicht zu sprechen scheint; allein die durchgreifende Symmetrie des Cepha- 
lopodenkörpers, für welche noch durch die neuesten Untersuchungen von Brock 
»Versuch einer Phylogenie der dibranchiaten Cephalopoden« die ursprüngliche 
bilaterale Symmetrie des Geschlechtsapparates wahrscheinlich gemacht ist, im 
Gegensatz zu derspeciell gastropodenartigen Asymmetrie der Pteropoden 
scheint doch einen so directen Zusammenhang auszuschließen, ganz abgesehen von 
anderen Schwierigkeiten der Zurückführung, und man wird, unter Voraussetzung 
der in Rede stehenden Homologie, wol annehmen müssen, dass die Cephaloconen 
der gymnosomen Pteropoden schon einer noch symmetrischen Stammform eigen 
waren, von denen sich beide Classen abgeleitet haben. 

2 Ich habe dieses Sinnesorgan stets als Geruchsorgan bezeichnet und glaube, 
dass diese Benennung dem entspricht, was man aus der Lage des Organs über seine 
Function erschließen kann. Es liegt überall in der Nähe der Kiemen und zwar in 
ı unverkennbarer Weise gerade so, dass das Athemwasser über diese Organe hin- 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV.Bd. 36 


J. W. Spengel, 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel XVII. 


In allen Figuren ist die Visceralcommissur mit ihren Ganglien blau, das 
Geruchsorgan braun angelegt. Die Buccalganglien sind nicht mit dargestellt. 


Ab, Abdominalganglion ; 

Ce, Cerebralganglien;; 

ce, Cerebralcommissur ; 

ce.pe, Gerebropedalconnectiv ; 

ce.pl, Gerebropleuralconnectiv; 

Pe, Pedalganglien ; 

pe, Pedalnerven von Haliotis und Paiella ; 

O0, Ganglion olfactorium; 

Sb, Subintestinalganglion ; 

Sp, Supraintestinalganglion ; 

s und s’, linke und rechte secundäre Wurzel der Visceralcommissur, bei 
Haliotis und Paiella Mantelnerven. 


Fig. A. Nervensystem, Geruchsorgane und Kiemen von Haliotis nach LAcAzE- 
DUTHIERS. | 

Fig. 2. Nervensystem, Geruchsorgane und Kiemenrudimente von Patella. 

Fig. 3. Nervensystem und Geruchsorgan von Cyclostoma nach LAcAZE-DUTHIERS. 

Fig. 4. Desgl. von Cassidaria echinophora. 

Fig. 5. Desgl. von Pteroirachea mutica. 

Fig. 6. Desgl. von Firoloides Desmaresti. 

Fig. 7. Desgl. von Gastropteron Meckelü. 

Fig. 8. Desgl. und Kieme von Aplysia leporina. 

Fig. 9. Desgl. von Hyalaea nach SoULEYET, Geruchsorgan nach eigenen Bea 
achtungen. 

Fig. 10. Desgl. von Pneumodermon nach SouLEYET, Geruchsorgan nach 
GEGENBAUR. 


Fig. 44. Desgl. von Limnaeus nach LACAZE-DUTHIERS. 
Fig. 12. Nervensystem, Geruchsorgane und Kiemen von Chiton. 


Vi, Visceralcommissur; 
Sl, Sublingualganglien. 


Fig. 43. Nervensystem und Geruchsorgane von Arca nach DUVERNOY, 


Tafel XVIII. 


Das Geruchsorgan ist braun angelegt. 
Fig. 44. Organe der Mantelhöhle von Haliotis tuberculata (&/A). 


a, Afterkegel ; dr, Schleimdrüse der Manteldecke. 


streichen muss, ehe es zu den Kiemen gelangt. Man sieht dies sehr hübsch z. B. bei 
den Streptoneuren wie Buccinum (Fig. 45), wo das Geruchsorgan gerade hinter dem 
Sipho liegt und mit seiner Spitze noch in denselben hineinragt; ferner ist dies in 
sehr evidenter Weise bei den Cephalopoden der Fall. Man kann daraus schließen, 
dass das Organ die Aufgabe hat, die chemischen, resp, physikalischen Eigenschaften 
des Athemwassers zu prüfen, und es scheint mir, dass die Prüfung der Beschaffen- 
heit des Athemmediums die primäre Function eines Geruchsorganes ist, ohne damit 
bestreiten zu wollen, dass auch die Prüfung der Nahrungsstoffe auf gewisse Eigen- 
schaften Aufgabe der Geruchsorgane sein kann und offenbar in vielen Fällen ist. 


Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 383 


Fig. 45. Kieme (links) und Geruchsorgan (rechts) von Buccinum undatum, 
letzteres mit der Spitze in den Sipho, s, hineinragend (4/4). 

Fig. 16. Eine Kieme von Chiton sp. [von Helgoland] (ca. 20/4). 

Fig. 47. Geruchsorgan von Capulus hungaricus (A0/A). 

Fig. 48. Geruchsorgan von Trochus cinereus (5/4). 

Fig. 49. Pyrula tuba, zur Darstellung der Lage des Geruchsorganes an der 
Manteldecke nach SouLEvEr (1/2). 

Fig. 20. Kieme und Geruchsorgan von Aplysia leporina. 

tr, traubenförmige Drüse. 

Fig. 24. Gastropteron Meckelii mit ventralwärts geschlagenen Flossen (2/1). 

Fig. 22. Ventrale Ansicht des hinteren Schließmuskels und der anliegenden 
Organe (Fuß, Kieme, Afterrohr) von Arca Noae (2/}). 


Tafel XIX, 


Das Nervensystem ist gelb angelegt. 

Fig. 23. Querschnitt durch das Geruchsorgan von Murex trunculus (A0/A). 

Fig. 24. Senkrechter Schnitt durch zwei Blätter des Geruchsorganes von 
Nassa sp., zur Darstellung der Nerven im Epithel (140/4). 

Fig. 25. Senkrechter Schnitt durch das Geruchsorgan von Pierotrachea mutica 
(230/A). 

m, Muskel. 

Fig. 26. Querschnitt durch eine junge Haliotis tuberculata mit den Pedalnerven- 
stämmen, von dem Äste zur Fußsohle und zur Krause, kr, abgehen ; m, Mantelrand. 

Fig. 27. Senkrechter Schnitt durch das Geruchsorgan von Arca Noae, parallel 
der Medianebene des Körpers (65/1). 

Fig. 28. Senkrechter Schnitt durch das Kiemenrudiment, k, das Geruchsorgan, 
9, und das Ganglion olfactorium von Patella vulgata (140/A). 

Fig. 29. Senkrechter Schnitt durch das Ganglion olfactorium und das Geruchs- 
organ von Aplysia leporina (140/A). 


236 * 


Kleine Beiträge zur Kenntnis der Gregarinen. 
Von 


0. Bütschli. 


Mit Tafel XX und XAXl. 


Durch die Bearbeitung der Gregarinen für die Neuausgabe der 
Protozoa des Bronn’schen Lehrbuchs veranlasst, suchte ich mich im 
verflossenen Sommer durch eigne Beobachtungen auf diesem Gebiet 
etwas zu orientiren. Unter solchen Umständen konnte es natürlich nicht 
mein Bestreben sein, in systematisch eingehender Weise zur Lösung 
der zahlreichen Fragen, die hier eines Bearbeiters noch harren, beizu- 
tragen, sondern der wesentliche Zweck der unternommenen Studien 
war, wie bemerkt, eigne Orientirung und Belehrung, namentlich auf 
denjenigen Gebieten der Gregarinenforschung, die in neuerer Zeit durch 
die schönen Untersuchunger von Aımk ScHNEIDER so wesentliche Be- 
reicherung erfahren haben. Erfreulich war es mir daher, dass sich als 
Lohn meiner Bemühungen außer bestätigenden Erfahrungen immerhin 
eine Anzahl Resultate ergaben, die, wie ich glaube, zur Aufklärung 
einiger nicht unwichtiger Punkte in der Lebensgeschichte der Grega- 
rinen Einiges beizutragen vermögen. 

Die schon zur Genüge hervorgehobene Natur meiner Unter- 
suchungen wird mich entschuldigen, wenn ich in den folgenden Zeilen 
nicht Abgeschlossenes und allseitig Durchgeführtes vorlege, sondern 
gewissermaßen eine Auslese hier und dort gemachter Beobachtungen. 
Eine weitere Vertiefung meinerseits in diesen Gegenstand glaubte ich 
auch unterlassen zu sollen, um meine freie Zeit den anderweitigen 
Arbeiten dadurch nicht länger zu entziehen. In Anbetracht dieser Ver- 
hältnisse und weiterhin des Umstandes, dass ich in nächster Zeit, bei 
Bearbeitung der Gregarinen für das Bronn’sche Lehrbuch, Gelegenheit 
haben werde, die Gesammtheit unseres Wissens von dieser Gruppe 


| 
| 


Kleine Beiträge zur Kenntnis der Gregarinen. 385 


umfänglich und mit eingehender Berücksichtigung der Litteratur darzu- 
stellen, glaube ich auch än dieser Stelle auf ein genaueres Eingehen 
auf die früheren Leistungen und die Meinungen anderer Forscher ver- 
zichten zu dürfen und werde mich darauf beschränken, die Resultate 
meiner Beobachtungen in möglichster Kürze darzustellen. Natürlich soll 
hier nur das Wichtigere derselben hervorgehoben werden, während ich 
rein Bestätigendes bei der allgemeinen Darstellung der Gregarinen im 
Bronn’schen Lehrbuch anzuführen Gelegenheit haben werde. 


I. Beobachtungen über die Fortpflanzung der Gregarina (Clepsidrina) 
Blattarum v. Sieb. 


Diese leicht zu erhaltende Form diente mir, wie schon manchem 
meiner Vorgänger, zu Studien über die so interessante Fortpflanzungs- 
geschichte; und durch eine gewisse Begünstigung, deren ich mich durch 
die Massenhaftigkeit, in welcher sich die Gregarinen in den von mir 
untersuchten Blatten vorfanden, erfreute, gelang es mir auch hier 
einiges Neue und wohl nicht Unwesentliche über den Fortpflanzungsvor- 
gang zu ermitteln. 


Die Gegarinen sind eigentlich diejenigen Protozoön, bei welchen 
zuerst der Konjugationsprocess als eine wichtige Erscheinung des Fort- 
pflanzungslebens auch auf thierischem Gebiet in Erwägung kam. Be- 
kanntlich war es die wichtige Arbeit Strin’si, die 1848 zuerst die 
Konjugation als einen sehr wesentlichen Faktor im Leben der Gregarinen 
erkannte; die schon lange bekannten, an einander hängenden Grega- 
rinen glaubte Stein, als in Konjugation begriffen auffassen zu dürfen 
und suchte den allmählichen Übergang solcher Paare in die Cysten- 
bildung und ihre schließliche Verschmelzung (Kopulation) hauptsächlich 
durch seine Beobachtungen an der Gregarina (Clepsidrina) polymorpha 
der Mehlkäferlarve zu belegen. Wenngleich die Konjugation der 
Gregarinen seit diesen Srtein’schen Beobachtungen ihr Bürgerrecht in 
der Wissenschaft nicht ınehr verlor, trotz mannigfacher Bestrebungen 
das Vorkommen derselben überhaupt in Abrede zu stellen, so blieb 
dennoch die ganze Frage nach dem Konjugationsprocess immer noch 


sehr dunkel. Ein so genauer Beobachter unserer Wesen wie SCHNEIDER? 


giebt zwar die Konjugation, oder vielmehr Kopulation, bei der Encysti- 
rung gewisser Gregarinen zu, scheint aber dennoch geneigt zu sein, die 
Bildung der Cysten gewöhnlich aus solitären Thieren ohne Kopulation 


1 Archiv für Anat. und Physiol. 1848. p. 182—223. 
? Arch. de zoologie experim. IV. 4875. p. 493—604. 


386 0. Bütschli, 


vor sich gehen zu lassen und leugnet vor allen Dingen völlig die Be- 
ziehung der zu Paaren zusammenhängenden Polycystideen zur Kopu- 
lation und Cystenbildung. Nach seinen Anschauungen nämlich, die 
auch für die Monocystideen gegründet erscheinen, geschieht die Ver- 
einigung der sich konjugirenden Thiere stets mit den gleichnamigen 
Körperenden, während sich bekanntlich die paarweise zusammenhängen- 
den Polycystideen gerade immer mit den ungleichnamigen Körperenden 
an einander hängen. Die innerhalb der CGysten so gewöhnlich wahr- 
nehmbare Sonderung des Inhalts in zwei Halbkugeln, scheint er, mit 
Ausnahme des Falles bei Dufouria agilis, wo es ihm glückte, die Kon- 
jugation und Cystenbildung selbst wahrzunehmen, auf eine Theilung 
des Cysteninhalts zurückzuführen. Durch meine Beobachtungen an der 
Gregarina Blattarum ist es mir jedoch gelungen, mit Sicherheit nachzu- 
weisen, dass die paarweis zusammenhängenden Gregarinen sich defini- 
tiv zusammen encystiren und kopuliren. 

Das Gleiche habe ich auch bei der Gregarina polymorpha der Mehl- 
käferlarve, jedoch nicht mit derselben völligen Sicherheit festzustellen 
vermocht. Ich will daher zunächst über die Beobachtungen an letzt- 
erwähnter Gregarine kurz berichten. Bei einer Mehlkäferlarve, deren 
Chylusdarm von einer ungeheuren Menge der Parasiten erfüllt war, 
fand sich im hinteren Abschnitt desselben gleichzeitig schon eine recht 
beträchtliche Anzahl Cysten vor. Neben diesen ließen sich jedoch alle 
Übergänge zwischen den sehr langgestreckten, zusammenhängenden 
Gregarinenpaaren und den Cysten auffinden. Dieser Übergang verläuft 
ganz genau in der schon von Stein 1848 geschilderten und abge- 
bildeten Weise. Die Individuen eines zur Encystirung sich anschicken- 
den Paares verkürzen und verbreitern sich mehr und mehr, so dass sie 
durch die ovale Form allmählich bis in die kugelförmige übergehen. 
Den Kern und das sogenannte Kopfsegment (Protomerit Scaneiper’s) habe 
ich bei diesen, aus kugelförmig kontrahirten Individuen zusammenge- 
setzten Paaren nicht mehr wahrgenommen, jedoch kann ich hierauf 
keinen größern Werth legen, da die Untersuchung in dieser Richtung 
nur eine flüchtige war. An die eben erwähnten Stadien schließen sich 
dann weitere an, bei welchen sich die beiden kugelförmig kontrahirten 
Individuen mit abgeplatteten Flächen zusammenlegen und schließlich 
die mehr oder minder ovalen Cysten mit schon deutlicher, zarter Hülle, 
jedoch noch durchaus erhaltener Trennungsgrenze zwischen den beiden 
kopulirten Individuen. Alle die gleichzeitig im Chylusdarm dieses 
Exemplars gefundenen zahlreichen Cysten zeigten noch aufs deutlichste 
die Trennnngslinie der beiden konjugirten Individuen, so dass sich hier- 
aus, wie aus den voranstehend aufgeführten Beobachtungen, wohl mit 


Kleine Beiträge zur Kenntnis der Gregarinen. 387 


Sicherheit schließen lässt, dass sämmtliche Gysten in der geschilderten 
Weise aus konjugirten Individuen hervorgegangen waren. Wenn ich 
oben bemerkte, dass diese Beobachtungen an Gregarina polymorpha 
nur einen geringeren Grad von Sicherheit darbieten, so bezog sich dies 
darauf, dass in diesem Fall die Encystirung nicht durch fortdauernde 
Beobachtung eines und desselben Exemplars hat festgestellt werden 
können, während das Letztere bei dem jetzt zu schildernden Encysti- 
rungsakt der Gregarina Blattarum mehrfach geglückt ist. Auch hier 
waren es wieder zwei Exemplare von Blatta, die mit einer ganz unge- 
heuren Zahl der Parasiten inficirt waren, welche das Material zu den 
Beobachtungen lieferten. Eben so wie bei der Mehlkäferlarve fand sich 
auch hier eine ansehnliche Zahl fertiger Cysten in der hinteren Hälfte 
des Chylusdarmes vor; das eine der Thiere enthielt nicht weniger wie 
sechs fertig gebildete Cysten. Hier ging jedoch die Eneystirung auch noch 
bei der Untersuchung des Darminhalts in Eiweißlösung auf dem Object- 
träger weiter fort. Auch bei dieser Form sind es die zusammenhängen- 
den Paare, die sich zur Encystirung und Kopulation anschicken. Die 
erste bemerkenswerthe Veränderung, welche ein solches, zur Encysti- 
rung übergehendes Paar zeigt, besteht auch hier in einer Kontraktion 
und größeren Abrundung der einzelnen Individuen, namentlich wird 
auch die Absetzung des Protomerits (Kopfsegment) von dem Deutomerit 
(Rumpfsegment) weniger scharf (Fig. 1 a). Gleichzeitig macht sich je- 
doch auch eine ziemlich breite, helle, körnerfreie, peripherische Region 
des Leibes bemerklich und die Färbung der Thiere ist im durchfallen- 
den Licht eine mehr bräunliche geworden. Die in diesem Zustand be- 
findlichen Paare zeigen eine recht lebhafte Beweglichkeit, wobei nament- 
lich auffällt, dass, im Gegensatz zu der sonst bekanntlich gewöhnlich 
eingehaltenen, geraden Fortbewegungsrichtung, bei diesen Paaren eine 
ausgesprochene Neigung vorhanden ist, sich im Kreis herum zu bewegen. 
Dabei sind die Thiere selbst auch ziemlich gestaltsveränderlich, indem 
Einschnürungen, die sich bald hier, bald dort bilden, diesen Form- 
wechsel hervorrufen. Bei dem in Fig. I a abgebildeten Exemplar zeigt 
sich weiterhin schon eine, wenn auch nur wenig ausgesprochene, 
Schiefstellung der beiden Individuen zu einander, indem sich das hintere 
mit seinem rechten Vorderrand an den entsprechenden Hinterrand des 
Vorderthieres angelegt hat. Mit dieser beginnenden Schiefstellung der 
beiden Individuen zu einander dürfte, wie ich vermuthe, auch die Kreis- 
bewegung in Zusammenhang stehen. Der weitere Fortschritt der Kon- 
jugation vollzieht sich nun derart, dass, wie Fig. 4 b zeigt, die beiden 
Thiere sich mit ihren entsprechenden Seitenrändern successive mehr 
und mehr zusammenlegen, bis schließlich, nach Verlauf von noch nicht 


388 0. Bütschli, 


ganz einer halben Stunde, beide mit den Seitenrändern 'sich völlig ver- 
einigt haben und sich nun in der Fig. 1 c wiedergegebenen Weise 
präsentiren. Die Protomerite beider sind noch auf das deutlichste er- 
halten, liegen jedoch naturgemäß an den entgegengesetzten Polen des 
etwa ovalen konjugirten Körpers. 

Während dieses ganzen Vorganges dauert die Kreisbewegung des 
in der Encystirung begriffenen Paares fort, nur nimmt der Radius der 
Kreisbahn, je mehr sich die Thiere zusammenlegen, an Größe ab, bis 
schließlich, auf dem in Fig. 4 c abgebildeten Stadium, die Kreisbe- 
wegung in Rotation übergegangen ist. Sobald die völlige Zusammen- 
lagerung der beiden Individuen in der geschilderten Weise sich voll- 
zogen hat, beginnt auch, mit der Ausscheidung einer gallertigen 
Hüllschicht um dieselben, zuerst die eigentliche Encystirung. Die 
durchsichtige Gallertschicht (Fig. 1 c, gh) macht sich hauptsächlich durch 
die auf ihrer Oberfläche anklebenden Fremdpartikelchen bemerkbar. 
Unter fortdauernder Rotation runden sich die beiden konjugirten Thiere 
mehr und mehr zu einer einheitlichen Kugel ab, ohne dass jedoch die 
Trennungsgrenze der beiden Individuen an Deutlichkeit abnähme ; da- 
gegen haben sich jedoch jetzt die beiden Protomerite (Fig. ! d, pm) ganz 
in das Nivellement der Kugeloberfläche zurückgezogen, lassen jedoch 
noch immer eine Abgrenzung gegen die Deutomerite erkennen. Die 
Ausscheidung der Gallerthülle macht rasche Fortschritte; dieselbe ist 
auf dem Stadium Fig. 1 d schon beträchtlich gewachsen und unter ihr 
ist eine sehr zart geschichtete, innere Hülle (Fig. ! d, ch) aufgetreten, 
die erste Anlage der inneren oder eigentlichen Cystenhülle. Weiterhin 
verliert sich nun die Rotation des Cysteninhalts mehr und mehr, dauert 
jedoch, wenn auch langsam, noch wenigstens gegen 1/, Stunde, wohl 
auch noch länger, fort, wie man namentlich daran erkennt, dass der 
Verlauf der Trennungslinie der beiden Individuen, so wie die noch an- 
gedeuteten Protomerite, ihre Lage ändern. Kurze Zeit nach dem ersten 
Auftreten der inneren oder eigentlichen Gystenhülle verdickt sich deren 
innerste Lage zu der ziemlich dicken und dunklen, glänzenden eigent- 
lichen Cystenhülle, die äußerlich, jedoch nicht immer, noch eine Anzahl 
zarter Auflagerungsschichten erkennen lässt (Fig. 1 e, ch). Dass diese 
dunkle, glänzende und anscheinend homogene Hülle selbst wieder aus 
zahlreichen koncentrischen Schichten zusammengesetzt ist, wird sich 
aus ihrem weiteren Verhalten ergeben. Eigenthümlich erscheint, dass 
die ganze Gyste nun noch eine Formveränderung erfährt, nämlich all- 
mählich die ovoide Gestalt annimmt, welche die ausgebildeten Cysten 
stets zeigen {Fig. I e). Der ganze Vorgang der Encystirung, wie er so- 
eben geschildert wurde, und in den Figuren I a—e von einem und dem- 


Kleine Beiträge zur Kenntnis der Gregarinen. 389 


selben Paar wiedergegeben ist, verlief etwa in einem Zeitraum von 
5/, Stunden. 

Wie schon bei der Gregarine der Mehlkäferlarve gefunden wurde, 
so zeigten auch hier sämmtliche im Chylusdarm. vorhandenen Cysten 
noch aufs deutlichste die Trennungsgrenzen der beiden Individuen und 
häufig ließen sich auch noch die beiden oder doch ein Protomerit auf- 
finden. 

Was die weiteren, nun innerhalb der Cyste sich abspielenden Ent- 
wicklungsprocesse anbetrifft, so habe ich dieselben nicht systematisch 
verfolgt, da die Undurchsichtigkeit des Objektes einen großen Aufwand 
von Material und Zeit und zur genauen Feststellung der Kernverhält- 
nisse wahrscheinlich den Versuch der Anwendung der Schnittmethode 
erfordert. Eine Reihe von Einzelheiten, die ich jedoch beobachtete, 
will ich hier kurz zur Sprache bringen. — Die auf dem Stadium Fig. I e 
noch deutlichen Protomerite scheinen bald mit den Deutomeriten zu 
verschmelzen, wenigstens ließ sich nach circa drei Stunden nichts mehr 
von ihnen auffinden. 

Im Gegensatz zu diesem raschen Untergang der Protomerite steht 
die sehr lange Erhaltung der Trennungsgrenze zwischen den beiden 
encystirten Individuen, d. h. also die relativ späte Verschmelzung der- 
selben zu einem einheitlichen Cysteninhalt. Nach den Erfahrungen, 
die ich darüber in mehreren Beobachtungsreihen gesammelt habe, er- 
folgt diese Vereinigung erst etwa 48 Stunden nach dem Beginn der 
Encystirung und zwar erst, nachdem die Cyste den Enddarm passirt hat 
und mit dem Koth nach außen getreten ist. Noch eigenthümlicher er- 
scheint jedoch die Thatsache, dass die Bildung der Sporen (Pseudo- 
navicellen) schon sehr frühzeitig anhebt, lange bevor die Verschmelzung 
sich vollzogen hat. Wie mir nach einer, jedoch nicht ganz sicheren 
Beobachtung schien, beginnt sogar die Pseudonavicellenbildung schon 
wenige Stunden nach der Ausbildung der Gyste. Wenn nun auch, wie 
in den okigen Zeilen hervorgehoben worden ist, die Trennungsgrenze 
zwischen den beiden sich kopulirenden Thieren noch so lange sicht- 
bar bleibt, so möchte ich daraus doch nicht unbedingt den Schluss 
ziehen, dass der Verschmelzungsprocess überhaupt erst relativ so spät 
nach vollzogener Encystirung anhebt. Es wäre ja leicht denkbar, dass 
die Verschmelzung im Innern beginnt, so dass auf der Oberfläche die 
äquatoriale Trennungsgrenze trotz theilweiser Verschmelzung noch 
deutlich zu sehen ist. Über ein solches, mir nicht unwahrscheinlich 
dünkendes Verhalten ließe sich aber nur durch die Anfertigung von 
Durchschnitten der Cysten auf geeigneten Entwicklungsstadien sicherer 
Aufschluss erhalten. 


390 0. Bütschli, 


Was nun die Pseudonavicellenbildung anbetrifft, die wie bemerkt, 
schon sehr frühzeitig anhebt, so deutet das, was ich davon gesehen, 
darauf hin, dass dieselbe sich hier wohl nach Art eines allseitigen, auf 
der gesammten Oberfläche der beiden encystirten Individuen statt- 
findenden Knospungsprocesses vollzieht. Zwar habe ich das Nähere 
dieses Vorganges nicht verfolgt, jedoch lässt sich aus dem Gesehenen 
und aus dem, was von dem Bildungsvorgang der Pseudonavicellen der 
Gregarinen überhaupt bekannt ist, nicht wohl auf einen andern Vor- 
gang schließen. Die jugendlichen Pseudonavicellen fanden sich, etwa 
24 Stunden nach vollzogener Encystirung, in Gestalt einer peripheri- 
schen, hellen Lage, die Oberfläche der beiden noch nicht vereinigten, 
encystirten Individuen überziehend. Dicht zusammengedrängt, bilden 
sie gleichsam ein Cylinderepithel, das die Oberfläche des Gysteninhalts, 
ähnlich wie das Blastoderm den Nahrungsdotter eines Insekteneies, 
überdeckt. Von der Fläche betrachtet, erscheint diese Pseudonavicellen- 
schicht wie ein aus polygonal sich abplattenden Zellen zusammenge- 
setztes Epithel. Auf der Vereinigungsfläche der beiden encystirten 
Individuen scheint es wohl sicher nicht zur Bildung von Sporen zu 
kommen. Eine Hülle besitzen die jugendlichen Pseudonavicellen dieses 
Stadiums noch nicht; ihr Protoplasma erscheint ganz hell und durch- 
sichtig, fast durchaus körnchenfrei; nur zuweilen bemerkt man wenige, 
feine dunkle Körnchen in einigen derselben. Letztere Verhältnisse 
lassen sich natürlich nur dann gut wahrnehmen, wenn man die Cyste 
sprengt und den Inhalt hervortreten lässt. Hierbei nehmen die isolirten 
Pseudonavicellen eine abgerundete, ovale bis kuglige, zuweilen jedoch 
auch etwas unregelmäßige Form an!, so dass ihre verlängert, prisma- 
tische Gestaltung im Innern der CGyste wohl auf gegenseitige starke 
Pressung zurückzuführen ist. Besonders bemerkenswerth erscheint 
jedoch, dass sich an den isolirten, jugendlichen Pseudonavicellen das 
Vorhandensein eines Zellkerns sicher konstatiren lässt. Derselbe liegt 
fast stets etwas excentrisch, ist kuglig und besitzt eine deutliche, ziem- 
lich dunkle Hülle, der Inhalt erscheint blass, nicht körnig. Essigsäure 
(1%/,) macht den Kern noch deutlicher und mit Alaunkarmin lässt er 
sich gut färben, so dass über seine Kernnatur nicht wohl ein Zweifel 
bestehen kann. 

Dieser in vieler Hinsicht bemerkenswerthe Nachweis eines Zell- 
kerns in den jugendlichen Sporen veranlasst mich, noch mit einigen 
Worten auf die Kernverhältnisse der eneystirten Individuen überhaupt 

1 Amöboide Bewegungen, die nach dieser zum Theil unregelmäßigen Gestal- 


tung der isolirten Pseudonavicellen vielleicht zu vermuthen wären, vermochte ich 
nicht zu beobachten. 


Kleine Beiträge zur Kenntnis der Gregarinen. 891 


einzugehen. Bekanntlich bildet das Verhalten der Zellkerne bei der 
Kopulation einzelliger, thierischer und pflanzlicher Wesen eine sehr 
interessante und wichtige Frage, hauptsächlich im Hinblick auf die in 
neuerer Zeit so mannigfach aufgeklärten Befruchtungserscheinungen der 
vielzelligen Wesen. Ohne Zweifel werden die Vorgänge bei den Grega- 
rinen dereinst in dieser Beziehung eine recht wichtige Rolle zu spielen 
berufen sein. Vorerst jedoch sind unsere Erfahrungen auf diesem Ge- 
biet zu unsicher, um mehr wie einige Vermuthungen zu gestatten. 
Die allgemeine Annahme sprach sich seither dafür aus, dass die Kerne 
der sich encystirenden und kopulirenden Gregarinen nach einiger Zeit 
durch Auflösung zu Grunde gingen. 

Die wenigen Beobachtungen, welche ich durch Sprengung jugend- 
licher, dem Chylusdarm entnommener Cysten gemacht habe, gestatten 
mir nicht eine gegründete Ansicht über das Schicksal der Kerne der 
beiden sich kopulirenden Individuen zu äußern, dennoch möchte ich 
hier hervorheben, dass nach meiner Überzeugung durch die seitherigen 
Beobachtungen der behauptete Untergang der Kerne gewiss nicht mit 
der, durch die neuern Erfahrungen auf ähnlichen Gebieten, wünschens- 
werthen Sicherheit erwiesen ist, sondern dass es neuer, mit den so 
wesentlich vermehrten Hilfsmitteln der modernen Technik ausgerüste- 
ter Untersuchungen bedarf, um über das Schicksal der Kerne definitiv 
zur Klarheit zu gelangen. Ich persönlich habe mich bis jetzt über- 
zeugt, dass in den beiden Individuen einer sehr jugendlichen Cyste aus 
dem Chylusdarm die Kerne noch vorhanden waren, dass dieselben sich 
jedoch gegenüber denen der nicht encystirten Thiere sehr wesentlich 
verändert zeigten. Sie schienen an Größe beträchtlich abgenommen zu 
haben, besaßen eine sehr zarte Kernhülle und einen sehr feingranulir- 
ten Inhalt. Von den so ansehnlichen Nucleoli der gewöhnlichen Kerne 
war gar nichts mehr vorhanden. Bei Weitem interessanter jedoch 
gestaltete sich das Verhalten einer etwas weiter entwickelten Cyste, 
an der von Bildung der Pseudonavicellen noch nichts zu beobachten 
war. Hier fand sich nämlich in dem peripherischen Protoplasma des 
Cysteninhalts eine sehr große Anzahl kleiner Kerne vor, die sich 
durch die Färbung mit Alaunkarmin recht deutlich nachweisen ließen. 
Ihre Gestalt war meist rundlich, zum Theil jedoch auch etwas unregel- 
mäßig und in ihrer weiteren Beschaffenheit schlossen sie sich zunächst 
an die früher geschilderten Kerne der jugendlichen Pseudonavicellen 
und die soeben erwähnten, veränderten Kerne der noch nicht so weit 
entwickelten Gyste an. Die Größenverhältnisse dieser peripherischen 
Kerne waren etwas verschieden, jedoch übertrafen sie die Kerne der 
jugendlichen Pseudonavicellen an Größe. — Es scheint mir nun kaum 


392 ‚0. Bütschli, 


fraglich zu sein, dass die Kerne der Pseudonavicellen ihre Entstehung 
von jenen peripherischen Kernen nehmen, dass letztere sich an dem 
Knospungsprocess, welcher zur Bildung der Pseudonavicellen führt, 
betheiligen. Fraglich muss dagegen bis jetzt die Herleitung jener zahl- 
reichen peripherischen Kerne erscheinen : ob dieselben nämlich im Cysten- 
inhalt neu gebildet werden, oder, wie dies nach den Erfahrungen der 
neueren Zeit bei Weitem wahrscheinlicher ist, sich von den ursprüng- 
lichen Kernen der beiden kopulirten Thiere herleiten. Die Entschei- 
dung hierüber wird nur durch eine Reihe methodischer Beobachtungen 
festzustellen sein, zu welchen meine lückenhaften Untersuchungen viel- 
leicht einige Anregung geben werden. 

Auf einen zweifelhaft gebliebenen Punkt erlaube ich mir gleichfalls 
noch hinzuweisen. Es schien mir, dass auch bei den mit ausgebildeter, 
oberflächlicher Schicht von jugendlichen Pseudonavicellen versehenen 
Cysten sich im Innern des peripherischen Protoplasmas noch kern- 
artige Körper vorfinden, jedoch ließ sich darüber keine völlige Sicher- 
heit erreichen. 

Man wird zugestehen, dass auch die eben geschilderten wenigen 
Beobachtungen über die Kernverhältnisse der Gysten vor und während 
der Pseudonavicellenbildung eine Vergleichung der letzteren mit der 
Blastodermbildung im Insektenei sehr nahe legen. | 

Wir kehren nach dieser Abschweifung wieder zu dem Entwick- 
lungsprocess der CGysten zurück. Die Pseudonavicellenschicht besteht, 
so weit meine Beobachtungen reichen, stets nur aus einer einzigen Lage 
und die sie zusammensetzenden, jugendlichen Pseudonavicellen lassen, 
so lange sie noch diese peripherische Schicht bilden, nichts deut- 
liches von einer Hülle erkennen. Nach einer gewissen Zeit nun ver- 
schwinden die Sporen völlig von der Oberfläche des Cysteninhalts; den 
Zeitpunkt dieses Verschwindens habe ich nicht hinreichend sicher 
beobachtet, jedoch möchte ich glauben, dass er ziemlich zusammen- 
fällt mit der völligen Vereinigung der beiden, bis jetzt noch immer durch 
eine deutliche Trennungslinie markirten Individuen. 

Wie schon früher bemerkt, vollzieht sich diese völlige Vereinigung 
etwa 48 Stunden nach eingetretener Encystirung. Wenn nun dieser 
Art der Gysteninhalt sich völlig einheitlich gestaltet hat, ist von der 
früheren Pseudonavicellenschicht auf der Oberfläche desselben nichts 
mehr zu erkennen, vielmehr wird letztere von einer ziemlich dicken, 
etwas heller wie der übrige Cysteninhalt erscheinenden Zone gebildet, 
die von den bekannten Körnern der Gregarinen durchaus erfüllt ist. 
Dieses Verschwinden der Pseudonavicellenschicht erklärt sich in der 
Weise, dass sie in den Gysteninhalt einwandern, ob aktiv, oder in irgend 


Kleine Beiträge zur Kenntnis der Gregarinen. 393 


einer anderen Weise, vermag ich nicht anzugeben, und dass sie weiter- 
hin sich im Centrum des körnigen Cysteninhalts zu einer centralen 
Masse zusammenhäufen und hier ihre definitive Ausbildung erfahren, 
über die ich jedoch etwas Weiteres nicht festgestellt habe!. Diese An- 
häufung der Pseudonavicellen im Cysteninbalt macht sich bald daran 
bemerklich, dass sich dessen Centrum aufhellt, indem die Masse der 
durchsichtigen Sporen das Licht besser passiren lässt. Diese Aufhellung 
der Centralmasse der CGyste tritt schon etwa 12—16 Stunden nach der 
völligen Verschmelzung der beiden kopulirenden Individuen sehr deut- 
lich hervor. 

Der weitere Fortschritt in der Entwicklung der Cysten koncentrirt 
sich nun hauptsächlich auf die Ausbildung der Einrichtungen zur Aus- 
streuung der Pseudonavicellen, auf die Bildung der zuerst von Stein, 
später genauer von A. ScunEiper beobachteten, sogenannten Sporo- 
ducte. Das erste Auftreten dieser Sporoducte scheint eirca 48 Stunden 
nach der völligen Verschmelzung der beiden kopulirten Individuen 
stattzufinden. Ich habe die Bildung dieser interessanten Einrichtungen 
zur Ausstreuung der Sporen nicht von ihren ersten Anfängen verfolgt; 
an den ersten Stadien, die ich wahrnahm,, waren dieselben stets ziem- 
lich weit entwickelt, jedoch lässt sich aus dem Verhalten der fertigen 
Organe wohl noch ein ziemlich sicherer Schluss auf ihre wahrschein- 
liche Entstehungsweise ziehen. Um für diese das richtige Verständ- 
nis zu finden, müssen wir hier nachholen, dass sich schon auf einem 
sehr frühen Stadium der Encystirung, noch bevor es zur Pseudonavi- 
cellenbildung gekommen ist, um den Gysteninhalt eine innerste, zarte 
Membran nachweisen lässt, eine Hülle, die bei der Bildung der Sporo- 
ducie eine wichtige Rolle zu spielen scheint. An der unverletzten 
Cyste habe ich diese Membran weder auf solch frühen Stadien noch 
auf den späteren mit Sicherheit wahrzunehmen vermocht, dagegen ließ 
sich dieselbe nach Sprengung der Cysten und dem Austritt des Inhalts 
aufs deutlichste erkennen. — Schon die frühesten Stadien der Sporo- 
ductbildung sind selbst bei sehr schwacher Vergrößerung leicht daran 
kenntlich, dass die Bildungsstelle jedes Sporoducts durch einen ziem- 
lich ansehnlichen, hellen Fleck in der dunkelkörnigen äußeren Partie 
des Cysteninhalts bezeichnet wird (Fig. 4 spd). Diese hellen Flecke 
sind darauf zurückzuführen, dass sich eine ganz helle und namentlich 
von groben Gregarinenkörnern vollständig freie Plasmamasse an den 
Bildungsstellen der Sporoducte angesammelt hat und hier in radiärer 


1 Denselben Vorgang hat auch schon A. Scuneiper bei den Clepsidrinen beob- 
achtet, auch er hat jedoch den eigentlichen Modus der Wanderung nicht festzu- 
stellen vermocht,. 


394 0. Bütschli, 


Richtung die dunkelkörnige Außenregion des Cysteninhalts, von dem 
hellen Centralhaufen der Pseudonavicellen bis zu der Oberfläche, durch- 
setzt, hier natürlich in Gestalt eines mehr oder minder regelmäßig 
rundlichen und hellen Fleckes erscheinend. In der Achse dieser strang- 
förmigen, hellen Plasmamasse tritt nun schon aufs deutlichste die An- 
lage des eigentlichen Sporoductes hervor, in Gestalt eines zartwandigen 
Schlauches (Fig. 5 spd), der sich von der Oberfläche des Cysteninhalts 
schon ziemlich tief gegen das Centrum hin verfolgen lässt und der 
wahrscheinlich schon in seiner definitiven Länge angelegt ist, d. h. bis 
etwa zur Oberfläche des Pseudonavicellenhaufens im Centrum der 
Cyste reicht. Dieser Sporoductschlauch erscheint nun, wie die genauere 
Untersuchung ausweist, als eine direkte Fortsetzung der oben erwähn- 
ten, innersten Cystenhülle und scheint es mir auch sehr wahrschein- 
lich, dass der Sporoduct sich schon jetzt durch eine feine Öffnung in 
der Fläche dieser Membran öffnet. Darauf deutet die ganz helle, durch- 
sichtige, peripherische Endigung des Sporoductes hin (Fig. 5). 

Der Sporoduct selbst ist ein sich nach innen nur wenig verjüngen- 
der Schlauch, der jedoch häufig dicht hinter seinem peripherischen 
Anhangsende eine einschnürungsartige Verengerung zeigt. Hiermit sind 
jedoch die Eigenthümlichkeiten des Sporoductes und namentlich des 
hellen plasmatischen Stranges, in dessen Achse er eingebettet ist, noch 
nicht erschöpft. Untersucht man einen der hellen Flecke in der Flächen- 
ansicht bei stärkerer Vergrößerung (Fig. 5), so beobachtet man in der 
hellen Masse des Fleckes um die als helles Kreischen hervorleuchtende, 
peripherische Mündungsstelle des Sporoducts eine Ansammlung sehr 
feinkörnigen Protoplasmas (w), die sich nach den Rändern des Fleckes 
hin strahlenartig in Fortsätze auszieht, welche sich schließlich netzarlig 
verästeln, unter einander anastomosiren und sich zwischen den Körnern 
der umgebenden, körnigen Masse scheinbar verlieren. Bei genauerem 
Zusehen jedoch stellt sich heraus, dass diese feinkörnigen Plasmazüge 
und Netze sich auch noch durch die ganze körnige Masse hindurch fort- 
setzen und die Körner demnach von den Maschen dieses feinkörnigen 
Plasmanetzwerkes umschlossen werden. Letzteres tritt mit voller Deut- 
lichkeit hervor, wenn man an einer derartigen Gyste die verdunkelnden, 
undurchsichtigen Körner durch Kalilauge (35°/,) zerstört, während da- 
durch das plasmatische Netzwerk nicht wesentlich angegriffen wird; 
dann hat man Gelegenheit dasselbe in seiner ganzen Ausdehnung zu 
übersehen (siehe auch Fig. 6) und an den reifen Cysten auch das Ver- 
halten dieses Plasmanetzes zu den Sporoducten festzustellen. An den 
jugendlichen 'Sporoducten ist dies durch Anwendung der Kalilauge 
nicht möglich, da dieselben durch dies Reagenz zerstört werden, wo- 


Kleine Beiträge zur Kenntnis der Gregarinen. 395 


gegen sich die Sporoducte der reifen Cysten widerstandsfähig gegen 
die Kalilauge erweisen, eben so wie dies von der Sporoductenhülle, 
wie ich die früher beschriebene, innerste Umhüllungsmembran nennen 
will, gilt. 

Die geschilderten Bauverhältnisse der körnigen Außenmasse des 
Cysteninhalts scheinen mir nun darauf hinzudeuten, dass hier eine Art 
Differenzirung des Protoplasmas vorliegt, wie sie schon mehrfach von 
verschiedenen Objekten beschrieben wurde; das netzförmig verästelte, 
feinkörnige Plasma ließe sich etwa als Protoplasma, die helle durch- 
sichtige Zwischenmasse hingegen als Paraplasma im Sinne KuPpFFEr’S 
bezeichnen. Im letzteren sind dann die Körner, umschlossen von den 
Maschen des feinkörnigen Protoplasmanetzwerkes, eingelagert. Was 
nun das Verhalten des plasmatischen Netzwerkes zu den Sporoducten- 
schläuchen betrifft, so zeigt sich an den durch Kalilauge aufgehellten 
Cysten, dass ähnlich, wie dies bei der Betrachtung von der Fläche 
schon zu bemerken war, die Sporoducte in ihrem ganzen Verlauf von 
diesem Plasmanetz umsponnen werden, und dass sich um den ganzen 
Sporoduct ein, wenn auch zarter Schlauch dieses dichteren Plasmas 
vorfindet, mit dem sich das Plasmanetz in Verbindung setzt (Fig. 13). 
Nach diesen Befunden, die vom wesentlich fertig gebildeten Sporoduct 
entnommen sind, glaube ich, dürfen wir uns etwa folgende Vorstellung 
von dem Bildungsvorgang der Sporoducte entwerfen. Der erste Schritt 
hierbei wird wohl der sein, dass sich durch Auseinanderweichen der 
Körner in der Außenregion des Cysteninhalts, an gewissen Stellen die 
hellen, körnerfreien Stränge bilden. In der Achse eines solchen 
Stranges wird sich nun das feinkörnige, ihn durchsetzende Plasmawerk 
schlauchförmig anordnen und im Innern dieses Schlauches wird der 
eigentliche Sporoduct durch Abscheidung oder plasmatische Umbildung 
erzeugt werden und zwar von Anfang an in direktem Zusammenhang 
mit der sogenannten Sporoductenmembran. Schon sehr frühzeitig 
scheint sich auch, wie oben schon hervorgehoben wurde, eine direkte 
Ausmündung des Sporoductenschlauches nach außen, d. h. in den 
Raum unterhalb der eigentlichen Cystenhülle, zu finden. 

Die Zahl der in solcher Weise gebildeten Sporoducte schwankt 
sehr bei den verschiedenen Cysten und steht wohl zunächst im innig- 
sten Zusammenhang mit der sehr verschiedenen Cystengröße. Letztere 
ist ihrerseits natürlich abhängig von der Größe der sich zur Encystirung 
anschickenden Thiere. Die geringste Zahl der von mir bei kleinen 
Cysten gefundenen Sporoducte betrug drei,‘die höchste Zahl dagegen 
bei sehr ansehnlichen Cysten etwa ein Dutzend. 

Bemerkenswerthe Veränderungen an den Sporoducten, im Verlaufe 


396 0. Bütschli, 


der weiteren Reifung der Cysten bis zu ihrem Aufbrechen, konnte ich 
kaum beobachten ; nur scheint die feinkörnige Plasmamasse, die wie 
ein Ringwulst das peripherische Ende des Sporoductes umgiebt (Fig. 12 
und 13 w), sich allmählich noch mehr zu verdichten. Im optischen 
Durchschnitt sieht man sie häufig deutlich etwas wulstartig nach innen 
vorspringen und bemerkt an ihr manchmal auch recht deutlich eine 
zarte, senkrecht zur Oberfläche gehende Faserung. Die Zeit, welche 
von dem ersten Auftreten der Sporoducte bis zu der Eröffnung der 
ausgereiften Cysten und dem Hervorbrechen der Sporoducte verstreicht,\ 
beträgt nach mehrfachen Beobachtungen etwa 36—48 Stunden, so dass 
die gesammte Reifung der Gysten der Gregarina Blattarum, wenigstens 
bei sommerlicher Temperatur, circa fünf Tage in Anspruch nimmt. 
Jedoch glaube ich, dass gerade der Zeitpunkt der Eröffnung der Gysten 
häufig Schwankungen unterworfen ist; ich habe wenigstens einen Fall 
beobachtet, wo am vierten Tag nach dem ersten Auftreten der Sporo- 
ducte die Gyste noch der Eröffnung harrte und andererseits hatte ich 
häufig Gelegenheit wahrzunehmen, dass auch ein zu frühzeitiges, anor- 
males Aufbrechen stattfinden kann. Dieses zu frühzeitige Aufspringen 
der Cysten, das-sich zuweilen schon vor der völligen Vereinigung der 
encystirten Individuen ereignet, ist nicht mit einer Ausstülpung der 
Sporoducte, in so fern solche schon vorhanden sind, verbunden. Es 
reißt dabei die Gallerthülle und die darunter liegende eigentliche 
Cystenmembran ein und diese letztere drückt dann durch ihre starke 
Zusammenziehung, von der weiter unten noch die Rede sein wird, den 
Cysteninhalt aus der Rissstelle ‘heraus. Hierbei erhält sich entweder 
die Sporoductenmembran intakt und der Cysteninhalt wird dann, von 
dieser eingehüllt, nach außen befördert, oder, indem diese Haut ein- 
reißt, fließt der Inhalt aus und zerstreut sich. 

Die Eröffnung der reifen Cysten vollzieht sich wohl normaler- 
weise in der Art, dass die ins Innere des Gysteninhalts hereinragenden 
Sporoducte nach außen ausgestülpt werden, die eigentliche Gysien- 
membran und die Gallerthülle durchsetzen und so eine Kommunikation 
des Cysteninhalts mit der Außenwelt herstellen. Den Moment der 
Hervorstülpung der Sporoducte habe ich nicht beobachtet ; durch Druck 
gelang es nicht, die Sporoducte ohne Zersprengung der eigentlichen 
Cystenhaut zur Ausstülpung zu bewegen. Wenn nun auch keine Frage 
darüber sein kann, dass die Sporoducte einfach ausgestülpt werden, 
wobei wohl auch ein Druck der sehr gespannten, eigentlichen Gysten- 
hülle mitwirken dürfte, so ist es mir doch bis jetzt unerklärlich ge- 
blieben, wie die sich ausstülpenden Sporoducte, die doch immerhin 
ziemlich resistente Cystenhülle zu durchsetzen vermögen, und dies in 


Kleine Beiträge zur Kenntnis der Gregarinen. . 397 


einer Weise, dass durchaus nichts von einer Rissstelle oder einem Loch 
an der Durchtrittsstelle des Sporoducts zu erkennen ist. Dies ist wenig- 
stens nicht der Fall an denjenigen CGysten, deren Eröffnungsgang in 
der normalen Weise verlief. Immerhin trifft man auch gar nicht sel- 
ten Cysten, wo die Cystenmembran thatsächlich an einer Stelle einen 
Riss zeigt, durch den auch wohl ein Sporoduct hervorgestülpt sein 
kann. Eben so wenig vermag ich auch diejenigen, gar nicht seltenen 
Fälle für normal zu halten, wo aus einer derartigen Rissstelle der 
Cystenhülle der gesammte Inhalt, jedoch. umschlossen von der Sporo- 
duetenhaut ausgetreten ist und sich gleichzeitig die Sporoducte meist 
nur zum Theil hervorgestülpt haben. Diese nur theilweise Hervor- 
stülpung der Sporoducte beobachtete ich jedoch auch bei normalem 
Verlauf gar nicht selten. 

Über den Austritt der Pseudonavicellen mit Hilfe der Sporoducte 
dürften noch einige Worte zugefügt werden. Das Agens für die Aus- 
streuung der Pseudonavicellen ist in unserem Fall ohne Zweifel nur in 
der relativ mächtigen Spannung, unter welcher sich die Gystenhülle 
befindet, zu suchen. Sobald diese verletzt wird, und das Gleiche wird 
sich auch nach Hervorstülpung der Sporoducte zeigen, zieht sie sich 
sehr energisch zusammen, indem ihre Dicke ungemein, bis zum Zehn- 
fachen und mehr der ursprünglichen, wächst und gleichzeitig an der 
nun ansehnlich dicken und durchsichtigen Membran eine sehr deut- 
liche Schichtung hervortriti. Der starke Druck, der von der Cysten- 
haut demnach auf den Inhalt ausgeübt wird, genügt ohne Zweifel zum 
Hervortreiben der Pseudonavicellen durch die Sporoducte. 

Zur Sicherung dieses Vorganges ist jedoch gewissermaßen noch 
eine Leitungsvorrichtung vorhanden, welche von dem centralen Haufen 
der Pseudonavicellen zu jedem Sporoduct hinführt und die dadurch 
entstanden ist, dass der früher erwähnte plasmatische Schlauch, dem 
wir eine wichtige Rolle bei der Erzeugung des Sporoducts zuschrieben, 
sich nach der Hervorstülpung desselben noch erhält und, in dem plas- 
matischen Netzwerk gewissermaßen aufgehängt, die Hinleitung der 
Pseudonavicellen zu der Ursprungsstelle des Sporoduets "übernimmt 
(Fig. 6 S). 

Über die hervorgestülpten Sporoducte ist wenig zu bemerken; ihre 
Basis steht auf dem schon früher erwähnten feinkörnigen und am hervor- 
gestülpten Sporoduct häufig etwas hervorgewölbten Ringwulst auf 
(Fig. 13 w). Weiterhin bemerkt man häufig, jedoch keineswegs immer 
und nicht selten nur undeutlich, eine scheinbare Anschwellung des 
Basaltheils des Sporoducts, die in manchen Fällen sich wie ein beson- 
deres, stärker angeschwollenes Basalglied desselben ausnimmt und von 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bi. 97 


398 0. Bütschli, 


SCHNEIDER auch in dieser Weise aufgefasst wird (Fig. 6). Genaue Unter- 
suchung mit starken Vergrößerungen lehrt jedoch, dass es sich hier 
nicht um ein derartiges Basalglied handelt, sondern dass dieser An- 
schein hervorgerufen wird von einer körnig-fasrigen und ziemlich 
unregelmäßigen Masse, die den Basaltheil des Sporoducts umgiebt 
(Fig. 12 5). Woher dieselbe stammt, ist mir jedoch- nicht klar ge- 
worden. | 

Hinsichtlich des Baues der reifen Pseudonavicellen ist hier nur 
wenig zu bemerken; dieselben besitzen eine etwa länglich tonnen- 
förmige Gestalt; die Endflächen ihrer Schale sind etwas verdickt und 
dunkler wie die Seitenfläche (Fig. 7 a—b). Der protoplasmatische In- 
halt scheint anfänglich, wie dies ja auch zu erwarten, den Binnenraum 
der Hülle vollständig auszufüllen und zieht sich erst allmählich nach 
der Entleerung mehr aus den Enden zurück ; der eingeschlossene Proto- 
plasmakörper ist auch bei den reifen Pseudonavicellen anfänglich sehr 
durchsichtig und hell und erst allmählich nach der Entleerung treten 
in ihm eine ziemliche Anzahl dunkler, glänzender Körnchen auf, die 
sich allmählich mehr im Gentrum des Protoplasmakörpers anzuhäufen 
scheinen (Fig. 7 a); zuweilen erscheint das Plasma auch etwas undeut- 
lich vacuolär (Fig. 7b). 

Einen Kern nachzuweisen, ist mir bis jetzt bei den reifen Pseudo- 
navicellen der Gregarina Blattarum nicht geglückt, jedoch zweifle ich 
nicht im geringsten, dass er sich findet. Ich habe nämlich versäumt, 
die Anwendung von Reagentien und Färbungsmitteln zu versuchen und 
erst nachträglich wurde mir die Anwesenheit des Kernes in den noch 
hüllenlosen, jugendlichen Pseudonavicellen bekannt. Wie gesagt, kann 
ich unter diesen Umständen nicht zweifeln, dass sich auch im proto- 
plasmatischen Inhalt der reifen Pseudonavicellen ein Kern findet, da 
die Gegenwart eines Zellkerns ja auch schon durch Aım£ ScHnEiDer bei 
einer ziemlichen Zahl von Pseudonavicellen erwiesen wurde. 

Bekanntlich fehlt bis jetzt jede gesicherte Beobachtung über das 
weitere Schicksal der Pseudonavicellen der Polycystideen. Eine Thei- 
lung des protoplasmatischen Inhalts und die Bildung sogenannter sichel- 
förmiger Körperchen, wie sie sich für die Monocystideen der Regen- 
würmer und die sogenannten eiförmigen Psorospermien leicht erweisen 
lässt, wurde hier bis jetzt nur in einem Fall von Scuneiver beobachtet 
und auch ich habe bei längerer Beobachtung der in Wasser aufbe- 
wahrten, entleerten Sporen keine wesentliche Veränderung an denselben 
beobachtet. 

Meines Wissens ist bis jetzt noch niemals der Versuch gemacht 
. worden, die reifen Pseudonavicellen einer Insektengregarine wieder an 


Kleine Beiträge zur Kenntnis der Gregarinen. 399 


‘ein Insekt zu verfüttern, um in dieser Weise vielleicht die doch ge- 
wöhnlich angenommene, direkte Inficirung der Wohnthiere durch die 
Pseudonavicellen zu erweisen und womöglich die allmähliche Ent- 
wicklung der Gregarine durch dieses Hilfsmittel ab ovo zu erforschen. 
Ich habe nun den Versuch gemacht, eine solche Übertragung durch 
Verfütterung der reifen Pseudonavicellen hervorzurufen — eigentlich 
zwar in der Erwartung, dass er misslingen würde, oder dass es doch 
wenigstens kaum möglich sein dürfte, die jugendlichen Gregarinen im 
Darminhalt bei ihrer Kleinheit mit Sicherheit zu erkennen — der Ver- 
such ist jedoch gegen Erwarten gleich beim ersten Mal vollständig ge- 
glückt. Daraus entnehme ich die Hoffnung, dass es bei weiterer Fort- 
setzung dieser Experimente wohl gelingen dürfte, das Geheimnis der 
Gregarinenentwicklung mit Sicherheit aufzuklären. Mir persönlich ist 
es bis jetzt nur gelungen, eine Anzahl der Entwicklungsstadien festzu- 
stellen, während ich leider gerade die allerersten und sehr wichtigen 
Vorgänge noch unaufgeklärt lassen muss. 

Eine recht beträchtliche Quantität reifer, von zahlreichen Cysten 
entleerter Pseudonavicellen wurden mit etwas Wasser und Mehl zu 
einem Brei angerührt und nun je eine isolirte Blatta orientalis ohne 
weitere Nahrung, als etwas von diesem pseudonavicellenhaltigen Mehl- 
brei, in ein feuchtgehaltenes Glasgefäß eingesperrt. Der Mehlbrei wurde 
sehr rasch von den Insekten aufgezehrt. Am dritten Tag nach der 
Fütterung wurde das erste der Thiere untersucht, eine schon ziemlich 
erwachsene Blatta, die eine sehr ansehnliche Quantität Pseudonavicellen 
aufgenommen hatte. Ich war auch in der Auswahl dieses Versuchs- 
thieres vom Glück begünstigt, da es sich bei der Untersuchung heraus- 
stellte, dass dasselbe fast völlig frei von Gregarinenschmarotzern war, 
nur einige wenige, etwas größere, jedoch noch sehr jugendliche Formen 
wurden aufgefunden, die sich nicht auf die vorgenommene Infektion 
zurückführen ließen, sondern ohne Zweifel schon bei einer früheren 
Gelegenheit aufgenommen worden waren. 

Die Untersuchung des Inhalts des Chylusdarms ergab nichts Be- 
merkenswerthes, es fanden sich darin kleine flagellatenartige Wesen, 
so wie zahlreiche sehr helle und homogene rundliche Körper, die etwas 
an Amöben erinnerten, an denen sich jedoch mit Sicherheit keine 
Formveränderung nachweisen ließ. Pseudonavicellen oder leere Hüllen 
derselben waren nicht aufzufinden. Ich ging jedoch nun, durch die 
SCHNEIDER'Schen Untersuchungen, so wie durch eigene Beobachtungen 
über die ursprüngliche Befestigung der jugendlichen Gregarinen an dem 
Darmepithel aufmerksam gemacht, zur Untersuchung dieses über. Zu 
diesem Behuf wurde das Epithel des Chylusdarms einer Maceration in 

27 * 


400 | 0, Bütschli, 


einem Gemisch von schwacher Essigsäure und Kochsalzlösung unter- 
worfen und die Epithelzellen hierauf durch Zerzupfen möglichst isolirt. 
Bei der Untersuchung derselben zeigte sich nun, dass dieselben von 
einer ganz ungeheuren Menge jugendlichster Gregarinen besetzt waren, 
die unzweifelhaft, einmal wegen der großen Zahl, in der sie sich vor- 
fanden , andererseits wegen der relativ nur wenig erheblichen Größen- 
unterschiede, welche sie zeigten, auf die vorgenommene Infektion 
zurückzuführen waren. 

Diese jugendlichsten Gregarinen, von welchen die kleinsten die 
Größe einer Pseudonavicelle kaum übertrafen (0,006—0,008 mm), 
finden sich, wie gesagt, nicht frei im Darminhalt, sondern sind einge- 
senkt in das Protoplasma der Innenenden der Darmepithelzellen (Fig. 9). 
Stets fand ich in das Binnenende einer Epithelzelle nur eine einzige 
junge Gregarine eingesenkt. Wie gesagt, übertrafen die kleinsten der- 
art angetroffenen Gregarinen die Größe der Pseudonavicellen nur wenig 
und stellten kleine, etwas birnförmige Zellen dar, die bis zur Hälfte 
oder etwas über die Hälfte in das Protoplasma der Epithelzellen einge- 
senkt waren (Fig. 9, Fig. 8a—d). Das etwas breitere Ende des Körpers 
war hierbei stets in das Innere der Zelle eingebettet, das verschmälerle 
Ende dagegen schaute aus der Zelle heraus und umschloss den stets 
sehr deutlichen Kern, der immer dieselbe excentrische Lage zeigte und 
einen sehr ansehnlichen,, dunklen Nucleolus enthielt. Das Protoplasma 
dieser jugendlichen Gregarinen erschien nach der Essigsäureeinwirkung 
ganz gleichmäßig fein granulirt und etwas dunkelgelblich. — Von einer 
Scheidung zwischen Protomerit und Deutomerit ist bei diesen jugend- 
lichsten Formen noch nichts vorhanden. Neben diesen kleinsten Formen 
fanden sich jedoch nun zahlreiche weitere, die schon mehr heran- 
gewachsen waren. Die Gestalt und das allgemeine Aussehen verändert 
sich hierbei zunächst wenig, wenn auch die Form gewöhnlich eine etwas 
gesirecktere wird. Wenn durch das fortschreitende Wachsthum etwa die 
zwei- bis dreifache Länge der kleinsten beobachteten Zustände erreicht 
ist, tritt zuerst eine Scheidung des Körpers in zwei Regionen auf, 
indem sich etwa in dessen Mitte eine dunkle Linie als Grenze zwischen 
einem Kopf- und einem Rumpftheil zeigt (Fig. 8e). Ersterer ist ein- 
gesenkt in die Epithelzelle, der letztere, welcher den Kern enthält, 
ragt aus derselben heraus. Der kernhaltige Rumpftheil wächst nun 
viel rascher als der Kopftheil, so dass er letzteren bald mehrfach an 
Volumen übertrifft (Fig. 8 f, 9, Fig. 9), und dadurch die Gesammtge- 
stalt der jugendlichen Gregarine sich der einer erwachsenen Poly- 
cystidee nähert. Gelegentlich traf ich jedoch auch einige Formen an, 
die ein umgekehrtes Verhältnis, in der Größe ihrer beiden Körperab- 


Kleine Beiträge zur Kenntnis der Gregarinen. 401 


schnitte zeigten (Fig. 8 h), jedoch dürfte sich wohl in diesen Fällen das 
normale Verhalten beim Weiterwachsthum rasch herstellen. 

Die ansehnlichsten Formen der jugendlichen Gregarinen, die ich 
in dem Versuchsthier fand und auf die stattgehabte Infektion zurück- 
führen kann, besaßen etwa eine Länge von 0,025 mm. Ich glaube, es 
kann keinem Zweifel unterliegen, dass in dem beschriebenen Fall die 
Infektion thatsächlich geglückt und die gefundenen jugendlichen Grega- 
rinen aus den aufgenommenen Pseudonavicellen hervorgegangen waren. 
Über das Wie dieses Hervorgehens geben jedoch meine Untersuchungen 
bis jetzt noch keinen Aufschluss. Zu vermuthen wäre ja wohl zunächst, 
dass der protoplasmatische Inhalt der Pseudonavicelle einfach aus 
seiner Hülle hervorbricht und sich mit Hilfe amöboider Bewegungen in 
der Epithelzelle ansiedelt. In Anbetracht der von den Pseudonavicellen 
der Regenwürmer etc. bekannten Bildung sichelförmiger Körperchen 
und der von E. van Benepen geschilderten Processe bei der Gregarina 
gigantea des Hummers, glaube ich jedoch, dass man in diesen Ver- 
muthungen etwas vorsichtig sein muss. Der Inhalt der Pseudonavi- 
cellen könnte nämlich innerhalb der Hülle oder nach dem Hervor- 
brechen vielleicht doch zunächst noch gewisse Vermehrungserschei- 
nungen darbieten, bevor er sich in den Epithelzellen ansiedelt. 

Auch hinsichtlich der Weiterentwicklung der jugendlichen Grega- 
rinen sind einige Zweifel noch zu lösen. Es fragt sich nämlich : welche 
Abschnitte des erwachsenen Gregarinenkörpers aus den zwei Leibes- 
abschnitien der jugendlichen Form hervorgehen. Diese Frage wird 
dadurch hervorgerufen, dass auf einem gewissen, mittleren Stadium 
ihrer Entwicklung die Gregarina Blattarum, ähnlich wie dies durch 
SCHNEIDER für zahlreiche verwandte Formen gezeigt wurde, nicht zwei 
sondern drei Körperabschnitte unterscheiden lässt. Außer dem soge- 
nannten Protomerit (Kopf) und Deutomerit (Rumpf) findet sich nämlich 
auf diesem Stadium noch ein zapfenförmiger bis halbkugeliger , vorder- 
ster, kleiner Abschnitt, das sogenannte Epimerit SchnEiper’s, das dem 
viel ansehnlicher entwickelten Kopfzapfen des Stylorhynchus und 
anderer Genera entspricht und wie dieser zur Festhaftung an den Epi- 
thelzellen des Chylusdarmes dient. Für Gregarina Blattarum ist das 
Vorhandensein eines solchen Cephalinstadiums (nach Scuneiper, der 
diese mit Kopfzapfen versehenen Thiere Cephalins, im Gegensatz zu 
der kopfzapfenlosen, erwachsenen Form, den Sporadins, nennt) bis jetzt 
noch nicht bekannt gewesen. — Wie gesagt, findet sich dieses Stadium 
jedoch auch hier vor und ist dasselbe noch wie die jugendlichsten 
Stadien an den Epithelzellen festgeheftet, indem das Kopfzäpfchen in 
das innere Ende einer Epithelzelle eingesenkt ist (Fig. 10 und 41). Die 


402 0. Bütschli, 


mangelnde Beobachtung der Übergangsstadien zwischen den ganz 
jugendlichen, zweitheiligen Gregarinen und diesen Gephalins macht es 
vorerst unmöglich, zu entscheiden, ob der vordere Körperabschnitt der 
ersteren, der ja bekanntlich in die Epithelzelle eingesenkt ist, gänzlich 
zum Kopfzäpfchen wird und sich der kernhaltige, hintere Abschnitt in 
das spätere Protomerit und Deutomerit sondert, oder ob-Epimerit und 
Protomerit durch eine Untertheilung- des ursprünglichen Vorderab- 
schnitts der jugendlichen Gregarine hervorgehen. — Auch bei der 
Gregarina Blattarum wird schließlich das Kopfzäpfchen abgeworfen und 
an der Stelle, wo seine Ablösung von dem vorderen Pol des Protomerits 
stattgefunden hat, bemerkt man an dessen Guticula gewöhnlich eine 
Art von Einziehung und Zusammenfaltung, die vielleicht von dieser 
Lösung des Kopfzäpfchens herrührt. - 

Hiermit habe ich das, was ich über die Fortpflanzungsverhältnisse 
der Gregarina Blattarum zu beobachten vermochte, berichtet und wende 
mich nun zu einigen Beobachtungen über die Monocystis magna des 
Regenwurms. 


II. Über die Befestigung der Monocystis magna (A. Schmidt) und über 
die Pseudonavicellen der Monocysten von Lumbricus terrestris. 


Wie ich schon im vorhergehenden Abschnitt zu schildern Gelegen- 
heit hatte, ist hauptsächlich durch die trefflichen Beobachtungen 
ScHNnEiDer’s für eine ganze Reihe von Polycystideen der Nachweis ge- 
führt worden, dass dieselben in ihrem Jugendzustand an Epithelzellen 
befestigt sind. Noch bedeutsamer wird uns diese Erfahrung erscheinen, 
wenn wir die im vorhergehenden Abschnitt geschilderten Beobachtungen 
über die jugendlichsten, tief in die Epithelzellen eingesenkten Grega- 
rinen berücksichtigen. Erinnern wir uns gleichzeitig noch, dass die mit 
den eigentlichen Gregarinen aufs innigste verwandten ei- und kugel- 
förmigen Psorospermien nicht nur zum Theil in Zellen eingesenkt sind, 
sondern ins Innere derselben selbst eindringen, so erscheint uns dies in 
neuerer Zeit für die Polycystideen allgemeiner nachgewiesene Verhalten 
noch wichtiger. Für die jugendlichen Gregarinen wird auch ohne er- 
hebliche Zweifel behauptet werden dürfen, dass ihnen die Epithelzellen 
nicht ausschließlich einen Stützpunkt zu ihrer Festhaftung bieten, son- 
dern dass sie wohl auch sicher durch Vermittlung derselben Nahrung 
zu ihrem sehr energischen Wachsthum beziehen, ähnlich wie dies für 
die Psorospermien gültig ist. 

Es ist nun ohne Zweifel von einem gewissen Interesse, dass es 
mir geglückt ist, auch für eine Monocystis, nämlich die kolossale Mono- 


Kleine Beiträge zur Kenntnis der Gregarinen. 403 


eystis magna aus dem Hoden des Lumbricus terrestris die gleiche 
Zellenbefestigung zu erweisen. Der erste Regenwurm, den ich zum 
Zweck der Gregarinenuntersuchung öffnete, lieferte mir diese schöne 
Monoecystisform, die bis 5 mm Länge erreicht, in großer Menge. Bei der 
Eröffnung des Hodens fiel mir sofort auf, dass die meisten Monocystis in 
dem Trichterende des Hodens angesammelt waren und dass sie dem 
Herausnehmen einen sehr energischen Widerstand entgegensetzten. Bei 
der weiteren Manipulation stellte es sich bald heraus, dass die Grega- 
rinen an der Trichtermembran in irgend einer Weise befestigt waren. 
Präparirte man nun ein Stück der Trichterhaut mit den fest anhängen- 
den, zahlreichen Monocystis heraus, so war auch leicht die Art der 
Befestigung zu erkennen (Fig. 14). Jede Monocystis war auch hier mit 
ihrem etwas zugespitzten einen Ende eingesenkt in eine sehr ansehn- 
liche Flimmerzelle des Epithels der Trichterhaut. 

Diese ansehnlichen Flimmerzellen,, in welchen die Monocysten be- 
festigt sind, stehen zwischen den gewöhnlichen flimmernden Epithel- 
zellen der Trichterhaut, erheben sich jedoch hoch über die Ebene des 
übrigen Epithels, in Gestalt ansehnlicher, sehr hübsch pokalförmiger 
Gebilde. Allseitig ist diese pokalförmige Zelle mit langen, zarten und 
lebhaft sich bewegenden Gilien besetzt. Ins freie Ende dieser Zelle, 
in die pokalförmige Aushöhlung, ist nun das zugespitzte Ende der Mono- 
eystis recht fest eingesenkt. Über die Kernverhältnisse dieser großen, 
die Monoeysten tragenden Zellen wurde ich auch durch Färbung nicht 
ganz sicher , jedoch wurde es sehr wahrscheinlich, dass in dem Basal- 
ende der Zellen sich zwei kleine Kerne finden. 

Einige Aufmerksamkeit, die ich auf die Pseudonavicellencysten in 
den Hoden der Regenwürmer richtete, ergab mir einige Aufschlüsse 
über die auch hier in dem protoplasmatischen Inhalt der Pseudonavi- 
cellen nicht fehlenden Kerne, die, wenn sie auch zum Theil nur eine 
Bestätigung der Befunde von ScanEIber sind, hier dennoch kurz hervor- 
gehoben werden mögen. Die Gysten im Regenwurmhoden sind nicht nur 
an Größe ungemein verschieden, sondern auch sehr in Bezug auf die 
Größenverhältnisse der in ihnen zur Entwicklung gelangenden Pseudo- 
navicellen. Inwiefern diese Unterschiede, die jedoch durch Übergangs- 
stufen verknüpft zu sein scheinen, sich möglicherweise auf ihren Ur- 
sprung von verschiedenen Monocystisformen zurückführen lassen, — 
ich bin nämlich mit Stein und Schmipr sehr geneigt, das Vorkommen 
verschiedener Arten im Regenwurmhoden zu befürworten — müssen 
wir hier dahingestellt sein lassen. Zu den wenigen Beobachtungen, die 
ich über diese Monocystispseudonavicellen anstellte, wählte ich die 


404 0. Bütschli, 


größeste, sich findende Form, die gegenüber der kleinsten ganz riesen- 
haft erscheint. 

Das jugendlichste, beobachtete Ausbildungsstadium repräsentirte 
sich als ein etwas spindelförmiges Protoplasmastück, in dem zahlreiche 
stark glänzende, dunkle Körnchen etwas einseitig angehäuft waren, 
während das mehr körnerfreie Ende einen sehr deutlichen, hellen, 
wenig granulirten Kern aufwies (Fig. 15). Die Kernnatur dieses letzt- 
beschriebenen Körpers ergab sich, auch ohne Färbungsversuche, auf 
das sicherste aus seinem allgemeinen Aussehen. Dass dieses Stadium 
thatsächlich als ein sehr jugendliches zu betrachten ist, ergiebt sich 
daraus, dass die Hülle noch sehr zart und ganz einfach erscheint, so wie 
dem Protoplasmakörper allseitig dicht aufliegi. Ein fortgeschritteneres 
Ausbildungsstadium sehen wir in Fig. 16. Hier ist die Hülle schon dick 
und dunkelglänzend, jedoch sind die schon wohl ausgebildeten End- 
zapfen noch ziemlich blass, während sie späterhin gleichfalls dunkel 
und glänzend werden. Der protoplasmatische Inhalt der Pseudonavi- 
celle hat sich jetzt aus den Polen zurückgezogen und in demselben tritt 
noch recht deutlich der Nucleus hervor, den ich jedoch auf diesem 
Stadium gegen früher wesentlich verändert fand. Er war viel größer 
und erschien ganz blass und homogen. Ein weiteres Stadium, auf 
welchem der Inhalt sich wieder durch den ganzen Innenraum der 
Pseudonavicelle erstreckt und statt des einen großen Kernes sich eine 
Anzahl kleiner vorfinden, habe ich nicht sicher beobachtet, jedoch glaube 
ich Anhaltspunkte für das Vorkommen eines solchen beobachtet zu 
haben. Weiterhin boten sich dann der Untersuchung noch die durch 
ScunEiper’s Arbeit genau bekannten Stadien mit ausgebildeten, sichel- 
föormigen Körperchen dar, die ich in der Zahl von vier bis acht in je 
einer Pseudonavicelle antraf. Ihr Hervorgehen durch eine Zertheilung 
des Inhalts habe ich nicht näher verfolgt, jedoch scheint aus ihrer sehr 
regelmäßigen Anordnung, die bei der Polansicht der Pseudonavicellen 
häufig sehr deutlich zu erkennen ist, hervorzugehen, dass sie durch 
einen sehr regulären Theilungsprocess ihren Ursprung nehmen werden 
(Fig. 18). Die dunklen Körner des ursprünglichen Pseudonavicellen- 
inhalts sammeln sich dabei, wie es scheint, an dem einen Pol des sich 
zertheilenden Protoplasmakörpers axial an und werden als ein soge- 
nannter »nucl&eus de reliquat« abgesondert (Fig. 47 und 18 r). Von 
einiger Wichtigkeit scheint mir nun hauptsächlich noch die ganz sichere 
Beobachtung eines Nucleus in jedem der sichelförmigen Körperchen, 
die sich unschwer schon an den nicht gesprengten Pseudonavicellen 
machen lässt. Die Nuclei sind meist oval, ziemlich hell und fein granu- 
lirt. Sie treten durch Behandlung der stark gepressten Pseudonavicellen 


Kleine Beiträge zur Kenntnis der Gregarinen. 405 


mit Essigsäure noch viel deutlicher hervor und gelingt es dann leicht, 
sie mit Alaunkarmin intensiv zu färben. ScunEiper hat schon die Gegen- 
wart der Nuclei in den aus den Pseudonavicellen hervorgetriebenen 
sichelförmigen Körperchen durch Anwendung der Osmiumsäure nach- 
gewiesen. Die von mir gegebene Bestätigung dürfte nicht uner- 
wünscht sein. 


III. Über eine eiförmige Psorospermie aus dem Darm des 
Lithobius forficatus. 


Das Vorkommen der sogenannten eiförmigen Psorospermien oder 
Coccidien, die bekanntlich zuerst beim Kaninchen entdeckt wurden, 
wurde bei den wirbellosen Thieren zuerst von Kross! für Helix, dann 
von EBERTH ? und später Aımt Schneider? für die Gephalopoden er- 
wiesen. Dagegen ist bis jetzt noch kein Beispiel ihres Vorkommens bei 
den Arthropoden bekannt geworden. Ich war so glücklich, in dem 
Lithobius forficatus, dessen Darmkanal ich nach Gregarinen durch- 
suchte, ein recht hübsches Beispiel für das Auftreten dieser Zellen- 
schmarotzer auch bei den Arthropoden aufzufinden. Bei der Durch- 
suchung des Mitteldarminhalts dieses Myriopoden fielen mir ziemlich 
häufig Körperchen auf, die eine ungemein große Ähnlichkeit mit den 
sichelförmigen Körperchen der Regenwurmpseudonavicellen und weiter- 
hin den entsprechenden Körperchen der eiförmigen Psorospermien, wie 
sie von Kross, Eımer * und Scuneider beschrieben werden, darboten. 
Die lebhaften Bewegungserscheinungen, welche diese Körperchen 
bei genauerer Beobachtung erkennen ließen, bestätigten diese Auffassung 
noch mehr‘. | 

Ihre Gestaltung in der Ruhelage erhellt am besten aus der Ab- 
bildung Fig. 19a. Sie sind gebildet aus einem hellen, mit zarten, 


1 Abhandlungen der Senckenberg. naturf. Gesellsch. Bd. I. 1855. p. 189. 

2 Diese Zeitschr. Bd. XI. 1862. p. 397. 

3 Arch. de Zoologie experim. T. IV. 1875. p. XL. 

4 Ta. Einer, Über die ei- und kugelförmigen Psorospermien der Wirbelthiere. 
Würzburg 1870. 

5 Aımz SCHNEIDER fand gleichfalls im Darminhalt des Lithobius schon beweg- 
liche sichelförmige Körperchen, die er geneigt ist, in nähere Beziehung zu der von 
ihm im Lithobiusdarm gleichfalls aufgefundenen, kleinen Monocystidee, der Adelia 
ovata zu bringen. Der Mangel jeglicher Größenangabe in der ScHNEIDEr' schen 
Arbeit macht es unmöglich, mit Sicherheit festzustellen, ob die von ihm gefundenen, 
sichelförmigen Körperchen wirklich mit den hier beschriebenen identisch sind, 
wenngleich dies natürlich höchst wahrscheinlich sein dürfte (siehe SCHNEIDER, Arch. 
‚zoologie experim. T. IV. p. 599. T. XVI. Fig. 8). 


406 | 0. Bütschli, 


jedoch ziemlich dunklen Körnchen durchsetzten Protoplasma und ent- 
halten in ihrer Mittelregion einen recht ansehnlichen, ovalen Nucleus 
(n), mit beträchtlich großem Nucleolus. Ein Nucleus ist bis jetzt in den 
sichelförmigen Körperchen der Psorospermien meines Wissens noch 
nicht aufgefunden worden, es dürfte daher dessen hier relativ leichter 
Nachweis nicht ohne Interesse sein. Was die Bewegungserscheinungen 
der Körperchen betrifft, so bestehen diese zunächst in ziemlich ener- 
gischen Zusammenkrümmungen der beiden Enden, wobei die Gestalt 
der Fig. 195 angenommen wird, und Wiederausstreckungen; oder 
aber einer Zusammenziehung des Körperchens und hauptsächlich des 
einen Endes, das dabei mehr anschwillt, zu einem etwas unregel- 
mäßigen, birnförmigen Gebilde (Fig. 19 e). Auch aus diesem Zustand 
kehrt jedoch das Körperchen wieder durch allmähliche Streckung in die 
schwach gekrümmte Ruhelage zurück. Am meisten erinnerte mich 
letzterwähnte Bewegung und Gestaltsveränderung an die Bewegungs- 
vorgänge kriechender Euglenen, weniger an die Bewegungen der 
eigentlichen Amöben, wie ich denn auch wirkliche amöboide Bewe- 
wegungen, wie sie namentlich von: Eımer geschildert wurden, nicht 
beobachtet habe. Außerdem konnte ich jedoch zuweilen auch noch 
Schwimmbewegungen der Körperchen wahrnehmen ; dieselben schwam- 
men dann ziemlich rasch, entsprechend ihrer Krümmung, im Kreise. 
umher und boten dann scheinbar große Ähnlichkeit mit kleinen Flagel- 
laten dar !!. ‚ 

Durch die Auffindung dieser Körperchen angeregt, durchforschte 
ich nun auch das Darmepithel und stieß denn auch sehr bald auf zahl- 
reiche Epithelzellen, welche mehr oder minder ansehnliche, eiförmige 
Psorospermien einschlossen. 

Die in den Epithelzellen gewöhnlich in der Einzahl, zuweilen je- 
doch auch in Zweizahl, enthaltenen Psorospermien besitzen eine ziem- 
lich verschiedene Größe. Die kleineren von ovaler Gestaltung schließen 
sich zunächst den stäbchenförmigen Körperchen an, namentlich auch 
durch ein noch recht helles, wenig körniges Protoplasma. Sie scheinen 
ziemlich energisch, zunächst hauptsächlich in die Länge zu wachsen 
und gleichzeitig füllt sich das Plasma mehr und mehr mit dunklen und 
ziemlich groben Körnern, so dass es schließlich so körnerreich erscheint, 
wie das Entosark zahlreicher Gregarinen. Aus diesem körnigen Plasma 
leuchtet jedoch stets der ansehnliche, jetzt ziemlich rund gewordene 
Nucleus (siehe Fig. 20) mit seinem großen, gregarinenartigen Nucleolus 
sehr deutlich und hell hervor. Späterhin scheinen die in dieser Weise 


1 Eine ähnliche Bewegung hat auch schon Kross zuweilen beobachtet. 


Kleine Beiträge zur Kenntnis der Gregarinen. 407 


ausgewachsenen und ansehnlich längsgestreckten Psorospermien, an 
welchen ich nie etwas von einer deutlichen Hülle beobachtet habe, sich 
in der Längsachse etwas zusammenzuziehen und gestalten sich ziemlich 
regulär ovoid bis rein oval. Jetzt erfolgt der Encystirungsprocess, indem 
sich eine dem Inhalt ziemlich dicht aufliegende Hülle bei zahlreichen dieser 
ovoiden Psorospermien erkennen lässt. Bei einer ganzen Anzahl solcher 
umhüllter Psorospermien ließen sich jedoch weiterhin noch deutliche 
Anzeigen einer zweiten, äußeren Umhüllung erkennen, indem sich an 
dem einen Pol eine solche zärtere Außenhülle von der dickeren Innen- 
hülle abgehoben, als ein sehr kleines oder ansehnlicheres Spitzchen er- 
hob (siehe Fig. 21 und 22). 

‚Um jedoch die Serie der Entwicklungszustände dieser Psorosper- 
mien zu vervollständigen, zeigten sich weiterhin noch im Innern der 
Epithelzellen mehrfach, wenn auch nicht gerade häufig, ovale Gruppen 
dicht zusammengeschmiegter, sichelförmiger Körperchen, um die ich 
jedoch mit Sicherheit eine Umhüllung nicht zu erkennen vermochte 
(Fig. 23). Nur bei einer solchen Gruppe, die sich isolirt in der Flüssig- 
keit vorfand, jedoch höchst wahrscheinlich künstlich aus der sie ur- 
sprünglich einschließenden Zelle befreit worden war, fand ich eine 
deutliche, etwas eckige Hülle vor (Fig. 24). 

Dass diese Gruppen sichelförmiger Körperchen aus den Psorosper- 
mien durch Zertheilung hervorgehen, darf wohl aus der ziemlich über- 
einstimmenden Größe beider, andererseits jedoch auch aus der Analogie 
mit den Von den verwandten Psorospermien bekannten Entwicklungs- 
erscheinungen gefolgert werden. Immerhin muss in dieser Hinsicht noch 
vieles fraglich bleiben, namentlich ist es auffallend, dass die reifen 
Psorospermien sich durch ein so sehr körniges Protoplasma auszeichnen, 
während die sichelförmigen Körperchen der Gruppen aus ganz hellem, 
feinkörnigen Protoplasma bestehen und dass zwischen den Körperchen 
der Gruppen eine körnige Rückstandsmasse, wie sie bei den verwandten 
Psorospermien stets gefunden wurde, nie entdeckt werden konnte. 

Immerhin glaube -ich, dass der Nachweis des Vorkommens einer 
Cocceidie im Darmepithel eines Myriopoden — und zwar einer Coceidie, 
die trotz ihrer bis jetzt sehr unvollständig bekannten Lebensgeschichte, 
‚gewiss die meiste Ähnlichkeit mit der durch Einer so genau bekannt 
gewordenen Psorospermie des Darmepithels der Maus darbietet — 
einiges Interesse verdient. 


22 


408 0. Bütschli, 


Am Schlusse dieser Mittheilungen bitte ich nochmals das Lücken- 
hafte der hier niedergelegten Beobachtungen aus den schon oben her- 
vorgehobenen Gründen entschuldigen zu wollen. 


Heidelberg, September 1880. 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel XX, 


Fig. A—43. Von Gregarina (Clepsidrina) Blattarum v. Sieb. 

Fig. 1a—Ae. Encystirungsvorgang eines zusammenhängenden Paares. 

Fig. 1a. Anfangsstadium der Beobachtung. 

Fig. 4b. Circa 40 Minuten später. 

Fig. 4c. Circa 1/4 Stunde später; die Abscheidung der Gallerthülle (gR) hat 
schon begonnen. 

Fig. 1d. Circa 20 Minuten später ; die eigentliche Gystenhülle (ch) ist schon 
angelegt. 

Fig. 1e. Circa 25 Minuten später; die eigentliche Cystenhülle ist schon 
ziemlich ausgebildet. 

Fig. 2. Eine völlig ausgebildete Cyste (circa 46 Stunden nach der Encystirung). 
Gallerthülle (gh) sehr ansehnlich ausgebildet. Die völlige Verschmelzung der beiden 
kopulirten Individuen hat noch nicht stattgefunden, die Pseudonavicellenschicht ist 
wohl entwickelt. Unterhalb derselben haben die Körner des Plasmas eine eigen- 
ihümlich reticuläre Anordnung angenommen. 

Fig. 3. Ein kleines Stück des Randes einer Cyste desselben Entwicklungs- 
stadiums stärker vergrößert. gh, Gallertschicht, ch, eigentliche Cystenhülle, hierauf 
ps die Pseudonavicellenschicht und schließlich nach innen davon die körnige Plas- 
mamasse. 

Fig. 4. Weiter entwickelte Cyste mit Anlage der Sporoducte;; stärker vergrößert 
wie die früheren Figuren. Die Pseudonavicellen haben sich nach der völligen Ver- 
schmelzung der beiden Individuen ins Centrum des Cysteninhalts zu einem Haufen 
zusammengezogen, daher hat sich das Centrum ps aufgehellt. Man bemerkt die An- 
lagen von vier Sporoducten (spd). 

Fig. 5. Eine solche Sporoductanlage stärker vergrößert; spd der eigentliche 
Sporoduct; w, der Wulst von feinkörnigem Plasma, welches das Mündungsende des- 
selben umgiebt, und sich strahlig — netzförmig zwischen die Körnermassen hinein 
erstreckt. 

Fig. 6. Eine reife Cyste mit neun hervorgestülpten Sporoducten. Die eigent- 
liche Cystenhülie (ch) hat sich stark zusammengezogen und sehr verdickt, sie er- 
scheint jetzt sehr deutlich geschichtet. Die Pseudonavicellen sind durch die Sporo- 
ducte zum größeren Theil entleert, doch restirt noch ein im Centrum der Cyste 
gelegener Haufen (ps). Durch Behandlung mit Kalilauge sind die dunkeln Körner- 
massen des Cysteninhalts zerstört; man bemerkt daher sehr deutlich das zarte 


Kleine Beiträge zur Kenntnis der Gregarinen. 409 


plasmatische Netzwerk, in dessen Maschen die Körner eingebettet sind und die 
plasmatischen Schläuche (S, S), die zur Leitung der Pseudonavicellen nach den 
Sporoducten dienen. Vergrößerung circa 430. 

Fig. 7a und b. Zwei reife Pseudonavicellen,, längere Zeit nach der Entleerung. 
Vergrößerung circa 3200. 

Fig. 8sa—h. Eine Reihe von Entwicklungsstufen jugendlichster Gregarinen, die, 
wie Fig. 9 zeigt, in das Ende der Darmepithelzellen eingesenkt sich finden. Ver- 
größerung circa 4000. 

Fig. 9. Jugendlichste Gregarinen in drei Darmepithelzellen eingesenkt;; n, Kerne 
der Epithelzellen. 


Tafel XXI. 


Fig. 10. Weiter entwickelte Gregarinen; nur das sog. Epimerit (Ep) ist noch in 
die Epithelzellen (Z) eingesenkt. n, Kerne der Epithelzellen. Vergrößer. circa 220. 

Fig. 41. Dasselbe Entwicklungsstadium der Gregarine stärker vergrößert. ep, 
Epimerit, pm, Protomerit, dm, Deutomerit. 

Fig. 12. Basale Hälfte eines ausgestülplen Sporoducts. w, feinkörniger basaler 
Plasmawulst; S, plasmatischer Schlauch, in dessen Innerem der Sporoduct ent- 
stand; b, körnig-faserige Masse, die gewöhnlich das Basalende des Sporoducts um- 
giebt. 

Fig. 43. Mündungsende eines noch nicht ausgestülpten Sporoducts; sph, die 
Sporoductenmembran des Cysteninhalts; w, der feinkörnig-faserige Basalwulst; 
S, der plasmatische Schlauch, der den eigentlichen Sporoduct spd umhüllt, und, 
von diesem ausgehend, das plasmatische Netzwerk, in dessen Maschen die Körner 
durch Kalilauge zerstört sind. 

Fig. 44. Ein Stück der Trichtermembran aus dem Hoden von Lumbricus ter- 
restris mit zahlreichen, in pokalförmigen Flimmerzellen eingepflanzten Exemplaren 
der Monocystis magna. Vergrößerung circa 56. 

Fig. 415—18. Große Pseudonavicellen aus dem Hoden von Lumbricus terres- 
tris. Fig. 15, jugendlichster Zustand; Fig. 46, weiter entwickelt; Fig. 47, reif, mit 
acht sichelförmigen Körperchen;; Fig. 18, Pseudonavicelle mit acht sichelförmigen 
Körperchen im optischen Querschnitt. n, Kerne; r, der sogenannte nucleus de reli- 
quat. (Fig. 45—147 Vergrößerung circa 2200, Fig. 418 etwas mehr.) 

Fig. 49—24. Psorosperm aus dem Darm von Lithobius forficatus. Vergröße- 
rung circa 4400. 

Fig. 19a—e. Sichelförmige Körperchen aus dem Darminhalt. a, in Ruhe- 
lage; db, zusammengekrümmt; c, in unregelmäßig ovaler Zusammen- 
ziehung. 

Fig. 20. Psorospermie einer Darmepithelzelle. 

Fig. 24 und 22. Zwei encystirte Psorospermien. Beide wahrscheinlich mit 
doppelter Hülle; a, die Außenhülle, am einen Pol etwas abgehoben, 
i, die Innenhülle. 

Fig. 23. Gruppe sichelförmiger Körperchen in einer Epithelzelle. Eine 
Umhüllung der Gruppe wurde nicht deutlich. n, Kern der Epithel- 
zelle. 

Fig. 24. Eine ähnliche Gruppe, jedoch mit deutlicher Hülle; frei gefun- 
den. n, Kern der Körperchen. 


Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. 
Zehnte Mittheilung. 
Corticium candelabrum 0, Schmidt. 


Von 


Franz Eilhard Schulze in Graz. 


Mit Tafel XXI. 


In seinem grundlegenden Werke über die Spongien des adriati- 
schen Meeres hat O. Scumipr im Jahre 1862 unter dem Namen Corti- 
cium candelabrum eine Spongie beschrieben, welche ihm von allen 
bekannten Formen so wesentlich abweichend erschien, dass er sie ge- 
radezu als eine »familienlose Waise « bezeichnete. 

Seine Gattungsdiagnose lautet: »Spongia incertae hucusque fami- 
liae, globosa, superficie glabra, osculis multis, minimis perforata. 
Parenchyma e duobus stratis compositum, corticali paulo densiori et 
quodammodo fibroso et centrali laxiori, jus gelatum referenti. Ambo 
continent corpuscula silicea varie formata«; während die einzige Spe- 
cies mit folgenden Worten charakterisirt wird: »Corticium oblonge- 
globosum, obscure fuscum. Stratum corticale diametro 2 ad A mm 
subflavum, multis canaliculis peripheriam petentibus permeatum. Cor- 
pusculorum siliceorum duo genera, unum, quod quatuor radios habet 
alterum, quod in statu perfectae evolutionis formam candelabri praebet.« 

In der ausführlicheren deutschen Beschreibung bezeichnet Scumimr 
die zahlreichen 0,068—0,3 mm großen Öffnungen, welche an der Ober- 
fläche des Schwammes zu bemerken sind, mit Bestimmtheit als » Aus- 
strömungslöcher« und erwähnt dann noch ein die dicke Rindenschicht 
durchsetzendes »Netzwerk gelblicher Fäden«, welche »unregelmäßig 
breitgedrückt und oft in breitere Lamellen übergehend, auf das Mannig- 
fachste anastomosiren und in einzelnen größeren Ausweitungen Em- 
bryonen enthalten sollen. 


Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. 411° 


Die zugehörigen Abbildungen beziehen sich nur auf die Kiesel- 
körper. Sie stellen außer einfachen Vierstrahlern einige jener merk- 
würdigen »Kandelaber« dar, und zwar sowohl die gewöhnliche aus- 
gebildete Form als auch einige minder komplicirte. 

Das im Jahre 1864 erschienene »erste Supplement zu den Spongien 
des adriatischen Meeres« von O. Scuuipr enthält zwar keine weiteren 
Mittheilungen über Corticum candelabrum, jedoch findet sich daselbst 
dieser früher als ganz isolirt stehend aufgefasste Schwamm in dem Ver- 
zeichnisse aller bis dahin beschriebenen adriatischen Arten mit Chon- 
drosia und Chondrilla unter den Gummineen aufgeführt. 

Ein Fragment des bei Sebenico aufgefundenen Scunipr’schen 
Originalexemplares ist sodann 1864 von Köruıker hinsichtlich des 
histiologischen Baues ebenfalls untersucht und in dessen Icones histio- 
logicae p. 67 eingehend beschrieben. Auch Körrker stellt diesen 
merkwürdigen Schwamm zu den Gummineen und unterscheidet an 
demselben wie O. Scunipr zwei differente Substanzen. Die von ScHMIpr 
als »Rindenschicht « bezeichnete hyaline Gewebsmasse nennt er wegen 
ihrer hellen mit Knorpelzellen ähnlichen Elementen durchsetzten Grund- 
lage »Gallertsubstanz« und macht ausdrücklich auf die große Ähn- 
lichkeit mit gewissen Knorpelformen aufmerksam. Die von diesem 
knorpelähnlichen Gewebe allseitig umschlossene und auch (in Beglei- 
tung der Wasserkanäle) vielfach durchsetzte Markmasse oder centrale 
Pulpa nennt er »Röhrchensubstanz« und behauptet, dass die- 
selbe aus stark gewundenen und stellenweise kugelig erweiterten, 
also »rosenkranzförmigen Wimperkanälen« bestehe. Durch 
gruppenweise Vereinigung solcher Wimperkanäle zu besonderen Syste- 
men seien rundliche Läppchen von Drüsenbläschengestalt gebildet. So- 
wohl von der Außenfläche des Schwammes als auch von der großen 
unteren oder inneren Gallertmasse führen nach Köruiker’s Darstellung 
zahlreiche mit einer deutlichen Epithelauskleidung versehene Wasser- 
kanäle zu diesen »rosenkranzförmigen Wimperkanälen« und stehen 
nachweisbar in offener Verbindung mit denselben. Außer den schon 
von Schmipt bemerkten Embryonen findet KörLiker in der Nähe der 
größeren Wasserkanäle auch Eier. 

Körııker’s Angaben sind sodann von Schnipr in seinem zweiten 
Supplemente zu den Spongien des adriatischen Meeres 1866 im Wesent- 
lichen bestätigt und in so fern erweitert, als der letztere jetzt die mit 
freiem Auge sichtbaren Poren der äußeren Schwammoberfläche nicht 
mehr als Oscula sondern als stabile Einströmungsöffnungen 
auffasst, durch welche das Wasser in Kanäle eintritt, welche baum- 
arlig verästelt zu der an Dicke wechselnden Schicht der » graugelben 


412 Franz Eilhard Schulze, 


Röhrchensubstanz« hinführen, während an der unteren Seite dieser letz- 
teren ausführende Kanäle abgehen, welche die basale Gallertmasse 
durchsetzen und sich schließlich zu einigen Hauptkanälen vereinigen. 
Letztere münden dann mit etwas verdeckten Endöffnungen — den 
wahren Osculis — an dem Seitenrande oder unterwärts nach außen. 

Unter den Spongien der Küste von Algier hat Scumpr im Jahre 
1868 ein flaches und mit unregelmäßigen Vertiefungen versehenes 
Exemplar von Gorticium candelabrum gefunden; außerdem aber noch 
eine die Blätter und Schichten einer Kalkalge durchwachsende, neue 
krustenförmige Spongie, welche er ebenfalls zur Gattung Corticium 
stellt und nach ihrer Form, besonders aber nach gewissen flach kegel- 
förmigen oder zipfelartigen Erhebungen der Oberfläche Cortieium 
plicatum nennt. Hinsichtlich des Verhaltens der von Schmir jetzt 
als Sarcoid- und Zellsubstanz bezeichneten Gallert- und Röhrchensub- 
stanz Köruiker’s findet er eine vollständige Übereinstimmung mit ande- 
ren Gummineen; jedoch fehlen die makroskopischen Poren der Ober- 
fläche. Von Kieselkörpern beschreibt er einfache vierstrahlige Sterne 
mit spitz auslaufenden Enden. Zuweilen finden sich jedoch auch Vier- 
strahler, bei denen nur ein Strahl spitz endet, während die anderen 
drei sich in je zwei Endspitzen theilen. 

Die äußerste Oberflächenschicht ist mit sehr kleinen länglichen. 
granulirten Kieselkörpern so dicht durchsetzt, dass eine besondere, sich 
auch in die Zipfel erhebende, feine, weißgraue Rinde entsteht, welche 
sich besonders auf Vertikalschnitten durch ihre Farbe deutlich von dem 
übrigen blassgelblichen Schwammkörper absetzt. 

Außer dieser neuen Art von Algier beschreibt Scumipr in dem 
nämlichen Bande p. 25 noch eine dritte Art derselben Gattung, Corti- 
cium stelligerum aus dem adriatischen Meere, von welcher jedoch nur 
ein Exemplar in Gestalt einer weiblichen Kruste zur Beobachtung kam. 
Auch hier besteht deutliche Sonderung einer speckartig aussehenden 
Rinde von der graugelblichen Markmasse. Eben so soll die Figuration 
des Wasserkanalsystems ähnlich sein wie bei den Gummineen. Von 
Kieselskelettheilen finden sich einfache Vierstrahler mit drei unter sich 
gleich langen und einem vierten kürzeren Strahle, ferner schlank- 
strahlige kleine Sterne und endlich sehr kleine kurzstrahlige Sternchen, 
welche letzteren auf die äußerste Rindenschicht beschränkt sind. 

Eine Änderung der Anschauung über den Werth der Kieselnadel- 
formen im Gegensatze zur Rindenbildung für die Beurtheilung der 
natürlichen Verwandischaft der Spongien veranlasste ©. ScHmipr im 
Jahre 1870 in seinen »Grundzügen einer Spongienfauna des atlantischen 
Gebietes« p. 64 die Gattung Corticium ganz aus der Gruppe der Gum- 


Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. 413 


mineen zu entfernen und den Schwämmen mit ankerförmigen Nadeln 
anzureihen. 

Dieser veränderten Auffassung Schmipr’s von der Verwandtschaft 
der Gattung Corticium hat sich indessen CARTER nicht angeschlossen. 
Derselbe urgirt vielmehr im Jahre 1873 in seiner Arbeit »On two new 
species of Gummineae«! die vorwiegende Bedeutung der Rindenschicht- 
bildung und fügt den genannten drei Corticium-Arten O. ScHmipr's 
unter dem Namen Corticium abyssi eine vierte hinzu, welche bei der 
Porcupine-Expedition vor dem englischen Kanal in einer Tiefe von 
500 Faden gedredgt war. Carter schildert das seiner Beschreibung zu 
Grunde liegende Exemplar als eine der Unterlage krustenartig an- 
liegende elastische Masse mit glatter schlüpfriger Oberfläche. Eine dünne 
durchscheinende Corticalschicht setzt sich gegen die opake, massige, 
aus ovoid cells bestehende Binnensubstanz ab. Das reich verästelte 
ausführende Kanalsystem durchsetzt den ganzen Körper und mündet in 
einzelnen mit freiem Auge erkennbaren rundlichen Osculis (» vents«) 
an der Oberfläche aus, in der sich außerdem zahlreiche mikroskopische 
schlitzförmige Hautporen befinden. Hinsichtlich des histiologischen 
Baues berichtet Carter, dass die Rinde aus einem feinfaserigen, an 
kleinen körnigen Zellen reichen Grundgewebe mit zahlreichen Kiesel- 
körpern besteht, nach außen zu ihren Abschluss in einer dünnen trans- 
parenten, festen, parallelfaserigen und von den Poren durchsetzten 
Cuticula findet, nach innen zu dagegen durch die Einlagerung zahl- 
loser eiförmiger Körnerzellen in die weißliche Masse des Binnenkörpers 
übergeht. An der Innenfläche der ausführenden Wasserkanäle, deren 
Endigungsweise im Innern aber eben so wenig wie der Verlauf der von 
der Oberfläche kommenden Porenkanäle festgestellt werden konnte, 
findet CARTER ein aus schmalen konischen Zellen bestehendes kontinuir- 
liches einschichtiges Epithellager. Die Kieselkörper bestehen aus sehr 
kleinen »birotulate« und größeren »biternate spicules«. Die ersteren, 
welche an jedem Ende eines geraden Achsenstabes vier kreuzweise 
gestellte und etwas zurückgebogene radiäre Arme besitzen, kommen 
zwar unregelmäßig zerstreut im ganzen Schwammkörper vor, sind aber 
besonders reichlich in der Wand der ausführenden Kanäle angehäuft. 
Die biternate spicules dagegen finden sich zwar ebenfalls durch die 
ganze Masse vertheilt, bilden aber außerdem ein einschichtiges Lager 
unmittelbar unter der Oberfläche. Sie bestehen aus einem stumpf- 
spitzen Achsenstabe, von welchem in der Nähe des stumpfen Endes 
drei unter gleichen Winkeln (120°) zu einander orientirte Querarme 


1 Annals of nat. hist. 4873. Vol. XII. p. 17. 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 98 


414 Franz Eilhard Schnize, 


rechtwinklig abstehen. Letztere sind jedoch nicht einfach glatt, sondern 
senden etwa von ihrer Mitte jederseits einen schräg (unter einem 
Winkel von circa 60°) abstehenden Seitenast ab, enden also drei- 
strahlig. Alle vorragenden Theile dieser zierlichen Kieselkörper sind 
mit parallelen Querringen von kleinen spitzen Zacken versehen. CARTER 
hat festgestellt, dass bei den der Oberfläche zunächst -liegenden und 
eine ziemlich gleichmäßige Schicht bildenden Kieselkörpern dieser 
letzteren Art die Querarme stets parallel der Oberfläche und dicht 
unterhalb derselben liegen, während (der längere Achsenschaft senk- 
recht zur Oberfläche und mit seinem spitzen Ende nach innen ge- 
richtet ist. 

Eine fünfte Art der Gattung Corticum hat Carter! nach einer 
eigenthümlichen Kieselnadelform aus Diatomeen-reichem Sande von 
Colon (Panama) im Jahre 1874 aufgestellt und Gorticium Kittoni 
genannt. Die betrefienden Kieselkörper bestehen aus einem geraden 
drehrunden Achsenstabe, dessen eines Ende in eine stumpfe Spitze 
ausläuft, während von dem anderen etwas breiteren Ende zwei, drei 
oder vier S-förmig gebogene kürzere Arme unter gleichen Winkeln 
schräg nach außen abstehen. Diese Arme so wie der größere, distale 
Endtheil des Achsenstabes sind mit feinen Zacken dicht besetzt, wäh- 
rend der kürzere proximale Abschnitt glatt erscheint. Carter glaubt 
aus einer gewissen Ähnlichkeit, welche diese Nadeln mit den in der 
Rinde von Corticium abyssi so häufig gefundenen besitzen, auf ihre 
Zugehörigkeit zu einer Species derselben Gattung schließen zu dürfen. 

Als Gorticium parasiticum hat endlich GCarrer im Jahre 1876 
eine weiche dünne Spongienkruste bezeichnet, welche sich an einer aus 
862 Faden Tiefe vor dem englischen Kanal heraufgeholten Esperia fand. 
Die nur von den Kieselnadeln durchbohrte glatte Oberfläche zeigte keine 
deutlichen Poren oder Oscula. Da das Vorhandensein einer difierenten 
Rindenschicht nicht erwähnt ist, muss wohl deren Fehlen angenommen 
werden. Die Körpermasse zeigt einen areolären Bau und ist reichlich 
durchsetzt von regellos gelagerten, gestreckten, drehrunden und schwach 
wellig gebogenen Kieselnadeln, welche an dem einen Ende spitz aus- 
laufen, am anderen dagegen eine Stecknadelkopf-ähnliche Verdickung 
zeigen, und bis auf diesen glatten Endknopf mit feinen Zacken dicht 
besetzt sind. | 

Die Bezeichnung Corticium Wallichii, welche sich in einem Auf- 
satze von Carter? aus dem Jahre 1879 für eine neu beschriebene 


1 Annals of nat. hist. Vol. XIV. p. 253. 
2 Annals of nat. hist. Ser. V. Vol. 5. p. 353. 


Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. 415 


-Spongienform angewandt findet, beruht hinsichtlich des Gattungsnamens 
auf einem Irrihume, wie dies Carter selbst später an einem andern 
Orte ! ausdrücklich erklärt hat, und soll Gummina Wallichii heißen. 

Endlich hat noch ©. Scumipr? eine weitere Species — Corticium 
versatile — hinzugefügt, welche von St. Vincent stammt und bei »gum- 
mineenartiger Beschaffenheit des Weichkörpers« vierstrahlige Kiesel- 
körper besitzt, deren einzelne Strahlen theils einfach zugespitzt enden, 
theils in zwei bis fünf spitze Zacken auslaufen, und in dieser Art der 
Endigungsweise der einzelnen Strahlen die mannigfachsten Kombi- 
nationen aufweisen. Zugleich hat O. Scumivr an demselben Orte als 
wesentlichen Charakter der Gattung Corticium erstens die Vier- 
strahligkeit oder die aus dieser Grundform direkt ableitbare Gestalt 
der Kieselkörper und zweitens die »gummineenartige Beschaffen- 
heit des Weichkörpers« hingestellt, und in Folge dessen GArTEr’s Corti- 
cium parasiticum, welches derartige Nadeln nicht enthält, aus der 
Gattung Corticium ausgeschieden. Auch das Corticium Kittoni und 
abyssi von CARTER Scheint O. Scnmipr wenig Anrecht auf diesen Gattungs- 
namen zu haben, da beide nicht mehr die Vierstrahligkeit der Spicula 
deutlich erkennen lassen ; den letzteren dieser beiden Schwämme hält 
er außerdem für identisch mit Samus anonyma Gray. 


Es sind also im Ganzen folgende sieben Corticium-Arten aufgestellt 
worden: 


4) Corticium candelabrum O. S. 1862. 
2) C. plicatum O. S. 1868. 

3) €. stelligerum O. S. 1868. 

4) G. abyssi Carter. 1873. 

5) C. Kittoni Carter. 187%. 

6) C. parasiticum Carter. 1876. 

7) C. versatile O. S. 1880. 


Ohne mich jetzt schon auf eine nähere Erörterung der Frage einzu- 
lassen, welche von diesen genannten Arten in die ursprünglich mit 
Cortieium candelabrum allein begründete Gattung Corticium aufzu- 
nehmen sind, wende ich mich zur Mittheilung der Ergebnisse meiner 
Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung dieser letzteren 
Art, welche für die betreffende Gattung jedenfalls typisch sein und 
bleiben wird. 


1 Journal of Roy. Microsc. Soc. Vol. II. p. 494 und 495. 
2 Die Spongien des Meerbusens von Mexico. p. 69. 


38 


16 | Franz Eilhard Schulze, 


Gorticium candelabrum 0. Schmidt. 


Die Gestalt und Größe der zahlreichen Exemplare von Corticium 
candelabrum, welche ich von verschiedenen Fundorten ! theils lebend, 
theils in Alkohol absolutus gut konservirt erhalten habe, variirt be- 
deutend. Die größeren, bis zu 6 Gentimeter und darüber im Durch- - 
messer starken Stücke sind meistens ganz unregelmäßig rundlich oder 
knollig und von einer ziemlich glatten Oberfläche ähnlich dem von 
O. Scumipvr in dem zweiten Supplemente seiner Spongien des adria- 
tischen Meeres in Fig. 2 der Tafel abgebildeten (übrigens ungewöhnlich 
großen) Exemplare. Daneben kommen häufig mehr oder minder dünne, 
flach aufliegende Krusten geringerer Größe von unregelmäßig lappiger 
Gestalt mit bald mehr glatter bald mehr höckeriger Oberfläche vor, 
während die kleinsten Exemplare (ich fand deren bis zu I mm Durch- 
messer herab) in der Regel einfach knopfförmig erscheinen und, mit 
etwas eingezogener Basis flach der Unterlage aufsitzend, an ihrer 
ebenen oder dellenartig vertieften Oberseite spaltenförmige Einziehungen 
zeigen. | | 

Hinsichtlich der Konsistenz zeichnet sich Corticcum candelabrum 
durch eine gewisse Derbheit und Festigkeit aus, welche fast der- 
jenigen des Hyalinknorpels gleichkommt. Die Färbung variirt von lich- 
tem Gelb durch Braun bis zu Schwarz und erscheint einigermaßen 
abhängig von der Lokalität. Während nämlich die an der dalmatini- 
schen Küste gefundenen Stücke sämmtlich gelblich bis hellbraun aus- 
sehen, zeigen die von Ponape erhaltenen Krusten eine dunkel rostbraune 
Farbe, und eine von Gebu stammende Knolle ist sogar intensiv blau- 
schwarz. Übrigens scheint die Farbe weder an der gesammten Ober- 
fläche noch durch die ganze Dicke ein und desselben Stückes durchaus 
gleichartig. 

Vor Allem markiren sich erhebliche Differenzen zwischen den bei- 
den verschiedenartigen Substanzen des Schwammkörpers, welche von 
dem Entdecker der Art unterschieden sind. ©. Scnmipr beschreibt seine 
Rindensubstanz als eine gelbliche Schicht, an deren äußerster Ober- 
fläche eine dünne Lage braunen Pigmentes vorkomme, welche sich nach 
innen zu wenig scharf absetze, aber in die Wandungen der Kanäle sich 
forisetze; während er die Centralsubstanz eine graue durchscheinende 
Pulpa nennt. 

An einigen mittelgroßen Fxemplaren, welche ich in Lesina lebend 
untersuchen konnte, fand ich die an der Basis stark entwickelte, an der 


' Es sind dies Lesina, Sebenico, Neapel, Cebu, Ponape. 


Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. 417 


Schwammoberfläche dagegen nur sehr dünne » Rindensubstanz« ge- 
gewöhnlich ganz schwach gelblich tingirt und durchaus hyalin, wäh- 
rend die opake Markmasse sich durch eine hellrothbraune Färbung 
auszeichnete (Fig. 1). Im Spiritus blasst dann die Farbe so voll- 
ständig aus, dass die hyaline Rinde völlig farblos und die Pulpa milch- 
weiß erschien. An dem in jeder Beziehung gut in Alkohol konservirten 
Stücke von Cebu, welches mir aus dem Wiener Hofmuseum durch 
freundliche Vermittlung des Herrn Dr. von MARENZELLER zur Unter- 
suchung überlassen wurde, zeigte sich die intensiv schwarze Färbung 
auf die äußerste Gewebslage beschränkt, während die basale Partie der 
hyalinen Substanz nur schwach gelblich tingirt war, und die opake 
Centralsubstanz grauweißlich aussah. 

In Betreff des Verhältnisses der beiden verschiedenen Substanzen 
des Schwammkörpers zu einander habe ich zunächst hervorzuheben, 
dass die Entwicklung der hyalinen Substanz !, von welcher die opake 
Substanz 1 allseitig umschlossen und in Zügen durchsetzt wird, keineswegs 
in allen Fällen so bedeutend ist, wie in dem großen von O. Schmipr zu- 
erst beschriebenen und abgebildeten, auch Köruiker’s Darstellung zu 
Grunde liegenden Stücke, wo sie wohl über die Hälfte des ganzen 
Körpervolumens ausmacht. Im Allgemeinen findet man die hyaline 
Substanz um so stärker entwickelt, je älter und größer der Schwamm 
ist; und zwar gilt dies ganz besonders von der basalen, d.h. der Unter- 
lage direkt aufliegenden Partie derselben, welche bei dem Gesammt- 
wachsthum des Schwammes viel mehr an Volumen zunimmt als die 
opake Masse. An der äußeren Oberfläche dagegen bildet sich die hya- 
line Substanz auch bei größeren Stücken nur zu einer verhältnismäßig 
dünnen Rindenschicht aus, welche einerseits, um den Seitenrand 
der Kruste herumziehend, in die Basalmasse kontinuirlich übergeht, 
andererseits, dem Laufe der zuführenden Gefäße folgend, mit zahl- 
reichen röhrenförmigen Fortsetzungen in die opake Masse eindringt. 
Dass nun die letztere im Ganzen als eine reich und tief gefaltete 
Platte aufzufassen ist, lehrt sowohl die Betrachtung senkrechter 
Schnittflächen bei auffallendem Lichte, als auch das Studium sehr dünner 
Durchschnitte bei durchfallendem Lichte, tritt aber besonders deutlich 
an solchen Durchschnitten hervor, welche von ganz jungen Krusten 
senkrecht zur Oberfläche angefertigt sind (Fig. 5). 

Die den Schwamm durchsetzenden Wasserkanäle lassen eben so 


! Ich ziehe diese einfach das optische Verhalten angebende Bezeichnung der 
beiden schon bei der Betrachtung mit unbewaffnetem Auge leicht und scharf 
unterscheidbaren Substanzen den von Scnunivr und KÖöLLıker gewählten Benen- 
nungen vor, 


418 Franz Eilhard Schulze, 


wie bei allen bisher von mir studirten Spongien zwei antagonistisch 
sich gegenübersiehende Systeme erkennen, nämlich einerseits das von 
der Schwammoberfläche zu den Geißelkammern hinleitende und anderer- 
seits das von den letzteren zu den Osculis und durch diese nach 
außen ableitende System. Das erstere beginnt mit zahlreichen runden 
Kanalöffnungen, welche, schon dem unbewaffneten Auge deutlich sicht- _ 
bar, entweder ganz unregelmäßig zerstreut oder zu kleinen Gruppen 
vereint stehen (Fig. 3). Der Durchmesser dieser meistens trompeten- 
artig geformten Einströmungsöflnungen variirt erheblich und kann bis 
zu 0,3 mm betragen. Jede derselben führt in einen senkrecht ein- 
dringenden Kanal, welcher zunächst einige Seitenäste abgiebt und sich 
darauf unregelmäßig baumartig verzweigt. Die letzten feinen End- 
röhren sämmtlicher Verzweigungen münden schließlich in je eine birn- 
förmig gestaltete Geißelkammer und zwar stets an deren stumpfen Ende 
ein (Fig. 6 und 8). 

Zwischen den großen Haupteingangsröhren scheinen übrigens noch 
ganz feine Kanälchen die äußere Randschicht zu durchsetzen, um 
direkt zu den oberflächlich gelegenen Geißelkammern zu gelangen. 
Zwar habe ich solche Mikroporen nicht als offene Gänge beobachten 
können, doch schließe ich auf ihr Vorhandensein aus folgenden Um- 
ständen. An dünnen Tangentialschnitten der äußersten Rinde finden 
sich zwischen den gerade hier sehr dicht gelagerten Kieselkörpern in 
ziemlich gleichen Distanzen kleine rundliche Stellen, wo die Spicula 
fehlen und die hyaline Weichkörpermasse das Licht durchscheinen lässt, 
und wo auch oft genug Andeutungen eines kollabirten Kanälchens zu 
bemerken sind. Ein eigenthümliches Verhältnis habe ich an einigen 
größeren Schwammexemplaren, so auch bei dem großen Scamipr’schen 
Originalstück von Sebenico angetroffen. Trägt man hier durch einen 
tangential geführten Schnitt die äußere Schicht ab, und betrachtet die- 
selbe bei durchfallendem Lichte von der äußeren Seite, so bemerkt 
man zwischen den zahlreichen rundlichen Löchern, welche den großen 
einführenden Kanälen entsprechen, Netze von knotig erweiterten 
Kanälchen, welche unweit der Schwammoberfläche und derselben 
nahezu parallel liegen. Dieselben stehen einerseits mit den oberfläch- 
lich gelegenen Geißelkammern, andererseits mit kurzen parallel der 
Schwammoberfläche hinziehenden Gängen in Zusammenhang, welche 
letzteren sich wiederum als Ausläufer von blasenförmigen Hohlräumen 
der Rindenschicht darstellen (Fig. 9). Da sich nun gerade oberhalb 
solcher blasenförmiger Hohlräume die nämlichen hellen Kieselnadel- 
freien Stellen vorfinden wie ich oben in der Haut kleinerer Schwamm- 
exemplare beschrieb, und für Andeutungen von kollabirten Hautporen- 


Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. 419 


kanälchen erklärte, so bin ich geneigt, auch hier dergleichen anzu- 
nehmen ; und zwar um so mehr als ich keine anderen Zugangswege zu 
jenen Blasenräumen entdecken konnte. 

Während demnach die großen weitmündigen Zuleitungskanäle das 
Wasser zu den tiefer gelegenen Geißelkammern hinführen, sind außer- 
dem höchst wahrscheinlich noch einfache enge Hautporenkanäle zwi- 
schen jenen weiteren Zugängen vorhanden, um das Wasser den ober- 
flächlichsten Geißelkammern zuzuführen, respektive in blasenförmige 
Hohlräume zu leiten, aus welchen es mittels kurzer Gänge in eng- 
maschige Kanalnetze und von diesen aus endlich in die oberflächlichen 
Geißelkammern eindringt!. 

Jede einzelne Geißelkammer stellt einen birnförmigen Hohlraum 
von circa 45 u Durchmesser dar, an dessen stumpfem Ende und zwar 
ziemlich in der Mitte desselben je ein Endzweig des zuleitenden Kanal- 
systems einmündet, während aus dem entgegengesetzten sich allmählich 
verjüngenden Endtheile. der Kammer je ein ausführendes Kanälchen 
hervorgeht (Fig. 8). Durch Vereinigung mehrerer dieser primären Ab- 
fuhrkanälchen entstehen etwas weitere Gänge, welche wiederum durch 
spitzwinklige Vereinigung mit anderen Gängen ähnlichen Durchmessers 
so wie durch seitlichen Eintritt primärer Abzugskanälchen zur Bildung 
immer größerer Ableitungskanäle führen. Letztere durchsetzen dann 
in großer Zahl und unter Bildung reichlicher Anastomosen die mehr 
oder minder dicke hyaline Basalmasse des Schwammes, um schließlich 
in einigen wenigen, meistens etwas verdeckt gelegenen spaltenförmigen 
Osculis am Seitenrande oder an einer hohl liegenden Stelle der Unter- 
seite auszumünden. 

Aus dieser meiner Darstellung erhellt, dass ich in der opaken Sub- 
stanz keine » Wimperkanäle« oder »rosenkranzförmige, anastomosirende 
Kanäle« mit »ketienartig hinter einander folgenden Erweiterungen « 
gefunden habe, wie KörLıker sie beschrieben hat, sondern eben nur 
die Geißelkammern in einfacher wenn auch vielfach gefalteter Lage. 

Wie man sich nun die allmähliche Ausbildung eines derartigen 

komplicirten zu- und ableitenden Kanalsystems durch die Faltelung der 


1 KÖLLIKER, welcher die nämlichen beiden von außen her eindringenden 
Kanalformen bereits erkannt und als » weitere und engere« unterschieden hat, 
giebt ebenfalls an, dass sich die weiteren bis tief in die »Röhrensubstanz« hinein 
begeben, während die engeren sich nur in der Rindengallerte verästeln und mit 
den oberflächlich gelegenen Kanälchen der »Röhrchensubstanz« verbinden. In- 
dessen ist er geneigt eben so wie ursprünglich O. Scuuipr die weiten, tiefer ein- 
dringenden Kanäle als Ausströmungskanäle zu deuten, während O. Scumipr später, 
1866, wie schon erwähnt, zu der von mir hier vertretenen entgegengesetzten Auf- 
fassung gelangte. 


420 Franz Eilhard Schulze, 


oberen Wand einer zunächst einfach sackförmigen Anlage des eben 
fixirten Schwammes unter gleichzeitiger Massenzunahme des Mesoderms 
vorzustellen hat, das habe ich bereits in meiner letzten Mittheilung in 
dieser Zeitschrift, Band XXXIV, p. #22 an der Hand der Entwicklungs- 
geschichte von Plakina monolopha so wie durch vergleichende Betrach- 
tung des Baues verschiedener Plakina-Arten im ausgebildeten Zustande 
(ebenda p. 441 und 442) angedeutet. Zu der nämlichen Auffassung 
führt ohne Weiteres auch der in Fig. 5 dargestellte senkrechte Durch- 
schnitt eines sehr jungen, kaum stecknadelknopfgroßen Corticium 
candelabrum. Hier münden nämlich in den spaltenförmigen Hohlraum, 
welcher sich dicht oberhalb der hyalinen Basalplatte befindet, die weiten 
abführenden Gänge in der Weise ein, dass man sich die letzteren 
zwanglos als durch einfache Faltelung der oberen Wand einer sack- 
formigen Anlage entstanden denken muss, deren untere Wand eben die 
Basalplatte ausmacht. Eben so leitet die Gestalt der weiten zuführen- 
den Gänge, so wie die ganze Figuration der zwischen diesen beiden 
Systemen gelegenen, die Geißelkammern enthaltenden Platte zu einer 
solchen Vorstellung hin. Wenn sich nun bei weiterem Wachsthume 
sowohl die zuführenden als die abführenden Gänge, oder — was das- 
selbe ist — die Einbauchungen und die Ausbauchungen der oberen 
Sackwand verlängern und durch immer reichere Faltelung der letzteren, 
immer reichere Verästelungen erfahren, so muss schließlich jenes 
komplieirte zu- und ableitende Kanalsystem und jene komplicirte Figu- 
ration der zwischenliegenden Geißelkammerschicht entstehen, welche 
wir bei größeren oder ausgewachsenen Stücken antreflen. 


Histiologische Struktur. 


Wegen der Knorpelkonsistenz der hyalinen Substanz von Corti- 
cium candelabrum sind hier die histiologischen Verhältnisse leichter zu 
studiren, als bei den meisten übrigen Spongien; und daher auch schon 
frühe — besonders von KörLıker in seinen Icones histiologicae im 
Wesentlichen richtig dargestellt. 

Trotzdem wird eine eingehende Berichterstattung über die Ergeb- 
nisse meiner eigenen Untersuchungen um so weniger überflüssig er- 
scheinen, als durch dieselben hier und da noch einzelne bisher nicht 
bekannte Thatsachen aufgedeckt werden konnten. 


Ektoderm. 
Bei vielen und besonders jüngeren Exemplaren von Corticium 
candelabrum lässt sich ein kontinuirliches einschichtiges Plattenepithel 
an der gesammten freien Körperoberfläche mit gleicher Deutlichkeit er- 


Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. 49 


kennen , wie etwa bei Halisarca lobularis oder bei Plakina monolopha. 
Die mäßig hohen, oft fast kubisch gestalteten Zellen grenzen sich scharf 
von einander ab, zeigen eine ebene Endfläche und besitzen in der Mitte 
ihres leicht körnig getrübten Protoplasmaleibes je einen kugeligen Kern 
(Fig. 7). Eine Geißel habe ich nicht wahrnehmen können. Als eine 
unmittelbare Fortsetzung dieses äußeren Plattenepithels stellt sich das 
sämmtliche zuführenden Kanäle sammt ihren blasenförmigen Auftrei- 
bungen und knotigen Kanalnetzen der Rinde in kontinuirlicher Lage aus- 
kleidende Zellenlager dar (Fig. 7, 8 und 9); wie sich besonders deutlich 
an der trompetenförmigen Eingangsöffnung der von der Oberfläche in 
die Tiefe führenden weiten Zugangskanäle erkennen lässt. Auch die 
Beschaffenheit dieser epithelartigen Zellenauskleidung des zuführenden 
Kanalsystems weicht nicht wesentlich von derjenigen des äußeren Ober- 
flächenepithels ab, nur in den letzten feinsten Endkanälchen vermindert 
sich die Höhe der Zellen. Bei dem blauschwarz gefärbten Stücke von 
CGebu finden sich in den platten Ektodermzellen der freien Oberseite so 
wie der größeren einführenden Wasserkanäle zahlreiche dunkle Pig- 
mentkörnchen (Fig. 10). 

Wenn nun auch bei den größeren, wahrscheinlich älteren Stücken 
das Zellenlager an der freien Körperoberfläche häufig nicht mehr sicher 
nachzuweisen ist, vielleicht weil es einfach durch Abreiben oder auf 
andere Weise an dieser exponirten Stelle zerstört wurde, so zeigen 
doch auch hier die sämmtlichen zuleitenden Wasserkanäle jene epi- 
theliale Auskleidung auf das deutlichste (Fig. 6). 

Die oben aus einander gesetzte Vorstellung von der Entstehung des 
zuführenden Kanalsystems, wie sie aus den bekannten entwicklungs- 
geschichtlichen Thatsachen sich ergiebt, rechtfertigt die Bezeichnung 
des so eben besprochenen Zellenlagers als Ektoderm. 


Entoderm. 


Bei meiner Darstellung der Entwicklung von Plakina monolopha 
habe ich die Gründe angegeben, welche mich bestimmen, die Epithel- 
auskleidung der Geißelkammern und des gesammten ableitenden Kanal- 
systems als Entoderm zu bezeichnen. Der Leser jenes Aufsatzes (diese 
Zeitschrift, Bd. XXXIV, p. 407) wird sich erinnern, wie die dort mit- 
getheilten entwicklungsgeschichtlichen Beobachtungen zu der Über- 
zeugung geführt haben, dass gerade diese Zellenlager der Geißel- 
kammern und des abführenden Kanalsystems aus jenem einfachen 
Epithel hervorgehen, welches den durch Spaltung entstandenen mittleren 
Hohlraum der einfach sackförmigen Schwammanlage auskleidet und dort 
als Entoderm zu bezeichnen ist. 


422 Franz Eilhard Schulze, 


Die Zellen, welche beim ausgebildeten Schwamm die Geißel- 
kammern auskleiden, lassen sich zwar an dünnen Schnitten und nach 
gelungener Tinktion als die bekannten Geißel-tragenden Kragen- 
zellen erkennen, wie sie an dem nämlichen Orte bei allen bisher 
studirten Spongien zu finden sind, indessen stellen sie hauptsächlich 
wegen ihrer Kleinheit kein besonders günstiges Objekt für eindringende 
Untersuchungen dar. Nur das mag besonders hervorgehoben werden, 
dass hier eben so wie bei Halisarca lobularis und bei Plakina die ganze 
Kammerwand bis zu dem engen Ausgangskanälchen mit Kragenzellen 
versehen ist, im Gegensatze zu den zwar ebenfalls birnförmigen, aber 
nur in dem hinteren halbkugeligen Grunde mit dieser Zellenform aus- 
gekleideten Kammern von Euspongia und mehreren anderen Horn- 
spongien. 


Mesoderm. 


Die Sonderung jener beiden differenten Substanzen, welche ich 
oben als hyaline und opake bezeichnet habe, rührt nicht allein von 
der Gegenwart der Geißelkammern in der letzteren her, sondern mehr 
noch von jenen kleinen , stark lichtbrechenden Körnchen, welche die 
an sich hyaline Grundsubstanz des Mesoderms in der nächsten Um- 
gebung der Geißelkammern reichlich durchsetzen, Körnchen, wie wir 
sie in gleicher Beschaffenheit schon bei den Chondrosiden, den Spongi- 
den, bei Hircinia und jüngst auch bei einigen Plakiniden an der näm- 
lichen Stelle angetroffen und als die Hauptursache der opaken Be- 
schaftenheit und weißlichen Färbung kennen gelernt haben. In der 
That lassen sich ja auch bei jenen früher besprochenen Spongien eben so 
wie hier zwei differente Substanzen schon makroskopisch sehr wohl 
unterscheiden ; nur erscheint dort die hyaline, d. i. körnchenlose Masse 
niemals so klar durchscheinend und so knorpelartig fest wie hier. 

Die geradezu überraschende Ähnlichkeit des histiologischen Cha- 
rakters der hyalinen Substanz von Corticium candelabrum mit gewissen 
Hyalinknorpelarten ist schon von Körrıker hervorgehoben. In einer 
ziemlich stark lichtbrechenden homogenen Grundsubstanz zeigen sich 
unregelmäßig rundliche oder auch hier und da in spitze Zipfel ausge- 
zogene scharf begrenzte Lücken, in deren jeder eine Zelle liegt. Von 
dem körnchenarmen Protoplasma dieser Zellen gehen radiäre Ausläufer 
zur Innenwand der betreffenden Grundsubstanzlücke oder in deren 
spitze Ausläufer hinein. Von faserigen Elementen der Grundsubstanz, 
wie sie Scumiıptr und auch KörLiker erwähnen, habe ich nichts ent- 
decken können, und möchte dieselben auf Schrumpfungserscheinungen 
zurückführen. 


Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. 423 


Jene schwarze Varietät des Corticıum candelabrum, welche von 
Cebu stammt, enthält in den Mesodermzellen, welche nahe der Ober- 
. fläche des Schwammes liegen, dunkle Pigmentkörnchen in wechseln- 
der Zahl. 

Ich habe schon in einer früheren Mittheilung einmal darauf hin- 
gewiesen, dass wohl kaum bei irgend einer Spongie deutlicher das 
Vorhandensein einer von dem Zellenprotoplasma differenten Grund- 
substanz sich erkennen lässt, als gerade bei Gorticium candelabrum. 
Von einem Syneytium, wie noch von manchen Spongiologen die Haupt- 
gewebsmasse des Schwammkörpers genannt wird, kann meiner Ansicht 
nach nur da die Rede sein, wo die Protoplasmaleiber benachbarter 
Zeilen so vollständig mit einander verschmolzen sind, dass sich zwi- 
schen denselben keine Grenzen markiren. Dies ist nun zwar hei 
manchen Spongien an einzelnen Stellen und zwar in der Regel da, wo 
das lebhafteste Wachsthum stattfindet, wie etwa an der Oberfläche von 
Euspongia, wirklich der Fall; jedoch eben nur an einzelnen beschränk- 
ten Stellen. Die große Hauptmasse des Mesoderms aller von mir unter- 
suchten Spongien dagegen stellt eben kein Syneytium sondern eine 
Bindesubstanz dar, in so fern sich zwischen den auch hier vor- 
handenen Protoplasmakörpern der Zellen eine nicht protoplasmatische 
Grundsubstanz befindet, sei dieselbe nun flüssig, gallertartig oder selbst 
knorpelhart, homogen, faserig oder körnig. Dies letztere Verhältnis 
ist gerade in der hyalinen Mesodermmasse von Corticium candelabrum 
desswegen besonders leicht zu erkennen, weil hier die Grundsubstanz 
durch ihre derbe Konsistenz und ihr starkes Lichtbrechungsvermögen 
sich ungewöhnlich scharf von den darin zerstreut liegenden Zellen ab- 
setzt. 

Der histiologische Bau der anderen, im durchfallenden Lichte 
dunkel, bei auffallendem weißlich erscheinenden Mesodermpartie stimmt 
zwar hinsichtlich der zelligen Elemente mit demjenigen der eben be- 
sprochenen hyalinen Masse überein, unterscheidet sich jedoch, wie schon 
mehrfach erwähnt, dadurch wesentlich von jener, dass die zwischen 
den Zellen befindliche Grundsubstanz mit kleinen, rundlichen, stark 
lichtbrechenden Körnchen dicht durchsetzt ist (Fig. 8). Eine solche 
Körncheneinlagerung kommt außer in der Umgebung der Geißelkammern 
auch in nächster Nähe der kleineren zu- und ableitenden Kanälchen 
vor, wenngleich hier nur in ganz dünner Schicht (Fig. 8). So deutlich 
nun auch im Großen und Ganzen jene beiden differenten Mesoderm- 
partien von einander geschieden erscheinen, so besteht doch eigentlich 
keine ganz scharfe Grenze zwischen denselben; in so fern die Distanz 
der Körnchen von der ganz opaken Masse aus gegen die völlig hyaline 


424 Franz Eilhard Schulze, 


Substanz hin allmählich zunimmt, bis die Körnchen schließlich ganz 
aufhören. | 


Die Kieselkörper 


sind ausschließlich auf das Mesoderm beschränkt. Sie kommen sowohl 
in der hyalinen als auch in der durch Körncheneinlagerung opaken 
Substanz vor. Während sie bei manchen Schwammexemplaren und 
zwar besonders bei den flach krustenartig ausgebreiteten so dicht ge- 
drängt liegen, dass sie sich fast berühren, rücken sie in anderen, ge- 
wöhnlich durch Größe und starke Entwicklung der hyalinen Substanz 
ausgezeichneten Stücken so weit aus einander, dass sie um das Drei- 
fache ihres Durchmessers und weiter von einander entfernt liegen. 

Wie schon der Entdecker unserer Spongie in der ersten Beschrei- 
bung hervorhob, lassen sich zwei verschiedene Formen der Spicula 
unterscheiden, nämlich einfache Vierstrahler und die sogenannten 
»Kandelaber«. Erstere kommen in großer Anzahl und ziemlich 
gleichmäßiger Vertheilung durch die ganze Mesodermmasse zerstreut 
- vor, während die letzteren einerseits ein ziemlich kontinuirliches ein- 
schichtiges Lager dicht unter der gesammten Außenfläche des Schwam- 
mes (und zwar nicht bloß der Oberseite und Seitenfläche, sondern 
auch der Unterseite) so wie in der Wand aller größeren Wasserkanäle 
bilden , andererseits spärlich und unregelmäßig vertheilt auch in der 
übrigen Mesodermmasse zu finden sind. 

Die allmählich gegen das freie Ende zu sich verjüngenden und 
schließlich in eine Spitze auslaufenden drehrunden Äste der einfachen 
Vierstrahler gehen von einem gemeinsamen Punkte entweder unter 
ziemlich gleichen Winkeln oder in der Richtung der Ecken einer drei- 
seitigen Pyramide mit einer differenten Hauptachse aus einander. Im 
ersteren Falle pflegen sie annähernd gleich lang (36—40 u) zu sein. 

Merkwürdig und schon von O. Scumipr hervorgehoben ist der Um- 
stand, dass die Strahlen nur selten ganz gerade, vielmehr meistens ent- 
weder alle vier oder zu dreien schwach wellig, resp. S-förmig, seltener 
in einer einfachen Bogenlinie gebogen sind (Fig. 11 a—c). 

Von diesen einfachen Vierstrahlern scheinen nun in der That die 
von ©. Scumipt ganz treflend als »Kandelaber« bezeichneten Kiesel- 
körper auf den ersten Blick principiell und wesentlich verschieden zu 
sein, in so fern von der Vereinigungsstelle dreier unter sich gleicharti- 
ger oder doch sehr ähnlicher Basalstrahlen ein vierter ganz anders ge- 
stalteter Theil sich erhebt, an welchem man mit Scumipr einen kurzen 
säulenförmigen Körper und mehrere horn- oder gabelzinkenförmige, 
spitz auslaufende Fortsätze unterscheiden kann. Diese letzteren sind es 


Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. A495 


gerade, welche beim Vergleiche des Ganzen mit einem Kandelaber den 
auf der oberen Platte aufgesteckten Lichtern entsprechen würden. Die 
drei Basalstücke, welche unter gleichen Winkeln schräg nach unten und 
auswärts aus einander weichen, laufen an ihrem äußeren freien Ende 
in zwei bis fünf, gewöhnlich aber in vier schwach divergirende und 
meistens etwas gekrümmte spitze Zacken aus, welche, an demselben 
Kandelaber annähernd gleich lang, bei verschiedenen Kandelabern sehr 
verschiedene Ausbildung zeigen können. Der säulenförmige Körper des 
Hauptstückes verbreitert sich nach oben zu und trägt hier die bald an- 
nähernd parallel stehenden, bald schwach divergirenden Zinken, deren 
jede an ihrem äußeren kantenartig zugeschärften Rande mit einer Reihe 
spitzer Höcker oder Stacheln versehen ist. Der größte dieser Stachel 
ist der unterste, welcher von dem breiten Basaltheil der Zinke schräg 
nach außen und abwärts gerichtet ist, während die übrigen bis zur 
Endspitze der Zinke hin allmählich an Höhe abnehmen (Fig. 14 m und n). 
Die Zahl der Zinken wechselt außerordentlich; gewöhnlich schwankt 
sie zwischen vier und sieben. Auch ihre Anordnung ist nicht überall 
die gleiche. Bald stehen sie sämmtlich in einem Kreise, so dass die 
Mitte der Endplatte des Kandelabers frei bleibt; bald findet sich gerade 
in der Mitte der letzteren eine centrale Zinke; bald ist die Vertheilung 
eine völlig unregelmäßige. 

Sind nun auch die eben geschilderten Kandelaberformen die bei 
Weitem häufigsten, so finden sich doch daneben zuweilen auch ab- 
weichend gebildete und zwar in der Regel viel einfacher erscheinende. 
Einige solcher abnormer Gestalten hat schon ©. Scamipr erwähnt und 
abgebildet. Bei diesen erscheint einerseits die Zahl und Größe der End- 
zacken der drei basalen Strahlen, andererseits die Zahl und der Stachel- 
besatz der oberen Zinken so beträchtlich vermindert, dass sogar Kande- 
laber mit nur zwei Endzacken an den Basalstrahlen und auch nur zwei 
Zinken an dem oberen Körperende zu finden sind (Fig. 41 ! und A). 

Bei dieser großen Variabilität der Kandelaber — besonders in der 
Richtung zur Vereinfachung — erschien es mir von vorn herein nicht 
unwahrscheinlich, dass sich beim eifrigen Suchen auch noch deutliche 
Übergangsformen zwischen echten Kandelabern und den einfachen Vier- 
strahlern würden auffinden lassen; und somit eine Zurückführung der 
ersteren auf den reinen vierstrahligen Typus gelingen müsste. 

In der That ist mir dies nun auch nach einigen Bemühungen in so 
weit geglückt, als ich Kieselkörper gefunden habe, bei welchen zwar 
eben so wie bei notorischen Kandelabern zwei oder mehrere zinken- 
förmige Bildungen dem verbreiterten Ende eines säulenförmigen Schaftes 
aufsaßen, bei welchen aber die vom anderen Ende des letzteren ab- 


436. Franz Eilhard Schulze, 


gehenden drei basalen Strahlen gerade so wie die einfachen Strahlen 
der gewöhnlichen Vierstrahler gebildet waren (Fig. 11 «). Bei noch 
anderen Kieselkörpern war auch die Zinkenähnlichkeit der Endauf- 
sätze des Hauptstrahles ganz verloren gegangen und es zeigten sich 
daselbst nur einige (vier bis zwei) einfache, schräg divergirende End- 
zacken der nämlichen Art, wie sie sonst den Basalstrahlen der Kande- 
laber zukommen (Fig. A1 e, f, gund h). In solchen und ähnlichen Fällen 
tritt denn auch oft genug die Differenz zwischen den einfachen spitz aus- 
laufenden Basalstrahlen und jenem vierten als Körper bezeichneten 
Strahle sowohl hinsichtlich der Form als auch der Winkelstellung so 
vollständig zurück , dass sich eben nur ein einfacher Vierstrahler mit 
Endspaltung eines seiner vier, übrigens gleich gearteten und unter 
gleichen Winkeln aus einander gehenden Strahlen darstellt. Eine solche 
 Unregelmäßigkeit aber, wie die einfache Endspaltung eines Strahles 
kommt bekanntlich bei vielen Kieselkörperformen gelegentlich einmal 
als Abnormität vor. 

Es scheint mir daher keinem Zweifel zu unterliegen, dass zwischen 
den normalen einfachen Vierstrahlern und jenen häufig so komplieirt 
gebauten Kandelabern von Corticium candelabrum eine ziemlich kon- 
tinuirliche Reihe von Übergangsformen vorkommt, wie man sie eben 
nur unter der Voraussetzung erwarten darf, dass dieselben sich auf die 
nämliche Grundform zurückführen lassen, resp. aus derselben sich her- 
ausgebildet haben. 

Demnach werden sowohl die drei Basalstrahlen als auch der Zinken 
tragende Körperschaft der Kandelaber je einem einfachen Strahl eines 
gewöhnlichen typischen Vierstrahlers homolog sein, das heißt, sich 
aus einem solchen entwickelt haben. Für diese Auffassung spricht auch 
der Umstand, dass die Kandelaber fast sämmtlich unmittelbar unter der 
freien Außenfläche des Schwammkörpers, resp. deren Epitheldecke 
so wie unter der Zellenauskleidung der größeren Wasserkanäle liegen, 
und zwar stets so orientirt, dass sie ihre Zinkenkrone diesen freien 
Flächen zuwenden (Fig. 6, 7 und 10). Höchst wahrscheinlich ist es 
gerade die an diesen Orten besonders reiche Wasser- und Nahrungszu- 
fuhr, welche die benachbarten Kieselkörper und zumal ihren nächst ge- 
legenen Strahl zu einer so bedeutenden Wucherung befähigt und ver- 
anlasst. 

Hinsichtlich der Entwicklung der Kieselkörper habe ich zwar nicht 
bei Larven oder eben fixirten jungen Schwämmen, wohl aber an einem 
größeren aus Cebu stammenden Exemplare eine bemerkenswerthe 
Beobachtung machen können. Ich fand nämlich in geringer Entfernung 
von der äußeren Schwammoberfläche in einer rundlichen, mit einzelnen 


Untersuchungen über den Ban und die Entwicklung der Spongien. 4937 


Pigmentkörnchen versehenen Mesodermzelle ein sehr kleines, voraus- 
sichtlich erst vor Kurzem neu angelegtes Kieselspiculum, welches schon 
einen deutlich ausgebildeten regelmäßigen Vierstrahler mit geraden und 
spitz auslaufenden , glatten Strahlen darstellte, aber noch so vollständig 
in dem Protoplasma der Zelle eingebettet lag, dass nicht einmal seine 
Endspitzen in die umgebende Grundsubstanz hineinragten (Fig. 10). 
Aus dieser Beobachtung scheint mir mit Sicherheit hervorzugehen, dass 
dieses Kieselspieulum wirklich im Innern der betreffenden Mesoderm- 
zelle entstanden ist. Ich schließe mich daher jetzt der schon von 
O. ScumiDT, CARTER, KELLER und anderen Spongiologen geäußerten An- 
sicht, dass die Anlage der Kieselspicula in Zellen erfolgt, um so lieber 
an, als auch bei eben fixirten jungen Plakina monolopha dieser Ent- 
stehungsmodus der Spicula mir selbst als der wahrscheinlichste erschien. 


Genitalprodukte. 


Wiederholt habe ich in demselben Schnitte Sperma und Eier 
verschiedener Entwicklungsstadien neben einander angetroffen. Gorti- 
cium candelabrum gehört also zu den hermaphroditischen Spon- 
gien. Zuweilen kommen neben jungen Eiern fast reife Embryonen vor; 
in der Regel stehen jedoch sämmtliche Eier auf annähernd gleicher Ent- 
wicklungsstufe. 

Wenn sich auch keine bestimmte Anordnung oder Gruppirung der 
Genitalprodukte erkennen lässt, so ist es doch leicht zu bemerken, dass 
sie am reichlichsten auf der Grenze zwischen der Geißelkammern 
führenden opaken Masse und der basalen hyalinen Substanz, und hier 
wieder speciell in der Nähe der abführenden Wasserkanäle vorkommen, 
dass sie dagegen in der hyalinen Rinde und Basalsubstanz selbst ganz 
fehlen. 


Sperma. 


Leider habe ich es versäumt, die lebenden Spermatozoen zu stu- 
diren. Doch konnte ich an feinen, gut tingirten Schnitten geschlechts- 
reifer Stücke die durch ihre besonders intensive Karmintinktion sofort 
in die Augen fallenden Spermaballen neben den Eiern leicht auffinden 
und hinreichend genau untersuchen, um zu erkennen, dass sie nicht 
wesentlich von denjenigen anderer Spongien abweichen. Auch hier 
stellt jeder Spermaballen ein unregelmäßig rundliches Klümpchen von 
Zellen dar, welche um so kleiner und zahlreicher sind, je mehr sie sich 
ihrer Reife nähern. Während die Köpfchen der mit einem feinen 
Schwanzfaden versehenen ausgebildeten Spermatozoen sehr kleine, stark 


428 Franz Eilhard Schulze, 


lichtbrechende, ovale Körperchen darstellen, bilden die unreifen Sperma- 
tozoen blasse rundliche Zellen von circa 2 u Durchmesser mit kleinem 
dunklem Kerne. Die reiferen Elemente finden sich stets im Gentrum 
des Ballens, während die weniger weit vorgeschrittenen an der Peri- 
pherie liegen und sich auch wohl an der Innenfläche der betreflenden 
Mesodermlücke in einfacher Lage ausbreiten (Fig. 12). 


Eier. 

Die unregelmäßig rundlichen Eier erreichen bei der Reife einen 
Durchmesser von circa 0,2 mm und sind alsdann so dicht mit stark 
lichtbrechenden kugeligen Dotterkörnern verschiedener Größe erfüllt, 
dass der ziemlich voluminöse Eikern mit seinem großen glänzenden 
Kernkörperchen gewöhnlich ganz verdeckt ist. Die Innenwand der das 
reifende Ei enthaltenden Mesodermlücke ist wie bei allen bisher studir- 
ten Spongien so auch hier mit einem einfachen Lager platter Endothel- 
zellen ausgekleidet, welche ohne Zweifel aus einfachen gewöhnlichen 
Bindesubstanzzellen der Nachbarschaft nach Schwund der zugehörigen 
Grundsubstanz entstanden sind. 

Verfolgt man den Entwicklungsgang eines Eies durch die häufig 
neben einander liegenden Stadien zurück, so kann man sehr gut das 
erste Auftreten und das weitere Wachsthum der Dotterkörner verfolgen. 
Die jüngsten Eier, welche sich als solche noch sicher erkennen lassen, 
besitzen ein nur von ganz feinen Körnchen leicht getrübtes Protoplasma 
und unterscheiden sich von den gewöhnlichen Bindesubstanzzellen, ab- 
gesehen von dem etwas bedeutenderen Umfang nur durch ihren größeren 
Kern mit dem auffällig voluminösen und stark lichtbrechenden Kern- 
körperchen (Fig. 13). 

Wenn ich auch den Gang der Eifurchung hier nicht genau habe 
verfolgen können, so habe ich mich doch davon überzeugt, dass die 
Furchung eine totale ist und zur Bildung einer mit heller Flüssigkeit 
erfüllten Blastula führt, deren zellige Elemente sich nach reichlicher 
Theilung zu einer einfachen Lage schmaler cylindrischer Zellen aus- 
bilden. Eben so wie bei Plakina und vielen anderen früher untersuch- 
ten Spongien findet man die mit Karmin leicht und intensiv sich färben- 
den kleinen ovalen Kerne dieser schmalen Gylinderzellen zunächst am 
äußeren Ende derselben (Fig. 14). Bei älteren Larven erscheinen da- 
gegen diese Kerne sämmtlich in der Richtung der Zellenachse in die 
Länge gezogen. Wahrscheinlich tritt dann später, ähnlich wie bei den 
Embryonen von Plakina monolopha, eine Theilung der cylindrischen 
Blastulazellen und eine Einwanderung ihrer Abkömmlinge in die hyaline 
Masse ein, welche den Binnenraum der Blastula erfüllt. 


Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. 429 


Leider ist es mir nicht gelungen, ganz reife oder gar frei umher- 
schwärmende Larven von Corticium candelabrum zu erhalten, so dass 
ich natürlich auch keine Beobachtungen über die Metamorphose anstellen 
- konnte. 


Graz, im November 1880. 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel XXII. 


Sämmtliche Abbildungen beziehen sich auf Corticium candelabrum O. Schmidt. 

Fig. 4. Eine mittelgroße lebende Kruste, auf einem Steine sitzend. Von der 
Insel Lesina. Natürliche Größe. 

Fig. 2. Ein in starkem Alkohol gut konservirtes Exemplar von der Insel Cebu 
— Philippinen. Natürliche Größe. 

Fig. 3. Theil der Oberfläche eines großen Exemplares. Vergrößerung 4/4. 

Fig. 4. Senkrechter Durchschnitt von der Hälfte eines großen, in Spiritus gut 
erhaltenen Exemplares. Natürliche Größe. 

Fig. 5. Senkrechter Durchschnitt eines sehr kleinen Exemplares. Vergrößerung 
20/4. Mit der Camera lucida gezeichnet. 

Fig. 6. Feiner Schnitt, senkrecht zur Oberfläche eines mittelgroßen gehärteten 
und tingirten Exemplares von der dalmatinischen Küste. Vergrößerung 200/4. 

Fig. 7. Feiner Schnitt, senkrecht zur Oberfläche geführt, von dem nämlichen 
Exemplare. Vergrößerung 500/14. 

Fig. 8. Theil eines feinen Schnittes aus der opaken, weißlichen Markmasse 
eines gut gehärteten und tingirten Exemplares. Eine Geißelkammer in der Flächen- 
ansicht, die andere im Durchschnitt. Vergrößerung 600/1. 

Fig. 9. Äußerste 'Grenzschicht von einem großen Exemplare, durch einen dicht 
unter der Oberfläche und derselben annähernd parallel geführten Schnitt abgetragen, 
in der Ansicht von außen. Die Kieselspicula sind nicht gezeichnet. Vergr. 400/1. 

Fig. 10. Senkrechter Schnitt von der oberflächlichsten Partie des in Fig. 2 dar- 
gestellten Exemplares von Cebu. Vergrößerung 600/4. 

Fig. 41. Verschieden gestaltete Kieselspicula aus ein und demselben Exemplare 
von Lesina. Vergrößerung 600/1. 

a—c, gewöhnliche Formen der einfachen Vierstrahler ; 

d, ein abnormer Vierstrahler mit Seitenzacke eines Strahles; 

e—h, Vierstrahler, dessen einer Strahl sich in zwei oder mehrere Zacken 
spaltet; 

i, Vierstrahler, dessen einer Strahl in zwei lange Zinken ausgeht, welche 
den Zinken des Hauptstrahles der Kandelaber gleichen; 

k, Vierstrahler, dessen Strahlen sich sämmtlich in je zwei unregelmäßig 
gestaltete Zacken spalten ; 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. : 29 


430 Franz Eilhard Schulze, Unters, über den Bau und die Entw. der Spongien. 


l, Kandelaber mit einfacher Zinkenkrone; 
m und n, Kandelaber mit reicherem Zinkenbesatz des Hauptstrahles. 

Fig. 42. Spermaballen aus einem im September bei Lesina erbeuteten Exem- 
plare. Vergrößerung 600/1. 

Fig. 43. Unreifes Ei. Der große Kern schimmert noch deutlich aus der Dotter- 
körnchenmasse hervor. Im umgebenden Mesodermgewebe bemerkt man links oben 
eine ganz junge Eizelle zwischen den kleineren Bindesubstanzzellen. Vergrößerung 
400/A. 

Fig. 44. Nahezu reife Larve ohne Geißeln. Vergrößerung 400/4. 


Der Theilungsvorgang bei Euglypha alveolata. 
Von 


Dr. August Gruber, 
Docenten der Zoologie in Freiburg im Br. 


Mit Tafel XXI. 


Einleitung. 

In der vorliegenden Arbeit, deren Resultate ich schon kurz im 
Zoologischen Anzeiger Nr. 70 veröffentlicht habe, möchte ich eine Reihe 
von Beobachtungen besprechen, welche bisher ganz unbekannte Gesichts- 
punkte über Fortpflanzung und Wachsthum der Rhizopoden, speciell 
einer Thalamophore des süßen Wassers enthalten. 

Die Untersuchungen sind gemacht an Euglypha alveolata, welche 
sich in großer Menge in einem kleinen Glasgefäß auf dem hiesigen zoo- 
logischen Institut entwickelt hatte. 

Woher der Inhalt des Glases stammt, kann ich nicht mit Bestimmt- 
heit angeben, wahrscheinlich aber aus hiesiger. Umgegend. 

Ich fand unter den Thieren sehr häufig Exemplare, die mit den 
Schalenmündungen fest an einander geheftet waren, eine Stellung, die 
bei den Monothalamien schon sehr häufig beobachtet worden war. 

Ich glaubte, wie man gewöhnlich annimmt, hier einen Konjuga- 
tionsakt vor mir zu sehen und ging nun darauf aus zu untersuchen, ob 
nicht irgend welche Veränderungen im Weichkörper der Thiere zu kon- 
statiren wären. 

Zu meiner Freude sah ich gleich bei einem der ersten Exemplare, 
die ich bei 350facher Vergrößerung betrachtete, wie der Kern sich in 
die Länge zog, sich theilte und ein Theilstück in das anliegende Indi- 
viduum hinüberwanderte, so wie ich dies unten genau beschreiben 
werde. Nachdem dies geschehen und die Kerne in jedem der beiden 
Thiere sich neu aufgebaut hatten, trennten diese sich von einander. 


239% 


432 August Gruber, 


Ich blieb lange im Unklaren, ob ich in diesem interessanten Pro- 
cesse eine Konjugation oder eine Vermehrung durch Theilung vor mir 
habe. 

Gegen eine Konjugation sprach der Umstand, dass immer nur eines 
der Thiere einen Kern hatte, das andere aber keine Spur eines solchen 
zeigte. 

Der Gedanke an eine Theilung dagegen wurde näher gerückt, ein- 
mal dadurch, dass ich kleine Exemplare der Euglypha nie finden konnte 
und die Thiere sich doch offenbar stark vermehrten, ferner durch die 
Kenntnisnahme einer Beobachtung, welche Leıpy gemacht !, wo er zwei 
Thiere in oben erwähnter Stellung vorfand, von welchen das eine viel 
kleiner war, als das andere, aber schon im Lauf einer Stunde die nor- 
male Größe erreicht habe. Außerdem beschrieb Leipy eine Strömung 
in der Sarkode, die auch ich in gleicher Weise gesehen hatte. 

Da aber eine so rasche Ausscheidung einer neuen Schale mir un- 
wahrscheinlich schien und ich trotz mehrtägigen Suchens nie zwei 
Exemplare von ungleichem Umfang zusammen fand, war ich schon 
wieder geneigt an eine Konjugation zu denken, als ich schließlich doch 
zu meiner Befriedigung vollständig ins Klare darüber kam, dass es sich 
hier um einen Theilungsprocess handle, den ich seither in seinen ein- 
zelnen Phasen und zwar in ununterbrochener Reihe bis zur Herstellung . 
eines neuen Individuums verfolgen konnte. | 

Ehe ich zur Beschreibung des Vorganges schreite, erwähne ich, 
dass ich denselben der Klarheit und Übersicht halber in den Figuren A 
bis 14 halb schematisch dargestellt habe, während alle übrigen Bilder 
möglichst genau nach der Natur, theilweise mit Hilfe des Zeichenappa- 
rates, aufgenommen sind. 


Bei kräftig entwickelten und normal gestalteten Exemplaren von 
Euglypha alveolata sieht man in oder auf der oberflächlichen Schicht 
des Weichkörpers und zwar an dem Leibesabschnitt, wo der Kern ge- 
legen ist, eine Menge kleiner Körperchen liegen, die durch stärkere 
Lichtbrechung deutlich sich abheben (Fig. 1). 

Es sind dies nichts anderes als die Schalenplättchen, weiche schon 
frühere Beobachter, wie ScruLze 2, HrrrwısG und Lesser ? u. A. gesehen 
und beschrieben haben und welche einerseits zur Vermuthung einer 
Neubildung der Schale durch Häutung geführt haben, andererseits als 


1 Leıpy, Fresh water Rhizopods of North America. Report of the U. S. Geol. 
Survey of the Territories. 4879. 

2 Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XI. 

3 Archiv für mikr. Anatomie. Bd. X. Suppl. 


Der Theilungsvorgang bei Euglypha alveolata, 433 


das Material aufgefasst worden waren, welches zum Aufbau einer inne- 
ren Cystenhülle dienen sollte. Allerdings haben diese Plättchen die 
Bestimmung eine neue Schale zu bilden, aber nicht für das Thier, in 
welchem sie liegen, sondern für ein durch Theilung entstandenes Tochter- 
individuum. 

Die Art und Weise, wie dies geschieht, ist eine höchst über- 
raschende: 

Schreitet nämlich die Euglypha zur Theilung, so tritt etwas Proto- 
plasma aus der Mündung aus; gleichzeitig setzen sich die beinahe kreis- 
runden konvex-konkaven Schalenplättchen (Fig. 30) in Bewegung und 
rücken eines nach dem andern der inneren Wand der Schale entlang 
ebenfalls der Mündung zu. Die ersten, welche in das ausgetretene 
Protoplasmaklümpchen gelangen, fügen sich zwischen die Zacken der 
Schalenöffnung ein (Fig. 2 und 15); inzwischen ist noch etwas mehr 
Protoplasma hervorgetreten und dem entsprechend rücken immer neue 
Schalenplättchen heran (Fig. 3); einzeln oder zu mehreren liegen sie 
Anfangs regellos in der Sarkode, um sich gleich darauf mit größter 
Regelmäßigkeit an die ersten anzufügen, respektive sich wie a. 
unter sie zu schieben (Fig. 4 und 16). 

Nach einer bis anderthalb Stunden sind alle — etwa 80 — Schalen- 
plättchen aus dem Mutterthier ausgewandert und haben ein tannen- 
zapfenarliges Gebilde um die ausgetretene Sarkode geformt (Fig. 6 
und 17). Letztere erhält nun immer weiteren Nachschub aus dem Inne- 
ren des Mutterthieres, treibt dadurch die sich deckenden Schalenplätt- 
chen immer mehr aus einander, bis sie etwa nach dreiviertel Stunden 
die normale Lage zu einander erreicht haben und eine vollständige neue 
mit Protoplasma erfüllte Schale entstanden ist, welche der Mündung 
des Mutterthieres eng anliegt (Fig. 7 und 18). Die Schalenplättchen 
greifen bald mehr bald weniger über einander, so dass die gemein- 
schaftlichen Sehnen entweder Vier- oder Seckserke begrenzen, die dess- 
halb sich deutlich ausprägen, weil die Stellen, wo die Platten sich 
decken, dunkler erscheinen (Fig. 31 und 32). Die neu entstandene Eu- 
glypha gleicht nun in ihrer äußeren Form ganz dem Mutterthier und 
auch das Protoplasma unterscheidet sich nur dadurch, dass es meistens 
nicht so viel Körnchen enthält, also durchsichtiger erscheint (Fig. 18). 
Ein wesentlicher Bestandtheil aber fehlt dem neuen Geschöpfe, näm- 
lich der Kern und dieser rückt merk würdigerweise erst jetzt als Theil- 
stück des Mutterkerns in das Tochterindividuum ein: 

Schon während der Bildung der neuen Schale hat sich am Nucleus 
‘eine Veränderung gezeigt, indem feine Körnchen oder gewundene Linien 
in ihm auftreten [s. u.] (Fig. 7 und 18). 


434 August Gruber, 


Bald darauf geräth er in Bewegung und geht langsame Formver- 
änderungen ein (Fig. 7) bis er anfängt in der Richtung der Längsachse 
des Thieres sich zu strecken. Dabei tritt eine deutliche Längsstreifung 
in ihm hervor, die eine kommende Theilung andeutet (Fig. 8 und 19). 
Etwa fünf Minuten später werden die Streifen immer deutlicher, d. h. 
die zwei Systeme von Längslinien, welche von den Polen zum Äqua- 
tor streichen. Der Nucleus ist schließlich so lang geworden, dass er fast 
das ganze Thier in der Längsachse durchzieht (Fig. 9 und 20); darauf 
hin erfolgt nun die Einschnürung in der Mitte und wieder fünf Minuten 
später hat sich der Nucleus in zwei Theile getheilt (Fig. 10 und 21), 
von welchen der eine im Mutterthier liegen bleibt, während der andere 
allmählich in die neu entstandene Euglypha hinüber wandert (Fig. 10, 
22 und 23). Etwa eine halbe Stunde nach der Theilung des Kernes 
liegen seine beiden Theilstücke weit getrennt von einander in den bei- 
den Individuen, haben aber die Streifung verloren und sind so blass 
geworden, dass sie kaum noch als hellere Stellen hervorschimmern (Fig. 
44 und 24). Jetzt beginnt ein merkwürdiges Phänomen, nämlich eine 
vollständige Mischung der beiden Sarkodeleiber in Folge einer raschen 
cirkulären Strömung, die einmal in jedem der Thiere kreist, außerdem 
aber noch einen Lauf an beiden Schalen entlang nimmt, so wie das auf 
Figur 41 durch Pfeile angegeben ist, während die Figur 25 zeigt, dass . 
die dunklen Körnchen,, welche vor der Mischung nur in einem Thier 
lagen, nachher in beiden gleichmäßig vertheilt sind. 

Das Rotiren der Sarkodemassen dauert etwa eine Viertelstunde, 
wird dann schwächer und schwächer, um endlich ganz aufzuhören. 
Während dessen sind die Kerne allmählich beiderseits in den Schalen- 
grund gerückt (Fig. 12 und 25) und haben begonnen immer deutlicher 
hervorzutreten. Aber erst nachdem die Protoplasmaströmung aufgehört 
hat, zeichnen sie sich wieder scharf von der Umgebung ab und haben 
etwa eine halbe Stunde später den normalen sogenannten bläschen- 
förmigen Bau angenommen, der schon von früheren Autoren genau be- 
schrieben worden (Fig. 26). Jetzt erst haben wir zwei vollwerthige 
Individuen vor uns, die zu selbständigem Leben fähig sind. 

Das Protoplasma zieht sich von der Schalenwand etwas zurück, 
wie man dies bei allen normalen Thieren beobachtet (Fig. 26) und es 
tritt auch bald eine Lockerung in der Vereinigung der beiden Euglyphen 
ein; an der Verbindungsstelle kommen Pseudopodien hervor (Fig. 15 
und 27) und die Trennung des neu entstandenen Thieres von seiner 
Mutter erfolgt (Fig. 14 und 28). Damit ist dieser merkwürdige Ver- 
mehrungsprocess abgeschlossen! 


Der Theilungsvorgang bei Euglypha alveolata. 435 


Ich wiederhole die Hauptresultate, um sie den bisher bekannten 
Thatsachen gegenüber zu stellen: Was zunächst die Bildung der Be- 
standtheile zum Aufbau einer neuen Schale für den Theilspross be- 
trifft, so habe ich zwar aus eigener Anschauung vor der Hand noch 
keine Analoga, glaube mich aber doch berechtigt, für alle aus einzelnen 
Stücken zusammengesetzten Gehäuse eine ähnliche Entstehungsweise 
anzunehmen (siehe Nachtrag). 

Ganz zweifellos scheint mir dies bei Quadrula, wo F. E. ScuuLze! 
die Schalenplättchen lose eder zu Packeten vereinigt in einem leeren 
Gehäuse auffand, eben so wie ich das bei ausgestorbenen Euglyphen- 
Schalen so häufig beobachtete (Fig. 29). Ferner bildet Leipy (a. a. ©. 
Tafel XXXIX, Fig. 25) bei Placocysta oflenbar eine Phase aus dem 
Theilungsprocess ab, und zwar jenen Moment, wo die neue Schale ge- 
bildet ist, der Mutterkern sich aber noch nicht getheilt hat. Schließlich 
ist auch für Arcella, deren Schale ja auch aus Plättchen oder Prismen 
besteht, von Scuneiper?2 und von R. Herrwıg und E. Lesser3 ein 
Theilungsprocess beschrieben worden, der dem hier beschriebenen ent- 
sprechen wird (siehe Nachtrag). 

Außerdem dürften ganz gewiss alle folgenden Monothalamien ihre 
Schale einem ähnlichen Entstehungsvorgang verdanken, nämlich Gypho- 
deria, Sphenoderia, Campascus, Assulina, Placocista, Nebela, Flahel- 
lulum, Heleopera, Gentropyxis, Cochliopodium u. a. Was die Formen 
betrifft, welche ihre Schale aus Fremdkörpern aufbauen, also die vielen 
Difflugia-Arten, so verweise ich auf die Bemerkung, die BürscnLı (in 
Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs, p. 133) in Bezug auf 
die Bildung solcher Schalen macht, es lasse sich dieselbe nur so er- 
klären, »dass das zum Schalenbau verwerthete Fremdmaterial in die 
protoplasmatische Leibesmasse der Difflugien selbst aufgenommen und 
nachträglich auf der Oberfläche zur Bildung der Schale angelagert 
wurde«. 

Eben so wird man wohl auch annehmen dürfen, dass das zur Thei- 
lung schreitende Thier vorher die Sandkörnchen sammelt und in sich 
aufnimmt, die ja in der That häufig im Protoplasma gefunden werden, 
und dass es damit für seinen Theilungsspross eine neue Schale errichtet. 

Exemplare in vermeintlicher Conjugationsstellung sind ja schon oft 
beobachtet worden®. — Ein Schalenwachsthum ist also bei dieser Art 


! Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XI. 

2 Archiv für Anat. und Physiol. 1854. 

3 Archiv für mikr. Anatomie. Bd. X. Suppl. 

4 Ich habe seither öfters ganz ungleich große Difflugienschalen mit ihren Mün- 
dungen an einander liegen sehen, offenbar einen Theilungsakt, wie den hier be- 


436 August Gruber, 


der Fortpflanzung nicht zu berücksichtigen und es sind die Betrach- 
tungen, wie man sich dasselbe zu denken hat, ob etwa nach M. ScHuLTzE 
durch innere Resorption und Anlagerung von außen oder wie sonst, 
überflüssig geworden. Bei den Polythalamien legt bekanntlich der 
Protoplasmakörper, wenn ihm die alte Kammer zu eng wird, eine zweite 
an derselben an und wahrscheinlich geschieht dies auf dieselbe Weise, 
wie bei der Theilung der Monothalamien. 

Eine andere Art der Entstehung müssen wir wohl für die mit 
dünnen häuligen, nicht aus einzelnen Theilstücken bestehenden Schalen 
annehmen, wie wir sie z. B. bei Hyalosphenia, Gromia, Platoum, Lecy- 
thium, Lieberkühnia u. a. finden und gerade bei letzteren ist die Beob- 
achtung gemacht worden, dass sich bei der Theilung die Schale mit- 
sammt dem Protoplasmaleib halbirt. 

Wenn aber wie z. B. bei Mikrogromia das Thier sich innerhalb 
der Schale theilt und der eine oder beide Sprösslinge nackt aus- 
schlüpfen , oder wenn der Körper in eine Brut von ausschwärmenden 
Keimen zerfällt, wie das für Arcella angegeben wird!, so müssen diese 
Sprösslinge freilich im Stande sein, selbst ihre Schale zu bilden! 

Ich möchte hier weiter auf jene Doppelbildungen aufmerksam 
machen, welche bei monothalamen Rhizopoden sowohl als auch bei 
polythalamen beobachtet worden sind. 

Bürscazı widmet ihnen in Bronn’s Klassen und Ordnungen des 
Thierreichs auch einige Aufmerksamkeit und glaubt dieselbe auf eine 
frühzeitige, unvollständige Theilung zurückführen zu können, welche 
noch im schalenlosen Zustande stattgefunden habe, während Arcock 2, 
scheint es, darin einen Beweis für seine Theorie eines mehrfachen Schalen- 
wechsels sieht, indem er die Doppelbildungen als unvollständige Thei- 
lungen während der Häutung auffasst. Auch über diese Frage ver- 
schaffte mir eine Beobachtung bei Euglypha vollständige Aufklärung: 
Ich fand nämlich ein in Theilung begriffenes Thier in dem Stadium, wo 
die Schale des Theilsprosses eben angelegt ist, und letzterer zeigte sich 
schon im Entstehen als eines jener Doppelmonstra, wie ich es auf Fig. 33 
naturgetreu dargestellt habe, wahrscheinlich erzeugt durch irgend einen 
störenden Einfluss beim Aufbau des Gehäuses aus den einzelnen Schalen-- 
plättchen. 

Der Zustand ist also — wie immer angenommen wurde — ein ab- 


schriebenen, darstellend. Leider konnte ich den Verlauf des Vorgangs nicht weiter 
verfolgen. 

t O0. BürscaLı, Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XI. 

2 On the life history of the Foraminifera. Mem. of the liter. a. philos. soc. of 
Manchester. Vol. III. 1868. 


Der Theilungsvorgang bei Euglypha alveolata. 437 


normer und hier löste sich die Doppelschale nicht einmal ab, sie wurde 
allmählich durch die Sarkode zu einem einfachen Sacke aufgebläht und 
zerfiel später. Der Kern des Mutterthieres zeigte die Anlage zur Theilung 
durch Körnigwerden, blieb aber auf diesem Stadium stehen, so dass ich 
das Thier nicht weiter verfolgte. 

Was die Betheiligung des Kernes bei dem Theilungsakte der 
Rhizopoden betrifft, so beschränken sich unsere Kenntnisse darüber wohl 
auf den einzigen von F. E. Scnurze ! beschriebenen Fall bei Amöba 
polypodia: Hier ging aber wie gewöhnlich die Kerntheilung der des 
Protoplasmas voraus. Bei Euglypha hingegen sehen wir das Theilstück 
zu einem vollkommen ausgebildeten neuen Thier heranwachsen, ehe 
der Mutterkern sich eingeschnürt hat. 

Es dürfte dies ein neuer Beweis sein für die Ansicht, die Strass- 
BURGER in Seinem Werke über »Zellbildung und Zelltheilung«? aus- 
spricht, dass »die Kerntheilung und die Zelltheilung zwei von einander 
zu trennende Vorgänge sind«. Ich muss mich nach diesen meinen Beob- 
achtungen, die, wie gesagt, am lebenden Thier gemacht und auf ganz 
zweifellose Bilder sich stützen, entschieden STtrassBurgER anschließen 
' und das »eigentlich Aktive bei den Zellbildungsvorgängen« nicht im 
Kerne sondern in dem Protoplasma suchen. Bei Euglypha baut das 
Protoplasma selbständig das neue Thier sammt seiner Schale auf und 
erst, wenn es damit zu Ende ist, scheint es den Kern zur Theilung anzu- 
regen. Dieser Vorgang steht ja durchaus nicht unvermittelt da, denn 
einmal sind im Pflanzenreich mehrere Fälle beschrieben worden, wo 
eine Zelltheilung der Kerntheilung vorangeht. Bei allen vielkernigen 
Zellen andererseits theilen sich die Kerne unabhängig vom Protoplasma, 
während bei den einkernigen Thierzellen die Theilung des Kernes der 
Theilung der Zelle wohl immer vorangeht ®. 

Es frägt sich hier, ob man zwischen Sprossung und Theilung einen 
fundamentalen Unterschied suchen will, oder ob man R. Herrwıc ? recht 
giebt, der beide für identische Vorgänge erklärt. In letzterem Falle 
hätten wir auch bei den einzelligen Thieren Analoga zu der Fortpflan- 
zungsweise der Euglypha; denn bei der Knospenbildung von Spiro- 
chona® und von Podophrya * gemmipara hat Herrwiıc nachgewiesen, dass 


1 Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. X1. 

2 Dritte Auflage. 1880. 

3 ZIEGLER (Unters. über patholog. Bindegewebs- und Gefäßneubildung. Würzburg 
4876) beschreibt die Entstehung von Sprossen, in denen Kerne erst nachträglich 
auftreten. 

* Morphologisches Jahrbuch. Bd. 1. 

5 Jenaische Zeitschrift. Bd. XI. 


438 August Gruber, 


die Derivate des Mutterkerns erst nachträglich in die schon gebildeten 
Knospen hereinrücken, und bei Podophrya quadripartita ist nach Bürscrri! 
der endogen entstandene Schwärmsprössling sogar ganz ausgebildet, 
ehe er von dem Kerne des Mutterthieres seinen Antheil erhält. Auch 
diese Fälle beweisen unbestreitbar die Selbständigkeit des Protoplasmas 
gegenüber dem Kern. ı 

Bei Euglypha sahen wir, dass mit dem Eintreten des Nucleus in 
das neu entstandene Thier die oben beschriebene Protoplasmaströmung 
begann, so dass es scheinen möchte, als ob erst in diesem Moment die 
Sarkode eine Anregung zur Lebensthätigkeit erhalte. Doch bewiesen ist 
damit nicht, dass diese Anregung wirklich vom Kern ausgehe, denn es 
bethätigt sich ja die Strömung zu gleicher Zeit auch im Mutterthier und 
dieses hat während des ganzen Vorganges nie des Kerns entbehrt. 

Schließlich möchte ich nochmals auf die Strukturveränderung des 
Kerns bei Euglypha während der Theilung aufmerksam machen. 

Der einzige Fall einer beobachteten Kerntheilung bei Rhizopoden 
ist, wie gesagt, der von F. E. ScuuLze beschriebene und dort ist es 
nicht gelungen eine Differenzirung im Nucleus wahrzunehmen. Um so 
interessanter war es mir bei Euglypha schon mit unbedeutender Ver- 
größerung und am lebenden Thier die bekannten Kernfiguren auf das 
Deutlichste zu sehen in der Weise wie sie von Bürscauı u. A. bei den 
Infusorienkernen beschrieben worden sind. 

Ich konnte sogar immer der Streckung und dem Streifigwerden des 
Kerns die von Fremming 2 beschriebene Knäuelform vorangehen sehen, 
während ich zuerst die Ansicht STrAssBURGER's bestätigt zu finden 
glaubte, wonach Anfangs feine Körnchen auftreten und diese sich zu 
gewundenen Linien vereinigen sollten. Die Punkte, welche man zwi- 
schen den verschlungenenen Streifen sieht, erweisen sich, wie ich glaube, 
als die Querschnitte der letzteren. 

Es ist damit wieder ein sicherer Beweis geliefert, dass wir im 
Nucleus der Rhizopoden eben so wie in dem der übrigen Protozoen 
einen typischen Zellkern zu erblicken haben. 


Freiburg, November 1880. 


! Jenaische Zeitschrift. Bd. X. 
? Beiträge zur Kenntnis d. Zelle und ihrer Lebenserscheinung. II. Archiv für 
mikr. Anatomie. Bd. XVII. 


Der Theilungsvorgang bei Euglypha alveolata. - 439 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel XXIII, 


Fig. —14. Halbschematische Darstellung des Theilungsvorganges bei Euglypha 
alveolata. 

Die Figuren 4—7 zeigen den allmählichen Aufbau der neuen Schale aus 
Schalenplättchen, welche vom Mutterthier erzeugt sind (Fig. 4) und welche nun aus 
der Schalenöffnung auswandern, um sich dachziegelförmig über das ausgetretene 
Protoplasma zu legen (Fig. 5). 

In den Figuren 7—14 ist die Kerntheilung dargestellt, das Körnigwerden 
des Kernes, dann die Streifung, die Streckung in die Länge und schließlich der 
Zerfall in zwei Stücke, von denen eines in die neue Schale wandert, während das 
andere im Mutterthier bleibt. 

In Figur 44 ist der Moment wiedergegeben, wo die beiden Kerne ganz blass 
geworden und wo die Strömung im Protoplasma vor sich geht. Die Pfeile deuten 
die Richtung des Stromes an. 

In Figur 43 ist das neue Thier ganz fertig und in Fig. 44 lösen sich Mutter und 
Tochter von einander ab. 

Die Figuren 45—28 stellen den gleichen Process noch einmal dar, mit dem 
Unterschied, dass diese Bilder nach der Natur aufgenommen sind und zwar bei 
HARTNACK, Ocular 3, Objektiv 7, also circa 350 maliger Vergrößerung. 

Fig. 29. Eine leere Euglyphaschale mit den Schalenplättchen, welche für einen 
Theilspross bestimmt waren. 

Fig. 30. Schalenplättchen von der Fläche und von der Seite. 

Fig. 34 und 32. Die Lage der Schalenplättchen zu einander, wodurch Sechs- 
oder Vierecke entstehen. 

Fig. 33. Die Entstehung einer sogenannten Doppelbildung. 


Nachtrag. 


Während des Druckes dieser Arbeit ist es mir gelungen auch bei Cyphoderia 
denselben Theilungsprocess zu verfolgen, worüber ich später noch ausführlicher zu 
berichten hoffe. Es ist diese Beobachtung desshalb von Interesse, weil Cyphoderia 
eine ganz ähnliche Schalenstruktur besitzt, wie Arcella. Also wird wohl auch bei 
letzterer die Theilung eben so vor sich gehen, was um so eher anzunehmen ist, als 
ja schon eine Phase derselben beobachtet wurde, nämlich die Protoplasmaströmung 
von einer Schale zur andern. 


Januar 4884. 


Zur Entwicklungsgeschichte der Amphipoden. 
Von 


B. Ulianin in Moskau. 


Mit Tafel XXIV. 


Die in den nachfolgenden Blättern niedergelegten Beobachtungen 
wurden während der Sommermonate des Jahres 1879 in Sebastopol ge- 
sammelt!. Als Beobachtungsmaterial dienten Eier verschiedener Or- 
chestia-Arten (mediterranea, Montagui , Bottae), die überall am Strande 
des Hafens von Sebastopol unter faulenden Zosteramassen in großen 
Mengen zu finden sind, so wie theilweise Eier des im schwarzen Meere 
sehr gemeinen Gammarus poecilurus. Trächtige Weibchen der letzt- 
genannten Art findet man während des ganzen Sommers bis in den 
Spätherbst; mit Brut beladene Weibchen der Orchestia-Arten findet 
man im Gegentheil nur während der Sommermonate; schon gegen Mitte 
September werden eiertragende Orchestia- Weibchen sehr selten; zu 
Ende des Monats sucht man nach ihnen vergebens. Um in jeder Zeit 
in beliebiger Menge Orchestia- Eier gewünschter Stadien zu besitzen, 
brauchte ich große Glasgefäße, die ich mit faulender Zostera füllte; nicht 
trächtige Weibchen, die in solche Gefäße zusammen mit einer Anzahl 
Männchen gesetzt sind, begatten sich bald und legen in ihre Bruttasche 
in der Regel schon am nächsten Tage Eier ab. Wenn man mehrere sol- 
cher Gefäße bei der Hand hat, so ist es nicht schwer eine ganze Reihe 
auf einander folgender Entwicklungsstadien beständig bereit zu haben ; 
damit wird das Anschaffen des Materials sehr erleichtert und sehr viel 
Zeit erspart. 

Die Eier aller genannten Orchestia-Arten sind prachtvolle Unter- 


i Die Hauptresultate dieser Untersuchungen wurden der Zool. Sektion der VI. 
Versammlung Russischer Naturforscher in St. Petersburg (December 4879) mitge- 
theilt. Siehe Zool. Anz. Nr. 52. p. 4163—165. 


Zur Entwicklungsgeschichte der Amphipoden. 441 


suchungsobjekte. Ihre beträchtliche Größe erlaubt eine ziemlich ein- 
gehende Untersuchung der Eier mit schwachen Vergrößerungen im auf- 
fallenden Lichte; wegen der Größe der Eier ist es auch nicht schwer 
sich bei der Wahl der Schnittfläche zu orientiren. Sehr günstig für die 
Untersuchung bei auffallendem Lichte erweist sich außerdem die dunkel- 
violette Farbe des Dotters, auf dem die weißen zelligen Elemente beson- 
ders schön zu beobachten sind. 

Als beste Erhärtungsflüssigkeit für frühere Entwicklungsstadien der 
Amphipoden-Eier erwies sich die von KLeinengerG empfohlene Mischung 
von Pikrin- und Schwefelsäure. Diese Flüssigkeit wirkt ausgezeichnet 
auf Eier, in denen entweder noch das Blastoderm nicht angelegt ist, oder 
wenn ein solches schon vorhanden ist, eine Cuticularhaut, die den Em- 
bryo umhüllt, noch nicht ausgeschieden ist. Gleich nach der Wirkung der 
Mischung auf solche junge Eier beginnt das Chorion sich stark aufzublähen ; 
gewöhnlich schon nach wenigen Minuten nach dem Einlegen des Eies in 
die Mischung platzt das Chorion und wird von dem Ei abgestreift. Nach 
ungefähr zweistündigem Aufenthalte des Eies in der Mischung wurde es 
in Alkohol entfärbt, dann mit BeAare’scher Karminlösung tingirt. So be- 
handelte Eier gaben mir eine Reihe ausgezeichneter Schnitte. 

Viel schwieriger gelingt das Erhärten von Eiern späterer Entwick- 
lungsstadien, nämlich solcher Stadien, wo rings um den Embryo eine 
feine Cuticularhaut ausgeschieden ist, und zwischen dieser Haut und 
dem Embryo eine gewisse Quantität eiweißartiger Flüssigkeit sich an- 
sammelt. Die erhärtende Flüssigkeit dringt durch die Guticularhaut 
nur äußerst langsam und schwer, wesshalb die eiweißartige Flüssigkeit, 
die den Embryo umspült, nicht gerinnt; das Reactiv gelangt auch nicht 
bis an den Embryo, der unerbärtet bleibt. Unter der Wirkung sieden- 
den Wassers gerinnt freilich die den Embryo umspülende Flüssigkeit; 
der Embryo wird auch zur Erhärtung gebracht. So behandelte Präpa- 
rate sind aber zum Schneiden nicht verwendbar, da die geronnene ei- 
weibßartige Flüssigkeit so fest an die Oberfläche des Embryo, so wie an 
die innere Fläche der Cuticularhaut anklebt, dass es niemals gelingt sie 
zu entfernen ohne den Embryo zu Grunde zu richten. Um solche 
spätere Stadien der Orchestia-Eier zu härten fand ich nur ein Mittel. 
Ich brachte frische Orchestia-Eier in einem Uhrgläschen unter die Lupe 
und zerriss mit der Nadel die Cuticularhaut an der Bauchseite des 
Embryo. Nachdem der größte Theil der eiweißartigen Flüssigkeit durch 
den Riss ausgeflossen ist, bringe ich das Ei in die erhärtende Flüssigkeit, 
die jetzt verhältnismäßig leicht bis zum Embryo gelangt. Die Schwierig- 
keit und der Zeitverlust bei dieser Manipulation sind Ursachen, warum 
ich von späteren Entwicklungsstadien nur wenige und ziemlich unvoll- 


442 B. Ulianin, 


ständige Beobachtungen zusammenzubringen im Stande war. Von den 
im Nachfolgenden mitgetheilten Beobachtungen sind die unvollkommen- 
sten die Beobachtungen über die Entstehung des Enioderms, das sich 
bei den Orchestien verhältnismäßig sehr spät anlegt; über die Ent- 
stehung des unteren Keimblattes habe ich nur ganz vereinzelte Beob- 
achtungen gemacht, die ich den späteren Bearbeitern der Entwicklung 
der Amphipoden ganz besonders zur Prüfung empfehle. | 


Litteratur. 


H. RATuke, Zur Morphologie. Reisebemerkungen aus Taurien. 4837. Enthält Beob- 
achtungen über Entwicklung der Amphithoe picta, Gammarus gracilis, 
Amathia carinata und Hyale pontica. — Die Beobachtungen von RATHKE 
haben Bedeutung nur in historischer Hinsicht. 

MEıssner, Beobachtungen über das Eindringen der Samenelemente in den Dotter. 
(Diese Zeitschr. Bd. VI.) — Enthält die ersten sehr dürftigen und größten- 
theils unrichtigen Angaben über das kugelförmige Organ, 

LA VALETTE ST. GEORGE, Studien über die Entwicklung der Amphipoden (Abhandl. 
d. naturhist. Gesellsch. zu Halle. V. 1860. p. 155—166. 2. Tf.). 

LA VALETTE studirte sehr eingehend die Entwicklung des Eies des 
Gammarus pulex im Eierstocke, so wie den Entwicklungsgang des Blasto- 
derms. Über den Bau des ausgebildeten kugelförmigen Organs sind auch 
einige exaktere Beobachtungen als bei MEıssner mitgetheilt. i 

Fr. MüLLer, Für Darwin. 1864. 

Das Vorhandensein der Larvenhaut bei Amphipoden -Embryonen 
wird zum ersten Male gezeigt. 

A. Donrn, Studien zur Embryologie der Arthropoden. Habilitationsschrift. 1868. Die 
ziemlich oberflächlichen Beobachtungen von Donrn beziehen sich auf die 
Dotterklüftung des Eies, auf das Anlegen und die Ausbildung der Falte, die 
den Kopftheil des Embryo von dem Schwanztheile abgrenzt, und auf den 
Entwicklungsgang des kugelförmigen Organes. 

E. van BENEDEN und E. BesseLs, M&emoire sur la formation du blastoderme chez les 
Amphipodes, les Lerneens et les Copepodes (M&moires couronnes de 
l’Acad. roy. de Belgique. XXIV. 1869). Vorläufige Mittheilung in d. Bul- 
letin de l’Acad. roy. de Belgique. 2ser. XXV. 1868. p. 443. Beobach- 
tungen über die Bildung des Blastoderms beim marinen Gamm. locusta 
und bei dem im süßen Wasser lebenden Gamm. pulex und fluviatilis. 
Besonders eingehend ist die Segmentation der ersten der genannten Arten 
beschrieben. 

E. Bessers, Einige Worte über die Entwicklungsgeschichte und den morphologi- 
schen Werth des kugelförmigen Organes der Amphipoden (Jenaische Zeit- 
schrift. V. 4869). Sehr oberflächliche Beobachtungen über die Entwick- 
lung der Amphipoden und über den Bau des kugelförmigen Organes. Das 
letztgenannte Organ wird mit dem Rückenstachel der Zo&a homologisirt. 

A. Donrn, Die Überreste des Zoea-Stadiums in der ontogenetischen Entwicklung der 
verschiedenen Crustaceen-Familien (Jenaische Zeitschrift. V. 4870). Das 
kugelförmige Organ wird mit dem Rückenstachel der Zo&a homologisirt; 


Zur Entwicklungsgeschiehte der Amphipoden. 443 


zur Feststellung dieser Meinung werden viele Thatsachen aus der Ent- 
wicklungsgeschichte und Anatomie der Crustaceen verschiedener Abthei- 
lungen gebracht. 


Frisch abgelegte Eier der von mir untersuchten Orchestia- Arten 
sind, wie aus der Tafel XXIV zu sehen ist, dunkelviolett gefärbt und 
vollkommen undurchsichtig. Der Inhalt des frischen unverletzten Eies 
scheint ausschließlich aus fettartigen dunkelvioletten Tropfen verschie- 
dener Größe zu bestehen. An unter dem Mikroskop zerquetschten Eiern 
ist es aber nicht schwer sich zu überzeugen, dass diese tropfenartigen 
dunkelvioletten Körperchen nicht den ganzen Inhalt des Eies ausmachen, 
dass zwischen ihnen eine ansehnliche Menge einer durchsichtigen fein- 
körnigen Masse vorhanden ist, mit anderen Worten, dass das Ei, wie 
das schon von LA VALETTE an den Eiern des Gammarus pulex ganz rich- 
tig erkannt wurde, aus dem durchsichtigen Bildungsdotter oder dem 
Protoplasma und aus dem farbigen Nahrungsdotter oder dem Deutoplasma 
besteht. 

Das frisch abgelegte Ei ist nur von einer ziemlich weit von seiner 
Oberfläche abstehenden Membran — dem Chorion — umhüllt. Eine 
Dotterhaut fehlt den Orchestia-Eiern ; von der Abwesenheit der Dotter- 
haut ist es leicht sich zu überzeugen durch Untersuchung von unter 
dem Mikroskop zerquetschten Eiern, so wie durch Durchmustern feiner 
Schnitte aus frisch gelegten Eiern. 

_ Wegen der vollkommenen Undurchsichtigkeit der Orchestia - Eier 

kann man an lebendigen Eiern kein Keimbläschen unterscheiden ; nichts 
was an ein Keimbläschen erinnert, konnte ich an zerquetschten Eiern, 
so wie an Schnitten auffinden. Trotzdem glaube ich nicht, dass das 
Keimbläschen fehlt; vielmehr bin ich geneigt anzunehmen, dass es, 
ähnlich wie in Eiern anderer Thiere, einer ganzen Reihe von Verände- 
rungen unterworfen ist, die es nur äußerst schwer unterscheidbar 
machen. 
Schon bald nachdem das Ei in dem Brutsack des Weibchen ange- 
langt ist, beginnt es sich vermittels einer Ringfurche in zwei ganz gleiche 
Hälften zu theilen (Fig. 1). Die Furche, die Anfangs ziemlich tief ist und 
die zwei Hälften des Eies scharf von einander abgrenzt, wird allmählich 
seichter, bis endlich die Segmentationskugeln wieder scheinbar voll- 
kommen zusammenfließen. An Querschnitten, die aus solchen zwei- 
getheilten Eiern angefertigt wurden und in denen ich auch kein Keim- 
bläschen auffinden konnte, sieht man, dass die Furchung des Eies nur 
ganz oberflächlich ist, und dass die größere Masse des Eies unsegmentirt 
bleibt. Auch in allen späteren Phasen der Segmentation bleibt sie ober- 
flächlich. 


444 B. Ulianin, 


Bald nachdem das Ei sich in zwei Theile zerlegt hat, zerfällt es 
in vier unter einander gleiche Theile (Fig. 2). Im Innern des Eies dieses 
Stadiums findet man beständig vier sehr große amöboide Zellen, von 
denen eine in der Fig. 12 abgebildet ist!. Diese Zellen bestehen aus 
einem feinkörnigen Protoplasma, das eine Anzahl fadenförmiger, zum 
Theil sehr langer Fortsätze aussendet und in deren Centrum ein blasen- 
förmiger Kern mit mehreren langgezogenen, sich stark färbenden Kern- 
körperchen zu sehen ist. Diese vier großen Zellen, die zur Zeit des Zer- 
fallens des Eies in vier Theile im Inneren des Nahrungsdotters liegen, 
treten bald auf die Oberfläche des Eies hervor und unterscheiden sich 
auf dem dunkelvioletten Grunde des Nahrungsdotters als vier große 
sternförmige Körper, von denen jeder aufeiner der vier Furchungskugeln 
seine Lage hat. Es ist nicht schwer sich an lebendigen Eiern zu über- 
zeugen, dass diese Zellen echte amöboide Zellen sind: zuweilen sieht 
man alle fadenförmigen Fortsätze sich in den Körper der Zelle einziehen, 
dann wieder neue Fortsätze aus dem Körper der Zelle herauswachsen. 
An Schnitten, die aus Eiern dieses Stadiums mit den vier ersten an die 
Oberfläche des Eies ausgetretenen Zelien genommen sind, sieht man, 
dass diese amöboiden Zellen mit dem größten Theile ihrer Masse in den 
Nahrungsdotter eingesunken sind und dass sie nur mit einem kleinen 
Theile ihrer Körper auf die Oberfläche des Eies heraustreten (Fig. 15). 

Diese vier großen amöboiden Zellen, die zuerst auf die Oberfläche 
des Eies gelangen, liefern, wie das aus dem Nachstehenden zu sehen 


1 Diese Zellen entsprechen offenbar den Zellen, die bei der Bildung des Blasto- 
derms im Insekten-Ei, so wie im Eie verschiedener anderer Arthropoden beobachtet 
wurden. Inseinem Handbuche der vergleichenden Embryologie spricht BaLrour diesen 
kernhaltigen Anhäufungen von Protoplasma die zellige Natur ab. (Deutsche Ausgabe. 
p. 114.) Die von dem englischen Embryologen angeführten Gründe einer solchen 
Meinung sind folgende: A) die zellige Natur der aus dem Inneren der Arthropoden- 
Eier austretenden Körper ist mit der vom Verfasser gemachten Auffassung der Eier 
als einzellige Gebilde unvereinbar und 2) gegen die Deutung dieser Körper als Zellen 
sprechen die Beobachtungen über die Entwicklung der Araneinen und anderer 
Arthropoden. Alles was bis jetzt über die Blastodermbildung bei verschiedenen 
Arthropoden bekannt ist, scheint mir ganz gut mit der zelligen Natur der aus dem 
Inneren des Eies auf seine Oberfläche austretenden Körper zu stimmen. Alle solche 
Körper werden als aus einem Kern und aus ihn umhüllendem Protoplasma bestehend 
beschrieben und abgebildet; von allen Beobachtern werden diese Körper, wenn sie 
an die Eioberfläche gelangen, als Blastoderm zellen gedeutet; warum diese Zellen, 
wenn sie noch vom Nahrungsdotter umhüllt sind, Kerne genannt werden müssen, 
ist schwer zu verstehen. Der andere von BaLrour angeführte Grund für seine An- 
schauung (die einzeilige Natur sämmtlicher thierischer Eier) kann auch nicht ins 
Gewicht kommen, da die Auffassung, die sich BALrour über die Natur des Eies ge- 
macht hat, noch längst nicht bewiesen ist. 


Zur Entwicklungsgeschichte der Amphipoden. 445 


ist, das Material für alle Zellen des Blastoderms; außer diesen vier pri- 
mären enormen Zellen treten aus dem Inneren des Eies auf seine Ober- 
fläche keine zelligen Elemente mehr. 

Einige Zeit nachdem auf der Oberfläche der vier ersten Furchungs- 
kugeln die vier großen amöboiden Zellen erschienen sind, beginnen 
diese sich zu theilen; jede von den vier Zellen verlängert sich. wird 
biskuitförmig und theilt sich endlich in zwei sehr ungleiche Theile 
(Fig. 3). Gleichzeitig mit der Theilung der vier großen Zellen zerfällt 
auch vermittels eines spaltförmigen Risses die Oberfläche jeder der vier 
Furchungskugeln in zwei sehr ungleiche Felder. Dieses Zerfallen des 
Nahrungsdotters wird, wie mir scheint, durch die Bewegungen der vom 
Nahrungsdotter fast vollkommen umgebenen amöboiden Zellen bewirkt. 
Solche oberflächliche,, zuweilen ziemlich unregelmäßige Spaltungen des 
Nahrungsdotters beobachtet man bei jeder Theilung der an der Ober- 
fläche des Eies wandernden amöboiden Zellen. Wenn die Bewegungen 
der Zellen zur Zeit des schon gebildeten Blastoderms aufhören, dann 
schwinden auch sehr bald die durch Spaltung des Nahrungsdotters ent- 
standenen Felder. 

Am Ende der Theilung der vier primären amöboiden Zellen ist die 
Oberfläche des Eies in acht Felder getheilt; jedes von diesen Feldern trägt 
auf seiner Oberfläche eine sternförmige amöboide Zelle. Vier von diesen 
Feldern sind groß und tragen große amöboide Zellen, während die 
anderen vier kleiner und mit kleinen amöboiden Zellen versehen sind. 
Wenn man ein Ei dieses Stadiums von der Seite, wo die kleinen Zellen 
gelagert sind, beobachtet (Fig. 3 giebt ein Bild des Eies in einer solchen 
Lage), so bilden die großen Felder des Nahrungsdotters mit den zu- 
gehörigen großen Zellen die äußere Reihe, während die kleinen Felder 
des Nahrungsdotters mit ihren kleinen Zellen die innere Reihe bilden. 

Die in diesem Stadium eintretende Differenzirung der amöboiden 
Zellen in große und kleine erlaubt schon in dieser sehr frühen Zeit der 
Entwicklung der Orchestia den Ort des Anlegens des Blastoderms be- 
stimmt zu erkennen : die erste Anlage des Blastoderms geschieht immer 
im Centrum des Kreises, der aus den kleinen Zellen gebildet ist. Wir 
sind folglich im Stande schon in dieser Zeit der Entwicklung im Ei zwei 
Pole zu unterscheiden ; einen von diesen Polen, den nämlich, an welchem 
die Anlage des Blastoderms geschieht und der der Bauchfläche des 
späteren Embryo entspricht, bezeichne ich mit dem Namen unterer 
Pol des Eies; den enigegengesetzten Pol nenne ich oberen Pol; die 
diese zwei Pole vereinigende Achse bezeichne ich als Querachse. 

Im Laufe der weiteren Entwicklung des Eies vermehren sich die 
großen und kleinen sternförmigen Zellen, so wie die ihnen als Unterlage 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. NXXV, Ba. 30 


446 B. Ulianin, _ 


dienenden Felder des Nahrungsdotters. Die erste Theilung geschieht in 
der Querrichtung (parallel der Querachse des Eies). Am Ende der Thei- 
lung besteht das Ei aus sechzehn Feldern des Nahrungsdotters, auf deren 
jedem eine amöboide Zelle liegt; acht von diesen Zellen sind groß, die 
anderen acht — klein. Wie aus der Fig. 4 zu sehen ist, bilden die Zellen, 
ähnlich wie in dem vorigen Stadium, zwei concentrische Kreise. Das 
nächste Stadium, das in der Fig. 5 abgebildet ist, unterscheidet sich 
durch die Vermehrung der amöboiden Zellen bis zu zweiunddreißig. 
In diesem Stadium sind die sechzehn kleinen Zellen in zwei koncen- 
trische Kreise dicht am unteren Pole gedrängt. Mit diesem Stadium hört 
das Zerfallen des Nahrungsdotters in Felder auf; diese beginnen von 
dieser Zeit an allmählich zusammenzufließen. Mit dem Anfange der Ver- 
schmelzung der Felder des Nahrungsdotters fällt auch die erste Anlage 
des Blastoderms zusammen. 

Gleich nachdem die Zahl der amöboiden Zellen bis zweiunddreißig 
gewachsen ist, beginnt ein außerordentlich reges Leben am unteren Pole 
des Eies in dem Gebiete der kleinen Zellen. Diese Zellen, besonders 
die Zellen der inneren Reihe, zeigen zu dieser Zeit viel stärkere amö- 
hboide Bewegungen. Vermittels dieser Bewegungen nähern sich diese 
Zellen an einander noch mehr; einige von ihnen theilen sich, andere 
scheinen im Gegentheil mit den nahestehenden zusammenzufließen. 
Endlich ziehen einige von diesen Zellen ihre Pseudopodien in den Kör- 
per zurück und wandeln sich zu ruhenden Zellen um, die eine mehr 
oder minder ausgeprägte polygonale Form haben und die die ersten 
Zellen des Blastoderms bilden (Fig. 6). Die Zahl dieser ersten Zellen des 
Blastoderms ist sehr variabel; in der Fig. 6 ist ein Ei abgebildet, in dem 
sechs solche eben gebildete Zellen des Blastoderms sich finden; nicht 
selten aber beobachtete ich solcher aus der inneren Reihe der kleinen 
amöboiden Zellen neugebildeter Zellen acht, in einigen Fällen sogar zehn. 

Nachdem die kleinen amöboiden Zellen der inneren Reihe in ruhende 
Zellen des Blastoderms umgewandelt sind, treten auch in den kleinen 
Zellen der äußeren Reihe Vorbereitungen zum Übergange in die Blasto- 
dermzellen auf. Sie verlängern sich, wie das aus der Fig. 6 ersichtlich 
ist, in der Richtung der ersten schon angelegten Zellen des Blastoderms 
und nehmen die für in Theilung begriffene Zellen charakteristische 
biskuitförmige Form an. Die von diesen Zellen durch Theilung ab- 
stammenden neuen kleineren amöboiden Zellen wandern in die Nähe 
der ruhenden Zellen des Blastoderms, ziehen die fadenförmigen Fort- 
sätze ein, und wandeln sich in ruhende Zellen um, die ganz ähnlich den 
zuerst angelegten Blastodermzellen sind. Nach mehrfacher Theilung - 
Anfangs der kleinen Zellen der äußeren Reihe, dann der großen Zellen 


Zur Entwicklungsgeschichte der Amphipoden. 447 


der inneren und endlich der äußeren (oberen) Reihe und nach allmäh- 
licher Umwandlung der durch diese Theilungen neu entstandenen Zellen 
in ruhende polygonale Zellen erscheint das Blastoderm in Form einer 
großen Scheibe, die ungefähr zwei Drittel der ganzen Eioberfläche ein- 
nimmt. Der obere Rand dieser Scheibe ist, wie die Fig. 9 zeigt, nicht 
gerade, sondern wellenförmig. Die acht Auswüchse des Randes der 
Blastodermscheibe entsprechen den großen amöboiden Zellen der äußeren 
{oberen) Reihe, die zuletzt das Material zur Bildung der Blastoderm- 
scheibe lieferten. 

So geht die Bildung des Blastoderms bei den von mir beobachteten 
Orchestia-Arten vor sich. Über die ersten Entwicklungsstadien der 
Amphipoden besitzen wir zwei ausgezeichnete Arbeiten, nämlich die 
von LA VALETTE ST. GEORGE über Gammarus pulex und die von E. van 
BENEDEn und E. Bessers über Gamm. locusta und fluviatilis. Nach den 
Angaben von LA VALETTE klüftet sich das Ei des Gamm. pulex nicht; 
das Blastoderm wird aus Zellen gebildet, die im Inneren des Eies aus 
Derivaten des Keimbläschens und aus Anhäufung des Bildungsdotters 
um denselben entstehen, und allmählich auf die Oberfläche des Eies 
heraustreten. Diese Angaben von La VALrTTE ähneln sehr dem, was ich 
an den Eiern der Orchestia-Arten beobachtet habe. Es finden sich nur 
folgende Unterschiede : 4) während die Orchestia-Eier, wenn auch einer 
sehr oberflächlichen und kurzen doch einer echten Furchung unter- 
worfen sind, segmentiren sich die Eier des Gamm. pulex gar nicht; 
2) beim Gamm. pulex tritt aus dem Inneren des Eies eine große An- 
zahl von Zellen, die, wenn sie an die Oberfläche des Eies gelangt sind, 
direkt zu Zellen des Blastoderms werden; bei den Orchestien aber treten 
aus dem Inneren des Eies nur vier große amöboide Zellen, die nur nach 
mehrfacher Theilung und Wanderung auf der Oberfläche des Eies in 
ruhende Blastodermzellen übergehen; während der Wanderung der 
amöboiden Zellen auf der Oberfläche des Eies wird außerdem der Nah- 
rungsdotter wieder einer Art oberflächlicher Segmentation unterworfen; 
3) bei den Orchestien ist es möglich gleich nach der ersten Theilung der 
vier großen aus dem Inneren des Eies ausgetreienen amöboiden Zellen 
den Pol zu unterscheiden, an welchem das Blastoderm angelegt wird und 
der später der Bauchfläche des Embryo entsprechen wird; bei dem 
Gamm. pulex aber ähneln alle Blastodermzellen einander, so dass es 
nicht möglich ist, den Bildungspol des Eies früh zu unterscheiden. 

Etwas dem ähnliches, was La VaLktte bei Gammarus pulex gesehen 
hat, beobachteten E. van BEnEDEN und Bessers beim Gamm. fluviatilis. 
Die Eier dieser Art sollen ähnlich wie die Eier des Gamm. pulex keiner 
Segmentation unterworfen sein; ähnlich auch den Eiern des Gamm. 


30 * 


448 ‚B. Ulianin, 


pulex geht die Bildung des Blastoderms vor sich. Der einzige Unter- 
schied soll nur darin bestehen, dass in den Eiern des Gamm. fluviatilis 
nicht wie bei dem Gammarus pulex und bei den Orchestien das ganze 
Protoplasma auf einmal von dem Deutoplasma des Eies sich trennt und 
auf die Oberfläche des Eies gelangt, sondern nur allmählich aus dem 
Inneren des Eies herauswandert. Nach den Angaben von van BENEDEN 
und Besseıs soll das nach dem Austreten der Blastodermzellen aus dem 
Inneren des Eies auswandernde Protoplasma nicht zum Aufbau neuer, 
sondern zur Vergrößerung der schon angelegten Blastodermzellen ver- 
wendet werden. 

Der Bildungsmodus des Blastoderms bei dem marinen Gamm. 
locusta unterscheidet sich ziemlich wesentlich von dem, was bei den ge- 
nannten Süßwasserformen beobachtet wurde. Nach den Beobachtungen 
von van BENEDEN und BesseLs unterliegt das Ei des Gamm. locusta einer 
totalen Furchung!, bei deren Anfange, nämlich wenn das Ei sich in 
zwei ungleiche Hälften getheilt hat, schon der Bildungspol, welcher der 
Bauchfläche des späteren Embryo entspricht, zu unterscheiden ist. Nach 
Beendigung der Theilung besteht das Ei aus einer großen Anzahl von 
Segmentationskugeln, die an der Peripherie des Eies liegen und aus 
einer im Gentrum des Eies befindlichen Masse Nahrungsaotter 2. Bald 
tritt in den an der Peripherie des Eies gelegenen Segmentationskugeln 
eine Diflerenzirung des Protoplasma von dem Deutoplasma auf; die 
erstere, den Kern der Furchungskugel einschließend, sammelt sich am 
äußeren Rande der Kugel, während der Nahrungsdotter näher zum 
Centrum des Eies liegt. Diese Differenzirung des Protoplasma von dem 
Deutoplasma tritt anfänglich an dem Bildungspole des Eies auf und 
Schreitet nur allmählich auf die anderen Theile des Eies über. Die am 
Bildungspole zuerst angelegten Zellen des Blastoderms theilen sich auch 
früher als die später angelegten und bilden eine Art Keimscheibe. 

Alle diese über die Bildung des Blastoderms bei verschiedenen 
Amphipoden angeführten Beobachtungen zeigen, dass bei allen bis jetzt 
untersuchten Arten eine sogenannte segm. intravitellina, Bosr. (super- 
ficiale Furchung, Hex.) statt hat. Am ähnlichsten dem, was in den Eiern 
von Spinnen und Insekten bei der Bildung des Blastoderms vorgeht, 


! Eine totale Furchung bei den Amphipoden wurde schon früher von KowA- 
LEVSKY, METSCHNIKOFF und Dourn beobachtet. 

2 An Eiern von Gammarus poecilurus konnte ich mich überzeugen, dass die 
Furchen, die das Zerfallen des Eies in Segmentationskugeln bedingen, nicht die 
ganze Masse des Eies durchschnüren und dass der centrale Theil des Eies unbe- 
rührt bleibt. Ähnliches geht wahrscheinlich bei dem dem Gamm. poecilurus sehr 
nahen Gamm. locusta vor. 


Zur Entwicklungsgeschichte der Amphipoden. 449 


ist die Blastodermbildung bei den Süßwassergammariden (Gamm. pulex 
und fluviatilis). Die Eier der Orchestien bilden schon einen Übergang 
zu der segm. extravitellina, Ber. (discoidale Furchung, Hex.): das ganze 
Protoplasma des Eies wird bier aus dem Deutoplasma in Form von vier 
sroßen Zellen, die das Material für das ganze Blastoderm liefern, ausge- 
schieden; das Blastoderm wird auch bei den Orchestien als eine scharf 
ausgeprägte Scheibe angelegt. In den Eiern von einigen niederen 
Krustern (Caligus, Anchorella u. A.) soll schon nach van BENEDEN und 
Besses eine echte segm. extravitellina vorkommen: bei diesen Crusta- 
ceen wird aus dem Ei das ganze Protoplasma in Form einer Zelle ausge- 
schieden ; aus dieser einen Zelle entstehen durch wiederholte Theilungen 
die Zellen des Blastoderms. 


Zu der Zeit, wo noch nicht alle amöboiden Zellen des Orchestia-Eies 
zur Bildung der Blastodermzellen verbraucht sind und die Blastoderm- 
scheibe noch lange nicht ihre volle Größe erreicht hat, wird das mittlere 
Blatt oder das Mesoderm angelegt; die Bildung des Entoderms ge- 
schieht erst viel später. 


Wenn die Blastodermscheibe ungefähr die in der Fig. 8 abgebildete 
Größe erreicht hat, wird ihr Centrum undurchsichtig. An Schnitten, die 
durch die Scheibe in diesem Stadium geführt sind, sieht man, dass an 
der Stelle, wo die Scheibe undurchsichtig geworden ist, schon zwei 
Zellenschichten vorhanden sind, und dass die wenigen Zellen der unte- 
ren Schicht unregelmäßig zerstreut und in Form und Größe sehr unbe- 
ständig sind (Fig. 13). 

Über die Abstammung dieser Zellen von den Blastodermzellen 
kann kein Zweifel sein. Für eine solche Abstammung der Mesoderm- 
zellen spricht nicht nur der Umstand, dass in dem Ei zu dieser Zeit 
keine anderen Mutterzellen als die des Blastoderms vorhanden sind, 
sondern hauptsächlich die Thatsache, dass man oft an Schnitten in der 
Theilung begriffene Blastodermzellen beobachten kann (Fig. 13 biz). 


Das Zerspalten des Blastoderms in Ekto- und Mesoderm beschränkt 
sich nicht nur auf das Centrum der Blastodermscheibe. Schnitte, die aus 
der Scheibe in verschiedenen Stadien genommen sind, zeigen, dass An- 
fangs nur die im Centrum der Scheibe liegenden Blastodermzellen sich 
theilen, später aber diese Theilung gleichzeitig an verschiedenen Stellen 
eintritt. Zur Zeit der vollkommenen Ausbildung der Scheibe sind die 
Zeilen des Mesoderms schon in mehreren Lagen unter dem Ektoderm 
angehäuft (Fig. 14). In diesem Stadium wird auch das kugelförmige 
Organ angelegt. 


Beobachtungen über die Bildung des kugelförmigen Organes wurden 


450 | B. Ulianin, 


bis jetzt nur von Dourn mitgetheilt!. Diese Beobachtungen stimmen 
aber mit dem, was ich bei den Orchestien gesehen habe, wenig überein. 

Donrn zufolge wird das kugelförmige Organ auf dem Rücken des 
Embryo zu der Zeit angelegt, wenn das Blastoderm schon um das ganze 
Ei herum gewachsen ist. Die erste Anlage des Organes besteht aus einem 
Haufen von Zellen, die viel größer als die Blastodermzellen sind ; diese 
Zellen verlängern sich, werden birnförmig und begrenzen eine röhren- 
förmige Vertiefung, die in ihrer Mitte erscheint?. Ich bin sehr geneigt 
zu glauben, dass Dourn die frühesten Stadien der Entwicklung des 
kugelförmigen Organes übersehen hat, und dass er ein schon fast voll- 
kommen ausgebildetes Organ beobachtet hat. Die folgende Beschreibung 
dessen, was ich an Orchestia-Eiern beobachtete, wird, wie ich hoffe, 
zur Bestätigung dieser Meinung dienen. 

Wenn die Keimscheibe ihre volle Ausbildung erreicht hat, d.h. 
wenn schon alle amöboiden Zellen zur Bildung der Scheibe verbraucht 
sind und die Scheibe ungefähr zwei Drittel der gesammten Eioberfläche 
einnimmt, dann beginnt an irgend einem Punkte des Randes der Scheibe 
ein reges Theilen der Zellen des Ektoderms. In Folge dieses Theilens 
. der Zellen und des mit diesem Theilen der Ektodermzellen im Zusammen- 
hange stehenden lokalen Wachsthums des Ektoderms bildet sich schon 
bald ein ziemlich ansehnlicher streifenföormiger Auswuchs des Ekto- 
derms, ein Auswuchs, der vom Rande der Scheibe nach dem oberen 
Pole des Eies gerichtet ist und der später an seinem freien Ende in eine 
kleine Scheibe sich erweitert (Fig. 9). Im Centrum dieser Scheibe 
unterscheidet man bald eine Vertiefung, die Anfangs sehr seicht, allmäh- 
lich aber tiefer wird. Schnitte, die durch diesen Auswuchs geführt sind, 
zeigen, dass wir es hier mit einer echten Einstülpung des Ektoderms zu 
thun haben (Fig. 16). Die Zellen, die die Vertiefung begrenzen, sind 
stark in die Länge gezogen und mit einem sehr feinkörnigen Protoplasma 
erfüllt. 

Das so angelegte kugelförmige Organ bleibt eine geraume Zeit fast 
ganz unverändert, während seine Lage auf dem Ei schon bald eine ganz 
andere wird: es wird allmählich gegen den oberen, dem Rücken des 
späteren Embryo entsprechenden, Pol des Eies geschoben. Zur Zeit, 
wo das kugelförmige Organ seine definitive Lage am oberen Pole des 
Eies annimmt, ist schon der ganze Nahrungsdotter von den Keimblättern 
bedeckt. | 

Während des Wanderns der Anlage des kugelförmigen Organs gegen 

1 A. Donrn, Studien zur Embryologie der Arthropoden. Habilitationsschrift. 


1868. 
2 ].c. p. 40. Taf. I, Fig. 8—10 a. 


Zur Entwicklungsgeschichte der Amphipoden. 451 


den oberen Pol des Eies ist es, wie gesagt, nur sehr wenigen Verände- 
rungen unterworfen; diese Veränderungen bestehen nur in der allmäh- 
lichen Vertiefung der Einstülpung des Ektoderms, so wie in der starken 
Verengung der in diese Einstülpung führenden Öffnung. Wenn das 
Organ seine definitive Lage am oberen Pole des Eies eingenommen hat, 
ist es schon exquisit kugelförmig geworden, während die Höhle, die im 
Organe sich findet, cylinderförmig ist. 


Sobald das kugelförmige Organ diese Ausbildung erreicht hat, wird 
von seiner freien Oberfläche, so wie von der Oberfläche des übrigen 
Ektoderms eine feine strukturlose Cuticularhaut ausgeschieden. Diese 
Cuticularhaut ist Anfangs hart an die sie absondernde Zellenschicht ange- 
schmiegt und darum nur äußerst schwer zu unterscheiden. Bald aber 
häuft sich zwischen dem sich bildenden Embryo und dieser Cuticular- 
haut eine Flüssigkeit, die allmählich das Häutchen von den unter ihr 
liegenden Ektodermzellen losmacht; die Verbindung mit den Ektoderm- 
zellen erhält sich nur in dem Inneren des kugelförmigen Organs; wie 
bekannt, erhält sich diese Verbindung bis zur Atrophie des Organs. 


Die zwischen der Guticularhaut und dem Embryo sich sammelnde 
Flüssigkeit — über deren Herkommen und Bedeutung für den Embryo 
ich leider nichts sagen kann — ist Anfangs vollkommen klar und unge- 
färbt. Bei weiterer Entwicklung des Embryo häuft sich aber in dieser 
Flüssigkeit, die stark an Volumen zunimmt, eine beträchtliche Masse 
einer feinkörnigen Substanz, die mehr oder weniger stark braungelb 
gefärbt ist. — Zur Zeit wo diese Flüssigkeit unter der Cuticularhaut er- 
scheint, platzt gewöhnlich das Chorion, so dass das Ei nur durch die 
Cuticularhaut begrenzt ist. 


Über die Bedeutung des kugelförmigen Organs wurden von ver- 
schiedenen Autoren verschiedene Meinungen ausgesprochen; da allen 
diesen Meinungen aber theils ungenügende, theils auch verfehlte Beob- 
achtungen zu Grunde lagen, so blieb die Frage über die Bedeutung des 
in Rede stehenden Organes bis jetzt, ungeachtet der zwanzig Jahre, die 
seit seiner Entdeckung verflossen sind, unentschieden. 


MEıssner, der das kugelförmige Organ der Amphipoden entdeckte, 
beobachtete es an zerquetschten Embryonen, die schon ziemlich weit 
entwickelt waren. Nach den von Meıssner veröffentlichten Abbildungen 
zu urtheilen, untersuchte er ein zerstörtes Organ, das an Lappen der zer- 
rissenen Cuticularhaut hing. Die Einstülpung der Cuticula in das kugel- 
föormige Organ wurde von ihm als eine Öffnung in der Cuticula, nämlich 
als eine Mikropylöffnung erklärt. Da er die Membran, in der er eine 
Mikropylöffnung zu finden glaubte, irrthümlich für die Dotterhaut hielt, 


452 B, Ulianin, 


so zog er den Schluss, dass die Befru&htung des Eies der Amphipoden 
noch im Eierstocke vor der Bildung des Chorions geschehe. 

Dasselbe Organ wurde später von La VALETTE ST. GEORGE viel ein- 
gehender und richtiger an ziemlich weit entwickelten Amphipoden- 
Embryonen beobachtet. Er unterscheidet im Organe zwei verschiedene 
Theile: 1) die Öffnung an der als Chorion gedeuteten Cuticularhaut und 
2) das kugelförmige Organ, das mit dieser Öffnung im Zusammenhange 
steht und das im Rückengefäße des Embryo liegen soll. Die Öffnung der 
Cuticularhaut deutet La VALETTE als eine Mikropyle, dem kugelförmigen 
Organe ist er aber geneigt eine Rolle bei der Respiration des Embryo 
zuzuschreiben. Später! bekannte La VALettE die Unmöglichkeit, die 
scheinbare Öffnung der Cuticularhaut als eine Mikropyle anzusehen. 

Endlich glaubte Sars? dem kugelförmigen Organe (auch den blatt- 
föormigen Anhängen des Asellus-Embryo) eine Rolle bei der Ernährung 
des Embryo vindiciren zu können. 

Diese Versuche, die physiologische Bedeutung des kugelförmigen 
Organs zu erklären, erwiesen sich bald als verfehlte: die Beobachtung 
von La VALETTE über das Eindringen des Organs in das Rückengefäß 
des Embryo wurde nicht durch weitere Untersuchungen bestätigt; zur 
Verstärkung der Sırs’schen Meinung kann man auch keinen einzigen 
Beweis anführen; im Gegentheil spricht Alles, was vom Bau des kugel- 
förmigen Organes und von seiner Lage im Körper des Embryo bekannt 
ist, gegen die Meinung von Sars. Die beiden oben angeführten Ver- 
muthungen über die Deutung des Organs sind auch mit meinen Beob- 
achtungen über seine Entwicklung unvereinbar: wir wissen, dass das 
Organ zu der Zeit angelegt wird, wo noch kein einziges Organsystem im 
Embryo differenzirt ist; dass es seine volle Entwicklung erlangt zu der 
Zeit, wo die wesentlichsten Organsysteme noch nicht angelegt sind; end- 
lich, dass, wenn der Embryo seine volle Entwicklung erlangt hat, das 
betrefiende Organ zu Grunde geht. Wenn man dem kugelförmigen Or- 
gane eine physiologische Rolle zuschreiben will, so muss man ihm die- 
selbe Bedeutung für das Leben des Embryo zuschreiben, wie jeder 
anderen Zelle des Embryo; die Zellen des kugelförmigen Organes, ähn- 
lich allen übrigen lebendigen Zellen des Embryo, ernähren sich, ath- 
men u. s. w. Eine speciellere physiologische Bedeutung kann man gewiss 
nicht dem kugelförmigen Organe zuschreiben. 

Viel treffender ist dieses Organ als ein ererbtes Organ anzusehen, 


1 E. van BENEDEN und E. Bessers, M&em. sur la formation du blastoderme etc. 
p. 30 des bes. Abdr. Anmerkung. 

2 G. O. Sars, Histoire naturelle des Crustaces d’eau douce de Norvege. 4 Livr. 
p- 121. 


Zur Entwicklungsgeschichte der Amphipoden. 453 


ein Organ, dem keine specielle physiologische Funktion zukommt, das 
aber eine hohe morphologische Bedeutung hat. Für eine solche Anschau- 
ung, die von E. van BENEDEN, Donrn und Besses zuerst geäußert wurde, 
spricht die sehr frühe Anlage des Organes, sein baldiges Verschwinden 
beim weiteren Wachsthum des Embryo, endlich das Vorkommen des- 
selben Organes in noch verkümmerterem Zustande bei einigen anderen 
Crustaceen. 

Wie schon oben, bei der Litteraturübersicht gezeigt wurde, be- 
mühten sich BesseLs und besonders Dourn, die Frage über den morpho- 
logischen Werth des kugelförmigen Organes zu lösen. Beide kamen selb- 
ständig zu dem Schlusse, dass das kugelförmige Organ dem Rückenstachel 
der Zo&a homolog ist. 

Für die Richtigkeit einer solchen Meinung führt BesseLs fast gar 
keine Beweise an, während Donnn eine ganze Reihe von Thatsachen aus 
der Anatomie der Crustaceen verschiedener Ordnungen, so wie aus 
deren Entwicklungsgeschichte zur Unterstützung seiner Anschauungs- 
weise zusammenstellt. 

Als morphologisch gleichwerthige Theile sieht Dourn verschiedene 
Gebilde an, die auf dem Rücken verschiedener ausgewachsener Crusta- 
ceen, so wie CGrustaceenlarven ihren Platz haben; als Theile homolog 
unter einander und zugleich homolog mit dem Stachel der Zoea be- 
trachtet er: das kugelförmige Organ der Amphipoden und einiger 
Isopoden, den Rückensaugnapf der Daphniden, den frontalen Auswuchs, 
vermittels dessen viele von den parasitischen Gopepoden an fremde 
Körpersich anheften, den saugnapfähnlichen Auswuchs, vermittels dessen 
nach Dourn die Fixirung der Cirripedienlarven geschieht u. s. w. 

Donrn basirt sein Raisonnement auf seine Beobachtungen über die 
Entwicklung des kugelförmigen Organes und auf die mehr oder weniger 
große Ähnlichkeit dieser Entwicklung mit der Entwicklung der oben 
genannten Gebilde bei verschiedenen Crustaceen. Da aber die Beob- 
achtungen von Donrn als unvollständige und zum Theil unrichtige sich 
erwiesen haben, so müssen alle aus diesen Beobachtungen gezogenen 
Folgerungen auch als unrichtige angesehen werden. 

Meine oben angeführten Beobachtungen über die Entwicklung des 
kugelförmigen Organs können gewiss nicht zur Stütze der von BesseLs 
und DoHurn ausgesprochenen Meinung dienen: gegen die Homologie des 
kugelförmigen Organs mit dem Rückenstachel der Zo&a spricht die Zeit 
so wie der Ort der Anlage des Organs. Meine Beobachtungen über 
die Entwicklung des kugelförmigen Organs dienen aber nicht nur zur 
Widerlegung der Meinung der genannten Forscher, sie enthalten auch 
deutliche Fingerzeige bezüglich des Organs, mit dem das: uns interes- 


454 B. Ulianin, 


sirende Gebilde homolog ist und dienen folglich zur Lösung der Frage 
über den morphologischen Werth des kugelförmigen Organs. 

Das kugelförmige Organ wird, wie oben gezeigt wurde, als eine 
lokale Einstülpung des Ektoderms angelegt; die Zellen dieser Einstülpung 
scheiden eine Cuticula aus, die mit der zur selben Zeit von der Ober- 
fläche des Embryo ausgeschiedenen Guticularhaut im Zusammenhange 
steht. Wenn man in anderen Thieren nach ähnlichen Bildungen sucht, 
so fällt gleich die große Ähnlichkeit auf, die zwischen dem kugelförmigen 
Organe und der sogenannten Schalengrube der Mollusken existirt. Die 
frappante Ähnlichkeit dieser zwei Gebilde wird um so augenfälliger, je 
mehr der Vergleich durchgeführt wird. 

In der That ganz ähnlich der Schalengrube der Mollusken wird das 
kugelförmige Organ der Amphipoden vor allen anderen Organen ange- 
legt, in der Zeit, wo die Keimblätter sich noch zu differenziren beginnen 
oder sich eben differenzirt haben ; ganz der Schalengrube der Mollusken 
ähnlich entsteht das kugelförmige Organ der Amphipoden durch eine 
lokale Einstülpung des Ektoderms; das Provisorische des kugelförmigen 
Organes der Amphipoden endlich verstärkt noch seine Ähnlichkeit mit 
der Schalengrube der Mollusken: wir wissen, dass bei denjenigen Mol- 
lusken, bei denen eine Schale fehlt, die Schalengrube schon bald nach 
ihrem Anlegen zu Grunde geht. Die Ähnlichkeit der beiden Gebilde ist 
so groß, dass ich keinen Zweifel habe sie als Homologa zu betrachten. 

Wir kennen bis jetzt nur Weniges über das Vorkommen bei anderen 
Arthropoden von dem kugelförmigen Organe der Amphipoden ähnlichen 
Gebilden. Dem kugelförmigen Organe der Amphipoden am ähnlichsten 
ist das provisorische Organ, das am Rücken der Poduren-Embryonen 
sich findet; wie bekannt, wird es ähnlich dem kugelförmigen Organe 
der Amphipoden als erstes Organ im Eie und durch lokale Einstülpung 
des Ektoderms angelegt!. Ein etwas verkümmerteres Organ findet sich 
außerdem bei den Embryonen verschiedener Isopoden (Idotea 2, Cymo- 
thoa 3, Oniscus®), bei Praniza5, bei den Gumaceen ® und bei den Penta- 
stomiden?’. In den Fällen, wo das Organ am meisten verkümmert ist, 
besteht es aus einer Anzahl von etwas vergrößerten Zellen des Ekto- 


1 B. ULıanın, Beobachtungen über die Entwicklung der Poduren (Hsp. Oom. 
Aroour. Ecrecrzosu. XXI. ». 3. T6. V. puc. 6, 7). 

2 Dourn, Studien zur Embryologie der Arthropoden. 1868. p. i4. Fig. 7. 

3 BurLAR, On the developm. of the parasitic Isopoda (Philosoph. Transact. for 
the J. 1878. Vol. 469. P.II). 

4 BoBRETZKy, Diese Zeitschr. Bd. XXIV. 

5 Dourn, Diese Zeitschr. Bd. XX. 1870. 

6 Dourn, Jenaische Zeitschr. V. 4870. 

7 LEUCKART, Bau und Entwicklung der Pentastomiden. 


Zur Entwicklungsgeschiehte der Amphipoden. 455 


derms; bei weiterer Entwicklung verschwindet diese lokale Verdickung 
des .Ektoderms ohne Spur. In anderen Fällen stülpt sich dieser ver- 
dickte Theil des Ektoderms etwas ein. Bei den Amphipoden und Po- 
duren geht diese Einstülpung des Ektoderms so weit, dass ein echtes 
kugelförmiges Organ entsteht. 

Wenn wir diese freilich sehr dürftigen Data über die Veränderungen, 
denen das kugelförmige Organ bei den Arthropoden unterworfen ist, mit 
dem vergleichen, was wir über die Veränderungen kennen, die die 
Schalengrube bei verschiedenen Mollusken erleidet, so bringt dieser 
Vergleich nur Bestätigung für die Meinung über die Homologie der bei- 
den Gebilde. Die Schalengrube der Mollusken erscheint wie bekannt, 
wie das kugelförmige Organ der Arthropoden entweder in Form einer 
einfachen lokalen Verdickung des Ektoderms oder in Form einer sack- 
artigen Vertiefung dieser Verdickung des Ektoderms. Für die Homologie 
des kugelförmigen Organes der Arthropoden mit der Schalengrube der 
Mollusken spricht folglich nicht nur die Lage beider Organe am Körper 
des Embryo, so wie die Zeit und die Art ihrer Anlagen, sondern auch 
die Ähnlichkeit der Veränderungen, denen die beiden Organe unter- 
worfen sind. I 

Die Homologie des kugelförmigen Organs der Arthropoden mit der 
Schalengrube der Mollusken einmal festgestellt, so fragt sich, ob die 
Arthropoden auch ein Homologon des Produktes der Schalengrube, ein 
Homologon der Schale besitzen ? 

Die Schale der Mollusken ist ein Produkt der Absonderung des so- 
genannten »Mantels«, der seinerseits nichts Anderes als eine lokale Ver- 
dickung des Ektoderms (Schalengrube) ist!. Die Ausscheidung der 
Schale der Mollusken ist folglich auf eine besondere speciell einge- 
richtete Stelle des Ektoderms aufgelegt. Bei den Arthropoden sehen wir 
das nicht. In einer Periode der Entwicklung scheidet das ganze Ekto- 
derm des Arthropoden-Embryo eine Cuticularhaut aus und das kugel- 
förmige Organ funktionirt eben so wie das übrige Ektoderm. Die CGuti- 
cularhaut der Arthropoden-Embryonen kann darum nicht mit der Schale 
der Mollusken homologisirt werden. Einige Arthropoden besitzen eine 


1 Gewöhnlich werden unter der Bezeichnung »Mantel« ganz verschiedene Ge- 
bilde zusammengestellt. So z. B. ist der Mantel der Cephalopoden etwas ganz Ande- 
res als der Mantel der Gasteropoden und anderer Mollusken. Der Mantel der Gastero- 
poden ist nichts Anderes als das Epithelium, das den Boden der Schalengrube aus- 
kleidet und das nach Ausgleichung der Grube die Schale absondert , der Mantel der 
Cephalopoden entsteht aber als eine Duplikatur des Ektoderms, die gleichzeitig mit 
der Schalengrube (echtem Mantel) angelegt wird, folglich etwas ganz Anderes als der 
letztere ist. Der Mantel der Cephalopoden ist am besten dem Mantel der Brachiopo- 
den zu vergleichen. 


456 B. Ulianin, 


mehr oder weniger entwickelte Schalengrube, während das Produkt 
dieser Grube — die Schale — fehlt. 

Das Vorhandensein einer Schalengrube bei allen etwas sorgfältig 
auf ihre Entwicklung untersuchten Mollusken wird mit vollem Rechte als 
ein Beweis für die gemeinsame Abstammung dieser Thiere gehalten!. 
Die Schalengrube giebt auch gute Hinweise über die Aufeinanderfolge in 
der Entstehung einzelner Glieder der Klasse der Mollusken. In denFällen, 
wo die Schale im Inneren des ausgewachsenen Tbieres liegt (Gephalopoda 
decapoda z. B.), schließt sich die Schalengrube schon sehr früh und die 
Schale wird von dem Epithelium der vom Ektoderm abgeschnürten 
Schalenhöhle secernirt. Schon bei den den Decapoden nahe stehenden 
Cephalopoda octopoda, die einer inneren Schale entbehren, bleibt die 
Schalengrube ungeschlossen und dient als Zeuge der nahen Verwandt- 
schaft der beiden Gruppen. Bei den übrigen Mollusken wird die Schale 
im Inneren der Schalengrube nur in pathologischen Fällen secernirt; in 
der Regel wird die Schale von einem verdickten Theile des Ektoderms 
ausgeschieden, der in einigen Fällen temporär vor der Abscheidung der 
Schale eingestülpt sein kann. Offenbar ist diese Einstülpung des Ekto- 
derms, die in gar keinem Zusammenhange mit der Bildung der Schale 
steht, als ein von Formen mit innerer Schale ererbter Vorgang anzusehen. 

Wenn man gezwungen ist, die Schalengrube der Mollusken als ein 
für die Thiere dieser Klasse sehr charakteristisches Gebilde anzusehen 
und sie als einen kostbaren Zeugen der Aufeinanderfolge der Entwick- 
lung der einzelnen Glieder der Klasse zu betrachten, so ist kein Grund, 
diese Bedeutung demselben Gebilde bei den Arthropoden abzusprechen. 
Das Vorhandensein der Schalengrube bei den Arthropoden ist demnach 
ein sicherer Beweis, dass die Arthropoden und Mollusken sich aus einem 
gemeinsamen Stamme entwickelt haben. Die Anatomie der Arthropoden 
und Mollusken giebt auch, wie bekannt, manche Winke, die für die Ver- 
wandtschaft der beiden Klassen sprechen. 

Alles Gesagte führt zu diesem feststehenden Schlusse. Für weitere, 
mehr in die Einzelheiten eingehende Schlüsse, erweisen sich aber die 
Thatsachen noch als viel zu mangelhaft. Wir können desswegen nur 
ganz muthmaßlich über den Grad der Verwandtschaft der Arthropoden 

1 Einer entgegengesetzten Meinung ist nur H. v. IaErıng (Vergleichende Ana- 
tomie des Nervensystems und Phylogenie der Mollusken. Leipzig 1877), der in der 
Schalengrube und der Schale keinen Beweis für die phylogenetische Einheit des 
Molluskenstammes sehen will. Ich kann nur den Einwänden, die gegen eine solche 
Anschauung von BosrETZKY (Untersuchungen über die Entwicklung d. Cephalopoden. 
4877. p. 64), Huxtey (Grundzüge der Anatomie der wirbellosen Thiere. Deutsch von 


Dr. SpEnGEL. 4878. p. 595) und GEGENBAUR (Grundriss der vergleichenden Anatomie. 
2. Aufl. 4878) ausgesprochen Sind, beistimmen. 


Zur Entwicklungsgeschichte der Amphipoden. 457 


mit den Mollusken reden; wir können nur vermuthen, dass die Form, 
aus der die Arthropoden- und Molluskenstämme sich entwickelt haben, 
aus einer Anzahl unter einander gleichen Metameren bestand, dass diese 
Form mit einer dorsal gelegenen inneren Schale versehen war, ein 
Rückengefäß, einen am hinteren Körperende sich öffnenden Darmkanal 
und ein aus einem Schlundring und einer Bauchnervenkette bestehen- 
des Nervensystem besaß. Von den in unserer Zeit lebenden Formen 
stehen dieser hypothetischen Form am nächsten die sogenannten Placo- 
phoren (Chitonen), bei denen die Gliederung des Leibes in eine Anzahl 
von Metameren noch klar ausgeprägt geblieben ist, von der inneren 
Schale aber, wie es scheint, nur die unbedeutendsten Reste geblieben 
sind!. Da zum Aufbau aller dieser Betrachtungen der Grund zur Zeit 
noch viel zu unsicher ist, so glaube ich besser zu thun, sie nicht weiter 
zu führen; ich begnüge mich damit die Blutverwandtschaft der Arthro- 
poden mit den Mollusken festzustellen und gehe zur Schilderung der 
wenigen Beobachtungen über, die ich über die Anlage des Ento- 
derms gesammelt habe. 

Während, wie oben gezeigt wurde, sich schon sehr früh die zwei 
oberen Keimblätter im Eie der Orchestien differenziren, erscheint die 
erste Anlage des Entoderms verhältnismäßig sehr spät. Dieses Anlegen 
des Entoderms geschieht nämlich zu der Zeit, wo das Ektoderm schon 
um die ganze Oberfläche des Eies gewachsen ist und das kugelförmige 
Organ am Rücken des Embryo, der von der Cuticularhaut umhüllt ist, 
seinen definitiven Platz eingenommen hat. Da diese späteren Stadien, 
wie gesagt, nur äußerst schwer zur Erhärtung gebracht werden können 
und mir nur wenige brauchbare Schnitte aus diesen Stadien gelungen 
sind, so konnte ich auch nicht der Bildung des Entoderms Schritt für 
Schritt folgen. Trotzdem aber, dass mir nur ganz vereinzelte Beob- 
achtungen über die Bildung des Entoderms zu machen gelungen ist, 
stehe ich nicht an, diese dürftigen Thatsachen mitzutheilen in der Hoff- 
nung, dass sie den späteren Beobachtern vielleicht auch der Beachtung 
werth erscheinen werden. | 

Zu der Zeit, wo das kugelförmige Organ seine Lage am Rücken des 
Embryo erlangt hat, und der ganze Embryo von einem feinen Cuticular- 
häutchen umhüllt ist, beginnt der gefärbte Nahrungsdotter sich in Dotter- 
schollen von verschiedener Größe und Form zu theilen. Diese Dotier- 


1 Für eine äußerst rudimentäre Schalengrube muss man, wie mir scheint, das 
stark entwickelte Cylinderepithel deuten, aus dem KowALevsky zufolge der Rücken 
des Chiton-Embryo besteht. Nach KowALevsky sollen die Zellen dieses Epithels an 
ähnliche Zellen des Mantels (der Schalengrube) der anderen Mollusken-Embryonen 
erinnern (Zool. Anzeiger. II. Jahrg. p. 473). 


458 | Bo lnun 


schollen erhalten sich aber nur sehr kurze Zeit: bald werden sie wieder 
völlig unsichtbar. 

Auf wenigen Schnitten, die mir aus solchen späteren Stadien ge- 
lungen sind, sieht man, dass ähnlich wie bei manchen anderen Arthro- 
poden das Zerfallen des Nahrungsdotters in Dotterschollen vom Eindringen 
von Zellen in den Dotter herrührt. Auf denselben Schnitten sieht man 
auch, dass das Zerfallen des Dotters in Dotterschollen in der Nähe des 
kugelförmigen Organes anfängt (Fig. 17) und von diesem Punkte wie von 
einem Centrum durch den ganzen Nahrungsdotter sich verbreitet. Diese 
Schnitte führen mich zu der Annahme, dass es äußerst wahrscheinlich ist, 
dass die Zellen, die in die Dottermasse eindringen und den Zerfall des 
Dotters in Dotterschollen hervorrufen, von den Zellen des kugelförmigen 
Organes abstammen. Vorausgesetzt dass bei den Orchestien, ähnlich 
dem, was bei anderen Crustaceen beobachtet wurde, die das Zerfallen 
des Dotters in Dotterschollen hervorrufenden Zellen zum Aufbaue des 
Mitteldarmes verbraucht werden, nimmt das Entoderm seinen Ursprung 
von den Zellen des kugelförmigen Organes. 

Erwiese sich die Vorstellung, welche ich mir von dem Processe der 
Entodermbildung mache, als eine richtige, so würde bei den Orchestien 
die Bildung des Mitteldarmes eine ziemlich eigenartige sein. Die Unter- 
schiede aber, die zwischen der soeben geschilderten Bildung des Ento- 
derms und der bei anderen Arthropoden beobachtet sind, scheinen mir 
keine große Bedeutung zu haben: nach dem, was wir über die Bildung 
der Keimblätter bei verschiedenen Thieren wissen, trifft man hier sogar 
bei nahe verwandten Thieren ziemlich große Verschiedenheiten. Wir 
wissen z. B., dass im Kreise der Arthropoden das Entoderm bei den 
Crustaceen fast gleichzeitig mit dem Mesoderm angelegt wird, während 
bei den Insekten (Seidenwurm) das Entoderm viel später als das Meso- 
derm sich differenzirt 1; eine sehr verspätete Differenzirung des Ento- 
derms wurde, wie bekannt, auch bei den Gephalopoden beobachtet. Die 
Ungleichzeitigkeit der Differenzirung der beiden unteren Keimblätter 
bei den Orchestien kann darum uns auch nicht befremden. Ähnlich 
wie bei anderen Crustaceen entsteht bei den Orchestien das Mesoderm 
dureh Zersplitierung des Blastoderms, während das Entoderm aus vom 
Ektoderm abstammenden und in den Dotter einwandernden Zellen zu- 
sammengesetzt wird. Die Thatsache, dass die in den Dotter einwan- 
dernden Zellen von den Zellen des kugelförmigen Organes abstammen, 
kann uns auch nicht sehr befremden : das kugelförmige Organ ist, wie 


1 TicHonIRorF, Über Entwicklungsgeschichte des Seidenwurms (Zool. Anzeiger. 
Il. Jahrg. p. 65). 


Zur Entwicklungsgeschichte der Amphipoden. 459 


oben gezeigt wurde, ein ererbtes verkümmertes Organ, das seine frühere 
Bestimmung mit der Zeit verloren hat und dem im Laufe der Zeit neue 
Funktionen bei der Bildung des Entoderms aufgelegt wurden. 


Moskau, November 1880. 


Erklärung der Abbildungen. 


Für alle Figuren gelten folgende Bezeichnungen: 


az, amöboide Zellen; ec, Ektoderm; 
biz, Biastodermzellen ; f, Dotterfurchen; 
blz’, in der Theilung begriffene Blasto- k, vom Protoplasma umhüllte Kerne der 
dermzellen ; Dotterschollen ; 
ch, Chorion; ms, Mesoderm ; 
d, Nahrungsdotter; Lh, Larvenhaut; 
ds, Dotterschollen; schg, Schalengrube. 
Tafel XXIV. 


Fig. 1. Zweigetheiltes Orchestia-Ei. 

Fig. 2. Viergetheiltes Orchestia-Ei. Vier große amöboide Zellen sind auf die 
Oberfläche der Furchungskugeln herausgetreten. 

Fig. 3. Die vier amöboiden Zellen haben sich auf acht vermehrt. Vier von den 
Zellen sind klein, die anderen vier groß. 

Fig, 4. Stadium mit sechzehn amöboiden Zellen, von denen acht groß und die 
anderen acht klein sind. 

Fig. 5. Stadium mit zweiunddreißig amöboiden Zellen, von denen sechzehn 
groß, die anderen sechzehn klein sind. 

Fig. 6. Die kleinen amöboiden Zellen der inneren (unteren) Reihe haben sich 
schon zu ruhenden Blastodermzellen umgewandelt; in den kleinen Zellen der zwei- 
ten Reihe gehen Vorbereitungen zur Theilung vor sich. 

Fig. 7. Die Zahl der ruhenden Blastodermzellen ist stark auf Kosten der zweiten 
Reihe der kleinen amöboiden Zellen gewachsen; in den großen amöboiden Zellen 
der inneren (unteren) Reihe gehen Vorbereitungen zur Theilung vor sich. 

Fig. 8. Zur Bildung der Keimscheibe sind schon die großen amöboiden Zellen 
der inneren (unteren) Reihe verbraucht. 

Fig. 9. Alle amöboiden Zellen sind schon zur Bildung des Blastoderms ver- 
braucht. Erste Anlage des sogenannten Mikropylenapparates. 

Fig. 10. Der ganze Nahrungsdotter ist von dem Blastoderm umwachsen. Der 
Mikropylenapparat hat seine definitive Lage am Rücken des Embryo erreicht. 

In den Figuren 4—A0 ist das Chorion nicht abgebildet. 

Fig. 14. Ein viel weiter entwickelter Embryo um die gelb-bräunlich gefärbte 
Flüssigkeit, die sich zwischen dem Embryo und der Cuticularhaut sammelt, zu zeigen. 

Fig. 12. Theil eines Schnittes durch ein viergetheiltes Ei, in welchem die amö- 
boiden Zellen noch nicht auf der Oberfläche der Furchungskugeln angelangt sind. 


460 B. Ulianin, Zur Entwicklungsgeschichte der Amphipoden. 


Fig. 43. Bildung der Mesodermzellen durch Theilung der Blastodermzellen. Der 
Schnitt wurde von einem etwas jüngeren als in der Fig. 8 dargestellten Ei ge- 
nommen. 

Fig. 44. Weitere Entwicklung des Mesoderms. Der Schnitt wurde von einem 
etwas älteren als in der Fig. 8 dargestellten Ei genommen. 

Fig. 45. Schnitt durch ein Ei, das ungefähr in dem Fig. 6 abgebildeten Stadium 
ist. Auf dem Schnitte sieht man die Dotterspalten, die amöboiden Zellen, so wie die 
zuerst angelegten ruhenden Blastodermzellen. 

Fig. 16. Schnitt durch ein in dem Stadium Fig. 9 sich befindendes Ei. Der 
Schnitt geht durch die Anlage des sogenannten Mikropylenapparates. 

Fig. 17, Querschnitt eines Embryo ungefähr vom Stadium der Fig. 14. Der 
Schnitt ist durch den Mikropylenapparat geführt. 


Über Molluskenaugen mit embryonalem Typus. 
Von 


Dr. med. et phil. Paul Fraisse. 


Mit Tafel XXV und XXVl. 


Unter den Sinnesorganen erfreuten sich in letzter Zeit besonders 
die Augen der Aufmerksamkeit der Forscher. 

Man fand Augen bei wirbellosen Thieren vom Typus der Wirbel- 
thieraugen (SEemper) und an der Bauchseite verschiedener Fische solche 
Organe, die nach dem Typus der Augen bei Wirbellosen gebaut waren 
(LEUCKART, Ussow, LEvDiIg). 

Alle diese Augen sind jedoch, jedes in seiner Art, gut ausgebildet 
und repräsentiren einen bestimmten Typus, der, wenn auch bei den 
erwähnten Thieren abnorm und höchst auffallend, doch bei einer ande- 
ren Thiergruppe zur Regel geworden ist. 

Anders ist dies bei einigen Augen von Seeschnecken, deren Unter- 
suchung mich schon vor längerer Zeit auf dem zoologisch-zootomischen 
Institute zu Würzburg beschäftigte und deren Bau so abweichend ist, 
dass sie das Interesse der Fachgenossen jedenfalls in Anspruch nehmen 
werden, da an ihnen die phylogenetische Entstehung des Sehorgans in 
fast schematischer Weise erkannt werden kann. 


I. Das Auge von Patella. 


Bei Patella coerulea (var. fragilis) aus dem Hafen von Mahon und 
bei einer kleineren Varietät derselben Species von Neapel finden sich 
am unteren Ende der zusammengezogenen Tentakel, nicht weit von 
deren Basis auf dem am meisten hervorragenden Theil der konvexen 
Seite, kleine schwarze Pünktchen, die sich trotz ihrer geringen Größe 
an gut konservirten Spiritusexemplaren deutlich erkennen lassen. 

Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. XXXV.Bd. 34 


462 Paul Fraisse, 


Diese Pünktchen wurden von jeher für Augen gehalten, so dass in 
allen Lehrbüchern zu finden ist, dass Patella Augen besitzt; ihr anato- 
mischer Bau ist dagegen bisher völlig unbekannt geblieben. 

Von einem besonderen Augenträger (OÖmmatophor) ist nichts zu be- 
merken, auch nicht von einer Verwachsung eines solchen mit den Ten- 
takeln selbst. ; 

Zur näheren Untersuchung führte ich sehr dünne Schnitte durch 
den isolirten Tentakel nach den verschiedensten Richtungen. Am besten 
traf ich die Augen auf Querschnitten, die senkrecht zur Mittellinie des 
Thieres gestellt waren; besonders instruktiv war eine Schnittserie, die 
durch die mit dem Kopf in Zusammenhang gebliebenen Fühler eines 
kleinen Exemplars von Patella coerulea gelegt war. 

Das Auge (Fig. 1) erscheint hier als eine kleine 0,12 mm im Durch- 
messer haltende Blase, deren Form etwas länglich ausgezogen oder seit- 
lich komprimirt ist, so dass der Längsdurchmesser den Querdurchmesser 
etwas übertrifft. Die Epithel- oder einschichtigen Epidermiszellen gehen 
direkt in die Zellen der Retina über und lassen den Follikel an der 
oberen Seite 0,05—0,09 mm weit offen. 

Die Epithelzellen haben am Tentakel einen Längsdurchmesser von 
0,05 mm und eine Breite von 0,008 mm. Dieselben verschmälern sich 
gegen das Auge zu, werden auch etwas kürzer, stehen gedrängter und 
gehen dann ganz allmählich in die Zellen der Retina über, welche eine 
durchschnittliche Länge von 0,04 mm und eine Breite von 0,002 mm 
haben; die Zellen sind am längsten an der Basis des Auges und ver- 
kürzen sich, indem sie in die Zellen des Epithels übergehen. Am vor- 
deren Ende sind sie stark pigmentirt, während die hintere Seite mit den 
etwas länglichen und 0,004 mm großen Kernen frei von Pigment ist. 

Die Pigmentansammlung ist am stärksten in den der Öffnung des 
Auges gegenüberliegenden Zellen und verliert sich allmählich in den die 
Öffnung umgebenden. 

Vor der von einer scharfen Linie umgrenzten Pigmentschicht findet 
sich noch ein kleiner nicht pigmentirter Rand, den ich am liebsten als 
Cuticularsaum auffassen möchte, und auf dem kleine Fäserchen vorzu- 
kommen scheinen, deren Struktur jedoch an konservirten Exemplaren 
nicht genau zu erkennen ist. | 

Sicher ist, dass die ganze das Auge bildende Zellschicht nur aus 
einer einzigen Lage dünner, schlanker Zellen besteht, deren oberer Theil 
von schwarzem, nach oben scharf begrenzten Pigment eingenommen 
wird, und die alle als gleichartig angesehen werden müssen. 

Bei Weitem am auffallendsten muss erscheinen, dass ein eigentlicher 
N. Opticus fehlt. Wenn auch einzelne Nervenfasern herantreten mögen, 


Über Molluskenaugen mit embryonalem Typus. 463 


deren Darstellungsweise mir übrigens durchaus nicht gelungen ist, so 
lässt sich doch auf keinem meiner Präparate auch nur eine Spur des 
erstgenannten Nerven entdecken. 

Man kann auf Querschnitten durch den ganzen Fühler deutlich den 

Fühlernerven vom Ganglion an verfolgen, nie aber von ihm oder vom 
Ganglion cephalicum zum Auge abgehende Zweige oder direkt dorthin 
verlaufende Nervenstämme auffinden. 
Eben so auffallend ist der Mangel einer Linse und eines Glaskörpers, 
da sich keine Spur solcher Gebilde nachweisen lässt, wenn man nicht 
etwa den oberen unpigmentirten Theil der Zellen als das Rudiment 
einer Linse auffassen will. Sehr konstant scheint mir dagegen bei 
Patella coerulea eine Hautfalte an der unteren Seite der Augenöffnung 
zu sein, welche besonders muskulös gebaut, den Thieren zum Schutz 
dieses subtilen Organs dient, und vielleicht als erster Beginn eines 
Augenlides aufgefasst werden könnte. 

Bemerkenswerth erscheint ferner die verschiedene Größe und ver- 
schiedenartige Ausbildung dieses sonderbar gebauten Organes. Selbst 
bei demselben Thier wurde das eine Auge gut ausgebildet und in der 
angegebenen Größe gefunden, während das andere uw kleiner 
und viel weniger stark pigmentirt war. 

So hätten wir denn ein Gebilde vor uns, das in keiner Weise als 
Auge gedeutet werden könnte, dessen Bau wenigstens von dem der bis- 
her bekannten lichtempfindenden Organe so bedeutend abweicht!, dass 
man es kaum für ein derartiges Sinnesorgan halten dürfte, wenn nicht 
die Entwicklungsgeschichte uns eine gewisse Erklärung geben würde. 

Wie wir schon durch frühere private Mittheilungen des Herrn 
Professor Semper und die vor Kurzem erschienene Arbeit meines Freun- 
des J. Carrıire?2, der die hauptsächlichsten Punkte derselben auf der 
Naturforscherversammlung in Baden-Baden darlegte, ersehen haben, 
bildet sich das Auge bei Schneckenembryonen durch eine Einstülpung 
der Epidermis. 

In ganz frühen Stadien ist diese Einstülpung nach oben offen, wäh- 
rend sich später der Follikel völlig abschnürt. Die Retinazellen mit 
ihrem Pigment gehen aus dem Ektoderm hervor und sind nichts als um- 
gewandelte Epidermiszellen. 

Nachdem das Auge mit allen seinen typischen Theilen so gut wie 
vollkommen ausgebildet ist, tritt erst eine Verbindung des inzwischen 


1 Das Auge von Nautilus ist wenigstens mit deutlich erkennbaren Nerven aus- 
gestattet. 


? Studien über die Regenerationserscheinungen bei den Wirbellosen, I. Die 
Regeneration bei den Pulmonaten. Würzburg, STAUDINGER, 1880. 


31 * 


464 Paul Fraisse, 


aus dem Gehirn hervorgewachsenen Nervus opticus mit den Retina- 
zellen ein. 

Man findet beim embryonalen Auge ein Stadium, in welchem es 
dem eben von Patella beschriebenen Organ fast gleich ist!. Die Blase 
hat sich noch nicht völlig geschlossen, die Epidermiszellen sind schon 
zum Theil in Retinazellen umgewandelt und stellenweise pigmentirt, 
während von Nerv und Linse noch nichts zu entdecken ist. 

Es fragt sich nun, ob wir berechtigt sind, ein auf so niedriger Stufe 
der Entwickelung stehen gebliebenes Gebilde als Auge aufzufassen, da 
ja der leitende Apparat, der die Lichtempfindungen dem Gehirn über- 
mitteln soll, hier fehlt. 

Morphologisch dürfen wir es sicher thun, denn die Vergleichung _ 
mit dem embryonalen Auge der Landpulmonaten berechtigt uns dazu; 
‘ ob aber die physiologische Funktion dieselbe ist wie bei den gleichen 
Organen anderer Thiere, wissen wir nicht. 

Berücksichtigen wir das, was wir über die Funktionen des leben- 
den Protoplasma’s der Zelle wissen, so sehen wir, dass eine gewisse Licht- 
empfindung schon den Protozoen nicht abzusprechen ist. 

Dieselbe Empfindung, die dem Protoplasma dieser niedrigsten Or- 
ganismen zukommt, wird den amöboiden, also völlig lebens- und pro- 
liferationsfähigen Zellen des höher organisirten Thierkörpers nicht fehlen. 
In hohem Maße sind nun die Zellen der Epidermis bei Wirbelthieren 
und Wirbellosen bildungs- und umwandlungsfähig, ja aus ihnen allein 
entstehen die hauptsächlichsten Theile aller Sinnesorgane. 

Ich glaube desshalb wohl, dass diese Zellen, die sich in der glei- 
chen Weise wie beim Embryo der Pulmonaten zu einem Follikel ein- 
stülpen und ihr Protoplasma nur zum Theil in Pigment umwandeln, 
wohl im Stande sind, jede für sich einen Lichteindruck zu empfangen. 

Wie diese verschiedenen Eindrücke dann allerdings gesammelt und 
dem Gehirn übermittelt werden mögen, steht dahin; ob das Thier also 
mit diesen rudimentären Organen wirklich sieht, wissen wir nicht, wir 
wissen dies aber auch nicht von denjenigen Schnecken, deren Augen 
einen Nerv haben, sondern wir vermuthen es bloß. 


II. Das Auge von Haliotis. 


Von seiner philippinischen Reise brachte Professor SEMPER in seiner 
reichhaltigen Sammlung mikroskopischer Präparate Augen von Haliotis 
asinina mit, welche offen waren. Seit vielen Jahren wurden dieselben 


1 CARRIERE, 1. c. Taf. I, Fig. 43 b. 


Über Molluskenaugen mit embryonalem Typus. 465 


in dem Kolleg über allgemeine Zoologie demonstrirt, aber Niemand hatte 
bisher die Verhältnisse bei verwandten Mollusken einer näheren Prüfung 
unterzogen. 

Die Untersuchung dieser eigenthümlich gebauten Organe führte 
mich zunächst zur Entdeckung des offenen Patella-Auges. Als ich zur 
Vergleichung die Augen von Haliotis heranziehen musste, gestattete mir 
mein verehrter Lehrer die Bearbeitung seines gesammelten Materials. 

Obwohl dasselbe nur in Spiritus konservirt war, ließ es dennoch 
eine genaue Untersuchung der Gewebe zu. 

Besser jedoch zeigten sich die feineren Verhältnisse bei den mit 
Chromsäure behandelten Augen von Haliotis tuberculata aus dem Mittel- 
. meer, die meiner Darstellung zunächst zu Grunde liegen werden. 

Das Material hatte ich zum Theil selbst auf den Balearen im Hafen 
von Mahon gesammelt, zum Theil ließ ich es konservirt aus Neapel 
kommen; die besten Augen erhielt ich jedoch von Herrn Dr. v. Kenner, 
der dieselben persönlich in Neapel konservirt hatte. Ausgezeichnete 
Präparate gaben besonders diejenigen Thiere, welche in Chromsäure ab- 
getödtet wurden, der einige Tropfen einer Aprocentigen Überosmium- 
säurelösung zugesetzt waren. 

Die Augen von Haliotis tuberculata sind so groß, dass man sie 
leicht schon am lebenden Thier erkennen kann; sie stehen unterhalb 
der großen Tentakel auf besonderen Augenträgern, welche ausgestreckt 
und eingezogen werden können. Wenn der letztere Fall eintritt, wird 
das Auge jedoch nie verdeckt, wie dies bei den Landpulmonaten und 
den Rückenaugen der Onchidien der Fall ist, sondern bleibt an der 
Spitze des Ommatophors. 

An gut konservirten Sehorganen bemerkt man schon mit unbe- 
wafinetem Auge eine kleine Einsenkung des Augenträgers, welche mit 
einer graulichen Masse ausgefüllt ist, unter welcher das schwarze Pig- 
ment des Auges kugelförmig bindurchschimmert. Auf gut geführten 
Schnitten, die der kleinen Elemente wegen außerordentlich dünn sein 
müssen, sieht man nun, dass auch das Auge von Haliotis aus einem 
offenen Becher besteht, welcher aber von dem aus einer sulzigen Masse 
gebildeten Glaskörper ausgefüllt ist. 

Das Auge von Haliotis tuberculata hat einen Längsdurchmesser von 
0,67 mm und eine Breite von 1,0 mm. Die Öffnung ist durchschnitt- 
lich 0,07 mm breit. | 

Die cylinderförmigen Zellen der Epidermis gehen in derselben 
Weise, wie bei Patella, direkt in die langen, schmalen Zellen der Retina 
über, nur tritt das Pigment noch näher an die Öffnung des Augenbechers 
heran, wie bei dem erstgenannten Mollusk. 


466 Ä ‚Paul Fraisse, 


Die Retinazellen sind alle von gleicher Natur, die vorderen jedoch 
kürzer als die am Fundus stehenden und in Folge dessen auch nicht so 
unverhältnismäßig schmal. 

Die Länge der Zellen variirt zwischen 0, 08 und 0,04 mm; die die 
Öffnung umgebenden Zellen sind jedoch bone kürzen 

Letztere sind fast ganz von Pigment erfüllt, so dass keine Kerne in 
ihnen erkannt werden können. Je mehr sich jedoch die Zellen der Re- 
tina den gewöhnlichen Epidermiszellen nähern, desto deutlicher treten 
wiederum die Kerne zu Tage. 

Die Zellen sind alle außerordentlich schmal, nämlich nur 0,002 bis 
höchstens 0,004 mm breit, und erreichen diesen Durchmesser auch nur 
an den Stellen, an denen die Kerne liegen, welche denselben Durch- 
messer besitzen. Sonst sind sie vollständig fadenförmig und so dicht an 
einander gedrängt, dass man die Retina mit einem außerordentlich 
feinen Kamme vergleichen könnte. Da die Kerne nicht auf gleicher 
Höhe liegen, sondern ganz unregelmäßig in dem letzten unpigmentirten 
Drittel vertheilt sind, so kann man leicht zu der falschen Ansicht kommen, 
dass in den einzelnen Zellen mehrere Kerne vorhanden seien. Selbst 
auf so außerordentlich dünnen Schnitten, wie man sie jetzt mit Hilfe 
des Schlittenmikrotomes und des Lone’schen Messers anzufertigen im 
Stande ist, an denen man nur eine einzige Zellenlage unter dem Mikro- 
skop zu betrachten hat, ist man der Gefahr dieser Täuschung ausge- 
setzt. Da nun GrABEr neuerdings in den Retinazellen einiger Anne- 
liden mehrere Kerne gefunden haben will, so lag die Annahme, dass 
auch bei unserer Haliotis mehrere Kerne in den Zellen vorhanden seien, 
sehr nahe. Als es mir jedoch gelang, einen sehr dünnen Schnitt (circa 
1/10 mm), der die Zellen gerade in ihrer ganzen Länge zeigte, unter 
dem Mikroskope durch leichtes Auftupfen auf das Deckgläschen in der 
Weise zu zerquetschen , dass wenigstens einige Retinazellen gut isolirt 
wurden, erkannte ich ganz unzweifelhaft, dass jeder Zelle nur ein Kern 
zukommt, der etwas länglich gestaltet und von fast homogenem Inhalte 
oftmals sogar bis in die Pigmentschicht hineinreicht. Das Pigment 
nimmt fast zwei Dritttheile der Zelle ein und schließt nach vorn mit 
einem scharfen Saume gegen die Linse zu ab, zugleich das Ende der 
Zellen bildend. 

Ich habe behauptet, dass die Zellen der Retina alle gleichartig seien, 
und glaube zu dieser Behauptung durchaus berechtigt zu sein, obwohl 
man sich durch den ersten Blick auf ein günstiges Präparat fast vom 
Gegentheil überzeugt halten könnte. Die Zellen liegen nämlich, wie 
schon gesagt, so dicht gedrängt, dass leicht die mannigfaltigsten Ver- 
schiebungen und Quetschungen eintreten, welche dann wieder eine ab- 


Über Molluskenaugen mit embryonalem Typus. 467 


weichende Form einzelner Zellen zur Folge haben. Keine dieser Formen 
ist jedoch konstant, und wenn in Fig. 11 die Zellen ihren Kern in der 
Mitte und in Folge dessen auch eine bauchige Auftreibung in der Mitte 
haben, die Zelle c dagegen kolbenförmig ist, da ihr Kern sehr weit 
nach unten sieht, so lässt sich dadurch noch nicht auf eine innere Ver- 
schiedenheit dieser Zellen schließen ; ihre Form kann ganz einfach durch 
die mechanischen Wachsthumsverhältnisse erklärt werden. 


Auf keinen Fall lassen sich in diesem Auge so difficile Verhältnisse 
erkennen, wie sie von HEnsen bei Pteroceras und in den Augen einiger 
Gephalopoden aufgefunden sind, vielmehr bietet die Retina ein fast sche- 
matisch einfaches Bild. 


Von einer Nervenschicht in dem letzten Drittel der Retinazellen 
kann ich ebenfalls nichts erkennen und die Basalmembran ist überflüs- 
sig, da die Enden der Zellen in höchst charakteristischer Weise, wie wir 
sogleich sehen werden, von Nervenfasern und Ganglien umgeben sind. 


Bevor ich jedoch zu diesen Verhältnissen übergehe, möchte ich einen 
Punkt berühren, welchen ich nicht völlig aufklären konnte, da es mir 
nicht möglich war, lebendes Material zu beschaffen. Eshandelt sich näm- 
lich um die Anwesenheit von Stäbchen oder stäbchenähnlichen Gebilden. 

Die Linse besteht, wie ich schon oben erwähnte, aus einer gallert- 
artigen Substanz, welche im Leben glashell ist, im Tode sich jedoch 
trübt und je nach der Behandlung mit verschiedenen Reagentien in der 
verschiedenartigsten Form gerinnen kann. Bei den Chromsäurepräpa- 
raten ist sie gewöhnlich faserig und blasig geronnen, und zwar in der 
Weise, dass, wie ich es in Fig. 2 dargestellt habe, die Fasern radiär 
nach der Retina zu verlaufen. Der an der Öffnung liegende Theil ist 
leicht konvex abgerundet und schließt dieselbe vollständig ab. 


Je mehr sich nun die einzelnen Fäden der Retina nähern, desto 
feiner werden sie und schließlich ragen sie in der Weise an die Retina- 
zellen heran, dass ein kleiner konischer Zwischenraum zwischen ihnen 
bleibt, welcher etwa der Breite einer einzelnen Zelle entspricht. Da die 
Linse sich bei der angegebenen Behandlung mit Pikrokarmin gelblich 


färbt, so sind diese Verhältnisse sehr genau zu erkennen. 

Hier tritt vor Allem die Frage ein, welche ich vorläufig der Zukunft 
zur Entscheidung lassen muss, ob nämlich diese konischen, von der Sub- 
stanz der Linse umgebenen glasigen Theilchen, welche dem oberen Ende 
der Retinazellen aufsitzen, als Stäbchen aufzufassen sind, oder nicht. 

Mir gelang es bei der angegebenen Quetschmethode nicht, Genaues 
zu erkennen, es kann nur die Untersuchung des frischen Materials Ent- 
scheidendes zu Tage fördern. 


468 Paul Fraisse, 


Eine ganz besondere Eigenthümlichkeit des Haliotisauges ist däs 
Verhalten des Nervus opticus. 

Der sehr stark ausgebildete Nervenstrang geht vom Gehirn ab und 
tritt, indem er sich kurz vor dem Auge theilt, in mehreren Ästen än 
dasselbe heran. 

Meistens sind es drei Zweige, oft auch nur zwei; ihre Zahl ist also 
durchaus nicht konstant. 

Vor dem Auge breiten sich nun diese Nervenäste in der Weise aus, 
dass sie das ganze Auge umfassen und direkt mit den Enden der Retina- 
zellen in Verbindung treten, so dass diese in den Nerv wie in ein Polster 
eingesenkt sind. Der Opticus hat schon eine beträchtliche Dicke, 
0,05 mm, und führt eine große Anzahl von Ganglienzellen, die Ansamm- 
lung derselben in der Umgebung des Auges ist jedoch eine noch bedeu- 
tend größere. 

Während man an der Peripherie des. querdurchschnittenen Opticus 
nur kleine Ganglienzellen in großer Anzahl erkennt, treten in den gan- 
glionären Anschwellungen, welche den Bulbus umfassen, auch größere 
Zellen auf, welche die kleinen etwa um den dreifachen Durchmesser 
übertreffen. Diese sind vereinzelt an dem ganzen Rande hin gelagert 
und stets von einer Anzahl kleinerer Ganglienzellen umgeben. 

Der Nervus opticus sowohl wie die erwähnten Anschwellungen 
desselben sind von einer ziemlich starken bindegewebigen Hülle um- 
geben, welche mit vielen kleinen Bindegewebskörperchen versehen ist. 

In der Mitte finden sich nur Nervenfasern ohne Kerne, die Gan-' 
glienzellen sind, wie schon erwähnt, alle randständig. Einen Central- 
kanal konnte ich nicht wahrnehmen. 

Dass der Opticus viele Ganglienzellen führt, steht im Widerspruch 
zu der Betrachtung Sınroru' si, welcher bei den einheimischen Gastro- 
poden gefunden hat, dass der Opticus im Gegensatz zum Fühlernerven 
völlig von Ganglienzellen frei ist. Dagegen findet diese Thatsache eine 
auffallende Analogie bei den Cephalopoden 2 und Heteropoden, hinter 
deren Auge ja ein oft außerordentlich bedeutendes Ganglion auftritt. 
Ich habe mich absichtlich davor gehütet, die Bezeichnung Ganglion für 
diese eigenthümliche Nervenbildung an dem Haliotisauge anzuwenden. 
Es handelt sich meiner Ansicht nach hier nur um eine außergewöhn- 
lich umfangreiche Ausdehnung des Sehnerven und nicht um ein eigent- 


! Über die Sinneswerkzeuge unserer einheimischen Weichthiere. Diese Zeit- 
schrift. Bd. XXVI. p. 244. 


2 Hensen, Über das Auge einiger Cephalopoden. Diese Zeitschrift. Bd, XV. 
Taf. XI. 


3 cf. die Arbeiten von LEUCKART, GEGENBAUR und HENSEN. # 


Über Molluskenaugen mit embryonalem Typus. 469 


liches Ganglion. Es zwingt mich hierzu die Vergleichung der feineren 
Struktur, welche bei beiden Theilen bis auf die vorher erwähnten großen 
Ganglienzellen völlig identisch ist. Außerdem erhalte ich durch die 
Kombination guter Querschnittserien den Eindruck, als wenn der 
Sehnerv sich in gehirnartigen Windungen um das Auge herum- 
este, ohne sich an irgend einer Stelle zu unterbrechen. Aus 
diesen Gründen wähle ich lieber die etwas schwülstige Bezeich- 
nung »ganglionäre Anschwellung«, als das nicht ganz zutreffende Wort 
» Ganglion «. 

Was den ferneren anatomischen Bau des Auges und seiner Um- 
gebung betrifit, so finde ich nichts, was ich den weiteren typischen 
Theilen höher organisirter Augen als analog an die Seite stellen könnte. 

Das Haliotisauge liegt einfach in lockerem Bindegewebe, welches 
hier dieselbe Struktur hat wie an anderen Theilen des Körpers; von 
einer Sclera und anderen das Auge umgebenden Häuten ist hier keine 
Spur zu entdecken. 

Im Großen und Ganzen sind die hier vom Auge der Haliotis tuber- 
culata geschilderten Verhältnisse auch auf das Auge von Haliotis asinina, 
bei welcher Species Semper zuerst die offene Becherform erkannte, zu 
übertragen. 

Der Durchmesser der Augen von H. asinina beträgt nach den Srnm- 
per’schen Präparaten 2,0 mm; die Gestalt derselben ist fast kugelrund, 
die Öffnung aber nicht größer wie bei H. tuberculata. 

Auch hier windet sich der Opticus, nachdem er sich kurz vor dem 
Bulbus in mehrere Äste getheilt hat, in vielfachen Schlingen um das 
Auge herum, hier und da Anschwellungen bildend, die den Durchmesser 
der ursprünglichen Nerven um das Doppelte übertreffen. 

Die Zellen der Retina sind 0,13 mm lang und ebenfalls ganz außer- 
ordentlich schmal ; die obersten zwei Drititheile sind von schwarzem, 
feinkörnigem Pigment angefüllt, welches hier aber nicht mit einem 
scharfen Grenzsaume endigt, sondern vielfach Fortsätze noch in die 
Linse hinein aussendet. 

Kerne habe ich an den ungefärbten Präparaten nicht deutlich er- 
kennen können, zweifle jedoch nicht daran, dass sie in ähnlicher Weise 
angeordnet sein werden, wie bei H. tuberculata. Neben dem schwarzen 
Pigment, welches den oberen Theil der Retinazellen einnimmt, finden 
sich häufig noch größere braune Pigmentkörnchen und Haufen in dem 
untern Theil dieser Zellen, so dass oftmals die Retina völlig dunkel er- 
scheint. 

Über die stäbchenartigen Fortsätze der Retinazellen konnte ich auch 
bei H. asinina nicht recht ins Klare kommen. Es ist zwar ein Saum 


470 Paul Fraisse, 


vorhanden, der, 0,12 mm breit, über der ganzen Retinaschicht liegt und 
eine faserige Struktur zeigt, so dass man sehr an die von Horrmann! be- 
schriebenen Stäbchen im Auge von Nautilus erinnert wird; ich halte 
dieselben eher für den untersten in dieser eigenthümlich streifigen 
Weise geronnenen Theil der Linse, als für Stäbchenfortsätze. 

Der mittlere Theil der Linse ist wiederum blasig geronnen, die 
Öffnung der Blase wird durch dieselbe wie von einem Pfropf vollständig 
ausgefüllt. 

Eigenthümlich ist es, dass mitunter mitten in der Linse Pigment- 
flecke vorkommen, welche jedoch wahrscheinlich durch die Konser- 
virungsmethode dorthin geschwemmte Theile des Retinapigmentes sind. 

Eine Umhüllungsmembran ist hier eben so wenig vorhanden wie 
bei H. tuberculata. 


III. Das Auge von Fissurella. 


Wie wunderbar verschieden oft die anatomischen Verhältnisse nahe 
verwandter Thiere sein können, davon giebt das jetzt zu betrachtende 
Sinnesorgan ein recht frappantes Beispiel. 

Bei Fissurella und zwar F. rosea fand Brren ? schon im Jahr 1867 
eben so wie bei Margerita grönlandica eine Öffnung im Bulbus, durch 
welche man zum freiliegenden Glaskörper gelangen konnte. | 


i Über die Stäbchen in der Retina des Nautilus. Niederl. Archiv für Zoologie. 
Bd. 1. p. 180. Taf. XIII, Fig. A b. 

2 Phidiana lynceus og Ismaila monstrosa ved. Ruv. Bercn (Videnskabelige Med- 
delelser fra den naturhistoriske Forening i Kjobenhavn for Aaret. 1866. Nr. 7—9, 
p. 140. Anm. Det virkelige Öie sees hos Margariterne (M. grönlandica, Ch,; M. stri- 
ata, Brod. & Sow.; M. helicina, Phipps) som en sort Prik skinne igjennem Spidsen 
af Ophthalmophoriet; paa denne Prik sees, fordetmeste mere udadtil, et lille aflangt 
Hul, som snart var större, snart mindre og ved Tryk lod sig udvide (Tab. IV A, Fig. 
16, A7). Indenfor samme fandtes ingen Lindse og, som det syntes, heller intet Glas- 
legeme. Hos den lille Fissurella rosea (Lmk.) syntes der at vaere en lignende Aab- 
ning paa Öiet tilstede som hos Margariterne. Mangel paa tilstraekkeligt Materiaie 
o. a Omslaendigheder tillode mig ikke at undersöge de herhenhörende Forhold hos 
andre Aspidobranchier (Rhipidoglosser). — Öiet vilde altsaa, dersom dette bekraef- 
ter sig, frembyde den samme maerkelige Bygning uden dioptrisk Apparat som den, 
der nu med tilstraekkelig Sikkerhed er paaviist hos Nautilerne. Under alle Omstaen- 
digheder vil det herefter vaere af ikke ringe Interesse at iagttage Udviklingen af 
Oiet hos Margariterne, og denne vil maaskee kunne kaste Lys over Udviklingsfor- 
holdene af dette Organ hos Molluskerne i det Hele, og muligviis vil det da vise sig, 
at der ogsaa hos denne Klasse under Öiets Dannelse skeer en Indkraengning fra Hud- 
bladet, saaledes som C. SEmpER ogsaa synes at have iagitaget det hos en Landpul- 
monat fra Phillippinerne (sml. Hensen, Über den Bau des Schneckenauges. Arch. f. 
mikroskopische Anatomie. II. 1866). 


Über Molluskenaugen mit embryonalem Typus. 471 


M. Braun ! machte auf der Naturforscherversammlung in Baden- 
Baden 1879 die Mittheilung, dass er ebenfalls bei Fissurella offene Augen 
gesehen habe, jedoch fehlt hier leider die Angabe der Species. Mir 
standen nun leider nur zwei Species von Fissurella aus dem Mittelmeer 
zur Verfügung, nämlich Fissurella costata und Fissurella graeca; bei 
beiden ist das Auge vollständig geschlossen, nähert sich jedoch in 
anderer Beziehung den eben beschriebenen Sehorganen ganz auber- 
ordentlich. 

Das Auge von F. graeca liegt dicht unter der 0,3 mm breiten Epi- 
dermis, jedoch so, dass die Zellen der CGornea nicht an die Epithelzellen 
anstoßen, sondern durch eine kleine Bindegewebsschicht von denselben 
getrennt sind. Diese Bindegewebsschicht ist verschieden dick, oft nur 
wenige Zelllagen breit, häufiger jedoch so stark, dass das Auge 
1,1 mm weit von der Epidermis entfernt liegt. 

Das Auge (Fig. 3), welches einen Durchmesser von 0,3—0,5 mm 
hat, ist fast kugelrund, selten etwas seitlich komprimirt, so dass es dann 
eine birnförmige Gestalt erhält. 

Eine Verbindung der Retina mit den Epidermiszellen ist natürlich 
an diesem völlig geschlossenen Augenfollikel nicht wahrzunehmen, je- 
doch kann kein Zweifel daran gehegt werden, dass auch bei Fissurella 
nach Analogien der vorher besprochenen Sinnesorgane die Retina aus 
umgewandelten Epidermiszellen besteht. Die Retinazellen sind wieder- 
um am Fundus des Auges am längsten, nämlich 0,05 mm lang, sie ver- 
kürzen sich an den Seiten und werden an dem oberen der Epidermis 
direkt zugekehrten Theile vollständig glatt, wie dies von den Augen der 
Landpulmonaten ? bereits bekannt ist. Obgleich ich ebenfalls sehr großes 
Bedenken trage die bei den Wirbelthieren angewandte Nomenklatur auf 
die Augen der Wirbellosen zu übertragen, so glaube ich, dass man hier 
am wenigsten Anstoß erregen wird, wenn man mit Sınroru und Andern 
diesen Theil als Gornea bezeichnet. 

Freilich liegen bei Fissurella die Verhältnisse etwas anders, wie z.B. 
bei Helix pomatia, denn das Auge liegt hier tiefer und das Epithel des 
Augenträgers ist über dem Auge und der Cornea fast gar nicht abge- 
plattet, sondern besteht aus den gewöhnlichen langen cylinderförmigen 
Zellen; nur die Schleimzellen mangeln dieser Stelle. 

Die Retinazellen (Fig. 12) sind bei F. graeca deutlich in zwei ver- 
schiedene Gruppen gesondert. Die einen sind lang und an ihrem unte- 
ren Ende außerordentlich schmal, ihr 0,008 mm langer und 0,003 mm 


1 Amtlicher Bericht 1879. Sitzung der Zoolog. Sektion v. 19. September. 
2 Sımroru, Über die Sinnesorgane der einheimischen Weichthiere. Diese Zeit- 
schrift. Bd. XXVI. p. 240 ff. Taf. XV, Fig. 10 b. 


ATI | Paul Fraisse, 


breiter Kern liegt gerade in der Mitte der Zellen, welche sich nach der 
Linse zu becherförmig erweitern und im obersten Drittel mit schwarzem 
feinkörnigen Pigment erfüllt sind, welches an dem inneren Retinarand 
eine scharfe Linie bildet. Dazwischen lagern andere dickere Zellen von 
0,04 mm Breite, welche die Lücken zwischen den schmalen Stielen der 
langen Zellen genau ausfüllen. Ihr Kern ist 0,008 mm breit und kugel- 
rund, der Inhalt desselben gekörnelt und zwar in viel gröberer Weise 
wie bei den oben beschriebenen langen Kernen. 

Der sonstige Inhalt dieser breiten Basalzellen ist homogen. Pigment 
scheint in ihnen nicht vorhanden zu sein, ihre zwischen dem breiten 
Kopfiheil der Pigmentzellen hindurchgehenden spitzen Ausläufer wären 
auch viel zu schmal, als dass die Pigmentansammlung in denselben einen 
Zweck haben könnte. 

Es war mir leider nicht möglich die Verbindung der Retinazellen 
mit dem N. opticus genau nachzuweisen, denn obgleich auch bei F. 
graeca der N. opticus sich in ähnlicher Weise um das Auge herum aus- 
breitet wie bei Haliotis, ist hier doch eine Basalmembran vorhanden, die 
die Retinazellen von den Nervenwindungen trennt. 

Ich habe mir aus meinen Präparaten eine Ansicht gebildet, die mir 
vorläufig noch die beste Erklärung für diese doppelte Zellenlage zu ge- 
ben schien: > 

Betrachten wir noch einmal das Auge von Haliotis, so sehen wir 
von dem innern Rande der Retina Fasern ausgehen, welche in den 
Glaskörper, resp. in die Linse, verlaufen; hierdurch wird eine eigen- 
thümliche Streifung hervorgerufen, die leicht das Bild vom Stäbchen 
vortäuscht. 

Bei Fissurella haben wir nun ganz ähnliche Verhältnisse ; auch hier 
gehen zwischen zwei langen Pigmentzellen Fäserchen ab, welche sich 
innerhalb des Glaskörpers verlieren. Zwischen diesen bleibt wiederum 
ein konischer Theil über jeder Pigmentzelle frei, so dass dasselbe Bus 
hervorgerufen wird, wie bei Haliotis. 

Ich halte detnindien die dicken Basalzellen nicht bloß 
für Stützzellen der eigentlichen Retinazellen, sondern 
für diejenigen Organe, von denen der Glaskörper, resp. 
dieLinse, abgesondert wird, während diePigmentzellen, 
meiner Ansicht nach, allein als Endapparate desN. op- 
ticus fungiren. 

Ich brauchte so eben die Bezeichnung Glaskörper und Linse, und 
glaube auch durch die Darstellung der eigenthümlichen Verhältnisse bei 
Fissurella im Stande zu sein, die sich noch immer um diese Worte dre- 
henden Streitfragen in gewisser Beziehung beilegen zu können. 


Über Molluskenaugen mit embryonalem Typus. 473 


Alle Linsen bei den Cephalophoren, mit alleiniger Ausnahme der 
Rückenaugen von Onchidium, sind unbedingt reine Guticularbildun- 
gen. Es ist dies auch schon von fast allen Forschern anerkannt worden 
und ich glaube, dass auch Leynpıe !, der bei Paludina die Verhältnisse 
anders darstellte, sich zu dieser Ansicht bekehrt hat. 

Eben so ist der Glaskörper bei den Mollusken ein cuticulares Ge- 
bilde, jedoch wie aus der Hensen’schen Beschreibung der Verhältnisse 
bei einigen Prosobranchiern ? hervorgeht, von der Linse scharf getrennt. 
Ich halte nun Glaskörper und Linse bei den Mollusken im Allgemeinen, 
im Besonderen aber bei Fissurella für identisch. 

Auch bei Fissurella gerinnt der Inhalt des Auges bei Behandlung 
mit erhärtenden Flüssigkeiten in doppelter Weise; der innere hier völlig 
kugelige Theil wird zu einer festen, homogenen Masse, die sehr brüchig 
ist und unter dem Messer in viele Splitter zerspringt, während der 
äußere Theil dagegen, wie schon gesagt, in faseriger Form gerinnt. 
Beide Gerinnungsprodukte sind scharf von einander getrennt und färben 
sich auch verschiedenartig durch Pikrokarmin. Der innere runde Theil, 
die Linse, wird in der Mitte gelb, am Rande und in den Bruchspalten 
dunkelroth; der faserige Theil, der Glaskörper, wird schwach rosa 
gefärbt. 

Trotz dieser verschiedenen Färbung nun glaube ich, beide Theile 
dennoch als homolog auffassen zu können, da die Vergleichung mit Ha- 
liotis zeigt, dass hier ähnliche Verhältnisse schon in Bildung begriffen 
sind. Auch hier ist der mittlere Theil von anderer Beschaffenheit wie 
der Randtheil, aber die beiden Zonen gehen noch unmerklich in ein- 
ander über. 

Es wird also meiner Ansicht nach von dem jugend- 
lichen AugebeiFissurelladurch dieselben Zellen zuerst 
die Linse abgesondert, und nachdem dieselbe genügend 
groß ist, der sogenannte Glaskörper gebildet, in wel- 
chem die Linse eingebettet liegt. 

Das Verhalten des N. opticus ist fast wie bei Haliotis, nur theilt 
sich der Sehnerv nicht vor dem Bulbus, sondern geht als geschlossener, 
0,5 mm starker Strang in vielfachen Windungen an das Auge heran. 
In mannigfachen Ausläufern, die ebenfalls viele Kleine Ganglienzellen 
enthalten, umgiebt er die Augenblase, nur den oberen Theil, die soge- 
nannte Cornea, freilassend. Auch hier fehlt eine eigentliche Sclera; 


! Über Paludina vivipara. Diese Zeitschrift. Bd. II. 1850. 
2 HENSEN, Über den Bau des Schneckenauges. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. 
II. p. 399 ff. 


474 Paul Fraisse, 


dieselbe wird vielmehr durch die ganglionäre Anschwellung des Seh- 
nerven ersetzt. 

Eine eigenthümliche Bildung muss ich noch erwähnen, die ich mehr- 
fach bei den Augen von Fissurella, einige Male aber auch bei Haliotis 
tuberculata antraf, — es bilden sich nämlich mitunter kleine Neben- 
augen, welche durch cystenartige Einstülpung der Retina entstehen. 
Wir erhalten dadurch ein Bild, wie es Carrısre! bei der Regeneration 
der Schneckenaugen wiederholt beobachtet hat. 

Es sind entschieden abnorme Bildungen, mit denen wir es hier zu 
thun haben, aber man sieht gerade hieran, welche außerordentlich in- 
tensiven Wachsthumsverhältnisse im Auge dieser Meeresschnecken statt- 
finden. 

Von Fissurella costata erhielt ich nie so deutliche und wohlerhal- 
iene Präparate; ich füge desshalb nur an, dass das Auge auch bei dieser 
Species unbedingt vollständig geschlossen istund dass die Maßverhältnisse 
im Grossen und Ganzen dieselben sind, wie die oben beschriebenen. 


Resume. 


Betrachten wir die soeben beschriebenen Sinnesorgane noch ein- 
mal, indem wir sie unter einander und mit den Augen anderer Thiere 
vergleichen, so finden wir, dass das Auge von Patella auf der allernie- 
drigsten Stufe der Sinnesorgane steht, wenn man es überhaupt als sol- 
ches betrachten kann. 

Da wir jedoch durch die Mittheilungen Senrer’s, welche dann Hrnsen, 
BOBRETZKY, SIMROTH und CARRIERE weiter verwerthet haben, wissen, dass, 
wie schon gesagt, das Molluskenauge sich durch eine Einstülpung des 
Ektoderms bildet, da wir ferner wissen, dass der Nerv erst in späteren 
Entwicklungsstadien zu der Retina hinzutritt, so glaube ich wiederholt 
meine Ansicht dahin aussprechen zu müssen, dass das problema- 
tische Organ von Patella ein Puylosenatish entstehen- 
des Auge darstelle. 

Als nächster Verwandte von Patella wird nun seit längerer Zeit 
Chiton aufgefasst, der, wie ich mich an mannigfachen Schnittserien 
überzeugen konnte, im erwachsenen Stadium keine Augen besitzt, ob- 
gleich die Larve nach Lov£n Augenpunkte haben soll. Da höchst wahr- 
scheinlich Chiton?2 den Würmern (Neomenia und Chaetoderma) von 
allen Mollusken am nächsten steht, so wäre hierin schon ein bedeuten- 
der Beweis für die Wahrscheinlichkeit meiner Theorie geliefert. 


1 ]. ce. Tat. IT, Big. 22. 
2 Verg]. v. Inerıng, Monographie des Nervensystems der Mollusken. 


Über Molluskenaugen mit embryonalem Typus. 475 


“Nun sind nach der andern aufsteigenden Weise hin Haliotis und 
Fissurella sehr nahe verwandt mit Patella; und gerade bei diesen 
Schnecken finden sich auch, wie wir gesehen haben, die bereits etwas 
höher organisirten Augen, während Trochus und Turbo, welche man mit 
diesen unter der Sektion der Kammkiemer (Ctenobranchia) vereinigt, 
bereits Sehorgane besitzen, welche in nichts von dem Typus, wie er 
gewöhnlich bei Mollusken vorkommt, abweichen. 

Suchen wir nach Analogien bei anderen Thieren, so treffen wir 
offene Augen noch bei anderen Mollusken und zwar bei Nautilus, wo 
sie bereits durch Owen und VALENCIENNES entdeckt, durch HEnsen! jedoch 
zuerst genauer beschrieben wurden, und bei Margarita groenlan- 
dica, bei der sie Bereu zuerst auffand. 

Nun repräsentirt aber Nautilus ebenfalls eine Übergangsstufe zu 
den höher organisirten Cephalopoden, welche ebenfalls sämmtlich ge- 
schlossene und hoch ausgebildete Augen besitzen. 

Wie es sich mit Margarita verhält, ist mir allerdings nicht ganz 
klar, da ich nicht im Stande bin, der in dänischer Sprache geschriebe- 
nen Abhandlung Beren's vollständig zu folgen. 

Wir wissen ferner, dass unter den Würmern, und zwar den Blut- 
egeln, eigenthümliche Sinnesorgane auftreten, die von Lrypig zuerst als 
Augen, von Ranke ? als Übergangssinnesorgane angesehen werden. 

Diese am Kopfe der Hirudineen stehenden Organe sind ebenfalls 
offene Becher, ihr Lumen ist jedoch nicht von einer Guticularausschei- 
dung eingenommen, sondern von großen eigenthümlich gebauten Zellen, 
zu denen ein deutlicher Nerv herantritt. Dass wir es hier ebenfalls mit 
einem in Bildung begriffenen Auge zu thun haben, unterliegt keinem 
Zweifel, nur ist dasselbe wiederum nach einem ganz anderen Typus 
angelegt. Die Analogie mit den eben beschriebenen Molluskenaugen be- 
schränkt sich darauf, dass dieser Sinnesbecher sich ebenfalls durch eine 
Einstülpung von Ektodermzellen bildet. — 

Was die von mir angewandte Nomenklatur betrifft, so habe ich 
mich zum Theil an meine Vorgänger gehalten, zum Theil bin ich 
davon einigermaßen abgewichen, hauptsächlich aus dem Grunde, weil 
die bisher gebräuchlichen Bezeichnungen der verschiedenen Schichten 
von den Wirbelthieraugen entlehnt sind und leicht den Gedanken er- 
regen können, man habe es hier mit homologen Geweben zu thun. 
Auch das Wort Retina hätte ich gern verbannt und dafür die Bezeich- 


i Über das Auge einigerCephalopoden. Diese Zeitschr. Bd. XV. p. 203. Taf. XIX, 
Fig. 71—81 und Taf. XX, Fig. 82—84. 

2 Beiträge zu der Lehre von den Übergangs-Sinnesorganen etc. Diese Zeit- 
schrift. Bd. XXV. p. 143 ff, Taf. X. 


476 Paul Fraisse, 


nung »Stäbchenzellen« gebraucht, wenn ich nicht gefürchtet hätte, auch 
hierdurch wieder falsche Vorstellungen zu erwecken. 

Diejenigen Zellen, welche als lichtpercipirende Organe aufgefasst 
werden können, sind gerade bei den beschriebenen Mollusken sehr 
charakteristisch gebaut; was hier fast schematisch klar liegt, findet sich 
aber mehr oder weniger deutlich auch bei anderen Molluskenaugen, 
besonders bei den Helicinen. Die sogenannte Retina besteht, wie wohl 
jetzt als definitiv sicher angenommen werden kann, aus einer Reihe 
länglicher Zellen, deren vorderer Theil von schwarzem Pigment ange- 
füllt ist. 

Dieses Pigment ist nun mehr oder minder randständig, so dass in 
der Mitte auf dünnen Querschnitten ein unpigmentirter cylinderförmiger 
Kanal bleibt, der direkt in den unpigmentirten Theil der Zelle übergeht 
(Fig. 9 und 13). 

Es wäre vielleicht nicht unfruchtbar diese Zellen mit den Stäbchen 
des Arthropodenauges zu vergleichen, da man es ja, wenn man den 
Cuticularsaum des Patella-Auges mit in Betracht zieht, fast mit homo- 
logen Bildungen zu thun hat. 


Leipzig, im Oktober 1880. 


Über Molluskenaugen mit embryonalem Typus. 477 


_ Erklärung der Abbildungen. 


Tafel XXV und XXVI 


Fig. 1. Augen von Patella coerulea, stark vergrößerter Längsschnitt. E, Epider- 
mis, C, Cuticula, F, faseriges Bindegewebe (Cutis), Bg, lockeres Bindegewebe, R, 
Retina, 08, obere Schicht (Cuticularsaum), P, Pigment. 

Fig. 2. Auge von Haliotis tuberculata, Längsschnitt. R, Retina, N, ganglionäre 
Anschwellung des Sehnerven. 

-Fig. 3. Auge von Fissurella graeca. R, Retina, @, Glaskörper, L, Linse, N, gan- 
glionäre Anschwellung des Sehnerven, O, Nervus opticus. 

Fig. 4. Schematische Darstellung eines Längsschnittes durch das Auge von 
Patella. 

Fig. 5. Desgl. von Haliotis tuberculata. 

Fig. 6. Desgl. von Fissurella graeca. Buchstabenbezeichnung wie oben. 

Fig. 7. Retinazellen von Haliotis asinina. 

Fig. 8. Querschnitt durch den unpigmentirten Theil der Retinazellen von Fis- 
surella graeca. AR, eigentliche Retinazellen mit dunkel gefärbten Kernen, S, Stütz- 
zellen. | 

Fig. 9. Längsschnitt durch den Fühler von Patella coerulea. A, Auge, Gl, Fühler- 
ganglion mit dem Fühlernerven. 

Fig. 10. Schematische Darstellung einer Stäbchenzelle von Patella coerulea. N, 
Nucleus, a, unpigmentirte Schicht, d, Pigmentschicht, c, Cuticularsaum, d, Fäser- 
chen. 

Fig. 44. Querschnitt durch einige Retinazellen von Patella coerulea. (Das Pigment 
ist wandständig angeordnet.) 

Fig. 12. Einige Retinazellen von Patella coerulea im Zusammenhange. 

Fig. 13. Desgl. von Haliotis tuberculata. N, Nerv, a, bandförmige Zelle mit 
mittlerer Anschwellung, c, kolbenförmige Zelle, d, normale Form. 

Fig. 44. Retinazellen von Fissurella graeca. R, Pigmentzellen, P, Pigment, Z, 
Stützzellen. 

. Fig. 45. Querschnitt durch den pigmentirten Theil der Zellen von Fissurella 
graeca. 

Fig. 16. Querschnitt durch den pigmentirten Theil von Haliotis tuberculata. 


Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV.Bd. 32 


Die Eiweilsdrüsen der Amphibien und Vögel. 


Von 


Dr. phil. Paul Arno Loos in Leipzig. 


Mit Tafel XXVIL. 


Einleitung. 

Die Literatur über die Eiweißdrüsen, resp. Eileiter der nackten 
Amphibien, ist eine sehr spärliche. Ich kenne darüber eigentlich nur 
zwei Arbeiten, die eine von Börteuer: »Über den Bau und die Quellungs- 
fähigkeit der Froscheileiter «! und die von Neumann und GrUNAU gemein- 
schaftlich ausgeführte : »Die Drüsen der Froscheileiter «2. | 

Nach Börrtcner’s Untersuchungen bestehen die Drüsen aus drei 
Schichten, einer äußeren Bindegewebslage, einer mittleren Drüsenzellen- 
schicht und einer inneren Flimmerzellenschicht. Sie bilden ein System 
dichtgedrängter Schläuche, die senkrecht auf die sie nach außen hin 
begrenzende Eileiterwand gestellt sind. Die Drüsenzellen sind in ein- 
facher Schicht neben einander gruppirt und enthalten in sich einen un- 
regelmäßig begrenzten Kern. Bei stärkerer Vergrößerung zerfällt der 
Inhalt der Zelle in lauter polygonale Körperchen, deren Centrum von 
einem Pünktchen eingenommen wird, so dass ein einzelnes Partikel- 
chen einer Zelle nicht unähnlich ist. Zwischen den Drüsenschläuchen 
ziehen sich Blutgefäße hindurch, die meist mit Blutkörperchen angefüllt 
sind. Was BörrcHer über den Bau des Eileiters mittheilt, beschränkt 
sich lediglich auf die gröbsten Verhältnisse. Überdies ist deutlich aus 
seiner Arbeit zu ersehen, dass er frische Eileiter gar nicht untersucht 
hat, sonst würde er erwähnt haben, dass die polygonalen, zellenähn- 
lichen Gebilde erst nachträglich in der Drüsenzelle entstehen. 

Näher auf den feineren Bau der Drüsen gehen Nrumann und GRUNAU 
ein, und sie konnten dies eben nur durch Untersuchung frischer Ob- 


! Vırcuow’s Archiv. Bd. XXXVI. 
2 Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. XI. 


Die Eiweißdrüsen der Amphibien und Vögel. 479 


jekte. An einem in humor aqueus untersuchten Zerzupfungspräparate 
entdeckten NEumann und Grunau eigenthümliche kleine kugelige Körper- 
chen, die in großer Zahl die Zusatzflüssigkeit durchsetzen; sie sind 
nichts als ausgetretener Zellinhalt und erscheinen eniweder isolirt oder 
zu Gruppen verschiedener Größe vereinigt. In den entwickelteren Tuben 
sind sie größer als in weniger ausgebildeten, dabei aber weniger licht- 
brechend und mit einem hellen Pünktchen in ihrem Centrum versehen. 
Diese sogenannten Colloidkügelchen sind es, welche die ungeheure 
Quellungsfähigkeit bedingen. Eine Membran hat Nrumann nie direkt 
wahrgenommen, wohl aber scheint eine solche vorhanden zu sein. Nach 
Behandlung mit Mürzzr’scher Flüssigkeit verschwinden die Colloidkügel- 
chen vollständig. Im Umfange des Kernes erscheint etwas glänzendes 
Protoplasma als schmaler Hof, von dessen Peripherie Strahlen ausgehen, 
die unter sich ein Netz zu bilden scheinen. Eigenthümlich ist (nach 
beiden Verfassern) das Verhalten der Zellmembran, indem diese von 
einer kreisrunden scharfen Öffnung durchbrochen ist, so dass man die 
Zelle als Becherzelle betrachten darf. Unter solchen Umständen er- 
scheint es Neumann auch begreiflich, wesshalb die einzelnen Zellen bei 
der Quellung nur so wenig Volumzunahme zeigen. Nachdem die Ab- 
sonderung vor sich gegangen, verfallen die Zellen einer fettigen Degene- 
ration. 

Ehe ich zur specielleren Darstellung meiner Untersuchung über- 
gehe, sei es mir gestattet in kurzen Zügen noch die Grundlagen zu 
entwickeln, welche für die Beurtheilung der Ansichten zu berücksich- 
tigen sind, die ich auf Grund meiner Beobachtungen allmählich ge- 
wonnen habe. 

Es ist bekannt, dass Scawann und ScHLEIDEN die ersten waren, 
welche überhaupt die Natur und physiologische Bedeutung der Zelle für 
jeden Organismus erkannten. Im Anschluss an die Auffassung der 
Botaniker betrachtete man Zellmembran, Zellinhalt, Kern und Kern- 
körperchen als wesentliche und nothwendige Attribute auch für die 
ihierische Zelle. Diese Ansicht hat lange die Wissenschaft beherrscht, 
bis man mehr und mehr auf Widersprüche gerieth. Dass der Begriff zu 
eng gefasst war, fühlte man wohl, und sicherlich wäre der Zwang dieses 
Schemas längst abgeschüttelt worden, hätte nicht der Einfluss der Ent- 
decker der Zelle so lange fortgewirkt. Im Laufe der Zeit wurde dar- 
gethan, dass es Zellen giebt, die ohne Membran fungiren, dass anderen 
Kernkörperchen, manchen sogar Kerne fehlen, und im Gegensatze dazu 
beobachtete man Zellen, die bedeutend komplicirter gebaut waren, als 
man der Theorie nach hätte vermuthen sollen. Schließlich gewann 
man die Überzeugung, dass das Plasma der wichtigste Theil der Zelle 

32* 


480 Paul Arno Loos, 


sei, dass im Plasma der eigentliche Sitz der Bewegung und des Lebens 
sich finde. 

Die Thatsache, dass wir zwar organische Substanzen künstlich 
darstellen können, die mit solchen, von der Natur gebildeten vollkommen 
gleiche chemische Molekularzusammensetzung besitzen, aber dennoch 
keine Spur von Leben zeigen, nöthigt Brücke zu dem Schlusse, dass in 
der lebenden organischen Substanz und speciell im Plasma der Zelle 
außer der chemischen Struktur noch eine andere, die » Organisation der 
Zelle« vorhanden sein müsse, an die die Lebenserscheinungen ge- 
knüpft sind !. 

Was Brücke hier logisch erschlossen, sollte sich denn bald durch 
Thatsachen bewahrheiten. KLEInENBERG war der erste, welcher diese 
Organisation im Kerne des Hydra-Eies in Gestalt eines Netzes positiv 
nachwies. Im Jahre 1876 machte Fremming ähnliche Erfahrungen an 
Muscheleiern, die dann durch O. Herrwis und van BENEDEN bestätigt 
wurden unter Hinzufügung neuer Funde an Echinodermen und Säuge- 
thieren. An diese Mittheilungen schließt sich noch eine Reihe neuerer 
Untersuchungen, von denen hier besonders die von HEITZmann ?, FLEM- 
MInG und Cnaun berücksichtigt werden sollen. 

Die Beobachtung der Amöben ergab, dass das Plasma feingranulirt 
und von netzförmig ausgebreiteten Strängen durchsetzt ist, zwischen 
denen Vacuolen sich finden. Während am lebenden Thiere diese Vacuo- 
len unter den Augen des Beobachters entstehen, wiederum unsichtbar 
werden, um an anderen Orten aufzutauchen, tritt bei Zusatz von destil- 
lirtem Wasser eine vollständige Starre ein; mehrere kleinere Vacuolen 
drängen sich zu einer größeren zusammen, die dann eine buckelförmige 
Auftreibung bedingt. Von ganz besonderer Wichtigkeit sind die Beob- 
achtungen über das Verhalten der weißen Blutkörperchen. Zunächst 
als ein homogenes Klümpchen erscheinend, verändert sich die Zelle bei 
Einwirkung gewisser Reagentien in ganz sonderbarer Weise: Bei einer 
Temperaturerhöhung von 30—35° werden »im Centrum des Klümp- 
chens ein oder zwei mattgraue, opake, homogene Körper sichtbar. Von 
jedem dieser Körper gehen radiäre konische Speichen aus, die sich in 
den Nachbarkörper einsenken, und da wo sie gegen die Peripherie des 
Klümpchens hin gerichtet sind, in ein Maschenwerk übergehen, welches 
den ganzen Leib des Klümpchens durchsetzt und dessen Knotenpunkte 
als leichte Verdickungen oder Körnchen erscheinen lässt. Der centrale 
Körper, die Speichen und deren Verdickungen zeigen ein völlig gleiches 


1 BRÜCKE, »Elementarorganismen «. 
2 HEITZMANN, Untersuchungen über das Protoplasma. 68. Bd. der Sitzungsber, 
der k. Akad. der W. III, Abth. 


Die Eiweißdrüsen der Amphibien und Vögel. 481 


optisches Verhalten; die Maschenräume hingegen machen den Eindruck 
heller strukturloser Felder«. HEıtzmann zieht aus seinen Beobachtungen 
den Schluss: »Das Kernkörperchen, der Kern, die Körnchen mit ihren 
Fädchen sind die eigentliche lebendige kontraktile Materie, diese feste 
Materie ist eingelagert und aufgespannt in einer nicht lebendigen, nicht 
kontraktilen Flüssigkeit. Mit anderen Worten: Die kontraktile Materie 
enthält in Maschenräumen und umschließt als Schale eine nicht kontrak- 
tile flüssige Materie, welch letztere aber, wie die Diffusionserscheinungen 
beweisen, nicht reines Wasser sein kann.« 

Fremming’s »Beobachtung über die Beschaffenheit des Zellkernes « 
geht, wie schon der Titel andeutet, mehr auf die Struktur des Kernes 
ein. Da ich aber auch hierzu einige Beobachtungen hinzuzufügen habe, 
erlaube ich mir, Folgendes hervorzuheben. Fıemmins machte seine 
Untersuchungen an den Epithelzellen der Harnblase des Salamanders. 
Nach Behandlung mit 40procentiger Essigsäure tritt in denselben ein 
deutliches Netz hervor, welches mit der Kernwand in Zusammenhang 
steht. Kernkörper und Nebenkernkörper sind darin nur bisweilen zu 
sehen, deutlicher werden solche bei Glycerinzusatz und ganz besonders 
durch Färbung mit Hämatoxylin, welch letztere Methode überhaupt das 
Gerüst sehr vortheilhaft hervortreten lässt. Wasser macht die Kerne 
quellen, zerstört die Gerüste. Fremnng hat die Angabe Herrwie’s, dass 
das Plasmanetz mit dem Kernnetze durch Poren der Kernmembran in 
direkter Verbindung stehe, nicht bestätigen können ; er glaubt im Gegen- 
theile gesehen zu haben, dass das Kernnetz sich ganz anders gegen 
Reagentien verhalte als das Plasmanetz. Cuuni schließlich, den ich zu- 
letzt hier erwähne, fand in dem Ektoderm der CGtenophoren (speciell der 
Cestiden) Zellen, die einen ganz ähnlichen Bau aufweisen, wie die 
Heıtzmann’schen Blutkörperchen. 

Auf einem gewissen Entwicklungsstadium sind die betreffenden 
Zellen erfüllt von einer trübkörnigen und einer helleren plasmatischen 
Substanz. Bei fortschreitender Entwicklung beginnen rasch die hellen 
Massen des Plasmas zu großen Vacuolen zusammenzufließen, die bald 
durch enges Aneinanderpressen eine polyedrische Gestalt annehmen 
und zu soliden, das Licht stark brechenden Schollen erstarren. Der 
trübkörnige Inhalt der Zelle erfüllt nach Cuun den Raum zwischen den 
hellen Ballen als strangförmig verästelte Masse. Das Stadium, in welchem 
die stark lichtbrechende Vacuolensubstanz noch in vollkommen runden 
Körnern erscheint, bezeichnet Cuun mit dem Namen Körnerzellen. Die 
Kerne, noch vollkommen rund, zeigen ein kleines glänzendes Kern- 


! Die Ctenophoren des Golfes von Neapel und der neu nun Meeresab- 
schnitte. Leipzig 4880. p. 151 und 454. 


489 Paul Arno Loos, 


körperchen. Indem die Körner, welche meist eine ziemlich starke 
äußere Randzone differenzirt haben, an Größe zunehmen, pressen sie 
das zwischenliegende Plasma nebst dem noch unveränderten Kern auf 
ein äußerst feines Netz zusammen. Auch der Kern wird schließlich ge- 
presst, so dass es scheint, als strahlen die Netzfäden von demselben aus; 
Caun nennt die Zellen auf diesem Stadium Glanzzellen, Körnerzellen 
wie Glanzzellen sind nach ihm principiell dasselbe, und nur durch 
anderen Wassergehalt des Protoplasmas verschieden. 

Charakteristisch für die eben besprochenen Zellstrukturen ist der 
Umstand, dass eine strenge Scheidung von Plasmanetz und von in ihm 
eingeschlossener Substanz hervortritt. Letztere kann aber verschieden 
modificirt erscheinen; in den Blutkörperchen ist diese Zwischensubstanz 
nach Hrırzmann ein leichtflüssiges Liquidum, dem Zellwasser ent- 
‚sprechend, während sie in den Glanzzellen zu festen Schollen erstarrt. 
Der Grund dieser Erscheinung ist jedenfalls in einer verschiedenen che- 
mischen Zusammensetzung zu suchen. Wie Hrırzmann zeigte, ist die 
Zwischensubstanz für das Wesen der Zelle von untergeordneter Be- 
deutung, daher wird eine Verschiedenheit in der chemischen Konstitu- 
tion derselben auf das Princip, nach welchem die Zelle gebaut ist, nicht 
von Einfluss sein können. 


Bau der Eiweißdrüsen bei nackten Amphibien. 


Bei der Darstellung meiner Untersuchung darf ich wohl die Be- 
merkung vorausschicken, dass ich bereits zum Abschluss gekommen 
war, als mir Börtcaer’s und Neumann’s Arbeiten bekannt wurden. Die 
Objekte, an denen ich die Untersuchung begann, waren Kröten. Ende 
März erhielt ich das erste Individuum, welches kurz vor der Ab- 
sonderung des Eiweißes stand; Mitte April fand ich zwei Exemplare 
gerade beim Akte der Eiablage, während später gesammelte Thiere 
verschiedene Stadien der Regeneration und Neubildung der Drüsen 
zeigten. 

Sämmtliche Eileiter behandelte ich zum Theil mit Mürrer’scher 
Flüssigkeit, zum Theil mit 1/,—!/,procentiger Chromsäure, dann mit ab- 
solutem Alkohol. Bedeutende Schrumpfungen waren hierbei nicht zu 
vermeiden. Da ich in den Ferien guter Instrumente entbehrte, war ich 
verhindert, die Eileiter frisch zu untersuchen, ich musste daher diese 
Lücke auf dem zoologischen Institut zu Leipzig unter der trefflichen 
Leitung meines hochverehrten Lehrers, des Herrn Geheimen Hofrath 
Professor Dr. LeuckArT, auszufüllen suchen. 

Was die Beschreibung der gröberen Verhältnisse des Froschei- 
leiters (und in den Hauptpunkten stimmt hiermit der Kröteneileiter voll- 


Die Eiweißdrüsen der Amphibien und Vögel. 483 


kommen überein) anbelangt, so berufe ich mich auf die Darstellungen 
‚Börrcher’s und NEUMANN’S; es sei nur hinzugefügt, dass die Drüsen- 
schläuche an ihrem untersten Ende bedeutend sich verengern, so dass 
nur eine verhältnismäßig kleine Öffnung nach außen führt. In den 
meisten der Drüsenzellen war ein geschrumpfter Kern zu erkennen, der 
fast immer wandständig war, so dass es oft den Anschein hatte, als ob 
Lücken zwischen zwei angrenzenden Zellen vorhanden seien. 

Ganz anders ist die Anordnung der Drüsen bei den geschwänzten 
nackten Amphibien. Eigentliche Drüsenschläuche, wie sie so typisch 
bei der andern Abtheilung, den ungeschwänzten Amphibien hervor- 
traten, existiren hier gar nicht; dagegen ist der ganze Eileiter von etwa 
8—10 neben einander verlaufenden Längsfalten durchzogen, auf denen 
die Drüsenzellen sich einfach ansetzen, so dass sie mit ihrem freien 
Ende in das Lumen des Eileiters ragen. Wenn ich schon hier bemerke, 
dass der Bau der Drüsenzellen beim Salamander dem beim Frosche 
vollständig gleicht, so geschieht es desshalb, um anzudeuten, dass das 
Princip der Entwicklung der Fläche hier in schönster Weise sich durch- 
geführt findet. Der Frosch, der bei Weitem größere Eiweißmassen 
abzusondern hat, als etwa der Salamander, würde, wenn die Anord- 
nung der Drüsen im Eileiter mit der z. B. des Salamanders überein- 
stimmte, eine so unverhältnismäßig mächtige Eileiterfläche besitzen 
müssen, dass dadurch das Regelmaß der Organisation in bedenklicher 
Weise gestört würde. 

Neben dem stark geschrumpften Kern zeigt sich ein großer heller 
Fleck, der meist dem freien Ende zugekehrt ist, während der Kern mehr 
der Wand sich nähert. Überdies ist leicht zu konstatiren, dass am 
Grunde der Falte die Anzahl der Kerne bedeutender ist, als man nach 
der Anzahl der vorhandenen ausgebildeten Zellen erwarten sollte; bei 
genauerem Zusehen ergiebt sich, dass an der bindegewebigen Grund- 
lage der Falte eine Menge weniger entwickelter Zellen verborgen liegen, 
die jedenfalls als Ersatzzellen fungiren. 

Schon ältere Forscher haben beobachtet, dass der ganze Eileiter 
der Amphibien flimmert. Sämmtliche Drüsenzellen, welche mit ihrem 
äußeren Ende bis frei in die Tubenhöhle reichen, sind besetzt von 
einem kontinuirlichen, mit mächtig entwickelten Cilien bekleideten 
Flimmersaume, den man als Ausscheidungsprodukt der Drüsenzellen 
erkannt hat. Interessant, doch bis jetzt kaum richtig beurtheilt, ist das 
Vorkommen des Flimmerbesatzes bei den ungeschwänzten Amphibien. 
Das Bild, welches Böttcher davon giebt, zeigt sicher nicht die Verhält- 
nisse in der der Natur entsprechenden Weise; eben so scheint NEumann 
eine unrichtige Ansicht über das Vorkommen des Flimmerbesatzes zu 


184 Paul Arno Loos, 


haben. Die Hauptmasse der Drüsenzellen bis zu der vorher beschrie- 
benen verengten Stelle ist flimmerlos; erst über die eigentliche Drüse 
hinaus wird das charakteristische Flimmerepithel wahrgenommen. Es 
setzt sich nämlich über die verengte Stelle nur das, die Lücken zwischen 
den Drüsen ausfüllende Bindegewebe zottenartig in das Eileiterlumen 
fort, und eben diese Fortsätze sind die alleinigen Träger der Flimmer- 
zellen. 

Im Laufe der Untersuchung musste ich mich bald davon über- 
zeugen, dass das Plasma, welches bei schwächerer Vergrößerung homo- 
gen erscheint, eine netzartige Zeichnung erkennen lässt, die ich auf den 
ersten Augenblick eher für den Ausdruck eines Lückensystems zwischen 
geronnenen Eiweißklümpchen hätte halten mögen, als für ein wirk- 
liches körperliches Netz. Wenn mir aber schon die Färbung des Netzes 
auffallen musste, so kam dazu noch der Umstand, dass an den Ver- 
einigungsstellen mehrerer Fädchen sich eine körnchenartige Anschwel- 
lung fand. Diese Befunde ließen mich vermuthen, dass ich ähnliche 
Verhältnisse vor mir haben möchte, wie sie in neuester Zeit mehrfach 
‘an Zellen, wie Zellkernen beschrieben wurden. Es musste nun die 
nächste Aufgabe sein, den Kern einer genaueren mikroskopischen Ana- 
lyse zu unterwerfen, um nach dieser Richtung hin ins Klare zu kommen. 
In der That bestätigte sich meine Vermuthung, denn auch der Kern 
zeigte eine netzartige Struktur, ja noch mehr, einige Bilder deuteten 
unbedingt darauf hin, dass der Kern sich unmittelbar in die feinen 
Netzfäden des Plasmas fortsetzt. 

So überzeugend für den Augenblick auch diese Beobachtungen sein 
mochten, so regten sich doch bald Zweifel an der Richtigkeit derselben, 
namentlich flößte mir der Umstand einiges Misstrauen ein, dass das 
Kernnetz in vielen Fällen dieselbe Weite zeigte, wie das des Plasmas, 
dass ferner die Fädchen des ersteren die des letzteren bei Weitem an 
Dicke übertrafen und überhaupt auf einen viel weniger feinen Bau 
schließen ließen. Leider konnte der Thatbestand an frischen Objekten 
nicht geprüft werden, da die Laichzeit der Kröten längst vorüber war. 
Nur der Zufall setzte mich in den Stand, diese Lücke auszufüllen. Ich 
erhielt nämlich eine Anzahl von Unken, welche die Eier noch nicht ab- 
gelegt hatten, und da ich schon im Voraus vermuthen konnte, dass 
wegen der nahen Verwandtschaft von Kröten und Unken hier ähnliche 
Verhältnisse obwalten dürften, so behandelte ich diese in der nämlichen 
Weise mit » Mürzer’scher Flüssigkeit« und Chromsäure, wie früher die 
Kröten. In der That zeigten sich auch bei diesem Objekte dieselben 
Zellen , dieselben Kerne, dasselbe Plasmanetz. Da der Zusammenhang 
der einzelnen Drüsenzellen kein allzu inniger und fester war, gelang 


Die Eiweißdrüsen der Amphibien und Vögel. 485 


es leicht, dieselben zu isoliren. Als ich zum ersten Male ein solches, 
mit Lymphflüssigkeit behandeltes möglichst frisches Präparat unter dem 
Mikroskope betrachtete, war ich überaus überrascht, denn anstatt des 
Plasmanetzes bemerkte ich in der Zelle eine bedeutende Anzahl stark 
lichtbrechender runder Körperchen. Sie zeigten eine koncentrisch- 
schalige Anordnung und erreichten eine Größe bis zu 0,0025 mm. Dies 
Bild erinnerte mich sofort an die Heırzmann’schen Beobachtungen über 
die weißen Blutkörperchen, in denen auch der ganze Zellenleib von 
Plasmasträngen durchzogen wird, welche Flüssigkeitsvacuolen ein- 
schließen. Um über die Natur der Kügelchen klar zu werden, wurde 
ihr Verhalten gegen Reagentien geprüft. Bei Zusatz von 4 procentiger 
Essigsäure konnte man deutlich verfolgen, wie nach und nach die Anzahl 
der Kügelchen sich verminderte, bis schließlich nur noch ein geringer 
Theil derselben an der Peripherie der Zelle übrig blieb. 

Sehr vortreffliche Dienste leistet bei Untersuchung frischer Objekte 
die Methode der Schwarzanilinfärbung, indem sich dadurch verschieden 
intensiv gefärbte Zellenelemente deutlich von einander abheben, ohne 
dass auch nur irgend welche sichtbare Veränderung des Gewebes vor 
sich geht. Fast gleichen Vortheil bietet eine sehr verdünnte Lösung von 
Hämatoxylin. Überaus rasch und verhältnismäßig intensiv färbt sich 
der Kern, aber auch ‘die Kügelchen bleiben nicht ganz blass, dagegen 
erweisen sich die Plasmastränge als farblos. Letzterer Umstand dürfte 
wohl damit in Zusammenhang zu bringen sein, dass der noch lebens- 
fähige Theil der Zelle, so lange er eben lebt, von Reagentien nicht 
beeinflusst wird, während die todien Kügelchen leichter Farben an- 
nehmen. 3 

Bringt man, um das Objekt durchsichtiger zu machen, noch etwas 
Glycerin hinzu, so tritt das Schwinden der Kügelchen eben so ein wie 
bei Zusatz von Essigsäure. Sobald die besagten Reagentien zur Wir- 
kung kommen, sieht man die kugeligen Gebilde sich allmählich ver- 
größern. In demselben Maße, wie sie wachsen, verlieren sie ibr starkes 
Lichtbrechungsvermögen, bis sie, an einem bestimmten Punkte ange- 
kommen, plötzlich zusammenfallen, wie wenn etwa bei Schmelzpunkt- 
bestimmungen ein Paraffinkügelchen plötzlich in einen anderen Aggre- 
'gatzustand übergeht. An einigen dieser Kügelchen lässt sich erkennen, 
wie von ihnen ein kleines spaltähnliches Kanälchen ausgeht, durch 
welches der Inhalt auszufließen scheint. 

Diese Beobachtung jedoch dürfte desshalb nicht absolut sicher hin- 
zustellen sein, da es schwer ist, die Sache klar zu sehen, und da ferner 
nur drei dergleichen Fälle vorliegen. Schwache Kalilauge, 3—4procentige 
Salzlösung, Chromkali, verdünnter Alkohol, Glycerin, destillirtes Wasser, 


486 Paul Arno Loos, 


etwa 1/igop procentige Osmiumsäure und andere Reagentien bewirken 
rascher oder langsamer das Schwinden der Kügeichen. 1/,,, procentige 
Osmiumsäure ist das einzige Reagens, welches die Kügelchen annähernd 
gut erhält. Nach etwa 24 stündigem Stehen sind dieselben zwar noch 
deutlich zu erkennen, doch erscheinen sie so modificirt, als wären 
schwach wirkende Reagentien angewendet worden; die Kügelchen er- 
scheinen darnach größer und blasser als in frischem Zustande. Häufig 
sieht man, nachdem der größte Theil der Kügelchen verschwunden ist, 
in der Zelle einen größeren Tropfen, der gewöhnlich an der dem Kern 
gegenüber liegenden Seite gefunden wird. Bisweilen bemerkt man auch 
mehrere solcher Tropfen, die aber ebenfalls bald verschwinden und in 
einen einzigen großen zusammenfließen. Es unterliegt nach Obigem 
keinem Zweifel, dass die kugelähnlichen Körperchen nicht aus fester 
Masse bestehen, sondern flüssiger Natur sind. 

Bei Anwendung mechanischen Druckes vermittels des Deckgläs- 
chens treten die Kügelchen aus der Zelle theils in Gruppen, theils 
einzeln heraus, während das zurückgebliebene Plasma, sich kontra- 
hirend, als eine krümelige Masse um den Kern sich koncentrirt. Die 
ausgetretenen Kügelchen flottiren frei in der neutralen Zusatzflüssig- 
keit, ohne sich bedeutend zu ändern, was uns um so mehr über- 
raschen muss, als wir in ihnen Flüssigkeitströpfchen erkannt haben. 
Um diese Thatsache zu erklären, wären zwei Möglichkeiten vorhanden: 

1) Könnten wir annehmen, dass die Intracellulartröpfehen mit der 
Zusatzflüssigkeit sich nicht mischen. 

„ 2) Könnte eine erhärtete Rindenschicht vorhanden sein, die den 
Zusammentritt beider Flüssigkeiten verhindert. 

Gegen den ersten Fall spricht der Umstand, dass die in verdünn- 
tem Glycerin flottirenden Kügelchen, wenn sie auch noch so oft an 
einander stoßen, ja sogar an einander haften, niemals zusammen- 
fließen. Bisweilen ist sogar um die Kügelchen ein feiner Saum wahr- 
zunehmen, der besonders dann deutlich hervortritt, wenn zwei der- 
selben an einander liegen. | 

Obwohl Böttcher wie Neumann die Existenz eines centralen Körper- 
chens in den Tröpfchen annehmen, kann ich dennoch diese Beobachtung 
nicht bestätigen ; sehr leicht ist es möglich , dass das optische Verhalten 
der Tröpfchen zu Täuschungen Veranlassung gegeben hat. Wenn oben- 
genannter Fall, dass die Kügelchen auch außerhalb der Zelle ihre 
Selbständigkeit bewahren, schon auf die zweite Möglichkeit hindeutet, 
so gewinnt unsere Vermuthung, dass in der That eine verdichtete Rand- 
zone vorhanden sei, an Wahrscheinlichkeit noch dadurch, dass an den 
Kügelchen nach ihrem Freiwerden dieselben Vorgänge sich abspielen, 


Die Eiweißdrüsen der Amphibien und Vögel. 487 


wie an der Zelle. Die besagten Körperchen vergrößern sich, sie ver- 
lieren ihr Lichtbrechungsvermögen, sie verschwinden plötzlich. Letz- 
terer Umstand ist ein schlagender Beweis dafür, dass die in Nr. 1 auf- 
gestellte Möglichkeit hier nicht in Betracht zu ziehen ist. Hiernach ist 
es sehr wahrscheinlich, dass wirklich eine Rindenschicht existirt, und 
wohl können wir annehmen, dass es nicht eine fremde Substanz ist, 
die membranartig die Tröpfchen umhüllt, sondern dass die Tröpfchen- 
‚substanz selbst an der Peripherie verdichtet, äußeren Einflüssen einen 
gewissen Widerstand entgegenzusetzen vermag. Als Analogon hierfür 
dürfte wohl die von CGuun beobachtete Randzone an den Körnerzellen 
anzusehen sein. Während in vorliegendem Falle die Rindenschicht an 
einzelnen dieser Körner überaus deutlich ist, geht sie an anderen all- 
mählich in die nur wenig lichtbrechende Centralschicht über, so dass 
eine Grenze zwischen beiden nicht mehr zu ziehen ist. 

Das auffällig massenhafte Auftreten von Flüssigkeitströpfchen in 
den Eiweißdrüsenzellen kurz vor der Eiablage kann uns über die 
Natur der Kügelchen kaum im Zweifel lassen: sie sind die Eiweißkügel- 
chen. Nun erklärt sich auch das Verhalten gegen Reagentien. Die 
‘Volumzunahme in Zusammenhang mit dem Schwinden des starken 
Lichtbrechungsvermögens, das Vergehen, resp. Gelöstwerden der Rand- 
zone sind lediglich auf Quellungserscheinungen zurückzuführen. Ich 
musste überrascht sein, als ich las, dass Neumann diese Drüsenzellen 
für Becherzellen erklärt. Da diese Ansicht den Schwerpunkt seiner 
Arbeit bildet, sah ich mich genöthigt, die Resultate meiner Untersuchung 
nochmals einer genauen Prüfung zu unterziehen. Ich verhehlte mir 
nicht die Möglichkeit, dass an gewissen, meinerseits übersehenen Orten 
‘außer den von mir als vollständig geschlossen erkannten Zellen viel- 
leicht Becherzellen mit ganz besonderen physiologischen Nebenfunktionen 
vorhanden sein könnten, doch war mein Suchen darnach vergeblich. 
Erst als ich die Abbildungen Nzumann’s genauer prüfte, wurde mir 
klar, worauf wohl die Annahme von Becherzellen zurückzuführen sein 
dürfte. 

Diese Zeichnungen und die von Neumann ausgesprochene Behaup- 
tung, dass die Becherzellen niemals einen Hals zeigen, überzeugten 
mich, dass er den früher erwähnten, auch in seiner Entstehung beob- 
achteten Tropfen für den Bechermund gehalten. Wir sahen, dass der Kern 
‚auf der einen, der Tropfen immer auf der enigegengesetzten Seite liegt; 
wenn daher der Kern wandständig ist, muss naturgemäß der Tropfen 
nach der freien Fläche zu gelegen sein, und dies dünkt mich der Um- 
stand zu sein, der NEumann zum Irrthum verleitete. Die Angabe, dass 
die besagte Becheröffnung im optischen Querschnitt als Ellipse erscheine, 


488 Paul Arno Loos, 


die sogar unter Umständen einer Geraden sich nähere, kann ich nicht 
bestätigen. Dass der Tropfen nicht immer die strenge Kugelgestalt bei- 
behält, ist richtig; allein dies hängt mit den Quellungserscheinungen 
zusammen. Die Zellmembran ist bei den Salamandern resistenter als 
bei den Kröten, jedenfalls desshalb, weil bei ersteren die Drüsenzellen, 
oder besser die absondernden Zellen, nicht von einem Drüsenskelett, 
der Basalmembran, gestützt werden, sondern frei in das Lumen des 
Eileiters ragen. Auch hier ist übrigens in jeder Zelle die Anwesenheit 
des Tropfens wie wir denselben später noch genauer kennen lernen 
werden, zu bemerken. Eine Kernmembran, ein Kernnetz und ein 
Plasmanetz sind in der Drüsenzelle überall vorhanden; es wird sich 
nun zunächst darum handeln, festzustellen, in welchem Zusammen- 
hange diese drei Gebilde mit einander stehen. Schon O. Herrwie hat 
in gewissen Zellen einen direkten Zusammenhang des Plasmanetzes mit 
dem Kernnetze zu sehen geglaubt, den Fremmine jedoch leugnet. Um 
so erfreulicher aber ist, dass Hrırzmann zu positiven Resultaten in dieser 
Richtung gelangte. Nach ihm ist der Kern des weißen Blutkörperchens 
nur eine lokale Verdichtung des Plasmanetzes. 

Bringt man zu einer frischen Eiweißzelle Anilinschwarz, so ent- 
steht ein Bild, welches der eben angeführten Beobachtung Hrırzmann’s 
zu widersprechen scheint: sofort färbt sich der Kern blass blauschwarz, 
während das Plasma keine Veränderung wahrnehmen lässt. Die Kern- 
contouren sind scharf gegen das Plasma abgesetzt, so dass ein Zusammen- 
hang zwischen Plasma- und Kernnetz nicht stattzufinden scheint. So 
unwahrscheinlich hiernach auch ein inniger Zusammenhang sein mag, 
so lässt er sich in so fern nicht in Abrede stellen, als noch die Möglich- 
keit vorhanden ist, dass die verschieden intensive Färbung, als Aus- 
druck einer chemischen Differenz allein auf Rechnung der Membran 
kommen kann. Sprechen doch andere Thatsachen genug dafür, dass 
nicht der Kern in der Zelle als Individuum im Individuum existirt, 
sondern dass beide organisch zu einer Einheit verbunden sind. Es sind 
dies folgende: 

4) Bei Quetschpräparaten lässt sich nie ein Kern vollkommen iso- 
liren. Wäre der Kern eben so lax mit dem Plasma verbunden, wie 
beispielsweise die Eiweißkügelchen, so hätte auch er frei in der Zusatz- 
flüssigkeit gefunden werden müssen. 

2) Die Beobachtung des großen Tropfens, der aus dem Zusammen- 
fließen der Eiweißkügelchen entsteht, lehrt, dass derselbe nie den Zell- 
kern begrenzt, sondern immer, oder wenigstens in allen beobachteten 
Fällen, dem Kern möglichst fern liegt. 

3) Sprechen für einen Zusammenhang die mit Ghromsäure und 


Die Eiweißdrüsen der Amphibien und Vögel. 489 


Alkohol behandelten Schnitte. Ich habe öfters Gelegenheit gehabt, an 
solchen Präparaten einen direkten Übergang der Kernfortsätze in das 
Plasmanetz mehr oder weniger weit verfolgen zu können. 

4) Die Schrumpfung des Kernes, die sicher ganz eigenthümlicher 
Art ist, würde sich, wenn wir den Kern als vollkommen isolirt im 
Plasma annehmen wollten, nicht erklären lassen, es würde sich dann 
die Kernmembran wenig buckelig oder runzelig zusammenziehen. Die 
Kugelgestalt des Kernes würde trotz der Härtung nahezu dieselbe bleiben 
müssen, da die Kontraktionskräfte gleichmäßig von allen Seiten auf den 
Kern wirken. Dagegen fand ich stets den Kern nach mehreren Rich- 
tungen hin ausgezogen, als sende er ähnlich einer Ganglienzelle Fort- 
sätze nach außen. Man könnte meinen, diese Fortsätze wären durch 
den Druck des von außen her anliegenden Eiweißes hervorgerufen wor- 
den; dann müsste aber der Druck ein den thatsächlichen Verhältnissen 
widersprechender sein, sollte im Innern eine so bedeutende Wirkung 
ausgeübt werden. Es sei bemerkt, dass die Ausläuferanfänge eben die- 
jenigen Stellen sind, an welchen der Kern mit den Plasmafäden in 
Verbindung steht, dass hier von außen her wirkende Kontraktionskräfte 
ihre Angriffspunkte haben. 

Bevor wir uns jedoch über den Zusammenhang von Kern und 
Plasmanetz entscheiden können, dürfte eine eingehendere Betrachtung 
der Kernstruktur erforderlich sein. 

- Mehrere Wochen vor der Absonderung des Eiweißes zeigt der Kern 
(0,008—0,012 mm) eine vollkommen runde Gestalt. Im Innern bemerkt 
man eine große Zahl kleiner koncentrisch-schalig um das Kernkörper- 
chen angeordneter Körnchen,, welche ihre Anwesenheit bald durch das 
starke Lichtbrechungsvermögen verrathen. Das Kernkörperchen, wel- 
ches eine ziemliche Größe besitzt, ist nirgends regelmäßig contourirt und 
im Innern ebenfalls von stark lichtbrechenden Körperchen durchsetzt. 
Vielleicht sind diese Körperchen Analoga der Vacuolen Eimer’s!; es 
müsste aber dann bemerkt werden, dass eine Struktur im Kern, wie 
Eimer und Andere sie beschrieben, an diesem Objekte nicht beobachtet 
wurden. Dass im Kern das Netz weniger fein gefunden wurde, als im 
Zellplasma, ist früher erwähnt worden. In einem späteren Stadium, 
vielleicht kurz vor der Absonderung des Eiweißes, erblickt man von 
den kleinen, stark lichtbrechenden Körnchen nichts mehr; an deren 
Stelle aber sind wenige größere, mit geringerer Lichtbrechungsfähigkeit 
begabte Tropfen getreten. Es sind dies Verhältnisse ganz ähnlich denen, 
die wir am Plasma vorfanden. Was liegt daher näher, als anzunehmen, 


1 Eimer, Über den Bau des Zellkerns. Archiv für mikrosk. Anatomie. Bd. XIV. 
1877. 


490 Paul Arno Loos, 


dass auch am Kern ähnliche Processe sich abspielen? Die Differenzirung 
in Plasmanetz und Zwischensubstanz, das optische Verhalten der letzte- 
ren, die Veränderungen im Inneren, alle diese Thatsachen lassen uns 
darüber nicht im Zweifel. Fügen wir noch hinzu, dass der Kern auch 
bezüglich der Produktion des Eiweißes vollkommen mit dem ihn um- 
gebenden Zellenplasma übereinstimmt, so dürfte wohl die Wahrschein- 
lichkeit eines innigen Zusammenhanges von Kern und Zellplasma zur 
Genüge dargethan sein. | 

Hiermit haben wir die Möglichkeit gewonnen, die früher gestellte 
Frage wieder aufzunehmen: Worin besteht der Zusammenhang von 
Plasma- und Kernnetz ? 

Zwei Fälle haben meiner Ansicht nach eine größere Wahrschein- 
lichkeit für sich. 

1) Es könnte das Plasmanetz, wie das Kernnetz mit der Membran 
so verbunden sein, dass je die Enden der Fäden an der Membran an- 
geheftet wären. 

2) Wäre der Fall möglich, dass die Membran Poren besäße, durch 
welche hindurch beide Netze kommuniciren. 

Die eigenihümlichen Gerinnungserscheinungen würden mit der ersten 
Annahme recht wohl in Einklang zu bringen sein, wüssten wir nicht, 
dass wahrscheinlich eine chemische Differenz von Plasma und Kern- 
membran existirt, indess ist mir ein Beispiel eines solchen Vorkommens 
nicht bekannt. Es bleibt somit allein die Möglichkeit, dass die Kern- 
membran durchbohrt ist; prüfen wir daher, welche Gründe hierfür 
sprechen. 

Die Gerinnungsphänomene stehen hiermit nicht in Widerspruch; es 
käme lediglich darauf an, Poren, wie sie logisch erschlossen wurden, 
thatsächlich nachzuweisen. Weder an frischen Objekten, noch an sol- 
chen, die frisch auf dem Objektträger mit Reagentien behandelt wurden, 
noch auf Schnitten lässt sich mit Sicherheit eine durchbrochene Mem- 
bran wahrnehmen. Wenn ich auch öfters Andeutungen davon zu sehen 
glaubte, so waren sie doch nie für eine genügende Erkennung hin- 
reichend. Mehr Vortheile, als die obengenannten Methoden, bot die der 
Maceration. Zu diesem Zwecke wurde ein Stück des Eileiters zwei Tage 
lang in eine schwache Lösung von Pikrokarmin gelegt, darauf das Ob- 
jekt zerzupft, und so gelang es, Kernmembranen leicht zu isoliren. Mit 
ziemlicher Sicherheit konnte auf der scharf umgrenzten Membran etwas 
gequollener Kerne eine Zeichnung von dunklen Punkten wahrgenommen 
werden, die immerhin als Ausdruck einer Durchbohrung in Anspruch 
genommen werden dürfte. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass der 
Kern der Eiweißdrüsenzelle mit dem übrigen Theile derselben in kon- 


Die Eiweißdrüsen der Amphibien und Vögel. 491 


tinuirlichem Zusammenhange steht und sich nur dadurch von ihm unter- 
scheidet, dass er, mehr verdichtet, ein engmaschigeres Netzwerk bildet, 
das in unserem Falle von einer membranösen Hülle unvollkommen nach 
außen hin begrenzt ist. Das Kernkörperchen, welches in fast allen 
Fällen vorhanden war, gehört ebenfalls in den kontinuirlichen Zu- 
sammenhang herein. 

Es ist jetzt Grund zu der Behauptung vorhanden, dass ähnliche 
Resultate, wie sie Heırzmann durch die Beobachtungen an Blutkörper- 
chen gefunden, auch bei der Untersuchung der Eiweißzellen sich er- 
geben: 

Kernkörperchen, Kern und Plasmanetz sind wenig modificirte Theile 
einer und derselben lebendigen Substanz. Ein Unterschied, der für den 
ersten Augenblick von großer Bedeutung zu sein scheint, ist das Vor- 
handensein der Kernmembran an der Eiweißzelle; ich meine aber, dass 
hierdurch das Princip, auf welches beide Zellarten zurückzuführen sind, 
nicht im mindesten geändert wird, kennen wir doch ähnliche Zellpro- 
dukte in großer Anzahl. Einer jetzt ziemlich allgemein verbreiteten An- 
schauung nach ist die Zell- wie auch die Kernmembran nur ein Aus- 
scheidungsprodukt der Zelle, das, von der Diosmose abgesehen , weiter 
keine Funktion als die der Stütze übernimmt. 


Absonderung des Eiweilies bei nackten Amphibien. 


NEUMANN und GrunAaU nehmen an, dass aus den von ihnen voraus- 
gesetzten Becherzellen kontinuirlich ein Strom von Colloidsubstanz aus- 
trete und die Eier umgebe. Sie finden daher die Thatsache erklärlich, 
dass die Eiweißzellen in humor aqueus nur von 0,03—0,045 bis zu 
0,045—0,06 mm aufquellen, eine Differenz, die in keinem Verhältnis 
zu der allgemeinen Quellungsfähigkeit des Eiweißes steht. Hierzu muss 
ich bemerken, dass es kaum rathsam sein dürfte, Quellungsversuche 
mit humor aqueus auszuführen und zum allerwenigsten dann, wenn 
dieselben eine Thatsache, wie die in Frage stehende, beweisen sollen. 
Wendet man andere Quellungsmittel an, wie destillirtes Wasser, so wird 
sehr bald der Inhalt so an Volumen zunehmen, dass die Membran platzt. 

NEUMANN und Grunau konstatirten in der Hülle einiger in dem Ei- 
leiter zurückgebliebener Eier das Vorhandensein noch unveränderter 
Colloidkügelchen. Wie wollen aber beide dies Vorkommen nach ihrer 
Theorie erklären? Man kann sich kaum vorstellen, dass eine derartige 
Masse von Eiweiß, wie sie an Froscheiern wahrzunehmen ist, in so 
kurzer Zeit von Becherzellen abgesondert werden könnte. Schon a priori 
‚erscheint es den morphologischen Verhältnissen mehr entsprechend, 


492 Paul Arno Loos, 


dass die Zellen Blasen darstellen, die, prall mit Eiweiß erfüllt, beim 
Platzen ihren ganzen Inhalt entleeren. 

Als ich eine längere Zeit hindurch unterlassen hatte, frische Unken 
zu untersuchen, und dann später meine Beobachtungen wieder auf- 
nahm, fiel mir auf, dass die Kügelchen, welche früher in so charakte-- 
ristischer Weise auftraten, ihre eigenthümliche starke Liehtbrechung bei 
Weitem nicht mehr in dem früheren Maße zeigten. Die Kügelchen waren 
weniger von einander durch scharfe Gontouren unterschieden, sie waren 
größer geworden, ihr Lichtbrechungsvermögen hatte abgenommen. Schon 
damals war in mir der Gedanke rege geworden, ob nicht diese Erschei- 
nung mit der fortschreitenden Entwicklung der Eiweißzellen zusammen- 
hängen möchte. Spätere Beobachtungen haben in der That meine Ver- 
muthung bestätigt; es sind obige Bilder nicht unähnlich denen, wie sie 
hei Behandlung mit Reagentien entstehen. Beide Male haben wir es 
jedenfalls an erster Stelle mit Quellungserscheinungen zu thun, welche 
in erstbeschriebenem Falle so beträchtlich sind, dass dadurch das Gleich- 
gewicht gestört wird und somit die ganze Flüssigkeitsmasse in einen 
Ballen zusammenfließt. Ob sich nicht zugleich ein chemischer Process 
dabei abspielt, lässt sich kaum mit Sicherheit entscheiden, doch dürfte 
eine solche Annahme nicht unwahrscheinlich sein. 

Die Kügelchen, welche an Volumen zugenommen haben, drücken 
jetzt stärker auf das Netz, an einer Stelle giebt dasselbe nach und die 
Flüssigkeiten strömen zusammen. Das Netz, welches vorher die ganze 
Zelle ausfüllte, hat sich kontrahirt und in Folge der Zerreißung des Netzes 
und der damit zusammenhängenden Aufhebung des von den Kügelchen 
ausgeübten Druckes zieht sich das Plasma nach der Kernseite zusammen, 
auf der es mehr Anknüpfungspunkte hat. Im zweiten Falle, in welchem 
die Volumzunahme Resultat der natürlichen Entwicklung ist, findet 
jedenfalls neben der Wasseraufnahme eine Vermehrung der Substanz 
des Eiweißes selbst von Seiten der Zelle statt. Für Quellung spricht 
entschieden der Verlust des Lichtbrechungsvermögens; denn gewisse 
Stadien, kurz vor der Absonderung des Eiweißes untersucht, gleichen 
früheren , mit Quellungsmitteln behandelten vollkommen. Die Behaup- 
tung, dass auch eine Zunahme der Eiweißsubstanz selbst stattfindet, 
bedarf wohl kaum eines Beweises, denn so koncentrirt dürfte das Ei- 
weiß doch wohl nicht von Anfang an in der Zelle sein, dass es nur der 
Quellung bedürfte, um jene mächtigen Eiweißvolumina zu liefern. Die 
Colloidkügelchen wachsen, sie müssen aber, da sie nur einen beschränk- 
ten Raum einnehmen können, schließlich auf einander, wie auf die 
Scheidewände, nämlich das Netz, einen Druck ausüben; die Folge davon 
ist eine polyedrische Abplattung der Kügelchen und eine Zusammen- 


Die Eiweißdrüsen der Amphibien und Vögel. 493 


pressung des Netzes. Auf diese Weise entsteht ein Bild, welches man 
leicht mit einem Lückensystem verwechseln könnte. Wer Guun’s Ab- 
bildungen, Taf. XV, betrachtet, wird mit mir darin übereinstimmen, dass 
die Ähnlichkeit derselben mit den meinigen entschieden auf einen prin- 
eipiellen Zusammenhang schließen lässt. Aus der Untersuchung frischer 
Zellen während der Absonderung des Eiweißes würden wir sehr wenig 
entnehmen können, da es sich bei der Hinfälligkeit sämmtlicher Zellen- 
bestandtheile schwer entscheiden lässt, was natürlich und was durch 
Präparation und sonstige Einflüsse entstanden ist. Wenn auch hierbei 
durch die Härtung mannigfache Veränderungen bedingt sind, so kennt 
ınan doch diese zum größten Theile und kann daher mit Recht auf Ver- 
hältnisse schließen, die nicht direkt wahrgenommen werden können. 

Kurz vor der Absonderung des Eiweißes zeigen Schnitte noch ganz 
ähnliche Verhältnisse, wie sie am Anfange der Arbeit beschrieben wur- 
den, nur haben die Zellen sowohl, wie auch die Colloidpolyeder ein be- 
deutenderes Volumen angenommen. Das Netz ist weitmaschiger, schärfer 
geworden, die Kerne treten durch ihre Größe mehr hervor, der Aus- 
führungsgang dagegen ist auf ein Minimum redueirt. An der äußeren 
bindegewebigen Eileiterwand stehen die Zellen bedeutend gedrängter 
und bilden hier gleichsam eine eigene Schicht. Während früher die 
Achsen der Drüsenzellen mit der des Eileiters meist einen Rechten 
bildeten, neigt sich jetzt die Zelle in ihrer Längsachse der Drüsenmün- 
dung mehr oder weniger zu. Alle diese Umstände werden später ihre Er- 
klärung finden. 

Die ersten Andeutungen der Absonderung äußern sich darin, dass 
die Zellen sich mehr in die Länge strecken und zugleich eine größere 
Neigung gegen den Drüsenmund hin annehmen. Bald bemerkt man, 
dass an gewissen Zellen die Membran am freien Ende reißt und dass 
aus der so entstandenen Öffnung das Eiweiß in langen, streifigen oder 
fadenförmigen Zügen hervorströmt. Das Plasmanetz reißt ebenfalls an 
vielen Stellen, eben so wird der Kern aus seiner Kontinuität gelöst, auch 
er verliert gleich der Drüse an Volumen und kollabirt, so dass man 
schließlich nur noch die zusammengefaltete Kernmembran erkennt. 
Diese Thatsachen im Verein mit der früher erwähnten morphologischen 
Übereinstimmung von Plasma und Kern machen es höchst wahrschein- 
lich, dass auch der Kern an der Produktion des Eiweißes sich betheiligt. 
Kurze Zeit, nachdem der Process der Absonderung beendet ist, bietet 
sich dem Beobachter ein Bild, das von der frühern Struktur wenig mehr 
erkennen lässt. Ein buntes Durcheinander von Kernen, Fragmenten des 
Plasmanetzes, der Basalmembranen und von zurückgebliebenem Eiweiße 
erfüllt den Raum, der früher die Zellen barg. Die einzige Hindeutung 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 33 


494 Paul Arno Loos, 


auf den ehemaligen Ort, an welchem die Drüsenzellen standen, liegt in 
der Anwesenheit der Bindegewebshülle. Unberührt von allen Verände- 
rungen blieb eine Schicht von Zellen, die sich arn Grunde der Eileiter- 
wand vorfindet; sie repräsentirt die Ersatzzellen, welche bald nach der 
Absonderung sich entfalten. 

Es sind hier eine Reihe von Beobachtungen zusammengestellt, die 
sämmtlich an gehärteten Präparaten gemacht wurden, da es leider zu 
schwer, ja sogar vielfach unmöglich ist, am frischen Objekte sich von 
der absoluten Richtigkeit der Thatsachen zu überzeugen. An dem That- 
sächlichen ist also nicht zu zweifeln; dagegen dürfte die Beantwortung 
der Frage noch Gegenstand des Streites sein, ob der eben geschilderte 
Process der Eiweißabsonderung der Wirklichkeit entspricht, oder mit 
andern Worten, ob die Zerreißung der Membran Produkt der natürlichen 
Entwicklung oder der Einwirkung der Chromsäure und des Alkohols ist? 

Dass Reagentien im Stande sind, ähnliche Erscheinungen hervorzu- 
rufen, habe ich beobachtet, als ich ein Stück eines wenig entwickelten 
Eileiters in verdünntes Glycerin legte. Nach wenig Stunden quoll der 
Eileiter mächtig auf, aus den beiden Schnittstellen trat eine gallertige 
Masse von Eiweiß, die bei mikroskopischer Untersuchung gequollene 
Kerne nebst Resten des Plasmanetzes ergab. Es unterliegt keinem Zweifel, 
‘ dass durch die übergroße Spannung, welche das quellende Eiweiß auf 
die Zellmembran ausübte, eine Zerreißung derselben verursacht wurde. 
Der Einwand, dass man es dort mit Quellung zu thun hatte, während in 
unserem Falle es sich um Kontraktion handelt (denn der gehärtete Ei- 
leiter ist an Volumen geringer als der frische), verliert seine scheinbare 
Wichtigkeit, wenn man bedenkt, dass die Chromsäure, die hier zur 
Härtung verwandt wurde, nach innen äußerst langsam eindringt, so 
dass sich die äußerste bindegewebige Eileiterwand schon etwas kontra- 
hirt hat, schon hart geworden ist, wenn auf das Eiweiß noch kein Rea- 
gens eingewirkt hat. Es wäre immerhin nicht undenkbar, dass bei 
einem so entstehenden Drucke eine Membran, wie sie diejenige der Ei- 
weißzellen zur Zeit der Reife ist, zerreißen und der Inhalt ausfließen 
könnte. Als ich das abgelegte Eiweiß von Bufo untersuchte und hierin 
keine Spur von einem Kern-, resp. Netzfragmente fand, war ich zu der 
Arsicht geneigt, dass doch vielleicht das Eiweiß sich absondere, ohne 
dass desshalb die Zellmembran zerreißen müsse. Wäre nicht das Nächst- 
liegende, anzunehmen, dass das Eiweiß einfach durch die Membran 
diffundire? Wir werden uns bald überzeugen, dass diese Anschauung 
eine irrige ist, indem die Eiweißabsonderung in Wahrheit mit dem Zu- 
grundegehen der Zelle in innigem Zusammenhange steht. Wie wollten 
wir uns erklären, dass die Membran kurz vor der Absonderung des Ei- 


Die Eiweißdrüsen der Amphibien und Vögel. 495 


weißes so äußerst hinfällig wird? Ist es in diesem Stadium ja kaum 
mehr möglich, eine Zelle zu isoliren, ohne sie zu beschädigen! Was 
sollte das wirre Bild bedeuten, welches nach der Absonderung sich uns 
zeigt, woraus wollte man die Existenz der wandständigen unentwickel- 
ten Zellen erklären? Alle diese Umstände sind beweiskräftig genug 
dafür, dass weder eine Diffusion, noch eine Absonderung durch Becher- 
zellen statifindet. Am meisten entspricht den thatsächlichen Verhält- 
nissen der Untergang der Zelle. 

Mehrere Wochen nach der Laichzeit gewahrt man an Kröten von 
einer wandständigen Zellwucherung gar nichts mehr; ein neuer Drüsen- 
komplex ist an die Stelle des alten getreten, allein die Epithelzellen 
kommen weder an Zahl, noch an Größe denen der eben ausgestoßenen 
Drüsen gleich. Wenn ich nicht irre, geht auch ein Theil der binde- 
gewehigen Septen mit zu Grunde, so dass von der Eileiterwand her 
nicht nur das Drüsenepithel, sondern die ganze Drüse mit ihrer Um- 
gebung erneuert wird. Obwohl keine Spur von altem Eiweiß mehr vor- 
handen ist, sieht man fast das ganze Lumen der neugebildeten Drüse 
erfüllt von degenerirten, gelblich aussehenden Massen, die zuweilen 
noch Andeutungen an eine vergangene Struktur erkennen lassen ; sie 
sind meiner Überzeugung nach die Reste der früheren Eiweißdrüsen. 
Viel deutlicher bietet sich der Anschauung der Process des Zellener- 
satzes an dem Eileiter von Triton. An fast jedem Präparate sah ich alle 
Übergangsstadien von den eben an dem Grunde der bindegewebigen 
Falte entstehenden bis zu den vollkommen ausgewachsenen, mit Flimmer- 
kleid besetzten Zellen. 

Bei der Entscheidung der Frage, ob das Eiweiß diffundiren könne 
oder nicht, haben wir einen ziemlich sichern Anhalt in den Resultaten 
der Diffusionsversuche. Wir haben die Thatsache kennen gelernt, dass 
Colloidsubstanzen durch eine thierische Membran nie hindurchwandern, 
während dies die Krystalloidsubstanzen stets thun. Sind auch in neue- 
rer Zeit gewisse Eiweißkörper zum Krystallisiren gebracht worden, 
so steht es doch fest, dass das Eiweiß im gewöhnlichen gallertartigen 
Zustande, ja selbst wenn es krystallisiren könnte, eine so unbedeutende 
Wanderungsgeschwindigkeit besitzt, dass dieselbe hier nicht in Betracht 
kommen kann. Es dürfte der Einwand ungerechtfertigt sein, dass wohl 
ein Unterschied zu machen sei zwischen Diffusion todten Eiweißes durch 
todte Membranen und Wanderung lebenden Eiweißes durch lebende 
Membranen. Der Satz, welchen ich oben ausgesprochen, gelte ja nur 
für den ersteren Fall, ich sei daher keineswegs berechtigt, dieselben 
auch auf lebende Objekte auszudehnen. Nun sind im Laufe der Ent- 
wicklung der Eiweißtröpfchen Quellungserscheinungen beobachtet wor- 

33 * 


496 Paul Arno Loos, 


den. In der Physiologie aber gilt der Satz: Der Inhalt einer Zelle kann 
nur dann durch Imbibition fremde Flüssigkeiten aufnehmen, kann nur 
dann quellen, wenn die Lebensthätigkeit der Zelle gestört ist. Wenn 
wir auch die zur Sekretion reife Zelle nicht gerade als todt bezeichnen 
wollen, so können wir ihr doch eben so wenig volle Lebensthätigkeit 
vindieiren. Es dürfte meiner Meinung nach der Schluss nicht zu ge- 
wagt sein, dass eine Wanderung so beträchtlicher Eiweißmassen durch 
eine Zellmembran hindurch nicht stattfinden kann. 

Fassen wir die gewonnenen Resultate zusammen, dann dürften die- 
selben etwa folgendermaßen lauten: Die Drüsenepithelzelle besteht im 
Allgemeinen aus einem netzartig verzweigten Plasma, welches zwischen 
seinen Maschen eine große Anzahl von Eiweißtröpfchen birgt. Anfangs : 
klein und stark lichtbrechend, nehmen dieselben im Laufe der Ent- 
wicklung allmählich an Größe zu, sie verlieren in demselben Maße, in 
welchem sie wachsen , ihr Lichtbrechungsvermögen, sie quellen. Auf 
diese Weise entsteht ein Druck sowohl auf die Zellmembran, wie auf 
den Zellinhalt, durch welchen ähnliche Erscheinungen bedingt sind, 
wie schon Guun sie an den Glanzzellen der Rippenquallen beobachtete : 
Die Zellmembran dehnt sich bis zu einem gewissen Grade aus, während 
innerhalb derselben die Eiweißtröpfchen gegenseitig sich polyedrisch 
abplatten und alles zwischenliegende Gewebe auf ein Minimum zu- 
sammenpressen. Ist die Drüsenepithelzelle auf dem Stadium der Reife 
angelangt, so giebt die Membran, welche bis dahin immer dünner und 
hinfälliger geworden ist, dem innern Drucke nach, sie platzt, und das 
Eiweiß strömt fadenartig aus der Zelle hervor. Jedenfalls nimmt auch 
der Kern an der Produktion des Eiweißes Theil. 


Bau der Eiweilidrüsen bei beschuppten Amphibien und 
Vögeln. 


Wenn wir uns früher überzeugen konnten, dass die schwanzlosen 
nackten Amphibien trotz der verschiedenen Anordnung der Drüsen- 
zellen bezüglich des Baues derselben vollkommen unter sich überein- 
stimmen, so dürfte schon dies als eine Hindeutung darauf anzusehen 
sein, dass auch die beschuppten Amphibien eine analoge Struktur der 
Eileiterdrüsenzellen besitzen mögen. Konnten wir einerseits bei Triton 
von eigentlichen Drüsen gar nicht reden (denn die Eileiterwand ist 
ziemlich regelmäßig mit großen, eiweißabscheidenden Zellen besetzt), 
sahen wir andererseits bei Fröschen und Kröten die Drüsenzellen in ein 
wohlgeordnetes System von neben einander liegenden, geradverlaufenden 
Schläuchen verpackt, so lässt sich doch immer die Thatsache konstatiren, 
dass der Bau der Drüsenzellen derselbe bleibt. 


Die KEiweißdrüsen der Amphibien und Vögel. 497 


Bei beschuppten Amphibien und Vögeln erscheinen die Drüsen 
als Einstülpungen von der inneren Eileiterwand her. Diese Einstül- 
pungen, welche zuerst becherförmig gestaltet sind, wachsen allmählich 
zu Schläuchen heran, welche unter vielfachen Krümmungen und Win- 
dungen die bindegewebige Unterlage kreuz und quer durchsetzen. Am 
vollkommensten hat sich der Übergang von ursprünglichem Rileiter- 
epithel in Drüsenepithel (welches nebenbei bemerkt niemals flimmert) 
bei Pelias Berus erhalten. Man ist in der That häufig nicht im Stande 
zu entscheiden, ob man Eileiter- oder Drüsenepithel vor sich hat. Ähn- 
liche Verhältnisse finden sich bei Coronella und Coluber, nur scheint 
hier neben der mehr regelmäßigen Anordnung der Drüsenschläuche 
auch das Drüsenepithel etwas modificirt zu sein. Mit Sicherheit habe 
ich beobachten können, dass die Drüsenschläuche von 0,025 mm Durch- 
messer sich gabeln, so dass sich hierdurch der Umstand erklärt, dass 
zu einem verhältnismäßig reichen Drüsenpolster nur wenig Ausfüh- 
rungsgänge vorhanden sind. 

Am auffälligsten ist der Unterschied der beiden Arten von Epithel- 
zellen bei den Vögeln. Wenn hier die Verhältnisse versteckter sind, 
als bei den Amphibien, so liegt dies an der Kleinheit des Objektes. 

Es sei erwähnt, dass alle angeführten Beobachtungen an gehärtleten 
Präparaten gemacht wurden. 

Die nächste Aufgabe würde nun sein, zu entscheiden, ob bei be- 
schuppten Amphibien und Vögeln bezüglich der Struktur der Eiweib- 
drüsenzellen dieselben Verhältnisse obwalten. Wiederum giebt uns der 
oben erwähnte Tropfen, welcher bei Behandlung des Objektes mit Rea- 
gentien entsteht, einen ziemlich sichern Anhalt. Eben dieser Tropfen 
konnte klar erkannt werden bei Coluber und Coronella, bei den Vögeln 
dagegen nur andeutungsweise; Pelias kann desswegen hier nicht in Be- 
tracht kommen, da das untersuchte Objekt auf einer sehr frühen Ent- 
wicklungsstufe sich befand. Das Suchen nach einem Kernnetze blieb 
lange erfolglos. Zwar schien der Zellinhalt gekörnelt, auch waren bis- 
weilen kleine Fädchen zu sehen, allein mit Sicherheit ein Netz nachzu- 
weisen, war mit den zunächst mir zu Gebote stehenden Mitteln unmög- 
lich. Als sich mir aber Gelegenheit bot, Schnitte von Eileitern mit einer 
SeiBerT'schen Öl-Immersion prüfen zu können, da bestätigte sich das 
Vorhandensein eines Plasmanetzes auch bei den beschuppten Amphibien 
und Vögeln. 

Dass im Eileiter der Vögel eine sehr drüsenreiche Schicht existirt, 
war Schon MEckeL von Hemssacn! bekannt. Er schreibt: »Im Uterus- 


1 MeEckEr von HEmssAcH, Die Bildung der für partielle Furchung bestimmten 
Eier. Diese Zeitschrift. III. Bd. 1851. p. 429. 


498 | Paul Arno Loos, 


horn ist die Schleimhaut bei trächtigen Hennen sehr dick und wulstig, 
dichtgedrängte, von zähem Sekret erfüllte keulenförmige Follikel, Glan- 
dulae utriculares, bedingen das Hervortreten vieler dicker Falten. In 
diesen Drüsen bildet sich durch Auflösung weicher, körniger Epithelial- 
zellen ein feinkörniger Eiweißschlamm, den man in großen Tropfen 
ausdrücken kann !«. Lzypıc dagegen sieht beim Kanarienvogel Eiweiß- 
drüsen nicht mit Sicherheit, wohl aber sind während der Legzeit alle 
Epithelzellen prall mit Eiweißkügelchen gefüllt. 


Lanpoıs dagegen schließt sich in der Hauptsache wieder MeckrL 
an, nur wird mir nicht recht klar, was er meint mit den Worten: »Die 
Drüsen liegen unter dem Flimmerepithel so eingebettet, dass bis in die 
Höhle des Eileiters sowohl in dem kleinzelligen Gewebe, wie auch in 
dem Epithel ein Gang offen gehalten wird, durch den das Eiweiß ge- 
langen kann.« Warum schreibt Lanvoıs nicht einfacher: Es sind 
Drüsen mit einem Ausführungsgang vorhanden!? Dieser Umstand, 
so wie der, dass die Drüsen in ihrer ersten Anlage vollständig geschlos- 
sen und auch später noch überall von kleinen Drüsenzellen im Innern 
ausgefüllt sein sollen, macht den Eindruck, als wären die wahren Ver- 
hältnisse hier nicht erkannt worden. »Diese kleinen Zellen ,« sagt 
Lanpoıs weiter, »stehen der Untersuchung hindernd im Wege. Durch 
Einwirkung von Kali kann man sie leicht zerstören, worauf die Drüsen 
scharf hervortreten. « 


Eine noch wunderlichere Ansicht scheint Brasıus über den Bau der 
Eiweißdrüsen zu haben. Er beschreibt sie als »längliche oder runde 
Follikel mit centralem Gang. Zur Zeit der Absonderung verschwinden 
nach seiner Ansicht die Zellcontouren mehr und mehr und der ganze 
Inhalt der Zelle erfüllt gleichmäßig den Raum der Drüse«. Durch 
Platzen der Basalmembran soll dann das Eiweiß nach außen gelangen. 
Aus dem Gesagten folgt, dass die Drüsen betrachtet werden als 
Schläuche oder Blasen, die überall geschlossen sind, denn warum sollte 
die Drüsenhülle platzen, um den Inhalt zu entleeren, wenn ein Aus- 
führungsgang vorhanden ist? 

Die Lösung des Räthsels ist eine sehr einfache. Aus Brasıus’ Ab- 
bildungen geht deutlich hervor, dass er die Querschnitte der zu einem 
Drüsenpolster verschlungenen Drüsenschläuche falsch gedeutet hat, und 
dies hat seinen Grund in der schon früher erwähnten spärlichen Zahl 
von Ausführungsgängen. 


! LeuckArt schließt sich dieser Darstellung an und bezieht sich ausdrücklich 
auf die von ihm zur Kritik der Mecker’schen Angaben angestellten Untersuchungen. 
Art. Zeugung. p. 892. 


Die Eiweißdrüsen der Amphibien und Vögel. 499 


Nach meinen Erfahrungen entstehen die Eiweißdrüsen der Vögel, 
speciell die des Raben (corvus corone), durch Einstülpung des Epithels. 
Mitte März ist die Anlage der Drüsen sehr gut zu erkennen ; man sieht, 
wie auf einem Querschnitt einer Eileiterfalte etwa von 20 Punkten aus 
nach innen, der Bindegewebsunterlage zu, das Epithel sich einsenkt 
und so eine deutlich nach außen offene, becherförmige Höhle bildet. 
Abgesehen von den durch Druck bedingten Veränderungen lässt das 
Mikroskop einen Unterschied zwischen den Zellen des ursprünglichen 
Epithels und denen der eben entstandenen drüsigen Einstülpungen 
nicht wahrnehmen. 

Eine Basalmembran ist schon hier deutlich zu sehen. Nach kurzer 
Zeit sieht man die anfangs länglichrunden Zellkomplexe immer weiter 
nach innen wuchern, es entsteht ein Schlauch, der aber nie nach außen 
hin sich abschließt. Hat der Schlauch die ganze Länge vom Epithel bis 
zum bindegewebigen Septum durchwachsen,, so biegt er um, da er an 
demselben einen Widerstand zu finden scheint und wächst in entgegen- 
gesetzter Richtung, sich vielfach schlängelnd, weiter. 

Auf diese Weise entsteht das für Vögel so charakteristische Drüsen- 
polster. Das äußerst spärliche Auftreten von Ausführungsgängen (ein 
Querschnitt, der sechs Zotten getroffen hatte, zeigte deren nur zwei) 
lässt vermuthen, dass die Schläuche nicht einfach verlaufen, sondern 
sich gabeln, und in der That sind solche gegabelte Schläuche mehrfach 
wahrgenommen worden. Der Einwand dürfte nicht ungerechtfertigt 
sein, dass die Anzahl der Ausführungsgänge im entwickelten Eileiter 
der Anzahl der Anlagen nicht entspricht, da in der Anlage gegen 15 
Drüsenöffnungen auf dem Querschnitt einer Zotte zu beobachten sind. 
Der Grund dieser Erscheinung liegt jedenfalls darin, dass mit der Ent- 
wieklung des Eileiters auch die Fläche bedeutend sich vergrößert, nach- 
dem die Drüsen sämmtlich angelegt sind; durch interstitielles Wachs- 
thum rücken dann die Drüsen aus einander. 

Die Raben zeigen zwischen den einzelnen Schläuchen eine noch 
ziemlich entwickelte bindegewebige Zwischensubstanz, besonders aber 
sind auch die Basalmembranen sehr deutlich wahrnehmbar. Anders 
ist es bei Huhn und Hausente, hier ist die Drüsenmasse unter dem 
Flimmerepithel so dicht verfilzt, dass es nur auf äußerst feinen Schnitten 
gelingt, die Drüsenelemente deutlich zu unterscheiden. Daher mag es 
gekommen sein, dass einige Forscher, und unter ihnen auch Stricker, 
die Existenz von Drüsen im Eileiter der Vögel leugnen. Wäre es 
wohl denkbar, dass die ungeheuern Eiweißmassen, wie sie das Huhn 
produeirt, allein von dem einschichtigen, einfachen Cylinderepithel 
des Eileiters abgesondert werden könnten? Darf es uns doch nicht 


500 Paul Arno Loos, 


wundern, dass bei Huhn und Hausente die Drüsen viel massenhafter 
vorhanden sind, als bei Raben und andern, nur wenig Eier legenden 
Vögeln. 

Wie schon erwähnt, sieht Lanpois die Eiweißdrüsen erfüllt mit 
kleineren Zellen, die hin bei der Untersuchung frischer Objekte sehr 
hinderlich waren. 

Die »Uterindrüsen«, sagt Lanpoıs, »sind von kleinen Zellen er- 
füllt«; allein eine Beschreibung derselben giebt er nicht, jedenfalls weil 
er sich über ihre Natur noch nicht klar ist. Dass kleine Zellen in der 
That nicht vorhanden sind, beweisen gehärtete Präparate, ferner das 
Verhalten der zellenähnlichen Gebilde gegen Kalilauge. Warum werden 
denn bei Zusatz jenes Reagens die großen Zellen deutlicher, während 
die kleinen ganz und gar verschwinden? Sicher hatte Lanpoıs nichts 
Anderes vor sich, als die Eiweißkügelchen, von denen bereits vorher 
gehandelt wurde. 

Brasıus beobachtete dasselbe wie Lannoıs, nur drückt er sich vor- 
sichtiger aus, indem er nicht von Zellen, sondern von Molekülen spricht, 
die er allerdings schon für Eiweißkörperchen hält. 

Präparate aus dem Eileiter der Unke, welche mit Osmiumsäure 
behandelt sind, zeigen ganz ähnliche Bilder, wie sie sich an gehärteten 
Vogeleileitern ergeben. Der feinere Bau des Kernes schließt sich voll- 
kommen an die früher beschriebenen Kernstrukturen an. Um die bis- 
weilen in mehrfacher Anzahl vorhandenen unregelmäßig contourirten 
Kernkörperchen herum befinden sich nur wenige größere helle Stellen, 
welche sicher den größeren Tropfen im Kern der Eiweißzelle der 
Kröte an die Seite zu setzen sind. Zwischen ihnen gewahrt man deut- 
lich Plasmastränge, welche vom Kernkörperchen aus verfolgt werden 
können. 


Bemerkungen zur Absonderung des Eiweilies bei beschuppten 
Amphibien und Vögeln. 


In den geschichtlichen Bemerkungen des vorigen Abschnittes wur- 
den bereits die Ansichten von MerckeL von Hemspacn und BLasıus er- 
wähnt; es wurde ferner gezeigt, dass ihre Beobachtungen, obwohl sie 
nicht richtig gedeutet wurden, sich mit den an den nackten Amphibien 
erlangten Resultaten recht wohl in Einklang bringen lassen. Alle That- 
sachen sprechen dafür, dass Amphibien und Vögel im Bau der Eiweiß- 
drüsenzellen übereinstimmen, sollte man daher nicht vermuthen, dass auch 
in beiden Fällen die Art der Absonderung des Eiweißes eine ähnliche sei ? 
Das »Zerlaufen der Eiweißdrüsen«, das vermeinte Platzen der Drüsen- 
hülle, die Existenz der kleinen Eiweißkügelchen in den Drüsenzellen, 


Die Eiweißdrüsen der Amphibien und Vögel. 501 


ihr Verhalten gegen A6procentige Kalilauge; alles dies muss uns in 
unserer Vermuthung bestärken. 

Der Güte des Herrn Professor Dr. Rauser verdanke ich ein Präpa- 
rat aus dem Eileiter einer Hausente, welches über dem Cylinderepithel 
eine ganz ansehnliche Schicht von faserigem Sekret zeigt, ohne dass an 
den einzelnen Zellen auch nur eine Spur von Veränderung wahrnehm- 
bar ist. Das Bild war ganz dazu geeignet, die Ansicht zu erwecken, 
dass hier eine kontinuirliche Absonderung, wie sie namentlich von 
Magendrüsen bekannt ist, vor sich gehe, oder mit andern Worten, 
dass diese Absonderungsweise von Eiweiß mit der der Amphibien 
nicht im Einklang stehe. Wenn wir auch nicht behaupten können, ob 
das faserige Sekret gerade Eiweiß sei, so steht doch so viel fest, dass 
dasselbe an der Bildung des Eies partieipirt; es würde sich nur darum 
handeln, festzustellen, in welcher Weise dies geschieht. 

Eben so wenig wie wir annehmen dürfen, dass das Sekret der 
Kalkschale die Entstehung giebt, so wenig wahrscheinlich ist es, dass 
die Fasern sich einfach mit dem aus den Drüsenschläuchen kommen- 
den Eiweiß mengen, um mit diesem eine homogene Masse zu bilden. 
So bleibt uns denn nur noch die Möglichkeit, in den Gylinderepithel- 
zellen den Herd für die Bildung der Schalenhaut und der die verschie- 
denen Eiweißschichten trennenden Membranen zu sehen. Wie viel 
mehr Wahrscheinlichkeit hat doch diese Auffassung gegenüber denen 
von Ber, Meerer und Anderen! Welch komplicirte Processe müssten 
im Ei sich abspielen, sollte die Schalenhaut eben so durch Gerinnung 
entstanden sein, wie künstlich erzeugte Eiweißmembranen, und wie 
noch viel unbegründeter ist Mecker’s allerdings schon vielfach zurück- 
gewiesene Behauptung, dass die Schalenhaut der Vogeleier der mensch- 
lichen Decidua an die Seite zu setzen sei! Vergleicht man unter dem 

Mikroskop die Fasern der Schalenhaut mit den eben aus dem Gylinder- 
epithel ausgetretenen, so wird man an der Identität beider Objekte 
nicht mehr zweifeln können. Wenn wir wissen, dass die Schalenhaut 
ihre definitive Dicke im unteren Theile des Eileiters erhält, werden wir 
begreifen, dass hier gerade neben den Längsfalten auch noch Querfalten 
auftreten. 

Die erste Arlage der Eiweißdrüsen fällt bei den Krähen Mitte 
März, wenn eben die Eier des Ovariums sich zu entwickeln beginnen. 
Es muss hierbei ganz besonders hervorgehoben werden, dass zu dieser 
Zeit außer den neu entstehenden keine Eiweißdrüsen vorhanden sind, 
dass sie sämmtlich sich neu bilden. Dieser Umstand setzt voraus, dass 
die früher vorhanden gewesenen Drüsen zu Grunde gegangen sein 
müssen. Der Meinung, dass diese Beobachtungen etwa zufällig an 


502 Paul Arno Loos, 


jungen Thieren gemacht seien, an denen zum ersten Male die Drüsen 
sich bilden, ist enigegenzuhalten, dass auch ältere Individuen dasselbe 
zeigen!. Es dürfte hiernach mit Recht behauptet werden, dass nach 
jedem Jahre, ja sogar wahrscheinlich nach jeder Brunstperiode die 
Drüsen sich rückbilden, um dann von Neuem sich vom Epithel her 
einzustülpen. Näheren Aufschluss über die Art der Rückbildung geben 
uns spätere Stadien. 


An einer Krähe, die drei Eier bereits abgelegt hatte und eins noch 
im Eileiter barg, zeigten sich im Drüsenepithel Veränderungen: Einige 
Cylinderzellen zeichneten sich dadurch vor anderen aus, dass der Kern, 
welcher bisher immer rund erschien, sich länglich auszog, die regel- 
mäßigen Contouren verlor und an Volumen zunahm. Die Möglichkeit, 
diese Veränderungen als Folge von Reagentien anzusehen, ist desshalb 
ausgeschlossen, weil an jüngeren Stadien, die genau in derselben Weise 
behandelt waren, dergleichen nie wahrgenommen wurde. Recht wohl 
vereinigt sich diese Beobachtung mit jener an den Drüsenzellen einer 
Krähe, welche bereits 10 Tage gebrütet hatte: Die Drüsenschläuche 
waren hier nicht mehr so scharf begrenzt, aber noch weniger waren 
es die darin sich findenden Zellen, das Epithel hatte sich deutlich von 
der Basalmembran abgehoben, der Kern war weniger scharf contou- 
rirt, kurz das ganze Bild war ein verwischtes, es zeigte deutliche Spuren 
des Unterganges. Ja noch mehr: Nirgends (ich konnte die Präparate 
noch so vorsichtig behandeln) war das das Lumen des Eileiters be- 
srenzende Cylinderepithel auch nur auf geringe Strecken mit dem 
bindegewebigen Theile der Längsfalte mehr in Zusammenhang. Nur 
in kleinen faltigen Einbuchtungen befanden sich noch spärliche Reste 
davon, aber auch sie hatten sich bereits von ihrer Unterlage abgehoben. 
Von wo aus dann später das neue Epithel entsteht, ist mir räthselhaft, 
aber dennoch können wir angesichts dieser Thatsachen keinen Zweifel 
mehr darüber hegen, dass das Drüsen-, wie auch das Gylinderepithel 
einer weitgreifenden Degeneration anheimfällt. 


Amphibien wie Vögel zeigen somit bezüglich des Baues der Ei- 
weißdrüsen und der Absonderung des Eiweißes vollkommene Überein- 
stimmung. 


Vorstehende Arbeit wurde gefertigt auf dem zoologischen Institut 


1 Schon LEUckART hebt hervor (Art. Zeugung p. 872), dass die Eiweißdrüsen 
bei Vögeln und beschuppten Amphibien (Eidechsen) während der Brunstperiode 
zwar vorhanden sind, in der Zwischenzeit aber fehlen. 


E2 


Die Eiweißdrüsen der Amphibien und Vögel. 503 


zu Leipzig unter der trefflichen Leitung meines hochverehrten Lehrers 
Herrn Geh. Hofrath Professor Dr. Leuckart. Es drängt mich, an dieser 
Stelle meinen Gefühlen tiefster Verehrung und wärmsten Dankes 
gegen meinen großen Lehrer Ausdruck zu geben. Ich kann nur mit 
Freuden bekennen, dass Herr Geh. Hofrath Leuckarr ein lebhaftes 
Interesse an meiner Arbeit genommen und mir stets mit Rath hilfreich 
zur Seite stand. 


Leipzig, im Oktober 1880. 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel XXVII, 


Fig. 4. Stück eines Kröteneileiters in Chromsäure gehärtet. a, ungestörtes 
Plasmanetz;; b, gestörtes, zerrissenes Plasmanetz;; c, ausfließendes Eiweiß. 

Fig. 2. Dessgleichen nur näher von der Eileiterwand genommen, wo die 
Drüsenzellen sehr eng an einander gepresst erscheinen. 

Fig. 3. Kern vergrößert. 

Fig. 4. Drüse aus einem Froscheileiter, in Osmiumsäure gehärtet. a, Drüsen- 
zellen; b, Kerne; d, verengte Stelle, welche zugleich unteres Ende des Drüsen- 
schlauches ist; c, Flimmerzellen;; e, Eileiterwand. 

Fig. 5. Drüsenzelle frisch aus dem Eileiter genommen; Stadium kurz vor der 
Absonderung. a, Colloidkügelchen; db, Kern. 

Fig. 6. Dessgleichen nach Einwirkung schwacher Reagentien. Die Colloid- 
kügelchen sind nur noch in geringer Zahl koncentrisch-schalig angeordnet, Dem 
Kern b gegenüber befindet sich ein großer Tropfen, das Produkt der zusammen- 
geflossenen Colloidkügelchen. 

Fig. 7. Dessgleichen nach Einwirkung von Essigsäure. Alle Colloidkügelchen 
sind verschwunden, vom Kern aus erstreckt sich ein Netz d. 

Fig. 8. Quetschpräparat. Die Membran der Drüsenzelle ist durch Druck ge- 
platzt, die Colloidkügelchen sind dadurch frei geworden, während das eigentliche 
Plasma sich nach dem Kern hin kontrahirt hat. | 

Fig. 9. Ein Kern isolirt, neben dem Kernkörperchen noch stark lichtbrechende 
Colloidkügelchen zeigend. 

Fig. 10. Stück eines Eileiters von Corvus corone. — Stadium von Ende März. 


04 Paul Arno Loos, Die Eiweißdrüsen der Amphibien und Vögel. 


Das Epithel wuchert eben in die bindegewebige Unterlage hinein und bildet so die 
Anlagen der Drüsen. 

Fig. 44. Ausgebildete Drüsen im Längs- und Querschnitt; bei a theilt sich ein 
Drüsenschlauch in zwei. Corvus corone. 

Fig. 12. Drüsen von Corvus corone kurz nach der Absonderung des Eiweißes. 
Das Eileiterepithel ist bei a abgestreift. 

Fig. 13. Stück des Eileiters der Haushenne während der Eiweißabsonderung. 
a, Drüsenpolster;; b, Epithelzellen des Eileiters, welche das faserige Produkt c ab- 
sondern. 


Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 


Von 


Oskar Krancher aus Schneebere. 


Mit Tafel XXVII und XXIX. 


Trotzdem schon seit langer Zeit die Athmung der Thiere Gegen- 
stand der eingehendsten Beobachtungen gewesen ist, und auch die 
dabei in Betracht kommenden Organe vielfach untersucht worden sind, 
hat doch bisher die Tracheenathmung der Insekten nur wenig Berück- 
sichtigung gefunden. Wohl haben viele Forscher, und darunter finden 
wir die Namen der berühmtesten Größen der Jetztzeit, diesen Gegen- 
stand berührt und auch Manches in Betreff der Tracheenathmung unter- 
sucht, doch giebt es immer noch viele Punkte, die berücksichtigt zu 
werden verdienen, bevor wir ein Gesammtbild des Ganzen erhalten. 

Im vorigen Jahre durch meinen hochverehrten Lehrer, den Herrn 
Geh. Hofrath Professor Dr. R. Leuckarr auf dieses Gebiet aufmerksam 
gemacht, habe ich mich seit dieser Zeit befleißigt, die Athmungsorgane 
der Insekten so viel als möglich einer genaueren und eingehenderen Be- 
trachtung zu unterziehen. Vor Allem richtete ich mein Augenmerk auf 
den Bau der Stigmen und den bei der Athmung so wichtigen Tracheen- 
verschlussapparat. Die aus meinen Untersuchungen hervorgehenden 
Resultate nun sind es, welche ich in dieser Arbeit niederlege. Bevor ich 
jedoch dieselben mittheile, sei es mir gestattet, einen kurzen Überblick 
über die Untersuchungen der früheren Forscher zu geben. 


Geschichtliches. 


Obwohl es eine ganze Reihe von Forschern ist, die der Tracheen- 
athmung ihre Aufmerksamkeit geschenkt haben, so ist doch die Litteratur 
über den Bau der Stigmen und den damit verbundenen Quetschapparat 
eine nicht allzugroße. 

Zeitschrift f, wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 34 


506 Oskar Krancher, 


Arıstoteugs (1)! war der Ansicht, dass die Insekten überhaupt nicht 
athmeten, trotzdem er oft genug beobachtet hatte, dass dieselben starben, 
sobald sie mit Öl vollständig bestrichen wurden. Er nahm eine den 
Thieren eingepflanzte Luft an, die im Körper hin und her bewegt würde, 
eine Ansicht, die in ähnlicher Weise auch von Prinius vertheidigt wurde. 
Erst späteren Forschern war es vorbehalten, über diesen Punkt einiges 
Licht zu verbreiten. Zu diesen zählen besonders MarrıcHi (3), SWANMER- 
Dam (2), Lyoner (k), SCHEELE, SPALLANZANI, VAUQUELIN, Erris und Andere, 
welche das enorme Athmungsbedürfnis der Insekten erkannten und den 
Versuch machten, die eingeathmete und wieder ausgestoßene Luft so- 
wohl quantitativ als auch qualitativ zu bestimmen. Besonders wiesen 
dieselben durch Versuche nach, dass die Insekten zwar einige Zeit in 
unathembarer Luft aushalten können, und dass eine Wasserstoff- oder 
Kohlensäureathmosphäre ihnen nicht so schädlich ist, wie den Wirbel- 
thieren, dass dieselben aber doch schließlich in dieser zu Grunde gingen. 
Einmal darauf aufmerksam gemacht, sollte man bald zu weiteren Resul- 
taten gelangen. Man entdeckte die Öffnungen, durch welche die Luft 
in den Körper aufgenommen wird. Ich erwähne hier zunächst SwANmMER- 
pam (2), der die Stigmen bei zahlreichen Insekten nachwies, selbst unter 
schwierigen Verhältnissen, wie beispielsweise bei Palingenia longicauda, 
bei der dieselben, wie er selbst sagt, außerordentlich klein seien. 
Reaumur (5) und DE GEER (6) lieferten eine ganze Reihe von Abbildungen 
verschiedener Bruststigmen und sprachen auch bereits die Vermuthung 
der Gegenwart von Luftlöchern am Abdomen aus. Lyoner (4) war der 
eigenthümlichen Ansicht, dass bei den Raupen nur ein mechanisches 
Eindringen der Luft in die Tracheen stattfinde, und stützte sich dabei 
auf das Resultat eines Versuches, der darin bestand, dass er die Stigmen 
mit Seifenwasser bestrich, um zu sehen, ob kleine Bläschen auf den- 
selben entständen. Da dies aber nicht der Fall war, so war nach seiner 
Ansicht obiger Satz vollkommen gerechtfertigt. Diesem schloss sich an- 
fangs auch Tarvıranus (7) an, der sich direkt auf Lyoner’s Versuch be- 
rief, später aber anderer Meinung wurde, indem er hervorhob, dass die 
Stigmen des Hinterleibes besonders in der Ruhe, die der Brust aber 
insbesondere im Fluge aus- und einathmeten. Auch stellte er Versuche 
durch Bestreichen mit Öl an, um dadurch die Existenz einer wirklichen 
Athmung zu beweisen. Gurt SPRENGEL (8) giebt in seinem Werke eine 
ganze Anzahl der schönsten Abbildungen von Stigmen, welche die sorg- 
samen Beobachtungen dieses Forschers kennzeichnen. So zeigt er uns 
unter Anderem die Stigmen der Larve des Nashornkäfers, erklärt solche 


1 Die in Klammern eingeschlossenen Zahlen beziehen sich auf die Nummern 
des der vorliegenden Arbeit am Ende beigefügten Litteraturverzeichnisses. 


Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 507 


von der Puppe von Smerinthus populi und Libellula depressa und führt 
sogar die der Larve von Dytiscus marginalis vor. 

In einer kleineren Abhandlung von Rensser (9) aus dem Jahre 
1817 finden wir bereits einige Andeutungen über das Verschließen der 
Stigmenöffnungen, einen Vorgang, den derselbe besonders an Raupen, 
die er unter Wasser hielt, Gelegenheit nahm zu beobachten. Ebenso 
konnte er das Athmen der Insekten dadurch nachweisen, dass er beob- 
achtete, wie beim Eindringen der Luft in die Trachee der Bauch der- 
selben anschwoll, bei dem Auspressen aber zusammenfiel. 

Eine weitere Bereicherung unserer Kenntnisse über die Athmungund 
die Athmungsorgane der Insekten datirt von BurmEIsTer (40), der die ver- 
schiedenen Arten der Stigmen in recht anschaulicher Form beschreibt und 
auch von dem Verschluss der Tracheen einige Kenntnis hat, indem er sagt: 

» Die Stigmen sind mit eigenen muskulösen Vorrichtungen versehen, 
welche den Eingang öffnen und verschließen, so dass, nach Willkür des 
Thieres, bald Luft durch dieselben in die Röhre dringen, bald der Zu- 
gang ganz abgehalten werden kann.« 

Doch der eigentliche Tracheenverschlussapparat war ihm ent- 
gangen; begreiflich, da derselbe eine nur sehr unbedeutende Größe be- 
sitzt. Bei Oryctes lässt Burmeister den dicht an das Stigma gerückten 
Verschlussapparat direkt auf das Stigma wirken, allerdings in etwas 
unkorrekter Weise; denn nicht das Stigma wird durch jenen Quetsch- 
‚ apparat verschlossen, sondern die Trachee, die an das Stigma sich an- 
setzt. Deshalb hat auch Lanpoıs diesen Apparat ganz richtig den 
Tracheenverschlussapparat genannt. Die Stigmen bezeichnet Bur- 
MEISTER ganz richtig als Spalten oder kleine runde Öffnungen, die, an 
den Seiten der Leibesringel gelegen, theils von einem eigenen Hornringe 
umgürtet werden, theils auch von der äußeren Körperhaut selbst ge- 
bildet sind. Ein Jahr nach Burmeister erschien die von Oken (41) ins 
Deutsche übersetzte »Einleitung in die Entomologie« von Kırsy und 
SPENGE (44), worin ein ganzes Kapitel der Athmung der Insekten gewid- 
met ist. Hier wird bereits auf den komplicirten Bau der Luftlöcher 
Rücksicht genommen, indem dieselben mit einem Munde verglichen 
werden, der vermöge seiner Lippen geschlossen und geöffnet werden 
könne. Dass überdies auch die Idee eines Tracheenverschlussapparates 
ziemlich deutlich hervortritt, erkennt man an dem Satze: 

»Das Thier, wo diese Organe mit Lippen versehen sind, hat ohne 
Zweifel einen Muskelapparat, womit es dieselben öffnen oder schließen 
kann; dieses soll durch Aufheben oder Niederlassen, oder vielmehr 
durch Zusammenziehen und Erschlaffen geschehen. « 

Von anderen zu jener Zeit erschienenen Arbeiten, die theils nur 

34 * 


508 Oskar Krancher, 


die Zahl der Stigmen und ihre Lage am Körper angeben, theils auch im 
Allgemeinen sich mit der Athmung der Insekten befassen, erwähne ich 
noch die von Carus (12), Durour (13), Gerstäcker (1%) und Pieter (15). 

Im Lehrbuche von Beremann-Leuckart (16) finden wir gleichfalls 
einige recht interessante Angaben, aus denen hervorgeht, wie weit die 
Kenntnis des Quetschapparates und des Baues der Stigmen bereits zu 
Anfang der fünfziger Jahre sich abgerundet hatte. Seiner Wichtigkeit 
halber theile ich diesen Passus wörtlich mit. Er lautet: 

»Der Durchtritt der Luft durch die Stigmen ist dem Einflusse eines 
besonderen regulatorischen Apparates unterworfen, der nur in wenigen 
Fällen vollkommen zu fehlen scheint. — Dann bilden die Stigmen einen 
einfachen Querschlitz, beständig klaffend und offen für die durchtreten- 
den Gase. In anderen Fällen können die lippenförmigen Ränder durch 
einen besonderen kleinen Muskel einander genähert werden. Noch 
häufiger ist es, dass sich am Anfangstheil der Trachee ein zierlicher 
Muskelapparat entwickelt, der an eingelagerte Hornstückchen sich fest- 
setzt und die Kommunikation mit den Luftlöchern unterbrechen kann. 
Zur Abwehr fremder Körper, zum Schutz vor Staub, Wasser und der- 
gleichen, sind die Lippen der Stigmen sehr gewöhnlich mit einfachen 
oder befiederten Haaren besetzt, und etwas trichterförmig nach innen 
gezogen, während in ihrem Umkreise ein fester, horniger Ring sich aus- 
spannt. « 

In dieser Weise mehren sich die Angaben, bis schließlich L. Lan- 
voıs (17) mit einer genaueren Beschreibung des Quetschapparates her- 
vortrat. Er behandelte zunächst einige Pediculinen und unterzog hier 
neben den Respirationsorganen auch den Tracheenverschluss einer 
näheren Betrachtung, indem er besonders nachwies, dass diese Vor- 
richtung dazu diene, die Tracheen in der Nähe der Stigmen zu ver- 
schließen, und zwar mit Hilfe eines kleinen Muskels, der ein Chitin- 
stäbchen an dieselbe andrängt. Bei nachlassender Muskelkontraktion sah 
er den Apparat durch die Elasticität der Chitintheile sich von selbst 
wieder öffnen. 

Auf diesen so wichtigen Apparat einmal aufmerksam gemacht, 
untersuchte bald darauf dessen Bruder H. Lanpoıs (19) die Verhältnisse 
hei den verschiedenen Entwicklungsstufen der Lepidopteren, besonders 
bei Vanessa urticae, die, wie er nachwieß, in allen drei Stadien Stigmen- 
verschlüsse besitzt, obwohl dieselben in ihrer Bildung mannigfach von 
einander abwichen. — Kurze Zeit darauf erschien eine weitere Mit- 
theilung desselben Forschers, in welcher er in Gemeinschaft mit TaELEN 
auf den Bau der Stigmen und des damit verbundenen Tracheenverschluss- 
apparates bei Tenebrio molitor näher einging (20), und schließlich, nach 


Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 209 


Untersuchungen einer größeren Reihe von Insektenspecies aller Ord- 
nungen, eine größere Abhandlung über »den Tracheenverschluss bei den 
Insekten« (21). Der Werth dieser Arbeit und die Wichtigkeit derselben 
darf in keiner Weise unterschätzt werden, giebt sie uns doch zuerst ein 
Gesammtbild der großen Verschiedenheit dieses für alle Insekten so wich- 
tigen Apparates und seiner oft ziemlich komplicirten Beschaffenheit. Auch 
noch in einem später erscheinenden Werke von L. Lanpoıs (18) über » die 
Bettwanze und verwandte Hemipterengeschlechter« widmet derselbe ein 
volles Kapitel der Respiration, wobei er in ziemlich eingehender Weise 
des Baues der Stigmen und des Quetschapparates gedenkt, obwohl er 
dazu nur eine sehr ungenaue Abbildung giebt. 

Ebenso sind in dem so berühmt gewordenen Werke von H. Lannoıs 
(22) über den Stimmapparat der Insekten manche Andeutungen über 
den Bau der Stigmen und der mit diesen verbundenen Stimmbänder 
und Brummringe niedergelegt. 

Ein weiteres wichtiges Werk auf diesem Gebiete ist das in neuester 
Zeit erschienene Buch über die »Morphologie des Tracheensystems« von 
Pırmen (23). Dasselbe hat unser Wissen um einen bedeutenden Schritt 
dadurch gefördert, dass es neben dem Tracheensystem und den Tracheen- 
kiemen ganz besonders auch die Stigmenbildung in den verschiedenen 
Insektengruppen eingehend behandelt. Gleichzeitig wird darin das Ver- 
hältnis erörtert, in dem die Stigmen zu den Tracheenkiemen stehen, und 
der Nachweis geliefert, dass beide Organe weder ihrer Lage noch ihrer 
Zahl nach sich entsprechen, also auch keinerlei genetische Beziehung zu 
einander haben. 

Auch GrABeEr (24) widmet in seinen »Insekten« dem Athmungs- 
apparate ein besonderes Kapitel, in dem er verschiedene wichtige Mo- 
mente berücksichtigt und auch den Quetschapparat in gebührender Weise 
erwähnt. Er vergleicht sehr schlagend die Stigmen mit Thüren und die 
Quetschapparate mit Schlössern, die vom Thiere selbst geöffnet und ge- 
schlossen werden können, so dass letzteres die Luftaus- und -einfuhr 
vollkommen in seiner Gewalt hat. 

Schließlich bemerke ich noch, dass Leverart (25 und 26) die 
Dipterenlarven auf ihre Stigmenbildung untersucht hat und dabei zu 
Resultaten gelangt ist, mit denen die meinigen vollkommen überein- 
stimmen. Ebenso ist noch Weısmann (27) zu erwähnen, der neben der 
allgemeinen Entwicklung der Dipteren auch zugleich die der Stigmen 
beachtete, sowohl zur Zeit der Bildung des Embryo, als in der nach- 
embryonalen Zeit, bei den verschiedenen Larvenzuständen , der Puppe 
und der Imago. Näheres hierüber soll weiter unten erwähnt werden. 

Die weitaus größeste Bedeutung von all diesen Arbeiten darf wohl 


510 Oskar Krancher, - 


den Untersuchungen von L. und H. Lanpoıs beigelegt werden. Durch 
sie ist zuerst ein genauer Einblick in den wenn auch kleinen, so doch 
regelrecht wirkenden Mechanismus dieser Apparate und ihrer großen 
Wichtigkeit geschaffen worden. 


Allgemeines. 


Bevor ich zu dem eigentlichen Thema meiner Arbeit übergehe, 
schicke ich einige Bemerkungen über den Bau der Stigmen im Allge- 
meinen, über ihre Lage, über Tracheenverschluss und deren Wichtig- 
keit, sowohl für die Athmung, als für den Flug des Insektes, voraus. 

Als die einfachsten Stigmen, diejenigen, welche man gleichsam als 
unterste Stufe derselben hinstellen könnte, sind jene zu betrachten, welche 
nur eine Öffnung oder Spalte der Körperhaut vorstellen. Dieselbe kann je 
nach Umständen rund oder elliptisch sein und ist meist von einem Chitin- 
ringe umgeben, der sicherlich als Spange jener Öffnung dient, um diese 
vor dem Zusammenfallen zu schützen. Dass natürlich hier weder von 
Lippen, noch von einer Beweglichkeit des Randes die Rede sein kann, 
versteht sich von selbst. Derartige einfache Luftlöcher treffen wir in 
sehr typischer Form beispielsweise bei den Wanzen, nur kommt hier 
noch hinzu, dass das Stigma sich nach hinten zu trichterförmig verengt 
und die eigentliche Öffnung dann ziemlich klein ist. Auch möchten die 
Dipteren hierher in so weit zu rechnen sein, als dieselben in ihren Ab- 
dominalstigmen die gleiche primitive Form zeigen. — Oft tritt nun an 
diesen Stigmen noch dadurch eine Komplikation auf, als über diese Öff- 
nung hin sich eine Menge steifer Haare oder Borsten erstrecken, die dazu 
dienen, fremde Körper, wie Staub, Wasser und dergleichen, vor dem 
Eindringen zurückzuhalten. Ich erwähne hier die Stigmen der Puliciden. 
Ebenso sind im Inneren des Stigmas oft Näpfchen und Spangen anzu- 
treffen, die sicherlich dazu bestimmt sind, die Öffnungen in der Ruhe 
offen zu erhalten. 

Komplicirter bereits gestalten sich diejenigen Stigmen, die mit Lip- 
pen versehen sind. Burmeister (10) rechnet zu diesen Formen als unterste 
Stufe die Stigmen der Orthopteren und erwähnt besonders Gryllotalpa. 
Dieselben stellen einen aufgeworfenen, mit kurzen Haaren besetzten 
Rand dar, dessen eine Seite meist etwas höher steht und theilweise über 
die anderen hinweggreift, so eine Art Deckel bildend. Den Verschluss, 
der bei diesen Stigmen in Betracht kommt und fest mit denselben ver- 
wachsen ist, hat Burmeister allerdings ziemlich richtig erkannt, indem 
er von einem kleinen Muskel spricht, der von einem hornigen Vorsprung 
des unteren Lippenwinkels entspringt und sich an zwei hornige Halb- 
ringe ansetzt, die den Anfang des Luftloches umgeben. In wie weit 


Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 511 


dies korrekt erscheint, wird weiter unten einer eingehenderen Be- 
sprechung unterliegen. Ebenso sind die Stigmen einiger kleiner Cole- 
opteren hierher zu zählen. — Weit komplieirter aber gestalten sich diese 
Stigmen dadurch, dass an den oben genannten Lippen sich mehr oder 
weniger verzweigte Haare ansetzen, die dann entweder unabhängig 
und isolirkı von einander sind, wie bei den meisten Käfern und vielen 
Schmetterlingen, oder durch ihre feine Verzweigung unter einander eng 
verfilzt sind, so dass sie bei oberflächlicher Betrachtung nicht von ein- 
ander zu unterscheiden sind. 

Diese Art der Stigmen findet sich größtentheils bei den Larven der 
Lepidopteren. Oft sind auch die Haare durch Querfortsätze mit einander 
verwachsen, so dass sie dem Auge als ein Sieb entgegentreten, wie es 
gleichfalls viele Larven der Lepidopteren und eine große Anzahl der 
Coleopieren erkennen lassen. Wozu dieses feine Haarnetz in den Stig- 
men sich befindet ist leicht zu ersehen; es dient als Seihapparat der in 
die Trachee aufzunehmenden Luft, um den fremden Körpern den Eintritt 
in die Lufträume zu versperren. Dieses Haarfilter ist oft sehr schön aus- 
gebildet, und bietet dem Beobachter oft die prächtigsten Bilder. Ich 
verweise hier auf die Stigmen der CGoleopteren, besonders unseres Dytis- 
cus marginalis. 

Als weitere Form der Stigmen tritt uns ferner diejenige enigegen, 
welche makroskopisch ziemlich kreisrund erscheint, bei näherer Be- 
trachtung aber aus einem sehr breiten Rande und einem koncentrischen 
Mittelstück besteht. Dies Stigma erscheint ziemlich komplicirt und sein 
Bau ist einzig und allein durch Längs-, Quer- und Flächenschnitte zu 
ergründen. Eine derartige Form zeigen die Larven der Lamellicornier. 
Burneister hat den Bau dieses Stigma vollkommen missverstanden. 
Was er für die eigentliche Öffnung des Stigma ansah, ist nur eine 
stärkere Chitinanhäufung, die als Ansatz des Muskels dient. Weiteres 
wird sich später an geeigneter Stelle finden. 

Eine besondere Form von Stigmen ist auch diejenige, bei der sich 
über die äußere Öffnung nach innen zu ein Chitinnäpfchen hinwegwölbt, 
an dessen einer Seite dann die Trachee ihren Ursprung nimmt. Hierher 
gehören besonders die Stigmen der Hymenopteren, wohl auch zum Theil 
die der Puliciden. 

Endlich erwähne ich noch die Stigmen der Dipterenlarven und 
Puppen, die sich aus einer Anzahl von Einzelstigmen zusammensetzen, 
röhrenförmig nach unten laufen und sich dort zu einer gemeinschaft- 
lichen Trachee vereinigen , der die einzelnen Röhren, besonders an den 
vorderen Stigmen, wie Finger an der Hand, aufsitzen. 

So können wir also folgende Haupttypen der Stigmen unterscheiden: 


512 Oskar Krancher, | 


I. Stigmen ohne Lippen: 

a) Das einfachste Stigma ist ein Loch, um das herum sich ein 
Chitinring legt (Acanthia). 

b) Das Stigma ist aus einer Reihe von Einzelstigmen zusammen- 
gesetzt, die meist von einem gemeinsamen Chitinringe um- 
geben sind und deren röhrenförmige Fortsätze sich nach 
unten zu einer Trachee vereinigen (Larven und Puppen der 
Dipteren). 

ll. Stigmen mit Lippen: 

c) Die Lippen stellen einfach gebaute, spärlich behaarte Chitin- 
wülste vor (Gryllotalpa). 

d) Die Lippen sind meist dachförmig nach innen zulaufend und 
zeigen eine üppige Behaarung, die nicht selten zu einem 
engen Filznetz zusammengepackt ist (Goleopteren, Lepi- 
dopteren). 

e) Das ziemlich runde Stigma zeigt an der einen Seite ein nach 
dem Centrum vorspringendes Mittelstück (Larven der Lamelli- 
cornier). 

Was die Anzahl der Stigmen bei den verschiedenen Thieren anbe- 
trifft, so ist diese eine stets variirende. Sogar in den verschiedenen Ent- 
wicklungsstufen treten uns hier die größten Mannigfaltigkeiten entgegen. 
Es ist darum ziemlich schwierig, hierüber bestimmte Gesetze und Regeln 
aufzustellen. Pırmen (23) hat in seinem Werke diesen Gegenstand in 
einem besonderen Kapitel: »Die Formentypen des unvollständig ge- 
schlossenen Tracheensystems bei den Insektenlarven« eingehend behan- 
delt. Das vollständig geschlossene Tracheensystem belegt er mit dem 
Namen apneustisch, das ganz offene aber mit dem Namen holopneustisch ; 
die dazwischen liegenden zwölf Formentypen nennt er dann hemi- 
pneustisch. Letztere Gruppe besitzt wieder verschiedene Unterab- 
theilungen, sei es, dass die Stigmen am Thorax einfach und am Ab- 
domen vollzählig vorhanden sind (peripneustisch), sei es, dass nur das 
Abdomen (metapneustisch) oder nur der Thorax (propneustisch) je ein 
Paar Stigmen aufzuweisen hat, oder sei es schließlich, dass Thorax und 
Abdomen zugleich je ein Paar Stigmen besitzen (amphipneustisch). 

Der Hauptsache nach unterscheiden wir zweierlei Arten von Stigmen, 
nämlich: | 

1) Die Thorakalstigmen, meist als zwei Paare vorhanden, jedoch 
oft auch nur in einem Paare vertreten. | 

2) Die Abdominalstigmen, die in verschiedener Zahl am Hinterleibe 
vorhanden sind. 

Wie bereits erwähnt, trifft man die Thorakalstigmen meist in zwei 


Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 513 


Paaren an, sei es nun, dass diese am Pro- und Metathorax, sei es, dass 
sie am Meso- und Metathorax ihre Lage haben. Noch nie aber hatte man 
bis jetzt gefunden, dass Stigmen am Pro- und Mesothorax zugleich vor- 
kommen, vielmehr schloss stets das Vorhandensein von Luftlöchern am 
ersten Brustringel eine Anwesenheit solcher am zweiten aus und umge- 
kehrt. Die allgemeine Gültigkeit dieses Satzes wird jedoch widerlegt 
durch das Vorhandensein von Stigmen am Pro-, Meso- und Metathorax 
bei den Puliciden. Das erste Stigma des Thorax ist allerdings etwas 
schwierig aufzufinden, und dies mag wohl auch der Grund des leichten 
Übersehens desselben gewesen sein; verfolgt man jedoch die Trachee 
in ihrem Längsstamme, so wird man schließlich auch dies Stigma auf- 
finden. Dasselbe ist von einer stärkeren Chitinspange umgeben und 
meist unter der Kopfkrause des Flohes verborgen. Es ist dies aber der 
einzige bekannte Fall, in dem Stigmen zugleich an allen drei Brustringeln 
der Imago auftreten. Dieses Umstandes thut auch TascHEnBErG (28) in 
seinem neu erschienenen Werke über die Flöhe gebührend Erwähnung. 

Was die Abdominalstigmen anbetrifft, so ist deren Anzahl in den 
verschiedenen Gruppen eine sehr verschiedene. Als Norm lässt sich 
hinstellen, dass dieselbe die Zahl von neun Paaren nicht überschreitet, 
wie denn überhaupt die größte Zahl von Stigmen bei den Hexapoden 
über zehn Paare nicht hinausgeht. Dieselben liegen meistentheils zwi- 
schen zwei Abdominalringeln, können jedoch auch bis auf die Mitte 
derselben vorrücken. Größtentheils trifft man sie dem Rücken ange- 
nähert, und stets symmetrisch an beiden Seiten der Ringel; doch finden 
sie sich gelegentlich auch mehr oder weniger nach der Bauchfläche zu, 
wie dies beispielsweise bei den Pediculinen zu ersehen ist. Die mehr 
oder weniger versteckte Lage der Stigmen korrespondirt meist mit der 
verschiedenen Lebensweise der Thiere. Solche Insekten, die in staubi- 
ger Luft sich aufhalten oder vielleicht gar auf den Aufenthalt in der 
Erde angewiesen sind, tragen ihre Athemlöcher am meisten versteckt, 
wie dies bei den meisten Käfern und wohl allen Hymenopteren der Fall 
ist [vergleiche hierzu Beramann-LeuckArt (46)]. Bei den ersteren liegen 
sie in den dünnen Verbindungshäuten zwischen je zwei Ringen, bei den 
letzteren am oberen Rande der Segmente, so dass sie beim fernrohr- 
artigen Übereinanderschieben der Abdominalsegmente vollkommen be- 
deckt werden, ohne dass die Zufuhr der Luft deshalb gänzlich abge- 
schlossen wäre. Bei den Käfern sind sie außerdem noch von den 
schützenden Flügeldecken überlagert. Anders gestaltet sich dies bei den 
Insekten, die einer reineren Athmosphäre angehören, wie wir dies bei 
den Pulieiden, Pediculinen, Acanthiaden und ähnlichen Formen antreffen. 


514 Oskar Krancher, 


Hier liegen die Stigmen frei auf der Körperoberfläche, indem sie mehr 
oder weniger weit in die einzelnen Segmente hinein vorrücken. 

Finden sich die Stigmen frei und ohne jegliche Bewehrung am Ab- 
domen, dann sind dabei andere Momente maßgebend, durch welche 
ein Eindringen von fremden Körpern in die Trachee verhindert wird. 
In solchen Fällen ist vielleicht der Körper selbst sehr dicht behaart, wie 
bei den meisten Dipteren und Neuropteren, wohl auch vielen Lepidopte- 
ren, oder es stellt das Stigma entweder einen schmalen Spalt vor, der 
durch eine Anzahl von randständigen Haaren überdeckt ist, wie es viele 
Orthopteren zeigen, oder es ist das Innere des Stigma durch eine üppige 
Wucherung von Haaren zu einem dichten Filter für die Luft geworden, 
wie solches den meisten Insekten zukommt. So sehen wir, dass auch in 
dieser Hinsicht ein’ jedes Thier dem Medium, in dem es sich aufhält, 
vollkommen angepasst ist. 

Hinter der äußeren Stigmenöffnung liegt nun mehr oder weniger 
weit entfernt der Tracheenverschlussapparat, mit dem sich, wie be- 
merkt, besonders H. Lannoıs und TueLen beschäftigt haben. Derselbe 
besteht der Hauptsache nach, gleich den Hartgebilden der Trachee und 
des Stigmas, aus Chitin, und setzt ein Gebilde zusammen, an dem wir 
vier Theile unterscheiden können, wie ich das in den folgenden Unter- 
suchungen des Weiteren aus einander setzen werde. Diese sind: 

1) der Verschlussbügel, 

2) der Verschlusshebel oder Verschlusskegel, 

3) das Verschlussband, 

4) der Verschlussmuskel. 

Die ersten drei Theile sind chitinisirt; sie umgeben das Tracheen- 
rohr ringförmig und sind gelenkartig mit einander verbunden. Der Ver- 
schlussbügel besitzt meist eine halbmondförmige Gestalt und umspannt 
gewöhnlich die eine Hälfte des Tracheenrohres. Auf der anderen Seite 
treffen wir das Verschlussband, das durch allerhand Vorrichtungen, die 
den Verschlusshebel oder Kegel vorstellen, gegen den Verschlussbügel _ 
angedrückt wird. Dieser Hebel zeigt sich meistentheils als ein schwacher 
Chitinstab, der den Verschluss bewerkstelligt; er kann aber auch, recht- 
winklig gebogen, zu einem typisch ausgeprägten Hebel werden, wie bei 
den Lepidopteren, oder er kann in Form von zwei Kegeln auftreten, die 
mit ihrer Basis gegen den Verschlussbügel hin drücken. 

Der Verschluss wird durch die Kontraktion von Muskeln bewirkt, 
während die Öffnung durch die Elastieität der Chitintheile selbst erfolgt. 
Im Zustande der Ruhe ist natürlich der Apparat geöffnet, so dass die 
Luft in den Tracheen ohne Hindernis mit der äußeren Luft kommunicirt. 
Der Verschlussmuskel besteht im Großen und Ganzen aus einer mehr 


Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 515 


oder minder beträchtlichen Anzahl von Fasern, die allesammt gut quer- 
gestreift sind und nach Karminfärbung ihre Kerne ziemlich prägnant 
hervortreten lassen. Meist ist der Ansatz des Muskels nun so, dass sich 
das eine Ende desselben an den Verschlusskegel befestigt, während das 
andere Ende an den Verschlussapparat selbst, und hier wohl stets an 
den Verschlussbügel sich inserirt. Doch findet man auch Fälle, wo das 
andere Ende des Muskels an die Hypodermis sich anheftet. Hat aber, 
wie bei Melolontha, der Verschlussapparat zwei Hebel aufzuweisen, so 
verbindet natürlich der Muskel diese beiden unter einander und bewirkt 
durch kräftige Kontraktion einen festen Verschluss der Trachee. Man 
darf jedoch nicht glauben, dass dies die einzige Art der Tracheenver- 
schlüsse sei. Unser Apparat zeigt vielmehr einen außerordentlich ver- 
schiedenen Bau. Von den oben beschriebenen Hebeln abgesehen, er- 
scheint er bald in der Form von Klappen (Sirex), bald als Pinzette 
(Pulex), bald auch als ein Ring (Larve von Dipteren) mit daran sitzendem 
Ringmuskel, oder als Ring, welcher einfach zusammengezogen wird 
(Thorakalstigmen der Dipteren), wie dies bei den einzelnen Ordnungen 
und Arten genauer erörtert werden soll. Aber so viel sei schon hier 
gesagt, dass Tracheenverschlussapparate keinem Insekte fehlen, wenn 
sie auch bei einigen Arten minimal ausgebildet sind. Ja selbst ein jedes 
Stigma besitzt den Quetschapparat. Hinter dem letzteren beginnt dann 
erst die eigentliche Trachee mit ibrer spiraligen Zeichnung und ihrer 
Ästelung. 

Auf die Frage, wie man sich jenen Tracheenverschlussapparat 
entstanden denken könnte, möchte ich folgende Antwort geben : »Der- 
selbe stellt nichts weiter vor, als eine lokal verdickte Stelle der Spiral- 
faser der Trachee, die sich schließlich in jene Theile umgestaltet hat.« 
Leider sind gerade über diesen Punkt noch keine Untersuchungen ge- 
macht worden, obwohl es recht lohnend sein würde, ihn zum Gegen- 
stand einer eingehenderen Untersuchung zu wählen. Meine Behauptung 
stützt sich darauf, dass bei dem primitivsten Verschlussapparate, wie 
wir ihn bei den Larven der Dipteren und beim Mehlwurme vor Augen 
haben, die ganze Trachee an jener Stelle von einem aus zahlreichen 
Chitinschichten bestehenden Ringe umgeben ist, der einer verdickten 
Spiralfaser nicht unähnlich ist. Selbst die komplicirteren Apparate lassen 
jene Zusammensetzung oft noch deutlich erkennen, so dass man fast der 
Ansicht werden könnte, als sei der Verschlussbügel, bei dem dies vor- 
zugsweise der Fall ist, aus lauter einzelnen Tracheenspiralen zusammen- 
geleimt. Durch eine größere lokale Chitinablagerung bildeten sich dann 
die damit zusammenhängenden stärkeren Chitintheile, wie sie uns in den 
Verschlusskegeln in mannigfacher Form entgegentreten. 


516 Oskar Krancher, 


Dass die Verschlussmuskeln von Nerven versorgt werden, hat 
H. Lanpoıs in seiner Abhandlung über Tracheenverschlüsse ziemlich 
deutlich an der Cossusraupe und bei Melolontha nachgewiesen, so dass 
ich glaube, hier einer weiteren Beachtung dieses Punktes enthoben 
zu sein. 

Welch hohe Bedeutung die Tracheenverschlussapparate für die 
Athmung der Insekten und ebenso für deren Flugvermögen haben, hat 
schon Lanpoıs (21) angedeutet; doch glaube ich diesen so wichtigen 
Punkt hier nicht ohne Weiteres übergehen zu dürfen. 

Die Tracheen durchziehen den Körper der Insekten in der mannig- 
fachsten Verzweigung, und verästeln sich an den Organen, an die sie 
herantreten, bis zu den feinsten Gapillaren. Doch ist an allen Stellen 
ihre Struktur eine gleiche, indem sie, wie besonders Guun (29) nach- 
gewiesen hat, überall aus einer chitinigen Spiralhaut bestehen, über die 
sich eine kernhalltige Zellschicht, die äußere Peritonealhülle, ausbreitet. 
Da nun aber die Tracheen vermöge ihrer Struktur durchaus nicht dazu 
geeignet sind, die Luft in sich selbst fortzubewegen, dieselbe aber bis 
in die letzten Endigungen der Trachee eintreten muss, um dort den 
Oxydationsprocess zu erfahren, so müssen Momente vorhanden sein, 
welche die Luft zwingen, bis dahin vorzudringen. Deren giebt es eine 
ganze Reihe, sei es die Körperbewegung, welche eine Verengung und 
Ausdehnung der Trachee veranlasst, sei es, dass Tracheen in Muskel- 
fasern liegen und so bei deren Kontraktion verengt und erweitert wer- 
den, sei es sogar, wie Lanvoıs angiebt, dass der Blutstrom oder die Be- 
wegung von Muskeln, die den größeren Tracheenstämmen aufliegen, 
dabei ins Spiel kommen. Aber alles dies vermag nicht in der Weise zu. 
wirken, wie es der Tracheenverschlussapparat thut. Fehlte dieser, so 
könnte das Thier überhaupt nicht athmen und wäre somit unfähig, zu 
leben. Ohne Tracheenverschluss würde das Thier, wollte es athmen, 
die Luft, welche in den Körper eingesogen wird, stets wieder durch die 
entsprechende Gegenbewegung ausstoßen :: nie würde dieselbe bis zu 
den feinsten Verästelungen vordringen. Tritt aber der Tracheenver- 
schlussapparat in Wirkung, und die Tracheen sind mit Luft gefüllt, so 
wird die Luft durch Zusammenziehen des Körpers und der damit ver- 
bundenen Verengerung der Tracheen wohl oder übel bis in die feinsten 
Enden derselben gedrängt, wo der Gasauslausch in ausgiebigster Weise 
erfolgen kann. Beim Öffnen sämmtlicher Verschlussapparate wird dann 
die Luft durch Körperbewegung und Zusammenschiebung des Abdo- 
mens, durch Laufen oder Fliegen, größtentheils wieder entfernt, bis die 
Operation von Neuem beginnt. Wir sehen also, welch große Wichtig- 
keit der Verschlussapparat für die Athmung hat. 


Der Bau der Stigmen bei den Insekten. Ä 517 


Aber von nicht minder großer Bedeutung ist er auch für die Flug- 
bewegung des Insektes, weil ja während des Fluges die Respiration eine 
gesteigerte ist. Kurz vor dem Fluge werden die Tracheen und die damit 
theilweise verbundenen Tracheenblasen mit Luft vollgepumpt, um ein- 
mal ein Reservoir für die gesteigerte Athmungsthätigkeit abzugeben, und 
ferner auch, um den Körper specifisch leichter zu machen. Dieses Voll- 
pumpen kann man sehr deutlich bei Maikäfern beobachten, die kurz 
vor ihrem Abfluge ruckweise Bewegungen machen und dann gleichsam 
in die Luft hinaus springen. Alles das aber könnte natürlich nicht statt- 
finden, wenn die Tracheenverschlüsse fehlten, denn nur mit Hilfe der 
letzteren wird die einmal eingesogene Luft in das Innere der Tracheen 
gequetscht, bis dieselben und die damit zusammenhängenden Blasen 
gleichsam von Luft überfüllt sind. 

Dass die Stigmen wirklich als Einfuhröffnungen der Luft dienen, 
lässt sich, wie es viele ältere Forscher und auch Lanpoıs gethan haben, 
am leichtesten experimentell dadurch nachweisen, dass man einfach die 
Stigmen mit Öl verklebt, wobei das Thier schließlich nach kürzerer oder 
längerer Zeit wegen Mangel an nöthiger Luft zu Grunde geht. Am besten 
zu diesen Zwecken eignen sich natürlich nackte oder nur sehr spärlich 
behaarte Raupen, wie Sphinx ligustri, Cossus ligniperda und dergleichen, 
da man deren Stigmen sehr deutlich erkennen kann und nicht in die 
Lage kommt, einige derselben zu übersehen. 

Bevor ich nun zu demjenigen Abschnitte übergehe, welcher eine 
specielle Darstellung meiner Untersuchungen enthält, erwähne ich, dass 
alle folgenden Beobachtungen im hiesigen zoologischen Institute ge- 
macht worden sind, und zwar unter der persönlichen Leitung meines 
hochverehrten Lehrers, des Herrn Geheimen Hofrathes Professor Dr. 
R. Leuckart. Ich glaube darum hier den günstigsten Platz gefunden zu 
haben, diesem meinen verehrten Lehrer meinen wärmsten und innigsten 
Dank auszusprechen, sowohl für die gütige Leitung und den thätigen 
Beistand bei der Präparation und Untersuchung, als auch für die un- 
ermüdliche Hilfe, die er mir stets angedeihen ließ, und für die Güte, 
mit welcher derselbe mir bei oft eintretendem Mangel aus den Vor- 
räthen des zoologischen Institutes das geeignete Material überließ und 
es ermöglichte, Arten zu untersuchen, die für mich sonst schwierig zu 
erlangen gewesen wären. 

Bei den nun folgenden Detailangaben werde ich so verfahren, dass 
ich die einzelnen Species nach den von Craus (30) in seinem Lehrbuche 
aufgestellten sieben Ordnungen betrachte, zunächst aber dieselben in 
übersichtlicher Weise hier zusammenstelle. 


918 


II. 


MI. 


IV. 


‚Oskar Krancher, 


Hexapoda. 


. Rhynchota, Schnabelkerfe : 


1) Aptera oder Parasitica : 

Pediculus capitis, Haematopinus suis, Phthirius pubis. 

2) Phytopihires: 

3) Cicadaria: 

4) Hemiptera: 

Acanthia lectularia. 

Diptera, Zweiflügler: 

4) Aphaniptera: 

Pulex irritans, P. canis, P. avium. 

2) Pupiparae: 

Melophagus ovinus, Anapera pallida. 

3) Brachycera: 

Musca vomitoria, M. domestica, Sarcophaga carnaria, Oestrus 
bovis, Gastrus equi. 

4) Nemocera: 

Lepidopteren, Schmetterlinge: 

Microlepidopteren: 

2) Geometrina: 

Noctuina : 

Bombyeina: 

Euprepia (Raupe), Bombyx mori, Cossusligniperda (Raupe). 

Sphingina: 

Macroglossa stellatarum, Sphinx euphorbiae (Raupe), Sme- 
rinthus populi (Puppe), S. tiliae (Raupe), S. ocellata 
(Raupe und Imago). 

6) Rhopalocera: 

Vanessa Jo (Raupe), Pieris brassicae. 

Orthopteren, Geradflügler : 

4) Thysanura: 

2) Orthoptera genuina: 

Forficula auricularia, Gomphocerus, Gryllotalpa vulgaris, 
Gryllus campestris. 
3) Orthoptera pseudo-Neuroptera : 
Aeschna grandis, Libellula virgo. 


> 
et 


m CO 


= 


. Neuroptera, Netzflügler: 


4) Planipennia: 
Rhaphidia, Panorpa communis, Chrysopa perla. 
2) Trichoptera : 


Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 519 


VI. Coleopteren, Käfer: 
1) Gryptotetramera: 
Coceinella septempunctata. 
2) Cryptopentamera: 
Lina populi, Hylobius abietis. 
3) Heteromera: 
Melo& proscarabaeus. 
4) Pentamera: 

Cantharis dispar, Elater murinus, Geotrupes stercorarius, 
Melolontha vulgaris (Larve und Imago), Oryctes nasi- 
cornis, Osmoderma eremita, Silpha obscura, Necropho- 
rus vespillo, Hydrophilus piceus, Dytiscus marginalis, 
Carabus auratus, GC. nemoralis, Cieindela campestris. 

VII. Hymenopteren, Hautflügler : 
1) Terebrantia: 
Sirex gigas (Larve und Imago). 
2) Entomophaga: 
3) Aculeata: 

Formica rufa, Vespa vulgaris, V. crabro, Bombus terrestris, 

Apis mellifica. 


Rhynchota. 


Was zunächst die Litteratur dieses Abschnittes anbetrifft, so sind 
hier besonders die beiden Arbeiten von L. Lannoıs (19, 20) zu erwähnen, 
welche die Stigmen und den Verschlussapparat der Pediculinen und der 
Bettwanze behandeln. 

Die Stigmen der Pediculinen erscheinen alle, wenigstens bei den 
von mir untersuchten Arten, in Form eines mehr oder minder großen 
trichterförmigen Näpfchens, mit einer kleineren Öffnung, die nach außen, 
und einer größeren, die nach innen zu gelegen ist. Besonders typisch 
tritt dies uns bei Phthirius pubis entgegen. Die äußere Öffnung bildet 
ein ziemlich kleines Loch, das zu der inneren trichterförmigen Weite 
meist etwas excentrisch liegt. Es ist von einem schwachen Chitinringe 
umgeben, der als Spange für die Öffnung dient. 

Am Körper der Läuse kann man überhaupt sieben Paar Stigmen 
vorfinden, von denen das erste Paar am Thorax gelegen ist, während 
die anderen dem Abdomen angehören. Wie bereits früher gesagt, zeigt 
das Bruststigma einen etwas abweichenden Bau und ist, was besonders 
hervorzuheben, größer als die des Abdomen. Alle Stigmen sind unter 
einander durch deutlich sichtbare Tracheenstämme verbunden; die bei- 


520 Oskar Krancher, 


den letzten haben einen starken Querstamm zwischen sich, der die Ver- 
bindung der beiden Längsstämme am Hinterende des Körpers vermittelt. 
Von diesen Stämmen zweigen sich andere ab, die schließlich als feine 
Ästchen und Capillaren an die Organe herantreten. Der hier überall 
sich vorfindende Verschlussapparat der Trachee liegt oft ziemlich weit 
vom Stigma entfernt. 

Ähnlich gestalten sich die Verhältnisse bei den anders Abtheilungen 
der Rhynchoten,, wie beispielsweise bei den Acanthiaden, nur dass bei 
diesen die äußere Öffnung die größere und die innere die kleinere und 
engere ist, so dass das Stigma hier vollkommen die Form eines Trichters 
annimmt. Auch liegt hier der Verschlussapparat dem Stigma weit näher, 
als bei den Läusen. 

Betrachten wir jetzt die einzeln untersuchten Species, und zwar 
zunächst: 


Pediculus capitis. 


Wie bereits gesagt besitzt die Kopflaus, wie auch alle anderen, 
sieben Paare Stigmen, von denen das vordere dem Thorax angehört und 
zwischen dem ersten und zweiten Beinpaare seine Lage hat, also wohl 
dem Prothorax zuzurechnen ist. Es zeichnet sich durch Größe und 
eigenthümliche Form aus, die von der der Abdominalstigmen wesentlich 
abweicht. Auf Querschnitten tritt es als ein nach innen zu verlaufender, 
zipfelartig sich verengender Raum entgegen, der äußerlich von der 
Körperhaut kuppelartig überwölbt ist und eine eigenthümliche Quer- 
streifung zeigt. Im Inneren sind an den Wandungen zahlreiche Haare 
angesetzt, die nach allen Richtungen hin aus einander stehen und am 
besten auf guten Querschnitten zu beobachten sind. Rings um jenen 
zipfelartigen Anhang findet sich eine ziemlich starke Chitinhülle, welche 
jedenfalls dazu dient, den Querschnitt des Trichters stets offen zu er- 
halten. Derselbe ist von eigenthümlichen Spiralleisten durchzogen, die 
jedoch nicht unter sich zu einem Ganzen verbunden sind, sondern 
Chitinringe vorstellen, die auf der einen Seite nicht geschlossen sind, 
vielmehr von einem Spalte durchsetzt werden!, der sich über die ganze 
Länge hinzieht und fast den Glauben erwecken kann, als habe man es 
mit einem engen Gange in der Trachee zu thun. Theilweise sind diese 
Spiralleisten auch ganz unregelmäßig vertheilt und dann zu einem ver- 
worrenen zellenartigen Netze verbunden. Da, wo die eben besprochene 
Chitinhülle endigt, setzt sich die Trachee an, die in Form eines dünn- 
häutigen Rohres ohne weitere Struktur bis an den Tracheenverschluss- 


1 Eine gleiche Bildung ist — bisher der einzige Fall dieser Art, von LEUCKART an 
Tracheenfäden gewisser Heuschrecken beobachtet. WaAsner's Zootom. Bd. II. p. 88. 


Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 521 


apparat sich verfolgen lässt. Dieser tritt uns als ein elliptischer Ring 
entgegen, welcher, dunkler pigmentirt, als das anliegende Rohr, um den 
bei Weitem größten Theil der Trachee herumgelest ist. Da nun, wo 
dieser Ring offen ist und nur eine dünne, kaum erkennbare Chitinlamelle 
die Lippen desselben verbindet, befindet sich ein Muskel, welcher den 
Enden ansitzt. Die Wirkung desselben besteht darin, dass er den ohne- 
hin nur engen Ring schließt und die Trachee damit unwegsam macht. 
Von oben betrachtet erscheint das Stigma als Scheibe, in welcher 
meist etwas excentrisch die sehr kleine Öffnung liegt, die von einem 
schwachen Chitinringe umgürtet ist. Um die Öffnung herum ordnet sich 
eine Reihe radiärer Strahlen, die nach innen zu verlaufen. Anders 
aber gestalten sich die Abdominalstigmen, die in sechs Paaren sich 
finden und, was besonders von den letzten beiden Paaren gilt, bis an 
den Seitenrand vorrücken. Ihre Form ist die eines umgekehrten Trich- 
ters, dessen hinterer Theil also der weitere ist. Die äußere Öffnung ist 
ziemlich klein und von einem zierlichen Chitinringe umgeben, dem die 
dem Hautskelett der Insekten so oft zukommende zellenförmige Zeich- 
nung eigen ist. Der Innenraum des Trichters ist mit einer Menge Haaren 
versehen, so dass das Ganze einem Filter gleicht, in dem die Luft von 
den Staubpartikeln gereinigt wird. Nachdem das Näpfchen seine größte 
Weite erreicht hat, zieht es sich plötzlich zu einer sehr engen Röhre zu- 
sammen, an der in nicht allzugroßer Entfernung der Quetschapparat 
liegt. Auch an diesen Stigmen stellt derselbe einen mehr oder minder 
deutlichen Chitinring dar, welcher die Trachee einschnürt und auf der- 
selben sich spaltet, indem der eine Theil desselben nach dem äußeren, 
der andere nach dem inneren Theil der Trachee zu verläuft. Die Trachee 
erfährt dabei eine deutlich hervortretende Knickung, so dass der Raum 
für die hindurchtretende Luft beträchtlich verengt ist. Wird die Knickung 
um ein Weniges verstärkt, so muss ein vollkommener Verschluss er- 
folgen. Wie aber ein solcher herbeigeführt wird, habe ich lange Zeit 
vergebens zu erforschen gesucht, da ich trotz aller angewandten Metho- 
den von einem Muskel nichts entdecken konnte. Lanpoıs spricht in 
seinem Werke über die Pediculinen von einem Chitinstäbchen, das den 
Verschluss bewirke; doch habe ich bei Pediculus capitis auch mit den 
stärksten Vergrößerungen keine Spur eines derartigen Gebildes ent- 
decken können. Nur Phihirius pubis und Haematopinus suis zeigen ein 
solches. Ob und wie weit somit unsere Untersuchungen betreffs dieses 
Punktes aus einander gehen, muss ich vorläufig dahin gestellt sein 
lassen; doch leuchtet es ein, dass ein Muskel hier nicht unbedingt noth- 
wendig ist. Wenn das Thier durch Körperzusammenziehung die Luft 
in die äußersten Enden der Tracheenverzweigungen treiben will, so 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 35 


522 Oskar Krancher, 


werden die Tracheen ohne Zweifel in andere Lage kommen, so dass eine 
Knickung der Trachee eintritt und den Verschluss herstellt. 


Haematopinus suis. 


Den oben beschriebenen Verhältnissen ähnliche sind auch bei diesem 
Thiere zu finden, bei dem die Präparation übrigens weniger schwierig 
ist, da die Körpergröße nicht unbeträchtlich gewachsen, und die Lage 
der Stigmen durch stark pigmentirte Chitinstellen deutlich hervortritt. 
Auch hier zählen wir sieben Stigmen, von denen das vorderste dem 
Thorax zufällt und am Grunde des zweiten Beinpaares, also am Mesc- 
ihorax, liegt. Wie bei der vorigen Art zeichnet sich dasselbe vor den 
anderen durch seine Größe aus. Es hat eine trichterförmige Gestalt und 
äußerlich einen stark gewölbten, länglich ovalen, wulstigen Chitinring, 
der die bekannte zellig-strahlige Zeichnung aufweist. Die äußere Öff- 
nung ist nicht allzugroß zu nennen, jedoch keineswegs so klein, wie bei 
den übrigen Pediculinen. Nach innen zu setzt sich das Stigma in eine 
strahlig-streifige, wenig tiefe Höhlung fort, welche unten mit dem hier 
sehr deutlich hervortretenden Verschlussapparate ihren Abschluss findet. 
Selbiger stellt einen starken, tief schwarzen, länglich ovalen Chitinring 
vor, der sich vollkommen an die eine Seite der Trachee anschmiegt, 
nach der einen Seite hin ziemlich stark zapfenförmig sich auszieht und 
dort mit dem Verschlusshebel gelenkartig verbunden ist. Letzterer stellt 
ein der Länge des ausgezogenen Ringes entsprechendes Chitinstäbcehen 
vor, das sehr deutlich erkennbar ist. Zwischen dem Stäbchen und dem 
Chitinringe zieht sich die Trachee hindurch, welche erst hinter diesem 
Verschlussapparate ihre regelmäßige Spiralstruktur zeigt. 

Das freie Ende des Chitinhebels und das freie Ende des langge- 
zogenen ovalen Ringes sind nun durch einen schwachen Muskel mit 
einander verbunden, welcher bei seiner Kontraktion beide Chitintheile 
einander nähert und dann, nach Pinzettenart, einen vollkommenen Ver- 
schluss der Trachee herstellt. 

Nicht sehr von diesen Stigmen verschieden sind die des Abdomens. 
Zwar sind dieselben viel kleiner, als die thorakalen, doch zeigen auch 
sie jenen wulstförmigen Rand mit seiner eigenthümlich zelligen Thei- 
lung und die tief nach hinten gehende zipfelartige Tute. Letztere ähnelt 
dem Theile des Stigma der Kopflaus, welcher direkt hinter der äußeren 
Öffnung am Thorax nach innen zu gelegen ist, indem er ebenfalls jene 
nicht geschlossenen Spiralringe zeigt, die ich bei jenem bereits erwähnt 
habe. Doch treten dieselben hier deutlicher hervor und geben so dem 
Ganzen ein zierliches Aussehen. Das Innere ist mit einem Walde von 
Haaren besetzt, der hinten, wo sich jener Theil verengt, natürlich viel 


Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 523 


dichter erscheint, als an der vorderen Seite. Wo die eigenthümliche, 
stark chitinisirte Bildung aufhört, vereinigt sich die Trachee zu einer 
außerordentlichen Feinheit, und dort ist es, wo der Quetschapparat zu 
suchen ist. Derselbe tritt in der Weise auf, dass auf der einen Seite 
der Trachee ein ziemlich langes, dunkelbraunes Chitinstäbchen auf- 
liegt, dessen freies Ende knopfartig angeschwollen ist. Die andere Seite 
der Trachee zeigt einen ziemlich kräftigen Chitinstreifen, der sich 
längs der Trachee hinzieht und dem Hebel gegenüber in ein breiteres 
Blättchen sich umwandelt. Zwischen diesem und dem freien Ende des 
eigentlichen Hebels spannt sich ein zarter Muskel aus, der sich nur aus 
einigen Fasern zusammensetzt und schon durch geringe Kontraktion ein 
Verschließen der dort ohnehin nur engen Trachee bewirkt, indem der 
längere Hebel dabei gegen den Chitinvorsprung der anderen Seite ge- 
drückt wird. 


Phtihirius pubis. 


Die Stigmen der Filzlaus sind, wie der gesammte Athmungsapparat, 
deutlich zu erkennen, da die Spiralen der Tracheen wenigstens in den 
Hauptstämmen durch ihre Pigmentirung deutlich hervortreten. Da hier- 
von L. Lannoıs in Band XIV dieser Zeitschrift auf Tafel I eine sehr gute 
Abbildung gegeben hat, wird es nicht nöthig sein, näher darauf einzu- 
gehen. 

Phthirius pubis hat, wie alle Läuse, sieben Paar Stigmen, von 
denen das erste dem Prothorax zukommt, sich aber von den anderen, 
die sämmtlich am Abdomen sich vorfinden, weder durch seine Größe 
noch durch seinen Bau wesentlich unterscheidet. Auffallenderweise ent- 
sprechen aber die Stigmen des Abdomens den Leibesringeln hier keines- 
wegs, denn die drei vorderen liegen so dicht beisammen, dass man sie 
nicht gut auf Leibesringel zurückführen kann. 

Was die Gestalt der Stigmen anbetrifft, so sind sie denen von Pedi- 
culus capitis gleich gebaut, indem sie ausnahmslos jene umgekehrte 
Trichterform besitzen, die sie, wie Lanpoıs sehr richtig sagt, einer 
Blüthenknospe nicht unähnlich macht. Die äußere Öffnung ist sehr klein, 
liegt zu der inneren, bedeutend weiteren, meist excentrisch und ist von 
einem braunen, mit zelliger Struktur versehenen Chitinringe umgeben. 
Von diesem aus erstreckt sich auf der ziemlich starken Chitinhülle des 
Trichters entlang eine verworrene Zeichnung, welche dem Ganzen eine 
oberflächliche Ähnlichkeit mit einem Reisigbüschel giebt. Im Inneren 
sitzen dann eine große Menge ziemlich straffer Haare, die besonders bei 
starker Vergrößerung sehr deutlich hervortreten. Sie stehen meist bunt 
durch einander und wenden sich nach allen Richtungen hin, so dass sie 

s5* 


594 Oskar Krancher, 


eine Art engen Filzes bilden, in dem die Luft bei ihrem Durchpassiren 
jegliche fremde Substanzen absetzen muss. Lannoıs spricht von 16 bis 
18 Haaren, die er besonders auf Flächenansichten von innen gefunden 
habe. Dies muss ich insofern korrigiren, als wohl einige Haare sich 
durch bedeutendere Größe auszeichnen, diese aber durchaus nicht als 
Besonderheiten hervorzuheben sind, da, wie schon gesagt, die ganze 
innere Fläche dicht mit Haaren besetzt ist. Nach innen zu verengt sich 
dann das Näpfchen ziemlich plötzlich zu einem ganz dünnhäutigen engen 
Gang, in dem gleichfalls noch eine Anzahl Haare ihren Sitz hat. Oft 
kann man an jenem Gange auch eine zarte Ringelung und Streifung 
beobachten. Später verengt sich diese Röhre immer mehr, um sich 
schließlich wieder an der Ursprungsstelle der eigentlichen Trachee zu 
erweitern. Dort nun, wo die stärkste Verengung der Trachee sich findet, 
liegt der Tracheenverschlussapparat. Derselbe ist sehr klein und für 
den ersten Augenblick fast unverständlich. Nur bei sehr starker Ver- 
größerung kann man sich ein Bild jener künstlichen Vorrichtung machen. 
Man erkennt dann zunächst einen kleinen Hebel, der die Stärke einer 
Chitinspirale in der Trachee nicht viel überschreitet, dafür aber eine 
mäßige Länge besitzt, gekrümmt erscheint und am freien Ende etwas 
angeschwollen ist. Selbiger sitzt der einen Seite der Trachee an jener 
ganz verengten Stelle auf, während ihm gegenüber an der anderen 
Seite, ganz ähnlich wie bei Haematopinus suis, ein kleiner Chitinknoten 
liegt. Ein diesem Apparate angepasster kleiner Muskel verbindet dann 
das freie Ende des Hebels mit dem Chitinknoten und bewirkt bei ge- 
höriger Kontraktion einen vollkommenen Schluss der dünnhäutigen 
Trachee. — L. Lınnoıs behauptet, dass der Muskel dieses Apparates am 
Chitinpanzer des Körpers angeheftet sei; welche Länge müsste dann 
aber dieser Muskel im Vergleich zum Apparate selbst besitzen, da doch 
diese ganze Quetscheinrichtung ein ziemliches Stück von der äußeren 
Öffnung entfernt liegt! \ 


Acanthia lectularia. 


Suchen wir uns zunächst über die Zahl der Stigmen bei der Bett- 
wanze zu orientiren, so finden wir ein Paar thorakale und sieben Paar 
abdominale. Die ersteren liegen am Mesothorax und zeichnen sich vor 
den anderen wieder durch eine hervorragende Größe aus. Da sie aber 
im Übrigen den Abdominalstigmen in jeder Beziehung gleichen, so be- 
schränke ich mich darauf, hier die Gestalt, die Form und den Bau dieser 
letzteren zu erörtern. Dieselben sind nicht groß und liegen, abweichend 
von dem Verhalten der anderen Insekten, am Bauche. Sie besitzen einen 
tief braun pigmentirten wulstigen Ring, der sich nach innen zu trichter- 


Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 525 


förmig verengt und an der engsten Stelle die eigentliche Stigmenöffnung 
zeigt, die zu der äußeren großen Spange etwas excentrisch gelegen ist 
und eine kleine, ellipsenförmige Gestalt hat. Weiter nach hinten zu 
setzt sich dann die Trachee fort, welche an ihrer spiraligen Zeichnung 
deutlich zu erkennen ist. Diese erweitert sich sofort ziemlich bedeutend 
und tritt dann mit den Längsstämmen in Verbindung, zugleich Zweige 
an die Organe abgebend. Dicht hinter der verengten Stigmenöffnung 
liegt nun der Verschlussapparat, der uns in sehr einfacher Form ent- 
gegentritt. Er besteht aus einem einfachen, hohlen Hebelarm von kräf- 
tiger Ausbildung und eigenthümlich gekrümmter, oft sogar ausge- 
schweifter Gestalt, welcher sich an die Trachee ansetzt und schließlich 
in einen braunen chitinisirten Ring ausläuft, der die Trachee umfasst 
und als eine minimale Anlage des Verschlussbügels betrachtet werden 
kann. An dem freien Ende des Hebels hat sich, rechtwinklig zu dem- 
selben, ein Muskel entwickelt, der aus circa 10—1%2 Fasern besteht und 
nach Färbung des Präparates mit Pikrokarmin sehr deutlich hervortritt. 
Das Außenende desselben inserirt sich mit ziemlich breiter Fläche an 
der Hypodermis des betreffenden Körperringels. Die Wirkung dieses 
Apparates ist leicht verständlich. . Sobald sich der Muskel kontrahirt, 
muss der Hebel diesem Zuge folgen, womit eine Drehung und theil- 
weise Knickung der Trachee verbunden ist. 

Was die Zeichnung anbetrifft, die L. Lanpoıs vom Stigma der Bett- 
wanze und dem damit verbundenen Tracheenverschlussapparate giebt, 
so ist diese etwas primitiv und unverständlich, indem sie zeigt, dass die 
Hohlräume des Hebels und der Trachee direkt mit einander kommuni- 
ciren. Dies ist durchaus nicht der Fall; vielmehr bildet der Hebel mit 
dem Chitinringe, welcher die Trachee umgiebt, ein völlig selbständiges 
Gebilde. — Dass das Stigma der Wanzen vollkommen unbewehrt ist, 
hängt mit der Lebensweise der Thiere zusammen; dieselben finden sich, 
wie bekannt, größtentheils nur an solchen Orten, wo reine und staub- 
freie Luft die Hauptbedingung ist, nämlich in der Nähe der Menschen. 
Eine Seihung der Luft würde unter solchen Umständen ziemlich unnöthig 
sein, um so mehr, als die außerordentlich feine Öffnung durch geringe 
Drehung des Hebelarmes zu einer äußerst minimalen Spalte verengt wird. 


Dipteren. 


Die Stigmen der Dipteren besitzen mit wenigen Ausnahmen (meist 
Thorakalstigmen) sehr viel Ähnlichkeit unter einander. Wie bei den 
Rihynchoten erscheinen dieselben im Großen und Ganzen als einfache 
Öffnungen, die allerdings bei dem einen oder anderen Thiere noch mit 


526 Oskar Krancher, 


feinen Haaren in geringer Zahl überspannt sind. Es gilt dies nament- 
lich von den kleineren Stigmen des Abdomens, während die des Thorax 
nicht bloß durch ihre Größe und einen reichen Besatz mit verzweigten 
Haaren sich auszeichnen, sondern oftmals auch eine nicht ganz leicht zu 
verstehende Konstruktion besitzen. An diesen Stigmen will H. Lanpoıs 
auch einen Stimmapparat entdeckt haben. Ob aber und wie weit der- 
selbe Recht hat, kann ich nicht sagen. Ich habe freilich all die von ihm 
beschriebenen Vorrichtungen angetroffen, möchte aber trotzdem weit 
eher jene Chitinringe, welche Lannoıs als Brummringe beschreibt, als 
zum Verschlussapparat gehörig in Anspruch nehmen. Dass an jenen 
Ringen sich gardinenartige Häute befinden, welche Lannoıs Stimmbän- 
der nennt, kann ich durchaus nicht verneinen, allein es ist mir sehr 
zweifelhaft, ob diese in der beschriebenen Weise in Betracht kommen. 
Ebenso und vielleicht noch eher könnten auch die Härchen in den 
Stigmen bei der Vibration als mit betheiligt gedacht werden. So viel ist 
jedenfalls sicher, dass die Stimme schwindet, wenn man einem Insekte 
die Oberfläche des Körpers einölt und nur die Stigmen offen lässt. Man 
könnte darauf hin fast vermuthen, dass die Stimme der Fliegen durch 
die Vibration der am Körper so zahlreich angebrachten Haare bewirkt 
werde. 

Was ferner den Quetschapparat der Dipteren anbetrifft, so ist dieser 
meist ein ziemliches Stück von der Stigmenöffnung entfernt und stets da 
angebracht, wo die Trachee eine bedeutende Verengung zeigt. Er be- 
steht aus einem oder zwei Hebeln und zeigt einige Ähnlichkeit mit dem 
der Pediculinen. — Da diese Thiere ihrer Lebensweise nach vollkommene 
Luftinsekten sind, so ist der Quetschapparat für sie von enormer Wichtig- 
keit und von relativ bedeutender Ausbildung. 

Die Stigmen haben ihre Lage zu zwei Paaren am Thorax und in 
verschiedener Zahl (zu vier bis acht Paaren) am Abdomen. Sie liegen 
sämmtlich mehr der dorsalen Seite zugewendet, als der ventralen, und 
stets an beiden Seiten des Leibes. 


Pulex irritans und P. canis. 


Da die Stigmen beider Thiere sich wenig von einander unterschei- 
den, so behandle ich beide zusammen, indem ich jedoch darauf hinweise, 
dass das Stigma von P. canis seiner äußeren Gestalt nach fast kreisrund 
erscheint, während das von P. irritans länglich oval ist und oft noch an 
beiden Seiten eine leichte Einkerbung zeigt. Freilich ist dies letztere 
nicht bei allen Stigmen der Fall und meist nur an den vordersten und 
hintersten Abdominalstigmen aufzufinden. 

Was die Anzahl der Luftlöcher anbetrifft, so treffen wir am Thorax 


u En EEE En EEE 


Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 5937 


drei und am Abdomen sieben Paare an, also die größtmöglichste Zahl, 
die überhaupt bekannt ist, indem alle Segmente außer dem Kopfe und 
dem letzten Abdominalringel damit versehen sind. Wie schon oben er- 
wähnt, sind die Flöhe die einzigen Insekten, bei denen alle drei Thora- 
kalsegmente Stigmen tragen, während bei den übrigen Arten deren nur 
zwei gefunden werden, indem sonst das Vorhandensein von Stigmen 
am ersten Brustringel deren Existenz am zweiten ausschließt und um- 
gekehrt (Parm£n, 23). Was nun die Lage der Stigmen an den thorakalen 
Segmenten betrifft, so finden wir, dass die beiden ersten, also das des 
Pro- und Mesothorax,, dicht am Grunde der beiden vorderen Beinpaare 
angebracht sind, während das dritte Paar weiter nach dem Rücken zu 
gelegen ist und somit ziemlich vereinzelt dasteht. Alle drei unterschei- 
den sich durch wenig bedeutende Größe von denen des Abdomens, 
stehen aber im Übrigen denselben betreffs ihres Baues gleich. Ich habe 
übrigens lange gesucht, bevor ich das Stigma des ersten Brustringels 
auffand, da dasselbe vermöge der Hornleistchen und Chitinringel ziem- 
lich schwer zu erkennen und meist noch von der am Kopfe des Flohes 
sich befindenden Krause überdeckt ist. Einmal mit der Lage desselben 
bekannt geworden, konnte ich es auch bei allen anderen Arten nach- 
weisen. — Die Stigmen des Abdomens schließen sich bald in einer regel- 
recht geordneten Reihe direkt an das Metathorakalstigma an (Pulex 
avium), bald beginnen sie auch, wie bei P. canis, auf einer weit tiefer 
gelegenen Stelle und ziehen sich nun in gerader Linie bis zum letzten 
Ringel hin, so dass das Metathorakalstigma dann ganz außerhalb jener 
Reihe, fast an der Rückenkante seines Ringels, zu liegen kommt. Das 
letzte Stigma ist gleichfalls nicht leicht nachzuweisen, da es am Rande 
eines siebartigen Ansatzes gelegen ist. Am besten findet man es noch, 
wenn man den Lauf der Trachee nach außen verfolgt. 

 Betreffs des Baues der Stigmen ist nun zunächst zu bemerken, dass 
bei den Flöhen dieselben trichterförmigen Vertiefungen existiren, die 
fast allen Dipteren eigen sind. Äußerlich zeigt das Stigma einen schmalen, 
aber oft sehr schwarz pigmentirten Chitinring, der die Öffnung umgiebt 
und äußerlich eine Reihe von unverzweigten straffen Haaren trägt, deren 
Zahl zwischen sechs und zehn schwankt. Nach innen zu zieht sich der 
Ring zu einem Trichter zusammen, der unten in eine sehr niedliche 
kleine Öffnung ausläuft, an die sich ein birnförmiges Säckchen ansetzt. 
Dieses ist an der einen Seite mit einer zweiten Öffnung versehen, von 
der dann die eigentliche Trachee ihren Ursprung nimmt, die sich zu- 
nächst in ziemlich weit von einander gelegenen Spiralwindungen stark 
erweitert, um sich dann wieder zu verengen. An dieser Stelle nun ist 
es, an der man den Tracheenverschlussapparat findet. Noch weiter nach 


528 Oskar Krancher, 


innen zu erweitert sich die Trachee wieder, bis sie sich schließlich in 
der bekannten Weise verästelt. 

Der Quetschapparat besteht aus zwei kleinen Hebeln, welche an 
ihrem einen Ende scharnierartig in einander eingelenkt sind und an der 
Unterseite der Trachee sitzen, während das andere Ende knopfartig an- 
geschwollen ist. Die beiden Köpfchen dienen dem Verschlussmuskel als 
Ansatzstellen, so dass derselbe die beiden Hebelchen mit einander ver- 
bindet, die Trachee also vollständig von diesen drei Theilen umgeben 
ist. Der Muskel ist sehr zart und nur aus einigen wenigen Fäserchen 
zusammengesetzt. Trotzdem aber verrichtet er seinen Dienst in sehr 
vollkommener Weise, denn wenn sich derselbe auch nur um ein Ge- 
ringes kontrahirt, wird ein vollkommener Verschluss der Trachee be- 
wirkt, da ja dieselbe in dem Winkel liegt, in dem die beiden Hebelchen 
zusammenstoßen. Wir haben es hier also mit einer Vorrichtung zu thun, 
wie sie uns am einfachsten in der gewöhnlichen Quetschpinzette vor 
Augen geführt wird. 

Die Länge der Hebelarme variirt bei den verschiedenen Thieren, 
die mir zur Untersuchung vorlagen, nur insofern, als dieselben bei der 
einen Art etwas länger, bei der anderen etwas kürzer sind; gewöhnlich 
auch sind dieselben posthornartig gebogen. Dabei wird man zuweilen 
finden, dass der eine Hebelarm immer etwas kleiner ist, als der andere; 
und zwar ist es stets der nach hinten zu gelegene, der eine stärkere 
Ausbildung zeigt. 

Von den Pupiparen konnte ich durch gütige Vermittelung meines 
Freundes G. RıEam 


Melophagus ovinus 


untersuchen. Diese durch ihre Lebensweise interessante Lausfliege be- 
sitzt im Ganzen neun Paar Stigmen, von denen zwei dem Thorax und 
die übrigen dem Abdomen zugehören. Dieselben liegen sämmtlich am 
Rücken; nur die beiden letzten Paare rücken so weit nach der Seite hin, 
dass man sie wohl eher als ventrale in Anspruch nehmen könnte. Die 
Stigmen selbst sind ziemlich groß und lassen allesammt einen sehr 
eigenthümlichen Bau erkennen. Es sind besonders die Thorakalstigmen, 
die sich vor den übrigen durch Größe und absonderlichen Bau in solchem 
Maße auszeichnen, dass sie besonders betrachtet werden müssen. 

Sie liegen am Pro- und Metathorax, sind von gleicher Größe und 
gleicher eiförmiger Gestalt. Ihr Rand besteht aus einem Chitinringe, der 
nach außen zu heller wird und nach und nach in der umgebenden Körper- 
haut verschwimmt, an seiner inneren Seite aber tief schwarz erscheint. 
Das Stigma selbst nun zieht sich eierbecherartig nach innen, was be- 


Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 529 


sonders an Quer- und Längsschnitten deutlich hervortritt, und hat in 
seinem Inneren einen förmlichen Wald von vollkommen unverzweigten 
straffen Haaren, welche radiär von allen Seiten nach der Mitte zu ge- 
richtet sind, um dort mit ihren Spitzen über einander zu greifen und so 
ein gutes Filter abzugeben. Die innere Öffnung des Näpfchens liegt voll- 
kommen koncentrisch und ist, entspechend der Größe des Stigma, nicht 
gerade klein zu nennen. Auf Schnitten nun, die rechtwinklig auf die 
Fläche jenes Stigma ausgeführt sind, tritt uns der Weiterverlauf der 
anhängenden Trachee deutlich entgegen. Dieselbe macht zunächst eine 
ganze Menge Fältelungen und sackartiger Ausbuchtungen, gleichsam als 
sei sie durch Zusammenziehung des Körpers in sich selbst hinein ge- 
sehoben worden. In ihrem Inneren ist sie mit Stacheln ausgestattet, die 
sicherlich nur zurückgebildete Haare vorstellen. Hinter einem sehr an- 
sehnlichen Sacke verengt sich die Trachee dann plötzlich zu einem 
dünnen Gange, und hier nun ist die Stelle, wo der Tracheenverschluss- 
apparat zu suchen ist. Da derselbe aber mit dem der Abdominalstigmen 
übereinstimmt und sich einzig durch eine dem Stigma entsprechende 
kräftigere Ausbildung hervorthut, so verweise ich auf die weiter unten 
folgende Beschreibung. 

Was die Abdominalstigmen anbelangt, so weichen diese in rein 
Baue bedeutend von dem der eben beschriebenen ab. Auf der äußeren 
Fläche erscheinen sie fast kreisrund, von einem tief pigmentirten Chitin- 
ringe umgeben, der auch hier nach und nach in die hellere Körperhaut 
übergeht. Von der Außenöffnung aus erstreckt sich nach innen ein 
eierbecherartiges Näpfchen, das auf Querschnitten genau dieselbe Ge- 
stalt zeigt, wie wir sie oben bei den thorakalen Stigmen existiren sehen. 
Auf der Flächenansicht bemerkt man zunächst zwei größere Spangen in 
Form von Chitinringen, die im Inneren des Stigma liegen, während 
fast genau im Centrum des Kreises eine kleine Öffnung als heller Fleck 
sich abhebt, umrahmt von dunklerem Chitin. Um über die Bildung 
genauer mich zu verständigen, fertigte ich Querschnitte an, und die er- 
langten Resultate waren für mich geradezu überraschende. Jene Spangen, 
die sich dem Auge auf Flächenbildern als Ringe kund thun, sind nichts 
Anderes, als näpfchenartig auftretende Hervorwölbungen, von denen 
die eine in der anderen, oder besser gesagt, die eine unter der anderen 
sich erhebt. Ein jedes der zwei Näpfchen oder Glocken ist in der Mitte 
der Wölbung von einem Loche durchbohrt, so dass wir im Ganzen drei 
Stigmenöffnungen antreffen, die, auf der Flächenansicht ganz gleich- 
mäßig über einander liegend, den oben erwähnten hellen Fleck be- 
dingen. 

Weiter nach innen zu erkennt man die nur wenig gefältelte Trachee, 


980 Oskar Krancher, 


welche sich schließlich ganz bedeutend verengt und dort dem Ver- 
schlussapparat zum Ansatz dient. Erst hinter diesem beginnt die Spiral- 
zeichnung der Trachee. 

Der Verschlussapparat besteht bei allen Stigmen von Melophagus 
aus einem einzigen, weit von der Öffnung entfernt liegenden Hebel- 
arme, der durch seine posthornartig gekrümmte Gestalt sehr an den- 
jenigen bei Haematopinus suis erinnert. Das obere, freie Ende ist 
schaufelförmig verbreitert und dient dem Muskel als Ansatzstelle, welcher 
sich mit seinem anderen Ende an einen kleinen Chitinvorsprung an- 
heftet, der jenem Hebel an der Trachee gegenüber steht. Die Wirkung 
des Muskels ist somit leicht ersichtlich. Sobald Kontraktion stattfindet, 
wird jener Hebel gegen den kleinen Chitinansatz gedrückt, die zwischen 
beiden liegende Trachee zusammengequetscht und der Verschluss der- 
selben bewirkt. Somit haben wir es auch hier mit einer deutlichen Pin- 
zettenvorrichtung zu thun. 


Anapera pallida. 

Dieses Insekt, welches mir nur in einem einzigen Exemplare vor- 
lag, erinnert in seiner ganzen äußeren Stigmenbildung vollkommen an 
die Musciden. Die Thorakalstigmen sind groß, viel größer als die des 
Abdomens, und zwar sind die des ersten Ringels, genau wie bei Musca 
vomitoria, langgezerrt, nach unten spitz zulaufend, während die obere 
Seite breiter sich gestaltet, so dass das Ganze einem sehr spitzwinkligen 
gleichseitigen Dreiecke nicht unähnlich ist. Das andere thorakale Stigma 
ist mehr elliptisch. Beide sind sowohl durch eigene innere Behaarung 
als auch durch eine solche am ganzen Thorax vor dem Eindringen frem- 
der Körper geschützt. Was die Abdominalstigmen anbelangt, so sind 
diese sehr klein, tragen an ihrer Außenseite einen schwarzen Chitinring 
und in ziemlicher Entfernung von der äußeren Öffnung den Quetsch- 
apparat. Überdies ähneln sie in einer solchen Weise den Stigmen der 
Musciden, dass ich, was den Bau derselben anbetrifft, einfach auf diese 
letzteren verweise. Als einziger Unterschied kann nur der gelten, dass 
bei Anapera auch die Abdominalstigmen im Inneren mit Haaren besetzt 
sind, was bei den Musciden nie zu finden ist; und ferner der, dass die 
innere Behaarung der Thorakalstiigmen eine sehr einfache, wenn nicht 
gar spärliche ist, während die der Musciden, besonders von Musca vomi- 
toria, eine überaus reiche genannt zu werden verdient. 

Von den nun folgenden Brachyceren habe ich eine ganze Reihe 
untersucht und überall gleiche Verhältnisse angetroffen. Auch bei den 
Larven, wenigstens der Musciden, stimmte der Bau im Großen und 
Ganzen überein. Die Puppen zeigten stets zwei größere Stigmen am 


Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 531 


Abdomen und zwei kleinere am Prothorax. Dem Entwicklungsgange 
folgend werde ich zunächst die Larve, dann die Puppe und schließlich 
die Imago der Musciden einer Betrachtung unterziehen, um hieran dann 
noch eine kurze Darstellung der Stigmen bei den Larven einiger Oestri- 


den zu reihen. 


Larven. 


Musca vomitoria. 


Die Larven der Musciden besitzen im Ganzen zwei Paar Stigmen, 
von denen das eine kleinere Paar zu beiden Seiten des Prothorax liegt, 
während das andere, das bereits makroskopisch sehr deutlich hervor- 
tritt, am letzten Leibesringel seine Lage hat. Betrefis der Entstehung 
der Stigmen verweise ich auf die bereits im Eingange erwähnte Arbeit 
von WEISMAnN (27), aus der wir entnehmen, dass die Stigmen in der 
dritten Entwicklungsperiode des Embryo als zwei wulstförmige, relativ 
große Höcker sich bilden, die sich bei fortschreitendem Wachsthume 
des Embryo mehr und mehr verkleinern, bis sie schließlich in der Mitte 
einen Chitinring erhalten, welcher sich zu einer Spalte erweitert und 
so das Stigma bildet. Dies sind die Abdominalstigmen, die auf dem 
Rücken des zwölften Segmentes liegen. Dieselben besitzen aber an- 
fangs, wie zuerst von Lruckarr nachgewiesen ist, der uns die merk- 
würdige Metamorphose dieses Apparates kennen lehrte, nur eine Öf- 
nung. Gelangt das Thier zur ersten Häutung, dann finden wir das 
Stigma in der Weise umgewandelt, dass dasselbe statt jener einen Spalte 
deren zwei zeigt. Gleichzeitig hat sich aber noch ein anderes Paar von 
Stigmen’gebildet, das den ersteren entgegengesetzt das Vorderende der 
Larve einnimmt. Die Stigmen entstehen dadurch, dass ein dort befind- 
liches Tracheenästchen zur Haut sich hinzieht, kolbig anschwillt, mit 
der Hypodermis in Verbindung tritt, Chitin ablagert und bei der Häu- 
tung nach außen durchbricht. Dasselbe unterscheidet sich in seiner 
Größe und in seinem Baue ganz bedeutend von dem des Hinterendes. 
Nach der zweiten Häutung ändert sich das hintere Paar der Stigmen 
wiederum, und zwar derartig, dass die Zahl der Spaltöffnungen auf 
drei steigt, die dann bis zur Verpuppung persistiren. 

In ganz ähnlicher Weise beschrieb LEUcCKART (25) schon früher die 
Verhältnisse bei der Larve von Melophagus ovinus, indem er zeigt, dass 
die Larve dieser von mir oben angezogenen Lausfliege anfangs jederseits 
gleichfalls ein einfaches Stigma aufweist, und zwar von so geringer Größe, 
dass es früher gänzlich übersehen wurde. Dieses eine Stigma soll sich 
nach LeuckArr nun bei der nächsten Häutung sogleich in drei dicht neben 


592 Oskar Kraucher, 


einander liegende Stigmen verwandeln, die sich je mit einem braunen 
Chitinringe umgürten. Dabei wäre dann also die Stufe, wo zwei Stig- 
men innerhalb eines Ringes auftreten, bei Melophagus ovinus über- 
sprungen. Die Stigmen, welche wir bei den Muscidenlarven am Pro- 
thorax angetroffen haben, fehlen hier gänzlich. Sie werden auch bei 
der Entwicklungszeit der Larve (in der mütterlichen Vagina) ohne 
Nutzen sein. 

In dem der zweiten Häutung folgenden Stadium hatte ich Gelegen- 
heit, eine Anzahl Muscalarven untersuchen zu können. 

Die Abdominalstigmen erscheinen hier bereits in ihrer definitiven 
Form, indem sie vor Allem einen deutlich hervortretenden Chitinring von 
fast runder Form zeigen, innerhalb dessen sich die drei oben erwähnten 
langgestreckten und stark chitinisirten Öffnungen vorfinden. Dieselben 
liegen dicht neben einander und sind insofern eigenthümlich gebaut, 
als die Ränder derselben durch eine Menge Queranastomosen überbrückt 
sind, so dass sie ganz das Ansehen eines Siebes erhalten. Eine jede 
dieser Spalten setzt sich nach innen zu in einen der Form entsprechen- 
den Gang fort, bis sich die drei Röhren, genau so, wie es LEUCKART von 
Melophagus ovinus beschreibt, in kurzer Entfernung von der äußeren 
Öffnung zu einer einzigen Trachee vereinigen, die gewöhnlich dort eine 
bedeutende Weite erreicht. Doch ist sie ohne jegliche Spiralzeichnung, 
bis sich schließlich noch weiter nach innen zu eine Stelle findet, welche 
sich durch die dunklere Chitinanhäufung auszeichnet und den Queisch- 
apparat bildet. Erst hinter diesem erscheint die Spirale in der Trachee. 

Anders verhält es sich nun mit dem Thorakalstigma. Dieselben 
sind im Vergleich zu den oben genannten ziemlich klein und bestehen 
aus einer ganzen Reihe von einzelnen separirten Luftlöchern; welche 
sämmtlich in eine gemeinschaftliche Trachee münden und meist zu 
sieben bis neun zusammen liegen. Bei M. vomitoria bilden ‚sie einen 
Halbbogen, der dem Auge ein reizendes Bild darbietet. Bei starker Ver- 
größerung tritt uns ein jedes Einzelstigma als ein Chitinring entgegen, 
welcher an der einen Seite nicht vollständig geschlossen erscheint. Der- 
selbe entsendet nach der Mitte schwache Chitinstäbchen, die unter ein- 
ander dicht verbunden und verwachsen sind; jedoch lassen sie in der 
Mitte einen langen, aber äußerst engen Querspalt offen, der zur Einfuhr 
der Luft dient. Dadurch, dass diese Öffnung ungeheuer klein ist, denn 
mit 625facher Vergrößerung erscheint sie als kaum erkennbarer, heller 
Streifen, wird es fremden Körpern, und sei es noch dem kleinsten Stäub- 
chen, außerordentlich schwer werden, in das Lumen der Trachee einzu- 
dringen. — Nach innen zu setzt sich dann die vereinigte Trachee ein 
ziemliches Stück als undurchsichtiges, stark chitinisirtes Rohr fort, bis 


Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 533 


endlich eine Stelle sich findet, wo jene CGhitinmasse zu einem Wulste 
sich verdickt, welcher den Quetschapparat repräsentirt. Derselbe, genau 
so eingerichtet, wie bei den Abdominalstigmen, stellt. einen starken 
Chitinring vor, der die Trachee vollkommen umgürtet und aus einer An- 
zahl von einzelnen Spiralen zusammengesetzt ist. Dieser Ring zeigt an 
zwei gegenüber liegenden Stellen eine Einbiegung, wodurch eine gewisse 
Ähnlichkeit mit einem Scharniergelenk entsteht. Um ihn herum legen 
sich zur Hälfte Muskeln, welche an einem kleinen nach hinten zu führen- 
den Ansatzstücke sich hinziehen und an der Trachee selbst ihren Ansatz 
finden. Soll diese verschlossen werden, so kontrahirt sich der Muskel, 
‘ die eine Hälfte des Ringes schlägt sich nach der anderen Hälfte zu vor, 
beide nähern sich und bewirken dadurch eine Zusammenquetschung der 
Trachee, so dass der Verschluss ein vollkommener ist. Die ganze Vor- 
richtung erinnert sehr an die so vielfach im Gebrauche befindlichen 
Ratten- und Fuchsfallen. 


Musca domestica. 


Ähnlich wie bei der eben beschriebenen Larve liegen die Verhält- 
nisse auch hier, weshalb ich mich kürzer fassen kann. Der einzige 
Unterschied findet sich in der äußeren Erscheinung der Stigmen, und 
zwar derjenigen, welche am Abdomen liegen. Bei diesen treffen wir die 
drei Öffnungen als drei vom Centrum nach der Peripherie des Kreises 
hinziehende Strahlen an, die jedoch nicht gerade sind, sondern sich, ähn- 
lich den Speichen in manchen Schwungrädern, posthornartig krümmen. 
In den Räumen zwischen den Öffnungen sowohl, wie um das ganze 
Stigma herum, ziehen sich dunkelschwarze, ziemlich breite Chitinla- 
mellen, welche dem Apparate bei makroskopischer Betrachtung ein 
schwarzes Aussehen verleihen, so dass derselbe auf der weißen Haut der 
Larve in Form von zwei dunklen Punkten deutlich hervortritt. Die Quer- 
anastomosen zwischen den Rändern der Öffnungen sind weit zahlreicher 
und verlaufen direkt, selten oder gar nicht unter sich zusammenhängend. 

Ich mache auf diese Verhältnisse ganz besonders aufmerksam, da 
dieselben bei einer systematischen Unterscheidung beider Fliegenlarven 
sehr gut verwendet werden könnten. Der gleiche Unterschied findet 
sich bei den Puppen vor, zu denen ich jetzt übergehe. 


Puppen. 


Musca vomitoria. 


Auch die Puppe dieser Fliege zeigt zwei Paare Stigmen (nicht, wie 
Weısmann fälschlich angiebt, nur eines), in ihrer Lage denen der Larven 


5934 Oskar Krancher, 


entsprechend, indem auch hier das größere Paar dem Abdomen und das 
kleinere dem Prothorax zukommt. Ebenso stimmt der Bau im Allge- 
meinen mit den Stigmen der Larve überein, nur dass hier Alles viel 
stärker chitinisirt ist. Die drei Spalten sind durch starke, dunkelbraun 
bis schwarz erscheinende Chitinspangen von einander getrennt, und die 
darüber hingespannten Stäbchen bilden ein weit dichteres Maschennetz, 
als bei der Larve. — Nach innen zu entsenden die Öffnungen je einen 
kurzen Kanal, der mit dem anliegenden schließlich zu einem einzigen, 
der Trachee, zusammentritt. In geringer Entfernung vom Stigma liegt 
der Quetschapparat, in Form des von der Larve her bereits bekannten 
Chitinringes. — Die Thorakalstigmen, die ganz am vorderen Ende des 
Körpers gelegen sind, zeigen denselben Bau, wie bei der Larve. Sie er- 
scheinen in Form eines lang gezogenen Chitinringes, aus dem heraus die 
ganze Schar der Einzelstigmen auf fingerförmigen Fortsätzen hervor- 
ragt. Diese vereinigen sich nach unten zu einer einzigen Trachee, welche 
in nicht allzuweiter Entfernung vom Stigma den bereits bekannten 
Tracheenverschlussapparat trägt. — Die Untersuchung dieses Stigma 
ist übrigens mit Schwierigkeiten verknüpft, die dadurch bedingt wer- 
den, dass sowohl das Stigma selbst, wie auch die dasselbe umgebenden 
Theile sehr stark chitinisirt sind und bei einer starken Vergrößerung das 
ohnehin schon dunkle Gesichtsfeld in solcher Weise verfinstern, dass 
von einer eingehenderen Analyse kaum die Rede sein kann. Besser ge- 
lang mir dies bei 


Musca domestia. 


Die Stigmen der Puppe dieser Fliege sind ganz eben da gelegen, wie 
bei M. vomitoria; auch zeigen sie eine ganz ähnliche Bildung und Größe. 
Was zunächst die beiden Abdominalstigmen anbetrifft, so bilden diese 
in ihrer äußeren Form einen stark geschwungenen Halbbogen, der unten 
durch ein gerades Chitinstück verbunden ist. Von diesem aus erstreckt 
sich, ähnlich wie bei den Stigmen der Lamellicornierlarven, ein stark 
gefärbtes unpaares Mittelstück in das Stigma, dessen peripherischer 
Theil durch zwei starke Chitinstrahlen, die von dem Mittelstück aus- 
gehen, in drei Theile zerlegt wird, welche den drei bereits besprochenen 
Öffnungen der Larve entsprechen. Diese sind nun von Chitinstäbchen 
und deren Verzweigungen so dicht durchsetzt, dass sie ein ganz enges 
Netz vorstellen, in dem nur einige dunklere Stäbchen sich deutlicher 
abheben. Es leuchtet ein, dass ein derartiges Netz ein Sieben der Luft 
in solch ausgezeichneter Weise gestattet, dass auch nicht das kleinste 
Stäubchen in die Trachee zu gelangen vermag. Nach hinten setzt sich 
das Stigma direkt in die Trachee fort, an der in geringer Enifernung 


Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 535 


vom Stigma der Ring, welcher das Verschließen derselben bewirkt, 
sichtbar ist. 

Die Thorakalstigmen sind ganz in derselben Weise gebaut, wie bei 
der Puppe von M. vomitoria, nur dass dieselben wegen der helleren 
Pigmentirung des Chitins deutlicher zu erkennen sind, so dass ihr 
fingerförmiger Bau sehr hübsch hervortritt. Die einzelnen Luftlöcher 
liegen in einem Halbbogen dicht neben einander, ganz wie bei der Larve, 
und sind auch in derselben Weise gebaut, nur dass sie durchaus chiti- 
nisirt sind. An ihrer Außenfläche sendet ein stärkerer Chitinring Stäb- 
chen nach der Mitte zu, die unter einander eng verbunden sind, jedoch 
in der Mitte noch einen langen schmalen Spalt erkennen lassen, der 
zum Durchtritt der Luft dient. Sehr gut erkennt man auch hier die 
röhrenförmigen Fortsätze, welche nach innen führen und sich dort zu 
einer einzigen Trachee vereinigen. 


Imago. 


Die Stigmen des ausgebildeten Insektes treten uns in verschiedener 
Gestalt entgegen, je nachdem sie am Thorax oder am Abdomen sich vor- 
finden. Ihre Zahl beträgt an ersterem zwei und an letzterem fünf Paare, 
und nicht, wie Weısmann (27) fälschlich angiebt: vier. Während nun 
die des Hinterleibes äußerst klein sind und in ihrem Baue sehr genau 
unter einander übereinstimmen, erscheinen die des Thorax groß und 
von absonderlicher Gestaltung. In einiger Beziehung sind aber auch die 
beiden Thorakalstigmen wieder verschieden. Übrigens werde ich, da 
M. vomitoria und M. domestica nur um ein Geringes von einander ah- 
weichen, deren Bau zusammen behandeln und die einzelnen Unter- 
scheidungsmerkmale an geeigneter Stelle hervorheben. 

Betreffs der Thorakalstigmen ist zunächst zu erwähnen, dass beide 
ihre Lage am Pro- und Metathorax haben. Wenn Weısmann behauptet, 
dass der Prothorax bei keinem ausgebildeten Insekte Stigmen trage, so 
verweise ich einfach auf die Arbeit von Pırmen (23), welcher diesen 
Satz dahin korrigirt, dass der Prothorax nur dann kein Stigma trägt, 
wenn der Mesothorax mit einem solchen versehen ist. Ausgeschlossen 
bleibt aber nicht, dass der Prothorax Stigmen tragen kann, wenn diese 
am zweiten Brustringel fehlen. 

Das prothorakale Stigma ist von beiden Bruststigmen bei M. vomi- 
toria das kleinere, bei M. domestica wohl eher das größere zu nennen. 
Es ist von länglich ovaler Gestalt, indem die eine Seite mehr spitz, die 
andere mehr abgerundet erscheint. Äußerlich ist es von einem starken 
Chitinrande umgeben, der nach dem Inneren zu flächenhaft eine Menge 


536 Oskar Krancher, 


Haare entsendet, so dass dadurch wieder ein Filter hergestellt ist. Die 
Haare sind bei M. vomitoria sehr stark verzweigt und reichen weit über 
einander hinweg, während sie bei der Stubenfliege nur sehr spärlich 
auftreten und seltener Verzweigungen gestatten. Das Stigma selbst zieht 
sich nach hinten trichterförmig, oder besser gesagt dachförmig, zu- 
sammen, indem es schließlich an der engsten Stelle einen Chitinring 
erkennen lässt, der, analog der Form des Stigma, gleichfalls in die 
Länge gezogen ist. Derselbe bildet unten eine dünne Lamelle, während 
er an der oberen abgerundeten Seite mit seinen seitlichen Theilen nicht 
zusammentritt, sondern getrennt bleibt. An dieser Stelle ist es, wo sich 
ein Muskel inserirt, welcher sich von da fächerförmig nach oben aus- 
breitet und sich schließlich mit seiner breitesten Seite an den Winkel 
eines Chitinvorsprunges des Thorax anheftet. Zwischen jener äußeren 
Öffnung und dem eben besprochenen Chitinringe befindet sich noch ein 
anderer weniger deutlicher Ring, der wohl nur als Spange dient, damit 
das Stigma nicht in sich zusammenfällt. Dieser Ring erweitert sich an 
der oberen Seite des Stigma flächenhaft und bildet dort eine ziemlich 
weite Öffnung, durch die der bereits genannte Muskel hindurchtritt. 
Dieser ganze Apparat, an dem noch zwei weichhäutige Bänder zu er- 
wähnen sind, welche nach dem inneren Lumen der Trachee vorspringen, 
wird von Lanpoıs als Stimmapparat gedeutet und in ganz gleicher Aus- 
bildung auch am Metathorakalstigma beschrieben. Mein Bedenken hier- 
gegen habe ich bereits im Eingange hervorgehoben. Ich finde in diesem 
Apparate nichts weiter, als eine Einrichtung zum Tracheenverschluss. 
Wirkt nämlich der Muskel in Folge einer Kontraktion, so werden die 
beiden Hälften des Chitinringes angezogen, so dass sie einander sich 
nähern und die Luft absperren. Bei vollständigem Verschlusse reichen 
schon die oben erwähnten zwei häutigen Lamellen hin, die etwa noch 
offen bleibende Spalte zu verschließen. Dass der Apparat noch weiter 
dazu diene, die Stimme zu erzeugen, kann ich weder behaupten, noch 
in Abrede stellen. 

Das zweite Bruststigma, welches am Metathorax liegt, ist bei M. 
vomitoria das größere, bei unserer Stubenfliege das kleinere. Es hat 
eine ähnliche Form, wie das soeben beschriebene, ist aber weniger lang 
und um so breiter. Eine genaue Abbildung giebt H. Lanpoıs in seiner 
Abhandlung über die Stimmapparate in dieser Zeitschrift Band XVII, 
Taf. X, Fig. 9, so dass ich mich auf diese hier beziehen kann. Das 
Stigma zeigt äußerlich einen starken Chitinrand, an dem zwei un- 
gleiche Lippen sitzen, von denen die eine kleinere beweglich zu sein 
scheint, während die größere festsitzt. Beide bestehen aus einer Menge 
starker Haarstäbchen, welche sich oft theilen und mit einer Unzahl von 


Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 537 


Haaren besetzt sind, so dass ein dicht verfilztes Haarnetz entsteht. In 
dieser Weise treffen wir es bei M. vomitoria an. Bei M. domestica ist 
die Behaarung eine ziemlich geringe. Die Haare, welche über die 
äußere Öffnung hinwegstehen, sind meist nur sehr wenig verzweigt und 
stellen somit eine nur wenig schützende Decke für die Trachee dar. 
Doch muss man dabei noch die Behaarung des Thorax in Betracht 
ziehen, unter der diese Stigmen, und eben so die vorderen, derart 
versteckt liegen, dass man dieselben erst genauer erkennt, wenn man 
die Haare entfernt hat. — Nach innen zu setzt sich die Trachee an, 
welche sich gleichfalls verengt und in geringer Entfernung vom Stigma 
genau denselben Apparat trägt, den wir an den prothorakalen Stigmen 
einer eingehenderen Behandlung unterworfen haben. Der Muskel setzt 
sich gleichfalls in einer winkligen Chitinspange fest und bewirkt durch 
seine Kontraktion einen Schluss der Öffnung. 

Die Abdominalstigmen der Fliegen sind in fünf Paaren vorhanden, 
die allesammt an den Seiten des Hinterleibes liegen und ihrer außer- 
ordentlichen Kleinheit halber leicht zu übersehen sind. Ihre Form ist 
eine mehr oder weniger runde bis ovale, oft auch etwas in die Länge 
gezogen. Äußerlich stellen die Stigmen einen tief schwarzen Pigmentring 
ohne jegliche Behaarung vor, der sich nach innen zu in die Trachee 
fortsetzt, um sich schließlich, ein ziemliches Stück von der äußeren 
Öffnung entfernt, zu verengen. An dieser Stelle hat der Verschluss- 

apparat seine Lage. Bis hierher hat die Trachee eine sehr unregelmäßige 
 Spiralzeichnung aufzuweisen, die sich weiter noch dadurch auszeichnet, 
dass die einzelnen Spiralen nach innen zu eine ganze Menge kurzer 
Stacheln entsenden, deren Zweck mir ziemlich unklar ist, da sie wohl 
schwerlich dazu dienen, den etwa eingesogenen Staub zurückzuhalten. 
Wie bereits erwähnt sitzt an jener Stelle, wo sich die Trachee etwas 
verengt, der Tracheenverschlussapparat, und erst hinter diesem beginnt 
sich die Trachee zu verzweigen und ihre regelmäßige Spiralringelung 
anzunehmen. Der Quetschapparat tritt uns hier vor Allem deutlich 
durch seinen Verschlussbügel entgegen, welcher die Trachee zur großen 
Hälfte umgiebt. Derselbe ist besonders bei M. vomitoria sehr stark aus- 
gebildet, und wegen seiner dunklen Pigmentirung leicht sichtbar. Die 
andere Hälfte der Trachee umgiebt ein schwacher Chitinstreifen, der 
auf beiden Seiten mit dem Verschlussbügel zusammenhängt und wohl 
mit dem Verschlussbändchen identisch ist. Auf diesem, etwas nach der 
Seite gerückt, sitzt der Verschlusshebel, der eine zapfenförmige Gestalt 
besitzt und gleichfalls deutlich hervortritt. Dieser Hebel trägt an seiner 
Spitze einen Muskel, der mit seinem anderen Ende an der Hypodermis 


des Körpers ansitzt, durch Kontraktion den Hebel anzieht und dadurch 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 36 


538 Oskar Krancher, 


den Verschlussring in der Weise verengt, dass er zu einem langgezo- 
genen engen Ovale wird. Hierbei wird das Bändchen gegen den Bügel 
gedrückt und der Verschluss bewerkstelligt. 

Bei M. domestica reducirt sich jener Verschlussbügel auf ein weit 
kleineres Chitinknöpfchen, während hingegen der Verschlusshebel er- 
heblich größer sich gestaltet, als bei M. vomitoria. Derselbe ist überdies 
an seinem freien Ende knopfartig verdickt. Der Verschluss findet in der 
Weise statt, dass der an diesem Knöpfchen und an der Trachee an- 
sitzende Muskel dem Hebel eine geringe Drehung ertheilt, wodurch der- 
selbe gegen das ihm gegenüber stehende Chitinblättchen gedrückt wird. 

Bei anderen Fliegenarten, wie beispielsweise bei Sarcophaga car- 
naria, habe ich die gleichen Verhältnisse angetroffen, weshalb ich hier, 
um mich nicht zu wiederholen, darüber hinweggehe. 


Oestriden-Larven. 


Aufmerksam gemacht durch Herrn Geh. Hofrath Prof. Dr. Leuckart 
auf die sonderbare entoparasitische Lebensweise der Oestriden-Larven, 
beschloss ich, auch diese Thiere in die Reihe meiner Betrachtungen zu 
ziehen; und gerade hier zeigten sich die auffallendsten Formen unter 
allen bisher betrachteten Stigmen. Zwar konnte ich nur Gastrus equi 
und Oestrus bovis untersuchen, doch erhält man bereits durch sie ein 
Bild von der sonderbaren Athmung, die diesen Thieren eigen ist. 

Schon ScHRÖDER VAN DER Kork (34) und nach ihm Scariger (32) und 
Brauer (33) haben in ihren Arbeiten über Oestriden-Larven und Imago 
die Respiration dieser Thiere berücksichtigt und die Stigmen in ziemlich 
eingehender Weise beschrieben, döch weichen meine Untersuchungen 
von denen oben genannter Forscher in verschiedenen Punkten ab. 

Die Stigmen scheiden sich, wie bei den meisten Dipteren-Larven, 
in zwei Paare, von denen das eine größere am letzten Abdominalringel 
in Gestalt einer breiten Platte, der sogenannten Stigmenplatte, welche 
fast den ganzen hinteren Theil des Abdominalringels bedeckt, seine Lage 
hat. Diese Platte ist groß, makroskopisch deutlich wahrzunehmen, und 
mit beiden Stigmen versehen, wobei sie entweder noch die zwei Hälften 
erkennen lässt (Oestrus bovis), oder nicht (Gastrus equi). 


Das andere Stigmenpaar liegt am Thorax, und zwar in unmittel- | 


barer Nähe der Mundtheile. Äußerlich ist es kaum wahrzunehmen, da 
es meist tief in der Haut verborgen liegt. Nur durch Auseinanderziehen 
der begrenzenden Falten kann man die Stigmen als dunkle Punkte er- 


kennen. Dass sie aber ofien sind, beweisen die Tracheen, welche an 
sie herantreten. Doch bemerkt ScHEIBErR, dass sie wohl nur äußerst 


Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 539 


selten zum Athmen verwendet werden dürften, da die Stigmenöffnungen 
in Ermangelung jeder verschließenden Vorrichtung klafften und somit 
stets durch Schleim verstopft seien. 


Gastrus equi. 


Wie bereits bei den früher beschriebenen Dipteren-Larven erwähnt 
wurde, besitzen auch die der Pferdebremse die Fähigkeit, die Stigmen- 
platte tief nach innen einzuziehen, wodurch dieselbe dann von den sich 
hervorwulstenden Hautfalten überdeckt wird. Deshalb ist sie auch an 
Spiritusexemplaren äußerlich nicht oder doch nur sehr wenig sichtbar. 
An Sielle derselben erkennt man nur eine lange quere Spalte, durch 
jene oben und unten sich findenden Hautwülste gebildet, unter denen 
die Stigmenplatte gelegen ist. Sehr gut kann man diese Verhältnisse 
auf Querschnitten erkennen, welche parallel der kürzeren Achse der 
Stigmenplatte angefertigt werden. 

Nach Brauer sollen diese Wülste den Zweck haben, die Stigmen- 
platte von dem Magenschleime der Pferde zu befreien dadurch, dass sie 
beim Zurückziehen der Platte einfach darüber hinwegstreichen. — Die 
Stigmenplatte ist einer Ellipse nicht unähnlich und enthält beide Stig- 
men, welche nur durch eine von der einen Seite bis in die Mitte vor- 
springende Einbuchtung von einander getrennt werden. Jedes einzelne 
Stigma besteht aus drei bereits von früher her uns bekannten Einzel- 
stigmen, welche sich in kühnem Schwunge über die ganze Breitseite des 
Stigma hin erstrecken. Ein jedes Einzelstigma ist aber wieder durch 
zahlreiche kleine Chitinstäbchen in eine große Anzahl von Fächern ge- 
theilt, die sich nach außen zu kugelig vorwölben und an ihrer äußersten 
Wölbung je eine kleine Einbuchtung tragen. Offenbar hat diese Bildung 
den Zweck, die in geringer Menge im Magen vorhandene respirable Luft 
in großer Oberfläche mit den Organen der Aufnahme in Berührung zu 
bringen. 

Dicht hinter diesen Längsspalten stößt man auf ein außerordentlich 
enges und fein verzweigtes Haarfilznetz von fast schwammiger Be- 
schaffenheit, das die Spalten von beiden Rändern her im Inneren voll- 
kommen überdeckt, so dass auch nicht das kleinste Wassertheilchen 
durchzudringen vermag. Außerdem tritt noch ein zweiter, hiervon voll- 
kommen getrennter Filz in der Luftkammer auf, welcher die ganze 
Stigmenplatte im Inneren überzieht und besonders hinter den einzelnen 
Öffnungen dicht entwickelt ist. In dieser Form besitzen die inneren 
Respirationsorgane einen vollkommenen und intensiven Schutz vor dem 
Eindringen fremder Stoffe. 

Nach innen zu setzt sich an jedes einzelne Stigma die Trachee an, 

36* 


540 Oskar Krancher, 


die sich jederseits in zwei und schließlich in vier einzelne Äste gabelt, 
welche den Körper seiner ganzen Länge nach durchziehen und durch 
diese Symmetrie auf Querschnitten schon makroskopisch ein recht hüb- 
sches Bild geben. 

Von den acht großen Tracheenstämmen zweigen sich zahlreiche 
kleinere Stämmchen und Kanälchen ab, von denen jedes an seinem Ende 
eine große Blase trägt, die in gewisser Beziehung mit der Tracheenend- 
zelle identisch ist und von ScHRÖDER VAN DER Kork »Lungenbläschen « 
genannt wird. In dieser Blase löst sich die Trachee quastenförmig zu 
immer feiner werdenden Ästchen auf, so dass schließlich die Enden nur 
noch als feine Streifchen zu erkennen sind. Außerdem enthält sie in 
sich einen, besonders bei Karminfärbung deutlich hervortretenden, Zell- 
kern, in dem drei bis vier Kernkörperchen deutlich zu erkennen sind. 
Aus dieser sonderbaren Einrichtung der inneren Respirationsorgane geht 
hervor, dass es sich hier um eine enorme Flächenvergrößerung handelt, 
die es gestattet, mit größester Sicherheit auch die kleinste Menge Sauer- 
stoff aus der im Magen sich vorfindenden Luft aufzunehmen. 

Die beiden Thorakalstigmen finden sich zu beiden Seiten der Mund- 
theile, am zweiten Leibesringel, und stellen einen nach außen gewölbten 
glockenförmigen Zapfen vor, an den sich im Inneren die Trachee an- 
schließt. Dieser Zapfen ist an seiner Außenseite mit zahlreichen, wirr 
durch einander liegenden Öffnungen versehen, die je eine elliptische 
Form besitzen und von sechs bis acht straffen Härchen überdeckt wer- 
den. Innerlich ist Glocke und Trachee mit einem Filz dicht verzweigter 
Haare ausgestattet, der auch hier einen Seihapparat vorstellt und be- 
sonders an der Stelle sich dicht gestaltet, wo die eigentliche Trachee mit 
ihrer spiraligen Zeichnung beginnt. Ebenda zeigt dieselbe auch eine 
Einschnürung, an der man wohl versucht sein könnte, den Verschluss- 
apparat zu vermuthen ; doch wage ich hierüber kein bestimmtes Urtheil, 
da ich keine frischen Exemplare zu untersuchen Gelegenheit hatte. Eben- 
sowenig gelang es mir irgend einen besonderen Verschlussapparat an 
den Abdominalstigmen zu entdecken. Vielleicht, dass derselbe durch 
die Hautfalte ersetzt ist, welche sich beim Zurückziehen über die ge- 
sammte Stigmenplatte hinweglegt. 

Etwas anders, jedoch immerhin sehr ähnlich, gestalten sich die 
Verhältnisse bei 


Oestrus bovis. 


Die Stigmen bilden auch hier eine größere Platte, welche am letzten 
Leibesringel ihre Lage hat. Doch sind beide vollkommen von einander 
getrennt und frei, ohne jeglichen Wulst, so dass sie dem Auge, zumal 


Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 541 


sie auch sehr dunkel pigmentirt sind, deutlich sichtbar werden. Sie 
besitzen die Form eines Halbkreises und liegen mit ihren Breitseiten 
einander zugekehrt, so dass das Ganze einer Ellipse nicht unähnlich ist. 
Ein jedes Stigma lässt nahe dem Rande, wo beide zusammenstoßen, 
einen hellen runden Fleck erkennen, der, gleich dem Stigma, von einem 
dunklen Chitinrande umgeben ist und leicht für eine Luft-Öffnung ge- 
halten werden könnte. Dem ist aber durchaus nicht so, denn jener 
Fleck stellt nur eine Vertiefung der Stigmenplatte vor, die unten durch 
eine dichte Chitinmembran abgeschlossen ist. Brauer (33) nennt dies 
die falsche Stigmenöffnung und ScHEIBEr (32) ist der Ansicht, dass dies 
ein Überbleibsel von Bildungen aus früheren Larvenstadien sei, in denen 
die Stigmen lange röhrenförmige Anhänge vorstellen. So viel aber ist 
gewiss, dass diesen Vertiefungen jegliche Funktion bei der Respiration 
abgeht. 
Von diesen vermeintlichen Öffnungen gehen radienförmig starke, 
mannigfach verzweigte Strahlen nach der Peripherie des Halbkreises hin, 
welche sich tief in das Innere der Trachee hinein fortsetzen. Auf Flächen- 
und Querschnitten erkennt man bei starker Vergrößerung, dass es 
röhrenförmige Kanäle oder eigentlich vielmehr Rinnen sind, welche in 
ihrem Inneren mit einem außerordentlich zarten und dichten Haarfılz 
ausgekleidet sind. Man hat es in diesen Gebilden mit den eigentlichen 
Öffnungen des Stigma zu thun, durch welche die Luft in die Trachee 
eingeführt wird. Von diesen Kanälen hängen gewöhnlich mehrere unter 
einander zusammen. Ebenso tragen dieselben meist noch eine ganze 
Anzahl seitlicher Ausbuchtungen und Zweige. Sie öffnen sich nach innen 
zu direkt in die Trachee und bilden in dieser drei von einander ge- 
trennte Abtheilungen, die von dunkelbraunen Chitinringen umschlossen 
werden. Wir sehen somit auch hier das Stigma in drei Einzelstigmen 
zerfallen!. 
Äußerlich ist über beide Stigmen eine starke Chitinhaut gespannt, 
die von zahlreichen Öffnungen durchbrochen ist. Letztere werden von 


1 In einem noch höheren Grade ist das der Fall bei einer Oestriden-Larve aus 
der Dasselbeule eines Menschen, die Herr Dr. FALKkENSTEın an der Lorenzoküste ge- 
sammelt und dem Herrn Professor LEUCKART geschenkt hat. Es ist dieselbe Art, 
welche CoQuEREL (Ann. soc. ent. France. T. II. p. 95 u. 784) vom Senegal beschrie- 
ben hat. Die Stigmenplatten dieser Larve bestehen — wie Herr Professor LEUCKART 
mir zeigte — je aus vier Abtheilungen, von denen eine zur Aufnahme des oben be- 
schriebenen hellen Fleckes bestimmt ist, die drei anderen aber je ein geschlängeltes 
langes Stigma enthalten, das nach dem Außenrande hin gelegentlich einen kleinen 
blinddarmartigen Fortsatz abgiebt. Die vorderen Stigmen sind weit vollständiger 
entwickelt, als bei den früher betrachteten Arten, und zeigen jederseits sechs läng- 
liche Öffnungen, die sehr bald in eine sackartige Tracheenerweiterung hineinführen. 


542 Oskar Krancher, 


einem feinen Haarnetz überdeckt und führen in engen Gängen zu den 
oben beschriebenen radienförmigen Rinnen, die eigentlich erst durch 
diese Überbrückung zu Kanälen werden. Diese Öffnungen haben viel 
Ähnlichkeit mit denjenigen, die uns von den Thorakalstigmen von 
Gastrus equi her bekannt sind, nur dass sie sich durch bedeutendere 
Größe auszeichnen. — Hinter jener Stelle, wo die radienförmigen Kanäle 
in die Trachee münden, zeigt sich an letzterer ein dunkler Streifen, der 
dieselbe ringförmig umgiebt. Es ist leicht denkbar, dass dies der Ver- 
schlussapparat der Abdominalstigmen ist, zumal es mir nicht gelungen 
ist, eine andere Verschlussvorrichtung zu entdecken. 

Zwischen beiden Stigmen bemerkt man bei äußerer Flächenansicht 
noch eine dritte Öffnung. Es ist diejenige des Afters. 

Die Thorakalstigmen finden sich im Unterschiede von denjenigen 
bei Gastrus equi auf einer wenig dunklen Platte vereinigt. Sie sind 
klein, von einem breiten Chitinringe umgeben und tragen auf ihrer 
äußeren Öffnung eine dünne Membran, die von zahlreichen kleinen 
Löchern durchbrochen ist, welche direkt in die Trachee überführen. 
Letztere schließt sich je an ein Stigma an. Trotzdem aber ist es fraglich, 
ob jene Stigmen bei der Athmung Verwendung finden, da auch hier die 
Hautfalte, in der dieselben verborgen liegen, immer vollständig mit 
Schleim verstopft ist, so dass die Luft schwerlich bis zum Stigma selbst 
vorzudringen vermag. | 

Wir gelangen jetzt zur III. Ordnung der Insekten, zu den 


Lepidopteren. 


Um über die Stigmen dieser Thiere und ihren Bau zu einem end- 
gültigen Resultate zu kommen, wird es gerathen sein, wie bei den Mus- 
ciden, in genetischer Weise zu verfahren, zunächst also die Raupen, 
hierauf die Puppen, und schließlich die Schmetterlinge einer genaueren 
Betrachtung zu unterwerfen. Genau in derselben Weise behandelt auch 
H. Lanpois (19) die Tracheenverschlüsse bei den Lepidopteren. 

Die Form der Stigmen ist bei allen eine sehr ähnliche, indem die- 
selben überall ein längliches Oval vorstellen. Auch vertiefen sie sich 
meist nach innen zu dachförmig und tragen dann an der am meisten 
verengten Stelle den Quetschapparat. Dieser ist in den drei Entwick- 
lungsstufen nicht allzu verschieden, was Lannoıs als merkwürdig her- 
vorhebt, und besteht immer aus einem Hebelarme, der auf einem lang- 
gezogenen ovalen Ringe oder überhaupt einem doppelarmigen Gebilde 
rechtwinklig aufsitzt. Überdies liegt der Verschlussapparat immer dicht 
hinter dem Stigma, ohne jedoch mit demselben in irgend welcher Weise 
verwachsen zu sein. 


Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 543 


Raupe. 


Von den Raupen habe ich eine ganze Anzahl untersucht und im 
Grunde genommen immer denselben Bau gefunden. Die wenigen Fälle, 
in denen derselbe abweichend erschien, werde ich besonders berück- 
sichtigen, sonst aber mich behufs Erläuterung der Stigmen besonders 
an die Raupe von Cossus ligniperda halten, da ich die Luftlöcher der- 
selben einer sehr eingehenden Betrachtung unterzogen habe. 

Was zunächst die Zahl derselben anbetrifft, so beläuft sich dieselbe 
bei allen Raupen auf neun Paare. Hierunter verstehe ich nur die wirk- 
lich offenen Stigmen. Von ihnen gehört das vorderste und größere dem 
Prothorax, während die anderen acht Paare dem Abdomen zufallen. 
Außerdem aber finden sich am Meso- und Metathorax noch zwei soge- 
nannte verschlossene Stigmen, bei denen wohl vom inneren Tracheen- 
stamme aus ein Ast jederseits nach der Körperhaut zu verläuft, welcher 
auch den üblichen Verschlussapparat trägt, aber von einer äußeren Öff- 
nung keine Rede ist. — Die Form der offenen Stigmen im Allgemeinen 
ist eine länglich-ovale. Äußerlich treffen wir einen ziemlich dunklen 
Chitinrand, welcher sich meist oben über die Öffnung des Stigma hin- 
wegschlägt und nach unten zu dachförmig sich verengt, was besonders 
an Querschnitten deutlich hervortritt. In einer gewissen Tiefe nun er- 
blickt man auf der Flächenansicht eine dicht verfilzte Masse, auf der sich 
lauter kleine Köpfchen erheben, die mit Stacheln dicht besetzt zu sein 
scheinen. In der Mitte zieht sich ein schmaler, langer Spalt hindurch, 
welcher die eine Lippe von der anderen trennt. Um nun über jene 
Filzmasse und überhaupt den Bau des Stigma definitive Gewissheit zu 
erlangen, fertigte ich Quer- und Längsschnitte an und erhielt dadurch 
insofern ein unerwartetes Resultat, als die fast unverständlich mir 
entgegentretende Filzmasse als eine Unsumme von Haaren sich ergab, 
welche in ungleicher Höhe stehen und ihre Köpfchen sämmtlich nach 
oben richten. Dabei sind die Haare so lang, dass die Köpfchen fast in 
eine Ebene zu stehen kommen, ein Umstand, auf den schon das Flächen- 
bild hinweist. Die Haare selbst stellen kleine Chitinstäbchen vor, die an 
ihrem Ende oft gegabelt sind und eine ganze Menge von Nebenhaaren 
tragen, wie das besonders in ausgiebiger Weise an den Köpfchen der Fall 
ist. Dadurch nun, dass diese Stäbchen sehr dicht und in verschiedenen 
Etagen über einander stehen und die dichte Behaarung verfilzt und 
verworren ist, erhält das Ganze das oben erwähnte eigenthümliche Aus- 
sehen. Derjenige Theil des Stigma, welcher die soeben besprochenen 
Haare trägt, und überdies nach innen zu etwas vorgewölbt ist, setzt sich 


544 Oskar Krancher, 


darüber hinaus noch in ziemlich unveränderter Weise fort, bis er schließ- 
lich sich bedeutend verengt und mit dem Tracheenverschlussapparat 
sich verschließt. Erst hinter dem Quetschhahn beginnt die Trachee sich 
zu theilen. 

Bei einigen anderen Raupen gestalten sich die eben beschriebenen 
Verhältnisse etwas anders. Meist nämlich ziehen sich die Stigmen nicht 
so tief dachförmig nach innen, wie es bei Cossus der Fall ist, sondern 
bilden zur äußeren Körperhaut nur eine geringe Vertiefung. Was aber 
die Haare anbelangt, so sind dieselben mit ihren Querfortsätzen meist 
eng verwachsen und zu einer fein durchlöcherten Platte geworden, durch 
welche die Luft im wahren Sinne des Wortes gesiebt wird. Derartige 
Verwachsungen betreffen aber nicht nur die oberen Haare, sondern alle, 
so viel deren in mehrfacher Stufe über einander stehen. Ein Bild hier- 
von kann man natürlich nur auf Quer- und Flächenschnitten erhalten, 
wie ich solche von verschiedenen Raupen besitze. Zu dieser Art der 
Stigmen zählen die von Sphinx euphorbiae, von allen Euprepia-Arten, 
Smerinthus ocellatus, Sphinx tiliae, Sphinx ligustri und dergleichen 
mehr. Bei Bombyx mori findet sich, wie auch bei den beiden zuerst 
genannten, ein starker, schwarz pigmentirter Chitinring um das Stigma. 
Die Haare sind hier nicht verklebt, sondern frei, in drei bis vier Etagen 
über einander. 

Die Stigmen der Raupen einiger Tagschmetterlinge, als Vanessa Jo, 
V. urticae und Pieris brassicae, sind allesammt nach demselben Typus 
gebaut; auch ihre Haare sind mehr oder weniger verfilzt, stehen aber 
meist nur in einer Fläche zusammen. Bei Vanessa Jo sind sie vermöge 
eingelagerten Pigmentes intensiv schwarz gefärbt. Ebenso ist an diesen 
Stigmen keine Vertiefung wahrzunehmen; der dasselbe umgebende 
dunkle Rand setzt sich vielmehr unmittelbar in die chitinöse Oberhaut 
des Insektes fort. Dicht hinter dem Stigma liegt da, wo die Trachee an 
den Seiten bedeutend komprimirt ist, der Quetschapparat, welcher in 
seinen Grundformen bei allen von mir untersuchten Raupenspecies der- 
selbe war. Er besteht aus den im Eingange erwähnten vier Bestand- 
theilen, von denen vor Allem der Verschlussbügel Beachtung verdient, 
da derselbe bald als ein sehr deutlicher, bald auch als ziemlich schwacher 
 Chitinstreifen mehr als die Hälfte der Trachee umgiebt. Bei einigen 
Raupen, besonders denen der oben erwähnten Tagschmetterlinge, zeigt 
dieser an seinem unteren Ende eine Theilung in zwei Äste, von denen 
der eine sich der Trachee der Länge nach anschmiegt, während der 
kürzere sich nach der anderen Seite um die Trachee herumwendet. Bei 
anderen Raupen, als bei Cossus, Smerinthus populi, Bombyx mori, tritt 
derselbe als ein einfach gebogener Chitinstab auf. 


Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 545 


An das obere Ende des Bügels setzt sich dann der Verschlusshebel 
fest, der seiner eigenthümlichen Gestalt wegen hier besonders beschrie- 
ben werden muss. Derselbe stellt in vielen Fällen, wie fast allgemein 
bei den Larven der Tagschmetterlinge, einen einfachen Chitinstab vor, 
der oben an den Verschlussbügel gelenkartig angesetzt ist, unten aber 
einen rechtwinklig dazu gebogenen Hebelarm trägt. Doch ist dieser erste 
Chitinstab bei den Raupen der Bombycinen und Sphinginen durchgängig 
doppelt, seiner Gestalt nach einem lang gezogenen Ringe ähnelnd. Der- 
selbe zeigt zwischen seinen beiden Schenkeln eine mehr oder weniger 
breite Spalte, bei Bombyx mori eine solche von außerordentlicher Enge. 
Das rechtwinklig angesetzte Stück, der eigentliche Hebelarm, ist ver- 
schieden lang und zeigt an seiner Umbiegungsstelle eine bedeutende 
Anschwellung, während er selbst Anfangs dünn ist und nach dem freien 
Ende hin sich verdickt, oft sogar tellerförmig verbreitert oder mit einigen 
Zapfen ausgestattet ist. Die Verbindung zwischen dem Verschlussbügel 
und dem Hebel stellt das Verschlussband her, das seinen Ansatz an der 
Umbiegungsstelle des Hebels hat, an der zu diesem Zwecke oft noch eine 
kleine zapfenförmige Verlängerung angebracht ist. Dieses Bändchen ist 
verschieden konstruirt, indem es theils seiner Dünne und Zartheit halber 
kaum zu erkennen ist, wie bei Cossus ligniperda, theils aber auch sehr 
deutlich hervortritt, wie bei Bombyx mori. Zu erwähnen ist noch, dass 
ich besonders bei Cossus ligniperda, und ebenso auch bei vielen anderen 
Raupen, gefunden habe, dass die bisher genannten Theile des Quetsch- 
apparates, und vornehmlich der Hebelarm, mit einer dicken Hypodermis- 
schicht überkleidet sind. 

Der Muskel, der den Quetschapparat bewegt, ist, wie ich wenigstens 
bei Cossus und Bombyx mori gefunden habe, ein doppelter. Der eine 
Theil erstreckt sich vom Hebelarm nach dem unteren Theile des Ver- 
schlussbügels und hat durch seine Kontraktion ein Annähern des Hebels 
und Bändchens an den Bügel zur Folge, wodurch der Verschluss zu 
Stande kommt. Der andere Muskel aber bewirkt gerade das Gegentheil, 
also ein Öffnen des Apparates. Er sitzt auf der anderen Seite dem Hebel 
an und heftet sich mit seinem zweiten Ende an die Hypodermis des be- 
treffenden Leibesringels fest. Er hat eine ziemliche Länge und kann 
durch seine Kontraktion leicht ein Öffnen der Trachee hervorrufen. 
Lanvoıs spricht in seiner Abhandlung nur von einem Muskel, nämlich 
dem, der der Hypodermis ansitzt, und den er fälschlich zum Schließer 
des Apparates macht. Dass er den anderen Muskel übersehen hat, findet 
seine Erklärung darin, dass derselbe ziemlich schmal und klein ist und 
nur aus einigen Fasern besteht. — Ob das gleiche Verhältnis auch bei 


546 Oskar Krancher, 


den Raupen der Tagschmetterlinge wiederkehrt, hatte ich bisher keine 
Gelegenheit nachprüfen zu können. 


Puppe. 


Die Stigmen der Schmetterlingspuppen sind, wie bei den oben be- 
schriebenen Puppen der Musciden, durchaus chitinisirt. Sie stellen 
äußerlich einen stark gewulsteten Rand vor, welcher sich nach innen. 
zu, ähnlich der Raupe, dachförmig verengt bis zu einer schmalen Längs- 
spalte, welche dann direkt in die Trachee führt. Der zwischen dem 
äußeren Ringe und jener Öffnung liegende Theil zeigt einen eigenthüm- 
lichen Bau, indem auf ihm allerhand Längsfurchen sich hinziehen, die 
an ihren Rändern eine Unsumme von feinen Spitzchen tragen. Dies 
setzt sich so fort bis zur inneren Öffnung, an der wir schließlich einen 
Kranz von Zähnen vorfinden, welche wiederum mit kleineren Zähnchen 
und Härchen bedeckt sind. Dieselben haben eine solche Stellung, dass 
der Zahn der einen Seite stets in eine Lücke der anderen Seite zu liegen 
- kommt, wodurch die Öffnung eine sehr enge wird. Nach innen zu 
schließt sich die Trachee an, welche in unmittelbarer Nähe des Stigma 
den Verschlussapparat trägt. Derselbe ist ganz nach dem Vorbilde des- 
jenigen der Raupe gebaut und zeigt nur insofern einigen Unterschied, 
als er seines bedeutenden Pigmentgehaltes halber meist deutlicher her- 
vortritt. Ferner konnte ich hier nur einen Muskel konstatiren, der aber 
nicht, wie Lanpoıs bei Vanessa urticae gefunden haben will, sich an der 
Hypodermis der Haut anheftet, sondern der den Kopf des Hebels mit 
dem unteren Ende des Verschlussbügels verbindet. 

Was schließlich die Zahl der Stigmen bei der Puppe anbetrifft, so 
beläuft sich dieselbe nur auf acht Paare, von denen ein Paar dem Thorax 
und sieben Paare dem Abdomen zuzuzählen sind. Ich habe hierauf be- 
sonders Smerinthus populi, S. ocellatus und eine kleine Eule untersucht 
und fand überall dieselben Verhältnisse. Lannoıs beschreibt die Ein- 
richtung des Stigma der Puppe von Vanessa urticae, und auch diese 
stimmen im Allgemeinen mit den oben behandelten überein. Auch hier 
bildet das Stigma einen länglich ovalen Ring, der sich nach innen in 
lauter einzelne Zähne fortsetzt. Dieselben sollen an der einen Seite 
stärker entwickelt sein, als an der anderen, und zugleich noch vier 
Reihen feiner Härchen tragen, die den Zweck haben, Staubtheilchen 
von dem Inneren der Trachee zurückzuhalten. Der Ring steht nach 
hinten zu mit der Trachee in Verbindung und trägt in ziemlicher Nähe 
des Stigma den Verschlussapparat, der dem von mir beschriebenen 
ganz gleich gestaltet ist. 


Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 547 


Imago. 


Auch bei den Schmetterlingen sind die Stigmen ihrer äußeren Form 
nach längliche Ovale. Der Chitinring, der sie umgiebt, ist an der einen 
Seite stärker entwickelt, als an der anderen, und trägt hier oftmals sogar 
eine Reihe feiner Spitzen und Stacheln, wie ich dies besonders bei 
Smerinthus populi angetroffen habe. Der andere Rand ist nicht so stark 
ausgebildet und hebt sich nur wenig von der chitinisirten Körperhaut ab. 
Von dieser Seite aus wird das Stigma von dachziegelförmig über einan- 
der liegenden Schuppen bedeckt, welche das Eindringen von Staub- 
partikelchen verhindern. Gleichzeitig kommt dabei noch die oft sehr 
bedeutende Behaarung des Leibes in Betracht. — Macroglossa stellatarum 
besitzt eine ganze Reihe ziemlich lang vorstehender Haare, die unter 
einander durch Queranastomosen verbunden und durch unzählige feine 
Härchen dicht verfilzt sind. Dieselben haben ihren Stand an derjenigen 
Seite des Stigma, welche keine Schuppen an der Außenseite trägt, so 
dass also die Schuppen und verfilzien Haare sich gegenseitig von beiden 
Seiten ergänzen. 

Nach innen zu schließt sich wieder das Tracheenrohr mit der 
Quetschvorrichtung an, an der wir auch hier einen mehr oder minder 
deutlichen Verschlussbügel erkennen, der besonders bei Macroglossa 
stellatarum, Bombyx mori, Smerinthus populi und S. ocellatus deutlich 
in die Augen fällt. Bei Vanessa urticae soll derselbe nach Lanpoıs durch 
die Tracheenintima vertreten sein, die an dieser Stelle wulstartig aufge- 
trieben wäre. Ich untersuchte Pieris brassicae, fand den Bügel hier aber 
in seiner typischen bogenförmigen Gestalt. Oft ist derselbe, ähnlich wie 
bei manchen Raupen, an seinem Unterende gegabelt, so dass sich dann 
der eine Theil um die Trachee herumlegt, während der andere Theil 
nach außen hornförmig vorsteht. — An den oberen Fortsatz des Ver- 
schlussbügels setzt sich der Verschlusshebel fest, welcher dieselbe Form 
zeigt, die bereits bei der Raupe und Puppe erwähnt wurde, nur dass 
der der Trachee anliegende Theil desselben zwischen seinen beiden 
Armen oft nur eine sehr geringe Spalte erkennen lässt. Den vollkommenen 
Schluss dieses Ringes um die Trachee stellt schließlich das Verschluss- 
bändchen her, welches bald als dünnhäutige Lamelle auftritt und des- 
halb oft nur sehr wenig sichtbar ist, bald aber auch durch dunklere 
Färbung deutlicher hervortritt, wie ich es bei verschiedenen Species be- 
obachten konnte. Es sitzt an dem Winkel des Verschlusshebels an und 
heftet sich mit seinem anderen Ende an den Verschlussbügel. 

Das letzte Glied dieses Apparates bildet, wie gewöhnlich, der 


548 Oskar Krancher, 


Muskel, welcher in der Weise angebracht ist, dass er sich zwischen der 
knopfförmigen Anschwellung des Hebelarmes und dem unteren Ende 
des Verschlussbügels ausspannt. Seine Wirkung ist leicht einzusehen, 
denn in Folge der Kontraktion wird, wie bei der Raupe und Puppe, 
einfach der Hebel in Verbindung mit dem Bändchen dem Verschluss- 
bügel genähert und die dazwischen liegende Trachee zusammenge- 
quetscht. In der Mitte zeigt der Muskel oft eine stärkere Anschwellung, 
wie es besonders bei Pieris brassicae und nach Lanvoıs auch bei Pieris 
rapae der Fall ist. Betrefis der Lage des Verschlussapparates im Körper 
des Insektes sei nur so viel erwähnt, dass der Hebel stets an der Hinter- 
seite des Stigma gelegen ist, indem der gegabelte, resp. ringförmige 
Arm also stets nach oben zu liegt, wie in den früheren Zuständen. 

Schließlich erwähne ich noch, dass ich in’letzter Zeit ein eben aus- 
geschlüpftes Räupchen von Smerinthus ocellatus auf ihre Stigmen hin 
untersuchte. Ich fand hier alle neun Paare, wie bei der ausgebildeten 
Raupe, bereits geöffnet; während aber das Bruststigma und die beiden 
letzten des Abdomens sich durch bedeutende Größe auszeichneten, tra- 
ten die anderen ihrer außerordentlichen Kleinheit halber fast ganz zu- 
rück. Von dem feineren Baue und der Haarbekleidung konnte ich noch 
nichts entdecken, nur bemerkte ich äußerlich einen deutlich hervor- 
tretenden Chitinring und dicht hinter dem Stigma den Quetschapparat, 
der bereits in diesem Stadium seine definitive Form angenommen hatte. — 
Es wäre jedenfalls sehr interessant, die Metamorphose der Stigmen bei 
den verschiedenen Häutungen der Raupe zu untersuchen, wobei sich 
dann möglicherweise ähnliche Komplikationen herausstellen werden, wie 
wir solche bei den Dipterenlarven antreffen. 


Orthopteren. 


Auch bei diesen Thieren lässt sich ein gemeinsamer Bau der Stig- 
men und des damit verbundenen Tracheenverschlussapparates nicht 
verkennen. i 

Die ersteren stellen überall eine einfache, sehr lang ausgezogene 
Spalte vor, die zu beiden Seiten einen aufgeworfenen Chitinrand zeigt, 
der sich schließlich tiefer nach innen zu in zwei Klappen fortsetzt, welche 
das Stigma für den ersten Augenblick als ziemlich groß erscheinen 
lassen. Der Quetschapparat ist meist direkt mit dem Stigma verwachsen 
und gleicht einer Pinzetteneinrichtung, welche durch einen zwischen 
den Klappen angebrachten Muskel wirkt. Die Bildung ist bei allen von 
mir untersuchten Orthopteren so übereinstimmend, dass ich, als ich 
Forficula auricularia untersuchte und in einigem Zweifel war, zu welcher 


Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 549 


Ordnung dieselbe gehöre, doch sofort aus dem Baue der Stigmen 'er- 
kannte, dass sie in die Nähe der Grillen zu stellen sei. Genau so ge- 
stalten sich auch die Bruststigmen der Libellen, die somit nach ihrer 
Stigmenbildung unter allen Umständen zu den Orthopteren und nicht 
zu den Neuropteren zu zählen sind. 

Betrachten wir zunächst die Stigmenbildung bei 


Gryllotalpa vulgaris. 


Dieselbe zeigt im Ganzen neun Paar Stigmen, von denen die bei- 
den vorderen dem Thorax, die übrigen aber dem Abdomen zufallen. 
Erstere sind am Meso- und Metathorax gelegen. Die Stigmen des vor- 
deren Paares sind bei Weitem die größeren. Sie stellen je einen fast 
zwei Millimeter langen Spalt vor, der senkrecht zur Längsachse des 
Thieres an den Seiten des betreflenden Brustringels gelegen ist. Die 
beiden Ränder sind wulstartig aufgeworfen, hängen an dem unteren 
Winkel zusammen und schlagen sich oben über einander hinweg, bis sie 
als gebogene Chitinstäbchen schließlich in der Körperhaut verlaufen. 
Nach innen zu entsendet die eine Hälfte eine ganze Reihe senkrecht 
diesem Rande aufsitzende einfache Haare, während die andere Hälfte 
deren nur eine sehr spärliche Zahl aufweist. Der Quetschapparat ist 
eng mit dem Stigma verwachsen, indem er sich vom Rande aus nach 
unten als eine schwache Chitinlamelle fortsetzt, an die sich dann die 
Trachee anschließt. Da, wo die Ränder sich als gekrümmte Chitinstäb- 
chen über einander hinwegschlagen, tritt diese Lamelle zurück, so dass 
sie gleichfalls in jenem Chitinstäbchen endigt. Das eine dieser Stäbchen 
verläuft direkt in der Körperhaut des Insektes, während das andere sich 
erst über dieses hinwegkrümmt und nun, gleichsam als Hebel fungirend, 
an der Krümmung selbst den Ansatzpunkt für den Muskel abgiebt. 
Letzterer breitet sich von dort fächerartig nach oben zu aus, in derselben 
Weise, wie es oben von den Thorakalstigmen der Musciden beschrieben 
ist. Mit seinem breiten Ende inserirt sich derselbe an einer verdickten 
Stelle der Körperhaut. Seine Wirkung ist leicht zu erklären und sehr 
effektvoll, denn sobald sich derselbe in seinen nach verschiedenen 
Richtungen hin ausstrahlenden Muskelfasern zusammenzieht, wird die 
 unbewehrte Seite des Stigma und die daran sich ansetzende Lamelle 
gegen die bewehrte Seite mit ihrer nach innen verlaufenden Chitinla- 
melle gezogen, so dass ein Schluss unvermeidlich ist. 

Betreffs des zweiten Thorakalstigma erwäbne ich, dass dieses in 
seinem Baue vollkommen mit denen des Abdomens übereinstimmt, wes- 
halb ich eine specielle Beschreibung desselben nicht für nöthig erachte. 
Es zeichnet sich nur durch seine bedeutende Größe vor den Abdominal- 


550 Oskar Krancher, 


stigmen aus, welche sich übrigens ihrerseits gleichfalls derart unter- 
scheiden, dass das erste Stigma am kleinsten erscheint, die übrigen 
aber nach hinten zu mehr und mehr wachsen, bis schließlich das letzte 
Stigma beinahe die Größe des metathorakalen erreicht. 

Was die sonstige Bildung dieser Stigmen anbetrifft, so finden wir 
auch an ihnen zwei Klappen, von denen die eine weit größer ist, als die 
andere. In der Mitte zwischen beiden erscheint ein langer Spalt, der 
von beiden Seiten her durch kurze straffe Haare bedeckt wird, die den 
erhabenen Rändern des Stigma aufsitzen. Dieselben ziehen sich noch 
etwas nach innen hinein und mögen wohl dazu bestimmt sein, der Luft 
als Seiher zu dienen. Am hinteren Theile des Stigma, und zwar an 
den beiden Seiten der Klappen, erhebt sich je ein stark gefärbter Fort- 
satz, zwischen denen sich ein Muskel ausspannt. Derselbe besteht aus 
einer Anzahl von Muskelfasern, die zusammen ein ziemlich ansehnliches 
Muskelbündel vorstellen. Eine Kontraktion desselben bewirkt ein Zu- 
sammenziehen der beiden Ränder der Klappen, wodurch dann die da- 
zwischen befindliche Trachee in der Weise verengt wird, dass an einen 
Durchtritt der Luft nicht zu denken ist. 

Nur wenig anders gestalten sich die Verhältnisse bei 


Gryllus campesitris. 


Auch hier finden wir im Ganzen neun Paar Stigmen, von denen 
die zwei vorderen sich auf Meso- und Metathorax vertheilen, während 
die anderen dem Abdomen angehören. An den mesothorakalen Stigmen 
treffen wir dieselben Verhältnisse, wie bei der Maulwurfsgrille, weshalb 
ich mich auf eine nähere Erörterung nicht weiter einlasse. Etwas ab- 
weichend aber gestalten sich die des Abdomens und die des dritten 
Brustringels. Was zunächst ihre Größe anbetrifft, so nimmt dieselbe 
nach dem dritten und vierten Abdominalstigma hin ab, um im siebenten 
wieder bedeutender zu werden. Ihrer äußeren Form entsprechend treffen 
wir zunächst zwei große, braun chitinisirte Platten von halbkreisförmiger 
Gestalt, welche an der Außenseite gleich der sie umgebenden Körper- 
haut mit starken Haaren besetzt sind. Da, wo die beiden Platten mit 
ihren Breitseiten an einander stoßen, wulsten sie sich etwas nach oben 
empor, so einen lief schwarzen Chitinring bildend, der die Stigmen- 
öffnung umgiebt. Derselbe ist an seinen beiden Seiten von verschiedener 
Bildung, denn während die eine Seite eine Menge steif vorstehender 
Haare zeigt, welche das Sieb des Stigma vorstellen, ist die andere voll- 
kommen unbewehrt und senkt sich schräg nach innen. 

Dieser letztere Theil zeigt eine aus lauter Sechsecken bestehende 
netzförmige Zeichnung, wie man sie oft an Stigmenrändern beobachtet. 


Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 51 


Nach der einen Seite zu läuft dieser Rand in einen stark angeschwollenen 
Zapfen aus, welcher in sich eine Öffnung trägt, so dass das Ganze einem 
Nadelöhr nicht unähnlich wird. Dieser Zapfen dient zur Anheftung des 
Muskels, der sich mit seinem anderen Ende an einen größeren Vorsprung 
der gegenüber liegenden Klappe ansetzt und nun durch seine Kontraktion 
die eine Klappe unter die andere hinzieht und dadurch einen intensiven 
Schluss der Trachee bewirkt. 

In ganz gleicher Weise, wie bei den bisher beschriebenen Arten, 
sind auch die Stigmen bei Gomphocerus eingerichtet. Jedoch sind 
dieselben außerordentlich klein und darum auch schwieriger zu unter- 
suchen. Der einzige Unterschied liegt darin, dass sich der Zapfen bei 
diesen Heuschrecken zu einem ganz bedeutenden Hebel entwickelt, an 
dem dann ein Muskel sitzt, der sich in der bekannten fächerartigen Ver- 
breiterung an die Hypodermis der Körperhaut ansetzt und nun durch 
seine Kontraktion den ohnehin schon engen Spalt des Stigma vollständig 
abschließt. 

Auch die Stigmen von Forficula auricularia sind ganz in der- 
selben Weise gebaut, wie bei der Feldgrille; nur darin findet sich eine 
Verschiedenheit, dass der Schließmuskel nicht an die Körperhaut, son- 
dern einen plattenartigen Fortsatz des Stigma selbst sich ansetzt. 

Betrachten wir nun die Verhältnisse bei den 


Libellen, 


von denen ich schon oben gesagt habe, dass sie ihrer Stigmenbildung 
halber zu den Orthopteren gezählt werden müssen. Gleich diesen tragen 
sie auch neun Stigmen, am Thorax zwei Paare und am Abdomen deren 
sieben. Die des Thorax vertheilen sich auf den Pro- und Mesothorax und 
zeigen einen eigenthümlichen, unter einander ziemlich übereinstiimmen- 
den Bau. Da ich besonders das Stigma des Mesothorax untersucht habe, 
so gebe ich von diesem eine nähere Beschreibung, die zunächst Aeschna 
grandis entlehnt ist, aber auch für andere Libellen, zum Beispiel Libel- 
lula virgo, in derselben Weise passt. 

Das Stigma stellt äußerlich einen tief schwarzen, ziemlich breiten 
Chitinring vor, der die Öffnungen umrahmt und nach seiner Innenseite zu 
regelmäßig gebuchtet erscheint. Zugleich entsendet er über die Stigmen- 
fläche eine Menge einfacher, peitschenförmiger Haare, die allerdings nur 
eine sehr geringe Abwehr für die Staubpartikelchen bilden. Nach innen 
zu verengt sich das daran schließende Tracheenrohr genau wie bei den 
Dipteren, und trägi schließlich an der am stärksten verengten Stelle 
einen ziemlich kräftigen Chitinring, der an der nach außen liegenden 
Seite zu jener den Orthopteren, und besonders Gryllus, eigenen nadel- 


552 | . Oskar Krancher, 


öhrförmigen Verdickung anschwillt. Die andere Seite ist hiervon voll- 
kommen frei und zeigt nur eine über den Chitinrand vorstehende dunkle 
Klappe. Dabei sind beide Seiten der Trachee gefältelt und mit einer 
großen Zahl von Stacheln besetzt, die an ihrem Grunde unter einander 
durch dunkle Leisten verbunden sind, so dass das Ganze mehr oder 
weniger eine zellenförmige Zeichnung repräsentirt. Dieser ganze Appa- 
rat stellt den Quetschapparat vor. Der dabei in Betracht kommende 
Muskel zeigt, wie wir das auch bei den bisher beschriebenen Thorakal- 
stigmen fast stets gefunden haben, eine fächerförmige Ausbreitung, indem 
er sich an eine direkt über dem Stigma liegende sehr stark und deutlich 
hervortretende Chitinspange ansetzt. Der Muskel selbst besteht nun aus 
zwei Abtheilungen, von denen eine jede gewissermaßen einen beson- 
deren Muskel bildet. Der eine, welcher zugleich der größere ist, setzt 
sich an die nadelöhrförmige Anschwellung an und bewirkt durch seine 
Kontraktion ein Straffziehen des in die Trachee eingelagerten Chitin- 
streifens. Das andere kleinere Muskelbündel hingegen inserirt sich an 
der bereits erwähnten Klappe und bewirkt durch sein Zusammenziehen 
ein Annähern der Klappe nach jenem Chitinstreifen hin. Kontrabiren 
sich beide Muskeln zugleich, so muss, da jetzt beide Chitingebilde ein- 
ander genähert werden, auf alle Fälle ein Schluss der sich nach hinten 
ansetzenden Trachee erfolgen. Das prothorakale Stigma ist mehr in die 
Länge gezogen und stellt einen Spalt von nahezu zwei Millimeter vor. 
Da dasselbe von Lannoıs (22) bereits in ziemlich eingehender Weise be- 
schrieben worden ist, besonders des Schwirrapparates halber, der darin 
sich vorfinden und aus einer Menge zarter Häutchen bestehen soll, die 
durch festere Chitinzähne von einander getrennt sind, so verweise ich 
auf diese Beschreibung. 

Die Abdominalstigmen zeigen einen sehr breiten, langen Chitinring, 
der in der Mitte eine lange enge Spalte besitzt, welche die Stigmenöfl- 
nung vorstellt. Diese zieht sich näpfchenförmig nach innen und ist mit 
einer Unsumme von feinen Haaren ausgestattet, die den Staub der Luft 
zurückhalten. Das Näpfchen verengt sich schließlich ganz zu einer engen 
Querspalte, an welcher der Quetschapparat seine Lage hat. Da derselbe 
besonders an einer kleineren Libelle sehr deutlich hervortrat, so lege ich 
diesen meiner Betrachtung zu Grunde. 

Um die Trachee herum legt sich der Verschlussbügel, der auf der 
einen Hälfte ziemlich breit und dunkel ist, während er auf der anderen 
als eine nur schwache Chitinspange entwickelt ist, der ich darum auch 
den Namen Verschlussbändchen beilegen will. Diesem sitzt ein kleiner 
Hebel auf, der durch einen Muskel mit dem Verschlussbügel in Verbin- 
dung steht. Kontrahirt sich derselbe, so wird der Hebel mit dem Bänd- 


Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 5593 


chen gegen den Verschlussbügel hin gedrückt, die Trachee wird zu- 
sammengepresst und dadurch der Verschluss hergestellt. Wir erkennen 
in dem hier sich findenden Verschluss einen ziemlich einfachen Mecha- 
nismus, ähnlich jenem, den wir später auch bei den Goleopteren vor- 
finden werden. 

Bei Aeschna grandis ist der Verschlussapparat der Abdominalstigmen 
genau so wie an den Stigmen der Brust. 


Neuropteren. 


Da mir von der Ordnung der Neuropteren im Ganzen nur zwei 
Species vorlagen, so muss ich mich auch bei der Schilderung im All- 
gemeinen auf einige wenige Bemerkungen beschränken. Bei den von 
mir untersuchten Arten besitzen die Stigmen nur eine unbedeutende 
Größe. Sie tragen äußerlich meist nur an der einen Seite einen schärfer 
hervortretenden Chitinring, während die andere Seite dachförmig sich 
nach innen zieht, gewöhnlich auch durch eine sehr starke Behaarung aus- 
gezeichnet ist. Hinten schließt sich dann die Trachee an, die ganz dicht 
am Stigma eine geringe Verengung erkennen lässt, da hier der Quetsch- 
apparat gelegen ist. Was die Zahl der Stigmen anbetrifit, so fand ich 
allgemein neun Paare vor, von denen zwei dem Thorax angehören, 
- während die übrigen sieben dem Abdomen zufallen. Die Thorakal- 
stigmen vertheilen sich so, dass das größere Paar dem Prothorax ange- 
hört, während das kleinere am Metathorax liegt. Da die Stigmen der 
beiden von mir untersuchten Arten in anderer Beziehung von einander 
abweichen, so unterwerfe ich sie getrennt einer eingehenderen Be- 
trachtung. 


Panorpa communis. 


Wie bereits erwähnt, finden wir am Thorax zwei Stigmen vor, von 
denen das prothorakale länglich oval erscheint und an den Breitseiten 
dachförmig sich nach innen verengt. Diese beiden Ränder sind ziem- 
lich dicht mit einer Reihe von Haaren besetzt, welche über die innere 
Öffnung herüber greifen und dem Staub Einhalt gebieten. Da, wo das 
 Stigma sich am meisten verengt und der Übergang in die Trachee statt- 
findet, liegt jederseits ein Chitinstäbchen. Beide stehen unten in Zu- 
sammenhang und dienen an der oberen Seite, ohne hier in einander 
überzugehen, einem fächerartig sich ausbreitenden Muskel zum Ansatz, 
der mit seiner Breitseite an die Hypodermis der Körperhaut sich befestigt. 
Durch seine Kontraktion bewirkt er ein Annähern beider Chitinlamellen 
und damit ein Zusammenquetschen der dazwischen liegenden Trachee. 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV.Bd. 37 


554 Oskar Krancher, 


Das metathorakale Stigma ist, wie bereits früher erwähnt wurde, 
nierenförmig gestaltet. Die eine Seite zeigt einen starken Chitinhalb- 
ring, der sich nach innen zu in die Trachee fortseizt, während die 
andere Seite eine schräg nach innen zu geneigte Chitinlamelle bildet, 
die mit einem dichten Haarnetze versehen ist. Auch der äußere Rand 
des Stigma ist jederseits mit einer Menge mehr oder minder langer 
Haare bewachsen, die an der Chitinlamelle bis in den Grund des Stig- 
ma hinein sich fortsetzen und somit einen echten Seihapparat für die 
Luft vorstellen. Dort nun, wo die Trachee mit ihrer spiraligen Zeichnung 
hervortritt, ist die Lage des Quetschapparates, der auch hier eine sehr 
einfache Form hat. Von einem besonderen Verschlussbügel ist Nichts 
zu sehen; selbiger wird vielmehr durch den nach innen sich fortsetzen- 
den Chitinrand der einen Stigmenseite repräsentirt. Diesem gegenüber 
steht auf einer etwas stärker hervortretenden Spirale des Tracheenrohres 
der Hebel, der im Vergleich zum Stigma selbst eine ziemlich bedeutende 
Größe besitzt. Das äußerste Ende dieses Hebels ist mit dem dunkel ge- 
färbten Stigmenrande durch einen Muskel verbunden, der bei seiner 
Kontraktion einen Verschluss in der Weise bewirkt, dass er den Hebel 
gegen den Stigmenrand hin drückt. In fast ganz gleicher Weise sind 
auch die Stigmen des Abdomens gebaut, nur mit dem Unterschiede, 
dass dieselben äußerst klein sind und dadurch der Untersuchung einige 
Schwierigkeiten entgegensetzen. Doch habe ich auch von diesen Stig- 
men die schönsten Bilder mit deutlich sichtbaren Muskeln erhalten. 

Sehr ähnlich sind die Stigmen bei 


Rhaphidia. 

Bei dieser Species treffen wir die Stigmen des Prothorax von nieren- 
förmiger Gestalt, während alle übrigen länglichen Ovalen gleichen. Doch 
stimmen sie alle in ihrem Baue mit denjenigen von Panorpa überein, 
weshalb ich es für unnöthig erachte, diese einer besonderen Betrach- 
tung zu unterwerfen. Nur der Tracheenverschlussapparat mag hier be- 
sondere Erwähnung finden, da derselbe sich durch seine eigenthümliche 
Gestalt beträchtlich von denen der vorher beschriebenen Art unter- 
scheidet. Vor Allem treffen wir einen deutlichen Verschlussbügel an, 
der sich durch seine mächtige Größe scharf abhebt und in der Mitte eine 
schwache Einbuchtung zeigt. Mit demselben steht auf der einen Seite 
der Verschlusshebel gelenkartig in Verbindung, der sich durch eine 
eigenthümlich dreieckige Gestalt und wellenförmige Biegung auszeichnet 
und an der anderen Seite durch das Verschlussbändchen mit dem Ver- 
schlussbügel zusammenhängt. Der Muskel, der die freie Spitze des 


Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 555 


Hebels mit dem Verschlussbügel verbindet, bewirkt durch seine Kon- 
traktion eine kräftige Abschließung der Trachee. 

Am gestaltreichsten unter allen Insekten sind in Betreff ihrer Stig- 
menbildung die 


Coleopteren. 


Die Mannigfaltigkeit in der Bildung dieser Theile spricht sich eben 
so wohl in der Form, wie in der Organisation aus und betrifft in gleicher 
Weise die eigentlichen Stigmen wie den Quetschapparat. Der äußeren 
Form nach könnte man wohl zwei Arten der Stigmen unterscheiden, 
nämlich: 

4) die länglich ovalen, welche die weitaus verbreitetsten sind, 

2) diejenigen, welche noch ein koncentrisches Mittelstück zeigen. 


Sie liegen entweder in gleicher Höhe mit der Körperhaut des Thieres, 
oder senken sich etwas dachförmig nach innen zu ein; doch ist das 
letztere nur wenig von Bedeutung. Mit alleiniger Ausnahme von Lina 
populi sind dieselben auch allgemein mit mehr oder minder zahlreichen 
Haaren besetzt, welche, wie bei den Raupen, einen wirksamen Seih- 
apparat vorstellen. Die Haare sind entweder nur einfache Borsten oder 
oftmals verzweigte, starke Chitinstäbchen, die dann gewöhnlich noch 
dicht mit Härchen besetzt sind. Zum Beleg verweise ich auf die Stigmen- 
haare des Dytiscus marginalis. In anderen Fällen sind dieselben auch 
durch zahlreiche Querbalken unter einander zu einem Netze verbunden, 
über das sich dann gewöhnlich noch eine dünne, siebartig durch- 
brochene Hautlamelle ausspannt, welche die Luft beim Einströmen zu 
passiren hat. 

Was die Tracheenverschlussapparate anbetrifft, so kann man drei 
Kategorien unterscheiden: 

4) Stigmen, bei denen der Verschluss der Trachee nur durch einen 
einfachen Hebel bewerkstelligt wird, 

2) Stigmen, die einen Doppelhebel besitzen, 

3) Stigmen, bei denen der Verschluss in ganz besonderer Weise 
durch Anziehen eines ringförmigen Chitinstreifens an ein koncentrisches 
Mittelstück erzeugt wird. 


An allen Verschlussvorrichtungen der Coleopteren sind, mit alleiniger 
Ausnahme der unter 3 erwähnten Stigmen, die im Eingange erwähnten 
vier Bestandtheile mehr oder weniger deutlich ausgebildet, so dass man 
über die Wirkung des betreffenden Apparates nie in Zweifel sein kann. 
Was schließlich noch die Lage und Zahl der Stigmen betrifft, so sei be- 
merkt, dass man bei den Coleopteren im Ganzen gleichfalls neun Paare 

37* 


556 Oskar Krancher, 


findet, von denen zwei Paare dem Thorax und sieben Paare dem Ab- 
domen zukommen. Die der Brust zeichnen sich stets durch ihre be- 
deutendere Größe aus, sind aber betreffs ihres Baues genau so konstruirt, 
wie die Abdominalstigmen. Gerade dadurch aber eignen sich dieselben 
oft sehr gut zum Studium besonders bei solchen Thieren, bei denen die 
Hinterleibsstigmen nur bei stärkerer Vergrößerung vollständig sich ana- 
lvsiren lassen. 

Von Larven dieser Ordnung untersuchte ich diejenigen von Melo- 
lontha vulgaris, Oryctes nasicornis, Hydrophilus piceus und Dytiscus 
marginalis, die ich zunächst einer eingehenderen Behandlung unterziehe. 


Larven. 


Melolontha vulgaris. 


Die Larve des Maikäfers besitzt neun Paar Stigmen; jedoch gehört 
hier nur ein Paar dem Thorax an, während sich die übrigen acht Paare 
auf das Abdomen vertheilen. Ihre Größe weicht nur sehr wenig von 
einander ab, und ihr Bau ist bei allen ein gleicher, weshalb sich meine 
Beschreibung auf alle beziehen wird. Das Stigma ist, wie überhaupt 
bei den Larven sehr vieler, wenn nicht gar aller Lamellicornier, aus- 
gezeichnet durch ein Chitinstück, welches sich vom Rande aus nach der 
Mitte zu vorschiebt, dessen Natur aber, besonders von BURMEISTER, voll- 
kommen missverstanden ist, indem derselbe in diesen Vorsprung die 
eigentliche Öffnung des Stigma verlegte, was aber vollkommen irrig 
ist. Durch dieses Mittelstück erhält vielmehr das Lumen des Stigma 
eine wurst- oder Q-förmige Krümmung, welche von zahlreichen Chitin- 
stäbchen durchzogen ist, die das unpaare Mittelstück mit dem äußeren 
Chitinrande verbinden. Die Stäbchen sind wieder durch zahlreiche 
Queranastomosen unter sich verbunden und stellen somit ein Gitter dar, 
über das schließlich noch eine feine Haut mit zahlreichen äußerst kleinen 
Öffnungen ausgespannt ist. Es ist leicht zu ersehen, dass es hierdurch 
auch den kleinsten Staubtheilchen unmöglich gemacht ist, in das Innere 
der Trachee zu gelangen, denn jene Öffnungen sind erst mit sehr starker 
Vergrößerung erkennbar. Welchen Werth nun aber das Mittelstück 
selbst für das Stigma hat, erfuhr ich durch Querschnitte, die dasselbe 
gut getroffen hatten. Sie zeigten, dass der Vorsprung im Inneren eine 


Höhlung enthalte, in der ein Muskel gelegen ist, und zwar der Verschluss- 


muskel des Quetschapparates. Der letztere ist von ziemlich einfachem 
Bau, indem er nur eine lokale Verdickung der Trachee in geringer Ent- 
fernung vom Stigma vorstellt. Diese reicht um das ganze Stigma herum 
und biegt sich auf den beiden unteren Seiten des unpaaren Mittelstückes 


Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 997 


in Gestalt eines stärker hervortreienden Chitinwulstes nach aufwärts, 
wo beide mit dem unpaaren Mittelstück verschmelzen. An jener Stelle, 
wo die Umbiegung erfolgt und die beiden Äste sich am meisten einander 
nähern, sind dieselben durch ein deutlich erkennbares Chitinbändchen 
verbunden, an das der Muskel mit ziemlich breiter Fläche sich anheftet, 
während das entgegengesetzte Ende im Inneren des Vorsprunges sich 
inserirt, und zwar an der oberen Stelle, wo ein kleiner Chitinzapfen 
vorspringt, der durch zahlreiche Fältelung und mannigfache Vorsprünge 
eine geeignete Insertionsstelle abgiebt. Die Wirkung dieses so eigen- 
ihümlich gestalteten Apparates ist nicht eben schwierig zu übersehen. 
Eine Kontraktion des Muskels muss das Bändchen anziehen und damit 
auch die beiden Umbiegestellen des um die Trachee liegenden Chitin- 
ringes, wodurch jener gegen das unpaare Mittelstück gepresst wird, so 
dass ein Eindringen von Luft in die Trachee fortan unmöglich ist. Die 
Trachee setzt sich dicht an das Stigma an und zieht sich im Inneren 
längs des unpaaren Vorsprunges hin, so dass der Muskel nicht im Inneren 
der Trachee, sondern noch außerhalb derselben liegt. 


Genau dieselben Verhältnisse traf ich an den großen Stigmen der 
Larve und Imago eines Nashornkäfers, auf die ieh somit nicht noch ein- 
mal zurückzukommen brauche. 


Dytiscus marginalis. 


Da die Larven dieses Käfers sich im Wasser aufhalten, so glaubte 
ich in deren Stigmenbildung eine ganz besondere Eigenthümlichkeit 
vorfinden zu können; und ich sollte mich auch nicht getäuscht haben. 
Die äußere Form der Stigmen markirt sich als ein ziemlich dunkler Ring, 
von dem aus, wie man auf Querschnitten erkennt, eine dünne Lamelle 
nach vorn sich vorwölbt, die in der Mitte eine sehr kleine Öffnung trägt. 
Nach innen zu setzt sich der äußere Chitinring direkt in die Trachee 
fort, die sich mehr und mehr erweitert und auf der ganzen Strecke eine 
verworrene Spiralzeichnung erkennen lässt. Das Innere ist mit einem 
dichten Filz von Haaren besetzt. Schließlich hört jedoch diese Zeichnung 
plötzlich auf, die Trachee wird weichhäutig und komprimirt sich nach 
zwei Seiten hin sehr stark, hier den Quetschapparat tragend. Derselbe 
besteht aus einem Verschlussbügel, der die Trachee zur Hälfte umgiebt, 
während die andere Seite vom Verschlusshebel und Bändchen umgürtet 
wird, wodurch der Ring geschlossen ist. An der dem Hebel gegenüber 
liegenden Seite trägt der Verschlussbügel einen Zapfen, der mit dem 
Hebel in einer Muskelverbindung steht. 


Ähnlich finden wir die Verhältnisse auch bei der Larve von 


558 Oskar Krancher, 


Hydrophilus piceus. 

Hier ist die äußere Form des Stigma insofern abweichend, als 
letzteres mehr eine nierenförmige Öffnung in sich einschließt, welche an 
ihrem Rande von einer ganzen Anzahl von Haaren bedeckt ist, durch 
welche die Öffnung förmlich verstopft wird. Von hier aus zieht nun die 
Trachee mit wenig deutlicher Spiralzeichnung nach innen zunächst bis 
an den Quetschapparat hin, der übrigens weniger weit abliegt, als bei 
Dytiscus marginalis. Letzterer gleicht demjenigen der soeben beschrie- 
benen Larve fast ganz genau, nur dass der Hebel weit kräftiger und der 
ganze Apparat viel schwärzer ist. Erst weiter nach innen zu erhält die 
Trachee, die sich dabei ziemlich stark erweitert, ihre typische Spiral- 
zeichnung. 

Die ganze Bildung des Stigmenapparates (Länge und Behaarung des 
Ansatzrohres, Enge der Öffnung) repräsentirt offenbar eine hübsche An- 
passung an das Wasserleben. 


Imago. 


Lina populi. 

Das Stigma dieses rothen Blattkäfers, äußerlich von einem Chitin- 
ringe umgeben, verengt sich nach innen zu trichterförmig und ist an 
seinem Rande vollkommen unbewehrt. Die nach innen zu sich fort- 
setzenden Ränder zeigen die bei vielen Insekten bereits erwähnte zellen- 
föormige Struktur. Die Trachee, die an dieselben sich ansetzt, trägt den 
Verschlussapparat dicht hinter dem Stigma. Derselbe ist aus zwei Hebeln 
zusammengesetzt, die von verschiedener Größe sind und unter sich 
durch einen Muskel verbunden werden, bei dessen Kontraktion die Basis 
der beiden Hebelarme gegen den hier wenig deutlich sich abhebenden 
Verschlussbügel andrückt und auf diese Weise den Verschluss herstellt. 
Das Öffnen des Apparates wird, wie bei allen anderen hier in Betracht 
kommenden Verschlussvorrichtungen, durch die Elasticität der Chitin- 
theile selbst bewirkt. 


Hylobius abietis. 


Bei diesem kleinen Rüsselkäfer ist die äußere Öffnung von einem 
hervorgewulsteten, länglich ovalen Chitinringe umgeben, der vermöge 
seiner eigenthümlichen, ringsum sich findenden Querstreifung wie aus 
lauter einzelnen Stücken zusammengesetzt erscheint. Nach innen zu 
verengt sich die Öffnung um ein Weniges, in sich eine Menge einfacher 
Haare tragend, welche beim Durchstreifen der Luft alle fremden Körper 


Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 559 


zurückhalten. Dicht hinter dem Stigma sitzt der Verschlussapparat, 
dessen starker und kräftiger Bügel deutlich hervortritt. Derselbe be- 
sitzt eine ziemliche Breite und ist sehr dunkel pigmentirt. In gleicher 
Weise hat auch der Verschlusshebel an allen Stigmen eine kräftige Aus- 
bildung. Beide, Verschlusshebel und Verschlussbügel, lassen zwischen 
sich nur eine geringe Spalte und werden diese natürlich vollkommen 
schließen, sobald der Verschlussmuskel, welcher zwischen dem Hebel 
und einem zapfenartig vorspringenden Theile des Verschlussbügels sitzt, 
in Wirkung tritt. 


Melo& proscarabaeus. 


Das ovale Stigma ist von einem festen, tief schwarzen Chitinringe 
umgeben. Nach innen setzt sich derselbe in eine sich verengende hellere 
Chitinlamelle fort, die durch ihre scharf begrenzten hexagonalen Zellen 
besonders ausgezeichnet ist. An der inneren Öffnung sitzen eine große 
Anzahl quer durch einander stehender, unverzweigter Haare, die den 
Filter des Stigma repräsentiren. Dicht hinter dem Stigma liegt der Ver- 
schlussapparat, der gleichfalls durch seine tiefe Schwärze auffällt. Die 
eine Hälfte der Trachee wird von einem halbmondförmig gebogenen Ver- 
schlussbügel umgeben, der ebensowohl durch ein Gelenk mit dem Ver- 
schlusshebel verbunden ist, wie er andererseits um die Trachee sich 
herumlegt und durch das Bändchen mit dem Hebel in Berührung tritt. 
Letzterer hat eine eigenthümliche Gestalt und erinnert an den Drücker 
des Telegraphen, indem der Kegel fast endständig sitzt, während der 
Hebel selbst sich stabförmig ausdehnt, um mit dem Bügel in Artikulation 
treten zu können. Der Muskel verbindet nun einfach den Kegel dieses 
Hebels mit dem Ende des Verschlussbügels und bewirkt auf diese Weise 
bei der Kontraktion ein Annähern des ersteren an diesen. Zum Schluss 
erwähne ich noch den Umstand, dass der Verschlusshebel sowohl, wie 
auch der Bügel an ihren Innenseiten gleichfalls mit Haaren besetzt sind, 
die offenbar dazu dienen, die etwa durch das äußere Haarfilter hindurch 
gedrungenen Staubtheilchen zurückzuhalten. 


Elater murinus. 


Wie bei den anderen Käfern, so stellen auch die Stigmen des Schnell- 
käfers einen länglich-ovalen Ring vor, der an seinen beiden Seiten mit 
vorstehenden und besonders an den Köpfchen reich verzweigten Haaren 
versehen ist. Der Rand zieht sich als ein dünnes Häutchen mit schwacher 
dachförmiger Verengung nach innen und trägt in nur geringer Tiefe den 
Quetschapparat, der aus zwei kleinen Kegelchen besteht, welche beson- 
ders an den Bruststigmen sehr prägnant hervortreten. Dieselben sind 


60 Oskar Krancher, 


durch einen Muskel mit einander verbunden und werden bei Kontraktion 
desselben mit ihrer Basis gegen den an der anderen Seite der Trachee 
sich vorfindenden Verschlussbügel gedrückt, wodurch der Verschluss 
hergestellt ist. Während diese Kegel am Bruststigma ziemlich gleiche 
Größe besitzen, sind dieselben an denen des Abdomens von verschie- 
dener Ausbildung, indem hier der eine als sehr kräftiger Verschlusshebel 
auftritt, der andere aber ein nur minimales Höckerchen vorstellt. 


Geotrupes stercorarius. 


Die Form der Stigmen beim Mistkäfer ist eine vollkommen gleich- 
mäßig elliptische, bedingt durch einen tief dunkelbraunen Chitinring, 
der das Ganze umgiebt. Derselbe sendet nach der Mitte der Öffnung zu 
eine ganze Reihe von mehr oder minder starken Chitinstäbchen, die 
unter einander durch Queräste zu einem engen Netze verbunden sind 
und an der Außenseite, genau wie bei der Melolonthalarve, in eine dünne 
Haut verlaufen, die das Ganze bedeckt und eine große Menge der fein- 
sten Poren zeigt. In der Mitte jedoch bleibt ein enger, wellenförmig 
gekrümmter Spalt frei, der die eigentliche Öffnung des Stigma bildet 
und mit einer Unzahl von feinen Härchen bewehrt ist. Der Chitinring 
zieht sich nach innen in die Trachee aus, die sich sofort sehr stark zu- 
sammenpresst und an dieser Verengung den Verschlussapparat trägt. 
Derselbe besteht aus dem bekannten halbmondförmig gebogenen Ver- 
schlussbügel, der die eine Seite der Trachee als dünner Chitinstreifen 
umgiebt. An dem einen Ende steht derselbe mit dem Verschlusshebel 
in Verbindung, der hier insofern einige Abweichung zeigt, als auf dem 
eigentlichen dunkleren Kegel noch ein kleinerer von heller Farbe auf- 
sitzt. Den vollständigen Verschluss dieses Ringes bildet schließlich das 
Bändchen. Der Muskel endlich sitzt mit seinem einen Ende an dem 
Kegel und dem darauf sitzenden Kegelchen fest, während das andere 
Ende, anstatt wie bei den anderen Coleopteren, sich dem Verschluss- 
bügel anzuschließen, ausnahmsweise an der Hypodermis des betreffenden 
Leibesringels sich inserirt. Dadurch aber wird die Wirkung des Ver- 
schlussapparates in keiner Weise benachtheiligt, denn eine Kontraktion 
des Muskels wird auch hier das Zusammenquetschen der Trachee be- 
wirken. 


Melolontha vulgaris. 


Die Stigmen des Maikäfers ähneln in vieler Beziehung denen des 
eben beschriebenen Geotrupes, nur dass die eine Lippe weit breiter ist, 
als die andere. Wie dort, so zieht auch hier zwischen den beiden Lippen 
ein Spalt hin, nur dass derselbe eine bedeutendere Weite zeigt, mit der 


Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 561 


dann natürlich auch eine stärkere Behaarung Hand in Hand geht. Eben- 
so treffen wir die von den Chitinstäbchen und ihren Verzweigungen aus- 
gehende poröse Haut, die das Chitinnetz überzieht. Der dicht hinter 
dem Stigma gelegene Tracheenverschlussapparat besteht aus einem stark 
vortretenden Verschlussbügel, der die Trachee sichelförmig umgiebt und 
auf der anderen Seite mit zwei großen Hebeln in Verbindung steht, die 
durch den starken Verschlussmuskel unter einander verbunden sind. 
Durch die Kontraktion des aus vielen Fasern bestehenden Muskels wird 
die Basis beider Hebel gegen den Bügel gedrückt und der Verschluss 
hergestellt. Lässt die Kontraktion nach, so öffnet sich der Apparat ver- 
möge der Elasticität der Chitintheile, besonders wohl des gekrümmten 
Verschlussbügels.. Im Inneren des Tracheenrohres, direkt vor dem 
Quetschapparate, ist um die Öffnung des Stigma herum ein dunkler 
Chitinbalken ausgespannt, der eine zarte Streifung hat und von Lanpoıs 
mit dem Namen Brummzunge belegt ist. Dieselbe ist an der einen Seite 
mit der Trachee verwachsen und ragt auf der anderen Seite frei in die- 
selbe hinein. Es ist übrigens durchaus nicht unwahrscheinlich, dass 
dieselbe beim Ein- und Ausströmen in vibrirende Bewegung versetzt 
wird und das Brummen des Maikäfers erzeugt. — Die Größe der Stig- 
men ist, wie gewöhnlich bei den Insekten, eine ziemlich verschiedene ; 
jedoch ist der Bau und der Verschlussapparat überall der gleiche. 

In ganz derselben Weise ist auch das Stigma von Osmoderma ere- 
mita und der damit verbundene Quetschapparat mit seinen zwei Hebeln 
gebaut, weshalb ich auf dieses hier nicht näher eingehe. 


Silpha obscura. 


Auch bei den Aaskäfern treffen wir einen ähnlichen Bau der Stigmen 
an, wie bei den letztbeschriebenen Arten. Das ovale Stigma wird von 
einem gleichgestalteten Ringe umspannt, welcher schwach sich vertieft 
und mit starken Chitinhaaren besetzt ist, welche die mannigfachste Ver- 
zweigung und feinste Behaarung zeigen. Ohne unter einander verkittet 
oder verwachsen zu sein, lassen dieselben in der Mitte einen spalt- 
förmigen langen Raum frei, der durch die daselbst zusammenstoßenden 
Haare noch bedeutend verengt wird. Nach hinten zu sitzt in unmittel- 
barer Nähe des Stigma der stark ausgebildete Verschlussapparat, wel- 
cher am meisten Ähnlichkeit mit demjenigen von Melo& hat und darum 
keiner besonderen Beschreibung bedarf. Nur so viel sei noch erwähnt, 
dass auf dem sehr großen Verschlusskegel noch ein sehr kleiner Kegel 
hakenförmig aufsitzt, der zum eigentlichen Ansatz des Muskels be- 
stimmt ist. 


562 ‚Oskar Krancher, 


Necrophorus vespillo. 


Auch die Stigmen des Todtengräbers zeigen einen ähnlichen Bau, 
weshalb ich denn auch hier von einer eingehenderen Beschreibung ab- 
sehe und nur erwähne, dass bei denselben die Lippen, welche durch 
die vom Chitinrande vorstehenden Haare gebildet werden, von ungleicher 
Größe sind. Die Spalte, welche dieselben zwischen sich lassen, erinnert 
an die des Maikäfers. Der dicht hinter dem Stigma liegende Quetsch- 
apparat besteht aus dem starken Verschlussbügel, der auf der einen 
Seite der Trachee halbmondförmig derselben sich anschmiegt, und den 
beiden Verschlusskegeln, welche sich von einander durch ihre Gestalt 
bedeutend unterscheiden. Während der eine nach oben mehr abge- 
rundet erscheint, trägt der andere dort einen stark nach innen zu ge- 
krümmten Zapfen, welcher dem Muskel als Ansatzstelle dient. Derselbe 
sitzt zwischen beiden Kegeln und bewirkt durch seine Kontraktion einen 
festen Verschluss. 


Hydrophilus piceus. 

Die Stigmen dieser Thiere sind nicht sehr komplicirt gebaut, indem 
der Rand derselben nur wenig deutlich von der Körperhaut sich abhebt. 
Sie haben eine länglich-ovale Gestalt und zeigen an den beiden Seiten 
eine spärliche Behaarung, die an der einen Seite jedoch weit stärker 
auftritt, als an der anderen. Durch dieselben erhält das Stigma nur 
einen sehr spärlichen Filtrirapparat; allein ein solcher dürfte für das 
Bedürfnis des Insektes, das nach Art aller Wasserkäfer die Luft zunächst 
aus dem unterhalb der Flügeldecken gelegenen Raume entnimmt, voll- 
ständig ausreichen. Ganz entgegengesetzt hierzu ist der Verschluss- 
apparat ausgebildet, der nirgends in seiner Art schöner gefunden werden 
kann. Der Verschlussbügel tritt als ein halbmondförmig gekrümmter, 
ziemlich breiter und stark chitinisirter Strang auf, der die eine Hälfte 
des Stigma vollkommen umgiebt, während die andere den beiden sehr 
kräftig ausgebildeten Verschlusskegeln zukommt, die unter einander durch 
eine dünne Lamelle, das Verschlussband, verbunden sind und meist in 
ihrer Ausbildung einige, wenn auch geringe, Größenunterschiede zeigen. 


Zwischen beiden sitzt dann der Muskel, welcher durch seine Kontraktion 
die Basis beider Kegel direkt an den Verschlussbügel andrückt, so dass | 


ein weiteres Eindringen von Luft dann unmöglich wird. 


Dytiscus marginalis. 


Obgleich Lebens- und Athmungsweise hier im Wesentlichen die | 


gleichen sind, wie bei der vorigen Art, so zeigen die Stigmen und der 
Quetschapparat doch einen weitaus verschiedenen Bau. 


| v 


ren 


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| 
| 


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| 


Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 563 


Ich habe mich mit den Stigmen dieses Käfers sehr eingehend be- 
schäftigt und fand schließlich, dass man betrefis der Größe derselben 
drei Gruppen unterscheiden kann: 


4) Bruststigmen, welche sich durch eine ziemliche Länge und ge- 
ringe Breite auszeichnen und nicht allzureichlich behaart sind. 


2) Fünf vordere Abdominalstigmen, welche eine mehr elliptische 
Form besitzen und an der einen Seite mit langen, starken Haaren besetzt 
sind, während die andere Seite deren nur ziemlich kurze aufweist. 

3) Die beiden letzten Abdominalstigmen, welche sowohl durch ihre 
bedeutende Größe, als durch ihre enorm dichte Behaarung sich aus- 
zeichnen. 

Um über die Größe der Stigmen einen genaueren Überblick zu er- 
langen, habe ich dieselben mikroskopischen Messungen unterworfen und 
dabei folgende Werthe gefunden, denen ich zugleich die Anzahl und 
Bildung der Haare anfüge, welche an beiden Seiten vorkommen: 


| Breite | Länge | Hintere Seite | Vordere Seite 


11 | 0,398 1,559 23 Haare Wenig behaart. 
II 0,494 1,4178 Dicht behaart, halb so 
lang. 
IV 0,468 0,866 Viertels so lang. . 
V 0,476 ° 0,944 Sehr kurz. 
VI 0,476 1,074 Sehr kurz. 
vi 0,485 4,034 Sehr kurz. 
VI 0,624 2,096 39—40 Haare, halb so 
groß. 
IX 0,632 1,949 30—34 Haare, fast von . 
derselben Größe. 


Die Form der Stigmen ist überall die eines lang gezogenen Ovales, 
das gewöhnlich halb so breit, als lang ist. Das Stigma hebt sich wegen 
seiner geringen Einsenkung nur wenig von der äußeren Körperhaut ab 
und zeigt an dem Chitinrande, der das ganze Stigma umgiebt, zu beiden 
Seiten eine sehr zierliche Behaarung. Die einzelnen Haare stellen sehr 
starke Chitinstäbchen vor, welche sich zum Theil gabeln und verästeln 
und dicht mit feinen Härchen bewachsen sind, so dass sie bei sehr starker 
Vergrößerung die reizendsten Bilder geben. Meist ist, wie bereits aus 


_ den vorstehenden Angaben hervorgeht, die eine Seite stärker ausgebildet, 


als die andere, indem die Chitinstäbchen der einen Seite sich durch be- 
deutende Länge auszeichnen. Durch das dichte Haarsieb wird für die 
eintretende Luft ein wirksames Filtrum hergestellt. Nach innen zu 
schließt sich an das Stigma die Trachee an, welche dicht hinter dem- 
selben den Verschlussapparat trägt. Derselbe besteht aus einem nur 


564 Oskar Krancher, | 
wenig hervortretenden Verschlussbügel, welcher an der einen Seite | 
gelenkartig mit dem Verschlusshebel verbunden ist, während die andere | 
Seite erst mittels des Bändchens einen Schluss jenes Ringes um die; 
Trachee herstellt. Der Kegel zeigt eine eigenthümliche, mannigfach ! 
gebogene Gestalt und trägt an seiner Spitze den Verschlussmuskel, wel- | | 
cher mit seinem anderen Ende mit der Trachee verbunden ist. 

Dass die Thorakalstigmen eines Insektes durch bedeutende Größe 
sich auszeichnen, ist eine Erscheinung, die wir fast überall bei diesen 
Thieren antreffen; dass aber Abdominalstigmen jene enorme Größe auf- | 
weisen, erscheint als eine sehr auffallende Eigenthümlichkeit. Ich habe 
dieselbe bis jetzt nur bei diesem einzigen Käfer angetroffen. Doch hängt ” 
dies eng mit der Lebensweise des Wasserschwimmkäfers zusammen ; 
denn bei seinen Bewegungen im Wasser nimmt er meist eine solche 
Stellung ein, dass das Abdomen nach der Wasseroberfläche zu gerichtet ) 
ist. Die unter den Flügeldecken haftende Luft wird hierbei stets nach " 
dem höher gelegenen Raume zu streben, wo also die beiden großen 
Abdominalstigmen sich finden, die nun ihrer bedeutenderen Größe halber [ 
die Luft auch in größerer Menge aufzunehmen vermögen. 


Carabus. 


Von den Garabiden untersuchte ich sowohl Carabus auratus als 
auch GC. nemoralis und gelangte bei beiden zu sehr übereinstimmen- | 
den Resultaten. Der äußere chitinöse Rand ist ziemlich breit, hat eine 
länglich-ovale Form und zeigt sehr deutlich jene zellige Struktur, die 
bereits mehrfach erwähnt wurde. Nach innen zu stehen in geringer } 
Tiefe eine Menge feiner, dicht verfilzter Haare, durch die ein um so 
wirksamerer Filter hervorgebracht wird, als dieselben selbst wieder 
äußerst dicht behaart erscheinen (vgl. die Stigmenhaare von Dytiscus 
marginalis). Dicht hinter dem Stigma sitzt dann der Verschlussapparat, h 
der in ganz gleicher Weise gebaut ist, wie wir ihn bei Dytiscus margi- 
nalis gefunden haben. Nur betreffis der Verschlusskegel finden sich 
einige Unterschiede, die der Erwähnung bedürfen, insofern nämlich der" 
Kegel von C. auratus durch seine bedeutende Größe ausgezeichnet ist, 
während der Hebel von C. nemoralis weit kleiner erscheint und auf sich 
noch ein kleines helles Zäpfchen sitzen hat, das zur Insertion des Ver- 
j 
| 


schlussmuskels dient. 


Cicindela campestris. 

Die Stigmen des Sandkäfers stellen kleine ovale Ringe vor, die in" 
kurzer Vertiefung ringsum eine gleichmäßig dichte Behaarung zeigen. | 
An die beiden Breitseiten des Stigma setzen sich gleichgestaltete drei- | 


Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 565 


eckige Chitinplatten an, welche dem Stigma in der Körperhaut einen 
festen Halt geben. Nach innen zu setzt sich das Stigma in die Trachee 
fort, welche kurz hinter demselben den Tracheenverschlussapparat trägt, 
der zu den einhebeligen Verschlüssen gehört und zum Ansatz des kräf- 
tigen Muskels einen stark ausgebildeten Kegel zeigt. 

Aus all dem voranstehend Mitgetheilten ersehen wir, dass die 
äußere Gestalt der Stigmen bei allen Coleopteren ein und dieselbe, 
nämlich eine länglich ovale, ist. Die Art und Weise der Behaarung und 
die bedeutendere oder geringere Ausbildung des Verschlussapparates 
hängt ganz und gar mit der Lebensweise der Thiere zusammen. Die- 
jenigen Käfer, welche meist in staubiger Luft, auf dem Erdboden oder 
wohl gar in der Erde leben, zeigen eine ziemlich starke Behaarung der 
Stigmenränder, während diejenigen, welche mehr an ein Luftleben ge- 
wöhnt sind, derselben weniger bedürfen, dafür aber jenen für das Flug- 
vermögen so wichtigen Quetschapparat in bedeutenderer Ausbildung 
zur Schau tragen. 

Zum Schluss unserer Betrachtung kommen wir nun zu der- 
jenigen der 


Hymenopteren. 


Diese letzte Gruppe der Insekten zeigt in Anbetracht der uns hier 
interessirenden Organe besonders unter den Aculeaten eine ziemliche 
Gleichmäßigkeit, insofern nämlich das Stigma bei diesen Thieren nach 
innen zu einen näpfchenförmigen Anhang zeigt, welcher der Trachee 
ihren Ansatzpunkt giebt. 

Auch die von mir untersuchte Sirex gigas zeigt hiervon einige An- 
deutung, doch ist das Näpfchen nur sehr wenig deutlich. — Der Tracheen- 
verschlussapparat besteht an allen Stigmen aus zwei Hebeln, welche mit 
einander durch einen schwachen, wenige Fasern enthaltenden Muskel, 
verbunden sind; nur bei Sirex gigas ist derselbe von äußerst kräftiger 
Bildung. 

Obgleich die Anzahl der Stigmen bei den verschiedenen hierher ge- 
hörigen Insekten manche Verschiedenheit zeigt, so ist doch der Thorax 
stets mit zwei Paaren versehen, einem vorderen, das dem Prothorax, 
und einem hinteren, das dem Metathorax angehört. Die Stigmen des 
Abdomens sind allesammt auf dem oberen Halbbogen des betreffenden 
Ringels angebracht und stets von dem übergreifenden freien Rande des 
vorherliegenden bedeckt, so dass ihnen schon hierdurch ein ziemlicher 
Schutz zu Theil wird. Ein Weiteres wird bei den einzelnen Arten selbst 
erörtert werden. | 


566 Oskar Krancher, 


Sirex gigas. 
Larve. 


Was mich an diesem Thiere in hohem Grade überraschte, ist sowohl 
der eigenthümliche Bau des Stigma als auch der damit zusammen- 
hängende, ganz sonderbar gestaltete Tracheenverschlussapparat. Äußer- 


lich erscheint das Stigma bei makroskopischer Betrachtung als ein- 


gleichschenkliges Dreieck , mit einer nach oben gekehrten Spitze; allein 
bei mikroskopischer Untersuchung erkennt man, dass die dreieckige 
Form durch zwei große, schwarze, geriefte Klappen bedingt ist, die 
wiederum dreieckige Gestalt haben und ihre Hypotenusen einander zu- 
kehren, so dass zwischen ihnen ein langer Spalt bleibt. Um über den 
Bau des Stigma vollkommen klar zu werden, fertigte ich eine Anzahl 
Flächen- und Längsschnitte an, und durch diese wurde ich dann auch 
hald mit deın hier vorliegenden Mechanismus vollständig vertraut. Bei 
Flächenschnitten erhielt ich meist auf den vierten oder fünften Schnitt 
eine recht klare Ansicht des eigentlichen Stigma, welches demnach erst 
hinter den beiden Klappen gelegen ist. Dasselbe erinnert in seinem 
Baue an das Stigma der CGossusraupe und stellt zwei Lippen vor, die 
aus dicht verfilzten Haaren bestehen, wie es bereits bei Cossus be- 
schrieben worden ist. Auch bier stehen diese Haare keineswegs nur 
in einer Ebene, sondern in mehreren Etagen über einander, was man 
besonders daraus ersieht, dass man oft zwei bis drei derartige Schnitte 
hinter einander erhalten kann. Das Stigma verengt sich dachförmig 
nach innen und setzt sich hinter dem Seihapparat direkt in die Trachee 


fort. Erst auf Längsschnitten wurde mir übrigens die Bedeutung jener 


das Stigma bedeckenden Klappen Klar. Diese stellen nämlich nichts 


Anderes vor, als den Verschlussapparat, der freilich eine sehr absonder- 
liche Form besitzt. Bereits auf einer Flächenansicht bemerkt man am 


unteren Ende einen durch die helle Chitinhaut durchschimmernden 
unpaaren Fortsatz, der wohl mit dem Stigma in Zusammenhang zu 
stehen schien, dessen Dasein mir aber lange unerklärlich blieb, bis ich 
schließlich seinen Zusammenhang mit den beiden bereits oben erwähn- 
ten Klappen deutlich erkannte. Dieser tritt in der Weise zu Tage, dass 
die beiden Klappen an ihren äußeren Rändern mit dem darunter liegen- 


den Chitinringe des Siigma eng verwachsen sind. Der Stigmenrand | 
setzt sich schließlich da, wo die schmale Seite des Dreiecks sich be- 


findet, also an der Unterseite des Stigma, jederseits in eine starke 


Chitinspange fort, welche sich schließlich in jenem Zapfen vereinigen | 
und diesen nun die Rolle eines Verschlusshebels spielen lassen. Der- ' 


Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 567 


selbe ist nach unten zu spitz ausgezogen, im Inneren hohl und steht 
mit einem Muskel in Verbindung, der mit seinem unteren Ende an der 
Körperhaut des betreffenden Leibesringels festsitzt. Die Wirkung des- 
selben äußert sich darin, dass mit der Anziehung des Hebels zugleich 
eine Anziehung der beiden damit zusammenhängenden Klappen er- 
folgt, so dass die Schließung des Stigma unausbleiblich ist. Der ganze 
Mechanismus erinnert sehr deutlich an den unserer Fensterladen. 


Imago. 


Weitaus anders gestaltet sich nun das Stigma bei dem ausgebilde- 
ten Insekt, bei dem wir zwei Paar thorakale und acht Paar abdominale 
Stigmen antreffen. Die des Thorax sind sehr einfach gestaltet und 
ähneln denen der Bienen. Sie stellen einen länglich-ovalen Ring vor, 
der sich nach innen zu direkt in die Trachee fortsetzt, welche dicht 
hinter der äußeren Öffnung den Quetschapparat trägt. Da derselbe sich 
von dem der Abdominalstigmen nicht wesentlich unterscheidet, so 
brauche ich denselben hier nicht speciell zu beschreiben. Was nun 
diese Abdominalstigmen betrifft, so treten dieselben dem Auge äußer- 
lich gleichfalls als enger Spalt entgegen. Aber sie bilden zunächst nach 
innen zu eine stärkere Chitinerweiterung, welche dann ihrerseits erst 
seitlich in die Trachee übergeht. Der Verschlussapparat findet sich 
dicht hinter der äußeren Stigmenöffnung und erinnert in seiner Aus- 
bildung sehr an den der Coleopteren. Um die eine Hälfte der Trachee 
legt sich ein fast gerader Verschlussbügel, der nur an seinem Ende 
etwas gebogen ist und jederseits einen durch Gelenk damit verbun- 
denen Hebel trägt. Zwischen beiden Hebeln ist das Verschlussbänd- 
chen ausgespannt. Im Vergleich mit dem Stigma selbst zeigen die 
Hebel eine ziemlich bedeutende Größe. Auch der dazwischen liegende 
Muskel ist von kräftiger Entwicklung. 


Die Aculeaten 


sind, wie bereits erwähnt, die ausgezeichnetsten Vertreter derjenigen 
Stigmen, welche an der Öffnung nach innen zu ein Chitinnäpfchen 
tragen. Ich untersuchte besonders Formica rufa, Vespa crabro, Bom- 
bus terrestris und Apis mellifica und kam bei allen diesen Formen zu 
fast übereinstimmenden Resultaten, weshalb ich sie hier auch zu- 
sammen behandle und nur die Abweichungen besonders anführen 
werde. 

Die Stigmen der genannten Arten besitzen sämmtlich nach außen 
zu eine ovale, oder wie bei den Bienen, mehr runde Öffnung, welche 


568 Oskar Krancher, 


sich wenig deutlich von der Körperhaut des Thieres unterscheiden lässt, 
da sie nur von einem sehr feinen, schwach pigmentirten Chitinringe 
umgeben wird. Der äußere Eingang in das Tracheenrohr ist voll- 
kommen unbewehrt, außerordentlich klein und nur theilweise von den 
federförmigen Haaren des Körpers überdeckt. Nur bei den Ameisen 
traf ich einen etwas stärker hervortretenden Chitinring an, einen Ring 
überdies, der sich nach innen zu noch einmal wiederholt und dabei an 
Weite um einiges zunimmt. Nach innen setzt sich die Öffnung an den 
Abdominalstigmen in ein Chitinnäpfchen fort, das mit einer Unmenge 
von feinen Haaren versehen ist. Dasselbe sitzt schräg in der Körper- 
haut, und zwar so, dass der dadurch gebildete spitze Winkel nach dem 
Kopfe zu sich öffnet, das Stigma also nach hinten zu steht, wie man dies 
sehr gut an Schnitten beobachten kann. Sehr deutlich erkennt man an 
diesen auch die innere Behaarung und eine lamellenartige Überwölbung 
der äußeren Öffnung. Das Hinterende des Näpfchens wird von einem, 
direkt in die Trachee sich fortsetzenden, starken und dicht behaarten 
Chitinringe gebildet, mit dem der Tracheenverschlussapparat in inniger 
Verbindung steht. Letzterer ist in der Weise eingerichtet, dass der Ver- 
schlussbügel desselben durch-den unteren starken Rand, der an der 
Tracheenansatzstelle sich findet, repräsentirt wird, während oben auf 
der Trachee, diesem also gegenüber, zwei an Gestalt und Größe sehr 
verschiedene Kegel sich vorfinden, die an ihrer Basis durch eine dünne 
Lamelle, das Verschlussbändchen, unter einander verbunden sind. 
Beide Hebel sind sowohl bei Apis, wie auch bei Bombus und Vespa 
hohl, bei Formica aber solide, vielleicht in Zusammenhang damit, dass 
erstere als Luftinsekten leichter und sparsamer gebaut sind. — Von den 
beiden Hebeln ist der eine stets größer, auch durch seine eigenthümlich 
vorgeschobene, abgerundete Nase leicht von dem anderen zu unter- 
scheiden, zumal dieser nur eine kleine einfache Hervorwölbung vor- 
stellt. Nur bei Formica rufa gestalten sich die Verhältnisse anders, 
indem hier der eine Kegel eine dem Kegel des Tracheenverschlusses 
von Dytiscus marginalis ähnliche Gestalt hat, während der andere nur 
durch ein einfaches Höckerchen repräsentirt ist. 

Ganz in derselben Weise ist auch der Quetschapparat der Thora- 
kalstigmen gebaut. Beide Hebel werden durch einen schwachen, nur 
wenige Fasern enthaltenden Muskel verbunden, der im Augenblicke 
der Kontraktion die Basis beider Hebel gegen den Verschlussbügel hin 
drückt. | 

Um so auffälliger erscheint es, dass den Thorakalstigmen jede Spur 
des oben beschriebenen Näpfchens abgeht. Lanpoıs irrt, wenn er das 
Gegentheil behauptet und angiebt, dass die Stigmen des Thorax (bei 


Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 369 


Bombus terrestris) von denen des Hinterleibes nur insofern abweichen, 
als ihre äußere Öffnung mehr halbmondförmig sei und größere Dimen- 
sionen besitze. 

Daneben beschreibt Lanpoıs mit diesen Stigmen noch einen eigen- 
thümlichen Apparat, vermöge dessen unsere Thiere, ähnlich den 
Dipteren, fähig sein sollen, eine Stimme zu erzeugen. Er lässt den- 
selben aus zwei Chitinhäutchen gebildet werden, welche mit der einen 
oberen Seite am äußeren Stigmenrande, mit der anderen aber an der 
unteren Seite des Näpfchens angeheftet sind. Ich habe bei allen Acu- 
leatenspecies, sowohl der Biene, wie der Hummel oder Hornisse, Ge- 
legenheit gehabt, diese sogenannten Brummbänder zu beobachten, kann 
aber in Betreff ihrer Natur nur wiederholen, was ich von den Dipteren 
oben geäußert habe. Bei Bombus und Vespa erscheinen dieselben mehr 
gardinenartig herabhängend, während sie bei Apis mellifica sich zu 
einem einzigen Bande vereinigen, das balbmondförmig um die Öffnung 
herum greift. 


Schluss. 


Blicken wir noch einmal auf das oben Erörterte zurück, dann 
müssen wir eingestehen, dass die Mannigfaltigkeit der Stigmen, sowohl 
in Rücksicht auf deren Bau, wie auch in Anbetracht ihrer Form, eine 
unerwartet große ist. Die Hoffnung, aus den Verhältnissen der Stig- 
men und des damit verknüpften Tracheenverschlusses systematische 
Folgerungen zu ziehen, muss an der großen Verschiedenheit vollkommen 
scheitern. Je mehr aber der morphologische Werth derselben zurück- 
tritt, desto augenscheinlicher wird es, wie bedeutungsvoll der Bau durch 
Anpassungen der mannigfaltigsten Art beeinflusst ist. 

‚Übrigens weiß ich sehr wohl, dass meine Untersuchungen auf 
diesem Gebiete, so umfassend sie sind, doch noch weit davon entfernt 
bleiben, den Gegenstand zu erschöpfen. Ich hoffe, dieselben bei spä- 
terer Gelegenheit weiter zu führen und mein Thema dann zu einem 
befriedigenderen Abschlusse zu bringen. 

Die Methode, der ich mich bei meinen Arbeiten bediente, ist eine 
ziemlich einfache. War es mir zunächst nur um den Zusammenhang 
der einzelnen Chitintheile zu thun, dann kochte ich den Theil des In- 
sektes, an dem die Stigmen zu suchen sind, einfach in zehnprozentiger 
Kalilauge. Nach dem Auswaschen wurde das Wasser durch Alkohol 
entfernt, das Objekt in Nelkenöl aufgehellt und das Präparat in Kanada- 
balsam eingeschlossen. Wollte ich den am Quetschapparat befindlichen 
Muskel erhalten, dann färbte ich zunächst das ganze Objekt in einer 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 38 


570 Oskar Krancher, 


Solution von Pikrokarmin, zog den Überschuss durch Wasser und ver- 
dünnten Alkohol aus, präparirte die umliegenden Muskeln hinweg und 
brachte das so erhaltene Objekt auf die oben beschriebene Weise schließ- 
lich in Kanadabalsam. 

Bei Schnitten bettete ich meine !in Alkohol gehärteten Objekte stets 
in Paraffin ein, dem ich je nach der Härte des Objektes mehr oder 
weniger Rindstalg zufügte. Da ich gewöhnlich vor dem Einbetten ent- 
wässert und aufgehellt hatte, so blieb mir dann nur noch übrig, die 
erhaltenen Schnitte mittels Benzin vom Paraffin zu befreien und dann 
sofort in Kanadabalsam einzuschließen. — Den Versuch, in Seife ein- 
zubetten, ließ ich bald wieder fallen, da die Löslichkeit der Seife in 
Alkohol eine weit langsamere ist, als die des Paraffins in Benzin, die 
Schnitte aber bei längerem Liegen in Alkohol zum größten Theil aus 
ihrer natürlichen Lage gebracht wurden. 

Auf diese Weise bin ich in den Besitz einer großen Menge hüb- 
scher Präparate gekommen, die der voranstehenden Darstellung und den 
beigefügten Zeichnungen zu Grunde liegen. 


Leipzig, am 23. Juni 1880. 


Litteraturverzeichnis. 


ARISTOTELES, Historia animalium, lib. 4, cap. 8. 

SWAMMERDANM, Bibel der Natur, 1752. 

MaArpıcHı, Opera omnia: De Bombycibus. 

Lyonert, Trait& anatomique de la chenille qui ronge le bois du saule. 41762. 

REAUmUR, M&moires pour servir ä l’histoire des Insectes. 

DE GEER, M&moires pour servir a l’'histoire des Insectes. 

Treviıranus, Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Thiere und Pflanzen. 

1846. 
CuRT SPRENGEL, Commentarius de partibus quibus insecta spiritus ducunt. 4845. 
. RENGGER, Physiologische Untersuchungen über die thierische Haushaltung der 
Insekten. 4847. 

40. BURMEISTER, Handbuch der Entomologie. Erster Band. 1832. 

44. Kırzy und SPENcE, Einleitung in die Entomologie, oder Elemente der Naturge- 
schichte der Insekten, übersetzt von OkEn. 1833. 

42. Carus, Entdeckung eines Blutkreislaufes in den Larven netzgeflügelter In- 

sekten. In Isis. 48297. 


mau mw - 


SS 00 


43. 


4b. 


45. 
16. 


17: 


18. 


19. 
20. 
21, 
22. 
23. 
24. 
25. 


26. 
a. 
28. 
29. 
30. 
31, 
32. 


33, 


Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 971 


Durour, Recherches anatomiques et physiques sur les Orthopteres, les Hyme- 
nopteres et les Neuropteres. 1841. 

GERSTÄCKER, Über das Vorkommen von Tracheenkiemen bei ausgebildeten In- 
sekten. 1874. 

PıcrET, Histoire naturelle des Insectes Neuropteres. A845. 

BERGMANN-LEUCKART, Vergleichende Anatomie und Physiologie des Thierreiches. 
1851. ne | 

L. Lanpois, Untersuchungen über die auf dem Menschen schmarotzenden Pedi- 
culinen. 

—— Anatomie der Beitwanze mit Berücksichtigung verwandter Hemipteren- 
geschlechter. 

H. Lanooıs, Der Stigmenverschluss bei den Lepidopteren. 

—— Der Stigmenverschluss bei Tenebrio molitor. 

—— Der Tracheenverschluss bei den Insekten. 

Die Ton- und Stimmapparate bei den Insekten. 18671. 

PaLnen, Zur Morphologie des Tracheensystems. 1877, 

GRABER, Die Naturkräfte. XXI. Band: Die Insekten. 1877. 

LEUCKART, Die Fortpflanzung und Entwicklung der Pupiparen nach Beobachtun- 
gen an Melophagus ovinus. Halle 1858. 

—— Die Jugendzustände der Muscidenlarven. Archiv für Naturgeschichte, 
1864. Theil. p. 60. 

Weısmann, Die Entwicklung der Dipteren. 1864. 

TASCHENBERG, Die Flöhe. 4880. 

Caun, Über Bau und Entwicklung der Rectaldrüsen bei den Insekten. 

CrAus, Allgemeine Zoologie. 

SCHRÖDER VAN DER KoLKk, M&moire sur l’Anatomie et Physiologie de Gastrus equi. 
4845. 

SCHEIBER, Vergleichende Anatomie und Physiologie der Oestriden-Larven. 
1860. 

BRAUER, Monographie der Oestriden. 1863, 


Erklärung der Abbildungen. 


Durchgehende Bezeichnungen: 


b, Verschlussbügel ; o, Stigmenöffnung ; 

h, h’, Verschlusshebel ; r, äußerer Chilinring ; 
vb, Verschlussband ; vr, Verschlussring ; 
m, Verschlussmuskel ; k, k’, Verschlusskegel. 
ir, Trachee; 


1 Nr, 17—22 finden sich in dieser Zeitschrift, Jahrg. 4864 und 1868. 
35 * 


572 | Oskar Krancher, 


Tafel XXVIII und XXIX. 


Fig. 4. Stigma mit Verschlussapparat von Acanthia lectularia. Vergr. 625. 
Fig. 2. Erstes Abdominalstigma von Haematopinus suis. Vergr. 295. 
h, Verschlusshebel, mit Hypodermis umgeben; 
a, vorderer Theil der Trachee mit nicht vollständig geschlossenen Spiral- 
ringeln. ü 
Fig. 3. Querschnitt eines Stigma von Phthirius pubis. Vergr. 625. 
n, inneres Chitinnäpfchen, stark mit Haaren besetzt. 
Fig. 4. Erstes Thorakalstigma von Melophagus ovinus. Vergr. A148. Äußere 
Ansicht. 
Fig. 5. Querschnitt durch das Thorakalstigma von Melophagus ovinus. Ver- 
größerung A418. 
s, sackartige Ausbuchtungen ; 
hf, Haarfilter des Stigma. 
Fig. 6. Abdominalstigma mit Verschluss von Melophagus ovinus. Vergr. 158. 


_ 


Ansicht von innen. 
r, r', r", im Inneren sich zeigende Chitinringe; 
a, unrödeimaßıe geringelte Trachee vor dem Quetschapparate. 
Fig. 7. Querschnitt durch das Abdominalstigma von Melophagus ovinus. Ver- 
größerung 158. 
r, r', r", die sich auf Flächenschnitten zeigenden Chitinringe, hier als 
Näpfchen sich kund gebend; 
a, unregelmäßig geringelte Trachee, mit geringer Fältelung. 
Fig. 8. Abdominalstigma mit Verschluss von Musca vomitoria. Vergr. 448. 
o, drei einzelne Öffnungen, die unten in die Trachee münden; 
vr, Verschlussring mit daransitzendem 
m, Verschlussmuskel. 
Fig. 9. Prothorakales Stigma mit Verschlussapparat von Musca domestica. Ver- 
größerung 448. Ansicht von innen. 
ch, Chitinspange des Körpers, an die sich die Breitseite des Verschluss- 
muskels anheftet; 
br, Verschlussring, nach Lanpoıs: Brummring; 
hl, Hautlamelle, welche als Stimmband fungirt. 
Fig. 40. Metathorakalstigma mit Verschlussapparat von Musca domestica. Ver- 
größerung 448. Ansicht von innen. (Die Bezeichnung ist wie bei voriger Figur.) 
Fig. 414. Abdominalstigma (Stigmenplatte) der Larve von Gastrus equi. Vergr. 20. 
0, drei einzelne vielfach gefächerte Öffnungen. 
Fig. 42. Querschnitt durch die Stigmenplatte von Gastrus equi. Vergr. 20. 
hf, Haarfilter des Stigma, äußerst zart gebaut; 
tb, Tracheenbläschen, in dem sich die Tracheen auflösen, gewissermaßen : 
Tracheenendzelle. 
Fig. 43. Stigmenplatte der Larve von Oestrus bovis. Vergr. 16. 
a, Öffnung des After. 
Fig. 44. Querschnitt durch das Stigma der Raupe von Cossus ligniperda. 
hf, Haarfilter des Stigma; b, Schnitt durch den Verschlussbügel; h, Schnitt 
durch den doppelarmigen Verschlusshebel; hy, Hypodermis. — Dieser 
Schnitt zeigt sehr deutlich die Trichterform des Stigma. 
Fig. 45. Stigma der Raupe von Cossus ligniperda mit Verschlussapparat. Ver- 
größerung 43. Ansicht von innen. 


Der Bau der Stigmen bei den Insekten. | 8798 


m, m’, die beiden Verschlussmuskel; h, der Verschlusshebel, der an der 
oberen Seite doppelarmig sich gestaltet. Die übrigen Bezeichnungen 
wie bei Fig. 14. 
Fig. 46. Stigma der Puppe eines kleinen Nachtschmetterlinges. Vergr. 69. 
Fig. 47. Tracheenverschlussapparat der Raupe von Bombyx mori. Vergr. 92. 
m, der Schließmuskel ; m’, der Muskel zum Öffnen, hy, Hypodermis, am 
Hebel sich findend. 
Fig. 48. Stigma mit Verschiussapparat von Macroglossa stellatarum (Schmetter- 
ling). Vergr. A418. 
hf, Haarfilter, das hier durch Querverbindungen der einzelnen Haare 
siebartig sich gestaltet. 
Fig. 49. Stigma mit Verschluss von Smerinthus populi (Schmetterling). Ver- 
größerung 43. Von innen gesehen. 
s, Schuppen, die äußerlich dachziegelartig über das Stigma gedeckt sind. 
Fig. 20. Zweites Thorakalstigma von Aeschna grandis. Vergr. 148. 
ch, Chitinspange am Thorax, als Ansatzstelle des Muskels dienend; m, 
Muskel des Verschlussringes vr ; m’, Muskel der Verschlussklappe vk. 
Fig. 24. Erstes Abdominalstigma von Gryllotalpa vulgaris. Vergr. 69. Innere 
Ansicht. 
vk und vk’, die beiden Klappen, die an den Seiten des Stigma gelegen sind; 
u und w’, Chitinvorsprünge, an denen der Muskel sich ansetzt. 
Fig. 22. Abdominalstigma mit Verschluss von Panorpa communis. Vergr. 295. 
Fig. 23. Abdominalstigma mit Verschlussapparat von Raphidia. Vergr. 295. 
Fig. 24. Stigma mit Verschluss von der Larve des Dytiscus marginalis. Ver- 
größerung 69. 
a, von unregelmäßigen Spiralringelungen durchzogene Trachee, innerlich 
stark’ behaart. 
Fig. 25. Querschnitt durch das Stigma von Melolontha vulgaris. Vergr. 69. 
Man erkennt hier die feine Verzweigung und das Auslaufen der Haare in 
oben genannte zarte Haut. 
Fig. 26. Brust-Stigma mit Verschlussapparat von Elater murinus. , Vergr. 69, 
Innere Ansicht. Beide Seiten sind mit zierlichen Härchen besetzt. 
Fig. 27. Stigma mit Verschlussapparat von Melo& proscarabaeus. Vergr. 92. 
Sogar der Verschlussapparat zeigt hier eine dichte Behaarung. 
&, deutlich hervortretende zellige Zeichnung der nach innen sich trichter- 
förmig verengenden Seitenwände des Stigma. 
Fig. 28. Stigma mit Verschlussvorrichtung von der Larve von Melolontha vul- 
garis. Innere Ansicht. 
vr, Verschlussring, sich um die Trachee herumlegend; vb, Verschluss- 
bändchen, jenen Ring unten verbindend; m, Verschlussmuskel, der 
sich an einen Chitinvorsprung a im unpaaren Mittelstück um ansetzt. 
Die über das Stigma gespannte Haut zeigt unzählige feine Poren. 
Fig. 29. Längsschnitt durch eben genanntes Stigma, wo das unpaare Mittelstück 
genau in der Mitte getroffen ist. 
Hierdurch wird das innere dieses Mittelstückes und der Ansatz des Muskels 
veranschaulicht. Die Bezeichnung ist die von Fig. 28. 
Fig. 30. Abdominalstigma mit Verschlussapparat von Dytiscus marginalis. Innere 
Ansicht. . 
r, äußerer Rand des Stigma mit zelliger Zeichnung; ch h, Chitinhaare. 


574 


Fig. 


Fig. 


Oskar Krancher, Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 


. 34. Zwei Chitinhaare aus dem sechsten Abdominalstigma. Vergr. 295. 


‚r, Stigmenrand; kh, Körperhaut. 


. 32. Stigma mit Verschlussapparat von Geotrupes stercorarius. Vergr. 92. 


k, Verschlusskegel mit darauf sitzendem Kegelchen. 


. 33. Längsschnitt des Stigma der Larve von Sirex gigas. Vergr. 1148. 


kl, über das Stigma gedeckte Klappe; /r, Luftraum, wo sich das Stigma 
nach unten zu verengt; hf, Haarfilter. 


. 34. Flächenschnitt des Stigma der Larve von Sirex gigas. Vergr. 69. 


Siehe die Bezeichnung der vorigen Figur. 


. 35. Stigma mit Verschluss der Imago von Sirex gigas. Vergr. 148. 


Man erkennt hier nur eine geringe Andeutung eines Näpfchens. 
36. Abdominalstigma von Formica rufa. Vergr. 295. Deutliches Näpfchen. 
r’, zweiter Chitinring hinter der Öffnung, dem Näpfchen zugleich eine ge- 
ringe Einbuchtung ertheilend. 
37. Thorakales halbmondförmiges Stigma von Bombus terrestris. Ver- 


größerung 43. 


Das Stigma wird von federförmigen Haaren des Thorax bedeckt. 


Fig. 38. Abdominalstigma von Apis mellifica. Vergr. 295. Äußere Ansicht. 


sb, die beiden um die Öffnung des Stigma liegenden Hautlamellen, welche 
Lanpoıs die Stimmbänder genannt hat. 


Revision der Mertens-Brandt’schen Holothurien. 


Von 


Dr. Hubert Ludwig, 
Direktor der naturwissenschaftlichen Sammlungen in Bremen. 


Bei der Bedeutung, welche J. F. Branpr's: »Prodromus descrip- 
tionis animalium ab Henrico Mertensio in orbis terrarum circumnaviga- 
tione observatorum;; Fascic. I. Petropoli 1835« für die Entwicklung der 
Systematik der Holothurien gehabt hat, wurde es schon wiederholt als 
ein Übelstand bezeichnet, dass die Branpr’schen Diagnosen in den 
wenigsten Fällen zu einer sicheren Wiedererkennung der von MErTENs 
beobachteten Formen ausreichen. Ich muss es desshalb dankbar an- 
erkennen, dass mir nach dem Tode des Verfassers von dessen Sohne, 
Herrn Professor ALExANDER Brandt in Charkow, die von seinem Vater 
zur Aufstellung des Prodromus benutzten Merrens’schen Zeichnungen 
und Manuskripte, so wie ferner von dem Direktor der Petersburger 
Sammlung, Herrn Akademiker Dr. Straucn, die noch vorhandenen MeEr- 
tens’schen Originalexemplare zum Zwecke einer Revision der MErTENs- 
Branpr’schen Arten anvertraut wurden. 

. Die Resultate meiner Untersuchungen lassen sich dahin zusammen- 
fassen, dass von den noch in Semper’s Holothuriensystem (1868) auf- 
geführten Branpr’schen Gattungen die drei folgenden: Oncinolabes, 
Liosoma und Aspidochir, so wie die auf die erste derselben von SEMPER 
gegründete Familie: Oncinolabidae gestrichen werden müssen; dass 
ferner von den 23 Branpr’schen Arten nur 6, nämlich: Gucumaria 
(Gladodactyla Br.) albida, C. nigricans, Stichopus chloronotus, St. 
(Diploperideris Br.) sitchaensis, Holothuria sordida und H. tigris be- 
stehen bleiben, dass aber von den 47 übrigen 16 mit Arten identisch 
sind, welche früher oder später von anderen Autoren unter anderen 
Namen beschrieben sind, während die 17. (Aspidochir Mertensii Br.) 
. sich als eine ungenügend charakterisirte Chirodota (oder Synapta?)-Art 
herausstellt. In der Anordnung der folgenden die einzelnen Arten 


576 Hubert Ludwig, 


besprechenden Bemerkungen folge ich dem von SemreEr aufgestellten 
Systeme. Vollständige anatomische Untersuchungen der Originalexem- 
plare konnten bei dem Erhaltungszustande und der Schonungsbedürftig- 
keit derselben nicht vorgenommen werden. 


I. Synaptidae. 


1) Oncinolabes fuscescens Br. — Synapta Beselii Jäger. 
Litteratur: 
a) Oncinolabes fuscescens Brandt, Prodr. 1835. p. 48. — Oncinolabes 


fuscescens Br., SELENKA, diese Zeitschrift. Bd. XVII. 1867. p. 344. — On- 
cinolabes fuscescens Br., SEMPER, Holothurien. 4868. p. 25, 232, 267. 


b) Synapta Beselii Jäger, de Holothuriis. 4833. p. 45. Tab. I. — Synapta 

Beselii Jäg., SEmp£r, Holothurien. 4868. p. 14, 2330, 264—265. Taf. 1; Taf. 
VI, Fig. 5—7, 40; Taf. VII, Fig. 4, 2, 9; Taf. VII, Fig. 44, Taf. XXXIX, 
Fig. 10. SEMPER zieht mit vollem Rechte die Formen Synapta Astrolabi Held 
und Synapta Agassizii Selenka gleichfalls zu S. Beselii. Die übrige Litte- 
ratur über S. Beselii bitte ich bei SEMPER, 1. c. p. 264—-265 nachzusehen. 


Es liegen mir drei von Mertens auf der Insel Ualan (östliche Karo- 
linen) gesammelte Originalexemplare vor. Alle drei sind vollständig er- 
halten und messen das eine 150 cm, das zweite 69 cm, das dritte 63 cm 
Körperlänge. Das erste ist etwas dunkler gefärbt als es bei Synapta 
Beselii Jäger gewöhnlich der Fall ist; die beiden anderen aber stimmen 
in der Färbung völlig mit typischen Exemplaren der Synapta Beselii 
überein. Die Zahl der Tentakel beträgt bei dem dunkler gefärbten 
Exemplare 45, bei den beiden anderen 16. Die Tentakel besitzen 
jederseits circa 40 Fiederästchen. Die Kalkkörper sind bei den drei 
Exemplaren ganz dieselben, es sind 4 mm große Anker mit Anker- 
platten und kleine nur 0,042 mm große Hirseplättchen; in ihrer Form 
und Größe zeigen sie die größte Übereinstimmung mit denjenigen der 
Synapta Beselii Jäger. Aber nicht nur die äußerlich wahrnehmbaren 
Merkmale und die Kalkkörper, sondern auch die anatomischen Ver- 
hältnisse lassen keinen Zweifel an der Identität von Oncinolabes fus- 
cescens mit Synapta Beselii übrig. Es wird also die schon von SEMPER. 
geäußerte Vermuthung, dass die Gattung Oncinolabes Brandt sich als 
eine Synapta entpuppen werde, durch die Untersuchung der MERTENS- 
schen Originale zur Gewissheit erhoben. Srmrer hatte desshalb auch 
seine provisorische, nunmehr hinfällig gewordene Familie der Oncino- 
labidae neben die Synaptiden gestellt, während SerenkA die auch ihm 
zweifelhafte Gattung Oncinolabes bei den Dendrochiroten unterzu- 
bringen versucht hatte; SELENkA ist dazu offenbar durch die Bemerkung 


Revision der Mertens-Brandt’schen Holothurien. 577 


Branpr’s veranlasst worden: »ob pedum dispositionem quinquefariam 
Oncinolabes quasi genus medium inter Synaptas et Gucumarias«. 

In der Mertens’schen Abbildung besitzt das Thier eine Länge von 
etwa 130 cm bei einer durchschnittlichen Dicke von 3 bis 3,5 cm. Dem 
MertEns’schen Manuskripte entnehme ich die folgenden Notizen: Außer 
dem von Brannt angegebenen Fundorte Ualan beobachtete Mertens die 
Synapta Beselii auch auf den übrigen von ihm besuchten Karolinen, 
ferner auf Guahan (Marianen) »einzeln auf dem Boden der Lagunen «. 
‘»Die Farbe variirt, wenn sie sich auch meist in denselben Farben- 
tönen bewegt.« »Die Bewegungen des Thieres gehen durch ab- 
wechselnde blasenförmige Anschwellungen der Haut vor sich.« Der 
Mund ist mit 15 langen zurückziehbaren Tentakeln besetzt; die Neben- 
äsichen befinden sich »in einer beständigen Bewegung, bald erscheinen 
sie etwas ausgestreckt, bald mehr oder weniger eingezogen«. »Es exi- 
stirt hier keine Spur eines Respirationsbaumes. Zwei lange Eierstöcke, 
die hart am Magen (so nennt Mertens den vom Wassergefäßringe um- 
gebenen Theil des Darmes) entspringen und ihre sekundären Bündel ent- 
sendend fast durch die ganze Länge des Thieres verlaufen.« »Der Darm 
macht ‘durch die ganze Länge des Thieres drei Windungen. « 

Die Veranlassung, welche Branpr zu der Aufstellung des Genus 
Oncinolabes führte, liegt in der von Mertens in seinem Manuskripte 
ausgesprochenen Ansicht, dass die von ihm beobachteten Thiere » den 
fünf Radien entsprechend Längsreihen von füßchenartigen Gebilden « be- 
sitzen. Diese Ansicht ist aber, wie die Untersuchung der Mertens’schen 
Originale zeigte, eine irrthümliche. 


2) Oncinolabes mollis Br. iu Synapta glabra Semper. 


Litteratur: 


a) Oncinolabes mollis Brandt, Prodr. 4835. p. 49. — Oncinolabes mollis 
Br., SELENKA, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 1867. p. 344. — Oncinolabes mol- 
lis Br., SEmper, Holothurien. 4868. p. 25, 268. 

b) Synapta glabra Semper, l.c. p. 42, 265. Taf. II, Taf. IV, Fig. 8. 


Originalexemplare von Oncinolabes mollis Br. existiren leider nicht. 
Die Art ist von Branpr auf Grund der Merrens’schen Abbildung und 
Beschreibung aufgestellt; Mertens selbst bemerkt in seinem Manu- 
skripte: »leider konservirte sie sich nicht hinlänglich in Branntwein um 
mit Erfolg zu einer anatomischen Untersuchung benutzt werden zu 
können«. Mertens trennte diese Art von Oncinolabes fuscescens (= Sy- 
napta Beselii), mit der sie sonst nahe verwandt sei wegen der »fast 
gallertartigen Konsistenz «; allerdings sei auch die Farbe abweichend, 


578 Hubert Ludwig, 


doch sei diese ja auch bei der anderen Art zahlreichen Modifikationen 
unterworfen. »Man fühlt kaum äußerlich die kleinen Widerhäkchen, 
mit denen die Haut besetzt ist.« »Ich fand sie nur einmal in dem Hafen 
von Caldera de Apra (Insel Guahan) ausgestreckt auf dem Rasen, den 
eine Alge dort auf dem koralligten Grunde bildet.« Weitere Angaben 
macht Mertens nicht. In der Abbildung giebt er ihr 145 Tentakel und 
eine Körperlänge von ungefähr 115 cm bei 3,5 cm Dicke. 

Vollständig überzeugend lässt sich allerdings der Beweis, dass On- 
cinolabes mollis mit Synapta glabra Semper identisch sei, nicht führen. 
Da es keine Originalexemplare der Oncinolabes mollis giebt und Mer- 
TEns auch in seinem Manuskripte nur die vorhin mitgetheilten, für die 
Artbestimmung sehr unzulänglichen Angaben macht, so wird Oncino- 
labes mollis wohl niemals ganz aus ihrer zweifelhaften Existenz heraus- 
kommen. Sicher aber ist auch diese Art eine Synapta und für ihre 
Vereinigung mit S. glabra Semper spricht der Umstand, dass MERTENS 
die Anker äußerlich kaum fühlen konnte; dieselben scheinen also hier 
so wie es SEMPER von seiner S. glabra angiebt, tief in der Haut zu 
liegen; auch die großen Tuberkel, welche Mertens auf den Interradien 
des Körpers zeichnet, verweisen diese Form in die Nähe von S. Beselii 


und S. glabra. 


3) Chirodota rufescensBr.=Chirodota variabilis Semper. 


Litteratur. 


a) Chirodota rufescens Brandt, Prodr. 4835. p. 59. — Chirodota rufes- 
cens Br., GRUBE, MÜLLERS Archiv. 4850. p. 142. — Chirodota rufescens Br., 
GRUBE, MIDDENDORFF'S Reisen. II, 4. 4854. p. 35, 36, 38. — Chirodota rufes- 
cens Br., SELENKA, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 1867. p. 367. — Chirodota 
rufescens Br., SEMPER, Holothurien. p. 23, 265. 

b) Chirodota variabilis Semper, Holothurien. 4868. p. 20—21, 231 —232, 
267; Taf. V, Fig. 6, 7, 9—44, 49; Taf. VI, Fig. 41; Taf. VIII, Fig. 5, 6; 
Taf. XXXIX, Fig. 45. 


Die Untersuchung des einen Originalexemplares, welches eine 
Länge von 107 mm (ohne die Tentakel) besitzt, erstreckte sich zunächst 
auf die Kalkkörper der Haut. Die Kalkrädchen haben eine durchschnitt- 
liche Größe von 0,1 mm; außer ihnen kommen in geringer Zahl auch 
stäbchenförmige, 0,036 mm lange Kalkkörper vor; beide Arten von Kalk- 
körpern gleichen völlig denjenigen, welche Semper auf seiner Tafel V, 
Fig. 6, 7, 9—11 von Chirodota variabilis abbildet. Das Thier besitzt 
18 Tentakel, von denen ein jeder mit ungefähr 24 Fiederästchen be- 
setzt ist. An allen drei Mesenterien fand ich zahlreiche ziemlich lang- 
gestreckte bäumchenförmige Gruppen von Wimperorganen, die ganz 


Revision der Mertens-Brandt’schen Holothurien. 579 


übereinstimmten mit der Abbildung, welche Semrer (l. c. Tafel VI, 
Fig. 11) von denselben Organen seiner Chirodota variabilis giebt. 


Das von Mertens abgebildete Exemplar hat eine Länge von 32 cm. 
MERTENS zeichnet nur 45 Tentakel, giebt aber in seinem Manuskripte 
die Tentakelzahl auf 15 bis 20 an. Er beobachtete, dass die Fiederäst- 
chen der Tentakel eingezogen werden können. Nach der Merrens’schen 
Abbildung der inneren Organe ist die vordere Schlinge des Darmes 
etwa 1/, der Körperlänge vom Vorderende des Thieres und die hintere 
Schlinge fast !/, der Körperlänge vom Hinterende entfernt. »Der Eier- 
stock ist ungemein lang, unter dem Kalkring entspringend, stark ver- 
zweigt. « Interessant ist die Stelle des Mertens’schen Manuskriptes, in 
welchem er von den Wimperorganen an den Mesenterien spricht; er 
sagt: »Kein Respirationsbaum, statt desselben am Gekröse zahlreiche 
kleine Cylinder, wie wir sie schon ganz ähnlich in der Holothurie Nr. 6 
bemerkt haben.« Unter dieser Holothurie Nr. 6 ist Liosoma sitchaense 
Br. verstanden. Bei Besprechung dieser letzteren Form werden wir 
auf die eben angeführte Stelle des Merrzns’schen Manuskriptes zurück- 
kommen. In seiner Zeichnung giebt Mertens 10 Porr'sche Blasen an. — 
Er fand die Thiere unter Steinen am Strande von Boninsima. 


4) Aspidochir Mertensii Br. — Chirodota sive 
Synapta sp. 


Litteratur: 


Aspidochir Mertensii Brandt, Prodr. 1835. p. 46. — Aspidochir Mertensii 
Br., Srımpson, Boston Journ. Nat. Hist. Vol. 6. 4857. p. 524. — Aspidochir 
Mertensii Br., SELENKA, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 4867. p. 309. — Aspi- 
dochir MertensiiBr., VeRRILL, Transact. Connect. Acad. Vol. I. 1867. p. 325. — 
Aspidochir Mertensii Br., SEMPER, Holothurien. 4368. p. 77, 276. 


Branpr stellte diese Holothurie als Vertreter einer besonderen Gat- 
tung zu den mit Füßchen und Lungen ausgestatteten Formen. Bei 
SELENKA und Semper finden wir die Gattung Aspidochir auf Grund der 
Branpr’schen Angaben in die Familie der Aspidochiroten eingereiht. 
Eine genaue Erwägung alles dessen aber, was Mertens in seinem Manu- 
skripte und seinen Abbildungen über die in Rede stehende Art mit- 


_ theilt, führt mich zu einer wesentlich anderen Auffassung. Die Origi- 


nalexemplare von Aspidochir Mertensii existiren allerdings nicht mehr 
und es muss, da auch die Merrens’schen Angaben dafür nicht aus- 
reichend sind, einstweilen unentschieden bleiben, ob Aspidochir Mer- 
tensii mit irgend einer anderen bekannten Art identisch ist oder nicht. 
Was aber die Frage nach der Berechtigung der Gattung anbelangt, 


580 Hubert Ludwig, 


so glaube ich beweisen oder doch höchst wahrscheinlich machen zu 
können, dass Aspidochir mit der Gattung Chirodota (oder Synapta?) ver- 
einigt werden muss. 

Branpr behauptet das Vorhandensein von in fünf Reihen ange- 
ordneten Füßchen. Aus dem Merrens’schen Manuskripte geht aber her- 
vor, dass Mertens die Füßchen niemals gesehen hat und nur mit einer 
gewissen Vorsicht von deren Existenz spricht. So sagt er das eine Mal: 
»nur mit Mühe unterscheidet man auf seiner (des Thieres) Oberfläche 
die fünf Reihen sehr kleiner, fast nur aus stigmenartigen Punk- 
ten bestehenden Füße, die am stark angeschwollenen Halse des 
Thieres fehlen«. Und an einer zweiten Stelle drückt er sich folgender- 
maßen aus: »ich würde diese Art unbedingt für die Holothuria inhae- 
rens Müll. (— Synapta inhaerens) halten, wären die den Füßchen 
entsprechenden Punkte nicht in fünf Reihen gestellt«. Auch in 
seiner Abbildung giebt Mertens keine Füßchen an, sondern nur kleine 
dunkle Pünktchen, die mir entweder nur Pigmentflecke oder vielleicht 
auch die Andeutungen von Rädchenpapillen zu sein scheinen. 

Es geht ferner aus dem Merrens’schen Manuskripte hervor, dass 
Aspidochir Mertensii die fünfte Holothurienart war, welche von ihm auf 
seiner Reise untersucht wurde. Die vier vorhergehenden Arten waren 
echte Dendrochiroten und Aspidochiroten. Es ist ganz begreiflich, dass 
Mertens, als ihm die erste Synaptide unter die Hände kam, zunächst 
versuchte auch bei ihr alle die Organe, die er bei den vorher unter- 
suchten Holothurien kennen gelernt hatte, also auch die Füßchen und 
den Respirationsbaum wiederzufinden. Seine Abbildung zeigt ein 
Thier vom Habitus der CGhirodoten und Synapten und er selbst hat die 
große Ähnlichkeit mit Synapta inhaerens richtig herausgefühlt. Branpr 
stellt freilich auch die Synapta inhaerens zu den füßigen Lungenholo- 
thurien ! 

Daraus, dass ihm der anatomische Bau der Synaptiden völlig neu 
war, lässt sich auch verstehen, dass Mertens über die Wimperorgane 
und das Fehlen des Respirationsbaumes nicht sofort zu einer richtigen 
Auffassung gelangte. In seinem Manuskripte findet sich die Stelle: 
»Das Respirationsorgan könnte man beinahe, der unbedeutenden Aus- 
bildung seiner einzelnen Theile wegen, übersehen. Es unterscheidet 
sich auffallend von den bisher untersuchten dadurch, dass es keinen 
besonderen freien Baum bildet, sondern vermittels eines Gekröses an 
die Haut befestigt ist. Fünf Stämme, den fünf Muskelinterstitien 
entsprechend, kann man unterscheiden, die äußersten Enden bilden 
Bläschen. « Ich kann mir diese Äußerung von Mertens nur durch die 
Annahme verständlich machen, dass er hier zum ersten Male die 


Revision der Mertens-Brandt’schen Holothurien. 581 


Wimperbäumchen der Mesenterien einer Ghirodota oder Synapta ge- 
sehen hat. Stutzig kann nur der Umstand machen, dass MERTENS in 
jedem der fünf Muskelinterstitien jene Organe beschreibt. Nun ist aber 
gerade in diesem Punkte seine anatomische Abbildung sehr unbe- 
stimmt gehalten und es ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass 
MErRTENS in diesem Punkte geirrt hat, um so mehr als MErTENs, wie wir 
später sehen werden, auch der Cucumaria miniata fälschlich fünf Mesen- 
terien zuschreibt. 

Auch die folgenden Notizen, die ich dem Merrzrns’schen Manu- 
skripte entnehme, stehen im Einklange mit meiner Ansicht, dass Aspi- 
dochir eine Synaptide ist: »das Thier ist regenwurmarlig«. »Zwölf 
Tentakel«, die nach der Abbildung den Habitus der Chirodoten-Ten- 
takel haben. »Knochenring um den Speisekanal. Am Magen wurm- 
förmige kleine Anhänge« (damit meint Mertens entweder Steinkanäle 
oder Porrsche Blasen). »Der Darmkanal misst nicht vollkommen zwei- 
mal die Länge des Thieres. Eierstock verzweigt« (Insertion desselben 
nach der Abbildung dicht hinter dem Kalkringe ; die einzelnen Schläuche 
dick, meist dreimal getheilt). »Den Muskeln fehlt der accessorische 
Apparat« (Mertens meint damit die von den Längsmuskeln sich ab- 
spaltenden Retraktoren, die er bei den vorher untersuchten Gucumarien 
stets gefunden hatte). Das von Mertens abgebildete Exemplar hat eine 
Länge von 63 mm und eine durchschnittliche Dicke von 6 mm. Er fand 
die Thiere unter Steinen und im Sande am Strande von Sitcha. Aus 
einer Bemerkung des Mrrtens’schen Manuskriptes geht endlich noch her- 
vor, dass dem Thiere ein eigentliches Ankletten an die Finger wie bei 
den meisten Synapta-Arten nicht eigen ist. 


5) LiosomasitchaenseBr. = Chirodota discolor Eschsch. 


Litteratur:: 


a) Liosoma sitchaense Brandt, Prodr. 4835. p. 58. — Liosoma sitchaense 

Br., Stımpson, Boston Journ. Nat. Hist. Vol. 6. 1857. p. 525. — Liosoma 
sitehaense Br., SELENKA, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 1867. p. 358. — Lio- 
soma Sitchaense Br., VERRILL, Transact. Connect. Acad. Vol. I. p. 325. — 
Liosoma silkaense Br., SEMPER, Holothurien. 4868. p. 44, 268. 

b) Chirodota discolor Eschscholtz, Zoolog. Atlas. 1829. HeftII, p. 13; 
Taf. X, Fig. 2. — Chirodota discolor Eschsch., GRUBE in MIDDENDORFF'S Reise. 
Bd. II, Theil 1. 4851. p. 35—42. Taf. IV. — Chirodota discolor Eschsch , 
STIMPSON, Boston Journ. Nat. Hist. Vol. 6. 4857. p. 523. — Chirodota dis- 
color Eschsch., SELENKA, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 1867. p. 366. — Chi- 
rodota discolor Eschsch., VErRILL, Transact. Connect. Acad. Vol. I. 1867. 
P- 325. — Chirodota discolor Eschsch., Semper, Holothurien. 4868. p. 267. 


Originalexemplare existiren nicht. Dem Mertens’schen Manuskripte 


589 Hubert Ludwig, 


entnehme ich die folgenden Angaben: »In Sitcha nur sehr selten. Fast 
durchsichtig, man unterscheidet wenigstens, wenn man das Thier gegen 
das Licht hält, die inneren Organe. Von Füßen keine Spur. Die Haut 
ist mit kleinen schwarzen Punkten zahlreich besetzt. Mund mit 12 
schildförmigen Tentakeln. Magen mit wurmförmigen Anhängen besetzt 
(damit meint Mertens offenbar Steinkanäle oder Porr'sche Blasen). Darm 
kaum einundeinhalbmal die Länge des Thieres messend. Ovarien am 
vorderen Abschnitt des Darmes, verzweigt.« In der Abbildung sind 
deutlich kurze Retraktor-Muskeln angegeben. 

Über das »Respirationsorgan« bemerkt Mertens: »Respirations- 
organ nicht baumförmig, besteht nur aus Bläschen, die an ein Gekröse 
geheftet sind, welches in allen fünf Muskelinterstitien aufsteigt« und an 
einer späteren Stelle hebt er hervor, dass er » diese Theile nicht habe 
deutlich erkennen können«. Ähnlich wie bei Aspidochir kann ich mich 
auch bei Liosoma an der Hand der Merrens’schen Beschreibungen und 
Abbildungen nicht davon überzeugen, dass hier wirklich fünf Mesen- 
terien vorkommen, namentlich wenn ich mir vergegenwärtige, dass 
MErTEns auch der CGucumaria miniata, wovon ich Originalexemplare 
untersuchen konnte, fälschlich fünf Mesenterien zuschreibt. BrANnDT 
schreibt in seinem Prodromus in der Diagnose seines Genus Liosoma: 
»Respirationis organa quinquepartita, subarborescentia, interstitiis cor- 
poris inter musculos longitudinales relictis mesenterii ope affıxa.« In 
seinem handschriftlichen Entwurfe zu dem Prodromus aber, welcher 
mir gleichfalls vorliegt, heißt es in besserer Übereinstimmung mit der 
Merrens’schen Beschreibung: »Respirationis organum e vesiculis nume- 
rosissimis omentis inter musculos longitudinales obviis affıxis compo- 
situm.« Ich kann die Merrens’sche Beschreibung und Abbildung nur 
dann verstehen, wenn ich annehme, dass die » Bläschen «, aus welchen 
er das Respirationsorgan bestehen lässt, die Wimperorgane einer Chiro- 
dota oder Synapta sind, um so mehr als er selbst die Wimperorgane 
der Chirodota rufescens Br. als »ganz ähnlich« mit denjenigen des Lio- 
soma sitchaense Br. bezeichnet. 

Aus einer Vergleichung mit den von EscascHoLTz und GRUBE ge- 
gebenen Beschreibungen der gleichfalls von Sitcha stammenden Chiro- 
dota discolor Eschsch. bin ich zu dem Schlusse gelangt, dass Liosoma 
sitchaense Br. dieselbe Art ist. Und was die Gattung Liosoma anbe- 
langt, so scheint mir, dieselbe auch dann, wenn meine Zusammen- 
stellung des Liosoma sitchaense Br. mit der CGhirodota discolor Eschsch. 
sich als nicht zutreffend erweisen sollte, keinerlei Existenzberechtigung 
zu haben. Denn erstens habe ich vorhin gezeigt, dass Mertens an der 
für die Gattung Liosoma typischen Art die von Branpr zur Charakteri- 


Revision der Mertens-Brandt’schen Holothurien. 583 


stik der Gattung benutzten Lungen überhaupt nicht konstatirt hat. 
Zweitens aber ist die Gattung Liosoma auch dann nicht haltbar, wenn 
man dieselbe nur für die einzige andere bis jetzt beschriebene Art: 
Liosoma arenicola festhalten will. Diese letztere von Srımpson 1857 
aufgestellte Art gehört offenbar, wie aus der von ihrem Autor gegebenen 
Beschreibung (l. ec. p. 525—526) hervorgeht, in die Gattung Molpadia. 
(Über die Diagnose der Gattung Molpadia cf. Semper, 1. c. p. 233.) 


II. Dendrochirotae. 


6) Cladodactyla (Polyclados) miniata Br. = Gucumaria 
fallax Ludwig. 


Litteratur: 


Cladodactyla (subgen. Plyclados) miniata Brandt, Prodr, 1835. p. 44. 
— Pentacta miniata Br., Srımpson, Boston Journ, Nat. Hist. Vol. 6. 4857. 
p. 525. — Cucumaria miniata Br., SELENkA, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 
1867. p. 350. — Pentacta miniata Stimps., VERRILL, Transact. Connect. 
Acad. Vol. I. 1867. p. 325. — Cucumaria miniata Br., SEMPER, Holothurien. 
1868. p. 53, 270. — ei albida Selenka, diese Zeitschrift. 
XVII. Bd. 1867. p. 350. Taf. XX, Fig. 409. — Cucumaria fallaxLud- 
wig, Beiträge zur Kenntnis der Holothurien. Würzburg 4874. p. 11. 


Eine größere Anzahl, von denen zwei einer näheren Untersuchung 
unterworfen wurden, liegen mir vor. Dieselben haben eine schmutzig 
braungelbe Farbe. Die Kalkkörper stimmen ganz überein mit denjeni- 
gen der früher nach Exemplaren des Lübecker Museums beschriebenen 
Cucumaria fallax. Endscheibchen der Füßchen fehlen ganz oder sind 
rudimentär in Gestalt von einigen zerstreut in der Saugscheibe liegen- 
den, kleinen, unregelmäßigen Gitterstücken. Beide Exemplare besitzen 
drei Pozr’sche Blasen und zahlreiche kleine Steinkanäle rings am Wasser- 
gefäßringe. Der Kalkring ist sehr schwach entwickelt. Am After 
finden sich fünf kleine, radiär gestellte Kalkplatten. Die Basis der un- 
getheilten Geschlechtsschläuche liegt ungefähr in der Längsmitte des 
Thieres, eben dort entspringen auch die Retraktormuskel des Schlund- 
kopfes. 

Dem Merrtens’schen Manuskripte entnehme ich die folgenden An- 
gaben: »Das Thier ist in Sitcha häufig, eingegraben im Meeressande 
unter hohlliegenden Steinen. Hier, den Kranz des Mundes nach allen 
Seiten ausgebreitet, wartet es seiner Beute. In einiger Entfernung von 
dem Munde traf ich oft auf die hervorragende Spitze des Schwanz- 
endes, die an einer anderen Stelle aus dem Sande hervorragte. Die 
Farbe ist rein mennigroth. _Füßchen in fünf Reihen, die sich nach vorn 


584 Hubert Ludwig, 


in der glatten Fläche des Halses verlieren. Zehn sehr ramöse Tentakel. 
Haut dick, fast lederartig. Darm misst etwa sechsmal die Länge des 
Thieres. Der Kalkring fehlt, ist aber durch ein sehniges Gebilde ange- 
deutet. Die einzelnen Geschlechisschläuche haben fast vierfache Körper- 
länge. Der Eiergang mündet zwischen den Tentakeln. « 

In der Abbildung giebt Mertens dem Thiere eine Länge von 
18,5 cm und eine Dicke von cm. Auch die Radiärmuskel, welche 
rings um die Kloake von dieser zur Körperwand treten, werden von 
Mertens abgebildet und beschrieben. Guvier’'sche Organe werden von 
Mertens weder in seiner Abbildung noch auch in seiner Beschreibung 
angedeutet; die beiden von mir untersuchten Exemplare ermangeln der- 
selben sicher. 

Der Habitus der Weingeistexemplare erinnert sofort an Cucumaria 
frondosa und die Mertens’schen Angaben im Verein mit dem Ergeb- 
nisse meiner Nachuntersuchung lassen keinen Zweifel übrig, dass die 
Cladodactyla miniata Branpr’s in den Formenkreis der Cucumaria fron- 
dosa gehört. SEMPER rechnet hierhin (l. c. p. 236) 1) seine Gucumaria 
californica, 2) eine noch unbeschriebene Art aus Java, 3) seine Gucu- 
maria japonica und 4) die eigentliche Cucumaria frondosa. So wenig 
wie SEMPER wage ich an dem geringen mir vorliegenden Materiale eine 
Entscheidung darüber, ob diese 4 Formen besser als Varietäten oder 
als besondere Arten aufzufassen sind. Es muss aber auch die Gucu- 
maria albida Selenka, die, wie wir nachher sehen werden, nicht wie 
SELENkA glaubte mit Branpr’s Gladodactyla albida identisch ist, in den 
Formenkreis der Gucumaria frondosa mit einbegriffen werden; ja ich 
bin sogar der Ansicht, dass die SerenkA’sche Cucumaria albida nur ein 
junges Exemplar der Gladodactyla miniata Br. ist. Sicher ist die früher 
von mir beschriebene Art Gucumaria fallax mit der Branpr'schen C. 
miniata identisch. Von den vier von SEMPErR unterschiedenen Formen 
scheint mir die C. japonica der GC. miniata am nächsten zu stehen. 
Alles in Allem halte ich also die Gladodactyla miniata Br. für eine mit 
Cucumaria albida Selenka (non Brandt) und Cucumaria fallax mihi iden- 
tische, der Cucumaria japonica Semper nahestehende Form aus dem 
Formenkreise der Gucumaria frondosa Gunn. | 

In dem Mertens’schen Manuskripte finde ich noch zwei Stellen, die ° 
Beachtung verdienen. Die erste derselben lautet: »Am sehr spitzen 
Schwanzende erblickt man bei vollkommener Lebensäußerung des 
Thieres fünf kleine gabelige Fortsätze.« Auf diese Stelle und die ent- 
sprechende Abbildung von MErTENnS bezieht sich auch der Passus in der 
Branpr’schen Diagnose: » circa anum appendices quinque furcatae stella- 
im positae«.. An den Spiritusexemplaren habe ich mich vergeblich 


Revision der Mertens-Brandt’schen Holothurien. 555 


bemüht, diese gabeligen Fortsätze wieder zu finden. Aus der MErTENs- 
schen Abbildung geht aber hervor, dass dieselben am Ende der Füß- 
chenreihen stehen und wahrscheinlich nur durch eine Bifurkation aus- 
gezeichnete Füßchen sind. Dass Füßchen mit gegabelter Spitze bei 
Cucumarien vorkommen können ist zwar meines Wissens bis jetzt noch 
nicht bekannt. Indessen beobachtete ich während eines Aufenthaltes 
in der zoologischen Station zu Neapel derartige Fälle bei der gemeinsten 
Mittelmeer-Art: Gucumaria Planci v. Marenzeller. 

Die andere Stelle der Mertzens’schen Aufzeichnungen bezieht sich 
auf die Mesenterien bei Cucumaria miniata. MErTENs spricht hier die 
irrthümliche Meinung aus, dass von allen fünf Muskelinterstitien Mesen- 
terien an den Darmkanal herantreten. Bei dem Nachweise, dass die 
Gattungen Aspidochir und Liosoma Synaptiden seien, haben wir ge- 
sehen, dass Mertens dort gleichfalls fünf Mesenterien annimmt. Die Gu- 
cumaria miniata ist von ihm früher untersucht worden als Liosoma und 
Aspidochir und seine Behauptung, dass diesen beiden Gattungen fünf 
Mesenterien zukommen, scheint mir daher nur ein Nachhall des bei 
Cucumaria einmal begangenen Irrthumes zu sein. 


7) Gladodactyla (Poiyclados) nigricans Br. =Cucumaria 
nigricans Selenka. 


Litteratur: 
Cladodactyla (subgen. Polyclados) nigricans Brandt, Prodr. 4835. 
pP. 44. — Pentacta nigricans Br., Stımpson, Boston Journ. Nat. Hist. Vol. 6. 


1857. p. 525. — Cucumaria nigricans Br., SELENKA, diese Zeitschrift. XVI1. 

. Bd. 1867. p. 350. — Pentacta nigricans Stimps., VERRILL, Transact, Connect. 
Acad. Vol. I. 4867. p. 325. — Cucumaria nigricans Br., SEMPER, Holothu- 
rien. 1868. p. 53, 270. 


Auch diese Cucumaria, von welcher mir eine größere Anzahl Ori- 
ginalexemplare vorliegen, gehört in den Formenkreis der Cucumaria 
frondosa Gunner. Die Kalkkörper bestehen in äußerst unregelmäßig 
auf ihrer ganzen Oberfläche bedornten verschieden langen Kalkstäben, 
die ich indessen nur in der Haut des Biviums finde, in der Haut des 
Triviums aber vermisse. Die Füßchen besitzen keine Endscheibchen. 
Es sind zehn Tentakel vorhanden, von welchen die zwei ventralen 
_ kleiner als die übrigen sind. Schon Mertens bemerkt in seinem Manu- 
skripte, dass die Füßchen »sparsam, fast wechselsweise in fünf Reihen « 
‚stehen. Am Wassergefäßring eine PoLr'sche Blase, im dorsalen Mesenterium 
ein kleiner Steinkanal. Kalkring ist nicht vorhanden. Die Geschlechts- 
schläuche sind ungetheilt, von etwa 2/, Körperlänge; sie inseriren 
eben so wie die Retraktormuskeln ungefähr auf der Grenze zwischen 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV.Bd. 39 


586 ; Hubert Ludwig, 


dem ersten und zweiten Drittel der Körperlänge. Das von Mertens ab- 
gebildete Exemplar hat eine Länge von 6,2 cm und eine Dicke von 
1,2 cm; die mir vorliegenden Exemplare bewegen sich in denselben 
Größenverhältnissen. Im Leben sind die Thiere grauschwärzlich mit 
violettem Schimmer, die Tentakel fast braunschwarz; die Weingeist- 
Exemplare sind schmutzig braungelb. Diese Art ist ausgezeichnet durch 
den Besitz Guvıer'scher Organe, die indessen bei einzelnen der von mir 
untersuchten Exemplare fehlen, bei anderen vorhanden sind. 


Srınmpson hat im Jahre 1864 eine Pentacta piperata aus dem Puget 
Sound leider nicht ausführlich genug beschrieben (Proceed. Acad. Nat. 
Scienc. Philadelphia 1864. p. 161), von welcher ich vermuthen möchte, 
dass sie mit Cucumaria nigricans identisch ist. Seine Beschreibung ist 
so kürz, dass ich sie hier wiederholen will: »Pentacta piperata. Al- 
lied to P. frondosa. Body ovate, smooth and glabrous, of a yellowish 
color, speckled and spottet with black. Suckingfeet retracted in our 
specimens, not numerous and arranged in five irregular rows. Ten- 
tacula short and broad, ramose. Length (contracted) 11/, inch. ; breath 


0,8 inch. « 


8) Gladodactyla (Holigoclados) albidaBr. = Cucumaria 
albida m. (non Selenka). 


Litteratur: 


Cladodactyla (subgen. Holigoclados) albida Brandt, Prodr. 1835. 
p. 44. — Pentacta albida Br., Stımpsox, Boston Journ. Nat. Hist. Vol. 6. 
1857. p. 525. — Pentacta albida Stimps., VERRILL, Transact. Connect. Acad. 
Vol. I. 1867. p. 325. 


Originalexemplare dieser Art liegen nicht mehr vor. Die MERrTEns- 
sche Abbildung stellt ein 13 cm langes, in der Mitte 2,3 cm dickes 
Individuum dar. Er fand die Thiere in Sitcha am Ufer im Meeressande. 
Aus den Zeichnungen und Notizen von MERTENS geht über den Bau 
des Thieres Folgendes hervor: Der Körper ist an beiden Enden ziem- 
lich gleichmäßig zugespitzt. Die Füßchen stehen paarweise in fünf 
Reihen, in jeder Reihe zählte er etwa 110 Paare. Die beiden die Haut 
zusammensetzenden Membranen haben nur geringen Zusammenhang. 
Die Quermuskel der Körperwand sind nur sehr schwach ausgebildet. 
An der Kloake beschreibt er die radiären zur Körperwand tretenden 
Muskelbündel. Die Retraktoren inseriren !/, vom Vorderende (bei ein- 
gezogenem Schlundkopfe. Die Geschlechtsschläuche sind ungetheilt, von 
halber bis 2/;, Körperlänge und inseriren !/; vom Vorderende. »Der 
Eiergang mündet zwischen den Tentakeln nach außen, ein kleines Wärz- 


_ Revision der Mertens-Brandt’schen Holothurien. 587 


chen zeigt die Stelle an.« Mertens beschreibt ferner einen im dorsalen 
Mesenterium festgelegten Steinkanal, über dessen wahre Natur er aller- 
dings nicht im Klaren ist. Guvier’'sche Organe scheinen bei dieser Art 
nicht vorhanden zu sein. 

Aus einem Vergleiche dieser Merrens’schen Angaben über Glado- 
dactyla albida Br. mit den Angaben Seıenka’s folgt, dass die von 
SELENkA damit identificirte Form, die ich vorhin schon zu Cucumaria 
miniata zog, mit Cladodactyla albida Br. nicht zusammengehört. 

Es scheint mir ziemlich wahrscheinlich zu sein, dass spätere Unter- 
suchungen die Zusammengehörigkeit der Cucumaria albida mit der von 
Stımpson (Proceed. Acad. Nat. Scienc. Philadelphia 1864. p. 161) aus 
dem Puget Sound beschriebenen Pentacta populifer darthun werden. 
Srınpson’s Beschreibung, die ich hier wiederhole, steht nirgends in 
Widerspruch mit den Mertens’schen Angaben über Cucumaria albida. 
»Pentacia populifer. Body thick -fusiform in shape. Surface entirely 
covered with minute, perforated, polygonal, calcareous plates, each plate 
having from twenty-five to forty holes, and being armed with a sharp 
umbo or spine at the centre of its outer surface. Sucking-feet small, of 
moderate length, very numerous, and arranged in five regular double 
rows, extending from one extremity of (he body to the other. Tentacula 
ten, eigth large and two small; the large ones of elongated form, and 
shaped like Lombardy poplar trees (Populus dilatata), branching nearly 
from the base; branches short. The small tentacles are placed together, 
- and are minute, not a tenth part as long as the others. Length of the 
largest specimen 2 inch. ; usual length from A to A!/, inch. It is found 
in the circumlittoral zone.« Hervorheben möchte ich im Vergleich zu 
der besonderen Beschreibung, welche Srımpson hier den Tentakeln 
seiner Pentacta piperata widmet, dass auch Mertens die Tentakel von 
Cucumaria albida anders schildert und zeichnet als diejenigen der 
Cucumaria miniata und C. nigricans und zwar in einer Weise, die sich 
ganz mit der Stıupson’schen Schilderung vereinbaren lässt. Branpr hat 
das Verhalten der Tentakel bei Cucumaria albida einerseits und C. 
miniata und C. nigricans sogar durch die Aufstellung zweier beson- 
deren Untergatiungen, Oligoclados (Branpr schreibt stets Holigoclados) 
und Polyclados, ausgedrückt. Die Tentakel der Untergattung Polycla- 
dos (C. miniata, C. nigricans) beschreibt er: »tentacula pinnata, pinnis 
ramosis, ramis et ramulis divisis«; diejenigen der Untergattung Oligo- 
clados (C. albida) aber: »tentacula super basin paulisper dilatata, sim- 
pliciter et irregulariter pinnata, pinnis denticulatis «. 


39* 


588 Hubert Ludwig, 


9) Guvieria sitchaensis Br. =Psolus Fabricii Lütken. 


# 


Litteratur: 


a) Cuvieria sitchaensis Brandt, Prodr. 4835. p. 47—48. — Cuvieria sit- 
chaensis Br., Stımpson, Boston Journ. Nat. Hist. Vol. 6. 1857. p. 525. — Cu- 
vieria sitchaensis Br., SELENKA, diese Zeitschrift. XVII: Bd. 4867. p. 343, 
— Psolus sitkaensis Br., SEMPEr, Holothurien. 4868. p. 63, 272. — Psolus 
sitchaensis Duj. et Hupe, VERRILL, Transact. Connect. Acad. Vol. I. 1867. 
D. 325. 

b) Cuvieria Fabricii v. Düben u. Koren, Öfversigt af Skandin. Echinod. 
Vetensk. Akad. Handlingar. (1844) 4846. p. 346. — Psolus Fabricii Lütken, 
Oversigt over Grönl. Echinod. Kjöbenh. 4857. p. 13—15. — Psolus Fabricii 
v. Düben u. Koren, Srmper, Holothurien. 4868. p. 62, 272. Dort ist auch 


die übrige ältere Lilteratur citirt. — Psolus Fabricii, v. MARENZELLER, 
Cölent., Echinod. und Würm. d. österr.-ungar. Nordpol.-Exped. Wien 1877. 
p- 32. 


Mertens fand diese Art, von welcher leider keine Originalexemplare 
mehr vorhanden sind, in Sitcha an Steinen. Sie saßen so fest, dass es 
ihm nur mit Mühe gelang sie unversehrt abzulösen. Aus den Abbil- 
dungen und dem Manuskripte von MErTEns geht zweifellos hervor, dass 
die Art ein echter Psolus ist, was noch von VerritL (l. c.) bezweifelt 
wurde. Die Mertens’sche Abbildung stellt ein Individuum von 5,2 cm 
Länge und 3,5 cm Breite dar. Die Farbe des Rückens ist ziegelroth, 
die des Bauches weißlich mit Rosaschimmer, die der zehn gleichmäßig 
entwickelten Tentakel karmoisinroth. Die Schuppen des Körperrückens 
zeichnet MErTEns groß mit gerundetem freiem Rande, also ähnlich wie 
sie bei Psolus Fabricii gestaltet sind. Die Füßchen stehen in der Mer- 
tens’schen Zeichnung ringsum an der Bauchfläche in zwei Reihen, am 
Vorder- und Hinterende aber dichter; über die Längsmitte der Bauch- 
seite erstreckt sich vom Vorderende nach dem Hinterende eine aufge- 
lockerte, stellenweise nur einzeilige Füßchenreihe, ähnlich wie es Lür- 
KEN (l. c. p. 13) von jungen Exemplaren des Psolus Fabricii beschreibt. 
Aus der Merrens’'schen Beschreibung lassen sich folgende anatomische 
Verhältnisse entnehmen : Am Wassergefäßringe befindet sich eine ver- 
hältnismäßig große Porr’sche Blase und ein sehr gewundener Stein- 
kanal. »Fünf Retraktoren sind vorhanden, wie bei allen Holothurien 
mit verzweigten Tentakeln.« Die Länge des Darmes beträgt etwa 6 


Mal die des ganzen Thieres. Die Kloake ist mit starken Muskelfasern an 


die Körperwand angeheftet. Die Geschlechtsorgane bestehen aus unver- 
ästelten dünnen Röhren, die eine Länge von 7,5 cm erreichen. 

Schon Lürken hat (l. c. p. 15) die Vermuthung ausgesprochen, dass 
Cuvieria sitchaensis Br. identisch mit Psolus Fabricii sei und ich kann 


Revision der Mertens-Brandt’schen Holothurien. 589 


mich dieser Ansicht nur anschließen, indem ich hinzufüge, dass ich das 
von MERTENS zu seiner Abbildung und Beschreibung benutzte Thier für 
ein junges Exemplar von Psolus Fabricii halte. 


40) Cladolabes lıimaconotos Br. = Orcula limaconotus m. 
Litteratur: 
Cladolabes limaconotos Brandt, Prodr. 4835. p. 57—58. — Holothuria 


limaconotus Br., SELENKA, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 1867. p. 331. 


SELENKA vereinigt die Branpr'sche Gattung Cladolabes mit der Gat- 
tung Holothuria, obschon ihr Branpr ausdrücklich baumförmige Tentakel 
zuschreibt und gerade auf sie seine Gruppe der Dendrochirotae gründet, 
welch letztere allerdings bei Branpr einen viel engeren Umfang hat als 
bei den späteren Autoren. In Semper’s Holothurienwerk finde ich die 
Art Cladolabes limaconotos Br. nirgends erwähnt, SEMPER vereinigt aber 
die Gattung mit der Gattung Thyone, stellt sie also richtig zu den Den- 
drochiroten. 

Aus der Petersburger Sammlung liegt mir ein schlecht erhaltenes 
Exemplar vor, welches von der Mertzns’schen Reise herrührt und wel- 
ches ich wegen der Übereinstimmung mit der Merrens’schen Abbildung 
nur für ein Originalexemplar von Gladolabes limaconotus halten kann. 
An demselben konnte ich zunächst konstatiren, dass nicht zwanzig Ten- 
takel, wie Branpr angiebt, vorhanden sind, sondern nur fünfzehn. 
Branpt entnahm seine Angabe offenbar dem Manuskripte von MERTENS, 
wo allerdings von zwanzig Tentakeln die Rede ist. In seiner Abbil- 
dung zeichnet aber Mertens nur fünfzehn Tentakel. Dieselben sind 
an dem mir vorliegenden Individuum in der für die Gattung Orcula 
Troschel charakteristischen Weise angeordnet, es wechseln nämlich fünf 
kleinere mit fünf Paar größeren ab. In der Haut kann ich keine Kalk- 
körper finden, auch entbehren die Füßchen der Endscheiben. Die Füß- 
chen sind über die ganze Oberfläche des Körpers ohne bestimmte 
Reihenstellung vertheilt. MErTEns zeichnet am Wassergefäßringe neun 
verschieden große Pori’sche Blasen und ziemlich kurze, zwei- bis drei- 
mal getheilte Genitalschläuche. Er fand die Thiere auf Boninsima, so 
fest in den Steinritzen angesogen, dass man sie kaum losreißen konnte. 
Das von Mertens abgebildete Exemplar hat eine Länge von 22 cm und 
eine Dicke von 3,5 cm. 

Die in Rede stehende Art scheint mir am nächsten verwandt zu 
sein mit der von mir beschriebenen Orcula tenera (cf. Beiträge zur Kennt- 
nis der Holothurien. 1874. p. 19. Fig. 24). 


590 Hubert Ludwig, 


III. Aspidochirotae, 


14) Diploperideris sitchaensis Br. = Stichopus 
sitehaensis m. 


Litteratur: 


Diploperideris sitchaensis Brandt, Prodr. 4835, p. 52. — Holothuria sit- 
chaensis Br., Stımpson, Boston Journ. Nat. Hist. Vol. 6. 4857. p. 524. — 
Holothuria sitchaensis Br., SELENKA, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 4867. 
p. 344. — Diploperideris sitchaensis Br. (Holothuria?), VERRILL, Transact. 


Connect. Acad. Vol. 1. 4867. p. 325. — Holothuria sitkaensis Br., SEMPER, 
Hololhurien. 1868. p. 87, 278. 


Branpr stellt diese Art ganz richtig zu seiner Gruppe der Hetero- 
podes. SErenkA aber und SempEr geben ihr ohne jeden ersichtlichen 
Grund eine andere Stellung, ersterer bei seiner Gruppe B: Homoiopodes 
(Unterabtheilung der Gattung Holothuria), letzterer in der dritten seiner 
in der Gattung Holothuria angenommenen Gruppen : Sporadipus. 

Wie aus den doppelten Geschlechtsorganen und der Reihenstellung 
der Bauchfüßchen hervorgeht, ist die vorliegende Art in die Gattung 
Stichopus zu stellen. Das eine mir vorliegende Originalexemplar ist 
9 cm lang und 2,5 cm breit. Die unentwickelten Geschlechtsorgane und 
die im Vergleich zu der Merrtens’schen Abbildung geringe Größe zeigen, 
dass es ein junges Thier ist. Es besitzt einen langen Steinkanal, der in 
mehreren Windungen rechts am dorsalen Mesenterium festgelegt ist. 
In der Haut fand ich nur eine Art von Kalkkörpern, nämlich aus vier 
kurzen Stäben zusammengesetzte »Stühlchen«, denen aber die Scheiben 
vollständig fehlen; die vier Stäbe sind nur nahe ihrem inneren Ende 
durch einen kurzen queren Fortsatz mit einander verbunden, an ihrem 
äußeren Ende laufen sie in zwei bis drei kurze Spitzen aus. 

Mertens beschreibt nach außen von den 20 Tentakeln erst einen 
Kranz von »füßchenähnlichen Fühlern«, dann einen gefransten, ring- 
förmigen Hautkragen. Er schildert ferner eine lange, zwei- bis drei- 
mal eingeschnürte Poırsche Blase. Nach seiner Abbildung bilden die 
Geschlechtsschläuche jederseits vom dorsalen Mesenterium ein Büschel; 
die einzelnen Schläuche sind häufig getheilt und zeigen hinter einander 
gelegene Anschwellungen. 

Mertens bemerkt: »Das Thier wird in Sitcha roh gegessen. Ge- 
ruch unangenehm penetrant ammoniakalisch, in Weingeist wird dieser 
unangenehme Geruch noch schlimmer. « 


Revision der Mertens-Brandt’schen Holothurien. 591 


42) Stichopus chloronotos Br. 


Litteratur: 


Stichopus (subgen. Perideris) chloronotosBrandt, Prodr. 4835. p. 50. 
— Stichopus chloronotus Br., SELENEA, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 4867. 
p. 315—346. Taf. XVII, Fig. 20—24 ; Taf. XVII, Fig. 25. — Stichopus 
chloronotus Br., SEMPErR, Holothurien. 4868. p. 74, 275. 


Aus einer Untersuchung der mir vorliegenden Originalexemplare 
folgt, dass SeLenka ganz das Richtige getroffen hat, als er die BrAnDT- 
sche Art in der ihm von den Sandwich-Inseln und von Zanzibar vor- 
liegenden Stichopus-Form wieder zu erkennen glaubte. Die Merrens’sche 
Beschreibung stimmt gleichfalls mit der Serenka’schen überein, nur muss 
man sich gegenwärtig halten, dass die von MERrTEnS richtig erkannten 
baumartig getheilten Geschlechtsschläuche von SELENkA irrthümlich als 
Steinkanäle beschrieben sind. In der Mertens’schen Zeichnung sind 
zwei Porsche Blasen und ein einziger kleiner Steinkanal angegeben. 
Cuvıer’sche Organe scheinen bei dieser Art niemals vorzukommen. Das 
von Mertens abgebildete Exemplar hat eine Länge von 25 cm, eine 
Breite von 5 cm, die Weingeistexemplare sind kleiner. 


13) Holothuria (Thelenota) grandis Br. = Stichopus 
ananas Semper. 


Litteratur: 


a) Holothuria (subgen. Thelenota, sect. Platysoma) grandisBrandt, 
Prodr. 1835. p. 53—54. — Holothuria grandis Br., SELENKA, diese Zeitschr. 
XVI. Bd. 4867. p. 332. — Holoihuria grandis Br., SEmper, Holothurien. 
41868. p. 93, 279. 

b) Trepang ananas Jäger, Dissert. de Holothuriis. 14833. p. 24. Tab. III, 
Fig. 4. — Holothuria ananas Quoy et Gaimard, Voy. de l’Astrolabe. T. IV. 
Paris 4833. p. 440—446. Pl. VI, Fig. 1—3. — Holothuria (subgen. Thele- 
nota, sect. Camarosoma) ananas Br., Prodr. 4835. p. 53. — Holothuria 
ananas Jäg., SELENKA, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 1867. p. 332—323. — 
Stichopus ananas Semper, Holothurien. 4868. p. 75, 275. 


Originalexemplare der Branpr’schen Art giebt es zwar nicht mehr, 
jedoch lässt die Vergleichung der Merrens’schen Abbildung mit einem 
wohlerhaltenen Exemplare des Stichopus ananas, welches mir aus dem 
Leydener Museum vorliegt, sofort die Identität Beil Formen erkennen. 
Mertens hebt in seinem Manuskripte die bedeutende Größe hervor, 
welche diese Art erreichen kann und giebt ihr in seiner Abbildung eine 
Länge von etwa 50 cm und eine Breite von 12 cm. Aus der MertEns- 
schen Beschreibung erscheinen mir folgende Notizen mittheilenswerth : 


592 Hubert Ludwig, 


20 Tentakel. Tentakelampullen, der Größe des Thieres entsprechend, 
sehr groß. Die »Schlundkrause« (Semper) beschreibt Mertens als ein 
drüsiges Organ, welches den Darm umgiebt. Porsche Blasen sind in 
großer Zahl vorhanden, bilden ein Bündel und sind bald einfach, bald 
getheilt. Die Geschlechtsorgane sind lange und vielfach verästelte 
Schläuche. SeLEnkA hat bei Holothuria ananas wie auch bei Stichopus 
chloronotus die Geschlechtsschläuche irrthümlich für Steinkanäle gehal- 
ten. Aus der Mertens’schen Abbildung erkennt man auch deutlich, 
dass die Geschlechtsorgane zwei Büschel bilden, ein Umstand, der 
SEMPER mit Recht veranlasst hat, den Trepang ananas Jäger zur Gattung 
Stichopus zu stellen. Mertens beobachtete an dieser Art auch die Re- 
spirationsbewegungen des After: »Der After öffnet und schließt sich 
abwechselnd, saugt Wasser ein und lässt es fahren.« Ferner macht er 
die Bemerkung: » Alle Eingeweide, namentlich auch die Geschlechts- 
organe, besitzen eine dunkel purpurrothe Farbe; in Branntwein ent- 
wickelt sich dieselbe auf eine sehr lebhafte Weise und könnte gewiss 
technische Verwendung finden.« Diese lebhafte Färbung der Eingeweide 
heben auch Quoy und GamarD hervor und Ähnliches findet sich bei 
Phyllophorus urna Grube aus dem Mittelmeere. Schließlich möchte ich 
noch erwähnen, dass Mertens auch schon die in den Lungen dieser Art 
schmarotzende Fierasfer-Art gekannt hat. In seinem Manuskripte finde 
ich darauf bezüglich die folgende interessante Stelle: »In den drei 
Exemplaren, die ich untersuchte, fand ich in jedem ein und mehrere 
lebende Gymnothoraces, die mir nicht im Darm, der ganz mit Sand 
angefüllt, sondern in der Höhle des Respirationsbaumes zu wohnen 
‚schienen. « 


14) Holothuria (Microthele) dubia Br. =Mülleria 
lecanora Jäger. 


Litteratur: 

a) Holothuria (subgen. Microthele) dubiaBrandt. Prodr. 4835. p. 54. — 
Holothuria, dubia Br., SELENkA, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 1867. p. 331. — 
Holothuria dubia Br., Semper, Holothurien. 4868. p. 92, 279. 

b) Mülleria lecanora Jäger, Dissert. de Holothuriis. 1833. p. 48. Tab. II, 
Fig. 2. — Mülleria lecanora Jäg., SELENkA, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 
1867. p. 312. — Mülleria lecanora Jäg.,'SEmper, Holothurien. 4868. p. 75 
bis 76, 276. Taf. XXX, Fig. 7; Taf. XXXV, Fig. 2. 


MerTEns ist der Meinung, diese Art sei nur eine Farbenvarietät der 
folgenden (Holothuria maculata Br. — Mülleria nobilis Selenka). Seine 
Abbildung stellt ein Exemplar von 25 cm Länge dar, welches hinten 
8 cm, vorn 5 cm breit ist. Über die Färbung bemerkt er: »Die Zeich- 


Revision der Mertens-Brandt'schen Holothurien. 593 


nung sah ich auch bei dieser sehr wechseln, Grundton immer gelblich. 
Das Weiß war sehr oft sparsam vertheilt, manchmal nur in einzelnen 
kleinen Punkten am Afterende, manchmal, obgleich selten, fehlten auch 
diese.« Auch Semper hebt die Veränderlichkeit in der Färbung dieser 
Holothurie hervor. Aus der Merrens’schen anatomischen Abbildung 
erhellt, dass das Thier nur eine ventral gelegene ziemlich große Porı- 
sche Blase besitzt, ferner, dass die Geschlechtsschläuche nur ein Bündel 
bilden, lang und oftmals getheilt sind. Semper bemerkt von Mülleria 
lecanora : »Das Wundernetz der Gefäße bildet kleine blattartige Lappen, 
die fast drüsig aussehen«; dies Verhalten ist in der MerTEns’ schen Zeich- 
nung in unverkennbarer Weise angedeutet. 

MERTEns erwähnt auch einen Parasiten dieser Art: »Der Darm 
dieser Holothurie war angefüllt mit einem lebenden Eingeweidewurm. « 
Leider beschreibt er diesen Wurm nicht weiter. Doch ist es mir höchst 
wahrscheinlich, dass Mertens hier denselben Wurm beobachtet hat, den 
Srmper (l. c..p. 100) unter dem Namen Anoplodium Schneideri aus dem 
Darme derselben Holothurienart anführt. 


15) Holothuria (Microthele) maculata Br. —Mülleria 
nobilis Selenka. 


Litteratur: 


a) Holothuria (subgen. Microthele) maculata Brandt, Prodr. 4835. 


p. 54. — Holothuria maculata Br., SELENKA, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 
1867. p. 334. — Holothuria maculata Br., SEMPER, Holothurien. 1868. p. 92, 
379. 


b) Mülleria nobilis Selenka, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 1867. p. 313. Taf. 
XVI, Fig. 13—15. — Mülleria nobilis Sel., SEmper, Holothurien. 4868. p. 
76, 276. 


Es existirt kein Originalexemplar der Branpr’schen Art und aus 
dem Merrtens’schen Manuskripte geht hervor, dass Letzterer überhaupt 
kein Exemplar konservirt hatte. Mertens beobachtete das Thier nur ein 
einziges Mal unter Steinen, hatte aber nicht einmal Gelegenheit eine um- 
fassendere anatomische Untersuchung vorzunehmen. Er macht nur die 
Angabe, dass die Geschlechtsschläuche sehr verzweigt sind und dass 
das Thier 20 Tentakel besitzt. Aus der Abbildung, welche ein 25 cm 
langes, 7 cm breites Exemplar darstellt, geht hervor, dass auf dem 
‚Bauche Füßchen, auf dem Rücken Papillen stehen, beide ohne Reihen- 
stellung. 

Farbe, Habitus und die von Mertens hervorgehobene große Ähn- 
lichkeit mit der vorhergehenden Art veranlassen mich, die Holothuria 
maculata Br. für identisch mit Mülleria nobilis Selenka zu halten. 


594 Hubert Ludwig, 


16) Sporadipus (Golpochirota) ualanensis Br. — 
Holothuria marmorata Semper. 


Litteratur: 


a) Sporadipus (subgen. Colpochirota) ualanensis Brandt, Prodr. 
1835. p. 46. — Holothuria ualensis Br., SELENKA, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 
1867. p. 341. — Holothuria ualensis Br., SEmper, Holothurien. 1868. p. 87, 
278. 

b) Bohadschia marmorata Jäger, Dissert. de Holothuriis. 4833. p. 18 bis 
49. — Bohadschia marmorata Jäg., BRAnDT, Prodr. 4835. p. 56. — Bohad- 
schia marmorata Jäg., SELENKA, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 4867. p. 320. — 
Holothuria Brandtii Selenka, diese Zeitschr. XVII. Bd. 1867. p. 339, 
— Holothuria marmorata Jäg., SEMPER, Holothurien. 4868. p. 79, 277. 
Taf. XXX, Fig. 40; Taf. XXXV, Fig. 3. | 


Semper führt unter den Synonymen von Holothuria marmorata 
(Jäg. sp.) auch auf: Sporadipus maculatus Brandt, Prodr. p. 46—47. 
Senrper folgte darin dem Vorgange SELENKA’S, welcher Sporadipus macu- 
latus Br. für identisch mit seiner Holothuria Brandtii hält, welch letztere 
von Semper als identisch mit H. marmorata (Jäg. sp.) erkannt worden 
ist. Sporadipus maculatus Br. gehört indessen, wie wir nachher sehen 
werden, nicht hierher, sondern ist identisch mit Semrer’s Holothuria 
arenicola. 

An den mir vorliegenden Originalexemplaren finde ich die 
Kalkkörper ganz so gebildet wie sie SELENKA von seiner Holothuria 
Brandtii beschreibt. Der After der beiden Exemplare ist deutlich fünf- 
strahlig. 

Das von Mertens abgebildete Thier hat eine Länge von 23 cm und 
eine Breite von 7cm. Er fand die Thiere ganz bedeckt vom Sande in 
den Lagunen von Ualan. Wenn berührt schossen sie milchweiße, 
klebende Fäden aus dem After, in welchen Mertens »AÄngrifis- oder 
Vertheidigungswaffen erkennen zu müssen« glaubt. Die folgenden Noti- 
zen sind seiner Beschreibung entnommen: Thier durchaus cylindrisch 
rund, lässt keinen Bauch oder Rücken unterscheiden. Der ganze Körper 
ist mit Füßen bedeckt, die aus der gerunzelten Oberfläche hervorbrechen 
und mit einem schwarzen Saugnapf versehen sind. Die Farbe variirt, 
bald braun in verschiedenen Schattirungen gefleckt, bald gelb und braun 
gemischt. Mit dem Zeigen der 20 Tentakel ist das Thier sehr geizig. 
Konsistenz des Thieres derb. Kalkring von bedeutender Entwicklung. 


- 


Darm dreimal so lang als der Körper. Geschlechtsschläuche verzweigt. 


An der Kloake zahlreiche lange Cuvıer’sche Organe. Die Zeichnung 
von Mertens lässt am Wassergefäßringe eine ventrale Porr’sche Blase, 


Revision der Mertens-Brandt’schen Holothurien. 595 


zwei Steinkanäle am dorsalen Mesenterium und die Schlundkrause er- 
kennen. 


47) Sporadipus (Acolpos) maculatus Br. = Holothuria 
arenicola Semper. 


Litteratur: 


a) Sporadipus (subgen. Acolpos) maculatusBrandt, Prodr. 4835. p. 46 
bis 47. 

b) Holothuria arenicola Semper, Holothurien. 4868. p. 84, 277. Taf. XX; 
Taf. XXX, Fig. 13; Taf. XXXV, Fig. 4. 


Die Kalkkörper des mir vorliegenden Originalexemplares stimmen 
eben so wie der Habitus völlig überein mit Semper’s Holothuria arenicola. 
In der Mertens’schen Abbildung ist das Thier weißlich mit Rosaschimmer 
(»carneum « BranDr) und mit unregelmäßig zerstreuten kleinen rothen 
Flecken, welch letztere aber an dem Spiritusexemplar ein entschiedenes 
Braun zeigen, ähnlich wie in der Semper’schen Abbildung. Das von 
Mertens abgebildete Individuum hat eine Länge von circa 32 cm und 
ist kaum 2,5 cm dick. Mertens fand die Thiere in Boninsima zur Zeit 
- der Ebbe am Strande unter Steinen im Sande vergraben. Mertens giebt 
zwanzig sehr kleine und kurze Tentakel an, eine kleine Pour'sche Blase. 
Ferner beobachtete er, dass der Darm nur etwa zweimal die Länge des 
Thieres misst und dass die Geschlechtsschläuche mehrmals getheilt 
sind. Er zeichnet auch die Tentakelampullen, aber keine Cuvier’schen 
Organe. 


18) Stichopus (Gymnochirota) leucospilota Br. = 
Holothuria vagabunda Selenka. 


Litteratur: 


a) Stichopus (subgen. Gymnochirota) leucospilota Brandi, Prodr. 
1835. p. 54. — Stichopus leucospilota Br., SELENKA, diese Zeitschrift. XVII. 
Bd. 4867. p. 320. — Stichopus leucospilota Br., SEmpEr, Holothurien. 1368. 
p- 74, 275. 

b) Holothuria vagabunda Selenka, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 4867. p. 334. 
Taf. XIX, Fig. 75—76. — Holothuria vagabunda Sel., SEMPER, Holothurien. 
1868. p. 81, 248, 377. Taf. XXI. 


Zwei schlecht erhaltene Originalexemplare lassen mich an der Iden- 
tität des Stichopus leucospilota Br. mit Holothuria vagabunda Selenka 
nicht zweifeln. Die Kalkkörper der Haut stimmen ganz überein mit 
SELENKA’S Beschreibung. Das von Mertens abgebildete Exemplar ist 
circa 22 cm lang und 2 cm dick; er giebt aber an, dass die Größe der 


596 Hubert Ludwig, 


Thiere gewöhnlich kleiner sei. Seinem Manuskripte und seinen Zeich- 
nungen entnehme ich folgende Angaben: Die Thiere werden von den 
Insulanern als Nahrungsmittel sehr geschätzt. Die Farbe » variirt in den 
verschiedenen Schattirungen von braunviolett, der Rücken ist meist 
braun mit weißen Flecken, aus welchen die Rückententakel sich er- 
heben. Die Bauchfläche hat ein fast marmorirtes Aussehen.« »Das Thier 
ist ziemlich weich und sehr delikat. Nicht genau in Acht genommen 
sucht man es vergebens, es ist ganz aufgelöst.« Eierstock zwei Zoll 
hinter dem Kalkring, seine Schläuche deutlich ein- bis zweimal getheilt. 
Ein Steinkanal. Eine Porsche Blase. Guvier'sche Organe sind vorhan- 
den. Mertens giebt 22 Tentakel an, während das eine der mir vorliegen- 
den (dem anderen fehlt das Vorderende) die normale Zabl von 20 Ten- 
takeln besitzt. 


49) Holothuria (Microthele) affinis Br. =Holothuria 
atra Jäger. 


Litteratur: 


a) Holothuria (subgen. Microthele) affinis Brandt, Prodr. 4835. p. 56. 
— Holothuria affinis Br., SELENKA, diese Zeitschr. XVII. Bd. 4867. p. 331.— 
Holothuria affinis Br., SEMpEr, Holothurien. 1868. p. 92, 250— 251. 


b) Holothuria atra Jäger, Dissert. de Holothuriis. 4833. p. 22. — Holo- 
thuria floridana, POURTALES, Proc. Amer. Assoc. Adv. Sc. 4851. p.12—13. — 
Holothuria floridana Pourt., SELENKA, diese Zeilschrift. XVII. Bd. 4867, p. 324 
bis 326. Taf. XVIII, Fig. 47—50. — Holothuria atra Jäg., SEMPER, Holo- 
thurien. 4868. p. 88, 250, 278. Taf. XXVINM. 


Schon Senrer hat die Ähnlichkeit der Holothuria affınis Br. mit der 
H. atra Jäger bemerkt. Ich konnte mich an einer größeren Anzahl 
Mertens’scher Originalexemplare von der Identität beider Formen über- 
zeugen. Die Kalkkörper stimmen überein mit Serenka’s Beschreibung 
und Abbildung, eben so stehen die anatomischen Verhältnisse im Ein- 
klang. Mertens selbst beobachtete folgende anatomische Verhältnisse: 
Sechs kleine Porr’sche Blasen. Zehn Steinkanäle, von denen vier auf 
der linken Seite, die sechs anderen auf der rechten Seite des dorsalen 
Mesenteriums ein Büschel bilden. Basis der Geschlechtsschläuche etwa 
3 cm hinter dem Kalkringe; die Geschlechtsschläuche selbst sind ge- 
theilt. Guvier’sche Organe fehlen. 


Revision der Mertens-Brandt’schen Holothurien. 597 


20) Holothuria (Microthele) aethiops Br. = Holothuria 
pulla Selenka. 


Litteratur: 


a) Holothuria(subgen. Microthele)aethiopsBrandt, Prodr. 4835. p.55. 
— Holothuria aethiops Br., SELENKA, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 4867. 
p. 334. — Holothuria aethiops Br., SEmper, Holothurien. 4868. p. 92, 250 
bis 254. 

b) Holothuria pulla Selenka, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 1867. p. 326. 
Taf. XVIII, Fig. 54. — Holothuria pulla Sel., Semper, Holothurien, 1868, 
p. 92, 279. 


Originalexemplare dieser Art konnte ich unter den mir aus der 
Petersburger Sammlung geschickten Holothurien nicht auffinden. Mer- 
TENnS hebt hervor, er habe diese Art anfänglich für identisch mit der 
vorhergehenden gehalten, bis nähere Untersuchung ihn vom Gegentheil 


belehrt habe. Der Hauptunterschied von der vorhergehenden Art liegt 
‘in der Anwesenheit der Guvier’'schen Organe. MertEns bemerkt: »Das 


Thier stößt klebende Fäden aus dem After« und zeichnet dieselben auch 
deutlich in seiner anatomischen Abbildung. 


24) Stichopus (Gymnochirota) cinerascens Br. = 
| Holothuria pulchella Selenka. 


Litteratur: 


a) Stichopus (subgen. Gymnochirota) cinerascens Brandt, Prodr. 
1835. p. 54. — Stichopus cinerascens Br., SELENKA, diese Zeitschrift. XVII. 
Bd. 1867. p. 349. — Stichopus cinerascens Br. (non Grube), Semper, Holo- 
thurien. 4868. p. 74, 275. 

b) HolothuriapulchellaSelenka, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 1867. p. 329. 
Taf. XVII, Fig. 64—62. — Holothuria pulchella Sel., Szmper, Holothurien. 
1868. p. 89—90, 378. 


Zwei Originalexemplare des Stichopus cinerascens Br. konnte ich 


"untersuchen und daran die Identität dieser Art mit Holothuria pulchella 


SELENKA feststellen. Dieselben besitzen 20 Tentakel; 3 Porr’sche Blasen ; 
4 Steinkanäle rechts und einer links am dorsalen Mesenterium, die 
sämmtlich frei herabhängen. Die Kalkkörper der Haut sind dieselben, 


_ welche Serenka von seiner Holotihuria pulchella beschreibt. Die Bauch- 


fübchen lassen eine sehr undeutliche Anordnung in drei Reihen er- 
kennen. Darm und Geschlechtsorgane fehlen den mir vorliegenden 
Exemplaren. Aus dem Mertens’schen Manuskripte geht hervor, dass 
die Geschlechtsschläuche verhältnismäßig kurz und mehrmals getheilt 
sind. Mertens giebt auch nur eine Porr'sche Blase an; indessen hat 


398 Hubert Ludwig, 


schon SEMPper (]l. c.) auf die Unbeständigkeit in der Zahl der Poır'schen 
Blasen gerade auch bei dieser Art hingewiesen. »Die Substanz des 
Thieres ist sehr weich.« Nach SeLexza sollen Cuvıer’sche Organe fehlen; 
Mertens aber bemerkt: »Die Thiere besitzen in sehr hohem Grade die 
Fähigkeit aus ihrem After klebrige Fäden auszusenden, die einen Durch- 
messer von eiwa 11% Linien haben und hohl zu sein scheinen.« Mög- 
licherweise hatten die von SELENnk«4 untersuchten Exemplare beim Fange 
sich ihrer Cuvıer'schen Organe entledist. Über das Vorkommen der 
Thiere bemerkt Mertens: »nicht ganz häufig auf Boninsima zwischen 
Steinen, die zur Zeit der Ebbe wasserenthaltende Räume zwischen 
sich haben«. Das von Mertens abgebildete Exemplar hat eine Länge von 
23 cm, eine Breite von 2—3 cm, und ist hinten stärker verjüngt als vorn. 


22) Holothuria (Microthele) sordida Br. 


Litteratur: 
Holothuria (subgen. Microthele) sordida Brandt, Prodr. 4835, p. 55. 
— Holothuria sordida Br., SELENkA, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 1867. p. 331. 
— Holothuria sordida Br., Semper, Holothurien. 1868. p. 93, 279. 


Es gelang mir nicht Originalexemplare dieser Art mit Sicherheit 
unter den mir aus der Petersburger Sammlung geschickten Holothurien 
wieder zu erkennen. Auch auf Grund der Merrexs’schen Beschreibung 
und Abbildung ist es mir nicht möglich die Holothuria sordida Br. auf 
irgend eine andere bekannte Holothurie zurückzuführen. Dieselbe wird 
also einstweilen als besondere Art stehen bleiben müssen. 

Die Mertens'sche Abbildung giebt dem Thiere eine Länge von 
34 cm und eine Breite von 9 cm. Seiner Beschreibung entnehme ich 
die folgenden Notizen: 20 Tentakel. Gestalt plump, steif, Rücken und 
Bauch deutlich unterschieden. Auf dem Bauche unregelmäßig ver- 
theilte »Füßchen«, auf dem Rücken kurze » Tentakel«. »Füßchen« und 
» Tentakel« mit weißer Spitze. Haut sehr dick und knorpelhart. Ein 
im dorsalen Mesenterium festgelegter Steinkanal. Darm dreimal so lang 
als der Körper. Geschlechtsschläuche inseriren dicht hinter dem Ring- 
kanal, sind sehr lang und mehrmals getheilt. Guvrer’sche Organe sind 
vorhanden. 


23) Holothuria (Microthele) tigris Br. 
Litteratur: 
Holothuria (subgen, Microthele) tigrisBrandt, Prodr. 4835. p. 55. 


Auch diese Art kann ich mit keiner anderen bekannten Holothurie 
identificiren; auch von hier liegt mir kein Originalexemplar vor. Doch 


Revision der Mertens-Brandt’schen Holothurien. 599 


ist dieselbe jedenfalls nicht identisch mit der von SeLenkaA (diese Zeit- 
- schrift, XVII. Bd., 1867, p. 333) als Holothuria tigris Br. beschriebenen 
Form, welche nach Semper (Holothurien, 1868, p. 79—80) zu Holo- 
thuria scabra Jäger gehört. 

Wie aus den Aufzeichnungen von Mertens hervorgeht, hat der- 
selbe überhaupt kein ganz heiles Exemplar erhalten und auch keines 
konservirt. In seiner Zeichnung giebt er ihr eine Länge von 45 cm 
und eine Breite von 10 cm. Seine Notizen sind sehr dürftig. Aus den- 
selben geht nur hervor, dass das Thier, wenn es maltraitirt wird, seine 
Eingeweide fahren lässt, dass es 20 Tentakel besitzt und dass die Ge- 
schlechtsschläuche mehrmals getheilt sind. 


Bremen, 20. Januar 1881. 


Beitrag zur Kenntnis der Hydrachniden-Gattung Midea Bruzelius. 


Von 


F. Könike in Bremen. 


Mit Tafel XXX, Fig. 1—6. 


A. Geschichtliche Einleitung. 


O. F. Mürzer ! führt in seiner Zoologiae danicae prodromus unter 
Begleitung einer kurzen Diagnose eine Hydrachna orbiculata auf. Die- 
selbe wird dann später von ihm ein wenig genauer beschrieben. 
Dieser Beschreibung geht die der Hydrachna elliptica Müller ® vorauf, 
welche nach meiner Prüfung indess von der obigen Species nicht ver- 
schieden ist. MürLer erachtete die beiden vermeintlichen Arten als ein- 
ander sehr nahe stehend; das ersieht man aus dem Umstande, dass er 
sie in seinem System unmittelbar auf einander folgen lässt. Doch man 
kann auch aus seinen bezüglichen Beschreibungen ihre Identität über- 
zeugend nachweisen. Ich will nur die auffallendsten übereinstimmen- 
den Merkmale daraus hervorheben: 


Hydr. elliptica. Hydr. orbiculata. 
»Coerulea.« » Violacea.« 
»Dorso incisura elliptica. « »In peripheria incisio circularisalba.« 


»Ac macula inter oculos fulva ver- »Pone oculos macula fulva, inter 
sus medium dorsi in angularem eosdem aca latere externo punc- 


producta.« tum album. « 
»Margo posticus setis raris prostanti- »Margo posticus setis prostantibus 
bus.« raris cingitur. « 


1 Zoologiae danicae prodromus. Havniae 4776. p. 490. n. 2266. 

2 Hydrachnae, quas in aquis Daniae palustribus. Lipsiae 4784. p.55. tab. VII, 
fig. 3 und 4. 

3 Ibid. p. 54. tab. VII, fig. A und 2. 


| 


I 


Beitrag zur Kenntnis der Hydrachniden-Gattung Midea Bruzelius. 601 


Für die Identität beider Species spricht auch Mürzer’s Angabe 
bei Hydrachna elliptica: »medio dorsi tria puncta pallida tranversim 
posita aegre visibilia.« Ein gleiches Merkmal giebt MüLzzr freilich bei 
seiner Hydr. orbiculata nicht an, doch, wie mich dünkt, aus dem ein- 
fachen Grunde, weil er es bei ihr nicht erkannt hat. Für die Richtig- 
keit dieser Annahme spricht Mürrer’s Notiz bei Hydr. elliptica: » Variat 
absque serie macularum et punctorum dorsi.« Daraus geht hervor, dass 
er besagtes Merkmal — es handelt sich nämlich um mehr oder weniger 
deutlich erkennbare Haarpapillen, die niemals fehlen — auch zuweilen 
bei Hydrachna elliptica nicht bemerkte. 


Mürzer’s Größenangabe der Hydr. orbiculata ist geringer als die der 
Hydr. elliptica; daraus darf man fast schließen, dass in der unter jenem 
Namen angeführten Wassermilbe das männliche Geschlecht beschrieben 
sei. Indess ist dies eine bloße Vermuthung. So viel aber scheint 
meines Erachtens festzustehen, dass die beiden Mürzrr’schen Namen 
nur eine Species bezeichnen. Da nun Hydrachna elliptica Müller der 
Hydrachna orbiculata Müll. voraufgeht, so wird auch dieser Name zu 
Gunsten jenes fallen müssen. 


O. F. Mürter glaubt, seine Hydr. elliptica sei wahrscheinlich syno- 
nym mit Acarus aquaticus maculatus de Geer: »Haec eadem ac Acarus 
maculatus aquaticus de Geer, mem. vol. 7. p. 147. t. 9, fig. 13, esse 
videtur!.« 


GoEzE stellt in seiner Übersetzung des nE Gzer’schen Werkes: 
» Memoire sur l’histoire des insectes « Hydrachna elliptica Müll. bestimmt 
als Synonym zu Acarus aquaticus maculatus de Geer?2. Das beruht in- 
dess auf einem Irrtbum, denn von der DE Gzer’schen Species heißt es 
p. 64: »Der Körper ist dunkelbraun, roth schattirt, mit einem großen 
rothen Rückenfleck an der Kopfseite.« Diese Angaben passen nicht 
im entferntesten auf Hydrachna elliptica Müll., vielmehr auf das Weib- 


_ chen zu Arrenurus caudatus (de Geer)3. 


1 0. F. MüLLer, Hydrachnae etc. p. 54. 

2 Abhandlungen zur Geschichte der Insekten aus dem Französischen übersetzt 
von GozzE. Nürnberg 4783. Bd. VII. p. 64. tab. IX, fig. 43 und 44. 

3 CARL DE GEER beschrieb und bildete ein Arrenurus-Männchen ab, das er 


 Acarus aquaticus caudatus nannte (Abhandlungen zur Geschichte der Insekten. 


Bd. VII. p. 58. tab. IX, Fig. 4). Da ihm die frappanten Geschlechtsunterschiede 

‘zwischen Männchen und Weibchen der gegenwärtigen Gattung Arrenurus Duges 

unbekannt blieben, so drängte sich mir die Frage auf, ob jener exakte Beobachter 

das viel häufigere Weibchen zu Arrenurus caudatus (de Geer) nicht gesehen habe! 

Ohne große Mühe — pE GEER kannte nur zwei Wassermilben aus dem Genus 

Arrenurus — fand ich seinen Acarus aquaticus maculatus als solches heraus. 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 40 


602 F. Könike, 


P. Kramer hält seine Nesaea elliptica t für synonym mit Hydrachna 
elliptica Müller. Diese Annahme glaube ich durch Anführung eines 
einzigen Momentes als eine irrige zurückweisen zu können. Falls näm- 
lich Hydrachna elliptica eine Ausbuchtung am vierten Gliede des letzten 
Fußes, welches Merkmal bei der Nesaea elliptica vorhanden ist, besäße, 
so würde O. F. MüLer, dessen Exaktität in der Beobachtung über allen 
Zweifel erhaben ist, dieselbe erkannt und auch bildlich dargestellt 
haben, wie er solches bei Hydrachna nodata und H. lunipes Müll. in 
Wirklichkeit that. Nesaea elliptica Kram. ist nach meinen Beobachtun- 
gen das männliche Geschlecht zu Nesaea aurea Kram.?. Nachdem ich 
mir über diesen Punkt völlig klar geworden war, erkannte ich die 
Identität von Nesaea aurea Kram. mit Nesaea variabilis Koch?, in wel- 
cher Ansicht ich mich in Übereinstimmung mit Herrn €. J. Neuman 
befinde, der mir die fragliche Hydrachnide unter dem Namen Nesaea 
pulchra Koch ® zuzusenden die Güte hatte. Es ist aber letztere synonym 
mit Nesaea variabilis Koch, welche Thatsache mir C. J. Neruman be- 
stätigte, indem er mir schrieb: »Dass unter N. pulchra und variabilis 
kein wesentlicher Unterschied ist, glaube ich auch.« €. L. Koch bildet 
nun zu seiner Nesaea variabilis sowohl als auch N. pulchra die N. el- 
liptica Kram. als männliches Geschlecht ab, wodurch ich mich in meiner 
oben bezeichneten Auffassung vergewissert halte. 

Von den älteren Autoren sind noch M. Lister? und Farıcıus® zu 
erwähnen, von welchen jener die beiden betreffenden Mürzer’schen 
Namen unverändert aufführt, während dieser an deren Stelle Trombi- 
dium ellipticum und Tromb. orbiculatum setzt. In dem » Systema ant- 
liatorum« zählt Fasrıcıus die beiden Namen vermuthlich in seinem ge- 
gründeten Genus Atax auf. Ich war nicht in der Lage, mich hiervon 
zu überzeugen, da das fragliche Werk weder auf der Bremer Stadt- 
bibliothek noch auf der »königlichen Universitätsbibliothek « in Göttingen 
zu haben war. 

GC. L. Koca fand Hydrachna elliptica Müll., trotzdem er sich viel 
mit den Wasseracarinen beschäftigte, — er verzeichnet etwa 180 


1 WIEGMANN’S Arch. für Naturgeschichte. 4875. Bd. I. p. 304—306. Taf. VI, 
Fig. 14 a und b. 

2 Ibidem. 4875. Bd. I. p. 308. Taf. IX, Fig. 47. 

3 Deutschl. Crustaceen etc. Heft 8. Taf. 7 und 8. 

* Ibidem. Heft 8. Taf. 9 und 40. 

5 Naturgeschichte der Spinnen, nach dessen Handschrift aber zum Druck be- 
fördert und mit neuen Zusätzen versehen von J. A. C. GorzE. Quedlinburg 4792. 
Nr. 485 und) 486. 

6 Entomologia systematica. Hafniae 1793. Tom. II. p. 405. n. 29 und 30. 


menu 


Beitrag zur Kenntnis der Hydrachniden-Gattung Midea Bruzelius. 603 


Arten! — nicht auf. ‘Er glaubte sie freilich in seinem Arrenurus 
ellipticus? aufgefunden zu haben, von welcher Hydrachnide er jedoch 
selbst gesteht: »Die Mürer’sche Milbe passt in Hinsicht der Färbung 
nur halbwegs, wenigstens ist sie mir noch nicht violettfarbig und mit 
weißen Punkten an den Augen vorgekommen.« Er berichtet ferner 
über sie: »In der Gestalt mit der vorhergehenden Art übereinkom- 
mend.« Letztere Milbe ist aber Arrenurus chlorophaeator Koch, von 
welcher er meint: »Sehr wahrscheinlich das Weib zu der vorhergehen- 
den Art,« also zu Arrenurus integrator (Müll.), welche Meinung ich durch- 
aus theile. Ich glaube auch nicht fehl zu gehen, wenn ich Arrenurus 
ellipticus Koch ebenfalls als das Weibchen zu Arrenurus integrator in 
Anspruch nehme, denn solch unerhebliche Unterschiede in der Färbung, 
wie Koch sie zwischen den zwei fraglichen Hydrachniden hervorhebt, 
habe ich häufig zu beobachten Gelegenheit gehabt. Erst nach einem 
Verlauf von fast achtzig Jahren nach dem Bekanntwerden von Hy- 
drachna elliptica Müller wurde wieder über diese berichtet. R. M. Bru- 
zeLius® traf sie nämlich in Schweden an und gründete für sie mit Fug 
und Recht das eigne Genus Midea. Er determinirte unser Thierchen 
als Midea orbiculata (Müll... Nach obiger Ausführung wird es dagegen 
in Zukunft Midea elliptica (Müll.) zu nennen sein. 

Durch den Hydrachnologen C. J. Nzuman in Skara (Schweden) wurde 
ihr Vorkommen durch zwei Verzeichnisse in Schweden konstatirt?. 


B., Beschreibung, 


Genus Midea Bruzelius. 


Der Körper ist kreisrund bis oval, granulirt, überall mit weitläufig 
stehenden Borsten besetzt und auf der dorsalen Seite mit dem » Rücken- 
bogen«5 versehen. Die Palpen sind mäßig lang; ihr viertes Glied ist 
stark verlängert und dünn. Die Füße erreichen kaum die Körperlänge ; 
die zwei Hinterpaare zeigen lange Schwimmhaare; jede der beiden 
Krallen eines Fußes ist an der Basis blattförmig erweitert und mit einem 


1 Übersicht des Arachnidensystems. Nürnberg 1837—1850. Heft III. p. 7—36. 
Taf. I—IV. 


2 Deutschlands Crustaceen, Myriapoden und Arachniden,. Nürnberg 1835 bis 
4844, Heft 43. Taf. 44. 


3 Beskrifning öfver Hydrachnider som förekomma inom Skäne. Lund 1854.: 
p. 36. tab. III, fig. 5—7. 


4 Öfversigt af Kongl. Vetenskaps-Akademiens Förhandlingar. 1870, p. 105 bis 
440 und 4875, p. A00—A04. 


5 Ich adoptire die von C. L. Koca innerhalb der Gattung Arrenurus treffend an- 
gewandte Bezeichnung, 


40* 


604 F, Könike, 


langen spitzen Haupthaken versehen, der einen kürzern, innern, stumpf 
endenden Nebenhaken besitzt; das Endglied des dritten Fußpaares 
beim Männchen hat eine Auszeichnung. Die Epimeren liegen eng zu- 
sammen; das erste mit einander verwachsene Paar schließt das am 
Grunde zusammenverschmolzene Maxillenpaar ein; jede freie Maxillar- 
spitze ist gekniet und besitzt am Knie eine einfache messerförmige, im 
vordern Drittel plötzlich gebogene Mandibel. Die Epimeren schließen 
einen großen Genitalhof ein; die Geschlechtsöffnung ist von zahlreichen 
Geschlechtssaugnäpfen umgeben. Die beiden nahe zusammengerückten 
Doppelaugen stehen entfernt von einander. 


Species Midea elliptica (Müller). 
a. Mas et Femina. 


Der Körper ist kreisrund bis oval, fast halbkuglig und überall — 
einschließlich Füße, Palpen und Epimeren — granulirt (Fig. A); die 
Körperhaut ist daher derb; die dorsale Körperseite zeigt einen großen 
Rückenbogen (Fig. 1 s), der die Form des Körperumrisses hat und so- 
mit eine Ellipse bildet. Die Farbe ist meergrün, jedoch sind Füße, 
Palpen und Epimeren heller, zwischen den Augen bemerkt man einen 
konstant auftretenden, weit rückwärts verlängerten großen gelblichen 
Fleck (Fig. 1 m). Die ganze Körperfläche — auch die Epimeren — sind 
mit zerstreut stehenden Borsten besetzt; der Rücken zeigt zwei Außen- 
reihen großer und zwei Innenreihen kleiner — mit je vier — Haar- 
papillen; ein Paar auffallend großer Haarwarzen mit langen lateral 
auf ihnen inserirten Borsten liegt jederseits des hintern Genitalfeldes 


(Fig. 2 p); eben so finden sich je zwei rechts und links vom Anus, von 


denen die größere diesem am nächsten liegt. Die Palpen sind mäßig 
lang; die drei ersten Glieder sind kurz; das Basalglied ist schwach, das 
zweite in seinem vordern Theile, das dritte im hintern stark ; das vierte 
Glied kennzeichnet sich durch seine außerordentliche Länge und sehr 
geringe Dicke (Fig. 4 p), das Endglied ist recht kurz und endigt stumpf; 


das vierte Glied besitzt auf der Unterseite einen kleinen Zahn!. Die - 


Füße sind kaum von Körperlänge und nehmen von vorn nach hinten 
progressiv an Länge zu (Fig. 1); das vierte Fußpaar ist an der vordern 
Außenecke der vierten Epimere inserirt; die beiden hintern Fußpaare 
sind mit langen Schwimmhaaren besetzt (Fig. 1); die sechs Fußglieder 
differiren hinsichtlich der Länge nicht auffallend, doch ist die Coxa 
(Grundglied) am kürzesten und der Tarsus (vorletztes Glied) am läng- 


1 Dieses Merkmal erkannte ich, nachdem die Thierchen zwei Tage in A5pro- 
centiger Kalilauge gewesen waren. 


esse 


Beitrag zur Kenntnis der Hydrachniden-Gattung Midea Bruzelius. 605 


sten (Fig. 1); jede der beiden gleichen Krallen eines Fußes ist am 
Grunde blatiförmig erweitert (Fig. 5) und mit einem langen, spitzen, 
gewundenen Haupthaken bewaffnet (Fig. 5 a), welcher einen innern, 
kürzern gleich breiten, vorn stumpf gerundeten Nebenhaken besitzt 
(Fig. 55). Die Epimeren sind dicht zusammengerückt (Fig. 2); die 
drei vorderen Paare weisen nur eine geringe Breite auf; die vierte 
Hüftplatte ist am größten, hinten breit, doch abgerundet endigend; bei 
dem ersten Plattenpaar ist keine Grenzlinie zu erkennen; dasselbe 


schließt das bis etwa zur Mitte mit einander verwachsene Maxillenpaar 


(Fig. 2 mm) ein; die Maxillarspitzen (das sogenannte Rostrum) sind ge- 
kniet und tragen am Knie (Fig. 6 a) eine einfache messerförmige Man- 
dibel, die sich im vordern Drittel plötzlich krümmt (Fig. 6 b). Die 
Mundöffnung befindet sich an der Stelle, wo die Verwachsung der 
Maxillen beginnt; vor derselben stehen auf jeder Maxillarspitze zwei 
kräftige, mehrfach gekrümmte Borsten (Fig. 2). Das sehr große äußere 
Genitalorgan ist größtentheils von den Coxalplatten eingeschlossen 
(Fig. 2 g); viele kleine Geschlechtssaugnäpfe auf langer schmaler Platte 
umgeben die Geschlechtsöffnung. Die zwei großen nahe zusammenge- 
rückten Doppelaugen stehen nahe am vordern Körperrande entfernt von 
einander (Fig. 1). 

Midea elliptica (Müll.) ist bei Bremen nicht häufig; ebenso ist sie 
nach O. F. Mürıer in Dänemark selten; in Schweden ist sie dagegen 
nach GC. J. Neuman allgemein verbreitet 2. 


b. Mas. 


Der dritte Fuß ist bezüglich verkürzt? und merklich verdickt 
{Fig. 1 e); das 0,117 mm lange Endglied dieses Fußes zeigt an der 
innern Seite eine lange Ausbuchtung (Fig. #) und ist in eine nicht un- 
bedeutende Spitze ausgezogen, welche an ihrem zugerundeten Ende 
eine Borste trägt (Fig. 4 c); am vordern Ende der Bucht sind auf einer 
besondern Fläche drei kurze außerordentlich dicke Dornen inserirt 
(Fig. 4 d), am hintern Ende dagegen zwei ungleiche Krallen, von denen 
die eine sehr kräftig, die andere schwach ist; die große Kralle ist ein- 
fach, an der Basis besonders stark und etwas oberhalb derselben plötz- 


1 Mir sind bei Bremen nur zwei Fundstellen (ein Graben auf dem Stadt- 
werder und ein kleiner Wasserkolk hinter der Hakenburg) bekannt geworden. 
Bei Hamburg traf ich ein Männchen in den sogenannten Lehmkuhlen in Hohe- 
luft an. - 

2 C. J. NeumaAn theilte mir brieflich mit: »Die Art ist hier sehr allgemein. « 

3 Vergleiche die später folgende Maß-Tabelle, welche ergiebt, dass der dritte 
männliche Fuß verhältnismäßig kürzer ist als der entsprechende weibliche. 


606 F . Könike, 


lich gekrümmt und ihre Spitze sehr lang ausgezogen (Fig. 4 a); die 
kleine Kralle besitzt in der Nähe der Spitze ein inneres Nebenzähnchen, 
ist ihrer ganzen Länge nach dünn und weniger gebogen (Fig. 4 b). 

Die äußere Fläche des Genitalfeldes hebt sich durch hellere Fär- 
bung von der Körperhaut ab, ist aber sonst von dieser nicht verschie- 
den; es finden sich auf ihr kleinere Gruppen Papillen, auf denen Haare 
eingelenkt sind (Fig. 3 a); nach innen wird der äußere Theil des Ge- 
schlechtshofes durch eine umgekehrt schlüssellochförmige Chitinleiste 
begrenzt, welche vorn einen besonders starken Bogen, der nach innen 
einen kolossalen Chitinzapfen richtet, enthält; an die Chitinleiste setzen 
sich einwärts die großen Schamlippen an, auf denen vorn sechs bis 
0,0444 mm im Durchmesser haltende Genitalsaugnäpfe (Fig. 3 s) und 
hinten auf saugnapfähnlichen Papillen mit 0,0048 mm Durchmesser viele 
ziemlich lange Haare stehen. Neben der 0,117 mm langen Genitalspalte 
ist auf jeder Seite etwa in der Mitte des Geschlechtsfeldes eine Chitin-. 
klappe eingelenkt (Fig. 3 v); diese Sexualklappen bilden ein mit der 
Spitze nach außen gerichtetes Dreieck mit langer Grundlinie; die vor- 
dere Seite desselben ist fast gerade, während die hintere tief einwärts 
gebogen ist; an der Basis liegen auf jeder Genitalklappe sechs, nur 
0,008 mm messende Saugnäpfe (Fig. 3 h); außerdem ist dieselbe unten 
und oben mit zahlreichen auf kleinen Warzen eingelenkten Haaren, die 
an der Spitze der Klappen am dichtesten stehen, besetzt. 


c. Femina. 


Der große ovale Geschlechtshof ist gesäumt von zwei 0,036 mm 
breiten sichelförmig gebogenen, an den beiden Enden sich nicht be- 
rührenden Platten, von welchen jede bis dreizehn hinten gedrängt 
stehende Genitalhaftnäpfe von 0,0128 mm Durchmesser enthalten und 
zwei sehr breite Schamlippen einschließen. 


C. Nachträgliche Bomerkungen. 


Der eigentliche Zweck dieser Arbeit besteht darin, das Männchen 
unserer Species bekannt zu machen, welches meines Wissens bis dato 
noch nicht beschrieben worden ist. Freilich zweifelt GC. J. Nruman an 
der richtigen Bestimmung des fraglichen Thierchens, denn als ich ihm 
meinen Fund zur Kenntnis brachte, schrieb er mir zurück: »Da Sie 
sagen, dass Sie das männliche Geschlecht zu Midea gefunden haben, so 
bin ich fast geneigt, daran zu zweifeln, weil es mir niemals gelungen 
ist, einen äußern Unterschied der beiden Geschlechter zu finden. Die 
Art ist hier sehr allgemein und ich habe hunderte untersucht; einmal 


— ee  eumemmmme 


Beitrag zur Kenntnis der Hydrachniden-Gattung Midea Bruzelius. 607 


habe ich zwei in Kopulation angetroffen und unter das Mikroskop ge- 
bracht, aber sie waren einander völlig gleich. Vielleicht ist das von 
Ihnen angetroffene Thier eine Larve im zweiten Stadium oder eine neue 
Art.« Anfänglich hielt ich es gleichfalls für eine neue Species, wurde 
aber von meinem Irrihum im Spätsommer vorigen Jahres befreit, indem 
ich nämlich eine vortreffliche Arbeit von G. Harrer in Bern! zu Gesicht 
bekam, in welcher endlich die von PnıLıppı? sehr oberflächlich und un- 
kenntlich beschriebene Pontarachna punctulum, die einzige marine Hy- 
drachnide, welche bis auf die Gegenwart bekannt geworden ist, exakt 
beschrieben und abgebildet wurde. Beim Anblick der die Hıızzr’sche 
Arbeit begleitenden Gesammtabbildung der Meeresmilbe wollte ich eine 
gewisse Ähnlichkeit derselben, namentlich hinsichtlich des Genitalfeldes, 
mit meiner als Midea-Männchen bekannt gemachten Süßwassermilbe 
erkennen. Hierdurch angeregt wurde das Thierchen für mich der 
Gegenstand einer eingehenden Beschäftigung, deren Resultat das be- 
kannt gemachte war. Auf eine Vergleichung desselben mit dem weib- 
lichen Geschlecht von Midea elliptica (Müll.) führten mich namentlich 
der große hellgelbe Fleck auf dem Rücken, die meergrüne Farbe und 
die zwei Paar großen Haarpapillen beiderseits des Genitalhofes. Wenn 
Neuman meint, das betreffende Thier sei ein Larvenzustand, so darf ich 
diese Vermuthung als unwesentlich stillschweigend übergehen. Viel 
wichtiger ist der Umstand, dass er einmal zwei Mideen in Kopulation 
gesehen und bei der darauf folgenden Untersuchung derselben keinerlei 
Unterschiede zwischen den angeblichen verschiedenen Geschlechtern 
gefunden haben will, selbst keine Größendifferenz, wie ich nach seinen 
oben citirten Worten annehmen muss, und die doch so allgemein bei 
den unterschiedenen Milbengeschlechtern und ganz besonders bei den 
Hydrachniden vorhanden ist. Sollte der von Neuman beobachtete Fall 
auch wirklich eine Kopulation gewesen sein? War es nicht vielmehr 
ein Spiel- oder Raufakt, der gar nicht selten auch bei verschiedenen 
Species oder Genera angehörigen Thierchen wahrgenommen werden 
kann. Falls meine letzte Annahme richtig wäre, so bliebe doch immer 
noch eins räthselhafl. Nach Neuman ist Midea elliptica (Müll.) in 
Schweden allgemein verbreitet, und er hat hunderte von Exemplaren 
untersucht; trotzdem fand er das eigentliche Midea-Männchen nach 
meiner Meinung nicht. Diesem Umstande stehe ich rathlos gegenüber. 
Dessenungeachtet zwingt mich das Heer von übereinstimmenden Merk- 
malen der zwei vorliegenden Thierchen, worüber hauptsächlich die 


I WıIEGMAnN’s Archiv für Naturgesch. 1880. Bd. I. p. 355—364. Taf. XVII. 
2 Ibidem. 4840. Bd. I. p. 191—193. Taf. IV, Fig. 4 und 5. 


608 > F, Könike, 


gemeinsame Beschreibung für das Männchen und Weibchen Zeugnis ab- 
legt, zu der Ansicht ihrer Zusammengehörigkeit. Für dieselbe scheint 
mir auch noch folgende Maßangaben enthaltende Tabelle? zu plaidiren : 


| Männchen Mönchen | Weibchen Weibchen 
Länge,.des Körpers... Heise 2 see al ira as alt, 648 mm BR nee 0,7 mm 
Größte Körperbreite. . u .. . na “| 0,549. » 0,6 » 
Länge des ersten Fußes. . .. 2 2. 2.. | 10,30. 08 0,405 » 
Länge des zweiten Fußes. nn een 045 » 0,4186 » 
ange des’dritten Fußes". EN IN 0,4168 » 0,54  » 
Länge des vierten Fußes . .. .. RERERRTERORC REN TR 5 30)68. a 0,675 » 
Läangeider; Palpen. }. syscengarekdeiensssren sg ee reife 0,418...» 0,207 » 
Länge des vierten Palpengliedes . ». . 2. 2 2.2.2.0. 0,072 » 0,09 » 
Entfernung der Augen 2 0 ee 0,162 » 0,18 » 
Bange der Maxillen.o oe... RR UND 0,108 » 
Größte Breite der mit einander verwachsenen Maxillen | 0,054 » 0,063 » 
Länge des’Genitalfeldes’Jr.t. Ersten a ar ir 210,498 a 0,216 » 
Größte Breite desGenitalfeldes. .. . » oe east 0,1162 0,17A » 
Länge der Genitalöffnung .. .... ee een ep 20, AARzı 0D 0,189 » 
Entfernung des Anus vom Genitalhof . . 2 . 2 0. .[| 0,408 » 0,108 » 


Diese Tabelle weist ziffermäßig eine durchaus proportionale Bil- 
dung homologer Organe der beiden in Rede stehenden Thierchen nach. 
Freilich ergiebt sich für den dritten Fuß kein gleiches Verhältnis, denn 
während derjenige des Männchens nur die 1,04fache Länge von dessen 
zweiten Fuße hat, verhält sich der dritte Fuß des Weibchens zu seinem 
zweiten Fuße wie 4,144... zu 1. Diese Abweichung kann jedoch nicht 
auffallen, wenn man sich vergegenwärtigt, dass der dritte Fuß des Männ- 
chens mehr in der Dicke als in der Länge entwickelt ist und dass außer- 
dem gerade dieser Fuß es ist, der die geschlechtliche Auszeichnung 
besitzt. Wenn ferner die Genitalöffnungen hinsichtlich ihrer Länge un- 
verhältnismäßig differiren, so kann das meines Erachtens auch nicht 
Wunder nehmen, da die Sexualorgane dieser beiden Geschlechter im 
Allgemeinen recht auffallende Unterschiede darbieten?. 

Wenn ich mir erlaubte, die Midea-Diagnose des R. M. BruzeLivs 
auszubauen, so sei entschuldigend bemerkt, dass ich durch die Kennt- 
nis des Männchens in den Stand gesetzt wurde, dieselbe präciser ab- 


1 Diese Messungen wurden ausgeführt mit Hilfe des Ocularmikrometers mit 
5 mm in 50 Theilen bei dem Objektiv BB und dem dritten Ocular eines Zeıss’schen 


Mikroskops. 
2 Falls Jemand wünscht, sich von der Zusammengehörigkeit der zwei mich 


in dieser Arbeit beschäftigenden Thierchen ad oculos zu überzeugen, dem steht ein 
Präparat gern zu Dienste. 


Beitrag zur Kenntnis der Hydrachniden-Gattung Midea Bruzelius. 609 


zufassen. Behufs etwaiger Vergleichung möge die Diagnose des BruzE- 
ıus hier Platz finden: 

»Corpus subrotundum, granulatum, margine pilis vel setis raris 
instructo. Palpi longi, articulo secundo et tertio crassiusculis, quarto 
longiori, attenuato, quinto parvo, acutiusculo. Pedes longiusculi, duo 
paria anteriora pilis raris, duo posteriora pilis longissimis,, fasciculatim 
apicı quarti, quinti et sexti articuli affixis, instructa. Oculi duo di- 
stanteS. « 

Bei der Gattung Midea fällt in manchen Beziehungen eine nahe 
Verwandtschaft mit dem Genus Arrenurus Dug&s, so wie mit Axona 
Kramer auf!. C. L. Koch würde vielleicht die Midea elliptica, wenn er 
sie wirklich aufgefunden hätte, zu dem Geschlecht Arrenurus gestellt 
haben, was mir Axona versicolor (Müller) beweist 2, welche schon allein 
wegen des Mangels einer Scherenbildung der Palpen dem fraglichen 
Genus nicht zugerechnet werden darf. Um die Behauptung der Affini- 
tät obiger drei Gattungen zu begründen sei hier des ihnen ausschließ- 
lich eigenen »Rückenbogens« erwähnt, welcher zuweilen aus einer 
Ellipse, aber meistens aus einem hinten offenen Bogen, besteht und durch 
weiche Haut gebildet wird und sich hierdurch von der derben, granu- 
lirten Körperoberfläche deutlich abhebt. Kramer fasst diesen Rücken- 
bogen als Grenzlinie zwischen einem »Rücken- und Bauchpanzer« auf. 
Gegen die Auffassung von zwei Panzern wäre am Ende nichts einzu- 
wenden; dass Kramer aber das Stück der Körperhaut, welches bei einer 
großen Anzahl Arrenurusspecies nebst der ventralen Körperseite den 
größten Theil des Rückens bedeckt, Bauchpanzer heißt, das will mir 
nicht ganz korrekt erscheinen. - 

In der obigen Gattungs-Diagnose gab ich an, dass bei Midea das 
erste Epimerenpaar mit einander verwachsen sei. In diesem Punkte 
befinde ich mich im Widerspruch mit BruzeLius, der in seiner oben 
näher signalisirten Monographie auf der dritten Tafel bei Figur 5, welche 
das Weibchen unserer Midea elliptica (Müll.) darstellt, deutlich eine 
Naht beim ersten Coxalplattenpaar zeichnet. Ich habe indess eine solche 


1 Mit vollem Recht hat P. Kramer für die Hydrachnide unter der ehemaligen 
Bezeichnung Arrenurus versicolor (Müll.) ein selbständiges Genus gegründet und 
zwar Axona (WıEGMAnN’s Archiv für Naturgesch. 1875. Bd. I. p. 310). Allerdings 
that er insofern einen Fehlgriff, als er die eine in Frage kommende Species für 
neu hielt, indem er sie — ihrer herrlichen bläulichgrünen Farbe wegen — Axona 
viridis Kram. taufte. 

2 Übersicht des Arachnidensyst. Heft II. p. 24 und Deutschl. Crustac., Myriap. 
und Arachn. Heft 13. Taf. 46 und 17. 

® WıEemann’s Archiv für Naturgesch. 1875. Bd. I. p. 264 und 265. 


610 F. Könike, 


niemals erkennen können, selbst nicht bei den der Kalimaceration aus- 
gesetzten Exemplaren. 

R. M. BruzeLiıus sagt ferner von den Mandibeln der Midea (p. 36): 
» Mandiblerna likna fullkomligt dem af Atax.« Eine vollkommene Über- 
einstimmung trifft indess nur in Bezug auf die Art der Biegung der- 
selben zu; im Übrigen zeigen sich merkliche Unterschiede. Bei den 
Mandibeln des Atax crassipes (Müll.) erkenne ich eine deutliche Quer- 
wellung an der Basis, die ich bei der Midea-Mandibel vermisse. Auch 
unterscheidet sich jene von dieser dadurch, dass sie scharfspitzig aus- 
läuft, während die letztere — wie aus Figur 5 ersichtlich — mehr stumpf 
endigt. 

Aus meiner obigen Beschreibung der Species geht hervor, dass 
das Midea-Männchen sowobl als das -Weibchen einen großen, gelblich 
weißen Fleck besitzt, der — vorn am Körperrande beginnend — sich 
weit rückwärts erstreckt und sich dadurch vor ähnlichen Flecken bei 
andern Wassermilben kennzeichnet, dass er hinsichtlich der Größe so 
wie der Farbe nicht variirt. Ob derselbe durch ein Exkretionsorgan 
bedingt ist, wage ich nicht zu behaupten. Wahrscheinlich ist das aller- 
dings. Da die Haut bei Midea elliptica derb und daher weniger durch- 
scheinend ist, so wird eine Entleerung des betreffenden Organs keine 
sehr in die Augen fallende Veränderung in der Größe und Färbung des 
Flecks hervorrufen können. Bei Hydrachniden mit hyaliner Körperhaut 
wird dagegen bekanntlich eine solche Veränderlichkeit beobachtet. _ 

Die geschlechtliche Auszeichnung des Midea-Männchens besteht 
nächst dem eigenthümlichen Genitalhofe in einer Umbildung des End- 
gliedes am dritten Fuße. Dasselbe besitzt eine Ausbuchtung, wie sie 
manche Nesaea-Männchen am vierten Gliede des letzten Fußes aufweisen. 
Außer diesem Ausschnitt des Endgliedes haben die beiden Krallen des- 
selben eine Veränderung erfahren, welche Thatsache auch bei Männchen 
anderer Gattungen in ähnlicher Weise zur Erscheinung kommt. Ich er- 
innere beispielsweise an das Eingangs dieser Arbeit erwähnte Männchen 
zu Nesaea variabilis Koch, das außer dem Ausschnitt am vierten Gliede 
des vierten Fußes noch ein verkürztes Endglied am dritten Fußpaare 
hat, welches nur mit einer einzigen, nicht normal gebildeten Kralle be- 
waffnet ist. Ebenso besitzt Nesaea nodata (Müll.) ein kolbig verdicktes 
Endglied am dritten Fuß, das auch nur eine umgebildete Kralle aufweist. 

Das Genitalfeld des Midea-Männchens differirt von dem des Weib- 
chens ganz erheblich. Am frappantesten zeigt sich dies in dem Vor- 
handensein von Geschlechtsklappen. Etwas Ähnlichem bin ich unter 
den Hydrachniden im Übrigen noch nicht begegnet. Man fragt sich 
unwillkürlich, welchem Zwecke die durch eine schöne Form sich aus- 


Beitrag zur Kenntnis der Hydrachniden-Gattung Midea Bruzelius. 611 


zeichnenden Klappen dienen möchten. Es drängte sich mir Anfangs der 
Gedanke auf, sie könnten dazu gebraucht werden, die Genitalöffnung 
zeitweilig zu verschließen, doch wollte mir das nach einiger Überlegung 
nicht recht einleuchten, indem ich vergebens nach einem vernünftigen 
Grunde eines solchen Verschlusses suchte. Dass dieselben als Penis 
fungiren könnten, ist auch nicht wohl denkbar. Am wahrscheinlichsten 
will es mir wegen der auf den Sexualklappen vorhandenen Haftnäpfe 
erscheinen, dass jene ein besonders ausgebildeter, bei dem Akt der 
Begattung eine Rolle spielender Saugapparat sei. Man wird darüber 
wegen der Schwierigkeit geeigneter Beobachtung so bald nicht ins Klare 
kommen. 

Im Anschluss hieran möchte ich noch auf einen Widerspruch 
KramER’S mit CLAPArkDE kommen und zwar in Betreff der napfförmigen 
Gebilde im Genitalhof, die unter den Hydrachniden so sehr verbreitet 
sind. Dieselben werden von CLAPArRkDE für Saugnäpfe gehalten, gegen 
welche Auffassung Kramer polemisirt!, indem er sagt, es sei unwahr- 
scheinlich, dass dieselben im Allgemeinen als Saugnäpfe fungirten, man 
müsse vielmehr annehmen, dass sie zur Zeit der Begattung in Gebrauch 
träten, wogegen aber wieder die zu diesem Zweck ungeeignete Anord- 
nung derselben bei dem Genus Arrenurus spräche. Die Annahme von 
Saugnäpfen kann durch diese Gattung allein — das ist meine Meinung — 
nicht unbedingt widerlegt werden. Bei Arrenurus kann freilich von 
einem Gebrauch der in Frage stehenden Organe keine Rede sein, denn 
während bei den Weibchen nur verkümmerte, in der Rückbildung be- 
beriffene Genitalnäpfe sich vorfinden, sind bei den Männchen solche 
überhaupt nicht vorhanden. In Beireff dieses Mangels scheint jedoch 
anderweitig für einen Ersatz gesorgt zu sein, was aus folgender Beob-- 
achtung erhellt: Am 12. August vorigen Jahres erblickte ich in meinem 
Hydrachnidengefäß, in welchem ich eine größere Anzahl Wassermilben- 
arten beisammen habe, zwei Arrenurus-Species, anscheinend in Kopu- 
lation begriffen. Ich fing das Paar mittels einer Glasröhre und that es 
unter das Mikroskop, ohne dass die Vereinigung der beiden Thierchen 
gelöst wurde. Das Männchen machte die größte Anstrengung, eine 
Trennung zu bewerkstelligen, was ihm jedoch nicht gelang, selbst nicht 


_ als ich einen Tropfen Alkohol unter das Deckglas brachte, in Folge 


dessen die Bewegungen beider Milben lebhafter wurden. Sie hafteten 

mit ‚der ventralen Körperseite durch einen zähflüssigen Schleim an ein- 

ander, in welchem Zustande ich sie nun in einem mikroskopischen 

Dauerpräparate besitze. Ich vermuthete in dem weißlichen Schleim den 

Samen; doch vermochte ich weder Spermatophoren noch Spermatozoen 
1 Wıesmann’s Archiv für Naturgesch. 4875. Bd. I. p. 268 und 269. 


612 F. Könike, Beitrag zur Kenntnis der Hydrachniden-Gattung Midea Bruzelius. 


zu erkennen. Daher habe ich annehmen zu dürfen geglaubt, dieser 
Schleim sei bei dem in Betracht kommenden Genus das Anheftungs- 
mittel bei der Kopulation und zwar der Ersatz für die verkümmerten 
Sexualsaugnäpfe. Kramer führt an genannter Stelle weiter aus, dass er 
eine Blase, wie sie CLArArkDE bei den Geschlechtsnäpfen angebe, nicht 
habe aufzufinden vermögen, und dass eine solche da nicht vorhanden 
sein könne, »wo gar keine Porenöffnung in dem Napf bemerkbar« sei, 
wie z. B. bei Limnesia maculata. Auch sei das Heraustreten einer Blase 
aus den winzigen Löchern, wie die Öffnungen mancher Näpfe, nicht 
wahrscheinlich. Es bleibe mithin nichts Anderes übrig, als die frag- 
lichen Gebilde als » besonders gestaltete Porenöffnungen« zu betrachten. 
In Rücksicht auf diese Reflexionen möchte ich mir erlauben zu fragen, 
ob es gar so unwahrscheinlich sei, dass aus einem winzigen Loch eine 
winzige Blase heraustrete, und ob Kranezr diejenigen Näpfe ohne be- 
merkbare Öffnung auch als » besonders gestaltete Porenöffnungen « an- 
sehe? Gegen die Kramer’sche Auffassung glaube ich auch mit Recht das 
Midea-Männchen ins Feld führen zu können. Dasselbe besitzt bekannt- 
lich auf den Geschlechtsklappen Genitalnäpfe, welche schon aus dem 
Grunde keine »besonders gestaltete Porenöffnungen« sein können, weil 
sie sich auf einem Anhangsorgan befinden. Ihre Position spricht meines 
Erachtens aber nicht für die Unmöglichkeit von Saugnäpfen. Ich kann 
daher schließlich nicht umhin, meine Übereinstimmung mit E. Crarı- 
reDeE’s Annahme zum Ausdruck zu bringen. 


Bremen, im Februar 1881. 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel XXX, 


Fig. 4. Midea elliptica $. e, Dactylus des dritten Fußes; p, das verlängerte 
vierte Palpenglied; m, Rückenfleck ; s, Rückenbogen (1/70). 

Fig. 2. Epimeren, Maxillen und Genitalhof. e, erstes Epimerenpaar ; m, Maxil- 
len; g, Genitalhof; p, Haarpapillen (1/4135). 

Fig. 3. Genitalhof. a, äußerer Genitalhof; v, Geschlechtsklappe; db, Chitin- 
zapfen; h, Geschlechtssaugnäpfe auf der Genitalklappe; s, Geschlechtssaugnäpfe 
der Schamlippen (41/240). 

Fig. 4. Endglied des dritten Fußes. a, kleine Kralle mit Nebenhäkchen; b, große 
Kralle; c, Endgliedspitze mit Borste; d, drei Dornen (14/440). 

Fig. 5. Normalkralle. a, Haupthaken; db, Nebenhaken (1/750). 

Fig. 6. Maxillarspitze. a, Maxillarknie; d, Mandibel (41/750). 


| 


Revision von H. Lebert's Hydrachniden des Genfer Sees. 


Von 


F, Könike in Bremen. 


Mit Figur 7 auf Tafel XXX. 


A. Einleitende Bemerkungen. 


Es sind verschiedene Arbeiten des 1878 verstorbenen Professors 
H. Lesert publicirt worden, welche zum Gegenstande die Wasseraca- 
rinen der Fauna des Genfer Sees haben, deren Erforschung die Wissen- 
schaft Herrn Professor F. A. ForeL in erster Linie verdankt. Die erste 
erschien 1874 und enthielt in sehr ausführlicher Behandlung Campo- 
gnatha Foreli Lebert 1. In einer in demselben Jahre veröffentlichten Arbeit 
Ȇber den Werth und die Bereitung des Chitinskeletes der Arachniden 
für mikroskopische Studien«? beschrieb Leserr seine von Campognatha 
Foreli angefertigten vortrefflichen Chitinskelete, welche leider abhanden 
gekommen zu sein scheinen, denn sie haben sich brieflichen Mittheilungen 
der Herren Foreı, HaLLer und Neuman zufolge trotz der vielseitigen Be- 
mühungen dieser Herren, dieselben zu erlangen, nicht auffinden lassen. 
Weniger eingehend als die Campognatha Foreli behandelte LEsErT seine 
Campognatha Schnetzleri3. Die Hauptarbeit erschien 1879 mit 19 größten- 
theils als neu beschriebenen Species *. 

Lesert ließ sich allzusehr von der Idee beherrschen, dass die 
Wassermilben, welche der Lac Leman (Genfer See) in einer solch be- 
trächtlichen Tiefe von 25—300 m berge, neu seien. Er hat sich in 


1! Bulletin de la Soci6te Vaudoise des Sciences naturelles. Vol. X1Il. No. 73. 
4874. p. 64—94. pl. Tet I. | 

2 Sitzungsberichte der kaiser). Akademie der Wissenschaften in Wien. Bd. 69. 
Abthlge. I. p. 645—652. Taf. III, Fig. 235—33. 

3 Bull. Soc. Vaud. des Scienc, nat. Vol. XV. No. 80. 4878. p. 502—506. 

* Bull. Soc. Vaud. Vol. XVI. No. 82. 1879. p. 327—376. pl. X et XI. 

5 LEBERT unterscheidet drei Hydrachniden-Faunen im Genfer See: 4) »la faune 


614 F, Könike, 


Folge dessen wohl über die vorhandene Litteratur hinweggesetzt; man 
begreift sonst wahrlich nicht, wie es möglich war, dass er längst be- 
kannte Formen neu benannte. 

Der Zweck meines gegenwärtigen Aufsatzes ist der, eine kleine Vor- 
arbeit zu liefern zu einer nochmaligen gründlichen Bearbeitung der 
Leserr’schen Wasser-Acarinen , welche von dem eben so tüchtigen als 
eifrigen Acarinologen Dr. G. Harzer in Bern vorgenommen werden wird. 
Wenn ich es wage, die Identificirung einiger Hydrachniden LeBeErr's zu 
versuchen, so stütze ich mich vornehmlich auf den Besitz eines reich- 
haltigen Vergleichsmaterials.. Meine Hydrachniden-Kollektion umfasst 
nahezu 60 Arten, welche Zahl vermuthlich reichlich die Hälfte der euro- 
päischen Species ausmacht. G.L. Kocn! zählt freilich mehr als 180 
Arten auf, die jedoch auf etwa !/; zusammenschmelzen dürften, da er 
in zahlreichen Fällen nachweisbar Jugendformen beschrieb und auch auf 
die von innern Organen herrührenden und desshalb außerordentlich 
variablen Fleckenzeichnungen zu sehr Gewicht legte. Koch sammelte recht 
eifrig und vielseitig in Baiern, also im Gebirgslande, während sich mein 
Sammlungsgebiet hauptsächlich auf die weitere Umgebung Bremens, 
also auf das Tiefland beschränkte ?. Trotzdem bieten sich keine nennens- 
werthen Unterschiede in den beiderseitigen Species. Vielmehr besitze 
ich alle charakteristischen Arten Kocn's. Desshalb habe ich annehmen 
zu müssen geglaubt, dass die Gebirgsteiche und Seen nichts Wesent- 
liches vor denen des Flachlandes voraushaben und dass ferner die geo- 
graphische Verbreitung bei den Wassermilben keine erhebliche Rolle 
spiele. Ich werde in dieser meiner Ansicht bestärkt durch eine brief- 
liche Notiz des schwedischen Hydrachnologen Herrn €. J. Neunan in 
Skara, der mir auf die Äußerung jener Ansicht erwiederte: » Auch hier 
stimmt die Gebirgsfauna so ziemlich mit der der Ebene überein.« 

An dieser Stelle möchte ich noch auf einige allgemeine Punkte ein- 
gehen, in denen Leserr ältern Autoren gegensätzlich gegenüber steht. 
Leserr sieht die Epimeren (Hüftplatten) als Fußglieder an®. Ich möchte 
mich durchaus zu Gunsten der Ansicht des exakten Forschers Professor 
E. CLAPARkDE aussprechen, der die Epimeren als nicht zu den Füßen 
gehörig und letztere als sechsgliedrig betrachtet. Die Palpen fasst LesErT 


littorale« (Seeoberfläche bis zu einer Tiefe von 8 m), 2) »la faune profonde« (Tiefe 
von 20—300 m) und 3) »la faune parasite«. 

1 Übersicht des Arachniden-Systems. Nürnberg 1842. p. 1—36. Taf. I—IV. 

2 Ich fischte auch auf dem Elm, einem 1008’ hohen nördlichen Ausläufer des 
Harzes, in mehreren Teichen, fand indess keine mir unbekannte Species. 

3 Bull. Soc. Vaud. Vol. XIII. No. 72. p. 88. 

* Diese Zeitschrift. Bd. XVII. 1868. p. 461. 


Revision von H. Lebert's Hydrachniden des Genfer Sees. 615 


als sechsgliedrig auf!. Ich schlage jedoch vor, an der Auffassung der 
Fünfgliedrigkeit derselben festzuhalten, indem meine Meinung dahin geht, 
dass Leserr’s Palpenbasalglied ein Theil der sogenannten Unterlippe (der 
mit einander verwachsenen Maxillen) sei. Das fragliche Glied ist eben 
so wenig zu den Palpen zu rechnen als die Epimeren zu den Füßen. 

In Bezug auf die Anzahl der Augen bei den Wassermilben spricht 
LEBERT2 seine Übereinstimmung mit CLAPartpE® und MengE* aus, dass 
nämlich jene Thierchen vier Augen besitzen. CLaPArkDeE erwähnt bei Atax 
Bonzi Clap.5 zwei Doppelaugen mit je zwei Linsen. G.L. Kocn® dagegen 
schreibt seinen Hygrobatiden, welcher Familie auch das Genus Atax an- 
gehört, nur zwei Augen zu. Diese Meinungsdifferenz rührt daher, dass 
bei den meisten Wassermilben die vier Augen gruppenweise zu je zweien 
nahe an einander rücken, wodurch somit die zwei als eins erscheinen. 
Ich theile selbstverständlich die Auffassung der drei ersteren Autoren’. 

LeBerT erzählt®, dass ForeL im Konstanzer See eine Schlacke ge- 
funden habe, bei welcher in einer Höhlung eine Gruppe von 15 Hydrach- 
niden dicht bei einander gewesen sei. Er fügt dann hinzu: »Se parta- 
geaient-elles la une proie, ou bien &taient-elles immobiles au repos dans 
ce reduit, c’est ce quw'il n’etait pas possible d’elueider.« Nach meinen 
Erfahrungen muss das Erstere der Fall gewesen sein. Ich habe nämlich 
wiederholt gesehen, dass mehrere Wassermilben an einem Thierchen 
zehrten. In einem Falle beobachtete ich, dass Nesaea nodata (Müller) 
eine Daphnide anfiel und tödtete, worauf sich eine ganze Gesellschaft 
Milben, Gyclopiden und Cypriden zum Schmause einstellte. Ein anderes 
Mal bemerkte ich, dass eine Menge kleinerer Hydrachniden mit vereinten 
Kräften eine bei weitem größere Eylais extendens (Müller) überwältigte 
und verzehrte. Niemals hatte ich aber Gelegenheit zu beobachten, dass 
viele Wassermilben müßig und in dumpfer Beschaulichkeit bei einander 

1 Bull. Soc. Vaud. Vol. XII. p. 71ff. und p. 8%, 

2 Ibidem. p. 68ff. und p. 9. 

3 Diese Zeitschrift. Bd. XVII. p. 468. 

* Professor MEneE in Danzig war LEBERT bei dem Studium der Campognatha 
Foreli Lebert behilflich. 

5 CLAPAREDE Spricht freilich die Ansicht nicht direkt aus, als hätten die Wasser- 
Acarinen vier Augen; indem er aber zwei Doppelaugen bei Atax annimmt, bei wei- 
cher Gattung Koca nur zwei Augen erkannt haben will, entscheidet sich jener Autor 
für die Vieräugigkeit der in Rede stehenden Thiere. 

6 Übers. des Arachnidensystems. Heft III. p. 7. 

7 O. F. MüLter giebt bei seiner Hydrachna umbrata (Hydrachnae, quas in aquis 
Daniae palustribus. Lipsiae A784. p. 82) sechs Augen an. Diese Beobachtung be- 
ruht jedoch auf einer Täuschung, die bei der Unvollkommenheit der Instrumente 


des vorigen Jahrhunderts durchaus erklärlich ist. 
8 Bull. Soc. Vaud. Vol. XIII. p. 64. 


616 F. Könike, 


saßen. Das liegt eben nicht im Wesen der Raubthiere, und mit solchen 
hat man’s doch bekanntlich in den Hydrachniden zu thun. 


B. Specieller Theil. 


1. CGampognatha Foreli Lebert. 
Fundort: »faune profonde.«. 


F. A. Forer führt diese Species in seinen » Faunistischen Studien in 
den Süßwasserseen der Schweiz «1 unter dem Namen Lemania Foreli 
Lebert auf und giebt zur Aufklärung dieses Umstandes bald darauf, bei 
Gelegenheit der Veröffentlichung der zweiten Hydrachniden- Arbeit 
Lerert’s?2 die Notiz, die Namenänderung, die Folge eines Irrthums 
Lesert’s, der den anfänglichen Gattungsnamen in einer andern Thier- 
klasse vergeben wähnte, was nicht der Fall gewesen, sei zu redressiren 
und die Bezeichnung Ehmpeguntbs beizubehalten. 

C. L. Kocn’s inkorrekte Bezeichnung » Rückenstigmen« scheint in 
erster Linie die Schuld daran zu tragen, dass Leserr nicht im Stande 
war, das Thier, oder richtiger die unter obigem Namen beschriebenen 
Thiere, in eine der bestehenden Genera unterzubringen. Kocn bezeich- 
nete mit jenem Namen die auf dem Rücken der Wasseracarinen befind- 
lichen Haarwarzen, auf denen er die Haare oder Borsten nicht erkannte. 
LEBErT dagegen glaubte, jener Autor belege mit dem fraglichen Namen 
die Geschlechtshaftnäpfe um die Genitalöffnung, was außer einigen an- 
dern Stellen besonders deutlich aus folgenden Worten hervorgeht: »les 
stigmates dorsaux de Koch seraient &loignes les uns des autres, tandis 
que nous les trouvons tres rapproch6s et ventraux au milieu PER de 
l’abdomen «3. 

Leserr folgt darin der falschen Auffassung CrarırkDe’s, der sich in 
seiner musterhaften Arbeit »Studien an Acariden« folgendermaßen äußert: 
»Die Saugnäpfe nennt er« (Kocn) »Rückenstigmen, eine jedenfalls irrige 
Benennung nicht nur bezüglich der Funktion, sondern auch in Betrefi 
der Lagerung.« 

P. Kramer urtheilt in seiner Arbeit » Neue Acariden « über Campo- 
gnatha Foreli Lebert wie folgt: »Ein Blick auf die ihm beigegebenen 
Tafeln I und II genügt, um zweierlei sofort klar zu machen, nämlich 
dass völlig verschiedene Thiere unter demselben Artnamen beschrieben 
sind, — man vergleiche Fig. 4 und 5, Tafel I — und dass diejenige Art, 
welche wahrscheinlich das Hauptmaterial abgegeben hat, und zu welcher 


1 Diese Zeitschrift. Bd. XXX. Suppl. 1878. p. 386. 


2 Bull. Soc. Vaud. Vol. XV. No. 80. 1878. p. 502. 
3 Ibidem. Vol. XIII. No. 72. 1874. p. 92. * DieseZeitschr. Bd. XVII. p. 447. 


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Revision von H. Lebert’s Hydrachniden des Genfer Sees. 617 


die beigegebene Tafel II sehr deutliche Abbildungen bringt, eine echte 
Limnesia ist. Es ist, was den ersten Punkt betrifft, möglich, dass durch 
die etwa misslungenen Zeichnungen des vierten Fußpaares in den Figu- 
ren 2, 3, A, 6 der ersten beigegebenen Tafel das charakteristische Kenn- 
zeichen der Gattung Limnesia verwischt ist, die bekanntlich an diesem 
Fußpaare keine Krallen oder höchstens nur winzige Andeutungen davon 
hat, wie sie LEBERT auch weiterhin angiebt. Sollten diese Figuren aber treu 
sein, so gehören sie, wie gesagt, nicht zu demselben Thier wie Abbil- 
dung 5, wozu auch die ziemlich merkliche Verschiedenheit in der Größe 
und Anordnung der Saugnäpfe zwischen beiden Arten von Abbildungen 
stimmt!.« Kramer glaubt in den durch die Figuren 4 und 5 der ersten 
Tafel dargestellten Thieren verschiedene Species erblicken zu müssen. 
Die Richtigkeit dieser Ansicht ist durchaus nicht ausgeschlossen. Doch 
sollte Kramer auch bedacht haben, dass Figur 4 nach einem Chitinskelet 
angefertigt worden ist, welches bei der Kali-Maceration vom vierten Fuß 
auf der rechten Seite zwei und auf der linken Seite sogar fünf Endglie- 
der verloren hat! Die letziern sieht man vorn transversal in der Figur 
liegen. Figur 4 stellt somit auch aufs bestimmteste eine Limnesia dar, 
und zwar geben die beiden Abbildungen 4 und 5 meines Erachtens die 
zwei Geschlechter derselben Species wieder. In Bezug auf die Figuren 
2, 3 und 6 vermuthet Kramer nach meiner Überzeugung richtig, dass 
dieselben einer anderen Art angehören als Fig. 5. Jene drei Abbildungen 
stellen, so weit ich recht urtheile, eine und dieselbe Species dar und 
zwar Hygrobates longipalpis Hermann ?. Mit diesem Urtheil stehe ich 
keineswegs allein; vielmehr ist G. J. Neuman zu demselben Resultat ge- 
kommen. Derselbe theilte mir in einem Briefe, datirt vom 40. Januar 
dieses Jahres, Folgendes mit: »Ich habe aus der Schweiz von Professor 


1 WıEeMmAnN’S Archiv für Naturgesch. 1879. Bd. I. p. 7 und 8. 

2 Es ist nothwendig, dass ich hier einige synonymische Bemerkungen einschalte. 
Ich glaube nämlich in der Hydrarachna longipalpis Hermann (M&emoire apterologique, 
par J. F. Hermann, publie par F. L. Hermann. Strasbourg 1804. p. 55. pl. II, fig. A 
et pl. IX, fig. P) die Hygrobates rotundatus Koch (Deutschlands Crustaceen, Myria- 
poden und Arachniden. Heft X. Fig. 45 und 46) mit für mich absoluter Gewissheit 
wieder erkannt zu haben. Die letztere wurde durch R. M. Bruzeuiıvus (Beskrifning 
öfver Hydrachnider som förekomma inom Skäne. Lund 4854. p. 37—39. tab. IV, 


| Be, 4) ziemlich gut beschrieben und abgebildet (die Lagerung der Genitalsaugnäpfe 


| 


giebt freilich die Abbildung falsch wieder; dieselben liegen nicht hinter einander, 
‚ sondern in Dreiecksform, so dass die zwei letzten sich neben einander befinden). 


ı Auf die oben bezeichnete Identität führte mich hauptsächlich die abgebildete Palpe 
‚, auf planche IX, fig. P bei Hermann, welche zu meinem Erstaunen sogar den Zahn 


t 
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‚ unterseits am vordern Rande des zweiten Tastergliedes zeigt. Dieses zuverlässige 
, Merkmal gabP. Kramer Veranlassung, unsere Species Nesaea dentataKram. zu heißen 


(WiIEGMAnN’S Archiv für Naturgeschichte. 4875. Bd. I. p. 304. Taf, VII, Fig. 13). 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. | 


618 F, Könike, 


Forer Campognatha Foreli lebendig erhalten und sie mehrere Wochen 
aufbewahrt. Dieses eben hat mich in Stand gesetzt zu konstatiren, dass 
dieses Geschlecht kein neues ist, sondern Hygrobates!.« Von Fig. 6 der 
ersten Tafel sagt Leserr: »La coloration ainsi que tout l’'habitus de notre 
hydrachnide se trouve represente dans la fig. 62.« Diese Abbildung 
nebst den Figuren 3 und 6 B ist es in erster Linie gewesen, die mich 
auf die oben bezeichnete Identität führte. Figur 6 giebt die Gestalt (fast 
kreisrund) von Hygrobates longipalpis Herm., so wie auch deren Färbung 
und die spärliche Behaarung der Füße (eigentliche Schwimmhaare fehlen 
fast gänzlich) vortrefflich wieder. Figur 3 zeigt die ventrale Körperseite 
und die Gestalt und Lagerung der Epimeren, die keine Abweichungen 
von denen der Hygr. longipalpis bieten. Leider zeigt die letztgenannte 
Abbildung das Genitalfeld nicht, was ich mir dahin erkläre, dass dieselbe 
nach einem die Kalimaceration bestandenen Exemplar angefertigt wurde. 
Ich empfinde das Fehlen desselben um so schmerzlicher, als es mir nicht 
vergönnt war, Tafel II, welche — nach der Erklärung derselben zu ur- 
theilen — äußerst interessant und instruktiv ist, zu Gesicht zu be- 
kommen, weil dieselbe in dem mir zu Gebote stehenden Bande des 
Bulletin de la Societe Vaudoise fehlt. Fig. 6 B auf Tafel I stellt eine von 
Professor MEnGE gezeichnete Palpe dar, die wegen des Mangels eines 
charakteristischen senkrecht zur Längsachse stehenden Zapfens am zwei- 
ten Palpengliede nicht einer Limnesia angehören kann. Dieselbe giebt 
im Gegentheil in trefflicher Ausführung eine Hygrobates-Palpe wieder, 
die sich durch das Vorhandensein eines mit Zähnchen besetzten Höckers 
an der vordern Kante des untern zweiten Tastergliedes auszeichnet; 
das dritte Glied ist unterseits ebenfalls gezähnelt. 

Interessant wäre es, sich mit Bestimmtheit sagen zu können, um 
welche Limnesia es sich handle, die in Gemeinschaft mit Hygr. longipal- 
pis als Campognatha Foreli beschrieben ist. Limnesia maculata (Müller) 


1 Da die Berechtigung des Genus Hygrobates von P. Kramer negirt worden ist, 
so möchte ich mich an dieser Stelle — auf meine speciellen Gründe werde ich näch- 
stens zurückkommen — für dessen Beibehaltung erklären, indem ich mich vor der 
Hand auf einen Ausspruch desselben Autors berufe, den man in seiner Arbeit »Bei- 
trag zur Naturgeschichte der Hydrachniden« (WıEs=. Archiv f. Naturgesch. 1875. 
Bd. I. p. 324) findet: »Andere, wie Limnesia, Nesaea und Hygrobates sind durch 
M.R. BruzeLius’ Arbeiten in den Bereich genauer Bestimmung gerückt und müssen 
beibehalten werden.« In derselben Monographie KrAmer's liest man wenige Seiten 
später (p. 328) auffallenderweise eine Stelle, welche zu jener konträr steht: »Das 
Genus Hygrobates Koch wird wohl kaum von Nesaea zu trennen sein.« Auf diese 
Notiz und die weitere Ausführung beruft sich KrAMER in seinen »Grundzügen zur 


2 Bull. Soc. Vaud. Vol. XIII. p. 68. 


N 
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Systematik der Milben« (Wien. Archiv f. Naturgesch. 1877. Bd. I. p. 238). | 


Revision von H. Lebert's Hydrachniden des Genfer Sees. 619 


undL.histrionica (Hermann) können allein wegen der hochrothen Körper- 
farbe nicht in Betracht kommen. Von den mir bekannten Species dieser 
Gattung fällt mein Augenmerk hauptsächlich aufLimnesia calcarea (Müll.)!. 
Ich bin indess zu meinem Bedauern nicht in der Lage, das betreffende 
Thierchen in natura mit Leserr’s Beschreibung und Abbildung zu ver- 
gleichen, da ich die Hydrachnide, welche man im Frühjahr bei Bremen 
häufig antrifit, gegenwärtig nicht im Besitz habe. Ich muss es daher 


_ bei einer Vermuthung, deren Richtigkeit jedoch viel für sich hat, be- 


wenden lassen. 

Dem Sachkundigen wird sich gewiss die nahe liegende Frage auf- 
drängen, wie es komme, dass LEesERT zwei so sehr von einander ab- 
weichende Formen als eine Species angesehen habe. Man bedenke indess, 
dass Lesert — kein Hydrachnologe — in der Campognatha Foreli die 
erste Hydrachnide sah. Er glaubte irrthümlicherweise bei manchen 
Organen und Merkmalen die Beobachtung gemacht zu haben, dass sel- 
bige höchst variabel seien, was man aus Folgendem zur Genüge ersieht: 
»Nous voyons en outre, de plus en plus, que des caracteres en apparence 
d’importance majeure, tels que la coloration, le dessin, les articles termi- 
naux des jambes le nombre des plaques fixatrices de l’aire genitale, ont 
une assez grande latitude de variabilite, pour que l’on ne doive pas trop 
se presser de multiplier les especes?.« Auf die Färbung glaubte L£BErr, 
indem er hierin auch CLaParkpe folgte, durchaus kein Gewicht legen zu 
dürfen. Es ist freilich wahr, dass sich bei manchen Arten in dieser Be- 
ziehung ein auffallendes Variiren bemerkbar macht, doch nicht in dem 
Umfange wie Leserr anfänglich voraussetzte. Bei weitaus den meisten 
Species ist die Farbe konstant, so dass sie auch Berücksichtigung finden 
darf und muss. Mit »le dessin« meint LEBERT, was ich annehmen darf, 
vorzugsweise die Rückenflecke, bei welchen die Behauptung einer »grande 
latitude de variabilit@ « allerdings fast absolut zutrifft. Freilich giebt es 
auch in dieser Beziehung Ausnahmen, z. B. bei Midea elliptica (Müll.), 
welche einen großen weißlichen konstanten Fleck, der sich weit rück- 


1 O0.F. MüLter, Hydrachnae quas in aquis Daniae palustribus. Lipsiae 1781. 
p. 78. tab. 44, fig. 5. 2 Bull. Soc. Vaud. Vol. XIII. p. 89 et 90. 

3 Wäre beispielsweise Krauer der Ansicht, dass die Farbe keine Berücksichtigung 
verdiene, nicht allzusehr zugeneigt gewesen, so hätte es ihm wahrlich nicht schwer 
fallen können, seinen Arrenurus tricuspidator, von welchem er berichtet (Wızenm. 
Arch. f. Naturgesch. 4875. Bd. I. p. 318. Taf. IX, Fig. 24 a—c): »Allerdings ist die 
Farbe nicht übereinstimmend mit der von M. R. Bruzeuius beobachteten. Vielmehr 
ist sie dunkelgrün, wie bei allen hier beobachteten Arrenurus-Arten« richtig als 
Arrenurus maculator (Müller) zu determiniren, welcher sich durch seinen langen 
und massigen Körperanhang vor allen andern und ganz besonders vor Arr. tricus- 
pidator (Müller) merklich auszeichnet. 


14% 


620 F. Könike, 


wärts erstreckt, besitzt!. Was die »articles terminaux des jambes« an- 
langt, so setze ich voraus, dass Lesert dabei namentlich die Bewaffnung 
der Füße, also die Krallen, im Sinn hat. Wenn das der Fall ist, so ent- 
wickelt er ebenso in diesem Punkte eine irrige Ansicht, denn nur inner- 
halb des Genus Limnesia ist das pfriemenartige Endglied des vierten 
Fußes ohne deutliche Krallen. Es ist bei den Wassermilben ganz all- 
gemein eine unverkennbare Stabilität in der Krallenbildung zu beob- 
achten. Mit der großen Veränderlichkeit in der »nombre des plaques 
fixatrices de l’aire genitale« hat Leserr bis zu einer gewissen Grenze 
Recht. Denn sind Sexualhaftnäpfe in großer Anzahl vertreten, so ist 
letztere innerhalb derselben Species nicht immer gleich. Übersteigt aber 
ihre Zahl nicht 12, so ist diese ausnahmslos konstant?. Ich verweise 
bei diesem Punkte auf eine bezügliche unantastbare Stelle GLArArkDe’s, 
welche er in den erwähnten »Studien an Acariden« ausspricht®. Der 
Lage des Genitalfeldes legte Leserr ebenfalls keinen Werth bei, was aus 
folgender Äußerung zu ersehen ist: »Les deux hanches triangulaires 
divergent en bas et en dehors et montrent dans un intervalle l’aire geni- 
tale ou l’organe qui renferme les plaques fixatrices, et entre elles au 
milieu, l’ouverture genitale; quelquefois on trouve cet organe plus bas, 
mais jamais aussi en arriere que ÜLAPAREDE l’indique et le figure pour 
l’Atax .« Während bei Limnesia der Geschlechtshof durch die drei- 
eckigen vierten Epimeren von drei Seiten eingeschlossen wird, liegt der- 
selbe bei Hygrobates longipalpis Koch in bedeutender Entfernung von 
ihnen. Außer diesem Unterschiede in den Geschlechtstheilen jener bei- 
den Wassermilben findet sich noch der, dass bei Limnesia jederseits der 
Genitalöffnung drei Geschlechtshaftnäpfe hinter einander gelagert sind, 
während dieselben in gleicher Anzahl bei Hygr. longipalpis so liegen, 
dass die zwei hintern sich neben einander befinden. LesErr erkennt 
somit auch die Lagerung dieser in Rede stehenden Sexualgebilde nicht 
als Artmerkmal an. 

Bei den Chitinskeleten von Limnesia will Legerr den vierten Fuß 
als achtgliedrig erkannt haben 5, während nach der Beobachtung der 
ältern Autoren die Füße der Wassermilben nur sechs Glieder zählen. 
Rechnet man von den acht Legerr'schen Fußgliedern eins, nämlich die 
Epimere, zurück, so bleibt immer noch eins zu viel. Um mir über 


1 Ob dieser Fleck von dem Exkretionsorgan herrührt, vermag ich nicht zu ent- 
scheiden. 

2 Bei Atax crassipes (Müll.) sind noch nie mehr nie weniger als 412 Geschlechts- 
saugnäpfe jederseits der Genitalöffnung beobachtet worden. 

3 Diese Zeitschrift. Bd. XVII. p. 447. 

4 Bull. Soc. Vaud. Vol. XIII. p. 86. 5 Ibidem. p. 88. 


Revision von H, Lebert's Hydrachniden des Genfer Sees. 621 


diesen Widerspruch Klarheit zu verschaffen, ließ ich Limnesia nigra 
Kramer!, welehe der in dieser Arbeit bereits erwähnten Limn. calcarea 
(Müll.) außerordentlich ähnelt, die Kali-Maceration bestehen. Ich er- 
kannte darauf das Thier so, wie die Figuren 4 und 5 der ersten LEBERT- 
sehen Tafel es zeigen. Ohne große Mühe überzeugte ich mich, dass 
LeBerT geirrt hat. Ein flüchtiger Blick lässt allerdings eine scheinbare, 
winzige Coxa am hintern Winkel der letzten Hüftplatte erkennen. Bei 
genauerer Einstellung der Mikrometerschraube entpuppt sich aber dieses 
Fußglied als die Insertionsstelle des Fußes. 

Professor Forer behauptet, dass die Hydrachniden der »faune pro- 
fonde« nicht schwimmen könnten? Im Gegensatz dazu äußert sich 
Leserr folgendermaßen: »J’ai remarqu& quelles s’abstenaient de nager, 
lorsqu’elles pouvaient marcher aisement °.« 

Durch diesen Satz wird Hygrobates longipalpis Koch hinsichtlich 
ihrer Fortbewegungsweise vortrefflich charakterisirt. Obgleich sie im 
Stande ist, sich schwimmend ziemlich schnell fortzubewegen, so wird 
ihr doch das Schwimmen wegen des Mangels an langen Schwimmborsten 
recht beschwerlich fallen. Ihr Gang ist meistens langsam und schleppend, 
doch marschirt sie zeitweise auch recht schnell. 


II. Gampognatha Schnetzleri H. Lebert‘. 
Fundort: »la faune profonde «. 


Diese Artzu identificiren bin ich außerStande. Einzelne von ihrem Au- 
tor signalisirteMerkmale sind mit denen der Hygrobates longipalpis (Herm.) 
übereinstimmend, beispielsweise die Lage der drei jederseits der Genital- 
öffnung liegenden Geschlechtssaugnäpfe in Dreiecksform (p. 503), welche 
mir außer bei Hygr. longipalpis nur noch bei Nesaea lutescens (Herm.)5 


1.WıEen. Arch. f. Naturgesch. 1879. Bd. I. p. 9. 

2 Bull. Soc. Vaud. Vol. XIII. p. 63. 3 Ibidem. p. 64. 

4 Diese so wie alle folgenden Species findet man beschrieben in: Bull. Soc. Vaud. 
des Se. nat. 4879. No. 82. p. 330—377. pl. Xet XI. Es wird sich die Angabe der 
in meinem Text bezeichneten Seiten und Figuren auf diese soeben signalisirte Ar- 
beit von LEBERT beziehen. 

5 Ich glaubte einige synonymische Notizen zu dieser, Species geben zu müssen. 
Sie wurde unter der Bezeichnung Hydrarachna lutescens von J. F. HErMAnn (Mem. 
apter. p. 57. pl. VI, fig. 7) unzureichend beschrieben aber gut abgebildet, so dass 
es Duszs (Ann. scienc. tom.I. 2ser. 1834. p. 146 et 447) meines Erachtens gelang, 
sie wieder zu erkennen; letzterer stellte sie zu dem von FaAsrıcıus geschaffenen und 
von ihm in engere Grenzen eingeschlossenen Genus Atax. C. L. Kocn (Deutschlands 
Crust., Myriap. und Arachn. Heft 37. Fig. 43) wies derselben einen Platz in seiner 
Gattung Hygrobates an, während P. Kramer (Wiesn. Archiv für Naturgesch. 1875. 
Bd. I. p. 302. Taf. VIII, Fig. 40) sie in dem ihr angemessenen Geschlecht Nesaea 
unterbrachte, freilich unter neuem Artnamen; er nannte sie Nesaea trinotata Kram. 


622 F. Könike, 


und Nesaea tripunctata Kramer! bekannt ist. Die meisten L£sErr’schen 
Angaben passen indess nicht auf Hygr. longipalpis. Man scheint es viel- 
mehr mit einer charakteristischen Species zu thun zu haben, welche aber 
wegen der Gestalt der Epimeren und der Position des Genitalhofs sich 
nicht im zuständigen Genus befindet. In Betrefl dieser beiden Punkte 
kongruirt sie mit der Gattung Limnesia, der sie indess wegen des Mangels 
eines senkrecht zur Längsachse stehenden Höckers am zweiten Palpen- 
gliede nicht angehören kann. 


II. Hygrobates nigro-maculatus H. Lebert. 


Wegen der »absence de dent au 3° article« (p. 343) der Palpen — 
dem zweiten Gliede der übrigen Autoren — hat man es in dieser LEBERT- 
schen Species nicht mit einer Limnesia zu thun, was die »6 disques, 
3 de chaque cote de la fente genitale« vermuthen lassen könnten. 
Sämmiliche von Lesert angegebenen Merkmale passen vielmehr auf 
Hygrobates und zwar auf Hygr. longipalpis, die er in einem großen 
Exemplar vor Augen gehabt zu haben scheint. Man vermisst in der 
Diagnose nur die Beschreibung der Epimeren, um seiner Sache absolut 
gewiss sein zu können. 


IV. Limnesia variegata Lebert. V. Limnesia tricolor Leber. | 
VI. Limnesia tessellata Lebert. VI. Limnesia triangularis 
Lebert. VII. Limnesia crassidiformis Lebert. 


Fundort sämmtlicher Limnesia-Arten : »la faune littorale «. 

Ich bin fast geneigt, mich vorläufig eines Urtheils darüber , in. wie 
weit diese Legerr’schen Limnesia-Arten berechtigt seien, , zu enthalten, 
kann aber nicht umhin, meine Meinung dahin auszusprechen, dass es 
mir gewagt erscheint, neue Limnesia-Species zu machen, da alle bis 
jetzt bekannt gewordenen Arten einander so sehr ähneln. Als gute Formen 
betrachte ich Limnesia maculata (Müll.), I. histrionica (Herm.) und L. 
calcarea (Müll.), während ich alle andern bekannt gemachten als Syno- 
nyme, resp. als Varietäten derselben ansehen möchte. Limnesia undu- 
lata Kramer? kennzeichnet sich allerdings im Gegensatz zu den obigen 
drei Arten durch nur zwei Genitalsaugnäpfe jederseits der Geschlechts- 
öffnung, indess bleibt bei derselben noch festzustellen, ob sie nicht etwa 
ein Jugendzustand sei; mir ist es wenigstens trotz der größten Be- 
mühungen niemals gelungen, bei ihr die Geschlechter zu unterscheiden, 

Zu Limnesia calcarea (Müll.) stelle ich Limnesia undulata (Müll.) in 
Übereinstimmung mit C. L. Kocu als Synonym. Dieser Autor sagt in 


1 Wiıeem. Arch. f. Naturgesch. 4875. Bd. I. p. 302—304. Taf. VII, Fig. 12. 
2 Ibidem. Bd. I. p. 312 u. 313. Taf. IX, Fig. 20. 


Revision von H. Lebert's Hydrachniden des Genfer Sees. 623 


der Beschreibung der Limn. undulata (Müll.): »Sehr wahrscheinlich ge- 
hören Hydr. fuscata und Hydr. calcarea Müller als Abarten hierher !. In 
Bezug auf die Hydr. fuscata möchte ich abweichender Meinung sein: ich 
halte dieselbe für eine Jugendform zu Limnesia maculata (Müll.). Ich 
bin geneigt, auch Limnesia nigra Kramer? für identisch mit Limn. cal- 
carea zu halten und zwar sehe ich sie als ein kleines Individuum, resp. 
als eine Jugendform im fünften Stadium nach CrarArkpe an. Auch ist 
meiner Ansicht zufolge Limn. pardina®, welche durch die Güte ihres 
Autors, des Herrn C. J. Nruman, in meinen Besitz gelangte, mit L. cal- 
carea synonym. Zu meinem Leidwesen habe ich aus den bereits an 
einer andern Stelle angeführten Gründen eine Vergleichung mit der von 
mir als Limn. calcarea (Müll.) bestimmten Wassermilbe nicht vornehmen 
können. 

Falls überhaupt nur eine gute Art unter den fünf Limnesia-Arten 
LEBERT's sein sollte, so käme dieserhalb Limn. tricolor in Frage. In Be- 
treff der vier andern erscheint es mir nicht unwahrscheinlich, dass die- 
selben sämmitlich mit Limn. calcarea (Müll.) identisch seien. 


IX. Neumania nigra H. Lebert. 


Furdort: »la faune littorale «. 

Figur 5 auf Tafel X — das Genitalfeld dieser Wassermilbe dar- 
stellend — gab mir die erste Veranlassung, obige Species mit Atax 
spinipes (Müller) zu vergleichen, welche Vergleichung das Ergebnis 
hatte, dass ich die beiden für identisch halte. In dieser Ansicht be- 
stärkten mich ganz besonders folgende Angaben Leserr's (p. 358): 


1) »Les quatre paires de pattes sont terminees par des crochets, 
en forme de demi-lune, epais a la base, sans dentis. « 

2) »Le membre est fort, surtout dans les premiers articles; il est 
couvert de soies natatoires fortes, assez longues, courtes en haut.« 

3) »Les poils des pattes, courts et forts, sont garnis de petits poils 
secondaires, surtout ä l’extremite. « 

Was die mondsichelförmigen Krallen ohne Nebenhaken anlangt, so 
sind mir solche nur innerhalb des Genus Atax bekannt geworden und 
wiederum nur bei der einen Species Atax spinipes (Müll.). Die Krallen 
_ von Atax crassipes (Müll.) und At. Bonzi Glaparede besitzen einen äuße- 
ren winzigen Nebenhaken, während sich diejenigen des Atax ypsilo- 
phorus (Bonz) durch einen innern, dem Haupthaken in der Größe nicht 


! Deutschl. Crust., Myriap. u. Arachn. Heft 6. Fig. 14. | 
2 Wızem. Archiv f. Naturgesch. 4879. Bd. I. p. 9. Taf. I, Fig. 3. 
3 Öfversigt af Kongl. Vetenskaps Akademiens Verhandlingar. 4874. p. 409. 


624 F. Könike, 


nachstehenden Nebenhaken kennzeichnet!. Das zweite Citat aus LEBERT’S 
Beschreibung bezieht sich auf den Vorderfuß, welcher durch die Dicke 
seiner Grundglieder sowohl als auch durch die auf stark entwickelten 
Haarpapillen inserirten Borsten charakteristisch ist. Die dritte LEBERT- 
sche Bemerkung erwähnt gefiederte Borsten, welche ich bis jetzt nur bei 
Atax spinipes gesehen habe. - 

Meines Erachtens muss somit sowohl Leserr’s Gattung als auch die 
Art fallen?. 


X. Neumania alba H. Lebert. 


Fundort: »la faune littorale«. 

Leserr’s Beschreibung dieser Species ist allzu dürftig, als dass man 
im Stande wäre, ein positives Urtheil über deren etwaige Berechtigung 
zu fällen. Die Beschaffenheit der Krallen spricht dafür, dass man's 
nochmals mit Atax spinipes (Müll.) zu thun habe: »elles sont toutes 
quatre terminees par des crochets a une dent, passablement recourbes« 
(p. 360). Trifft diese Vermuthung zu, so hatte Lrgerr zweifelsohne eine 
ziemlich ausgewachsene Jugendform, das fünfte Stadium ÜLArARkDE'S 
vor sich. 


XI. Arrenurus tuberculatus H. Lebert. 


Fundort: »la faune littorale «. 

Der Beschreibung dieser Art sind freilich Abbildungen beigegeben 
worden, dennoch fühle ich mich außer Stande, dieselbe zu identificiren, 
weil wir’s in ihr mit einem Arrenurus-Weibchen zu thun haben. Es ist 


1 Vgl. diese Zeitschr. Bd. XVII. Taf. XXXII, Fig. 8—10 u. Taf. XXX, Fig. 10. 

2 Es möge hier noch eine synonymische Notiz Platz finden. Atax spinipes (Müll.) 
ist durch P. Kraner Atax coeruleus (WıEcm. Arch. f. Naturgesch. 1875. Bd.I. p. 294ff. 
Taf. VIII, Fig. 5) und Atax loricatus (daselbst, p. 295. Taf. VIII, Fig. 6) in der Weise 
abgebildet und beschrieben, dass auch die Gestalt der Epimeren und das Genitalfeld 
Berücksichtigung fanden. In Folge dessen dürfte fernerhin eine falsche Determi- 
nation der fraglichen Species wohl schwerlich wieder vorkommen. Dass P. Kramer 
in den durch die zwei Figuren 5 und 6 auf Tafel VIII dargestellten Thierchen zwei 
verschiedene Species erblicken will, darin kann ich ihm nicht beipflichten. Die in 
Rede stehenden Figuren sehen freilich verschieden aus, doch hätte bei ihnen mit 
leichter Mühe eine größere Ähnlichkeit erzielt werden können, wenn bei Fig. 6 auch 
die Haarpapillen eingetragen wären. Die Abweichung in der Lage der Genitalhöfe 
so wie hinsichtlich der Breite der Schamlippen rührt nach meinen Erfahrungen von 
dem verschiedenartigen Druck des Deckglases her. Es ist mir passirt, dass ich bei 
demselben Individuum die Lage des erwähnten Organes beobachtete wie es Fig. 6 
zeigt und gleich darauf wie es die fünfte Figur angiebt. Im ersten Falle sah ich die 
von P. Kraner bei der letzteren Figur neben die Saugnapfplatten eingetragenen Ellip- 
sen mit Centrum als Drüse am hintern Körperrande und erkannte in denselben ein 
Analogon zu denen von Atax crassipes (Müll.). 


rn THESE EEE 46 


um 


Revision von H. Lebert's Hydrachniden des Genfer Sees. 625 


die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass sie das weibliche Geschlecht 
zu der folgenden Species repräsentirte; der Fundort spricht wenigstens 
nicht dagegen, denn bei beiden wird als solcher die »region littorale du 
lac L&man, a Morges « verzeichnet. 


XI. Arrenurus biscissus H. Lebert 


ist identisch mit Arrenurus sinuator (Müll.)!. Die diesbezügliche Abbil- 
dung Leserr's (pl. X, fig. 7) stellt das Männchen dar und ist eine wahre 
Karrikatur und hat mir in Folge dessen bei der Deutung wenig genützt; 
ich habe in erster Linie die um Vieles bessere Beschreibung zu Rathe 
ziehen müssen. Der äußere Umriss dieses Arrenurus-Männchens wird 
bereits durch den Autor der Art bildlich korrekter dargestellt als durch 
Lesert und bei Weitem besser noch durch C. L. Kocn?. Wie mangel- 
haft Leserr’s Abbildungen sind, davon überzeugt man sich leicht durch 
eine Vergleichung des separat gezeichneten Körperanhanges (Fig. 7 a) 
mit dem der Gesammtabbildung (Fig. 7). 

Figur 7 a bringt ein Mittelzäpfchen des Körperanhanges zur An- 
schauung, welches von den ältern Schriftstellern weder abgebildet noch 
erwähnt wird. Dasselbe wurde durch mich, sobald ich einen leichten 
Druck auf das Thierchen ausübte, erkannt. 

Wenn ich in so bestimmter Weise proponire, die obige Species 
Lesert’s gedeutet zu haben, während ich über die vorhergehende nicht 
einmal anzugeben im Stande war, ob diese das weibliche Geschlecht zu 
jener sei oder nicht, so hat das seinen Grund einestheils darin, dass mir 
die Kenntnis des eigentlichen Weibchens noch abgeht und anderntheils 
darin, dass die Determination der Arrenurus- Weibchen überhaupt 
äußerst schwierig ist. 


XI. Nesaea magnaH. Lebert. 


Fundort: »la faune littorale «. 

LeBert giebt zu dieser Art freilich eine Gesammtabbildung, doch 
leider nur von der Rückseite des Thierchens, so dass dieselbe zum Er- 
kennen der Species wenig nützt. Man ist daher hauptsächlich auf die 
Beschreibung angewiesen. Über den Genitalhof der Hydrachnide- be- 
richtet Lesert (p. 365): »L/aire genitale n’est pas cironscrite; au 
milieu de Y’abdomen il y a de chaque cote une paire de disques juxta- 
poses.« Diese Angabe allein ist aber hinreichend, um zweierlei klar zu 
machen, dass man’s nämlich mit einer charakteristischen Species zu 
thun hat und dass dieselbe mit Nesaea binotata Kramer 3 zu identificiren 

1 0. F. MüLzer, Hydrachnae etc. p. 77. tab. 6, fie. 6. 


& Deutschlands Crustaceen etc. Heft 12. Taf. 4. 
3 Wızem. Archiv. 1879. Bd. I. p. 11. Taf. I, Fig. 5 a—ec. 


626 F. Könike, 


ist!. Dem Prioritätsrecht zufolge ist Kramer’s Nomenklatur für die obige 
Wassermilbe beizubehalten. 


XIV. Nesaea lutescensH. Lebert. 


Fundort: »la faune profonde«. 

Figur 9 b auf Tafel X, den Genitalhof dieser Species darstellend, 
hat die größte Ähnlichkeit mit einer Zeichnung Kranmer’s?. Des letztern 
Abbildung gehört der Nesaea reticulata Kram. an, von welcher ich ver- 
muthe, dass sie mit der Leserrt'schen Art identisch ist. Leider habe ich 
auf eine eingehende Vergleichung verzichten müssen, da ich Nesaea reti- 
culata, die, beiläufig bemerkt, eine große Verwandtschaft zu Nesaea 
striata Kram. aufweist, nicht aus eigener Anschauung kenne. Falls sich 
meine obige Vermuthung als richtig bestätigen sollte, so müsste in die- 
sem Falle Legerr's Nomenklatur der Kraner’schen schon aus dem Grunde 
das Feld räumen, weil es bereits eine Nesaea lutescens (Hermann) giebt. 


XV. Atax ypsilophora Bonz. 


Diese Schmarotzermilbe wurde von L&BErT in Anodonta anatina L. 
gefunden und richtig determinirt ®. 


1 P. Kramer hat seine Species erheblich kenntlicher beschrieben und abgebildet 
als es von LEBERT geschehen ist. — Da jener Autor nur das Männchen kennt, so er- 
laube ich mir zu bemerken, dass ich auch das Weibchen auffand. Die Species ist 
bei Bremen sehr verbreitet und häufig. Vielleicht dürfte es auch von Interesse sein, 
zu erwähnen, dass ich im Zwischenahner Meer im Großherzogthum. Oldenburg 
außer der Nesaea nodata (Müll.) auch unsere Nesaea binotata Kram. in größerer 
Anzahl antraf. 

2 Wızscm. Archiv f. Naturgesch. 1879. Bd. I. Taf. I, Fig. 8. 

3 E. CLAPAREDE neigte der Ansicht zu, dass Anodonta und Unio — jede Gattung 
für sich — ihren besondern Schmarotzer besäßen und zwar jene den Atax ypsilo- 
phorus (Bonz) und diese den Atax Bonzi Claparede. P. J. van BENEDEN hätte freilich 
den Fund des letztgenannten Muschelparasiten in Anodonta, den er irrthümlicher- 
weise für Alax ypsilophorus (Bonz) hielt, bekannt gemacht (» Recherches sur l’histoire 
naturelle et le d&veloppement de l’Atax ypsilophora« in: Mem. de l’Academie royale 
de Belgique. 4848. tom. XXIV), welche Thatsache indess von CLAPAREDE in Zweifel 
gezogen wurde (diese Zeitschr. Bd. XVIlI. p. 450). BESsELS wies dann experimen- 
tell nach, dass die zwei Schmarotzer-Species sich nicht auf eine der fraglichen 
Muschelgattungen beschränkten, sondern wechselseitig in beiden zu finden seien 
(Bull. de !’Acad. royale des Sc. de Belgique. 1869. Ilser. tom. XXVIH. p. 279). 
Noch ehe ich Kenntnis von Bzssers’ Versuch bekam, konstatirte ich das Vorkommen 
von At. Bonzi Clap. in Anodonten und zwar bei Anodonta cygnea L., welchen Fund 
ich Herrn P. J. van BENEDEN in Louvain brieflich mittheilte. 

Atax ypsilophorus fand ich ausschließlich in Anodonten und zwar häufig in 
Anodonta cellensis var.; in einem Falle zählte ich 22 ausgewachsene Individuen in 
einer Muschel. 

Während von At. crassipes (Müll.) nach den Untersuchungen CLAPAREDE’S NUT 


Revision von H, Lebert’s Hydrachniden des Genfer Sees. 627 


XVI. Atax crassipes Koch. 


Fundort: »lac Leman, 25 m de profondeur, devant Morges«. 

Wenn gleich die Gesammtabbildung Figur 10 der Tafel 41 den Atax 
erassipes (Müll.) nur mangelhaft darstellt, so überzeugt doch der Genital- 
hof, welchen Figur 10 a derselben Tafel wiedergiebt, dass man’s mit 
obiger Hydrachnide zu thun hat. 


XVH. Pachygaster tau-insignitus H. Lebert. 


Fundort: »lac Leman, 25 m de profondeur, devant Morges«. 

Das von LzBeErr geschaffene Genus Pachygaster ist meines Erachtens 
berechtigt; auch ist die Species, so weit ich es zu beurtheilen im Stande 
bin, neu. Wie mir scheinen will, bin ich im Besitze derselben ; wenig- 
stens passt LEBerr’s bezügliche Beschreibung auf sie; auch ist ihr Geni- 
talhof durchaus so, wie es Fig. 41 a auf Tafel XI angiebt. Ich habe mir 
erlaubt eine Abbildung, welche die Gestalt der Epimeren und die Lage 
des Genitalhofs veranschaulicht, beizugeben (Fig. 71. 


die Larve in Muscheln schmarotzend angetroffen wird, gelten At. ypsilophorus und 
At. Bonzi für exclusive Parasiten. Es wird daher von einigem Interesse sein, wenn 
ich über den letztern zu berichten in der Lage bin, dass ich denselben in großen 
Exemplaren drei Mal an verschiedenen Plätzen freilebend fand. Er ist trotz des 
Parasitismus ein tüchtiger Schwimmer geblieben, nicht so At. ypsilophorus. Ich 
halte diesen Schmarotzer bereits seit dem 27. Oktober vorigen Jahres, a!so länger 
als drei Monate, freilebend in einem Gefäß mit Wasser, doch habe ich ihn, trotzdem 
seine Füße reichlich mit Schwimmhaaren besetzt sind, niemals schwimmen , son- 
dern stets nur unbeholfen kriechen gesehen. Aus dem Besitz von Schwimmhaaren 
darf man wohl schließen, dass auch diese Species die Fähigkeit des Schwimmens 
besessen habe. Wenn das der Fall war, so ist man, däucht mir, weiter zu schließen 
berechtigt, dass At. ypsilophorus schon länger dem Schmarotzerthum ergeben sei 
als At. Bonzi. Aus dem Umstande, dass der letztere freilebend vorkommt, ist meines 
Erachtens ein Gleiches für den ersteren zu folgern. Man wird sehr wahrscheinlich, 
wenn man beim Fischen nach Hydrachniden darauf achtet, auch At. ypsilophorus 
auf dem Grunde von Gewässern, welche Anodonten aufzuweisen haben, antreffen. 

1 P. Kramer schuf in seinen »Grundzügen zur Systematik der Milben « (WıEcn. 
Archiv für Naturgesch. 4877. Bd. I. p. 240) das Hydrachnidengenus Sperchon, zu 
welchem er später eine Species — Sperchon squamosus Kram. — bekannt machte 
(Wieem. Archiv. 4879. Bd. I. p. 2—5. Taf. I, Fig. 1 a—d). Es ist in Bezug auf die 
Lage der Genitalsaugnäpfe eine frappante Ähnlichkeit dieser Gattung mit Pachygaster 
Lebert nicht zu verkennen, doch erinnert Sperchon durch die dreieckige Gestalt der 
vierten Epimere und das Vorhandensein eines Höckers am zweiten Palpengliede zu 
sehran Limnesia, als dass ich zu behaupten wagte, beide Genera seien identisch. Zur 
Klarlegung dieses Punktes ist jedenfalls eine Vergleichung der beiden betreffenden 
Species in natura erforderlich, welche mir nicht möglich war, da ich Sperchon squa- 
mosus nicht aus eigener Anschauung kenne. 


628 F. Könike, Revısion von H. Lebert’s Hydrachniden des Genfer Sees. 


XVIll. Piona accentuata R. Lebert. 


Fundort: »la faune littorale«. 


Die der Beschreibung beifolgende Abbildung zeigt diese Milbe von | 


der Rückseite und ist daher zum Bestimmen nicht dienlich. Die wenigen 
durch Lesert angegebenen Merkmale passen auf Nesaea nodata (Müll.), 
die ich in derselben Färbung — die Art variirt von gelblich-grau bis 
hochroth — im Zwischenahner Meer antraf. Bei den hell gefärbten und 
fast hyalinen Individuen ist eine » aire genitale non visible« (p. 374); ein 


Genitalhof ist aber dennoch vorhanden; es stehen nämlich viele Sexual- 
saugnäpfe in kreisförmiger Anordnung jederseits am hintern Ende der 


Schamlippen. Ich darf ein für obige Identificirung ungünstiges Moment 


nicht verschweigen. LEBERT wäre, die Richtigkeit meiner Deutung vor- 


ausgesetzt, das äußerst charakteristische Männchen unbekannt geblieben. 


Wenn man sich indess vergegenwärtigt, dass das männliche Geschlecht | 


bei den Wassermilben allgemein in geringerer Anzahl vertreten ist als 
das weibliche, so ist es sehr wohl denkbar, dass ihm jenes entgangen sei. 


XIX. Brachipoda paradoxa H. Lebert. 


Fundort : »la faune profonde« (25 m). 

Die die Beschreibung dieser Hydrachnide begleitende Figur 13 auf 
Tafel XI stellt das männliche Geschlecht von Axona versicolor (Müll.) in 
getreuer Abbildung dar. Die ausführliche Diagnose wäre vollständig 
zu entbehren, um seiner Sache positiv gewiss sein zu können; es 
sprechen schon allein die Anbängsel des letzten Fußpaares und das ver- 
dickte vierte Palpenglied dafür. 

Bei dieser Species muss es auffallen, dass Leserr des viel häufigeren 
Weibchens nicht erwähnt, ein Umstand mehr, der dafür spricht, dass 
die Deutung der vorhergehenden Art richtig ist. 


Bremen, im Februar 1881. 


Erklärung der Abbildung. 


Tafel XXX, 
Fig. 7. Epimeren und Genitalhof von Pachygaster tau-insignitus Leb. 


Beiträge zur Kenntnis der Fischpsorospermien. 
Von 


0. Bütschli, 
Professor der Zoologie in Heidelberg. 


Mit Tafel XXXI. 


Nachfolgende, kleine Arbeit verdankt denselben Umständen ihre 
Entstehung, weichen auch die vor Kurzem in dieser Zeitschrift veröffent- 
lichte Untersuchung über Gregarinen entsprungen ist. Das, was ich in 
dieser letzieren zur Entschuldigung des Charakters der Abhandlung, im 
Hinblick auf ihre Entstehungsumstände, hervorzuheben mir erlaubte, 
gilt daher in gleichem Maße auch bezüglich der vorliegenden Publikation, 
so dass ich Weiteres zu ihrer Einführung nicht bemerke. 

Aus denselben Gründen, welche ich auch bei Gelegenheit der Gre- 
garinenuntersuchung geltend gemacht habe, gehe ich auch hier nicht näher 
auf das Historische des behandelten Gegenstandes ein; im Ganzen ist 
darüber auch wenig zu sagen, da die Fischpsorospermien, seit sie Jon. 
Mürrer entdeckt hatte, die Aufmerksamkeit der Forscher nur sehr wenig 
in Anspruch nahmen, weniger wohl als sie es verdient haben. 

Bemerkenswerthere Untersuchungen über diese, den eigentlichen 
Gregarinen gewöhnlich näher angeschlossene Organismen haben seit 
J. MüLLEer nur LevDig, LiesEerkünn, BaLpianı und in neuester Zeit GABRIEL 
angesiellt!. Bezüglich dieser letzteren Arbeit bemerke ich hier gleich, 
dass ich sie erst nach Beschluss meiner Untersuchungen zu Gesicht be- 
kam, ich also nicht mehr im Stande war, sie bei der Untersuchung 
selbst zu verwerthen. Gerade im Hinblick auf die Gasrıer’sche Arbeit 


1 Leydic, Archiv für Anat. und Physiologie. 4851. p. 224—233. — LIEBERKÜHN, 
Archiv für Anat. und Physiologie. 1854. p. 1—24 und p. 349—368. — BALBIanı, 
Compt. rend. Acad. des sc. T. 57. p. 157—161. — B. GasrIEL, Berichte der schles. 
Gesellsch. f. d. J. 1879. p. 26—33. 


630 0. Bütschli, 


dürften jedoch meine Mittheilungen nicht ohne Interesse sein, da sie in 
einer Reihe Punkten zu sehr abweichenden Ergebnissen gelangen. 

Die sogenannten Fischpsorospermien oder Myxosporidien (wie 
ich diese Organismen aus weiter unten hervorzuhebenden Gründen zu 
nennen vorschlage) sind parasitische Gebilde, welche im Fischkörper 
eine sehr weite Verbreitung besitzen. Namentlich Bausıanı hat auf ihre 
weite Verbreitung durch eine große Anzahl Organe des Fischkörpers 
hingewiesen. Es sind Plasmaklumpen oder länger gestreckte wurstför- 
mige Plasmagebilde, welche entweder frei in Höhlungen des Körpers oder 
in das Gewebe eingebettet angetroffen werden. Ob sie sich zuweilen 
auch frei auf der äußeren Haut vorfinden, wie dies aus einer Bemer- 
kung Dusaroın’s! und aus den Mittheilungen Lieserkünn’s hervorzugehen 
scheint, halte ich nicht für ausreichend erwiesen, wenn gleich dies, in 
Anbetracht ihres freien Auftretens in Körperhöhlen, wie Gallenblase, 
Harnblase, Leibeshöhle, nicht von vorn herein in Abrede gestellt werden 
kann. Diejenigen Myxosporidien aber, welche sich nicht selten an den 
Kiemen unserer Süßwasserfische in Gestalt weißer Pusteln oder Bläs- 
chen finden, und zum Theil eine nicht unbeträchtliche Größe erreichen, 
liegen nicht frei auf der Haut, sondern stets unterhalb der Epidermis, 
wie gleich noch genauer zu schildern sein wird. Ich gehe auf dieses 
Verhalten etwas näher ein, weil mir scheint, dass die früheren Arbeiten 
dasselbe ziemlich unklar gelassen haben. 

Die von mir untersuchten Myxosporidien der Fischkiemen stamm- 
ten hauptsächlich von Cyprinoiden her, jedoch vermag ich die Arten 
nicht näher anzugeben, da ich größere Quantitäten 2 ausgeschnittener 
Kiemen nach den fraglichen Parasiten durchsuchte. Sämmtliche ge- 
fundenen Myxosporidien zeigten eine so große Übereinstimmung im 
Bau ihrer Sporen, dass ich keine specifischen Unterschiede zu ver- 
zeichnen habe. Ich fand sie ausschließlich an den Kiemenblättchen 
selbst, ein von ihnen mit Vorliebe aufgesuchter Ort, wie dies ja auch 
aus den früheren Untersuchungen schon bekannt ist. Sie erscheinen 
hier als im auffallenden Licht weiße Pusteln, von gewöhnlich länglich- 
ovaler Gestaltung und bis zu 2—3 mm Länge, und treiben bei stärkerer 
Entwicklung das platte Kiemenblättchen sackartig auf. Bei genauerer 
Untersuchung möglichst frischer Kiemen stellt sich nun leicht heraus, 
dass diese Myxosporidien nicht etwa äußerlich den Kiemenblättchen 
anhaften, dass sie auch nicht in die Epidermis eingebettet sind, sondern 
noch unter dieser ihren Sitz haben, ja dass die Gefäße der Kiemen- 


1 Hist. nat. des helminthes. p. 644. 
?2 Zum Theil stammten die Myxosporidien von Squalius cephalus und Barbus 
fluviatilis her. 


Beiträge zur Kenntnis der Fischpsorospermien. 631 


blättchen äußerlich von den Myxosporidien ihren Verlauf nehmen. Ihre 
Entwicklungsstätte ist demnach die Bindegewebsschicht, welche sich 
zwischen die beiden Epidermislagen des flachen Kiemenblättchens 
einschiebt, in welcher oberflächlich das zu- und abführende Gefäß des 
Kiemenblättchens, so wie die Kiemenkapillaren ihren Verlauf nehmen 
und in welcher weiterhin das Knorpelstäbchen eingebettet ist, welches 
das Kiemenblättchen stützt. Von dieser Lagerung der Myxosporidie:- 
kann man sich schon leicht durch äußerliche Betrachtung des Kiemen- 
blätichens überzeugen; man bemerkt dann, dass die querverlaufenden 
Kapillaren, welche das zu- und das abführende Gefäß in Verbindung 
setzen, die Myxosporidie äußerlich umgürten (Fig. 22). Querschnitte 
durch ein solches Kiemenblättchen sammt Myxosporidie zeigen gleich- 
zeitig, dass die Myxosporidie den Knorpelstab beiderseitig umfasst und 
umlagert und bestätigen die Umgürtung derselben durch die Kiemen- 
kapillaren. Wenn die Myxosporidie eine ansehnlichere Größe erreicht, 
treibt sie natürlich das Kiemenblättchen mehr und mehr auf, und da die 
queren Kapillaren sie ringförmig umgürten und ihrer Ausdehnung einen 
Widerstand entgegensetzen, so quillt die Plasmamasse der Myxospori- 
die bruchsackartig zwischen den Kapillaren hervor (Fig. 22). Der Ge- 
‚sammtumriss der Myxosporidie wird dann ein vielfach gelappter oder 
eigentlich gefalteter. Aus einigen weiteren Beobachtungen an sehr an- 
sehnlichen derartigen Myxosporidien scheint mir dann ferner hervorzu- 
gehen, dass schließlich durch fortgesetztes Wachsthum der Myxosporidie 
die hemmenden Kiemenkapillaren gesprengt werden, woraus sich die 
unregelmäßigen Blutextravasate, welche ich im Umkreis großer Myxo- 
sporidien antraf, erklären, während gleichzeitig die umgürtenden Kapil- 
laren nicht mehr deutlich zu erkennen waren. 

Die Myxosporidie stellt sich bei genauerer Untersuchung als eine 
mehr oder minder ansehnliche Plasmamasse dar, welche stets (wenig- 
stens gilt dies von allen von mir untersuchten Exemplaren, unter denen 
zwar auch gewiss keine eigentlichen Jugendformen waren) eine unge- 
heure Zahl völlig ausgebildeter oder zum Theil noch in Entwicklung be- 
griffener Sporen einschließt. Das Plasma ist dicht erfüllt von sehr feinen, 
dunklen Körnchen und lässt gewöhnlich keinen deutlichen Unterschied 
zwischen einer peripherischen Ektoplasmalage und einem Entoplasma 
bemerken. Nur auf feinen Querschnitten einer derartigen Myxosporidie 
trat eine äußere, körnchenfreie, mäßig dicke Plasmaregion an gewissen 
Stellen der Oberfläche sehr deutlich hervor und bot namentlich noch 
desshalb ein großes Interesse dar, weil sie äußerst deutlich und fein 
radiär zur Oberfläche gestreift erschien. 

Von Wichtigkeit erscheint weiterhin die Frage nach dem Vorhander- 


632 0, Bütschli, 


sein oder dem Fehlen einer besonderen Hülle (Cystenhülle) um den 
Plasmaleib der Myxosporidie. Eine solche Hülle soll nach den früheren 
Forschern zuweilen vorhanden sein, zuweilen dagegen auch fehlen. 

Es gelingt nun durch vorsichtige Manipulationen zuweilen, die 
Myxosporidie ganz unversehrt aus dem Kiemenblättchen herauszulösen 
und in den beiden Fällen, wo ich derart befreite Myxosporidien zu 
untersuchen Gelegenheit hatte, war auch eine deutliche Hülle vorhan- 
den (Fig. 23). Interessanterweise zeigte sich aber sofort, dass diese 
Hülle nicht etwa in die Kategorie der gewöhnlichen Gystenhüllen der 
einzelligen Wesen gehöre, speciell nicht denen der Gregarinen sich ver- 
gleichen lasse, sondern plasmatischer Natur ist. Sie besteht nämlich 
aus hellem, sehr feingranulärem Plasma, in welches zahlreiche kleine 
Kerne eingebettet sind; es gelang auch mittels Färbung und Essigsäure- 
einwirkung nicht, Zellgrenzen um diese Kerne aufzufinden. 

Die feingranulären, mit deutlicher, dunkler Hülle versehenen Kerne 
weisen zum Theil etwas unregelmäßige Umrisse auf und färben sich 
sehr intensiv mit Alaunkarmin. Vorerst dürfte es schwer sein, mit 
Sicherheit zu entscheiden, ob diese Hülle ein Erzeugnis der Myxosporidie 
oder des Kiemenblättchens darstellt; gegen die erstere Auffassung, 
welche ja keineswegs ausgeschlossen erscheint, ließe sich vielleicht gel- 
tend machen, dass die Kerne der Hülle etwas größer sind wie die gleich 
zu erwähnenden Nuclei des Myxosporidienplasmas. 

Nach den übereinstimmenden Angaben der früheren Forscher, 
welche GaBrIeL neuerdings für die Myxosporidie der Hechtharnblase 
bestätigte, sollen sich unsere Organismen durch völligen Mangel an 
Zellkernen auszeichnen. Dies ist jedoch unrichtig, es lässt sich vielmehr 
geradezu sagen, dass in diesem Fall der Wald vor Bäumen nicht ge- 
sehen wurde. Das Plasma der Myxosporidien ist nämlich dicht erfüllt 
von einer ungeheuren Zahl zwar sehr kleiner, aber dennoch recht deut- 
licher Zellkerne. Schon im frischen Zustand treten dieselben bei Unter- 
suchung einer recht dünnen Plasmaschicht ziemlich kenntlich als matte, 
rundliche Körperchen hervor. Nach Behandlung mit verdünnier Essig- 
säure unterscheidet man an ihnen recht wohl eine etwas granulirt er- 
scheinende, dunkle Hülle, einen kleinen, dunklen Nucleolus und zu-- 
weilen sogar recht sicher feine Kernfäden, welche von dem Nucleolus. 
nach der Hülle radiär ausstrahlen (Fig. 21). Dies Verhalten, im Verein. 
mit der intensiven Tinktionsfähigkeit, lässt es unzweifelhaft erscheinen,, 
dass es sich thatsächlich um ungeheure Mengen kleiner Zellkerne han- 
delt. Eine weitere Bestätigung dieses, den früheren Beobachtungen 
widersprechenden Befundes werden wir sogleich noch in der Anwesen-: 
keit einds Zellkernes in den Sporen erkennen, während die frühere. 


Beiträge zur Kenntnis der Fischpsorospermien. 633 


Forschung auch hier die Kerne vermisste. Die Bauweise der Sporen 
unserer Myxosporidien ist im Allgemeinen schon ziemlich eingehend 
studirt, ja schon von Jon. MüLLEr in vielen Punkten richtig darge- 
stellt worden. Die von mir untersuchten Kiemenmyxosporidien ent- 
hielten, wie schon früher bemerkt, durchaus Sporen von einer und 
derselben Qualität, von ovaler, ungeschwänzter, linsenförmiger Ge- 
stalt (Fig. 4 und 2). Der eine ihrer Pole ist etwas zugespitzt, der an- 
dere dagegen breit abgerundet. Ihre Hülle ist ziemlich dick, dunkel 
und etwas glänzend und lässt unter günstigen Umständen am spitzeren 
oder vorderen Pol eine kurze, trichterförmige Einsenkung ins Innere 
recht deutlich wahrnehmen, sowohl von der Breit- wie der Schmalseite 
(Fig. 5). Ich muss daher der Ansicht Baısıanf’s zustimmen, welcher 
an dem spitzeren Pol eine Öffnung der Schale beschrieb und auch die 
Abbildungen Jon. Mürzer’s lassen zum Theil diese Öffnung erkennen. 
Wie durch die früheren Untersuchungen hinreichend festgestellt wurde, 
setzt sich die Schale aus zwei, etwa schüsselförmigen Hälften zu- 
sammen (Fig. 6 und 7), deren auf einander befestigte Ränder etwas 
rand- oder wulstartig vorspringen. Hierdurch wird dann ein, bei Be- 
trachtung von der Schmalseite, sehr deutlicher Wulst erzeugt, welcher 
die Schale umgürtet. Basıanı macht über den feineren Bau dieser 
Schalenklappen sehr eigenthümliche Angaben, die ich nicht zu bestäti- 
gen vermochte. Ja ich bin nicht einmal in der Lage, auch nur anzu- 
deuten, um was es sich bei jenen Angaben gehandelt haben dürfle. 
Nach ihm sollen von dem erwähnten Rand jeder Schalenklappe, den 
er als einen elastischen Ring bezeichnet, mehr oder weniger zahlreiche 
feine Filamente entspringen, die für gewöhnlich nicht sichtbar seien, 
welche sich jedoch zu gewissen Zeiten vom Rand abheben sollen. Bei 
gewissen Individuen sollen diese Filamente sich dem Schalenrand nicht 
anlegen, sondern in der Schalenachse abstehen und, sich in variabler 
Länge vereinigend, den einfachen oder gegabelten Schwanz bilden, 
welchen man bei zahlreichen Myxosporidiensporen antrifft (siehe Fig. 8 
und 9). — Von solchen Filamenten habe ich nun niemals etwas ge- 
sehen, auch nicht nach Behandlung der Schalen mit Reagentien und 
nach der Trennung der beiden Schalenklappen von einander. Zuweilen, 
jedoch im Ganzen selten, fanden sich als Abnormitäten auch vereinzelte 


 geschwänzte Sporen vor, an welchen sich der Schwanz sehr deutlich 


als eine direkte Fortsetzung der Schale erkennen ließ. 

Da ich jedoch diese Formen nicht genauer studiren konnte, so ver- 
mag ich nicht anzugeben, ob der Schwanz sich vielleicht aus zwei 
Fäden zusammensetzt, was ja nicht unwahrscheinlich ist, da er seinen 


Ursprung von der Randlinie nimmt, in welcher die beiden Schalen- 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 42 


634 0. Bütschli, 


klappen zusammenstoßen, so dass die Betheiligung beider Klappen 
an seiner Erzeugung möglich erscheint. Bezüglich der eventuellen Deu- 
tung der Barsıantschen Filamente des Randwulstes könnte ich nur an 
eine Erscheinung denken, die mir zuweilen begegnete und welche ich 
weiter unten als anormales Hervortreten der Fäden der sogenannten Pol- 
körperchen besprechen werde. 

Die Schalensubstanz besitzt eine recht ansehnliche Widerstands- 
fähigkeit gegen Reagentien; dennoch ist die Angabe Barsıanr's, dass sie 
auch in erhitzten Mineralsäuren sich erhalte, nicht begründet. Erst- 
maliges Erhitzen in koncentrirter Schwefelsäure ließ zwar die Schalen 
nur in ihre beiden Klappen zerfallen, zerstörte dagegen die sogleich 
zu erwähnenden Polkapseln völlig; nochmaliges Erhitzen bewirkte je- 
doch auch völlige Zerstörung der Schalen. 

Die Sporenschale umschließt einen meist sehr zart wolkig granu- 
lirten, plasmatischen Inhalt, der die hintere Hälfte der Schale gewöhn- 
lich nahezu völlig ausfüllt, während die vordere Hälfte fast gänzlich von 
den so interessanten Polkörperchen eingenommen wird. Auch diese 
sind sehr wahrscheinlich normalerweise von einer zarten Schicht des 
plasmatischen Inhalts umhüllt; dies scheint wenigstens daraus hervor- 
zugehen, dass man auf dem optischen Querschnitt von der Plasma- 
masse der hinteren Schalenhälfte zarte Plasmafortsätze zwischen die 
beiden Polkörperchen und zwischen sie und die Schale hinein vor- 
springen sieht (Fig. I und 2), jedoch gelang es nicht eine zarte plas- 
matische Umhüllung im ganzen Umkreis der Polkörperchen zu ver- 
folgen. Weiterhin wird jedoch eine solche Umhüllung der Polkörperchen 
auch durch ihre später zu besprechende Bildungsgeschichte sehr wahr- 
scheinlich. 

Vom größten Interesse ist die Bauweise der ausgebildeten Polkör- 
perchen, die ich nur mit der echter Nesselkapseln zu vergleichen weiß. 
Über Größe und Gestalt geben die Abbildungen hinreichenden Auf- 
schluss, auch sind diese Punkte durch die früheren Untersucher schon 
hinreichend erörtert worden. Die Polkörperchen sind von einer ziemlich 
dicken, glänzenden Wand gebildete Kapseln, in deren Innerem ein 
langer, blasser wie die Wand erscheinender Faden so aufgerollt liegt, 
dass er das Kapselinnere in engen Spiraltouren völlig durchzieht. Dieser 
Bau der sogenannten Polkörperchen ist bekanntlich zuerst von BALBIANI 
erkannt worden, wogegen Besses! späterhin das gleichfalls von BaL- 
BIANI zuerst konstatirte Ausschnellen der Spiralfäden bestätigte. Auch 


1 Tageblatt der 44. Versammlung deutscher Naturf. u. Ärzte in Frankfurt a/M. 
1867. p. 7A. | 


Beiträge zur Kenntnis der Fischpsorospermien. 635 


Aım# Schneider ! berichtet neuerdings, dass er die Baugıant'sche Schilde- 
rung der Polkörperchen bestätigen könne. 

Erinnert nun die beschriebene Beschaffenheit dieser Körperchen 
schon auffallend an Nesselkapseln, so wird diese Ähnlichkeit durch ihr 
weiteres Verhalten noch sehr vermehrt. Wie schon angedeutet, springt 
nämlich der Spiralfaden unter gewissen Umständen, ähnlich wie der 
Faden genuiner Nesselkapseln, hervor, wobei, unter normalen Verhält- 
nissen, die Fäden der beiden Polkörperchen durch die Öffnung am 
spitzen Schalenpol heraustreten, als gerade gestreckte oder geschlän- 
gelte, blasse Fäden, welche etwa die vier- bis fünffache Länge der 
Sporenschale, dagegen die vierzehnfache Länge des Polkörperchens 
erreichen können. Die natürlichen Bedingungen dieses Ausschnellens 
der Fäden scheinen bis jetzt noch nicht sicher ermittelt zu sein; ich 
fand zwar, dass die meisten Polkörperchen der Sporen, welche längere 
Zeit in Wasser aufbewahrt waren, ihre Fäden ausgeschnellt hatten, 
dennoch glaube ich, dass sich die wahren natürlichen Bedingungen des 
Hervortretens erst bei genauerer Kenntnis der bis jetzt noch sehr un- 
sicheren Entwicklungsverhältnisse der Sporen feststellen lassen werden 
und damit auch wohl erst die eigentliche Bedeutung und Funktion dieser 
interessanten Gebilde. 

Von Barsıanı und den späteren Forschern ist jedoch schon gezeigt 
worden, dass namentlich gewisse Reagentien das Hervortreten der 
Fäden sofort hervorrufen. Kalilauge, Glycerin und, wie ich fand, 
namentlich auch koncentrirte Schwefelsäure, bewirken diese Erschei- 
nung. Am sichersten scheint die Schwefelsäure zu wirken. Weiter- 
hin genügt jedoch auch schon bloßer Druck, um die Fäden hervorzu- 
treiben. Hierbei ist jedoch ihr Austreten häufig ein anormales, sehr 
_ unregelmäßiges. Während sie sich bei normalem Hervortreten gewöhn- 
lich nahezu gerade gestreckt völlig entwickeln, bleiben sie im letzteren 
Fall sehr häufig mehr oder minder spiralig aufgerollt, treten häufig 
auch nur zum Theil aus den Polkörperchen aus und, was noch wich- 
tiger erscheint, sie brechen nicht selten am hinteren Rande der Pol- 
körperchen hervor (Fig. 12), während der normale Austritt stets durch 
das etwas zugespitzte, nach der Sporenöffnung schauende Ende des 
:  Körperchens stattfindet, wobei dann die Fäden eine direkte Fortsetzung 
dieses Poles bilden (Fig. 20), wie dies ähnlich ja auch bezüglich des 
Nesselfadens und der Nesselkapsel gilt. Mit dieser Unregelmäßiskeit 
des Hervorschnellens steht die des Austritis aus der Sporenschale in 
Zusammenhang. Häufig ereignet es sich unter diesen Umständen, dass 


1 Arch. de zoologie experim. IV. 4875. p. 548. 
42* 


636 0. Bütschli, 


die Fäden gar nicht aus der Sporenschale heraustreten, sondern nur 
ins Innere derselben hervorgetrieben werden: sehr häufig werden sie 
aber auch, statt aus der vorderen Öffnung auszutreten, seitlich am 
Rande der Sporenschale hervorgetrieben , indem ohne Zweifel der Zu- 
sammenhalt der beiden Schalenklappen durch die Druckwirkung ge- 
lockert worden ist und zwischen ihnen an beliebigen Stellen des Rand- 
wulstes die Fäden hervorgepresst worden sind. Im Allgemeinen zeigt 
sich also in dieser Weise, dass durch Druck sehr gewöhnlich kein 
reguläres Aufspringen der Kapseln, sondern ein anormales Hervor- 
quetschen der Fäden zu Stande kommt. 

Bei normalem Ausschnellen der Fäden zeigen die Polkapseln stets 
eine sehr merkbare Verringerung ihres Volums, woraus wohl der Schluss 
gezogen werden darf, dass, wie bei den echten Nesselkapseln, der 
Druck der gespannten elastischen Kapselwand die Ausschnellung des 
Fadens hervorruft. Dass dieser Faden auch hier eine schlauchförmige 
hohle Einstülpung des vorderen Pols der Kapsel sei, wie ja die Ana- 
logie mit den genuinen Nesselkapseln sehr wahrscheinlich macht, lässt 
sich freilich bei der Kleinheit der Verhältnisse mit unseren optischen 
Hilfsmitteln nicht entscheiden. 

Von besonderem Interesse erscheint das unzweifelhafte Vorhanden- 
sein eines Zellkerns in der plasmatischen Inhaltsmasse der Sporen. 
Häufig ist dieser Kern schon in frischem Zustand ohne Weiteres als 
kreisförmiger bis ovaler, heller Fleck recht deutlich sichtbar (Fig. 1 n). 
Besser tritt er jedoch nach Behandlung mit verdünnter Essigsäure oder 
Jodtinktur hervor und zeigt dann eine dunkle, etwas granulirt er- 
scheinende Hülle (Fig. 2 n) und eine Anzahl ziemlich blasser Granula, 
welche durch den Inhalt zerstreut sind. Leider setzten sich dem Ver- 
such, den Kern zu färben, sehr energische Hindernisse entgegen, da 
das Färbungsmittel nicht in die Sporenschale eindrang; jedoch kann 
dieser Umstand nicht gegen die Kernnatur des fraglichen Gebildes an- 
geführt werden, da auch das Plasma der Färbung widerstand. Den- 
noch beobachtete ich einige wenige Fälle deutlicher Kernfärbung bei 
Anwendung von Alaunkarmin. 

So deutlich nun auch der Zellkern häufig schon in frischem Zu- 
stand sich darstellt, so ist doch zuweilen nichts von ihm wahrzu- 
nehmen, dann nämlich, wenn sich die Plasmamasse, wie dies zu- 
weilen bei zahlreichen Sporen der Fall, sehr kondensirt und ein mehr 
oder weniger glänzendes Aussehen angenommen hat (Fig. 3). Unter 
diesen Umständen erscheint es erklärlich, dass der Zellkern sich den 
Blicken entzieht. Nicht ganz sicher bin ich darüber, ob sich zuweilen 
zwei Zellkerne finden; ich habe zwar mehrfach Sporen gesehen, welche 


aa eg De et mens r — ums 


Beiträge zur Kenntnis der Fischpsorospermien. 637- 


dieses Verhalten darzubieten schienen, ohne jedoch hierüber zu völliger 
Gewissheit zu gelangen. 

Sehr konstant trifft man endlich in dem Plasma noch zwei oder 
zuweilen auch mehr stark lichtbrechende, glänzende Körnchen von 
rundlicher Form an (Fig. 1, 2 etc. A). Dieselben lagern sich sehr ge- 
wöhnlich, jedoch keineswegs immer, ziemlich symmetrisch, dicht an die 
hinteren Pole der Polkapseln an. Wie bemerkt, herrscht jedoch, sowohl 
in Bezug auf die Zahl wie die Lagerung dieser Körnchen, keine durch- 
greifende Regelmäßigkeit, zuweilen lagern sie weiter nach vorn (Fig. 2) 
zwischen den Polkapseln, zuweilen sind sie jedoch auch ganz unregel- 
mäßig durch das Plasma zerstreut. Diese Unregelmäßigkeiten machen 
es mir vorerst sehr unwahrscheinlich, dass die Basrıanr'sche Angabe: 
es seien jene Körnchen jugendliche Polkörperchen, welche sich nach- 
twräglich zu solchen entwickeln würden, begründet ist, abgesehen davon, 
dass ich niemals eine Entwicklungsstufe dieser Körperchen zu Pol- 
körperchen beobachtet habe. Zwar habe auch ich einige seltene Fälle 
beobachtet, wo die Zahl der Polkörperchen auf drei erhöht war (Fig. 10), 
ohne jedoch hierbei etwas zu beobachten, was mit der BaLsIanr'schen 
Auffassung hätte in Zusammenhang gebracht werden können. 

Dagegen beobachtete ich bei längerer Aufbewahrung der Sporen 
in Wasser eine Erscheinung, welche mir zwar nicht recht verständlich 
ist, die ich jedoch hier kurz berichten will. In derartig aufbewahr- 
ten Sporen bemerkte man nach einiger Zeit nichts mehr von den ge- 
wöhnlich vorhandenen beiden dunklen Körnchen, dagegen sah man 
nun an jedem ihrer Polkörperchen ein hinteres, dunkles Spitzchen 
(Fig. 3), das so ziemlich die Stelle einnahm, an welcher sich die er- 
wähnten Körnchen gewöhnlich finden. Es machte daher den Eindruck, 
als seien die dunkeln Körnchen mit der Kapselmembran der Pol- 
körperchen verschmolzen und zu jenen Spitzchen umgebildet. Doch 
muss ich die erwähnte Deutung bis jetzt noch als bloße Vermuthung 
betrachten. 

Bei längerer Aufbewahrung der Sporen in Wasser gelang es mir 
nicht ein Aufspringen derselben und ein Hervortreten des Sporen- 
inhalts in Gestalt einer kleinen Amöbe zu beobachten, überhaupt habe 
ich niemals ein solches Austreten des Sporeninhalts bemerkt, wie es 
von LiEBErRküHn und Barsıanı berichtet wird. Auch irgend welche 
weitere Entwicklungserscheinungen am Sporeninhalt ließen sich nicht 
auffinden. So natürlich nun auch ein Entwicklungsgang, wie er von 
den beiden obengenannten Forschern angegeben wird, erscheint, so 
vermag ich doch gewisse Zweifel über dessen Statthaben nicht zu unter- 
drücken, Zweifel, die sich weniger auf die mir nicht gelungene Beob- 


638. aan 0. Bütschli, 


achtung eines solchen Processes gründen, als vielmehr auf gewisse. 
Überlegungen, welche sich auf die eigenthümlichen Polkörperchen be- 
ziehen. 

Diese, bei den Myxosporidien so konstanten Gebilde haben doch 
ohne Zweifel eine besondere Bedeutung und irgend welche wichtige 
Funktion. Ganz zurückzuweisen dürfte zwar die Auffassung BaLBIants 
sein, welcher in ihnen den Antherozoidien der Kryptogamen vergleich- 
bare, männliche Befruchtungselemente sieht, denn, abgesehen von der 
allgemeinen Unwahrscheinlichkeit dieser Betrachtung, die auch durch 
thatsächliche Beobachtungen nicht weiter gestützt wird, sind bis jetzt 
keine pflanzlichen Spermatozoidien bekannt, welche sich in ihrer Bil- 
dung jenen nesselkapselähnlichen Polkörperchen vergleichen lieben. 

Jedenfalls haben jedoch, wie schon hervorgehoben wurde, jene 
Polkörperchen eine wichtige, noch zu ermittelnde Bedeutung, die es 
mir sehr wahrscheinlich macht, dass noch irgend welche wichtige Vor- 
gänge sich vollziehen müssen, bevor der Sporeninhalt aus der Schale 
in Gestalt einer kleinen Amöbe hervortritt. Denn dass diese Polkörper- 
chen, wie es Lizserkünn darstellt, ganz und gar keine Rolle spielten, 
wird doch kaum glaublich erscheinen. 

Ich hätte nun noch einiges über den sehr bedeutungsvollen Vor- 
gang der Sporenbildung zu berichten; da ich jedoch bei dieser Form 
jene Vorgänge weniger sicher zu ermitteln vermochte, so werde ich das 
Beobachtete erst bei Gelegenheit der jetzt noch zu betrachtenden Myxo- 
sporidie der Hechtharnblase mittheilen, bei der es gelang, diese Vor- 
gänge genauer zu verfolgen. 

Diese von LiEBErRküHn entdeckte und neuerdings wieder von 
GABRIEL studirte Myxosporidie eignet sich besser zum Studium, weil sie 
frei auf der Schleimhaut der Harnblase lebt und daher ohne Mühe direkt 
untersucht werden kann. Der fragliche Parasit scheint sehr häufig zu 
sein, denn die drei jungen Hechte, welche ich im Laufe des verflos- 
senen Decembers untersuchte, enthielten denselben und zwar zwei da- 
von in so erheblicher Menge, dass die Wand der Blase geradezu mit 
einer dichten Lage der Myxosporidien bedeckt war, welche einen 
orangegelben Überzug darstellten, da unsere Parasiten bekanntlich 
gelblich gefärbt sind. 

Ich habe oben speciell hervorgehoben, dass ich die Hechte im De- 
cember untersuchte, weil GABRIEL mittheilt, dass während der Winter- 
monate die Myxosporidien nur spärlich anzutreffen seien, womit die 
angeführten Ergebnisse nicht recht zu harmoniren scheinen. 

Bekanntlich finden sich diese hüllenlosen, plasmatischen Myxo- 
sporidien stets in sehr verschiedener Größe und in sehr verschiedenen 


Beiträge zur Kenntnis der Fischpsorospermien, 639 


Gestaltungen vor. Die kleineren, durchsichtigeren, wenig körnigen und 
auch wenig gelblichen Formen, welche ohne Zweifel die jugendlichen 
Entwicklungszustände darstellen, sind meist rundlich; die größeren 
dagegen besitzen im Allgemeinen die schon von LiEsErkünn geschilderte 
langgestreckt - schlauchartige Gestalt, ohne dass jedoch diese Form 
stets eingehalten würde; es finden sich vielmehr auch plumpe mehr 
oder minder unregelmäßige Gestalten, die wegen sehr mannigfacher, 
unregelmäßiger Fortsatzbildungen eine amöbenartige Form darbieten. 
Es liest nun sehr nahe, die wechselnden Gestaltsverhältnisse dieser 
Myxosporidien auf amöboide Beweglichkeit zurückzuführen, um so 
mehr, als LiEBERKÜHN schon angiebt, schwache amöboide Bewegungen 
derselben beobachtet zu haben. Dagegen hat neuerdings GABRIEL mit 
großer Bestimmtheit das Auftreten solcher Bewegungserscheinungen in 
Ahrede gestellt und namentlich auch die Erklärung der wechselnden 
Gestaltungsverhältnisse mit Hilfe derartiger Processe zurückgewiesen. 
Nach meinen Erfahrungen ist er jedoch hierin entschieden im Unrecht. 
Es rührt dies wohl von der recht großen Empfindlichkeit unserer Myxo- 
sporidien her, die bewirkt, dass sie in relativ indifferenten Flüssig- 
keiten, wie z. B. geeigneten Eiweißlösungen, häufig rasch und großen- 
theils zu Grunde gehen und niemals deutliche Bewegungserschei- 
nungen zeigen. Durch diese Erfahrungen gewarnt, untersuchte ich 
die Myxosporidien des dritten Hechtes nur in der Harnflüssigkeit und 
hatte denn auch die Genugthuung, die deutlichsten amöboiden Bewe- 
gungen wahrnehmen zu können. Bevor ich jedoch genauer auf die Schil- 
derung dieser Bewegungsvorgänge eingehe, dürfte es zunächst am Platze 
sein, die Bildungsverhältnisse des Plasmaleibes etwas eingehender zu 
erörtern. 

An den kleineren und kleinsten Formen ist von einer deutlichen 
Differenzirung des Plasmas in Ekto- und Entosark gewöhnlich durch- 
aus nichts zu erkennen; desto deutlicher tritt jedoch meist eine solche 
Erscheinung bei den größeren Myxosporidien, aber auch hier keines- 
wegs immer hervor. 

Das Ektosark bildet dann eine meist recht ansehnlich dicke Zone 
um das sehr körnige, gelbliche Entosark (Fig. 233>—27), und die Grenze 


heider Regionen tritt gewöhnlich sehr scharf hervor. 


Das Ektosark ist sehr durchsichtig hell, ganz zart und fein granulirt 
und enthält nie die für das Entosark zu erwähnenden, charakteristischen 
Einschlüsse. Buckelartige, plumpe Fortsätze oder faltenartige Vor- 
sprünge, welche sich, wie erwähnt, von der Körperoberfläche zahl- 
reicher Exemplare erheben, werden ausschließlich von solchem Ekto- 
sark gebildet (Fig. 27). Wenn sich jedoch das eine Körperende, wie 


640 0. Bütschli, 


dies auch zuweilen gefunden wurde, in zwei oder drei ansehnliche 
Fortsätze gabelt, so betheiligt sich an deren Bildung auch das Entosark 
gleichmäßig. 

Außer den erwähnten, stumpfen, unregelmäßigen Fortsätzen sendet 
jedoch das Ektosark sehr häufig, wie schon GuaBriEL beschrieben hat, 
eine Menge feiner, haarartiger Fortsätze von geringer Länge aus, die, 
wie ein dichter, borstenartiger Besatz die Oberfläche gänzlich oder nur 
zum Theil überziehen. Diese Fortsätze sind entweder einfach borsten- 
artig (Fig. 25) eder mehr oder minder reich geweihartig verästelt 
(Fig. 31), so dass eine, von solchen Gebilden völlig überdeckte Myxo- 
sporidie eine ziemliche Ähnlichkeit etwa mit einer Vampyrella darbietet. 
Nicht selten jedoch sind es nicht einfache, haarartige Fortsätze, sondern 
in der Quere um den Körper herumziehende, zarte Falten, welche im 
randlichen Schnitt gesehen, das Bild solcher Fortsätze erzeugen. Meist 
machen nun diese Fortsatzgebilde einen völlig inaktiven, rigiden Ein- 
druck, scheinen also in dieser Hinsicht wesentlich von den eigentlichen 
Pseudopodienbildungen abzuweichen. Dies ist auch Gasrier’s An- 
sicht, der es geradezu ausspricht, dass sie den Pseudopodien der Proto- 
zoen nicht vergleichbar seien, da sie nämlich wohl hervorquellen, je- 
doch nicht wieder zurückfließen könnten. Dennoch glaube ich, giebt 
es auch bei den Protozo&n ähnliche Fortsatzgebilde; ich meine nämlich, 
dass die Büschel feiner, borstenartiger Fortsätze, welche das Hinterende 
der Amöben und amöbenartigen Organismen häufig bekleiden, sich 
den besprochenen Einrichtungen unserer Myxosporidie ziemlich nähern. 
Vielleicht lassen sich jedoch auch die kurzen, stachel- oder börstchen- 
artigen Auswüchse, welche das Ektosark gewisser amöbenartiger Or- 
ganismen, so des Daktylosphaerium H. und L., des Chaetoproteus St. 
(— Dinamoeba Leidy) überkleiden, gleichfalls zum Vergleich heran- 
ziehen. Auch diese Fortsätze der genannten Amöben und Verwandten 
sind bis jetzt ganz rigid und bewegungslos gefunden worden. 

Die Ähnlichkeit mit dem hinteren Fortsatzbüschel mancher Amöben 
wird zum Theil noch dadurch erhöht, dass auch die Fortsätze unserer 
Myxosporidie nicht selten auf eines der Körperenden beschränkt sind. 

Vollständig bewegungslos sind aber die besprochenen Gebilde den- 
noch nicht; ich beobachtete wenigstens bei den im Harne des Hechtes 
untersuchten Exemplaren mehrfach recht deutlich eine völlig rhizo- 
podenartige, allmähliche Veränderung der Fortsätze; langsam wurden 
einzelne eingezogen, daneben dagegen neue entwickelt. Nach dieser 
Erfahrung kann ich daher nicht im Zweifel sein, dass die beschriebenen 
Gebilde, trotz ihrer anscheinend meist großen Rigidität, doch im We- 
sentlichen in die Kategorie der pseudopodienartigen Fortsätze gehören. 


Beiträge zur Kenntnis der Fischpsorospermien. 641 


Unsere Myxosporidie zeichnet sich daher durch die Fähigkeit aus, so- 
wohl stumpfe, breite Fortsätze, wie auch zarte und verästelte entwickeln 
zu können. 

Im Ektosark treten zuweilen noch eigenthümliche Differenzirungs- 
erscheinungen hervor, wie man die zu besprechenden Verhältnisse wohl 
zu bezeichnen berechtigt sein dürfte. Einmal ist das Ektosark des einen 
Körperendes sehr gewöhnlich mehr oder minder deutlich fein radiär- 
streifig entwickelt und gleichzeitig gewahrt man an dieser ziemlich 
beschränkten Stelle keine scharfe Grenze zwischen Ekto- und Entosark, 
während im übrigen Körper diese Grenze, wie erwähnt, stets recht 
scharf sichtbar ist. Das betreffende Körperende glaube ich für das- 
jenige halten zu dürfen, mittels welchen die Myxosporidien befestigt 
sind. Weiterhin zeigt sich jedoch auch längs der beiden Seiten des 
mehr oder minder langgestreckten Körpers nicht selten eine Art längs- 
streifiger Differenzirung (Fig. 27), welche den Eindruck macht, als wenn 
eine Anzahl mäßig dicker, etwas dunklerer Ektoplasmaschichten zu- 
nächst um das Entosark über einander geschichtet wären. Zwischen 
diesen dunkleren Ektoplasmastreifen bemerkt man ganz helle, etwas 
röthliche Trennungsstreifen, deren optisches Verhalten ganz den Ein- 
druck einer Flüssigkeit macht und eine ähnliche, hellröthliche Grenz- 
schicht ist nicht selten auch zwischen dem ganzen Ento- und Ektosark 
zu beobachten. 

Am eigenthümlichsten jedoch dünkt mich ein Verhalten des Ekto- 
plasmas, das ich bei starker Abplaitung der Myxosporidien sehr deut- 
lich sah und das ich nicht im Stande bin, mir völlig zu deuten, welches 
mir jedoch auch durchaus nicht den Eindruck eines etwa durch Ge- 
rinnung oder auf eine andere Weise künstlich hervorgerufenen Phä- 
nomens machte. Auch in diesem Fall (Fig. 28) war zwischen Ekto- 
und Entoplasma eine schmale, hellröthliche Grenzschicht deutlichst zu 
sehen; von dieser jedoch verbreiteten sich zahlreiche, in ziemlich regel- 
mäßigen Abständen entspringende Ausläufer durch das Ektoplasma, 
welche, sich mehrfach verästelnd und unter einander anastomosirend, 
bis zu der Ektoplasmaoberfläche zu verfolgen waren. Das Ganze machte 
den Eindruck, als wenn sich ein System von mit heller Flüssigkeit erfüll- 
ten Kanälen durch das Ektoplasma verbreitete. Natürlich soll hiermit 
_ vorerst keine Erklärung des nur beiläufig studirten Phänomens gegeben 
werden. Das Entosark ist, wie schon hervorgehoben, bei den größeren 
Formen stets durchaus körnig und gelblich. Es rührt dies, abgesehen 
von den eventuell vorhandenen Sporen, von einer dichten Erfüllung 
mit fettglänzenden, schwachgelblichen Körnchen oder Kügelchen von 
sehr verschiedener Größe her, welche auch wohl sicherlich eine fett- 


642 0, Bütschli, _ 


artige Natur besitzen, da sie von absolutem Alkohol völlig gelöst wer- 
den. Weiterhin wird jedoch die gelblich-röthliche Färbung des Ento- 
sarks noch dadurch vermehrt, dass sich in größerer oder geringerer 
Menge deutliche, und zum Theil recht ansehnliche Hämatoidinkrystalle 
vorfinden, wie dies LiEBERKÜHN und, laut ihm, schon früher MEıssner 
gefunden hat. GasrIEL erwähnt dieser Krystalle nicht, sondern spricht 
nur von einem gelblichen Pigment der Myxosporidien. Hervorzuheben 
ist jedoch, dass diese Krystalle nicht frei im Entoplasma sich finden, 
sondern innerhalb der größeren Fettkügelchen auftreten (Fig. 34 a—c). 
Hier beobachtet man sie von den kleinsten Anfängen an bis zu be- 
trächtlicher Größe, wo dann die Masse des Fettkügelchens nur noch 
einen verhältnismäßig schwachen Überzug des Krystalls bildet. Zu- 
weilen treten auch mehrere Krystalle in einem Fetttröpfchen auf und 
gelegentlich auch ein Konglomerat kleinster Kryställchen. Wenn man 
durch absoluten Alkohol die Masse der Fettkügelchen auflöst, so bleiben 
die Krystalle frei und unversehrt zurück. 

Nach Krystallform und Aussehen besteht kein Zweifel, dass hier 
wirklich Hämatoidinkrystalle vorliegen, welche wohl in irgend einer 
Weise auf das Blut des Parasitenträgers zurückgeführt werden müssen ; 
desshalb scheint mir auch die Ansicht GABrıEL’s wenig für sich zu 
haben, welcher das gelbe Pigment mit ähnlichen Pigmentirungen der 
BE omyeiten vergleicht. | 

Als letzte, jedoch keineswegs unwichtigen Bestandteile des Ento- 
sarks sind nun schließlich noch die auch. hier in der erstaunlichsten 
Menge sich findenden, kleinen Kerne hervorzuheben, welche schon in 
frischem Zustand bei hinreichender Ausbreitung des Protoplasmas zu 
erkennen sind, jedoch hauptsächlich nach der Färbung über jeden 
Zweifel sicher hervortreten. Sie besitzen auch hier eine ziemlich deut- 
liche, dunkle Hülle und einen granulirten Inhalt. 

Bevor wir zu den Sporenbildungsverhältnissen übergehen, dürften 
noch einige Worte über die weiteren Bewegungserscheinungen der 
Myxosporidien am Platze sein. Zunächst kam eine ganze Anzahl Exem- 
plare zur Ansicht, die am einen Ende des langgestreckten Körpers (und 
zwar möchte ich vermuthen, dass es das Anheftungsende war) ganz 
helle, durchsichtige, plumpe, bruchsackartige Fortsätze des Ektosarks 
aussendeten (siehe Fig. 29 a—c), welche im regsten Wechsel sich ver- 
änderten, wieder eingezogen wurden, während ein neuer Fortsatz her- 
vortrat, so dass das Ganze das Bild der amöboiden Bewegung auf das 
schönste vorführte. Fig. 29 a—c stellt drei auf einander folgende Pha- 
sen in der Bildung derartiger Pseudopodien dar. 

Bei weiterem aufmerksamen Suchen ließ sich jedoch nun auch 


Beiträge zur Keuntnis der Fischpsorospermien. 643 


eine Anzahl Exemplare auffinden, deren gesammter Leib in zwar ziem- 
lich träger, jedoch recht deutlicher amöboider Bewegung begriffen war. 
Die gesammte Körpergestalt unterlag dabei natürlich fortdauernden Ver- 
änderungen, ohne dass jedoch eigentliche Pseudopodien ausgesendet 
wurden. Der ganze Bewegungsvorgang ließ sich vielleicht am ehesten 
dem einer sich träge bewegenden Pelomyxa vergleichen. 

Nach diesen Erfahrungen glaube ich nicht mehr anstehen zu 
dürfen, die mannigfachen Gestaltungsformen, welche unsere Myxospori- 
die darbietet, sämmtlich als Ausflüsse ihrer amöboiden Beweglichkeit zu 
betrachten. 

Auf einen Punkt möchte ich noch kurz aufmerksam machen, es ist 
dies eine Art der Befestigung, welche ich bei den kleineren Myxospori- 
dien mehrfach beobachtete und die, im Hinblick auf die Gregarinen, 
nicht ohne Interesse erscheint. Man sieht nämlich solche kleinen For- 
men häufig an losgelösten Epithelzellen der Harnblase derart befestigt, 
dass ein Theil der Zelle von der Myxosporidie umfasst und eingehüllt 
wird (Fig. 30). Es scheint daraus hervorzugehen, dass wenigstens die 
jugendlichen Formen sich, wie dies ähnlich ja auch für zahlreiche Gre- 
garinen erwiesen ist, an einzelnen Zellen befestigen. 

Zum Schluss meiner Mittheilung habe ich noch dasjenige zu be- 
richten, was ich über die Bildungsgeschichte der Sporen zu ermitteln 
vermochte, wodurch, wie ich glaube, zum ersten Mal einige nähere 
Aufschlüsse über diesen, auch in allgemeiner Hinsicht sehr interessan- 
ten Vorgang sich ergeben. Bis jetzt stand hierüber nur so viel fest, 
dass die Sporen entschieden auf endogenem Weg gebildet werden, und 
dass sie in hellen Bläschen oder Vacuolen zur Entwicklung gelangen, 
wie solches zuerst Leypıe für die Myxosporidien der Gallenblase der 
Chondropterygier, später LIEBERKÜHN für die uns hier beschäftigende 
Form dargestellt hat. Auch GABRIEL gelangte bei seinen Untersuchungen 
nicht über die Arbeiten seiner Vorgänger hinaus; er spricht sich dahin 
aus, dass die Sporen nicht aus einem integrirenden Theil der Leibes- 
substanz des mütterlichen Organismus, sondern durch einen die Diffe- 
renzirung einleitenden Sekretionsprocess entstehen. 

Hinsichtlich der allgemeinen Bildungsverhältnisse der Sporen wäre 
zunächst hervorzuheben, dass die Entstehung derselben nicht an ein 


besonderes, erwachsenes Stadium der Myxosporidien geknüpft er- 


scheint, sondern dass sie sich in den Myxosporidien der allerverschie- 
densten Größen vorfinden und dies gilt ja auch eben so für die Myxo- 
sporidien der Fischkiemen, denn auch bei diesen fand ich sowohl die 
kleinsten wie die ansehnlichsten Formen dicht von Sporen erfüllt, wenn 
sich auch hier die im Ganzen selten beobachteten Entwicklungsstadien 


644 0. Bütschli, 


hauptsächlich in den kleineren Formen zu finden schienen. Dagegen 
traf ich bei zwei der untersuchten Hechte nur in den kleinen rund- 
lichen Jugendformen Sporen an, während die großen, schlauchartigen 
Formen weder ausgebildete, noch in Entwicklung begriffene aufwiesen. 
Stets war jedoch die Zahl der in solch kleinen Myxosporidien sich fin- 
denden Sporen eine sehr geringe, ein oder wenige Paare, da ja die 
Sporen der Hechtmyxosporidie stets paarweise zur "Entwicklung ge- 
langen. Gewöhnlich, jedoch nicht immer, beobachtet man um je ein 
Paar der Länge nach dicht zusammenliegender Sporen einen ovalen, 
hellen, ohne Zweifel von Flüssigkeit erfüllten Raum, der äußerlich mehr 
oder weniger deutlich von einer zarten, dunklen Hülle umschlossen 
wird, die jedoch auch nicht immer ganz deutlich zu bemerken ist. 

Ein Wort zunächst über den Bau der reifen Sporen (Fig. 32). Die- 
selben besitzen hier bekanntlich eine sehr langgestreckt-spindelförmige 
Gestalt, die ganze Spindel ist jedoch etwas gebogen. Die Sporenhülle 
ist deutlich und scharf konturirt, mäßig dick, dünner wie bei denen der 
Fischkiemen und zeigt häufig recht deutlich eine zarte, schief zur Spin- 
delachse verlaufende Streifung. Eine Zusammensetzung der Schale aus 
zwei Klappen lässt sich nicht wahrnehmen, auch sah ich bei Behand- 
lung mit koncentrirter Schwefelsäure keinen Zerfall in solche Klappen 
eintreten. Ob die Spindelenden feine Öffnungen besitzen, wie ja wahr- 
scheinlich, ließ sich nicht entscheiden. Die Sporenhülle ist fast völ- 
lig von protoplasmatischem, stärker wie bei denen der Fischkiemen 
granulirtem Inhalt erfüllt, der nur in den Spindelenden durch die bei- 
den Polkapseln verdrängt wird, welche jedoch auch hier wohl noch 
von einer zarten, protoplasmatischen Schicht umhüllt werden (p). Diese 
Polkapseln zeigen genau denselben Bau wie die der früher besproche- 
nen Sporen, wenn auch nicht in gleicher Deutlichkeit und dies geht 
hauptsächlich auch noch daraus hervor, dass sie in gleicher Weise, 
namentlich nach Behandlung mit koncentrirter Schwefelsäure, ihre 
Fäden ausschnellen, die hier natürlich aus den beiden Spindelenden 
hervortreten und etwa die zwei- bis dreifache Länge der Sporenschale 
besitzen (Fig. 33). Im Centrum des protoplasmatischen Inhalts findet 
sich ein meist recht deutlicher, heller Zellkern (Fig. 32, n), den ich, 
namentlich auch wegen der Ergebnisse der Bildungsgeschichte der 
Sporen, nicht anstehe, als echten Zellkern zu bezeichnen. Nur selten 
wurden Deformitäten dieser Sporen gefunden, von welchen ich haupt- 
sächlich eine erwähne, die eine bauchigere Gestalt besaß und bei der 
sich die beiden Polkapseln gemeinsam in einem Spindelpol neben ein- 
ander vorfanden. 

Die Entwicklung der Sporen ließ sich bei dem dritten Hecht stu- 


Beiträge zur Kenntnis der Fischpsorospermien. 645 


diren, indem dessen Myxosporidien dicht mit in Bildung begriffenen 
Sporen erfüllt waren. Beim Zerdrücken dieser Myxosporidien, zum 
Theil jedoch auch schon im intakten Zustand, ließen sich diese Bil- 
dungsstufen studiren und habe ich hieraus nachstehendes Bild des Ent- 
wicklungsganges kombinirt, welches mir sehr große Wahrscheinlichkeit 
zu besitzen scheint. Beim Zerdrücken der Myxosporidien traten große 
Mengen blasser, sehr wenig granulirter, kleiner Plasmakugeln hervor, 
welche sich jedoch auch im Protoplasma der intakten Myxosporidie kon- 
statiren ließen und welche ich für die ersten Bildungsstufen der Sporen 
halten muss (Fig. 35—36). Jede dieser Kugeln wies eine beträchtliche 
Anzahl heller, kugliger, kleiner Zellkerne auf (Fig. 35), die schon ohne 
Behandlung mit Reagentien sehr deutlich zu erkennen waren. 

Die Zahl dieser Kerne betrug häufig sechs, jedoch, wie ich mich zu 
erinnern glaube, auch nicht selten noch mehr. Auf der Oberfläche 
eines Theils der Plasmakugeln war eine Membran nicht deutlich zu er- 
kennen (Fig. 35), zum Theil jedoch trat eine zarte Umhüllungshaut, 
etwas von der Oberfläche abgehoben, recht deutlich hervor (Fig. 36). 
Die Entstehung dieser Plasmakugeln lässt sich nun wohl nicht anders 
deuten, als dass eine gewisse Quantität des mütterlichen Plasmas, 
sammt Kernen ,,- zu einer derartigen Kugel sich konstituirt habe. Die 
Entwicklung der Sporen geht nun immer von sechskernigen, von einer 
zarten Hülle umkleideten derartigen Kugeln aus und ich muss es vor- 
erst dahin gestellt sein lassen, in welcher Weise die mehrkernigen 
Kugeln sich zu solchen sechskernigen umbilden. Das nächstweitere 
Bildungsstadium, das nicht selten gesehen wurde (Fig. 37), zeigt uns 
die Kugel in ihrer zarten, membranösen Hülle zu zwei dreikernigen zer- 
fallen (Fig. 37). Jede dieser dreikernigen Kugeln entwickelt sich nun 
zu einer Spore, indem sich beide in die Länge strecken und sich der 
Spindelgestalt der ausgebildeten Spore nähern (Fig. 38); frühzeitig 
scheint dann auch schon die erste zarte Andeutung der Sporenschale 
aufzutreten. Die drei Zellkerne lagern sich so, dass der eine den Mittel- 
punkt der Spindel einnimmt, die beiden andern dagegen in die Enden 
rücken. Während sich nun der mittlere Kern als Sporenkern erhält, 
scheinen die beiden andern gänzlich zu schwinden und an ihre Stelle 
treten die beiden Polkapseln. Anfänglich war ich nun natürlich sehr 
geneigt, diese Polkapseln direkt durch eine Umbildung der beiden 
Kerne entstehen zu lassen, obgleich ich die Schwierigkeit, welche sich 
in dieser Beziehung durch die Analogie derselben mit den Nesselkap- 
seln ergab, nicht verkannie. Genauere Untersuchung ließ jedoch er- 
kennen, dass die Polkapseln (Fig. 39 und 40 p) nicht durch direkte Um- 
bildung der Kerne hervorgehen. Etwas proximal von beiden Kernen 


646 0. Bütschli, 


findet man nämlich die Anlagen der beiden Polkapseln in Gestalt 
kleiner, dunkler, ziemlich glänzender Körperchen. Dieselben machen 
einen ziemlich soliden und homogenen Eindruck. Dass sie etwas hinter 
den Kernen und nicht etwa in denselben gelagert sind, so wie über- 
haupt mit diesen nicht in direkter Verbindung stehen, ließ sich deut- 
lich erkennen. Über die weitere Entwicklung dieser Polkapseln habe 
ich nicht viel anzugeben, sie nehmen an Größe zu, ohne jedoch zu- 
nächst ihre homogene Beschaffenheit aufzugeben (Fig. 20) und bilden 
sich hierauf zu den definitiven Kapseln um. Gleichzeitig schwinden 
dann die beiden Kerne, von welchen ich in den ausgebildeten Sporen 
durchaus nichts mehr zu entdecken vermochte. 

Dieser Entwicklungsgang der Sporen zeigt uns, dass die früheren 
Beobachter nur ein sehr unklares Bild von diesen Vorgängen besaßen, 
indem sie die hellen Räume, welche um die ursprünglichen Plasma- 
bildungskugeln entstehen, als das Primäre ansahen, in welchen in nicht 
weiter aufgeklärter Weise die Sporen entstünden. Ich kann mich je- 
doch auch nicht völlig von der Vermuthung trennen, dass LIEBERKÜHN 
die ursprünglichen Plasmabildungskugeln selbst für Vacuolen genom- 
men hat. GaBrIEL beschreibt, zwar mit einer gewissen Reserve, ge- 
wisse Weiterbildungserscheinungen der reifen Sporen, welche sich in 
der Harnblase des Hechtes vollziehen sollen und durch welche schließ- 
lich aus den Sporen kleine, gekörnte Plasmodien hervorgingen, die sich 
direkt zu den Myxosporidien weiter entwickelten. Ohne dass ich ein 
bestimmtes Urtheil über diese, von ihrem Entdecker bis jetzt nur flüch- 
tig, ohne weitere Belege, geschilderten Erscheinungen abzugeben ge- 
dächte, kann ich doch die Vermuthung nicht ganz unterdrücken, dass 
möglicherweise einige der von mir oben geschilderten Bildungsstufen 
zur Aufstellung der Ansicht von einer derartigen Weiterentwicklung der 
Sporen beigetragen haben. 

Bevor ich die jetzt mitgetheilten Beobachtungen über die Sporen- 
bildung der Hechtmyxosporidie anstellte, hatte ich schon eine Reihe, 
jedoch nicht ganz verständlicher Erfahrungen über die Bildung der 
Sporen bei den geschilderten Kiemenformen gesammelt, die jetzt, auf 
Grund der genaueren Befunde, wahrscheinlich eine andere Deutung zu 
erfahren haben, als ich ihnen zuerst gab, und welche dadurch eine 
ziemliche Übereinstimmung mit den Erfahrungen bei der Hechtmyxo- 
sporidie darbieten würden. In der Protoplasmamasse einer Anzahl der 
Kiemenformen fanden sich nämlich Körper, welche ohne jeden Zweifel 
Entwicklungszustände der Sporen darstellten. Dieselben waren nahezu 
kuglig, von einer zarten Membran umschlossen und größer wie die 
reifen Sporen; jedoch deutete Vieles darauf hin, dass sie durch die 


Beiträge zur Kenntnis der Fischpsorospermien. 647 


Isolation aus dem Protoplasma der Myxosporidie stark gequollen waren, 
darunter namentlich auch der Umstand, dass sie rasch zu Grunde 
gingen. Als Inhalt gewahrte man in diesen Körpern (Fig. 14) stets drei 
blasse, nahezu kuglige, oder durch gegenseitiges, inniges Zusammen- 
rücken zuweilen auch etwas eckige Gebilde. 

An einer Stelle des Umfangs zeigte die Membran häufig sehr deut- 
lich einen ziemlich weiten Ausschnitt, eine Öffnung (o), und es fanden 
sich dieser Öffnung stets zwei der Inhaltskugeln zugelagert, die dritte 
dagegen von der Öffnung abgewandt. Zu beiden Seiten der Öffnung zeigte 
sich die Membran häufig auf eine Strecke hin verdickt, dunkler und 
stärker. Die weitere Beobachtung lehrte nun, dass die beiden der Öf- 
nung zugelagerten Inhaltskugeln entschieden in inniger Beziehung zu 
der Bildung der beiden Polkapseln stehen, die hintere dritte dagegen 
keine weitere Veränderung erfuhr. Ich fasste daher die Sache so auf, 
dass ich die drei Inhaltskörper für Plasmagebilde nahm, von welchen 
die beiden vorderen die Polkapseln in sich entwickelten, das hintere 
dagegen den späteren Plasmainhalt der Spore darstelle. Die später 
gewonnene Erfahrung bei der Hechtmyxosporidie lässt mich jedoch nun 
vermuthen, dass diese Inhaltskörper nicht Plasmagebilde, sondern drei 
Kerne sind, welche einer, die Hülle ausfüllenden, jedoch wegen starker 
Quellung sehr durchsichtigen und daher übersehenen, einheitlichen 
Plasmamasse eingebettet sind. Halten wir diese Auffassung, wie mir 
sehr wahrscheinlich, für die richtige, so ergiebt sich eine ziemliche 
Übereinstimmung mit der Entwicklung der Hechtmyxosporidie. Auch 
hier haben wir drei Kerne in der Bildungszelle der Spore, von welchen 
sich der hintere erhält, die beiden vordern dagegen mit der Ausbildung 
der Polkapseln zu Grunde gehen. 

Die Entwicklung dieser Polkapseln selbst bietet aber eine Reihe 
eigenthümlicher Erscheinungen dar, welche jedoch bis jetzt nicht völlig 
aufzuklären sind. Ich bemerkte sie zuerst als kleine, kapselartige Ge- 
bilde, welche in den vorderen Kernen selbst zu liegen schienen 
(Fig. 45). Bei etwas größer gewordenen, derartigen Kapseln konnte 
man häufig sehr deutlich ein centrales, dunkles Korn wahrnehmen 
(Fig. 16). Während nun weiter entwickelte Polkapseln zu beobachten 
waren, die noch im Inneren der Kerne zu liegen schienen und einen 


_'Spiralfaden recht deutlich darboten,, zeigten dagegen andere einen noch 


sehr unansehnlichen Faden als eine äußere Fortsetzung der Kapsel- 
wand, also, so weit verständlich, im ausgeschnellten Zustand, entweder 
noch als ein sehr feines und kurzes Spitzchen (Fig. 17), oder als einen 
etwas längeren, im Kern hin- und hergewundenen Faden (Fig. 18); ja 
ich traf auch isolirte, jedenfalls durch Druck hervorgequetschte, der- 


648 0. Bütschli, 


artige junge Kapseln, welche schon einen recht ansehnlichen Faden 
aufwiesen (Fig. 19). Wie gesagt, muss ich die nähere Deutung dieser 
Beobachtungsergebnisse vorerst dahingestellt sein lassen, namentlich 
auch die nicht unwichtige Abweichung, welche sich in der Bildungs- 
stätte der Polkapseln ergiebt, wenn wir die obige Auffassung der drei 
Inhaltskörper für richtig halten: dass nämlich bei der Kiemenmyxo- 
sporidie die Kapseln, allem Augenschein nach, innerhalb der beiden 
vorderen Kerne ihre Entstehung nehmen !. 


Nachdem ich hiermit die Aufzeichnung der Beobachtungsergeb- 
nisse vollendet habe, erlaube ich mir hieran einige Betrachtungen über 
die wahrscheinlichen Beziehungen unserer Myxosporidien zu den, bei 
einer derartigen Erwägung zunächst in Frage kommenden Gruppen 
niederster Organismen zu knüpfen. 


Was die von Leyvıs und LiEBERKÜHN betonten Beziehungen zu den 
Gregarinen betrifft, so glaube ich, dass dieselben als keine ganz innigen 
zu betrachten sein dürften. Sowohl der Bau der ausgebildeten Myxo- 
sporidie, wie der der Spore? und auch der Bildungsgang dieser letzte- 
ren scheinen mir gleichmäßig gegen solche Beziehungen zu sprechen. 
Ich verkenne hierbei zwar nicht, dass unser Wissen von der Sporu- 
lation der Gregarinen bis jetzt sehr lückenhaft und unvollständig ist. 
Es liegen zwar einige Beobachtungen vor, welche das Vorkommen der 
Sporulation bei gewissen Gregarinen auch im nicht encystirten Zustand 
und vielleicht auch auf endogenem Weg sehr wahrscheinlich machen, 
so die mir recht zweifelhaft erscheinende Beobachtung CLarArknpe’s? an 
Monocystis capitata Leuck. und eine Mittheilung von GABRIEL ? bezüglich 
einer Gregarine aus Julus, die jedoch zu unvollständig ist, um hieraus 
etwas Genaueres zu entnehmen. Gegen die Beziehungen zu den Grega- 
rinen spricht, wie gesagt, vorzüglich der Sporenbau und die Sporen- 
entwicklung der Myxosporidien, denn diese zeigen nur in den allge- 
meinsten Zügen Vergleichspunkte mit den Gregarinen. Vorerst haben wir 


! Die Vermuthung, welche ich gerne acceptirt hätte, dass die scheinbare Ein- 
lagerung der Kapseln in die beiden vorderen Kerne nur von einer dichten Anlage- 
rung an diese herrühre, wird wegen des Verhaltens der ausgetretenen Fäden der- 
artiger Kapseln unwahrscheinlich. 

2 Gegenüber den Differenzen erachte ich die Ähnlichkeit im Sporenbau beider 
Abtheilungen, wie die gelegentliche Zweiklappigkeit und das Vorkommen von 
Schwanzanhängen, für wenig bedeutsam. 

3 Recherches anat. s. les Annelides, Turb., Opal. et Greg. 1864. 

4 Zoologischer Anzeiger. III. p. 569. 


Beiträge zur Kenntnis der Fischpsorospermien, 649 


wohl alles Recht die sogenannten Polkapseln für besonders bezeich- 
nende Inhaltskörper der Myxosporidiensporen zu halten, und von diesen 
hat sich bis jetzt bei Gregarinensporen nichts auffinden lassen; denn die 
in den Sporen der Adelea von Aımt Scuneiper ! entdeckten, beiden frag- 
lichen Körperchen dürften kaum den eigenthümlichen Polkapseln an die 
Seite gestellt werden. | 

Diese Verhältnisse der Myxosporidiensporen scheinen mir jedoch 
auch eben so gegen eine nähere Beziehung unserer Organismen zu den 
Myxomyceten zu sprechen. Denn so weit ich mich in dieser Hinsicht 
zu orientiren vermochte, liegen keinerlei Nachrichten über das Vor- 
kommen solcher polkapselartiger Gebilde in den Sporen der Myxo- 
myceten vor. Schon oben habe ich betont, dass ich die gelblichen 
Fetikugeln und die Hämatoidinkrystalle der Hechtmyxosporidie nicht 
für vergleichbar mit den Pigmenten der Myxomyceten halte; die übrigen 
Myxosporidien zeigen übrigens nichts von einer Pigmentirung, mit Aus- 
nahme derer der Gallenblase der Chondropterygier, welche eine gelb- 
liche Färbung aufweisen, die jedoch schon Lrypıc auf eingedrungene 
Gallenfarbstoffe zurückführt, wie es ja auch Gregarinen giebt, deren 
Plasma eine ähnliche Färbung zeigt wie die Wände oder der Inhalt des 
Darmes, in welchem sie leben ?. Dass natürlich auch die Myxomyceten, 
namentlich in ihren einfachsten Formen, eine gewisse Ähnlichkeit mit 
den Myxosporidien verrathen, vorzüglich auch in der ihnen zum Theil 
eigenthümlichen endogenen Sporenerzeugung, dürfte nicht zu verken- 
nen sein, doch findet sich eine solche Ähnlichkeit auch zwischen den 
Myxomyceten und solchen einfacheren Sarkodinen, welche man all- 
gemein den Rhizopoden einreiht. Unter diesen findet sich ein Organis- 
mus, mit welchem die Myxosporidien speciell auch einige Beziehungen 
zu besitzen scheinen, nämlich die interessante Pelomyxa. Einmal 
stimmen sie mit dieser im Besitz großer Mengen kleiner Zellkerne über- 
ein, dann aber ist es auch wahrscheinlich, dass die Pelomyxa endogene, 
umhüllte Sporen erzeugt?, die zwar auch nichts von Polkapseln zeigen. 
Gerade auf diese Polkapseln muss jedoch wohl vorerst bei Beurtheilung 
der allgemeinen Stellung unserer Myxosporidien einiges Gewicht gelegt 
werden. Nach Allem, was wir von ihnen wissen, können wir zu ihrer 
Vergleichung nur die echten Nesselkapseln heranziehen, welche bis 
jetzt ausschließlich bei entschieden thierischen Organismen angetroffen 
worden sind und nach neueren Erfahrungen ja auch in der Abtheilung 


1 Arch. zoolog. experim. IV. p. 599. 
2 Vgl. hierüber Scaneiper, 1. c. p. 541. 
3 Vgl. hierüber BürscaLı, Studien über die ersten Entwicklungsvorgänge. 
Sep.-Abdr. p. 150. 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 43 


650 0. Bütschli, 


der Protozoen nicht fehlen. Ich verkenne zwar durchaus nicht, dass auch 
dieses Kriterium, wie die anderen, welche nach und nach zur Grenz- 
scheidung zwischen dem dhiorischen und pflanzlichen Reich hervor- 
gehoben wurden, nur aufgestellt sein wird, um durch tiefergehende 
Erfahrungen umgestürzt zu werden. Da es sich aber vorerst doch nur 
um eine provisorische Feststellung etwaiger Beziehungen unserer Myxo- 
sporidien handelt, so dürfte auch dieses Kriterium einstweilen zur 
Verwerthung herangezogen werden, bis vollständigere Erfahrungen 
über die gesammte Lebensgeschichte unserer Organismen eine sicherere 
Entscheidung erlauben. 

Ich möchte auf Grund der vorstehenden Betrachtungen unsere 
Formen als von den einfacheren Rhizopoden sich ableitend auffassen. 
Den Rhizopoden einverleibt können sie jedoch nicht werden. Damit 
wären denn aber auch die nachbarlichen Beziehungen derselben zu 
Gregarinen und Myxomyceten nicht ausgeschlossen, denn auch diese 
beiden Abtheilungen weisen auf einen ähnlichen Ursprung hin. Ge- 
rechtfertigt wird es aber erscheinen unsere Organismen als eine be- 
sondere Abtheilung zusammenzufassen, welche ihre Stellung neben den 
Gregarinen einzunehmen hat und ebenso wohl auch gerechtfertigt, statt 
des in Misskredit gekommenen Namens »Psorospermien« einen neuen 
zu wählen. Ich glaube, dass der von mir gewählte Name » Myxospo- 
rida« nicht ganz unpassend sein dürfte. 

Basıanı hat bekanntlich die Myxosporidien für pflanzliche Organis- 
men erklärt und berichtet auch von eigenthümlichen Konjugationser- 
scheinungen ihrer Sporen. Seine Auffassung wird jedoch schon dess- 
halb keine ernstliche Widerlegung bedürfen, weil er die Sporen für die 
ausgebildeten Organismen zu halten scheint. Übrigens hat er auch seine | 
Ansicht nicht weiter begründet. 


Heidelberg, den 25. Februar 1881. 


Beiträge zur Kenntnis der Fischpsorospermien. 651 


“ Erklärung der Abbildungen. 


Tafel XXXI. 


Fig. 4—24. Von Myxosporidien der Kiemen der Süßwassercy- 
prinoiden. 


Fig. 4—3. Sporen von der Breitseite gesehen. p, die Polkapseln; n, der Nu- 
cleus; K, die dunklen Körnchen. In Fig. 3 ist der Plasmainhalt der Spore etwas 
zusammengezogen und ziemlich glänzend, daher der Kern nicht sichtbar. 

Fig. + und 5. Zwei Sporen von der Schmalseite gesehen. Fig. 4 mit ausge- 
schnellten Fäden der Polkapseln. Beide nach Behandlung mit koncentrirter 
Schwefelsäure, wonach die Öffnung am spitzen Pol besonders deutlich hervortritt. 

Fig. 6 und 7. Aus einander gefallene Klappen der Sporen nach Behandlung mit 
koncentrirter Schwefelsäure. 

Fig. 8-41. Abnorme Vorkommnisse geschwänzter Sporen. Fig. 10 mit drei 
Polkapseln. 

Fig. 42. Spore mit durch Druck hervorgepressten Fäden der Polkapseln. 

Fig. 43. Spore mit in "normaler Weise hervorgetretenen Fäden der Pol- 
kapseln. 

Fig. 14—18. Eine Reihe von Entwicklungsstadien der Sporen. Wahrscheinlich 
stark aufgequollen. 

Fig. 49. Eine noch nicht völlig ausgebildete Polkapsel mit ausgetretenem 
Faden. 

Fig. 20. Eine isolirte reife Polkapsel mit hervorgeschnelltem Faden. 

Fig. 21. Kerne der Myxosporidie. 

Fig. 22. Ein Kiemenblättchenpaar eines Cyprinoiden, davon das eine Blättchen 
mit einer Myxosporidie (C). K, das Knorpelstäbchen dieses Kiemenblättchens. 

Fig. 23. Eine isolirte kleine Myxosporidie mit ihrer Hülle. 

Fig. 24. Ein Theil dieser Hülle stärker vergrößert mit ihren Kernen. 


Fig. 25—40. Von der Myxosporidie der Hechtharnblase. 


Fig. 25—27. Drei größere Formen dieser Myxosporidie bei schwacher Ver- 
größerung. Fig. 25 mit Besatz von feinen haarartigen Ektoplasmaforlsätzen. Fig. 27 
mit der im Text (p. 641) geschilderten, längsstreifigen Differenzirung des Ektoplasmas 
an den Seiten. 

Fig. 28. Kleiner Theil des Randes einer größeren Myxosporidie mit der eigen- 
thümlichen Differenzirung, die im Text (p. 641) näher geschildert wurde. 

Fig. 29 a—c. Drei successive Stadien der Entwicklung heller, ektoplasmatischer 
Pseudopodien am einen Körperende einer großen ] Myxosporidie. 

Fig. 30. Kleine Myxosporidie, befestigt an einer Epithelzelle der Harnblase; 
n, der Nucleus dieser Zelle. 

Fig. 34. Theil des Randes einer großen Myxosporidie mit verzweigten, geweih- 
artigen Ektoplasmafortsätzen. 

Fig. 32. Isolirte Spore. n, Nucleus; p, Polkapseln. 

Fig. 33. Spore mit ausgeschnellten Fäden der Polkapseln, nach Behandlung mit 
koncentrirter Schwefelsäure. 

‚Fig. 34 a—c. Vier der gelblichen Fettkügelchen mit Einschlüssen von Häma- 


. toidinkrystallen. 


Fig. 35—40. Eine Reihe Entwicklungsstadien der Sporen. In Fig. 39 und 40 
ist nur je eine Spore des Paares ohne die, beide umschließende, zarte Hüll- 
membran dargestellt. p, die sich entwickelnden Polkapseln, daneben in Fig. 39 


noch die beiden allmählich verschwindenden Nuclei; n, der bleibende Nucleus der 


Spore. 


43* 


Studien über Bopyriden. 
Von 
Professor Dr. R. Kossmann in Heidelberg. 
1. 


Gigantione Moebii und Allgemeines über die Mundwerkzeuge 
der Bopyriden. 


Mit Tafel XXXII und XXX. 


Über Bopyriden habe ich bereits in meinen »Zoologischen Ergeb- 
nissen einer Reise in die Küstengebiete des rothen Meeres« (Malacostraca, 
p. 108ff.)!, so wie auf der Naturforscherversammlung zu Danzig (vgl. 
» Tageblatt der 53. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte «. 
1880. p. 211) Einiges mitgetheilt. Die nächste Veranlassung zu den 
bezüglichen Arbeiten boten neue Formen dieser Familie, deren eine ich 
im rothen Meere, deren andere Professor Mozsıus bei Mauritius gefunden 
hatte. Die letztere in einem ausschließlich der erythräischen Fauna ge- 
widmeten Werke ausführlich zu besprechen, erschien unpassend; in 
dem Tageblatte der Naturforscherversammlung war eine durch Abbil- 
dungen unterstützte Ausführlichkeit unmöglich. Ich beschränkte mich 
also bezüglich dieses Bopyriden von Mauritius bei beiden Gelegenheiten 
auf kurze Bemerkungen und that das um so lieber, als ich schon damals 
auf Ergänzung einiger Lücken während eines bevorstehenden Aufent- 
haltes in der zoologischen Station zu Neapel hoffen durfte. Über solche 
Hoffnung hinaus hat mir seitdem dieser Aufenthalt Material zur gründ- 
lichen Bearbeitung der ganzen Familie geliefert, so dass ich mich nun 
schon mit dem Plane trage, eine Monographie derselben zu veröflent- 
lichen. Ich würde es wohl sogar aufgegeben haben, der Monographie 
einen bruchstückartigen Artikel noch voraufzusenden, wenn mich nicht 
zwei Gründe bei dieser ersten Absicht zu bleiben veranlasst hätten: 


1 Leipzig 1880. 


Studien über Bopyriden. 653 


erstens nämlich die Überlegung, dass ich bereits mehrfach auf eine 
Arbeit unter dem Titel der hier vorgelegten hingewiesen hatte; und 
zweitens der Wunsch, durch eine vorläufige Mittheilung bei meinen 
Fachgenossen um Zusendung! des etwa in ihren Händen befindlichen 
wohlkonservirten Materials zu werben. Dies will ich denn hiermit aus- 
drücklich gethan haben und bitte nur noch, mir die hierorts gemeinen 
Arten Jonethoracica, Gyge branchialis und Bopyrus squil- 
larum gar nicht und andere Arten nur in wirklich leidlichem Zustande 
zu senden. Auch erlaube ich mir die Bemerkung, dass ich mich zur Rück- 
sendung, es sei denn von Dubletien, nicht verpflichten kann, da eine 
Untersuchung ohne Zergliederung nicht möglich ist. 

Um mir auch in anderer Hinsicht die Beihilfe meiner Fachgenossen 
zu verschaffen, sende ich ein Verzeichnis der mir bekannt gewordenen 
Litteratur über Bopyriden (im engern Sinne, also ohne Üryptoniscus, 
Entoniscus und dgl.), so wie der zu meiner Kenntnis gelangten Gat- 
tungsnamen und Wohnthiere schon dieser Arbeit voraus, indem ich 
auf etwaige Vervollständigung der Listen durch die Gefälligkeit be- 
lesenerer Forscher hoffe. 


Verzeichnis der Gattungsnamen der Familie der Bopy- 
riden s. str. (vgl. Kossmann, Zool. Ergebnisse, 
Malacostraca. p.A18). 
Argeia, Dana, 
Bopyrus, LATREILLE, 
Bopyroides, STIMPson, 
Cepon, DuvErnoy, 
Dajus, Kroyer, 
Gyge, CornaLIA und PAncERI, 
Jone, LATREILLE, 
Leidya, CornaLıa und Pancerı, 
Phyllodurus, Srımpson, 
Phryxus, RATHkE. 
(Athelges, Hzsse, Pleurocrypta, Hesse und Prosthetes, Hesse.) 


Verzeichnis der Wohnthiere, auf welchen bisher 
. Bopyriden gefunden wurden. 
Brachyura. Gelasimus pugilator, 
Leptograpsus rugulosus, 
_ Metopograpsus messor, 


! Unter der Adresse der zoologischen Station zu Neapel. 


694 


R. Kossmann, 


Brachyura. Rüppellia impressa, 
Portunus arcuatus. 
Anomura. Pagurus sp., 
Porcellana sp., 
Galathea squamifera. 
Macrura. Callianassa subterranea et A sp. inc., 
Gebia littoralis et 4 sp. inc., 
CGrangon munitus, 
Nika edulis, 
Alpheus sp., 
Palaemon squilla, serratus, Leachii, xiphias, 
Palaemonetes vulgaris, 
Pandalus annuliceps, borealis, Montagni, 
Hippolyte, 6 spec. 
Schizopoden. Mysis, 1 sp. inc. 


Verzeichnis der Litteratur über die Bopyriden s. str. 


1. 


2 8 


SION © 


18. 


Aupovin & MıLnEe Epwarns, Ann. sc. nat. 14826. t. IX. 

BATE & WeEsTwoop, British sessile eyed crust. II. p. 210 ff. 

BATE, Characters of New Species of Crustaceans discovered by J. K. Loxp on the 
Coast of Vancouver Island. Proc. zool. soc. 4864. p. 668. 

Bosc, Hist. crust. II. p. 216. 

BrULLE, Exped. Moree. p. 46. 

BuchHoLz, Zweite deutsche Nordpolfahrt. p. 286. 

CoRNALIA &t PAncERI, Osservazioni sul genere Gyge branchialis. Mem. Ac. Soc. 
Torino. ser. II. tom. IX. 

Cuvier, Regne anim. ed. ib. (Crochard) crust. tab. 59, fig. I. 


. Dana, United states expl. exp. crust. p. 803. 


DESMAREST, Consid. S. 1. crust. p. 286, 325, 326. 

DuvErnNoy, Sur un noveau genre de l’ordre des crust. isop. ibid. p. 440. 

DuvErnoy et LEREBOULLET, Essai d’une monographie des organes de la respira- 
tion. Ann. sc. nat. 2m® ser. t. XV. 4844. p. 477. 


. Fasrıcıus, Entomologia systematica, supplem. p. 306. 


FoUGEROUX DE BONDAREY, Sur un insecte qui s’attache A la chevrette. Mem. ac. 
sc. Paris 4772. toma II. p. 29. 

Fraısse, Entoniscus Cavolinii nebst Bem. über d. Umw. u. Syst. d. Bopyriden. 
Arb. a. d. zool.-zoot. Institute Würzburg. Bd. IV. 


. Goopsiır, Ann. nat. hist. XI. p. 75. 


GUERIN-MENEVILLE, Iconogr. r&gne an. crust. pl. 29, fig. 2; pl. 62, fig. 1,2. 
HARGER, Report U, S. Comm. fish and fisheries. p. I. 1874. 
HarGEr, Ibidem. p. II. 4878. 


. HaARrGER, Proc. U. S. Nat. Mus. 1879. vol. II. 
. Hesse, Annales des sciences natur. 5m® ser. t. III. t. IV. 6me ser, t. IV. 
. Kossmann, Zool. Ergebn. e. R. in die Küstengeb. des rothen Meeres. Malacostr. 


p. 108. 4880. 


23. 
24. 


25. 


26. 
27. 


28. 
29. 
30. 
31. 
32. 


33. 


34. 
35. 
36. 
37. 
38. 
39. 
40. 


HA, 


42. 


43. 
hu, 
45. 
46. 


41. 


48. 
49. 


50. 


51. 
52. 
33. 
dh. 
55. 


Studien über Bopyriden. 655 


Kossmann, Tageblatt d. 53. Vers. deutscher Naturf. u. Ärzte. p. 211. 

Krover, Grönlands Amphipoder (K. Danske Selsk. Naturv. Afhandl.). D. VII. 
p. 306. 1838. 

Krover, Bopyrus abdominalis, Naturh. Tijdskrift. Bd. III. 1840. p. 102. (Isis. 
4844, Ann. sc. nat. 1842.) 

Krover, Voyage en Scandinavie, Crustaces. pl. 29. 

Krover, Monogr. fremst. af slaesten Hippolytes nordiske Arter, Vid. selsk. 
naturvid. og math. Afh. IX deel. p. 262. 

LAMARcK, Hist. an. sans vertebr. V. p. 164 und 165, 470. 

LATREILLE, Hist. nat. crust. et ins. VII. p. 55. 

LATREILLE, Gen. crust. etins. I. p. 67. 1806, 

LATREILLE, Encyclop. meth. pl. 336, f. 46. 

LATREILLE, Regne anim. €d. I, III. p. 54. 

Leipy, Contribut. tow. a Knowl. of the mar, Invertebr. fauna of the coast of 
Rhode Island. A855. Journal of the acad. nat. sc. of Philad. 2Qnd, ser. 3, 

Leipy, Proc. Ac. Nat. Soc. Phil. pt. II. 1879. p. 198. 

LiLLJEBoRG, Oefvers. Kongl. Vet.-Ak. Förh. IX. p. II. 4852. 

LÜTKEN, Crustacea of Greenland. p. 450. 1875, 

METZGER, Nordseefahrt der Pomm. 

Mıers, Ann. Mag. Nat. Hist. IV. vol. XX (4877). 

MiLne-EpwArps, Hist. nat. d. crust. III. p. 280, 282. 

MontaAgst, Trans. Linn. soc. IX. p. 105. 

Fritz MüLLer, Bruchstücke zur Naturgesch. d. Bopyriden. Jenaische Zeitschr. 
Bd. VI. 1874. p. 33. 

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NorMAnN, Proc. Roy. Soc. London. XXV. p. 209. 

PıckArD, Mem. Bost. Soc. Nat. hist. vol. I. p. 295. 4867. 

RATHKE, De Bopyro et Nereide. Rig. et Dorp. 1837. 

RArake, Zur Morphologie. Reisebemerkungen aus Taurien. Riga und Leipzig 
1837. 

RATHEE, Beiträge zur Fauna Norwegens. 1843. Nova Acta, tome XX. pars 12, 
p. 40. 

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G. O. Sırs, Arch. Math. Nat. Bd. II. 1877. p. 354. 

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STEENSTRUP & LÜTkEN, Vidensk. Meddelelser. 4861. p. 275. 

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Stımpson, Journal of the Boston soc. of nat. hist. Vol. VI. 

Ware, Catal. of british crust. (Br. M.). p. 61, p. 82. 

Waıte, History british crust. p. 254, p. 256. 


Diagnose der Gattung Gigantione mihi. 


Männchen mit sechsgliedrigen äußeren Antennen, und deutlich seg- 


mentirtem Pleon, das sechs oval beutelförmige Pleopodenpaare trägt. 


Weibchen im Umriss fast kreisrund, mit konkaver Rückenfläche. 


Innere Antennen dreigliedrig, das erste Glied zu einem flachen großen 
Kissen erweitert, welches je auf seiner Seite die Mundgegend so be- 


656 R. Kossmann, 


deckt, dass nur die Mandibelspitzen aus einer vertikalen Spalte zwi- 
schen den beiden Kissen hervortreten. Äußere Antennen fünfgliedrig. 
Beide Laden des Maxillarfußes mit annähernd kreisförmiger Kontur, am 
ganzen Rande bewimpert. Pereiopoden mit kurzer spitzer Klaue, an 
dem vorhergehenden Gliede keine Zähne oder. Borsten; Brutblätter, 
welche die Bruthöhle völlig überdecken; an den vier ersten Pereio- 
podenpaaren bildet sich am Goxalgliede eine kissenartige Erhebung 
aus, welche, mit schuppiger Guticula überzogen, als Haftpolster fungirt 
und scharf gegen die Bedeckung des Rückens abgesetzt ist. An allen 
Segmenten des Pereions und Pleons ragt jedoch der Seitenrand des 
Rückenschildes lappenartig vor; diese Seitenlappen sind namentlich an 
den mittleren Segmenten des Körpers sehr ausgebildet; nirgends sind 
sie verästelt. Die Pleopoden des ersten Paares stellen zipfelförmige 
Säcke dar, auf deren Oberfläche sich spärliche verzweigte Auswüchse 
zeigen; die der folgenden Paare sind in ein vollständiges Astwerk auf- 
gelöst, stark chitinisirt; sie ragen nicht über die Seitenkontur des Kör- 
pers hervor, so dass sie in der Rückenansicht des Thieres nicht wahr- 
nehmbar sind. Größe des reifen Weibchens 15 mm. Wohnthier: Rüp- 
pellia impressa de Haan. Fundort: Mauritius (Prof. Dr. Morsıus coll.). 


Dieser kurzen Diagnose möchte ich zunächst diejenigen Erläute- 
rungen folgen lassen, welche nicht auf die Mundwerkzeuge Bezug 
haben. Um nicht zu viel auf andere Gattungen und die Systematik 
eingehen zu müssen — mit einem Worte, um der geplanten Mono- 
graphie nicht vorzugreifen — fasse ich mich in dieser Hinsicht kurz. 
Die Form der Pereiopoden geht aus den Figuren 8 und 9 deutlicher 
hervor, als eine ausführliche Beschreibung sie schildern könnte. Ein 
Vergleich des weiblichen Pereiopoden (Fig. 8) mit dem anderer Gat- 
tungen zeigt uns ein relativ schwaches Haftwerkzeug, dessen spitze, 
aber kaum hervorragende Klaue wenig zur Fixation des Thieres bei- 
tragen kann — was ja auch dem Aufenthalt in der rings verschlossenen 
Kiemenhöhle eines Brachyuren entspricht. Die Pereiopoden des Männ- 
chens (Fig. 9 in derselben Vergrößerung, wie Fig. 8, Fig. 9a stärker 
vergrößert), haben eine relativ längere, gekrümmtere Klaue und das 
vorhergehende Glied, welches die Muskulatur für die Bewegung dieser 
Klaue enthält, ist relativ viel mächtiger. Die Coxae der vier ersten 
Pereiopodenpaare des Weibchens sind zu länglichen, annähernd rüben- 
oder birnförmigen Polstern aufgebläht, welche sich scharf gegen den 
eigentlichen Rückenschild abgrenzen und dem entsprechen, was H. 
MıLne-EpwArds in seiner Hist. nat. des crustaces bei den Arthrostraken 
als Epimeren bezeichnet. Untersuchungen an lebenden Exemplaren der 


Studien über Bopyriden. 657 


nahe verwandten Gattung Gepon haben mich überzeugt, dass diese Haft- 
polster fast ganz aus Muskulatur bestehen; ihre Cuticula ist geschuppt. 
Eine Bewegung von geringem Ausschlag, aber großer Kraft, so wie die 
starke Reibung, die ihre Oberfläche ausführen kann, macht sie für das 
Thier zu wichtigen Werkzeugen der Fixation und der Lagenänderung. 
Von diesen Polstern zu unterscheiden sind die Seitenlappen des Rücken- 
schildes. Bei einer nahe verwandten Gattung, Jone, habe ich durch 
Vergleichung verschiedener Altersstufen konstatiren können, wie diese 
Lappen entstehen. Das junge Thier ist sehr flach gebaut, und die 
Gliedmaßen sind in einiger Entfernung vom Seitenrande des Thieres an 
der Bauchfläche inserirt. Es ragt also eine dem Mantel zahlreicher 
Crustaceen entsprechende Rückenhautduplikatur seitlich über die Coxa 
vor, welche durch die Intersegmentalzwischenräume in einzelne flügel- 
oder lappenförmige Anhänge getheilt ist; diese entsprechen demnach 
ungefähr dem, was H. MırLne-Epwarps bei den Thorakostraken als Epi- 
meren bezeichnet. Allmählich tritt nun bei Jone die Coxa des Pereio- 
poden auch in der Rückenansicht des Thieres vor jenem Epimerallappen 
in dem Intersegmentalausschnitte zu Tage, während der Epimeral- 
lappen immer länger und länger wird. Ähnlich verhält es sich bei 
Gepon, wo derselbe Epimerallappen kurz bleibt, auch durch Eindringen 
von Ausläufern der Eierstöcke mehr gefüllt und straff, minder lappen- 
ähnlich erscheint, dagegen die Coxa zu einem mächtigen Polster an- 
geschwollen sich in dem Intersegmentalausschnitte gegen den Rücken 
empordrängt. Vergleicht man mit diesen Verhältnissen nun unsere 
Gigantione (siehe Fig. 1), so ist es klar, dass wir in e den Epimeral- 
lappen (sog. Thorakalkieme) der Gattung Jone, in c das Coxalpolster der 
Gattung Gepon wiederfinden, welches letztere vor dem ersteren gegen 
den Rücken emporgedrängt ist und sich mit seinem spitzeren Hinter- 
ende rückwärts noch über den Epimerallappen wegschiebt. An eine 
Kiemenfunktion dieser Epimerallappen, hinsichtlich deren ich meine 
Zweifel schon a. a. O. ausgesprochen hatte, ist nach genauer Prüfung 
lebender Exemplare von Jone nicht zu denken. Die Cuticula derselben 
ist schuppig und keine irgend auffällige Bluteirkulation darin wahrzu- 
nehmen; auch werden diese Lappen von Jone, wie ich das a. a. O. ge- 
nauer beschreiben werde, zur Dichtung der in die Kiemenhöhle des 
"Wohnthieres führenden Spalte benutzt. Auch an dem Pleon der weib- 
lichen Gigantione finden sich diese Epimerallappen, nach hinten zu an 
Länge ab-, an Breite zunehmend, vor, ohne sich jemals, wie bei Jone, 
zu verästeln. Das vorderste Pleopodenpaar (Fig. 10) in seiner plum- 
peren Gestalt dient wesentlich dazu, den davor liegenden Brutblättern 
einen Halt zu geben, die darauf folgenden Pleopoden (Fig. 41) sind 


658 R. Kossmann, 


reichlich so stark verästelt, als bei Jone und Gepon, aber kürzer, unter 
den Epimerallappen verborgen. Ich glaube ihnen jede Kiemenfunktion 
absprechen zu müssen, da sie dafür eine viel zu dicke Cuticula be- 
sitzen, die überdies (Fig. 11a) ganz stachlich ist. Sie dienen offenbar 
mit zur Fixation des Thieres, mögen aber wohl auch, wie die übrigen 
rauhen Anhänge und Auswüchse der Bopyriden, durch den Reiz, den 
sie auf das Wohnthier ausüben, einen stärkeren Blutandrang und da- 
mit reichlichere Nahrungszufuhr bewirken. Schon hier will ich übrigens 
nicht verschweigen,, dass ich in den Pleopoden und verzweigten Epi- 
merallappen von Jone thatsächlich eine sehr rege Cirkulation finde, 
obwohl auch dort die kräftigen, stark chitinisirten Endklauen an ein 
oder (bei jüngeren Thieren) zwei Pleopodenpaaren, so wie die starke 
Kontraktilität diese Organe vorzugsweise doch als Lokomotions- und 
Fixationswerkzeuge darthun. Bei Gepon portuni, wo die Endklauen 
fehlen, die Kontraktilität aber noch größer ist, als bei Jone, habe ich 
bei Beobachtung zahlreicher lebender Exemplare verschiedenen Alters 
nie eine stärkere Cirkulation, als beispielsweise in den Pereiopoden ge- 
funden. Im Allgemeinen werden wir also nur sagen dürfen, dass die 
Kiemenfunktion der Pleopoden, die bei den Isopoden das Normale ist 
und demnach wohl auch bei den nähern Vorfahren der Bopyriden statt- 
hatte, sich in so fern noch bei diesen erhalten hat, als eben das Herz nach 
wie vor im Pleon liegt, und dessen Anhänge vorzugsweise reichlich mit 
Blut versorgen kann; dass aber vielfach durch die starke Kontraktili- 
tät der Pleopoden die Blutversorgung und in andern Fällen durch die 
starke Cuticularisirung die Sauerstoffresorption beeinträchtigt wird und 
demnach jedenfalls nicht als die Hauptfunktion der Pleopoden betrachtet 
werden kann. — Beim Männchen sind die Pleopoden ungefähr eiför- 
mig, unter der Bauchseite verborgen, nur die letzten etwas gestreckter 
und hervorragend. 

Ich gehe zur Beschreibung der Mundwerkzeuge über, wobei ich 
nicht unterlassen kann, eine Anzahl anderer Gattungen zum genaueren 
Vergleiche heranzuziehen. 

Was zunächst die Lage der Mundöffnung angeht, so ist es für Gi- 
gantione charakteristisch, dass durch stärkere Wölbung der Bauchseite 
und Verkürzung der Rückenfläche des Cephalons die Mandibeln und 
innern Antennen bei Betrachtung des Thieres von der Rückenseite sicht- 
bar werden. Ich kenne nur eine Gattung, bei der sich dies Verhalten 
gleichfalls findet, nämlich Phryxus. Dort hat es Herrn Hesse zu der der 
' Einsicht dieses Dilettanten ganz angemessenen Meinung veranlasst, 
 Phryxus trage seine Bruthöhle auf dem Rücken. 

Bei keiner andern Bopyridengattung finde ich die der weiblichen 


Studien über Bopyriden. 659 


Gigantione eigenthümliche Gestalt und Lage der innern Antennen wie- 
der. Man vergleiche die Mundregion der Gyge oder Jone (Fig. 12 und 
44), und man wird finden, dass die innern Antennen, wenn schon etwas 
kurzgliedrig, doch im Allgemeinen cylindrisch und so inserirt sind, 
dass sie die Oberlippe und die noch weiter rückwärts situirten Mund- 
werkzeuge völlig frei lassen. Bei Gigantione dagegen (siehe Fig. 4) ist 
das Basalglied der innern Antennen ein großes flaches Polster, in dessen 
Mitte die beiden andern Glieder, ganz rudimentär, aufsitzen. Nach 
vorn hin weichen diese beiden Polster gerade so weit aus einander, 
dass sie den Mandibelschneiden den Durchtritt gestatten; hinter diesen 
berühren sie sich in der Medianlinie und überdecken somit die Unter- 
lippe (die Paragnathen) vollständig. Erst durch ihre Entfernung ge- 
langt man zu einem Verständnis der eigentlichen Mundwerkzeuge, be- 
züglich deren sich bei den von mir untersuchten neun differenten 
Formen, selbst einschließlich der Gattung Phryxus, eine solche Über- 
einstimmung zeigt, dass mir die Abbildung dreier genügend erschien 
(Fig. 5, 12u. 44). Überall finden wir eine in der Mitte durch kreisförmige 
Ausrandung reducirte Oberlippe, welcher eine noch bedeutend tiefer 
ausgerandete Unterlippe gegenüber liegt. In meinen »zoologischen Er- 
gebnissen« (Malacostr. t. XI. Fig. 4 und 2), habe ich, unter Beifügung 
eines Fragezeichens, diese Unterlippe als Maxille bezeichnet, und auch 
im Text gesagt, dass zwar dieser Theil einer Unterlippe vergleichbar 
die Mundöffnung nach hinten abschließe, aber wegen seiner Analogie 
mit der männlichen Gigantione auch hier als Verwachsungsprodukt der 
Maxillen anzusehen sein möchte. Von dieser Meinung bin ich zurück- 
gekommen, und halte das betreffende Gebilde für die wirkliche Unter- 
lippe (Hypostom Senigpre, Paragnathen Craus). Das Scheinbar analoge 
Organ der männlichen Gigantione (Fig. 6 pmx) ist nämlich zweifellos 
homolog mit dem eben so bezeichneten Organ der männlichen Jone 
(Fig. 16 pmx&), wie schon ein Blick auf die Abbildungen lehrt. Ein 
Vergleich aber wiederum zwischen der männlichen und der jungen 
weiblichen Jone lehrt, dass bei dieser (Fig. 15 pma) das homologe Or- 
gan ebenfalls wiederzufinden ist, aber nichts mit der weit davor liegen- 
den Unterlippe zu thun hat. Andererseits wird ein Vergleich der beiden 
Geschlechter von Jone und Gigantione (Fig. 5, 6, 44, 15, 16) in den 
mit hpst bezeichneten Theilen unbedingt Homologa erkennen lassen, so 
dass die Natur derselben als Unterlippe außer Zweifel gesetzt wird. 
Übrigens ist auch die Übereinstimmung in Form und Lage mit dem 
Hypostom der Gymothoa (vgl. zoologische Ergebnisse, Malacostr., 
tab. X) auffällig. | 

In der Öffnung, welche durch die sich gegenüber liegenden Aus- 


.660 R. Kossmann, 


randungen der Ober- und Unterlippe gebildet wird, erscheinen die 


Spitzen der beiden Mandibeln. In dieser Hinsicht stimmen beide Ge- 
schlechter bei allen von mir untersuchten Formen überein. Wesentliche 


Unterschiede finden sich hingegen bezüglich der Form der Mandibel- 


spitze. Diese ist bei den Weibchen die eines Löffels, den man sich 


durch Torsion der Längsachse windschief gedreht denken kann. Meine 
Abbildungen des betreffenden Organs von Jone (Fig. 49) und Gyge 


(Fig. 20), namentlich die erstere, zeigen dies deutlich und sind auch in 
so fern instruktiv, als bei jener der stärkste, bei dieser der geringste 


Grad von Zähnelung des Löffelrandes unter den mir bekannten Formen 


zu finden ist. Die Mandibel der Gigantione (Fig. 5 mnd) stimmt fast 


völlig mit der von Gyge überein; höchstens ist bei dieser der Löffel 


mehr ausgehöhlt. — An der männlichen Mandibel ist solche Löffelbil- 


dung gar nicht zu finden; ihr Ende ist ein stumpfer Stachel, bei Gyge 


(Fig. 22) ohne, bei Jone (Fig. 21) mit Dörnchen besetzt. Bei jungen | 


Weibchen von Jone (Fig. 23) sieht das Mandibelende dem des Männ- 
chens sehr ähnlich; nur ein leichter Eindruck inmitten der Dörnchen 
deutet an, in welcher Weise daraus der Löffel entsteht. — Ganz deut- 
lich kann man sehen, wie die beiden Mandibellöffel des Weibchens sich 
zu einem Rohr zusammenlegen können, während mich gelegentliche 
Beobachtung des lebenden Thieres auch überzeugt hat, dass die ge- 
wöhnliche Bewegung derselben in einem abwechselnden Vorstoßen 
unter gleichzeitiger Drehung der Mandibel um ihre Längsachse besteht. 
Es ist sehr leicht einzusehen, wie durch solche Benutzung des Organs 
die Cuticula des Wohnthieres angeschnitten wird; ist der Schnitt tief 
genug, so wird durch Zusammenlegen der Löffel ein kurzes Rohr dar- 


gestellt, durch welches das Blut fast ohne Verlust in den Schlund fließt; 


dass auch durch die vordere und hintere Spalte, die beide Löffel trennt, 
kein Nahrungsverlust entstehe, wird von der Ober- und Unterlippe ver- 
hindert, die diese Spalten bedecken. Eine schon in meinen »zoologi- 


schen Ergebnissen« wie auch in den meisten Abbildungen zu diesem ' 
Aufsatz angedeutete Chitinspange läuft von der Oberlippe aus unter ' 


jeder Mandibel weg zur Unterlippe und giebt der Mandibel eine feste 


Führung in ihren Bewegungen. — In welcher Weise die Mandibeln des 


Männchens funktioniren, ist mir immer noch zweifelhaft. Dass sie im 


Stande wären, die Cuticula des Wohnthieres anzubohren, ist sehr wahr- ' 


scheinlich ; jedenfalls aber würde eine vollständige Ausnutzung der her- 
vorquellenden Nahrung fehlen, da kein Saugrohr gebildet wird. Dies 
Bedenken allerdings wäre noch untergeordneter Natur, denn bei seiner 
geringen Größe und dem Fehlen der Eiproduktion kann sich das Männ- 
chen jedenfalls mit geringerer Nahrungsmenge begnügen. Ein viel 


Studien über Bopyriden. 661 


größeres Bedenken finde ich bei Betrachtung der Lage, die das Männ- 
chen am Wohnthiere einnimmt. Alle von mir untersuchten reifen Weib- 
chen sämmtlicher Gattungen außer Phryxus kehren ihre Bauchfläche 
gegen die Kiemenhöhlendecke des Wohnthieres, bohren diese an und 
behalten ziemlich unverändert ihre Lage bei; höchstens findet man 
gelegentlich ein paar alte Narben in unmittelbarer Nähe der frischen 
Wunde. Inzwischen hält sich das Männchen stets auf der Bauchfläche, 
gewöhnlich des Pleons, des Weibchens auf und kehrt diesem seine 
Bauchseite und der Kiemenhöhlendecke des Wohnthieres den Rücken 
zu. Da seine Mundgliedmaßen stets entschieden bauchständig sind (vgl. 
die Fig. 6, 13, 16, 17, 18), so ist es demnach unfähig aus irgend einem 
Theile des Wohnthieres Nahrung aufzunehmen, es sei denn, dass es 
vorher vom Weibchen herunter wandert. Ein solches Verlassen des 
reifen Weibchens scheint nun aber normal gar nicht vorzukommen. 
Hunderte von lebenden Exemplaren habe ich dem Wohnthiere ent- 
nommen; immer nahm das Männchen die geschilderte Stellung ein und 
war nur mit größter Mühe unverletzt daraus zu entfernen. Auch der 
Gedanke, es wende sich das Männchen bei irgend welcher Störung so- 
gleich zum Weibchen und klammere sich an demselben fest, ist unzu- 
lässig, denn bei Callianassa, meist auch Palaemon und Gebia, beson- 
ders aber bei Nika sind die Kiemenhöhlendecken so durchsichtig, dass 
man die Lage des männlichen Schmarotzers ohne irgend welche Stö- 
rung desselben konstatiren kann. Es bleibt somit nicht wahrschein- 
lich, dass das Männchen, wenn es in solcher Weise mit einem reifen 
Weibchen vergesellschaftet ist, überhaupt noch Nahrung aus dem 
Wohnthiere gewinnt. Dass es sich von fremden Substanzen, die in die 
Kiemenhöhle des Wohnthieres gelangen, ernähre, ist unwahrscheinlich, 
weil die Mundwerkzeuge durchaus weder zum Beißen noch zum Kauen 
befähigen. Endlich ist ein Ansaugen des eigenen Weibchens überhaupt 
unerhört und auch nicht durch den Nachweis von Wunden an demsel- 
ben zu konstatiren. 

| ‚Anders liegen die Verhältnisse, so lange das Weibchen noch jung 
ist. Solche Weibchen von Jone und Gepon habe ich fast immer ganz 
ohne Männchen gefunden; ist ein Männchen vorhanden, so ist der 
Größenunterschied beider Geschlechter weit geringer, als wenn das 
Weibchen reif ist; einmal habe ich in derselben Kiemenhöhle Männ- 
chen und Weibchen gefunden, von denen das erstere das letztere an 
Größe übertraf. In diesem Falle sowohl als auch immer dann, wenn 
ein unreifes solitäres Weibchen die Kiemenhöhle bewohnte (wobei frei- 
lich nicht sicher ist, ob nicht irgend wo zwischen den Kiemen des 
Wohnthieres, entfernt vom Weibchen, ein männliches Individuum ver- 


662 R. Kossmann, 


borgen geblieben ist), kehrten die Schmarotzer ihre Bauchseite den 
Kiemen zu. Bedenkt man dann noch, dass in diesem Alter die Man- 
dibel des Weibchens der des Männchens überaus ähnlich ist (siehe Fig. 
24 und 23), so erscheint der Schluss nicht sehr gewagt, dass die Bo- | 


pyriden vor Eintritt der Geschlechtsreife in der Kiemenhöhle des Wohn- | 4 
thieres jedes Individuum für sich leben und sich in ähnlicher Weise 


von dem den angebohrten Kiemen entfließenden Blute ernähren; dass 
mit Annäherung der Reife das Weibchen eine Lage annimmt, in der es 
den Kiemen den Rücken zuwendet, mit den löffelförmig gestalteten 


Mandibeln die Kiemenhöhlendecke anschneidet und in Folge vollstän- ' i 


digerer Ausnutzung der erbohrten Nahrungsflüssigkeit von nun an, trotz 
gleichzeitiger Eierproduktion, rapid heranwächst; das Männchen aber 


sich dem gereiften Weibchen zuwendet, sich auf demselben fest- ii 
klammert, die Nahrungsaufnahme aufgiebt oder nur höchst selten Behufs 
solcher das Weibchen verlässt und demzufolge kaum noch erheblich an 


Größe zunimmt. | 

Außer den Mandibeln findet sich am Cephalon der reifen Bopyri- | i 
denweibehen nur noch ein Paar wohl entwickelter Gliedmaßen. Cor- 
naLıa und Pancerı (Nr. 7 des Litteraturverzeichnisses) bezeichnen sie als 
»pajo interno di zampe-mascelle« (inneres Paar Kieferfüße), Srenc# BATE 
und Wesrwoon (Nr. 2) nennen sie bald Maxillen, bald Maxillarfüße; ' 


ich selbst habe sie in meinen »zoologischen Ergebnissen« bereits als 


Kieferfuß angesprochen, und meine weitern Untersuchungen haben | 
mich darin nur bestärkt. Sie als innere Kieferfüße zu bezeichnen ist 
jedenfalls unthunlich. Wir unterscheiden bei Isopoden ja überhaupt 


nur ein Kieferfußpaar, und dieses muss dem Cephalon angehören. 


Schon Cornauıa und Pınerrı bemerken richtig, dass der Anhang, wel- ” 
chen sie den äußern Kieferfuß nennen, dem ersten freien Segmente nach & 
dem Cephalon (also dem Pereion) angehöre. Es ist dies aber einfach 
das von den übrigen Brutblättern etwas abweichend gestaltete Brutblatt 
des ersten Pereiopoden. aM 

Freilich ist damit, dass eine Unterscheidung von innern oder äußern 
Kieferfüßen zurückgewiesen ist, noch nicht gesagt, dass wir es bei der | 


fraglichen Gliedmaße überhaupt mit dem Homologon des Isopodenkiefer- | N 
fußes zu thun haben. Bliebe doch immer noch die Möglichkeit, sie 


für eine der beiden Maxillen anzusehen, wie dies Spener Bar und 
WestwoonD inkonsequenterweise auch an einzelnen Stellen in ihrem 
Texte ihun. | 

Nur eine vergleichende Zusammenstellung verschiedener männ- | 


licher und weiblicher Formen gewährt uns einiges Licht auf diesen 


Gegenstand. Die fragliche Gliedmaße der weiblichen Gigantione (siehe 4 


Studien über Bopyriden. 663 


Fig. 7) kann durch ihre Form an sich nichts aufklären. Aber sie ist 
leicht mit der entsprechenden der Gyge (Fig. 26) und diese wieder mit 
derjenigen des Bopyrus (Fig. 25) zu identificiren. Diese letztere be- 
sitzt an ihrer Spitze noch ein kurzes cylindrisches mit Borsten besetztes 
Glied; und zieht man nun noch die betreffende Gliedmaße der Jone 
hinzu, so tritt uns dies cylindrische Endglied bereits in einer Form ent- 
gegen, welche die Ähnlichkeit der ganzen Gliedmaße mit dem Kieferfuße 
der Cymothoa frappant macht. Jüngere Weibchen von Jone zeigen 
dies cylindrische Endglied relativ mächtiger, den blattförmigen Theil 
gegen das Endglied hin verschmälert; und noch jüngere (vgl. Fig. 15) 
lassen nur die cylindrische Gliedmaße ohne jede blattartige Verbreite- 
rung der Basis erkennen. In dieser Form aber findet sich die Gliedmaße 
auch bei der männlichen Jone (Fig. 16 pmx), mehr dreieckig zipfelför- 
mig bei der männlichen Gigantione (Fig. 6 pmx) vor. 

Bei Jone nun findet man vor dieser Gliedmaße bei jüngeren und 

reifen Weibchen, wie auch beim Männchen (Fig. 14, 15, 46) nur noch 
ein Paar deutlicher Gliedmaßenrudimente. Dieselben sind in den Ab- 
bildungen mit ma, bezeichnet; für die Richtigkeit ihrer Deutung als 
zweites Maxillenpaar, dann aber auch für die Richtigkeit der Deutung 
der folgenden Gliedmaßen als Kieferfüße, würde freilich ein gewichtiger 
Grund erst vorliegen, wenn man weiter vorwärts noch ein Gliedmaßen- 
rudiment konstatirte. 
_ Betrachten wir nun das Männchen einer ebenfalls auf CGallia- 
nassa subterranea schmarotzenden, aber von Jone durchaus ver- 
schiedenen, bisher unbeschriebenen Form, die ich vorläufig Pseu- 
dione nennen will (Fig. 17), so ist an Stelle der vermuthlichen Kiefer- 
füße der Jone ein Paar Stümmelchen erkennbar, die immerhin wegen 
der Endborsten, die sie tragen, als Homologa jener unverkennbar sind; 
auch vor ihnen, etwas nach außen, finden wir die schon bei Jone mit 
M&C5 bezeichneten Gliedmaßenrudimente wieder. Noch weiter vorn, im 
Winkel zwischen Unterlippe und Mandibelstiel, erscheint hier jederseits 
ein Wulst, der schon an sich einem Gliedmaßenrudiment sehr ähnlich 
sieht. Seine Deutung als solches gewinnt noch an Wahrscheinlichkeit, 
wenn wir noch das Männchen von Bopyrus (Fig. 18) zum Vergleiche 
hinzuziehen. 

Ein Blick auf die Mundgliedmaßen der weiblichen Gigantione lässt 
uns nun dort (Fig. 5 mac,) dasselbe Rudiment der ersten Maxille wie- 
derfinden, welches wir bei der weiblichen Jone vermisst hatten. Bei 
der männlichen Gigantione bin ich im Zweifel ob wir die erste Maxille 
in r wiederfinden, oder ob sie fehlt. Wäre r wirklich die erste Maxille, 
so müsste dieselbe von der Innenseite der Mandibel auf deren Außen- 


664 Se R. Kossmann, 


seite gerückt sein. Undenkbar ist das nicht, denn bei der männlichen 
Gyge (Fig. 13), wo sich das stärkste Rudiment von ihr findet, verdeckt 
dasselbe ganz die Basis der Mandibel und ragt eher etwas nach außen, . 
als nach innen über dieselbe hinaus. Wir finden, wenn alle diese Er- 
örterungen, die ja immerhin: nur Wahrscheinlichkeitsbeweise liefern 
können, richtig sind, folgendes Gesammitresultat: h 

Die erste Maxille fehlt häufig. Am stärksten ist das davon erhal- 
tene Rudiment bei der männlichen Gyge, wo es die ganze Mandibelbasis 
deckt. Deutlich erkennbar ist es auch noch beim männlichen Bopyrus 
und der weiblichen Gigantione, minder deutlich bei der männlichen 
Pseudione. 

Die zweite Maxille findet sich als kurzer Stummel ausnahmslos 
hinter der ersten; nur bei der männlichen Gigantione zeichnet sie 
sich durch Andeutung einer Zweigliedrigkeit aus. 

Der Maxillarfuß stellt beim erwachsenen Weibchen immer ein 
großes Blatt dar, das durch ein Gelenk in eine vordere und eine hin- 
tere Hälfte getheilt ist. Die vordere Hälfte trägt zuweilen noch einen 
mit Borsten besetzten cylindrischen (Jone) oder lappenförmigen (Bopy- 
rus) Anhang. Beim Männchen ist der Maxillarfuß der Jone lang cylin- 
drisch, mit Borsten an der Spitze; der der Gigantione flach, gestreckt 
dreieckig, der der Pseudione ein Stümmelchen mit Borsten auf der 
Spitze; der der Gyge ein Stümmelchen ohne Borsten ; beim männlichen 
Bopyrus scheint der Maxillarfuß ganz zu fehlen. 

Die gegebenen Abbildungen können noch recht wohl zur Erläute- 
rung der verschiedenen Ausbildung der Antennen und Augen dienen. 
im Text hierauf einzugehen spare ich mir für die in Angriff genommene 
Monographie auf. 


Neapel, den 15. Februar 1881. 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel XXXII und XXXIII. 


Buchstabenerklärung: a, erste, a9, zweite Antenne; /b, Oberlippe; 
hpst, Unterlippe; mnd, Mandibel; ma}, erste, m&g, zweite Maxille; pma&, Maxillar- 
fuß; c, Coxalpolster; e, Epimerallappen; oc, Auge ; r, zweifelhaftes Rudiment der 
ersten Maxille. 

Fig. 1. Gigantione Moebii, n. 8. n. sp., Weibchen vom Rücken. 

Fig. 2. Gigantione Moebii, n. g. n. sp., Weibchen von der Bauchseite. 

Fig. 3. Gigantione Moebii, n. g. n. sp., Männchen von der Bauchseite. 


Studien über Bopyriden. BE 


Fig. 4. Gigantione Moebii, n. g. n. sp., Antennengegend des Weibchens. 
Fig. 5. Gigantione Moebii, n.g.n. = Mundöffnung des Weibchens nach Ent- 
arnung der Maxillarfüße. 
Fig. 6. Gigantione Moebii, n. g. n. sp., Cephalon des Männchens von der 
Bauchseite. 
Fig. 7. Gigantione Moebii, n. g. n. sp., Maxillarfuß rechts, des Weibchens. 
Fig. 8. Gigantione Moebii, n. g. n. sp., Pereiopode des Weibchens. 
Fig. 9. Gigantione Moebii, n. g. n. sp., Pereiopode des Männchens in dersel- 
ben Vergrößerung. 
Fig. 9a. Gigantione Moebii, n. 8. n. sp., Pereiopode des Männchens stärker 
vergrößert. 
Fig. 40. Gigantione Moebii, n. g.n. sp., erster Pleopode des Weibchens. 
Fig. 44, Gigantione Moebii, n. g. n. sp , dritter Pleopode des Weibchens. 
Fig. 44a. Gigantione Moebii, n. @. n. sp., dritter Pleopode, ein Stückchen da- 
von stärker vergrößert. 
Fig. 12. Gyge branchialis. Cephalon des Weibchens von der Bauchseite. 
Fig. 13. Gyge branchialis. Cephalon des Männchens von der Bauchseite. 
Fig. 44. Jone thoraeica. Gephalon des Weibchens von der Bauchseite. 
Fig. 45. Jone thoraeica. Cephalon des unreifen Weibchens von der Bauchseite. 
Fig. 46. Jone thoracia. Cephalon des Männchens von der Bauchseite. 
Fig. 47. Pseudione callianassae, n. 8. n. sp., Cephalon des Männchens. 
Fig. 18. Bopyrus squillarum. Cephalon des Männchens. 
Fig. 49. Mandibel von Jone Q@ erwachsen. 
Fig. 20. Mandibel von Gyge Q@ erwachsen. 
Fig. 21. Mandibel von Jone & erwachsen. 
_ Fig. 22. Mandibel von Gyge 5 erwachsen. 
Fig. 23. Mandibel von Jone © unreif. 
Fig. 24. Maxillarfuß von Jone. 
Fig. 24a. Maxillarfuß von Jone, Endglied, stärker vergrößert. 
Fig. 25. Maxillarfuß von Bopyrus ©. 
Fig. 26. Maxillarfuß von Gyge ©. 


PS. Dieser Artikel wurde der Redaktion in den ersten Tagen des März einge- 
liefert und hat, außer im Litteraturverzeichnis, keine nachträglichen Zusätze oder 
Änderungen erfahren. 

(Anfang Juni 1881.) D. Verf. 


Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. AA 


666 R. Kossmann, 


1. 


Bopyrina Virbii; Beiträge zur Kenntnis der Anatomie und 
Metamorphose der Bopyriden. 


Mit Tafel XXXIV und XXXV. 


Kaum hatte ich die Tafelkorrektur meines vorstehenden Artikels 
über Bopyriden erhalten, in welchem ich die Absicht bekannt gab, eine 
Monographie der Bopyriden zu veröffentlichen, als mir eine vorläufige 
Mittheilung des Herrn RupoLr Waız über denselben Gegenstand, d. d. 
4. März 1881, in dem zoologischen Anzeiger, Nr. 79, p. 159, zu Ge- 
sicht kam. 

So wenig es:im Interesse der Wissenschaft und in demjenigen_der 
Individuen, die sich derselben widmen, liegen kann, dass ausgereifte 
Arbeiten mehr und mehr aus unserer Litteratur verschwinden, um » vor- 
läufigen Mittheilungen« und fragmentarischen »Beiträgen« Platz zu 
machen, kann ich nun doch nicht umhin, jenen Gedanken an eine Monc- 
graphie zurückzudrängen und in aller Eile diejenigen Resultate meiner 
Arbeiten zu veröffentlichen, welche Herr Warz in seiner vorläufigen Mit- 
theilung streift. Denn falls dieser Forscher die in letzterer aufgestellten 
Ansichten, wie wohl zu erwarten ist, durch ausführlichere Dar- 
legung in Wort und Bild zu erläutern sucht und seine Arbeit vor 
meiner Monographie erscheinen sollte, so würde ich vermuthlich vor die 
Wahl gestellt sein, schon gestochene Tafeln zu kassiren oder darin so 
Manches schon von meinem Vorgänger Dargestellte zu wiederholen. — 
Die moralische Berechtigung, trotz der vorangegangenen vorläufigen Mit- 
theilung Herrn Warz’ meinen Untersuchungen durch schleunige Publi- 
kation den Anspruch der Originalität zu wahren, wird mir derjenige nicht 
absprechen, dem es bekannt ist, dass ich sowohl in den Notizen über 
Bopyriden, welche mein Werk über eine Reise nach dem rothen Meere 
enthält!, als auch in dem (von Warz citirten) Vortrage in der letzten 
Naturforscherversammlung auf das Bevorstehen dieser Veröffentlichungen 
hingewiesen haite. 

Der Wunsch, diese Mittheilungen noch in den 35. Band dieser Zeit- 
schrift aufgenommen zu sehen, konnte nur bei Beschränkung auf den 
geringsten Raum erfüllt werden ; eben so veranlasste er mich, eine Aus- 


1 Kossmann, Zool. Ergebn. einer Reise in die Küstengebiete des rothen Meeres. 
Malacostraka, p. 148. 


Studien über Bopyriden. 667 


wahl meiner Zeichnungen so zu kopiren, dass sie mittels autographi- 
schen Verfahrens vervielfältigt werden konnten. Ich bitte, aus diesen 
Umständen das Skizzenhafte des Aufsatzes herzuleiten, in welchem ich 
zunächst nur meine Untersuchungen an dem auch von Warz gefundenen 
Schmarotzer des Virbius viridis Orto wiederzugeben trachtete, wobei 
einzelne Bezüge auf andere Bopyriden freilich nicht ganz zu vermeiden 
waren. 

Unter den von mir in Neapel neu aufgefundenen Bopyridenformen 
befindet sich auch der von Warz laut seiner obenerwähnten vorläufigen 
Mittheilung bei Triest in großer Häufigkeit beobachtete Schmarotzer des 
Virbius viridis Otto. Aus Warz’ Worten scheint mir zu folgen, dass er 
ihn auch auf andern Crustaceen gefunden habe, obwohl er solche nicht 
namentlich anführt; ich fand ihn außer auf dem genannten Wohnthier 
nur noch einmal auf einer noch unbeschriebenen Virbius-Art. Was die 
Häufigkeit anbetrifft, so steht es mit derselben gerade wie mit der- 
jenigen aller Bopyriden; weiß man einmal die Stelle, wo einer gefunden 
ist, so kann man an derselben ziemlich sicher auf ein epidemisches Vor- 
kommen. der Art rechnen, während man ohne diese Kenntnis wochen- 
lang selbst nach den altbekannten Species vergeblich suchen kann. 

Der in Rede stehende Schmarotzer ist von der Gattung Bopyrus in 
einigen wichtigeren, gerade von WaLz unerwähnt gelassenen Punkten 
so verschieden, dass ich es für indicirt halte, ihn zum Vertreter einer 
neuen Gattung, Bopyrina, zu erheben, deren Diagnose hier folgt. 


Bopyrinan. g. 

| Innere Antennen in beiden Geschlechtern relativ 
kräftig, namentlich das Basalglied, das beim Weibchen 
verbreitert ist, mit dem fein gesägien Außenrande 
sich über die Mundgliedmaßen zurücklegt und durch 
seine Bewegungen die Epidermis des Wohnthieres an- 
| schneiden hilft. Äußere Antennen beim ausgewachsenen 
 Thiereaufeinen Stummel reducirt. Pleon des Männchens 
‚mit einem deutlich und einem undeutlich abgesetzten 
‚Segment; die übrigen sind zu einem gestreckien abge- 
\stutzten Kegel verschmolzen. Pleonin beiden Geschlech- 
tern nur andeutungsweise segmentirt; beim Männchen 
‚ohne, beim Weibchen mit kurzen beutelförmigen An- 
‚hängen. Epimerallappen fehlen. Erstes Paar Bruiblätier 
‚kolossal entwickelt, die übrigen rudimentär. 

| Als wichtigsten ur den angeführten Charakteren sehe ich die 
| ei an, welche bezüglich der vorderen Antennen eine An- 
4u®* 
| 


668 R. Kossmann, 


näherung an Gigantione darstellt (dort nehmen dieselben ebenfalls in 
gewissem Sinne an der Nahrungsaufnahme Theil), während die Hinter- 
antennen bei allen übrigen Bopyriden, abweichend von dieser Form, 
stärker und mehrgliedriger sind, als die vorderen. 

Die Art-Diagnose würde folgendermaßen lauten: 


Bopyrina virbii Waız. 

Weibchen von gestreckt eiförmigem Umriss, durch Verkürzung der 
Segmente des Pereions auf der einen Seite asymmetrisch. Das Kopf- 
segment zeigt auf der verkürzten Seite des Thieres einen kurzen zapfen- 
artigen Vorsprung. Maxillarfüße ohne abgesetztes Endglied. Brut- 
blätter des ersten Paares ungefähr gleich lang, etwa von halber Körper- 
länge, so dass dasjenige der verkürzten Körperseite bis an den Anfang 
des Pleons heranreicht. Die übrigen Brutblätter sehr kurz, mit gefranstem 
Rande. Segmentation des Pleons nur durch, an der längeren Körperseite 
mäßige, an der kürzeren sehr geringe Einkerbungen angedeutet. Anhänge 
des Pleons » Kiemen«) vier Paar ungefähr eiförmige Beutel. Pereio- 
poden mäßig stark mit kurzer aber spitzer Klaue. — 

Männchen sehr schlank, erstes Segment des Pleons deutlich, zwei- 
tes undeutlich abgesetzt, die übrigen zu einem gestreckten abgestutzten 
Kegel verschmolzen. Pereiopoden denen des Weibchens ähnlich, mit 
etwas schlankerer gekrümmterer Klaue. 

Das größte Weibchen, das ich fand, hatte eine Länge von 3 mm, 
das zugehörige Männchen maß 0,6 mm. 


Die in obige Diagnosen aufgenommenen Angaben treffen nur für 
geschlechtsreife Individuen zu. In nachfolgenden Zeilen soll ein Über- 
blick über die Metamorphose der äußeren Körperformen gegeben werden. 

Fraisse (15, p. 33)! nimmt an, dass unsere Bopyriden einen Wirths- 
wechsel vornehmen und unterscheidet ein zweites Larvenstadium, in 
welchem sie die Übersiedlung vornehmen sollten, von dem ersten. Seine 
Begründung dieser Ansicht stützt sich auf verfehlte Versuche, mit dem 
ersten Larvenstadium das definitive Wohnthier zu infieiren. Ich meine, 
dass ein solcher misslungener Versuch wenig beweist. Solche jungen 
Grustaceenlarven sind sehr empfindlich, und ähnliche Versuche der Auf- 
zucht misslingen gewöhnlich auch bei Krebsen, die sicher keinen Wirths- 
wechsel vornehmen, wie z. B. Sacculina. Andererseits sprechen auch 
gewichtige Gründe gegen jene Annahme. Zunächst der theoretische, 
dass der Wirthswechsel seitens eines Thieres, das im definitiven Zu- 


1 Die eingeklammerten Nummern verweisen auf das Litteraturverzeichnis 
p. 654 und 655. 


Studien über Bopyriden. 669 


stande Ektoparasit ist \ich lasse also Entoniscus außer Frage), uner- 
hört wäre. 

Um Endoparasit zu werden, kann es eines künstlichen Transport- 
mittels bedürfen, das ein Zwischenwirth für ihn darstellen muss; oder 
es kann ihm dazu ein Bohrapparat vonnöthen sein, der ihm in der Ju- 
send noch fehlen mag. Aber um sich auf der Haut, immerhin auch 
unter einer Duplikatur derselben festzuklammern, bedarf er nur des 
ersten Merkmales eines parasitischen Thieres, eines Befestigungsmititels. 
Besitzt er das in der Jugend nicht, so wird er dieselbe frei lebend ver- 
bringen; besitzt er es, so begreift man nicht, was ihn abhalten sollte, 
sich auf seinem definitiven Wirth anzuklammern. In unserm besonde- 
ren Falle kommt nun noch dazu, dass die jüngste auf dem definitiven 
Wohnthiere gefundene Form nicht nur der eben ausgeschlüpften noch 
sehr nahe steht, sondern auch speciell die Schwimmfüße dieser letzteren 
in noch ausgebildeterem Zustande besitzt, um dieselben schon nach 
einem geringen Wachsthume völlig zu verlieren. Was liegt also näher, 
als die Annahme, dass die wenigen jener sog. zweiten Larvenform vor- 
ausgehenden Stadien im freilebenden Zustande durchgemacht werden, 
wozu wenige Häutungen genügen? 

Ungenauer erwähnt resp. abgebildet wurde diese zweite Larven- 
form schon von Frırz MüLLer (zu Bopyrus [Phryxus] resupinatus; s. 41, 
p- 59, tab. II, fig.5); auch Hzsse giebt in seinen famosen Arbeiten Figuren, 
welche — ohne natürlich in den Details glaubwürdig zu sein — auf dies 
Stadium bezogen werden können. Von Cryptonisciden ist es genauer 
bekannt. Unsere Abbildung (Taf. XXXIV, Fig. 9 und 10, erstere im 
‚Maßstabe der Fig. 8, letztere stärker vergrößert) zeigt die wesentlichsten 
Details für dies Stadium der Bopyrina virbii. Gegenüber der jüngsten 
Larve ist der gestrecktere Körper, die langen Riechfäden der vorderen 
Antenne und die Einschaltung des siebenten Pereiopodenpaares zu er- 
wähnen. Das zweite Antennenpaar ist noch sehr lang; ein viergliedri- 
ger dicker Schaft trägt eine ebenfalls viergliedrige Geißel, an deren Ende 
wir neben zwei kurzen eine sehr lange Borste finden. Die Pereiopoden 
sind in diesem Stadium durch die größte Ausbildung der Haftklaue 
(s. Fig. 14) ausgezeichnet; es spricht auch dies dafür, dass der Schma- 
. rotzer in diesem Alter seinen Wirth aufsucht, an dem er sich zunächst 
an beliebiger Stelle festklammert, um erst später die besser schützende 
Kiemenhöhle zu gewinnen. In der That fand ich dies Stadium mehrfach noch 
‚außerhalb derletzteren. Die vorderen Pleopoden (s. Fig. 12) sind denen der 
jüngsten Larve, wie sie Frırz MüLLer von Entoniscus (Wırem. Arch. 1862, 
Taf. II, Fig. 4, 11,12) dargestellt hat, noch sehr ähnlich ; speciell haben sie 
noch den charakteristischen schaufelförmigen Außenast (mit 5 Endborsten) , 


670  R. Kossmann, 


der mit einem ganz verengerten Stielan der äußersten Innenecke des Basal- 
gliedes inserirtist, und demnach, im Ruhezustand und wenn der Schwimm- 
fuß nach erfolgtem Ruderstoß wieder vorgezogen wird, quer an das 
Basalglied angelegt werden kann, um nur bei Ausführung des Ruder- 
stoßes abgestreckt zu werden. An der Außenecke des Basalgliedes ist 
in diesem Stadium auch ein Außenast — der vorher fehlte — erkennbar, 
wenn auch in Größe und Beborstung dem Innenaste nachstehend. Das 
Caudalgriffelpaar (Fig. 13) bat sich nicht verändert. In den Mundorganen 
(Fig. 11) finden wir die Mandibel als eine noch zweigliedrige Stechgräte 
vor und eigenthümliche polsterartige Bildungen der Ränder von Ober- 
und Unterlippe bilden zusammen eine kreisrunde, saugnapfartige Mund- 
scheibe, durch deren Mittelpunkt die Mandibelspitzen hervortreten; in 
unserer Abbildung ist eine Hälfte der Unterlippe weggebrochen. — Das 
nächste Stadium (Fig. 8) zeigt bei geringer Größenzunahme folgende 
Veränderungen: Verkürzung der Geißel der äußeren Antenne; Verlust 
der vorderen Pleopoden; beginnendes Verstreichen der Segmentgrenzen 
.des Pleons, welche von vorn nach hinten abläuft; Reducirung der Cau- 
dalgriffel auf einfache Blätter mit kurzen Börstchen. — In dem hierauf 
folgenden Stadium (Fig. 7) ist die Verschmelzung des Pleons zu einem 
völlig unsegmentirten Sack vollendet, an dem keine Spur einer Glied- 
maße zu sehen ist, außer den, jetzt nur noch ein Paar Beutel darstellen- 
den, CGaudalgriffeln ; inzwischen bildet sich auch die runde Mundscheibe 
zurück, die Geißel der äußeren Antennen verkürzt sich mehr und 
mehr und das Wachsthum der Klaue an den Pereiopoden bleibt zu- 
rück. — Im nächsten Stadium sprosst in der Nähe der alten Gaudal- 
griffel ein zweites Beutelpaar hervor (Fig. 6), dem sich später (Fig. 5), 
von hinten nach vorn fortschreitend, ein drittes und viertes Paar ge- 
sellen, bis ein schon über 2 mm langes, also dem erwachsenen nahe 
stehendes Thier eine reiche Ausstattung solcher, in ihrer Anordnung 
hier nicht mehr deutlich symmetrischer Beutel zeigt (s. Fig. 4). 

Aus diesen Thatsachen erkennen wir also, dass nur das Gaudal- 
griffelpaar längere Zeit persistirt; gerade bei unserer Bopyrina geht es 
übrigens vor Eintritt der Reife auch verloren, wogegen es bei andern 
Formen, wie Gyge im weiblichen Geschlechte, bei Cepon z. B. auch im 
männlichen erhalten bleibt. Die übrigen Pleopoden gehen bei Bopy- 
rina gänzlich verloren, und es fragt sich, in wie fern wir berechtigt 
sind, die an ihrer Stelle entstehenden Beutel mit ihnen zu identificiren. 
Die Zeitdauer, in welcher jede Spur solcher Anhänge fehlt, ist, nach 
der Größe zu urtheilen, die das Thier bei Entstehung des ersten Paares 
erreicht hat (Fig. 6, über 4 mm), eine beträchtliche; auch auf Schnitten 
bemerkt man nicht etwa bestimmte Zellgruppen, die als Rudimente der 


Studien über Bopyriden. 671 


geschwundenen Pleopoden und gleichzeitig als Bildungsherde für die 
neu entstehenden betrachtet werden könnten. Eine anatomische Kon- 
tinuität fehlt also völlig. In der Form erinnern diese Anhänge ebenfalls 
weder hier noch bei andern Gattungen irgend wie an Gliedmaßen. End- 
lich bemerke ich, dass z. B. bei Cepon die ventral gelegenen pleo- 
podenartigen Anhänge ganz in derselben Form entstehen, wie die augen- 
scheinlich aus einer lappenartigen Ausbreitung des Seitenrandes des 
Segmentes hervorgehenden dorsaleren Anhänge des Pleons, von denen 
sie auch später in nichts zu unterscheiden sind. Ich glaube also, dass 
wir besser thun, Ausdrücke, welche diese Anhänge als Gliedmaßen be- 
zeichnen, wie »Pleopoden«, »Abdominalfüße« etc. zu vermeiden. Die- 
selben »Kiemen« zu nennen, wie dies Warz thut, liegt bei Bopyrina 
auch kaum eine Berechtigung vor. Wären sie aus dem Athembedürf- 
nisse hervorgegangen, so wäre nicht zu begreifen, warum sie in dem in 
Fig. + dargestellten Stadium relativ viel stärker entwickelt sind, als in 
dem erwachsenen. Ziehen wir dagegen ihre Bekleidung mit einer schup- 
pigen Cuticula in Rechnung und erklären sie daraufhin als Haftorgane, 
so wird es verständlich, dass sie entstehen und zunehmen in dem Maße, 
als das Wachsthum des Schmarotzers und das Zurückbleiben seiner 
Muskelentwicklung so wie demgemäß auch seiner Pereiopoden andere 
‚Haftmittel vortheilhaft macht; dass sie aber wieder zurückgehen, wenn 
der Schmarotzer die Kiemenhöhle des Wohnthieres auszufüllen be- 
sinnt und die Beengung des Raumes, die sich in seiner Abflachung und 
dem Beginne der Asymmetrie manifestirt, vollkommen genügt, um ihn 
zu fixiren. — Dass auch für andere Gattungen diese Erklärung der in 
Rede stehenden Anhänge als Haftorgane zutrifft, ist gelegentlich schon 
von mir erwähnt worden. Dass sie dabei nebenher auch eine Respira- 
tionsfunktion ausüben, soll darum nicht geleugnet werden; stellen sie 
doch immer eine stärkere, oft sehr bedeutende, Oberflächenausbreitung 
dar und werden sie doch selbstverständlich auch von einem Blutstrom 
durchzogen. 

In dem Stadium, das Fig. 4 darstellt, bemerken wir dann noch die 
Rückbildung der äußern Antennen, deren Beginn auf der einen Seite 
bemerkbar ist. Auch die hinteren Mundgliedmaßen beginnen in diesem 
Stadium hervorzusprossen. 

Zur Erklärung der Figuren 4 und 2, welche die erwachsene Form 
von Bauch und Rücken her darstellen, ist das Meiste in der Gattungs- 
und Art-Diagnose gesagt worden. Ein 3 mm langes ee Weib- 
chen besaß noch Augenflecke. 

Zwischenglieder zwischen der sog. zweiten Larvenform und der 
erwachsenen männlichen Form habe ich nicht konstatirt. Da aber selbst 


672 R. Kossmann, 


das Stadium, das Fig. 7 darstellt, auf Schnitten noch keine Genitalan- 
lagen zeigt, so kann das noch frühere Stadium, welches Fig. 8 wieder- 
giebt, auch noch keine äußern Geschlechtsunterschiede aufweisen; und 
von diesem Stadium zu dem in der Natur ungefähr eben so großen 
Männchen, das in Fig. 3 abgebildet ist, führt ein sehr geringer Sprung. 
Eine etwas weiter vorgerückte Reduktion der Antennen, Wegfall der 
gerade in starker Rückbildung begriffenen Caudalgriffel, Streckung des 
letzten Segmentes des Pleons und aus jener Larve ist das definitive 
Stadium des Männchens geworden. 

Über die innere Organisation enthalten die Schriften der meisten 
Autoren, die sich mit Bopyriden beschäftigt haben, nichts. Außer der 
vorliegenden Mittheilung von Warz geben bezügliche Notizen nur RATHkE 
(45 und 47) und Cornarra und Panczkı (7). Vervollständigungen und 
Berichtigungen erscheinen nach mancher Richtung hin angezeigt. 

Der Verdauungstrakt beginnt mit einem von Ober- und Unterlippe 
so wie seitlich von den Mandibeln begrenzten Raum, den Warz, wie es 
scheint, als Mundhöhle bezeichnet. Wenigstens wüsste ich nicht zu 
sagen, welchen sonstigen Abschnitt Warz damit meinen kann. Dass der 
in Rede stehende Raum aber sollte als Saugpumpe wirken können, halte 
ich für unmöglich, weil er in den Winkeln zwischen Ober- und Unter- 
lippe, da, wo die Mandibel sich einschaltet, unmöglich hermetisch ver- 
schlossen werden kann. Die Muskeln in der Umgebung dieser » Mund- 
höhle« dienen wohl nicht einer Saugbewegung, sondern der Bewegung 
der Ober- und Unterlippe. Dieser Raum nun verengert sich in einen 
fast horizontal verlaufenden kurzen Ösophagus, der in unserer Abbil- 
dung (Taf. XXXV, Fig. 2) durch Abtragung des Bodens geöffnet, eben 
wegen seines horizontalen Verlaufes etwas kürzer erscheint, als er in 
Wahrheit ist. Dieser Ösophagus, dessen Vorhandensein RAruke (15, 
p. 8) leugnete, CGornarıa und Panceri (7, p. 15) aber bereits konstatiri 
haben, führt in einen beim erwachsenen Weibchen sehr geräumigen 
Magen (Taf. XXXV, Fig. 2, siom), dessen eigenthümlicher Bau schon 
von Rartake (45 und 47) im Wesentlichen richtig geschildert wurde, so 
dass GornaLıa und Pancerr nichts hinzuzufügen wussten. Was Waız! 
über denselben Neues vorbringt kann ich nicht bestätigen. Dass er von 
einer starken Chitincuticula ausgekleidet sei, finde ich nicht; dieselbe ist 
vielmehr überaus fein, wo sie überhaupt erkennbar ist; und dass die 


1 Er irrt, wenn er Fraısse den Vorschlag zuschreibt, diesen Magen Gephalo- 
gasterzunennen. FrAısse hat diesen Ausdruck nie gebraucht; und GıArD (Notesp. 
serv. A hist. du genre Entoniscus, journal de Y’anat. et phys. 4878. p. 687) schlägt 
ihn nicht für den Magen, sondern für den Kopf von Entoniscus vor (»cette tete 
meriterait plutöt le nom de cephalogaster«). | 


Studien über Bopyriden. 673 


schon. von RATHkE beschriebenen und von Cornauıa und Pancerı abge- 
bildeten Zotten des Magens ein von faserigem Bindegewebe erfülltes Lu- 

men enthalten, muss ich ebenfalls leugnen. Ich fand dieselben vielmehr 
_ vollständig solid; das Mark bildet ein parenchymatisches Bindegewebe, 
die Rinde, wie Warz richtig angiebt, ein Cylinderepithel, dessen 
Dicke ich zu 0,018 mm maß. Die Form dieses Magens wird mehrfach als 
kuglig bezeichnet; doch würde man ihn richtiger pfirsichförmig nennen, 
denn eine auf der Vorderfläche verlaufende Längsfurche deutet auch hier 
jene Zweitheilung an, welche bei Entoniscus so, entschieden durchge- 
führt ist. Wenn Raruke (45, p. 8) behauptet, dass Muskeln, die den 
Magen mit andern Organen verbinden, gänzlich fehlen, so ist dies unrichtig. 
Im Gegentheil ziehen zahlreiche starke Bündel quergestreifter Muskula- 
tur in radiärer Richtung von der Magenwand an die Epidermis, so dass 
eine starke Erweiterung des Magenlumens ohne Zweifel im Belieben des 
Thieres steht. Als Antagonisten scheinen Muskelgruppen zu wirken, die 
im Bereiche jener Längsfurche schief von der einen Hälfte des Magens zur 
andern gehen, und durch ihre Verkürzung offenbar eine Vertiefung der 
Längsfurche, also Verkleinerung des Magenlumens bewirken. Da von 
irgend welchen Kauapparaten im Magen, wie schon Rırukz bemerkt, 
nichts zu finden ist, so kann die beschriebene Muskelausstattung nur 
eine Pumpthätigkeit dieses Magens vermitteln, die wir oben der Mund- 
höhle abgesprochen haben. Mehrfach haben frühere Autoren sich bereits 
darüber ausgesprochen, ob die Ausstattung des Magens mit Zotten die 
sekretorische oder die absorbirende Thätigkeit desselben erweise. Da 
das Cylinderepithel der Zotten sich von dem des übrigen Darmtraktus 
nicht unterscheidet und namentlich keineswegs drüsenartig aussieht. so 
sehe ich keine Ursache, eine sekretorische Thätigkeit anzunehmen. Auch 
entspricht der lediglich absorbirenden Funktion dieser Papillen der bisher 
unbekannte Umstand, dass dieselben nur beim Weibchen mit Beginn der 
Eierproduktion, also mit der Erhöhung des Nahrungsbedürfnisses, ent- 
stehen ; junge Weibchen und Männchen in jedem Alter entbehren dieser 
Papillen bei allen von mir untersuchten Formen. 

Über den mittleren Verlauf des Verdauungstraktes herrscht in der 
Litteratur eine Unklarheit, welche auch durch die vorläufige Mittheilung 
von Warz nicht gehoben scheint. Beginnen wir mit der Leber. CoRNALIA 
und Pancerı stellen dieselbe bei Gyge als ein Paar cylindrischer 
Schläuche dar, die parallel mit dem Darme verlaufen ; ihre Kommuni- 
kation mit dem Darme haben sie nicht gesehen (7, p. 17). Ruruke aber 
(45, p. 9) schildert die Lebern des Bopyrus als sieben getrennte Paare 
traubiger Drüsen, von denen jede einen eigenen Ausführungsgang 
hat, der für sich in den Darm mündet. Warz endlich spricht nur im 


674 R. Kossmann, 


Allgemeinen von der gelappten Gestalt dieser Organe und von ihrer 
histologischen Struktur. Diese Angabe gelappter Gestalt nun trifft für 
das Weibchen von Bopyrus zu, für das Männchen und für Gyge aber 
nicht; für letztere ist vielmehr die Darstellung der italiänischen Forscher 
zu bestätigen (s. Taf. XXXV, Fig. 2). Die Raruge’schen Angaben da- 
gegen über die Leber des Bopyrus, die in unsere Lehrbücher (s. GEGEN- 
BAUR, Grundriss d. vgl. Anat.) übergegangen sind, sind ganz irrig; auch 
bei Bopyrus ist nur ein Leberpaar vorhanden (s. Taf. XXXV, Fig. &). 
Die Kommunikation dieser Lebern mit dem Darm stellt sich in der Weise 
her, dass man eigentlich eher von einer Einmündung des letzteren in 
die ersteren sprechen kann; denn wie aus unsern Abbildungen (die aus 
lückenlosen Serien von Flächenschnitten von 0,04, resp. 0,008 mm Dicke 
mittels der Camera komponirt sind) ersichtlich ist, bilden die beiden 
Lebern eine weite Querkommunikation, in welche von vorn her der aus 
dem Magen kommende Mitteldarm (Taf. XXXV, Fig. 2 und 4, duod) mün- 
det, während dieser Mündung gegenüber die Austrittsstelle des End- 
darms (ib., int) liegt. Demnach erscheint die morphologische Kontinui- 
tät des Mitteldarms mit dem Enddarm durch die kolossale Erweiterung, 
die an der Einmündungsstelle der Lebern stattgefunden. hat, gewisser- 
maßen aufgehoben. Physiologisch scheint damit eine andere, nicht un- 
wichtige Modifikation des Verdauungstraktes in Zusammenhang zu stehen: 
es scheinen nämlich die Lebern zum Theil als Nahrungsreservoirs zu 
dienen. Dass durch den Mitteldarm Nahrung — und wir müssen ja hier 
an flüssige denken — direkt in den Enddarm treten könne, ohne zu- 
nächst die Leberhohlräume so gut wie vollständig zu erfüllen, ist offen- 
bar unmöglich. Dazu kommt aber noch, dass auch histologisch mit der 
Leber gegen die Zeit der Geschlechtsreife hin eine Veränderung vor sich 
geht, welche ein Zurücktreten der sekretorischen Thätigkeit bekundet. 
Bei jüngeren Weibchen zeigt die Leber noch entschieden ein Epithel, 
das in vollster Abscheidungsthätigkeit ist. Dasselbe enthält, wie Waız 
(l. ec.) richtig bemerkt, sehr große, meist rundliche, sogar in das Lumen 
vorspringende Zellen. Ich kann hinzufügen, dass dieselben in jüngeren 
Thieren fast regelmäßig Vacuolen enthalten ; die mittleren dieser Zellen 
maß ich zu 0,04 mm. Taf. XXXV, Fig. 6, jec zeigt einen Querschnitt 
unfern des blinden Endes des rechten Leberschlauches einer jugendlichen 
Bopyrina, woselbst ein Lumen noch gar nicht wahrnehmbar ist, und 
Zellen bis zu einem Durchmesser von 0,04 mm vorkommen. Aber auch 
ein viel weiter vorn durch den Thorax gelegter Querschnitt (Fig. 7, jec) 
zeigt noch immer ein verhältnismäßig mächtiges, vacuolenreiches Epithel. 
Beim erwachsenen Männchen ist dasselbe schon durchweg einschichtig, 
auch arm an Vacuolen, die Zellen aber doch noch rundlich und ungleich 


Studien über Bopyriden. 675 


an Größe, wie Warz sie schildert. Gleichwohl darf man diese Angaben 
nicht so sehr, wie es von Waız geschehen ist, verallgemeinern; vielmehr 
geht dies, bereits einschichtig gewordene Epithel, mit dem zunehmenden 
Alter bei Weibchen allmählich, und zumal gegen die Ausmündung der 
Lebern hin in ein Cylinderepithel über, das sich schließlich von dem- 
jenigen nicht mehr unterscheidet, welches den Darm auskleidet. Auch 
die Berücksichtigung des histologischen Verhaltens zwingt uns also, diesen 
Leberschläuchen, in einem gewissen Alter und auf einige Ausdehnung 
hin zum mindesten, eine Funktion als Darmabschnitt zuzusprechen, und 
wir werden es Fraısse nicht sehr verübeln dürfen, dass er (15, p. 18) 
dieselben, wenn schon ein Irrthum dieser Benennung zu Grunde liegt, 
als »doppelten Endblinddarm « bezeichnet. 
Rırtake erwähnt für Bopyrus ein »hepar superius« (45, Taf. 1, 
Fig. Sd,p. 10 und 14). Es ist nicht unmöglich, dass damit wirklich ein 
Theil der Leber gemeint; wahrscheinlicher aber versteht er darunter 
jenes Organ, welches GornaLıa und Pancerı (7, p. 16, Taf. Il, Fig. 5 und 
9, ce) als Speicheldrüsen ansehen. Die beiden italiänischen Forscher sind 
jedenfalls im Irrthum, denn das von ihnen deutlich abgebildete Organ 
' kann schon desshalb nicht für eine Speicheldrüse ausgegeben werden, 
weil es absolut keine Ausführungsgänge hat; und ist Raruke’s »hepar 
- superius« mit den »ghiandole salivali« bei Gornarıa und Pancerı wirklich 
‘identisch, so ist auch jene Benennung unrichtig. Letztere sind offenbar 
nichts, als der Fettkörper; histologisch genau entsprechend der Be- 
schreibung, die Wrzesniowskı im Zool. Anzeigr. Ill. Nr. 79 von dem Fett- 
körper der Amphipoden giebt. Als Fetikörper erkannt hat diese Zellen- 
masse schon Warz, wenn er auch dessen Identität mit dem »hepar su- 
‚ perius« RATHke’s, resp. den »ghiandole salivali« GornaLıa’s und Pancerrs 
übersehen oder doch jedenfalls nicht konstatirt hat. — Die Hauptmasse 
‚ des Fettkörpers liegt bei erwachsenen Weibchen in der Umgebung des 
‚ Mitteldarms ; doch zieht er sich auch um den Magen herum, und bei 
‚Jungen Weibchen, namentlich längs des Rückens, bis in die Gegend des 
| Herzens hinab. Seine Zellen enthalten eine nach Alter und Ernährungs- 
' zustand des Thieres höchst wechselnde Menge eines oft grün erscheinen- 
| den Fettes; sie gehen an vielen Stellen ganz unmerklich in das gewöhn- 
‚liche Bindegewebe des Thieres über, erlangen aber an manchen Stellen, 
‚und namentlich in den ältesten jungfräulichen Stadien eine so außer- 
| ordentliche Größe (0,i mm), dass jede von ihnen dem Querschnitte des 
‚ Bauchmarkes gleichkommt (s. Taf. XXXV, Fig. 7, corp. adıp). Ich fand 
\ sie bei solcher Größe meist etwas Shrek are ihren Kern von einer 
‚Körnermasse umgeben, deren Hauptausdehnung mit der Richtung des 
‚längsten Zelldurchmessers zusammenfiel. 


676 R. Kossnann, 


Von dem Enddarm, den auch Fraısse nicht gefunden zu haben 
scheint, da er nur von einem »doppelten Endblinddarm« spricht, der 
mit der Leber identisch ist, behauptete Rarnkz (45) ursprünglich, dass 
er am Anfange des Abdomens münde. Diese Behauptung korrigirte er 
selbst (47) und mit ihm sprachen auch Cornauı und Pancerı die Ansicht 
aus, dass der Darm im letzten Abdominalsegmente münde. Auch die 
Zeichnungen der Forscher, so wie Rarare’s ausdrückliche Bemerkung, 
dass der Darm allenthalben ziemlich gleich weit bleibe (47, p. 47) zeigen, 
dass dieselben eine etwaige Unterbrechung desselben in seinem Verlaufe 
picht beobachtet haben. Dasselbe theilt mir für Gyge mündlich Herr 
Professor Emery mit; und ich selbst habe an keinem der untersuchten 
Bopyriden eine Unterbrechung oder blinde Endigung des Darmes wahr- 
genommen. Der von Warz behauptete Schwund des Afters bei ältern 
Weibchen ist mir demnach fraglich und jedenfalls müsste er eine große 
Ausnahme darstellen. Eine Faltung des Darmes, wie sie WArz angiebt, 
habe ich ebenfalls bei Gyge vermisst; ich finde, wie die älteren Autoren, 
dass der Mitteldarm und der Enddarm ein gleichmäßig dickes, cylindri- 
sches Rohr darstellen, dessen 0,045 mm dickes einschichtiges Cylinder- 
epithel nur ein geringes aber deutliches Lumen lässt. Das Vorhanden- 
sein eben dieses Lumens spricht auch einigermaßen gegen die von Waız 
supponirte Funktionslosigkeit dieses Organes; zum mindesten fehlt es 
für dieselbe an jedem Beweise. Bei dem auf Taf. XXXIV, Fig. 4 abge- 
bildeten jungfräulichen Weibchen ist der Enddarm, wie Fig. 6 und 7 auf 
Taf. XXXV zeigen (ini), genau so beschaffen, wie ich ihn beim erwachse- 
nen Thiere fand, und doch habe ich bei jenem im Leben eine Entleerung 
aus dem After sicher wahrgenommen. 

Über die Lage des Herzens hat Rarake (45, p. 13, Taf. III, Fig. 1) 
ganz unrichtige Angaben gemacht, indem er es unmittelbar hinter dem 
Magen im Vordertheile des Thorax zu finden glaubte. Was er dort für 
das Herz angesehen hat, ist mir unklar; vielleicht einen Theil des Fett- 
körpers. Sein Irrthum und das gänzliche Stillschweigen Cornaı’s und 
Pıncerrs über den Gegenstand sind um so auffälliger, als am lebenden 
Thiere ohne jede Zergliederung, selbst ohne Lupe, das im Pleon liegende 
Herz an seinen lebhaften Kontraktionen sofort zu erkennen ist. Die 
Warz’sche Angabe, dass es im zweiten Abdominalsegmente liege, ist 
richtig, kann aber irrige Vorstellungen über seine Größe erwecken; denn 
sein Vorderrand findet sich gewöhnlich schon im ersten Segmente des 
Pleons, und es erstreckt sich regelmäßig bis in das dritte (Taf. XXXV, 
Fig. A und 3, cor); bei Fehlen einer Segmentirung des Pleons, z. B. beim 
Männchen von Bopyrus, füllt es fast die ganze dorsale Region des Pleons 
aus. Von den venösen Ostien, die Waız erwähnt, zeigen meine Präparate 


| 


' kleidet ist, sendet drei Nervenpaare aus, von welchen Warz eines beob- 
‚ achtet hat; vermuthlich das zweite, von welchem er annimmt, dass es 
' die Kieferfüße versorge. Dasselbe entspringt ziemlich genau an der 
' Stelle, wo die beiden Kommissuren zusammentreten. Das vor ihm ent- 


springende Paar dürfte den Mandibelnerv darstellen, wenn der dritte 


Studien über Bopyriden. 677 


bisher nichts; ein Pericardialsinus aber ist natürlich vorhanden. Quer- 
gestreifte Ringfasern in der Wand des Herzens habe ich nicht gefunden. 
Selbst ein geschlechtsreifes Weibchen von Gyge zeigt mir nur spindel- 
förmige, kernhaltige Muskelzellen, an denen ein vorzugsweise ringförmi- 
ger Verlauf nicht auffällt. Die Systole wird auch offenbar vorzugsweise 
durch feine Muskelbündel hervorgebracht, die das Lumen des Herzens 
durchsetzen; ich fand solche allerdings erst bei reifen Weibchen, aber 
es sind auch erst dort energische Kontraktionen des Herzens wahrnehm- 
bar. Die Diastole wird in ähnlicher Weise durch Muskelbündel hervor- 
gebracht, die außen an die Wand geheftet sind und den Pericardialsinus 
durchsetzen. Diese äußeren wie jene inneren Muskelbündel bestehen 
ebenfalls aus kernhaltigen, glatten Spindelzellen. Die Aorta, die einige 
Seitenzweige abgiebt, deren weiteren Verlauf ich nicht konstatirt habe, 
ist bis an den Magen hin deutlich erkennbar und theilt sich dort in zwei 
denselben umfassende Arterien (vgl. Taf. XXXV, Fig. 1 u. 6, aor.u. art). 

Über das Centralnervensystem des Bopyrus hat Raruke (45, p. 14, 
Taf. Ill, Fig. 4) im Wesentlichen nur angegeben, dass es ein Doppelstrang 
mit Ganglien sei, der vorn aus einander weiche, um zwei Kommissuren 
zu einem Oberschlundganglion zu senden, nach hinten aber bis zum 
After, d. h., da Rıtuke dessen Lage in jener Schrift irrig annimmt, bis 
zum Anfange des Pleons zu verfolgen sei. CGornaLıa und Pancert (7, p. 17, 
Taf. II, Fig. 8) geben für Gyge genauere Abbildung und Beschreibung, 
nach der ein Oberschlundganglion und sieben Ganglien des Bauchmarkes 
vorhanden sind, welches nicht über das dritte Thorakalsegment hinaus- 
gehen soll. Von der Schlundkommissur geben sie eine unrichtige Vor- 
stellung, die Warz korrigirt; in der That vereinigen sich die beiden 
Schenkel schon halbwegs zu einem’breiten Strange, der vorn in der Mittel- 
linie des Magens zu dem vor dem Mitteldarme gelegenen ersten Bauch- 
ganglion hinabzieht, und zwar in jener Längsfurche des Magens, die 
schon erwähnt wurde (Taf. XXXV, Fig. 1, 3, 4). Das Oberschlundgan- 


‚ glion (cer) ist nicht unansehnlich; es giebt drei Nervenpaaren den Ur- 
sprung, von denen, der Richtung nach zu urtheilen, die mittleren beiden 


die Antennen, das äußere die Mandibeln oder die Augen versorgt. Gegen 
die Annahme, dass es das Augennervenpaar sei, würde, Angesichts des 


; rudimentären Zustandes dieser Sinnesorgane, wohl die Stärke des Nerven 
' sprechen. Die Schlundkommissur, welche ganz mit Ganglienzellen be- 


678 R. Kossmann, 


! 


CGerebralnerv Augennerv ist. Das dritte Nervenpaar der Schlundkom- 
missur entspringt am hinteren Rande des Magens, ist ziemlich fein und 
scheint die Magenmuskulatur zu versorgen. Die Darstellung, welche 
Warz von der übrigen Ganglienkette giebt, trifft zunächst für Gyge weder 
im männlichen noch im weiblichen Geschlechte vollkommen zu. Für 
den weiblichen Bopyrus mag der Ausdruck » Ganglienplatte« einige Be- 
rechtigung haben (s. Taf. XXXV, Fig. 4), obwohl auch dort auf Quer-. 
schnitten zwei Längsstränge deutlich erkennbar sind. Bei allen jugend- 
lichen Exemplaren aber (s. Taf. XXXV, Fig. 7) und bei Gyge auch bei 
erwachsenen beider Geschlechter entfernt sich der Querschnitt nur wenig 
von der Kreisform. Allerdings bringt die Verkürzung der Ganglienkette 
es mit sich, dass die hinteren Thorakalnerven sich unter einem sehr ge- 
ringen Winkel abzweigen, und da dieser Winkel von Ganglienzellen er- 
füllt ist, so kann man (s. Fig. 5, gs) Querschnitte erhalten, die durch 
seitliche Verbreiterung von der Kreisform stark abweichen. Darum den 

gebräuchlichen Ausdruck Ganglienkette oder Nervenstrang aufzugeben 
und von einer Platte zu sprechen, ist wohl unnöthig. Auch die Verkür- 
zung durch Zusammenrücken der Ganglien hat Warz zu sehr als etwas 
Konstantes und Charakteristisches hingestellt. Bei Bopyrus ist sie im 
weiblichen Geschlechte allerdings ziemlich auffällig, da das letzte Gan- 
glion etwa mit dem Beginne des Enddarmes auf gleichem Querschnitte 
liegt, und das ganze Bauchmark kürzer als die Schlundkommissur ist. 
Aber schon für das Männchen trifft dies nicht mehr zu, und bei Gyge 
erstreckt sich das Bauchmark bei beiden Geschlechtern bis gegen oder 
selbst in das fünfte Thorakalsegment. Absolut eine hintere Grenze dafür 
anzugeben ist übrigens nicht möglich, da dieses Zurückbleiben des 
Wachsthums des Bauchmarkes natürlich mit Zunahme der Gesammtgröße 
des Thieres eine immer auffälligere relative Verkürzung ergiebt. Entgegen 
CornaLıa und Warz finde ich übrigens sowohl bei Bopyrus als bei Gyge 
acht Ganglien im Bauchmark, von denen das letzte als Verschmelzung der 
Ganglien des Pleons angesehen werden muss. Was von Waırz über den 
Ursprung der Seitennerven angegeben wird, wonach die Nerven des 
vierten, fünften und sechsten Segmentes des Pereions sich nicht aus der 
»Ganglienplatte«, sondern aus der Fortsetzung derselben abzweigen, und 
ein eigener Stamm für das siebente Segment fehlen soll, so halte ich das 
Alles für irrig. Wie Cornauıa und Panceri es bereits richtig dargestellt 
haben, sendet jedes der sieben Thorakalganglien ein Nervenpaar aus, die 
hinteren Ganglien unter immer spitzerem Winkel; CorwaLıa und PAncERI 
scheinen das vierte Thorakalganglion bei der Präparation lädirt zu haben, 
in Folge wovon es zwar in der Abbildung schwach angedeutet, aber 
nicht gezählt ist. 


Studien über Bopyriden. 679 


Die Ovarien sind, wie Warz richtig bemerkt, Anfangs ein paar ge- 
rade Schläuche; dieselben knicken sich mit zunehmendem Wachsthum 
in zickzackförmiger Weise und es entstehen nun, zunächst an den 
Knickungsstellen, follikelartige Ausstülpungen, in denen vorzugsweise 
lebhafte Eibildung stattfindet. Der Ovidukt ist von einem Gylinderepithel 
ausgekleidet. Die von RarukE und von GornALIA und Pancerı angegebene 
Vereinigung der Ovidukte zu einem medianen Gange, der nach jenem im 
zweiten Segmente des Pleons, nach diesen im letzten Segmente des 
Pereions münden sollte, ist unrichtig (s. Taf. XXXV, Fig. 1). Wie Warz 
schon erwähnt hat, münden weibliche, wie männliche Geschlechtsorgane, 
ohne jede Kommunikation des rechten mit dem linken, ganz, wie bei 
den übrigen Isopoden, jene im fünften, diese im siebenten Thorakalseg- 
ment. Die männlichen Drüsen (s. Taf. XXXV, Fig. 3) wurden von 
RATHRE (45, p. 18) als dem Ovarium einigermaßen ähnlich, von Cornarıa 
und Pancerı (7, p. 21) als zwölf verästelte Drüsen geschildert. Beides 
ist ganz falsch, und ich weiß nicht, wie die italiänischen Forscher in 
dem, was sie für Hoden halten (es können wohl nur Muskeln der Pereio- 
poden sein), ovale Spermatozoen mit lebhafter Bewegung wahrnehmen 
konnten. In Wahrheit sind die Hoden Cylinder von fast genau kreis- 
föormigem Querschnitt, der dem der Lebern ungefähr an Größe gleich- 
kommt; Ausstülpungen fand ich daran nicht. Ein Belag platter Zellen, 
von dem ich zweifelhaft bin, ob er aus spindelförmigen Muskelzellen 
besteht, oder nur ein Plattenepithel darstellt, kleidet den Hoden aus. 
Auch wenn derselbe Spermatozoen enthält, findet man, wie Warz richtig 
angiebt, in seiner ganzen Länge einen dicken Belag noch unreifer Sper- 
matoblasten an dem der Mittellinie des Rückens zugekehrten Theile der 
Wandung. 

Warz’ Angabe, dass die Weibchen der von ihm angeführten Bopy- 
riden (Bopyrus, Bopyrina, Gyge, Phryxus) Zeit Lebens bemannt seien, 
ist durchaus unrichtig. Die jüngeren Weibchen in allen den Stadien, die 
ich in Taf. XXXIV, Fig. 1—8 abgebildet habe, sind gewöhnlich unbe- 
mannt. Einmal fand ich ein junges Weibchen von Jone mit einem Männ- 
chen in derselben Kiemenhöhle; aber das letztere war größer, als das 
erstere und saß weit von ihm entfernt. 


Neapel, den 1. Mai 1881. 


680 R. Kossmann, Studien über Bopyriden. 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel XXXIV, 


Bopyrina virbii. 


ee 4 wrssbefeh vom Bauche. 
Bie. .2. vom Rücken. 
Fig. 3. Männchen vom Bauche. 
Fig. 4. Jüngeres Weibchen. 
Fig.' 5. 
Fig. 6.1 Weibchen in immer jüngeren Stadien, alle in gleicher Vergrößerung, 
Bio 7. wie Fig. 4. 
8. 


Fig. 9. Eben festgesetzte Larve, vielleicht männlichen Geschlechtes, in gleicher 
_ Vergrößerung. 

Fig. 10. Dieselbe, stärker vergrößert. 

Fig. 494. Mundtheile 

Fig. 12. Vordere Pleopoden 

Fig. 13. Letzter Pleopode 

Fig. 44. Pereiopode 

Fig. 15. Mundtheile des in Fig. 5 dargestellten Stadiums. 


derselben. 


Tafel XXXV, 
al, erste, a2, zweite Antenne; mnd, Mandibel; oes, Ösophagus; stom, Magen; 
duod, Mitteldarm;; jec, Leber; int, Enddarm; an, After; cor, Herz; aor, Aorta; art, 
Arterie; cer, Oberschlundganglion; g!, g2etc., Ganglien des Bauchmarkes; ovar, Eier- 
stock; ovid, Eileiter; test, Hoden; vd, Samenleiter; musc, Muskeln; sin, Blutsinus; 
corp. adip, Fettkörper. 
Fig. 4. Nerven- und Gefäßsystem nebst linkem Eierstock der weiblichen G yge. 
Fig. 2. Verdauungsorgane derselben. 
Fig. 3. Innere Organe der männlichen Gyge. 
Fig. 4. Innere Organe des weiblichen Bopyrus. 
(Diese vier Abbildungen sind mit Hilfe der Camera aus Flächenschnitis- 
serien komponirt.) & 
Fig. 5. Querschnitt durch eine männliche Gyge. x 
Bie | Querschnitte durch die in Taf. XXXIV, Fig. 4 abgebildete Bopyrina, 


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ersterer in der Gegend des Herzens, letzterer dicht hinter dem Be- 


Be sinne des Enddarmes geführt. 


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Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 


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Zeitschrift 


- WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE 


herausgegeben 


von 


Carl Theodor v. Siebold, 


Professor an der Universität zu München, 


und 


Albert v. Kölliker, 


Professor an der Universität zu Würzburg, 


unter der Redaktion von 


Ernst aaa 


Professor an der Tosys 


it zu Göttingen. 


E ünfundaref&s rer Band. 


Erstes Heft. 


Mit 9 Tafeln und 5 Holzschnitten. 


LEIPZIG, 
Verlag von Wilhelm Engelmann. 
158%. 


Ausgegeben den 6. November 1880. 


Inhalt. 


Über die Verwandtschaftsbeziehungen der Cephalopoden. Von H. v. Ihering. 
(Mit 1 Holzschnitt.)?2.....2.2. =. vr a ee 1! 


Über den Ursprung des Nervus opticus und den feineren Bau des Tectum | 
opticum der Knochenfische. Von J. Bellonci. (Mit Taf. I-I.).... 23| 


3 
Das Riechorgan der Landpulmonaten. Von D. Sochaczewer. (Mit Taf. III.) 30) 
Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten | 


Gehäuse. Von Fritz Müller. (Mit Tat. IV=V. 2 2. 2,0 47 | 
Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. Von W. Marshall. 

(Mit Taf. VI-VIN und 1 Holzschnitt wa 2 nm a ann 85h. 
Über zwei frühzeitige menschliche Embryonen. Von W. Krause. (Mit ' 

Taf. IX und-2 Holzsehnitten.) ma. et 130 8 
Das Fußnervensystem der Paludina vivipara. Von H. Simroth. (Mit 1 


Holzschnitt \ a a ae se 141 | 


Mittheilung. 


Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herın Prof. Ehlers ' 
in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sichern | 
Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig 
eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- | 
gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und 
sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung 
der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der 
Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für 
Holzschnitt bestimmte FAR sind auf besonderen Blättern 
beizulegen. 

Die Verlagshandlung Die Herausgeber 
W. Engelmann. v. Siebold. v. Kölliker. Ehlers. 


Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche 
Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- 
abzüge gratis; eine größere Zahl auf Wunsch und gegen Erstattung 
der Herstellungskosten. 


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Redigirt von Prof. J. Vict. Carus in Leipzig. 
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| Der Herr Verfasser, durch Haeckel zu seinen Untersuchungen angeregt, hat 
‚nach langjährigen Beobachtungen und Experimenten, die er besonders an nie- 
‚deren Seethieren in Neapel angestellt hat, nicht nur das Material über Thier- 
-gewohnheiten bereichert, sondern dieselben systematisch zusammengestellt und 
‚bestimmt, welche Handlungen instinktive und welche zweckbewusste sind, wie 
“die Instinkte entstehen, wie weit sie sich vererben und verändern, und wie sich 
"aus ihnen durch Associationen die zweckbewussten Willensaktionen entwickeln. 
‚Alle Gewohnheiten zeigen nach dem Buche einen allmäligen Übergang von den 
so einfachen Bewegungen der niedersten Thiere bis zu den komplicirtesten Willens- 
aktionen des Menschen, und es lässt sich also auch in geistiger Beziehung der 
wunderbare Zusammenhang zwischen dem Schleimkörper des Urthiers und dem 
Herrn der Schöpfung erkennen. | 


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Endigungen der sensiblen Nerven 


in der Haut der Wirkbelthiere. 
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In Folge des in Baden-Baden gefassten Beschlusses soll die 53. Versamm-N 
lung deutscher Naturforscher und Arzte vom 18. bis 24. September) 
1880 in Danzig tagen. Indem der Unterzeichnete im Namen der Geschäftsführung] 
zur Betheiligung an derselben einladet, bemerkt derselbe noch, dass die bis Ende|l 
Juni angemeldeten Vortrags-Themata in den später auszugebenden allgemeinen | 
Einladungsprogrammen besonders aufgeführt werden. i 


Danzig im April 1880. Dr. Kiesow, 


einführender Vorstand der Section für Zoologie 
und vergleichende Anatomie. 


Verlag von Gustav Fischer in Jena. 


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Professor an der Universität Jena. 


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unter Mitwirkung von 


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Redigirt unter Verantwortlichkeit von Prof. E. Ehlers in Göttingen. 


Druck von Breitkopf und Härtel in Leipzig. 


Zeitschrift 


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| WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE 
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Carl Theodor v. Siebold, 


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und 


Albert v. Kölliker, 


Professor an der Universität zu Würzburg, 


unter der Redaktion von 


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Zweites Heft. 


Mit 7 Tafeln und 2 Holzschnitten. 


LEIPZIG, 
Verlag von Wilhelm Engelmann. 
1581. 


Ausgegeben den 1. Februar 1881. 


Inhalt. 


Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. Von H. Adler. 


(Mit TafexX x.) 0.200200. yore 151 
Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche. 

Von H. Virchow. (Mit Rat. XINM uweXIVva 2 ae 247 
Untersuchungen über Orthonectiden. Von E. Metschnikoff. (Mit 

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Beiträge zur Kenntnis der Chorda supra-spinalis der Lepidoptera und des 
centralen, peripherischen und En Nervensystems der Raupen. 


Von\J. T. Eattzrer.. (Mila aXVEN ra 304 
Über die Paarung und Fortpflanzung der Son -Arten. Von H. Bolau. 
(Mit zwei Holzsehnitten.) ... 2.2. ve 321 


Über die Entstehung der Eier bei Eudendrium. Von N. Kleinenberg . 3% 


Mittheilung. 


Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers 
in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sichern 
Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig 
eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- 
gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und 
sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung 
der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der 
Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für 
Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern 
beizulegen. 

Die Verlagshandlung Die Herausgeber 
W. Engelmann. v. Siebold. v. Kölliker. Ehlers. 


Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche 
Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- 
abzüge gratis; eine größere Zahl auf Wunsch und gegen Erstattung 
der Herstellungskosten. 


Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. 


Hydra. 


Eine anatomisch-entwicklungsgeschichtliche Untersuehung 


von 
Dr. Nicolaus Kleinenberg. 
Mit 4 lithographirten Tafeln. 4. 1872. 9 .#. 


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Indian Ornithology. 
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Hume (Allan) and Marshall (©. H. S.) the Game Birds of India, 
Burmah, and Ceylon, royal 8Y°, 3 vols. containing 140 fine 
coloured plates of Birds, and 4 of Eggs, cloth £ 6. 

alu 1878— 80.) 
Contents: 


Vol. I. the Bustards, Florican, Sandgrouse, Peofowl, Pheasants, jungle Jowl 
and spur Jowl. 


Vol. II. the Partridges, Quails Crakes and Rails. 


Vol. III. the Cranes, Suans, Geese, Ducks, Teol, Snipe, Godwits, Wood- 
‚cock & C. Very few Copies nemain for sale in Eneland. 


BERNARD QUARITCH, 15 Piccadilly, LONDON. 


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Verlag von August Hirschwald in Berlin. 
Soeben erschien: 
Physiologie 
des Menschen und der Säugethiere. 
Lehrbuch für Studirende 


von 


Dr. J. Munk. 
1581. Mit 68 Holzschnitten. 14 4. 


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Captain 6. E. Shelley’s 
Monograph of 


the Nectariniidae 


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Complete in 12 parts, impl. 4to. 
500 pp. of text, with 120 finely colored plates. 1876—80. 


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Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzie. 


Das Mikroskop = 


und die mikroskopische Technik. . | 
Von 2 
DDr. Heinrich Frey, 


De: Professor der’ Medicin in Zürich. 
Mit 403 Figuren in Holzschnitt und Preisverzeichnissen mikroskopischer Utensilien 


Siebente vermehrte Auflage. gr. 8.. 1881. 9,2. | A 


Fauna und Flora 
des Golfes von Neapel 


und .der 


angrenzenden Meeresabschnitte 


herausgegeben von der 


Zoologischen Station zu Neapel. 
I. Monographie: Utenophorae von Dr. Carl Chun. 
Mit 18 Tafeln in Lithographie und 22 Holzschnitten. gr. 4. 1880. Ladenpreis 75 % 
Il. Monographie: Fierasfer von Prof. Emery 
Mit 9 Tafeln in Lithographie u. 10 Holzschnitten. — gr. 4. 1880. Ladenpreis 25 .% 
Im Laufe des Jahres 1881 werden erscheinen: | 
Prof. Dohrn, Monographie der Pantopoden (Pyenogoniden). ca. 34 Bogen || 
Text mit 18 Tafeln. : / Ä 
ca. 8 Bogen Text mit 3 Tafeln. | 


2. Prof. Graf zu Solms, Die Corallinenalgen. 
Mit ca. 10 Tafeln. 


3. Dr. Spengel, Monographie des Balanoglossus. 
Subseriptionspreis für sämmtliche erscheinende Monographien jährlich 50 „X 


Man abonnirt für mindestens drei Jahre beim Verleger oder beim Herausgeber 


| Zoologische Ergebnisse 
einer im Auftrage der Kgl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin | 
ausgeführten "8 | 


Reise in die Küstenepbisie des Rothen Meeres, 


Herausgegeben 
mit Unterstützung der Königlichen Ak mie 
von 


Robby Kossmann, 


Dr. phil. und Professor an der Universität Heidelberg. 


Zweite Hälfte, erste Lieferung: 


III. Malacostraca (2. Theil Anomura), bearbeitet von Kossmann 
V. Echinodermen, bearbeitet von Kossmann. 
Mit 12 Tafeln. 4, „412. —. at : 


Redigirt unter Verantwortlichkeit von Prof. E. Ehlers in Göttingen 
Druck von Breitkopf und Härtel in Leipzig. ER 
je 


Zeitschrift 


WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE 


herausgegeben 
von 


Carl Theodor v. Siebold, 


Professor an der Universität zu München, 


und 


Albert v. Kölliker, 


Professor an der Universität zu Würzburg, 


unter der Redaktion von 


Ernst Ehlers, 


Drittes Heft. 


Mit 11 Tafeln und 2 Holzschnitten. 


LEIPZIG, 


Verlag von Wilhelm Engelmann. 
1881. 


_ Ausgegeben den 22. Aprü 1881. 


Inhalt. 


Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. Ein Beitrag zur u 
Erkenntnis der Einheit des Molluskentypus. Von J. W. Spengel. 
(Mit Taf. XV MH XIX und? 2-Holzschnitten., 2. „we. 333 

Kleine Beiträge zur Kenntnis der Gregarinen. Von OÖ. Bütschli. (Mit 
Tat RR undAXE) a ee er 384 

Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Zehnte 
Mittheilung. Corticium candelabrum O, Schmidt. Von F. E. Schulze. 

(Mit Taf XXI I ee nee ee 410 

Der Theilungsvorgang bei Euglypha alveolata. Von A. Gruber. (Mit 
Tas ax IE) ne. ee 431 

/ur Entwicklungsgeschichte der Amphipoden. Von B. Ulianin. (Mit 
TaeeXxIV.) ana en ee ne re er 440 

Über Molluskenaugen mit embryonalem Iy pus. Von P. Fraisse. (Mit 
Taf, XXV sund.XRVl.) 5.0 2 m ee Se . 461 

Die Eiweißdrüsen der Amphibien und Vögel. Von P. A. Loos. (Mit 
Tab IX VI. are ren ne anne ee 478 

Mittheilung. 


Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers 
in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sichern 
Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig 
eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- 
gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und 
sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung 
der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der 
Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für 
Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern 


beizulegen. 
Die Verlagshandlung Die Herausgeber 
W. Engelmann. v. Siebold. v. Kölliker. Ehlers. 


Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche 
Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- 
abzüge gratis; eine größere Zahl auf Wunsch und gegen Erstattung 
der Herstellungskosten. 


Verlag der H. Laupp’schen Buchhandlung in Tübingen. 


Soeben erschien: 


Hahn, Dr. O., Die Meteorite (Chondrite) und ihre 


Organismen. 32 Tafeln mit 144 Abbildungen in Photographie- 
druck. Quart eleg. geheftet „4 40. —. 


Der Nachweis der organischen Natur der Meteorite in vorstehendem Werk 
ist für die Wissenschaft in mehr als einer Beziehung von größter Tragweite. — 
Darwin, dem die Originalphotographien vorlagen, schrieb eigenhändig dem Ver- 
fasser: »... it seems very diffic ult to doubt that the photographs exhibit or- 
ganic structure —.« 


Verlag von Gustav Fischer in Jena: 
Soeben erschien : 


| Handbuch der vereleichenden Embryologig 


von Francis M. Balfour M. A. FE. 


fellow and lecturer of Trinity College ae 
Zweı Bände. 
Mit Bewilligung des Verfassers aus dem Englischen übersetzt 
von Dr. B. Vetter, 
Professor am Polytechnikum in Dresden. 
Erster Band. 
Mit 275 Holzschnitten. — Preis: 15 Mark. 


Soeben erschien: 


Moebius, Richters und E. v. Martens, 
Beiträge zur Meeresfauna der Insel Mauritius und der Seychellen, 


nach Sammlungen, angelegt auf einer Reise nach Mauritius 
von K. Moebius, Prof. der Zoologie in Kiel. 


Mit einer Karte und 22 Tafeln. 
Preis 68: 


E. v. Martens, 
Mollusken der Maskarenen und Seychellen. 
Auf Grund der Sammlungen von Prof. K. Moebius zusammengestellt. 
Mit 4 Tafeln. 
(Separat-Abdruck aus obigem Werke.) 1 
‚Preis „220. — E 
Berlin. n Gutmann’sche Buchhandlung, 
Otto Enslin. 


In unserem Verlage erscheint: 


Der Naturforscher. 
Wochenblatt zur Verbreitung der Fortschritte in den Natarwissenschaften. 
Herausgegeben von Dr. Wilhelm Sklarek. 
Wöchentlich 1—11!/g Bogen in 40%. Preis vierteljährlich 4 9. 


Die nunmehr ihren XIV. Jahrgang beginnende Zeitschrift hat bei Allen, | 
welche sich mit Naturwissenschaiten beschäftigen, großen Beifall gefunden. | 


Probenummern sind durch jede Buchhandlung zu erhalten. 


Berlin, 1 Charlottenstr. Ferd. Dümmler’s Verlagsbuchhandlung. 
(Harrwitz & Gossmann.) 


Redigirt unter Verantwortlichkeit von Prof. E. Ehlers in Göttingen. 
Druck von Breitkopf und Härtel in Leipzig. Js 


Zeitschrift 


WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE | 


Bee 


von 


Carl Theodor v. Siebold, 


Professor an der Universität zu München, 


und 


Albert v. Kölliker, 


Professor an der Universität zu Würzburg, 


unter der Redaktion von 


Eon} Ahlers, 


Viertes Heft. 


Mit 8 Tafeln. 


LEIPZIG, 


Verlag von Wilhelm Engelmann. 
1581. 


Ausgegeben den 14. Juni 1881. 


Inhalt. 


Der Bau der Stigmen bei den Insekten. Von O©. Krancher. (Mit Taf. = | 
XXVI MW. IA ee 505 
Revision der Mertens-Brandt’schen Holothurien. Von H. Ludwig. ... 5® 
Beitrag zur Kenntnis der Hydrachniden-Gattung Midea Bruzelius. Von 
P.:Könike.. (Mit, Taf XXX Ried Ger. 2 we 600 
Revision von H. Lebert's Hydrachniden des Genfer Sees. Von F. Könike. 
(Mit, Bio, aus Tae XXX... 0.0. WET RL en 613 
Beiträge zur Kenntnis der Fischpsorospermien. Von O. Bütschli. (Mit 
Par, XXI.) 0.0. Lea. We Sr a 629 
Studien über Bopyriden. Von R. Kossmann. (Mit Taf. XXXI--XXXV.) 
I. Gigantione Moebii und Allgemeines über die Mundwerkzeuge 
der Bopyriden.., ..ı. .. 0. cn u 652 
II. Bopyrina Virbii; Beiträge zur Kenntnis der Anatomie und.. 
Metamorphose der Bopyxiden. 2. 2.0. seen: 666 
Mittheilunge. 


Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers 
in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sichern 
Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig 
eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- 
gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und 
sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung 
der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der 
Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für 
Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern 
beizulegen. 

Die Verlagshandlung Ei Die Herausgeber 
W. Engelmann. v. Siebold. v. Kölliker. Ehlers. 


Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche 
Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- 
abzüge gratis; eine größere Zahl auf Wunsch und gegen Erstattung 
der Herstellungskosten. 


In Carl Winter’s Universitätsbuchhandlung in Heidelberg ist 
soeben erschienen: 


Vergleichend-physiologische Studien an den 
Küsten der Adria. 


Experimentelle Untersuchungen von Dr. C. Fr. W. Krukenberg. 


IV. Abtheilung. Nebst anatomischen Mittheilungen von Graf B. Haller 
und Dr. E. Berger in Wien. 
Mit 4 lithographirten Tafeln. gr. 8. brosch., 5 %. 

Inhalt: Beiträge zur Anatomie und Physiologie von Luvarus imperalis 
Raf. — Einleitung. — I. Zur Anatomie und Histologie von Graf Bela 
Haller. — I. Das Auge von Dr. E. Berger. — III. Physiologisch- 
chemische Untersuchungen von Dr. C. Fr. W. Krukenberg. 


Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig: 


Soeben erschien: 


Ider Ikrebs. 
Eine Einleitung in das Studium der .Zoologie. 
Von. 
T. H. Huxley. 
Mit 82 Abbildungen. 8. Geh. 5.4.. Geb. 6.4. 
(Internationale wissenschaftliche Bibliothek 48. Band.) 


| Nicht bloß eine Naturgeschichte des Krebses will der berühmte englische. 
"Gelehrte mit dem vorliegenden Werke liefern, sondern er erörtert in demselben 
auch weittragende allgemeine Aufgaben der Zoologie wie der biologischen 
"Wissenschaft überhaupt, sodass es mit Recht als »eine Einleitung in das Studium 
der Zoologie« bezeichnet ist. 


Im Verlage von Emil Strauss in Bonn ist soeben erschienen: 


Die augenähnlichen Organe der Fische 


anatomisch untersucht 
{ ; von 

Dr. Franz Leydig, 
Professor an der Universität Bonn. 


gr. 80 mit 10 lithogr. Tafeln. Preis .% 13. 50. 


In Carl Winter’s Universitätsbuchhandlung in Heidelberg ist 
soeben erschienen: 


| 
| ge 
a Vergleichend-physiologische Studien an den 
| Küsten der Adria. 
| Experimentelle Untersuchungen von Dr. C. Fr. W. Krukenberg. 


IV. Abtheilung. Nebst anatomischen Mittheilungen von Graf B. Haller 
und Dr. E. Berger in Wien. 
Mit 4 lithographirten Tafeln. gr. 8. brosch. 5 #. 

Inhalt: Beiträge zur Anatomie und Physiologie von Luvarus imperalis 
Raf. — Einleitung. — I. Zur Anatomie und Histologie von Graf Bela 
; Haller. — il. Das Auge von Dr. E. Berger. — III. Physiologisch- 
chemische Untersuchungen von Dr. C. Fr. W.-Krukenberg. 


in 8 


Über den Bau und die Entwicklun 


von 


Cordylophora lacustris 


(Allman). 


»bst Bemerkungen über Vorkommen und Lebensweise dieses Thieres. 
Von 
Dr. Franz Eilhard Schulze, 


0. Prof. der Zoologie und vergleichenden Anatomie zu Rostock. 


Mit 6 Kupfertafeln. gr. 4, 1871. 8.4. 


Verlag von Wilhelm Engelmannfin Leipzig. 


Über den Ban von Syneoryne Sarsii Loven 


und 
der zugehörigen Meduse Sarsia Tubulosa, Lesson. 
Von 

F. E. Schulze, 


Professor der Zoologie in Graz. 


Mit 3 Kupfertafeln. gr. 4. 1873. 4.#. 


Untersuchungen über die Entwickelune 
der 


Glandula thymus, Glandula thyreoidea 
und Glandula carotica 


von 


Dr. Ludwig Stieda, 


Professor der Anatomie in Dorpat. 


Mit 2 lithographirten Tafeln. 4. 1881. 4.4. 


Der Kampf der Theile im Organismus 


Ein Beitrag 
zur Vervollständigung der mechanischen Zweckmäßigkeitslehre. 
Von | F 
Dr. Wilhelm Roux, 


Privatdocent und Assistent äm anatomischen Institut zu Breslau. 


7 
8.1881. 4. 


Das Wire 1 
und die mikroskopische Technik. 
Dr. Heinrich F'rey, 


Professor der Medicin in Zürich. Rt 
Mit 403 Figuren in Holzschnitt und Preisverzeichnissen mikroskopischer Utensilien. | 
Siebente vermehrte Auflage. gr. 8. 18831. 94. f 


Über 
Zwei Süsswasser-Calaniden. 


Von 


‚Dr. August Gruber, 


in Freiburg i. Br. 


Mit 2 Tafeln. gr. 8. 1878. 1,50 4. 


Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 9; RR 


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