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Full text of "Zentralblatt für Bakteriologie Parasitenkunde und Infektionskrankheiten - 1. Abt ORIGINALE 101.1926"

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OF ILLINOIS 








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L161— 0-1096 











CENTRALBLATT 


für 


Bakteriologie, Parasitenkunde 
und Infektionskrankheiten 


In ‘Verbindung mit 


Prof. Dr. R. Abel, Prof. Dr. M. Braun, Prof. Dr. R. Pfeiffer 
Geh. Obermed.-Rat in Jena Geh. Reg.-Rat in Königsberg Geh. Med.-Rat in Breslau 


herausgegeben von 


Prof. Dr. O. Uhlworm, Präsident Dr. A. Weber 


Geh.Reg.-Rat in Bamberg in Dresden 
und 


Prof. Dr. E. Gildemeister, 


Ober-Reg.-Rat, Berlin-Lichterfelde-W. 


Erste Abteilung. 101. Band 


Medizinisch-hygienische Bakteriologie 
und tierische Parasitenkunde 


Originale 


Mit 113 Abbildungen im Text und 10 Tafeln 





Jena 
Verlag von Gustav Fischer 
1927 


LON 





Ausgegeben am 7. Dezember 1926. 


Nachdruck verboten. 


Ueber Bacterium spirilloides n. sp. ein bisher unbe- 
kanntes Bakterium. 
[Aus der bakt. Abteilung des Reichsgesundheitsamts Berlin - Dahlem.] 


Von Margarete Zuelzer. 
Mit 2 Tafeln. 


Während meines Aufenthaltes an der Staatlichen Biologischen An- 
stalt in Helgoland im Sommer 1924 und 1925 beobachtete ich lange 
„ Bakterien, welche eine ziemlich starke Flexibilität zu haben schienen. 
"Da die Bakterien infolge ihrer starren Membran sonst keine cigene 
© Flexibilität aufweisen, schien mir das Vorkommen von Bakterien, welche, 

wie ihre Flexibilität zeigt, eine elastische Membran haben müssen, 
“von prinzipieller Bedeutung ' ’ ich beschloß daher, diese Bakterien 

„näher zu beobachten. Die bev,ifenden Bakterien lebten meistens in 
‚Gesellschaft mit marinen Spirochäten, stets an organisch leicht verun- 

, reinigten Stellen. Mein Material stammt vorwiegend aus dem Scheiben- 

+ haîfen von Helgoland. Im Meer sind die Bakterien etwa durchschnittlich 
50—67 u lang. Die Bakterien können sich in verschiedenen Formen 
biegen und winden; sie schwimmen langsam. Gelegentlich wurden bis 
100 u lange Exemplare beobachtet. Die Durchschnittsdicke dieser 
Organismen beträgt 1,5—2 u; die Membran kann sich gelegentlich an 
einzelnen Stellen bis zu 3, u Dicke verbreitern. 

Die Bakterien sind sehr zart; im Hellfeld sind sie zwar zu er- 
kennen, aber die große Zartheit erschwert die Beobachtung im Hellfelde 
außerordentlich. Viel besser sind die Einzelheiten im Dunkelfelde zu 
verfolgen und deshalb wurden die nachstehend geschilderten Beobach- 
tungen meist im Dunkelfelde gemacht. Da die Bakterien in der freien 
Natur sehr vereinzelt auftraten, mußte ich versuchen, sie zu züchten, 
um morphologische Untersuchungen machen zu können. 

Die Kulturversuche führten nach vielen vergeblichen Versuchen 
zum Ziel. Die Bakterien wuchsen und vermehrten sich in reinem, in- 
aktiviertem Kaninchenserum. Die Kulturen wurden in kleinen Re- 
agenzröhrchen bei niederer Temperatur weitergezüchtet. Werden die 
Kulturen bei Zimmertemperatur oder wärmer gehalten, so hat dies 
2 Nachteile: erstens überwuchern die Begleitbakterien sehr schnell und 
^s kommt vor, daß dadurch die gesuchten Bakterien sehr bald ver- 
schwinden; der zweite Uebelstand ist der, daß in den Röhrchen, in denen 
die Bakterien wachsen, sie sich rapide durch schnell aufeinanderfolgende 
Zweiteilungen vermehren, so rapide, daß sie im Durchschnitt nur 4—10 
lang werden. Diese kurzen Bakterien zeigen kaum etwas von der mic oh 
interessierenden Flexibilität. Sie schwimmen außerordentlich schnell 
und sind von Spirillen kaum zu unterscheiden. Erst als ich die 
Kulturen kalt, d. h. bei + 7 bis Nik C hielt, folgten gie Teilungen 

Erste Abt. Orig. Bd. 101. Heft 1 


630i 57 


2 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3 


langsamer aufeinander und infolgedessen wuchsen die einzelnen Exem-* 
plare in die Länge. Es traten nun ebensolche Formen, wie ich sie 
im Meer gefunden hatte, auf. Ich beschränkte mich deshalb darauf, 
die Kulturen kalt zu halten. Diese Kulturen wuchsen und ver- 
mehrten sich außerordentlich langsam, die Bakterien erreichten dann 
aber die gleiche Durchschnittslänge wie die aus dem freien Meer be- 
obachteten Formen, also etwa 50—70 u, gelegentlich 100 u. Diese 
Kältekulturen können erst nach 3—4 Monaten überimpft werden; so 
lange Zeit ist erforderlich, um das gewünschte Material heranwachsen 
zu lassen. 

Zur Herstellung von gefärbten Präparaten werden Ausstriche am 
besten mit Osmiumdampf oder mit Sublimatalkohol fixiert. Essigsäure 
und andere saure Fixierungsmittel sind zu vermeiden, da bei deren Ver- 
wendung die Membran der Bakterien zu stark quillt. Zum Studium 
des Zellinhaltes geben Giemsa -Präparate (nasse Methode) oder Fär- 
bungen mit Eisenhämatoxylin die besten Bilder. Doch sind zur Kon- 
trolle Hämalaun- oder Hämatoxylinpräparate nicht unbrauchbar. 

Für Geißelfärbungen wandte ich mit bestem Erfolg die Loeffler - 
sche Geißelfärbung an nach vorhergegangener Behandlung der Aus- 
striche mit der von Ruys (1926) für Spirillum minus empfohlenen 
Modifikation der Ruge-Lösung, welche auch bei Präparaten aus Kul- 
turen, deren reiner Serumuntergrund sich sonst meist so stark mit- 
färbt, daß die Färbung etwaiger Geißeln durch den gefärbten Unter- 
grund überdeckt wird, gute Bilder ergab. 

Beizen in Ruge-Lösung [100 ecm Aqu. dest., 1 ccm Eisessig 
(Acid. acet.), 20 ccm Formaldehyd (Formol)], abspülen; darauf Beizen 
in alter, gereifter Loeffler-Beize 1—5 Min. in der Wärme bis zur 
Dampfbildung. Färben in der Wärme in Anilin-Fuchsin 1—5 Min. 

Schon nach kurzer (2—5 Min.) Behandlung mit Ruge-Lösung 
färbt sich der Untergrund nicht mehr, und die feinen Geißeln der Bak- 
terien werden nun nach Loeffler gefärbt erkennbar. Jedoch fand 
ich die sehr feinen Geißeln zuerst nicht bei gefärbten Präparaten, 
sondern mit der von Neumann empfohlenen „Methode der Unter- 
suchung von geißeltragenden Organismen im Dunkelfeld‘“. Ich brachte, 
so wie Neumann es empfiehlt, die Bakterien in ein Tröpfchen 
flüssiger Fleischbouillongelatine neutral. (7—8 Proz. Gelatine) und 
untersuchte die lebenden Präparate mit sehr starker Beleuchtung im 
Dunkelfeld. Diese Methode eignet sich für den Nachweis feiner Geißeln, 
die sonst im Dunkelfeld nicht erkennbar sind, ganz vorzüglich und ich 
konnte damit zuerst die sehr feinen Geißeln dieser Bakterien er- 
kennen, während mir dies in Serum- resp. Wasserpräparaten weder im 
Hell- noch im Dunkelfelde auch mit starker Beleuchtung vorher kaum 
möglich gewesen war. Offenbar beruht die Neumannsche Methode 
darauf, daß bei der Uebertragung der Organismen aus dem flüssigen 
Serum in die Gelatinelösung sich durch eine unvollständige Benetzbarr 
keit der Bakterienoberfläche mit derselben eine Luftschicht um die 
Bakterien und ihre Anhänge herum bildet, und dadurch die ganze Ober- 
fläche der Organismen im Dunkelfelde leuchtend und erkennbar wird. 

Der Körper der Bakterien ist mehr oder weniger unregelmäßig 
gewunden; die Windungen können eng oder weit sein, so daß z. B. ein 
80 u langes Exemplar je nach dem 4—8 Windungen aufweisen kann. 
Die kurzen, etwa 4—10 u langen Exemplare können eine oder zwei 
Windungen zeigen, sind aber bisweilen auch stäbchenartig gerade. Die 


Zuelzer, Bact. spirilloides n. sp. ein bisher unbekanntes Bakterium. 3 


Windungen sind nicht deutlich korkenzieherartig gewunden, sondern. 
scheinen mehr in einer Ebene zu liegen. 


Bei den Untersuchungen der flexilen Bakterien in verflüssigter 
8proz. Nährgelatinelösung konnte ich also auch ohne Geißelfärbung fest- 
stellen, daß die Bakterien eine sehr feine eigenbewegliche Geißel auf- 
weisen. Diese Geißel ist äußerst fein und scheint bei den kurzen wie bei 
den langen Exemplaren die gleiche Länge zu behalten, ca. 10—16 u. Bei 
den kurzen können die Geißeln die Körperlänge um das 3—4fache über- 
treffen. Bei den langen ist die Geißel jedoch nur ein kurzer Anhang 
(Fig. 1—4, Taf. 1). Bei den langen Formen sitzt die Geißel meistenteils 
am hinteren Ende und wird passiv nachgeschleppt; sie gibt den langen 
Organismen offenbar nicht die einzige Bewegungsmöglichkeit. Bei den 
kurzen Formen ist das geißeltragende Ende bald das vordere, bald das 
hintere; die Geißeln schlagen lebhaft und vermitteln bei den kurzen 
Formen die Bewegung. Im Leben im Dunkelfeld in Gelatinelösung bei 
guter Beleuchtung (X Immersion, Oc. 12) kann man gelegentlich be- 
obachten, daß auch diese Geißeln ganz ähnlich, wie ich dies früher beim 
Erreger des Rattenbißfiebers beschrieb, aus mehreren feinsten Geißeln zu- 
sammengesetzt erscheinen (Fig. 1f., Taf. II). Ob es sich hier um gleiche 
morphologische Verhältnisse handelt wie bei den Rattenbißspirillen, ist 
schwer zu entscheiden. Diese Geißeln sind äußerst zarte Gebilde, viel 
feiner als die der Rattenbifspirillen; trotzdem gelingt es gelegentlich im 
Leben zu verfolgen, wie sich die scheinbar einzelne Geißel in 4—6 noch 
feinere aufspaltet. Diese Geißeln machen den Eindruck, als wären 
sie ein aufgespaltenes GeiBelbiischel. Ich vermag aber nicht zu ent- 
scheiden, ob vielleicht solche Bilder so zu deuten sind, daß hier morpho- 
logisch der feinste Bau der Geißel erkennbar ist, d. h. ob hier die 
feinsten Fibrillen, aus denen eine einzelne Geißel zusammengesetzt ist, 
sichtbar sind, oder ob auch diese feinen Geißeln wie bei den Spirillen 
die gelegentlich aufgespaltenen Geißeln eines Geißelbüschels darstellen. 
Die Aufspaltung müßte dann wohl als physiologischer Vorgang aufzu- 
fassen sein. Schwimmt das Bakterium, so ist die Schwimmbewegung 
mittels eines zusammengeklebten einzelnen Gebildes, wie das Geißel- 
büschel eines ist, kräftiger und funktionsfähiger. Bewegt sich jedoch 
der Organismus mit Hilfe der aktiven Flexibilität vorwärts, so sind, 
wie dies bei den langen Exemplaren zu beobachten ist, die Geißeln 
nur Anhänge und keine Bewegungsorganelle und spalten sich dann, 
funktionslos geworden, gelegentlich in ihre einzelnen Bestandteile auf. 
Auch gutgelungene Loeffler-Präparate lassen erkennen, daß die 
Geißeln dieser Bakterien ein aus mehreren feinsten Geißeln zusammen- 
gesetztes Gebilde darstellen (Fig. 4c, Taf. I). 


Die langen Bakterien, gleichgültig ob aus dem Meer oder den oben 
beschriebenen Kältekulturen, können frei schwimmen. Beobachtet man 
die lebenden Bakterien längere Zeit, so zeigen sie verschiedene Be- 
wegungsmöglichkeiten. Sie können gradlinig schwimmen; der Organis- 
mus erscheint dann starr, die Enden schlagen synchron und man erkennt 
eine den Spirillen analoge Bewegung, bei welcher von einer aktiven 
Flexibilität nicht die Rede sein kann. Bei einer Umdrehung ihres un- 
regelmäßig gewellten Körpers wird, ebenso wie bei den Spirillen, 
immer wieder die gleiche Körperform erreicht. Außer dieser typischen 
Spirillenbewegung, bei welcher offenbar die Bewegung mit Hilfe der 
Geißel erfolgt, können die Bakterien auch noch andere Bewegungen 


1* 


4 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


zeigen, bei welcher die Biegungen und Windungen ihres Körpers sich 
verändern, ähnlich der einer Spirochäte (Fig. 1a, b, c, Taf. 1). 

Besonders günstig ist diese Bewegung zu beobachten, wenn das eine 
Ende des Bakterienkörpers irgendwo fest hängen bleibt; es genügt auch 
schon, wenn die Geißel sich festheftet. Solche Exemplare zeigen dann 
eine typische aktive Flexibilität, zu vergleichen etwa der eines Blut- 
egels, der mit dem Kopfe festsitzt, und dessen Körper sich windet. 
Außer dieser Flexibilität scheint es, als ob einzelne Exemplare auch noch 
metabole Bewegungen ausführen können. Bei solchen scheint sich eine 
Körperstelle zu verdicken, sie schwillt an und erweckt den Eindruck, als 
ob diese Verdickung sich allmählich auf andere Körperpartien überträgt. 
Beide Formen der aktiven Beweglichkeit, sowohl die blutegelartige 
Flexibilität als auch die Metabolie des Körpers, vermitteln die Be- 
wegungen der langen Exemplare. Bei diesen wird, wie schon erwähnt, 
die kurze Geißel nachgeschleppt, und diese dürfte bei der Bewegung 
der langen Exemplare kaum eine Rolle mehr spielen. Die aktive 
Flexibilität ist, wie gesagt,am besten an solchen Exemplaren zu erkennen, 
die aus irgendeinem Grunde mit dem einen Ende festsitzen. Bei den 
freischwimmenden ist die Frage viel schwieriger zu entscheiden, ob 
die Enden nicht etwa synchron schlagen und eine Flexibilität ähnlich 
wie bei den Spirillen nur vorgetäuscht ist. Dies ist jedoch, wie bei ein- 
zelnen langen Exemplaren festzustellen ist, nicht der Fall, sondern es 
sind tatsächlich unregelmäßige und ungleichsinnige Bewegungen, welche 
diese Bakterien im Gegensatz zu anderen auszuführen vermögen. Ich 
hätte diese Vorgänge gern durch kinematographische Aufnahmen belegt, 
welche, langsam abgerollt, eine eindeutige Klärung dieser Frage hätten 
ergeben müssen. Da ich mich jedoch für eine Reise nach Indien 
rüste, reicht meine Zeit nicht mehr aus, vorher diese schwierigen Auf- 
nahmen zu machen, und so fehlt zum Beleg der Richtigkeit meiner 
Auffassung dieses Beweisstück. 

Ueber den feineren Bau dieser Bakterien ist wenig zu berichten. 
Bereits im Leben erkennt man, daß ihre Membran ziemlich dick ist, 
sie muß, um die vorher geschilderten Bewegungen ausführen zu können, 
elastisch (flexibel) sein. 

Im Innern der Zelle erkennt man regelmäßige Querwände (Fig. 1), 
durch diese kommt eine Kammerung zustande, ähnlich wie sie die 
Cristispirenzelle aufweist. Gefärbte Präparate bestätigen die Befunde 
(Fig. 2, 3, Taf. I). Der Zellinhalt der Organismen besteht aus einer ein- 
zigen, von einer starken Membran umhüllten Reihe von Plasmawaben, die 
durch zarte Querwände voneinander geschieden sind. Die Wabenwände 
erscheinen als einfache Lamellen, die sich durch stärkere Färbbarkeit 
vom umgebenden Plasma unterscheiden. Die Zahl der Wände ist ziem- 
lich wechselnd, im Durchschnitt kommen 6—8 auf eine Windung, doch 
ist diese Zahl nicht konstant, da die Windungsweite schnell wechseln 
kann und auch die Zahl der Wände in beständiger Vermehrung ist. 
Der Kammerinhalt ist erheblich schwächer lichtbrechend als die 
Kammerwände, auch ist der Kammerinhalt mit Kernfarbstoffen er- 
heblich schwächer färbbar als die sich mit Kernfarbstoffen gut färben- 
den Wände. In den Kammerwänden sind gelegentlich feinste mit Kern- 
farbstoffen sich färbende Granulationen wahrzunehmen. Die den ganzen 
Körper umgebende elastische Membran ist färberisch schwer zu dif- 
ferenzieren. Bei der Fixierung hebt sie sich meist ein wenig vom Zell- 
inhalt ab, und ist dann mit Heidenhainscher Eisenhämatoxylin- 


Zuelzer, Bact. spirilloides n. sp. ein bisher unbekanntes Bakterium. 5 


färbung als dunkelgefärbte doppeltkonturierte Membran zu erkennen 
(Fig. 2 u. 3, Taf. I). Die auf Fig. 3 abgebildeten langen Bakterisn 
dürfen nicht etwa nur als Kultur- oder Involutionsformen angesehen 
werden; sie entsprechen vielmehr durchaus den Formen, wie sie im 
freien Meerwasser zu finden sind. 

Die Vermehrung dieser Bakterien erfolgt durch Querteilung. Kleine 
und große Exemplare können sich teilen. Bei den kleineren Formen 
erfolgt in der Regel eine Zweiteilung in zwei gleichgroße Teilstücke 
(Fig. 1e, 2b, Taf. II); es wird in der Mittel des Bakteriums eine Quer- 
wand ausgebildet und an dieser Stelle erfolgt die Durchschnürung. Auch 
eine Vielfachteilung kann vorkommen; bei derselben bilden sich mehrere 
Querwände aus, und an der Ausbildungsstelle der Querwände erfolgt 
die Durchschnürung. Bei langen Exemplaren erfolgt die Vermehrung 
meist durch nacheinanderfolgende Abschnürung von ungleichgroßen Teil- 
stücken (Fig. 2d, 3a, Taf. I). 

Für die Einreihung der vorbeschriebenen Bakterien in das System 
muß besonders berücksichtigt werden: 1) das Vorhandensein einer 
elastischen flexilen Membran bei einem aktiven flexilen Organismus; 
2) das Vorhandensein einer Geißel; 3) die Kammeranordnung des 
Weichkörpers. Die elastische Zellmembran prägt den Bewegungen 
dieses Organismus den Charakter auf und das Vorhandensein dieser 
Zellmembran unterscheidet sie ganz wesentlich von den nackten Spiro- 
chäten, mit denen sie zunächst in der Bewegung gewisse Aehnlichkeit 
zu haben scheinen. Durch ihren Bau unterscheiden sie sich jedoch 
wesentlich von den Spirochäten. Die Bakterien weisen niemals den 
Spirochätenachsenfaden auf, ihr Zellinhalt ist gekammert, und was das 
Wesentlichste ist, sie haben eine elastische Membran. Durch das 
Vorhandensein einer elastischen Membran weisen die Organismen viel- 
mehr Gemeinsamkeit mit den Cristispiren auf. Auch im feineren Bau 
des gekammerten Zellinhaltes zeigen sie eine wesentliche Ueberein- 
stimmung mit den Cristispiren. Der Mangel der Crista dagegen sowie 
das Vorhandensein der Geißel trennt sie von ihrer Zugehörigkeit zu 
den Cristispiren. Wie früher ausgeführt wurde (Zuelzer 1912) haben 
die Cristispiren im Bau viel Gemeinsames mit den Spirillen; durch das 
Fehlen einer Geißel und das Vorhandensein einer Crista unterscheiden 
sie sich jedoch von diesen. 

Die hier beschriebenen Bakterien haben eine Geißel oder ein Geißel- 
büschel, ähnlich wie die Spirillen; sie unterscheiden sich aber von den 
Spirillen durch das Vorhandensein einer flexilen Membran, wodurch 
ihre aktive cristispirenähnliche Flexibilität zustande kommt, sowie 
durch das Fehlen der Spirillenvolutinkörner, wogegen ihr Körper, ähn- 
lich dem der Cristispiren, einen gekammerten Bau aufweist. Das oben 
beschriebene Bakterium, welches ich als Bacterium spirilloides n. sp. 
bezeichne, wird daher seine Stellung im System zwischen Cristispiren 
und Spirillen zu finden haben. 


Lagerheim (1892) hat als Glaucospira agilissima und tenuior zwei 
blaugrüne Organismen beschrieben, welche, von einer Membran umgeben, in Form 
von losen Spiralen, mit unregelmäßigen Bewegungen und aktiven Krümmungen leb- 
haft vermittels Geißeln im Meerwasser umherschwimmen, und diese Organismen zu 
den Spirochäten gestellt. Bei den Spirochäten sind jedoch geißeltragende Organis- 
men nicht unterzubringen; diese Organismen dürften systematisch dem hier be- 
beschriebenen Bacterium spirilloides nahe stehen, und dieses neue Genus 
überhaupt wohl noch eine ganze Reihe von bisher noch nicht bekannten Vertretern 
aufzuweisen haben. 


6 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


Erklärung der Tafelabbildungen. 
Tafel 1. Fig. 1. Nach dem Leben mit Abbé Zeich.-App. Komp.-Ok. 12; x Imm. im 
Dunkelfeld gezeichnet. 
a) Freischwimmende Bacterium spirilloides aus dem Meer. 
b) Ein Exemplar in verschiedenen Bewegungen. 
c) Ein Exemplar in verschiedenen Bewegungen. 
Tafel II. Fig. 1 
d) Kurzes Exemplar kurz nach der Teilung. 
e) Teilungsformen. 
_ £) Geißelbüschel aufgespalten. 
Tafel 1. Fig. 2—4. Nach Heidenhainschen Eisenhämatoxylin-Präparaten. Fig. 4. 
Nach Löffler-Präparaten. Imm. 2 mm, 1,30, Ok. 12. 
a) Verschiedene lange Exemplare mit gekammertem Zellinhalt. 
b) Teilungsstadien. 
Fig. 3. 2 sehr lange Exemplare in Bewegung mit zum Teil zu- und ab- 
nehmenden Verdickungen einzelner Körperpartien. 
a) Teilung durch Abschnürung. 
Fig. 4. Nach Löfflerpräparaten. 
a) Einfache Geißel. 
b) Gespaltene Geißel. 
c) Au pepaltènes Geißelbüschel. 
) Teilung. 


Literatur. 

Bütschli, O., Ueber den Bau der Bakterien und verwandter Organismen. 
Leipzig (C. F. Winter) 1890. — Ders., Weitere Ausführungen über den Bau der 
Cyanophyceen und Bakterien. Leipzig (Wilh. Engelmann) 1896. — Gross, J.. 
Cristispira nov. gen. (Mitt. a. d. Zoolog. Station Bd. 20. 1910. H. 1). — 
Ders., Ueber freilebende Spironemaceen. (Ibid. Bd. 20. H. 2.) — Lage rheim, 
Notiz über phykochromhaltige Spirochäten. Ber. d. Dtsch. Botan. Gesellsch. Bd. 10. 
1892.) — Nouman Franz, Ueber Geißeldarstellung im Dunkelfeld. Sitz.-Ber. 
v. 14. 12. 1925 d. Berl. mikrobiol. Gesellsch. (Centralbl. f. Bakt. Ref. Bd. 81. 1926. 
Nr. 11/12. — Ruys, A. Charlotte, Der Erreger der Rattenbißkrankheit. (Arch. 
f. Schiffs- u. Tropenhyg. Bd. 30. 1926. S. 112—121.) — Zuelzer, Margarete, 
Ueber Spirochaeta plicatilis Ehrbg. und deren Verwandtschaftsbeziehungen. (Arch. 
f. Protistenf. Bd. 24. 1912.) — Dies., Biologische u. systematische Spirochätenunter- 
suchungen. (Centralbl. f: Bakt. Abt. 1. Orig. Bd. 85. S. 154. 1921.) 


Nachdruck verboten. 


Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtherie- 


bazillen und anderen Corynebakterien `). 


[Aus dem Hygien. Institut der Landesuniversität Gießen 
(Dir.: Prof. Dr. E. Gotschlich).] 


Von Dr. med. H. Kliewe, Heidelberg, Hyg. Institut d. Universitat. 


I. Teil. 


Inhaltsübersicht. 
A. Diphtheriebazillen von menschlicher Herkunft. 


I. Form, Faite und Färbung typischer und variierter Stämme, 
Il. Physiologische Leistungen. 


1) Ausgeführt mit Unterstützung einer Forschungsbeihilfe des Ausschusses zur 
Förderung des wissenschaftlichen medizinischen Nachwuchses (Hilfsausschuß der 
Rockefeller-Foundation). 


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centralblatt fürBakteriologie Abt I Oriq. Bd. 101 Zuelzer, Bakterium spiriloides n.sp. Tar M. 











Fig. 1. 

















r Gustay bisehersy 7 2 


Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 7 


1) der echten tierpathogenen Di-Stämme. 
a) Verhalten auf Lackmuszuckernährboden und Natr. oleinic.-Agar. 
b) Anaérobes Wachstum im tiefen Traubenzuckeragarstich. 
c) Hämolysinbildung in Hammelblutbouillon. 
) Wachstum und Säurebildung in Fleischwasserbouillon. 
e) Wachstum aut 5proz. Glyzerinagar (Kolonientypen). 
2) der Varianten des echten Di-Bazillus. 
a) Minus-Varianten A. 
b) Minus-Varianten B. 
c) gleichzeitige Minus-Plus-Varianten A. 
d) gleichzeitige Minus-Plus-Varianten B. 
e) leichzeitige Minus-Plus-Varianten C. 
at GR sda à der typischen und variierten Di-Stämme. 
a) an Meerschweinchen, 
b) an weißen Mäusen. 
IV. Agglutinationsversuche. 


B. Pseudodiphtheriebazillen menschlicher Herkunft. 
I. Das morphologische Verhalten der Pseudodi-Stämme. ‘ 
II. Die physislonisohen Leistungen und serologischen Reaktionen der Pseudodi- 

stämme und daraus sich ergebende Gruppeneinteilung. 

1. Pseudodi-Stämme ohne Variationen. 

2. Minusvarianten A. 

3. Minusvarianten B. 

4. Minusvarianten C. 

5. Minusvarianten D. 


C. Corynebakterien, gezüchtet aus Wunden bei Pferden. 


1. Die mo open, hysiologischen und serologischen Eigenschaften der 
aus den Wunden gezüchteten verschiedenen Gruppen von Di u. Pseudodi- 


II. 


Stämmen. 
Il. Das morphologische und physiologische Verhalten der Para-Di-Stämme. 
D. Die aus den Variabilitätsstudien und der Gruppeneiniehing sich ergebenden 
verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den Di- und Pseudodi-B. 
E. Zusammeüfassung. 
F. Literatur. 


Die Entwicklungslehre wurde seit Lamarck nicht nur richtunggebend für 
einzelne Spezialwissenschaften wie Botanik, Zoologie, Anatomie, Anthropologie, sondern 
das ganze philosophische Denken des vorigen Jahrhunderts stand unter dem Ein- 
flusse jener Lehre. Auch in der Mikrobiologie fand der Entwicklungsgedanke bald 

ingang, jedoch anfangs nur in rein spekulativer Form und un eufigend. begründet in 
der re vom Pleomorphismus (Billroth, Klebs, v. Naegeli u. a.). Es 
konnte auch nicht anders sein, weil es an den exakten Methoden der Reinzüchtung 
fehlte, durch die die Variationen von den typischen Formen unterschieden werden 
und von allen zufälligen Verunreinigungen ferngehalten werden konnten. Einen 

waltigen Fortschritt bedeutete das von F. Cohn und R. Koch aufgestellte Gesetz 
er Konstanz der Form und der Spezifität. In scheinbarem a 5 ype zu diesem 
Gesetz schienen Beobachtungen zu sein, die schon bald zeigten, daß eine gewisse 
Variation bestehe. 

Eıinıge Autoren (Hauser, Kruse, v. Gruber, Lehmann und Neu- 
mann u. a.) teilten Beobachtungen mit, daß die als konstant erscheinenden Formen 
einer Bakterienart einer gewissen Veränderlichkeit unterliegen. Doch wurden diese 
und spätere Mitteilungen über Variabilitätserscheinungen z. B. von Kossel, Kolle, 
Schottelius und Dieudonné mehr als Ausnahmen und Kuriosa angesehen. 
Die 1. zusammenfassende und kritische Darstellung über das Gebiet der Variabilität 
ab Kruse 1896 in Flügges Mikroorganismen (3. Aufl.). Als dann um die 

ende des Jahrhunderts die Frblichkeitsforschung durch die Benutzung der Varia- 
tionsstatistik mit exakter Methodik betrieben wurde und durch die besondere Wertung 
der Mutation durch de Vries (1902) ganz neue Möglichkeiten für die Lösung der 
Erblichkeitstragen auftauchten, als ferner die Mendelschen Bastardierungsregeln 
wiederentdeckt wurden, gewann auch das Variabilitätsstudium in der Mikrobiologie 
einen neuen Impuls. Insbesondere bildeten die Veröffentlichungen von M. Neißer 
und Massini (1906) über Mutationen des B. coli den Ansporn, sich intensiver 
als bisher mıt den Variabilitätserscheinungen bei Bakterien zu befassen. Seit der Zeit 
sind eine Unmenge. von Veröffentlichungen erschienen — ich verweise nur auf die 


8 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


Arbeiten von Pringsheim, Baerthlein, Eisenberg, Toenniessen und 
insbesondere auf die Referate von Gotschlich, Jollos, Neufeld und 
Morgenroth (10. Tagung der „Deutschen Vereinigung für Mikrobiologie“ 1924) — 
welche die Variabilitätserscheinungen in naturwissenschaftlichem Sinne verschieden 
bewerteten. Die Annahme, daß es sich bei den meisten Variationen nicht um 
echte Mutation handelte, entgegen der früheren Ansicht, ist heute als sicher zu 
bezeichnen. Viele Autoren halten sogar den von Massini in die Mikrobiologie ein- 

führten ee der Mutation im Sinne von de Vries für unzutreffend (vgl. bei 

ollos). an glaubte infolge Fehlens der chlechtlichen Fortpflanzung der 
Bakterien nicht entscheiden zu können, ob bei der Vererbung von Variationen das 
Idioplasma bezw. das Gen oder das Zytoplasma, der Phaenotypus, betroffen war. 
Deshalb war man lange Zeit im Zweifel, ob die echten Mutationen, wie sie bei den 
höheren Organismen bestehen, auch bei den Bakterien vorkommen. In den letzten 
Jahren mehren sich allerdings die Stimmen derer, die auch den Bakterien analoj 
den Metazoen ein Keimplasma und Zytoplasma (Jollos, Toenniessen u. a5 
und geschlechtliche Fortpflanzung zusprechen (Almquist, Ph. Kuhn, Fried- 
berger und Meissner, Prell und Schmitz, eirowsky, Schaudinn, 
Dobell, Ruzicka und Enderlein u. a.). Es liegt deshalb kein zwingender 
Grund vor, von der Anwendung des Begriffes Mutation in seiner ursprünglichen Be- 
deutung und Verwendung für die Erblichkeitsforschun bei Bakterien abzusehen, zu- 
mal eine Reihe mit großer Wahrscheinlichkeit beobachteter Mutationen vorliegt, 
z. B. bei Milzbrandbazillen (Preisz u. Bail), bei Friedländer- Bazillen 
(Toenniessen), bei Typhusbazillen und hämolytischen Streptokokken (R. Müller, 
Sobernheim-Seligmann, Schmitz, Schnitzer-Munter, Kuczynski- 
Wolff), beim B. prodigiosus (Wolff), bei einer Heferasse (Hausen), beim 
Aspergillus niger (Schiemann), bei der Spirochaeta icterogenes 
Uhlenhuth-Zuelzer). Wenn auch die eigentliche Ursache der Mutation un- 
bekannt ist, man sagt, sie erfolgt „spontan“, so wissen wir -doch, daß ganz bestimmte 
Reize, hohe Temperaturen, Einwirkungen von schädigenden chemischen Stoffen und 
vor allem der Aufenthalt im Organismus usw. Mutationen auslösen können. In 
den meisten Fällen handelt es sich aber nicht um Mutationen, sondern um Modi- 
fikationen (v. Naegeli). Gerade diese Art der Variation, die der Rückbildung 
fähig ist, wird bei Bakterien sehr viel beobachtet, und falls sie von sehr dauerhafter 
Natur ist, als Dauermodifikation bezeichnet. 

Von anderen Variationsbildungen sind noch zu nennen die Alternation 
Toennissen): Von seiten eines Types erfolgt immer wieder Abspaltung der 
ariante, die sich in hohem Grade stabil erweist, und die physiologische Art- 
umbildung (Beijerinck. bei der eine sprunghafte Variation sämtlicher Indi- 
viduen einer Kultur stattfindet, z. B. bei der Umzüchtung von Variolavirus in 
Vakzinevirus, ferner von Straßen- in Passagevirus der Lyssa. 


Für die verschiedenen Variabilitätsformen sind in der Literatur 
eine Menge Synonyma angegeben, die jedenfalls nicht zur Klärung 
der Sachlage beigetragen haben. 

Eine praktische und theoretisch gleich bedeutende Frage ist nun: 
Können die durch Variation entstandenen neuen Bakterienformen so 
sehr vom Ausgangsstamm abweichen, daß man berechtigt ist, sie als 
neue Arten oder besondere Typen anzusprechen? Die Beantwortung 
dieser Frage ist um so schwieriger, als eine eindeutige Charakteristik 
des Artbegriffes gerade im Reiche der Mikroorganismen noch mehr als 
sonst in der Biologie auf Schwierigkeiten stößt. Es ist hierbei der 
praktische und theoretische Standpunkt auseinanderzuhalten, daß 
der Mikrobiologe der praktischen Medizin Rechnung tragen muß und 
nur dann eine Trennung in Gruppen vornimmt, wenn in der Praxis 
ein zwingender Grund vorliegt. So ist z. B. der von Mandelbaum 
gezüchtete ,,Metatyphusbazillus ein kulturell atypischer, in epidemio- 
logischem Verhalten aber durchaus charakteristischer Erreger. Solche 
Erreger als eigene Art anzusehen ist nicht gerechtfertigt. Beim Para- 
typhus und Abdominaltyphus sind wir berechtigt, von besonderen Arten 
zu sprechen, weil sowohl klinische und epidemiologische als auch bio- 


Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 9 


logische Differenzen bestehen. Aehnliche Verhältnisse beobachten wir 
bei den humanen und bovinen Tuberkelbazillen. 

Mit Rücksicht auf die Schwierigkeiten in der Frage des Art- 
begriffes hat man für die Fälle, in denen eine weitgehend stabile 
Variante beobachtet wird, den Begriff Typus eingeführt. Er besagt, 
daß derselbe Erreger, der eine bestimmte Infektion verursacht, in 
mehreren relativ konstanten Typen vorkommt, die sich entweder kul- 
turell verschieden verhalten, aber einheitliches pathologisches Verhalten 
zeigen oder die auch ein unterschiedliches Krankheitsbild hervorrufen 
können. Die Aufstellung des Typus hat weitgehende praktische Kon- 
sequenzen für die Sero- bzw. Vakzinetherapie. Bei bestimmten Krank- 
heiten (Pneumonie, Gonorrhoe, Gasbrand u. a.) ist diese Therapie nur 
dann erfolgversprechend, wenn das homologe Serum des als Erreger 
in Frage kommenden Typus zur Anwendung kommt. 

Die günstigen prophylaktischen und therapeutischen Erfolge, die 
bisher mit dem Diphtherieantitoxin erzielt wurden, veranlaßten mich 
unter anderem die Frage zu erörtern, ob auch bei den Corynebakterien, 
ein Begriff, der nach Lehmann und Neumann die Di- und 
Pseudodi-B. in sich schließt, mehrere konstante Typen vorkommen oder 
ob es sich um einheitliche Typen wie bei Tetanus-, Milzbrandbazillen, 
Choleravibrionen u. a. handelt. 

Es bedarf wohl keiner weiteren Begründung, daß zu Anfang 
dieser Besprechungen die Eigenschaften der Corynebakterien, die als 
artcharakteristisch gelten, analysiert werden. Dabei genügt es jedoch 
nicht, daß nur das eine oder andere Merkmal hervorgehoben wird, 
sondern soweit bekannt möglichst alle Eigenschaften, die in ihrer 
Gesamtheit in naturwissenschaftlichem Sinne das Wesen der Coryne- 
bakterien ausmachen. Nur so kann man durch vergleichende Unter- 
suchungen feststellen, inwieweit die gefundenen Merkmale geeignet 
sind, den Begriff „Di-B. bzw. Pseudodi-B.“ zu charakterisieren, in 
welchem Verhältnis beide Gruppen zueinander stehen, ob konstante 
Typen vorkommen und wie die abweichenden Befunde zu bewerten 
sind. r 


A. Diphtheriebazillen. 


I. Form, Lagerung und Färbung typischer und variierter Di- 
Stämme. 


Zur Charakterisierung der Mikroorganismenarten bedienen wir 
uns ihrer morphologischen, kulturellen, krankheitserregenden und sero- 
logischen Eigenschaften. 

Auch bei den Corynebakterien sind, wenn auch nicht in dem Maße 
- wie bei der Typhus-Coli-Gruppe, die morphologischen Merkmale für 
sich allein häufig nicht genügend zur Differentialdiagnose, so daß 
wir vielfach aus der Größe, Form, Färbbarkeit eine bestimmte Dia- 
gnose nicht stellen können, und die physiologischen Leistungen und 
andere Kriterien mitherangezogen werden müssen. 

Einige Autoren glaubten, eine bestimmte Gruppeneinteilung der 
Corynebakterien nach ihrem morphologischen Aussehen, z. B. in kurze 
und lange Bazillen, machen zu können. Wir wissen jedoch heute, daß 
keine dieser Einteilungen von Martin, Escherich, Zarniko u. a. 
mehr Geltung haben kann; denn die Entscheidung, ob ein Di-Bazillus 
zu der einen oder anderen Gruppe der Corynebakterien gehört, ist 


A 


10 Centralbl. f. Bakt. ete. 1. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


oft unmöglich, da das morphologische Aussehen der Keime ein und 
derselben Kultur wechselt. Ihr Aeußeres ist, wie wir sogleich sehen 
werden, je nach dem Alter der Kultur, nach der Art und Reaktion 
des Nährbodens, nach der Intensität des Wachstums und anderen uns 
zum größten Teil noch unbekannten Faktoren sehr verschieden. 

Meine Beobachtungen sind an 130 Stämmen gemacht, die folgender 
Herkunft waren: 


24 Stämme wurden aus der Nase bzw. dem Rachen von Di-Kranken gezüchtet, 
2 aus dem Auge (bei Conjunctivitis), 
l Stamm aus dem Ohr eines Di-Kranken, 
1 ji aus der Vagina, 
1 Bf von der Cervix, 

3 aus der Trachea eines an Di Verstorbenen, 
41 Stämme aus der Nase von Ozaena-Kranken, 
3 ÿ aus der Nase von nicht Di-kranken Säuglingen und Kleinkindern, 
1 Stamm aus der Nase einer gesunden Person, 
18 Stämme aus Wunden bei Pferden, 
1 Stamm aus dem Rachen eines Rindes. 

(Vgl. Rubrik 2 der Tab. I, III, IV, VII, VIII, X.) 


Die Besprechung der morphologischen Eigenschaften der Di-B. 
(die Pseudodi-B. und Di-B. aus Wunden bei Pferden werden in einem 
späteren Abschnitt behandelt) soll an Hand einiger Stämme geschehen 
und gezeigt werden, daß die verschiedensten Einflüsse echte Di-Stämme 
verändern können. Von der Wiedergabe der gleichen Beobachtungen 
bei anderen Stämmen will ich absehen, da sie grundsätzlich dasselbe 
Bild ergeben. 

Zur Methodik möchte ich noch bemerken, daß sämtliche Stämme, 
die rein gezüchtet wurden, mehreremal über Plattenreihen geschickt 
wurden und daß unter mikroskopischer Kontrolle immer von einer 
Kolonie weitergeimpft wurde, um sicher reine Linien zu erhalten. 
Von den 26 echten tierpathogenen Di-Stämmen zeigt der Stamm 107, 
gezüchtet aus der Nase eines Di-Kranken, unter den verschiedensten 
Bedingungen besonders starke Variation in morphologischer Hinsicht. 
im Neißer-Präparat von einer 24stünd. Loeffler-Serumkultur zeigte 
der Stamm unmittelbar nach der Reinzüchtung sehr viel lange neben 
einzelnen kürzeren, deutlich polgefärbte Stäbchen, in regelloser oder 
Y-förmiger Lagerung. Nach weiterer 24stünd. Bebrütung derselben 
Kultur wurden die längeren Formen dicker und plumper, mit deut- 
licher Kolbenbildung an einem oder beiden Enden des Bazillenleibes. 
Nach 4mal 24stünd. Aufenthalt im Brutschrank sah man sehr viele 
kokkenähnliche Gebilde oder sehr kurze, nicht polgefärbte oder auch 
vereinzelte mittellange, starre polgefärbte Formen. Von einem anderen 
Stamme (115) zeigte die 24stünd. Loeffler-Kultur im Neisser- 
Präparat lange und mittellange, zum Teil an einem Ende, zum Teil an 
beiden Enden deutlich polgefärbte oder auch nicht polgefärbte Stäb- 
chen, wirr, parallel und Y-förmig gelagert. Nach 4mal 24stünd. Be- 
brütung zeigte dieselbe Kultur nur noch sehr kurze, kokkenähnliche, 
schwach oder nicht polgefärbte Formen ohne charakteristische Lage- 
rung. Beimpfte man, von diesen Kulturen ausgehend, ein frisches 
Loefflerserum-Röhrchen, so war nach 24 Std. wieder das Bild der 
Ausgangskultur vorhanden. Es genügt also, wie längst bekannt, eine 
längere Bebrütung der Keime bei 370 C, um bestimmte Formverände- 
rungen, die man als Involutionsformen bezeichnet, zu erzielen. Diese 
bei den beiden Stämmen mitgeteilten Beobachtungen ließen sich mehr 


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Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 11 


oder weniger deutlich fast bei allen Stämmen beobachten. Hatte ein 
Stamm nach der Reinzüchtung aus irgendeinem Grunde cine andere 
Form angenommen, so behielt er diese bei öfteren Nachprüfungen nicht 
bei, sondern zeigte weitgehende Veränderungen, indem die kürzer ge- 
wordenen Bazillen sich noch mehr verkürzten, plumper und dicker 
wurden, seltener auch schlanker. Einzelne Stämme bildeten Rück- 
schläge bis zum Aussehen wie bei ihrer Reinzüchtung. Besonders günstig 
wirkte in diesem Sinne tägliches Ueberimpfen auf Loeffler- Serum. 
Diese morphologischen Varianten sind wahrscheinlich durch Stoff- 
wechselprodukte verursacht. Sicherlich hängen sie in hohem Maße von 
der Art des Nährbodens ab, auf dem die Keime wachsen. Besonders 
typische Formen erzielt man auf Loeffler-Serum und Aszitesagar, 
während die gleichen Bazillen auf 5proz. Glyzerinagar plumper und 
kürzer und ohne Polkörperchenbildung wachsen. Aehnliches Wachs- 
tum sahen Teo umin auf dem Nährboden von Rothe und Traut- 
mann, Gaehtgens auf der Tellurplatte von Conradi und Frosch. 
Pesch beobachtete, daß auf der Levinthal-Agarplatte die echten 
Di-B. als lange, an einem Ende keulenförmig aufgetriebene Formen 
oder als kokkenähnliche Gebilde wuchsen. Sehr kurze Formen sah 
Glücksmann auftreten, wenn zahlreiche Kolonien infolge ihres 
dichten Wachstums konfluierten. Beimpfte er den unteren Teil eines 
Schrägagarröhrchens mit sehr viel Material, den oberen nur sehr wenig, 
so daß hier einzelstehende Kolonien zur Entwicklung kamen, so fand 
er, daß im unteren Teil des Röhrchens kurze Di-B., im oberen dagegen 
lange Formen zur Entwicklung kamen. Weiterhin konnte Kurth u. a. 
beobachten, daß Begleitbakterien in Mischkulturen, insbesondere 
Streptococcus lanceolatus, formverändernd auf Di-B. wirkten; 
er fand in solchen Kulturen Typen, die sich von Pseudodi-B. nicht 
mehr unterscheiden ließen. Nach Stovall, Scheid und Nichols 
treten bei dem gemeinsamen Wachstum mit Streptokokken Verände- 
rungen auf, die als eine Annäherung an die kurzen und soliden Formen- 
typen aufgefaßt werden können. 

Außer den oben beschriebenen Veränderungen in der Form konnte 
ich beim Stamme 107 eine Abweichung in der Lagerung der einzelnen 
Bazillenleiber im Neißer-Präparat beobachten. Eine 14 Tage bei 
37° C bebrütete Bouillonkultur dieses Stammes zeigte, abgesehen von 
nicht oder nur schwach polgefärbten Formen, neben typisch gelagerten, 
wie sie nur in der Originalkultur vorhanden waren, hintereinander ge-: 
reihte Ketten von 2—4 Bazillenleibern, so daß es den Anschein er- 
weckte, als handle es sich um Leptothrix-Fäden. Nach mehrmaligem 
Ueberimpfen auf Loeffler-Serum trat jedoch immer wieder die ur- 
sprüngliche für Di-B. typische Lagerung auf, ein Beweis dafür, daß 
es sich um Di-B. handelte. 

Wie weit die Vielgestaltigkeit eines einzelnen Stammes gehen kann, 
zeigt die schon von vielen Autoren beschriebene Bildung echter Ver- 
zweigungen. Bei dem Stamme 107 fanden sie sich einmal in einer 
3 Wochen alten Aszitesagarkultur, ein anderesmal in einer 6 Monate 
alten Aszitesflüssigkeitkultur, die die ganze Zeit bei 370 C bebrütet war. 
In dem letzteren Falle bildeten die Bazillen kürzere und längere, ge- 
wundene und in Knäuel liegende Fäden, von denen ein bis zwei Ver- 
zweigungen seitlich abgingen. Am Ende der Fäden konnte man bei 
einzelnen Individuen keulenförmige Anschwellungen beobachten. Rück- 
verimpfungen auf frische Loeffler-Serumkulturen zeigten nach 24- 


12 Centralbl. £. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


stünd. Bebrütung wieder lange, leicht gebogene, nicht polgefärbte Stäb- 
chen ohne Verzweigungen. In der 2. Abimpfung war auch die Pol- 
körperchenbildung wieder eingetreten. Auch die Stämme 64 und 87 
hatten in der 6 Wochen alten Aszitesflüssigkeitkultur echte Ver- 
zweigungen gebildet, während sie beim echten Di-Stamm 16, unter den 
gleichen Bedingungen gewachsen, fehlten. Warum der eine Di-Stamm 
Verzweigungen bildet und der andere nicht, ist noch ungeklärt. Die 
Zusammensetzung des Nährbodens hat dabei sicherlich großen Einfluß, 
besonders sollen Eiweißkulturen (von Hühnereiern) fast regelmäßig die 
Bildung von Verzweigungen bewirken (C. Fränkel). Lehmann und 
Neumann sahen jedoch auf Glyzerinagar und Bernheim und Folger 
in frischen Membranen echte Verzweigungen. Wahrscheinlich wird ihre 
Bildung durch die gleichen Ursachen hervorgerufen, die auch sonstige 
Formveränderungen, wie sie bereits oben geschildert wurden, verursacht, 
also durch Stoffwechselprodukte, die ihrerseits wieder, je nach der ver- 
schiedenen Zusammensetzung der Nährböden, von verschiedener Be- 
deutung sind. 

Wir ersehen aus den vorhergehenden Beobachtungen, daß ein und 
derselbe Di-Stamm auf künstlichen Nährböden sich so weit umformen 
kann, daß er von Pseudodi-B. nicht mehr zu unterscheiden ist, ja daß 
man Zweifel hegen kann, ob die betreffenden Keime überhaupt Coryne- 
bakterien sind. Wichtiger für die Pathologie ist jedoch die Feststellung, 
daß auch im tierischen Organismus und damit in gewisser Analogie 
auch im menschlichen Organismus Formveränderungen herbeigeführt 
werden können. Zur Nachprüfung dieser Frage verimpfte ich einer 
weißen Maus 0,2 ccm Reinkultur (3 Oesen in 2 ccm physiol. Koch- 
salzlösung aufgeschwemmt) in die Schwanzvene. Im Originalpräparat 
des betreffenden Stammes (107) fanden sich lange, deutlich polgefärbte, 
typisch gelagerte Formen. 15 Minuten nach der Injektion wurde aus 
der Schwanzvene ein Tropfen Blut entnommen. Im nach Neißer ge- 
färbten Ausstrichpräparate fanden sich neben nicht polgefärbten meist 
deutlich polgefärbte Stäbchen; ferner sah man sehr viele dünne, zarte 
Bazillenleiber mit schwacher Polfärbung. 40 Minuten nach der Injektion 
fanden sich im Neißer-Präparat nur noch vereinzelte pol- und nicht 
polgefärbte Stäbchen ohne Formveränderungen, daneben aber sehr viele 
dünne, zierliche, nur, schwach polgefärbte Individuen. 31/, Std. nach 
der Injektion konnten noch ganz vereinzelte zum Teil nur an einem Ende 
polgefärbte Bazillen und zierliche, mit schwach gefärbtem Bazillenleib 
beobachtet werden. Derselbe Versuch mit demselben Stamm bei einer 
zweiten Maus mit Entnahmezeiten von 10, 45 Min., 1 und 21/, Std. 
nacn der Injektion, führte zu ähnlichen Ergebnissen, so daß auf die 
genauere Wiedergabe des Protokolls verzichtet werden kann. Nach 
mehrmaligem täglichen Weiterverimpfen auf Loeffler-Serum schlugen 
die Stämme wieder in den ursprünglichen Typ zurück. Beide Versuche 
zeigten, daß die Di-B. auch im 'Tierkörper und, wie Beobachtungen 
anderer Autoren (s. u.) lehren, auch im menschlichen Organismus deut- 
liche morphologische Veränderungen erfahren können, die sich nament- 
lich darin äußern, daß die Stäbchen zierlicher werden, den Farbstoff 
schlechter aufnehmen und keine Polkörperchen bilden. Ferner konnte 
festgestellt werden, daß die Veränderungen nicht irreversibel sind, 
sondern in den Ausgangstyp zurückgeführt werden können. Aehnliche 
Beobachtungen machten Bernhard-Paneth und Schmitz in zahl- 
reichen Versuchen. Killian fand vor allem aufgeblasene, xerose-, 


Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 13 


kokken- und keulenartig entartete Individuen in den Halsdrüsen bei 
Mäusen und Meerschweinchen nach Fütterungsversuchen. 

Ich erwähnte bereits, daß sich nach längerem Verweilen im Tier- 
körper auch in der Farbstoffaufnahme Veränderungen zeigten. Dieses 
Verhalten der Di-B. sehen wir oft in viel charakteristischer Weise, wenn 
sie auf den künstlichen Nährboden gewachsen sind. Schon bei der ein- 
seitigen Färbung mit Loefflers Methylenblau verhalten sich die 
Bazillenleiber einer Di-Kultur tinktoriell ganz verschieden. Manche 
Formen zeigen besonders intensive Färbung an den keulenförmig ge- 
schwollenen Enden, während der übrige Teil des Leibes sich kaum 
färbt; andere zeigen deutliche punktförmige Färbungen innerhalb des 
Bazillenleibes oder auch punktförmige Lücken bei deutlich gefärbtem 
Bazillenleib. In dem Präparat von einer 6 Wochen alten Bouillonkultur 
des Stammes 87 und ferner im Grampräparat vom Stamm 100 sah man 
den Bazillenleib aus kleinen blauen Punkten bestehend, da sich nur ein- 
zelne Teile des Protoplasmas färbten, so daß man glauben könnte, es 
handle sich um Kokken. Auch bei der Anwendung der Neißer- 
schen Polfärbung treten häufig deutliche Schwankungen in der Farb- 
stoffaufnahme auf. Im allgemeinen zeigen die echten Di-B. und Di- 
ähnlichen Stäbchen, auf Serumnährböden gezüchtet und nach Neißer 
gefärbt, Polkörperchen. Doch sieht man fast in jeder Kultur nicht pol- 
gefärbte oder nur an einem Ende deutlich gefärbte Stäbchen und weiter- 
hin beobachtet man, wie später gezeigt werden soll, Pseudodi-B., die 
Polkörperchen zeigen. Wenn uns die Bedeutung und Entstehungsweise 
der Babes-Ernstschen Körperchen auch nicht bekannt ist, so wissen 
wir doch, daß sie mit der Virulenz nichts zu tun haben, denn in alten 
Di-Kulturen, deren Virulenz erloschen ist, finden wir sie gerade so 
zahlreich wie in vollvirulenten Kulturen. Auch handelt es sich nicht 
um Zellkerne oder Makrogranula, wie Gutstein durch verschiedene 
Färbemethoden, in denen die Makrogranula und Polkörperchen in 2 ver- 
schiedenen Kontrastfarben zur Darstellung gebracht wurden, nachweisen 
konnte. Meyer und Grimme bezeichneten die Polkörperchen, die 
nach Schumacher aus Nukleinsäureverbindungen bestehen als ,,Vo- 
lutin“, da sie ähnliche Körper im Spirillum volutans fanden. Ihre 
Bildung hängt sehr von der Zusammensetzung des Nährbodens ab, auf 
dem die Di-B. wachsen. Am geeignetsten ist Loeffler-Serum, ebenso 
soll nach Pesch auf Levinthal- und Blutagar und Capaldischen 
Nährboden sehr gute Körnchenbildung zu erzielen sein. Auf Glyzerin- 
und Aszitesagar tritt sie nur schwach oder überhaupt nicht auf. Ma- 
grail hatte die günstigsten Ergebnisse auf Blutserumnährboden, denen 
Fleischextrakt (nicht Pepton) zugegeben waren, sodann sah er in Aus- 
strichen aus kompakten Kulturen mehr Körnchen als in solchen aus 
Einzelkolonien. Wenn Pesch glaubt, daß die Polkörperchenbildung im 
umgekehrten Verhältnis zur Vermehrungsintensität steht, in dem Sinne, 
daß derselbe Stamm bei üppigem Wachstum geringe, bei schwächerem 
starke Neigung zur Volutinbildung zeigt, dann gilt das nicht für alle 
Fälle. Die Intensität der Volutinbildung ist sicherlich häufig Eigen- 
tümlichkeit des Stammes. Z. B. war der Stamm 87 ein starker Volutin- 
bildner, auf Aszitesagar zeigte er deutliche Polfärbung und üppiges 
Wachstum, ähnliche Beobachtungen liegen von anderen Stämmen vor. 
Auch bei den von Dale und Trautmann isolierten Stämmen, die sich 
durch schwaches Wachstum auf Loeffler-Serum, aber durch äußerst 
starke Polkörnchenbildung von anderen Di-Stämmen auszeichneten 


14 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


müssen beide Faktoren nicht in ursächlichem Zusammenhang stehen, 
da frisch isolierte Stämme häufig geringe Wachstumsintensität zeigen, 
die wahrscheinlich durch einen längeren Aufenthalt im Organismus 
bedingt ist. Dasselbe zeigten die zu diesem Zwecke angestellten Tier- 
versuche. Die aus mit Di-B. intravenös gespritzten Mäusen isolierten 
Keime zeigten sowohl schwache Wachstumsintensität als auch schwache 
Polfärbung. Ich glaube deshalb, daß die Volutinbildung, abgesehen von 
dem Nährsubstrat, auf dem die betreffenden Keime wachsen, noch von 
anderen Faktoren als der Wachstumsintensität abhängt. Dafür spricht 
auch die Tatsache, daß mehrere typische Di-Stämme, als sie 11/, Jahre 
auf Glyzerin- und Aszitesagar weitergezüchtet wurden, ihre Volutin- 
bildung verloren hatten; erst nach täglichem Ueberimpfen auf frisches 
Loeffler-Serum zeigte sich in der 3. oder 4. Generation bei den 
meisten Individuen schwache Polfärbung. In der 5.—6. Generation 
waren fast sämtliche Keime des Präparates wieder deutlich polgefärbt. 
Offenbar war durch den vermehrten Wachstumsreiz die rezessive Vo- 
lutinbildung wieder angeregt worden. Die Wachstumsintensität war je- 
doch nach wie vor in allen Kulturen dieselbe geblieben. Einige Di- 
Stämme zeigten auch nach der 10. Generation noch keine Volutin- 
bildung. Ob diese Stämme nach weiteren Ueberimpfungen noch Pol- 
körperchen bilden würden, bleibt fraglich. Die Wahrscheinlichkeit be- 
steht nicht, da auch frisch aus Patienten gezüchtete echte Di-Stämme 
gelegentlich die Polfärbung vermissen ließen und selbst nach vielen Ver- 
impfungen auf den verschiedensten Nährböden keine Neigung zur Vo- 
lutinbildung zeigten. 

Aus dem Vorhergehenden können wir entnehmen, daß es einerseits 
in der Hand des Experimentators liegt, bei Di-Stämmen Formen ohne 
oder mit atypischer Polkörperchenbildung hervorzurufen und anderer- 
seits, daß echte Di-Stämme vorkommen, welche Polkörperchenfärbung 
vermissen lassen. Letztere Tatsache kann jedoch, da sie nur selten be- 
obachtet wird, der altbewährten Neißerschen Polkörperhenfärbung 
keinen Abbruch tun. Wenn sich, wie Tab. I und IV zeigen, die Stämme 
der biologisch differenzierten Gruppen Ia—f sowohl in bezug auf 
Neißer-Färbung als auch bezüglich Form und Lagerung ziemlich 
einheitlich verhalten und, wie wir später sehen werden, gelegentlich 
auch Pseudodi-B. nach Neißer sich färben lassen, dann müssen wir 
gestehen, daß eine Trennung der Di-B. von Pseudodi-B. und die Ein- 
teilung beider Typen in Untergruppen auf Grund ihres morphologischen 
Verhaltens nicht immer möglich ist. Weiter mahnt uns diese Tatsache 
zur Vorsicht, aus dem morphologischen Verhalten der Corynebakterien 
ohne weiteres eine bestimmte Diagnose zu stellen. 

Eine andere häufig angewandte Färbemethode ist die von Langer 
angegebene verlängerte Gram -Färbung mit verlängerter Entfärbung. 
Im allgemeinen werden sowohl in frischen als auch in älteren Kulturen 
nach dieser Methode die echten Di-B. gramnegativ und die Pseudodi-B. 
grampositiv gefärbt. Doch gilt dies nicht für alle Stämme. Bei mehreren 
Di- und Di-ähnlichen Stämmen der Gruppen 1b—1f war z. B. nur ein 
Teil der Stäbchen entfärbt, neben gramnegativen fanden sich auch 
grampositive. Insbesondere blieben die kolbigen Verdickungen der Ba- 
zillenleiber vielfach grampositiv. Daß jedoch ein Stamm, der kurz 
nach der Reinzüchtung gramnegativ war, später, selbst wenn er sich 
in der Form stark verändert hatte, grampositiv wurde, konnte ich nicht 
beobachten. Auch die Befunde von Schmitz und Bachmann, daß 


Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 15 


bei echten Di-B. überhaupt keine und andererseits bei Pseudodi-B. Ent- 
färbung eingetreten war, konnte ich nur für die letzteren in einigen 
Fällen bestätigt finden. Wahrscheinlich sind diese Differenzen auf die 
verschiedene Art der Alkoholeinwirkung zurückzuführen. Bachmann 
stellte z. B. fest, daß viele Pseudodi-Stämme sich entfärbten, wenn das 
Präparat nicht ruhig im Alkohol stand, sondern der Alkohol während 
15 Min. auf das Präparat geträufelt wurde. Es empfiehlt sich deshalb, 
die Präparate zunächst während 3—5 Min. in der Cuvette hin und 
her zu bewegen, dann, um wieder frischen Alkohol (96proz.) zu der 
Farbfläche zu führen, alle 3 Min. die Cuvette zu schütteln. Aber trotz- 
dem konnte ich bei Pseudodi-B. nicht immer einwandfreie Präparate 
erzielen, so daß die Gram-Färbung nach Langer als sichere Methode 
für die Trennung der Di-B. von den Pseudodi-B. nicht angesehen 
werden kann. Andere Di-Färbemethoden (Sommerfeld, Raskin, 
Stoltenberg, Gins u. a.) konnten bis jetzt keinen Fuß in der bak- 
teriologischen Di-Diagnose fassen, da sie keine besseren Ergebnisse als 
die oben angegebenen zeigten. 

Fassen wir unsere Ergebnisse über die beobachteten morphologischen 
Veränderungen nochmals kurz zusammen, so sehen wir, daß die Trias 
(Morphologie, Lagerung und Intensität der Färbung) durch die ver- 
schiedensten Einflüsse verändert werden kann, daß echte Di-B. sich 
in allen drei Punkten so verändern können, daß sie Di-ähnlichen und 
Pseudodi-B. äußerlich vollkommen gleich sind und daß es anter Um- 
ständen leicht gelingt, die verschiedenen Typen experimentell hervor- 
zurufen. Meistens handelt es sich um abnorme Ernährungsbedingungen, 
welche die Variation verursachen. Schon das Wachstum auf festen 
künstlichen Nährböden ist ein anormaler Zustand, dazu kommt die 
gegenseitige Beeinflussung durch die Stoffwechselprodukte in der Kul- 
tur, durch die vitale Konkurrenz, vielleicht auch durch Bakteriophagen- 
wirkung, durch Temperaturwechsel usw. Dann sind nicht alle Keime 
einer Kultur, selbst wenn sie von einer Mutterzelle abstammen, also 
eine reine Linie darstellen, als gleichwertig anzusehen, da sie sich in 
bezug auf Vermehrungsgeschwindigkeit, Nährstoffaufnahme usw. unter- 
scheiden, so daß sie aus inneren Gründen heraus auf gleiche äußere 
Reize verschieden reagieren. Die Variationsbreite ist abhängig von der 
den Di-B. innewohnenden Möglichkeit, wechselnde äußere Bedingungen 
zu ertragen, sich dem Aufenthaltsort, der Art des Nährbodens, Tempe- 
raturdifferenzen usw. anzupassen, ohne in der Lebensfähigkeit voll- 
kommen gehemmt oder sogar vernichtet zu werden. Deshalb können 
geringe und inkonstante Abänderungen von dem typischen morpho- 
logischen Verhalten nicht für eine Gruppen- oder Typeneinteilung 
verwandt werden. 

Angesichts der geschilderten morphologischen Variantenbildungen 
müssen wir die biologischen Eigenschaften, deren richtige Bewertung 
allerdings häufig auf Schwierigkeiten stößt, für eine biologische 
Gruppeneinteilung zu Hilfe nehmen. 


II. Physiologische Leistungen. 


Sollen die physiologischen Leistungen der Di-B. richtig erkannt 
und sie damit von anderen Arten unterschieden werden, so müssen ihre 
Fähigkeiten auf künstlichen Nährböden auf ihre Konstanz hin analysiert 
werden. Finden wir, daß bestimmte Merkmale bei den verschiedensten 


16 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


Stämmen wieder vorkommen, so können wir sie als zum Wesen der 
Di-B. gehörig ansehen. Oefters vorkommende Abweichungen vom 
Normaltyp müssen wir dann näher untersuchen und sie in ein bestimmtes 
System einzureihen versuchen. 

In der nachstehenden Tab. I sind eine Reihe von Untersuchungs- 
methoden angegeben, welche bei den 130 Stämmen Anwendung fanden. 


Tabel 
Echte, tierpathogen 









































1. 2 3; 4. 5. 6. Bf 28: 9. 10. 
3 ab E} 35  |Verhalten zu den Lackmus 
E E E > Z zuckernährböden 

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mn pat Morphologie fa Fa Bo g © 2 p az 

5 | der Stämme 3 8 |3 g4| 38 S |g] 3 2 
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5 BAER | 5 RENEA: 

13 | Nase (Ozaena) nee lang, typ. Lag. + — + + + 

14 Rachen-Di ang, typ. Lag. + =u + — + + = + 

19 Nase tai: schlank, rea “Lag. + |—u+ + + + 

(Di-Kranker) 

20 Rachen-Di agl. + —u +| — + + = + 

24 | Nase (Ozaena) fs + _ = + £ = + 
28 | Nase (Säugl.) + = = $ + =, + 
30 | Nase (Ozaena) |sehr lang und ang, typ. Lag.| + _ = + + = ae 
31 Rachen-Di lang, schlank, typ. Lag. y eu} — + + = + 

+ 

36 | Rachen-Di dgl. + + Er + 

37 | Rachen-Di + le El = + + + 
48 | Nase (Säugl.) | sehr lang, schlank, Baz.-Leib + = = + + + 

gekörnt, typ. =} 

49 |Rachen (Säugl.) lang, ae =i ‚ typ ag. + = = + + = + 

60 | Nase (Ozaena) + == = + + = + 
62 | Rachen-Di à + = = $ +. = + 

63 | Rachen-Di å + = = + + ats + 

70 | Rachen (Säugl.) + = = as ra =. + 

73 | Rachen-Di : + = = + + = es 

76a| Nase (Ozaena) |lange u. kurze Formen, typ. Lag.| + = = + + = + 
76b| Nase (Ozaena typ. Lag. + —u + — + + — Ei 

85 |Ohr (Di-Krank.)| längere und kurzere Formen + _ = + | + = + 

typ. Lag. 

99 | Rachen-Di lang, rt typ. Lag. + — _ + + _ + 
106 | Nase (Säugl.) + = == + $ = + 
107 | Nase (Ozaena) | sehr lang, schank, typ. Lag. + = _ + of — + 
110 Rachen-Di + == = are + = + 
115 | Rachen-Di sebr lang it Sang typ. Lag.| + = — + + — + 
116 Nase dgl + _ = + + | — + 

(Di-Kranker) | 

















Inwieweit die Nährböden für die Di-Diagnose (die Besprechung der 
Pseudodi-Gruppe erfolgt später) verwandt werden können, wird jeweils 
bei der Besprechung des betreffenden Nährbodens angegeben. Um zu 
einem abschließenden Urteil zu kommen, mußte öfters auf die wider- 
sprechenden Angaben in der Literatur näher eingegangen werden. 


a) Lackmus-Zuckernährböden und Natrium oleinic.-Agar. 

Das in der Tab. I unter 3, 4 und 5 wiedergegebene morphologische 
Verhalten der Di-B. wurde bereits im 1. Teil der Ausführung näher 
besprochen. Wir kamen zu dem Ergebnis, daß diese Merkmale der 


Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 17 


echten Di-B. der Variation unterliegen und deshalb für eine Gruppen- 
einteilung nicht allein in Frage kommen. Wir bedürfen deshalb 
weiterer differentialdiagnostischer Hilfsmittel. Auch genügt, wie wir 
später sehen werden, nicht ein bestimmtes Verhalten auf einem Nähr- 
boden, sondern wir bedürfen der Kombination von mehreren, um daraus 
bestimmte Schlüsse für die aus der Variantenbildung sich ergebende 


















































I. 
Di- Stämme Ia. 
il | 12 D D 14. 16. 16. 
P SE Säure- Wachst 

HE a5 g grad in d alas Virulenz für 
53 EEE Wachstum in Bouill 5 com [au Glyzerin 
3833 Se Trauben-\* Kolonien- | M 
a ‚ucker- p eer- A à 
<> gm“ bouillon!) typen) schwalnohen "= Mäuse 

Zs | | ra 
+ + leichmäßige Trübung, Bodens. 1,3 3 Ik. + | 8 
+ + feinkörnige Trübung, etw. Bodens. 1,4 1 Ik. + |8k.9T.fr 
+ + starke Körnelung, klar 1,2 3 BE. 4, + 8 

| 
+ — feingekörnt, klar, etw. Bodens. 0,4 3 Sk. 5 T. f.| 8 
+| + starke Körnelung, klar 1,0 1 Sk. 3, T. {| Sk. — 
+ + feinkörnige Trübung, etw. Bodens. 1,6 8 Ik. + | 8 
Ea feingekörnt klar, etw. Bodens. 0,6 1 Ik. + 6 
= + |deutliche, gleichmäßige Trübung, Bodens. 1,3 3 Sk: 3:7 fi 8 
Hautbildung 
+] + starke Körnelung, klar 1,0 1 Ik. + 0 
+ + dgl. 1,2 1 Ik. + | Sk. — 
+ + feingekörnt, klar 1,1 1 Sk. 5 T. + 8 
a + starke Körnelung, klar 0,8 3 Ik. + Sk. 6: TT. + 
+ + |gleichmäßige deutliche Trübung, Bodens. 0,8 2 Sk iS i G i € 
= -H feinkörnige Trübung, etw. Bodens. 1,2 1 Sk. 3'/, T. f| 8 
+ starke Körnelung, klar, etw. Bodens. 0,8 1 |Sk. 214, T. +, Sk.4 T. + 
= + gleichmäßig feine Trübung, etw. Bodens. 0,8 2 | Sk. 4 T. ¢ | Sk. 8 T. f 
+ + feingekörnt, klar 0,7 3 Sk: 214 T. +| Sk. 7 T. + 
+ _ feinkörnige Trübung, etw. Bodens. 0,5 8 Ik. Sk. — 
+| + dgl. 0,3 G Tk... || Bk. = 
+ + feingekörnt, klar 0,5 1 Sk. 3 T. + D Sk. cg 
| 2) „ -T 

+ 23 dgl. 0,8 1 | Sk. 36 + | sk 6 T + 
eh + $ 0,6 2 Ik. + | Sk. 3T. f 
+| + feinkérnige Fons, etw. Bodens. 08 | 3 Sk: À ES + a 3 Er T 
+| ++ gl. 04 | 142 Sk.2T.} | Sk. 8 T. F 
+ | ++ |gleichmäßige feine Trübung, etw. Bodens. 04 | 2 | 8k. 3 T. 7 | Sk. 4 T. + 
+) ++ feinkérnige Triibung, etw. Bodens. 0,3 3 ‚Sk. 4, T. | Sk.6T.f 








Gruppeneinteilung ziehen zu können. Eine sehr brauchbare Kombination 
solcher Nährböden .wurde von Engering angegeben. Sie besteht in 
der vergleichsweisen Prüfung des Wachstums auf Natrium oleinicum- 
Agar (0,4 ccm einer 10proz. Natr. oleinic.-Lösung werden mit 20 ccm 
flüssigem Agar vermischt und zu Platten gegossen) und in Zucker- 
Lackmuslösungen. 


1) Bei den Stämmen, die eine höhere Nummer als 72 haben, wurde die Säure- 
bzw. Alkaliprüfung in gewöhnlicher Fleischwasserbouillon, ohne Traubenzuckerzusatz, 
vorgenommen. — Ik. = Intrakutanmethode; Sk. = Subkutanmethode; 6 = Tier- 
versuch nicht angestellt; T. — Tage; * — Stunden. 


Erste Abt. Orig. Bd. 101. Heft 1/3. 2 


18 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


Zuckernährböden (Maltose, Lävulose, Saccharose) nach Lubinski 
und van Riemsdijk: 

1) 1 g Pepton Witte, 0,5 g NaCl, 100 ccm H,O; kochen bis alles 
gelöst, filtrieren, 2) 6 ccm Lackmuslösung-Kahlbaum mit 1 g der be- 
treffenden Zuckerart (Maltose, Lävulose, Saccharose chemisch rein), 
so viel Alkali bzw. Säure hinzugeben, bis ein leicht blauer Farbton er- 
reicht ist, abfüllen in Röhrchen zu 5 ccm; nochmals 10 Min. im Dampf- 
topf sterilisieren. 48 Std. im Brutschrank beobachten, ob Farbumschlag 
eintritt, dann beimpfen. Von den Zuckernährböden verwandte Enge- 
ring nur Maltose. Mir erschien es ratsamer, die Prüfung auch mit 
Saccharose vorzunehmen, da ich ebenso wie Kruse, Sonne u. a. bei 
Dysenterie- und Pseudodysenteriebazillen ein variables Verhalten der 
echten Di-B. gegenüber Maltosevergärung beobachtete, aber keinen der 
echten Di-Stämme, der aus Saccharose Säure bildete. Wenn Martin, 
van Riemsdijk, Bachmann und andere Autoren entgegen den 
Ansichten von Th. Smith, Knapp, Graham Smith, Ca- 
diot-Cathoire, Henry, Fox, Engering, Lubinski, Pesch 
auch Di-Stämme fanden, die aus Saccharose Säure bildeten, so zeigen 
diese Beobachtungen an, daß, wie wir weiter unten ‚sehen werden, 
Veränderungen im Bazillenleib vorgegangen sein müssen, die im Sinne 
einer Plusvariation zu bewerten sind. Aehnliches, jedoch in entgegen- 
gesetzter Richtung, eine Minusvariation beobachten wir bei manchen 
Di-Stämmen gegenüber anderen Zuckerarten, z. B. Lävulose und Dextrose. 
Für die Brauchbarkeit der letzteren Zuckerart, die meist in Form des 
Thielschen Nährbodens angewandt wird, sind in der Literatur ganz 
widersprechende Befunde angegeben. So konnte z. B. Engering in 
50 Proz. aller Fälle ein Versagen dieses Nährbodens -feststellen. 
Günstiger lauten die Ergebnisse von K. E. F. Schmitz. Er beobachtete 
unter 22 Fällen nur einen echten avirulenten Di-Stamm, der den Thiel- 
schen Nährboden nicht rétete. Meine Befunde decken sich ungefähr 
mit denen von Schmitz. Bei den echten Di-B. trat immer eine 
Rötung und Trübung ein. Wenn ein Di-Stamm atypisches Verhalten 
zeigte, dann stellte er auch in anderen Merkmalen eine Minusvariante 
dar. Ich muß jedoch hinzufügen, daß mit Hilfe des Thielschen Nähr- 
bodens allein eine Trennung der Di-B. von den Pseudodi-B. nicht immer 
möglich ist, da ich mehrere Pseudodi-Stämme beobachtete, die eben- 
falls den Thielschen Nährboden réteten. Aehnliche Beobachtungen 
liegen mit den anderen Zuckerarten vor. Die 4 Zuckerarten zusammen 
und insbesondere bei gleichzeitiger Prüfung des Wachstums auf Na- 
trium oleinicum-Agar ergaben jedoch ein sehr brauchbares, wenn auch 
nicht vollkommenes Differenzierungsmittel zwischen den Di- und Pseudo- 
di-B. und ihren Untergruppen. 

Aus der Tab. I, Ia unter 6, 7, 8, 9, 10 ersehen wir, daß sowohl die 
echten tierpathogenen Di-Stämme (Tab. Ia) als auch die nicht patho- 
genen Di-Stämme (Tab. III, Ib) auf Natrium oleinicum-Agar nicht 
wuchsen, daß Maltose, Lävulose und Dextrose vergoren wurden, daß 
hingegen Saccharose unverändert blieb. Dieses Verhalten auf den an- 
geführten Nährboden muß, da es sich immer wieder bei den echten tier- 
pathogenen Di-B. vorfindet, als artcharakteristisch angesehen werden. 
Unter den pathogenen Stämmen (Tab. ILI, Ib) sind jedoch 2 (75, 83), 
welche Maltose nur schwach röteten, obwohl die Reaktion des Nähr- 
bodens neutral bis ganz schwach alkalisch war und die beimpften Röhr- 
chen 10—12 Tage beobachtet wurden. Auf diese Stämme, die als 


Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 19 


Minusvarianten anzusehen sind, werde ich später nochmals zurück- 
kommen, wenn die anderen Untersuchungsmethoden besprochen sind. 


b) Anaérobes Wachstum. 


Als bemerkenswerter Unterschied zwischen Di- und Pseudodi-B. 
ist von vielen Autoren (M. Neißer, Escherich, K. E. F. Schmitz, 
Heurlin, Burkhardt und Enriquez, Martin und Loiseau 
und andere) das Sauerstoffbediirfnis der Corynebakterien angesehen. 
Pesch und Gottschalk, die sich eingehender mit dieser Frage be- 
schäftigten, sahen zwar, daß echte Di-B. bei Sauerstoffmangel im allge- 
meinen gut wuchsen; sie fanden aber auch diphtheroide Stäbchen 
(„Gruppe 3, saprophytische Di-Stämme“, Einteilung Pesch) und ein- 
zelne Stämme aus der Xerosegruppe (Gruppe 4, Einteilung Pesch), 
die unter Sauerstoffmangel deutliches Wachstum zeigten. Zu ähnlichen 
Ergebnissen kamen K. E. F. Schmitz und Lewandowsky. Meine 
sämtlichen echten Di-Stämme (Ia) zeigten in schwach alkalischem 
1,5proz. Traubenzuckeragar deutliches anaérobes Wachstum; einige 
Stämme der anderen Gruppen (55, 83, 93, 114), die auch in der Aus- 
gangskultur spärlich wuchsen, bildeten jedoch unter anaéroben Ver- 
hältnissen ein kaum sichtbares Wachstum längs des Impfstriches. 
Meine Pseudodi-Stämme wuchsen meist nicht anaérob, einige jedoch 
zeigten mehr oder weniger deutliches Wachstum. 

Demnach ist zwar eine Unterscheidung der Di-B. von den Pseudodi- 
B. nur insofern möglich, als nicht anaérob wachsende Corynebakterien 
fast niemals Di-B. sind, anaörob wachsende meistens; doch sind auch 
Pseudodi-Stämme bekannt, die anaörobes Wachstum zeigten. Sichere 
differentialdiagnostische Schlüsse können deshalb aus dem an- bzw. 
aéroben Wachstum im tiefen Traubenzuckeragarstich für sich allein 
nicht gezogen werden. Nach Pringsheim waren die Coryhebakterien 
ursprünglich alle aörob wachsende Keime. Das erklärt sich schon 
daraus, daß das Leben im Sauerstoff und der Energiegewinn durch 
Oxydation die normale Funktion ist und das anaérobe Wachstum nur 
solchen Arten möglich ist, die befähigt sind, die Nährstoffe so stark 
zu spalten, daß sie mit der dabei gewonnenen Energie auskommen 
können. Wir können deshalb annehmen, daß bestimmte Gruppen von 
Corynebakterien diese Fähigkeit, die für die parasitische Lebensweise 
u. U. notwendig sein kann, im Kampfe ums Dasein durch Anpassung 
erworben haben. Sanfelice konnte diese Anpassung an die Anaöro- 
biose z.B. beim B.fluorescens, Beijerinck bei Milchsäurebakterien 
experimentell hervorrufen; doch sind diesbezügliche Beobachtungen sel- 
tener, viel häufiger konnte festgestellt werden, daß streng anaérob 
wachsende Keime sich an aërobe Verhältnisse gewöhnten [Rausch- 
brand-Tetanusbazillen (Kitt, Braatz), B. botulinus (Rosen- 
thal) u. a.]. 


c) Hämolysinbildung. 

Als weiteres Hilfsmittel für die Unterscheidung der Corynebak- 
terien zog man auch ihre Fähigkeit, Hämolysine zu bilden, heran. 
5 ccm leicht alkalischer Nährbouillon wurde 2 Tropfen steriles Hammel- 
blut zugesetzt, dann die Kulturen beimpft. Lubenau berichtete be- 
reits 1901 über 6 von 7 untersuchten Di-Stämmen, die hämotoxische 
Eigenschaft zeigten. Schwoner machte die Beobachtung, daß ge- 


rade die aus klinisch schweren Fällen gezüchteten Stämme sich durch 
DE 


20 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


Hämolysinbildung auszeichneten, während die von gewöhnlicher Rachen - 
di herrührenden Stämme schwach oder gar nicht hämotoxisch waren. 
Andere Autoren (Weselow, Costa, Troisier und Dauvergne), 
beobachteten bei ihren sämtlichen Di-Stämmen mehr oder weniger 
starke hämotoxische Eigenschaften. Die Ansicht Schwoners, daß 
ein gewisser Parallelismus zwischen hoher Menschenpathogenität und 
hämotoxischem Vermögen besteht, konnte ich ebenso wie Hammer- 
schmidt nicht bestätigen. Zwei von meinen Stämmen, die stark 
hämotoxisch waren, stammten aus Pferdewunden, in einem Falle 
(Stämme 92) handelte es sich um apathogene diphtheroide Stäbchen, 
in dem anderen Falle (Stamm 100) um einen atypischen, allerdings 
tierpathogenen Di-Stamm. Ferner zeigten Stämme, die von schweren 
Di-Fällen herrührten, im allgemeinen keine stärkere Hämolyse als 
die aus der Nase von nicht di-kranken Kindern gezüchteten Stämme. 
Außerdem konnte ich mehrere atypische Stämme (4, 12, 18, 21, 64, 
74, 75, 93, 102) und Pseudodi-Stämme (s. Tab. VII, Ila) beobachten, 
welche ebenfalls hämotoxisch waren. Als ausschlaggebendes differen- 
tialdiagnostisches Merkmal kann deshalb die Hämolysinbildung der 
Di-B. nicht angesehen werden. 

Meine echten Di-Stämme (Ia) waren sämtlich hämotoxisch, von 
den 17 nicht tierpathogenen, aber kulturell echten Di-Stämmen waren 
11 hämotoxisch, drei (74, 75, 102) schwach und drei (95, 101, 103) keine 
Hämolysinbildner. Wenn man bedenkt, daß die pathogenen Stämme 
sämtlich hämotoxisch waren und von den 17 apathogenen, aber kulturell 
echten Di-Stämmen 6 schwach oder gar nicht hämotoxisch waren, 
so liegt die Vermutung sehr nahe, daß es sich bei diesen Stämmen um 
eine verloren gegangene Eigenschaft handelt. Wir hätten also Minus- 
varianten vor uns, die in zwei Punkten (mangelnde Hämolyse- 
fähigkeit, fehlende Tierpathogenität) von der Norm abgewichen sind. 
Wir werden in der Annahme,- daß es sich um Minusvarianten handelt 
noch bestärkt durch die Beobachtung, daß bei der Nachprüfung der 
Hämolysefähigkeit 11/, Jahre nach der Reinzüchtung bei 10 Stämmen 
Abweichungen von früheren Befunden festgestellt wurden; und zwar 
zeigten 2 echte Di-Stämme (19, 49) und ein apathogener Stamm (83), 
die früher deutlich hämotoxisch waren, jetzt nur noch schwache Hämo- 
lysinbildung; zwei weitere (13, 70) hatten ihre schwach hämotoxische 
Fähigkeit vollständig verloren, ebenso 5 von den apathogenen Stämmen 
(72, 74, 86, 102, 105). 

In bezug auf Hämolysinbildung der Di-B. ist also zu sagen, daß 
viele von den echten Di-Stämmen in ihrer Fähigkeit, Hämolysin zu 
bilden, übereinstimmen. Einige Stämme zeigten jedoch ein abweichendes 
Verhalten und wir können annehmen, da ja öfters die Beobachtung ge- 
macht wurde, daß ein Stamm nach Monaten ein oder mehrere Eigen- 
schaften verlor, daß es sich um Minusvarianten handelte. Ein ata- 
vistisches Verhalten, indem die früher schwache Hämolysefähigkeit 
stärker wurde oder ein anhämotoxischer Stamm hämotoxisch wurde, 
konnte ich nicht beobachten. 


d) Wachstum und, Säurebildung in Fleischwasserbouillon. 

Nach Hammerschmidt sollen bestimmte Korrelationen zwischen 
der Fähigkeit, Hämolysine zu bilden, und der Art des Wachstums in 
Bouillon bestehen in dem Sinne, daß die anhämotoxischen Stämme die 
Bouillon vollkommen klar lassen, am Boden befinde sich nur klein- 


Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 21 


bröckeliger Satz. Die hämolytischen Stämme sollen jedoch nach 48 Std. 
die Bouillon mehr oder weniger trüben. Diese Beobachtung konnte ich 
bei 5 anhämotoxischen Di-Stämen (20, 80, 101, 103, 106) bestätigen; 
bei einem Stamm 82 war die Bouillon jedoch gleichmäßig getrübt. 
Meines Erachtens ist diesem Befunde keine Bedeutung zuzumessen, da 
ja die meisten Di-Stämme (s. Tab. I, Ia 10) die Bouillon klar lassen 
und dieses Wachstum (feine oder grobe Granula am Boden des Glases 
bei sonst klarer Flüssigkeitssäule) gerade für die echten hämotoxischen 
Di-Stämme typisch ist. Auch gewisse Beziehungen zwischen hämo- 
toxischer Fähigkeit und Säure- bzw. Alkalibildung in Bouillon, die 
Hammerschmidt beobachtete, konnte ich. nicht bestätigt finden. 

Als Kardinalunterschied zwischen den Di- und Pseudodi-B. hat man 
seit Erkennung der beiden Gruppen die Fähigkeit der Di-B., in Bouillon- 
kulturen in Gegenwart von Kohlehydraten Säure zu bilden, angesehen. 
Echte Di-B. bilden nach 4—5tägiger Bebrütung der Bouillonkultur 
stets mehr Säure als die verwandten Arten. Den vielen Autoren, 
welche die Säureproduktion als differentialdiagnostisches Merkmal an- 
nehmen (Zarniko, Escherich, M. Neißer, Knapp, Gr. Smith, 
Bentam, Th. Smith, de Martini, Spronck u. a.) steht eine 
ebenso große Anzahl mit entgegengesetzter Ansicht gegenüber (Peters, 
Kurth, v. Behring, Scheller, Henri Schmitz u. a.) Madsen 
u.Jakobsen stellten sogar 3 Gruppen von Di-B. auf, die sich durch die 
Grade ihrer Säurebildung unterscheiden. Neuerdings kamen L. Bitter, 
Gundel und Sancho auf Grund umfangreicher Untersuchungen zu 
der Feststellung, daß in Zuckerbouillon Di-B. den maximalen Wert der 
Säurebildung schneller erreichen und mehr Säure bilden als die Pseudodi- 
und Di-ähnlichen Bakterien, während in zuckerfreier Bouillon die 
letzteren bei der Alkalibildung ihren maximalen Wert fast immer eher 
erreichen als die Di-B., die im allgemeinen aber auch mehr Alkali 
produzieren. Diese Autoren kamen deshalb zu der Ueberzeugung, daß 
die früheren Vorschläge der Unterscheidung der Di-B. von den Di-ähn- 
lichen Keimen auf Grund der von ihnen gebildeten Säure- bzw. Alkali- 
menge als nicht zureichend sich erwiesen. Für meine Di-Stämme ver- 
wandte ich teilweise (Stamm 1—73 und die Stämme aus Pferdewunden) 
1proz. Traubenzucker-Fleischwasserbouillon, teilweise aus äußeren Gründen 
bei den Stämmen 73—116 gewöhnliche Fleischwasserbouillon, die nach 
den Versuchen von Th. Smith und Spronck immer geringe Mengen 
Glykogen, Glukose und Traubenzucker enthält. Nach 5tägiger Bebriitung 
bei 37° C erfolgte die Titration der mit je 5 ccm Bouillon beschickten 
Röhrchen mit n/10 NaOH bzw. H,SO, und Phenolphthalein als Indi- 
kator. Bei der Verwendung von Traubenzuckerbouillon fanden wir bei 
den echten tierpathogenen Di-Stämmen Werte, die zwischen 0,4—1,6 
n/10 NaOH schwankten, im Mittel betrug der Säurewert 1,2; bei den 
nicht pathogenen echten Di-Stämmen (Ib) ergaben sich Schwankungen 
zwischen 0,2—1,4 n/10 NaOH, der Mittelwert betrug 0,7. Bei der Ver- 
wendung von Bouillon ohne Traubenzuckerzusatz fanden sich im allge- 
meinen viel geringere Säuregrade. Die Zahlen bewegten sich bei den 
Stämmen der Gruppe Ia zwischen 0,3 und 0,8, im Mittel 0,5 n/10 
NaOH; bei den apathogenen Di-Stämmen (Ib) zwischen 0,2—0,8, 
im Mittel ebenfalls 0,5 n/10 NaOH. Einen nach 5 Tagen noch Alkali 
bildenden Di-Stamm beobachtete ich überhaupt nicht. 

Ich erwähnte bereits oben, daß Hammerschmidt die Alkali- 
bzw. Säurebildung der Di-B. mit ihrer hämotoxischen Fähigkeit in 


Damm 


22 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


Verbindung brachte. Unter seinen 11 anhämotoxischen Stämmen 
bildeten nur 3 Alkali, die übrigen 8 hingegen Säure und alle hämo- 
toxischen Stämme Alkali (H. verwandte Bouillon aus menschlicher 
Placenta). In 1proz. Traubenzuckerbouillon bildeten die hämotoxischen 
Stämme jedoch nach 4 Tagen reichlich Säure, die anhämotoxischen 
Stämme dagegen in viel geringerem Maße. Meine Beobachtungen gingen 
dahin, daß ein Parallelismus zwischen der hämotoxischen Fähigkeit 
und der Säure- bzw. Alkalibildung nicht in dem Maße besteht, wie es 
Hammerschmidt annimmt. Meine anhämotoxischen Di- Stämme 
zeigten in Traubenzuckerbouillon Säuregrade bis 0,4 n/10 NaOH. 
4 Stämme (82, 101, 103, 106), in gewöhnlicher Bouillon sogar bis 
0,7 n/10 NaOH. Auch konnte ich bei den hämotoxischen Stämmen 
nicht beobachten, weder bei Verwendung von gewöhnlicher noch auch 
Traubenzuckerbouillon, daß deutliche Beziehungen zwischen der Hämo- 
lysin- und Säure- bzw. Alkalibildung bestanden. Ich sah sogar stark 
hämotoxische Stämme (110, 115, 116) mit verhältnismäßig geringen 
Graden von Säurebildung (0,3—0,4 n/10 NaOH) und andererseits an- 
hämotoxische Stämme (101, 103, 109) mit starker Säurebildung bis 
1,2 n/10 NaOH. Meine Beobachtungen können also die Befunde von 
Hammerschmidt nicht bestätigen. Der Versuch, ein bestimmtes 
Verhalten der Corynebakterien in Bouillon, in der Säure- bzw. Alkali- 
bildung und in ihrer hämotoxischen Fähigkeit für sich allein zur Art- 
bzw. Gruppeneinteilung zwischen Di- und Pseudodi-B. zu verwenden, 
scheint mir deshalb nicht angebracht. 


e) Wachstum auf 5proz. Glyzerinagar. Art der Kolonien- 
bildung. 

Die meisten Di- und Di-ähnlichen Stämme bildeten auf 5proz. 
Glyzerinagar bei genügender Feuchtigkeit nach 24—48stünd. Wachs- 
tum Kolonien mit charakteristischem Aussehen. Man konnte unter ihnen 
3 Typen unterscheiden: 1. kreisrunde Kolonien mit regelmäßigem Rand, 
fein bis mittelstark gekörnt, fest zusammengefügt, abgesehen von der 
Größe der Kolonie Staphylokokkenkolonien ähnlich. Sie bestanden meist 
aus langen, schlanken und mittellangen Stäbchen in charakteristischer 
Lagerung. 2. Kleinere zarte, rundliche Kolonien, mit unregelmäßig ge- 
kerbten Rande, gleichmäßig deutlich granuliert, wie aus kleinen 
Bröckeln zusamengesetzt. Die Bazillen dieses Types waren meist etwas 
kürzer und dicker, vielfach auch keilförmig und segmentiert. 3. Als 
Uebergang zwischen beiden wurde eine größere Kolonieform beobachtet, 
die meist im Zentrum dichter war und bei mikroskopischer Betrachtung 
einen hell durchscheinenden, breiten Saum aufwies. Auch die einzelnen 
Bazillen dieser Kolonieart nahmen eine Mittelstellung zwischen denen 
der ersten und zweiten Form an. Die Einordnung sämtlicher Di- oder 
Di-ähnlicher Stämme in dieses Koloniensystem bereitete jedoch oft 
große Schwierigkeit, da mehr oder weniger Variationen beobachtet. 
wurden, die als Uebergänge von einem Typ zum anderen angesehen 
werden können. Das ergibt sich auch aus dem Wachstum dieser 3 Kolo- 
nientypen in Bouillon. Von meinen 13 Stämmen vom Typ 1 wuchsen 6, 
von den 18 Stämmen von Typ 2—8, und von Typ 3 unter 8 Stämmen 6 
in Bouillon fein und grobkörnig mit Bodensatzbildung, die Flüssigkeits- 
säule blieb klar. 4 Stämme vom Typ 1, 5 Stämme vom Typ 2 und 
1 Stamm vom Typ 3 zeigten feinkörnige Trübung und Bodensatzbildung : 
nur je 1 Stamm vom Typ 1 und 3 und 5 Stämme vom Typ 2 zeigten 


Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 23 


gleichmäßige Trübung mit deutlichem Bodensatz. Für die einzelnen 
Typen bestand zwar ein gewisses charakteristisches- Wachstum in der 
Bouillon insofern, als die Typen 1 und 3 vorzugsweise fein- oder grob- 
körnig wuchsen und die Bouillon meist klar ließen, während die Stämme 
vom Typ 2 häufig auch die Bouillon gleichmäßig trübten und deutlichen 
Bodensatz bildeten. Wir können annehmen, daß die Art der Kolonien- 
bildung ebenso wie das morphologische Verhalten der Di-B. von einer 
großen Menge zum Teil noch unbekannten Faktoren abhängig ist. So 
kommen z. B. die Konsistenz und Zusammensetzung des Ausgangs- 
nährbodens, die Dauer der Bebrütungszeit, die Dichte des Wachstums 
auf der Platte, die Menge der gebildeten Stoffwechselprodukte und 
andere Richtung gebende Einflüsse in Betracht, so daß ein und derselbe 
Di-Stamm, der eine reine Linie bildet, je nach den gegebenen Wachs- 
tumsbedingungen, verschiedene Kolonietypen bildet. Man kann sogar 
beobachten, daß von einem Stamm, der ursprünglich aus einem Kolonie- 
typ besteht, sich 2 oder mehr Kolonientypen abspalten. Diese Tatsache, 
die erstmalig von Baerthlein bei Verwendung von mehrere Wochen 
alter Bouillon festgestellt wurde, und nachher von vielen Autoren 
(Bernhard und Paneth, Weil, Gruschka, Breinl u. a.) zu Er- 
zielung von Varianten angewandt wurde, wird fast regelmäßig be- 
obachtet, sowohl bei frisch isolierten als auch bei älteren Di-Stämmen, 
am besten aber bei Stämmen, die aus der Nase gezüchtet wurden. Die 
verschiedenen Typen wuchsen monatelang bei kurzfristiger Ueber- 
impfung unverändert nur in der entsprechenden Kolonieform weiter. Ich 
erwähnte bereits oben, daß die Art der Kolonienbildung auch von der 
gegenseitigen Beeinflussung der Kolonien auf dem Nährboden abhängig 
ist. Ich konnte z. B. bei mehreren Stämmen beobachten, daß sie im 
Haufenwachstum kleine, mittelstark gekörnte, bläulich durchschimmernde 
Kolonien mit unregelmäßigem Rande bildeten. Die am Rande des 
Haufens gelegenen Kolonien waren etwas größer und zeigten deutlichere 
Granulierung. Die ganz isoliert liegenden Kolonien, im Abstand von 
wenigstens 1/ cm waren groß, deutlich gekörnt, im Zentrum etwas 
dichter als am Rande und gering gezackt, also Typen, die sich der 
Gruppe 3 obiger Einteilung näherten. Morphologisch handelte es sich 
bei den Keimen dieser 3 verschiedenen Kolonientypen um die gleichen 
Individuen. Hier ist also die verschiedene Koloniebildung auf dem- 
selben Nährboden wahrscheinlich bedingt durch die vitale Konkurrenz 
der Keime. 

Weiterhin war die Art der Koloniebildung abhängig von der Dauer 
der Bebrütungszeit. Ich sah z. B. bei einem Stamm (107), daß die 
nach 48 Std. gebildeten Kolonien vom Typ 2 waren, einige Tage später 
aber hatten diese Kolonien ein dem Typ 3 ähnliches Aussehen ange- 
nommen. Eine wahrscheinlich auf die gleiche Ursache zurückzuführende 
eigenartige Erscheinung beobachtete ich beim Stamm 100. Beimpfte 
ich von einer 14 Tage alten Bouillonkultur eine Glyzerinplatte, so 
zeigten sich zunächst nach 48 Std. zwei verschiedene ‚Kolonientypen. 
Wo die Kolonien einzeln wuchsen, sah man große, runde, gering ge- 
zackte und mittelstark gekörnte Kolonien, die im Zentrum etwas 
dichter waren als am Rande. Lagen die Kolonien dicht nebeneinander, 
so waren sie klein, unregelmäßig geformt, mittelstark bis deutlich ge- 
körnt, mit deutlich gezacktem Rande, im Zentrum dichter als am Rand. 
Hatten die Platten aber 6 Tage bei Zimmertemperatur gestanden, so 
war bei den freiliegenden, großen Kolonien allseitige deutliche Wall- 


24 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


bildung zu sehen. Lagen die Kolonien jedoch nur einseitig frei, so 
zeigte sich diese Wulstbildung nur an der Seite der Kolonie, wo keine 
anderen Kolonien in unmittelbarer Nähe lagen. Die kleinen in Haufen 
liegenden Kolonien zeigten jedoch diese Wallbildung nicht. Beimpfte 
ich von den Kolonien mit Wallbildung und von den kleinen Kolonien 
je eine frische Glyzerinplatte, so bildeten beide Kolonien wiederum 
größere ohne Wallbildung und kleinere, wie sie oben beschrieben 
wurden; nach ca. 6 Tagen sah man jedoch bei den größeren freiliegenden 
Kolonien wiederum Wallbildung. Diese Erscheinung ist wohl durch das 
Altern der Kolonie und durch die Einwirkung der Stoffwechselprodukte 
zu erklären und wird, wenn die Kolonien in Haufen wachsen, durch die 
vitale Konkurrenz der Keime hintangehalten. Andere Stämme bildeten 
nach 1—2wöchentlicher Aufbewahrung bei Zimmertemperatur Knöpfe, 
die im gefärbten Präparat vorwiegend Formen mit Kolbenbildung 
zeigten, während die Kolonien ohne Knöpfchen diese meist vermissen 
ließen. Beim Studium dieser Knöpfchen konnte Baerthlein fest- 
stellen, wenn er von der Kolonie, nicht von den Knöpfchen neue Kul- 
turen anlegte, daß diese nach 2—3 Tagen wiederum Knöpfe bildeten 
und von großer Konstanz waren; erst nach längerer Züchtung in 
Bouillon trat wieder ein Rückschlag zu den ursprünglichen Kolonien 
ein. Bernhard und Paneth fanden bei Verimpfung von undurch- 
sichtigen, gelben, gezackten Kolonien ohne Knopfbildung und anderer- 
seits von Knöpfen der betreffenden Kolonie in Bouillon, daß die erstere 
nach 2 Tagen sehr schwach giftig war. Wurden die Knöpfe auf Agar 
geimpft, so bildeten sich dicke, runde undurchsichtige, braune Kolonien. 
Wurde hiervon wiederum in Bouillon verimpft, so war auch diese nach 
2 Tagen sehr giftig; nach 7—10 Tagen war kein Unterschied mehr in 
der Giftbildung feststellbar, beide waren sehr stark giftbildend. Nach 
dieser Zeit waren aber auch aus der mit dem hellen Typ besäten 
Bouillon bei Aussaat auf Agar die in gelben Kuppen wachsenden 
Typen vorhanden. Es war also in der Bouillon ein Rückschlag in den 
andern Typus eingetreten. 

Baerthlein konnte auch von atoxischen Varietäten eines toxischen 
Di-Stammes nach mehrwöchentlichem Wachstum in Bouillon wiederum 
Toxin bildende Kolonien abspalten. 

Daß die Art der Koloniebildung mit ihrer Fähigkeit, Gift zu 
bilden, in Beziehung steht, wie es Bernhard und Paneth vermuten, 
glaube ich auch nach meinen Beobachtungen bejahen zu müssen. (Siehe 
nachstehende Tab. IT.) 











Tabelle II. 

Die Kolonientypen von 45 Stämmen ergaben folgenden Ausfall: 
, R Tierversuch Tierversuch 
Kolonientyp positiv negativ 

1 11 2 
2 5 13 
3 8 2 
lu. 2 2 1 
2 u. 3 0 1 


Soweit die kleinen Zahlen überhaupt Schlüsse erlauben, sehen wir, 
daB unter 13 Stämmen von Typ 1 elf positiven Tierversuch zeigten, 
vom Typ 2 von 18 Stämmen nur 5, hingegen 13 negativ und vom Typ 3 
unter 10 Stämmen 8 positiv, 2 negativ. Kolonientyp 1 und 3 gaben also 


Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 25 


die meisten positiven Tierversuche. Sehen wir uns die Herkunft 
dieser Stämme an, so finden wir, daß unter den 11 tierpathogenen 
Stämmen von Typ 1 sieben von typischen Di-Kranken, 2 aus der Nase 
von Ozaenakranken und 2 aus der Nase von gesunden Kindern gezüchtet 
wurden. Die beiden apathogenen Stämme mit dem Kolonietyp 1 (95, 
114) stammten von Di-Kranken, ebenfalls 5 unter 8 Stämmen vom 
Typ 3, 1 Stamm aus der Nase eines gesunden Säuglings und 2 aus der 
Nase von Ozaenakranken; von den beiden apathogenen Stämmen vom 
Typ, 3 wurde einer aus der Nase eines gesunden Kindes, der andere aus 
der Nase eines Ozaenakranken gezüchtet. Von den Stämmen, die Kolo- 
nien vom Typ 2 bildeten, war hingegen nur einer unter 5 pathogenen 
Stämmen, der von einem Di-Kranken stammte, während 2 Stämme aus 
der Nase. von nicht Di-kranken Kindern, 1 Stamm aus der Nase 
eines Ozaenakranken und einer aus einer Wunde am Pferd ge- 
züchtet wurde. Von den 13 apathogenen Stämmen mit Typ 2 stammten 
8 aus der Nase von nicht Di-erkrankten Kindern, 3 aus der Nase von 
Ozaenakranken, 1 Stamm von einem Di-Kranken und 1 Stamm aus der 
Wunde eines Pferdes. Nach diesen Befunden sind also die von Di- 
Kranken gezüchteten Stämme vorwiegend vom Typ 1 und 3 und weiter- 
hin sind sie die stärksten Giftbildner. 

Von großer Bedeutung ist nun die Frage, ob die Variantenbildung 
auch im Organismus vorkommt. Es liegen bereits verschiedene Be- 
obachtungen vor, die diese Frage bejahen. Bereits Frosch konnte 
1893 beobachten, daß in Kulturen vom Blute Di-Kranker oder aus 
inneren Organen von an Di-Gestorbenen verschiedene Typen wuchsen. 
Er fand sogar Typen, deren Bouillonkulturen Pseudodi-B. ähnlich waren 
und sich als wenig oder gar nicht virulent erwiesen. Graef beobachtete 
bei seinen aus dem Urin gezüchteten Di-B., daß bereits in der ersten 
Urinaussaat sich verschiedene Typen fanden, die den durch künstliche 
Kultur und durch Tierpassage erhaltenen Pseudoformen glichen. Nur 
2 voh 10 Stämmen waren Giftbildner, die anderen 8 ungiftig. Nach 
diesen Befunden findet also eine Umformung der Kolonientypen im 
Organismus statt. Ich konnte dieselben Beobachtungen an mehreren 
Versuchen bei weißen Mäusen machen. Ich gebe der Kürze halber nur 
einen solchen Versuch wieder. 

Einer weißen Maus wurde 0,2 ccm von einer Aufschwemmung 
(1 Oese Di-Reinkultur in 1 ccm physiologischer Kochsalzlösung) des 
Stammes 107, Kolonientyp 1, in die Schwanzvene injiziert. Die Maus 
wurde nach 2 Std. getötet und unter streng aseptischen Kautelen seziert. 
Von der Milz wurden Ausstriche auf Glyzerinagar angelegt. Nach 
48stünd. Brutschrankaufenthalt beobachtete ich auf der Platte 3 ver- 
schiedene Kolonietypen. 1) Große, deutlich gezackte, unregelmäßig 
runde, aus Bröckeln zusammengesetzte Kolonien mit abgesprengten 
Kolonien am Rande, ferner von gleichmäßig bläulich durchscheinen- 
dem und flachem Aussehen. 2) Kleinere unregelmäßig runde, mit leicht 
unregelmäßigem Rande, weniger durchsichtig, mittelstark gekörnt, im 
Zentrum dichter und mit breiter heller Randzone. 3) undurchsichtige 
Kolonien mit stark zerklüftetem Rande, wie aus Bröckeln zusammen- 
gesetzt und makroskopisch wie Staphylokokkenkolonien aussehend. Die 
beiden letzten Typen zeigten nur schwache Wachstumsintensität. Wir 
fanden also Stämme, deren Wachstum sich aus den oben erwähnten 
3 Typen von Kolonien zusammensetzten. Die Originalkultur bestand 
nur aus Kolonien vom Typ 1. Morphologisch zeigten die ersten beiden 


26 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


Typen keine wesentliche Unterschiede, es handelte sich um kürzere und 
längere Stäbchen in typischer Lagerung. Die Keime vom Kolonientyp 3 
waren plumper, meist kurz, wirr und parallel gelagert. Auch kulturell 
zeigten die drei Kolonientypen Abweichungen insofern, als der Stamm 
vom Typ 1 die Fähigkeit Maltose und Lävulose zu vergären beibehalten 
hatte, während die Stämme von Typ 2 und 3 Maltose und Lavulose 
nicht mehr veränderten. Auch bei meinen anderen Stämmen fiel auf, 
daß diejenigen, welche die Maltose oder Lävulose nur schwach oder erst 
nach längerer Bebrütungszeit röteten oder welche bei der Nachprüfung 
der Zuckervergärbarkeit nach 11/, Jahren diese nicht mehr vergärten, 
meist vom Typ 2 und 3 waren. Diese beiden Typen scheinen be- 
sonders zur Variantenbildung zu neigen. Uebereinstimmend damit steht 
auch die Virulenzprüfung dieser 3 Kolonientypen. Sie ergab, daß die 
Bakterien vom Typ 1 das Meerschweinchen in 31/, Tagen töteten 


Tabell 
1. Untergrupp 


















































it + | 3 4 5 | 6 | 7 | 8 | 9 [EE 
à | | ý ED FE . |Verhalten zu den Lackmus 
à | 2 E | 8.2 Zuckernährböden 
# | 4 i Ein | A 
n| Herkunft | Morphologie Pi r | BS &| g 2 33 
g | | 5 g |a.9/ § | g gal 
ee | 2 | 4 1383 | a | & EEI 
= s = 
Z | En “2 A A =] [Ez a = BZ 
11| Nase (Ozaena) fang, schlank: typ. Tag. + -u+ — | + + 24 
15| Nase (Ozaena) |sehr lang, schlank, meist einzeln + — — + + — + 

| liegen + 
16| Nase (Ozaena) | sehr lang u. lang, typ. Lag. + — — + | + -= 
25 nae Saagi) lang, schlank, typ. Lag. + _ — + + — + 
40, Nase (Säugl.) dgl. + -u+4 — + + | — + 
61) Nase (Ozaena) | sehr lang, shina typ. Lag. + | = | + + — + 
72b| Nase SE lang, schlank, typ. Lag. + | — — | + + = + 
74| Nase (Säugl.) | dgl. + | — — + + — + 
75| Nase (Ozaena) | = + = = $ + | — $ 
82|  Rachen-Di 5 TEER = BE + = + 
83) Nase (Säugl.) | = | sats = = ail + = ES 
95| Rachen-Di 5 + = 2 + Se Li + 
101| Nase (Säugl.) = | $ = = ED at _ + 
102| Nase (Säugl.) š + | — — + + — + 
103 Nase (Säugl.) sehr lang u. lang, typ. Lag. + u.— — = + + — $ 
104| Nase (Säugl.) lang, schlank, typ. Lag. + — — + + — + 
105! Nase (Säugl ) dgl. I + — + + _ + 





(Sektionsbefund typisch), während die Stämme von den andern beiden 
Typen sich als avirulent erwiesen. Wir müssen demnach dem Organis- 
mus als Mittel zum Kampfe gegen die Mikroorganismen Fähigkeiten 
zuschreiben, welche die Bakterien dahin verändern, daß sie, abgesehen 
von morphologischen und kulturellen Veränderungen, auch ihre Virulenz 
verlieren. Bernhard und Paneth glauben, daß das Auftreten bzw. 
das Ausbleiben von Degenerationsformen im Zusammenhang mit dem 
klinischen Krankheitsbilde steht, indem das Ausbleiben dieser Umwand- 
lung für den infizierten Organismus ungünstig ist „und daß solche Indi- 
viduen, die nicht imstande sind, die giftigen Bazillen in ungiftige um- 
zuwandeln, zum Teil deshalb der Infektion erliegen“. Damit im Ein- 
klang steht auch die SCHOEN: die andere Autoren machten (Roux 
und Yersin, Klinger und Schoch u. a.), daß die Di-B., die aus 


Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 27 


der Nase von nicht Di-kranken Kindern, aus der Nase von Ozaena- 
kranken, von Wunden oder auch von gesunden Personen aus der Um- 
gebung Di-Kranker usw. gezüchtet wurden, vorwiegend avirulent waren 
und häufig atypisches Wachstum zeigten. Als Grund hierfür kann 
man annehmen, daß die Di-B. in der Nase der Einwirkung des 
schleimigen Sekrets von bekannt bakterienfeindlichem Charakter aus- 
gesetzt sind. Für den Mikrobiologen haben diese Beobachtungen inso- 
fern praktisches Interesse, als sie einerseits von großer differential- 
diagnostischer Bedeutung sind und andererseits empfehlen, zur Her- 
stellung von Antitoxinen nur solche Typen zu verwenden, die eine 
rasche und starke Giftbildung zeigen. Es besteht also unstreitig eine 
große Mannigfaltigkeit der Formen, die sowohl durch kulturelle Ein- 
griffe als auch durch den Tierversuch erreicht werden können. Daß 
diese Veränderungen auch schon im menschlichen Organismus vorgehen 


ı Di-Stämmen Ib. 



































1.) 3 13 | 14 15 16 

4 |Hämolvei | Säure- | Wachstum | Virulenz für 

5 bildun ta | rad in |der Kolonien 

a H ung a Wachstum in Bouillon | Trauben- [auf Glyzerin-| | 

2 bu thoul Nok zucker- |Agar (Kolo-| Meer- weiße 

= | bouillon | nientypen) | schweinchen | Mäuse 

- + feingekörnt, klar 02 | 6 | Sk — | 6 

- + gleichmäßig, deutl. Trübung, Bodensatz 0,4 2 | Ik. — |Sk. - 
+ stark gekörnt, klar 1,4 9 | Sk. — 8 

- + feingekörnt, klar 0,8 2 Ik. — [|Sk. — 

- + feinkérnige aia 5 etwas Bodensatz 0,3 2 Ik. — |8k. — 

- + dgl. 1,2 2 Sk. — |Sk. — 

- + feingekörnt, klar 0,41) | 2 Sk. —  |Sk. 

- + dgl. 0,7 lu. 2 Ik. — |Sk. — 

= + deutlich gekérnt, klar 0,3 2 | Ik. —  |Sk. — 

- | -= gleichm. feine Trübung, etwas Bodensatz 0,2 2 8 Sk. - 

: + feinkörnige Triibung, etwas Bodensatz | 0,3 2 u. 3 Sk. —  |Sk. 

- _ feingekörnt, klar 0,2 1 Sk. — |Sk. — 

- — gl. 0,7 3 Sk. — |8k. — 

- | + feinkörnige Triibung, etwas Bodensatz 0,8 2 Ik. — Sk. — 

- — feingekörnt, klar 0,6 2 Sk. — (Sk. — 

- + deutlich gekörnt, klar, etwas Bodensatz 0,7 2 Sk. — JSk. 

> + feinkörnige Trübung, etwas Bodensatz 0,5 2 Sk. — Sk. 





müssen, habe ich bereits oben erwähnt. In demselben Sinne sprechen 
auch die vielen variierten Stämme auf Tab. I, III, IV, die aus den ver- 
schiedensten Organen gezüchtet wurden. 


II. Physiologische Leistungen der Varianten des echten Di- 
Bazillus. 


Bei der Betrachtung dieser Stämme müssen wir uns zunächst die 
Frage stellen, ob diese Stämme überhaupt zu den Di-B. zu rechnen 


1) Bei den Stämmen, die eine höhere Nummer als 72 haben, wurde die Säure- 
bzw. Alkaliprüfung in gewöhnlicher Bouillon ohne Traubenzuckerzusatz vorgenommen. 
lk. = Intrakutaniustho e. Sk. = Subkutanmethode. 6 — Tierversuch nicht angestellt. 


28 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


sind und weiter ob eine prinzipielle Trennung zwischen diesen Stämmen 
und der Gruppe der Pseudodi-B. durchzuführen ist. 

Wir können uns im folgenden kürzer fassen, da über die Zusammen - 
setzung und Brauchbarkeit der in Frage kommenden Nährböden bereits 
berichtet wurde. 


a) Minusvarianten A. 

a) Zunächst ist eine Gruppe von Di-Stämmen zu erwähnen (siehe 
Tab. III, Ib), die sich von denen der Gruppe Ia insbesondere durch ihre 
fehlende Tierpathogenität unterscheidet. Ob in jedem Falle der negative 
Tierversuch durch ein zu hohes Alter des Stammes (einige Stämme 
waren 1/,—!/, Jahr alt), bedingt war — die Tierpathogenität kann be- 
kanntlich nach häufigen Umzüchtungen verloren gehen — muß unent- 
schieden bleiben. Bitter, Gundel und Sancho konnten im Ex- 
periment nachweisen, daß ein vorher virulenter Stamm bereits nach 
der zweiten Uebertragung avirulent wurde, wenn er in ein Substrat 
von anderer für ihn bei dem betreffenden px ungünstigen Zusammen- 
setzung gebracht wurde. Ein vollvirulenter Stamm, der auf Blutagar ge- 
wachsen war, blieb nach der Uebertragung auf eine Molkenkultur 
(1 Proz. Pepton, 1 Proz. Traubenzucker und 0,5 Proz. Natriumchlorid 
in 100 Teilen dest. Wasser) zunächst noch virulent, nach der 2. oder 
3. Molkenkultur fiel der Tierversuch aber negativ aus. Ohne die inter- 
essanten Befunde obiger Autoren bezweifeln zu wollen, glaube ich für 
meine Stämme doch annehmen zu müssen, daß sie bereits bei der 
Herauszüchtung aus dem menschlichen Körper apathogen waren, da 
einerseits 9 von 13 untersuchten Stämmen auf Glyzerinagar Kolonien 
vom Typ 2 bildeten, und diese sich, wie wir bereits sahen, vorwiegend 
bei apathogenen Stämmen finden und andererseits, weil verschiedene 
Stämme sogleich nach der Reinzüchtung ein von der Norm abweichendes 
kulturelles Verhalten zeigten. Wir haben z. B. 2 Stämme (75 und 83), 
welche aus Maltose nur geringe Mengen Säure bildeten und weiterhin 
3 Stämme (95, 101, 103), die keine, und 3 andere (74, 75, 102), die 
nur schwache hämotoxische Fähigkeiten äußerten, ferner wuchs 1 Stamm 
(83) schwach anaérob. In Bouillon bildeten 11 Stämme Säurewerte 
zwischen 0,2 und 0,8 Re NaOH, im Mittel 0,5, also wie die echten 
Di-Stämme der Gruppe Ia. Bei Verwendung von Traubenzuckerbouillon 
fanden sich bei 6 Stämmen Werte, die sich zwischen 0,2 und 1,4, im 
Mittel 0,7 n/10 NaOH bewegten, entgegen 1,2 n/10 NaOH bei den 
Stämmen der Gruppe Ia. 

Wenn diesen Abweichungen auch im Einzelfalle keine große Be- 
deutung zukommt, so sind sie doch, weil sie häufiger in einer be- 
stimmten Gruppe vorkommen, insofern charakteristisch, als sie Minus- 
variationen von echten Di-B. darstellen. Ihre Abweichung von dem 
Normaltyp ist allerdings so gering, daß man nicht berechtigt ist, von 
diphtheroiden Bazillen zu sprechen, zumal ihr morphologisches Aussehen 
und biologisches Verhalten sich kaum von dem der echten tierpathogenen 
Di-B. unterscheidet. Wir können die Stämme dieser Gruppe als ein- 
fache und je nach dem, ob außer der fehlenden Tierpathogenität noch 
ein anderes abweichendes Merkmal vorhanden ist, als doppelte Minus- 
varianten der echten tierpathogenen Di-B. bezeichnen. 

Zu dieser Gruppe sind wahrscheinlich auch die unter Ibb Tab. IV 
wiedergegebenen 8 Stämme zu rechnen, da auch bei diesen 1 oder 
mehrere biologische Verlustmerkmale auftreten; doch kann über ihre 


Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 29 


Virulenz nichts ausgesagt werden, da der Tierversuch nicht angestellt 
wurde. Die Stämme 53 und 86 waren schwache Maltosevergärer, 
außerdem bildete der Stamm 86 auch aus Lävulose nur geringe Mengen 
Säure. Stamm 80 war anhämotoxisch, Stamm 64 schwach hämotoxisch. 
Von 5 untersuchten Stämmen bildeten 4 auf Glyzerinagar Kolonien 
vom Typ 2 und nur 1 Stamm Kolonien vom Typ 1. Aus der Art des 
Wachstums in Bouillon und aus ihren Säuregraden konnten keine be- 
stimmten Schlüsse gezogen werden. In Bouillon wuchs ein Stamm 
grobkörnig, klar, 6 Stämme feinkörnig, trüb mit Bodensatz, 1 Stamm 
gleichmäßig trüb mit deutlichem Bodensatz. Die Säurewerte bei 
2 Stämmen betrugen bei Verwendung von gewöhnlicher Bouillon 0,3 
und 0,9 n/10 NaOH, in Traubenzuckerbouillon bei 6 Stämmen 0,8 
bis 1,7, im Mittel 1,2 n/10 NaOH. 


b) Minusvarianten B. 


b) Verfolgen wir nun die Variantenbildung bei den Di-B. weiter, 
so sehen wir unter 1 Tab. IV eine Gruppe von 6 Stämmen, die sich 
morphologisch von der 1. Gruppe (Ia) dadurch abtrennten, daß es 
sich fast nur um mittellange Formen handelte. Die Lagerung war 
typisch, wie bei den echten Di-B. Auch durch die Neißer- und 
Langer-Färbung konnten sie von diesen nicht unterschieden werden. 
Ihr kulturelles Verhalten zeigte hingegen Abweichungen, die sie als be- 
sondere Gruppe charakterisierten. Maltose wurde von allen Stämmen 
nicht vergoren, 1 Stamm (4) rötete außerdem nur schwach den Thiel- 
schen Nährboden, 2 Stämme (93, 114) zeigten nur schwaches anaérobes 
Wachstum, 2 weitere (22, 114) waren anhämotoxisch, 3 andere (4, 
12, 93) nur schwach hämotoxisch. In Bouillon wuchsen 2 Stämme (9, 
22) fein oder deutlich gekörnt, die Flüssigkeitssäule blieb klar, von 
4 Stämmen (4, 12, 93, 114) wurde die Bouillon leicht getrübt und 
Bodensatz gebildet. Der Säuregrad in Bouillon betrug bei den Stämmen 
93 und 114 0,2 n/10 NaOH, bei den anderen 4 Stämmen (4, 9, 12, 
22) in Traubenzuckerbouillon 0,2—1,0, im Mittel 0,8 n/10 NaOH, 
also durchschnittlich etwas weniger als bei den Stämmen der 3 ersten 
Gruppen. Die Kolonien auf Glyzerinagar von 3 untersuchten Stämmen 
gehörten zum Typ 1 Stamm 114, zum Typ 2 Stamm 93 und zum 
Typ 3 Stamm 91. Die Tierversuche mit Meerschweinchen und weißen 
Mäusen fielen bei 3 (9, 93, 114) von den 6 Stämmen negativ aus, 
von den anderen Stämmen wurde keine Pathogenitätsprüfung angestellt. 

Wir haben es bei den Stämmen dieser Gruppe wiederum mit 
Minusvarianten zu tun, die in mehreren Punkten (fehlende Maltose- 
vergärung und Tierpathogenität) eine Einbuße ihrer physiologischen 
Leistungen erfahren haben. Einige dieser Stämme zeigen jedoch noch 
weitere teilweise Verlusteigenschaften. So wurden vom Stamm 4 der 
Thielsche Nährboden nur schwach gerötet und die Blutbouillon nur 
schwach hämolysiert. Ferner zeigten die Stämme 12 und 93, abgeschen 
von der Nichtvergärung der Maltose und der fehlenden Tierpathogenität 
(diese beiden Merkmale fehlten ja sämtlichen Stämmen dieser Gruppe), 
noch teilweise Verlusteigenschaften insofern, als beide Stämme nur 
schwach hämotoxisch waren und Stamm 93 außerdem nur schwach 
anaérob wuchs, so daß diese Stämme in 2 Merkmalen volle, in je 
1 bzw. 2 weiteren teilweise Minusvarianten waren. Wir haben es hier 
bereits mit einer Gruppe von Di-B. zu tun, die sich biologisch sehr 
den später zu besprechenden Pseudodi-B. der Gruppe II nähern, doch 


30 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 

bestehen außer den morphologischen Unterschieden auch kulturell deut- 
lich trennende Merkmale: fehlendes Wachstum auf- Natrium oleinicum 
Agar, Vergärung der Maltose und höhere Grade von Säurebildung. 
Insbesondere aber wird, wie weiter unten gezeigt wird, durch die Agglu- 
tinationsversuche die Trennung beider „Arten“ bewiesen. 


c) Minus-Plusvarianten A. 
Bei den vorher erwähnten 4 Gruppen äußerte sich die Variations- 
bildung nur im Verlust von Eigenschaften; bei den folgenden 3 Stämmen 
(41, 47, 69) der Gruppe I der Tab. IV beobachteten wir Neuerwer- 





















































Tabell 
Weitere Untergrupp 
cy ae, (ra l a |5 |6|2]8s|elm 
g a | we Pee ee 
E le ie 
= : fy fa Es © | 8 353 
n Herkunft Morphologie R u |88|2.2|5 5% 
5 5 © 20 | 8. z À 
zs a w [4:12 || 1% 
= E] 8 (8513 815$ EE 
pA E | E A | |BZ|A|A |2 6z 
I bb 
35| Nase (Ozaena) | lang u. kurz, einzeln u. in Nest. gelag. Pa |—u + — | ++) + 
43| Nase (Ozaena) lang u. schlank, typ. gelag. + j—u.+/ — | +|+|-| + 
44| Nase (Ozaena lang u. kurz, typ. gelag. + ut — ++) —) + 
46| Nase (Ozaena lang u. schlank, typ. gelag. + ut — ++ — | + 
53 Rachen-Di dgl. + = (| EE 
64 Rachen-Di = + = || = eS + 
80| Nase (Ozaena) lang u. kurz, einzeln u. Y-förm. gelag. + — — ++ — | + 
86| Nase (Säugl) | lang u. schlank, typ. Lag. + = er AU a a aa 
Gruppe Ic. 
4| Nase (Ozaena) sehr lang u. schlank, typ. Lag. + = = Tal sf 
9| Nase er mt. meist, einzeln oder parall. gelag. + — |—-|+1—-| + 
12| Nase (Ozaena) lang u. mtl., typ. Lag. + —u+ - | -|+|1-| + 
22|Auge (Konjunktiv.) dgl. + ut — |—'+]|--]| + 
eines Di-Kranken 
93| Rachen (Säugl.) lang, mt., typ. Lag. + aa pe | age | ee a 
114|Rachen (Di-Krank.) lang u. kurz, typ. Lag. —u.+| — — |-|+|1-! + 
Gruppe Id. 
41| Nase (Säugl.) lang u. schlank, typ. Lag. Free aa À 4 
lang u. schlank, meist einzeln, auch + ut — +++! + 
47| Nase (Säugl.) Y-förmig gelagert 
69| Nase (Säugl.) lang u. schlank, typ. Lag. + — — !+|+|=#+| + 
Gruppe Ie. 
18|Auge (Konjunktiv.)| lang u. kurz, typ. Lag. + [ut — |— | + | +! + 
21)Rachen (Di-Krank.) lang u. schlank, typ. Lag. + NE = EE |, A 
54 Rachen (Säugl.) lang u. kurz, typ. Lag. + = sad | d'El 
55| Nase (Siiugl.) dgl. as = ES eee a RU er 4 
Gruppe 1f. 
87| Nase (Säugl.) lang, schlank, Y-förmig, par. gelagert + RE = TEE 14 











schaft, die allerdings nach 11/, Jahren nur noch schwach vorhanden 
war, die anderen beiden Stämme waren anhämotoxisch. In Bouillon 
bildeten die beiden Stämme 41 und 47 feine Granula und etwas 
Bodensatz, die Flüssigkeit blieb jedoch klar; die Säuregrade in Trauben- 
zuckerbouillon betrugen 0,4 und 1,2 n/10 NaOH. Der Stamm 69 trübte 


Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 31 


bungen, Plusvariationen.. Oben wurde bereits auseinandergesetzt, daß 
Saccharose von den echten Di-B. nicht vergoren wird. Die 3 zu dieser 
Gruppe zu rechnenden Stämme bildeten jedoch aus Saccharose geringe 
Mengen Säure, so daß die Flüssigkeitssäule schwach gerötet war. 
Morphologisch handelte es sich um lange und mittellange, polgefärbte 
Stäbchen in regelloser und Yförmiger Lagerung. In Bezug auf Langer- 
Färbung, Wachstum auf Natrium oleinicum-Agar, Maltose-, Lävulose- 
und Traubenzuckervergärung sowie anaérobes Wachstum verhielten sie 
sich wie typische Di-Stämme. Die anderen Merkmale boten nichts 
Charakteristisches. Einer der 3 Stämme (41) zeigte hämotoxische Eigen- 


ı Di-Stämmen. = 



































12 13 14 Wy : 
3 ae 
L = äure- Virul f 
s v 8 eeu Wachstum irwenz für 
= BER Wachstum in Bouillon Trauben- der Kolonien à 
383 zucker- auf Agar sog eiße 
EEEE packer- | (Kol-Typ)| BES | we 
vei ouillon !)| ~. S45 Mäuse 
i a 
+ feingekörnt, trüb, etwas Bodensatz 1,2 1 | e ® 
+ l. 1,3 6 8 8 
+ » 1,2 6 6 6e 
+ gleichmäBig getrübt, deutlicher Bodensatz 1.7 o 6 © 
+ feingekörnt, trüb, etwas Bodensatz 0,8 2 e e 
| + dgl. 1,0 2 ® 6 
— deutlich gekörnt, klar 0,9 2 6 6 
+ feingekörnt, trüb, etwas Bodensatz 0,3 2 8 ® 
+ gleichmäßig getrübt, Bodensatz 10 | 0 0 ® 
+ feingekörnt, klar 06 | 3 Ik. — |Sk. — 
+ leicht getrübt, Bodensatz 02 | 8 ® o 
— deutlich gekörnt, klar 0,6 8 8 8 
+ gleichmäßig fein getrübt, etwas Bodensatz 0,2 2 Sk. — |Sk. — 
= gleichmäßig deutlich getrübt, Bodensatz 0,2 1 Sk. — |Sk. — 
+ feingekörnt, klar 12 | 2 8 0 
— | y trüb 0,4 e 8 6 
— gleichmäßige feine Trübung, Bodensatz 0,6 1u2 | 0 ® 
+ deutlich gekörnt, klar 1,1 lu. 2 | Ik. + 8 
+ feingekörnt, trüb, etwas Bodensatz 0,7 8 8 6 
+ deutlich gekörnt, leicht getrübt, etwas Bodensatz 11 ® | e 6 
+ feingekörnt, trüb, etwas Bodensatz 14 | 8 lk. — 8 
+ deutlich gekörnt, leicht getrübt, etwas Bodensatz | 0,9 | 1 Sk. + Sk. + 





die Bouillon gleichmäßig, Säuregrad 0,6 n/10 NaOH. Die Kolonien 
von Stamm 41 gehörten zum Typ 2, bei Stamm 47 sah man neben den 
Kolonien vom Typ 1 auch solche vom Typ 2. 


1) Bei den Stämmen, die eine höhere Nummer als 72 haben, wurde die Säure- 
bzw. Alkaliprüfung in gewöhnlicher Bouillon ohne Traubenzuckerzusatz vorgenommen. 


32. Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


Man könnte geneigt sein, diese 3 Stämme zur Gruppe der Pseudodi- 
B. (Typ. 2a) zu rechnen, zumal über die Pathogenität dieser Stämme 
nichts bekannt ist, da keine Tierversuche angestellt wurden. Doch 
spricht das Nichtwachstum auf Natrium oleinicum-Agar, das gram- 
negative Verhalten bei der Langer-Färbung und das morphologische 
Aussehen durchaus für Di-B. Hinzu kommt noch, daß alle 3 Stämme 
11/, Jahre später die Fähigkeit Saccharose zu vergären, verloren hatten, 
so daß sie sich wie echte Di-B. verhielten. 


d) Minus-Plusvariationen B. 

Eine weitere Gruppe von 4 Stämmen (le Tab. IV) zeigte ebenfalls 
Minus- und Plusvariationen. Sie unterschieden sich von den Stämmen 
der vorhergehenden Gruppe dadurch, daß sie Maltose nicht vergärten 
(Minusvariation), Saccharose jedoch spalteten (Plusvariation). In Bouil- 
lon wuchs 1 Stamm (18) grobkörnig, die Flüssigkeit blieb klar, die 
anderen 3 Stämme (21, 54, 55) wuchsen feinkörnig und trübten die 
Bouillon. Dann waren alle Stämme mehr oder weniger hämotoxisch, 
ihre Säureproduktion in Traubenzuckerbouillon war im allgemeinen 
höher (0,7—1,4, im Mittel 1,0 n/10 NaOH) als bei den Stämmen 
der vorhergehenden Gruppe. Bemerkenswert ist, daß einer (18) von 
diesen Stämmen meerschweinchenpathogen war. Ein Stamm (55) war 
apathogen, 2 (21, 54) wurden nicht geprüft. 


e) Minus-Plusvarianten C. 

Ein weiterer Stamm (87), Gruppe 1 f, mit Minusvariation, Lävulose 
wurde nicht vergoren, und Plusvariation, Saccharose wurde gespalten, 
sonst sich wie ein typischer Di-Stamm verhaltend, zeigte ebenfalls 
positiven Tierversuch. Auch unter den aus Wunden von Pferden ge- 
züchteten Stämmen war ein Plusvariant, Stamm 100, (schwaches 
Wachstum auf Natr. oleinic.-Agar) mit positivem Tierversuch. Wir 
hätten also unter 6 Stämmen mit Plusvariationen 3 (18, 37, 100), die 
tierpathogen waren. Ob diesem Befunde eine besondere Bedeutung 
zukommt, insofern als Stämme mit Plusvariation, auch wenn sie in 
einem anderen Merkmale Minusvarianten 'sind (letztere sind, wie wir 
oben bereits sahen, apathogen) häufig im Tierversuch positiv sind, 
lasse ich unentschieden. Folgende Beobachtung scheint jedoch in diesem 
Sinne zu sprechen. Als ich 11/, Jahre später die Stämme nachprüfte, 
zeigte ‚sich, daß die Stämme 18, 21, 87 ihre Plusvariation verloren 
hatten, zugleich damit hatten auch die Stämme 18 und 87 ihre Tier- 
pathogenität verloren; der Stamm 100 wuchs auch jetzt noch schwach 
auf Natrium oleinicum-Agar, war also Plusvariant geblieben, damit 
übereinstimmend war der Stamm auch jetzt noch hochvirulent. Weit- 
gehende Schlüsse glaube ich aus diesem Parallelgehen nicht ziehen zu 
dürfen, da das Material, das diese Beobachtung zeigte, zu gering ist. 
Wohl glaube ich sagen zu können, daß die Stämme der Gruppen Ib—f 
echte Di-Stämme sind, die sich durch Minus- oder Plusvariationen als 
besondere Untergruppen von den typischen tierpathogenen Di-Stammen 
der Gruppe la charakterisieren. In dieser Ansicht werde ich noch 
bestärkt durch die Beobachtung, daß verschiedene Stämme, die so- 
gleich nach der Reinzüchtung typisches Verhalten auf den Zucker- 
nährböden (Maltose, Lävulose, Saccharose) und in Blutbouillon zeigten 
nach 1!/, Jahren durch Verlust von Eigenschaften variiert waren. 
Von den echten Di-Stämmen der Gruppe Ia zeigten Stamm 13 nach 


Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 33 


dieser Zeit keine Säurebildung mehr aus Maltose, die Stämme 14, 
19, 85 nur noch schwache. Lävulose wurde von den Stämmen 13 und 
19 nur noch schwach vergoren; ferner zeigten Stamm 19 und 49 
nur noch schwache, Stamm 13 überhaupt keine Hämolysinbildung 
mehr. 

Von den 25 Di-Stämmen der Gruppe Ib und Ibb zeigten Stamm 
72b, 101 und 105 nur noch schwache Rötung des Maltosenährbodens, 
Stamm 53, der früher Maltose gering spaltete, hatte diese Eigenschaft 
ganz verloren. Die Stämme 53 und 101 röteten den Lävulosenährboden 
nur noch schwach. Die früheren Hämolysinbildner 86, 102 und 105 
hatten diese Fähigkeit vollständig und Stamm 83 teilweise verloren. 

Von 2 nachgeprüften Stämmen aus der Gruppe Ic war der 
Stamm 9 anhämotoxisch geworden, der andere (114) war anhämotoxisch 
geblieben, so daß also unter den 6 Stämmen dieser Gruppe 3 schwache 
und 3 nicht Hämolysinbildner waren. Sodann verlor der Stamm 21 
von der Gruppe Ie seine schwach hämotoxische Eigenschaft und der 
Stamm 41 von der Gruppe Id löste die Blutkörperchen nur noch 
schwach. 

Zu den unter Id, e und f erwähnten Stämmen, die neben Minus- 
varianten auch Plusvariationen zeigten, ist zu bemerken, daß alle die 
Fähigkeit Saccharose zu spalten, nach 11/, Jahren verloren hatten. 

Wir sehen also, daß am wenigsten die echten, tierpathogenen 
Di-Stämme, viel häufiger die apathogenen und atypischen Di-Stämme 
bestimmte biologische Eigenschaften verloren hatten. Auch Merkmale, 
die im Sinne einer Plusvariation gedeutet wurden, gingen später ver- 
loren. Eine Erklärung hierfür könnte darin zu finden sein, daß die 
Bakterien auf künstlichen, festen Nährböden ganz anderen, weniger 
zusagenden Bedingungen ausgesetzt waren als im lebenden Körper, 
so daß diese veränderte Lebensweise erworbene Eigenschaften wieder 
vernichtete. Damit ist jedoch nicht gesagt, daß unter allen Um- 
ständen die Wachstumsbedingungen auf der Kultur ungünstiger sind 
als im lebenden Organismus. Im Gegenteil können mitunter die Ab- 
wehrmaßnahmen des Körpers für die Keime unheilvoller sein als 
das Wachsen auf künstlichen Nährböden. 

Auffallend ist, daß ich nicht einen Stamm beobachtete, bei dem 
eine Variation auf die ursprüngliche normale Form zurückschlug. Alle 
Veränderungen äußerten sich in mehr oder weniger starken Verlust- 
eigenschaften. 


III. Pathogenitätsprüfungen der typischen und variierten Di- 
Stämme. 
a) an Meerschweinchen. 

Die Lösung der Frage, ob ein verdächtiges Stäbchen ein echter. Di- 
B. ist, glaubte man früher nur dann entscheiden zu können, wenn es 
auch tierpathogen war. Heute wissen wir jedoch, daß auch echte Di-B. 
beobachtet werden, die apathogen sind, und andererseits wurden von 
Lesieur und Spronck, Bongert, Marzinowsky, Gromakow- 
sky u. a. gewisse Pseudodi- Stämme beschrieben, die geringe pathogene 
Wirkung (Oedeme, Spätparalysen etc.) äußerten; ob es sich in diesen 
Fällen doch nicht um atypische Di-B. handelte, da der wichtigste 
Kontrollversuch, die gleichzeitige Gabe mit Antitoxin, unterblieb? Von 
meinen Di- und Pseudodi-Stämmen wurden 73 im Tierversuch geprüft. 

Erste Abt. Orig. Bd. 101. Heft 1/3. 3 


34 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


Von den echten Di-Stämmen (Gruppe Ia) zeigten sämtliche 25 Stämme 
positiven Tierversuch. In 10 Fällen wurde die Römersche Intra- 
kutanmethode angewandt, und zwar in der Weise, daß 0,2 ccm von 
einer 2stünd. Bouillonreinkultur in die depilierte Haut eines Meer- 
schweinchens eingeimpft wurde. Nach 1, spätestens 2 Tagen war bei 
positivem Ausfall des Tierversuchs eine deutliche Impfpustel mit hyper- 
ämisch geschwollener Zone zu sehen. Nach weiteren 24—48 Std. 
trat Nekrose und später Schorfbildung ein. Nach ca. 8—10 Tagen 
wurden die Krusten wieder abgestoßen. Der Vorzug dieser Methode be- 
stand darin, daß an einem Tiere mehrere Proben, bis zu 6, gemacht 
werden konnten. In den meisten Fällen wurde auch zugleich die Anti- 
toxinkontrolle mit Di-Serum angestellt, die jedesmal Schutzwirkung 
ausübte. In einigen Fällen sah ich, daß im Gegensatz hierzu normales 
Pferdeserum keine schützende Wirkung auslöste, die Tiere gingen 
prompt ein. Der Tod der Tiere wurde jedoch erst dann als echter 
Di-Tod angesehen, wenn das Tier bei der Sektion typische Verände- 
rungen zeigte (sulzig-hämorrhagisches Oedem an und in der Umgebung 
der Injektionsstelle, mehr oder weniger große Mengen Exsudat in der 
Brust- oder Bauchhöhle, Peritonitis, Rötung der Nebennieren), da bei 
der Injektion größerer Mengen mehrere Tage alter Bouillonkulturen 
infolge Autolyse der Bazillenkörper und Abspaltung der freigewordenen 
Stoffe vielleicht nicht ganz gesunde Tiere an unspezifischer Protein- 
vergiftung eingegangen sein könnten. In 10 Fällen kam als Injektions- 
material 1 ccm 2—3mal 24stünd. Bouillonreinkultur zur Anwendung, 
um durch die Injektion von Bazillen und Toxinen (also Ekto- und 
Endotoxinen) eine erhöhte Wirkung zu erzielen, wenn auch zugegeben 
werden muß, daß nach Versuchen von Kolle, Schloßberger und 
Martin die Giftbildung in Bouillonkulturen nicht in Kongruenz steht 
mit der Meerschweinchenpathogenität. Es wurden Stämme beschrieben 
(Kolle und Schloßberger und Martin u. a.), die zwar lösliches 
Toxin bildeten, die aber selbst in größeren Mengen Meerschweinchen 
nicht töteten. ; 

In 16 Fällen kam zur Pathogenitätsprüfung der Di-Stämme die 
Subkutanmethode zur Anwendung. Es wurde 1/, cm Emulsion von 
einer 24stünd. Loeffler - Serumkultur (3 ccm NaCl auf ein Röhr- 
chen) subkutan unter die Bauchhaut injiziert. Die Tiere gingen in 
1—5 Tagen ein. Von den unter Ib erwähnten echten Di-Stämmen, die 
wegen ihrer mangelnden Tierpathogenität und wegen ihrer teilweisen 
biologischen Abweichungen von den typischen Di-Stämmen Ia als 
Minusvarianten angesprochen wurden, kamen 14 Stämme zur Virulenz- 
prüfung. Bei 5 Stämmen wurde die Intrakutanmethode nach Römer 
angewandt. In einigen Fällen beobachtete ich zwar nach 24 Std. um 
den Stichkanal geringe Rötung, doch ging diese bereits nach weiteren 
24 Std. wieder zurück. Uebergang in Nekrose beobachtete ich niemals. 
Die übrigen 9 Stämme wurden nach der Subkutanmethode verimpft 
(1 ccm 2 oder 3mal 24stünd. Bouillonreinkultur). Sämtliche Stämme 
erwiesen sich als apathogen. Aus den bereits oben angegebenen 
Gründen (s. unter IL a) ist nicht anzunehmen, daß es sich um Stämme 
handelte, die ihre Tierpathogenität erst nach der Reinzüchtung verloren 
hatten. Wohl mag zugegeben werden, daß sie die Virulenz bereits im 
menschlichen Organismus einbüßten. Uebereinstimmend damit zeigten, 
wie ich bereits erwähnte, einige Stämme geringes von der Norm ab- 
weichendes Verhalten im Sinne einer Minusvariation, welches die Ver- 


Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 35 


mutung nahe legt, daß auch die Pathogenität für die angewandten In- 
jektionsdosen verloren gegangen war. Der Tod der Tiere erfolgte in 
den meisten Fällen in 2—3, seltener 5 Tagen. In einem Falle 
(Stamm 53), der aus der Wunde eines Pferdes gezüchtet wurde, beob- 
achtete ich eine postdiphtherische Lähmung. 6 Wochen nach der 
positiv ausgefallenen Intrakutanmethode von Römer trat beim Meer- 
schweinchen zunächst eine schlaffe Lähmung des linken Hinterbeines 
ein, 24 Std. später war die ganze Hinterhand gelähmt. Ungefähr 
7 Tage später kehrte zuerst die aktive Beweglichkeit des linken, dann 
die des rechten Hinterbeines zurück. Zweifellos handelte es sich bei dem 
sonst gesunden Tiere um eine postdiphtherische Lähmung, die ich bei 
keinem anderen Tierversuche beobachtete. Das Ergebnis der Tierver- 
suche von den unter Ic, e und f Tab. IV angegebenen Di-Stämmen 
wurde bereits im Zusammenhange mit den biologischen Eigenschaften 
dieser Stämme besprochen. 

Zusammenfassend ergibt sich aus der Prüfung auf Meerschweinchen- 
pathogenität, daß eine Unterscheidung der einzelnen Di-Gruppen und 
eine Trennung dieser von den Pseudodi-Gruppen nicht möglich ist. 
Wir können nur sagen, ob echte, tierpathogene oder nicht tierpathogene 
Stämme vorliegen, ohne nähere Klassifizierungen machen zu können. 


b) Pathogenitätsprüfungen an weißen Mäusen. 

Zur Virulenzprüfung der Di-Stämme verwandte ich außer Meer- 
schweinchen weiße Mäuse. 

Nach dem Vorgang von Kolle und Schloßberger war bereits 
festgestellt, daß auch diese Tierart für Di-B. empfänglich ist. Im 
Rahmen meiner Untersuchung stellte ich mir die Frage, ob in jedem 
ne ein Parallelgehen mit dem positiven Meerschweinchenversuch 
esteht. , 
In der Literatur wird meist angegeben, daß die weißen Mäuse sich 
Di-B. gegenüber refraktär verhalten. Bereits Loeffler schrieb 1884, 
daß es ihm niemals gelungen sei, weiße Mäuse durch Verimpfen mit 
Di-B. zu töten. Roux und Yersin konnten jedoch nachweisen, daß 
die Mäuse eingingen, wenn sie 1 cem eines im Vakuum auf den 17. Teil 
seines Volumens eingeengten Di-Bouillongiftes, einer Menge, die 80 
tödliche Dosen für Meerschweinchen entsprach, injizierten. v. Beh- 
ring und Kitashima fanden, daß, um Mäuse zu töten, auf das 
gleiche Körpergewicht berechnet, eine 6000mal größere Dosis einer 
24stünd. Bouillonkultur (0,3 ccm für eine weiße Maus von 13 g) ihres 
Di-Stammes erforderlich ist als für Meerschweinchen. Für die tödliche 
Intoxikation der weißen Mäuse waren jedoch 10000mal größere Mengen 
Di-Gift als für Meerschweinchen, ebenfalls auf gleiches Lebensgewicht 
bezogen, erforderlich. In neuerer Zeit kam Hippke zu dem Ergebnis, 
daß von 103 geimpften Mäusen nur 14 trotz Anwendung relativ hoher 
Dosen (1/,—1Oese) eingingen. Kolle und Schloßberger fanden, daß 
weiße Mäuse gegenüber den gewöhnlichen Reagenzglasgiften der Di-B., 
auch in größeren Mengen (0,5—1,0) so gut wie unempfindlich sind. 
Es gelang ihnen jedoch durch subkutane Verimpfung eingeengter, für 
Meerschweinchen stark wirksamer Di-Bouillongifte, auch weiße Mäuse 
unter den charakteristischen Krankheitserscheinungen zu töten. Mit 
lebenden, frisch aus Di-kranken Menschen gezüchteten Stämmen konnten 
sie Mäuse nach Einverleibung von 1/,—1/,, Oese regelmäßig im Ver- 
laufe von 3—8 Tagen töten. Von meinen 130 Stämmen wurden 55 auf 

3* 


36 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


Mäusepathogenität geprüft, und zwar wurden von den 58 typischen und 
atypischen Di-Stämmen 34 geprüpft, der Rest entfiel auf die Pseudodi- 
Stämme. Von den 25 echten, sämtlich meerschweinchenpathogenen 
Stämme der Gruppe Ia wurden 16 untersucht, davon fielen 12 positiv 
aus; 4 (24, 37, 76a, 76b), gaben bei positivem Meerschweinchentier- 
versuch ein negatives Ergebnis. Der unterschiedliche Ausfall war 
sicher nicht durch die Verschiedenheit des Ausgangsmaterials bedingt. 
In 2 Fällen (34, 37) wurden beide Tierarten an demselben Tage mit 
demselben Material und der gleichen Menge (1 ccm 2—3mal 24stünd. 
Bouillonreinkultur geimpft und doch fiel der Tierversuch mit Mäusen 
negativ aus; die anderen beiden Stämme konnten nicht zum Vergleich 
herangezogen werden, da bei den Meerschweinchen die Intrakutan- 
methode gemacht wurde. Wir müssen annehmen, daß weiße Mäuse 
gegen Di-B. und Di-Gifte, denn solche sind bereits in einer 2—3mal 
24stünd. Bouillonkultur vorhanden, widerstandsfähiger sein können als 
Meerschweinchen. Diese Annahme findet auch ihre Bestätigung in 
der Krankheitsdauer beider Tierarten nach erfolgter Jmpfung. Sie. ist 
im allgemeinen bei den Mäusen länger als bei den Meerschweinchen. 
Die durchschnittliche Krankheitsdauer bei Meerschweinchen, berechnet 
von 19 subkutan geimpften Tieren, betrug 11/,—5 Tage, im Falle 108 
sogar 8 Tage, im Mittel 31/, Tage, bei den Mäusen hingegen, berechnet 
aus 13 Fällen, 11/,—10 Tage, im Mittel 51/, Tage (s. folgende Tabelle). 





























Tabelle V. 

Stamm Krankheitsdauer in Tagen Stamm Krankheitsdauer in Tagen 
Nr. | bei Meerschw. | bei Mäusen Nr. bei Meerschw. | bei Mäusen 
63 21), 4 49 — —*) 
70 4 8 106 — — 
73 214 6 19 4 = 
85 3 T 20 5 — 
87 3 10 24 314 = 
99 DY, 6 31 3 — 
107 3 2 48 5 — 
110 2 8 60 3 — 
115 PUR 4 62 31, = 
116 3 6 100 2 — 
14 —*) 9 108 8 — 

22 Stämme ca. 3'/, im Mittel bei Meerschweinchen ca. 5'/, im Mittel bei Mäusen 
*) — = Tierversuch nicht angestellt. 


Im allgemeinen also dauert die Erkrankung bei den Mäusen länger 
als bei den Meerschweinchen. Aus der verschieden langen Krankheits- 
dauer, sowohl bei den Meerschweinchen als auch bei den Mäusen lassen 
sich gewisse, wenn auch nicht vollkommen einwandfreie Schlüsse, da, 
kein Tier dem anderen völlig gleicht, auf Virulenzunterschiede zwischen 
den einzelnen Di-Stämmen ziehen. Dasselbe ergibt sich aus der ver- 
gleichsweisen Prüfung an Mäusen und Meerschweinchen mit abge- 
stuften Mengen der gleichen Kultur (Stamm 100). 5 Mäusen wurden je 
2, 1, 1/59, 4/20, 1/40 Oese Di-Reinkultur injiziert, desgleichen 5 Meer- 
schweinchen je 2, 1, 1/19, 1/39, 1/69 Oese von derselben Kultur. Die beiden 
Mäuse, denen 2 und 1 Oese injiziert wurde, gingen 4 Tage p. i. ein, 
während die anderen 3 Mäuse gesund blieben. Die 5 Meerschweinchen 
starben sämtlich, und zwar die beiden, denen 2 und 1 Oese injiziert 
wurde, nach 21/, Tagen, denen 1/,, und 1/3) Oese injiziert wurde, nach 


Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 37 


31/, Tagen, und das Tier, das mit 1/,, Oese geimpft war, nach 12 Tagen. 
Ein Hund, dem 1 Oese der gleichen Kultur injiziert wurde, ging nach 
4 Tagen ein. Sämtliche Tiere zeigten typischen Sektionsbefund. 

Wir ersehen aus diesen Versuchen, daß nach Verimpfung einer 
Oese desselben Stammes sowohl Mäuse als auch Meerschweinchen (und 
ein Hund) eingingen. 1/,, Oese blieb jedoch für die Maus wirkungs- 
los. Ein Meerschweinchen wurde sogar durch 1/,9 Oese noch getötet. 
Wir können demnach die früheren Ergebnisse anderer Autoren be- 
stätigen, daß Mäuse viel widerstandsfähiger sind gegen Di-B. als Meer- 
schweinchen. Wenn diese nachgewiesenen Ungleichmäßigkeiten im Tier- 
versuch auch nicht ohne weiteres auf den Menschen übertragen werden 
können, so dürfen wir doch vermuten, daß die Virulenzschwankungen 
auch für die menschliche Pathologie von Bedeutung sind. 

Von den Minusvarianten der Gruppe Ib, 17 Stämme, gaben 13 
untersuchte Stämme im Tierversuch mit Mäusen ein negatives Er- 
gebnis. Auch die Minusvarianten der Gruppe Ic gaben, so weit unter- 
sucht, negativen Ausfall. Anders war es jedoch bei dem Plusvarianten 
If (Stamm 87). Wir sehen hier übereinstimmend mit dem Meerschwein- 
chenversuch ebenfalls ein positives Ergebnis bei Verwendung von 
weißen Mäusen. Mit den Stämmen der Gruppe Id und e wurden keine 
Mäuseversuche angestellt. 

Zur Erklärung der erhöhten Widerstandsfähigkeit der weißen Mäuse 
gegen Di-B. und Di-Gifte untersuchten Kolle und Schloßberger 
das Mäuseblut auf seinen Antitoxingehalt; sie fanden, daß es noch nicht 
1/iọ Antitoxineinheiten im Kubikzentimeter enthielt. Deshalb prüften 
sie weiter, ob dem mit Reagenzglasgiften hergestellten antitoxischen Di- 
Heilserum irgendwelche Wirkung auf die Di-Infektion der Mäuse zu- 
komme; es bestand die Möglichkeit, daß die von den Di-B. im Tierkörper 
gebildeten Gifte sich qualitativ von den in vitro gebildeten Giften 
unterscheiden würden, so daß es im Gegensatz zu Reagenzglasgiften 
im Mäusekörper besonders krankmachend und tödlich wirken würde. 
Sie fanden jedoch, daß auch dieses mit Reagenzglasgiften hergestellte 
antitoxische Diphtherieserum imstande war, die Mäuse zu schützen 
bzw. zu heilen. Nach diesen Versuchen ist anzunehmen, daß es sich 
bei der durch die lebenden Bazillen verursachten Erkrankung der weißen 
Mäuse und anderer Versuchstiere um echte Di-Vergiftung handelte: 
Die natürliche Widerstandskraft kann, wie Dean annimmt, nur darauf 
beruhen, „daß die auf das Di-Toxin eingestellten Rezeptoren in der 
Maus über den ganzen Körper verteilt sind, so daß eine gewisse Ab- 
lenkung des Toxins von den lebenswichtigen Organen stattfindet, die 
jedoch nach Ueberschreitung eines gewissen Schwellenwertes den Aus- 
bruch der Krankheit nicht verhindern kann“. Vielleicht spielt auch, wie 
dies Pettit bei Ratten annimmt, eine besondere Widerstandsfähigkeit 
der Körpergewebe eine Rolle. 

Der Sektionsbefund der an Di eingegangenen Tiere ähnelt sehr 
dem bei den Meerschweinchen: Starke Rötung der Nebennieren, Peri- 
tonitis, zuweilen etwas Exsudat in der Bauchhöhle. In der Umgebung 
der Injektionsstelle beobachtet man hämorrhagisches Exsudat und In- 
filtration des umliegenden Gewebes, manchmal auch Nekrose; doch 
sind die Befunde vielfach nicht so deutlich ausgeprägt wie beim Meer- 
schweinchen. | 


38 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


IV. Agglutinationsversuche. 


Wir haben in dem vorhergehenden Kapitel gesehen, daß die ange- 
führten Methoden für die Differenzierung und Einteilung der Coryne- 
bakterien beschränkte Geltung haben. 

Da die serologischen Eigenschaften eines Bakterienstammes ge- 
statten, noch weiter einzudringen, ist anzunehmen, daß die Stämme der 
einzelnen Gruppen, die durch Minus- oder Plusvariation aus den ty- 
pischen Di-B. hervorgingen, auch in ihrem serologischen Verhalten Ab- 
weichungen zeigen. Die verschiedensten Autoren stellten bereits auf 
Grund ihrer Agglutinationsversuche serologische Gruppeneinteilungen 
auf. Langer unterschied z. B. 2 Gruppen von Di-B., die einen waren 
agglutinabel, die anderen inagglutinabel. Durand unterschied 4 sero- 
logische Typen, Havens 2, Bell 3, Powell 8, Eagleton und 
Baxter 10, Scott 8 und Smith 7. Wir sehen also sehr divergente 
Anschauungen, die sich zwischen 2 und 10 Gruppen bewegen. Und 
doch ist an der Richtigkeit dieser Befunde nicht zu zweifeln, da man 
annehmen kann, daß die Stämme, die zur Untersuchung kamen, ent- 
sprechend ihrem biologischen Typus auch in serologischer Hinsicht ver- 
schiedene Typen darstellen. Wenn nur Di-Stämme verwendet würden, 
die von Di-Kranken stammen, so würden die serologischen Ergebnisse 
sicherlich häufig anders ausfallen als wenn Di-Stämme zur Agglu- 
tination kommen, die aus der Nase von gesunden Kindern, aus Wunden 
oder von der Haut stammen. Deshalb ist bei einer serologischen Typen- 
einteilung zugleich das biologische Verhalten der Stämme zu berück- 
sichtigen, wie es z. B. bei der Gruppeneinteilung von Langer, 
Durand und Hammerschmidt der Fall ist. 

Zu den Untersuchungen über die Brauchbarkeit der Agglutination 
zur Differenzierung der Di-B. von den Pseudodi-B. von Bruno, 
Lubowski, Schwoner und Ersettig, Lipstein, Przewoski, 
van Riemsdijk und Spiegelberg soll, ohne daß auf die Er- 
gebnisse der einzelnen Autoren näher eingegangen wird, nur gesagt 
sein, daß ihre Beobachtungen durchaus nicht eindeutig sind. Entweder 
gelang die Agglutininbildung bei Di-B. überhaupt nicht oder die Anti- 
sera enthielten häufig nur Agglutinine für den homologen Stamm. 
Dieses veranlaßte einige Forscher (Schwoner, van Riemsdijk), 
multivalente Sera heranzustellen. Doch führten auch diese nicht immer 
zu eindeutigen Ergebnissen, da man alle Uebergänge im Agglutinations- 
grad beobachtete, so daß eine strenge Einteilung der einzelnen Stämme 
nicht möglich war. Die größte Schwierigkeit bei der Anstellung von 
Agglutinationsversuchen liegt in der Herstellung der Bakterienemulsion, 
da manche Stämme schon spontan zur Verklumpung neigen. Zur Ver- 
hütung dieser Fehlerquelle wurden von van Riemsdijk und Langer 
verschiedene Methoden angegeben, die meist zu brauchbaren Ergebnissen 
führen. 

Für die Herstellung der Emulsion diente mir als Ausgangsmaterial 
eine ca. 24stünd. Kultur auf Löffler-Serum, das bei 70—750 C er. 
starrt war. Diese langsam erstarrten und frischen Kulturen lieferten 
auch nach meinen Beobachtungen (vgl. Langer und Spiegelbe rg) 
die besten Resultate. Die Kultur wurde dann mit 0,85proz. physio- 
logischer Kochsalzlösung abgeschwemmt und kräftig geschüttelt, bis 
eine homogene Emulsion vorlag. Manche Stämme zeigten auch jetzt 
noch deutliche Klumpen. Fügte ich diesen Emulsionen nach dem Vor- 


Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 39 


gang von Lubenau gleich nach der Bereitung Glyzerin zu gleichen 
Teilen hinzu, so wurden sie meistens brauchbar. Auch führte in 
mehreren Fällen die von van Riemsdijk angegebene Methode, 21/,- 
stünd. Erhitzen der Emulsion auf 50° C, zum Ziele. 


Die Agglutination wurde in Reagenzgläsern angestellt, erstmalig 
nach 3stünd. Aufenthalt im Thermostaten bei 370 C abgelesen. Wenn 
auch die Reaktion nach 3 Std. stets abgelaufen war, so trat sie nach 
weiteren 12—24stünd. Aufenthalt bei Zimmertemperatur doch meist 
deutlicher hervor. Das Di-Immunserum wurde von einem Kaninchen 
gewonnen, das mit einem morphologisch und biologisch typischen und 
tierpathogenen Di-Stamm (107) geimpft war; außerdem diente als 
Antigen der Di-Stamm 100, der aus der Wunde eines Pferdes ge- 
züchtet wurde. Dieser Stamm war in einem Punkte (schwaches Wachs- 
tum auf Natrium oleinicum-Agar) ein schwacher Plusvariant; ferner 
wurde ein Pseudodi-Stamm (96) in Abständen von 4—5 Tagen 4mal 
mit bei 60° C abgetöteten und 1mal mit lebenden Keimen verimpft. 

Mit diesen Immunseris kamen von jeder Gruppe mehrere Stämme 
zur Agglutination. Das Normalserum von den Tieren, die mit den 
Stämmen 96 und 107 geimpft wurden, agglutinierte die beiden Stämme 
schon vor der Injektion in einer Verdünnung 1:20 schwach. Doch 
bedarf diese Erscheinung kaum der Erwähnung, da die spezifischen 
Agglutinationen durch ihre deutlich sichtbaren groben Flocken sehr 
leicht von der unspezifischen feinflockigen zu unterscheiden waren, 
zudem kam, daß die Versuchsreihen mit der Verdünnung 1:50 be- 
gonnen wurden. 

Von den Stämmen der Gruppe Ia, die wegen ihres biologischen 




















Tabelle VI. 
r ; R z : k > Kochsalz- 
Stamm | 1:50 | 1:100 | 1:200 | 1:400 | 1:800 |1:1600 |1:3200 | Kontrolle 
Agglutinationen der Stämme von der Gruppe Ia mit Di-Immunserum 107 
107 | + T F = + + $ = 
13 + + + + + + + = 
48 + + + + + + — = 
63 + + + + + + + = 
70 + $ + + + + = = 
110 + + + + + + = — 
115 + + + | + + + — = 
Agglutinationen derselben Stämme mit Di-Immunserum 100 

107 + + + + + — == — 
13 + + $ = = = 
48 + + + + + — — = 
63 + + + + + = = = 

70 + + F + + — — 
110 + + + + — — — _ 
115 + + + + + — = = 

Agglutinationen derselben Stämme mit Pseudodi-Immunserum 96 

107 + + = _ — — — — 
13 — — — — — — — — 
48 + — — — — — — — 
| — | - | — | — | - | — | - — 
70 + = = = > = = = 
110 r ee 2 = = = = = 
115 Bh a ze = = = > 
















































































40 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 
Stamm | 1:50 |1:100 |1:200 |1:400 | 1:800 |1:1600 |1:3200 | Kochsalz- 
Agglutinationen der Stämme von Gruppe Ib mit Di-Immunserum 107 
61 — — | — — — _ — — 
101 + + + + == = — 
103 + + + = = — = — 
104 + + + + — — — 
Agglutinationen der Stämme von Gruppe Ib mit Di-Immunserum 100 
61 + + + + — — — — 
101 + + + + + = = — 
103 + + + + + E = = 
104 + + + + — — | = — 
Agglutinationen der Stämme von Gruppe lb mit Pseudodi-Immunserum 96 
61 — — — — — — — — 
101 + _ -a = = = = = 
103 — — — — — — — — 
104 + = = = = = — — 
Agglutinationen der Stämme von Gruppe Ie mit Di-Immunserum 107 
93 + + + | + = = = — 
114 + + + + = — — = 
Agglutinationen der Stämme von Gruppe Ic mit Di-Immunserum 100 
93 + | + + | + = = = | — 
114 + + + + = =| = = 
Agglutinationen der Stämme von Gruppe Ic mit Pseudodi-Immunserum 96 
93 — — == = — — — — 
rt a me | ss ee | ee ee (Re Æ 
Agglutinationen der Stämme von Gruppe Id mit Di-Immunserum 107 
47 + | + + | + = | = | — — 
69 + + + + £ = = — 
Agglutinationen der Stämme von Gruppe Id mit Di-Immunserum 100 
47 + | + + + + = = — 
69 + + + + + = — — 
Agglutinationen der Stämme von Gruppe Id mit Pseudodi-Immunserum 96 
47 — — — — — — — — 
69 — — — — - | — — — 
Agglutinationen der Stämme von Gruppe Ie mit Di-Immunserum 107 
18 + + | + + + + = — 
21 + + + + + $ = — 
Agglutinationen der Stämme von Gruppe Ie mit Di-Immunserum 100 
18 + + | + + | + = == — 
21 + + + + + = = — 
Agglutinationen der Stämme von Gruppe Ie mit Pseudodi-Immunserum 96 
18 + = | = | = = = = 
21 + = = = = = = = 
Agglutinationen des Stammes 87 (Gruppe If) mit Di-Immunserum 107 - 
87 FR = a RE a Herr. CS ET = + =- | — 
Stamm 87 mit Di-Immunserum 100 
— — | —— — | _ — | = | = 








Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 41 





| | s k , | 3 Kochsalz- 
Stamm | 1:50 | 1:100 | 1: 200 | 1:400 | 1:800 | 1:1600 1: 8200 | kontrolle 








Stamm 87 mit Pseudodi-Immunserum 96 


Agglutination der Stämme 100 und 108 (aus Wunden von Pferden gezüchtet) 
mit Di-Immunserum 107 








100 + | + + | + + | — — | = 
108 Eu oP oe + + + + = = 
Stamm 100 und 108 mit Di-Immunserum 100 
100 + | + + | + + | + S | = 
108 + + + + + — = = 
Stamm 100 und 101 mit Pseudodi-Immunserum 96 
100 + she = = = = = = 
108 + = = = = = = = 








Verhaltens und wegen des positiven Tierversuches als echte Di-B. 
gesprochen wurden, kamen 7 Stämme (13, 48, 63, 70, 107, 110, 115) 
zur Agglutination (s. Tab. VI). Das Di-Immunserum 107 agglutinierte 
den homologen und Stamm 13 und 63 zur Verdünnung 1:3200, die 
Stämme 48, 70, 110 und 115 bis 1:1600. Das Di-I.S. 100, hergestellt 
mit einem echten, tierpathogenen Di-Stamm, jedoch mit Plusvariation, 
aus einer Wunde eines Pferdes gezüchtet, agglutinierte den Stamm 107 
bis 1:1600, die Stämme 13, 48, 63, 70, 115 bis 1:600 und den Stamm 
110 bis 1:400. Während die Agglutinationen mit dem Di-I.S. 107 
gleichmäßig hoch waren, sahen wir bei dem I.S. 100 ein ver- 
schiedenes Verhalten der 3 Stämme, der Stamm 107 wurde beinahe 
doppelt so hoch agglutiniert wie der Stamm 110, während die 
Stämme 13, 48, 63, 70, 115 eine Mittelstellung zwischen beiden 
einnahmen. Das Immunserum 96, mit einem Pseudodi-Stamm her- 
gestellt, agglutinierte die Stämme 13 und 63 überhaupt- nicht, die 
Stämme 48, 70, 110, 115 nur bis 1:50 und den Stamm 107 sogar 
bis 1:100 schwach. Also 7 Stämme werden von dem Di-I.S. 107 
bis oder nahe bis zur Titergrenze agglutiniert. Mit dem Immun- 
serum 100 wurde von 6 Stämmen eine Agglutinationshöhe bis 1:800 
erreicht, 1 Stamm (110) agglutinierte nur bis 1:400. Keiner der 
Stämme erreichte die Titerhöhe des homologen Stammes (1:1600). 

Aus diesen beiden Agglutinationsreihen ergibt sich bereits, daß 
die echten, typischen Di-Stämme vom Immunserum, das mit einem Di- 
Stamm hergestellt wurde, der Variationsbildung zeigte, unterschieden 
werden können, indem die echten Di-Stämme mit diesem Serum niemals 
so hoch agglutiniert wurden als mit dem Immunserum, das mit einem 
typischen Di-Stamm hergestellt wurde. 

Weit größer ist jedoch die Trennung dieser 7 Di-Stämme von den 
Pseudodi-Stämmen. Nur einmal (mit Stamm 107), wurde eine Agglu- 
tinationshöhe von 1:100 erreicht, in den übrigen Fällen wurden sie 
überhaupt nicht agglutiniert oder erreichten nur eine Höhe bis zur 
Verdünnung 1:50. 

Der Agglutinationstiter bei Anstellung des Versuches zwischen 
typischen Di-B. und einem mit einem typischen Stamm gewonnenen 
Serum einerseits und mit einem atypischen Stamm andererseits, zeigt 
also nur geringe Differenzen, während Pseudodi-B. entweder überhaupt 


42 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


nicht oder nur schwach bei der stärksten Konzentration agglutiniert 
werden. 

Auch diese Versuchsreihe beweist die serologische Einheitlichkeit 
je eines typischen und eines variierten Di-Stammes und ferner die 
scharfe Artdifferenz gegenüber den Pseudodi-B. 

Von der 2. Gruppe der Di-B. (Ib) morphologisch und biologisch 
typisch, aber apathogen, zeigten mit dem I.S. 107 der Stamm 101 
Agglutination bis zur Verdünnung 1:800, der Stamm 103 und 104 bis 
1:400. Mit dem I.S. 100 agglutinierte der Stamm 101 ebenfalls bis 
1:800, Stamm 104 bis 1:400 und Stamm 103 sogar: bis 1:1600. 

Das Pseudodi-I.S. 97 agglutinierte die Stämme 101 und 104 
nur schwach bis zu 1:50, den Stamm 103 überhaupt nicht. Als 
völlig aus dem Rahmen dieser Gruppe fallend erwies sich der 
Stamm 61, indem er mit dem Di-I.S. 107 überhaupt nicht agglutiniert 
wurde Mit dem I.S. 100 agglutinierte er jedoch bis zur Ver- 
dünnung 1:400. Das Pseudodi-I.S. agglutinierte den Stamm eben- 
falls nicht. Das Verhalten dieses Stammes zeigt also, daß Stämme, 
die biologisch zur gleichen Gruppe gehören, serologisch sich verschieden 
verhalten können. Daß die gleiche Beobachtung auch bei den tier- 
pathogenen, echten Di-Stämmen (Gruppe Ia) vorkommt, zeigen die 
Versuche von Langer. Er fand wiederholt Stämme, die sich als in- 
agglutinabel erwiesen. Die Tatsache, daß Stamm 61 jedoch von dem 
Di-Immunserum (100) agglutiniert wurde, zeigt, dab der Antigen- 
charakter der Stämme von der Gruppe Ia, b und des Stammes 100 
nicht prinzipiell verschieden ist. Abgesehen von dem bereits erwähnten 
Stamm 61 unterschieden sich die Agglutinationen dieser apathogenen 
Stämme von denen der pathogenen Di-Stämme dadurch, daß das 
Di-I.S. 107 diese Stämme nicht so hoch agglutinierte als die 
Stämme der vorigen Gruppe. Das I.S. 100 verhielt sich genau so 
wie in der vorigen Gruppe. Deutlich trat auch hier der Unterschied 
dieser Stämme gegenüber dem Pseudodi-L.S. 96 hervor, indem 
2 Stämme nur bis 1:50 feinflockig und 2 andere überhaupt nicht 
agglutiniert wurden. Wenn auch die Agglutinationshöhe dieser Stämme 
nicht an die der Gruppela heranreicht, so glaube ich bindende Schlüsse 
für eine Gruppeneinteilung daraus nicht ziehen zu dürfen, da die 
Unterschiede zu wenig prägnant sind und bekannt ist, daß ein und 
derselbe Stamm zu verschiedenen Zeiten Schwankungen im Agglu- 
tinationsvermögen aufweisen kann (Länger). Eindeutig ist jedoch 
das Verhalten dieser Stämme gegenüber dem Pseudodi-Immunserum ; 
eine Trennung dieser beiden Gruppen ist also ohne weiteres möglich. 

Die Stämme der Gruppe Ibb, echte Di-B., von denen ein Tier- 
versuch nicht angestellt wurde, kamen nicht zur Agglutination. Die 
Stämme der Gruppe Ic zeigen, wie aus der Tabelle ersichtlich, un- 
gefähr dasselbe agglutinatorische Verhalten wie die Stämme der 
Gruppe Ib. 

Während in den Gruppen Ib und c die Agglutinationen im all- 
gemeinen nicht die Höhe der Gruppe Ia erreichten, sehen wir bei 

2 Vertretern (Stamm 18, 21) der Gruppe Id (Minusvarianten), mit 
dem I.S. 107 wieder Agelutination bis zur Titergrenze wie in der 
Gruppe Ia. 

Auffallend ist, daß gerade diese Stämme mit Plusvariation, von 
denen einer tierpathogen war (der andere Stamm wurde nicht ge 
prüft) die Titergrenze erreichte. Das I.S. 100 und I.S. 96 agelu- 


Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 43 


tinierte die Stämme bis 1:800 bzw. 1:50. Das serologische Verhalten 
dieser Stämme beweist also die grundsätzliche Zugehörigkeit zu der 
Gruppe Ia. 

Die Minus- und Plusvarianten der Gruppe Id, von denen ein Tier- 
versuch nicht angestellt wurde, nähern sich in ihrem agglutinatorischen 
Verhalten der Gruppe Ib, da 2 geprüfte Stämme (47, 69) mit dem 
I.S. 107 und 100 bis 1:800 agglutinierten, während das Pseudodi-1.S. 
nicht agglutinierte. 

Ein weiterer Minus-Plusvariant mit positivem Tierversuch (Stamm87 
Gruppe f) zeigte wieder entsprechend den Stämmen der Gruppe Ia 
und le eine Agglutinationshöhe von 1:1600. Das I.S. 100 agglu- 
tinierte allerdings diesen Stamm nicht. Daß dieser Stamm, der selbst 
ein Plusvariant ist, von dem Serum, das ebenfalls mit einem Plus- 
varianten (100) hergestellt wurde, nicht agglutiniert wurde, ist nicht 
auffallend, wenn man bedenkt, daß die Plusvariation bei beiden Stämmen 
sich in verschiedenen Merkmalen äußerte (einmal in der Säurebildung 
aus Saccharose, das andere Mal im Wachstum auf Natr. oleinic.-Agar) ; 
sodann können sehr wohl, abgesehen von der mangelnden Fähigkeit, 
Lävulose zu vergären, wie beim Stamm 87, noch weitere Unterschiede 
zwischen beiden Stämmen bestehen, die nur nicht mit unseren bekannten 
Methoden nachgewiesen sind, die aber die verschiedene Rezeptoren- 
bildung veranlaßt haben kann. 

Fassen wir nochmals kurz das Ergebnis der Agglutinationsversuche 
zusammen, so können unsere Di-Stämme, die sich biologisch in 
6 Gruppen einteilen ließen, in 3 serologische Gruppen zusammen- 
gefaßt werden. Zur ersten gehören die biologischen Gruppen Ia, e. 
Die Stämme dieser Gruppen wurden von Di-I.S. bis fast zur Titer- 
grenze agglutiniert. Zur 2. serologischen Gruppe sind die Stämme der 
Gruppe Ib, c und d zu zählen. Ihre Agglutinationshöhe mit demselben 
Di-I. S. ist niedriger als bei den Stämmen der I. Gruppe, zur 3. sero- 
logischen Gruppe gehören die Stämme 63 (Ib) und 87 (If). Die 
Stämme verhalten sich je einem von den beiden Di-I.S. gegenüber als 
völlig inagglutinabel. 

Mit dieser serologischen Einteilung soll nicht gesagt sein, daß sie 
allgemeine Gültigkeit hat, sondern daß die vorliegenden Stämme in 
diese 3 serologischen Gruppen eingeteilt werden können. Wenn das 
Material größer und vielgestaltiger wäre und noch andere I.S. ver- 
wandt wären, würden sich wahrscheinlich noch weitere Gruppen er- 
geben haben. Für unsere Variabilitätsstudien ergibt sich aus den 
obigen Versuchen, daß die echten tierpathogenen, morphologisch und 
biologisch typischen Di-Stämme meist bis zur Titergrenze mit dem 
homologen I.S. agglutiniert wurden und daß die biologisch variierten 
Stämme sich auch serologisch vielfach verändert hatten, indem die 
Stämme nicht so hoch oder gar nicht agglutiniert wurden. 

Ueber die Agglutinationsversuche mit den Stämmen der Pseudodi- 
B.-Gruppen wird bei den morphologischen und biologischen Besprech- 
ungen dieser Stämme berichtet (s. Tab. IX). Hier sei nur gesagt, daß 
die Stämme sämtlicher Gruppen vom Di-I.S. überhaupt nicht oder nur 
schwach bis 1:50 agglutiniert wurden. Von dem Pseudodi-I.S. wurden 
jedoch hohe Agglutinationswerte erzielt, so daß eine Trennung der Di- 
von den Pseudodi-B. möglich ist. Zwar können mitunter inagglu- 
tinable Di-Stämme differentialdiagnostische Schwierigkeiten bereiten, 
doch werden diese, wie Langer feststellen konnte, meist durch die 
Absättigungsmethode oder durch das biologische Verhalten behoben. 


44 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


Nachdruck verboten. 


Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtherie- 


bazillen und anderen Corynebakterien. 


[Aus dem Hygien. Institut der Landesuniversität Gießen (Dir.: Prof. 
Dr. E. Gotschlich).] 


Von Dr. med. H. Kliewe, Heidelberg, Hyg. Institut d. Universität. 


IL Teil. 
B. Pseudodiphtheriebazillen menschlicher Herkunft. 


Schon bald nach der Entdeckung des echten Di-B. durch Klebs- 
Loeffler (1884) berichtete Loeffler über einen Mikroorganismus, 
der sich durch sein abweichendes Wachstum auf Agar und Gelatine 
und durch das Fehlen der Tierpathogenität vom echten Di-B. unter- 
schied. v. Hofmann (Wellenhof), Beck, Zarniko und Klein 
bestätigten durch ihre Untersuchungen, daß dieser Bazillus, von 
Loeffler Pseudodi-B. genannt, häufig in der Nase bei katarrhalischen 
Erscheinungen gefunden wird. Sie hielten dieses Stäbchen für eine 
Unterart des Di-B. Einige Jahre später (1890) kamen jedoch Roux 
und Yersin auf Grund ihrer Versuche, indem sie echte Di-B. bei 
39,50 morphologisch in Pseudodi-B. ähnliche Stäbchen umwandelten, 
die im Tierversuch sich als avirulent erwiesen und nach Versuchen 
mit schwach virulenten Di-Stämmen zu der Ueberzeugung, daß auch 
avirulente Di-B., die den Pseudodi-B. gleich sein sollen, wieder virulente 
Di-B. werden können. Dieser Ansicht der beiden Autoren schlossen 
sich eine Menge anderer Autoren, insbesondere manche Ophthalmologen 
an. Sie glaubten ebenso wie F. Schanz, der Hauptverfechter dieser 
Theorie, daß der von Reymond-Colomiatti 1880 zuerst beobachtete, 
von Kuschbert und Neißer 1884 näher beschriebene Xerose-B., 
der, wie wir heute wissen, nicht der Erreger .der Xerose ist, sondern 
auf fast jeder normalen Bindehaut vorkommt, als abgeschwächter Di-B. 
anzusehen sei. Diese unitaristische Ansicht obiger Autoren fand später 
noch eine mächtige Stütze in v. Behring, obschon Escherich, 
Spronck und M. Neißer nachgewiesen hatten, daß Impfungen des 
Pseudodi-B. auf Tiere diese vor Infektion mit echten Di-B. nicht 
schützten. Die zuletzt erwähnten Autoren hielten ebenso wieLoeffler, 
Hofmann, Zarnikow, Beck, Fränkel u. a. entgegen den An- 
sichten von Roux und Yersin, Martin, Schanz, Lambotte, 
Zupnik, Walsch, Gelpke, Marzinowsky, Gromakowsky u.a. 
die Pseudodi-B. für avirulente Stäbchen, die als selbständige Bakterien- 
art neben den Di-B. vorkommen. Diese Ansicht der Dualisten wurde 
in der Folgezeit von den meisten Autoren vertreten. Jedoch ist auch 
heute der Streit beider Parteien noch nicht zu Ende geführt, im Gegen- 
teil, es mehren sich in den letzten Jahren die Stimmen derer, die auf 
Grund ihrer Variabilitätsstudien zu der Ueberzeugung kamen, daß die 
Pseudodi-B. Abkömmlinge von echten Di-B. sind. 

Im nächsten Abschnitt sollen folgende 2 Fragen, die sowohl für 
die Bakteriologie und Epidemiologie als auch für die praktische Medizin 


Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 45 


das größte Interesse haben, beantwortet werden. 1. Stellen die Pseudodi- 
B. eine durch morphologische, biologische und serologische Merkmale 
charakterisierte selbständige Bakterienart dar? 2. Bestehen verwandt- 
schaftliche Beziehungen zwischen den Pseudodi-B. und den echten 
Di-B.? 

Um diese Fragen zu beantworten, bediente ich mich derselben Ver- 
suchsmethoden, die bereits für die Differenzierung der echten Di-B. 
angewandt wurden. 


I. Das morphologische Verhalten der Pseudodi-Stämme. 


Hinsichtlich der morphologischen Differenzierbarkeit der Pseudodi- 
B. (dieser Begriff umfaßt sowohl die Hofmannschen Pseudodi-B. 
als auch die Xerose-B. und verwandte Arten) stoßen wir auf die- 
selben großen Schwierigkeiten wie bei den echten Di-B. Im allge- 
meinen sind in frischen Kulturen sämtliche Typen der Pseudodi-B. 
meist kurze, plumpe und dicke Stäbchen, zum Teil an einem Polende 
keulenförmig angeschwollen. Ihr Verhältnis der Länge zur Breite be- 
trägt nach Kurth stets weniger als 5:1 (oder besser 7:1). In 
älteren Kulturen verlieren sich jedoch meist diese Merkmale und wir 
können Formen sehen, die kaum von echten Di-B. zu unterscheiden 
sind. Auch bezüglich der Lagerung bestehen sehr große Aehnlich- 
keiten, wenigstens in älteren Kulturen; sie ist allerdings bei den Pseudo- 
di-B. im allgemeinen viel regelmäßiger und die Bazillenleiber sind 
nicht segmentiert. Desgleichen beobachtet man, wenn auch seltener, 
echte Verzweigungen. Alle diese morphologischen Eigentümlichkeiten 
lassen sich am besten durch Färbemethoden darstellen. Da die Farb- 
stoffaufnahme (Loefflers Methylenblau) bei den Pseudodi-B. nicht 
so variabel ist wie bei den Di-B., färben sie sich im allgemeinen 
gleichmäßig. Nach der Neißerschen Färbemethode präsentieren sich 
die Pseudodi-B. in 24stünd. Kulturen meist als gleichmäßig gelb ge- 
färbte, kurze plumpe Stäbchen, von Di-B. wohl unterscheidbar. In 
mehr als 24 Std. alten Kulturen, bereitet die Differenzierung bereits 
Schwierigkeiten, da auch die Pseudodi-B. vielfach Polkörperchen- 
färbung annehmen. Häufig ist aber auch dann noch eine Differenzierung 
möglich, weil die Körner der Pseudodi-B.-Leiber mehr kreisrund sind 
und dicht nebeneinander liegen, so daß man bei schlecht gefärbten Prä- 
paraten die Empfindung hat, es handle sich um Kokken. Ich konnte 
allerdings auch bei mehreren Di-Stämmen aus der Nase von nicht 
Di-kranken Kindern beobachten (vgl. Kliewe-Hoffmann), daß das 
24stünd. Neißer-Präparat typische Polfärbung zeigte und das übrige 
morphologische Aussehen (Größe, Form, Lagerung) dem der echten 
Loefflerschen Di-B. so ähnlich war, daß man die Diagnose ,,Di-B.“ 
stellen mußte. Bei Prüfung der Reinkultur auf den verschiedensten 
Nährböden stellte sich heraus, daß die betreffenden Stämme zur Gruppe 
der Pseudodi-B. gehörten. Aehnliche Beobachtungen konnte ich auch 
bei einigen meiner Stämme machen, die aus der Nase von Ozaena- 
kranken gezüchtet wurden, und Tsukahara und Tada fanden die 
gleichen Keime auf der Schleimhaut des weiblichen Genitale. Ich bin 
mit Tsukahara der gleichen Ansicht, daß sich in der Nase, auf der 
Haut, auf der Schleimhaut des weiblichen Genitale Di-ähnliche Arten 
befinden, deren Differenzierung von echten Di-B. im mikroskopischen 
Bilde, besonders auch bei Neißer-Färbung, äußerst schwer ist. Aehn- 















































46 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 

Tabel 
Pseudodi-! 
1 2 3 a | 8 Tolrisiot 
mi Y ka 4| Verhalten a 
g so a E & a 
E B | = | a = nährböden 
n Herkunft Morphologie 5 a EF © 2| i 
y n s aselälg: 
= & we (Su 838 
H ‘© 5 2:3233% 
A z a P4284 Sei 
1 Nase (Ozaena) | kurz, plump, wirr u. hintereinander gelagert — + + aplikas 
2| Nase (Ozaena) parallel, kurz, plump, wirr u We oes a Fc 

| | | | | 

i | 
3| Nase (Ozaena sehr kurz, wirr, parallel + + + +++ - 
5| Nase (Ozaena sehr kurz, starr u. k. ohne bestimmte Lag. +u.— + + + 4+- 
6| Nase (Ozaena) | k., plump, ohne bestimmte Lag. +u.— + + +++ - 
33) Nase (Ozaena sehr kurz, wirr u. parallel +u.— + ++ ++ 
45 Nase (Ozaena lang, starr, einzeln gelagert +u— + + +++ - 
51| Nase (Ozaena) mittellang, starr, ohne bestimmte Lag. + + ++ ++- 
56| Nase re kurz, plump, einzeln u. in Nestern gelagert — + + i++- 
57| Nase (Säugl. kurz, plump, wirr u. parallel +u.— + ++ ++- 
58| Nase ER mittellang, plump, hintereinand. u. parall. gelegen +u— —u +| + +++- 
59a; Nase (Säugl. sehr kurz, plump, ohne bestimmte Lag. _ + | +J+++- 
59b| Nase (Säugl.) mittellang, starr, ohne bestimmte Lag. _ + + +++- 
65| Nase (Säugl.) kurz, plump, wirr u. parallel — + + |++]+- 
66a| Nase ee l. u. schl., parall. u. hintereinand. gel., meist einz. + + + +++ - 
66b| Nase (Ozaena mittellang, zierl., ohne bestimmte Lag. + = | + | + ++i - 
67a) Nase (Ozaena) kurz, plump, wirr, parallel _ + + [++ +'!- 
67b Nase (Ozaena) dgl. a (pers 
68 Nase (Ozaena) + + |+ iHi 
70b| Nase (Säugl.) 3 —u.+ + + +++ - 
71| Nase (Ozaena) sehr kurz, plump, ohne bestimmte Lag. —u.+ +, | oli ooo 
77 Nase(Di-Krank.) kurz, plump, wirr, parallel =u (ut ad 
89! Nase (Ozaena) kurz u. mittellang, wirr u. parallel — + | tit ++ - 
90, Nase (Ozaena) gl. = + + 4\/4/4+- 
98 Nase( Di- Krank.) kurz, plump, wirr, parallel + + lt + +1 

| | 

109) Rachen (Rind) | mittellang u. kurz, wirr u. Y-förmig gelagert | —u.+ +) + +++ 4 

| | | 


liche Befunde liegen vor von L. 




















Bitter-Gundel-Sancho und 


Löwenthal. Letzterer wies sogar häufig in der Vagina von Meer- 
schweinchen diphtheroide Stäbchen nach, die im Neißer-Präparat 
eine täuschende Aehnlichkeit mit echten Loeffler-Bazillen zeigten. 
Weiterhin traten berechtigte Zweifel an der Brauchbarkeit der Neißer-- 
schen Polfärbung auf, als Kurth mitteilte, daß er 3 echte, tierpatho- 
gene Di-Stämme gezüchtet habe, die ebenfalls wie Pseudodi-Stämme 


die Polfärbung vermissen ließen. 


Heute kann jeder Bakteriologe, der 


sich viel mit Di-Untersuchungen beschäftigt, bestätigen, daß solche 


Stämme vorkommen. 


Besondere Schwierigkeiten bereiten diese Stämme 


Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilnng bei Diphtheriebaz. usw. 47 




















truppe 
12 13 | 14 15 16 
E | Virulenz für 
ig Ef Säuregrad| en 
en in . 
#5 , ; Wachstum der Kolonien auf Š 
| BS Wachstum in Bouillon Tanben: Glyzerin-Agar (Kolon.-Typ.) 5 3 | weiße 
EE illon : ‘© |Mäuse 
LES | (bouillon !) as 
2 a 
= gleichmäßig trüb, etwas Bodensatz 0,8 e Ik. —| 0 
feingekörnt, trüb, etwas Bodensatz 0,4 rund, gering gezackt, im Zentrum | © 8 
dichter, feingekörnt, fest zu- 
+ sammengefügt 
+ /|feingekérnt, deutl. getrübt, Bodensatz 1,0 6 Ik.—| © 
— gleichmäßig trüb, Bodensatz 0,6 8 Ik.—| 0 
+ feingekörnt, trüb 0,8 0 8 8 
+ gl. 1,2 8 6 @ 
+ gleichmäßig trüb, Bodensatz 0,5 8 Sk.—| 0 
+ deutlich gekörnt, klar 0,8 0 Ik.—| 0 
+ feingekörnt, trüb 0,3 @ Ik. — Sk. — 
— | gleichmäßige deutliche Trübung 0,4 8 Ik.—| 0 
— ‚deutlich gekörnt, trüb, etwas Bodensatz 0,8 (i 8 8 
+  ‚gleichmäß. gering getrübt, etw. Bodens». 0,8 8 8 8 
+ gleichmäßig gering getriibt, Bodensatz) 0,3 |runde, gering gez. Kol. im Zen- |Sk. — Sk. — 
| trum dichter, gelb durchschein., 
feingekörnt, fest zusammengef. 
= dgl. 0,5 (i 6 8 
— gleichmäßig deutlich getrübt, Bodensatz 1,2 6 8 ® 
= dgl. 0,8 8 8 8 
Æ deutlich gekörnt, klar 0,7 8 Ik. —| Ik. — 
= feingekörnt, klar 0,5 runde, glattrandige, feingekörnte | Ik. —| Sk. — 
Kol. im Zentrum etwas dichter, 
fest zusammengefügt 
= gleichmäßig feingetrübt, Bodensatz 0,5 wie Stamm Nr. 2 Sk. —| Sk. — 
— gl. 0,6 8 © o 
+ ” 0,4 runde, glattrandige, feingekörnte| ® |Sk. — 
| | gelbe Kol., fest zusammengefügt 
— (deutlich gekörnt, etwas trüb, Bodensatz 0,7 ® 9 8 
— gleichmäßig deutlich getriibt, Bodens. 0,5 Co) 8 8 
— | gleichmäßig fein getrübt, Bodensatz 0,8 6 8 8 
SEs M dgl. 0,5 runde, glattrand. Kol., feingek., | Ik. — | Sk. — 
im Zentrum etwas dichter, fest | 
| zusammengefügt 
— gleichmäß. leicht getrübt, etw. Bodens. 0,2 |runde, gering gezackte, feinkörn. | Sk. —| Sk. — 
Kol., gleichmäßig durchschein. 











bei der Unterscheidung von Xerosestämmen, die sich morphologisch nur 
sehr wenig von den schlanken, echten Di-Stämmen unterscheiden lassen. 

Hinsichtlich der verlängerten Gram -Färbung von Langer ver- 
hielten sich die Pseudodi-Stämme in den meisten Fällen grampositiv. 
Die Stämme der Gruppe Ila waren ausnahmslos grampositiv. Bei 
manchen Stämmen der anderen Gruppen beobachtete man neben gram- 
positiven auch häufig gramnegative Individuen. Stämme mit nur gram- 


1) Bei den Stämmen, die eine höhere Nummer als 72 haben, wurde die Säure- 
bzw. Alkaliprüfung in perona Bouillon ohne Traubenzuckerzusatz vorgenommen. 
lk. = Intrakutanmethode. Sk. — Subkutanmethode. 6 — Tierversuch nicht angestellt. 





48 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 





















































Tabel! 
Untergruppen vo 
1 2 3 | 4 5 | 6 |7|8/9!10 
© wo ly = Verbihin zu 
5 a | 2 ER aae 
2 2 Di 
in $ E] 4 jjs 
Herkunft Morphologie fy & ES 
5 D 5 4° 
= E bt |S 4 
H ‘© a > ë 
A 4 = u 
Gruppe IIb. 
79| Nase (Di-Kranker) kurz, plump, wirr u. parallel gelagert — + | + |-|+/+1- 
88 Nase (Ozaena) kurz, plump, unbestimmt gelagert +u— + | + |+ +l- 
111 Nase (Ozaena) kurz u. mittellang, wirr u. parallel gelagert |+ u—| + | +1-++)- 
Gruppe Ile. 
29 Nase (Säugl. kurz, plump, wirr u. parallel gelagert +u—|+u—| + |+1—|+|- 
72 Nase (Säugl. kurz u. mittellang, einzeln u. in Nestern gelagert +u.— +u.—| + |+/— +) — 
Gruppe 11d. 
23 Nase (Ozaena) kurz u. mittellang, plump, ohne best. Lagerg. | — + | + —|+|— 
32 Nase Du kurz u. mittellang, plump, einzeln liegend + ++ 
38 | Trachea einer Leiche |mittell., starr, parallell u. hintereinander gelagert ++ | + | + |— =iF> 
50 | Rachen (Di-Kranker) kurz, plump, wirr und parallel = + b= 
52| Rachen (Säugl.) dgl. = + | + 1--1+1- 
76c Nase (Ozaena) 5 = + | +|-|—+| 
78 Nase (Säugl.) = + | + /-|-l4/- 
81 Cervix A = ge "pelle 
96 Nase (Säugl.) = = + Hi) 
Gruppe Ile. 
8 Nase (Ozaena) sehr kurz, plump, ohne bestimmte Lag. _ + + |-|—|—)- 
10| Nase (Ozaena) dgl. a +, (alters 
42 Vagina kurz, plump, wirr, parallel gelagert — + | + |-—-|-|- 
84 |Nase (gesunde Person) kurz, plump, ohne bestimmte Lag. +u.—+u—| + |-|—|— - 
97| Nase (Säugl.) kurz und mittellang, wirr, parallel tae ae a Le a ea oe s 
112 Nase (Säugl.) kurz, plump, wirt, parallell = + | + Hj- 
113 |Auge (Conjunctivitis) dgl. = 4 lapja 

















negativem Verhalten konnte ich nicht beobachten. Bei den Di-B. habe 
ich bereits erwähnt, daß wir auch dort neben gramnegativen auch 
mehr oder weniger deutlich grampositive gefärbte Stäbchen fanden. 
Danach kommt der Gram-Färbung nach Langer für die Differen- 
zierung der beiden „Arten“ nur eine beschränkte Bedeutung zu. 





E aa a A BA 





in Hammelblut- 





Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 


TII. 
%eudodi-Stämmen. 







Wachstum in Bouillon 


bouillon 


14 
Säuregrad 


zucker- 
bouillon !) 





Wachstum der Kolonien auf 
Glyzerin-Agar (Kolon.-Typen) 





| 


=. 


N getrübt, etwas Bodensatz 
gleichmäß. deutl. Trübung, Bodensatz 





gleichmäßig feine Trübung, Bodensatz 


feingekörnt, trüb, Bodensatz 
feingekörnt, klar, Bodensatz 


feingekörnt, trüb, etwas Bodensatz 


gleichmäßig getrübt, Bodensatz 
feingekörnt, ige Ka Bodensatz 


gl. 
gleichmäßig gerübt, Bodensatz 
gl. 


[+HH | | 


feingekérnt, geringe Triibun 
grobgek., klar, spatere Häutchenbildg. 


+ | 


feingekörnt, trüb, Bodensatz 
gleichmäß., deutl. getrübt, etwas Bodens. 
feingekörnt, trüb, etwas Bodensatz 
feingekörnt, klar 


ii 


grobgek., trüb, Bodens., Häntchenbild. 


grobgekörnt, klar 





fein getrübt, Bodensatz, 


gleichmäßi 
| Hautchenbildung 


‘© 


oS22H00 o 
& & AIO CO 


+ 


LS 
ato 











lattrand., feingek. Kol., 


runde, satan 
chter 


im Zentrum etwas 


8 
unregelmäß., runde, gering ge- 
zackte Kolon., feingekörnt, Ban. 
durchscheinend, fest zusammen- 
gefügt 


runde, glattrand., gelbe Kolon., 
feingek., fest zusammengefügt 
8 


8 
8 
6 


6 
runde, glattrand., feingek. Kol. 
gleichmäß. grau durchscheinen 
wie Stamm 72 
runde, gering gezackte Kolon., 
feingek., gleichmäßig durschein. 


(2 
8 


8 
runde, gering gezackte Kolon., 
im Zentrum dichter als am Rand, 
feingekörnt 
gleichmäß. runde, feingek. Kol., 
im Zentrum dichter, fest zu- 


Sart eee Tae 
gering gezackte, runde Kolon., 
elb durchschein., feiugekörnt, 
im Zentrum dichter, fest zu- 
ere ca 
wie Stamm 97 





49 


16 






Virulenz für 


Meer- 
schweinchen 


® 6 
Ik. — Sk. — 
Sk. =] ® 

8 e 
Sk. — Sk. — 

® 8 
Ik.—| 0 

® 8 

8 8 
Sk. —| € 
Ik. — Sk. — 
Sk. — Sk. — 
Jk. —| Sk. — 
Sk, —|Sk. — 
Ik.—| © 
Ik. — Sk. — 

8 8 
Sk. — Sk. — 
Ik. — Sk. + 
Ik. — Sk. — 
Sk. — Sk. — 





Aus dem morphologischen und färberischen Verhalten der Pseudo- 
di-B. ist, wie wir gesehen haben, eine strenge Trennung von Di-B. nicht 


1) Bei den Stämmen, die elne höhere Nummer als 72 haben, wurde die Säure- 


bzw. Alkaliprüfung in gewö 
Ik. = Intrakutanmethode. 


Erste Abt. Orig. Bd. 101. 


Heft 1/3. 


Sk. = Subkutanmethode. 


4 


hnlicher Bouillon ohne Traubenzuckerzusatz vorgenommen, 
8 == Tierversuch nicht angestellt. 


50 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


immer möglich; auch für eine Gruppeneinteilung treten brauchbare 
charakteristische Merkmale nicht hervor. Wir müssen deshalb auch 
bei den Pseudodi-B. versuchen, aus ihrem biologischen Verhalten auf 
den verschiedensten Nährböden Antwort auf unsere eingangs gestellten 
Fragen zu erhalten. Das Ergebnis dieser Untersuchungen ist in vor- 
stehender Tab. VII und VIII (Gruppeneinteilung aller Pseudodi-Stimme) 
wiedergegeben. 

Wir sehen zunächst, daß sich auf Grund ihres biologischen Ver- 
haltens die Pseudodi-Stämme wohl von den echten Di-Stämmen trennen 
und daß sich, wie bei den Di-B., aus dem Verhalten bestimmter Zucker- 
arten gegenüber verschiedene Gruppen unterscheiden lassen. 


II. Die physiologischen Leistungen und serologischen Reak- 
tionen der Pseudodi-B-Stämme. 


1) Pseudodi-Stämme ohne Variationen. 


Zunächst ist eine Gruppe Ila Tab. VII von 26 Stämmen zu nennen, 
von denen 16 aus der Nase von Ozaenakranken gezüchtet wurden, 
7 aus der Nase von nicht Di-kranken Kindern, 2 aus der Nase von 
Di-Kranken und 1 Stamm aus dem Rachen eines Rindes; außerdem 
gehören zu dieser Gruppe 5 Stämme aus Wunden von Pferden, doch 
werden diese Stämme später in einem besonderen Abschnitt näher be- 
sprochen. 

Die Neißer-Präparate von einer 24stünd. Loeffler- Kultur 
zeigten in 4 Fällen polgefärbte, in 11 neben nicht polgefärbten ver- 
einzelte polgefärbte und in weiteren 11 Fällen nur nicht polgefärbte, 
kurze, selten längere, starre Stäbchen, einzeln, in Nestern, parallel oder 
unbestimmt gelagert. Auf Glyzerinagar wuchsen die Stämme bereits 
in 24 Std. als saftige, weißgraue Kolonien, die im Zentrum etwas 
dichter waren als am Rand; der Rand war glatt oder nur ganz gering 
gezackt. Auf gewöhnlichem Schrägagar bildeten die Kolonien einen 
konfluierenden Bakterienrasen. 

Auf Natr. oleinic.-Agar zeigten die meisten Stämme deutliches 
Wachstum, nur 3 Stämme wuchsen schwach. Von den Zuckernähr- 
böden wurden Maltose, Lävulose und Saccharose ausnahmslos vergoren, 
1 Stamm bildete aus Saccharose nur schwach Säure Den Thiel- 
schen Nährboden veränderten 23 Stämme nicht, 2 Stämme zeigten nur 
schwache und 1 Stamm deutliche Rötung. Ferner wuchsen 15 Stämme 
nicht anaérob im Traubenzuckerstich, 9 jedoch zeigten schwaches und 
2 deutliches Wachstum längs des Stichkanals. Hämotoxisch waren von 
den 26 Stämmen nur 8; 3 lösten teilweise die Blutkörperchen, 15 waren 
anhämotoxisch. In Bouillon verursachten 18 Stämme mehr oder 
weniger deutliche Trübung, am Boden des Reagenzglases bildete sich 
ein Niederschlag von Bakterienhaufen. 7 Stämme wuchsen feinkörnig 
und trübten ebenfalls die Flüssigkeit, nur 3 Stämme zeigten mehr oder 
weniger deutliche Granula, die Bouillon blieb jedoch klar. Der Grad 
der Säurebildung bei Verwendung von Traubenzuckerbouillon schwankte 
zwischen 0,3—1,2 n/10 NaOH, im Mittel 0,6; in gewöhnlicher Bouillon 
zwischen 0,2—0,8. Die Pathogenitätsprüfung fiel bei Meerschweinchen 
in 13 untersuchten Fällen negativ aus, bei weißen Mäusen in 8 Fällen. 
Positiver Ausfall wurde niemals beobachtet. 

Schon das morphologische Aussehen der zu dieser Gruppe gehörigen 
Stämme berechtigt uns, sie von den echten Di-Stämmen zu trennen. 


Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 51 


Besonders charakteristisch ist ihr biologisches Verhalten auf den Zucker- 
nährböden (Maltose, Lävulose, Saccharose werden vergoren), ihr Wachs- 
tum auf Natr. oleinic.-Agar und der negative Ausfall der Tierversuche. 
Dieses Verhalten gestattet uns ohne weiteres diese Stämme zur Gruppe 
der Pseudodi-B. zu rechnen, wenn auch bezüglich anaérobem Wachs- 
tum und Hämolysinbildung zweifelhafte Ergebnisse vorliegen. Wollte 
man diese Stämme dennoch zur Gruppe der Di-B. rechnen, so müßte 
man das grampositive Verhalten bei der Langerfärbung, das Wachstum 
auf Natr. oleinic.-Agar und die Fähigkeit Saccharose zu vergären 
als gleichzeitige Plusvariationen ansehen. Diese Plusvarianten bei den 
Di-B. sind aber häufig tierpathogen, unter 6 solchen Stämme befanden 
sich bereits 3. Von den 26 Pseudodi- Stämmen waren aber, soweit 
untersucht, alle Tierversuche negativ. Auch aus diesem Grunde müssen 
wir die erwähnten Stämme zu den Pseudodi-B. rechnen. 


b) Minusvarianten C. 

9 Stämme einer zweiten Gruppe (IId Tab. VIII) waren folgender 
Herkunft: 1 Stamm (81) von der Cervix, 1 (38) von der Tracheal- 
schleimhaut eines an Di-verstorbenen Patienten, 2 aus der Nase von 
Ozaenakranken, 4 aus der Nase von nicht Di-kranken Kindern und 
1 Stamm (50) aus dem Rachen eines Di-Kranken. Im Neißer- 
Präparat zeigten 8 Stämme kurze, plumpe, nicht polgefärbte, parallel, 
einzel oder atypisch gelagerte Stäbchen, 1 Stamm (38) mittellange, 
schr stark polgefärbte (Polfärbung nahm fast den ganzen Bazillenleib 
ein), einzeln, parallel und zu 2 hintereinander liegende Stäbchen. Das 
morphologische und kulturelle Verhalten der 9 Stämme war, wie folgt: 
Langer-Färbung grampositiv, auf Glyzerinagar bildeten die Stämme 
runde, feingekörnte und gleichmäßige, gelb durchscheinende Kolonien mit 
regelmäßigem Rand. Auf Natr. oleinic.-Agar wuchsen sie deutlich, 
Maltose und Lävulose wurden im Gegensatz zu den Stämmen der 
vorigen Gruppe nicht vergoren, aus Saccharose wurde hingegen Säure 
gebildet. Der Thielsche Nährboden wurde von 5 untersuchten 
Stämmen nicht gerötet; 3 Stämme wuchsen anaérob, 2 nur schwach, 
4 überhaupt nicht. Weiter waren 5 Stämme anhämotoxisch, 2 zeigten 
schwache und 2 deutliche Trübung und Bodensatz, 4 andere bildeten 
feine Granula und geringe Trübung, 1 Stamm ließ die Bouillon klar, 
zeigte jedoch grobe Körnelung. Der Säuregrad betrug bei 5 Stämmen 
bei Verwendung von Traubenzuckerbouillon 0,5—1,0 n/10 NaOH, im 
Mittel 0,8. Auch in gewöhnlicher Bouillon bei 4 Stämmen 0,4—0,9, im 
Mittel 0,6 n/10 NaOH. Mit 5 Stämmen wurden Meerschweinchen- und 
mit 4 Mäuseversuche angestellt. Sämtliche ergaben negativen Ausfall. 

Im Agglutinationsversuch erwiesen sich die Stämme ebenfalls als 
zur Gruppe der Pseudodi-B. gehörig (s. Tab. IX). Mit dem I.S. 107 
und 100 agglutinierten die Stämme 32 und 96 bei der Verdünnung 
1:60 spurweise, der Stamm 50 überhaupt nicht. Das Pseudodi-I. S. 96 
agglutinierte den homologen Stamm bis 1:3200, die. Stämme 32 und 
50 bis 1:800. Immunobiologisch sind also diese Stämme wohl von den 
Di-B. zu trennen, nicht aber von den Pseudodi-B. der vorigen Gruppe. 
Von diesen unterschieden sie sich jedoch morphologisch, indem sie keine 
Polkörperchen bildeten (Stamm 38 bildete allerdings’ eine Ausnahme), 
und biologisch, indem sie Lävulose und Maltose nicht vergärten. Man 
kann deshalb die Stämme dieser Gruppe als doppelt Minusvarianten 
von den Pseudodi-Stämmen der 1. Gruppe (IIa) ansehen. 

4* 


52 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 



































Tabelle IX. 
Agglutinationen der Pseudodi-Stämme der Gruppe IIa mit Di- I.S. 107. 
Stamm | 1:50 | 1:100 | 1:200 | 1:400 | 1:800 | 1:1600 | 1:3200 | Kochsalz- 
la + _ — — — — — — 
33 + — | — — — — — — 
45 — — — — — — — — 
98 =. = = = = = — = 
Gruppe Ila mit Di-I. S. 100 
la = = = = = = = = 
33 = => = = cz = = = 
45 — — — — — -- — — 
98 = — Ea to — — — — 
Gruppe IIa mit Pseudodi-I. S. 96. 
la + + + + + = = — 
33 + + + + + — = = 
45 + + + + + + — — 
98 + + + + + = = = 
Agglutinationen der Stämme von der Gruppe Ild mit Di- I.S. 107. 
32 + _ _ _ — — — — 
50 — — — -—- — — — - 
96 + — — -- _ — — — 
Gruppe IId mit Di- I.S. 100. 
32 + — — — — 
50 — — — — — — — — 
96 + — — — — — 
Gruppe IId mit Pseudodi- I.S. 96. 
32 + + + + + = = == 
50 + + + + + = = = 
96 + + + + + + + — 
Agglutinationen der Stämme von der Gruppe Ile mit Di-J. S. 107. 
97 + — — — — -- _ | — 
113 + + _ = = = = La 
Gruppe lIe mit Di- I.S. 100. 
97 — — — = = — = | = 
113 — — — — =é = = == 
Gruppe Ile mit Pseudodi- I.S. 96. 
97 + + + + + — — | — 
113 + + + + + + > 




















c) Minusvarianten D. 


Eine weitere Gruppe (Ile Tab. VIII) von 7 Stämmen, von denen 
1 Stamm aus der Vagina, 1 von der entzündeten Conjunctiva, 2 aus 
der Nase von Ozaenakranken und 3 aus der Nase von nicht Di-kranken 
Kindern stammten, zeigte noch weitere Minusvariationen, indem sämt- 
liche Stämme außer Maltose und Lävulose auch Saccharose nicht ver- 
gärten. Außerdem zeigten 3 von den 7 Stämmen nur schwaches Wachs- 
tum auf Natr. oleinic.- Agar. Auch auf Glyzerinagar wuchsen die 
Stämme nur langsam und schwach. Der Thielsche Nährboden wurde 
nicht gerötet, das Anaérobenwachstum war bei 5 Stämmen schwach, 
bei 2 fehlte es vollständig. 2 Stämme zeigten hämotoxische Eigen- 





Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 53 


schaften, die anderen 5 waren anhämotoxisch. In Bouillon wuchsen 
2 Stämme gleichmäßig trüb, 2 feinkörnig, trüb mit Bodensatzbildung 
und 3 Stämme bildeten feine und grobe Granula, die Flüssigkeit klar 
lassend. 

Im Meerschweinchenversuch waren 5 Stämme apathogen, im Mäuse- 
versuch 3 Stämme, die anderen Stämme kamen nicht zur Unter- 
suchung. Das kulturelle Verhalten dieser 7 Stämme entspricht ganz dem 
Verhalten der echten Xerosebazillen, indem keine der Zuckerarten 
verändert wurde. Die Tierversuche fielen negativ aus. Daß es in der 
Tat echte Xerosestämme waren, möchte ich mit Ausnahme des Stammes 
113, der aus dem Auge gezüchtet wurde, nicht annehmen, da diese 
Stämme aus der Nase und Vagina stammten. Es dürfte sich vielmehr 
um zur selben Gruppe wie die Xerosebazillen gehörige Stäbchen handeln. 
Auch hier zeigten die Agglutinationsproben (s. Tab. IX) mit den 
beiden Stämmen 42 und 113 ihre Zugehörigkeit zur Gruppe der 
Pseudodi-B. Das Di-I.S. 107 agglutinierte die Stämme bis 1:50 
schwach, das Di-I.S. 100 überhaupt nicht und das Pseudodi-I.S. 96 
noch in der Verdünnung 1:800 bzw. 1600 schwach. Ein Unterschied 
in den Agglutinationen gegenüber den vorhergehenden Gruppen ist 
auch hier nicht zu konstatieren. 

Die Stämme dieser Gruppe bilden die letzten meiner Gruppen- 
einteilung, da sie am stärksten variiert sind. Es handelt sich um 
Minusvarinanten, die sich durch Verlust von 3 Eigenschaften: Ver- 
gärung der Maltose, Lävulose und Saccharose von den Pseudodi- 
Stämmen der Gruppe Ila unterscheiden. Wir können annehmen, da 
sie die meisten biologischen Funktionen verloren haben, daß es sich um 
atrophische Mißbildungen (Braun) oder um Erschöpfungs- oder kach- 
ektische Zustände (Börnstein) handelt, auch wuchsen die meisten 
dieser Stämme nur spärlich auf Nährböden und gingen sehr leicht ein. 
Mit dieser allgemeinen Schwächung der Wachstumsenergie scheint auch 
die Entwicklungsmöglichkeit, welche weitere neue Typen entstehen 
läßt, bei diesen bereits absterbenden Stämmen immer mehr zu erlöschen. 

Besondere Erwähnung bedarf der zu dieser Gruppe gehörige 
Stamm 97. Sogleich nach der Reinzüchtung aus der Nase eines nicht 
Di-kranken Kindes handelte es sich um kurze, plumpe, parallel und 
palisadenartig gelagerte Stäbchen ohne Neißersche Polfärbung. Die 
verlängerte Gramfärbung nach Langer zeigte neben grampositiven 
Exemplaren auch einige gramnegative. Das Wachstum auf Natr. 
oleinic.-Agar war deutlich; Maltose, Lävulose und Saccharose wurden 
nicht vergoren, der Thielsche Nährboden wurde gerötet und getrübt, 
das anaérobe Wachstum war schwach und die Hämolysinbildung deut- 
lich. Die Bouillon wurde grobkörnig geflockt, leicht getrübt, ferner 
geringer Bodensatz und ein Häutchen gebildet. In Traubenzucker- 
bouillon wurde Alkali gebildet, Titration am 5. Tag der Bebrütung 
0,2 n/10 H,S0,. Auf der Glyzerinplatte wuchsen die Stäbchen als 
gleichmäßig runde, feingekörnte, leicht erhabene Kolonien. Der Tier- 
versuch (Meerschweinchen) fiel negativ aus. 

Das biologische Verhalten dieses Stammes entsprach also den 
Stämmen der 3. Gruppe, nur die Rötung des Thielschen Nähr- 
bodens bildete eine Abweichung. Nach 11/, Jahren wurde das gleiche 
Wachstum auf den Zuckernährböden beobachtet. Als der Stamm jedoch 
nachgeprüft wurde, nachdem er 6 Monate in Aszitesflüssigkeit bei 370 C 
bebrütet war, sah man im Neißer-Präparat mittellange Bazillen mit 


54 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


Polfärbung an einem oder beiden Enden, parallel und auch Y-förmig 
gelagert, einzeln» Individuen zeigten Kolbenbildung. Von den Zucker- 
nährböden wurde jetzt außer dem Thielschen Nährboden auch die 
Saccharose vergoren; die Hämolysinbildung war allerdings verloren ge- 
gangen. Wir sehen also, daß der Stamm während seines Wachstums 
in der Aszitesflüssigkeit eine neue Eigenschaft erwarb und anderer- 
seits eine verlor; dadurch war er den Stämmen der Gruppe 2 gleich 
geworden. Es war somit ein Rückschlag von der 3. zur 2. Gruppe er- 
folgt. Eine ähnliche Beobachtung machte ich bei dem Pseudodi- 
Stamm 96. Als nach 11/, Jahren das Zuckervergärungsvermögen nach- 
geprüft wurde, zeigte sich, daß die Maltose schwach vergoren wurde, 
während früher aus Maltose keine Säure gebildet wurde. Eine ähn- 
liche Erscheinung konnte Grote bei einem Para-B-Stamm beobachten. 
Nach 1/, Jahr zeigte dieser Stamm die anfangs fehlende Maltosever- 
gärung wieder. Der Stamm war nur alle 3 Wochen auf Agar weiter- 
verimpft worden. Ferner konnte Radice einen Di-Stamm beobachten, 
der, als er aus der Wunde eines Patienten gezüchtet wurde, Saccharose 
nicht vergärte, auf Natr. oleinic.-Agar nicht wuchs und Meer- 
schweinchen-pathogen war; 6 Tage später desgleichen 15 und 13 Tage 
später nach der letzten Entnahme, zeigten die aus der Wunde ge- 
züchteten Stämme Vergärung der Saccharose, Wachstum auf Natr. 
oleinic.- Agar, der Tierversuch fiel jetzt negativ aus. Zweifelhaft 
bleibt freilich, ob das 2. und 3. mal derselbe Stamm reingezüchtet 
wurde. : 

Zusammenfassend kann man von diesen 3 Untergruppen der Pseudo- 
di-B. sagen, daß die meisten Stämme der Pseudodi-B. zur Gruppe Ila 
gehören. Durch Minusvariation entstand eine Gruppe von 9 Stämmen 
IId. Sie ist charakterisiert durch die mangelnde Polfärbung und Nicht- 
säurebildung aus Maltose und Lävulose. Durch weitergehende Minus- 
variation bildeten sich die Stämme der Gruppe Ile, zu der der Xerose- 
bazillus gehört. Keine der 3 Zuckerarten (Maltose, Lävulose und 
Saccharose) wurde von ihnen vergoren. 

Zwischen diesen wohlcharakterisierten Typen der einzelnen Gruppen 
finden sich allmähliche Uebergänge von einer Gruppe der Pseudodi-B. 
zur andern. So sehen wir z. B. einen Stamm (5), aus der Nase eines 
Ozaenakranken gezüchtet, der als Uebergang von der Gruppe Ila zur 
Gruppe IId gedeutet werden kann. Im Neißer-Präparat sieht man 
sehr kurze, plumpe, starre, polgefärbte Bazillen. Von den Stämmen der 
Gruppe Ila unterschied er sich nur durch die schwache Vergärung 
von Maltose, Lävulose und Saccharose, in den sonstigen Eigenschaften 
stimmte er mit denen der Gruppe Ila überein. 


d) Minusvarianten A. 

Als Uebergänge von der IJa-Gruppe zur IId-Gruppe müssen weiter 
die Stämme 79, 88, 111, Gruppe Ilb Tab. VIII, angesehen werden. Sie 
hatten die Fähigkeit, aus Maltose Säure zu bilden, ‚ebenso wie die 
Vertreter der Gruppe IId bereits verloren, Lävulose und Saccharose 
wurden jedoch noch vergoren. 


e) Minusvarianten B. 
2 weitere Stämme 29 und 72a (Uebergangsgruppen IIc Tab. VIII) 
aus der Nase von nicht Di-kranken Kindern gezüchtet, hatten ihre 
Fähigkeit, Lävulose zu vergären, schon ganz verloren, aus Saccharose 


Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 55 


bildeten sie noch schwach Säure, während Maltose noch deutlich ver- 
goren wurde. Diese letzten beiden Eigenschaften trennten die Stämme 
noch von der II. Gruppe (IId). 

Ein weiteres Zwischenglied bildet der Stamm 91. Er sollte eigent- 
lich weiter unten besprochen werden, ‘da es sich um einen Stamm 
handelte, der aus der Kastrationswunde eines Pferdes gezüchtet wurde. 
Aber seine Besprechung erfolgt zweckmäßiger an dieser Stelle, da er 
als Zwischenstufe zwischen der Gruppe IId und Ile anzusehen ist. 
Wir sehen im Neißer-Präparat kurze und mittellange, einzeln, par- 
allel und seltener hintereinander gelagerte, polgefärbte Stäbchen. Nach 
Langer färbten sie sich grampositiv, anaörob wuchsen sie nicht. Auf 
Glyzerinagar bildete der Stamm runde, mittelstark gekörnte Kolonien 
mit zackigem Rande. Die Kolonien waren klein, trocken, von matter Ober- 
fläche. Auf Natrium oleinicum-Agar wuchs der Stamm, wenn auch 
langsam. Dieses charakteristische Wachstum und das morphologische 
Aussehen berechtigt uns, den Stamm.als zur Gruppe Ile gehörig an- 
zusehen. Das Wachstum auf den Zuckernährböden ist jedoch mit 
Ausnahme der Nichtvergärung von Maltose und des Thielschen Nähr- 
bodens charakteristisch. Lävulose- und Saccharose-Lackmusnährböden 
wurden schwach gerötet. Es war also eine doppelte Plusvariation ein- 
getreten, der Stamm näherte sich damit der Gruppe IId. Auch besaß 
der Stamm die Fähigkeit Hämolyse zu bilden. Die Bouillon wurde 
feinkörnig getrübt und zeigte etwas Bodensatz. Die Säurebildung in 
gewöhnlicher Bouillon betrug 1,3 n/10 NaOH. Sehr eigenartig ist 
nun, daß eine mit 1 ccm 3mal 24stünd. Bouillonreinkultur geimpfte 
Maus nach 13 Tagen einging, während ein mit der gleichen Menge 
geimpftes Meerschweinchen am Leben blieb. Ob die Maus an einer 
Di-Infektion einging, ließ sich nicht entscheiden, ein weiterer Tier- 
versuch konnte nicht angestellt werden, da der an sich schon kümmerlich 
wachsende Stamm inzwischen eingegangen war. Der Zeitraum von 
13 Tagen ist verhältnismäßig lang und der Sektionsbefund ergab keine 
bestimmten Anhaltspunkte für einen Di-Tod. Allerdings haben manche 
Autoren (vgl. unter IIa) nach Injektion von Pseudodi-B. bei den Ver- 
suchstieren langsame Abmagerung, Marasmus und Tod nach mehreren 
Monaten beobachtet, so daß auch in diesem Falle der Tod durch die 
Pseudodi-B. verursacht sein kann. 

Wir sehen also, daß verschiedene Stämme Zwischenstufen von 
den Gruppen Ila und Ild und von Ild und Ile darstellen. Die Umwand- 
lung fand sich schon kurz nach der Reinzüchtung aus dem menschlichen 
Körper, so daß man annehmen kann, daß sie sich bereits im Organismus 
vollzogen hat. Um zu prüfen, ob Minusvariationen auch auf künstlichen 
Nährböden entstehen, prüfte ich nach 11/, Jahren noch einmal einen 
Teil der Stämme auf ihre Fähigkeit, die verschiedenen Zuckerarten 
zu vergären. Es fand sich, daß von 9 nachgeprüften Stämmen 3 sich 
verändert hatten. Stamm 56 hatte die Fähigkeit Maltose zu vergären 
vollständig verloren. Stamm 68 rötete nur noch schwach den Lävulose- 
nährboden und Stamm 2 bildete nur noch schwach aus Saccharose 
Säure, Maltose und Lävulose blieben jetzt unverändert. Von den 
Stämmen der Gruppe’ IId wurden 3 nachgeprüft, von diesen hatte nur 
1 Stamm (96) die Fähigkeit Hämolyse zu bilden verloren, sonst waren 
sie unverändert geblieben. Von den zur Gruppe Ile gehörigen Stämmen 
wurde nur einer nachgeprüft, der Stamm hatte sich nicht verändert. 
Von den Stämmen, die als Zwischenstufen von der Gruppe IIa und Id 


56 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


angesehen wurden, hatte Stamm 5 die Fähigkeit, Maltose, Lävulose 


und Saccharose schwach zu vergären, jetzt vollständig verloren, 
daß der Stamm die Eigenschaften der Gruppe Ile angenommen hatte. 


so 


Ein anderer Stamm 88 (Gruppe IIb) zeigte nur noch schwache Rötung 


Tabelle 
Di-Stämme, gezüchtet 





























bo bo Verhalten zu den | 
9| 3 Lackmus- 
£ E Zuckernährböden | 
Nummer Herkunft Morphologie a| "u olele 
der Stämme oa ER 5| 5 EE g g | g 2 
a | © 2213|5| 8 
2|8 Sysig |S) 3 | 
| E ern ne = = es = Z | 
Gruppe Ia 
13 Kastrationswundel. u. mt. schl. Y-förm. + |+u.—| — | + | + | — 
u. palisadenart. gelag. 
38 s. i dgl. +/+.,— — | + | +5 
42 Nackenbandfistel > + | — — |l 
44 Kastrationswunde 5 +| — = | 4| T 
100 » n + es + + + — 
108 » » + |jtu—| — |+|+1 — 
3 .| Piephake ( (Opr l. u. mt. schl., Y-förm.| + | — — + | — ee 
rationswunde) ju. palisadenart. gelag. 
Gruppe Ic 
13 Kastrationswunde dgl. +| — — | +) — 
Gruppe Id 
14 Kastrationswunde l. u. mt., Y-förmig u. + |+u.—| — ++ | + 
. palisadenart. gelag. 
43 ; dgl. +) - Jol] eye 
Gruppe La 
| | 
37 Kastrationswundek. und dicke pl. starr) + | + + =|+|s 
in Nest. einz. od. pali-| 
sadenartig gelagert | 
46 Wideristfistel dgl. + |+u.—| + +| tJ 
47 ” n a || © + | +) 73 
48 Kastrationswunde 5 +| + + /+1+1 + 
92 ; ; +, + | + ++ | + 
Gruppe IIb 
35 Kastrationswunde k., pl., einzeln u. in | + + + -|+| + 
| Nestern pelagert 
91 » dgl. +] + + | -|£| + 
Gruppe Id | 
45 Hufkrebs k. u. mt. einzeln paral-| + /+u— + — | — 
lel u. in Nestern gelag.| | 











l. — lang; mt. = mittellang; schl. = schlank; k. = kurz; pl = plump. 





Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 57 


des Lävulosenährbodens; die Fähigkeit Maltose zu vergären, hatte er 
bereits früher verloren. Der Stamm näherte sich also noch mehr der 
Gruppe IId. Die anderen 3 hierher gehörigen Stämme konnten nicht 
nachgeprüft werden, da sie inzwischen eingegangen waren. 


X 


sue Wunden von Pferden. 




















bildung in |Virulenz f 
ildung in |Virulenz für 
in ne Trauben- Meer- Bemerkungen 
zucker- |schweinchen 
bouillon 
feingekörnt, leicht 1,9 Sk.?**) **) Die Krankheitserscheinungen 
etrübt, Bodens. dieser Tiere waren nicht mit Sicherheit 
eingekörnt, klar 1,2 a ie im Sinne einer Tierpathogenität zu ver- 
grobgekörnt, klar, 2,0 Sk. 40 Std.}| werten; die Stämme waren bereits 2 bis 
leicht trüb 3 Mon. alt, als sie zur Injektion kamen, 
gleichmäßig trüb, 1:1 Sk. 35 „ +) es handelte sich wahrscheinlich um 
odens. schwach virulent gewordene Stämme. 
feingekörnt, klar 1,0*) Sk, nach 40 Std. t Bei den Tieren 13, 14 u. 38 sah man 
grobgk., klar, später 0,4*) Sk. nach | ander Injektionsstelleerbsen- bis bohnen- 
Häutchenbildung 8 Tagen + | große Knoten, keine Allgemeinerschei- 
feingek., klar, später 1,5 Sk. +?**) | nungen, beim Tier 3 Freßunlust, Haar 
Häutchenbilduug gesträubt. Tier wurde am 5. Tage p. i. 
etôtet. Injektionsstelle deutlich in- 
iltriert, Nieren und Nebennieren ge- 
feingek., klar, später 0,7 Sk. — schwollen, keine Zyanose der Neben- 
Häutchenbildung nieren. 

r PR *) Bei diesen Stämmen wurde die 
grobgekörnt, klar | | 2,2 Bk?) | Sur. bzw. Alkaliprüfung in Fleisch- 
gleichmäß. getrübt, 1,7 Sk. nach | Wasserbouillon ohne Zuckerzusatz vor- 

Bodens. 48 Sta. y | Benommen. 
Sk. = Subkutanmethode. 
. Ik. = Intrakutanmethode. 
gleichmäß. getriibt,| 0,6 Sk. — 
Bodens. 

dgl. 0,9 Sk. — 
gleichmäßig leicht 1,0 Sk. — 
getrübt, Bodens. 
feinkörnig getrübt, 1,4 Sk. — 

Bodens. 
gleichmäß. deutlich 0,3 Sk. — 
getrübt, Bodens. |n/10 H,SO, 
feingekörnt, trüb, 1,8 Sk. — 
Bodens. 

dgl. 1,3”) Ik. — 
gleichmäßig leicht 1,0 Sk. — 

getrübt 








58 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


Aus der Nachprüfung der im Dunkel bei Zimmertemperatur auf- 
bewahrten Stämme nach 11/, Jahren ergibt sich also, daß auch die 
Pseudodi-Stämme durch Fortzüchten auf künstlichen Nährböden Ver- 
änderungen im Sinne von Minusvariationen in ihrem biologischen Ver- 
halten zeigten. 


C. Corynebakterien, gezüchtet aus Wunden bei Pferden. 


1. Die morphologischen, physiologischen und sero- 
logischen Eigenschaften der verschiedenen Gruppen von 
Di-Stämmen. 


Die bisher besprochenen Di- und Pseudodi-Stämme waren aus dem 
menschlichen Organismus gezüchtet. In einer früheren Veröffentlichung 
berichtete ich gemeinsam mit Westhues über Di-, Di-ähnliche und 
Pseudodi-Stämme, die aus Wunden von Pferden gezüchtet wurden. 
Ueber ähnliche Befunde hatte bereits Petrie berichtet, wie ich bei 
nachträglicher Literaturdurchsicht feststellen konnte. Er konnte aus 
Wunden (ulzeröser Lymphangitis) bei Pferden und Mauleseln 12mal 
typische DiB. züchten. 5 Stämme erwiesen sich als meerschweinchen- 
pathogen. 

Wir fanden unter 70 untersuchten Fällen 12mal mittellange und 
lange, an einem oder beiden Enden nach Neißer polgefärbte Stäbchen, 
winklig gekreuzt oder palisadenartig liegend. Den bereits mitgeteilten 
12 Stämmen konnten in neuerer Zeit 2 weitere Stämme hinzugefügt 
werden, die sich morphologisch durch nichts von den übrigen Stämmen 
und von echten Di-B. unterschieden (s. Tab. X). In der Tabelle sind 
nur 10 Stämme angegeben, die übrigen 4 wurden biologisch nicht 
weiter geprüft. Nach der verlängerten Gramfärbung von Langer 
zeigten unter 10 Stämmen 6 gramnegatives Verhalten, bei 4 Stämmen 
fanden sich neben gramnegativen auch einzelne grampositive Keime. 
Ihr kulturelles Verhalten wurde auf Natrium oleinicum-Agar, auf den 
Zuckernährboden Maltose, Lävulose und Saccharose geprüft, außerdem 
wurde der Grad der Säurebildung in Traubenzuckerbouillon notiert. 
und der Tierversuch angestellt. Auf dem Natrium oleinicum-Agar 
wuchsen 9 Stämme nicht. Ein Stamm jedoch (100) zeigte nach 
wiederholter Prüfung immer schwaches Wachstum. Wir werden dieses 
abweichende Verhalten später noch kurz besprechen. Auf den Zucker- 
nährboden zeigten 5 Stämme das für echte Di-B. der Gruppe Ia 
charakteristische Verhalten, Maltose und Lävulose wurden vergoren, 
Saccharose dagegen blieb unverändert. 1 Stamm (44) jedoch vergärte 
Maltose nur schwach und die Stämme 3 und 19 ließen die Lävulose un- 
verändert. Wir können diese 3 Stämme als Minusvarianten ansehen, 
ähnlich den aus dem menschlichen Organismus gezüchteten Stämmen. 
Beim Stamm 19 war bereits eine doppelte Minusvariation eingetreten 
(fehlende Lävulosevergärung und Apathogenität); er verhielt sich also 
ähnlich wie die Stämme der Gruppe Ic). 2 andere Stämme (14 
und 43) können als Plusvarianten angesprochen werden, da sie aus 
Saccharose geringe Mengen Säure bildeten. Auch diese Plusvarianten, 
die wir zur Gruppe Id rechnen können, waren, wie wir gleiches bei 
einigen aus dem menschlichen Organismus gezüchteten Plusvarianten 


Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 59 


sahen, meerschweinchenpathogen. Allerdings waren auch, im Gegensatz 
zu den aus dem menschlichen Organismus gezüchteten Stämmen, mit 
Ausnahme des Stammes 19, die Minusvarianten der Pferdedi-Stämme 
im Tierversuch positiv. Ein Unterschied zwischen den beiden Minus- 
varianten der menschlichen und tierischen Di-Stämme bestand jedoch 
darin, daß bei den Minusvarianten der ersteren die Variation in der 
Nichtveränderung der Maltose bestand, während aus Lävulose Säure ge- 
bildet wurde, bei den Minusvarianten der Pferdedi-Stämme sahen wir 
Vergärung der Maltose, dagegen keine Veränderung der Lävulose. Ob 
dieser Beobachtung eine besondere Bedeutung, für den negativen bzw. 
positiven Ausfall des Tierversuches zukommt, lasse ich unentschieden. 


Wie bereits erwähnt, beobachtete ich nur einen Di-Stamm (100), 
der auch auf Natrium oleinicum-Agar schwaches Wachstum zeigte. 
Das senses: biologische Verhalten dieses Stammes auf Zuckernährboden, 
anaörobes Wachstum, das hämotoxische Vermögen entsprach durchaus 
dem der echten Di-B. Die Bouillon war feingekörnt, klar, am Boden 
des Röhrchens befand sich etwas Satz. Auf Glyzerinagar wuchs der 
Stamm in stark zerklüfteten, unregelmäßig berandeten, locker zusammen- 
gefügten, deutlich gekörnten und bläulich durchscheinenden Kolonien. 
Außerdem war der Stamm tierpathogen. Ein Meerschweinchen ging 
nach 40 Std. ein, ein 2. Tier, das mit Di-Immunserum vorbehandelt 
war, blieb gesund. Ein Kaninchen ging nach 5 Tagen ein und eine 
Maus nach 4 Tagen. Bei allen Tieren war der Sektionsbefund typisch. 


Der Agglutinationsversuch mit diesem Stamm hatte folgendes Er- 
gebnis: Das Di-I.S. 107 agglutinierte den Stamm bis zu einer 
Verdünnung 1:1600 schwach; das homologe Serum den Stamm eben- 
falls bis 1:1600 schwach. Das Pseudodi-1.8. 96 hingegen nur bis 
1:50 schwach. Alle Untersuchungen sprechen also dafür, daß der 
Stamm 100 ein echter Di-Stamm ist, der sich nur durch Plusvariation 
in einem Merkmal (Wachstum auf Natrium oleinicum-Agar) von den 
aus menschlichem Material gezüchteten Stämmen unterschied. Auch 
die anderen aus Wunden von Pferden gezüchteten Stämme sind, ob- 
gleich sie Minus- oder Plusvariationen oder beides zusammen zeigten, 
als echte Di-Stämme anzusehen, die weder für sich eine besondere 
Gruppe der aus dem menschlichen Organismus gezüchteten Stämme 
bilden, noch sich sonst irgenwie von diesen unterscheiden, wenn auch 
über ihre epidemiologische Bedeutung so gut wie nichts bekannt ist. 


2. Das morphologische und biologische Verhalten der 
Para-Di-Stämme. 


Im Zusammenhang mit der Besprechung der aus Pferdewunden 
gezüchteten Di-Stämme, bedarf es noch der Erwähnung einer anderen 
Gruppe von Corynebakterien, die von Lubinski als Paradi-B. be- 
zeichnet werden. Wir konnten 6 solcher Stämme reinzüchten (Tab. X). 
Es handelte sich um nach Neißer polgefärbte, häufig in Nestern 
oder palisadenartig gelagerte Stäbchen, oder auch um sehr dicke, 
plumpe, starre, einzel gelagerte Formen. Die Polfärbung war nach 
18 Std. bereits deutlich sichtbar. Nach Langer färbten sich alle 
Stämme grampositiv, nur 2 (45, 46) zeigten neben grampositiven 
auch einzelne gramnegative Formen. Auffallend schnell trat auf 
Loeffler-Serum, bereits in der 48stünd. Kultur eine Veränderung in 


60 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


der Form der Bazillen ein, sie wurden kürzer und nahmen kokken- 
ähnliche Gestalt an. Auf Glyzerinagar blieben die Stäbchen meist 
länger und zeigten mitunter auch keulenartige Anschwellungen. Ihr 
charakteristisches Verhalten auf Zuckernährböden äußerte sich darin, 
daß sie insbesondere Saccharose vergärten. Von den Stämmen 36 und 
47 wurde Maltose nur schwach vergoren, ebenfalls Saccharose vom 
Stamm 37. Es handelte sich auch hier wieder um schwache Minus- 
variationen, die beim Stamm 35 in der mangelnden Maltosevergärung 
bereits ausgesprochen waren. Beim Stamm 45 sehen wir sogar doppelte 
Minusvariationen, indem Maltose und Lävulose nicht vergoren wurden. 
Typisch war auch das Wachstum der Stämme auf Natrium oleinicum- 
Agar. Auf Loeffler-Serum wuchsen sie rascher und üppiger als Di-B. 
Das Anaérobenwachstum, die Art des Wachstums in Bouillon, Hämo- 
lysinbildung waren nicht spezifisch. Im Tierversuch verhielten sich 
die Stämme apathogen. : 

Vergleichen wir das kulturelle Verhalten dieser Paradi-Stämme 
mit den Stämmen der oben erwähnten Gruppen der Pseudodi-Stämme, 
so lassen sie sich alle zwanglos in obige Gruppierung einreihen. Die 
Stämme 37, 46, 47, 48, 92 gehören zur Gruppe Ila, die Stämme 35 
und 91 zur Gruppe IIb, und Stamm 45 zur Gruppe Ild. Hieraus 
ergibt sich. daß die Paradi-B. zu den Pseudodi-B. zu rechnen sind. 
Ob jedoch alle Pseudodi-Stämme der Gruppe Ila und IIb mit den 
Paradi-B. identisch sind, obschon sie morphologisch und kulturell 
gleiches Verhalten zeigen, erscheint fraglich. Für die Stämme, welche 
aus der Nase von nicht Di-kranken Kindern gezüchtet wurden, scheint, 
mir diese Annahme nicht berechtigt. Allerdings konnte auch Lubinski 
in der gesunden Nase, im Rachen, auf der Haut usw. Paradi-B. nach- 
weisen. Die aus der Nase von Ozaenakranken gezüchteten Stämme, die 
ca. 60 Proz. dieser beiden Gruppen ausmachen, können sehr wohl als 
Paradi-B. angesehen werden; zudem bietet der pathologische Prozeß 
in der Ozaenanase ähnliche Verhältnisse wie eine Wunde. 


Wenn viele, Autoren, Lubinski, Schmitz, Großmann - Ra- 
dice u. a. die Paradi-B. für Abkömmlinge von den echten Di-B. 
halten, so kann dem nicht ohne weiteres widersprochen werden. Groß- 
mann und Radice konnten einen allmählichen Uebergang von echten 
Di-B.zu Paradi-B.nicht nur in den von ihnen beimpften Wunden, sondern 
auch in 2 spontan infizierten Wunden genauer prüfen. Pesch konnte 
allerdings diese Beobachtung nicht bestätigen. Er fand, daß der Nach- 
weis neuer Formen auf mit Corynebakterien künstlich infizierten 
Wunden für Mutation nicht beweisend ist, da auch auf nicht infi- 
zierten Wunden Di-B. oder diphtheroide Bakterien auftraten. Ueber- 
gangsformen oder Aenderungen in der Virulenz in der einen oder 
anderen Richtung wurden von ihm nicht beobachtet. 

Aus meinen Untersuchungen ergibt sich, daß echte Di-B. durch 
bestimmte Einflüsse zwar so weit umgewandelt werden können, daß 
sie den Paradi- oder Pseudodi-B. ähnliche Eigenschaften annehmen 
können, doch sind diese Umwandlungen nie von Dauer, sondern kehren 
früher oder später in ihren Ausgangstyp zurück (Dauermodifikationen), 
während bei den von uns untersuchten Paradi-B. ein solcher Rückschlag 
nie beobachtet wurde, so daß hieraus sich wiederum eine strenge 
Scheidung gegenüber den echten Di-B. ergibt. Wenn zugegeben wird, 


Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 61 


daß aus Di-B. durch Minus- oder Plusvariationen Paradi-B. oder 
Pseudodi-B. entstehen können, so ist damit nicht ohne weiteres gesagt, 
daß umgekehrt aus den letzteren wieder echte Di-B. werden müßten. 
Denn diejenigen Faktoren, die veranlaßten, daß eine Variation stattfand, 
können ja noch fortbestehen und so einen Rückschlag verhindern, oder 
wenn die richtunggebenden Einflüsse aufgehört haben, ist oft gar kein 
Grund vorhanden, daß die früheren Eigenschaften wieder auftreten 
müssen, da der Bazillus als solcher auch mit oder ohne den früheren 
Eigenschaften fortbestehen kann. 

Einwandfreie Beobachtungen, daß aus Pseudodi-B. wieder echte 
virulente Di-B. wurden, liegen bis jetzt noch nicht vor. Eine Unmenge 
diesbezüglicher Versuche wurden bereits in der Literatur veröffentlicht. 
Ich erwähne nur die Versuche von Roux und Yersin, Gold- 
berger, v. Zupnik, de Simoni, Bernheim, Ladendorf u. a. 
Zwar gelang es, abgeschwächte, echte Di-B. auf Streptokokkenfiltraten 
wieder virulent zu machen, aber derselbe Versuch mit Pseudodi-B. 
schlug stets fehl. Trotzdem kann zugegeben werden, daß, wenn die 
geeigneten Bedingungen vorliegen, eine solche Umwandlung theoretisch 
möglich ist, nach Analogie der Beobachtung von Uhlenhuth und 
Zuelzer betreffs der Umwandlung einer Wasserspirochäte in die 
Spirochaeta icterogenes. 

Auch ergibt sich aus dem Vorangegangenen, daß dem serologischen 
Verhalten des Stammes allein nicht immer eine artdifferenzierende 
Bedeutung zukommt. Di-Stämme, die sich biologisch verändert haben 
und bestimmte Eigenschaften verloren haben, können deshalb von einem 
Immunserum, das mit typischen Di-B. hergestellt wurde, weniger stark 
agglutiniert werden als typische Stämme, ja wir haben sogar einen in- 
agglutinablen, serumfesten Stamm beobachtet. Aehnlich sind die Beob- 
achtungen von Spronck, Steenmeyer und Lubowski zu er- 
klären, daß es bisher nicht gelungen ist, mit Pseudodi-B. gegen Di-B. 
zu immunisieren. Zwar wurden verschiedentlich ‘Mitagglutinationen 
beobachtet, doch gingen sie nie über 1:100 hinaus und blieben weit 
hinter den spezifischen Reaktionen zurück. 


62 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


Nachdruck verboten. 


The rate of reduction of methylene blue by Bacillus 
coli in the course of the Bacteriophage phenomenon. 


[From the Laboratory of Bacteriology of the N. Y. H. Medical College 
and Flower Hospital—New York.] 


By Gregory Shwartzman, M. D. 
With 2 Figures in text. 


Introduction. 


It was reported in a previous paper by the author (1) that oxygen 
is able to modify the susceptibility of b. coli towards lytic principle. 
These observations suggested that the relation of the bacteriophage 
phenomenon to oxidation reduction of bacterial cells should be in- 
vestigated. 

The following studies embody observations upon the rate of me- 
thylene blue reduction by a susceptible strain of b. coli in the presence 
of lytic principle. 


Previous work. 


The reduction of methylene blue in the course of the bacteriophage 
phenomenon was studied recently by Gozony and Suranayi (2). 
These authors found that lytic principle is able to accelerate the rate 
of methylene blue reduction by a culture of bac. rattimors during 
the first two hours of incubation. This is due to a more rapid multi- 
plication in the presence of lytic principle during this period of time. 
From the third hour there is a progressive fall in the rate of reduction, 
which is coincident with rapid lysis. 

However, under experimental conditions imposed by these authors 
the bacteriophage phenomenon proceeded at very rapid rate, since 
they used a high concentration of lytic principle and a comparatively 
small inoculum. 

In the following experiments the course of the bacteriophage pheno- 
menon was of long duration. It was therefore possible to make obser- 
vations at short intervals over a long period of time. 


Experimental. 


The surface of a 24 hour old agar slant culture of a susceptible 
strain of b. coli was washed off with 6 cc. of meat infusion broth of 
pH 7.0 and the emulsion added to a flask containing 180 cc. of broth 
of the same pH. The culture was shaken for 2—3 minutes to insure 
even distribution of bacteria. 90 cc. of this culture was delivered into 
a flask and 1.8 cc. of 10-2 dilution of lytic principle was added. To 
90 cc. of the control culture remaining in the first flask 1.8 cc. of 10-2 
dilution of lytic principle previously boiled for 10 minutes was added. 
The fluid of these containers was, then, distributed in 3 cc. quanti- 


Shwartzman, The rate of reduction of methylene blue by Bac. coli ete. 63 


ties into a series of tubes 20020 mm. in size. 


These tubes were 


incubated at 37°. Before incubation and every 20 minutes thereafter 
the fluid of one tube of each type of culture was used for a count of 
viable micro-organisms and for determination of methylene blue re- 
duction time. Every hour, samples were taken out from the bacterio- 
phage cultures for determination of the lytic exponent of regenerated 
lytic principle by serial dilution in broth. It should be mentioned here 
that in determining the methylene blue reduction time 0.5 cc. of the 
sample was added to a small „Wassermann“ tube containing 0.05 of 
of 1:2500 dilution of Mercks medicinal methylene blue, the mixture 
was then covered with a layer of melted vaseline and kept in water 
bath at 45° until complete reduction was obtained. 
The following charts represent the results obtained. 











` | The rate of methylene blue reduction 
and the rate of bacterial growth in 
the absence of lytic principle 


aN Log, of 





Reduction 
=| time in Min 


Bacteria 





























Time of incubation in hours 
Fig. 1. 


1a 
ıon 


e rate of methylene blue reduction 
and the rate of bacterial growth in 
the presence of lytic principle 


Log. of 
Bacter: 





4 Reducti 
"time in M 
































ls. 


3 4 5 6 % 8 








0 1 2 


Time of incubation in hours 
Fig. 2. 


Chart I. 
The solid line represents the rate of reduction of methylene blue in dilution 


1: 25.000. 


“The- broken line represents the rate of bacterial growth. 


Chart II. 


1:25 


The solid line represents the rate of reduction of methylene blue in dilution 
.000. 


The broken line represents the rate of bacterial growth. 
Crosses at different parts of the broken line indicate the points at which samples 
for determination of lytic exponents were taken out. The value of E! is given above 


each gross. 


64 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


Discussion of results. 


By comparing charts I and II it will be observed that the rate 
of methylene blue reduction by b. coli is considerably modified in the 
presence of lytic principle. 

In fact, four different phases can be observed in such a culture 
under conditions employed in these experiments. 

I. On addition of lytic principle the rate of methylene blue re- 
duction becomes slower than in the control culture during the first 
30 minutes of incubation. The comparison of the number of cells in 
both cultures shows that the lytic principle is able to kill off a small 
number of cells soon after incubation. Calculations prove that the ob- 
served depression in reducing power can be easily explained on the 
basis of this fact. | 

II. The phase of depression is followed by a sudden increase in the 
reducing power of the lytic culture. The reduction time becomes shorter 
than in the control culture. This phase, which lasts for 2 hours, is 
parallel to a rapid increase in the number of cells exceeding considerably 
that of the control culture. Calculations show that the shorter reduction 
time of the lytic culture can be entirely explained by the presence of a 
larger number of living cells at this phase. 

III. In the third phase, which lasts 4 hours, there is a progressive 
increase in reducing power. The reduction time changes from 7 minutes 
to 3 minutes at the end of this phase. Moreover, it remains shorter 
that that of the control culture during all this period. But the 
characteristic feature of this phase, which is of considerable interest, 
is that the continuous increase in the reducing power is 
coincident with gradual lysis. 

IV. As lysis advances the reducing power of the lytic culture 
decreases and finally disappears altogether. 


Summary. 


Conditions were created which allowed observations on the reduction 
of methylene blue in lytic cultures over a long period at short intervals 
of time. 

These observations demonstrated the existence of four phases in 
the rate of reduction by these cultures; namely, the phase of depression 
due to slight and immediate lytic action of the bacteriophage; the phase 
of exaggerated reducing power—due to rapid multiplication of bacteria: 
the phase of progressive increase in reducing power coincident with 
gradual lysis, and the phase of fall in reducing power coincident with 
complete lysis. 


Bibliography. 


1) Shwartzman, Gregory, Studies on regeneration of bacteriophage. 
II. The influence of oxygen upon the behavior of B. coli towards lytic principle, 
(Journ. Exper. Med. Vol. 43. 1926. p. 743.) — 2) Gozony, L., and Suranyi, L, 
Reduktionsversuche mit Bakteriophagen. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 95. 
1925. S. 353.) : 


v. Preisz, Zwei eigenartige Varianten des Pestbazillus. 65 


Nachdruck verboten. 
Zwei eigenartige Varianten des Pestbazillus. 
Von Prof. Dr. H. v. Preisz, Budapest. 
Mit 1 Tafel. 


Wer sich mit Bakterien viel befaßte, konnte im Laufe der 
Zeit so manches sehen und beobachten, das auf eine beträchtliche 
Veränderlichkeit dieser Kleinwesen hinweist. Schon die Tatsache allein, 
daß es unter den am besten studierten pathogenen Bakterienarten kaum: 
eine einzige gibt, die eine scharf gekennzeichnete Art, und nicht eine 
Gruppe von Stämmen und Typen mit mehr oder minder abweichenden 
Eigenschaften darstellt, weist auf ihre große Variabilität hin. Die 
Zusammengehörigkeit solcher von einander nicht wenig verschiedenen 
Typen findet darin eine kräftige Stütze, daß sie gemeinsame, oder 
doch ähnliche pathogene Eigenschaften bekunden und sich verschiedenen 
immunbiologischen Reaktionen gegenüber ähnlich verhalten. Diese Er- 
kenntnis aber orientiert uns bei weitem nicht über die Grenzen der 
möglichen Variabilität dieser Kleinwesen. Denn sobald sich ein Bak- 
terium durch Verlust oder Gewinn auffallender Eigenschaften ver- 
ändert, so kann es im allgemeinen schwierig, ja oft unmöglich werden, 
seine Abstammung bzw. Zugehörigkeit festzustellen. Sind die so- 
genannten Pseudodiphtherie- oder Pseudotetanusbazillen solche Di- 
phtherie- bzw. Tetanusbazillen, die ihre Giftigkeit verloren oder aber 
eine solche noch niemals besessen haben? Ist der Paratyphusbazillus 
mit dem Typhusbazillus, sind gewisse chromogene Bakterien mit ähn- 
lichen, aber achromogenen Bakterien artfremd, oder sind sie nur Spiel- 
arten einer Spezies? 

Solche und ähnliche Fragen können nur durch Beobachtungen und 
Versuche im Laboratorium zufriedenstellend gelöst werden; diese allein 
können uns Aufschluß geben über die Weite und Grenzen der Vari- 
abilität dieser Kleinwesen, sie haben bereits bisher eine weitgehende 
Veränderlichkeit der letzteren erwiesen, die man in Anbetracht der 
Anspruchslosigkeit und rasch erfolgenden Vermehrung dieser Organis- 
men leicht verständlich finden kann. Die Anspruchslosigkeit hinsicht- 
lich Ernährung und sonstiger Lebensbedingungen der meisten Bakterien 
setzt allein schon eine bedeutende Anpassungsfähigkeit derselben voraus; 
ihre rasche Vermehrung unter günstigen Verhältnissen muß es ferner 
mit sich bringen, daß Veränderungen, denen im Laufe der Zeiten alle 
Lebewesen unterworfen, und die das Wesen dessen sind, was man mit 
dem Namen der Phylogenese bezeichnet, sich bei ihnen binnen viel 
kürzerer Zeiträume vollziehen, als bei Lebewesen, deren Generationen in 
größeren Zeiträumen aufeinander folgen. Man kann durch rasche 
Weiterimpfung auf geeigneten Nährböden binnen Tagen und Wochen 
eine Reihe von Generationen züchten, die bei höheren Lebewesen Jahr- 
hunderte und Jahrtausende beanspruchen würde. Dabei ist man noch in 
der Lage, die Bakterien unter allen erdenklichen Abänderungen des 
Nährbodens und aller äußeren Bedingungen beliebig künstlich fortzu- 
züchten. Es ist hieraus ersichtlich, daß für ein Studium der Variabilität 
nichts mehr geeignet sein kann, als diese einzelligen Mikroben; denn wie 

Erste Abt. Orig. Bd. 101 Heft 1/3. 


66 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


immer man sich Vererbung und Variieren von Eigenschaften der Lebe- 
wesen vorstellen mag, so viel ist wohl nicht zu bezweifeln, daß es vor- 
nehmlich, wenn nicht ausschließlich der Vermehrungs-, der Zeugungs- 
vorgang ist, wodurch in der Reihe der aufeinander folgenden Gene- 
rationen die Eigenschaften sich mehr oder minder rasch abändern und 
wodurch Rassen, Varianten und mit der Zeit auch neue Arten usw. 
entstehen. Sei die Art der Vermehrung eines Lebewesens einfache 
Spaltung (Schizogonie) oder aber eine geschlechtliche, so scheint eine 
derart gleiche Gruppierung und Zusammenstellung der lebenden, die 
Lebensfunktionen tragenden Teilchen, die stets ganz tibereinstimmende 
Eigenschaften des jungen Organismus zur Folge hätte, ein Ding der 
Unmöglichkeit zu sein. Ob dies bloß eine notwendige Folge der ver- 
schiedenen Kombinationen der lebenden Teilchen ist, oder ob dabei auch 
irgendein Naturgesetz, oder eine höhere Idee, ein Streben nach höherer 
Vollkommenheit oder Zweckmäßigkeit zur Geltung kommt, ist uns ver- 
borgen, gleichwohl unterliegt es keinem Zweifel, daß äußere Ursachen 
auf das Variieren von Lebewesen einen mehr oder minder ausgiebigen 
Einfluß auszuüben vermögen. Oft mag es scheinen, als wäre es eben 
lediglich die Aenderung der äußeren Bedingungen, die ein Variieren 
der Organismen auslöst; in der Tat aber dürfte es sich doch. so ver- 
halten, daß gewisse Aenderungen der äußeren Bedingungen be- 
schleunigend wirken auf Variationsvorgänge, ‘deren ein Organismus 
überhaupt fähig ist, die sich aber wahrscheinlich auch ohne jene Be- 
dingungen, wohl aber langsamer, abspielen können. 

Vermag eine Aenderung äußerer Bedingungen das Variieren von 
Lebewesen zu verursachen oder wenigstens zu beschleunigen, so muß 
diese Wirkung bei jenen Lebewesen am ausgiebigsten zur Geltung ge- 
langen, die ohne Gefährdung ihrer Lebensfähigkeit weitgehende Ver- 
änderungen ihrer Umgebung zu ertragen imstande sind und als solche 
kennen wir eben die Bakterien. Außer der raschen Vermehrung spielt. 
wohl dieser Umstand beim Variieren der Bakterien die wichtigste Rolle. 


Vor 24 Jahren habe ich über eigentümliche Gebilde älterer Bak- 
terienkulturen berichtet, nämlich über mohnkorn -stecknadelkopfgroße, 
warzenartige Erhabenheiten, die aus dem ursprünglichen (primären) 
Kulturrasen verschiedener Bakterienarten scharf umschrieben heraus- 
wachsen. Ich nannte diese Gebilde, die ich seitdem in mehr oder minder 
alten Agarkulturen fast aller Bakterien entstehen sah, sekundäre 
Kolonien und führte ihre Entstehung auf einzelne „Ausnahm e- 
zellen“ zurück, die sich inmitten von Millionen anderer Keime des 
Kulturrasens zu lebhafter Vermehrung anschicken und zwar oft erst 
zu einer Zeit, wo der primäre Kulturrasen sein Wachstum bereits ein- 
gestellt hat oder gar schon abgestorben ist 1). 

In der älteren, meiner diesbezüglichen Veröffentlichung voran- 
gehenden Literatur fand ich eine einzige Angabe, die sich offenbar auf 
eine ähnliche Beobachtung bezieht; Maurea und Germano sahen 
nämlich an alten Kulturen typhusähnlicher Bakterien, wie sie schreiben, 
folgendes: „Viele Kulturen der typhusähnlichen Bazillen zeigten in 
ihrer ganzen Ausdehnung supraponiert eine verschiedene Menge er- 
habener, runder Kolonien von derselben Transparenz und Färbung“; 

1) Studien über Morphol. u. Biol. des Milzbrandbazillus. (Centralbl. f. Bakt. 
Abt. I. Orig. Bd. 35. 1904). , 


v. Preisz, Zwei eigenartige Varianten des Pestbazillus. 67 


sie dachten an eine Verunreinigung der Kulturen und schließen mit den 
Worten: „Wir berichten hier nur die nackte Tatsache und geben von 
ihr keine Erklärung, weil wir bislang selbst noch keine solche gefunden 
haben 1)“. 

In der späteren Literatur ‘findet man diese sekundären Kolonien 
als .„‚Tochterkolonien“, ,,Knopfkolonien“, „Knopfbildung‘“, „Knopf- 
mutation“, „Sekundärvegetationen‘ benannt. 

Ich habe die Ausnahmezellen, denen die Sekundärkolonien ihre 
Entstehung verdanken, mit den Urzellen von Neubildungen, und die 
Sekundärkolonien selbst mit Neubildungen in Analogie gestellt und bei 
dieser Gelegenheit auch über die sekundären Kolonien eingehender be- 
berichtet 2). 

Gelegentlich langwieriger Studien konnte ich am Milzbrandbazillus 
weitgehendes Variieren beobachten; aus Pasteurschem Impfstoff gegen 
Milzbrand, so wie aus von mir selbst abgeschwächten Milzbrandkulturen 
konnte ich eine Reihe von Varianten züchten, deren Extreme ohne 
weiteres wohl von keinem Bakteriologen mehr als Milzbrandbazillen er- 
kannt würden. 

Die Richtung des Variierens kann naturgemäß eine sehr ver- 
schiedene sein, je nachdem die eine, oder die andere Funktion der 
lebenden Zelle eine Aenderung erfährt, oder mit anderen Worten, je 
nachdem, auf welche Funktion des lebenden Protoplasmas die innere 
oder äußere Ursache verändernd einwirkt; folglich kann sich die Vari- 
ation sehr verschiedentlich äußern. 

Im folgenden möchte ich über zwei eigentümliche Varianten des 
Pestbazillus berichten. 

Die zu schildernden Beobachtungen wurden an Kulturen eines 
Stammes von Pestbazillen gemacht, den ich im Frühjahre 1897 aus 
dem Institut Pasteur in Paris erhalten hatte und den ich durch jähr- 
lich beiläufig ein- oder zweimaliges Weiterimpfen auf Agar bis heute 
lebend erhalten hatte. Die Kulturröhrchen wurden stets durch Verschluß 
mittels Kautschukkappen gegen Vertrocknung geschützt. Derart aufbe- 
wahrte Agarkulturen enthielten oft noch weit über ein Jahr hin reich- 
lich lebende Keime. 


a) Pigmentbildende Variante. 


Zu Anfang Februar 1921 prüfte ich eine fast 21/, Jahre alte Agar- 
kultur (Kult. A); sie zeigte noch die typischen Pestkolonien mit dünnen, 
breiten, gezackten Rändern, doch war sie bestreut mit zahlreichen, bis 
mohnkorngroßen, erhabenen Knötchen von rauchgrauer bis schwarzer, 
oder bläulich schwarzer, tintenartiger Farbe. Diese schwarzen Knöt- 
chen vom Charakter sekundärer Kolonien waren vor einem Jahre in 
derselben Kultur noch nicht vorhanden. 

Zur gleichen Zeit sah ich in einem jüngeren (13/,jährigen), wahr- 
scheinlich vom ersteren abgeimpften Agarröhrchen (Kult. B) ebenfalls 
zahlreiche punktförmige, rauchgraue und schwärzliche Knötchen; außer- 
' dem zeigten sich auch solche sekundäre Kolonien am primären Rasen, 
die nur im erhabenen Zentrum schwärzlich erschienen, während ihre 
dünnen, gezackten Ränder farblos gewesen. 


= 1) E. Germano u. G. Maurea, Zieglers Beiträge. Bd. 12. 1892. 
2) Ueber die Entstehung der Neubildungen im Anschluß an eine Analogie, 
Zeitschr. f. ärztl. Fortbild. 1922. Nr. 5—6. 
5* 


68 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


Aus diesen beiden alten Kulturen gewann ich durch Ueberimpfung 
normal aussehende Kulturen, in denen später schwärzliche und schwarz- 
violette sekundäre Knötchen auftauchten, deren größte nach einem 
Jahre die Größe eines Hirsekornes erreichten (s. Fig. 1). Stellenweise 
waren die Ränder der primären Kolonien dunkelschwarz; und oft sah 
ich, bei weiterer Ausdehnung der Kolonien, aus diesen schwarzen 
Rändern wieder farblose, weißliche Säume herauswachsen. Die schwarzen 
Ränder pflegten zugleich üppiger zu sein, als ihre farblose Umgebung. 
Es kann sich hier nicht um ein nachträgliches Schwarzwerden irgend- 
einer Leukosubstanz handeln, denn die farblosen Säume blieben auch 
weiß und waren gegen die gefärbten zumeist scharf begrenzt. 

Bemerkenswert ist, daß die aus denselben alten Kulturen zu gleicher 
Zeit auf Löfflerschem Blutserum angelegten Kulturen noch nach 
20 Monaten farblos und glatt blieben, d. h. keine sekundären Kolonien 
aufwiesen. Ù 

In einer (aus der Kult. A stammenden) 350tägigen Agarkultur 
(Kultur C) war der oberste Saum schwarz und üppig (Fig. 2); nach 
weitern 262 Tagen hatte sich aus diesem schwarzen Rand ein farbloser, 
weißlicher, ziemlich breiter Saum vorgeschoben mit zahlreichen größeren 
und kleineren farblosen sekundären Knötchen (Fig. 3). Dieser Saum 
blieb auch später farblos, als die Kultur bereits über 4 Jahre alt ge- 
worden war. 

Kulturversuche zeigten, was ich bezüglich vieler anderen Bakterien- 
arten längst feststellen Konnte (s. l. c.), daß nämlich die Keime der se- 
kundären Kolonien jene des primären Rasens überleben; oft gelingt der 
Kulturversuch noch mit einem Knötchen, während der primäre Rasen 
in seiner nächsten Umgebung bereits abgestorben ist. 

Aus schwarzen Knötchen erhaltene Kulturen erzeugten nicht 
immer gefärbte sekundäre Kolonien. 

Nicht alle Bakterienzellen sind in gleicher Weise befähigt, sekun- 
däre Kolonien zu erzeugen; in einer Agarkultur, wo sich die wenigen 
Kolonien frei entwickeln und ausbreiten konnten, sah ich neben ganz 
glatten auch mit Wärzchen besäte Kolonien; erst nach langer Zeit 
tauchten in den glatten einige schwarze Punkte auf. 

Der Farbstoff fand sich zumeist auf die Bakterienmasse beschränkt, 
doch sah ich einige Male Kulturen, wo die ganze Masse des Agars 
rauchgrau verfärbt gewesen. 

Ich will bemerken, daß die aus pigmentierten sekundären Kolo- 
nien oder Rändern gezüchteten Kolonien sich anfangs durchaus so 
verhalten, wie gewöhnliche Pestbazillen; tritt Pigmentierung auf, so ge- 
schieht dies erst nach längerer Zeit, zumeist erst nach Monaten. 

Durch fortwährende Weiterzüchtung auf kiinstlichem Nährboden 
hat sonach dieser Stamm des Pestbazillus nach 21 Jahren die Fähig- 
keit gewonnen, einen schwarzen Farbstoff bildende Generationen zu er- 
zeugen. Ich darf behaupten, daß er diese Fähigkeit vordem nicht besaß. 
denn die Verimpfung geschah jedesmal durch mich eigenhändig und 
dabei besichtigte ich sowohl die alten, ‚wie die frischen Kulturen stets 

enau. 

J Nach dem Geschilderten äußert sich diese chromogene Eigenschaft 
fakultativ, so wie ja auch bei typisch chromogenen Bakterien. Es 
miissen wohl gewisse äußere oder innere Ursachen sein, welche die 
Farbstoffbildung ermöglichen oder unterstützen. Da es vornehmlich. 
in manchen Kulturen aber ausschließlich die sekundären Kolonien sind. 


v. Preisz, Zwei eigenartige Varianten des Pestbazillus. 69 


worin die Pigmentbildung sich äußert, so liegt es nahe, anzunehmen, 
daß die Farbstoffbildung auf einer biologischen Veränderung, einem 
veränderten Chemismus jener einzelnen Ausnahmezellen beruht, denen 
die sekundären Kolonien ihre Entstehung verdanken, dies wären sonach 
innere Ursachen. Jene mehr diffuse Verschwärzung der Kolonien bzw. 
Kulturränder dürfte jedoch eher durch äußere begünstigende Umstände 
ausgelöst werden, namentlich durch eine Aenderung der Konzentration 
und der chemischen Reaktion infolge von Eintrocknung des Nährbodens, 
ferner durch Aenderung des letzteren infolge von Verbrauch und Ab- 
gabe seitens der Kleinwesen und durch deren Zerfall. Auf diese Weise 
möchte ich es deuten, daß aus dem schwarzen Rande einer alten Kultur 
später (nach fortgesetzter Aenderung der Lebensbedingungen) abermals 
ein farbloser Saum hervorsprießen kann. 

Wie tiefgreifend diese Aenderung sein mag, die dieser Pestbazillus 
innerhalb von mehr als 20 Jahren erfahren mußte, läßt sich in Er- 
mangelung einer Kenntnis der Zusammensetzung seiner Zellen und seiner 
Produkte nicht beurteilen; möglich, daß die Grundsubstanz zu dem Farb- 
stoff von jedem normalen Pestbazillus erzeugt wird und daß es nur 
einer geringfügigen Abnormität des Stoffwechsels bedarf, um aus der- 
selben ein schwarzes Pigment entstehen zu lassen. Jedenfalls offen- 
bart sich im geschilderten Fall eine ausgesprochene Tendenz zu vari- 
ieren. Nicht unmöglich, daß aus diesen alten Kulturen nach weiteren 
Jahrzehnten schwarze Varietäten entstehen, die ihre chromogene Eigen- 
schaft gar nicht mehr ablegen; ähnliches mag wohl auch in der 
freien Natur vor sich gehen können, wodurch chromogene Stämme ent- 
stehen, deren Abstammung vom Pestbazillus gar nicht mehr zu er- 
kennen ist, zumal wenn damit eine Einbuße der Virulenz Hand in Hand, 
geht. 


b) Schleimig quellende, rasch absterbende Variante. 


Aus der oben mit C bezeichneten Kultur, als sie 620 Tage alt war, 
wurden frische Agarröhrchen besät, und zwar sowohl aus dem schwarzen 
oberen Teil, als aus dem farblosen und mit sekundären Knötchen be- 
säten Saum, der aus dem schwarzen Abschnitt nachträglich noch her- 
vorgewuchert war. Die Aussaat aus dem schwarzen Abschnitt blieb 
steril; aus dem weißen Saum wuchsen langsam, bei 37° erst nach. 
2 Tagen sichtbar werdende Kolonien von verschiedenem Aussehen und 
zwar nach 2tägigem Wachstum bei 37° und 8 Tagen bei Zimmer- 
temperatur: 

a) Zahlreiche kleine, höchstens 1 mm breite, fast halbkugelig er- 
habene, schleimtröpfchenartig durchscheinende, runde und glattwandige 
Kolonien von fadenziehender oder zähschleimiger Konsistenz; sie lassen 
sich oft auf der Agarfläche fortschieben oder von ihr im ganzen abheben ; 

ß) einige 2—3mal breitere, abgeflachte weißliche Kolonien mit un- 
ebenen Rändern und von nicht schleimiger Konsistenz; 

y) kleine (0,2—0,3 mm im Durchmesser), nur mit der Lupe wahr- 
nehmbare, so viel wie gar nicht erhabene kreisrunde Scheibchen, die 
sich auf der glänzenden Agarfläche eigentlich bloß durch ihre Matt- 
heit erkennen lassen (s. in Fig. 4). Es sind dies nichts mehr, als die 
Schatten abgestorbener Kolonien, über deren Entstehung später noch 
gesprochen werden soll. 

Noch mehr, als in ihrem kulturellen Verhalten, unterschieden sich 
die beiden Typen « und ß unter dem Mikroskop voneinander. Kleine 


70 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


Kulturteilchen wurden mit stark verdünnter Karbolfuchsinlösung zer- 
rieben und zwischen Objekt- und Deckglas untersucht. Ein solches 
Präparat aus ß zeigte lauter kürzere und längere, hier und da ein 
wenig aufgetriebene Bakterienformen ohne jede Interzellularmasse. 

Die Kolonien ß entsprachen sonach auch mikroskopisch ziemlich 
dem normalen Bilde des Pestbazillus. Dagegen waren im Präparat aus 
a-Bakterienformen kaum zu sehen, dafür aber massenhaft unbestimmte, 
offenbar von Bakterienzellen stammende Formelemente. 

Der Gedanke lag mir nahe, die schleimige Konsistenz der +-Kul- 
turen durch eine übermäßige Erzeugung von Schleimhüllen zu erklären, 
wie ich es bei den schleimigen Varietäten des Milzbrandbazillus be- 
obachten konnte, da ja der Pestbazillus — wie man sich davon z. R mit 
dem Löfflerschen Geißelfärbungsverfahren überzeugen kann — oft. 
von dicken, schleimartigen Hüllen umgeben ist. Nachdem ich jedach 
an den Zellen der «-Kulturen weder durch Färbung, noch durch die 
viel schonendere Tuschemethode Kapseln nachzuweisen vermochte, so 
zweifelte ich nicht, daß die schleimige Substanz, so wie die im mikro- 
skopischen Bilde sichtbaren Gebilde von den Zelleibern herstammten; 
darauf weist ja auch schon der Umstand hin, daß in Präparaten von 
selbst noch jungen «-Kulturen als solche erkennbare Bakterienformen 
oft nur sehr spärlich, oder gar nicht mehr zu finden waren. 

Durch Untersuchung von «-Kulturen verschiedenen Alters konnte 
ich mir beiläufig eine Vorstellung machen von den Vorgängen in den- 
selben (s. Fig. 5—7). 

Aus einer 24stündigen Agarkultur mit kaum sichtbaren, noch nicht 
schleimigen, sondern eher dünnflüssigen Kolonien zeigte ein ange- 
trocknetes und mit Karboltoluidinblau gefärbtes Präparat abnorm dicke, 
plumpe Bazillen- und Schlangenformen, deren einzelne hie und da helle, 
ungefärbte Teile aufwiesen in ihrer Mitte oder an den Polen; außer, 
d. h. zwischen ihnen sind keinerlei Gebilde zu sehen. Dieselbe, aber 
2 Tage alte und nun bereits zähschleimige Kultur bietet ein ganz anderes 
Bild; nur vereinzelt zeigen sich solche Bakterienzellen, wie in der 1- 
tägigen Kultur, außerdem wenige bedeutend größere kugelig oder wurst- 
artig geformte Gebilde (gequollene Zellen), der Hauptteil des Gesichts- 
feldes jedoch wird eingenommen durch Zerfallsprodukte der Zellen, 
vornämlich durch Schüppchen und Plättchen von allerlei Formen. 
die wohl den Häutchen der geplatzten Bakterienzellen entsprechen. 
ferner durch mehr oder minder große Körnchen und Schollen, wie sie 
auch im Innern der gequollenen Zellen anzutreffen sind. Ein anderes 
Mal traten in Kulturen von einigen Tagen die riesig gequollenen, sehr 
verschieden geformten (kugeligen, zitronen-, kaulquappen- etc. formigen) 
Zellen in den Vordergrund, die für den Farbstoff eine sehr verschiedene 
Affinität bekunden. Viele derselben enthalten eine oder mehrere, größere 
oder kleinere ungefärbte vakuolen-artige Kiigelchen, die den Innenraum: 
der Zellen fast ganz erfüllen, manche derselben aber sind in scholligem. 
Zerfall begriffen (Fig. 7). 

Sehr überraschend sind die Bilder, welche native Präparate (ein 
Teilchen Kultur in physiologischer Salzlösung unter Deckglas) dar- 
bieten; man sieht hier — außer sehr spärlichen, als gedunsene Bak- 
terien erkennbaren Formen — Felder, bestehend aus rundlichen oder 
infolge gegenseitigen Druckes stumpf polygonalen, zum Teil vacuo- 
lisierten Gebilden; es sind gequollene Bakterienzellen. Ein solches 
Bild hat viel Achnlichkeit mit gewissen metazoischen Geweben, nament- 


v. Preisz, Zwei eigenartige Varianten des Pestbazillus. 71 


lich mit Zellen, die Fett-, Schleim- oder Kolloidkugeln enthalten und 
auch der geübteste Bakteriologe dürfte darin kaum ein Bakterienpräparat 
vermuten. Ich selbst habe eine so kolossale Auftreibung der Zellen 
nur einmal bei einem Stamm des Pneumobac. Friedländeri gesehen; 
ähnliche Bilder aber bietet nicht selten auch die Bakteriophagie. Die 
großen, stark gequollenen Zellen besitzen eine dicke, doppelt kon- 
turierte Membran; an manchen sieht man letztere geborsten, wodurch 
die vakuolenartigen Kügelchen, so wie der übrige Zellinhalt frei werden. 
Die vakuolen-artigen Gebilde besitzen kein besonderes starkes Licht- 
brechungsvermögen; dennoch zeigt sich hierin zwischen den verschie- 
denen Vakuolen ein geringer Unterschied; auch sind diese nicht immer 
ganz homogen, denn sie können auch körnig oder schollig sein, was wohl 
auf ihre stoffliche Verschiedenheit ,hindeutet. Endlich sieht man in 
solchen Nativpräparaten zahlreiche nadelförmige feine Kristalle einzeln, 
oder in Bündeln und Sternen. ; 

Die «-Kolonien behielten das geschilderte kulturelle und mikro- 
skopische Verhalten auch in zahlreichen weiteren Generationen, nur 
erfolgt die Entartung und das Absterben der Keime nicht immer gleich’ 
rasch. 

Der Typus « weist sonach eine ganz auffallende Veränderung 
seiner biologischen Eigenschaften auf, die zu einer sehr raschen 
Entartung und zum Absterben, einer Art von Kolliquation der 
Zellen führt und vererbbar ist. Im Vergleich mit „normalen“ Pest- 
bazillen kann dieser Typus wohl als ein krankhafter bezeichnet werden, 
denn er trägt die Anlage seiner Kurzlebigkeit in sich und vererbt sie. 

Ob die für diesen Typus kennzeichnende zähschleimige Substanz 
von den Vakuolen oder einem anderen Bestandteile der entarteten Zellen 
herstammt, muß ich dahingestellt lassen. 

Der mikroskopisch nachgewiesene rasch verlaufende Entartungs- 
prozeß erklärt uns das Verhalten der Kolonien dieser Variante. Der 
Vorgang kann sich in wenigen Tagen abspielen, sämtliche Keime können 
in Kürze absterben; die anfangs mehr oder minder prominente, feucht 
glänzende Kolonie flacht sich nach Entartung und Berstung der Keime 
infolge Wasserverlustes ab und an ihrer Stelle bleibt ein mattes Scheib- 
chen zurück, das oft ein schwaches Irisieren zu erkennen gibt durch 
die erwähnten feinen Kristalle. Damit ist das Schicksal solcher Kolo- 
nien zu Ende; sie sind gänzlich abgestorben, sie sind steril, in ihnen 
ist auch mikroskopisch keine Bakterienform mehr nachzuweisen. Es 
sind die eingangs dieses Abschnittes als y-Kolonien bezeichneten 
(s. Fig. 4). 

Aber nicht alle Kolonien haben dieses Los gemein, denn in vielen 
derselben erheben sich alsbald nach dem Flach- und Mattwerden der 
ursprünglichen Kolonie hier und da aus ihr heraus allerkleinste, 
feucht glänzende Knötchen, die später sich mäßig ausdehnend in dieser 
Art bestehen bleiben. Es sind dies sekundäre Kolonien, entstanden aus 
solchen Nachkommen der krankhaft veranlagten Keime, die dem raschen 
Untergang aus irgendeinem Grunde, vielleicht zufolge größerer indi- 
vidueller Widerstandskraft entwischt sind (s. in Fig. 4); nichts desto- 
weniger sind auch sie krankhaft beanlagt, denn aus ihnen entsprießen ge- 
legenlich der Fortzüchtung wieder ganz oder teilweise absterbende Kolo- 
nien. Oft tauchen solche sekundären Knötchen rings am Rande auf, zer- 
schmelzen miteinander und umgeben wallartig die abgestorbene Mitte der 
Kolonie. 


72 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


Dies ist wohl in biologischer und pathologischer Hinsicht ein be- 
merkenswertes und lehrreiches Verhalten: man gewinnt durch diese 
Beobachtungen innerhalb weniger Monate einen Einblick in die Ver- 
hältnisse einer krankhaften Belastung unzählige Generationen hin- 
durch, wie man ihn bei höheren und langlebigen Organismen durch 
mühselige Beobachtung erst in Jahrtausenden erhalten könnte. 

Sehr belehrend sind gefärbte Abklatschpräparate von mehrere Tage 
alten Agarkulturen mit Deckgläschen, oder besser mit Glimmerplättchen 
hergestellt; man sieht dann neben Abdrücken ganz abgestorbener 
Kolonien (die gar keine Bakterien, sondern als letztere unerkennbare, 
gequollene Gebilde und Zerfallsprodukte enthalten), auch solche, die 
zwar im Ganzen den abgestorbenen gleichen, die aber doch an einem oder 
an mehreren Punkten kleine Gruppen von normal sich färbenden, wenn 
auch zumeist gequollenen und vielgestaltigen Bakterien aufweisen; 
diese sind es, denen die sekundären Knötchen zu entsprießen pflegen. 

Einige Mal ist es vorgekommen, daß sämtliche Kolonien eines 
Agarröhrchens,- die sich nach der Beschickung mit «-Keimen entwickelt 
hatten, abgestorben waren ohne sekundäre Knötchen zu bilden; so 
‘fand ich eine Kultur nach 64, eine andere nach 94 Tagen steril, 
zweifellos aber waren sie bereits viel früher abegestorben. 

Die ß-Kolonien bekundeten auch weitergezüchtet lange Zeit ein 
dem normalen Pestbazillus entsprechendes kulturelles und mikrosko- 
pisches Verhalten (s. Fig. 8); umso überraschender war es, als nach 
einigen Jahren auch aus ihnen Kolonien vom «-Typus gewonnen werden 
konnten. 

Der normale Pestbazillus besitzt zwar die Eigenschaft, sogenannte 
Involutionsformen (stark gequollene, dicke, geschlängelte etc. Zellen) 
zu erzeugen; diese Fähigkeit kommt aber nicht immer in auffälligem 
Maße zur Geltung und ist keineswegs das, was ich an Bazillen vom 
Typus « beobachtet habe. Wenige Monate bis 3 Jahre alte, für normal 
geltende und noch nicht abgestorbene Kulturen zeigten im gefärbten 
Trockenpräparat farblose Körnchen und bakterienförmige Körperchen, 
darunter zerstreut gutgefärbte, normal geformte oder wenig gequollene 
Bakterien vereinzelt oder in Gruppen (Fig. 9), niemals aber die für 
den Typus æ kennzeichnenden, riesig verquollenen Zellen, auch nicht. 
das Eintrocknen und Mattwerden solcher alten Kulturrasen. 

Ich wollte nun wissen, ob die 4-Keime in der Ausgangskultur C 
gleichmäßig verteilt oder nur an gewissen Punkten derselben vorhanden 
sind; ich impfte deshalb von verschiedenen Stellen der Kultur C, 
als sie 646 Tage alt gewesen, ab, und zwar zuvörderst von deren aller- 
obersten, aus dem schwarzen Rand hervorgewachsenen weißen Saum 
(s. Fig. 3); es wurden abgeimpft; 1. von einer glatten (primären) Stelle 
der obersten weißen Zone; 2. von einer, sekundäre Knötchen enthalten- 
den Stelle derselben Zone; 3. von einer weißen, knétchenlosen (pri- 
mären) Kolonie im unteren Teile des Röhrchens; 4. von einem schwarzen 
Sekundärknötchen in der Nähe vom 3. Es wuchsen aus: 1. Kolonien 
von einerlei Typus mit erhabenem Zentrum, dünnen, gelappten und 
zackigen Rändern (also normaler Typus); aus 2. wuchsen zweierlei 
Kolonien, makro- und mikroskopisch den oben bereits eingehender 
geschilderten Kolonien x und ß entsprechend; aus 3. und 4. wuchsen 
ebenfalls zweierlei, äußerlich dem Typus « und ß nahe stehende 
Kolonien; mikroskopisch aber entsprachen sie dem Typus 8. Aus- 
gesprochene «-Kolonien wuchsen sonach auch diesmal, so wie das 


v. Preisz, Zwei eigenartige Varianten des Pestbazillus. 73 


1. Mal, aus dem sekundäre Knötchen enthaltenden obersten weißen 
Saum. Wieder scheinen es sonach die sekundären Kolonien zu sein — 
wie bei der Pigmentbildung — wo die biologisch veränderten Zellen zu 
finden sind. \ 

Auf die Frage, ob die Varietät « allmählich oder sprungsweise ent- 
standen ist, läßt sich schwer eingehen, zumal die Kulturen nicht eigens 
auf etwaiges Variieren beobachtet wurden; so viel glaube ich aber doch 
behaupten zu können, daß die Varietät in früheren Kulturen dieses 
Stammes, sowie in Kulturen von 3 anderen Stämmen, die ich gleichfalls 
über 20 Jahre fortzüchtete, mit ihrem ausgesprochenen Charakter noch 
nicht vorhanden war, da ich nach jeder Abimpfung die Entwicklung 
der jungen Kulturen tagelang verfolgte, bevor ich sie in die Kulturen- 
sammiung stellte. 

Noch weniger läßt sich sagen über die Ursachen, durch welche die 
Variation zustande kam, ob es lediglich innere, oder nur äußere, oder 
aber ein günstiges Zusammentreffen beider gewesen. 

Diese Varietät « erwies sich aber nichts weniger als fix und 
beständig; bei Abimpfungen aus einzelnen Kolonien vom Typus a 
wuchsen außer solchen auch verschiedene andere Kolonien, die aber 
zufolge ihrer Kleinheit und sonstigen Eigenschaften ebensowenig an. 
normale Pestkolonien erinnerten. So erhielt ich aus 75—257 Tage alten 
Agarkolonien des Typus « folgende verschiedenartige Kolonien: 1. 
halbkugelig erhabene, mohnkorngroße von zähem Gefüge, verschiebbar; 
2. ähnliche, aber dünnflüssige; 3. flache, mit glatten oder unebenen 
Säumen; 4. kleine, erhabene, mit einer Delle in ihrer Mitte usw. Alle 
diese Kolonienarten haben Kleinheit, kümmerliches und beschränktes 
Wachstum und eine mehr oder minder ausgesprochene schleimige Kon- 
sistenz gemein, ihre Lebensdauer kann aber sehr verschieden sein. 
Manche, namentlich die feuchten erhabenen, können nach 2—4 Tagen 
bereits flach und matt geworden sein und sich als abgestorben erweisen ; 
andere dagegen enthalten noch lange lebende Keime. Diesbezüglich aber 
offenbart sich eine große Verschiedenheit; aus einer 257 tägigen Kultur 
war einmal die Abimpfung noch erfolgreich, eine 75- und eine 98tagige 
Kultur erwies sich dagegen bereits als abgestorben (die Abimpfung ge- 
schah hierbei nicht aus ‘einzelnen Kolonien, sondern gemischt vom 
ganzen Kulturbelag aus). Das Absterben solcher Kulturen kann aber 
zweifelsohne noch binnen viel kürzerer Zeit erfolgen und diesem Um- 
stande kann ich es zuschreiben, daß mir der ursprüngliche Typus æ ver- 
loren ging; er tauchte jedoch wieder auf, wie ich sogleich berichten 
will. F 

Ich hatte diese (1922 begonnenen) Untersuchungen für längere Zeit 
unterbrochen und erst im Frühjahr 1925 wieder aufgenommen. Als 
ich nun aus einer (2 Jahre, 5 Monate und 10 Tage) alten, vor Ver- 
trocknung geschützten Agarkultur, die dem Typus ß entstammte, Ab- 
impfungen machte, erschienen unter anderen Kolonien auch solche, die 
in jeder Hinsicht jenen des Typus à entsprachen. Es waren sehr kleine 
erhabene, auch nach 1—2 Wochen kaum die Größe eines Mohnkornes 
erreichende, glasig durchscheinende, zähschleimige Kolonien, bestehend, 
aus gequollenen, vakuolisierten Bakterien und Bakterientriimmern, da- 
zwischen eine wolkenartige, mit Toluidinblau sich rötlich färbende 
Grundsubstanz. Zwischen diesen Kolonien befanden sich zahlreiche 
allerkleinste, flache matte Scheibchen (Kolonienschatten), deren mit 
Karboltoluidinblau gefärbter Abklatsch sich aus einer rötlichen, wolkigen. 


74 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


Grundsubstanz bestehend zeigte mit mehr oder weniger eingestreuten 
blau gefärbten Bakterien. Eine Fortzüchtung ähnlicher Kolonien gelang 
bereits nach 2—3 Wochen nicht mehr, obgleich sie selbst, wie ich 
erwähnte, Abkömmlinge einer fast 21/,jährigen Kultur gewesen; es 
entstammten sonach so alten Keimen solche krankhaften Generationen, 
die in Kürze abgestorben waren. 

Bemerkenswert ist, daß in dieser nahe 21/,jährigen Agarkultur 
allerkleinste, bis mohnkorngroße, scharf umschriebene rauchgraue bis 
schwarze Knötchen entstanden waren; auch die Säume des Kulturbelages 
waren an vielen Stellen schwärzlich. Abimpfungen von dieser Kultur 
zeigten nach Verlauf eines halben Jahres ein ähnliches Bild. 

Wie sind nun die von den Bakterien vom Typus « beobachteten 
Regelwidrigkeiten zu deuten? Zu Beginn ihrer Beobachtung konnte ich 
sie nicht anders, denn als Krankheitserscheinungen der Bakterienzellen 
auffassen, beruhend auf einer vererblichen Anlage der letzteren. Die 
Krankheit muß die Biologie der Zellen tiefgreifend ändern und äußert 
sich sichtlich in einer Quellung, Vakuolisierung, Berstung und Auf- 
lösung der Bakterienzellen, was insgesamt in 1—2 Tagen abzulaufen 
vermag, aber nicht unbedingt ablaufen muß; denn die Krankheit hat 
verschiedene Grade und führt nicht immer zum Tode sämtlicher Keime 
einer Kolonie. Die Krankheitsanlage kann aber auch lange Zeit in 
einer Zelle vorhanden sein, ohne sie zu töten, denn nur so ist es ver- 
ständlich, daß aus einzelnen Kolonien des Typus a ziemlich lange 
lebensfähige Keime enthaltende Kulturen erhalten werden können (s. 
oben), die aber gelegentlich einer Weiterzüchtung zum Teil wieder 
sehr kurzlebegie Kolonien ergeben. Die Krankheitsanlage vermag sonach 
in einer Zelle viele Monate lang latent zu bleiben, um erst in folgenden 
Generationen zur vollen Geltung zu gelangen, d. h. zu einer rasch tödlich 
werdenden Krankheit zu führen. Man wird hierdurch an vererbliche 
Krankheitsanlagen höherer Organismen, z. B. auch des Menschen er- 
innert (bei Diabetes, Hämophilie etc.), wo die Anlage nicht in jeder 
Generation zur Entwicklung der Krankheit führen muß, sondern eine 
oder mehrere Generationen überspringen kann, oft aber bei Kindern 
und Enkelskindern zu einer viel ernsteren Erkrankung führt, als die 
der Eltern und Großeltern gewesen. 

Spricht man von einer vererblichen Krankheitsanlage, so muß 
man wohl bedenken, daß eine solche nicht von allem Anfange an vor- 
handen sein konnte, sondern im Laufe der Zeit zufolge irgendwelcher 
innerer oder äußerer Ursachen, allmählich oder sprungweise entstehen 
mußte. So dürften die krankhaften Keime vom Typus « in meiner Pest- 
kultur, die fast 25 Jahre lang auf künstlichem Nährboden fortgezüchtet, 
wurde, enstanden sein; denn ich kann mir, wie gesagt, nicht vorstellen, 
daß sie meiner Aufmerksamkeit entgangen wären, falls sie schon an- 
fangs, als die Kultur in meine Hände geriet, vorhanden gewesen 
wären. 

Als ich die beschriebenen Beobachtungen am Pestbazillus machte, 
hatte ich noch keine eigenen Erfahrungen über Bakteriophagie, dachte 
aber immerhin, es könnte hier eine bakteriophagische Erscheinung vor- 
liegen. Eines jedoch schien mir mit dieser Annahme unvereinbar: 
ich wollte nämlich nicht glauben, daß der Bakteriophage ein Viertel- 
jahrhundert in meiner Pestkultur vorhanden gewesen sein konnte, ohne 
meine Aufmerksamkeit auf sich gelenkt .zu haben, und gelegentlich 
der Abimpfungen während der Fortzüchtung konnte er ja nicht recht 


v. Preisz, Zwei eigenartige Varianten des Pestbazillus. 75 


hineingeraten sein. So mußte ich mir sagen, daß, wenn die geschilderte 
Krankheit meines Pestbazillus in den Bereich der Phagie gehört, so 
könne letztere nicht exogenen Ursprungs, namentlich nicht durch ein 
parasitisches Kleinwesen verursacht sein, denn wie hätte ein solches 
in meine Kultur geraten können? Seitdem habe ich mich mit den Er- 
scheinungen der Bakteriophagie vertraut gemacht, und muß zugeben, 
daß dieses Argument nicht stichhaltig ist und heute hielte ich es nicht 
für unmöglich, daß der Bakteriophage in einer Kultur viele Jahre 
lang latent und unbemerkt bleiben könne, besonders wenn die Ab- 
impfung behufs Erhaltung des Stammes nicht von einzelnen Kolonien 
aus, sondern aus dem vollen Bakterienrasen geschieht. 

Nun fragt sich, ob die vom Typus « zur Schau getragenen Eigen- 
tümlichkeiten in den Bereich der Bakteriophagie gehören. Zweifels- 
ohne sind die Quellung, Vakuolisierung, Auflösung der Bakterienzellen 
einer solchen Kolonie mit nachfolgendem Zusammenfließen zu einer 
dünnen oder zähschleimigen Masse, dann die Abflachung der Kolonien 
durch Wasserverlust zu dünnen, matten Scheibchen, lauter Erscheinungen, 
wie sie dem bakteriophagen Phänomen eigen zu sein pflegen. So wie 
beim letzteren, so geschah es auch beim Typus «, daß aus einzelnen 
überlebenden Keimen nachträglich stark erhabene, üppige Sekundär- 
kolonien hervorsprossen, die bei Verimpfung abermals verschiedene Kolo- 
nien des Typus « ergaben. Auch das färberische und mikroskopische 
Verhalten abgestorbener «-Kolonien entsprach jenem phagischer Kolo- 
nien, nämlich die mit Karboltoluidinblau sich rötlich färbende fein- 
körnige oder wolkenartige Restsubstanz, oft mit feinen Kristallen. Es 
fehlten aber im Verhalten des Typus æ gewisse, für die Bakterio- 
phagie kennzeichnenden Erscheinungen, was aber noch wichtiger und 
ausschlaggebend ist, es gelang mir nicht der Nachweis der Uebertrag- 
barkeit dieser Bakterienkrankheit. 

Was erstere betrifft, so sah ich niemals in Rasen vom Typus a 
Löcher (tâches vierges d’Hérelle’s) entstehen, was schon allein gegen 
eine ansteckende, also exogene Natur dieser Bakterienkrankheit spricht, 
denn wie ich beobachten konnte, entstehen diese Löcher in gehörig 
dichten Bakterienrasen durch Umsichgreifen des Krankheitsprozesses 
auf benachbarte Kolonien, noch so lange diese von mikroskopischer 
Ausdehnung sind. Auch die bei der Bakteriophagie oft sichtbaren 
poikilomorphen Kolonien (Gildemeisters Flatterformen) bekam ich hier 
niemals zu beobachten. 

Meine Versuche, mit dem Materiale des Typus «, die Krankheit 
auf andere Abkömmlinge meines Peststammes, namentlich auf den 
Typus 8 zu übertragen, blieben erfolglos. Aber ich mußte natürlich 
daran denken, daß dieser Typus ß, falls meine alte Pestkultur, von 
der meine Beobachtungen ausgingen, den Bakteriophagen tatsächlich 
enthielte, mit der Zeit phagenfest und daher zur Vorführung des 
phagischen Phänomens ungeeignet geworden sein könnte. Ich machte 
deshalb später, nachdem ich mittlerweile 4 verschiedene Peststämme 
erhalten hatte, sowohl mit diesen, als auch mit Bac. typhi, paratyphi 
B. rattimors und coli Uebertragungsversuche. Nachdem meine ersten 
Kulturen vom Typus a sämtlich ausgestorben waren, bediente ich 
mich nun zu diesem Zwecke solcher Kulturen des Typus 8, in dem 
ich — wie bereits erwähnt — das Auftauchen von «-Kolonien feststellen 
konnte. Von 3 solchen ß-Agarkulturen wurde in Brühe abgeimpft und 
nach einigen Tagen wurden die Brühekulturen 1/, Std. im Wasserbade 


76 Centralbl. f£. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


60° C gehalten um die Bazillen abzutéten; der etwa vorhandene 
Bakteriophage mußte dabei wirksam erhalten bleiben. Nun wurden 
sowohl von den 4 neuen Peststämmen, als auch von den genannten 
4 anderen Bakterienarten auf Agar dichte Ausstriche gemacht und 
diese wurden belegt mit je einem Tröpfchen der 3 erwärmten, zuvor 
erwähnten Brühekulturen des ß-Bazillus, um zu sehen, ob denn letztere 
das bakteriophage Prinzip enthielten; nirgends aber konnte ich irgend 
ein makro- oder mikroskopisches Merkmal von Bakteriophagie ent- 
decken. 

Der Nachweis des Bakteriophagen in den Kolonien vom Typus x 
ist mir sonach nicht gelungen, darf aber deshalb seine Gegenwart 
daselbst ausgeschlossen werden? — In meinen Studien über Bakterio- 
phagie!) habe ich nachdrücklich darauf hingewiesen, wie schwierig es 
sein kann, das Vorhandensein des Bakteriophagen in irgendeiner Kultur 
sichtbar zu machen. Ist aber der Bakteriophage in den Kolonien vom 
Typus « tatsächlich nicht vorhanden, so gewinnen letztere dadurch an 
Interesse, indem sie den Beweis lieferten, daß ganz ähnliche krank- 
hafte Erscheinungen, wie sie bei der Bakteriophagie durch ein über- 
tragbares, sonach äußeres ätiologisches Agens zustandekommen, auch 
durch innere Ursachen vererblicher, konstitutioneller Natur bedingt 
sein können, ebenso wie auch bei höheren Lebewesen ganz ähnliche 
Krankheiten und pathologische Veränderungen von Organzellen durch 
sehr verschiedene Ursachen hervorgerufen werden können. 


Zusammenfassung. 

Es werden 2 Varianten beschrieben, die in Agarkulturen eines 
Stammes des Pestbazillus auftauchten, nachdem dieser 24 Jahre lang 
auf Agar fortgezüchtet worden war. 

Die eine Variante zeichnete sich durch die Bildung eines rauch- 
grauen bis tintenschwarzen Farbstoffes aus, die sich niemals in jungen, 
sondern immer in älteren Kulturen und vornehmlich in sekundären 
Knötchen, oft auch im Saume der Kolonien oder des Bakterien-Rasens 
äußerte. Abimpfungen von schwarzen Knötchen ergeben farblose Kul- 
turen, die später schwarze Knötchen, bzw. Säume erzeugen können, 
oder auch nicht. Aeußere Lebensbedingungen können die Pigment- 
bildung fördern, denn während in einer Agarkultur sich sekundäre 
Knötchin und Farbstoff bildeten, blieb in einer Kultur auf Löffler- 
schem Serum, die derselben Abstammung und desselben Alters gewesen, 
beides aus. 

Die 2. Variante war gekennzeichnet durch die Kleinheit, die 
dünnflüssige, oder stark schleimige Konsistenz ihrer Kolonien auf 
Agar. Die Bazillen dieses letzteren verfielen einer kolossalen Quellung, 
Verflüssigung und platzten zuletzt, zufolge dessen diese Kolonien durch 
Wasserverlust ganz flach und zu matten, unanschnlichen Scheibchen 
wurden. 

Dadurch können solche Kolonien binnen 2—3 Tagen abgestorben 
sein; nicht selten aber erheben sich nachträglich aus einzelnen, am 


1) Die Bakteriophagie, Gustav Fischer, Jena 1925. 


THE LIBRARY 


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Centralblatt für Bakteriologıe Abt. I. Orig. Bd. 101  Preisz, Varianten des Pestbazillus 





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Verlag von Gustav Fischer in Jena 


v. Preisz, Zwei eigenartige Varianten des Pestbazillus. 77 


Leben gebliebenen Keimen solcher Kolonien stark erhabene saftige, 
sekundäre Knötchen, die als solche lange bestehen können. Dieses Ver- 
halten ist als eine Krankheit zu betrachten, deren Anlage vererblich 
ist, denn Verimpfung solcher Kolonien ergibt stets ähnliche. Diese 
Variante trägt vieles zur Schau, was stark an Bakteriophagie erinnert; 
es gelang jedoch nicht, mit ihr die Krankheit auf normale Stämme des 
Pestbazillus, oder auf andere Bakterienarten zu übertragen; auch 
zeigten sich in ihren Kulturen niemals Löcherbildungen (täches vierges 
d’Herelle’s) oder Flatterformen. 

Die Variation scheint von Zellen der sekundären Knötchen aus- 
zugehen, die stets abnorme biologische Eigenschaften bekunden; denn 
sowie die Pigmentbildung oft nur in den Knötchen auftritt, so wuchs 
die schleimige Variante nur aus solchen Stellen der alten Pestkultur, 
wo sich sekundäre Knötchen befanden. Daß aber aus schwarzen 
Rändern eines Rasens oder einer Kolonie sich wieder ein weißer und 
weißbleibender Saum hervorschieben kann, weist darauf hin, daß auch 
Aenderungen der äußeren Bedingungen (wie solche nämlich im Nähr- 
boden allmählich vor sich gehen), bei der Variation eine Rolle zu- 
kommt. 


Erklärung der Tafelabbildungen. 


Fig. 1. 11!/, Monate alte Agarkultur des Pestbazillus mit zahlreichen kleinen 
schwarzen sekundären Kolonien (warzenartige Knötchen) 3:1. 

Fig. 2. 11!/, Monate alte Agarkultur im Röhrchen; im mittleren und unteren 
Teile erhabene, scharf umschriebene, dunkelschwarze Sekundärkolonien; am obersten, 
dünnsten Teile des Schrägagars ein ziemlich breiter, zackig-buchtiger Saum des 
Kulturrasens üppig und von dunkel blau-schwarzer Farbe. 5:1. 

Fig. 3. Dieselbe Kultur wie in Fig. 2 um 262 Tage später aufgenommen; der 
Rasen hat sich im mittleren und unteren Teile fast nicht verändert, dagegen hat er 
sich nach oben ziemlich weit vorgeschoben und zwar als farbloser und weniger 
reichlicher Belag, als es der (bereits vor 262 ‚Tagen vorhanden gewesene) schwarze 
Saum ist. Erst später entstanden auch in diesen oberen jungen Rasen zahlreiche, 
farblose Sekundärkolonien verschiedener Größe; sie sehen im Photogramm dunkel 
aus, da sie ihrer starken Erhabenheit wegen sehr wenig Licht durchließen. 5:1. 

Fig. 4. 45 Tage alte Agarausstrichkultur vom obersten Saume der in Fig. 3 
dargestellten Kultur, als diese 21 Monate alt gewesen. Die 3 großen Kolonien ent- 
sprechen normalen Pestkolonien (Typus 8), die kleinen aber dem Typus «; unter 
diesen lassen sich wieder dreierlei unterscheiden : 1) kleine homogene, runde Scheib- 
chen, es sind frühzeitig gänzlich abgestorbene Kolonien, die im Texte als y-Kolonien 
bezeichnet sind; 2) solche, wie 1), nur hat sich nachträglich in ihnen aus einzelnen 
am Leben gebliebenen Keimen oder Keimgruppen ein (stellenweise auch 2—3) stark 
erhabenes Sekundärknötchen entwickelt; 3) kleine Kolonien in der linken Hälfte des 
Bildes, die anfänglich den Kolonien 1) ähnelten, später aber durch Heranwuchern 
zahlreicherer Sekundärknötchen eine höckerige Oberfläche und unregelmäßige Umrisse 
erhielten. 5:1. 

Fig. 5. Bazillen aus einer 24 Std. alten Agarkultur vom Typus a, Karbol- 
fuchsinfärbung. 1000:1. 

Fig. 6. So wie Fig. 5, aber 2 Tage alt. 1000:1. 

Fig. 7. So wie Fig. 5 u. 6, aber 36 Tage alt. 1000:1. 

Fig. 8. Bazillen aus einer 10 Tage alten Agarkultur vom Typus B. 1000:1. 

Fig. 9. So wie Fig. 8, aber 80 Tage alt, Abklatsch des Rasens mit Karbol- 
fuchsin gefärbt; der fein gekörnte blasse Grund besteht aus abgestorbenen Bazillen, 
darin zerstreut liegen einzeln und gruppenweise gefärbte, wenigstens zum Teil gewiß 
no lebende Keime, woraus mit der Zeit Sekundärkolonien entstehen können. 
500 :1. 


78 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


Nachdruck verboten. 
Die Gruppe des B. septicaemiae haemorrhagicae. 


Von Prof. Dr. Ernst Pribram, 
d. Z. Rush Medical College der University of Chicago. 


In einer i. J. 1920 erschienenen Arbeit habe ich mit meinem Schüler 
Plasaj die Gruppe der hämorrhagischen Septikämie bearbeitet und 
auf Grund des reichen Untersuchungsmaterials meiner Wiener mikro- 
biologischen Sammlung unter den von verschiedenen Autoren zu ver- 
schiedenen Zeiten eingesendeten Krankheitserregern dieser Gruppe 
neben typischen Vertretern der Gruppe, die wir als Typus-x bezeichneten, 
Stämme gefunden, welche durch sehr spärliche und charakteristische 
Begeißelung einzelner Individuen, Fermentbildung und Indolbildung 
von dem charakteristischen Typus x mehr oder weniger abwichen. Es 
handelt sich hierbei um Uebergangsformen, wie ich sie bei gründlichem 
Studium in einer jeden Gruppe von Mikroorganismen nachweisen konnte. 
Ich verweise diesbezüglich auf die in meinem Laboratorium ausgeführten 
Arbeiten über die Gruppe des B. fluorescens, Bact. coli, Bact. 
faecale, Bact. alcaligenes, Bac. mycoides, Bac. mesen- 
tericus: ferner auf die Arbeiten tiber die Gruppen der pathogenen 
Hefen (Zymonema, Monilia), Torulopsis und die schwarzen 
Hefen mit der interessanten Uebergangsform der Torula variabilis 
Diese Arbeiten wurden von ersten Autoritäten auf dem Gebicte der 
Botanik anerkannt und sind z. T. als Dissertationen an der philosoph- 
schen Fakultät der Wiener Universität nach sorgfältiger Prüfung an- 
genommen worden (Prof. Wettstein, Prof. Molisch). 

In Bd. 97 des Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. erschien nun kürzlich 
ein Artikel von J. Csontos, in welchem dieser Autor ohne irgend- 
welche Nachprüfung einfach die Behauptung aufstellt, ich hätte in der 
Arbeit über die Gruppe der hämorrhagischen Septikämie mit verun- 
reinigten Kulturen gearbeitet, behauptet sogar, daß dies um so leichter 
möglich sei, als es sich um oft überimpfte Laboratoriumsstämme handle, 
welche bei den wiederholten Ueberimpfungen leicht mit Coli oder 
Paratyphuskeimen verunreinigt werden könnten. Abgesehen davon, daß 
eine solche Möglichkeit in einer Bakteriensammlung, die fachgemäß 
geführt wird, ausgeschlossen ist, möge Herr Csontos mir glauben, daß 
ich eine verunreinigte von einer Reinkultur unterscheiden kann. Wer 
solche Bemerkungen macht wie Herr Csontos, muß Sie beweisen. 
Herr C. hat sich aber nicht der Mühe unterzogen, bei dem von ihm 
selbst gezüchteten Stamme auch nur ein Geißelpräparat zu machen. 
Da seine 10 Stämme alle aus einer Epidemie stammten, dürfte es sich 
wohl um einen einzigen gehandelt haben. Die Bemerkung, daß der 
Verf. nur jene Stämme behielt, welche weder Arabinose, noch Laktose, 
noch Xylose zersetzten, ist charakteristisch. Bei einer systematischen 
Untersuchung hätte er alle in Betracht kommenden Stämme zu unter- 
suchen gehabt. Wir können aber nicht einmal die Möglichkeit aus- 
schalten, daß der Autor keine Kultur des Typus « in der Hand hatte, 
da er nichts über die morphologischen Eigenschaften zu berichten weiß. 
Wie bereits erwähnt, handelt es sich um ein allgemeingültiges Gesetz, 
das ich in meinen und meiner Schüler Arbeiten für eine ganze Anzahl 


Mießner u. Baars, Immunisierung gegen Lyssa der Hunde mit Lyssin. 79 


von Mikroorganismen, nicht nur aus der Reihe der Bakterien, sondern 
auch der Bazillen, Hefen und Pilze studiert habe, ein Gesetz, das 
übrigens in der ganzen Botanik und Zoologie, ja sogar in der unbelebten 
Welt (Atomlehre beispielsweise) Geltung hat: Je weiter die Wissen- 
schaft in einem bestimmten Wissenszweige fortschreitet, um so größer 
wird die Zahl der Individuen, die sich dem ursprünglich aufgestellten 
Schema nicht mehr einfügen läßt, so daß man dazu gedrängt wird, an- 
stelle der scharf voneinander getrennten, für die Unterscheidung zu- 
nächst vorteilhaften Gruppen eine kontinuierliche Reihe aufzustellen, 
welche alle Uebergänge zwischen den Endgliedern der Reihe, den so- 
genannten typischen Gruppen enthalten kann. Einzelne Glieder dieser 
Reihe mögen häufiger, andere seltener, andere gar nicht in der Natur 
vorkommen — es sind aber Möglichkeiten, mit denen der exakte 
Forscher zu rechnen hat, der über der Materie steht. 


Nachdruck verboten. 
Immunisierung gegen Lyssa der Hunde mit Lyssin’). 


[Aus dem Hygienischen Institut der Tierärztlichen Hochschule zu 
Hannover (Dir.: Prof. Dr. Mießner).] 


Von Prof. Dr. H. MieBner und Dr. G. Baars. 


Verbreitung der Tollwut. 


Die Verbreitung der Tollwut ist nach dem Weltkriege in allen 
Ländern der Erde, die nicht etwa durch natürliche Grenzen wie 
England und Australien unter dem Schutze strenger Sperrgesetze 
gegen die Einfuhr von Hunden vor dauernden Neueinschleppungen 
bewahrt blieben, zu beobachten. Kriege sind der Verbreitung von 
Seuchen stets günstig gewesen. Länder mit ausgedehnten trockenen 
Landgrenzen ohne natürlichen Schutz sind unter diesen Umständen 
der größten Gefahr der Seucheneinschleppung und -verbreitung aus- 
gesetzt. Das trifft insbesondere für Deutschland zu. In welchem Maße 
veterinärpolizeiliche Gesetze bei strenger Durchführung trotz un- 
günstiger Grenzen der Seuchenverbreitung Einhalt zu tun vermögen, 
dafür bietet wiederum Deutschland vor dem Kriege ein Schulbeispiel. 
Trotz dauernder Neueinschleppung der Seuche vom Osten und Westen 
war es in Durchführung des Viehseuchengesetzes vom 26. Juli 1909 
nebst Ausführungsbestimmungen gelungen, nicht nur eine Weiter- 
verbreitung der Seuche von den Grenzbezirken zu verhindern, sondern 
auch manche vordem verseuchten Gegenden tollwutfrei zu machen. Der 
Nutzen und die unbedingte Wirksamkeit der geltenden gesetzlichen 
Bestimmungen sind durch diese Tatsache einwandfrei erwiesen. 

Die Zunahme der Tollwutfälle beginnt im Jahre 1915. Damals 
waren die Beanspruchung eines großen Teiles der veterinärpolizeilichen 
Kräfte der Heimat für den Heeresdienst sowie die ausgedehnte Ver- 
wendung des Hundes im Heere nennenswerte Faktoren für die Ver- 
breitung der Seuche. Mit dem Friedensschluß und allmählichem Ueber- 


1) Nach einem am 31. März 1926 dem preußischen Landwirtschaftsmini- 
sterium übersandten Bericht, der durch einige nachträglich ausgeführte Versuche no: ‘h 
ergiinzt wurde. 


80 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


gang in vorkriegszeitliche Verhältnisse hätte man aber eine Abnahme 
der Seuche erwarten sollen, zumal als hauptsächliche Seuchenherde 
anzusehende Provinzen (Posen und Westpreußen) durch den Vertrag 
von Versailles genommen wurden. Das Gegenteil trat jedoch ein; 
die Tollwut erfuhr eine Verbreitung wie nie zuvor. Die in folgenden 
Tabellen (I und II) zusammengestellten Zahlen, die in dankenswerter 
Weise vom R. G. A. und vom Institut für Infektionskrankheiten 
„Robert Koch“ zur Verfügung gestellt wurden, geben darüber ein- 
deutigen Aufschluß. 
Tabelle I. 


Statistik der tollwutkranken und -verdächtigen Haustiere 
im Deutschen Reich. 





Kranke und der Seuche verdächtige Tiere getallen oder getötet 























dake Hunde | Katzen | Rinder | Pferde | Schafe | Ziegen Schweine! Summe 
TE OS I = nt L li 
1911 310 3 24 _ 3 _ 3 343 
1912 280 3 41 2 21 3 3 353 
1913 286 4 65 8 6 3 4 | 376 
1914 192 6 37 2 — 1 3 | 241 
1915 546 22 420 15 17 — 10 | 1030 
1916 594 15 214 9 23 5 9 | 869 
1917 373 5 201 4 12 5 4 604 
1918 308 13 150 2 22 6 | 3 | 504 
1919 542 19 205 16 13 3“. 8 806 
1920 543 9 163 5 6 5 24 | 755 
1921 650 25 150 10 3 5 12 855 
1922 | 1251 39 238 25 41 10 19 1623 
1923 1993 74 316 34 19 6 25 2467 
1924 | 2192 94 285 27 78 7 16 2699 




















Nach vorstehender Tabelle I stieg die Seuche in den Kriegsjahren 
1915 und 1916 an und nahm vom Jahre 1919 ab insbesondere unter den 
Hunden ständig zu. Vom Jahre 1925 und 1926 liegt dem Statistischen 
Reichsamt das endgültige Zahlenmaterial noch nicht vor; es bleiben 
aber die Zahlen nicht unerheblich gegeniiber dem Jahre 1924 zurtick. 


Tabelle Il. 








Nachweisung über schutzgeimpfte Personen aus dem In- a js ing = 


stitut für Infektionskrankhéiten „R. Koch“ und dem Hyg. | 





























| ae 

Institut der Universität Breslau | r De nde 

Jahrgang Berlin Breslau | Zusammen | Hunde | pes ig 
1911,12 133 168 31 | 310 1911 
1912/13 150 199 349 280 1912 
1913/14 235 143 378 286 1913 
1914/15 | 158 239 | 397 | 192 1914 
1915/16 831 758 | 1589 546 1915 
1916/17 717 408 | 1125 | 594 1916 
1917/78 516 365 | 881 | 373 1917 
1918,19 479 169 | 648 | 308 1918 
1919/20 630 | 295 855 542 1919 
1920/21 | 457 336 198 | 648 1920 
1921/22 522 | 532 1054 | 650 1921 
1922,23 | 667 | 928 | 1595 1251 1922 
1923, 24 1573 847 2420 | 199: 1923 
1924.35 | 2066 1047 3113 | 2192 | 1924 
1925/26 608 596 1204 || 1925 











Mießner u. Baars, Immunisierung gegen Lyssa der Hunde mit Lyssin. 81 


Die in der Tabelle II aufgeführten Zahlen über die in Berlin 
und Breslau schutzgeimpften Personen geben ein entsprechendes Bild. 
Dem ersten Anstieg in den Kriegsjahren 1915/16 folgt vom Jahre 
1920/21 ein zweiter mit dem Höhepunkt im Berichtsjahr 1924/25 
Bei vergleichsweiser‘ Betrachtung der für Hunde und Menschen an- 
gegebenen Zahlen, wie sie in Tabelle II einander gegenübergestellt 
sind, wird die Tatsache besonders deutlich, daß der Hund als Quelle 
der Infektion anzusehen ist. Seit 1920 bewegen sich diese Zahlen in 
ständiger Steigerung annähernd konform. 

Die Ursache der Zunahme der Tollwut ist eine vielfache: 

1. die vermehrte Einschleppung der Seuche während des 
Krieges aus besetzten Feindesländern; — 2. die Erschütterung 
der Staatsautorität infolge der Revolution hatte eine mangel- 
hafte Beachtung der veterinärpolizeilichen Vorschriften zur Folge; — 
3. mangelndes Verständnis der Hundebesitzer für die Not- 
wendigkeit der Durchführung der veterinärpolizeilichen Bestimmungen 
und für die Gefahr der Tollwutverbreitung durch den Hund; — 4. die 
vermehrte Hundehaltung während des Krieges und insbesondere 
in den Nachkriegsjahren. 


Die Punkte 1—3 sind bereits von Josef Koch, Schubert, 


Mießner, Schnürer, Kraus, Kitt, v. Ostertag, Heich- 
linger, Schlegel u. a. eingehend besprochen, Punkt 4 — die ver- 
mehrte Hundehaltung in den Nachkriegsjahren — läßt sich zahlen- 


mäßig belegen. Tabelle III gibt einen interessanten Ueberblick über 


Tabelle ITI. 
Uebersicht über die Zahl der Einwohner und der Hunde in 5 großen 
Städten Deutschlands. 


















































Berlin | Pr Hannover (seit 

(alte Stadtgemeinde) Hamburg München Breslau | 1920 mit Linden) 

| Er Fr Er ay i E 

Zahl der 128 Zahl der 24 | Zahl der EEI Zahl der ue Zahl der PE 

Jabr HE EH EE FE HE 

| Ein- =) Ein- =&| Ein- =ä| Ein- =ä| Ein- za 

| wohner | Hunde 75) wohner | Hunde = 5 wohner Hunde Z £| wohner Hunde |S £| wohner Hunde = 5 

| | El _ BE u ER jr EI <E 8 

1913 | 2 095 030 38 715| 54 | 1 036 093 | 28 997 | 36 630 000 | 20 093! 81 | 541 313 | 10 902) 50! 318 400 | 5 000! 64 

1919 1774702 | 25 809) 68 | 1 013 116 | 17 023 | 60 647 000 | 11 706| 55 | 527 228| 47421111, 310 431 | 4933 63 

1920 | 1 030 408 | 26 277 | 39 | 648 000 | 15 873 41 | 539 387 | 6760| 80| 400 600 | 6950| 58 

1921 | 1 953 987 | 65 545| 30 — 44 178 | — | 654 000 | 18 729 35 | 544 850 | 11 062| 49| 403 800 | 7 042) 57 

1922 | 1 970 112 | 81 327| 24 | 1 072 593 | 51 930 } 21 | 663 000 | 26 638, 25 | 549 196 | 15 479| 35| 409 700 | 7500) 55 

1923 | 1 077 998 | 53 773 | 20 | 666 000 | 25 997| 26 | 546 983 | 13 763| 40| 411 100 | 13 728| 30 

1924 | 1 975 770 | 98 307 20 | 1 087 125 | 42 417 | 26 | 670 000 | 25 240 27 | 550 223 | 14 920| 37| 412 500 | 13 927) 30 

1925 2 017 232 1100 625| 20 | 1 096 061 | 37 101 | 30 | 681 000 | 26 566; 26 | 556 796 | 11 880| 47| 422 200 | 13 867| 30 

1926 | | | | 560 448 | 11 027| 51 426 200 14 453) 30 
! | | 























die Zahl der Einwohner und Hunde in 5 großen Städten Deutsch- 
lands (Berlin, Hamburg, München, Breslau, Hannover). Hiernach ist 
die Zahl der Hunde in den Nachkriegsjahren erheblich angestiegen 
und hat ihr Maximum erreicht in den Jahren 1922—1924 gleich- 
zeitig mit dem höchsten Seuchenstand. So kam in Breslau 1922 
auf 25 Einwohner 1 Hund, in München auf 25 Einwohner 1 Hund, 
1923 in Hannover auf 30 Einwohner 1 Hund, in Hamburg auf 20 Ein- 
wohner 1 Hund und 1924 in Berlin auf 20 Einwohner 1 Hund. Vom 
Jahre 1925 ab nimmt die Zahl der Hunde allgemein wieder ab. 
Erste Abt. Orig. Bd. 101. Heft 1/3. 6 





82 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


Die Wahrnehmung der vermehrten Hundehaltung ist vielerorts 
gemacht. Nach v. Ostertag ist die Zahl der Hundebesitzer in 
Baden gegenüber den Vorkriegsjahren um das 4fache gestiegen. In 
Wien kam 1923 nach Schnürer 1 Hund auf je 24 Einwohner. 
Eine große Zahl von Hundehaltern in den Städten kennt die Gefahren 
der Tollwutverbreitung überhaupt nicht und steht der Bedeutung der 
Hundesperre verständnislos gegenüber. Hier gilt es, durch aufklärende 
Vorträge, Filmvorführungen, Belehrungen in Schule und Presse usw. 
Wandel zu schaffen in dem Sinne, wie es Kitt bereits in vorbildlicher 
Weise in die Hand genommen hat. Mehrfach hat man eine Verschärfung 
der veterinärpolizeilichen Bestimmungen zur Eindämmung der Tollwut 
empfohlen. So dehnte man auf Grund gemeinsamer Besprechungen 
der Kreismedizinal- und Kreisveterinärräte in Minden, Münster und 
Osnabrück im Oktober 1922 die Sperrbezirke einheitlich über mehrere 
Regierungsbezirke aus, und verlängerte die Sperre auf 4—5 Monate. 

Ferner ist das rücksichtslose Abschießen der freiumherlaufenden, 
nicht mit Maulkorb versehenen Hunde durch ortsfremde Landjäger 
oder durch besondere Abschußkommandos, Erhöhung der Geldstrafen 
bei Uebertretung der veterinärpolizeilichen Anordnungen, Austausch 
von Statistiken benachbarter Länder in den Grenzdistrikten, Auf- 
klärung des Publikums durch die Presse und Belehrung in der Schule 
sowie Schutz der angeketteten Wach- und Hofhunde vor den Angriffen 
herumstreifender tollwutkranker Hunde in Vorschlag gebracht (J. 
Koch, MieBner, v. Ostertag u. a.) Schubert und Reute 
haben zur Förderung der Anzeigepflicht eine Entschädigung für Hunde, 
die leider nach § 8 des Pr. Ausführungsgesetzes zum Viehseuchen- 
gesetze versagt wird, empfohlen. Durch rücksichtsloseste Durchführung 
der veterinärpolizeilichen Maßnahmen und möglichst zentrale Leitung 
ist es in Bayern 1923/24 (Heichlinger), Württemberg 1923/25 
(v. Ostertag) und Baden (Schlegel) gelungen, die epizootisch 
auftretende Tollwut in verhältnismäßig kurzer Zeit zurückzudämmen. 
In Preußen ist die Seuche gleichfalls im Abflauen, wenn auch hier die 
Verhältnisse wegen ausgedehnter trockener Grenzen wesentlich schwie- 
riger liegen. Gegen das Ueberlaufen kranker Hunde aus dem Aus- 
lande in die gefährdeten Grenzbezirke ist man in solchen Fällen 
machtlos. Allein mit veterinärpolizeilichen Vorkehrungen kommen wir 
hier nicht aus. Wohl aber wäre ein zuverlässiger Schutzwall er- 
richtet, wenn es gelänge, alle Hunde, die eigentlichen Träger des 
Tollwutvirus, in der Grenzgefahrenzone gegen Wut zu immunisieren. 


Bisherige Immunisierungsversuche. 


Die Immunisierung aller Hunde des Reichsgebietes böte zweifellos 
die sicherste Gewähr für die Tilgung der Tollwut, jedoch würden die 
damit verbundenen Kosten in keinem Verhältnis zu den erreichten 
Vorteilen stehen, da wir im Inlande durch die bewährte veterinär- 
polizeiliche Organisation- auch ohne eine solche umfassende Maßnahme 
allein durch veterinärpolizeiliche Bekämpfung mit der Seuche fertig 
werden. In den gefährdeten Grenzdistrikten würden indes die Kosten 
für die Schutzimpfung der Hunde gut angelegt sein, wenn die Imp- 
fung eine sichere langdauernde Immunität verleiht und alle Hunde 
der Zone umfaßt, in der sich aus dem Auslande überlaufende tollwütige 
Hunde erfahrungsgemäß ,,totgelaufen‘ haben. 


Mießner u. Baars, Immunisierung gegen Lyssa der Hunde mit Lyssin. 83 


Die Möglichkeit der Immunisierung gegen Tollwut sowohl prä- 
wie postinfektionell stand seit den grundlegenden Experimenten Pa- 
steurs an Hunden aus dem Jahre 1885 fest. Es erzielten aber nicht, 
alle Nachprüfer gleich günstige Ergebnisse, z. T. sogar Mißerfolge, 
zudem kam die beim Menschen bewährte Pasteursche Tollwutimpfung 
wegen ihrer Umständlichkeit für Hunde nicht in Erwägung. Ein 
praktisch brauchbares Immunisierungsverfahren für Hunde muß einfach 
und von jedem Tierarzte durchzuführen sein; es muß einen möglichst 
langfristigen Schutz gegen den Biß tollwutkranker Hunde gewähren, 
ohne Impflyssa zu erzeugen. 


Der passiven Immunisierung kommt für die präinfektionelle Immunisierung 
wegen der kurzen Dauer keine praktische Bedeutung zu. Außerdem sind die in 
Laboratoriumsversuchen mit Wutimmunserum erzielten Resultate nicht einheitlich 
und lauten im allgemeinen wenig günstig. In vitro tritt zwar die rabizide Kraft des 
Antiserums deutlich hervor, d. $. im bestimmten Verhältnis mit Virus vermag es 
dieses abzutöten, im Tierversuch jedoch zeigt es nach Versuchen von Fermi, 
Marie, Kraus, Greiner, Misbuer u. a. so gut wie gar keine Wirkung. Bei 
Versuchen an Muriden stellte Fermi eine gute Schutz- und Heilwärkung fest, nicht 
aber bei Hunden und Kaninchen. 

Die Simultanimpfung würde ohne Zweifel die Idealmethode darstellen, kommt 
aber bei der zweifelhaften Wirkung eines Antiserums kaum in Betracht. Von ver- 
schiedenen Seiten, insbesondere von Marie, Babes, Remlinger, Mießner, 
Schnürer u. a. sind Versuche über die Anwendung der kombinierten Methode 
unternommen worden und dabei nur teilweise anscheinend günstige Ergebnisse erzielt 
worden. In neuerer Zeit ist von Vall&e und Rinjard die Serovakzination zur Heil- 
imptung von Hunden wieder mit Erfolg angewendet worden. Remlinger hält 
jedoch die Serumvakzination für die Praxis ungeeignet, da die Gewinnung und Aus- 
titrierung von Lyssaantiserum den größten Schwierigkeiten begegne. In Italien soll 
sich die Serovakzination -nach Fermi bewährt haben. Das von Pferden gewonnene 
Antiserum wird mit einer 5proz. Virus fixe-Suspension, der 1 Proz. Karbolsäure 
zugesetzt ist, zu gleichen Teilen gemischt und ist nach einstündigem Stehenlassen 
zur Impfung fertig. Der Zusatz von 1 Proz. Karbolsäure soll das Virus -in einer 
Stunde abtöten, ohne ihm die immunisierenden Eigenschaften zu rauben, die es 
monatelang bewahren soll. Menschen werden morgens und abends mit je 3 ccm 
Impfstoff während 25—30 Tage geimpft. Fermi empfiehlt die Serovakzination 
auch zur präinfektionellen Immunisierung von Hunden. Das Verfahren kann aber 
für die Praxis nur in Frage kommen, wenn die Zahl der Impfungen auf eine, höchstens 
zwei beschränkt werden könnte. Ob das möglich sein würde, erscheint sehr fraglich, 
da der Impfstoff avirulent ist. Wenn auch nach zahlreichen Beobachtungen: 
(Philips, Remlinger, Reichel u. a.) totem Lyssavirus ein gewisser immuni- 
sierender Effekt nicht abzusprechen ist, ist doch virulentes Material ungleich wirk- 
samer. Gerade für eine einmalige bis zweimalige Impfung, wie sie für die prä- 
infektionelle Massenimpfung der Hunde nur in Fin e kommen kann, muß auf die 
beste Tmmunisierungstihi eit des Impfstoffes erhöhter Wert gelegt werden. Zu 
bedenken bleibt ferner die wirtschaftlich kaum tragbare Preiserhöhung der Sero- 
vakzination. 

Beı der aktiven Immunisierung mit lebendem Virus muß auf jeden Fall 
die Impflyssa ausgeschaltet oder auf ein solches Maß reduziert werden, daß sie 
raktisch, selbst bei ausgedehnter Anwendung der Impfung keine Rolle spielt. 

udem ist durch nets Versuche darzutun, daB durch die Impfung nicht 
etwa Virusträger geschaffen werden. 

Schon Hogyes stellte um 1886 fest, daß der Hund durch eine einmalige 
subkutane Injektion von vollvirulentem Virus fixe nur selten erkrankt, dagegen 
häufig Immunität erwirbt. So widerstanden von 7 Hunden, die mit 0,5 g Virus 
fixe subkutan vorbehandelt waren, 5 Hunde der 54 Tage nach der Vorbehandlung 
erfolgten künstlichen Infektion, während 1 Hund an Impflyssa, der andere infolge 
der Intektion verendeten. Auch Ferran (1888) hatte die relative Ungefährlichkeit 
des Virus fixe bei subkutaner Anwendung in großen Dosen für Tier und Mensch 
nachgewiesen; nach ihm sollten kleine Dosen bei subkutaner Applikation infizieren, 
große immunisieren. 

Zur Erklärung nimmt Ferran an, daß frisches Virus fixe neben dem 
Wuterreger auch Wuttoxine enthält, die bei der regen großer Dosen durch 
Bildung von Antikörpern schnell eine Immunität auslösen, ehe die Wuterreger auf 


6* 


84 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


dem Wege der Nervenbahn das Zentralnervensystem erreicht haben. Bei Ver- 
wendung kleiner Dosen soll der Toxin-Immunitätsfaktor fortfallen und der Wut- 
erreger sich ungehindert entwickeln können. Auf der Grundlage dieser Versuche 
hat Ferran eine gleiche Impfmethode (supraintensive Methode) bei Menschen an- 
ewandt, denen zur postinfektionellen Immunisierung an fünf aufeinander folgenden 
F n 6cem virulente Virus fixe-Suspension subkutan eingespritzt wird. Die 
Erfolge sollen so gut sein, daß in Spanien fast ausschließlich von dieser Methode 
Gebrauch gemacht würde. Pfeiler und Kapfberger haben die Versuche 
Ferrans an Hunden nachgeprüft, denen sie Dosen von 0,5, 2, 5, 10 und 20 g 
Virus tıxe subkutan einspritzten und die Ueberlebenden darauf kameral mit 
Straßenvirus bezw. Virus fixe infizierten. Es ergab sich, daß der mit 20 g 
Virus vorbehandelte Hund immun war, die mit geringeren Mengen vorbehandelten 
Hunde dagegen der bei der Immunisierung gesetzten Infektion erlagen. 

In Itahen hat sich jedoch später herausgestellt, daß die Ferransche Methode 
für den Menschen durchaus nicht unschädlich ist, sondern zu recht bedauerlichen 
Zwischenfällen Veranlassung gegeben hat und in Mailand verboten wurde. Weitere 
Versuche haben erwiesen, daß Virus fixe auch bei intravenöser und intraabdomi- 
naler Anwendung in größerer Menge für die meisten Versuchstiere verhältnismäßig 
schadlos ist. Die Befunde fanden von verschiedenen Seiten (Protopopoff, Hel- 
man, Marx, Fermi, Nocard u. Roux, Mießner u. a.) ihre Bestätigung. 
Insbesondere stellten Mießner und seine Mitarbeiter fest, daß Hunden, Schafen 
und Kälbern in Zwischenräumen von 1—2 Tagen und an 3 aufeinander folgenden 
Tagen steigende Mengen von 2, 3 und 4 g vollvirulentes Virus fixe in die Vene 
oder Bauchhöhle gespritzt werden konnte, ohne daß die betr. Tiere an Tollwut 
erkrankten. 

Dadurch war der Weg gewiesen, auf dem man zu einer Vereinfachung des 
Immunisierungsverfahrens gelangen konnte, denn es war danach die Abschwächung 
des Virus und desgleichen eine allmähliche Applikation in vielen kleinen Einzelgaben 
nicht unbedingt erforderlich, sondern das Virus konnte vollvirulent auf einmal in- 
jiziert werden. Die nun folgenden Versuche bezweckten die Zahl der Impfungen pro 

ier auf das geringste Maß zu beschränken unter Verwendung möglichst großer 
Mengen von Virus zur Erreichung eines genügenden Immunisierungseffektes. 

Um die Jahrhundertwende hatte Helman Versuche an Hunden durch ein- 
malıge intraabdominale Injektion von Virus fixe in großen Dosen angestellt. 
Ein Teil der Hunde erkrankte an Impftollwut, die übrigen Tiere verhielten sich aber 
der nachtolgenden Infektion gegenüber refraktär. Marx nahm die Versuche an 
9 Hunden wieder auf, denen er einmalig !/; Virus fixe Kaninchengehirn (d. i. etwa 
2g) in 5cem Suspension in die Bauchhöhle spritzte. Impftollwut beobachtete er 
nicht; alle Hunde zeigten sich frühestens nach 12 Tagen, sicher vom 14. Tage ab 
immun. 

Greiner schließt unter Berücksichtigung der Forschungsergebnisse von 
Schnürer und aus seinen eigenen Versuchen, daß die Immunisierung der Hunde 
ohne Unterschied der Größe und des Alters mit 0,5 g, sicherer r mit 1g 
trischem Vırus fixe in Suspension bei subkutaner Applikation von 0,5 bis 1g 
Einzeldosis auch gegen subdurale Infektion erreicht werden kann. Die Immunität 
soll bereits am 16. Tage nach der Vorbehandlung eintreten. Schnürer und Kir- 
schik haben darauf weitere präinfektionelle Immunisierungsversuche bei subkutaner 
Anwendung des Impfstoffes an 19 Hunden angestellt. Ferner wurden 3 Hunde in 
den Versuch genommen, die vorher von Greiner immunisiert und zwecks längerer 
Beobachtung 1 Jahr am Leben gelassen waren. Nach ihnen bedingt die einmalige 
subkutane liking mit frischem Virus fixe in der Menge von 0,5 g Mark zu 
5 ccm physiol. Kochsalzlösung bei 19 Hunden keine Infektion und vom 18. Tage 
ab eine etwa 1 Jahr lang anhaltende Immunität. 

Högyes, Helman, Marx, Pokschischewsky geben der intraabdo- 
minalen Applikationsweise den Vorzug vor der subkutanen. Auch Mießner hat 
aus diesem Grunde bei seinen präinfektionellen Immunisierungsversuchen von der 
subkutanen Applikationsweise Abstand genommen und den Impfstoff intraabdominal 
oder intravenös ete Bei seinen gemeinsam mit Kliem und Kapfberger 
angestellten Versuchen erwies sich die intraabdominale Einverleibung des Virus 
tixe beim Hunde wirksamer als die intravenöse. Durch 3malige Vorbekandiung 
(05, 1 und 1,5 g oder 2, 3 und 4 g im Abstand von 2—3 Tagen) gelang; es, 
Immunität zu erzeugen, wenn die: Kontrollinfektion nicht sofort, pr A erst einige 
Wochen bezw. Monate später erfolgte. Pfeiler und Kapfberger, die die 
Versuche Mießners fortsetzten, schließen aus ihren Versuchen, daß es durch 
einmalige intraabdominale Einverleibung von 4—8g Virus fixe (das Impf- 
material wurde aus dem Gehirn von Hunden gewonnen, die infolge einer Infektion 


Mießner u. Baars, Immunisierung gegen Lyssa der Hunde mit Lyssin 85 


mit Virus fixe verendet waren) gelingt, Hunde gegen eine 14 Tage später er- 
tolgende kamerale oder subdurale Infektion mit Virus fixe oder Straßenvirus zu 
schützen. Von 36 vorbehandelten Hunden zeigten sich 33 gegen eine kamerale bzw. 
subdurale Infektion oder gegen den Biß eines tollwütigen Hundes geschützt. 
2 Hunde waren nicht immun und 1 Hund erkrankte an Impftollwut. Bemerkens- 
wert ist, daß 2 Hunde, die von Mießner durch 3malige Vorbehandlung immuni- 
siert waren, bei der von Pfeiler !/, bis %/, Jahr später vorgenommenen In- 
tektion nıcht erkrankten, die Immunität also wenigstens °/; Jahr angehalten hatte. . 

Sehr günstig verliefen die präinfektionellen Immunisierungsversuche, die Pok- 
schischewsky durch dreimalige intraabdominale Impfung mit je 1/, Virus fixe- 
Gehirn (etwa je 1,2 g) in achttägigen Zwischenräumen an 23 Hunden ausführte. 
Sämtliche Hunde widerstanden der 30 bzw. 34, bzw. 56 Tage nach abgeschlossener 
Midi engin folgenden intramuskulären Infektion, während diese Vorbehandlung 
gegen die subdurale Infektion nur in etwa der Hälfte der Fälle Schutz gewährte. 

Schnürer hat die Ergebnisse der angeführten 7 Arbeiten (Högyes, 
Schnürer, Greiner, Mießner und seiner Mitarbeiter, Schnürer u. ir- 
schik, Pfeiler u. Kapfberger, Pokschischewsky) kurz zusammen- 
gestellt und dabei folgendes Bild erhalten: Im ganzen wurden 93 Hunde mit 
groson Dosen (0,35 bis 20 g) Virus fixe subkutan oder intraabdominal in 1—3 
mptungen vorbehandelt. Von 40 immunnisierten Hunden wurden 18 innerhalb 
von 18 bis 124 Tagen nach der Vorbehandlung mit Virus fixe subdural, bzw. 22 
mit Straßenvirus infiziert. Dem Virus fixe widerstanden 15= 83,3 Proz., dem 
StraBenvirus 14=63,6 Proz. der vorbehandelten Hunde. 34 geimpfte Hunde 
wurden der intraokulären (kameralen) Infektion innerhalb 4 bis 363 Tagen aus- 
gesetzt. Von 34 der auf diese Weise mit Virus fixe infizierten Hunden erwiesen 
sich 22 = 91,6 Proz. und von 10 mit Straßenvirus infizierten 9 — 90 Proz. immun. 
16 Hunde wurden 23—56 Tage nach der Vorbehandlung mit Straßenvirus bzw. 
mit Virus tixe intramuskulär infiziert, ohne zu erkranken = 100 Proz. 3 Hunde 
wurden 15—62 Tage nach der Vorbehandlung den Bissen wütender Hunde aus- 
gesetzt und erkrankten ebenfalls nicht — 100 Proz. 


In Oesterreich hat man im Jahre 1922 auf Schnürers und Wirths Vor- 
schlag die fakultatıve präinfektionelle Schutzimpfung der Hunde in Wien versuchs- 
weise zugelassen. Zwecks Impfung mußten die Hunde anfangs auf 5—10 Tage der 
Hundeklinik der Tierärztlichen Hochschule in Wien zugeführt werden; später er- 
tolgte die Impfung ambulatorisch. Bis Oktober 1922 wurden 50 eingestellte 
Hunde durch 5 subkutane Einspritzungen an 5 aufeinander folgenden Tagen oder mit 
je einem Tag Zwischenzeit mit einer Gesamtmenge von 0,665 g frischen Virus fixe- 
Gehirn (Kaninchen) ohne Unfall geimpft. Später begnügte man sich mit 2—3 Ganz- 
impfungen. Die Impfstoffsuspension ant aus einem Teil Virusgehirn, 6 Teilen 
physiol. Kochsalzlösung und 1 Teil Glyzerin. Es sind im Laufe von 20 Monaten 
133 Hunde in der Wiener Hundeklinik 5-, später 4malig subkutan bzw. intra- 
abdominal geimpft. Von den geimpften Hunden sollen 4 Hunde, die jedoch, wie erst 
nach der Impfung bekannt wurde, vor der Impfung von tollwütigen Hunden ge- 
bissen waren, an Wut verendet sein. Von den übrigen 129 Hunden sind die 
Impfungen ohne Schaden vertragen, obwohl sich auch unter ihnen 9 Hunde be- 
fanden, die vor der Impfung von einem unbekannten Hunde auf der Straße gebissen 
sein sollten. Später ließ das österreichische Ackerbauministerium die Schutzimpfung 
der Hunde in der medizinischen Klinik der Tierärztlichen Hochschule in Wien 
für gesunde, gänzlich unverdächtige Hunde auch ohne vorherige Einholung der 
Impfgenehmigung ausführen. Bis Ende August 1924 sind nach Schnürer 142 
Hunde geimpft, von diesen jedoch nur 40 sicher präinfektionell. Die verhältnis- 
mäßig kleine Zahl von 142 Hunden, die im Laufe von etwa 2 Jahren in Wien 
der takultativen Wutschutzimpfung zugeführt wurde, lehrt, daß sich die freiwillige 
Imptung nach der angewandten Methode (4—5 Impfungen an verschiedenen Tagen) 
keinen Ein ang zu verschaffen vermochte. Das liegt, wie auch Wirth betont, vor 
allem an der Umständlichkeit, die dem geübten Verfahren anhaftet. Zudem aber 
daran, daß beı den geimpften Hunden nicht von den veterinärpolizeilichen Sperr- 
maßnahmen abgesehen werden kann, so daß den Hundebesitzern die Vorteile einer 
Impfung nicht augenfällig genug erscheinen. 

Ueber die Wirksamkeit der präinfektionellen Impfung der Hunde in Wien 
kann eın sıcheres Urteil nicht gefällt werden, da über die Ansteckungsgefahr der 
eimpften Hunde keinerlei Beobachtungen vorliegen (Schnürer). Wenn auch in 
Vahoratorfümeversuchen die Wirksamkeit des Schnürerschen Verfahrens, die 
von Roman u. a. bestätigt wird, feststeht, so macht doch die Umständlichkeit der 
mehrmaligen Impfung seine Durchführung als Zwangsimpfung aller Hunde iu 


86 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


einem bestimmten Bezirk, die allein Aufschluß über die Zweckmäßigkeit der Im- 
munisierung der Hunde in der Bekämpfung der Tollwut geben kann, unmöglich. 

Puntonı in Italien sieht ebenfalls eine ‘3malige Tmpting der Hunde zur 
präinfektionellen Immunisierung vor. Er benutzt gleich Fermi Virus fixe 
Kaninchenmark, das durch 1 Proz. Karbolsäure jedoch nicht völlig abgetötet, sondern 
stufenweise abgeschwächt wird. Von den drei Impfstoffen steigender Aktivität 
werden in Zwischenzeiten von je 8 Tagen den Hunden jedesmal 5 ccm subkutan 
eingespritzt. 

ee und Doi verwenden nicht vollvirulentes, sondern abgeschwächtes 
Virus im Sinne der Abschwiichungs- bzw. Verdiinnungsmethode von Pasteur bzw. 
Högyes. Die Vakzine wurde aus dem Gehirn und Rückenmark eines der Virus 
fixe Infektion in 7 Tagen erlegenen Kaninchens hergestellt. Das virulente Material 
wurde im Mörser zerrieben und mit 5 Teilen Karbol-Glyzerinwasser, das aus 60 Teilen 
Glyzerin und 40 Teilen 1,25 Proz. Karbolwasser bestand, emulgiert. Zur Virulenz- 
abschwächung wurde die Suspension bei Zimmertemperatur von 18 bis 22° C 
2 Wochen oder im Eisschrank 30 Tage lang aufbewahrt. Die Vakzine soll 2 bis 
3 Wochen beı Zimmertemperatur aktiv bleiben und damit den praktischen Bedürfnissen 
Rechnung tragen. Man rechnet 6 cem Vakzine (= etwa 1,2 g. Virus fixe) auf 
15 kg Körpergewicht, für Hunde unter 4,5 kg die Hälfte der Dosis. Die Impfung 
erfolgt subkutan. 

Vor der Einführung in die Praxis wurde die Impfung an 500 Hunden experi- 
mentell geprüft. Es sollen dabei keine Impfverluste eingetreten, auch soll kein Hund 
während der Beobachtungszeit an Tollwut erkrankt sein. Auf Grund der günstigen 
Versuchsergebnisse wurde darauf die präinfektionelle Schutzimpfung der Hunde 
durch einmalige Impfung in den beiden am stärksten verseuchten Präfekturen 
Kanagawe und Tokyo durchgeführt. Ueber die dabei erzielten Impfergebnisse wurde 
folgendermaßen berichtet. In der Präfektur Kanagawa wurden seit Oktober 1918 
bis zum Ende des Jahres 6644 von 9402 Hunden und im Jahre 1919. 9150 von 
14644 Hunden geimpft. Impfverluste bzw. Impftollwut wurden nicht beobachtet, da- 
gegen fiel die Zahl der tollwütigen Hunde im Jahre 1919 gegenüber dem Vorjahre 
um #/,, die der gebissenen Personen um °/,. Fälle von Tollwut sollen nur bei nicht- 
geimpften Hunden festgestellt sein. 

In der Präfektur Tokyo wurde die Impfung im Mai 1919 eingeführt. Bis zum 
Ende des Jahres wurden von etwa 20000 eingetragenen Hunden 13177 Hunde 
eimpft, von denen „einer nach der Impfung starb und einer infolge nicht genügender 
Wirkung der Impfung tollwutkrank wurde.“ Während der 6 Monate von Oktober 
1919 bıs März 1920 fiel die Zahl der tollwütigen Hunde gegenüber den ent- 
sprechenden Monaten des Vorjahres (Oktober 1918 bis März 1919) etwa um die 
Hälfte. desgleichen auch die Zahl der gebissenen Personen. Die Fälle von Tollwut, 
die sich in der Berichtszeit ereigneten, wurden mit Ausnahme des oben erwähnten 
Falles nur bei nichtgeimpften herrenlosen Hunden ermittelt. In beiden Präfekturen 
zusammen soll durch die Impfung die Zahl der Tollwutfälle gegenüber dem Vor- 
jahre um 75 Proz. reduziert worden sein. 

Nach einem neueren Berichte von Hata (Mai 1924) erkrankten seit Einführung 
der Imptung von 104629 geimpften Hunden nur 49 an Wut, während unter den 
ungeimpften Hunden, deren Zahl nur etwa 1/3 der Gesamthundezahl in zwei 
Präfekturen ausmacht, 1699 Wutfälle vorkamen. 

Ebenso wie Umeno und Doi konnte auch Kondo in Japan die Nützlichkeit 
einer ähnlichen Immunisierungsmethode mit abgeschwächtem Virus fixe durch 
ausgedehnte praktische Anwendung bei Hunden zur präinfektionellen Immuni- 
sierung demonstrieren. Kondo benutzte für seine Laboratoriumsversuche, die er 
eingangs an Meerschweinchen ausführte Virus fixe, das gemörsert mit einer 
Lösung von 0,5 Proz. Karbolsäure und 50 Proz. Glyzerin im Verhältnis 1:5 suspen- 
diert und vor der Einspritzung verschiedenen Temperaturen ausgesetzt wurde. In 
Versuchen an 13 Hunden wurde durch einmalige subkutane Injektion von 5—10 cem 
ein sicherer Schutz gegen eine spätere Infektion in die skarifizierte Hornhaut gewährt. 
Von Juni 1919 bis Februar 1921 ist nach den Angaben von Kondo die Zahl 
der geimpiten Hunde auf 20117 gestiegen. Von diesen Hunden erkrankte im Laufe 
des folgenden Jahres keiner an Tollwut. Da der Virusbedarf zur Impfstoffbereitung 
bei derartigen Massenimpfungen sehr groß ist, empfiehlt Kondo, hierzu das Gehirn 
pag Rückenmark von Handen zu benutzen, die einer Virus fixe-Infektion er- 
igen. 

In Amerika wurden die Befunde von Umeno und Doi bald durch Eichhorn 
und Lyon bestitigt. Sie behandelten 37 Hunde in 6 Versuchen durch subkutane 
Applikation des Impfstoffes an zwei Körperstellen, darauf wurden die Hunde 
3 Wochen, 3 Monate, 7 Monate und 12 Monate später durch intraokuläre Applikation 


Mießner u. Baars, Immunisierung gegen Lyssa der Hunde mit Lyssin. 87 


von Straßenvirus aq g Virus auf 10 ccm physiologische Kochsalzlösung) mit je 
2 Kontrollhunden für jede Versuchsgruppe infiziert. Alle Kontrollhunde verendeten 
an Tollwut. Von den geimpften Hunden erkrankten nach der Infektion 3 Hunde an 
Tollwut und zwar 2 Hunde, die 3 Wochen nach der Immunisierung und 1 Hund, 
der ca. 12 Monate nach der Impfung infiziert waren. Die Versuche, die dann in 
der Praxıs ausgeführt wurden, sollen die im Laboratorium erzielten günstigen Ver- 
suchsergebnisse bestätigt haben. Von 25000 Hunden, die einmalig gegen Tollwut 
nach der japanischen Methode geimpft waren, erkrankte keiner an Wut, obwohl 
verschiedene von erwiesenermaßen tollwütigen Hunden gebissen wurden und nicht- 
geimpfte Hunde infolge des Bisses erkrankten. 

Ferner wurden Nachprüfungsversuche über die japanische Immiunisierungs- 
methode (Umeno und Doi) von Schoenin aügestelit, der in 5 Versuchsreihen 
56 Hunde immunisierte und später intraokulär Bev. durch den Biß eines tollwütigen 
Hundes infizierte. Ein geimpfter Hund ging an Impftollwut ein. Im übrigen waren 
die Immunisierungserfolge gegenüber den verschiedenen zur Infektion benutzten 
StraBenvirusstiimmen recht wechselnd; 12 von 16 Hunden waren gegenüber 
2 StraBenvirusstimmen geschützt, während bei Verwendung eines anderen Straßen- 
virusstammes von 30 geimpften Hunden nur 6 Hunde überlebten. Schoening 
schließt daraus, daß die Wirksamkeit der präinfektionellen Impfung von dem 
Straßenvirus abhängig ist, dem die Hunde nach der Impfung ausgesetzt werden und 
daß die Impfung nach Umeno und Doi nicht in allen Fällen schützt. 

. Auch in utschland sind EBEN, mit den von uns ausgeführten Unter- 
suchungen, über die bereits auf der 11. Tagung der Deutschen Vereinigung für 
Mikrobiologie im September 1925 in Frankfurt a. M., von Mießner kurz 
reteriert wurde, von Giese im Reichsgesundheitsamt Nachprüfungsversuche über 
die Brauchbarkeit der japanischen Immunisierungsmethode der Hunde angestellt. 
Von ihm wurden in 8 Versuchsreihen zusammen 45 Hunde nach der Methode von 
Umeno und Doi unter Benutzung des auch von uns verwendeten Virus fixe Br. 
immunisiert. Von diesen 45 Hunden zeigten sich 33 gegen eine spätere intramuskuläre 
Infektion mit frischem Straßenvirus geschützt. 2 Hunde verendeten interkurrent, 
4 Hunde erkrankten an Impftollwut, davon 1 unter Erscheinungen der rasenden 
Wut, und 6 Hunde gingen infolge mangelnder Immunität an stiller Wut ein. 
Von den 21 gleichzeitig infizierten Kontrollhunden verendeten 19 Hunde an Wut, 
2 Hunde erkrankten nicht. Die Ursache für die Entstehung von Impftollwut in 
4 Fällen sieht Giese darin, daß die von den Japanern angegebene Dosierung bei 
Verwendung von Virus fixe (Breslau) zu hoch ist. 

Von Finzi ist in Italien die von Umeno und Doi geübte Methode in einer 
neuen Ausarbeitung, bei welcher die Konzentration des Glyzerinzusatzes verringert 
und der Karbolsäuregehalt erhöht wurde, angewendet. Durch Versuche stellte Finzi 
test, daß eine einmalige Schutzimpfung nach seiner Methode hinreicht, gesunde 
Hunde aut 9—12 Monate sicher wutfest zu machen und daß ferner durch eine 
Wiederholung der Impfung nach einem Jahr die Immunität auf 15—-24 Monate 
verlängert würde. In der Praxis sollen bisher 13000 Hunde fakultativ nach der 
Methode geimpft und in der Provinz Modena die Impfung als Zwangsimpfung durch- 
geführt sein. 

Schern hat in Montevideo ebenfalls Immunisierungsversuche an Hunden mit 
einem gegenüber dem japanischen Impfstoff von Umeno und Doi „modifizierten“ 
Impfstoft ausgeführt. Ueber die Zusammensetzung des Impfstoffes sowie die appi 
kationsweise fehlen Angaben. Es wurden 11 Hunde einmal präinfektionell mit dem 
als „Serum B“ bzw. „Serum C“ bezeichneten Impfstoff geimpft und zusammen 
mit 3 Kontrollhunden 12—72 Tage nach der Impfung konjunktival und korneal 
geimpft. Die Kontrollhunde verendeten an Wut, während die geimpften Hunde bis 
auf einen, der interkurrent verendete, am Leben blieben. Die Regierung von 
Uruguay soll darauf einen Gesetzentwurf vorbereiten, der die obligatorische Toll- 
wutimpfung der Hunde vorsieht. 

n verschiedenen Ländern und Staaten (Japan, Nord- und Südamerika, Italien, 
Portugal) sınd seither präinfektionelle Schutzimpfungen an Hunden nach der jera- 
nischen Methode oder angelehnten Verfahren (Pinel, Schern) sowohl fakultativ 
wie auch a pias im großen in der Praxis durchgeführt bzw. in Aussicht ge- 
nommen. Die Berichte über die damit erzielten Erfolge lauten aus diesen Ländern 
durchweg günstig. Fermi allerdings beurteilt den praktischen Wert der japanischen 
Methode sehr skeptisch. Einmal soll der hohe Nels hag Se der japanischen Vakzine 
die Applikation schmerzhaft machen und zudem die Dickfliissigkeit, die Resorbier- 
barkeit ungiinstig beeintriichtigen sowie durch den Reiz, den das Glyzerin auf die 
Subkutis ausübt, Abzeßbildungen veranlassen. In eigenen Versuchen an 3 Hunden 
mit der selbsthergestellten japanischen Vakzine konnte Fermi selbst nach mehr- 


88 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


maliger Applikation unter Erhöhung der Impfdosis bei 2 Hunden keine Immunität 
erzielen. Aus den amerikanischen Statistiken entnimmt Fermi weiter, daß von 
75000 ın Amerika geimpften Hunden 2 Tiere 14 Tage nach der Impfung an Wut 
starben und weitere Hunde, die später gebissen wurden, trotz der vorausgegangenen 
Impfung noch wütend wurden. 


Mögen die Bedenken Fermis berechtigt sein oder nicht, sie weisen uns jeden- 
falls erneut an, die Erfüllung der Forderung vieler Kreise, die japanische Impfmethode 
der Hunde auch in Deutschland zur Durchführung zu bringen, zuerst von dem Ausfall 
nachprüfender Versuche abhängig zu machen. Von solchen Versuchen könnte man 
auch schon aus dem Grunde nicht absehen, da bekannt ist, daß das Virus fixe der 
verschiedenen antirabischen Institute hinsichtlich der Virulenz und der sonstigen 
Eigenschaften außerordentliche Unterschiede aufweist. Fermi hat z. B. festgestellt, 
daß, während ein von ihm benutztes Virus fixe bei subkutaner Einspritzung Ver- 
suchstiere in 100 Proz. der Fälle tötete, das im Institut Robert Koch gebrauchte 
Passagevirus beı gleicher Applikationsweise in nur 40—50 Proz. der Fälle den Tod 
herbeifiihrte. Bei subkutaner Anwendung wurden durch das Virus fixe von Turin 
60 Proz., von Sassari 100 Proz.. von Palermo 100 Proz., von Rom 66 Proz., vou 
Florenz 36 Proz., von Neapel 33 Proz., von Boulogna und von Mailand 0 Proz. der 
infizierten Muriden getötet. Gleiche Erfahrungen machte auch Babes. 

Schon allein aus diesem Grunde lassen sich die in anderen Ländern angewendeten 
Tollwutimmunisierungsmethoden, selbst wenn sie dort ihre Zweckmäßigkeit und 
Unschädlichkeit durch ausgedehnte praktische Anwendung dargetan haben, nicht 
ohne weiteres auf unsere Verhältnisse übertragen und entbinden uns nicht davon 
zuerst eine gründliche Nachprüfung vorzunehmen. Erst bei günstigem Ausfall 
von Laboratoriumsversuchen an einer möglichst großen Zahl von Versuchshunden 
wird man der Frage der praktischen Durchführung näher treten können. 

Die Möglichkeit der Erzeugung der Krankheit durch die Impfung ist bei 
einer aktiven Immunisierungsmethode niemals völlig auszuschalten; durch umfang- 
reiche Laboratoriumsversuche ist darzutun, ob diese Gefahr sehr groß ist, ehe man 
ein auf die Laboratoriumsversuche sich aufbauendes Immunisierungsverfahren in die 
Praxis überführt. Die Impfung wird man bei etwaigen Fällen von Impflyssa auch 
dann befürworten, wenn nur die stille Wut mit Lähmung ohne jede Beißsucht entsteht 
und der erkrankte Impfling kein Virus ausscheidet. Der neuerdings von Giese bei 
seinen Immunisierungsversuchen nach der japanischen Methode beobachtete Fall von 
rasender Impflyssa, hat allerdings die so aussichtsreich erscheinende Regel von der 
alleinigen Entstehung der paralytischen Form der Wut nach Virus fixe-Injektionen 
in bedenklicher Weise durchbrochen. 

Des ferneren muß die Impfung einfach und der Impfstoff längere Zeit haltbar 
sein. Die gebräuchlichsten Konservierungsmittel sind die Karbolsäure und das 
Glyzerin. Ueber die Wirksamkeit der Karbolsäure gehen die Ansichten erheblich 
auseinander. Während unter anderen Kraus und Krajuschkin betonen, daß 
durch den Zusatz von 1/, bis 1proz. Karbolsäure die Virulenz des Impfstoffes un- 
beeinflußt bleibt, stelllte Fermi durch Versuche an Ratten fest, daß nach Zusatz 
von 1 Proz. Karbolsäure zu 1:10 Virussuspension eine einheitliche Abschwächung 
ja schließlich sogar Abtötung des Impfstoffes zu erreichen ist; es soll sich aber die 
immunisierende Eigenschaft unter Einwirkung der Karbolsäure 4 Monate lang er- 
halten. Der japanische Impfstoff nach Umeno und Doi wird ebenfalls durch 
Karbolsäure konserviert unter gleichzeitiger Verwendung von Glyzerin. Die kon- 
servierende Eigenschaft des Glyzerins soll nach Philipps darauf beruhen, daß 
Sauerstoff nur in geringem Maße in Glyzerin löslich ist. Unter Entziehung des 
Sauerstofts soll es gelingen, die Virulenz von in Glyzerin fein verteiltem Virus fixe 
sehr lange zu erhalten. Eine Glyzerinsuspension, die in 0,1 cem 15 mg Virus fixe 
enthält, soll unter Entziehung von Sauerstoff durch Pyrogallol und Kalilauge sowie 
unter Abschluß von Licht im Gefrierschrank bei —2 bis —4° C die Virulenz bis 
770 Tage bewahren können. Der Gehalt des Impfstoffes an Glyzerin, so fördernd er 
für die Konservierung ist, macht sich allerdings bei der Applikation insofern 
störend bemerkbar, als Glyzerin schmerzhafte, entzündliche Veränderungen zuweilen 
mit Abszeßbildung veranlassen soll (Fermi). Mießner hat Virus fixe unter 
Glyzerin noch nach 6 Wochen vollvirulent gefunden. In zugeschmolzenen Glas- 
röhrchen blieb die Virulenz des sterilen Virus fixe — Rückenmarkes — ohne 
Glyzerin 4 Wochen erhalten; in Gelatine eingebettet ließ es sich bis zu 5 Monaten 
virulent aufbewahren. Da jedoch die sterile Entnahme des Rückenmarkes gewissen 
Schwierigkeiten begegnet, für das Gehirn, auf dessen Verwendung bei größerem 
Virusbedart nicht verzichtet werden kann, eine solche aber so gut wie ausgeschlossen 
ist, wandte sich Mießner der Haltbarmachung durch Trocknung zu. Es gelang 
durch schnelle Trocknung bei höchstens 309 in Faust-Heimschen Exsikkator 


Mießner u. Baars, Immunisierung gegen Lyssa der Hunde mit Lyssin. 89 


und folgender Pulverisierung ein Präparat zu erhalten, das wenigstens einen Monat 
lang seine volle Pathogenität behält. Auch Nassy und Winkel bestätigen die 
a Konservierung des Virus fixe durch schnelle Trocknung; in Glyzerin in 
zugeschmolzenen Röhrchen im Eisschrank aufbewahrt behielt es 3 Meats, getrocknet 
bei Zimmertemperatur von 17° C gehalten 5 Monate unveränderte Virulenz. Harris 
nimmt die schnelle Trocknung des frischen Virus fixe im Vakuum bei Gefrier- 
temperatur vor und bestätigt, daß das ausgetrocknete Virus bei gleichem Gewicht 
ebenso infektiös wie das frische Virus ist. Die Abnahme der Virulenz erfolgt so 
langsam, und zwar erst im Verlauf von Monaten, daß sich die Virulenz namentlich 
bei Aufbewahrung in kühlen, trockenen, dunklen Räumen mit größter Genauigkeit 
gewährleisten läßt. Die Vorteile eines Trockenpräparates liegen auf der Hand: 
leichte Verpackung, gefahrlosere Versendung, schnellere und einfachere Zubereitung 
der zur Impfung notwendigen ge 

Die Art der Infektion zur Prüfung der Immunität geimpfter Hunde ist für 
die Beurteilung des Erfolges sehr wesentlich. Die subdurale Infektion ist die 
schwerste Infektionsart und liefert schon nach den Versuchen Pasteurs 100 Proz. 
positive Resultate. Fast ihr gleichwertig ist die intramuskuläre Infektionsart, die 
nach Marx, J. Koch und Pokschischewsky fast absolut sicher sein soll. 
Den natürlichen Verhältnissen am nächsten kommt sicherlich der künstlich hervor- 
erufene Biß eines wutkranken Hundes. Der Hundebiß führt aber wie die praktischen 
rtahrungen lehren, nicht immer zur Infektion. Es wäre also bedenklich, wollte die 
Imunitätsprüfung im Laboratorium sich auf diesen Infektionsmodus beschränken. 
Von der subduralen Infektion wird man zur Prüfung auf Immunität mit Rücksicht 
aut die Infektionen unter praktischen Verhältnissen, bei denen es sich vornehmlich 
um durch Biß hervorgerufene Muskelwunden handelt, absehen. Die intramuskuläre 
Infektion dürfte in dieser Beziehung den Anforderungen Genüge leisten. 


Eigene Versuche. 

Vom Preußischen Landwirtschaftsministerium ist das Hygienische 
Institut der Tierärztlichen Hochschule zu Hannover beauftragt worden, 
Versuche über ein praktisch durchführbares präinfektionelles Immuni- 
sierungsverfahren gegen Tollwut bei Hunden anzustellen im Anschluß 
an ähnliche von Mießner, Kliem und Kapfberger 1911 am 
Kaiser Wilhelm Institut in Bromberg ausgeführte Untersuchungen. 
Das zu ermittelnde Verfahren mußte so einfach beschaffen sein, daß 
die Impfung im Großen als Mittel zur Bekämpfung der Tollwut 
Verwendung finden konnte. Unser Streben ging deswegen dahin, mit 
einer einmaligen Impfung auszukommen. Dies setzte die Applikation 
einer verhältnismäßig großen Menge Nervensubstanz voraus und erhöhte 
dadurch die Gefahr der Impftollwut. Das zur Erzeugung einer absolut 
gefahrlosen Impfung erforderliche Quantum ließ sich nur an Hand 
umfangreicher Tierversuche ermitteln. Deswegen wurden große Ver- 
suchsreihen an Hunden angesetzt. Hierdurch schaltete man bei der 
Beurteilung möglichst alle Zufälle aus, die auf schwankender Virulenz 
des Impfstoffes und wechselnder Empfänglichkeit der Hunde beruhten. 

Zur Immunisierung wurden 3 Virus fixe-Stämme B. I, B. II und 
Br. benutzt, die uns in dankenswerter Weise von der Wutschutz- 
abteilung des Instituts für Infektionskrankheiten „Robert Koch“ 
zur Verfügung gestellt waren. Die Virus fixe-Stämme B. I und B. II 
erwiesen sich als schwachvirulent, da Kaninchen nach subduraler 
Infektion erst nach 10—12 Tagen erkrankten, während das Virus fixe 
Br. subdural infizierte Kaninchen bereits nach 4, längstens 6 Tagen 
völlig lähmte. Da man annehmen kann, daß das virulentere Virus 
auch einen höheren Immunisierungseffekt auszulösen imstande ist, haben 
wir die schwachvirulenten Virus fixe-Stämme B. I und B. II nur in 
den ersten 4 Versuchsreihen zur Impfung benutzt und in den weiteren 
Versuchen allein das Virus fixe Br. verwendet. 

Der Virus fixe-Stamm Br. (Breslau) wird nach Angabe des 
Instituts für Infektionskrankheiten „Robert Koch“ in Breslau seit 


90 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


Jahren zur Wutschutzbehandlung der Menschen benutzt und soll ur- 
sprünglich dem Breslauer Institut bei seiner Gründung von der Berliner 
Wutschutzabteilung abgegeben sein. Es handelt sich um den gleichen 
Stamm, den auch Giese bei seinen kürzlich veröffentlichten Immuni- 
sierungsversuchen benutzt hat. 

Anfänglich wurde intraabdominal geimpft, da nach den Li- 
teraturangaben zu erwarten war, daß auf diese Weise eine Erkrankung 
an Impftollwut am sichersten vermieden werden kann. Dies traf 
nach unseren Beobachtungen nicht immer zu, deshalb wurde in späteren 
Versuchen nur noch die leichter auszuführende subkutane Imp- 
fung benutzt. pe 

Sämtliche Hunde wurden vor der Impfung gewogen. Bei Ver- 
wendung von abgestuften Impfdosen erhielten kleinere Hunde die 
niedrigeren Dosen. Auf diese Weise suchten wir festzustellen, ob 
das Gewicht bzw. die Größe der Hunde eine Abstufung der Impfdosis 
erforderlich machte. 

Die Prüfung auf den durch die Impfung erreichten Immuni- 
sierungseffekt erfolgte in allen Versuchen durch intramuskuläre In- 
fektion mit Straßenvirus, das frisch aus eingesandtem Untersuchungs- 
material gewonnen wurde. Die Infektion wurde sowohl bei den ge- 
impften Hunden wie bei den ungeimpften Kontrollhunden und -kanin- 
chen durch Injektion von 0,5 g Straßenvirusgehirn in die Rücken- 
muskulatur beiderseits der Wirbelsäule vorgenommen. In der Regel 
erfolgte die Infektion 4 Wochen nach der Impfung. Zwecks Fest- 
stellung der Dauer der Immunität wurden jeweils geimpfte Hunde 
zurückbehalten, die zu einem späteren Zeitpunkt infiziert wurden. 
Nach der Infektion blieben die Hunde mindestens 6 Monate unter 
Beobachtung. 

Infolge Raummangels konnten nicht alle Hunde in Einzelkäfigen 
untergebracht bzw. so gehalten werden, daß sie sich nicht gegenseitig 
berührten. Dies war lediglich für die infizierten Kontrollhunde möglich, 
während die geimpften Hunde versuchsgruppenweise in Abständen 
von 1 m angekettet waren. Gleichzeitig wurden mit ihnen zusammen 
unbehandelte gesunde Hunde nicht angekettet gehalten, um zu beob- 
achten, ob etwa bei gelegentlichen Beißereien von den geimpften 
Hunden durch den Biß Tollwut übertragen würde. 

Außerdem wurden gelegentlich kleine Versuchstiere mit Speichel 
und Gehirn geimpfter Hunde infiziert, um festzustellen, ob darin etwa 
das Virus in übertragbarer Form enthalten ist. 

Als Impfstoff wurden benutzt frisches Virus fixe, ferner ent- 
sprechend der japanischen Methode nach Umeno und Doi mit in 
Glyzerin Karbolkochsalzlösung konserviertes Virus fixe und schließlich 
nach Mießner durch Trocknung konserviertes Virus fixe „Lyssin‘“. 


A. Versuche mit frischem Virus fixe. 


Das Virus fixe wurde aus dem Gehirn und Rückenmark von 
Kaninchen gewonnen, die nach subduraler Infektion auf der Höhe 
der Erkrankung (völlige Lähmung) getötet waren. Nach dem restlosen 
Zermörsern wurde die Nervensubstanz mit der dreifachen Menge physio- 
logischer Kochsalzlösung aufgeschwemmt und die Suspension durch 
ein feines steriles Drahtsieb filtriert. Das durch das Sieb laufende 
Filtrat diente frisch als Impfstoff. 


Mießner u. Baars, Immunisierung gegen Lyssa der Hunde mit Lyssin. 9] 


a) Versuche mit Virus fixe B.I. 


Versuch 1: 5 Hunde, von denen 3 über, 2 unter 10 kg wogen, wurden 
am 31. 7. 1924 mit frischem Virus fixe, Stamm BI, intraabdominal geimpft. 
4 Hunde erhielten je 2 g und 1 Hund (7!/, kg) 3 g Virus. Von diesen Hunden ver- 
endete eıner interkurrent 34 Tage nach der Impfung infolge Schlundverstopfung. 
Im Gehirn keine Veränderungen. Von den restlichen 4 Hunden wurden 2 Hunde am 
23. 9. und 1 Hund am 2. 10. zusammen mit 2 Kontrollhunden und 1Kontroll- 
kaninchen bezw. 2 Kontrollhunden infiziert, während 1 Hund zwecks späterer In- 
tektion zur Feststellung der Dauer der Immunität weiter unbehandelt in Beob- 
achtung blieb. Von den beiden am 23. 9. infizierten Impflingen starb der mit 3 g 
Virus fixe geimpfte Hund nach 20 Tagen an paralytischer Wut. Der mit 2 g 
Virus fixe geimpfte Hund blieb gesund. Die beiden gleichzeitig infizierten 
Kontrollhunde und das Kontrollkaninchen verendeten innerhalb 21—23 Tagen an 
Wut. Der am 2. 10 infizierte Hund blieb gesund, während sämtliche Kontrollhunde 
12—21 Tage post inf. an Wut erkrankten. 

Versuch 2: Am 12. 8. 1924 wurden abermals 5 Hunde, von denen einer 
über und 4 unter 10 kg wogen, mit frischem Virus fixe B I intraabdominal ge- 
impft; 3 Hunde mit je 2 g, 2 Hunde mit je 3 g Virus. Die beiden Hunde, die 
3 g Virus erhalten hatten, verendeten 25—26 Tage nach der Impfung interkurrent 
an Staupe: Von den restlichen 3 Hunden wurde 1 Hund am 2. 10. und 2 Hunde 
am 5. 12. zusammen mit je 2 Kontrollhunden infiziert. Der am 2. 10. infizierte ge- 
impfte Hund verendete 27 Tage post inf. an paralytischer Wut. Von den beiden am 
5. 12. infizierten Impflingen verendete der eine 12 Tage später an paralytischer Wut, 
a andere blieb gesund. Sämtliche Kontrollhunde gingen innerhalb 10—21 Tagen an 

ut ein. 


Ergebnisse der Versuche 1 und 2. 


Von 10 mit 2—3 g frischem Virus fixe intraabdominal geimpften 
Hunden verendeten 3 Hunde interkurrent; 6 Hunde wurden zusammen 
mit 9 Kontrollhunden und 1 Kontrollkaninchen infiziert; 1 Impfling 
wurde zwecks späterer Infektion weiter unbehandelt gelassen, 3 ver- 
endeten infolge mangelnder Immunität an Wut, während 3 immun 
waren. Die Kontrollhunde verendeten an Wut. 

Die Impfung mit frischem Virus fixe B. I hatte also nur in 
50 Proz. der Fälle Immunität bewirkt. Diese Unsicherheit in den 
immunisatorischen Verhalten des Virus fixe B. I stimmte mit seiner 
schwachen Virulenz im Kaninchenversuch bei subduraler Infektion 
überein. Wir haben daher von der weiteren Verwendung dieses Virus 
fixe-Stammes abgesehen und in 2 folgenden Versuchen ein uns in- 
zwischen vom Robert Koch-Institut übersandtes Virus fixe B. II 
verwendet, das sich jedoch nur unwesentlich in seiner Virulenz vom 
Virus fixe B. I unterschied. 


b) Versuche mit Virus fixe B. IL. 


Versuch 3: Am 15. 10 1924 wurden 4 Hunde im Gewicht tiber 10 kg intra- 
abdominal mit frischem Virus fixe B II geimpft; 2 Hunde erhielten je 2 g und 
2 Hunde je 3g Virus. Am 5. 12 wurden 3 der geimpften Hunde zusammen mit 
2 Kontrollhunden infiziert. 1 mit 3g Virus geimpfter Hund wurde erst später 
zwecks Feststellung der Dauer der Immunitit infiziert. Die infizierten anpi inge 
blieben gesund. Dagegen verendeten die beiden Kontrollhunde innerhalb 13—17 
Tagen an paralytischer Wut. 

Versuch 4: Am 21. 10 1924 wurden wiederum 4 unter 10 kg schwere 
Hunde aut gleiche Weise wie in Versuch 3 geimpft. 1 mit 2g Virus geimpfter 
Hund erkrankte 9 Tage post inf. unter krampfartigen Zuckungen der Extremitäten; 
er verendete am 13. Tage. Die Sektion ergab neben Maulfiiule und gänzlicher Leere 
des Magen-Darmtraktus keinen weiteren Befund. Im Gehirn keine Negrischen 
Körperchen; ein mit Gehirn intramuskulär infiziertes Kaninchen verendete unter 
Lähmungserscheinungen am 12. Tage. Hiernach blieb die Diagnose zweifelhaft, Lyssa 
konnte aber nicht ausgeschlossen werden. Von den restlichen 3 Hunden wurden 
2 Hunde zusammen mit 2 Kontrollhunden am 5. Dezember 1924 infiziert, während 
1 geimpfter Hund zwecks späterer Infektion unbehandelt unter Beobachtung blieb. 


92 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


Die Impflı erkrankten nicht, während die beiden Kontrollhunde 13—14 Tage 
post ınt. an Wut verendeten. 


Ergebnisse der Versuche 3 und 4. 


Von 8 mit 2—3 g frischem Virus fixe B. II intraabdominal ge- 
impften Hunden verendete 1 Hund 9 Tage nach der Impfung, ohne 
daß sich Impftollwut als Todesursache ausschließen ließ. Von den 
übrigen 7 Hunden wurden 5 Hunde zusammen mit 4 Kontrollhunden 
infiziert. 2 Hunde blieben zwecks späterer Infektion unbehandelt 
unter Beobachtung. Die 5 infizierten Impflinge erwiesen sich immun, 
dagegen verendeten die Kontrollhunde an Wut. 

Inzwischen war uns von der Wutschutzabteilung des Robert Koch- 
Institutes der Virus fixe-Stamm Br. (Breslau) übersandt, 
der sich durch seine hervorragende Virulenz auszeich- 
nete. Die durchschnittliche Inkubationszeit für Kaninchen betrug bei 
subduraler Infektion 4—5 Tage. Mit dem Virus fixe Br. haben wir 
darauf alle weiteren Immunisierungsversuche angestellt. 


c) Versuche mit Virus fixe Br. (Breslau). 

Am 15. 9. 1924 wurden je 3 Hunde, von denen 2 über und 4 unter 10kg 
wogen, mit 2 bzw. 3 g frischem Virus fixe Br. intraabdominal geimpft. Es 
verendete darauf je 1 mit 2 und mit 3g geimpfter Hund 7—10 Tage nach der 
Impfung an typischer paralytischer Lyssa. Ein Impfling mit 3g erkrankte am 
8. Tage unter Parese der Nachhand, genas aber bald wieder völlig. Von den 
übrigen 3 Hunden wurden 2 Hunde, die mit 2g Virus geimpft waren, am 27. 12. 
1924 zusammen mit 2 Kontrollhunden infiziert. Die geimpften Hunde erkrankten 
nicht, dagegen verendeten beide Kontrollhunde innerhalb 14—19 Tagen nach der 
Infektion. 2 Impflinge blieben für spätere Infektionsversuche zurück. 


Der Versuch 5 läßt deutlich erkennen, daß die einmalige Appli- 
kation von 2—3 g Virus unter Verwendung von Virus fixe Br. zu 
hoch ist. Deshalb wurde die Impfdosis im folgenden Versuch um die 
Hälfte reduziert und 2mal im Abstand von 8 Tagen eingespritzt. 


Versuch 6: Am 17. und 24. 9. 1924 wurden 5 Hunde, von denen einer über, 
4 unter 10 kg wogen, intraabdominal mit frischem Virus fixe Br. geimpft; 
3 Hunde erhielten 2mal je 1g und 2 Hunde 2mal je 1,5 g Virus. Alle Hunde 
blieben gesund. 4 von ihnen wurden am 27. 12. zusammen mit 2 Kontrollhunden 
infiziert. Die Impflinge erkrankten nicht, dagegen verendeten beide Kontrollhunde 
ee pot inf. an Wut. 1 geimpfter Hund blieb zwecks späterer Infektion 
unbehandelt. 


Nach dem Ausfall des Versuches ruft die Impfdosis von 1—1,5 g 
frischem Virus fixe Br. selbst bei 2maliger Applikation im Abstand 
von 8 Tagen keine Impflyssa hervor. Der durch die 2malige Impfung 
erzielte Schutz war ausreichend gegen eine sicher tödliche Infektion 
mit Straßenvirus. Der nun folgende Versuch bezweckte festzustellen, 
ob auch durch eine 1malige Impfung von 1 oder 1,5 g Virus 
gleich günstige Ergebnisse zu erzielen waren. 


Versuch 7: Am 11. 12. 1924 wurden 6 Hunde, von denen 4 Hunde über, 
2 Hunde unter 10 kg wogen einmal intraabdominal mit frischem Virus fixe Br. 
geimpft; 3 Hunde erhielten je 1 g und 3 Hunde je 1,5 g Virus. Fälle von Impftoll- 
wut ereigneten sich nicht. Am 13. 1. 1925 wurden je 2 von den Impflingen, die mit 
1 g bzw. 15 g Virus geimpft waren, zusammen mit 2 Kontrollhunden und 2 Kontroll- 
kaninchen infiziert. Die beiden übrigen geimpften Hunde blieben zwecks späterer In- 
fektion unbehandelt. Einer der Impflinge erkrankte am 7. Tage nach der Infektion an 
Staupe (Nasenausfluß, eitrige Konjunktivitis, Maulfäule) und verendete ohne irgend- 
welche klinischen Symptome der Wuterkrankung am 21. Tage. Im Gehirn keine 
Negri, 2 mit Gehirnsuspension subdural und intramuskulär infizierte Kaninchen 





Mießner u. Baars, Immunisierung gegen Lyssa der Hunde mit Lyssin. 93 


blieben gesund, also konnte Lyssa auf alle Fälle ausgeschlossen werden. Die übrigen 
3 infizierten Impflinge blieben und, dagegen verendeten die beiden Kontrollhunde 
34—112 Tage post inf., die beiden Kontrollkaninchen 23—63 Tage an post inf. Wut. 


Es vermag demnach eine 1malige intraabdominale Imp- 
fung mit frischem Virus fixe Br. in der Dosis von 1—1,5 g unter 
Ausschluß einer Impflyssa einen sicheren Schutz gegen die 4 Wochen 
später erfolgende Infektion mit Straßenvirus zu verleihen. 

Die nun folgenden 3 Versuche bezweckten die im Versuch er- 
haltenen Ergebnisse an einer größeren Zahl von Hunden zu erproben 
und dabei gleichzeitig festzustellen, ob auch die subkutane Appli- 
kation des Impfstoffes der intraabdominalen gleichwertig sei. 


Versuch 8: Am 19. 12. 1924 wurden 6 Hunde, von denen 5 über 10 kg 
und 1 10 kg wog, subkutan mit frischem Virus fixe Br. geimpft; 3 Hunde er- 
hielten 1,5 g und 3 Hunde 1 g Virus. Impflyssa trat nicht ein. 4 geimpfte Hunde, 
von denen 2 Hunde je 1,5 g und 2 Hunde je 1g Virus erhalten hatten, wurden 
am 13. 1. 1925 zusammen mit 4 Kontrollhunden und 2 Kontrollkaninchen infiziert. 
Die Impfhnge blieben gesund. Dagegen verendeten die 3 Kontrollhunde 34—112 
Tage und die Kontrollkaninchen 30—67 Tage post inf. an Wut. Die restlichen 2 
geimpften Hunde blieben zwecks späterer Infektion unbehandelt. 

Versuch 9: Am 27. 12. 1924 wurden nochmals 6 Hunde, von denen 
2 über und 4 unter 10 kg wogen, subkutan mit frischem Virus fixe Br. wie 
im Versuch 8 geimpft. Auch in diesem Versuch ereignete sich kein Fall von Impf- 
tollwut. Am 3 1. 1925 bzw. 4. 2. 1925 wurden 5 geimpfte Hunde, von denen 2 
Hunde mit je 1,5 g und 3 Hunde mit je 1g Virus be andelt waren, zusammen mit 
4 Kontrollhunden und 2 Kontrollkaninchen infiziert. Die geimpften Hunde blieben 

und; von den Kontrolltieren verendete 1 Hund 55 Tage post inf. und 2 Kaninchen 
0—49 Tage post inf. an Wut. Ein geimpfter Hund blieb zwecks späterer Infektion 
unbehandelt. 

Versuch 10: Am 31. 12. 1924 bzw. 2. 1. 1925 wurden wiederum 6 Hunde, 
von denen 2 über und 4 unter 10 kg wogen, intraabdominal mit frischem 
Virus fixe geimpft; 3 Hunde erhielten je 1,5 g und 3 Hunde je 1 g Virus. 
Zen als trat nicht ein. Am 4.2. 1925 wurden 5 geimpfte Hunde, von denen 
2 Hunde je 1,5 g und 3 Hunde je 1g Virus erhalten hatten, zusammen mit 2 
Kontrollhunden und 1 Kontrollkaninchen infiziert. Die Impflinge, aber auch die 
Kontrollhunde blieben gesund und nur das Kontrollkaninchen verendete 20 Tage 
post inf. an Wut, 1 geimpfter Hund blieb unbehandelt zwecks späterer Infektion. 





























Tabelle IV. 
Immunisierungsversuche mit frischem Virus fixe. 
g 
R z we | oe | u u 
a | B] g Oh | © S o Infizierte Kontrolltiere 
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94 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


Ergebnisse der Versuche 5—10. 

Von 35 mit frischem Virus fixe Br. (Breslau) geimpften Hunden 
erkrankten 3 Hunde im Gewicht von 8—11 kg (Vers. 5), die mit 
den größten Virusdosen (2—3 g) behandelt waren, an Impftollwat. 
2 Hunde (Vers. 5 und 7) verendeten interkurrent. 24 Impflinge wurden 
zusammen mit 16 Kontrollhunden und 7 Kontrollkaninchen infiziert. 
Die geimpften Hunde blieben gesund; 10 Kontrollhunde und 7 Kon- 
trollkaninchen verendeten an Wut. 8 geimpfte Hunde blieben zwecks 
späterer Infektion unbehandelt (s. Tab. IV). 


Zusammenfassung. 

Die Immunisierungsversuche mit frischem Virus fixe an 53 Hunden, 
von denen 24 über und 29 unter 40 kg wogen, durch 1—2malige 
intraabdominale oder subkutane Impfung (s. Tab. IV) ergaben, daß 
1. die präinfektionelle Immunisierung der Hunde gegen Tollwut durch 
imalige intraabdominale oder subkutane Impfung gelingt, — 2. die 
Erzeugung von Impftollwut von der Virulenz des Impfstoffes und der 
Impfdosis abhängig ist, — 3. schwachvirulentes Virus fixe (B. I) in 
der Dosis von 2—3 g schadlos intraabdominal injiziert werden kann, 
der dadurch erzielte Impfschutz jedoch recht unsicher ist, — 4. für 
hochvirulentes Virus fixe (Br.) die einmalige Dosis von 2—3 g intra- 
abdominal injiziert zu hoch gegriffen ist und vielfach Impftollwut 
hervorruft, — 5. die Impfdosis von 1—1,5 g Virus bei Verwendung 
von hochvirulentem Virus fixe (Br.) ohne Unterschied der Größe der 
Hunde keine Impftollwut hervorrief und dabei einen sicheren Impf- 
schutz erzeugte, — 6. eine 2malige Impfung nicht erforderlich ist 
und die intraabdominale vor der subkutanen Impfung keinen Vor- 
zug hat. 


B .Versuche mit karbolisiertem Glyzerinvirus. 

(Japanische Immunisierungsmethode Umeno und Doi.) 

Die praktische Durchführung der Tollwutschutzimpfung würde un- 
möglich sein, wenn sie an die Verwendung von frischem Virus fixe 
gebunden wäre. Unsere weiteren Bemühungen zielten deswegen darauf 
hinaus, einen möglichst längere Zeit konservierbaren Impfstoff zu 
verwenden. Nach den Angaben von Umeno und Doi soll der von ihnen 
benutzte karbolglyzerinisierte Impfstoff, nach der Abschwächung durch 
einen Aufenthalt von 30 Tagen im Eisschrank bzw. 14 Tagen bei 
Zimmertemperatur, 2—3 Wochen „aktiv“ bleiben. Den praktischen 
Bedürfnissen würde damit insbesondere auch durch die gebrauchs- 
fertige Form, in der sich der Impfstoff befindet, entsprochen sein. 
Unter Verwendung von Virus fixe Br. (Breslau) haben wir Nachprü- 
fungsversuche über die japanische Immunisierungsmethode angestellt. 

Nach der Vorschrift von Umeno und Doi wurde der Impfstoff 
folgendermaßen hergestellt: Das Gehirn und Rückenmark eines mit 
Virus fixe Br. infizierten und auf der Höhe der Lähmung getöteten 
Kaninchens (durchschnittlich 5—6 Tage p. inf.) wurden unter mög- 
lichst sterilen Kautelen im sterilen Mörser fein zerrieben und in 
+lyzerin-Karbolkochsalzlösung (60 Teile Glyzerin, 40 Teile physio- 


Mießner u. Baars, Immunisierung gegen Lyssa der Hunde mit Lyssin. 95 


logische Kochsalzlösung mit 1,25proz. Karbolsäurezusatz) suspendiert. 
Nach sorgfältigem Mischen blieb die Suspension in steriler Flasche 
aufbewahrt 14 Tage bei Zimmertemperatur (17—22° C) stehen und 
wurde dann zur Impfung verwendet, die subkutan an 2 Stellen beider 
Schultern erfolgte. Wir haben in unseren Versuchen ohne Unterschied 
des Gewichts der Hunde, das im Minimum 31/, kg betrug, 5 ccm 
Impfstoff pro Hund injiziert. Diese Menge Impfstoff entspricht etwa 
1,1 g Virus fixe, wenn durchschnittlich 13 g Gehirn und Rücken- 
mark eines Kaninchens zur Herstellung des Impfstoffes verwendet 
wird. Gleichzeitig mit der Impfung wurden zu jeder Versuchsreihe 
2 Kaninchen subdural infiziert, um die Virulenz des injizierten Impf- 
stoffes nachzuprüfen. 

Um über die Dauer der Virulenz des Impfstoffes unterrichtet 
zu sein, wurden Kaninchen subdural zu verschiedenen Zeiten mit 
0,1 ccm Impfstoff infiziert, und zwar sowohl mit solchem, der durch 
l4tägigen Zimmeraufenthalt der Abschwächung ausgesetzt war, als 
auch mit solchem, der 30 Tage lang im Eisschrank gestanden hatte. 
Beide Impfstoffe blieben bis 50 Tage nach der Herstellung virulent. 
Der Tod der infizierten Kaninchen erfolgte-7—10 Tage p. inf., während 
Kaninchen, die mit frischem Virus fixe Br. subdural infiziert wurden, 
am 6.—7. Tage p. inf. verendeten. 


Versuch 11: Am 4. 4. 1925 wurden 10 Hunde, von denen 7 Hunde über 
und 3 unter 10 kg im Minimo 6 kg wogen, mit 5 ccm Impfstoff subkutan ge- 
impft. Fälle von Tnpftollwut ereigneten sich nicht. 1 Hund (13,5 kg) verendete 
11 Tage nach der Impfung interkurrent ohne Lähmungen oder sonstige Erschei- 
nungen, die aut Lyssa schließen ließen, gezeigt zu haben. Die eingehende Unter- 
suchung aut Tollwut sowie die Tierversuche an Kaninchen und Meerschweinchen 
verliefen negativ. 7 Impflinge bekamen 4—7 Tage nach der Impfung nässende 
Ekzeme und Hautentzündungen einseitig oder beiderseitig an den Appli- 
kationsstellen des Impfstoffes, die bald ohne Behandlung abheilten. Am 7. 5. 1925 
wurden 9 geimpfte Hunde zusammen mit 3 Kontrollhunden und 2 Kontroll- 
kaninchen mit Straßenvirus infiziert. Die geimpften Hunde erkrankten nicht, von 
den Kontrolltieren verendete 1 Hund 21 Tage post inf. und 2 Kaninchen 29—33 
Tage post inf. an Wut. 

ersuch 12: Am 5.5. 1925 wurden gleichfalls 10 Hunde, von denen 9 
Hunde über 10 kg und 1 Hund 9 kg wogen, in gleicher Weise wie in Versuch 11 ge- 
impft. Auch in dieser Versuchsreihe traten bei 2 Hunden Hautekzeme an fet 
Applikationsstelle des Impfstoffes auf, die primiir verheilten, 1 Hund (16,5 kg) ver- 
este 13 Tage nach der Impfung an paralytischer Impflyssa. Die übrigen 9 Hunde 
wurden am 8. 6. 1925 zusammen mit 2 Kontrollhunden und 2 Kontrollkaninchen 
infiziert. Ein Impfling wurde von seınen Stallgenossen 45 Tage post inf. totgebissen 
und einer hatte sich 75 Tage post inf. an seiner Kette aufgehängt. Die übrigen 7 
Hunde blıeben und. Aber auch die Kontrollhunde erkrankten nicht und nur 
1 Kontrollkaninchen verendete 25 Tage post inf. an Wut. Bei einer abermaligen 
Infektion der geimpften Hunde und nicht erkrankten Kontrollhunde zusammen 
mit 4 neuen Pontrolihunden und 2 Kontrollkaninchen am 21. August 1925 er- 
krankten 3 neue Kontrollhunde und die beiden Kontrollkaninchen an Wut, die 
Hunde 17—52 Tage post inf., die Kaninchen 16—25 Tage post inf. Die 7 geimpften 
Hunde und die im ersten Infektionsversuch verwendeten beiden Kontrollhunde blieben 

und. Es waren also die beiden im ersten Infektionsversuch verwendeten Kontroll- 
unde durch die erste Einspritzung von Straßenvirus immunisiert. Daher kann auch 
das Gesundbleiben der 7 Impflinge im Anschluß an die 2. wirksame Infektion mit 
EM nıcht ohne weiteres der japanischen Impfmethode zugute geschrieben 
werden. 

Versuch 13: Am 30. 5. 1925 wurden abermals 10 Hunde, von denen 
5 über und 5 unter 10 kg wogen, wie in den beiden Vorversuchen geimpft. Auch 
in dieser Versuchsreihe traten bei 3 Hunden Hautekzeme auf. Impftollwut 
wurde nicht beobachtet. 1 Hund verendete interkurrent 3 Tage nach der mpiung 
an Staupe. Die übrigen 9 Hunde wurden zusammen mit 4 Kontrollhunden un 
2 Kontrollkaninchen am 21. 8. 1925 infiziert. Die geimpften Hunde blieben gesund; 


96 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


3 Kontrollhunde und 2 Kontrollkaninchen depen verendeten an Wut, die Hunde 
7—52 Tage post inf., die Kaninchen 16—25 Tage post inf. 

Versuch 14: Am 5. 1. 1926 wurden nochmals 10 über 10 kg schwere 
Hunde in gleicher Weise geimpft. Impftollwut wurde nicht beobachtet. 2 Hunde 
zeigten 4 Tage nach der Impfung wiederum Ekzeme an der Applikationsstelle des 
Impfstoftes. S Hunde verendeten interkurrent infolge von BiBverletzungen 10—37 
Tage nach der Impfung. Durch histologische Untersuchung und Tierversuch wurde 
Impflyssa aus; ossen. Die iibrigen 8 Hunde wurden gleichzeitig mit 3 Kontroll- 
hunden und Kontrollkaninchen am 22. 2. 1926 infiziert. Die pou ften Hunde 
erkrankten nicht, von den Kontrolltieren dagegen verendeten 2 Hunde (17 Tage 
post inf.) und die beiden Kaninchen (19—25 Tage post inf.) an Wut. 


Tabelle V. j 
Versuche mit karbolisiertem Glyzerinvirus (Umeno und Doi). 






































| © a | u | À à b 
_ | | 3 E Ss | = E > 2 Infizierte Kontrolltiere 
5 | Impfun | 5,4 =e = S: Ass e= = 
ee es |S) S| 83) 868) ym! Infizierte | An Tollwut 
2 |Impfstof | a3|25 |E | Z wS | DE + | verendet 
= 48) gu 1/33) 22%) C83 |__ ZE 
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5 lwie oft?) wieviel B| a4 8 SA © == Hunde Kanin- | Hundal Kanin- 
| wie? |Impfstoff\ | |£ >g 48 | chen chen 
11|Vace. 159)1 X sk | 5 ccm =| 10 — | 1 9 =| Be 2 04 | 2 
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13; „ 357 „ éi 10. | = 1 9 = 4 2 a. 2 
14 „ 664 „ a; 10° || = 2 8 — 3 2 SA2 


Ergebnis der Versuche 11—14. 

Von 40 nach der japanischen Methode (Umeno und Doi) mit 
5 ccm Impfstoff subkutan immuniserten Hunden verendete 1 Hund 
(16,5 kg) an Impftollwut und 4 Hunde starben interkurrent. 35 ge- 
impfte Hunde wurden zusammen mit 12 Kontrollhunden und 8 Kon- 
trollkaninchen infiziert. Von den Impflingen starben 2 Hunde (Vers. 12) 
interkurrent, 45 bzw. 77 Tage p. inf. Die restlichen 33 Hunde blieben 
gesund. Von den Kontrolltieren hingegen verendeten 7 Hunde und 
7 Kaninchen an Wut (s. Tab. V). 


Zusammenfassung. 

Die präinfektionellen Immunisierungsversuche, Methode U men o 
und Doi, haben ergeben, daß 

1. der japanische Impfstoff einen sicheren Schutz gegen die 
spätere intramuskuläre Wutinfektion verleiht; — 2. jedoch die an- 
gegebene Impfdosis unter Verwendung von Virus fixe Br. (Breslau) zu 
groß ist, so daß eine Impferkrankung nicht auszuschließen ist; — 
3. der Impfstoff gibt wahrscheinlich infolge seines Glyzeringehaltes 
vielfach zu Hautentzündungen oder Abszessen in der Umgebung der 
Impfstelle Veranlassung. 


C. Versuche mit Trockenvirus „Lyssin“. 


Es ist wohl anzunehmen, daß sich durch Herabsetzung der Impf- 
dosis des japanischen Impfstoffes unter 1 g Gehalt an Virus fixe Br. 
Fälle von Impftollwut vermeiden lassen. Wir haben jedoch von solchen 
Versuchen Abstand genommen, da der Impfstoff nicht von allen Hunden 
ohne Lokalreaktion (nässende Ekzeme, Abszesse) vertragen wurde und 
wir bestrebt waren, möglichst einen Impfstoff zu verwenden, dessen An- 


Mießner u. Baars, Immunisierung gegen Lyssa der Hunde mit Lyssin. 97 


wendungsdauer nicht wie bei der japanischen Vakzine nur auf 2 bis 
3 Wochen beschränkt ist. Ein länger haltbarer und leicht versandfähiger 
Impfstoff war das von Mießner 1912 hergestellte Lyssin. Seine 
immunisatorische Fähigkeit war bisher noch nicht genügend erprobt und 
wurde deswegen in den folgenden Versuchen geprüft. 


a) Herstellung von „Lyssin‘“. 


Das unter sterilen Kautelen entnommene Gehirn und Rückenmark 
von Virus fixe-Kaninchen wird im Mörser fein zerrieben. Um die 
klebrige Beschaffenheit, welche ‘die Nervensubstanz auch nach der 
Trocknung infolge ihres Fettgehaltes beibehält, zu beheben, setzt man 
Kreidepulver hinzu. Dadurch erhöht sich gleichzeitig die Emulgier- 
barkeit des fertigen Trockenpulvers in physiologischer Kochsalzlösung 
zum Zwecke der Impfung. Auf 5 Teile Nervensubstanz kommt 1 Teil 
Kreidepulver, beide werden zu einem gleichmäßig dicken Brei ver- 
rieben. Diese Masse wird unter allmählicher Zugabe der dreifachen 
Menge physiologischer Kochsalzlösung zu einer graugelblichen Flüssig- 
keit aufgeschwemmt, und durch ein feines Drahtsieb in eine Trocken- 
schale filtriert. Die Schale wird in den Faust-Heimschen Exsik- 
kator gestellt, woselbst die völlige Trocknung bei einer Temperatur 
von 25° innerhalb 24 Std. zu erfolgen hat. Die konstante Tempe- 
ratur ist genau zu beachten, höhere Temperaturen als 
30° C gefährden die Virulenz des Lyssins. Der an dem 
Schalenboden angetrocknete Brei wird darauf mit einem Spatel los- 
gestoßen, im Mörser zu Pulver verrieben und gewogen. 0,364 g Kreide- 
lyssin entspricht jetzt 1 g frischem Virus fixe. Die Aufbewahrung des 
Lyssins erfolgt im Eisschrank in kleinen Pulverfläschchen, die mit 
Korkstopfen verschlossen und durch Paraffin abgedichtet sind. Das 
Lyssin hat neben dem Vorteil der langen Haltbarkeit durch seine 
pulverförmige Beschaffenheit die Annehmlichkeit einer einfachen Auf- 
bewahrung und bequemen Versandmöglichkeit. Zur Impfung wird das 
Lyssin im Mörser unter allmählicher Zugabe der dreifachen Menge 
steriler physiologischer Kochsalzlösung zu‘ einer gleichmäßigen Flüssig- 
keit verrieben. 


b) Virulenzprüfung des „Lyssin“. 

Für erfolgreiche Immunisierungsversuche war nach unserer Auf- 
fassung ein nach subduraler Applikation beim Kaninchen Tollwut 
erzeugender Impfstoff unbedingt erforderlich. Infolgedessen wurde das 
Lyssin vor und gleichzeitig mit den Immunisierungsversuchen auf seine 
Pathogenität am Kaninchen stets geprüft. Schon in den Bromberger 
Versuchen wurde nachgewiesen, daß Lyssin noch nach 52 Tagen Toll- 
wut hervorzurufen vermag. Es wurde infolgedessen verschieden altes 
Lyssin an zahlreichen Kaninchen geprüft. Das für die Immuni- 
sierungsversuche verwendete Lyssin tötete Kaninchen 
subdural stets in 6—9 Tagen. Es war in unseren Versuchen noch 
84tägiges Lyssin Kaninchenpathogen, während darüber hin- 
aus bald Avirulenz eintrat. Meerschweinchen scheinen noch empfind- 
licher zu sein und verendeten nach subduraler Infektion mit einem 
104tägigen Lyssin an Tollwut. 

Versuche, das Lyssin in braunen Ampullen im Vakuum unter Ent- 
ziehung von Sauerstoff durch Pyrogallol und Kalilauge noch über diese 
Zeit hinaus zu konservieren, hatten keinen Erfolg. 

Erste Abt. Orig. Bd. 101. Heft 1/3. 7 


98 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


Unser Lyssin wurde stets mit dem Stamm Virus fixe Br. (Breslau) 
hergestellt und mit den Nummern der infizierten Kaninchen bezeichnet. 
Den ersten 5 Lyssinen war Kreide nicht beigemengt, das letzte Lyssin 
enthielt Kreide in der vorher angegebenen Menge. Da das Kreide- 
lyssin sich vorzüglich bewährt hat, so empfehlen wir künftig nur 
Kreidelyssin zu verwenden. 

Es sei nochmals betont, daß das Lyssin unter strengsten aseptischen 
Kautelen gewonnen sein muß und seine Trocknung schnell und bei 
Temperaturen unter 30° C zu erfolgen hat. 

Tabelle VI enthält 6 Virulenzprüfungsversuche für Lyssin. 


Tabelle VI. 
Virulenzprüfung des „Lyssin“. 




















Versuche an Kaninchen Versuche an Meerschweinchen 
Lyssin 
Dauer der | Inkubations- Dauer der | Inkubations- 
Virulenz | zeit Virulenz | zeit 
Nr. 179/180 61 Tage | 5—8 Tage | -— | — 
„ 234/237 TE 95 5—6 ,„ | 83 Tage 5 Tage 
48 63 |: Anan ai 103 „ | ee 
49 | 8 , 68 a OM Ge | Ge 
118 \ wk 2 4—5 À, Alu, el 3684 
118 + Kreide AL" 2 5—7 , — | —- 


| 
c) Immunisierungsversuche mit ,Lyssin“. 

Das Lyssin wurde einmal subkutan appliziert, nur im Ver- 
suche 15 wurde die intraabdominale Impfung gewählt. Zur Prüfung 
der Virulenz des Impfstoffes wurden jeweils gleichzeitig mit der Impfung 
der Hunde einer Versuchsgruppe, zwei Kaninchen subdural infiziert; 
sämtliche Kaninchen gingen in 6—9 Tagen an Tollwut ein. Die 
Virulenzprüfung ist bei den Versuchen nicht mit angeführt. 

Wir haben Immunisierungsversuche zunächst bei 30 Hunden mit 
Lyssin wechselnden Alters (32, 48 und 63 Tage alt) unter Verwendung 
verschiedener Impfdosen von 0,5 bis 2,5 g Virus (berechnet auf frisches 
Virus fixe) angestellt. 


Versuch 15: Am 14. 1. 1925 wurden 6 Hunde, von denen 2 über und 4 
unter 10 kg wogen, mit 32 Tage altem Lyssin (Nr. 179/180) intraabdominal ge- 
impft. 3 Hunde erhielten je 1,5 Virus und 3 Hunde je 1 g Virus (berechnet 
auf frisches Virus fixe Br.). 1 Hund (8,5 kg), der 1,5g Virus erhalten hatte, 
erkrankte 7 Tage nach der Impfung an paralytischer Impftollwut und verendete 
nach fünftägiger Krankheit. Die übrigen 5 Hunde blieben gesund. Am 11. 2. 1925 
wurden weitere 4 Hunde, von denen 1 Hund über und 3 Hunde unter 10k 
wogen, geimpft, gegenüber den oben aufgeführten Hunden jedoch mit dem Unterschied. 
daß die Impfdosis pro Hund mit 0,1 g Virus (berechnet auf frisches Virus fixe) 
aut 1kg Körpergewicht bestimmt wurde. Der größte Hund erhielt danach die 
Impfdosı3 von 1,2 g Virus, der kleinste eine solche von 0,45 g. Virus. Bei diesen 
4 Hunden ereignete sich kein Fall von Impftollwut. 

Am 7. 3. 1925 wurden die 9 geimpften Hunde zusammen mit 2 Kontroll- 
hunden und 2 Kontrollkaninchen infiziert. Von den zuerst geimpften 5 Hunden 
erkrankten darauf 2 Hunde (6,5 kg und 5,5 kg), die mit 1g Virus immunisiert 
waren, 10—13 Tage post inf. an Wut, davon 1 Hund unter Erscheinungen der 
rasenden Wut, so daß er mehrere andere Hunde seiner Versuchsgruppe biß. Die 
übrigen Hunde blieben gesund, während die beiden Kontrollhunde und Kontroll- 
Ken an Wat verendeten. Die Hunde 14—158 Tage post inf., die Kaninchen 

= post inf. 

Versuch 16: Am 24. 2. 1925 wurden weitere 10 Hunde, von denen 5 über 
und 5 unter 10 kg wogen, mit 48 Tage altem Lyssin (Nr. 234/237) subkutan ge- 


Mießner u. Baars, Immunisierung gegen Lyssa der Hunde mit Lyssin. 99 


impft. Die Impfdosis betrug 0,1 5 Virus (berechnet auf frisches Virus fixe) auf 
l kg Körpergewicht. So wurden Dosen von 0,75—2,5 g Virus angewendet. Es 
erkrankte daraut 11 Tage nach der Impfung ein 22,5 kg schwerer Hund, der die 
größte Impfaosis mit 2,5 g Virus erhalten hatte, an paralytischer Impftollwut und 
verendete am 13. Tage nach der Impfung. Die übrigen 9 geimpften Hunde wurden 
am 28. 3 1925 zusammen mit 3 Kontrollhunden und 2 Kontrollkaninchen infiziert. 
Die Impflinge blieben bis auf 1 Hund, der am 10. 5. 1925 interkurrent an Staupe 
verendete, gesund. Von den Kontrolltieren hingegen verendeten 2 Hunde 15 bis 
17 Tage post inf. und die beiden Kaninchen 24—65 Tage post inf. an Wut. 


Aus diesem Versuch ging hervor, daß man mit einer auf das 
Körpergewicht nach dem Verhältnis von 0,1 g Virus auf 1 kg Körper- 
gewicht abgestimmten Impfdosis nicht zum Ziele kommt, denn auch in 
diesem Falle erkrankte ein Hund, der entsprechend seinem Gewicht 
über 1 g Virus erhalten hatte, an Impftollwut. Verfolgt man die in 
den bisherigen Versuchen aufgetretenen Fälle von Impftollwut, so er- 
kennt man, daß sie nur Hunde betreffen, denen über 1 g Virus fixe 
eingespritzt worden war, und daß dabei die Größe des Hundes ohne 
Bedeutung war. Die 7 bis dahin beobachteten Fälle von Impftollwut 
bezogen sich auf: 

1. Versuchsreihe 4: 1 Hund; 

Versuchshund Nr. 131, 6,5 kg, geimpft: einmal intraabdominal mit 2g 
frischem Virus fixe B II. 

2. Versuchsreihe 5: 3 Hunde; 

a) Versuchshund Nr. 156, 7,5 kg, geimpft: einmal intraabdominal mit 2 g 
frischem Virus fixe Br., 

b) Versuchshund 158, 8 kg, geimpft: einmal intraabdominal mit 3 g frischem 
Virus fixe Br., 

c) Versuchshund Nr. 159, 11 kg, geimpft: einmal intraabdominal mit 3 g 
frischem Virus fixe Br., 

3. Versuchsreihe 12: 1 ‘Hund; 

Versuchshund Nr. 350, 16,5 kg, geimpft: einmal subkutan mit 5 ccm jap. 
Impfstoff = 1,1 g Virus fixe. 

4. Versuchsreihe 15: 1 Hund; 

Versuchshund Nr. 24, 8,5 kg, geimpft: einmal intraabdominal mit 32 Tage 
altem Lyssin = 1,5 g Virus fixe Br., berechnet auf frisches Virus fixe. 

5. Versuchsreihe 16: 1 Hund; 

Versuchshund Nr. 106, 22,5 kg, geimpft: einmal subkutan mit 48 Tage 
altem Lyssin = 2,5 g Virus, berechnet auf frisches Virus fixe Br. 

Danach scheint bezüglich des Virus fixe Br. die ver- 
tragliche Grenzdosis fiir Hunde ohne Unterschied der 
Größe bei 1 g Virus zu liegen. Wir sind in den nun 
folgenden Versuchen über diese Impfdosis nicht mehr 
hinausgegangen. 

Versuch 17: Am 11. 3. 1925 wurden 10 Hunde, von denen 5 über und 5 
unter 10 kg wogen, mit 63 Tage altem Lysin (234/237) subkutan geimpft. Die 
über 10 kg wiegenden Hunde erhielten 1 g, die übrigen 0,5 $ Virus. Fäle von Impf- 
tollwut wurden nicht beobachtet. 1 Hund (4,5 kg) verendete interkurrent 4 Tage 
nach der Impfung infolge Staupe. Die übrigen Hunde wurden am 18. 4. zu- 
sammen mit 3 Kontrollhunden und 2 Kontrollkaninchen infiziert. 1 geimpfter 
Hund verendete darauf 11 T post inf. interkurrent an Staupe. Die übrigen ge- 
impften Hunde blieben gesund, während sämtliche Kontrolltiere an Wut verendeten; 
die Hunde 19—22 Tage post inf., die Kaninchen 17—18 Tage post inf. 

Bis 63 Tage altes Lyssin hatte also in 3 Versuchsreihen zu je 10 
Hunden seine immunisierenden Eigenschaften dargetan. Die nun folgen- 
den Versuche dienten der Bestimmung der Impfdosis und der Erprobung 
des Impfverfahrens mit Lyssin als Impfstoff. 

Versuch 18: Am 30. 6. 1925 wurden 10 Hunde subkutan mit 10 T 
altem Lyssin (+ Kreide, Nr. 465/466) geimpft. Alle Hunde erhielten die gleiche 
Impfdosis von 0,5 g Virus (berechnet auf frisches Virus fixe). Von den geimpften 

7* 


100 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


Hunden verendete 1 Hund (18,5 kg) 26 Tage nach der pr a interkurrent durch 
Verblutung in die Bauchhöhle infolge Trächtigkeit. Die übrigen 9 Hunde wurden 
am 21. 8. 1925 zusammen mit 4 Kontrollhunden und 2 Kontrollkaninchen infiziert. 
Die Impflinge blieben gesund, dagegen verendeten 3 Kontrollhunde 17—52 Tage post 
inf. und 2 Kaninchen 16—21 Tage post inf. an Wut. 


Die in der Impfdosis enthaltenen 0,5 g Virus fixe hatten also bei 
9 geimpften Hunden ohne Unterschied des Gewichts eine sichere 
Immunität gegen die 6 Wochen später erfolgende Infektion mit Straßen- 
virus erzeugt. 

Versuch 19: Am 4. 8. 1925 wurden 10 Hunde, von denen 8 über und 2 
unter 10 kg wogen, mit 12 Tage altem Lyssin (+ Kreide, Nr. 527) subkutan ge- 
impft. Alle Hunde erhielten die gleiche Impfdosis, in der 1 g Virus fixe (be- 
rechnet auf frisches Virus fixe) enthalten waren. 1 geimpfter Hund (24 kg) 
verendete 6 Tage nach der Impfung interkurrent infolge Geburtsstörungen. Die 
übrigen 9 ee Hunde wurden am 20. 9. zusammen mit 3 Kontrollhunden und 
2 Kontrollkaninchen infiziert. 1 Impfling verendete interkurrent durch Bißver- 
letzungen von seinen Stallgenossen 21 Tage post inf.; die übrigen geimpften Hunde 
blieben am Leben. Die Kontrolltiere dagegen verendeten sämtlich 15—19 Tage 
post inf. an Wut. 


Die Impfdosis von 1 g Virus fixe (berechnet auf frisches Virus 
fixe) war also von allen Hunden ohne Unterschied der Größe reaktions- 
los vertragen und hatte eine sichere Immunität hervorgerufen. Es war 
mithin bewiesen, daß die einmalige Impfung mitLyssin unter 
Verwendung der Einheitsdosis von 1 g Virus fixe einen 
sicheren Schutz gegen die spätere intramuskuläre In- 
fektion erzeugt. Nicht genügend geklärt war jedoch die Sicherung 
der Vermeidung von Impflyssa durch dieses Impfverfahren. Da, wie 
aus den bisherigen Versuchen hervorging, die Dosis von 1 g Virus die 
obere Grenze der dosis tolerata des Virus fixe Br. für den Hund dar- 
stellt, haben wir, um diese Grenze nicht zu erreichen unter Verwendung 
von Lyssin als Impfstoff eine Dosis von 0,9 g Virus (berechnet auf 
frisches Virus fixe) angewendet und diese Dosis in weiteren Versuchen 
an 70 Hunden ausgeprüpft. 

Versuch 20: Am 4. 12. 1925 wurden 10 Hunde mit 30 Tage altem Lyssin 
(+ Kreide, Nr. 610/611) subkutan geimpft. Die Impfdosis betrug für alle Hunde 
ler 0,9 g Virus fixe (berechnet auf frisches Virus fixe). Alle geimpften 
Hunde blieben gesund und wurden am 31. 12. 1925, 26 Tage nach der Impfung, 
zusammen mit 3 Kontrollhunden und 2 Kontrollkaninchen infiziert. Die geimpften 
Hunde blieben am Leben. Von den Kontrolltieren verendeten 2 Hunde 13—16 Tage 
post int., und die beiden Kaninchen 21—25 Tage t inf. an Wut. Der dritte 
Kontrollhund erkrankte am 28. Tage post inf. unter Unruheerscheinungen, Juckgefiihl 
an der Infektionsstelle, das er durch Kratzen und Beißen zu befriedigen suchte, 
Schwäche im Kreuz und Trippeln beim Erheben. Im Laufe der nächsten 8 Tage 
besserte sich der Hund völlig; am 47. Tage wurde er durch Chloroform getötet 
und sein Gehirn histologisch und durch Tierversuch an einem Kaninchen und einem 
Meerschweinchen untersucht. Die Untersuchung verlief negativ. 

Versuch 21: Am 5. 12. 1925 wurden 10 Hunde mit 30 Tage altem Lyssin 
(+ Kreide, Nr. 610/611) subkutan wie im Vorversuch geimpft. Impftollwut wurde 
nicht beobachtet. 1 Hund (14 kg) verendete interkurrent an Staupe. Die übrigen 
9 Hunde wurden am 25. 1. 1926 zusammen mit 3 Kontrollhunden und 2 Kontroll- 
kaninchen infiziert. Von den geimpften Hunden verendete 1 Hund 2 Tage nach 
der Intektion an Staupe. Die histologische Untersuchung und der Tierversuch ver- 
liefen negativ. Die übrigen gom often Hunde blieben am Leben. Von den Kontroll- 
hunden verendete nur ein Hund 60 Tage post inf., das Kaninchen 81 Tage post 
int. an Wut. 

Versuch 22: Am 9. 1. 1926 wurden 10 Hunde, von denen 6 über und 
4 unter 10 kg wogen, mit 30 Tage altem Lyssin (+ Kreide, Nr. 637/38) wie im 
vorigen Versuche subkutan geimpft. Ein geimpfter Hund (5 kg) verendete 11 Tage 
nach der Impfung interkurrent infolge Pyiimie durch Bißwunden. Die Untersuchun 
des Gehirnes sowohl histologisch wie im Tierversuch an 2 Meerschweinchen verlie 
negativ. Die übrigen 9 Impflinge wurden am 22. 2., 44 Tage nach der Impfung, 


Mießner u. Baars, Immunisierung gegen Lyssa der Hunde mit Lyssin. 101 


zusammen mit 3 Kontrollhunden und 2 Kontrollkaninchen infiziert. Von den ge- 
impften Hunden verendete 1 Hund (16 kg) interkurrent am 30. Tage post inf., 
ohne Krankheitserscheinungen gezeigt zu haben. Bei der Zerlegung wurde ein 
Zwerchtellriß mit Verblutung in Brust- und Bauchhöhle festgestellt. Die übrigen 
Hunde blieben und, während 2 Kontrollhunde und 2 Kontrollkaninchen 15 bis 
23 I post inf. an Wut verendeten. 

e 


rsuch 23: Am 19. 1. 1926 wurden 10 Hunde mit 30 Tage altem Lyssin 


(+ Kreide, Nr. 664) wie im vorigen Versuch subkutan geim ft. Die Impflinge 
wurden 35 Tage nach der Impfung zusammen mit 3 Kontrol iriden und 2 Kontroll- 
kaninchen infiziert. Die geimpften Hunde blieben am Leben, von den Kontrolltieren 
dagegen verendeten 2 Hunde (13—16 Tage post inf.) und beide Kaninchen (16 bis 
30 Tage post int.) an Wut. 

Vesoul 24: Am 6. 4. 1926 wurden 10 Hunde, von denen 7 über und 
3 unter 10 kg wogen, mit 6 Tage altem Lyssin (+ Kreide, Nr. 107) wie im vorigen 
Versuche subkutan geimpft. Die Impilinge wurden 47 Tage nach der Impfung 
zusammen mit 3 Kontrollhunden und 2 Kontrollkaninchen infiziert. Die geimpften 
Hunde und die Kontrollhunde blieben am Leben, und nur 1 Kaninchen verendete 
21 Tage post inf. an Wut. Da die Kontrollhunde nicht erkrankten, gibt uns dieser 
Infektionsversuch keinen Aufschluß über den durch die Impfung erzeugten Im- 
munisierungseffekt. 

Versuch 25: Am 26. 5. 1926 wurden 10 Hunde mit 10 Tage altem Lyssin 
(+ Kreide, Nr. 168) wie im vorigen Versuche subkutan geimpft. Von den ge- 
impften Hunden verendeten 3 Hunde (6 kg, 19,5 kg und 24,5 kg) interkurrent 
14—25 Tage nach der Impfung an Staupe, die epidemieartig in den heißen Sommer- 
tagen auftrat. Die bitolsgische Untersuchung der Gehirne sowie Tierversuche an 
Kaninchen und Meerschweinchen verliefen negativ. 5 geimpfte Hunde wurden 
am 29. 7. zusammen mit 3 Kontrollhunden und 2 Kontrollkaninchen infiziert; 2 ge- 
impfte H@nde blieben zwecks späterer Infektion weiter unter nn. ie 
penpan Hunde blieben gesund, während von den Kontrolltieren, 2 Hunde und 

Kaninchen an Wut verendeten. 

Versuch 26: Am 22. 6. 1926 wurden 10 Hunde mit 10 Tage altem Lyssin 

-+ Kreide, Nr. 212) wie im vorigen Versuche subkutan geimpft. Die geimpften 
unde blieben gesund. 7 geimpfte Hunde wurden 37 Tage nach der Impfung 

zusammen mit 3 Kontrollhunden und 2 Kontrollkaninchen infiziert. 3 geimpfte 
Hunde blieben zwecks späterer Infektion weiter unbehandelt unter Beobachtung. 
Die geimpften Hunde blieben gesund, von den Kontrolltieren dagegen verendeten 
2 Hunde und 2 Kaninchen an Wut. 


Tabelle VII. 
Versuche mit Trockenvirus „Lyssin“. 












































| sl. le [88 lus | 
4 | SIs S 35 [252 Infizierte Kontrolltiere 
Š “el E > las |de3 
= Impfung SH ale lS s|”E g = 5 et 
2 Sa S EU u,” on n ollwu 
a | Impfstoff a8 es ES z PE 337 Infigierte | verendete 
< wieoft?!| wievie 5 8 2 [Seq anin- | ‚| Kanin- 
=| wie? | Impfstoff | ‘& 4 |s = g 158 © Hunde, hen |Hunde| chen 
| | tes ms | = ie = se 
15| Lyssin |1 X ia|0,45—1,5 g| 10 1(1,5g) — | 9 | 2 2 se Tie | 78 
132 Tage alt) | | | | 
16| Lysin 1Xsk 05-258 10 15g —| 9 | — | 3 Be 
48 Tage altı | | | | | | 
17 Lyssin 0,5—1,0 g| 10 te | od 9 | | 3 2 | 3 2 
63 Tage alt | | | 
18! gs = es 0,5 g 10; — 1 9 [res 1 2 3 2 
(+ Kreide)| | 
19 % lg 10 EI 8 = 3 2 3 2 
20) é 09 g or Veal me 3 œ | (2 2 
21| u z; O re à 9 3 2: 3 1 
22| „ » 10; — 1 | 9 _ 3 4 2 2 
23 : , 10| — — 10 - 3 2 2 
24| 7 oh E Se oe) E e S 2 > 1 
25| Er fe, 10 = 3 5 = 3 2 2 2 
26 » Mi, m 10 — — 7 _ 3 2 2 2 


102 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


Die in den Versuchen 20—26 angewendete Impfdosis, 
die einer Virusmenge von 0,9 g frischem Virus fixe ent- 
spricht, hat sich somit an 70 Hunden als völlig gefahr- 
los erwiesen. 


Ergebnisse der Versuche 15—26. 


a) Impfung: Es wurden in 12 Versuchsreihen 120 Hunde mit 
Lyssin einmal subkutan geimpft. Von ihnen wurden 50 Hunde 
(Versuchsreihe 15—19) mit Dosen geimpft, die einer Virusmenge von 
0,45 bis 2,5 g frischem Virus fixe entsprachen, während 70 Hunde 
(Versuchsreihe (20—26) einheitlich eine Impfdosis mit 0,9 g Virus 
fixe-Gehalt erhielten. 

Von den 120 Impflingen verendeten zwei der Versuchsreihen 15 
und 16, die die größten Virusdosen (1,5 und 2,5 g) erhalten hatten, an 
Impftollwut, und 8 Hunde starben interkurrent. Sieht man von den in 
den orientierenden Vorversuchen 15—16 verwendeten zu hohen Dosen 
ab, so haben alle 100 Hunde der Versuchsreihe 17—26 die Imp- 
fung mit 0,9—1,0 g Virus fixe gut vertragen. 

b) Infektion. 105 Impflinge wurden zusammen mit 36 Kontroll- 
hunden und 24 Kontrollkaninchen infiziert, 5 Hunde blieben zwecks 
späterer Infektion unbehandelt weiter unter Beobachtung. Im Versuch 24 
erkrankten die Kontrollhunde nach der Infektion nicht. Sehenewir von 
diesem Infektionsversuch an 10 geimpften und infizierten Hunden, 
sowie an 3 Kontrollhunden und 2 Kontrollkaninchen ab, so verbleiben 
für die Beurteilung der durch die Impfung bewirkten Immunität 
95 geimpfte Hunde. Von diesen 95 Hunden erwiesen sich 93 Hunde 
immun, 2 Hunde verendeten infolge der Infektion an Wut. 5 Hunde 
gingen im Laufe der 6monatigen Beobachtungszeit, aber später als 
die Kontrollhunde interkurrent ein. Tollwut als Todesursache konnte 
bei ihnen durch histologische Untersuchung und Tierversuch sicher 
ausgeschlossen werden. Von den dazu gehörigen 33 Kontrollhunden 
und 22 Kontrollkaninchen verendeten 24 Hunde und 21 Kaninchen 
an Wut. Mithin haben sich von 95 Impflingen 93 gegen eine wirk- 
same Tollwutinfektion geschützt erwiesen. (S. Tabelle VII.) 


Zusammenfassung. 

Die präinfektionellen Immunisierungsversuche mit Lyssin haben 
ergeben, daß 
1. die Impfung bei Verwendung einer Dosis, die einer Virusmenge von 
0,9 g frischem Virus fixe Br. entspricht, ohne Rücksicht auf Größe, 
Alter und Gewicht der Hunde, gefahrlos ist, 2. das Lyssin Schutz gegen 
die spätere künstliche intramuskuläre Infektion verleiht, 3. das Lyssin 
mindestens 63 Tage lang als Impfstoff verwendet werden kann. 


D. Versuche über die Dauer der Immunität. 


Zwecks Feststellung der Dauer der Immunität hatten wir aus den 
ersten 10 Versuchsreihen 12 geimpfte Hunde unbehandelt unter Be- 
obachtung gehalten. Von den 12 Hunden standen uns am Tage der In- 
fektion noch 8 Hunde zur Verfügung (s. Tab. VIII). 4 Hunde waren 
in der bis 14 Monate zurückreichenden Beobachtungszeit interkurrent 
an Staupe, Pneumonie, Lymphosarkomatose, verendet. Am 20. 9. 1925, 


Mießner u. Baars, Immunisierung gegen Lyssa der Hunde mit Lyssin. 103 


8—14 Monate nach der Impfung wurden die restlichen 8 Hunde zu- 


sammen mit 3 Kontrollhunden und 2 Kontrollkaninchen infiziert. 


Alle 


Kontrolltiere verendeten an Wut, dagegen blieben die geimpften Hunde 
sämtlich am Leben (s. Tab. VIII). 


Tabelle VIII. 
Dauer der Immunität. 
































“| 
A Hund 
| I isiert Infiziert i 
À v ekara mmunisie nfizie Ergebnis 
J 
aj Nr. 84 31. 7. 24| 1X2 g Virus| 20. 11. 25 |0,5 g virus de rue 64 lebt 
| Wersuchsreihe 1 fixe B Iia nach 14 Mon. 
2] Nr. 121 15. 10. 24 1X3 g Virus | 20. 11. 25 dgl. p 
| Versuchsreihe 3 fixe Bllia nach 11 Mon. 
3 Nr. 129 21. 10. 24 13 g Virus | 20. 11. 25 jj a 
Versuchsreihe 4 ixe BIlia nach 11 Mon. 
4 Nr. 169 24. 11. 24| 2X1 g Virus | 20. 11. 25 r N 
| Versuchsreihe 6 | 2. 12. 24| fixe Br.ia {nach 10 Mon. 
5 Nr. 190 11. 12. 24/1 X 1,5 Virus 20. 11. 25 xA A 
Versuchsreihe 7 ixe Br.ia nach 9 Mon. 
6 Nr. 192 11. 12. 24| 1X1 g Virus | 20. 11. 25 j $ 
Versuchsreihe 7 fixe Br.ia nach 9 Mon. 
7, Nr. 207 19. 12. 24| 1X 1 g Virus | 20. 11. 25 R z 
| Wersuchsreihe 8 fixe Br.sk nach 9 Mon. 
8 Nr. 8 3. 1. 51X1,5 g Virus) 20. 11. 25 5 5 
Versuchsreihe 10 ixe Br. ia nach 8 Mon. 
9 Kontrollhund = = 20.11.25 |0,5 g virus de rue 64| tot 8. 12. 25 Wut 
Nr. 625 
0! =>. Kon ttrollhund _ — ä dgl. 01225: .; 
Nr. 626 
1 Kontrollhund _ — a Pr sed des 2b" 5, 
Nr. 627 
2, Kontrollkaninchen — — is 0,1 g j E 6: 220 as 
| Nr. 628 
3 Kontrollkaninchen — — : 9512023. 5 
Nr. 629 | 
Ergebnis: Der durch die Impfung erreichte Schutz 


dehnt sich über 1 Jahr aus. 


E. Versuche zur Frage der Uebertragung der Tollwut durch 
en geimpften Hund. 


Um festzustellen, ob etwa durch den BiB geimpfter Hunde Tollwut 
auf andere ungeimpfte Hunde übertragen werden kann, haben wir mit 
den geimpften Hunden vom Tage der Impfung an unbehandelte ge- 


sunde Hunde in einem Stall zusammengehalten. 


Die ungeimpften 


Hunde konnten frei zwischen den geimpften Hunden herumlaufen und 
waren dadurch der Infektionsgefahr durch die Impflinge in vollem 
Maße ausgesetzt. In keinem Falle haben wir trotz mindestens 6monat- 
liger Beobachtungszeit auf diese Weise Tollwut übertragen können. Auch 
die Versuche im Speichel und im Gehirn der Impflinge durch Tier- 


104 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


versuch an Kaninchen und Meerschweinchen bei subduraler und intra- 
muskulärer Infektion Wutvirus nachzuweisen, haben in keinem Fall 
zu einem positiven Ergebnis geführt. 

Es liegen die Verhältnisse hier genau wie beim Menschen, aus 
dessen Impfung gegen Tollwut sich bisher auch keine Gefahr für die 
Umgebung ergeben, trotz des unendlich großen Erfahrungsmaterials. 

Ergebnis: Die Lyssa kann durch gegen diese Seuche 
geimpfte und gesunde Hunde weder durch Biß noch 
durch Speichel und Gehirn der Impflinge auf gesunde 
Tiere übertragen werden. 


F. Praktische Anwendung der Lyssinimpfung. 


Die an einer so großen Zahl von Hunden erhaltenen Versuchs- 
ergebnisse lassen weitere gleichgerichtete Laboratoriumsversuche über- 
flüssig erscheinen. Jetzt können u. E. lediglich in der Praxis durch- 
geführte Impfungen mit dem nur dort zu erreichenden Zahlenmaterial 
und den unter natürlichen Bedingungen obwaltenden Umständen über 
die Brauchbarkeit der Impfung in der Bekämpfung der Tollwut ent- 
scheiden. Wir stehen weit davon ab, etwa schon heute die Impfung 
sämtlicher Hunde des Staatsgebietes zu empfehlen, halten es aber für 
angezeigt, in besonders gefährdeten Gegenden, vor allem Grenz- 
bezirken vorläufig versuchsweise die Impfung sämtlicher Hunde 
durchzuführen. Es handelt sich dabei selbstverständlich nur um eine 
präinfektionelle Impfung. Eine postinfektionelle Impfung von 
Hunden kommt nicht in Frage. Die bisherigen veterinärpoli- 
zeilichen Maßnahmen dürften durch die Impfung vor- 
läufig natürlich in keiner Weise berührt werden. Erst 
wenn umfangreiche praktische Versuche die Ergebnisse des Labora- 
toriumsexperimentes bestätigt haben, wäre eine etwaige Milderung der 
seuchenpolizeilichen Vorschriften zu erwägen. 

Auf Grund der durch die Versuche erhaltenen Erfahrungen würde 
für die praktisch durchzuführende Impfung folgende Arbeitsanweisung 
maßgebend sein: 

Die Impfung ist einmal subkutan mit Kreidelyssin in der Dosis 
von 0,33 g = 0,9 g frischem Virus fixe auszuführen. Aus dem Virus 
fixe-Gehirn-Rückenmark eines Kaninchens stellt man durchschnittlich 
5,5 g Kreidelyssin her, eine Menge, die zur Impfung von 16,6 Hunden 
genügt. Das Kreidelyssin würde zweckmäßig in Flaschen in der ab- 
gewogenen Dosis für 10 Hunde trocken vom Institut zu versenden sein. 
Vor der Impfung wäre an Ort und Stelle in der mit 2 Marken ver- 
sehenen Flasche durch Zusatz von Wasser bis zur Marke 1 (40 ccm) 
unter Schütteln mit gleichzeitig in der Flasche enthaltenen Glasperlen 
aus dem Kreidelyssin eine gleichmäßig milchige Suspension herzustellen, 
die darauf in ein Gefäß abgegossen wird. Danach würde abermals 
Wasser in die Flasche bis zur Marke 2 (10 ccm) nachgefüllt, um damit 
Glasperlen und Gefäßwänden anhaftendes Lyssin zu entfernen. Auf 
diese Weise erhält man 50 ccm Kreidelyssinsuspension, von der je 
D cem jedem Hunde subkutan einzuspritzen sind. 


Schlußbetrachtung. 
1. Die groß angelegten, äußerst mühseligen und gefahrvollen Ver- 
suche am Hygienischen Institut der Tierärztlichen Hochschule zu 
Hannover, die eine Fortsetzung der früheren Versuche im Kaiser 


Mießner u. Baars, Immunisierung gegen Lyssa der Hunde mit Lyssin. 105 


Wilhelm Institut zu Bromberg darstellen, sind damit zum Abschluß 
gekommen. Es ist erfreulicherweise gelungen, die Grundbedingungen 
für ein einfaches Impfverfahren gegen Tollwut der Hunde zu schaffen. 
— 2. Nach der von den Japanern Umeno und Doi angegebenen Im- 
munisierungsmethode gelingt‘ es, Hunde präinfektionell gegen Wut zu 
immunisieren. Die Impfdosis unter Verwendung des uns zur Ver- 
fügung stehenden Virus fixe Br. ist jedoch zu groß, wie ein unter 40 
geimpften Hunden beobachteter Fall von Impftollwut beweist. Das 
Auftreten von Hautentzündungen an der Applikationsstelle des Impf- 
stoffes und die kurze Verwendungszeit von 2—3 Wochen sind der all- 
gemeinen Einführung der japanischen Methode zur Tollwutimmuni- 
sierung hinderlich. — 3. Die präinfektionelle Immunisierung der Hunde 
gegen Tollwut gelingt durch subkutane Impfung mit Lyssin. — 4. Das 
Lyssin bewahrt seine immunisierenden Eigenschaften mindestens 60 Tage 
lang. — 5. Unter Verwendung einer Impfdosis von 0,33 g Kreidelyssin, 
die 0,9 g frischem Virus fixe entspricht, ist der Ausbruch von Impf- 
tollwut nicht zu befürchten. Dabei ist es gleichgültig, ob 1tägiges oder 
älteres Lyssin verwendet wird. — 6. Die Impfung schützt gegen eine 
folgende künstliche intramuskuläre Infektion mit Straßenvirus. — 7. Der 
Impfschutz dehnt sich über 1 Jahr aus. — 8. Eine allgemeine Ein- 
führung der Tollwutschutzimpfung aller Hunde des Reichsgebietes kommt 
für Deutschland nicht in Betracht; wohl aber empfiehlt sich, in Grenz- 
distrikten zu Zeiten erhöhter Seucheneinschleppungsgefahr sowie in 
besonders gefährdeten Bezirken zur Unterstützung der veterinärpolizei- 
lichen Maßnahmen die zunächst versuchsweise Durchführung der Imp- 
fung der Hunde auf der Grundlage unserer Versuchsergebnisse mit 
Lyssin. Weitere Laboratoriumsversuche erübrigen sich, da sie kaum 
andere Ergebnisse liefern werden. Allein die Praxis kann jetzt über 
die Brauchbarkeit der Impfung als Mittel zur Bekämpfung der Tollwut 
entscheiden. 


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1924. S. $ 


Nachdruck verboten. 


Die Therapie der Kokzidiose. 
I. Teil: Die Kokzidiose der Kaninchen. 


[Aus dem Laboratorium f. Tropenkrankheiten. Abteilung des Instituts 
f. Paras. und Infektionskrankheiten der Reichsuniversität Utrecht (Dir.: 
Prof. Dr. L. de Blieck).] 


Von B. J. Krijgsman. 
Mit 7 Abbildungen im Text und 1 Tafel. 


Inhaltsübersicht. 
I. Einleitung. 
II. Literaturangaben. 
III. Physiologische Bemerkungen über die Kokzidienentwicklung im Darme des 
irtstieres. 
IV. Methodik. 
V. Technik. 
VI. Experimente. 
a) Versuche mit alk he 
b) Versuche mit Kreolin. 
VII. Die pathologische Histologie des Darmes. 
‘VIII. Die Anwendung der Kreolintherapie in der Praxis. 
IX. Zusammenfassung. 


I. Einleitung. 

Die Frage nach einer rationellen Behandlung der Kokzidiose, der 
gefürchteten Sporozoenkrankheit der Kaninchen, Hühner and Rinder, 
ist eine sehr alte. Jährlich richtet die Seuche in den Kaninchen- und 
Hühnerzuchtanstalten unter den jungen Tieren große Verwüstungen 
an, ohne daß man sie wirklich zu bekämpfen vermag. Zwar hat die 
Prophylaxis in dem Sinne, daß die kranken Tiere isoliert und die Ställe 
regelmäßig und sorgfältig gereinigt werden, viel Gutes zustande ge- 
bracht, doch ist es ihr nicht gelungen, die Krankheit auszurotten 
oder sogar nur auf einen kleinen Bezirk einzuschränken. 

Dies hat wohl vornehmlich 2 Ursachen: 1. sind die Kokzidien- 
zysten, eben die Formen, welche die Infektion herbeiführen, wegen 
ihrer undurchlässigen Membran schwer oder praktisch gar nicht durch 
Desinfizientien angreifbar, so daß die chemische Desinfektion der Ställe 
gar keinen Erfolg haben kann; 2. kann man es in der Praxis nicht 
ganz verhindern, daß den Tieren mit dem Futter immer wieder Zysten 
zugeführt werden. 

Die Prophylaxe reicht also durchaus nicht aus; es muß daher 
nach therapeutischen Maßnahmen gesucht werden. Viele Mittel sind 
schon probiert worden, viele Spezialitäten sind in den: Zeitschriften 


Krijgsman, Die Therapie der Kokzidiose. 109 


den Züchtern empfohlen worden; sie alle haben aber niemals einen 
auch nur bemerkenswerten therapeutischen. Wert gehabt. 

Die Patentmittel will ich hier nicht besprechen, denn es ist von. 
vornherein klar, daß vieles Untaugliche dazwischen sein muß. Wie 
steht es aber mit den von den verschiedenen Forschern angewandten: 
Methoden, um eine Therapie zu finden? Es ist dabei eine Reihe von 
Fehlern gemacht worden: 

1. sind sehr oft ordentliche Kontrollversuche vergessen worden. 
Finden wir doch öfters Berichte, daß eine Anzahl von Tieren mit 
einem Mittel behandelt worden ist, und daß nur so viel oder so viel 
davon starben. Wie kann man aber wissen, ob dies eine Folge des 
Mittels ist? Ist es doch sehr wohl möglich, daß die Tiere auch ohne 
Behandlung geheilt worden wären! Solche Versuche sind natürlich 
wertlos, weil man die Resultate der Behandlung nicht mit dem Be- 
finden der nicht behandelten, aber ebenfalls kranken, Kontrolltiere 
vergleichen kann. Wir sehen hier ab von Fällen der tieräztlichen 
Praxis, wo man das Vorkommen der Krankheit zur Anwendung irgend- 
eines Heilmittels benutzt, aber nicht immer die Gelegenheit und das 
Geld für Kontrolltiere hat. Betrachten wir dagegen die Versuche 
im wissenschaftlichen Sinne, die mit der* Absicht angestellt werden, 
das Heilungsproblem zu lösen, so muß die Vernachlässigung der Kon- 
trolle sogar als ein grober Fehler bezeichnet werden. 

Die 2. Ursache des Nichtgelingens der Versuche liegt wohl darin, 
daß man fast immer zu wenig Versuche angestellt hat. Man kann doch 
nicht nach positiven Resultaten an 2 oder 3 Versuchstieren das Mittel 
im allgemeinen als ausreichend bezeichnen! 

3. haben die Untersucher bis jetzt kein Kriterium gehabt, an 
welchem sie die tatsächliche Heilung der kranken Tiere nach der 
Behandlung unzweideutig feststellen konnten. Aufhören der Durch- 
fälle, Zunahme der Freßlust usw. sind eben keine Kriterien! 

Hat man nun auch obenstehenden ‘Anforderungen genügt, so ist 
man doch noch nicht fertig, da man die natürlich krank gewordenen 
Tiere gar nicht miteinander vergleichen kann. Eins wird z. B. heftig 
infiziert sein, das andere aber schwach; das eine ist an sich stark, 
groß, jung usw., das andere schwach, klein und alt. Die Verwendung 
spontan infizierter Tiere bei Versuchen im Laboratorium ist also nicht 
gestattet; auch den hierin steckenden unbekannten Faktorenkomplex 
schalte man aus! Man arbeite nur mit gleich schweren, gleich alten 
und gleich starken Tieren. Man infiziere sie künstlich gleich stark und 
beobachte an einem Krankheitskriterium die Wirkung des Mittels durch 
Vergleichung mit den Kontrolltieren! 


II. Literaturangaben. 


Sehen wir uns jetzt im Zusammenhang mit Obenstehendem die 
Literatur an: 


Zuerst kommt hier die Arbeit von Meyer und Crocker (10) in Be- 
tracht. Diese Untersucher arbeiteten mit Oleum terebinthinae + Ol. ricini, Kalium- 

nganat, Ferrisulfat -} Glyzerin, Sulphokarbolat, Methylenblau und Kalomel 
Bei Hiihnerkokzidiose und versuchten, mit diesen Mitteln die Krankheit zu bekämpfen. 
Während sie selbst zugeben, überhaupt kein Resultat gesehen zu haben, kann man 
natürlich ihre Untersuchungen nicht ernst nehmen: 1. weil sie mit jedem Mittel nur 
4, 5 oder 6 Hühner behandelt haben; 2. weil keine genügende Kontrolle durchgeführt 
worden ist und 3. weil der einzige Maßstab, den sie bei ihren Experimenten kennen; 
das Sterben oder Nichtsterben der Versuchstiere ist. 


110 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


Ottolenghi und Pabis (14) haben an an Kokzidien erkrankten Kaninchen 
mit Arsenophenylglyzin und Emetin + Atoxyl gearbeitet. Mit kombinierter Emetin- 
Atoxylbehandlung erreichten sie Resultate; sie experimentierten in dieser Hinsicht 
richtig, daß sie Kokzidienfreie Kaninchen von 500—600 g künstlich infizierten, also 
eine immer ungefähr gleichstarke Infektion bei gleichschweren Tieren erreichten. Nur 
fehlten sie aber meines Erachtens 1. darin, daß sie zu wenig Versuche angestellt haben 
und 2. kein Kriterium der Heilung kennen, 3. die Mittel nicht immer systematisch 
verabfolgen und 4., wie sie selbst angeben, manche Versuchstiere wahrscheinlich an 
einer Medizinvergiftung sukkumbiert sind. 

Vogel (25) behandelt kokzidienkranke Rinder mit Salizyltannarabin T 
Acid. tannic. Er sagt, daß er manchmal Resultate erzielte, manchmal aber auc 
nicht. Weil Kontrollen usw., und im allgemeinen eine Methode fehlen, kann man 
eigentlich von den Resultaten dieser Versuche gar nichts sagen. 

Ott (13) behandelte kokzidienkranke Rinder mit Kreolin und erhielt dabei, 
nach seinen Angaben, glänzende Resultate. Leider hat er aber keine Kontrolle usw. 
angestellt, denn dadurch hätte er vielleicht den durchschlagenden Beweis erbringen 
können, daß Kreolin eine heilende Wirkung hat. 

Sustmann (22), der kranke Kaninchen mit Fasciolin und Extr. Filicis zu 
heilen versuchte, hatte gar kein Resultat, was nicht zu verwundern ist, weil er bei 
seiner Arbeit nicht die in der Einleitung genannten notwendigen Bedingungen befolgt. 

Railliet (17) kommt nach einer Besprechung der bis dahin (1919) an- 
gewandten Mittel zu dem Schluß, daß sie alle ziemlich wertlos sind. 

Wester und Beyers (27 u. 28) behandelten einige kokzidienkranke Schafe 
mit Salizyl phenylie. und Tannofgm, während sie 5 kranken Kiilbern Krealin gaben. 
Diese Behandlungsweisen brachten ihnen Erfolg. 

Curson (2) arbeitet bei kokzidienkranken Hühnern mit Naphthol, Eisensulfat 
oder Katechu. Er gibt aber nicht an, ob er damit eine Heilung erzielt hat, und ver- 
wendet die Mittel nur bei chronischen Formen der Krankheit, weil er eine Therapie 
der akuten Form nicht fiir méglich erachtet. Da er auch gar nichts von einer Kon- 
trolle usw. sagt, sind auch diese Untersuchungen ziemlich wertlos. 

Kumm (7) hat dann schwache Resultate gehabt mit Tannin, mit dem er 
kranke Schafe täglich behandelte; die Krankheit verlief dann zwar milder, die 
Zahl der ausgeschiedenen Zysten aber wurde nicht kleiner. Er hat demnach keine 
eigentliche Heilung erzielt, sondern nur, wie ich weiter unten besprechen werde, 
eine sekundäre Bakterieninfektion verhindert. (Der adstringierenden Wirkung des 
Tannins wegen.) 2 

Waworuntu (26) arbeitet bei kokzidienkranken Kaninchen mit Bayer 
205, das er intravenös einspritzt, !/sproz. Kreolin per os, Emetin subkutan und 
Trypanblau. Mit Bayer 205 und Kreolin erhält er gute Resultate. Leider hat 
er aber nicht genügend Tiere untersucht und kennt kein Kriterium der Heilung. Die 
therapeutischen Versuche waren bei seiner Arbeit nur Nebensache. 

Günther (4) bekämpfte die Kaninchenkokzidiose mit Chinin per os und 
hatte Resultate, doch fehlte jede Kontrolle! 

In den Experimenten von Ericksen (3) spritzte dieser Neosphenamin auf 
alle denkbaren Weisen 9 kokzidienkranken Hühnern ein, kam aber selbst zum 
Schlusse, daß er den Wert des Mittels eigentlich nicht feststellen konnte, was 
ja auch bei dem Fehlen jeder Kontrolle und jedes Systems sehr natürlich ist. 


Zusammenfassend sehen wir also, daß, obgleich eine Menge ver- 
schiedener Mittel versucht wurden, nie die Versuche so systematisch 
ausgeführt und die unbekannten Faktoren richtig eliminiert worden 
sind, daB man den Resultaten großen Wert zuerkennen darf. Die Unter- 
suchungen geben nur Andeutungen: 1) in der Richtung des von Otto- 
lenghi und Pabis versuchten Atoxyls und 2) in der Richtung der 
Kohlenteerderivate, namentlich des Kreolins (Waworuntu, Wester 
und Beyers, Ott). 

Ich habe in beiden Richtungen gearbeitet, wobei ich aber die oben- 
genannten Fehler zu vermeiden suchte, und berichte in diesem 1. Teile 
über die Therapie der Kaninchenkokzidiose, während ich im 2. Teile 
die Therapie der Hühnerkokzidiose zu veröffentlichen hoffe. 


Meinem verehrten Chef, Herrn Prof. Dr. de Blieck, danke ich 
herzlich für das Interesse, welches er, wie immer, auch dieser Arbeit 
wieder entgegengebracht hat. 


Krijgsman, Die Therapie der Kokzidiose. 111 


III. Physiologische Bemerkungen über die Kokzidien- 

entwicklung im Darme des Wirtstieres. 

Bekanntlich werden vom Kaninchen die sporulierten Oozysten der 
Eimeria Stiedae und Eim. perforans, 2 fast immer in Misch- 
infektion vorkommenden Kokzidienarten, mit dem Futter oral aufge- 
nommen. ‘Unter dem Einfluß der nacheinander einwirkenden Magen- 
Darmfermente (Krijgsman, 6) wird dann eine verdünnte Stelle der 
Membran, die Mikropyle, aufgelöst, so daß die hinausschwärmenden 
Sporozoiten Gelegenheit finden, in die Epithelzellen des Dünndarms 
einzudringen. In diesen Zellen kommt es zu wiederholter Kernteilung 
des Parasiten, die Teilprodukte (Merozoiten) verlassen die durch sie 
vernichtete Darmzelle, kommen wieder ins Darmlumen hinein und suchen 
eine neue Epithelzelle. Dieser Prozeß wiederholt sich verschiedene Male, 
so daß eine anfangs auf einen kleinen Bezirk des Darmes beschränkte 
Infektion sich allmählich über den ganzen Dünndarm verbreiten kann. 
Auf diese Weise werden natürlich immer größere Quantitäten von Darm- 
epithel außer Funktion gesetzt und vernichtet. Demzufolge kann ‘das 
Tier seine Nahrung nicht mehr genügend verdauen und resorbieren (wir 
finden dann z. B. öfters unverdaute Stärkekörner in Enddarm und 
Fäzes!); es tritt Diarrhöe mit Schleimabsonderung auf als erstes An- 
zeichen der Krankheit. Das Tier wird dann allmählich schwächer und 
verliert seine FreBlust. Infolgedessen ändert sich vielleicht das Milieu 
der Parasiten chemisch; jedenfalls hören diese nach einigen Tagen (4 
bis 5) auf, neue Merozoiten zu bilden, und schreiten zur Gamogonie. 
Antitoxinbildung des Organismus ist nicht wahrscheinlich, da auch keine 
Toxine gebildet werden. (Das Tier macht nämlich während der Schizo- 
gonie gar nicht den Eindruck, unter Vergiftung zu leiden, und es ist 
auch keine nennenswerte Temperaturerhöhung vorhanden. Der Organis- 
mus reagiert auch nicht durch Einkapselung usw. auf die Parasiten. 
Ferner tritt nach Heilung keine Immunität auf.) Die letztgebildeten 
Merozoiten, die auch wieder in Epithelzellen eingedrungen sind, bilden 
jetzt teilweise Makro-, teilweise Mikrogametozyten. Diese Gametozyten 
füllen alsbald die von ihnen befallenen ‚Epithelzellen ganz aus, während 
eine Chromatinreduktion des Kernes (Reduktionsteilung) stattfindet. Die 
Makrogametozyten bleiben einkernig, während in den Mikrogametozyten 
lebhafte Kernteilung vor sich geht. Die Teilprodukte (Mikrogameten) 
schwärmen aus der Epithelzelle aus und ins Darmlumen hinein. Sie 
suchen die durch Kernreduktion zum Makrogameten gereifte weibliche 
Zelle auf und befruchten sie. Sodann hüllt sich die Zygote in eine 
Membran und wird zur Zyste. Die Zysten treten aus den Darmzellen 
aus und verlassen mit den Fäkalien den Darm. 

Gerade dieses ist der gefährliche Punkt der Krankheit. Die Zysten 
treten nämlich zu gleicher Zeit in so großen Mengen aus der Darm- 
wand aus, daß vielfach größere Läsionen entstehen, wodurch jetzt die 
Blutbahn dem Darminhalt offen steht und Intoxikationen oder Infek- 
tionen mit Darmbakterien kaum ausbleiben können. Die durch herab- 
gesetzte Darmfunktion schon abgeschwächten Tiere können sich jetzt 
nicht halten und gehen ein. Geschieht dies in diesem Stadium uicht, 
so besteht doch die Möglichkeit, daß während der Schizogonie schon 
Merozoiten durch den Ductus choledochus in die Leber hineingetreten. 
sind und sich da festgesetzt haben. In dieser kommt es dann zur Herd- 
bildung und nach wiederholter Schizogonie auch hier zur Gamogonie. 
So entstehen öfters Lebern, welche ganz von mit Zysten angefüllten, kon- 


112 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


fluierenden Herden bedeckt und durchwuchert sind. Da infolgedessen die 
Leber ihre Funktion natürlich nicht mehr ausüben kann, stirbt das Tier. 
Zum Schlusse sei noch bemerkt, daß die Tiere, welche die Krankheit 
überstanden haben, fast immer dauernd Zysten ausscheiden, sei cs auch 
nur wenige. Sie sind also Träger der Krankheit und in diesem Sinne 
eine fortwährende Gefahr für die gesunden Tiere. 

Wir können also meines Erachtens 3 Typen der Krankheit unter- 
scheiden: 1) Die perakute Form (Dauer 3—6 Tage), welche nur 
sporadisch vorkommt und z. B. einmal von Waworuntu beobachtet 
worden ist; die Tiere sterben dann an allgemeiner Schwäche, welche 
durch die durch die Schizogonie herabgesetzte Darmfunktion hervor- 
gerufen wird. (Vielleicht treten in diesem Falle auch hier schon Darm- 
läsionen auf.) Es sind wohl die konstitutionell schwachen Tiere, die 
zum Schizogonietode prädestiniert sind. — 2) Die akute Form (Dauer 
1—3 Wochen): Die Tiere sterben infolge der Gamogonie an Sepsis, die 
durch Darmläsionen verursacht wird, wobei man Oozysten im Kot oder 
jedenfalls im Darm nachweisen kann. — 3) Die chronische Form (Dauer 
länger als 3 Wochen, bis zu vielen Monaten): Die Tiere sterben an 
Leberinfektion. 

Die Schizogonie dauert 4—5 Tage, die Gamogonie tritt am 6. oder 
7. Tage auf. Ist die Infektion schwach, so dauert die Schizogonie noch 
länger. Je stärker die Infektion ist, um so früher stellt sich die Gamo- 
gonie also ein. Das spricht ja für ein Reagieren der Parasiten auf das 
Milieu, denn je stärker die Infektion ist, je schneller ändert sich das 
Milieu. 

Wenn wir nun mit unsern Mitteln eingreifen wollen, müssen wir 
natürlich den Entwicklungszyklus der Parasiten im Darm kennen, da- 
mit wir auch feststellen können, wann wir die Parasiten angreifen und 
welchen Einfluß das betreffende Mittel auf diese ausübt. 


IV. Methodik. 


Wenden wir uns nun zu der Besprechung der Umstände, die zu- 
sammen das Milieu des kranken Tieres bestimmen, und der Symptome, 
welche zusammen das Bild der Kokzidienkrankheit hervorrufen. 

Die kokzidienkranken Kaninchen sitzen apathisch da, verlieren 
ihre Freßlust, bekommen Durchfälle, magern ab, bekommen manchmal 
Nasen- und Augenausfluß und Oozysten treten in dem Kot auf. Diese 
Symptome sind aber fast alle Allgemeinerscheinungen, sie haben also 
auch diagnostisch wenig Wert. Durchfall tritt nicht immer auf und 
zeigt sich außerdem bei vielen Darmstörungen. Auch Mattigkeit, Nicht- 
fressen, Nasenausfluß usw. sind sehr allgemein vorkommende Er- 
scheinungen. Nur die Ausscheidung der Zysten in dem Kot ist eine Er- 
scheinung, welche die Diagnose sichert und die Krankheit charakteri- 
siert. Nicht nur die letztere, sondern auch den Verlauf der Krankheit 
kann man an der Zystenabsonderung beobachten. Findet man nämlich 
Zysten in dem Fäzes, so weiß man gleich, daß das Stadium der Schizo- 
gonie vorüber ist, und die Parasiten sich im Darm gamogonisch ent- 
wickeln. Hört dann die große Zystenausscheidung auf, so ist auch 
die Krankheit vorüber. Darum habe ich als Kriterium für 
meine Untersuchungen die Zystenausscheidung benutzt, 
um daran meine therapeutischen Mittel zu prüfen. Ich 
prüfe meine Therapeutika also nicht an einem Symptom der Krankheit, 
sondern an dem Benehmen der Parasiten selbst. Es kommt zwar in 


Krijgsman, Die Therapie der Kokzidiose. 113 


einigen Fällen ein perakuter Fall der Krankheit vor, wobei das Tier 
stirbt, ehe die Parasiten zur Zystenbildung gekommen sind, doch ist 
dies so selten der Fall, daß es für meine Zwecke ruhig ausgeschaltet 
werden kann. 

Sollen wir an der Zystenausscheidung verschiedene Mittel prüfen, so 
ist es natürlich nötig, daß wir diese Ausscheidung während der Krank- 
heit genau kennen und bestimmen können. Auch müssen wir imstande 
sein, die Zystenabsonderung bei verschiedenen Kaninchen untereinander 
direkt zu vergleichen, was man aber nur tun darf, wenn 1) alle Kanin- 
chen möglichst genau gleiches Gewicht haben, gleich groß, gleich 
alt1), desgleichen gleich stark, völlig gesund sind, also am bestem aus 
demselben Neste stammen. — 2) sollen die Tiere bei Anfang des Ex- 
perimentes praktisch kokzidienfrei sein, — 3) sollen die Tiere künstlich 
gleich stark, aber schwer infiziert werden. — 4) Jedes behandelte Tier 
soll neben sich ein gleich stark infiziertes Kontrolltier haben. — 5) Das 
Milieu der Tiere soll sich während der Experimente gar nicht ändern, 
und zwar weder beim einzelnen Tier noch bei den gesamten Tieren 
(also dasselbe Futter, dieselben hygienischen Maßnahmen usw.). — 
6) Bei der Feststellung der Zystenmenge im Kot muß immer in genau 
derselben Weise gearbeitet werden, damit man die Zystenzahl praktisch 
fehlerlos bestimmen und mit der anderer Tiere vergleichen kann. 

Sind diese Bedingungen erfüllt, so ist es möglich, wenn man die 
Kurve der Zystenausscheidung beim kranken, nicht behandelten Tiere 
(Kontrolltier) kennt, den Einfluß des Therapeutikums an der Aende- 
rung der Zystenkurve beim behandelten Tier zu bestimmen. Es blieben 
also alle Faktoren dieselben und nur die Zystenausscheidung, die sich 
mit der Zeit änderte, wurde beobachtet. Zu diesem Zwecke bediente 
ich mich der folgenden Technik. 


V. Technik. 


Die von mir verwendeten Kaninchen waren möglichst gleich groß, 
gleich alt und von gleichem Gewicht (500—600 g). Ich arbeitete 
immer mit Gruppen von 4 Tieren aus demselben Wurfe, welche jedes 
für au in einen Käfig gesetzt und jeden Tag auf Zysten kontrolliert 
wurde. 

Es wurde darauf geachtet, daß die Fäzes ungefähr zystenfrei waren 
(ganz negativ brauchten sie nicht .zu sein). Nach einigen Tagen 
negativen Befundes wurden sie dann alle 4 mit einer sehr großen 
Menge sporulierter Zysten infiziert. Diese Zysten wurden mit den 
Fäzes von einem stark positiven Tiere gesammelt und damit folgender- 
maßen verfahren: Die Fäzes wurden mit sehr wenig Wasser zu einem 
dicken Brei verrieben, und auf eine Petri-Schale mit einer Schicht 
feuchter Watte wurden 2 Lagen feuchten Fließpapiers gebracht, auf 
die der Fäzesbrei ausgestrichen wurde. Eine darauf gespritzte Bor- 
säurelösung verhinderte Bakterien- und Schimmelwucherung. DiePetri- 
Schalen wurden dann bei einer konstanten Temperatur von 22° C auf- 
gestellt und mit Deckeln versehen, welche aber nicht ganz geschlossen 
wurden, um den Sauerstoffzutritt nicht zu erschweren. 

Wenn nach ungefähr 10 Tagen die Zysten größtenteils sporuliert 
waren, wurden sie folgendermaßen aus dem Brei (nach der Glyzerin- 
methode von Vajda, 23) gesammelt: Die Fäzes wurden mit einer 


1) und zwar nicht älter als ungefähr 10 Wochen sind, denn nach dieser 
Zeit sind nur schwer zu infizieren und viel widerstandsfähiger. 
Erste Abt. Orig. Bd. 101. Heft 1/3. 8 


114 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


Menge Wasser, die gleich dem Inhalt eines Zentrifugierröhrchens 
war, gemischt, durch ein Drahtsieb hindurchfiltriert und nachher unge- 
fähr 20 Min. zentrifugiert (bis zu 2000 Rot.). Sodann wurden 3/, 
‘Wasser abgegossen und durch Glyzerin von einem spez. Gewicht 1,25 
ersetzt. Die am Boden haftenden Bestandteile wurden abgelöst, das 
Ganze tüchtig geschüttelt und dann wieder ungefähr 20 Min. zentri- 
fugiert, worauf ich die Röhrchen einen Augenblick ruhig stehen ließ. 
Die obenstehende Flüssigkeit war dann von Oozysten überfüllt und 
konnte zu Infektionszwecken abgesaugt werden. 

Die Infektion fand in folgender Weise statt: Eine Rekordspritze 
von 10 ccm wurde mit der oberen Flüssigkeit des Zentrifurgierröhrchens 
mit den Zysten vollgesaugt. Dem Tiere wurde dann eine Schlundsonde 
eingeführt und die Flüssigkeit dem Tiere eingespritzt. 

Die infizierten Tiere bekamen jeden Tag ihr gewöhnliches Futter; 
die Käfige wurden jeden Tag gereinigt und mit frischer Torfstreu 
versehen. Jeden Tag wurde nun von jedem Tier die gleiche Gewichts- 
menge (1 g) Fäzes aus dem Käfig geholt und jede für sich mit wenig 
gesättigter Kochsalzlösung in einem Mörser verrieben. Dann wurde 
jede Mischung durch ein Drahtsieb in einen 100 ccm-Erlenmeyer - 
Kolben hineinfiltriert (damit die gröberen Fäzesbestandteile zurück- 
blieben) und jeder Kolben mit gesättigter Kochsalzlösung bis zu 100 ccm 
gefüllt. Nach 1 Std. ruhigen Stehens waren die Fäzesbestandteile nach 
unten gesunken, die Zysten aber trieben alle oben (Kochsalzsammel- 
methode von Néller-Otten, 11). So konnten die Flüssigkeitsober- 
flächen (die also auch immer die gleichen waren, entsprechend dem 
Halse des Kolbens) zur Zystenuntersuchung verwendet werden. (Die 
Kochsalzsammelmethode ist zu Infektionszwecken nicht zu verwenden, 
weil dadurch die Möglichkeit einer Kochsalzintoxikation gegeben ist.). 

Die Feststellung der Zystenmenge erfolgte folgendermaßen: Immer 
wurde mit derselben Platinöse 1 Oese der Oberflächenflüssigkeit abge- 
nommen, auf einen Objektträger gebracht und ein immer gleich großes 
Deckglas aufgelegt. (Die Platinöse enthielt soviel Wasser, als gerade 
unter dem Deckglase Platz hatte.) Jetzt wurde unter dem Mikroskop 
bei einer Vergrößerung Zeiss Obj. A. Komp. Ok. 6 in einem Gesichts- 
felde die Zahl der Zysten gezählt, dies 5mal in anderen Gesichtsfeldern 
desselben Präparates wiederholt, und dann die Durchschnittszahl ge- 
nommen. So verfuhr ich während der ganzen Dauer des Experimentes 
jeden Tag bei jedem Versuchstier und bekam auf diese Weise 
Zahlen, welche direkt miteinander vergleichbar waren! 

Von allen 4 Tieren wurden 2 mit dem entsprechenden Mittel 
behandelt; die 2 anderen dienten zur Kontrolle. Die Atoxyl- und 
Kreolinlösungen wurden immer vermittels einer an der Schlundsonde 
angeschlossenen Spritze eingeführt und die von zystenhaltigen Fäzes 
berührten Instrumente nach jedem Gebrauche gut gereinigt. 


VI. Experimente. 
a) Versuche mit Atoxyl. 

Als erstes therapeutisches Mittel, welches von Einfluß auf die 
Kokzidienkrankheit zu sein scheint, wählte ich das Atoxyl. (Dieses 
Mittel hat zwar den Nachteil, daß es in der Praxis sehr teuer ist; hätte 
es jedoch einen guten Heilerfolg, so lohnte es sich doch, es bei Rassen- 
kaninchen zu verwenden.) Zuerst wurde die Menge desselben, welche 
die Tiere ohne Schaden vertragen können, auf 0,02 g pro Dosis pro 


Krijgsman, Die Therapie der Kokzidiose. 115 


Kilogramm Tier festgestellt, bei größeren Gaben traten gastrische Er- 
scheinungen (Erbrechen) als erstes wahrnehmbares Symptom einer Ver- 
giftung auf. (Dies wurde festgestellt an gesunden Kaninchen.) 

Diese Quantität verabfolgte ich oral mit Schlundsonde in Form 
von einer iprom. Lösung, die jedesmal gleich vor dem Gebrauch in 
destilliertem Wasser neu hergestellt wurde, um Aenderungen in der 
Flüssigkeit beim Stehen zu vermeiden. 

Im 1. Experiment wurden 4 gesunde Kaninchen (+ 500 g), des- 
selben Wurfes, nach 3tägiger Fäzeskontrolle am 4. Tage künstlich in- 
fiziert. Als die Zystenzahl in den Fäzes stieg und die Tiere die gewöhn- 
lichen Krankheitssymptome 
zeigten, bekamen 2 derselben Tabelle I. 





























3 Tage nacheinander (am 11., = = 
12. und 13. Tage) 10 ccm 5 Ẹ Ẹ 2 5 
des 1prom. Atoxyls. Neben- as 3 3 ect ern 
stehende Tabelle zeigt die FE Ai ne WE “SE 

Durchschnittszystenzahl Aia MAS | M #4 SRE 423 
der behandelten und der ac #4 3 ES a 
Kontrolltiere. $ | 5 > | 

Die fette Ziffer ent- - —_ = ——— = == 

spricht dem Tag, an wel- 1 0 1 0 0 
chem die Tiere infiziert s h ? à 3 
worden sind; die mit einem 4 0 0 0 1 
Stern versehenen Tage sind 5 4 2 5 3 
die Tage, an denen die Ka- 6 1 0 2 6 
ninchen 3 und 4 behandelt 8 0 4 D 5 
wurden. Doch wird die 9 2 0 14 7 
Uebersicht erleichtert, wenn 10 12 3 30 14 
wir davon eine Kurve her- I 30 11 60 21 
re Dies habe ich in der i 29 = a = 
fig. 1 getan. Horizontal 14* 14 33 + 15 
sind hier die Tage des Ex- 15 + 45 9 
perimentes abgetragen, ver- 16 17 7 
tikal die absolute Durch- 17 | + 24 
schnittszahl der Zysten in 
Kostproben. Die — Linie bedeutet die Durchschnittszystenzahl der 
Kaninchen 3 und 4 zusammen; die — — — Linie stellt die Durch- 


schnittszahl der Zystenausscheidung der 2 Kontrolltiere dar. 

Die 4 ersten Tage blieben demnach die Tiere fast kokzidienfrei. 
Freilich nicht ganz; ich infizierte aber immer mit einer so großen 
Menge Zysten, daß ich mir die große Mühe, die Kaninchen zuerst 
kokzidienfrei zu züchten, nicht zu geben brauchte. Auch wird dies da- 
durch gerechtfertigt, wie man nach dem Durchlesen dieser Arbeit sehen 
wird, daß die Unterschiede zwischen behandelten und Kontrolltieren 
so groß sind (die Kontrolltiere starben fast ausnahmslos), daß die sehr 
schwache Infektion, welcher sie bisweilen vorher schon ausgesetzt waren, 
keinen merkbaren Einfluß ausgeübt hat. Drittens sind schon infizierte 
Tiere ganz leicht einer neuen Infektion zugänglich, weil sie nach über- 
standener Infektion keine Immunität zeigen!). 


1) Stellt man aber Untersuchungen anderer Art, z. B. über Artspezifität der 
Kokzidien, an, so muß man natürlich unbedingt mit kokzidienfreien Kanınchen 
arbeiten. 


gr 


116 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


Aus der Zystenkurve der Kontrolltiere geht hervor, daß die Zahl 
der Zysten direkt nach der Infektion (+), also vom 4. bis zum 
6. Tage, etwas ansteigt. Dies hat aber mit der Zystenbildung im 
Darme gar nichts zu tun, sondern erklärt sich lediglich durch unge- 
nügend sporulierte, unverdaut passierte Oozysten, welche bei der Infek-- 
tion miteingegeben worden sind. (Ueber Besonderheiten dieser Er- 
scheinung siehe B. J. Krijgsman, 6.) Im Darme beginnt erst am 
9. Tage, also am 5. nach der Infektion, eine Zystenbildung. (Dies 
stimmt auch völlig mit dem mikroskopischen Bild des Darmes überein, 
denn immer habe ich vor dem 5. Tag nach der Infektion in Darm- 
schnitten oder Ausstrichen nur Schizogoniestadien oder höchstens an- 
fangende Gametozytenbildung gefunden; fertige Zysten sind dann noch 
niemals da!). Am 9. Tage stellt sich also die tatsächliche Zysten- 
ausscheidung ein, steigt schnell an und bleibt ziemlich hoch. Am 


45 


40 





D 12,737 7425768, 0 4B. OÙ TOR 9519 Oh BT 19 

Fig. 1. Der Einfluß der Atoxylbehandlung bei Kokzidiose, demonstriert an der 
Zystenzahl im Kot. Horizontal sind die Tage des Experimentes, vertikal die Zysten- 
zahlen abgetragen. Jede Kurve entspricht der Durchschnittszystenzahl zweier Kanin- 
chen; die ——— Kurve ist die der behandelten, die ------ Kurve diejenige der 
Kontrolltiere. 

+ = künstliche Infektion. 

+ = Atoxylverabfolgung. 

+ = Tod des betekenden Tieres. 

Wir sehen, wie die am 4. Tage infizierten Tiere, am 11., 12., und 14. Ta 
mit Atoxyl behandelt, keine günstige Beeinflussung ihrer Krankheit zeigen; am 
13. Tag stirbt sogar ein Tier. Die Kontrolitiere sterben am 14. und 16. Tage. 


14. Tage starb Kaninchen 1 (die ----- Linie nach dem 14. Tage zeigt 
also nur die Zystenausscheidung des Kaninchens 2 an). Am 16. Tage 
stirbt auch Kaninchen 2 bei schwankender, aber stets hoher Zystenaus- 
scheidung. 

Betrachten wir jetzt die behandelten Tiere, deren Zystenaus- 


Krijgsman, Die Therapie der Kokzidiose. 117 


scheidung durch die ——-——Linie vorgestellt wird, so sehen wir, 
wie auch hier am 9. Tage die Zystenabsonderung anfängt und gleich 
hochsteigt. Dann aber werden die Tiere am 11. und 12. Tage mit 
Atoxyl behandelt. (In der Figur durch Pfeile angegeben.) Das Ver- 
suchstier 3 stirbt dennoch am nächsten Tage, während K. 4, das 
am 14. Tage nochmals eine Dosis Atoxyl erhält, am 17. Tage immer 
noch eine sehr starke Zystenausscheidung zeigt und noch sehr krank aussieht. 

Ich habe nicht die Absicht, alle Experimente so umständlich zu be- 
sprechen, wie ich dies beim 1. getan habe; sie wurden alle in genau 
derselben Weise ausgeführt. Darum bringe ich von den übrigen Ex- 
perimenten nur die Kurve, und lasse die wenig übersichtliche Tabelle 
fort. Sehen wir uns die Resultate des 2. Experimentes in der 
Fig. 2 an: 


55 


50 





72.8.4 5 6 7 8 Oy 10-11 42 43 14 15: 16 17% 18) 19 

Fig. 2. Wie Fig. 1. Auch hier kein Herabsinken der Zystenzahl nach 
Atoxylbehandlung. Die Kontrolltiere sterben am 14. und 16., die behandelten, 
Tiere am 13. und 14. Tage. 

Die am 4. Tage infizierten Tiere zeigen am 10. Tage den Anfang 
der Zystenausscheidung; die Kontrolltiere sterben am 14. und 16. Tage 
unter hoher Zystenabsonderung; die mit Atoxyl behandelten Tiere 
sogar früher (am 13. und 14. Tage). Deutlich nehmen wir wahr, 
wie die am 9. Tage angefangene und am 10. und 11. Tage wiederholte 
Atoxylverabfolgung (Pfeile) nicht imstande ist, die ausgeschiedene 
Zystenzahl zu verringern, d. h. die Krankheit geht ungeändert weiter. 

Ich wiederholte das Experiment noch 2mal, habe also im ganzen 
16 Kaninchen infiziert, davon 8 mit Atoxyl behandelt. Immer erhielt ich 


118 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


aber dasselbe Resultat. Eine Beeinflussung des Krankheitsverlaufes war 
niemals deutlich zu konstatieren. 

Wir wissen also jetzt, daß Atoxyl zur Anwendung bei 
der Kokzidiose von der Liste der Therapeutika zu 
streichen ist. 


b) Versuche mit Kreolin. 


Das 2. Mittel, von dem die Literatur uns einige Aussicht ver- 
spricht, ist Kreolin. Wie wir sahen, haben Ott, Beyers und 
Wester, sowie auch Waworuntu damit Erfolg gehabt, und es sei 
nunmal zu versuchen, ob dieses Mittel auch standhält im Lichte des 
Laboratoriumsexperimentes. 

Die wirksamen Bestandteile des Kreolins sind die Kresole; Kreolin 
ist ja eine Lösung von Rohkresol in Natronlauge. Es sind aber ver- 
schieden stark Kresol enthaltende Kreolinarten in dem Handel, z. B. 
das Artmannsche, Pearsonsche und Wiener Kreolin. Ich arbeitete 
immer mit Pharmacia’s Kreolin. Weil die Direktion der dieses Prä- 
parat herstellenden Firma mir die Zusammensetzung des Präparates 
nicht mitteilen wollte, und ich natürlich jedenfalls die Menge der in ihm 
enthaltenen Kresole wissen möchte, so machte ich selbst die quantitative 
Analyse. Das Resultat war, daß ich im betreffenden Kreolin ungefähr 
25 Proz. Kresole feststellte. Doch als Nichtchemiker darf ich diese 
Ziffer nicht für unbedingt richtig erklären. 

Jetzt mußte ich die Dosierung bestimmen, welche die Kaninchen 
ohne Schaden ertragen konnten. Waworuntu arbeitete bei Kanin- 
chen mit Konzentrationen von t/ Proz. Kreolin. Das bekam den Tieren 
offenbar gut. Ich weiß nicht, wieviel Kresole sein Kreolin enthielt; 
jedenfalls war eine 1/,proz. Lösung meines Kreolins für die Kaninchen 
zu stark. Gesunde Kaninchen von 500 g, denen 3 Tage hintereinander 
10 ccm einer 1/,proz. Lösung oral verabfolgt wurden, zeigten gleich 
darauf stark herabgesetzte Freßlust; sie machten den Eindruck sich 
gar nicht wohl zu fühlen. Bei Sektion der getöteten Tiere zeigte sich 
auch an der lokalen Rötung und Fleckung der Magenwand, daß Kreolin 
schon in dieser Konzentration eine ätzende Wirkung auf die Darm- 
wand ausübt. 

Ich verdünnte die Lösung auf die Hälfte und arbeitete also mit 
20 ccm !/,proz. pro Dosis pro Kilogramm Tier. Dies wurde ganz gut, 
ohne irgendwelche Erscheinungen, von den Tieren ertragen, auch im 
Darmtraktus habe ich in diesem Fall niemals etwas Abnormales be- 
obachtet. 

Auf die Gefahr einer Nephritis nach Kreolinverabreichung habe 
ich auch geachtet. Von den Tieren, welche 3 Tage hintereinander 
10 ccm 4/,proz. Kreolin bekamen, wurde 10 Tage lang der Urin unter- 
sucht, jedoch immer mit negativem Resultat auf Eiweiß und Zylinder. 
Ueberdies habe ich mit Kreolin behandelte Tiere bis 8 Monate nachher 
beobachtet, ohne daß sich irgendwie ein von der Kreolinverabfolgung 
stammendes Krankheitssymptom zeigte. 

Weil wir uns jetzt darüber klar sind, daß das Kreolin in dieser 
Form keinen bemerkbaren schädlichen Einfluß auf den Organismus 
ausübt und als solches von der Niere mit dem Urin ausgeschieden 
wird (erhöhte Kresolreaktion im Harn nach Kreolingabe), sehen wir 
uns an, welchen Einfluß das Kreolin auf die Kokzidien ausübt. 

Die Experimente wurden auf genau dieselbe Weise angestellt 


Krijgsman, Die Therapie der Kokzidiose. 119 


e 
wie die mit Atoxyl, d. h. 4 in allen Hinsichten gleiche Kaninchen 
wurden infiziert, 2 nachher behandelt. 

Die Kurve der Fig. 3 gibt die Resultate, beobachtet an der 
Zystenausscheidung, der ersten Versuche in diesem Sinne. Jede Kurve 


28 


25 26 27 


22 23 24 


15 
Die Wirkung des Kreolins bei Kokzidiose, demonstriert an der Zysten- 
ge behandelten 


19 20 21 


18 


17 
14. und 16. Ta 


11 12 13 14 16 
in Herabsinken der Zystenzahl zeigen, während die Kontrolltiere 
Zystenausscheidung sterben am 13. und 14. Tage. Im übrigen wie 


10 


9 
Deutlich zeigt sich, wie die am 12., 


© 
ER 
aos 
Baron 
= © 
À wg , 
B.A Om 
+ oad 
2.3.5.0 
o JESE 
N 





wo O [ro] O wo O wo © wo © 
+ + Le] oO N N = bs 


ist zusammengestellt wie die vorigen, repräsentiert also die Zystenzahl 
zweier Kaninchen. 

Wir sehen, wie die Zystenausscheidung der Kontrolltiere (---- 
Linie) am 12. Tage (also 7 Tage nach der Infektion) ansteigt und weiter 
den typischen Verlauf zeigt, wobei die Tiere am 13.und 14. Tage sterben. 


120 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


Die Zystenausscheidung der anderen Tiere steigt analog am 12. Tage, 
dann bekommen sie aber gleich an demselben Tage 10 ccm !/,proz. 
Kreolin, was am 14. und 16. Tage wiederholt wird. Es ist deutlich, 
daß die Zystenausscheidung gleich herabsinkt; am 21. Tage sinkt sie 
sogar auf Null, während die Tiere wieder ganz munter und gesund 
aussehen. Auch während längerer Beobachtung stellte sich keine Zysten- 
ausscheidung mehr ein. 

Die Resultate des 2. Experimentes in diesem Sinne, ganz genau 
auf dieselbe Weise hergestellt, zeigt uns die Fig. 4. 

Die Figur zeigt uns, wie die Tiere, am 4. Tage infiziert, am 9. Tage 
die von der Infektion stammende Zystenausscheidung anfangen. Die 


45 


a 


40 


35 





30 


> 


25 


anna 


a 





t 2 3 4.5.6 7: 8 “09 107 11. 12° 19: 18" 15, 16: 17° 18,49: “20: 2 


Fig. 4 Wie Fig. 3. Die am 11., 12, und 14 T behandelten Tiere 
- genesen, während die Kontrolltiere am 12. und 14. Tage sterben. 


Kontrolltiere sterben in der gewöhnlichen Weise am 12. und 14. Tage. 
Die anderen werden am 11., 12. und 14. Tage mit der gewöhnlichen 
Dosis Kreolin behandelt, mit dem Resultat, daß sie am 12. Tage schon 
negativ befunden wurden und auch weiter ganz zystenfrei und gesund 
blieben. 

In obenstehenden Versuchen habe ich stets mit der Kreolinbehand- 
lung angefangen, sobald die Zystenausscheidung hochging. Wie steht 
es nun aber mit der Beeinflussung der Krankheit, wenn wir nicht gleich 
in diesem Momente angreifen, sondern erst später? Das habe ich in 
untenstehendem Versuche getan. Besprechen wir die Resultate an der 
Hand der Fig. 5. Alle anderen Umstände sind denen der obigen Ver- 
suche gleich geblieben. 

Die am 4. Tage infizierten Tiere zeigten am 10. Tage den Anfang 
der Zystenausscheidung. Am 14. Tage starb schon ein Tier, darum 
durfte ich die Behandlung nicht weiter verschieben und applizierte 


20 





Krijgsman, Die Therapie der Kokzidiose. 121 


gleich am 14., 15. und 16. Tage 2 Tieren in der gewöhnlichen Weise 
Kreolin. Das andere Kontrolltier starb am 16. Tage, während die be- 
handelten Tiere ein rasches Herabsinken der Zystenabsonderung zeigten, 
am 21. Tage negativ wurden und weiter auch blieben. 

Sehen wir, wie das Kreolin auch bei weit vorgeschrittener In- 
fektion noch so glänzende Erfolge hat, so wird es dies sicher auch 
zeigen müssen, wenn wir die Behandlung anfangen während die Para- 
siten im Darm noch im Schizogoniestadium verkehren; in der Kurve 
also noch keine Zystenausscheidung festzustellen ist. Für die Praxis 
hat allerdings solches Verfahren weniger Wert, weil ohne Zysten- 
ausscheidung keine Diagnose zu stellen ist. Zur Ergänzung habe ich 





| 
i 





9 3 4-5 6 7 B 9 FO “WW 12° 19: 14: 15 16 17° 18) 19:20 21) 22: 28: 24,25 


Fig. 5. Heilung durch Kreolin bei schon weit fortgeschrittener Kokzidiose. 
Die Kontrolltiere sterben am 14. und 16. Tage. Im übrigen wie Fig. 1. 


jedoch diese Versuche hergestellt; besprechen wir sie an der Hand der 
Fig. 6. 

Die vollkommen negativen Tiere wurden am 4. Tage infiziert. 
2 der Kaninchen wurden am 6., 8. und 9. Tage (also am 2., 4. und 
5. Tage nach der Infektion), bevor sich eine Zystenausscheidung in 
den Fäzes zeigte, mit der gewöhnlichen Menge Kreolin behandelt. 
Eine Zystenausscheidung trat nicht auf; eine Gamogonie stellte sich 
also im Darme nicht ein; die schizogonen Formen wurden durch das 
Kreolin vollkommen vernichtet. Dagegen zeigte die Zystenkurve der 
Kontrolltiere den gewöhnlichen Verlauf; sie starben beide am 15. Tage. 

Es sei hier nochmals darauf hingewiesen, daß die gleich nach 
der Infektion auftretende Zystenabsonderung nichts mit der Entwicklung 
der Parasiten im Darm zu tun hat, sondern nur der unverdaut passierten, 


122 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


ungenügend sporulierten Zystenmenge entspricht. Wir sehen hier in 
der Kurve sehr schön, wie diese ‘Ausscheidung, weil der Darminhalt 
lange im Coecum verbleibt, bis zum 15. Tage (11 Tage nach der In- 
fektion) andauert (s. in diesem Zusammenhang auch Verwey, 24). 
Die ———Linie zeigt uns also eigentlich nur, in welcher Weise un- 
verdaut passierte, indifferente Partikel ausgeschieden werden. 

Die obenstehenden Versuche sind eigentlich nur Beispiele aus einer 
großen Versuchsreihe, die alle genau in derselben Weise angestellt 
waren, und alle dasselbe Resultat zeigten: namentlich das Kreolin 
hatte in allen Stadien der Krankheit eine in 100 Proz. 
heilende Wirkung. Dies hat desto mehr Bedeutung, weil den sehr 
schweren künstlichen Infektionen, welchen meine Versuchstiere ausgesetzt 
wurden, ähnliche in der Natur nur sehr selten vorkommen. Die Aus- 


45 


40 
r 
i 
35 ' 
1 
N 
1 
30 


25 





2.3 40 5716 9,8 9 10: AW 127 19: 14715; 16 17 IS. 19 


Fig. 6. Heilung durch Kreolin im Anfangsstadium der Krankheit. Bei den 
belandelten Tieren tritt gar keine Zystenausscheidung auf. Im übrigen wie Fig. 1. 


sicht auf Heilung wird da also sicher noch erhöht sein. Um die 
Wirkung des Kreolins bei Spontaninfektionen nochmals zu demonstrieren, 
habe ich folgenden Versuch angestellt: 

Es wurden 4 kokzidienkranke Kaninchen zusammen gesucht, vom 
selben Alter und aus denselben Umständen. Nachdem sie eine Woche 
ohne Eingriff observiert worden waren, wurden 2 der Tiere mit Kreolin 
behandelt. Die Fig. 7 gibt die Resultate. : 

Es zeigt sich ganz klar aus der Vergleichung der beiden Kurven, 
wie durch die Kreolinverabreichung am 8., 10. und 11. Tage der Ent- 
wicklungsprozeß des Parasiten im Darm ins Stocken gerät. Am 16. Tage 
sind die behandelten Tiere negativ und bleiben negativ, während die 
Zystenkurve der Kontrolltiere gar kein definitives Herabsinken zeigt; 
eines der Tiere ist sogar gestorben. 


Krijgsman, Die Therapie der Kokzidiose. > 123 


Welchen Einfluß hat nun das Kreolin auf den Verlauf der Krank- 
heit? Meines Erachtens erstreckt sich dieser Einfluß in 2 Richtungen: 

1. hat Kreolin durch seine zusammenziehende und blutgerinnungs- 
befördernde, also adstringierende Eigenschaft einen günstigen Einfluß 
auf die entzündete Darmwand (schließt eventuell entstandene Lä- 
sionen usw.). 

2. und vornehmlich aber übt Kreolin eine direkt tôtende Wirkung 
auf die Parasiten aus. Man kann nämlich in allen Kurven ganz genau 
becbachten, wie nach Verabfolgung des Kreolins die Zystenzahl gleich 
herabsinkt und gleich Null wird; d. h. alle Stadien vor der Zysten- 
bildung werden angegriffen und vernichtet. Nur die schon gebildeten 
Zysten, die ihrer undurchlässigen Membran wegen von Kreolin nicht 
aay nas sind, werden noch ausgeschieden; dann ist aber auch alles 
zu Ende. 


45 
. 





T 8-9 10 11° 12) 19. 14 18) 16. 17 18, 19 


Fig. 7. Heilung durch Kreolin bei Spontaninfektion. Die behandelten Tiere 
zeigen gleich ein Herabsinken bis gleich Null. Im übrigen -wie Fig. 1. 


VII. Die pathologische Histologie des Darmes. 


Zur Ergänzung der Experimente habe ich das mikroskopische Bild 
des Darmes herangezogen. Beobachten wir zuerst, wie der Querschnitt 
des Darmes des kokzidienkranken Kaninchens im Stadium der Zysten- 
ausscheidung aussieht. 

Ein Tier in diesem Stadium wurde mit Chloroform getötet; Stücke 
Dünndarm wurden aufgeschnitten und im Bouinschen Gemisch fixiert. 
Von diesen Stücken wurden 5 x dicke Paraffinschnitte hergestellt 
und diese mit Heidenhains Eisenhämotxylin gefärbt. Oefters zeigt 
sich so fast die ganze Dünndarmwand von Kokzidien befallen, so 
daß man beinahe in jedem Schnitt einige Zysten im Epithel nachweisen 


124 » Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


kann. Taf. I, Fig. a gibt ein Beispiel eines solchen Darmes. Das 
Mikrophotogramm wurde angefertigt bei einer Vergrößerung Zeiss 
Imm. Obj. 2 mm, Komp. Ok. 2. Wir sehen einen Querschnitt durch 
einen Dünndarmherd. Das Epithel ist fast verschwunden unter der unge- 
heuren Menge der sich darin bildenden Zysten. Es hat sich ein Krater 
gebildet, aus dem die fertigen Zysten in das Darmlumen hineintreten. Es 
ist ja ohne weiteres klar, daß hier eine schwere Darmverletzung statt- 
findet, bei der ganze Mengen Epithel vernichtet werden und der Darm- 
inhalt ungehindert in die Blutbahn hineintreten kann. 

Wenn nun das Kreolin wirklich die Parasiten tötet, so soll einige 
Tage nach der Behandlung im mikroskopischen Bilde auch gar nichts 
mehr von diesen bemerkbar sein; die noch im Darmepithel anwesenden, 
schon membranierten Zysten sind dann auch ausgestoßen worden. 

Ein behandeltes, vorher schwer kokzidienkrankes Tier wurde 3 Tage 
nach der letzten Kreolinverabreichung getötet und große Darmstücke 
in Serienschnitte zerlegt. Diese wurden nach Eisenhämatoxylinfärbung 
alle ganz genau durchsucht; nirgends aber war etwas von Parasiten zu 
bemerken. Es kamen allerdings verschiedene Herde zur Beobachtung, 
welche offenbar in Heilung begriffen waren. Ein Beispiel dieser Schnitte 
zeigt Taf. I, Fig. b (Mikrophotogramm, mit derselben Vergrößerung 
wie Fig. a hergestellt). Wir sehen hier einen heilenden Herd. Das 
Bindegewebe hat sich fast wieder völlig neugebildet; nur das Epithel 
ist noch damit beschäftigt, sich zu schließen. Ganz oben verweilt noch 
ein wenig rundzelliges Infiltrat; von Parasiten aber keine Spur! 

Es ist also klar, wie das mikroskopische Bild des Darmes sich tat- 
sächlich deckt mit dem Bilde der Zystenausscheidung; hört die letztere 
nach Behandlung auf und bleibt sie gleich Null, so treffen wir auch 
im Darm keine Parasiten mehr, denn diese sind vom Kreolin völlig ver- 
nichtet worden. Die pathologische Histologie des Darmes zeigt uns 
also drei Dinge: 

Erstens zeigt sie, daß die Zystenausscheidung aus der Darmwand 
wirklich Läsionen verursachen kann welche die Blutbahnen öffnen; 
zweitens demonstriert sie den therapeutischen Wert des Kreolins und 
drittens rechtfertigt sie, daß ich beim Verschwinden der Zysten aus 
dem Kot das Tier geheilt (parasitenfrei) nannte. 


VIII. Die Anwendung der Kreolintherapie in der Praxis. 

Wollen wir die Kreolintherapie in der Praxis anwenden, so muß sie 
sicher Hand in Hand gehen mit einer gut durchgeführten Prophylaxis. 
So müssen die Kaninchenkäfige immer tüchtig gereinigt werden und 
die Tiere an erster Stelle gegen Nässe geschützt sein. Das Futter muß 
in Raufen verabreicht werden, damit keine Verunreinigung desselben 
mit Fäzes stattfinden kann. Treten aber doch Kokzidiosefälle auf, so 
fange man gleich an die Tiere zu isolieren und ihre Käfige gründlich 
zu desinfizieren. Nicht mit chemischen Mitteln, da diese, wie schon 
gesagt, nicht helfen, der Undurchlässigkeit der Zystenmembran wegen, 
aber mit kochendem Wasser oder heißer Luft (s. auch Pérard 15 u. 
16). Die angetasteten Tiere werden gleich in der oben besprochenen 
Weise mit Kreolin behandelt und dann noch ungefähr 2 Wochen 
isoliert gehalten. 

Die Uebertragung geschieht am meisten durch die spontan geheilten 
Tiere, welche fast immer Träger bleiben; so wird die Krankheit z. B. 
sehr oft von der Mutter auf die Jungen übertragen. Darum empfiehlt 


Krijgsman, Die Therapie der Kokzidiose. 125 


es sich, die Mütter vor dem Wurfe durch Kreolinapplizierung kokzidien- 
frei zu machen. Führt man dies gründlich durch, so braucht man 
meines Erachtens gar keine Kokzidioseepidemien unter den jungen 
Tieren zu fürchten. 

Man wird aber gezwungen sein, das Mittel den Tieren immer mit 
einer Schlundsonde zu verabreichen, denn es ist vergeblich, zu versuchen, 
Kreolin die Tiere in Wasser oder Milch trinken zu lassen; sobald ein 
nur sehr geringer Kreolingeruch an dem Getränk haftet, verweigern. 
sie es. 


IX. Zusammenfassung. | 

1) Der Wert eines therapeutischen Mittels ist nicht 
zu entscheiden, wenn es nicht an streng methodisch aus- 
geführten Versuchsreihen im Laboratorium geprüft wird. 
Alle uns von der Praxis angedeuteten Richtungen müssen in dieser Weise 
verarbeitet werden, damit man zeitig die richtigen Mittel erkennen, und 
die wertlosen beiseite schieben kann. 

2) Die Todesfälle bei Kokzidiose sind in weitaus den 
meisten Fällen zurückzuführen auf eine durch Darm- 
läsionen herbeigeführte Sepsis. 

3) Atoxyl hat für die Verwendung bei Kokzidiose 
keinen Wert. 

4) Kreolin bewährt sich in allen Stadien der Kok- 
zidiosis als ein sehr gutes Therapeutikum; mit einer gut 
durchgeführten Prophylaxis zusammen wird es sogar möglich, die Krank- 
heit auf diese Weise vollkommen zu besiegen. 

Utrecht, April 1926. 

Literatur. 

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tierärztl. Wochenschr. 1918. S. 385. — 6) Krijgsman, B. J., Wie werden 
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Epidemiologie der Schafkokzidiose. (Berl. tieriirztl Wochenschr. 1922.) — 8) 


Lerche, M., Die Kokzidiose des Schafes. (Arch. f. Protistenk. Bd. 42. 1921. 
S. 380.) — 9) Ders., Nierenkokzidiose bei Hausgänsen. (Zeitschr. f. Infek- 


tionskrankh. der Haust. Bd. 25. 1924. S. 122.) — 10) Meyer, K. E, 
and Crocker, W. J., Some experiments on medical treatment of coccidiosis in 
chickens. (Am. Veter. Review. Aug. 1913.) — 11) Nöller, W., u. Otten, L, 


Die Kochsalzmethode bei der Untersuchung der Haustierkokzidien. (Berl. tier- 
ärztl. Wochenschr. Bd. 37. 1921.) — 12) Nöller, W., Schürjohann S,, u. 
Vorbrodt, K., Zur Kenntnis der Ziegen- und Schafkokzidiose. (Berl. tierärztl. 
Wochenschr. 1922.) — 13) Ott, Enteritis coccidiosa bovis. (Tierärztl. Rund- 
schau, 1914. S. 15.) — 14) Ottolenghi, D., u. Pabis, E., Chemotherapie- 
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S. 538.) — 15) Pérard, Ch., Recherches sur les coccidies et les coceidioses 
du lapin. (C. r. Acad. des Sciences. T. 175. 1924. p. 2131.) — 16) Ders., La 
prophylaxie des coccidioses. (Rev. gén. de Med. vet. T. 34. 1925. p. 421.) — 
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126 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


stiedae nebst einem Beitrage zur Kenntnis von Eimeria falciformis. (Arch. f. Protistenk. 
Bd. 28. 1913. S. 1.) — 19) Reichenow, E., Die Kokzidien. (Handb. d. path. 
Protoz. 1921. Bd. 3. S. 17%) — 20) Reitsma, K., Coccidiosis bij. de geit. 
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und deren Behandlung. (Münch. tierärztl. Wochenschr. 1914. S. 1001.) — 23) 
Vajda, Th, A: new method for detecting the eggs of parasits in faeces. 
(Toura: of the Amer. Vet. Med. Assoc. N. S. Vol. 14. 1922.) — 24) Vorme PER Ip 
Intectieproeven met vogelcoccidién. (Diss. Leiden, 1926.) — 25) Vogel, O. E., 
Enteritis coccidiosa bovis. (Tierärztl. Rundschau. 1913. S. 597.) — 26) Wawo- 
runtu, F. K., Bijdrage tot de kennis van het konijnencoccidium. (Diss., Utrecht. 
1924.) — 27) Wester, J., u. Beyers, J. A., Coccidiosis bij runderen. (Tijdschr. 
v. Diergen. 1920. S. 672.) — Dies., Coccidiose bij het schaap. (Tijdschr. v. Diergen. 
1920. S. 769.) — 29) Wetzel, R., Ein Beitrag zur Kokzidiose der Katze. (Dtsch. 
tierärztl. Wochenschr. 1925. S. 97.) 
Erklärung der Tafelabbildungen. 


Mikrophotogramme von Dünndarmschnitten, aus in Bouin fixierten, zu 5 p 
dicken, mit Heidenhains Eisenhämatoxylin gefärbten Präparaten verarbeiteten 
ee hergestellt, angefertigt bei einer Vergrößerung Zeiss Imm. Obj. 

mm. 5 2 

a) Schnitt durch einen kraterbildenden Kokzidienherd. Die Zysten haben das 
anze Epithel verdrängt und vernichtet und treten aus der Darmwand aus, be- 
eutende Läsionen hinter sich lassend. 

b) Schnitt durch den Darm eines behandelten Tieres. Es ist eben ein in 
Heilung begriffener Herd getroffen worden. Das Bindegewebe hat sich schon völlig 
neu gebildet, das Epithel ist noch nicht ganz erneut; oben findet sich etwas rund- 
zelliges Infiltrat. Von Parasiten aber keine Spur! 


Nachdruck verboten. 
Beitrag zur Trennung verschiedener tierpathogener und 
saprophytischer Streptokokken (des Streptococcus aga- 
lactiae, Str. lacticus, Str. equi, Str. abortus equi 


und des Str. pyogenes equi). 


[Aus dem Vet.-Hygienischen Institut der Universitit Leipzig (Dir.: 
Obermedizinalrat Prof. Dr. M. Klimmer).] 


Von M. Klimmer und H. Haupt. 


Die Trennung der verschiedenen pathogenen Streptokokken von- 
einander und von den saprophytischen ist wiederholt Gegenstand ein- 
gehender Untersuchungen gewesen. So haben Holth, Adsersen u.a. 
das Gärvermögen verschiedener pferdepathogener Strepto- 
kokken gegenüber zahlreichen Kohlehydraten und hochwertigen Alko- 
holen eingehend studiert und hierbei u. a. festgestellt, daß der 
Streptococcus equi Milchzucker und Sorbit nicht vergärt, während 
dies die übrigen pferdepathogenen Streptokokken, die aus Brustseuche-, 
Petechialfieber-, Eiterungs- und Gelenkentzündungsfällen reingezüchtet 
waren, bewirken. Aehnliche Untersuchungen Mejlbos bei den Masti- 
tisstreptokokken zeigten, daß hier mindestens 25 verschiedene 
Typen zu unterscheiden sind, die aber von den saprophytischen Milch- 
säurestreptokokken nicht zu trennen sind. Mejlbo ist der Meinung, 
daß ein Schluß auf eine tatsächliche Artverschiedenheit der ver- 
schiedenen Mastitisstreptokokken aus seinen Untersuchungen nicht ge- 
zogen werden könne. 

Die Versuche zur Unterscheidung der pathogenen von den sa- 
prophytischen Streptokokken der Milch sind namentlich 


Centralblatt für Bakteriologie Abt. I Orig. Bd. 101. 
Krijgsman, Therapie der Kokzidiose I. 





Verlag von Gustav Fischer in Jena. 


THE LIBRARY 


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Klimmer u. Haupt, Zur Trennung verschied. tierpath. u. saprophyt. Streptok. 127 


auch von amerikanischen Autoren durchgeführt worden. Nachdem schon 
früher Esten (1909) und Hastings angegeben hatten, daß der 
Streptococcus lactis Lister-Löhnis (Str. lacticus Kruse, Milch- 
säurestr.) in sehr kurzer Zeit Lackmusmilch reduziert, haben 
Sherman und Albus später (1918) auf die Fähigkeit des Milch- 
säurestreptokokkus, sich auch bei 109 vermehren zu können, hin- 
gewiesen und hierauf eine Trennung dieser Streptokokken von den 
in der Milch vorkommenden Streptokokken des Pyogenestypus basiert. 
Der prinzipielle Unterschied zwischen Milchsäure- und Mastitisstrepto- 
kokken, der auf der Reduktion von Lackmusmilch beruht, ist von 
Ayers, Johnson und Mudge bestätigt worden. Auch Heim hat 
die Bedeutung der Lackmusmilch zur Erkennung der Milchsäurestrepto- 
kokken erneut hervorgehoben. Zum Nachweis der Reduktionswirkung 
der Milchsäurestreptokokken kann man außer der Lackmusmilch auch 
Methylenblau in Milch sowie Janusgrün und Ammonium- 
molybdat in Traubenzuckerbouillon benutzen. Ayers, Johnson und 
Mudge halten die Reduktion von Janusgrün und Ammoniummolybdat 
in der von ihnen angegebenen Technik (Traubenzuckerbouillon) für ein 
mindestens ebenso sicheres Verfahren wie die Verwendung der Lack- 
musmilch, dagegen haben sie bei der Reduktion von Methylenblaumilch 
im Gegensatz zu Sherman und Albus nur inkonstante Ergebnisse 
erzielt. Zur sicheren Abtrennung des Milchsäurestreptokokkus ver- 
langen sie von ihm noch Wachstum bei 10° C und die Erreichung eines 
tiefen End-px bei Verwendung eines besonderen Nährbodens, dessen 
Oberflächenspannung durch Natriumglykocholat auf 42,8 dyn vermindert 
ist, denn es kommen in der Mundhöhle von Menschen auch Strepto- 
kokken vor, die zwar schnell Lackmus und Janusgrün reduzieren, aber 
die übrigen genannten Eigenschaften der Milchsäurestreptokokken nicht 
zeigen. 

Ein größerer Teil der Milchsäurestreptokokken hat die Fähigkeit 
aus Pepton NH, und CO, abspalten zu können (Variante A), 
während ein kleinerer Teil dies nicht vermag (Variante B). 

Der Streptococcus Kefir unterscheidet sich von den Milch- 
säurestreptokokken durch seine CO,-Abspaltung aus Dextrose. 

Die in der Milch des Euters vorkommenden (pathogenen) 
Streptokokken (Mastitisstreptokokken) sind charakteri- 
siert dadurch, daß sie Methylenblau ‘in Milch (Sherman und 
Albus, Ayers und Mudge) sowie Janusgriin und Ammonium- 
molybdat in Traubenzuckerbouillon (Ayers, Johnson und Mudge) 
nicht reduzieren. In Lackmusmilch erfolgt die Reduktion erst nach 
Säuerung und unvollständig. Bei 10° wachsen sie in Lackmusmilch 
nicht. Alle Stämme spalten aus Pepton CO, und NH; ab; dagegen 
vermag kein Stamm aus Dextrose CO, zu bilden. Die hämolytischen 
Mastitis- und die meisten Milchsäurestreptokokken spalten die Hippur- 
säure in Benzoësäure und Glykokoll auf, was die hämolytischen 
menschenpathogenen Streptokokken nicht vermögen (Ayers und 
Rupp). Schaffler konnte diese Angaben im allgemeinen bestätigen. 
Bei den Drusestreptokokken ist diese Aufspaltung nur sehr gering (Er- 
höhung des Säuregrades). 

Die Mastitis- und Milchsäurestreptokokken bringen die Milch 
innerhalb 24 Std. bis zu mehreren Tagen zur Gerinnung, Milchzucker 
wird von frisch gewonnenen Kulturen schnell, von älteren Labora- 
toriumsstämmen nur langsam vergoren. Auf die Vergärung von Milch- 


128 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


zucker und Sorbit durch pferdepathogene Streptokokken wurde bereits 
eingangs hingewiesen. Das Gärvermögen der Galtstrepto- 
kokken ist von Mejlbo in sehr eingehender Weise studiert 
worden. Er fand, daß diese Kokken d-Xylose, 1-Rhamnose, 1-Sorbose, 
i-Erythrit, Adonit,.i-Dulzit, i-Ionsit und Melicitose nicht, wohl aber 
d-Glukose, d-Mannose, d-Galaktose, d-Fruktose und Maltose vergären. 
Die meisten Stämme vergären auch Trehalose, Laktose, Saccharose, 
Dextrin und Salicin, während Arbutin, d-Mannit, Amygdalin, Melibiose 
und Raffinose nur von der kleineren Hälfte angegriffen werden, und 
zwar nimmt die Vergärbarkeit derart schrittweise ab, daß Arbutin 
immerhin von noch vielen Stämmen, dagegen Raffinose nur von sehr 
wenigen abgebaut werden kann. Gering ist die Vergärbarkeit auch von 
d-Sorbit, Glykogen, Glyzerin, Inulin und 1-Arabinose. Die nicht 
pathogenen Milchstreptokokken (Str. lactis und Str. cremoris) 
vergären d-Glukose, d-Mannose, d-Galaktose, Laktose und Melibiose 
stets, sowie in abnehmender Reihenfolge Salicin, Dextrin, Maltose, d- 
Mannit, Trehalose, Arbutin, Amygdalin, l-Arabinose, d-Xylose und Adonit. 
Nicht werden vergoren: l-Rhamnose, 1-Sorbose, Glyzerin, i-Erythrit, 
i-Dulzit, d-Sorbit, i-Inosit, Saccharose, Raffinose, Melicitose, Glykogen 
und Inulin. Vollkommen sichere Gärunterschiede bestehen hiernach nicht. 
Immerhin bietet die Vergärung namentlich von Saccharose und Melibiose 
ziemlich sichere Anhaltspunkte insofern, als der Rohrzucker von den 
nicht pathogenen Milchstreptokokken nicht, dagegen von den Galt- 
streptokokken in der Regel (101:6) vergoren wird. Umgekehrt ver- 
hält sich die Vergärung von Melibiose. Die Milchsäurestreptokokken 
vergären sie, während die pathogenen Milchstreptokokken sie zumeist 
(102:5) nicht angreifen. 

Hämolyse lassen die pferdepathogenen Streptokokken fast 
stets erkennen, dagegen zeigen die Mastitisstreptokokken in 
dieser Richtung ein verschiedenes Verhalten, das namentlich von Brown 
sowie von Smith und Brown eingehend untersucht worden ist. 
Brown teilt die Streptokokken nach ihrem hämolytischen Verhalten in 
folgende 3 Gruppen ein: 

1. Typus a (Str. viridans s. mitior Schottmüller). Die 
Tiefenkolonien sind nach 48stünd. Bebrütung bei 370 von schmalen 
Zonen etwas grünlich verfärbter Blutkörperchen umgeben. Die Hämo- 
lyse ist bei dichter Aussaat (über 200 Kolonien in der Platte) gering und 
fehlt bei schwacher Aussaat (unter 20 Kolonien) vollkommen. Sie tritt 
aber bei nachfolgender 24stünd. kalter Aufbewahrung namentlich bei 
den Tiefenkolonien deutlich hervor. Werden die Platten hierauf erneut 
bebrütet, so bildet sich um den hämolytischen Hof wieder eine grünliche 
Zone, an die sich nach nochmaligem 24stünd. Aufenthalt im Kaltraume 
ein weiterer heller Gürtel anreiht. Es tritt also bei 370 Vergrünung, 
im Kaltraume Hämolyse auf. Nach Hagan ist die «-Hämolyse da- 
durch bedingt, daß die Kolonien bei 370 Säure und Wasserstoffsuper- 
oxyd bilden. Im Kaltraum verflüchtigt sich letzteres allmählich. Das 
bei 370 gebildete Gemisch von Säure und Wasserstoffsuperoxyd be- 
dingt eine Fixierung und Bleichung der Erythrozyten. Das Hämoglobin 
wird in ein dem Methämoglobin nahestehendes, grünliches Abbauprodukt 
verwandelt. Nach Unterbrechung der Wasserstoffsuperoxydbildung und 
nach Verflüchtigung des bereits. gebildeten Wasserstoffsuperoxyds dif- 
fundiert die Säure über die fixierten Blutkörperchen hinaus und bedingt 
hier (jenseits von den fixierten Erythozyten) Hämolyse. 


Klimmer u. Haupt, Zur Trennung verschied. tierpath. u. saprophyt. Streptok. 129 


2. Typus ß (Str. haemolyticus Schottmüller). Die Kolonie 
ist von einer klaren, farblosen, hämolytischen Zone umgeben. Im Kalt- 
raume tritt keine Veränderung auf, auch nicht nach erneuter Bebrütung. 

Der Typus ß ist nicht mit at, einer Variante von «x, zu ver- 
wechseln, bei der eine sich im Kaltraume verbreiternde Hämolyse er- 
folgt. In der unmittelbaren Nachbarschaft der Kolonie sind einige 
Blutkörperchen infolge Wasserstoffsuperoxydwirkung erhalten. Bewahrt 
man der Reihe nach die Platten bei 37°, bei Kälte und erneut bei 
37° auf, so tritt Ringbildung bei der «!-Hämolyse nicht ein. 

3. Typus y (Str. anhaemolyticus Zangemeister). Die 
Blutkörperchen werden nicht verändert. Tritt eine Grünfärbung ohne 
Hämolyse auf, so sprechen Ayers und Mudge von einem y Grün- 
(xG-)Typus. 

Zur Unterscheidung von Milchsäurestreptokokken 
und Pneumokokken empfehlen Bitter und Buchholz eine 1proz. 
Milchzuckerbouillon, die von den Pneumokokken 48 Std. lang dauernd 
getrübt wird, während Str. lactis außer einer Trübung, die nach 
re beginnt und sich langsam klärt, noch einen starken Bodensatz 

ildet. 

Endlich ist auf die Trennung menschenpathogener Kok- 
ken (Str. pyogenes, Str. mitior s. viridans, Str. mucosus 
und Pneumococcus) auf Grund der Inulingärung nach Hiss, 
der Löslichkeit in taurocholsaurem Natrium (Händel und 
Neufeld), sowie mit Hilfe des Kochblutagars (Voges) und des 
Blutwasseroptochinagars (Bieling) hinzuweisen. Hinsichtlich 
der hierbei mit den genannten Gruppen menschenpathogener Stämme 
erhaltenen Ergebnisse sei auf eine Zusammenstellung von Klimmer 
verwiesen. In neuester Zeit hat Daränyi auf Unterschiede des Ver- 
haltens pathogener und apathogener Staphylokokken in Kaninchen- 
zitratblut hingewiesen. 


Eigene Untersuchungen. 


Zu den nachfolgenden Untersuchungen wurden folgende Strepto- 
kokken verwendet: 


1. 5 Stämme aus Eiterungen von Pferden, die einen Zusammenhang 
mit Druse nicht erkennen ließen („Str. pyogenes equi‘). Sie entstammen 
einer Fistel in der Ohrgegend (,„Ohrfistel‘), einem Impfabszeß (,,Impfabszef“), 
einer Hufeiterung (,13“), einem AbszeB an der Hüfte („Hüfte“) eines etwa 
HR MEN alten Pferdes, und einem alten, stark abgekapseltem Abszeß („alter 
Abszeß‘“). 

2. 10 Stämme von Drusestreptokokken (Str. equi) oder von Strepto- 
kokken aus Eiterungen von Pferden, die kurz vorher an Druse erkrankt 
waren: 4 Drusestimme waren uns von den Behringwerken (,501, 634, 680, 
Insterburg I“), 3 vom Bakt. Inst. d. ostpreußischen Landwirtschafts- 
kammer (,„Lieskm., 25, 339“) und 1 Stamm von Herrn Prof. Poppe („Str. 
equi Berlin“) in dankenswerter Weise überlassen worden. Die beiden letzten. 
hierhergehörigen Stämme waren aus Abszessen junger Pferde reingezüchtet worden; 
der eine (,,Drusemetastase“) stammt aus einem großen Abszeß am Bug eines kurz 
vorher an Druse erkrankt gewesenen Pferdes, das anschließend an die Eröffnung 
des Abszesses an Petechialfieber erkrankte, der andere (,,Priputium“) von einem 
Abszesse am Präputium eines Pferdes, das kurz vorher, und zwar während der 
Abheilung der Druse kastriert worden war. Das Ausgangsmaterial für die beiden 
letztgenannnten Stämme und die unter 1. angeführten Pferdestimme war uns in 
dankenswerter Weise von der hiesigen Chirurg. Universitätstierklinik (Dir.: Geheimrat 
Prof. Dr. Röder) überlassen worden. 

3. 5 Stämme von Str. abortus equi, die wir Herrn Prof. Poppe ver- 
danken („Stamm I und II, 1835, 1877 und 1958“). 

Erste Abt. Orig. Bd. 101. left 1/3. 9 


130 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


4. 16 Stämme von Streptokokken aus 16 Proben von Milch galt- 
kranker Kühe; die Milchproben waren von Tierärzten (z. T. von uns 
selbst) unter besonderen sterilen Kautelen zum Zwecke der Rein- 
kultivierung entnommen worden; die Anlage der Kultur geschah möglichst 
umgehend nach der Entnahme der Proben; die Streptokokken wuchsen stets in 
Reinkultur (Typus: Str. agalactiae Guillebeau): Gey 9, Gey 18, Gey 38, 
Gey 40, Gay 48, Richter, W 138, W 478, W 480, W 495, W 496, L 1051, 
L 105 II, L 105 v. r, L 105 h. 1, L 105 h. r. 

5. 27 Stämme von Streptokokken aus 25 Milchproben einzelner 
galtverdächtiger Kühe; die Milchproben waren sauber von Laien zum 
Zwecke des bakterioskopischen Nachweises von Galtstreptokokken ermolken 
worden; die Anlage der Kulturen geschah gewöhnlich 24 Std. nach Anlieferung 
im Städtischen Milchhygienischen Institute, wo sie im Kaltraum aufbewahrt wurden. 
Dem Direktor des Instituts, Herrn Dr. Rühmekorf, danken wir für die Ueber- 
lassung des Materials auch an dieser Stelle. Nur die Milchprobe „Amb“ wurde 
direkt bei uns eingeliefert: R 5963, R 5930, R 5565 br. und d., R 5701, 
R 5874, R 5702, 5467, R 5373, R 5338 br. und d., L 74, R 5803, R 5404, 
R 6060, R 5121, R 5439, R 5374, R 5438, R 5747, R 5577, R 5574, R 5894, 
R 6085, R 5962, Amb., R 5479. 

6. 8 Stämme von Streptokokken aus 6 Milchproben von je 4—5 galt- 
verdächtigen Kühen; Gewinnung und Verarbeitung wie unter 5, nur „Gey“ wurde 
direkt bei uns eingeliefert; R 5604, R 5453, R 5548a, b, c, R 5954, Gey, R 6032. 

7. 4 Stämme von Streptokokken aus 4 Milchproben jeweils aller 
Rinder eines Bestandes; Gewinnung und Verarbeitung wie unter 5, nur 
„Nd. Bielau“ war direkt bei uns eingeliefert worden: Nd. Bielau, R 5998, R 6001, 
R 6163. 

8. 3 Stämme von Streptokokken aus Handelsmilchproben, 2 aus einer 
'Marktmilch („Th 9 u. 10%) und 1 aus Vorzugsmilch („R 5492“). Aus der 
Marktmilch waren ursprünglich 12 Stämme gezüchtet worden, von denen sich 
jedoch 10 als Str. lactis erwiesen und nicht weiter untersucht wurden. 

9. Bezogen (,„Vorgehnen“) oder aus älteren Untersuchungen über 
Galt übernommen (Hə, 19, 89, Ky, Ka, Vi a u. b, V4") oder endlich zur 
Typenfeststellung zugesandt („Lora und Ortrud“) wurden insgesamt 11 Strepto- 
kokkenstämme. 

10. 16 Stämme von Streptokokken aus angesäuerter, ungeron- 
nener („MS 1—7“) oder aus bereits geronnener Milch („MS 1—IX“): 
sie wurden aus Agarplattenkulturen reingezüchtet (Typus: Str. lactis Lister- 
Löhnis). i 

Zur Reinzüchtung gingen wir mit wenigen Ausnahmen, bei denen 
die Reinkulturen über die Blutplatte gewonnen wurden, in folgen- 
der Weise vor: Aus dem Zentrifugenbodensatz wurde eine Oese ent- 
nommen und auf einer Agarschräge von Streptokokkenagar (Ayers und 
Johnson) vollkommen ausgestrichen, so daß an der Oese kein Material 
mehr haftete. Die Oese wurde dann noch auf einer zweiten und endlich 
auf einer dritten Agarschräge ausgestrichen, ohne sie mit neuem Material 
zu beschicken. Auf diese Weise erhielten wir genügende Material- 
verdünnungen, so daß zumeist bereits auf der zweiten Agarschräge die 
Kolonien so vereinzelt aufgingen, daß unter dem binokulären Mikroskop 
von einzelstehenden Kolonien Reinkulturen angelegt werden konnten. 
Verhielten sich diese einheitlich, so wurde ein Stamm, sonst mehrere 
fortgezüchtet. Unter dem binokularen Mikroskop erschienen die Kolonien 
der selbstgezüchteten Pferdestämme als durchscheinende, meist spitz- 
kegelige, an der Basis rundlich kantige Erhebungen. Die Galtstrepto- 
kokken zeigten stumpfkegelige, unscharf begrenzte, oberflächlich rauhe, 
garnwickelähnliche Kolonien, die oft in der Mitte bräunlich verfärbt 
(größere, bis zu 3—4 mm Ø), teils klar und durchscheinend (kleinere) 
waren (vgl. St. 5565 br. u. d., 5338 br. u. d.). Die Milchsäurestrepto- 
kokken wuchsen auf dem verwendeten Nährboden in kleineren, stets 
durchscheinenden, oberflächlich glatten Kolonien, ohne daß die Ober- 
fläche Garnwickeln ähnlich war. Die Signaturen 5338 br. u. d., 5565 br. 


Klimmer u. Haupt, Zur Trennung verschied. tierpath. u. saprophyt. Streptok. 131 


u. d. bezeichnen je 2 Stämme aus der gleichen Milchprobe, von denen 
der eine von einer bräunlichen (br.) und der andere von einer durch- 
scheinenden Kolonie (d.) gezüchtet waren. 

Nach der Herkunft aus dem gleichen Gehöfte sind die Stämme 
aus verdächtiger Milch in folgender Weise zu gruppieren: 

A. R. 6060 u. 5702, 5701, 5121, 5604 (Gr.). 
B. R. 5930, 5874, 5479, 5467. 
C. R. 6035, L. 105I u. L. 105II u. L. 105h.r. u. L. 105h.]. u. L. 105 v. r. 

L. 74, R. 6032 (Gr.), R. 5548 (Gr.). 

D. R. 5963, 5962, 5565, 5954 (Gr.), 5453 (Gr.). 

E. R. 5574, 5577. 

F. R. 5438, 5439. 

G. W. Amb., W. 495, 480, 478 (nach Uberosanbehandlung), 496 (nach 

Uberosanbehandlung). 

H. der, Gey 9, Gey 18, Gey 38, Gey 40, Gey 48, Richter. 
I. R. 5374 u. 5747, 5373. 
K. R. 5803, W. 138 (zugekaufte Kuh). 

Die übrigen Proben stammen je aus verschiedenen Beständen, und zwar aus 
Einzelgemelken: R. 5894, 5338, 5404; aus Gesamtgemelken des Bestandes: R. 5998, 
6001, Niederbielau, und R. 6163. 

Es stelllen also: 

7 Stämme ältere Laboratoriumskulturen dar, 
1 Stamm war von einem anderen Institute bezogen, 
3 entstammten Handelsproben, 
42 Gemelken einzelner Kiihe, 
5 Gruppengemelken, 
4 Gesamtgemelken, 
3 weitere Stämme sind durch Züchtung zweier Stämme aus der gleichen 
Probe (Vla u. b, 5338b u. d, sowie 5565b u. d), 
2 weitere durch Züchtung von 3 Stämmen aus einer Milchprobe (5568 a, 
b u. c) zu erklären. 

Es standen mir also 67 Stämme aus Milch galtverdächtiger Kühe zur Ver- 
fügung. Die in obiger Uebersicht durch „u.“ verbundenen Proben stammten von 
derselben Kuh, L. 1051, L. 10511 und L. 105h.r. aus dem gleichen Euterviertel. 


Die genannten 105 Stämme wurden geprüft auf ihr Verhalten 
gegenüber Milch, geklärter Drittelmilch (Zitratmilch), Me- 
thylenblaumilch, Lackmusmilch bei 10° und 37°, gegen- 
über der Reduktionsprobe mit Janusgrün und Ammonium- 
molybdat, in Milchzuckerbouillon, gegenüber Hippurat- 
brühe I und II, sowie auf und in der Blutplatte. Einige hämo- 
lytische Stämme wurden überdies in der Kaseinagarplatte, z. T. 
unter Zusatz von Milchzucker und Bromthymolblau bzw. Bromkresol- 
purpur sowie auf Gelatine geprüft. Alle von Pferden stammende 
Streptokokken wurden überdies auf ihr Vermögen, Sorbit zu ver- 
gären, untersucht. Weiterhin wurden einige Stämme aus den ver- 
schiedenen Gruppen auf Kochblutagar, Blutwasseroptochin- 
agar,in 10proz. taurocholsaurem Natrium, in Kaninchen- 
zitratblut auf Inulin enthaltendem Bromkresolpurpuragar und im 
Gelatinestich geprüft. 

Die verwendeten Nährböden wurden in folgender Weise hergestellt: 

1. Die Milch war zumeist Zentrifugenmilch, die auf den Lack- 
musneutralpunkt eingestellt, auf Röhrchen abgefüllt und 10 Min. bei 
110° sterilisiert wurde. 

2. Die geklärte Drittelmilch (Zitratmilch) nach Brown 
und Howe wurde aus lackmusneutraler, mit der doppelten Menge 
dest. Wassers verdünnter und mit 0,4 Proz. Natrium citricum ver- 
setzter Zentrifugenmilch hergestellt. Die nach einigen Std. aufgehellte 
Milchmischung wurde durch das Chamberland-Heim-Filter zu einer 

9* 


132 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


schwach opalisierenden Flüssigkeit geklärt, auf pH 6,8 eingestellt, ab- 
gefüllt und wie zuvor sterilisiert. Beim Wachstum der Kokken können 
verschiedene Grade der Trübung und Gerinnung auftreten. 

3. Die Lackmusmilch nach Heim war eine Vollmilch mit 
7 Proz. Lackmustinktur und von ganz schwach alkalischer Reaktion 
(beginnende deutliche Bläuung). Sterilisierung erfolgt wie oben oder 
an 3 aufeinanderfolgenden Tagen im Dampftopf. Bei Reduktion tritt 
weiße Verfärbung der Milch (mit Ausnahme der obersten Schicht), bei 
Milchzuckervergärung ein Farbumschlag nach Rot und Gerinnung der 
Milch ein. Die Reihenfolge dieser Vorgänge wechselt. 

4. Die Methylenblaumilch nach Sherman und Albus wurde 
in folgender Weise hergestellt: Vollmilch wird auf den Lackmusneutral- 
punkt eingestellt, zu je 10 ccm auf Röhrchen abgefüllt und im Auto- 
klaven sterilisiert. Hierzu wird 1 ccm einer 0,05proz. sterilisierten 
wässerigen Methylenblaulösung steril beigemischt. Prüfung auf Sterilität 
durch Bebrütung bei 37°. Durch Reduktion wird die Methylenblau- 
milch entfärbt, bei Säuerung tritt Gerinnung ein. 

5. Die Milchzuckerbouillon nach Bitter und Buchholz 
enthält 1 Proz. Fleischextrakt, 1 Proz. Pepton, 0,2 Proz. Natrium- 
phosphat, 0,3 Proz. Kochsalz und 1 Proz. Milchzucker. 

6. Zur Reduktionsprobe mit Janusgrün nach Ayers, 
Johnson und Mudge verwendet man (18—) 24stünd. Kulturen in 
8 ccm Fleischbrühe, die 1 Proz. Park-Davis- oder Witte-Pepton 
(ersteres nach Ayers, letzteres zu vorliegenden Versuchen benutzt) 
und 0,5 Proz. Traubenzucker enthält und auf pu 7,5 eingestellt ist. 
Zur genannten Kultur wird 0,1 ccm steriler wässeriger 0,5proz. Janus- 
grünlösung hinzugesetzt. Bei Gegenwart von Reduktase tritt in 1/, Std. 
bis 3 Std. eine Farbänderung nach Purpur, später in Rot (Bildung von 
Safranin und Dimethylanilin), zuweilen in schwaches Rosa und selbst 
völlige Entfärbung ein. Die Entfärbung beruht auf einer Ueberführung 
des Safranins in seine Leukobase; sie ist durch Sauerstoff wieder in 
Safranin zurückzuverwandeln. Der anfängliche Farbumschlag von Blau- 
grün in Rot ist nicht reversibel. 

7. Die Reduktionsprobe mit Ammoniummolybdat nach 
Ayers, Johnson und Mudge wird an Kulturen im gleichen Nähr- 
substrate wie jene mit Janusgrün durchgeführt. Das Alter der Kultur 
beträgt hier aber stets 24 Std. Der Zusatz zu 8 ccm Kultur besteht hier 
in 2 ccm einer sterilen, wässerigen 5proz. Lösung von Ammonium- 
molybdat. Durch die Reduktion dieser Lösung zu niederen Oxydations- 
stufen des Molybdans tritt eine Blaufärbung auf. 

8. Zur Hippuratbrühe I nach Ayers und Rupp nimmt man: 

Pepton 10 g. 
Pepsin 5 g. 
Calciumchlorid 0,03 g. 
Natriumhippurat 10 g. 
lproz. Eisenchloridlösung 1 Tropfen. 
dest. Wasser 1000 ccm und 
Natronlauge bis zu pH 7,1. 
9. Die Hippuratbrühe II besteht aus: 


Fleischwasser (erhalten durch 24stünd. Ausziehen von Fleisch mit der doppelten 
Menge Wasser und anschließendes Kochen) 1000 ccm. 

Pepton 10 g 

2basisches Kaliumphosphat 1,5 g. 

Natriumhippurat 10 g. 
a) ohne Traubenzucker, pu 7,2, 
b) mit 2 g Traubenzucker, pH 7,2. 


Klimmer u. Haupt, Zur Trennung verschied. tierpath. u. saprophyt. Streptok. 133 


Einige Streptokokkenstämme wachsen in den Hippuratbrühen nicht. 
Durch Zusatz von 2 ccm sterilen Pferdeserums zu 10 ccm Brühe kann 
man das Wachstum auch bei diesen Stämmen (frisch gezüchteten Druse- 
kokken) erreichen. 

Bei der Zerlegung der Hippursäure wird Benzoësäure und Glyko- 
koll gebildet. Die Benzo&säure fällt auf Zusatz von 0,5 ccm einer 50- 
proz. Schwefelsäure zu 2 ccm Kulturflüssigkeit als ein dichter, krystal- 
linischer Niederschlag aus; die nicht aufgespaltene Hippursäure bleibt 
jedoch in Lösung. Die Benzoösäure kann in Aether!) aufgenommen, 
der Aether verdampft und der Rückstand in Petroläther?) gelöst 
werden. Nach Abdunsten des Petroläthers bleibt die feinkrystallinische 
Benzoësäure zurück, die bei stärkerer Erhitzung sublimiert und in ver- 
dünntem. Ammoniak sich löst. -Auf dem Wasserbade wird das über- 
schüssige Ammoniak vertrieben; auf Zusatz von Eisenchlorid entsteht 
in der Lösung von benzoésaurem Ammoniak ein charakteristischer 
fleischfarbener Niederschlag. Das zu verwendende Hippurat ist zuvor 
auf Reinheit bzw. Freisein von Benzoésiiure in obiger Weise zu prüfen. 

Ayers und Rupp nehmen die Prüfung auf Benzoësäure unmittel- 
bar in der 48stünd. Kultur mit 0,5 ccm einer 7proz. Eisenchloridlösung 
(auf 2 ccm Kultur) vor. Zu der Hippuratbrühe II verwenden sie in 
gleichem Verhältnis eine 12proz. Lösung von Eisenchlorid mit 0,2 bis 
0,25 Proz. konz. Salzsäure. Ist Benzoésiure vorhanden, so soll die auf- 
tretende Trübung länger als 10 Min. bestehen bleiben. Der direkte 
Nachweis ist brauchbar, aber wenig scharf. Die Kulturen in Hippurat- 
brühe sind von uns stets nach 72 Std. auf gespaltene Benzoësäure ge- 
prüft worden. Die Grade der Benzoësäureabspaltung sind durch 1, 2 
oder 3 Kreuze ausgedrückt worden. Es bedeutet: 

-+ sehr geringe, nur im Riickstande des Petrolätherauszuges nachweisbare 
ut von Benzoésiure, 

schwache Fällung von Benzoésiiure auf Zusatz von Schwefelsäure, 
+ starke Fällung von Benzoésiiure auf Zusatz von Schwefelsäure. 

10. Zu den Blutplatten nach Brown verwendet man einen 
Nähragar aus 1000 ccm Fleischwasser (1 1 Aufgußbrühe aus 500 g 
Fleisch), 5 g Kochsalz, 10 g Witte-Pepton und 15 g Agar-Agar; 
pH 7,4. Der Nähragar erhält einen Zusatz von 0,05 Proz. Traubenzucker 
und wird zu 12 ccm auf Röhrchen abgefüllt. Der verflüssigte und auf 
45° C abgekühlte Agar wird mit 0,6 ccm defibrinierten, steril ge- 
wonnenen Pferdebluts versetzt, beimpft und nach gründlichem Durch- 
mischen zu Platten ausgegossen. Besichtigung nach 24- und 48stünd. 
Aufenthalt bei 370, sowie nach weiterer 24stünd. Aufbewahrung im 
Kaltschrank. Die Beurteilung erfolgt nach der Typeneinteilung nach 
Brown (S. 128). 

11. Der Kaseinagar besteht aus 1 Proz. Fleischextrakt, 1 Proz. 
Pepton, 0,2 Proz. Natriumphosphat, 0,3 Proz. Kochsalz, 2 Proz. Agar 
und dest. Wasser; px 6,4—6,6; hierauf Zusatz von 30 ccm Natrium- 
kaseinatlösung (8proz. Lösung von Caseinum purum Hammarsten in 
n/10-Natronlauge) zu je 1 1 Nähragar, wodurch sich der Nährboden 
trübt. Diese Trübung wird durch gewisse hämolytische Streptokokken 
aufgehellt. 

12. und 13. Der Bromthymolblau- und Bromkresol- 
Se are ist wie obiger Kaseinagar 


In Aether ist sowohl Benzo@säure als auch Hippursäure löslich. 
In Petroläther ist nur Benzoësäure löslich. 


134 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


a 





Streptokokkenstämme 


Milch- 
gerin- 
nung 
nach 
Std. 


Geklärte 
Drittelmilch 


Trü- 
bung 
nach 
Std. 


a —___ eee 





Lackmusmilch 





Gerinnung 
nach 
Stunden 








A. Pferdepathogene Streptokokken 


1. Str. pyogenes equi und Str. 


abortus equi 

a) Ohrfistel, Impfabszeß, 13, alter 
Abszeß, Str.abort equi 1958 
dgl. 1877, dgl. St. I und St. Il 

b) Str. abort. equi 1835 


2. Str. equi a) Hüfte, Str. equi Berlin 


b) Praeputium, Druse- 
metastase, Druse 501, dgl. 634, dgl. 
680, dgl. Insterburg, dgl. Lieskm., 
dgl. 339 und dgl. 25 


| 
| 


18-42") 


42 ‘) 


| 
f 


16 —168) 











B. Streptokokken aus Milch 
I. Str. agalactiae Guillebeau 


1. « = hämolytische: 

a) Herkunft s. o. unter 4: Gey 9, 
Gey 18, Gey 38, Gey 40, Gey 48, 
Richter, W 496, W. 138, W 478, 
W 480, L1051, L 10511, L. 105 
v. r, L105 h. l, L105 h. r. 

b) Herkunft s. o. unter 5: R 5963, 
R 5930, R 5565 br. u. d., R 5701, 
g 5874, R. 5702, R 5467, R5373, 

74 
c) Herkunft s. o. unt. 6: R 5604 
d} gua 7: R 6001 


e) 9: Lorau. 
Nieder-Bielau 


18-120, 





18—168?) 18—42 +*) | 18—9 





. a! = hämolytische : 
a) Herk. s. o. unt. 5: R 5338 br. 
und d., R. 5803 
b) Herk. s.o. unt. 8: Th9, Th. 10, 
R 5492 


| 








18—42 





. -G = hümolytische: 
a) Herkunft s. o. unt. 4: W 495 


b) s nn » 5: R5404, 
R 6060, R 5121 
. y = hämolytische: 
a) Herkunft s. o. unt. 5: R 5439 
R 5438, R 5374, R 5747 
b) Herkunft s. o. unt. 6: R 5453 





18—72 


i 


l 18-86 


J 








18—42 





II. Streptococcus lactis 


1. a = hämolytische: 


| 
| 


a) Herk. s. o. unt. 10:1) M. S. I-11], | 


VII, VILL, 2—7| 
2) MSIV, V, VI, 1X 


3) MS1 


18 





18 
18 


66 
66 


18 
18 


15 
18 
18 


18 | 
18 | 




















Klimmer u. Haupt, Zur Trennung verschied. tierpath. u. saprophyt. Streptok. 135 
























































Reduktion in 
FED. Mon Milchaicker: 
zuckerbouill. umile bouillon 2 
Indikator Hydrolyt $ 2 
lh 7 spaltung $ ° 
i - a Gerin- |,... ar |T 
ba 8,3 duk. Gerin- libel der Ey | von | ee 
22 |8 83) tion h | Bach flockig 8: ippursäure | M 
26/85") nach | Mach | Std nach | 3 E 
3 < E| Std. Std. Std. |5 
1) Nach Stägiger Bebrütung bei 37° hat 
sich Gerinnsel stark kontrahiert und 
Bohn md im ue das stark 
18111849 |, a?) 2 sitive Biuretreaktion zeigt 
F 7 + +) 8 2) jedoch „alter AbszeB“: ++ 
3) wie bei A, *) 
+ + 18 2, — | — | + + 8 die Reduktion verschwindet im Ver- 
— |. 1389 = N E + 8 Į laufe der nächsten Tage, sodaß am 
4)] 5. Tage beide Nährböden wieder ihre 
ursprüngliche Farbe annehmen 
— = = — — |-)| — _ B |5) Druse Insterburg wächst flockig, läßt 
Bouillon klar; andere lassen kein 
| Wachstum erkennen ! 
1) Trübung geht vielfach der Gerinnung 
voraus 
2) über Ausnahmen vgl. Text 
3) keine TETE oder nur in A ee 
= = a = = = Milchhälfte, stets erst nac olgter 
+ +++ | # Rötung und Gerinnung 
| 4) bei 5702 nur ++ 
| |5) R 5803 reduziert Janusgrün 
| | 6) 7) R 5492 reduziert in 96 Stunden und 
= — |-)| =) | — | + | — +++ a! ruft in 120 Stunden Gerinnung her- 
vor 
| | 
— — — — — | + | — +++ 7G 8) bei W 495 bleibt Gerinnung und 
Trübung aus 
| . 
= == = = = | AR S +++ y |9) bei R5438 keine Trübung und Ge- 
| rinnung 
| | 
+ + 18 |18—48| 24 | 48 | — + a 
+ + 18 |24—48| 24 | 48 | — — a 
— _ 18 48 24 | 48 | — + a 

















136 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 








IL Streptococcus lactis 
1. «= hämolytische 


III. Von den beiden Typen unter I und 
II abweich.; Herk. s. o. unt. 5: Amb. | 44 _ 


2. x-G = hämolytische: 





Geklärte : 
Milch- Drittelmilch Lackmusmilch 
gerin- 10° C 37° © 
Streptokokkenstämme nung | Trü- Gerinnung! Re- Rötung Re- 


h 
Std. Sta. Stunden sack nach | schicht 











nach | bung „ach | duk- total | Ober- | duk- 





b) Herkunft s. o. unt. 5: R 5577, 
R5574, R5594, R6035, R5962 
c) Herkunft s. o. unt.6: Gey 


. | 
d)  » nn n» T: RES | (18—168 18_42| 18—969) 63-70 — |18—90/18—20 
le 


an 

) nn» » : ? , 

8, Ko Ky; Via, Vib, V, 
Vorgehnen, Ortrud. 





erkunft s. o. unter 6: R5548a, 





b u. c, R5954 18—42 | 18—42 18—96 166-701 — |18—90)18—20 




















= _ — 44 20 
R 5479| 801%) | — | — 63") | 42 | — | — 
» nn nô: R6032| 96 z = = — 
zusammengesetzt; px jedoch 7,4. Ferner enthält er 1 Proz. Milchzucker 
und auf je 100 ccm Nähragar noch 1;2 ccm einer 0,2proz. alkoholischen 
Bromthymolblau- (Baker) bzw. 0,2 ccm einer gesättigten wässerigen 
Bromkresolpurpurlösung (Conn und Hucker). 

14. Der Kochblutagar und der Blutwasseroptochinagar 
wurden genau nach den Vorschriften von Bieling hergestellt. 

15. Zu den Gärversuchen mit S@rbit und Inulin wurde als 
Nährsubstrat der vom Commitee on Bacteriological Technic 
of the Society of American Bacteriologists für Gärproben 
empfohlene Agarnährboden verwendet, dem überdies noch Pferdeserum 
zugesetzt wurde, um ihn für das Wachstum der Drusestreptokokken ge- 
eignet zu gestalten. Der Nährboden besteht aus: Fleischextrakt 3 g, 
Pepton 5 g, Agar-Agar 15 g und dest. Wasser 1000 ccm. Der geklärte 
Agar wird bei nachfolgenden Versuchen auf pu 7,4—7,61) eingestellt. 
Es werden zugesetzt 2 ccm einer gesättigten wässerigen Lösung von 
Bromkresolpurpur, wodurch der Nährboden eine deutliche blauviolette 
Farbe annimmt. Nach Abfüllen zu je 100 ccm auf Kölbchen wird 
dieser Grundnährboden im Autoklaven sterilisiert und in Vorrat ge- 
nommen. Bei seiner Verwendung wird er verflüssigt und mit 0,5 Proz. 
Sorbit bzw. Inulin versetzt und 10 Min. im Dampftopf nachsterilisiert. 
Nach Abkühlen auf 55° C wird er auf 100 ccm Agar mit 20 ccm Serum 
versetzt, auf Röhrchen abgefüllt und schräg zum Erstarren gebracht. 
Prüfung auf Sterilität durch 24stünd. Aufenthalt im Brutofen bei 370. 


1) Die Abweichung vom Lackmusneutralpunkt (6,8—7,0) wurde zur Kompen- 
sation etwaiger gärfähiger Stoffe im Serum vorgenommen, was sich bei weiteren 
Versuchen mit scharf neutral eingestellten Nährböden als überflüssig erwiesen hat. 
Keiner der geprüften Stämme vermochte in Bromkresolpurpur - Serumagar ohne 
Zusatz eines Kohlehydrates Säure zu bilden, d. h. dem gerade schwach purpuren 
Nährboden einen gelblichen Schein zu verleihen. 


18—14 


18—96 





| | È 


Klimmer u. Haupt, Zur Trennung verschied. tierpath. u. saprophyt. Streptok. 137 












































Reduktion in | | 
| Trauben- | Methylen- Milchzucker- 
izuckerbouill.| blaumilch bouillon Hydrolyt- | 2 g 
Indikator | 2 
—— I: - spaltung ae 
4 8,3) dur. | Gerin- | abel klar |S vn 188 
25 E £2! tion ge nach. flockig T Hippursäure |A 
jas nach MM | Std. | nach | 35 
> < 8! Std. | Std | Std. |5 
= SS 
| | | 10) Gey, EL, 14, 0; V,a u. Vb, V, 
44) | +") 18—4218—144| 24 | 48 [—'} |+ bis +++| a BON SAD TUA AD Gante 
| 11) bei Vorgehnen sehr gering 
12) Vorgehnen und K, trüben dauernd 
| 
+ + | 18 |42-66| 24 | 48 | — | + 16 
+ | SAR RE eee ee Nes + | +74 | 12 ns) nur zur Hälfte 
LE Me = el |, (abated: ee \14) keine Reduktion, aber Rötung 











16. Das taurocholsaure Natrium wurde als 10proz. Lösung 
in physiologischer Kochsalzlösung verwendet (Neufeld u. Hindel). 

17. Die Nährgelatine entsprach der üblichen (Klimmer 
S. 192), ihr Gehalt an Gelatine betrug jedoch 20 Proz.; z. T. wurde 
diese Gelatine durch Zusatz von 20 Proz. sterilen Pferdeserums für die 
Züchtung von schwerwüchsigen Streptokokken ergänzt. 

18. Das Kaninchenzitratblut wurde genau nach den Angaben 
von Daränyi hergestellt. 

Die Ergebnisse unserer Untersuchungen auf den ge- 
nannten Nährböden sind der bequemeren Uebersichtlichkeit wegen in 
beifolgender Tabelle zusammengestellt worden. Falls die Veränderungen 
nicht schon früher auftraten, sind die Beobachtungen bis auf 7 Tage 
ausgedehnt worden. 

A. Alle 20 vom Pferde stammenden Streptokokken zeigen 
ß-Hämolyse, sie verhalten sich also wie der Str. haemolyticus 
Schottmüller. 

Die Milch wird von 9 der pferdepathogenen Stämme zur Ge- 
rinnung gebracht (Gruppe 1), während die übrigen 11 die Milch un- 
verändert lassen (Gruppe 2). Parallel mit diesem unterschiedlichen 
Verhalten gegenüber dem Milchzucker geht die Vergärung von Sorbit 
(in Tabelle nicht aufgenommen) und die Bildung der in Traubenzucker- 
bouillon mit Hilfe von Janusgrün und Ammoniummolybdat 
nachweisbaren Reduktase. Unter den 9 Stämmen der Gruppe 1 be- 
finden sich 4 von den 5 aus Eiterungen stammenden, die keine 
Beziehungen zu Druseinfektion erkennen lassen, sowie alle 5 Stämme 
von Str. abortus equi, unter den 11 Stämmen der Gruppe 2 
alle Drusestreptokokken (einschließlich den aus Eiterungen von 
Pferden, die kurz vorher an Druse erkrankt waren, gewonnenen 
Stämmen) sowie 1 Stamm aus einer druseun verdächtigen Eiterung (vgl. 


138 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


Herkunftsangaben 1—3, S. 129). Es besteht demnach zunächst zwischen 
dem Str. equi und dem Str. abortus equi ein grundsätziicher 
Unterschied insofern als der Drusestreptokokkus Laktose und Sorbit 
nicht vergärt und bei der Janusgrün- und Ammoniummolybdatprobe 
Reduktasebildung vermissen läßt, während der Streptokokkus des 
Pferdeabortus diese biologischen Eigenschaften besitzt. Der gleiche 
Unterschied besteht zwischen 4 der 5 pyogenen (druse u n verdäch- 
tigen) Pferdestreptokokken und den Stämmen von Str. equi (ein- 
schließlich der aus druseverdächtigen Eiterungen stammenden); jene 4 
Stämme verhalten sich hinsichtlich dieser 3 Merkmale wie der Str. 
abortus equi. Der 5. Stamm dieser Herkunft (druseun ver- 
dächtige Eiterung), der Stamm „Hüfte“, hingegen verhält sich voll- 
kommen wie der Str. equi. Er ist aus 'Eiter eines Abszesses an der 
Hüfte eines 10jährigen, druseunverdächtigen Pferdes reingezüchtet 
worden. Ob, wann und unter welchen Erscheinungen das betreffende 
Pferd durchgedrust hatte, konnte leider nicht in Erfahrung gebracht 
werden; auch über die Verseuchung des betr. Pferdebestandes mit Druse 
liegen Angaben nicht vor. Das Ausgangsmaterial, aus dem der Stamm 
„Hüfte“ herausgezüchtet wurde, mußte hiernach unter die Eiterungen, 
die keinen Zusammenhang mit Druse erkennen lassen, eingereiht werden. 
In Hinblick darauf, daß dieser Stamm sich hinsichtlich der 3 genannten 
Merkmale — von denen 2 auch Holth und Adsersen als konstante 
Trennungsmerkmale für den Drusestreptokokkus festgestellt haben — 
vollkommen wie alle einwandfreien Stämme des Str. equi verhält, 
stehen wir nicht an, diesen Stamm „Hüfte“ mit der größten Wahr- 
scheinlichkeit für einen Drusestreptokokkus anzusehen. 

Die Streptokokken der Gruppe 2 veränderten die geklärte 
Drittelmilch (Zitratmilch) nicht; sie verhalten sich also in dieser 
Hinsicht einheitlich. Dagegen kann man bei den Streptokokken der 
Gruppe 1 nach ihrem Verhalten der Zitratmilch gegenüber wiederum 
2 Untergruppen unterscheiden; die eine (la) trübt sie, die andere (1b) 
läßt sie unverändert. Eine Gerinnung der geklärten Drittelmilch tritt 
durch pferdepathogene Streptokokken überhaupt nicht ein. Zu Gruppe 
la gehören je 4 Stämme von pyogenen Streptokokken und vom Str. 
abortus equi, während der Gruppe 1b nur 1 Stamm des Str. 
abortus equi zuzurechnen ist. 

Die die Milch zur Gerinnung bringende und Sorbit vergärende 
Gruppe 1 zeigt gegenüber der Lackmus- und Methylenblau- 
milch, sowie gegenüber den Reduktionsproben mit Janus- 
grün und Ammoniummolybdat, gegenüber der Milchzucker- 
bouillon nach Bitter und Buchholz und schließlich gegenüber der 
Hippuratbrühe ein gleiches Verhalten. Die Lackmus-Milch 
wird sowohl bei 10° als auch bei 37° reduziert, wobei sich bei 
370 an der Oberfläche eine leichte Rötung bemerkbar macht. Die 
Milch gerinnt. Die Methylenblau- Milch wird entfärbt und 
zur Gerinnung gebracht. Janusgrün und Molybdat werden 
reduziert. In Milchzuckerbouillon tritt eine dauernde 
Trübung auf. Aus Hippurat werden sehr geringe Mengen 
(„alter Abszeß“ : mittlere Mengen) Benzoësäure abgespalten. 

Die Streptokokken der 2. Gruppe, die die Milch nicht zur Ge- 
rinnung bringen und Sorbit nicht vergären, reduzieren im allge- 
meinen (Gruppe 2b) Lackmus, Methylenblau, Janusgrün und 
Molybdat nicht, und spalten aus der Hippursäure trotz gutem 


Klimmer u. Haupt, Zur Trennung verschied. tierpath. u. saprophyt. Streptok. 139 


Wachstum und 7 Tage langer Bebrütung bei 37° in der mit Serum 
versetzten Hippuratbrühe keine Benzoësäure ab. In Milch- 
zuckerbouillon nach Bitter und Buchholz wächst nur der 
Drusestamm ,,Insterburg I“ und zwar flockig am Boden der klar 
bleibenden Bouillon. Alle anderen Stämme dieser Gruppe 2b wachsen 
in der Milchzuckerbouillon nicht. Ein abweichendes Verhalten zeigen 
nur der eingehend besprochene Stamm „Hüfte“ und der Stamm „Str. 
equi Berlin“ (Gruppe 2a), die eine in 5 Tagen vorübergehende 
Reduktion der Lackmus- Milch bei 37° und der Methylenblau- 
Milch, dauernde Trübung der Milchzuckerbouillon und sehr schwache 
Benzoësäureabspaltung aus Hippursäure zeigen und daher in gewisser 
Hinsicht zwischen den Gruppen 1 und 2b stehen. Ob auf Grund der 
Spaltungsversuche mit Hippurat zwei biologisch trennbare Unterarten 
der Drusestreptokokken anzunehmen sind, müssen weitere Unter- 
suchungen zeigen. In den einfacheren Nährböden, wie sie Schaffler 
zu seinen Hippuratversuchen verwendete, wuchsen die Stämme der 
Gruppe 2b nicht. 

Unter Berücksichtigung der Ergebnisse von Holth und Adser- 
sen zerfallen die vom Pferde stammenden Streptokokken in zwei auf 
Grund ihres Gärvermögens für Milchzucker trennbare Gruppen. Milch- 
zucker vergären alle vom Pferde stammenden Streptokokken mit Aus- 
nahme der Drusestreptokokken. Zu den Milchzucker vergärenden 
sind zu rechnen die Eiterstreptokokken, der Str. abortus eq ui, 
ferner nach Holth und Adsersen der Schützsche Brustseuche- 
streptokokkus, Streptokokken aus Petechialfieberfällen 
usw. Diese Laktose vergärende Gruppe ist weiterhin durch die Fähigkeit 
der Stämme, Sorbit zu vergären, bei 109 C zu wachsen, Me- 
thylenblau und Lackmusfarbstoff in Milch, Janusgrün 
undAmmoniummolybdatin 24stünd. Traubenzuckerbouillon- 
kulturen zu reduzieren von den Drusestreptokokken, die diese 
Eigenschaften nicht aufweisen, zu unterscheiden. Vereinzelte Stämme, 
die:nach ihrem Verhalten gegenüber Milchzucker den Drusestämmen zu- 
zurechnen sind, vermögen Lackmus und Methylenblau in Milch vorüber- 
gehend zu reduzieren und zeigen überdies in Uebereinstimmung mit den 
Eiterstreptokokken des Pferdes geringe Spaltung des Hippurates und 
dauernde Trübung der Milchzuckerbouillon. Außer dem negativen 
Verhalten gegenüber Milchzucker und Sorbit zeigten die Drusestämme 
in Lackmusmilch bei 100 C keine Vermehrung. Auf die -pizootio- 
logischen Folgerungen aus dem Wachstum der Eitererreger sowie der als 
Erreger spezifischer Infektionskrankheiten angenommenen Strepto- 
kokken der gleichen Gruppe bei niederer Temperatur soll später kurz 
eingegangen werden. 

Zur bakteriologischen Trennung empfiehlt es sich, Rein- 
kulturen von Streptokokken, die vom Pferde stammen, in steriler 
Milch bei 370 zu bebrüten. Innerhalb von 2—3 Tagen — nach vor- 
liegenden Ergebnissen stets nach 42 Std. — ist bei den Milchzucker 
vergärenden Gerinnung der Milch eingetreten. 

Bei einer beschränkten Anzahl der Pferdestimme (Gruppe 1a: 
„13, alter Abszeß, Str. abortus equi St. I“; Gruppe 1b: „Str. 
abortus equi 1855‘; Gruppe 2a: „Hüfte, Str. equi Berlin‘; 
Gruppe 2b: ,,Priputium, Druse 501, Druse 339“) wurde auf Blut- 
wasseroptochinagar ein erheblicher Unterschied weder unter- 
einander noch gegenüber den Galt- und Milchsäurestreptokokken be- 


140 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


obachtet. Die Stämme der Gruppe 2b wuchsen zwar deutlich schleimig, 
die übrigen trocken; die Verfärbung des Nährbodens nach braungelb 
trat jedoch bei allen Stämmen in die Erscheinung, bei denen der 
Gruppe 2b allerdings später als bei den übrigen (nach 72 Std. anstatt 
nach 24—48). Hinsichtlich des unterscheidenden Charakteristikums auf 
diesem Nährboden verhielten sich also alle Stämme wie der Str. mitior 
des Menschen. Auf Kochblutagar bildeten (Stämme wie oben) die 
Streptokokken der Gruppe 1 graue bis grauweißliche deutlich erkenn- 
bare Kolonien, während die der Gruppe 2 nur als feinste graue Kolo- 
nien in die Erscheinung traten. Die Unterschiede waren geringfügig. 
Inulin hat keiner der verwendeten Stämme vergoren, taurocholsaures 
Natrium vermochte keinen zu lösen. In Kaninchenzitratblut 
zeigten alle obigen Stämme nach 24 Std. schwache, nach 48 bis 72 Std. 
starke Hämolyse, während eine entsprechende Auswahl der Galt- und 
Milchsäurestämme (s. S. 143 u. 145) nicht hämolytisch wirkten. Eine Ge- 
rinnung des Zitratplasmas trat bei den Stämmen der Gruppe 1 nach 
72 Std., bei denen der Gruppe 2 erst nach 5—7 Tagen ein. 

Mit den pferdepathogenen Stämmen der Gruppe 1 wurden weiter- 
hin Untersuchungen darüber angestellt, ob sie neben der Fähigkeit, 
Milch unter Säurebildung zur Gerinnung zu bringen, Eiweißkörper 
(Kasein) zu lösen bzw. abzubauen vermögen. Wie in der Tabelle 
aufgenommen, konnte in dem vom Milchkoagulum abgepreßten Serum 
bei der Biuretreaktion eine deutliche Rotfärbung festgestellt werden (im 
Essigsäureserum der .gleichen unbeimpften Milch war diese Reaktion 
negativ). Diese Stämme klären in der Umgebung ihrer Kolonien den 
schwach sauren Kaseinnähragar (nicht mit in die Tabelle aufge- 
nommen). Diese Klärung beruht nicht auf einer Alkalibildung. 
Setzt man den Kaseinnährböden Milchzucker und als Indikator Brom- 
kresolpurpur oder Bromthymolblau zu, so ist neben der Aufhellung 
des Kaseins vielmehr eine saure Reaktion (Gelbfärbung) festzustellen. 
Bei einer Prüfung dieser Stämme sowie der 5 oben angeführten aus 
Gruppe 2 in Gelatine (Stich- und Schüttelkultur) erwiesen sich die 
der Gruppe 1 als Verflüssiger der Gelatine, während die der Gruppe 2 
die Gelatine nicht zu erweichen vermochten. Die Streptokokken der 
2. Gruppe wurden in Gelatine mit 20proz. Zusatz von Serum 48 Std. 
bebriitet und zu reichlichem Wachstum gebracht. In gleicher Weise 
mit Streptokokken der 1. Gruppe beimpfte Serumgelatineröhrchen er- 
wiesen sich nach dieser Bebrütung nicht mehr als erstarrungsfähig, 
während die Kulturen mit Streptokokken der 2. Gruppe in gleicher 
Weise wic unbeimpfte Serumgelatine wieder erstarrte. 

Endlich wurden die vom Pferde gewonnenen Streptokokken auf 
ihre Pathogenität weißen Mäusen gegenüber geprüft. Die Mäuse 
wurden mit 1/,) bis !/, einer Schrägagar- bzw. Schrägserumagarkultur 
subkutan geimpft. Hinsichtlich ihres pathogenen Verhaltens gegenüber 
weißen Mäusen konnte ein Unterschied zwischen dem Str. equi, 
Str. abortus equi und den pyogenen Streptokokken nicht fest- 
gestellt werden. Ohne Regelmäßigkeit trat unabhängig vom Aus- 
gangsmaterial Bakteriämie oder Vereiterung der Lymphknoten ein oder 
blieb eine Erkrankung aus. Im Herzblut und in der Milz der verendeten 
Tiere waren bald Mono- und Diplokokken, bald Streptokokken zu 
finden. Die Pathogenitét nimmt auf den künstlichen Nährböden mit der 
Zeit ab. Während alle frisch aus dem Tierkörper gezüchteten Stämme 
schon in kleinen Dosen die Mäuse töteten, riefen ältere Stämme nur in 


Klimmer u. Haupt, Zur Trennung verschied. tierpath. u. saprophyt. Streptok. 141 


großen Dosen eine Erkrankung hervor oder erwiesen sich sogar als 
völlig apathogen. Trat der Tod ein, so starben die Mäuse in 1—5 
—1 Tagen. Diese Ergebnisse sind in die Tabelle nicht mit aufgenommen 
worden. 

Als gt eal g fiir den pyogenen Streptokokkus des Pferdes 
bringen wir „Str. pyogenes equi“ in Vorschlag. Von dem menschen- 
pathogenen Str. pyogenes Rosenbach unterscheidet er sich schon 
durch die Gelatineverflüssigung. Nach unseren Ergebnissen ist dieser 
Str. pyogenes equi von dem Str. abortus equi nicht abtrennbar 
und ist — wenigstens vorläufig — als identisch mit diesem anzunehmen. 
Diese Annahme steht in Uebereinstimmung mit dem Seuchencharakter 
des Streptokokkenabortus der Stuten. Diese Infektionskrankheit tritt 
vorzüglich sporadisch, vereinzelt auch in Form von Enzootien kleinen 
Umfanges auf und zeigt keine Neigung zu erheblicher Ausbreitung. Wie 
bereits oben angedeutet, spricht auch das Wachstum des Abortus- 
streptokokkus bei 10° gegen eine besondere Anpassung an das para- 
sitäre Leben, zu der nach unseren Ergebnissen die obligat pathogenen 
Streptokokken im allgemeinen zu neigen scheinen. 

B. Von den 85 Streptokokkenstämmen aus Milch 
zeichneten sich 44 namentlich durch folgende Eigenschaften aus 
(Gruppe I): 1. Lackmusmilch wird zunächst gesäuert (Rö- 
tung und Gerinnung) und erst hierauf und nur in der unteren Hälfte 
reduziert; 2. Methylenblaumilch wird unverändert ge- 
gelassen (weder Reduktion noch Gerinnung); 3. Janusgrün oder 
Ammoniummolybdat wird in 24stünd. Traubenzuckerbouillonkul- 
turen nicht reduziert; 4. bei 10° C erfolgt kein Wachstum; 
5. Milchzuckerbouillon bleibt klar, Wachstum erfolgt in Form 
von Flocken. Weitere 38 Stämme (Gruppe II) weisen folgendes 
gegensätzliches ‚Verhalten in den gleichen 5 Nährsubstraten auf: 
1. Lackmusmilch wird vor oder gleichzeitig mit der Säuerung 
reduziert; 2. Methylenblaumilch wird reduziert und zur 
Gerinnung gebracht; 3. Janusgrün und Ammoniummolybdat 
werden in 24stünd. Traubenzuckerbouillonkulturen reduziert; 4. bei 
10° C erfolgt Wachstum; 5. Milchzuckerbouillon wird inner- 
halb 24 Std. getrübt und klärt sich in weiteren 24 Std. unter 
Bildung eines Bodensatzes. Die restlichen 3 Stämme verhalten sich ab- 
weichend (Gruppe III). 

Nach der Herkunft der Streptokokken aus saurer oder Galtmilch, 
bei letztgenannter überdies unter Berücksichtigung der sterilen Ge- 
winnung der Milchproben halten wir uns für berechtigt, die Stämme 
aus saurer Milch (s. Herkunftsangabe 10 auf S. 130) als typische 
Milchsäurestreptokokken, die aus steril ermolkenen Galt- 
milchproben (s. Herkunftsangabe 4, S. 130) als typische Galt- 
streptokokken anzusehen, zumal da alle erstgenannten Stämme 
restlos unter die Gruppe II, die letztgenannten sämtlich unter die 
Gruppe I fallen. Die sich den jeweils 16 Typenstämmen gleich ver- 
haltenden Stämme aus Milchproben verschiedener Herkunft (Herkunfts- 
angabe 5—9, S. 130) haben wir unter die entsprechenden Gruppen 
eingeordnet und glauben berechtigt zu sein, alle Stämme der Gruppe I 
als Galt- und alle der Gruppe II als Milchsäurestämme zu bezeichnen. In 
diesem Zusammenhange dürfte es von Interesse sein, daß von den 
27 Stämmen aus Einzelmilchproben (Herkunftsangabe 5) 20 (74 Proz. ), 
von 8 Stämmen aus Gruppenmilchproben (Herkunftsangabe 6) 2 


142 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


(25 Proz.), von 4 Gesamtmilchproben (Herkunftsangabe 7) 2 (50 Proz.), 
von 13 (10 Lactis- Stämme wurden nicht weiter untersucht) Stämmen 
aus Handelsmilch (Herkunftsangabe 8) 3 (23 Proz.) und von 11 über- 
nommenen Stämmen (Herkunftsangabe 9) 1 (9 Proz.) sich als zur 
Gruppe I gehörig erwiesen. 


Gruppe I: „Str. agalactiae Guillebeau“. 


Sämtliche 44 Stämme dieser Gruppe (mit Ausnahme von R 5373) 
bringen Milch in 18—24 Std. zur Gerinnung. Die Reduktase- 
bildung ist gering, die Reduktion ist entsprechend verzögert oder bleibt 
ganz aus. In Lackmusmilch bei 37° erfolgt zunächst Rötung des 
Lackmusfarbstoffes, hierauf Gerinnung (außer R 5373) und erst in 
der geronnenen Milchsäule eine stets unvollständige Entfärbung des 
roten Lackmusfarbstoffes. In 24stünd. Traubenzuckerbouillonkulturen 
wird weder Janusgrün noch Ammoniummolybdat reduziert. 
Hiervon macht allein der Stamm R 5803 eine Ausnahme, der Janus- 
grün (nicht aber Ammoniummolybdat) reduziert. In Methylenblau- 
milch bleibt Reduktion und Gerinnung aus. Dies ist dadurch zu er- 
klären, daß die Galtstreptokokken durch den etwa 0,005proz. Gehalt 
an Methylenblau in ihrer Entwickelung zunächst gehemmt und innerhalb 
von 7 Tagen abgetötet werden. Auch hiervon ist eine Ausnahme her- 
vorzuheben: R 5492 reduziert Methylenblaumilch in 96 Std. und 
bringt sie in 120 Std. zur Gerinnung. Bei 100 C erfolgt ein Wachstum 
in Lackmusmilch nicht (keine Rötung, Gerinnung oder Entfärbung). 
In Milchzuckerbouillon nach Bitter und Buchholz bilden sie einen 
flockigen Bodensatz, zuweilen setzen sich die Flocken auch an der 
Wandung des Kulturröhrchens an. Die Bouillon bleibt klar. In ge- 
klärter Drittelmilch tritt in der Regel Gerinnung ein; eine Aus- 
nahme machen nur die Stämme R 5565d, R 5702, L.74, L. 105 h.r., W. 
495, R. 5373, R. 5438 und Lora. Zuweilen geht eine Trübung voraus, 
die aber stets im weiteren Verlaufe zur Gerinnung führt (während die 
pyogenen und Abortusstämme vom Pferde stets nur eine Trübung, nie- 
mals vollständige Gerinnung bedingen). Aus Hippurat bilden alle 
44 Stämme reichliche Mengen von Benzoësäure, die auf Zusatz von 
5Oproz. Schwefelsäure einen dichten krystallinischen Niederschlag bildet; 
nur bei Stamm R 5702 war die Benzoésiurebildung geringer aber 
immer noch deutlich. Auf der Blutplatte zeigten 29 (66 Proz.) den 
Typus z, 6 den Typus «’, 4 den Typus yG und 5 den Typus ~. Die 
Unterschiede zwischen «’- und a- sowie zwischen a- und y G- und 
schließlich selbst zwischen y G- und y-Hämolyse sind nicht immer sehr 
scharf, es kommen Uebergänge vor. Beim «’-Typus tritt bereits bei 37 
ein hämolytischer Hof um die Kolonie auf, der sich beim weiteren 
Aufenthalt im Kaltraume verbreitert; mikroskopisch sind in der Nach- 
barschaft der Kolonie ungelöste Erythrozyten festzustellen. Beim «- 
Typus tritt bei 370 namentlich eine Grünfärbung und Bleichung der 
Erythrozyten, die um die Kolonie gelegen sind, hervor. Bei kalter Auf- 
bewahrung erfolgt peripher von dieser grünlichen Ringzone Hämolyse, 
während die verfärbten Erythrozyten ungelöst bleiben. Beim yG-Typus 
erfolgt keine Bleichung oder Lösung der Blutkörperchen sondern nur 
eine geringe grünliche Verfärbung. Beim y-Typus fehlt jede Ver- 
änderung des Nährsubstrates. 

Bei einigen Stämmen der Gruppe I wurden die Fähigkeit, Ge- 
latine zu verflüssigen (L 105 h. r., Th. 9, R 5404), Inulin zu vergären, 


Klimmer u. Haupt, Zur Trennung verschied. tierpath. u. saprophyt. Streptok. 143 


das Verhalten auf Blutwasseroptochin- und Kochblutagar sowie in tauro- 
cholsaurem Natrium (Th. 9, R 5404, R 5338 br., R 5439, R 5565 d., 
R 5438, Nd. Bielau, R 5373, R 5492 u. R 5803) und endlich das 
Verhalten in Kaninchenzitratblut (8 Stämme, wie oben mit Ausnahme 
von R 5373 u. R 5492) geprüft. Die angeführten Stämme wuchsen auf 
Kochblutagar als feine graue Kolonien, die bisweilen eine geringe 
Vergrünung erkennen ließen, auf Blutwasseroptochinagar wie 
Str. mitior. Inulin wurde nur von R 5404, R 5373 u. R 5492 unter 
Säurebildung angegriffen. Taurocholsaures Natrium vermochte 
keinen der Stämme zu lösen. Kaninchenzitratblut blieb, mit 
den angeführten Stämmen beimpft und bis zu 7 Tagen bei 37° gehalten, 
unverändert. Serumgelatine (vgl. S. 140) wurde im Stich durch 
keinen der 3 Stämme erweicht (7 Tage bei Zimmertemperatur von 
etwa 20° C). 

Die Pathogenität für weiße Mäuse wurde durch Verimpfung 
von Aufschwemmungen aus Reinkulturen der Streptokokken unter- 
sucht. Hierbei erwiesen sich nur die Stämme Th. 9 und 10 als pathogen. 
Th. 10 tötete eine Maus nach 4 Tagen, Th. 9 ließ eine Maus am 3. bis 
5. Tage erkranken (Conjunctivitis, gesträubtes Haarkleid), tötete sie 
jedoch nicht. Die Injektion mit 1/; Schrägkultur war subkutan erfolgt. 
Die aus der Maus Th. 10 gewonnene Reinkultur verhielt sich wie der 
Ausgangsstamm in den in der großen Tabelle verzeichneten Proben. 

Hinsichtlich der Form der gefundenen Galtstreptokokken konnten 
in dem Ausgangsmateriale die charakteristischen Staketformen regel- 
mäßig gefunden werden. In einigen älteren Kulturen auf Ayers-Agar 
(Stamm L 1051) traten diphtheroide Stäbchenformen in großer 
Anzahl, teilweise ausschließlich, auf. Bisher waren wir noch nicht in 
der Lage der Untersuchung dieses Formwechsels näher zutreten. So- 
weit unsere Untersuchungen gehen, seien die vorläufigen Beobachtungen 
mitgeteilt, ohne daß wir daraus zustimmende oder ablehnende Folge- 
rungen der namentlich von Löhnis vertretenen Anschauung eines Ent- 
wicklungszyklus der Bakterien ziehen könnten. Der Stamm L 1051 ist 
im Anfang Februar reingezüchtet worden (Herkunftsangabe 4, S. 130). 
Mitte April wurde eine Generation (etwa die 4.—5.) von Mitte März 
erneut mikroskopisch untersucht. Hierbei zeigten sich im mikroskopi- 
schen Bilde keine Streptokokken, sondern nur dem Diphtheriebazillus 
ähnliche, unterbrochen gefärbte Stäbchenformen (Färbung nach Gram 
in Jensens Modifikation). Drei dieser Kulturröhrchen wurden mit 
Milchzuckerbouillon übergossen und 24 Std. bebrütet. Zwei zeigten ein 
flockiges Wachstum; die Flocken bestanden aus typischen, aber außer- 
ordentlich verschieden dicken Kokkenreihen. Auf Ayers-Agar über- 
tragen, wuchsen die Streptokokken in der üblichen Weise und bildeten 
im Kondenswasser einen flockigen Bodensatz. Im Ausstrich von diesem 
und von der Agarschräge traten wieder diphtheroide Stäbchenformen 
neben typischen Streptokokken auf. Außerdem kamen Streptokokken 
zur Beobachtung, deren Endglieder sich bei erhaltener Länge stark 
verbreiterten, so daß das mikroskopische Bild dem Aussehen eines 
Bandwurmes weitgehend ähnelte. Diese verbreiterten Endglieder be- 
halten die Gramsche Farbe nur noch in Form feinster Pünktchen. Die 
Formen, die wir weiterhin beobachteten, sind bereits beschrieben. Sie 
entsprechen den von Löhnis in den Figuren B3, B4, XII 170 und 
von Kraskowska und Nitsch in den Figuren 2, 3, 7, 10, 11, 13, 
14 und 15 wiedergegebenen Formen. Weitere Untersuchungen über den 
Formenkreis der Streptokokken sollen folgen. 


144 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


Gruppe II: Str. lactis Lister-Löhnis. 

Die 38 als Milchsäurestreptokokken eingereihten Stämme säuern 
die Milch und zwar zumeist in erheblichem Maße, so daß sie in 18 Std. 
bereits geronnen ist. Die Ausnahmen von dieser Regel betreffen die 
Stämme Gey (120 Std.), V, (138 Std.), Vb» und 19 (168 Std.), 
H 2 (168 Std. nur Kuppe) und 89 (nach 7 Tagen noch ungeronnen). 
Auffällig ist die starke Beteiligung alter Laboratoriumsstämme an 
diesem ausnahmsweisen Verhalten. Die Reduktase-Bildung ist 
kräftig. Die Lackmusmilch wird bei 37° und bei 10° zumeist 
in 18 bzw. 66 Std. entfärbt. Die Säuerung (Rötung der der Luft 
ausgesetzten, nicht reduzierten Oberfläche und Gerinnung) erfolgt zu- 
meist später, mitunter gleichzeitig. Methylenblau hemmt das Wachs- 
tum der Milchsäurestreptokokken nicht oder nur gering; die Methylen- 
blaumilch wird in 18 (—42) Std. entfärbt; die Gerinnung erfolgt ver- 
einzelt zu gleicher Zeit wie bei der Milch oder zumeist später. Keine 
Gerinnung der Methylenblaumilch weisen die Stämme V,», V,, Ho, 19 u. 
89 auf. Janusgrün und Ammoniummolybdat werden in 24stünd. 
Traubenzuckerbouillonkulturen aller 38 Stämme mit alleiniger Aus- 
nahme von „Vorgehnen“, der nur schwach, und MS. 1, der gar nicht 
reduziert, kräftig reduziert. Diese Ergebnisse stimmen mit denen von 
Sherman und Albus, Ayers, Johnson und Mudge sowie Heim 
im allgemeinen überein. In gleicher Weise wurden auch die Angaben 
von Bitter und Buchholz, daß die Milchsäurestreptokokken die 
Milchzuckerbouillon in den ersten 24 Std. trüben, aber nach 
weiteren 24 Std. unter Klärung der Bouillon zu Boden sinken, durch 
eigene Versuche bestätigt. Von dieser Regel weichen nur „Vorgehnen‘ 
und K, ab, die eine dauernde Trübung hervorrufen. Geklärte 
Drittelmilch wird von fast allen Stämmen in (18—) 24—48 (—144) 
Std. zur Gerinnung gebracht, bei V,> blieb Triibung und Gerinnung, 
bei Gey, Vi, Vy, Ha 19, 89 u. R 5962 blieb die Gerinnung aus, 
während eine Trübung als Kennzeichen schwacher Säurebildung auf- 
trat. Alle Stämme spalteten aus Hippurat Benzoësäure ab, deren 
Menge allerdings im allgemeinen nur sehr gering war. Kräftigere 
cote des Hippurates erfolgte nur durch die Stämme V,b, V,, “H,, 

19, 89 u. Gey. Vier aus saurer Milch gewonnene Stämme (MS. IV; 
V, VI, IX) ließen überhaupt keine Spaltung der Hippursäure erkennen. 
Hiernach lassen sich 3 Untergruppen der Milchsäurestreptokokken- 
stämme aufstellen: Die 1. Gruppe mit Reduktion von Janusgrün und 
Molybdat sowie Benzoësäurebildung, die 2. Gruppe mit Reduktion 
von Janusgrün und Molybdat, aber ohne Benzoësäurebildung und die 
3. Gruppe ohne Reduktion von Janusgrün und Molybdat, aber mit 
Benzoësäurebildung. In der Blutplatte zeigen 34 Stämme der Milch- 
säurestreptokokken den Typus der «-Hämolyse (nach Brown). 
Die Kolonien sind nach 24stünd. Bebrüten bei 370 von einem grünlichen 
Hofe umgeben, nach weiteren 24 Std. bei 370 ist die Platte bei 
dichter Aussaat braun verfärbt und halbdurchsichtig geworden. 
Bei der mikroskopischen Untersuchung sind die Erythrozyten in der 
nächsten Umgebung der Kolonien noch vollständig erhalten und bräun- 
lich gefärbt; hierauf folgt nach außen eine Zone von teilweise gelösten 
roten Blutkörperchen, die durchsichtiger und klarer als die Innenzone 
und bräunlich verfärbt ist. Werden die Platten hierauf 24 Std. bei 
4° © aufbewahrt, so ändert sich das Bild nicht. Schwach infi- 
zierte Platten zeigen nach 48stünd. Verweilen bei 370 um die 


Klimmer u. Haupt, Zur Trennung verschied. tierpath. u. saprophyt. Streptok. 145 


Kolonien einen schmalen Hof grünlich verfärbter, in der Form gut er- 
haltener Erythrozyten. Nach 24 Std. langer Aufbewahrung bei 4° tritt 
eine deutliche hämolytische Zone um den erwähnten Hof hervor. Nach 
erneuter Bebrütung bei 370 entsteht um die hämolytische Zone ein 
grünlicher Ring mit erhaltenen Erythrozyten und nach weiterer kalter 
Aufbewahrung um letztere wieder ein heller hämolytischer Gürtel. Die 
restlichen 4 Stämme (R 5548a, b u. c, sowie R 5954) weisen y-Hämo- 
lyse auf, d. h. die roten Blutkörperchen werden nicht verändert. 

Auch von den Milchsäurestreptokokken wurden einige auf ihr 
Verhalten auf Blutwasseroptochin- und Kochblutagar, in Kaninchen- 
zitratblut und Gelatine sowie auf ihre Löslichkeit in taurochol- 
saurem Natrium und auf ihre Gärfähigkeit für Inulin geprüft. 
Die beiden zuletztgenannten Proben hatten ein negatives Ergebnis 
(MS 7, VI, VIII, Vorgehnen, Gey, R 5577, R 5998, V;»). Auf 
Kochblutagar wuchsen sie (MS 7, VI, VIII, Gey, R 5998, V2) 
grün oder (R 5577, Vorgehnen) grau. Auf Blutoptochinagar 
verhielten sie sich wie Str. mitior. Gelatine wurde (MS 7, VI) 
nicht verflüssigt, Kaninchenzitratblut blieb (MS 7, VI) bis zu 
7 Tagen bei 37° unverändert. 


Gruppe III: Atypische Stämme. 

Das biologische Verhalten der drei atypischen Stämme auf den ver- 
schiedenen Nährböden ist aus der Ergebnistabelle zu ersehen. 

Der Stamm R 5479 zeichnet sich durch geringe Spaltungs- 
fähigkeit für Laktose und durch den vollständigen Mangel an Bildungs- 
fähigkeit von Reduktase aus. Sein Wachstum bei 10°, starke Benzoé- 
säurebildung aus Hippurat, «-Hämolyse, dauernde Trübung der Laktose- 
bouillon kennzeichnet ihn als in den Rahmen weder des Str. agalac- 
tiae noch des Str. lactis passend. Der Stamm R 6032 zeigt ähn- 
liches Verhalten, jedoch verändert er Lackmusmilch weder bei 10 noch 
bei 37° C, läßt Methylenblaumilch unverändert, reduziert Janusgrün 
und Ammoniummolybdat und wächst flockig in Laktosebouillon. Der 
Stamm Amb. ist kurz vor Beginn dieser Untersuchungen aus einer 
Milchprobe reinkultiviert worden und hat mit Ausnahme des Wachs- 
tums bei 100 im großen und ganzen die Eigenschaften eines Hippursäure 
nicht spaltenden, + G-hämolytischen, in Laktosebouillon nicht wachsen- 
den Milchsäurestreptokokkus. Alle 3 Stämme sind in taurocholsaurem 
Natrium unlöslich und vergären Inulin nicht. Auf Kochblutagar bildet 
R 5479 grüne Kolonien, die beiden anderen feinste graue Kolonien, auf 
Blutwasseroptochinagar wächst der erstgenannte wie Str. mitior, 
bildet jedoch im Gegensatz zu den kräftig wachsenden anderen aus Milch 
gewonnenen Streptokokken nur feinste graubraune Kolonien, während 
die beiden anderen als feinster grauer Hauch ohne Veränderung des 
Nährsubstrates wachsen. 

Es muß offen bleiben, aus welcher Quelle diese atypischen Stämme 
in die betreffenden Milchproben gelangt sind. 


Zusammenfassung der Ergebnisse. 

1) Alle geprüften pferdepathogenen Streptokokkenstämme zeigen 
ß-Hämolyse. Nach ihrem sonstigen Verhalten können sie in 
2 Gruppen eingeteilt werden. Die erste Gruppe umfaßt den Str. 
abortus equi und die Streptokokken aus Fällen von Eiterungen 
(und — nach Holth und Adsersen — von Brustseuche und Pete- 

Erste Abt. Orig. Bd. 101 Heft 1,3, 10 


146 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


chialfieber). Die zweite Gruppe wird vom Str. equi, dem Druse- 
streptokokkus, gebildet. — 2) Der Str. abortus equi und die pyo- 
genen Kettenkokken des Pferdes sind dadurch gekennzeichnet, 
daß sie die Milch, Lackmusmilch bei 10 und 37° C sowie die Methylen- 
blaumilch zur Gerinnung und die beiden mit reduzierbaren Farbstoffen 
versetzten Milchproben zur Entfärbung bringen. Sie reduzieren Janus- 
grün und Ammoniummolybdat, trüben Milchzuckerbouillon dauernd, 
spalten sehr geringe Mengen Benzoésiure aus Hippurat ab und ver- 
gären Sorbit. — 3) Die Drusestreptokokken lassen Milch, Lack- 
mus- und Methylenblaumilch nicht gerinnen, reduzieren Lackmus- 
farbstoff und Methylenblau in der Regel nicht, selten vorübergehend. 
Janusgrün und Ammoniummolybdat werden nicht reduziert. In Milch- 
zuckerbouillon wachsen sie meist nicht; soweit sie wachsen, rufen sie 
flockigen Bodensatz oder dauernde Trübung hervor. Aus Hippurat 
spalten die meisten Drusestämme keine Benzoësäure ab. Sorbit vergären 
sie nicht. — 4) Der Str. agalactiae Guillebeau bringt Milch 
und Lackmusmilch bei 370 zur Gerinnung und letztere — jedoch erst 
nach der Säuerung — in der unteren Hälfte zur Entfärbung, dagegen 
tritt in Lackmusmilch bei 10° und in Methylenblaumilch bei 370 weder 
Säuerung noch Reduktion ein. Janusgrün und Molybdat werden nicht 
reduziert. In der klaren Milchzuckerbouillon bilden die Galtstrepto- 
kokken Flocken ohne Trübung. Aus Hippurat spalten sie erhebliche 
Mengen Benzoësäure ab. Sie zeigen meist «-, seltener «!1-, y grün- oder 
y-Hämolyse. — 5) Die Milchsäurestreptokokken (Str. lactis 
Lister-Löhnis s. Str. lacticus Kruse) bringen die Milch, Lack- 
musmilch und Methylenblaumilch in kurzer Zeit zur Gerinnung. Lack- 
mus- und Methylenblaumilch werden vorher oder gleichzeitig entfärbt. 
Bei Lackmusmilch erfolgt die Reduktion sowohl bei 10° als auch bei 
37° C. Milchzuckerbouillon wird in 24 Std. getrübt, nach weiteren 
24 Std. unter Bildung eines Bodensatzes aufgehellt. Die Hämolyse er- 
folgt fast stets nach Typus x. Aus Hippurat spalten die meisten 
Milchsäurestreptokokken Benzoösäure, zumeist in nur geringen Mengen, 
ab. Janusgrün und Molybdat werden von allen hierhergehörigen Strepto- 
kokken — bis auf einen Stamm. — reduziert. — 6) Aus Milchproben 
galtverdächtiger Kühe wurden außer den Milchsäure- und Galtstrepto- 


kokkenstämmen noch 3 atypische Stämme reingeziichtet. Hin- 
sichtlich ihres Verhaltens sei auf S. 145 verwiesen. —7) Auf Grund von 
Stichproben mit je einigen Stämmen der verschiedenen 'Typen und 
Gruppen konnten verwertbare Unterschiede im Verhalten gegenüber 
taurocholsaurem Natrium und auf der Blutwasseropto- 
chinagarplatte nicht festgestellt werden. Geringe Verschiedenheiten 
auf der Kochblutagarplatte, im Inulingärversuch und — hin- 
sichtlich der pferdepathogenen Streptokokken — im Mäuseinfek- 
tionsversuche lassen eine Regelmäßigkeit vermissen. Gelatine 
und Kasein werden von Str. abortus und Str. pyogenes equi 
abgebaut, während dem Str. equi diese Eigenschaft abgeht. Im Ka- 


Klimmer u. Haupt Zur Trennung verschied. tierpath. u. saprophyt. Streptok. 147 


ninchenzitratblut treten namentlich Unterschiede zwischen den 
z-hämolytischen und den ß-hämolytischen Streptokokken hervor; die 
EURE ANNIE Stämme lösen die Blutkörperchen nicht, die letztgenannten 
tun dies. 

Zur leichteren Uebersichtlichkeit sind die Haupteigenschaften 
der untersuchten Streptokokkenstämme in nachfolgender Tabelle zu- 
sammengestellt, wobei auf die Ausnahmen keine Rücksicht genommen ist. 





|» |Entfärbung + Reduk-|In Milch- 2 
5 | der Lack- |S i k 5 
E er Lac 2 tion zucker- C 
2 | musmilch > von | bouillon | æ 
lo i o ~ — = 
| | [Se | bei 37° 8 S 
= ? À | s+ 
leg | ES re à 2 he EE 
bo) 0) © 8 315= tw | © ns P 
515627355558 & | te) 3% | Hämolys 
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Slsle |35 wasa agale jE“ 8 | 
Sam 82zsza Sig |& la à | 
—— = = -m =— 
Str. pyogenes equi |+ +! + + -|+ |+ +! + + 8 
» abortus „ j++ + + ++) + = | + + B 
» equi —|—| — — — | = |=| — | — |] — — B 
» lactis — +++) + -+++ -|+| + a 
» agalactiae +/+) — — /|+/1-1-1- |+| — |+++ lee 14,7) 
Schrifttum. 


Adsersen, Die Spezifität des Drusestreptococeus mit bes. Berücksichtigun; 

des Ca net ba ens gegenüber Kohlehydraten usw. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. 
Orig. . 76. 1915. £ 111.) — Ayers a. Johnson, A medium for stock cultures 
and for streptococci and other bacteria. (Journ. Bact. Vol. 9. 1924. p. 111.) — 
Ayers, Johnson and Mudge, Streptococci of souring milk with special re- 
ference to streptococcus lactis. (Journ. Inf. Dis. Vol. 34. 1924. p. 29.) — Ayers 
a. Mudge, The streptococci of the bovine udder. (Ibid. Vol. 31. 1922. p. 40.) == 
Ayers and Rupp, Differentiation of hemolytic streptococci from human and 
bovine sources by the hydrolysis of sodium hippurate. (Ibid. Vol. 30. 1922. p. 388.) 
— Baker, Substitution of bromthymolblue for litmus in routine laboratory work. 
(Journ. Bact. Vol. 7. 1922. p. 301.) — Bieling, Methoden zur Differenzierung 
der Streptokokken und Pneumokokken. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 86. 
S. 257.) — Bitter u. Buchholz, Ueber Milchsäurestreptokokken und Pneumo- 
kokken. (Ebenda. Bd. 95. S. 38.) — Brown, The use of blood agar for the 
study of streptococci. (Monographs of the Rockefeller Instit. for Med. Res. 1919. 
Nr. 9.) — Brown a. Howe, Transparent milk as a bacteriological medium. 
(Journ. Bact. Vol. 7. 1922. p. 511.) — Conn a. Hucker, The use of agar 
slants in detecting fermentation. (Ibid. Vol. 5. 1920. p. 433); sowie Conn, Me- 
thods of pure culture study. (Ibid. Vol. 7. 1922. p. 519.) — Darányi, Patho- 
enität und Einteilung der Staphylokokken. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. 

d. 99. S. 74.) — Hagan, The green coloration by certain streptococei on blood 

agar. (Journ. Inf. Dis. Vol. 37. 1925. p. 1.) — Heim, Milchsäure- und andere 
Streptokokken. (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 101. 1924. S. 104.) — Hiss, A contri- 
bution to the physiological differentiation of Pneumococcus and Streptococcus, and 
to methods of staining capsules. (Journ. Exper. Med. Vol. 6. p. 317.) — Holth, 
zit. nach Jensen, Spezif. Prophylaxe und Therapie gegen Streptokokkenkrank- 
heiten. (Handb. d. Serumtherapie und Serumdiagnostik in d. Veterinärmed. hrsg. 
v. Klimmer u. Wolff-Eisner. Leipzig 1911.) — Klimmer, Technik und Methodi 
der Bakteriologie und Serologie. Berlin 1923. S. 340. — Kraskowska u. 
Nitsch, Zur Morphologie der Streptokokken. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. 
Bd. 82. S. 264.) — Löhnis, Studies upon the life cycles of the bacteria. (Me- 
moirs Nation. Acad. of Scienc. Vol. 16. 2nd memoir, Washington 1921.) — Mejlbo, 
Typeindelling af Mastitisstreptokokker fra Kvaeg efter deres Forgaeringsforhold. 
( Meddelels. ta den Kgl. Veterinaer- og Landbohoskoles, Serumlaboratorium. Bd. 88. 
1924. S. 260. [Ergebnisse auch in englischer Sprache].) — Neufeld u. Händel, 

10* 


148 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


Pneumokokken. (Kolle und Wassermanns Handb. 2. Aufl. Bd. 4. S. 513.) — 
Schaffler, Beitrag zur Frage der Unterscheidung human- und tierpathogener 
Streptokokken mit bes. Berücksichtigung ihres Verhaltens gegen hippursaures Na- 
trium. ([Vet.-med. In-Diss.] Wien 1923.) — Sherman a. Albus, Some cha- 
racters, which differentiate the lactic acid a gr aie from streptococci of the pyo- 

nes type occuring in milk. (Journ. Bact. Vol. 3. 1918. p. 153.) — Smith a. 

rown, A study of streptococci isolated from certain presumably milk borne epi- 
demies of tonsillitis occuring in Massachusetts in 1913 and 1914. (Journ. Med. 
Res. Vol. 31. 1915. p. 455. 


Nachdruck verboten. 
Zur Biologie eines bei Ferkelsterben gefundenen 
Streptokokkus. 


[Aus dem Veterinär-Hygienischen Institute der Universität Leipzig 
(Dir.: Obermedizinalrat Prof. Dr. M. Klimmer).] 


Von E. Schwarze, Volontärassistent des Institutes. 


In neuerer Zeit mehren sich die Angaben über Ferkelsterben, bei 
denen Streptokokken eine ätiologische Rolle zu spielen scheinen. Es 
sei hier nur auf die Arbeiten von Sachweh und Reinstorf, 
Stephan und Schadowski, Ohlenbusch usw. verwiesen. Ueber- 
einstimmend beschreiben die genannten Autoren den Erreger dieser 
Streptokokkenbakteriämie als gramfest (bis gramlabil), sehr fein, kurz- 
gliedrig und längsoval. Ohlenbusch hat genauere Untersuchungen 
angestellt und seine Stämme in folgender Weise charakterisiert: Auf 
Agarnährböden (zum Teil Zusatz von Glyzerin und Traubenzucker) 
schwaches Wachstum, auf erstarrtem Serum gutes Wachstum ohne 
Verflüssigung, im Gelatinestich Gläserbürste (wie Rotlaufbazillen) und 
keine Verflüssigung. Milch wird nicht zur Gerinnung gebracht. Für 
weiße Mäuse ist er anfangs nicht pathogen, jedoch läßt sich die Viru- 
lenz durch Mäusepassage steigern. Die Tiere bekommen ,,Conjunctivitis 
wie beim Rotlauf‘“ und verenden am 4.—6. Tage. Der Diplokokkus 
nimmt Stäbchenform an. Er besitzt keine hämolytischen Eigenschaften. 


Eigene Untersuchungen. 

Dem Institute wurde am 13. und 21. Mai 1926 je ein Ferkel- 
kadaver zur Untersuchung auf Todesursache mit dem Vorberichte ein- 
geschickt, daß in dem betr. Bestande Ferkel ohne ersichtliche Ursache 
in größerer Anzahl plötzlich verenden. Beide Ferkel zeigten am Bauche 
diffuse leichte Rötung der Haut, die im übrigen aber auffällig blaß 
war. Der Sektionsbefund ergab eine akute mittelgradige Dünndarm- 
entzündung. Die Milz zeigte bei dem 1. Ferkel unregelmäßige, über 
das normale Milzgewebe flach vorstehende, schwarzrote Flecken, die 
des 2. Ferkels war mehr oder weniger in toto schwarzrot marmoriert, 
wobei das normale braunrote Gewebe nur noch als schwache Aderung 
auftrat. Andere anatomische Veränderungen wurden nicht beobachtet. 
Es erschien jedoch das Herz von Ferkel I in anbetracht der Größe des 
Tieres verhältnismäßig zu groß, die Wandung der linken Herzkammer 
verhältnismäßig dünn. Bei dem Ferkel II wurde das Herz ohne Sonder- 
heiten befunden. Absolute Maße wurden nicht genommen. 

Die ätiologischen Untersuchungen erstreckten sich auf 
tierische Parasiten des Verdauungstraktus, wobei bei dem Ferkel I ver- 


Schwarze, Zur Biologie eines bei Ferkelsterben gefundenen Streptokokkus. 149 


einzelte Eier des Strongyloides longus gefunden wurden. Im 
Herzblute und im Milzsafte beider Tiere konnten mikroskopisch 
Kokken, meist in Verbänden zu 2, mitunter bis zu 4, als Strepto- 
kokken festgestellt werden. Während im Blute in beiden Fällen nur 
wenige dieser Erreger gefunden wurden, waren sie in der Milz stets sehr 
zahlreich. Die Form der Kokken war länglich, das Verhalten gegen 
Gram positiv. Im Schrägagarausstrich aus dem Herzblute war das 
Wachstum in erster Linie daran zu erkennen, daß das mitaufge- 
strichene Blut nach 24 Std. lackfarben geworden war. Im Aufstrich 
waren tautropfenähnliche feinste Pünktchen zu erkenrien. Versuche der 
Weiterzüchtung des Streptokokkus auf gewöhnlichem Agar hatten an- 
fänglich ein ausgesprochen schlechtes Ergebnis. Erst allmählich gelang 
es, ihn auf diesem Nährboden zu gutem Wachstum zu bringen. Auf 
dem Streptokokkenagar nach Ayers und Johnson wuchsen sie im 
Stiche von Anfang an gut, im Aufstriche stets nur spärlich. Erst von 
der 6.—8. Generation an war regelmäßig nach 48 Std. ein volles 
Wachstum zu beobachten. 

Die biologischen Eigenschaften dieser beiden Streptokokkenstämme 
prüfte ich zusammen mit einem dritten aus einem Ferkel mit Pneumo- 
nie stammenden Streptokokkenstamm Nr. 2038, der uns von dem Bakt. 
Institut der Landwirtschaftskammer in Königsberg in dankenswerter 
Weise überlassen worden war. Dieser Stamm zeigte auf den gewöhn- 
lichen Nährsubstraten stets ein gutes Wachstum. Die Prüfung er- 
streckte sich auf das Verhalten in Milch und geklärter Drittelmilch, 
gegenüber Sorbit, Inulin und hippursaurem Natrium, in Milchzucker- 
bouillon, in Methylenblau- und Lackmusmilch, gegenüber reduzierbaren 
Stoffen in Traubenzuckerbouillon, in der Blutplatte, auf der Kochblut- 
und Blutwasseroptochinagarplatte und gegenüber taurocholsaurem Na- 
trium. Bei allen Proben bediente ich mich der gleichen Technik wie 
Klimmer und Haupt (s. vorhergehende Arbeit). 

Die Ergebnisse der oben genannten Untersuchungen sind in bei- 
folgender Uebersicht zusammengestellt. 

















| | = lu | 
| 45| Lackmus-| Reduk- | = | = E gi 
22|. milch | tasein | 2 | © 4 |= a l 
| >g Trauben- | = 35 À e Slelai_ Blut- 
= lal9 s|}-—__—_ | = | *2 | Milch- | geklärte $|3 = |Koch-| wasser- 
olsza) | ra- | zucker- | S | 8 | ak > ZIEIR 
E ZSS | er | bouillon | à | 3 | zucker- | Drittel- 5/5 5 blut- | Opto- 
= = (at k Ra = 5 bouillon! milch = Ka <| agar | chin- 
5 | |] wiSaloeu) male miz agar 
ils als doi g AH IE IS 2 
ERBPHBEEH SEHE BE 
= H’ I 1 — = = = 
I |—'—|—|24|—|48'96 - 24 24 ja, — -|feinst,| kein 
| | | leichtge- leicht ge- | | | grau | Wachs: 
| | | | trübt trübt | | tum 
| | | 
II |—;—|—)24| -- 4896| — | — | — 24 24 a, —|—/|feinst,| kein 
| | leicht ge- leicht ge- grau | Wachs- 
nl | trübt trübt | tum 
2038/48|24/48/24/4814872| + | + |++|++|_ 24 24 a +|— grün + 
| Trübung | Trübung 


Aus ihr ist zu ersehen, daß die beiden von mir gezüchteten 
Stämme I u. II sich bei allen Proben vollkommen identisch ver- 
halten. Alle 3 Milchnährböden bleiben ungeronnen. Methylen- 
blau in Milch wird nicht reduziert, während der Lackmus- 
farbstoff in 24 Std. entfärbt wird und nach weiteren 24 bis zur 


150 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


96. Stunde zunehmende Rötung erkennen läßt. Durch Janusgrün 
und Ammoniummolybdat nachweisbare Reduktasen waren in 
24stünd. Traubenzuckerbouillonkulturen nicht gebildet. Aus Natrium- 
hippurat wurden nach 72 Std., selbst nach 8 Tagen, auch geringe 
Mengen von Benzoësäure, die durch Ausschütteln mit Petroläther 
nachweisbar sind, nicht abgespalten. Milchzuckerbouillon und 
geklärte Drittelmilch zeigten sich dauernd leicht getrübt. In 
der Blutplatte nach Brown wurde «,- Hämolyse festgestellt. 
Vollkommen verschieden von diesem Typus erwies sich der 
Königsberger Ferkelstamm, der wie aus der Tabelle hervorgeht, 
vom Str. lacticus sich nur dadurch unterschied, daß die Milchzucker- 
bouillon nach 48 Std. nicht aufhellte, sondern dauernd getrübt blieb. 
Sorbit wurde von den Stämmen I u. II nicht vergoren, während 
der Königsberger Stamm Sorbit unter Säurebildung spaltete. Inulin 
wurde von keinem der drei Stämme angegriffen. Auf Kochblutagar 
zeigten meine beiden Stämme feinste graue Kolonien, auf Blutwasser- 
optochinagar kein Wachstum. Der Nährboden selbst blieb unver- 
ändert. Hingegen grünte der Königsberger Stamm den Kochblutagar 
und wuchs auf dem Blutwasseroptochinagar als braune, nicht abstreich- 
bare, den Nährboden trübende (Gerinnung) Kolonien. In einer 10proz. 
Lösung von taurocholsaurem Natrium in physiologischer Koch- 
salzlösung trat eineLösung der Kokken bei keinem der drei Stämme cin. 

Für weiße Mäuse pathogen erwies sich 1/10 Schrägagarkultur 
(Ayersagar) des Stammes II, während subkutane Injektion mit 5/10 
Kultur des gleichen Stammes den Tod einer gleichgroßen weißen Maus 
nicht verursachte. Bei der erstgenannten Maus erfolgte der Tod 18 Tage 
nach der subkutanen Injektion. Im Herzblute wurden grampositive 
Kokken, vorzüglich zu zweit angeordnet, festgestellt. Die Kokken wiesen 
den gleichen Typus auf wie die verimpften. Die beiden anderen Stämme 
(Stamm I und 2038) bedingten weder in der Gabe von 1/10 noch 
von 5/10 Schrägagarkultur den Tod der weißen Maus. 

Die Ergebnisse der Proben mit dem Königsberger Stamme 
stimmen fast vollständig mit denen überein, die bei den Milchsäure- 
streptokokken in der vorhergehenden Arbeit gewonnen wurden. 
Es fehlte allerdings noch die Prüfung des Wachstums bei 10° C, 
die aus äußeren Gründen zurzeit nicht durchführbar war. Die ge- 
ringen Abweichungen betreffen das Verhalten in Milchzuckerbouillon, 
die dauernd getrübt wird, und in Hippuratbrühe, wo eine Abspaltung 
der Benzoësäure mittleren Grades festgestellt wurde. Die Stämme 
I und II zeichnen sich durch eine weitgehende biologische In- 
aktivität aus, die nur vom Drusestreptokokkus übertroffen wird. 
Die Reduktasebildung tritt nur bei der Lackmusmilch in die Erschei- 
nung, die Säurebildung aus Milchzucker ist nur sehr gering und bewirkt. 
im Höchstfalle eine nach 4 Tagen auftretende Rötung des Lackmus- 
farbstoffes. Trotz verhältnismäßig gutem Wachstume in Traubenzucker- 
bouillon und in den Hippuratbrühen konnte eine Reduktion von Janus- 
grün und Ammoniummolybdat bzw. eine Spaltung von Hippursäure 
nicht bewirkt werden. Milchzuckerbouillon wird dauernd getrübt. Hin- 
gegen dürfte die +,-Hämolyse als Ausdruck einer stärkeren Ak- 
tivität dem Blute gegenüber gedeutet werden können. 

Auf einen Vergleich meiner Beobachtungen mit denen Ohlen- 
buschs einzugehen, ist bei der Verschiedenheit der Prüfungsmethoden 
außerordentlich schwierig. Man würde wohl zu dem Schlusse kommen 


Müller, Borstenwiirmer im menschl. Körper (Pachydrilus lineatus). 151 


müssen, daß die von mir untersuchten Stämme sich anders verhalten 
als die Ohlenbuschs. Namentlich traten bei mir Aehnlichkeiten mit 
dem Rotlaufbazillus weder im mikroskopischen Bilde noch in der 
Kultur auf. Es muß offen bleiben, ob die Reinkulturen Ohlen- 
buschs dieselben Streptokokken enthalten haben wie die meinigen. 


Zusammenfassung der Ergebnisse. 

Bei einer Ferkelenzootie, verursacht durch Streptokokken, wurde 
ein Erreger festgestellt, der sich, beurteilt nach der Reduktasebildung, 
Milchzucker-, Sorbit- und Inulinvergärung sowie Hippuratspaltung als 
sehr gering aktiv oder inaktiv, hingegen in der Blutplatte als stark 
x-hämolitisch (x,-Hämolyse) erwies. 


Herrn Obermedizinalrat Prof. Dr. Klimmer für die Ueberlassung 
des Materials zu danken, ist mir eine angenehme Pflicht. 


Schrifttum. 


Ohlenbusch, Untersuchungen über eine Enzootie unter Ferkeln, hervor- 
rufen durch eine Varietät des Streptococcus pyogenes. (Vet. med. 
n.-Diss). Hannover 1912. — Sachweh u. Reinstorf, Neue Beiträge zur 

Sepsis der Ferkel infolge Infektion der Nabelgefäße. (Tierärztl. Rundsch. Bd. 29. 
1923. S. 209.) — Stephan u. Schadowski, Ueber Streptokokkeninfektionen 
bei Schweinen. (Berl. tierärztl. Wochenschr. Bd. 38. 1922. S. 591.) 


Nachdruck verboten. 


Borstenwürmer im menschlichen Körper (Pachydrilus 
lineatus). 


[Aus dem Hygienischen Institut der Universität Köln.] 
Von Prof. Dr. Reiner Müller. 
Mit 1 Abbildung im Text. 


Die kürzlich erschienene Arbeit des Zoologen Rich. Heymons, 
in der er den Aufenthalt von Oligochäten im menschlichen Körper für 
unmöglich hält, veranlaßt mich, auf eine eigene derartige Beob- 
achtung zurückzukommen. 

Am 8. 4. 1922 wurden dem Kölner Hygienischen Institut in 
einem Reagenzglas mit wenig Wasser ungefähr 25 Würmer über- 
bracht. Die Ueberbringerin teilte sehr beunruhigt mit, sie habe in den 
letzten 3 Wochen an Darmstörungen gelitten, derart, daß ungewöhnlich 
häufig Stuhldrang bis zum Tenesmus aufgetreten sei; dabei seien aber 
die Fäzes dauernd normal, sogar fest gewesen. Nun habe sie vor einigen 
Stunden auf ihren Fäzes in der sauberweißen Schale eines Auswasch- 
Klosetts mehrere Hunderte Würmer bemerkt und davon diesen kleinen 
Teil mitgebracht. Solche Würmer habe sie an diesem Morgen zum 
ersten Male bemerkt; ob aber früher solche nicht doch vereinzelt 
abgegangen wären, könne sie natürlich nicht beschwören. 

Ich hatte damals und habe heute nicht den geringsten Zweifel an 
der Zuverlässigkeit dieser Angaben. Die Ueberbringerin ist mir schon 
jahrelang vorher und bis heute als durchaus vertrauenswürdig bekannt. 
Sie gehört den gebildeten Ständen an und hat auch eine gewisse sani- 
täre Ausbildung. Ohne die letztere wären die Würmer wahrscheinlich 


152 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


nicht zu einer wissenschaftlichen Untersuchung gelangt. Auch war mir 
zufällig schon vorher bekannt, daß die Ueberbringerin in den letzten 
Wochen über Unterleibsbeschwerden geklagt hatte. 
Artbestimmung. Meine Untersuchung der braunrötlichen Wür- 
mer ergab sofort, daß es keine gewöhnlichen Eingeweidewürmer waren; 
denn manche krochen sehr lebhaft, an Räupchen erinnernd, sogar an 
der Wand des Reagenzglases außerhalb des Wassers bis zum Watte- 
stopfen umher. Die Länge aller überbrachten Würmer betrug 15 
bis 20 mm, lebend gemessen. Das beigefügte Bild zeigt 2 dieser 
Würmer in Wasser lebend, frisch unter einem Deckglase in 20facher 
Vergrößerung im durchfallenden Lichte photographiert; durch den 
Druck des Deckglases sind sie ein wenig flach gedrückt. Mikro- 
skopisch sah ich an den Segmenten der geringelten Würmer sym- 


i “ADR 4 





Fig. 1. 


metrische Borstengruppen; Es waren also Oligochäten. Da mir die 
Beschaffung der einschlägigen Literatur nicht sofort möglich war, 
machte ich von den lebendfrischen Tieren, von einzelnen Körperteilen 
und Borstengruppen Mikrophotographien; sodann aber versuchte ich, 
sie möglichst lange am Leben zu erhalten. Auf Stückchen von Käse, 
Fleisch und feuchtem Brot, in Reagenzgläsern vor Austrocknung ge- 
schützt, verendeten sie in wenigen Tagen. Dagegen hielten sich 
einige in nasser Gartenerde mehrere Wochen lang gut beweglich. Als 
letzter verendete ein für die weiteren Untersuchungen nicht benutzter 
Wurm in der 5. Woche. So konnte ich also einige Würmer noch lebend 
erhalten bis zum Eintreffen der Oligochäten-Monographien von Fr. 
Vejdovsky (1879 und 1884), F. E. Beddard (1895) und W. 
Michaelsen (1900). Ich bestimmte sie als zum Genus Lumbri- 
cillus (Oerstedt 1844) gehörige. Da ich über die Spezies im 


Müller, Borstenwürmer im menschl. Körper (Pachydrilus lineatus). 153 


Zweifel bleib, teilte ich meinen Befund Herrn Prof. Michaelsen in 
Hamburg mit; dieser schrieb mir dankenswerterweise sofort, ohne 
meine Würmer gesehen zu haben, es sei zweifellos Lumbricillus 
lineatus (O. Fr. Müller 1774); es sei aber besser, nach seinem 
Vorschlage von 1889, den Namen Pachydrilus lineatus (O. Fr. 
Müll.) zu gebrauchen. Dieser Borstenwurm sei schon einigemal ver- 
dächtigt worden, auch im „menschlichen Darme vorzukommen ; jedoch 
sei ihm eine Veröffentlichung darüber nicht bekannt. Ich habe daher 
am 16. 6. 1922 meine Befunde in der Med.-wiss. Gesellschaft an der 
Universität Köln demonstriert und sie in deren Berichten veröffent- 
licht. — Eine zoologische genauere Beschreibung des Pach. lineatus 
erübrigt sich hier, da sie in dem Michaelsenschen Oligochätenwerke 
ausführlich gegeben ist; allerdings ohne Bilder. 

Herkunft der Würmer. R. Heymons 1926 verneint die Mög- 
lichkeit, daß Pach. lineatus im Menschen leben oder sogar sich 
entwickeln könne mit den Worten, daß Pach. lineatus sicherlich 
nicht imstande sei, sein Leben innerhalb des menschlichen Körpers zu 
fristen, wo er gezwungen sein würde, unter ganz abweichenden Be- 
dingungen zu leben und sich vor allem an die hohe Körperwärme an- 
zupassen, „denn man kennt keinen Ringelwurm, der als Innenbewohner 
im Körper eines Warmblüters leben kann“. Der letzte Teil des Satzes 
ist keine Begründung, wenn es sich um die Frage handelt, ob ein solcher 
Wurm im Körper leben könne; abgesehen von der Tatsache, daß ver- 
schluckte Blutegelchen, die doch auch zu den Ringelwürmern gerechnet 
werden können, im Körper des Menschen bisweilen sehr unangenehm 
werden. Die Annahme aber, daß Borstenwürmer bei Körperwärme 
nicht leben könnten, ist auch ohne Brutschrankversuche höchst unwahr- 
scheinlich, weil dann diese Unterklasse der Würmer in weiten tropischen 
Gebieten nicht vorkommen dürfte. Was aber das Leben im menschlichen 
Darme betrifft, so sind viele Beispiele bekannt, daß manche Tiere, die 
wie Pach. lineatus gewöhnlich in der Außenwelt leben, sich auch 
im Menschen entwickeln können: Fliegenlarven von Sarcophila 
bekeri (Tibaldi 1924, Keilin 1924) und von Eristalis tenax 
(Pumpelly 1925); geflügelte Käfer von Ontophagus fasciatus 
und Caccobius mutans (Senior-White 1920, Fletscher-1922 
und 1924), bei denen Fletscher sogar eine aktive peranale Ein- 
wanderung annimmt, die Darmentzündungen hervorriefen, und die, 
sobald sie mit der Defäkation gleichsam wieder das Licht der Welt 
erblickten, davonflogen; ferner Käferlarven von Niptus holo- 
leucus, die sich nach unsauberen Gonorrhöe-Einspritzungen in der 
Urethra entwickelten (Sternberg 1926); Tyroglyphus-Milben, 
nicht nur mit Nahrungsmitteln verschluckt, in die Fäzes gelangend, 
sondern sogar in der Harnblase gefunden (Dickson 1921); aber auch 
Würmer wie Gordius (Ransom), Paragordius varius in der 
menschlichen Harnblase (Stiles 1922) und Phreoryctes menke- 
anus in 2 Fällen (Pottiez 1925). Für alle diese Beispiele hätte 
man, ehe sie einwandfrei beobachtet waren, ganz entsprechende Gründe 
für ihr Unmöglichsein im Sinne von Heymons anführen können. 
Nun hat aber, kurz nach meiner vorläufigen Veröffentlichung vom 
August 1922, der bekannte amerikanische Entomologe L. O. Howard 
Ende September 1922 einen Fall veröffentlicht, bei dem ein Mann 
nicht nur monatelang Oligochäten (Spezies nicht angegeben), mit dem 
Harne ab und zu entleerte, sondern diese sogar vom Arzte mit dem 


154 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


Katheder aus der Blase herausgeholt wurden. Ich sehe keinen Grund, 
in diesem Falle den ärztlich erbrachten Beweis eines Vorkommens 
von Borstenwürmern im menschlichen Körper irgendwie zu bezweifeln. 
Howard nimmt an, daß diese Borstenwürmer (Eier?) künstlich in 
die Blase eingeführt worden seien und sich dort entwickelt hätten. Dies 
ist, bei der Häufigkeit von Fremdkörpern in der Blase, sicherlich die 
nächstliegende Erklärung; sie würde zu dem Befunde Sternbergs 
von Käferlarven in der Harnröhre passen. Ich möchte aber, wenn sie 
auch weniger wahrscheinlich ist, die Möglichkeit nicht ganz ablehnen, 
‘ daß Larven aus verschluckten Borstenwurmeiern im Körper ebenso 
wandern könnten wie die der Spul- und Hakenwürmer. Auch in dem 
Falle von Heymons wäre an diese Möglichkeit zu denken. Diese 
Frage kann vielleicht in Tierversuchen mit Pachydrilus-Eiern ent- 
schieden werden. — Jedenfalls habe ich keinen Grund, Michaelsen 
zu widersprechen, der mir 1922 schrieb: ‚Bei den biologischen Fähig- 
keiten dieses Wurmes könnte ich es verstehen, daß, er (als Eier im festen 
Kokon) den Magen passieren und sich im Darme entwickeln könnte“. 
Nach der Mitteilung von Heymons scheint ja Fülleborn in Hamburg 
derselben Meinung zu sein. — Das Vorkommen von Borstenwürmern im 
menschlichen Körper ist also im Gegensatze zur Ansicht von Heymons 
nicht nur nicht unmöglich, sondern bereits ärztlich festgestellt. 

In meinem Falle ist natürlich das Hervorkommen der Oligochäten 
aus dem menschlichen Körper nicht von einem Arzte gesehen worden. 
Für die Annahme eines beabsichtigten, vielleicht krankhaften Täu- 
schungsversuches gegenüber dem Hygienischen Institut liegt, wie ge- 
sagt, nicht der geringste Verdacht vor. Wer aber dies nicht gelten 
lassen will, der sei darauf hingewiesen, daß es kaum denkbar ist, daß 
die zoologisch nicht vorgebildete Ueberbringerin von den vielen in der 
Außenwelt vorkommenden Würmern gerade diejenige Spezies von 
Borstenwürmern sich hätte beschaffen können, die später als einzige 
von mehreren Forschern verdächtigt worden ist, im Menschen vor- 
zukommen. Ich erwähne dies, weil nach meinem Vortrage am 6. 6. 
1922 gefragt worden ist, ob absichtliche Täuschung auszuschließen sei. 

Wichtiger ist die Frage, ob die Würmer aus dem Spülwasser des 
Abortes, also aus dem Kölner Leitungswasser stammen konnten. Nach 
den Angaben der Oligochäten-Literatur lebt Pach. lineatus im 
Wasser besonders an Süßwasserpflanzen in ganz Europa; ferner in 
fauligen Flüssigkeiten, z.B. nach Michaelsen massenhaft in jauchigen 
Teilen der Kläranlagen in Hamburg-Eppendorf. Nach Michaelsen 
ist auch Pach. subterraneus (Vejdovsky), welcher sogar in 
unterirdischem Grundwasser in Prag und Lille gefunden worden ist, 
identisch mit Pach. lineatus. Ist es also möglich, daß die Würmer 
mit der Grundwasserversorgung Kölns (täglich rund 100000 m3 aus 
luftdicht verschlossenen Rohrbrunnen), vielleicht aus dem großen 
Sammelbecken von 20000 m3, dorthin gespült worden sind? Heymons 
lehnt für die Charlottenburger Wasserversorgung diese Annahme ab. 
Auch in Köln ist im Laufe eines Vierteljahrhunderts kein Vorkommen 
sichtbarer Würmer im Leitungswasser bekannt geworden; und wenn 
der sehr auffallende Pachydrilus auch nur in vereinzelten Fällen 
in Eimern, Kannen, Trink- und Waschgefäßen erschienen wäre, so wären 
unzweifelhaft Beschwerden eingelaufen. Außerdem aber war in meinem 
Falle eines der jetzt meist gebrauchten Auswaschklosette mit teller- 
artiger Fäzesfläche benutzt worden. Es mußten sich also die vielen 


Müller, Borstenwürmer im menschl. Körper (Pachydrilus lineatus). 155 


Würmer in der kleinen Menge Wassers befunden haben, die sich vor 
der Defäkation auf dem Auffangteller befand. Daß eine solche Menge 
von lebhaft beweglichen braunroten Würmern von 2 cm Länge auf 
weißem Grunde von der normalsichtigen Person in dem gutbeleuchteten 
Abort übersehen worden seien, ist kaum glaubhaft; ebensowenig daß 
der größte Teil der Würmer in wenigen Augenblicken auf die soeben 
entleerten Fäzes gekrochen sei. Unmöglich aber ist, daß die Würmer 
sich im Abfluß-Wasserverschluß eines solchen Auswaschklosetts trotz 
des häufigen, sehr kräftigen Durchspülens angesiedelt hätten und dann 
gleichzeitig und nur einmal zu Hunderten in den Wasserteller hinauf- 
geklettert seien. Bei der Untersuchung des Spülkastens am nächsten 
Tage wurden keine Würmer gefunden. Nach alledem ist nicht an- 
zunehmen, daß die Würmer sich schon vor der ‚Defäkation im Klosett- 
wasser befanden. 

Die Würmer stammen also aus dem Körper der Ueberbringerin. 
Daß sie aus dem Darme, nicht aus der Blase oder Vagina kamen, dafür 
sprechen auch die Darmbeschwerden bis zu der Entleerung und das Ver- 
schwinden der Beschwerden in den nächsten Tagen. Bemerkenswert 
ist, daß die Würmer nur einmal und in großer Zahl festgestellt wurden; 
in den folgenden Tagen wurden trotz aufmerksamen Suchens Keine 
mehr gefunden. 

Die Aufnahme so vieler Würmer, vielleicht mit pflanzlicher 
Nahrung, im erwachsenen Zustande ist nicht denkbar. Vermutlich 
wurden einmal viele Eier gleichzeitig verschluckt. Ueber die Ent- 
wicklung von Pachydrilus aus seinen Eiern ist zu wenig bekannt; 
es ist also vorläufig fruchtlos, über das Schicksal verschluckter Pachy- 
drilus-Eier Vermutungen zu äußern. Vielleicht bringen einmal, wie bei 
Ascaris, Tierversuche Klarheit. 


Zusammenfassung. 


Eine Kranke entleerte einmalig zahlreiche Borstenwürmer (Pachy- 
drilus lineatus); ihre Darmbeschwerden verschwanden daraufhin. 
Die Annahme von R. Heymons (1926), daß Borstenwürmer im 
menschlichen Körper nicht leben könnten, war schon 1922 widerlegt. 


Schriftennachweis. 


Beddard, Fr. Ev., A monography of the order of Oligochaeta. Oxford 
1895. — Dickson, W. E. C., Journ. of trop. Med. and Hyg. Vol. 24. 1921; 
Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg. 1922. S. 87. — Fetscher, T. B., Indian med. 
Gaz. Vol. 57. 1922. p. 227 and Vol. 59. 1924. p. 296. (Zentralbl. f. Hyg. Bd. 10. 
1925. S. 390.) — Heymons, R., Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 99. 1926. 
S. 153. — Howard, L. O., Journ. of Parasitol. Vol. 9. 1922. p. 39. — Keilin, 
D., Parasitol. Vol. 16. 1924. — Michaelsen, Wilh., Oligochaeta. (Das Tier- 
reich. Bd. 10.) Berlin 1900. — Müller, Reiner, Münch. med. Wochenschr. 
1922. 1168. — Pottiez, Bull. de l'Acad. Roy. de Méd. de Belg. T. 5. 1925. 
p. 672. (Zentralbl. f. Hyg. Bd. 13. 1926. S. 259.) — Pumpelly, Will. C., 
Journ. Amer. med. Assoc. Vol. 84. 1924. p. 37. — Ransom, B. H., zit. nach 
W. D. Pierce, Sanitary Entomology. Boston 1921. p. 78. — Senior-White, 
R. A., Indian Journ. of med. Res. Vol. 7. 1920 (Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg. 
1921. S. 386.) — Sternberg, H Ugo, Klin. Wochenschr. 1926. S. 229. — 
Stiles, Journ. Parasitolog. Vol. 9. 1922. p. 39. — Tibaldi, Ettore, Boll. d. 
Soc. Med.-chir. Pavia. T. 36. 1924. p. 365. (Zentralbl. f. Hye. Bd. 10. 1925. S.389). 
Vejdovsky, Franz, Beiträge zur vergleichenden Morphologie der Anneliden. 
Bd. 1. Prag. 1879. — Ders., System und Morphologie der Oligochäten. Prag 1884. 


156 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


Nachdruck verboten. 


Zur Technik der Anaërobenzüchtung, 


[Aus dem Staatlichen Veterinäruntersuchungsamt Potsdam (Leiter: 
Veterinärrat Dr. R. Standfuß).] 


Von Dr. V. Goerttler, I. Assistent. 


Die Tatsache, daß immer wieder neue Verfahren und Verbesse- 
rungen alter zur Anaérobenziichtung veröffentlicht und in Anwendung 
gebracht werden, beweist zur Genüge, daß die Frage noch keineswegs 
als gelöst anzusehen ist. Aus diesem Grunde erscheint es angebracht, 
daß alle diejenigen Untersucher, die ein in irgendeiner Hinsicht be- 
sonderes Züchtungsverfahren mit Erfolg anwenden, dasselbe auch in 
kurzer Form bekanntgeben. 

Die Feststellung der erzielten Luftleere bzw. der im Kultur- 
gefäB noch vorhandenen Sauerstoffmengen ist bei’der Anaéroben- 
züchtung recht wichtig (Schattenfroh), weil aller Wahrschein- 
lichkeit nach die Sauerstoffspannung das Wachstum der Anaéroben 
beeinflußt. Genaue Untersuchungen über diese Beziehungen unter Be- 
rücksichtigung der Mengenverhältnisse liegen bezüglich der Erreger 
tierischer Gasbranderkrankungen meines Wissens allerdings noch nicht 
vor, wenngleich feststeht, daß das Wachstum der betreffenden Bak- 
terien am besten bei einem Luftdruck von 15—40 mm Quecksilber 
vor sich geht, während es bei einem außerhalb dieser Grenzen liegenden 
Luftdruck teilweise stark verzögert oder sehr wechselnd oder gar nicht 
einsetzt. 

Häufig geschieht nun die Prüfung der im Kulturgefäß vorhandenen 
Sauerstoff- oder Luftmengen mit ganz untauglichen Mitteln. Es bedarf 
keines Hinweises, daß hierher vor allem die Beurteilung nach der 
Farbenänderung der Blutagarplatten oder des Kalilauge-Pyrogallol- 
gemisches zählen. In beiden Fällen fehlt ein einwandfrei feststehender 
oder festzustellender „Nullpunkt“ oder überhaupt ein Maßstab für den 
Grad des Farbenumschlages, der ganz verschieden beurteilt werden 
kann. Zudem ist die Farbe der Blutplatten schon vor dem Auspumpen 
häufig recht wechselnd, während die Kalilauge-Pyrogallolverbindung 
schon an sich nur langsam Sauerstoff aufnimmt, was für die Sauerstoff- 
abgabe aus dem Nährboden von besonderer Bedeutung ist. Das Aus- 
pumpen mit der Wasserstrahlluftpumpe nach einer bestimmten Zeit 
gibt naturgemäß ebenfalls keine Gewähr für die Erzielung einer be- 
stimmten oder in mehreren Versuchen annähernd gleichen Luftspannung, 
weil sich der Wasserdruck in einer Leitung erfahrungsgemäß recht 
schnell ändern kann. v. Riemsdijk hat die Reduktion von Methylen- 
blau für die Angabe der erzielten Luftleere herangezogen. Das Ver- 
fahren ist aber ziemlich umständlich und gibt nach meinen Versuchen 
keineswegs eindeutige Resultate. 

In den meisten Instituten befinden sich an den Wasserstrahl- 
luftpumpen Dosenmanometer. Mit diesen Instrumenten geschieht 
die Feststellung des Luftgehaltes in völlig unzureichender und zu Trug- 
schlüssen Anlaß gebender Weise. Einmal weichen die Angaben mehrerer, 
hintereinander geschalteter und zu gleichen Zeiten abgelesener Dosen- 
manometer zum Teil ganz erheblich voneinander ab. Allerdings — und 
dies ist ein weiterer Beweis für die Mangelhaftigkeit dieser Instrumente 


Goerttler, Zur Technik der Anaérobenziichtung. 157 


— zeigen bei einem nur einigermaßen genügenden Wasserdruck nach 
kürzerer oder längerer Zeit (in der Regel nach einer 1/, Std.), alle 
beispielsweise an einen Maaßenschen Apparat angeschlossenen Mano- 
meter einen luftleeren Raum an. (Zum Teil geht der Zeiger, wenn der 
Anschlag nicht genau eingesetzt ist, noch über die Marke hinaus.) 
Schon bei einer einfachen Prüfung durch ein Kalilauge-Pyrogallol- 
gemisch, noch mehr aber bei Benutzung eines Quecksilbermanometers, 
zeigt sich deutlich, daß von Luftleere oder auch nur starken Luftver- 
dünnungen gar keine Rede sein kann (siehe Tabelle). Ein Grund dafür, 


Versuchsbeispiele. 



































Dosen- | Hg- Dosen- | Hg- 
Zeit Manometer Bemerkungen Zeit Manometer Bemerkungen 
an der| im an der| im 
Pumpe | Glase « ‚Pumpe | Glase | 
10°Vm.| — — | Beginn des Aus- | 1200 — | — | Beginn des Aus 
10% 5 66 umpens eines 11/2 1210 40 68 umpers eines 11/2 
ios z | 2 | f9 | Fee | 1o as | Sa | Eiter. ivockglases 
10% , 76 35 12% 76 45 
1° , 28 1945 | 39 rer a Pum- 
Ta » 1 1 76 37 Seeatliebea "von 
8 g Pyrogallol u. 
114° x 15 Beendigung d. Aus- 32 28 | 200 an Kops. 
ner] z | 13 | mm | do | a AU 
2°Nm. 11 id re a i 
300 5 | 7 | KO x proz. 








daß die am Druckmesser angezeigte und die tatsächlich erzielte Saug- 
spannung der Luft nicht übereinstimmen, mag auch darin zu suchen 
sein, daß die Druckmesser in der Regel nicht am leer zu pumpenden 
Gefäß, sondern dicht an der Pumpe angebracht sind, wo naturgemäß 
eine größere Luftleere herrscht. Jedenfalls sind die Dosendruckmesser 
für eine genaue Feststellung von Saugspannungen der Luft zurzeit 
nicht geeignet, da sie durchaus unzuverlässig arbeiten. 

Schon im Jahre 1906 hat A. Meyer (Centralbl. f. Bakt. 
II. Orig.) einen ausgezeichneten Quecksilberluftdruck messer für 
die Zwecke der Anaërobenzüchtung beschrieben. Dieses Manometer hat 
aber meines Wissens in der bakteriologischen Praxis keinen weiteren 
Eingang gefunden, vermutlich wohl deshalb, weil die in dem Kul- 
turgefäß nach dem Auspumpen noch vorhandene Sauerstoffmenge 
nicht abgelesen werden kann, sondern nach recht komplizierten 
Formeln unter Berücksichtigung der Temperatur berechnet werden 
muß. Durch die Berechnung erhält man dann allerdings ganz genaue 
Angaben über den Sauerstoffgehalt in mg in einem Liter. Nun 
ist aber eine so genaue Bestimmung der Sauerstoffmenge für die 
Anaérobenziichtung im allgemeinen nicht nötig, es genügt vollauf 
die Kenntnis des nach Abschluß des Auspumpens im Kulturgefäß 
noch bestehenden Luftdruckes. Um diesen festzustellen, verwende ich 
seit langem, bereits vor Kenntnis der Arbeiten von Meyer und Groet- 
schel, einen einfachen, auf eınem Holzbrettchen befestigten Queck- 
silberluftdruckmesser ohne Thermometer. Dieses Instrument kommt in 
jedes Kulturgefäß und so kann der im Inneren desselben herrschende 
Luftdruck nach der Höhe der Quecksilbersäule jederzeit in mm Queck- 
silber abgelesen werden. Das Ablesen muß bei annähernd der gleichen 
Temperatur erfolgen, da auch bei gleichem Luftdruck die Höhe der 


158 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


Quecksilbersäule durch Wärmeunterschiede eine Veränderung erfährt. 
Für genaue Untersuchungen ist also außerdem das Einsetzen eines 
Thermometers oder überhaupt die Vornahme der von Meyer an- 
gegebenen Berechnung zu empfehlen. 

Bei Gebrauch dieses Luftdruckmessers können mehrere Gefäße 
genau bis zu dem gleichen Grade ausgepumpt werden, außerdem kann 
nach der Bebrütung leicht und sicher festgestellt werden, ob und in- 
wieweit sich der Luftdruck im Inneren des Gefäßes verändert hat. Alle 
die teils ganz primitiven (Beobachtung des „Zischens‘ beim Oeffnen) 
oder umständlichen Verfahren (cf. Lode) zur Feststellung der Dichtig- 
keit sind dann überflüssig. | 

Die meisten Bakteriologen pumpen zur Erzielung anaërober 
Verhältnisse das KulturgefäB aus und lassen dann bestimmte, bis 
dahin durch mehr oder weniger umständliche Verfahren auseinander 
gehaltene Mengen von Pyrogallol und Kalilauge zusammenfließen. Dieses 
Vorgehen bringt manche Unbéquemlichkeiten mit sich: das Pyrogallol 
färbt sehr stark Hände und Kleidungsstücke, beim Schiefstellen der 
Bebrütungsapparate rutschen diese häufig ab, so daß die Kalilauge und 
das Pyrogallol vorzeitig zusammenfließen, wodurch der gewünschte Er- 
folg vereitelt wird. Erfolgt das Einfüllen der Kalilauge nach dem von 
Groetschel oder Baumann angegebenen Verfahren, so müssen die 
Kulturgefäße mit Ansätzen zur Aufnahme eingeschliffener Glasstopfen 
versehen sein, was häufigen Glasbruch zur Folge hat. Diese Nachteile 
bei Verwendung von Pyrogallol und Kalilauge wären aber wohl in Kauf 
zu nehmen, wenn eine erhebliche Sauerstoffbindung über das Auspumpen 
hinaus erzielt würde, wenn man ohne diese Methode für die Anaéroben- 
züchtung günstige Verhältnisse nicht schaffen könnte. Beides ist aber 
gar nicht der Fall. Die Sauerstoffbindung ist nur recht gering und 
hängt von allerlei Zufälligkeiten, wie Güte des Pyrogallols, Prozent- 
gehalt der Lösung an Kalilauge, Menge der noch im Gefäß vorhandenen 
Sauerstoffmengen, Feuchtigkeitsgehalt, Temperatur usw., ab, so daß 
bei Verwendung gleicher Mengen von Pyrogallol und Sauerstoff keines- 
wegs immer gleiche Mengen Sauerstoff gebunden werden. v. Riems- 
dijk hat über die Wirkung von Pyrogallol und Kalilauge sehr ein- 
gehende Versuche, leider nicht unter Prüfung mit dem Quecksilberluft- 
druckmesser, sondern unter Berücksichtigung des Farbenumschlages 
von Methylenblau, angestellt. Im wesentlichen kommt v. Riemsdijk 
zu dem auch bei meinen Versuchen festgestellten Ergebnis: Es ist bei 
Sauerstoffadsorption durch Pyrogallol und Kalilauge nicht möglich, 
mit Sicherheit eine bestimmte Sauerstoffspannung zu erzielen. Das 
kann nur beim Auspumpen geschehen, da man hier die Sauerstoff- 
entnahme dann abbrechen kann, wenn die geringste Spannung er- 
reicht ist. 

Aus der beigefügten Tabelle geht mit aller Deutlichkeit hervor, 
wie wenig Sauerstoff in der Regel durch Pyrogallol-Kalilauge auf- 
genommen wird. Immer wieder habe ich mit dem Quecksilberluftdruck- 
messer die Sauerstoffaufnahme durch Pyrogallol-Kalilauge geprüft, ohne 
mich jedoch von dem Wert dieses Verfahrens überzeugen zu können. 
Nach meinen Versuchen vermochten die doppelten der gewöhnlich in 
Anwendung kommenden Mengen von Kalilauge und Pyrogallol den Luft- 
gehalt im Bebrütungsgefäß nur um etwa 10—15 mm Quecksilber herab- 
zusetzen (vgl. die beiliegende Tabelle, die nur Versuchsbeispiele zeigt. 
Eine Wiedergabe aller im wesentlichen übereinstimmenden Protokolle 
muß mit Rücksicht auf Raumersparnis unterbleiben). Bei genügend 


Goerttler, Zur Technik der Anaérobenziichtung. 159 


langem Auspumpen mit der Wasserstrahlluftpumpe kann der Luftdruck 
bis auf etwa 10 mm Quecksilber herabgesetzt werden, erst dann, wenn 
eine noch größere Luftleere erzielt werden soll, ist die Anwendung von 
Pyrogallol und Kalilauge notwendig. Da das Wachstum der Rausch- 
brand- und Pararauschbrandbazillen bei etwa 15—40 mm Quecksilber- 
stand am besten vor sich geht, kann im allgemeinen von der Anwendung 
des Pyrogallol-Kalilaugeverfahrens Abstand genommen werden. 

Hier sei noch kurz auf die Austrocknung der Nährbodenplatten 
durch die Pyrogallol-Kalilaugenmischung Bezug genommen. Wie ich an 
anderer Stelle (Berl. Tierärztl. Wochenschr. 1926. Nr. 37, S. 605 ff.) 
näher ausgeführt habe, ist der Feuchtigkeitsgehalt der Platten von weit- 
gehendem Einfluß auf das Wachstum der Anaéroben in Einzelkolonien. 
Die Trocknung der Platten erfolgt meistens vor der Bebrütung im Brut- 
schrank oder bei Zimmertemperatur. Da aber in beiden Fällen die be- 
stimmenden Einflüsse wechseln und aus diesem Grunde der notwendige 
Feuchtigkeits- bzw. Trockenheitsgrad des Nährbodens nur schwer mit 
einigermaßen Sicherheit erzielt werden kann, suchte ich nach einem 
anderen Verfahren. Einem Vorschlag von Herrn Oberregierungs- und 
Veterinärrat Dr. Francke folgend, trocknete ich die Platten durch 
Kalziumchlorid. (Wie mir Herr Oberreg.-Rat Prof. Dr. Gildemeister 
nach Empfang meines Manuskriptes liebenswürdigerweise mitteilte, 
ist das Trocknen von Nährbodenoberflächen mittels Kalziumchlorid 
bereits im Jahre 1916 von Herrn Dr. Rhein, dem damaligen Assi- 
stenten von Herrn Oberreg.-Rat Prof. Dr. Gildemeister, im Cen- 
tralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 79. S. 557 beschrieben worden.) 

Eine mit Kalziumchlorid gefüllte offene Petri-Schale wurde 
auf den Boden des Aufnahmegefäßes für die Kulturplatten gestellt. 
Ueber diese Schale setzte ich die frisch gegossenen und schon beimpften 
Platten. Bereits während des Auspumpens zeigte sich die Wasserauf- 
nahme und nach kurzem Brutschrankaufenthalt war die Kalziumchlorid- 
schale mit Flüssigkeit gefüllt. Durch wechselnde Mengen von Kalzium- 
chlorid konnte der Feuchtigkeitsgehalt der Platten leicht in der ge- 
wünschten Weise geregelt werden. Da das Kalziumchlorid nur schwer 
völlig wasserfrei aufzubewahren ist, muß die jeweils notwendige Menge 
durch Versuche bestimmt werden. Zu diesem Zweck setzte ich in der 
Regel 2 Gläser, die mit den gleichen Stämmen beimpfte Platten ent- 
hielten, an. In das eine Glas gab ich 5 g Kalziumchlorid und in das 
andere 7,5 g. Es kann natürlich auch weniger oder mehr genommen 
werden, im allgemeinen aber schwankt die notwendige Menge in den 
angegebenen Grenzen. So können bei diesem Verfahren die Platten 
bis zu dem gewünschten Grade ausgetrocknet werden und außerdem 
hat man -noch den Vorteil, die Platten sofort nach dem Gießen be- 
impfen zu können, so daß sich Verunreinigungsbakterien nicht störend 
bemerkbar machen, wie es bei längere Zeit oder auch nur einige Tage 
aufbewahrten Traubenzuckerblutagarplatten so häufig der Fall ist. 

Nach dem Vorgange von Hilgers, Brekenfeld, Kirchner 
und Lode verwende ich seit langem mit bestem Erfolg als Brutgefäße 
zur Aufnahme der Kulturschalen Weckgläser. Die Gläser werden in 
einem großen, mit Manometer versehenen Exsikkator (Glasglocke über 
einer Glasplatte, die Ränder der Glocke sind mit der Platte ein- 
geschliffen) ausgepumpt. Das Weckglas bleibt so lange offen, als der 
in ihm herrschende Druck stärker ist als der Druck im Exsikkator. 
Sobald in diesen Luft eingelassen wird, schließt sich das Weckglas 
sofort. Die Weckgläser müssen auf Dichtigkeit geprüft werden, was 


160 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3. 


leicht mittels des eingestellten Quecksilbermanometers geschehen kann. 
Der Verschluß durch den Gummiring hält auch ohne den von Kirch- 
ner empfohlenen Drahtring dicht, wenn an den Rändern des Glases 
oder Deckels keine Unebenheiten vorhanden sind. Weder der Gummi- 
ring noch die eingeschliffenen Glasflächen dürfen eingefettet werden. 
Der Verschluß hält nicht dicht, wenn 2 Gummiringe eingelegt werden. 
Die Gummiringe sind im allgemeinen nicht häufiger als 5—10mal zu 
benutzen. 

Die Weckgläser beanspruchen im Brutschrank nur wenig Raum, 
viel weniger als die unhandlichen MaaBen schen Apparate, auch fehlen 
die bei diesen erfahrungsgemäß häufig abbrechenden Glashähne und 
Ansätze. Der billige Preis der Weckgläser dürfte ebenfalls ins Gewicht 
fallen. Serienversuche, die mit Maaßenschen Apparaten ihrer Größe 
und ihres hohen Preises wegen (kleine und mittlere Institute haben 
in’ der Regel nicht mehr als 2 Apparate) nur selten durchgeführt 
werden, können mit Einmachgläsern leicht vorgenommen werden. 

Zusammenfassung. 

Es wird für die Anaörobenzüchtung empfohlen: 1) Das Einsetzen 
eines einfachen Quecksilberluftdruckmessers in jedes Kulturgefäß, um 
jederzeit von der im Innern des Glases herrschenden Luftspannung 
Kenntnis nehmen zu können. — 2) Das Fortlassen der Pyrogallol-Kali- 
lauge-Mischung, da die hierdurch erzielte Sauerstoffbindung im Einzel- 
falle recht wechselnd und nur gering ist, und da allein durch Aus- 
pumpen eine wenigstens für die Züchtung der tierischen Gasbranderreger 
völlig genügende Luftleere erzielt werden kann. — 3) Das Einsetzen 
einer Kalziumchloridschale zum Trocknen der Platten in die Kultur- 
gefäBe. — 4) Die Verwendung von Einmachgläsern (Weckgläsern), 
die in einem Glockenexsikkator ausgepumpt werden, an Stelle der kost- 
spieligen und unhandlichen Maaßenschen Apparate mit ihren Ab- 
änderungen. 

Berichtigung. 


In Bd. 99. Heft 4/5. Abt. I der Originale ist im Inhaltsverzeichnis auf S. 352 zu 
lesen im Titel der Arbeit von Erich Wirth statt Staphylokokken: Streptokokken. 


Inhalt. 


Goerttler, V., Zur Technik der Anaéroben- | Mießner, H., u. Baars, G., Immunisierung 








züchtung, S. 156. 

Klimmer, M., u. Haupt, H., Beitrag zur 
Trennung verschiedener tierpathogener 
und saprophytischer Streptokokken (des 
Streptococcus agalacticae, Str. 
lacticus, Str. equi, Str. abortus 
equi und des Str. pyogenes equi), 
S. 126. 

Kliewe, H., Variabilitätsstudien und Grup- 
peneinteilung bei Diphtheriebazillen und 
anderen Corynebakterien, S. 6. 

—, Variabilitätsstudien und Gruppenein- 
teilung bei Diphtheriebazillen und an- 
deren Corynebakterien. II, 8. 44. 

Krijgsman, B. J., Die Therapie der Kok- 
adioa, I. Teil: Die Kokzidiose der Ka- 
ninchen. Mit 7 Abbildungen im Text 
und 1 Tafel, S. 108. 





gegen Lyssa der Hunde mit Lyssin, 

8. 79. 

Müller, Reiner, Borstenwürmerim mensch- 
lichen Körper (Pachydriłus linea- 
tus). Mit 1 Abbildung im Text, S. 151. 

Preisz, H. v., Zwei eigenartige Varianten 
des Pestbazillus. Mit 1 Tafel, S. 65. 

Pribram, Ernst, Die Gruppe des B. sep- 
ticaemiaehaemorrhagicae, S. 78. 

Schwarze, E., Zur Biologie eines bei Ferkel- 
sterben gefundenen Streptokokkus, S. 148. 

Shwartzman, Gregory, The rate of re- 
duction of methylene blue by Bacillus 
eoli in the course of the Bacteriophage 
phenomenon. With 2 fig. in text, S. 61. 


| Zuelzer, Margarete, Ueber Bacterium 


spirilloides n. sp., ein bisher unbe- 
kanntes Bakterium. Mit 2 Tafeln, S. 1. 





Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena — 5548. 


Centralbl. f Bakt. ete. I. Abt Originale. Bd. 101. Heft 4 


Ausgegeben am 3. Januar 1927. 





Nachdruck verboten. 
Artumwandlung in der Enteritisgruppe. 


Il. Mitteilung. 


[Aus dem Hygienisch-bakteriologischem Institut des Hauptgesundheits- 
amtes der Stadt Berlin.] 


Von Prof. Dr. E. Seligmann. 


Vor kurzem hatte ich in einer 1. Mitteilung ,,Artumwandlung in 
der Enteritisgruppe‘ 1) über einen alten Stamm des Bact. enteritidis 
Gärtner (Stamm Halle) berichtet, der nach jahrzehntelangem ein- 
wandfreien Verhalten auf künstlichen Nährböden seinen Gärtner- 
charakter verloren hatte und sich in 2 Varianten aufspalten ließ, deren 
eine einen echten Paratyphus B vorstellte, während die andere sich 
als ein Sonderstamm erwies, kulturell dem Gärtnerbazillus ent- 
sprechend, serologisch und antigen aber von ihm und Paratyphus B ver- 
schieden. Ich hatte erwähnt, daß unser Befund seine Vorgänger in 
Beobachtungen hatte, die Sobernheim und ich 1910 mitgeteilt haben, 
Beobachtungen, die ebenfalls über das Auftreten von Paratyphusbazillen 
in Gärtnerkulturen berichteten. Heute bin ich in der Lage, Nachfolger 
zu bringen. Dies nun so vielfach festgestellte Verhalten erhebt sich 
damit über den Charakter der Kuriosität und macht den Anspruch, 
als ein naturgeschichtliches Phänomen bewertet zu werden. In der offen- 
bar noch unzureichend stabilisierten Gruppe der Enteritisbakterien 
kommt es zu Umwandlungen kultureller, agglutinatorischer und antigener 
Art, die soweit gehen, daß sie kaum anders denn als Artumwandlungen 
aufgefaßt werden können. Ich komme damit auf die Schlußfolgerungen 
zurück, die ich in Gemeinschaft mit Sobernheim bereits 1910 gezogen 
hatte und seitdem in zahlreichen Beobachtungen bestätigt gefunden habe. 

Die Erfahrungen mit dem Stamm Enteritis Halle boten Anlaß, 
auch die übrigen alten Laboratoriumskulturen wieder einmal einer 
Durchsicht zu unterziehen. Von 12 Stämmen, die auf der Agarplatte 
teils in zackigen, leicht gekörnten, teils in kreisrunden glasigen Kolo- 
nien wuchsen, zum Teil auch ein Gemisch beider Kolonietypen zeigten, 
wiesen 3 Besonderheiten auf. Ueber sie wird im Folgenden berichtet: 

1) Stamm Drigalski (s. Sobernheim u. Seligmann, 
Zeitschr. f. Immunitätsf. VI. 1910. S. 420); der alte Neunkirchener 
Stamm war stets einwandfreie Gärtnerkultur gewesen, hatte ein 
sehr vielseitiges Immunserum geliefert, das alle Typen von Gärtner- 
stämmen gut beeinflußte. Auf Agarplatte ausschließlich gekörnte, un- 
durchsichtige, zackige Kolonien, die mit Paratyphus B-Serum bis 
zur Titergrenze, agglutinierten, mit Gärtnerserum aber versagten. 
Ein mit einer solchen Kultur von Kaninchen gewonnenes Immunserum 
erwies sich als reines, hochwertiges Paratyphus B-Serum, das B- 


1) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 99. 1926. 
Erste Abt. Orig. Bd. 101. Beft 45. 11 


162 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


Stämme verschiedenster Herkunft agglutinierte, Gärtnerstämme da- 
gegen unbeeinflußt ließ. 

2) Stamm Frankenhausen (s. Sobernheim und Selig- 
mann, S. 414); ebenfalls ein alter Stamm aus der bekannten Epidemie 
vor etwa 20 Jahren; gleichfalls als Gärtnerstamm serologisch 
charakterisiert. Bei einer Prüfung im Dezember 1923 hatte er sein 
Agglutinationsvermögen eingebüßt, reagierte auch nicht mit Paratyphus 
B-Serum. Die Plattenaussaat ergab jetzt: kreisrunde, glasige Kolonien, 
daneben unregelmäßig gezackte, leicht gekörnte, undurchsichtige Formen. 
Beide verhielten sich agglutinatorisch gleich; sie wurden von B-Serum 
bis zur Titergrenze beeinflußt, von Gärtnerserum nicht berührt. 
Serumherstellung am Kaninchen mißlang mit lebenden Kulturen, wie 
fast immer bei Paratyphusstämmen, gelang dagegen mit bei 56° ab- 
getöteten Bakterien. Es resultierte ein hochwertiges Paratyphus B- 
Serum, das Paratyphusstämme jeder Art gut agglutinierte, Gärtner- 
stämme unbeeinflußt ließ. 

3) Stamm Gärtner Fr (s. Sobernheim u. Seligmann, 
S. 413ff.); ein alter, noch von C. Fraenkel gezüchteter Enteritis- 
stamm, ebenfalls serologisch bisher einwandfrei. Plattenaussaat ergab 
nur gezackte, gekörnte, undurchsichtige Kolonien. Agglutination negativ - 
mit Paratyphus B- und Gärtnerserum; positiv dagegen mit dem 
Serum „Halle zackig‘‘, das ich in der vorhergehenden Arbeit be- 
schrieben hatte (Sonderstamm, der mit Paratyphus B und Gärtner 
keine serologische Verwandtschaft aufwies). Diese Agglutination des 
Stammes Gärtner Fr. war nicht sehr hochgradig; nur einzelne der 
Tochterkulturen gingen bis zur Titergrenze. Mit einer von diesen (Fr. 2) 
wurde ein Immunserum hergestellt; es gelang leicht mit lebenden Bak- 
terien. Das Serum erwies sich als ein Gärtnerserum, das Gärtner- 
stämme verschiedener Herkunft kräftig bis zur Titergrenze beeinflußte 
(4000). Es zeigte daneben deutliche Mittagglutination für Paratyphus 
B (bis 1000, gelegentlich sogar 2000) und mäßige Mitagglutination 
für Stamm „Halle zackig“. 

Ueberblicken wir die Ergebnisse, so müssen wir folgern: abermals 
haben sich aus echten Gärtnerstämmen echte Paratyphus B- 
Bazillen entwickelt (Drigalski und Frankenhausen). Die Ent- 
wicklung ist vollständig; andere Varianten fehlen; die Kulturen ent- 
halten nur Paratyphus B-Keime. Weniger weit ist die Entwicklung 
bei dem Stamm Gärtner Fr. gegangen; er hat die Agglutinabilitat 
für Gärtnerserum verloren, eine neue nur in geringem Maße an- 
genommen und seinen antigenen Charakter im wesentlichen bewahrt. 
Seine Entwicklung ist offenbar noch nicht abgeschlossen. 


Wolff, Ueber ein auch bei tropischer Temp. steriles Wasser lieferndes Filter. 163 


Nachdruck verboten. 
Ueber ein auch bei tropischer Temperatur steriles Wasser 
lieferndes Filter. 


[Aus dem Pharmaco-therapeutischen Laboratorium der Universität 
Amsterdam (Dir.: Prof. E. Laqueur).] 


Von L. K. Wolff. 


Mit 1 Abbildung im Text. 


Es ist zurzeit möglich, Wasser im großen so zu reinigen, daß es 
sich ohne weitere Maßnahmen zum menschlichen Gebrauch eignet. 
Verschiedene Methoden stehen hierfür zur Verfügung: langsame und 
schnelle Filtration durch Sand; Behandlung mit Chlor usw. Eine viel 
schwierigere Aufgabe ist es jedoch, Wasser in kleineren Mengen 
so zu reinigen, daß es ruhig als Trinkwasser gebraucht werden 
kann. Es sind zwar viele Methoden beschrieben worden, aber bisher 
hat sich in der Praxis keine einzige verwerten lassen. Wohl ist es 
zweifellos möglich‘, mit Hilfe von Chemikalien infiziertes Wasser 
zu sterilisieren; jedoch sind mit dieser Methode große Schwierigkeiten 
verbunden. Bei einigen chemischen Methoden behält das Wasser einen 
deutlichem Geschmack nach dem für die Behandlung gebrauchten Stoff. 
So schmeckt Wasser, das mit Halazone (1) behandelt wird, deutlich 
nach Chlor, wenn auch nicht so stark, daß es den Gebrauch als Trink- 
wasser behindert. Andere chemischen Methoden bedienen sich zweier 
chemischen Prozesse, wobei der 2. dazu dienen muß, den Ueberschuß 
des 1. zu beseitigen. Diese Methoden erfordern jedoch größere che- 
mische Kenntnisse, als man beim Laien voraussetzen darf. 

Im Laufe der Zeit sind viele physikalische Filtrationsmethoden 
zur Reinigung kleiner Wassermengen beschrieben worden, von denen 
sich aber auch keine bisher als tauglich erwiesen hat. Die 
Kerzen von Chamberlain und Berkefeld verstopfen sich bald 
und die Bakterien wachsen nach einigen Tagen hindurch. Durch Aus- 
glühen kann man die Kerzen wohl nach dem Gebrauch wieder benutz- 
bar machen, aber nur schwer, und oft gehen sie bei dieser Be- 
handlung entzwei. Ein wirklich geeignetes Sandfilter zum Gebrauche 
für kleine Mengen ist bis heute noch nicht beschrieben worden. Das 
einfachste Verfahren war bisher das Kochen, wobei sich aber der Ge- 
schmack meistens in unangenehmer Weise verändert; besonders in 
warmen Ländern ist die Abkühlung dieses gekochten Wassers nicht 
einfach. Es liegt auf der Hand, daß ein Filter, das in kleinen 
Mengen stark infiziertes Wasser steril macht, von außergewöhnlicher 
Bedeutung überall dort sein muß, wo keine gute Wasserleitung be- 
steht und nur ein verdächtiges oder Flußwasser zur Verfügung steht. 
Besonders für die warmen Länder muß solch ein Filter direkt eine 
Wohltat sein, weswegen ich auch gern der Bitte von Prof. Grijns 
Folge geleistet habe, die von ihnen begonnenen Versuche fortzusetzen. 

Kraus und Barbara (2) waren die ersten, die behauptet haben, 
daß es möglich sei, Wasser — und auch andere Flüssigkeiten —, die 
zuvor mit Cholera- und Typhusbazillen verseucht waren, steril zu 
machen, indem man sie einige Std. mit Tierkohle schüttelte und dann 
abfiltrierte. Aehnliche Versuche hat auch G. Salus (3) gemacht. Es 

347 


164 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


war im übrigen schon bekannt, daß Kohle Bakterien absorbieren kann. 
Sie hat das mit fast allen im Wasser fein verteilten Stoffen (4) ge- 
mein. Wie diese Absorption zu erklären ist, ist mir aber noch nicht 
ganz klar geworden. Im allgemeinen wird der suspendierte Stoff wohl 
mit dem gleichen Zeichen wie die Bakterien elektrisch geladen sein. 
(Beide negativ geladen mit Bezug auf das Wasser.) Es ist vielleicht 
möglich, daß die Ladung der verhältnismäßig großen Teilchen der 
Kohle sich nur an einigen Punkten der Oberfläche befindet, und daß 
andere Teile der Oberfläche nicht, oder sogar entgegengesetzt, geladen 
sind, so daß die viel kleineren Bakterien von den zuletzt genannten 
Teilen der Oberfläche der Kohle angezogen werden könnten!). Die 
Ladung der Kohlen, mit der Prof. Grijns und auch ich gearbeitet, 
haben, ist jedenfalls sehr unbedeutend. Ich habe sie in dem bekannten 
Ueberführungsapparat nach Michaelis nicht bestimmen können. 

Die Versuche von Eisenberg (5) haben ergeben, daß die Ab- 
sorption von Bakterien an Suspensionen niemals bis zu 100 Proz. statt- 
findet. Der Prozentsatz, der nicht absorbiert wird, hängt von der 
Menge des im Wasser befindlichen Absorptionsmittels ab; fast absolute 
Entfernung der Bakterien kann man durch einmalige Behandlung des 
Wassers mit dem Absorptionsmittel nur erreichen, wenn nur wenige 
Bakterien im Wasser vorhanden waren. Als Beispiel hierfür können 
folgende Versuche dienen, die mit dem später noch zu beschreibenden 
Noritpulver gemacht worden sind: Zu 50 ccm Wasser fügte man Coli- 
Bazillen zu, worauf das Wasser mit einer bestimmten Menge sterili- 
siertem Noritpulvers behandelt wurde. Die Flüssigkeit wurde nach 
2stündigem Stehen steril zentrifugiert und aus der hellen, obenauf 
schwimmenden Flüssigkeit wurden Platten gegossen. 


Tabelle I. 
Anzahl der Kolonien in 1 cem 
Kontrolle ohne Norit co 
50 mg Norit + 50 cem Wasser oo 
00 ” ” + 50 ” LE co 
500 ,, » +50 „ 7 viel weniger Kolonien 
1000 ,, EN cg = 2500 Kolonien 
Tabelle II. 
Kontrolle 400 Kolonien 
250 mg Norit + 50 cem Wasser 6 ee 
1 ” ” + 50 1 39 0 ” 


Nimmt man jedoch anstatt Wasser mit Coli-Bazillen stark ver- 
unreinigtes Kanalwasser, so gelingt es nicht im entferntesten, mit 2 g 
Kohle in 100 ccm Wasser Sterilität zu erhalten. Außerdem ist das 
Abzentrifugieren oder Abfiltrieren in der Praxis nicht ausführbar, 
und ich habe auch nicht gelesen, daß die Versuche von Kraus und 
Barbara und Salus zu einem praktischen Ergebnis geführt haben. 
Wie schon von Grijns mitgeteilt: wurde, haben sich die von der 
Firma Büring & Co. in Hamburg in den Handel eingeführten Filter- 
körper aus gepreßter Kohle auch als untauglich erwiesen. 

Grijns (6) hat nun einen anderen Weg eingeschlagen und ein 
Filter konstruiert, das mit einer gewissen Kohle, genannt Norit, die 
besonders stark absorbierende Eigenschaften besitzt, gefüllt war. 





1) Ich verdanke diese Erklärungsmöglichkeit einer mündlichen Besprechung 
mit Prof. Perrin in Paris. 


Wolff, Ueber ein auch bei tropischer Temp. steriles Wasser lieferndes Filter. 165 


Norit ist eine sogenannte aktive Pflanzenkohle. Aktive Kohle 
unterscheidet sich von der gewöhnlichen Kohle durch ihr Absorptions- 
vermögen, das sehr viel größer ist. Diese aktive Kohle wird er- 
halten, indem man in einem spezialen Ofen Kohle in einer Wasserdampf- 
oder Kohlensäureathmosphäre erhitzt. Nach dieser Behandlung kann 
die Kohle allerlei Stoffe: Eiweiß, Farbstoffe usw., absorbieren. Von 
allen aktiven Kohlenarten ist Norit wohl diejenige, die der Filtration 
den geringsten Widerstand bietet. Dies liegt vermutlich an der Form 
der Teilchen: bei der Betrachtung unter dem Mikroskop scheinen die 
Noritteilchen fast alle eine federförmige Struktur zu besitzen. Sie 
haken und greifen denn auch alle ineinander, aber die Kohlenmenge 
bleibt sehr porös. 

Mit diesem Norit machte Grijns seine Versuche: Er nahm erst 
kleine Gooch-Tiegel, in die er eine Lage Norit tat. Später kon- 
struierte er ein kupfernes Filter, das einen Durchfluß von etwa 
8 1 pro 24 Std. zulieB. Es bestand aus einem kupfernen Kästchen in 
dem ein zweites kupfernes Kästchen mit perforiertem Boden angebracht 
war. Dieses zweite Kästchen wurde mit Norit gefüllt, das mit einem 
kupfernen Deckel etwas angedrückt werden konnte. Das Ganze konnte 
ausgeglüht werden, so daß das Filter nach dem Gebrauche wieder leicht 
sterilisiert werden konnte. Vollständige Sterilität konnte er mit diesem 
Filter aber nur einige Male erreichen, doch war immer die Bakterien- 
verminderung ungemein groß. So teilt er einen Versuch mit (5), bei 
dem der Durchfluß etwa 6—8 1 in 24 Std. betrug, und bei dem das 
Wasser für die Filtration an verschiedenen Tagen, 3610, 10480, 
2112000, 428100 Bakterien per ccm enthielt, wogegen im filtrierten 
Wasser nur 2, 6, 0, 8, 0, 4 Bakterien vorhanden waren; erst nach 
3 Wochen vermehrten sich letztere bis auf 20 Bakterien per ccm. 

So viel von den Versuchen von Grijns, die zwar den Weg wiesen, 
wie man zu einem brauchbaren Filter käme, aber noch nicht beendet 
waren, als er durch einen anderen Wirkungskreis gezwungen wurde, 
dieselben aufzugeben. Als ich die Versuche fortzusetzen anfing, erhielt 
ich mit dem Filter von Grijns weniger gute Ergebnisse. Dies konnte 
verschiedene Ursachen gehabt haben: vielleicht war die Temperatur 
der Luft etwas wärmer, vielleicht enthielt das Wasser mehr von 
den schnell sich bewegenden Arten, wie Vibrionen und Proteus-Ba- 
zillen. Es stellt sich später nämlich heraus, daß diese Bakterien, von 
denen man weiß, daß sie sich sehr schnell im Wasser bewegen können, 
am schlechtesten von einem Filter abgehalten werden. Setzte ich z. B. 
dem Kanalwasser noch absichtlich Vibrionen oder Proteusbazillen 
zu, so war es noch viel schwerer, hieraus steriles Wasser. zu be- 
kommen. Großen Einfluß hatte auch die Temperatur der umgebenden 
Luft. Ein Filter, das mehrmals gut filtriert hatte, wurde untauglich, 
als die Außentemperatur im Sommer abnormal hoch stieg. Jedoch 
mußte ich meiner Meinung nach danach streben, ein Filter so zu 
konstruieren, daß es auch bei Tropentemperatur brauchbar war. Außer- 
dem stellte ich die Anforderung, daß das Filter 14 Tage lang wirklich 
steriles Wasser liefern sollte. Denn auch einzelne Bakterien können, 
wenn sie zu den pathogenen Arten gehören, schädlich sein. 

Bei der weiteren Konstruktion des Filters war mir Herr Lourens, 
Chemiker der Norit-Gesellschaft, sehr behilflich. 

Zu allen meinen Versuchen habe ich sehr verschmutztes Kanal- 
oder Grabenwasser, das in den meisten Fällen mehr als 100000 


166 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


Bakterien per ccm enthielt, gebraucht. Die Zeiten, die später angegeben 
werden, und die Lebensdauer des Filters sind denn auch Minima; mit 
sauberem Wasser ist das Filter länger brauchbar. 

Zuerst schien es erwünscht, das Wasser vorzufiltrieren, um es 
von Humusstoffen und Lehm, die das eigentliche Filter bald ver- 
stopfen und den Durchfluß verringern würden, zu befreien. Während 
dieser Vorfiltration wird die Bakterienzahl nicht erheblich herabgesetzt. 
Diese Vorfiltration ist denn auch unwesentlich für die Methode, 
und nur da, wo das Wasser viel Humus- oder Lehmstoffe enthält, an- 
gebracht. Außerdem verliert auch das Wasser im Vorfilter seine aro- 
matischen- und Farbstoffe. Ist das Wasser nur bakteriologisch ver- 
dächtig, im übrigen aber klar und ohne suspendierte Teilchen, so 
kann das Vorfilter weggelassen werden. Umgekehrt kann man auch 
mit dem Vorfilter auskommen, wenn es darauf ankommt, Eisen, HS 
oder Humusstoffe zu entfernen. Auch Blei wird quantitativ durch 
das Vorfilter entfernt. Das Vorfilter besteht aus einem Porzellan- 
gefäß, das teilweise mit sogenanntem technischen Noritpulver gefüllt 
ist. Am Deckel des Gefäßes ist ein poröser Topf, durch den sich 
das Wasser den Weg bahnen muß, angebracht. Die Poren des Topfes 
sind so groß, daß sie das Norit wohl zurückhalten, die Bakterien da- 
gegen durchlassen (s. Fig. 1)1). Der Topf bedeckt sich allmählich 
mit einer dünnen Schlicklage und muß daher alle 3—4 Wochen mit 
einer Bürste und Wasser gesäubert werden, bis er wieder genügend 
porös ist. Das Noritpulver aus dem Porzellanfilter braucht man bei 
sehr verschmutztem Wasser alle 2 Monate einmal, bei sauberem 
Wasser weniger oft, zu erneuern. Bei der Betrachtung der Norit- 
masse im Filter von Grijns zeigte es sich, daß dieses ab und 
zu kleine Risse aufwies. Ich vermutete, daß dieselben die Ursache 
des nicht ganz befriedigenden Resultats waren, und beschloß deshalb, 
mittels einer kupfernen perforierten Platte, die mit einer Schraube an- 
gedrückt werden konnte, einen Druck auf die Noritmasse auszuüben. 


Tabelle IIL 
Das Filter, am 24. Aug. angesetzt. Vor der Filtration efthält das Wasser 
54.000 Bakterien per Kubikzentimeter. 
25. Aug. steril ?) Durchfluß 24,5 1 in 24 Std. 
7 2; a Coli- Versuch in 10 cem negativ 


20. 15 33 

29. „ 5 

30. ” ” 

1. Sept. , 

É a 

6. ,, 3 Kolonien 

9. „steril | 

13:4 «> 3 Aufgehört wurde mit einem Durchfluß von 4,51 in 24 Std. 

Tabelle IV. 
Das Filter wird weniger fest angedrückt — Durchgang größer, 17 1 in 24 Std. 

28. Sept. steril 
30. ” ” 
2. Okt. „ 
4, 13 1 in 24 Std. 


n ” 


1) Bei späteren Konstruktionen hat sich auch Kupfergaze, die mit Filtertuch 
belegt wird, bewährt. 

2) Immer wurde von 1 cm? Wasser eine Gelatine- und eine Agarplatte gegossen 
und die Kolonie nach zwei Tagen gezählt. 


Wolff, Ueber ein auch bei tropischer Temp. steriles Wasser lieferndes Filter. 167 


Unter die Platte kam ein Stückchen Filtrierleinwand, das verhindern 
sollte, daß das Noritpulver durch die feinen Oeffnungen der Platte 
hinausdrang. Jetzt erhielt ich viel bessere Ergebnisse. 

In das Wasser wird nun eine Proteus- Bazillenkultur getan, 
jedoch war am 5. 10. das Wasser nicht mehr steril. 


Tabelle V. 


Das Filter wird fester angedriickt als in der Tabelle 4. 
29. Okt. Im Anfang: 12 1 24 Std. 
30. ,, steril; dazu Bac. Proteus 
91: gs 
2. Nov. ,„ 
4. ” n 
6. ” ” 
ns ” LE 
11. # 7 Das unfiltrierte Wasser enthält sehr viele Bakterien, 4 1 per 24 Std. 
13. „ j 
15. A K 
18. ” ” 
20. ,; 


22. 3 Kolonien. Das Filter läßt nur wenig Wasser durch. 


Durch diesen Versuch ergab sich, daß sehr verschmutztes Gracht- 
wasser durch das Noritfilter von Bakterien befreit wird, voraus- 
gesetzt, daß die Geschwindigkeit, mit der man filtriert, nicht zu 
groß ist. Einmal mißlang der Versuch, da die Temperatur sehr hoch 
war (etwa 230 C). Dies veranlaßte mich, das Filter auch im tropischen 
Zimmer auszuprobieren (24—28°C). Da schien das Filter aber den 
Anforderungen nicht zu entsprechen. 


Tabelle VI. 
9. Dez. gefüllt 


11. „ in Tätigkeit gesetzt 

12. „ 1 Kolonie 

13. ,„ steril 

14. „~ Proteus-Bazillen und Dunbar-Vibrionen dazu getan 
15. ,, viele Kolonien! 


Die Wiederholung des Versuches ergab kein besseres Ergebnis. 
Ich versuchte daher, die Kohle mit einem Antiseptikum zu beladen und 
wählte zu diesem Zwecke Chlorkalklösung. Diese hatten in der Tat 
wohl einigermaßen Erfolg, aber die Resultate waren doch zu unregel- 
mäßig. Wir versuchten deshalb, das Filter selbst durch Vergrößerung 
zu verbessern. Wir arbeiteten mit einem Filter von 10 cm Durch- 
messer und 10 cm Höhe, während vorher Höhe und Durchmesser je 
5 cm betragen hatten. Unser Verfahren war jetzt also folgendes: 
Zuerst wurde das Filter mit Norit gefüllt, dann die Kohle etwas 
angedrückt, und danach das Ganze bei 120° sterilisiert. Darauf 
filtrierten wir eine Suspension von 40 g Chlorkalk in 1 1 Wasser 
durch das Filter und schlossen es dann an das Reservoir an, das un- 
gefähr 3 m hoch stand. Zwischen dieses Reservoir und das Filter 
hatte man noch den oben erwähnten Porzellantopf eingeschaltet. Wenn 
das Filter abends angesetzt wurde, war am anderen Morgen kein freies 
Chlor mehr nachweisbar. 


168 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


Tabelle VIL. 
8. Juni 10 1 in 24 Std. 


25. = 1 Kolonie 

27. „ 3 Kolonien 

DO ate We a 10 l in 24 Std., Kontrolle 200000 Bakterien 
per Kubikzentimer 


Tabelle VIII. 
8. Aug. Filter angesetzt, 24 1 per 24 Std. 
10. „ steril 


1 Kolonie 
„ viele Kolonien, 12 1 per 24 Std. 

Ein dritter hier nicht wiedergegebener Versuch ergab genau das- 
selbe Resultat. Wie schon erwähnt, hatten wir die Gewohnheit, das 
Filter mit der Kohle immer vor dem Versuch bei 120° zu sterilisieren. 
Da dies in der Praxis nicht ausführbar ist, und wir nicht damit 
rechnen konnten, steriles Wasser zu bekommen, wenn weder das Filter- 
tuch noch die Kohle zuvor sterilisiert worden waren, mußten wir für 
diesen Fall etwas anderes ausfindig machen. 

Zu unserem höchsten Erstaunen genügte das Filtrieren des Chlor- 
kalks durch das Filter allein nicht, um dieses dazu geeignet zu 
machen, 14 Tage lang steriles Wasser zu liefern. Auch als wir das 
Filter anstatt bei 120° 1/, Stunde bei 100° sterilisierten, indem 
wir es in einem Topf auskochten, entsprach es nicht unseren An- 
forderungen. Es stellte sich zunächst heraus, daß die Sterilisation 
bis zu 120° eine conditio sine qua non war, damit er richtig funk- 
tionieren konnte. Eine Erklärung dieses auffallenden Verhaltens kann 
ich nicht geben. Man kann natürlich annehmen, daß die Kohle, die 
bei 120° ihre absorbierte Luft verliert, jetzt ein besseres Absorptions- 
vermögen für Bakterien bekommt; dies ist jedoch nur eine Ver- 
mutung. Die Hypochlorite, die von der Kohle absorbiert werden, ver- 
ändern sich durch die katalytische Wirkung der Kohle sehr schnell 
in Chloride. Wir beschlossen daher, das gewöhnliche Norit durch 
Norit, in dem eine Menge trockenes Salzsäuregas absorbiert war, 
zu ersetzen. Ebenso wie viele anderen Kohlenarten kann auch 
Norit große Mengen Gas absorbieren. Das Aussehen der Kohle ändert 
sich hierdurch nicht; sie dampft z. B. nicht in der Luft. Solches Salzsäure 
enthaltendes Norit gibt dem Wasser verhältnismäßig rasch seinen Salz- 
säuregehalt ab. Diese aufgelöste Salzsäure konnte nun dazu dienen, 
das Filter, wenn dieses wieder in Gebrauch gesetzt wurde, selbst 
zu sterilisieren. Was die Salzsäure enthaltende Kohle selbst anbelangt, 
so ist sie vollkommen steril im Gegensatz zum gewöhnlichen Norit. 
Bei unserem späteren Versuch zeigte es sich, daß es keinen Unterschied 
machte, ob wir Salzsäure enthaltendes Norit oder ob wir gewöhnliches 
Norit, das mit gelöster Salzsäure gemengt war, verwandten, denn 
auch dann nimmt das Norit Salzsäure aus der Lösung auf und gibt 


Wolff, Ueber ein auch bei tropischer 'Temp. steriles Wasser lieferndes Filter. 169 


diese danach an das Wasser wieder ab. Wenn wir abends ein solches 
Filter ausstellten, dann waren die freien Salzsäure- und auch die 
gelösten Spuren von Kupfer am anderen Tage verschwunden. 


Tabelle IX. 

4. Dez. angesetzt, 14 1 per 24 Std. 

A 5 steril, 

8. ` “ Grachtwasser enthält 10000 Kolonien per Kubikzentimeter 
11. „  Coli- Versuch negativ in 10 cem 
12. ,, 1 Kolonie 
ee » Steril, 12 1 per 24 Std. 

VE à 
18. ” ” 

20. ” ” 
21. „ 2 Kolonien. 


Ein zweiter Versuch ergab analoge Resultate. 

Bei unseren weiteren Versuchen schien es uns erwünscht, 1. die 
Temperatur etwas zu erhöhen (bis zu etwa 35° C) und 2. das Filter 
noch etwas größer zu machen, damit der Durchfluß auch größer sein 
konnte. Das Filter hat jetzt einen inneren Durchmesser von 15 cm 
und ungefähr dieselbe Höhe. Der Durchfluß ist nun erheblich größer 
geworden, etwa 11/,1 pro Std. und nimmt auch er nach 14 Tagen nur 
wenig ab (von ca. 30 auf 25 1). 

Mit diesem Filter haben wir noch viele Versuche gemacht und 
beobachteten, daß er auch bei dieser hohen Temperatur 12—14 Tage 
lang steriles Wasser liefert. 

Ich habe dann noch untersucht, ob das Filter ebensogute Resultate 
gibt, wenn man nicht Kanalwasser mit vielen Verunreinigungen ver- 
wendet, sondern mit Colibazillen versetztes gewöhnliches ‘Leitungs- 
wasser (z. B. 100000 pro ccm) filtriert. Das ist in der Tat der Fall, 
denn auch dieses Wasser wurde durch Filtrieren steril, erst nach 
12—14tägigem Gebrauch (bei ca. 21 pro Std. Durchfluß) fanden sich 
Bakterien im Filtrat. Die letzten Versuche wurden bei gewöhnlicher 
Temperatur angestellt. 

Recht auffallend schien mir folgende Tatsache: Salzsäure ent- 
haltendes Norit mit 2-, bzw. 4-, bzw. 5proz. Salzsäure lieferte in je 
2 gleichartigen Versuchen immer gute Resultate, dagegen ergab 
Norit, das mit trockener schwefeliger Säure behandelt war, immer 
nur kurze Zeit steriles Wasser; in meinen Versuchen erwies sich das 
SO,-Norit ganz unbrauchbar. Ueber die Ursache davon habe ich noch 
gar keine Vorstellung; die SO, wird vom Norit sehr schnell zu 
SO, oxydiert, und die Dissoziation von verdünnten HCl- bzw. H,SO,- 
Lösungen sind doch sehr wenig verschieden. 

Voriges Jahr untersuchten wir noch ein neues Präparat, das so- 
genannte Supranorit, das für Farbstoffe ein noch größeres Absorptions- 
vermögen besitzt. Außerdem hat es ein größeres Volumen und demnach 
auch eine viel größere Filtrationsgeschwindigkeit. Damit kann man 
mit demselben Filter bequem 4 1 die Stunde filtrieren, jedoch ist die 
Sterilitätsdauer des Filters nun auch auf 8 Tage herabgesetzt, so 
daß man schließlich mit diesem Norit dieselbe Menge steriles Wasser 
nur in kürzerer Zeit erhält. 

Uebereinstimmend hiermit ergab sich, daß das Absorptionsvermögen 
gegenüber den Bakterien des alten und neuen Norits ungefähr gleich 
war. 


170 Centralbl. f. Bakt. ete. 1. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


Auf beistehender Zeichnung kann man die Einrichtung des Filters 
deutlich sehen 1). 

Wenn das Norit durchweicht ist, muß man die Schraube D noch 
ein wenig anziehen. Man kann jetzt, wenn das Filter nur erst tropft, 
die Filtrationsgeschwindigkeit noch mit der Druckschraube D regeln. 
In unseren letzteren Versuchen haben wir auf das Vorfilter einen 
Druck von !/, Atmosphäre ausgeübt. 

Wir haben uns wiederholt davon überzeugt, daß das Filter durchaus 
keinen Schaden erleidet, wenn es während der Filtration eine Zeit- 
lang trocken stehen bleibt. Das verdanken wir wohl der Druckschraube, 





Fig. 1. 

A ist die perforierte Platte, auf die ein kleines Stück Filtertuch gelegt wird. 
Diese Platte ist im Filter festgelôtet. Danach schüttet man das trockene Salzsäure 
enthaltene Norit in das Filter, bedeckt es mit einem zweiten Stückchen Filtrier- 
tuch und legt die lose, rforierte, kupferne Platte B darauf. Dann wird das 
Filter mit einem Deckel Č, an dem die Druckschraube ‘D angebracht ist, ge- 
schlossen. 6 Flügelmutter schließen das Filter ab. Dann zieht man die Druck- 
schraube B vorsichtig an, bis ein leichter Druck auf das Norit ausgeübt wird, 
sodann verbindet man das Filter mit dem Vorfilter und läßt das Wasser einströmen. 
Eine Schraube E dient zum Entfernen der Luft. 


da jetzt keine Risse mehr in der Noritmasse entstehen können. Wenn 
das Filter 14 Tage lang in Tätigkeit ist, wird es nach Absperrung 
der Wasserzufuhr geöffnet. Das Norit kann dann als zusammen- 
hängende Masse sehr leicht entfernt und durch neues ersetzt werden. 


1) Das Filter wird von der Alg. Norit Maatschappy den Texstraat 3. Amster- 
dam, verfertigt. 


Dimtza, Veränderungen von Coli-Stämmen durch Bakteriophagenwirkung. 171 


Diese ganze Arbeit dauert nur wenige Minuten. Nach etwa 12 Std. 
ist das Wasser wieder trinkbar. Die Kosten der neuen Noritmenge, 
die passend in Büchsen geliefert wird, betragen nur 1 Fl.; für 
diesen Preis bekommt man 14x 241 steriles Wasser. 


Zusammenfassung. 

Es wird eine Filtriereinrichtung mit Noritkohle beschrieben, die 
auch bei Tropentemperatur bis zu 350 C 2 Wochen lang aus einem 
bisher stark verschmutzten und verseuchten Wasser pro Stunde 11/, 1 
vollkommen steriles Wasser liefert. 


Literatur. 

1) Wolff, L. K., Reiniging van Drinkwater met halazone. (Ned. Mil. 
Geneesk. Tijdschr. 1917.) — 2) Wien. klin. Wochenschr. 1915. S. 810, 1031. 
— 3) Ibid. 1916. S. 846. — 4) Eisenberg, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. 
Bd. 72. S. 1. — 5) Centralbl.#. Bakt. Abt. I. Orig. — 6) Geneesk. Tijdschr. v. 
Ned. Indie. Bd. 59. 1919. p. 404. 


Nachdruck verboten. 


‘Ueber Veränderungen von Coli-Stämmen durch Bakterio- 


phagenwirkung ,in vivo und in vitro“ 


[Aus dem Hygiene-Institut der Universität Zürich (Dir.: Prof. Dr. 
Silberschmidt).] 


Von Alexander Dimtza. 


Bald nach den grundlegenden Veröffentlichungen über die Bakterio- 
phagie wurden therapeutische Versuche mit Bakteriophagen empfohlen. 
Die ersten experimentellen und klinischen Erfahrungen stammen von 
d’Herelle*), welcher mit der Behandlung von Dysenterie, Typhus, 
Hühnertyphosen, Büffelseuche und neuerdings der Pest?) auffallend 
gute Resultate erhielt. Nicht so günstig lauten die Erfahrungen 
anderer Forscher. Eine Anzahl (Otto, Friedmann, Apelmann, 
Dörr, Grüninger u. a.%) hat sich auf Grund ihrer therapeutischen 
Versuche gegen die Lysintherapie ausgesprochen; andere (Munter und 
Boenheimt)) fanden die erreichten Resultate nicht sehr ermutigend; 
einig gehen alle Autoren mit d’Herelle in bezug auf die Un- 
schädlichkeit dieser Behandlungsmethode. 

Zdansky5) 5) empfahl die Herstellung stammesspezifischer Lysine, um durch 
die Bakteriophagentherapie bessere Erfolge zu erreichen. Zur Vermeidung bakterio- 
hagenhemmender Wirkung im Körper wären sie unter Umgehung des parenteralen 
Weges direkt am Herd der Infektion zu applizieren. Dadurch beschränkt sich das 
Anwendungsgebiet der Lysintherapie vornehmlich auf Infektionen von Körperhöhlen. 
In erster Linie kommen die so häufigen Coli- Infektionen von Blase und Nieren- 
becken in Betracht. Aus den wenigen in der Literatur niedergelegten Erfahrungen 
über so behandelte Coli- Infektionen lassen sich noch keine endgültigen Schlüsse 





1) Le Bactériophage 1921; Monographie. Paris, Masson. 

2) Presse méd. 1925. p. 1393. 

3) Zit. nach Marcuse, D. med. Wochenschr. 1924. S. 334. 
4) Zeitschr. f. Kinderheilk. Bd. 39. 1925. S. 388. 

5) Wien. klin. Wochenschr. 1924. Nr. 20. 

6) Seuchenbekämpfung. 1925. S. 150. 


172 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


ziehen. Immerhin haben einige Autoren in chronischen Fällen von wiederholt erfolglos 
behandelten Coli-Pyelitiden Erfolge zu verzeichnen. Bei örtlicher Applikation er- 
reichte Mareuse') in experimentellen Versuchen an Meerschweinchen und Kanin- 
chen gute Erfolg, Lehndorff*) konnte in den meisten Fällen von Zysto- 
yelitiden bei Kindern durch Einführung des Lysins in die Blase Besserung, selten 
Fakteriologische Heilung herbeiführen. Zdansky °) erreichte 6mal in 20 Fällen 
von chronischen Zystopyelitiden, Frisch ) 6mal in 7 Fällen klinische Heilung 
und Keimfreiheit des Harns, wobei das betreffende Lysin von ersterem unverdünnt, 
von Frisch mit physiol. Kochsalzlösung verdünnt in Blase und Nierenbecken in- 
stilliert wurde. 

In Verbindung mit Herrn Dr. Reist (Kant. Frauenklinik Prof. 
Walthard) haben wir versucht, 2 Fälle von Coli-Pyelitis mit Lysin 
zu behandeln, welche wegen der Veränderung des bakteriologischen Be- 
fundes nach Lysintherapie von Interesse sind. Es handelt sich um 
2 hochfiebernde Patientinnen, Fall I, Fr. D., 25 J., gravida, Pyelitis 
dextra; Fall II, A. Kr., 30 J., doppelseitige Pyonephrose und Cystitis 
nach Totalexstirpation eines Uteruskarzinoms. 

Vor Beginn der Behandlung wurde in beiden Fallen in den steril 
entnommenen Ureterenurinproben direkt und kulturell nur Bacterium 
coli nachgewiesen. Beide Patientinnen wurden mit einem Lysin be- 
handelt, das wir schon seit einiger Zeit im Institut verfolgen. Es er- 
wies sich als wirksam gegen die beiden Coli-Stämme, gegen einen 
weiteren aus Urin gezüchteten Coli-Stamm und gegen einen Shiga- 
Stamm. - à 
Der Lysinexponent betrug für den Coli-Stamm von Fall I 10-8, 
für den Fall II 10-6. In Abständen von 2—4 Tagen wurde der Bak- 
teriophage 10fach mit steriler Bouillon verdünnt, ins Nierenbecken 
instilliert, wobei parallel mit der klinischen Beobachtung eine fort- 
laufende kulturelle Kontrolle des Harns stattfand. 

Fall 1. Fr. D. Urinprobe aus Nierenbecken vor der Behandlung trüb, von 
schwachsaurer Reaktion, enthält im Sediment massenhaft Leukozyten, Epithelien und 
gramnegafive Stäbchen, welche kulturell auf den verschiedenen Nährböden die für 
Bact. colı typischen Reaktionen zeigen. 

24 Std. nach der 1. Applikation von Lysin enthielt das Sediment im direkten 
Ausstrich neben Leukozyten und Epithelien gramnegative Kurzstäbchen, kulturell auf 
Agar nach 18stünd. Bebrütung ausschließlich spärliche Flatterformen. 

24 Std. nach der 2. Applikation trat eine Veränderung der im 
Urin vorhandenen Coli-Bakterien ein. Im mikroskopischen Präparat 
waren an Stelle der typischen gleichmäßigen Kurzstäbchen zum Teil 
schlanke, zum Teil plumpe Fäden mit Auftreibungen, umgeben von 
einer schmalen Schleimhülle, zu schen. Diese Bakterien zeigten auch 
kulturell ganz typische Veränderungen. Das Wachstum war auf allen 
Nährböden bedeutend verlangsamt; die Kolonien fielen durch ihre starke 
Schleimbildung auf. Die Gas- und Säurebildung trat erst am 2. bis 
3. Tag auf und auch die Verfärbung von Helvetia-, Endo- und 
Neutralrotagar war erst nach 48—72 Std. deutlich. Die Milchgerinnung 
war gegenüber dem Ursprungsstamm um 72 Std. verzögert. 

Während der weiteren Bakteriophagenbehandlung wurde stets vor 
der Applikation der Nierenbeckenurin für Untersuchungen entnommen. 

Die bakteriologische Untersuchung zeigte konstant die oben be- 
schriebenen Veränderungen, d. h. nach 36—48 Std. dicke schleimige 
Kolonien mit Verzögerung im Auftreten der für Coli typischen Eigen- 
schaften. 

1) D. med. Wochenschr. 1924. 8. 331. 


2) Wien. med. Wochenschr. 1924. Nr. 21. 
3) Le. 4) Wien. klin. Wochenschr. 1925. S. $39. 


Dimtza, Veränderungen von Coli-Stämmen durch Bakteriophagenwirkung. 173 


Nach 2wöchentlicher Behandlung sind im Sediment des rechten 
Ureteren- und Blasenurins wenige gramnegative, plumpe Stäbchen nach- 
weisbar, kulturell 2—3 schleimige Kolonien auf Agar. 

Klinisch ist Pat. fieber- und beschwerdefrei. 

7 Wochen nach Aussetzen der Behandlung und nach überstandener 
Geburt erweist sich der rechte, klar gewonnene Nierenbeckenharn als 
keimfrei. Im makroskopisch klaren Blasenharn finden sich im Sedi- 
ment wenige Leukozyten, vereinzelte gramnegative Stäbchen und 
Fäden. Auf Agar und den übrigen Nährböden lassen sich erst nach 
48 Std. spärliche nur schleimige Kolonien züchten. 

Fall II. Fr. Kr. Urinprobe aus beiden Nierenbecken trüb, schwach sauer, 
im Sediment viele Leukozyten und Epithelien, massenhaft gramnegative Stäbchen, 
kulturell B. coli. 

Nach Applikation des Bakteriophagen zeigen die in den Ureterenurinproben 
vorhandenen Goli- Bakterien mikroskopisch nat kulturell dieselben Veränderungen 
wie sie im Fall I geschildert wurden. Im mikroskopischen Bilde sieht man fast nur 
Fadenbildung, kulturell treten nach 48 Std. auf Agar schleimige, unregelmäßig kon- 
turierte Kolonien auf; Gasbildung, Verfärbung von Neutralrotagar, Milchgerinnung und 
Farbumschlag auf Helvetia- und Endo-Agar sind erst nach 3—4 Tagen deutlich. 

Nach Imonatlicher Behandlung wird bei langsam eintretender klinischer Hei- 
lung mit der Instillation von Bakteriophagen aufgehört. 

Bei einer Nachuntersuchung 11/, Monate später sehen die aus 
den Nierenbecken gewonnenen Urinproben klar aus und zeigen schwach 
saure. Reaktion. Im mikroskopischen Bilde sieht man neben wenigen 
Leukozyten mäßig viele gramnegative Fäden und auffallend plumpe 
Stäbchen, kulturell lassen sich nur schleimige Kolonien züchten. 

Cystoskopisch zeigt sich in beiden Fällen nur noch leichte Ent- 
zündung der Blasenschleimhaut. 

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß in beiden Fällen von Coli- 
Pyelitis nach Bakteriophagenbehandlung aus dem Urin‘ Bakterien ge- 
züchtet wurden, die im Gegensatz zu den ursprünglich gewonnenen 
Coli-Bakterien mikroskopisch und kulturell verändert waren. Statt 
der gramnegativen plumpen Kurzstäbchen sind vornehmlich lange, 
teils aufgetriebene gramnegative Fäden oder äußerst plumpe Stäbchen 
mit Andeutung von Schleimhüllen zu sehen. Kulturell gingen nur stark 
schleimige, oft unregelmäßige Kolonien an. Die für Coli typischen 
kulturellen Veränderungen sind vorhanden, ihr Eintreten aber um 3 bis 
4 Tage verzögert. 

Bordet und Ciuca!) waren die ersten, welche Schleimbildung 
bei Bact. coli als Folge der Bakteriophagenwirkung beschrieben. 
Gleichzeitig konnten sie auf die Unempfindlichkeit schleimbildender 
Bakterien gegenüber ihrem Lysin hinweisen. Bald darauf teilte Bail?) 
ähnliche Veränderungen nach Bakteriophagenwirkung mit. Er stellte 
fest, daß schleimbildende Bakterien nach einigen Ueberimpfungen die 
Fähigkeit zur Schleimbildung wieder verlieren. Weitere Beobachtungen 
stammen von de Gratia?), Gildemeister#), Watanabe®). In 
späteren Untersuchungen machte Bail®) darauf aufmerksam, daß die 
Unempfindlichkeit der Bakterien gegenüber Bakteriophagen im Zustand 
der Schleimbildung auf unspezifischer, antibakteriophager Wirkung 


1) Compt. Rend. Soc. Biol. T. 83. 1920. p. 1298, 1296. 
2) Wien. klin. Wochenschr. 1921. S. 1. 

3) Compt. Rend. Soc. Biol. T. 84. 1920. p. 751, 850. 

4) Wien. klin. Wochenschr. 1921. Nr. 43. S. 1355. 

5) Ibid. 

6) Med. Klin. 1923. Nr. 5. 


174 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


des Schleims als Kolloidsubstanz beruhe. Kimura!),?),®) kommt in 
einer Reihe von Versuchen zu denselben Schlüssen. 

Die in unseren beiden Fällen aus den verschiedenen Urinproben 
gezüchteten schleimbildenden Kolonien wurden täglich, später alle 
2 Tage auf Agar und Bouillon überimpft. Dabei wurde besonders auf 
ihre kulturellen und fermentativen Eigenschaften, sowie ihr Verhalten 
gegenüber Bakteriophagenwirkung geachtet. 

Im Mikroskop sah man gramnegative verschieden intensiv gefärbte, 
äußerst plumpe Stäbchen, mit Andeutung einer Schleimhülle, meist 
zu unregelmäßigen, teils spindelförmig aufgetriebenen Fäden angeordnet. 
Färberisch konnte nie eine scharf gezeichnete Kapsel dargestellt, 
werden. Im hängenden Tropfen waren die Bakterien im Zustand der 
Schleimbildung unbeweglich. 

Die anfangs beschriebene, auf den verschiedenen Nährböden be- 
obachtete Wachstumsverzögerung hielt nur bei den ersten 6—7 Ueber- 
impfungen an. Später gingen die Kulturen meist nach 24 Std. an, immer 
unter enormer Schleimbildung, wodurch oft einzelne Riesenkolonien 
entstanden. Einige Male konnten wieder Rückschläge zu verlangsam- 
terem Wachstum beobachtet werden. 

Nach 20—28 Ueberimpfungen nahm die Schleimbildung allmählich 
ab. Auf Agarplatten traten innerhalb des Schleims weißliche kleine 
Herde auf, die sich nach jeder weiteren Ueberimpfung rasch ver- 
mehrten. Der Schleim wurde dünner und durchsichtiger, um im Verlauf 
weiterer Ueberimpfungen vollständig zu verschwinden. 

Einige Generationen vor dem Uebergang in Kolonien von normalem 
Aussehen setzte wieder rechtzeitiges Eintreten der für Coli typischen 
Veränderungen ein. 

Es wurde nun versucht, auch „in vitro“ Schleimbildung hervor- 
zurufen. Die ursprünglich vor der Bakteriophagenbehandlung aus dem 
Urin gezüchteten Coli-Stämme wurden in Bouillon mit ihren Bakterio- 
phagen zusammengebracht und bebrütet. In verschiedenen Zeitabständen 
wurde eine Oese dieses Gemisches auf Agarplatten ausgestrichen. In 
gleicher Weise wurden die nach Rückschlag vom schleimigen zu nor- 
malem Wachstum erhaltenen Coli-Bakterien mit dem Bakteriophagen 
zusammengebracht. Erst nach 18stünd. und längerem Aufenthalt des 
Bakterien-Bakteriophagengemisches im Brutschrank gelang es, typisch 
schleimbildende Kolonien zu züchten. Die Verlangsamung des Wachs- 
tums und die Verzögerung im Auftreten der für B. coli bekannten Ver- 
änderungen auf den verschiedenen Nährböden waren auch hier festzu- 
stellen. Die Intensität und Dauer der Schleimbildung waren aber 
geringer als bei den nach der Behandlung aus dem Urin direkt ge- 
züchteten schleimbildenden Kolonien. Nach 6—8 weiteren Ueber- 
impfungen hörte die Schleimbildung wieder auf. 

Daß schleimbildende Bakterien phagenresistent sind, konnte auch 
hier wieder festgestellt werden. Anwesenheit von Bakteriophagen zeigte 
keine Hemmung im Wachstum der schleimbildenden Stämme. Trübung 
von Bouillon trat in gleicher Weise bei Bakteriophagen-An- und Ab- 
wesenheit ein. Auf Agarplatten konnte weder durch das Tropfver- 
fahren (Munter), noch durch vorheriges Ausstreichen von Bakterio- 
phagen und nachfolgendes Beimpfen mit B. coli ein hemmender Ein- 


1) Zeitschr. f. Immunitätsf. Bd. 38. S. 5, 159. 
2) Zeitschr. f. Immunitätsf. Bd. 42. 1925. S. 507. 
3) Zeitschr. f. Immunitätsf. Bd. 45. S. 334. 


Dimtza, Veränderungen von Coli-Stämmen durch Bakteriophagenwirkung. 175 


fluB festgestellt werden. Die während der Dauer der Schleimbildung 
aufgetretene „Festigkeit“ gegenüber dem Bakteriophagen machte nach 
Aufhören der Schleimbildung der früheren Empfindlichkeit Platz. 

Es kann also kein Zweifel bestehen, daß es sich um eine ähnliche 
Erscheinung der Bakteriophagenwirkung handelt, wie sie von den 
früher erwähnten Autoren aus ihren Versuchen beschrieben wurde. 
Die Schleimbildung muß als Schutzmechanismus angesehen werden, 
durch welchen sich die Bakterienzelle gegenüber der Einwirkung des 
Bakteriophagen wehrt. Allerdings ist damit auch eine gewisse Ver- 
änderung der Eigenschaften des B. coli verbunden. Die für B. coli 
typischen Eigenschaften auf den verschiedenen Nährböden treten später, 
in unserem Fall nach 3—4 Tagen, schließlich aber doch vollständig 
ein. Es handelt sich also nicht um eine qualitative, sondern quanti- 
tativ zeitlich bedingte Verzögerung ohne Ausbleiben bestimmter Eigen- 
schaften, wie dies für phagenresistente schleimige Bakterien beschrieben 
wurde (Bordet und Ciuca, Ausbleiben der Verfärbung von Neu- 
tralrot). 

Es frägt sich nun, wie derartige schleimbildende Bakterien ein- 
zuschätzen sind. Können sie zu weiterer Phagenwirkung beitragen, ist 
der Bakteriophage überhaupt an sie oder an den Schleim gebunden 
und welche Rolle spielen sie im Organismus ? 

Aus Bouillonkulturen, welche nur schleimbildende Coli- Bazillen 
enthielten, konnte für den entsprechenden Coli-Stamm kein Bakterio- 
phage gewonnen werden. Wurden die schleimbildenden Coli gemein- 
sam mit den entsprechenden normal gewachsenen, in Bouillon bebrütet, 
wobei stündlich und später nach 24 und 48 Std. auf Agarplatten ab- 
geimpft wurde, so konnte nebeneinander gleichzeitiges Wachstum von 
schleimbildenden und normal gewachsenen Kolonien festgestellt werden. 
‚Wurde dieser Versuch auf Helvetia- bzw. Endo-Agarplatten ausge- 
führt, so sah man neben den schleimigen, noch farblosen Kolonien die 
normalen, blauen, bzw. fuchsinroten Coli-Kolonien. Also hatte keine 
Bakteriophagenwirkung stattgefunden. Entweder waren die schleimigen 
Coli-Bazillen bakteriophagenfrei, oder der Bakteriophage ist an die 
Bakterienzelle bzw. den Schleim festgebunden. 

Kimura!) kommt auf Grund seiner Versuche zu dem Schluß, 
daß schleimbildende Bakterien nach den ersten Ueberimpfungen mög- 
licherweise noch Spuren von Bakteriophagen enthalten, weiterhin 
aber keine mehr beherbergen. Durch das Fehlen des Lysins käme es 
zum Rückschlag zu normalem Wachstum, während andererseits durch 
gleichzeitiges Impfen von Bakteriophagen und schleimigen Bazillen 
(Bail) die Schleimbildung unterhalten werde. 

In unserem Fall konnte auch aus den ersten schleimigen Kulturen 
kein Lysin gewonnen werden. 

Nach früheren Untersuchungen (Dörr?), Dörr und Berger’), 
Nakamura‘), Brutsaert®) u. a.) ist die leichte Adsorbierbarkeit 
des Bakteriophagen an kolloide Substanzen bekannt. Bronfen- 
brenner und Korb‘) konnten nachweisen, daß die Bakteriophagen- 


1) Le. 

2) Klin. Wochenschr. Bd. 1. 1922. = 1493. 

3) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 97. 1923. 422. 

4) Arch. f. Hyg. Bd. 9. ae Rig BL 

5) Compt. "Bente Soe. Biol. 1924. p. 1242. 
6) Journ. exp. Med. Vol. ie 1935, p. 453. 


176 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


wirkung je nach der Konzentration des Agars eine verschiedene war, 
daß sich der Bakteriophage immer an die dichtere disperse Phase 
bindet!), so daß seine Wirkung dann gegenüber einem Gel geringerer 
Dichte abgeschwächt oder gleich null wird. Bilden also einerseits 
Bakterien unter Bakteriophagenwirkung als Abwehrreaktion Schleim, 
so wäre andererseits die Affinität des Bakteriophagen aus physikalisch- 
chemischen Gründen zum Schleim größer als zum Bakterium und zu 
Agar, womit die Potenz des Bakteriophagen spontan erlischt. Bei 
laufenden Ueberimpfungen geht dann nicht nur die Schleimbildung, 
sondern auch der Bakteriophage wieder verloren, während die Ur- 
sprungskultur unter Bakteriophagenwirkung ein Maximum an Schleim 
bildet. Trotzdem nach dieser Ueberlegung die Schleimhüllen reich an 
Bakteriophagen sein müßten, konnten wir ihn bis heute nicht in eine 
neue aktive Form überführen. 

Seitdem wir den Vorgang der Schleimbildung unter Bakterio- 
phagenwirkung näher verfolgten, konnten wir auch beim laufenden 
Untersuchungsmaterial unserer Stationen solche Erscheinungen speziell 
bei B. coli häufiger beobachten. Die Annahme, daß es sich dabei meist 
um Bakteriophagenwirkung handelt, lag nach den aus der Literatur 
beschriebenen Versuchen über Schleimbildung und den oben geschilderten 
Beobachtungen nach Bakteriophägentherapie nahe. 

Nach den bis jetzt aus unserem Material vorliegenden Beobach- 
tungen an schleimbildenden Coli-Stämmen, die aus Urin, Stuhl und 
Peritonealexsudat gezüchtet wurden, läßt sich folgendes kurz zusammen- 
gefaßt sagen. 

Meist ist zu Beginn eine Verzögerung im Wachstum zu beobachten. 
Erst nach 48 Std. treten ganz unregelmäßige, glasig bis schleimige 
Kolonien auf. Im mikroskopischen Bild sieht man gramnegative unbe- 
wegliche plumpe Stäbchen und Fäden. Auf die verschiedenen Nähr- 
böden überimpft treten die für B. coli typischen Eigenschaften inkl. 
Gasbildung erst nach 2—3 Tagen ein. In anderen Fällen ist 18—24 Std. 
nach direkter Ueberimpfung aus dem zu untersuchenden Material stark 
schleimiges Wachstum in Form runder hochgewölbter Kolonien zu 
sehen. Das Auftreten der für Coli bekannten Eigenschaften erfolgt 
unregelmäßig: Gasbildung kann schon nach 18 Std. vorhanden sein, 
währenddem die Farbenveränderungen auf den entsprechenden Nähr- 
böden erst nach 2—3 Tagen erfolgen. Was das Wachstum in Bouillon 
anbetrifft, sieht man oft bei sonst klarer Bouillon einen flockigen 
Bodensatz. Handelt es sich um Milch- oder Traubenzuckerbouillon, so 
erfolgt Gasbildung erst am zweiten oder dritten Tag und zwar beim 
Schütteln vom Bodensatz her. 

Wurden diese schleimbildenden Stämme durch einige Generationen 
weiter verfolgt, so trat früher oder später der Rückschlag zur Norm 
wieder ein, allerdings gibt es Fälle, wo die Schleimbildung hartnäckig 
anhält. 

Daß ein Zusammenhang von Bakteriophagenwirkung mit Schleim- 
bildung bei diesen natürlich vorkommenden schleimbildenden Coli- 
Stämmen vorhanden war, zeigte sich durch die anfängliche Wachs- 
een; und das Auftreten typisch angefressener unregelmäßiger 
Kolonien (Flatterformen). Unter den frisch isolierten unter Bakterio- 
phagenwirkung stehenden Coli-Stämmen fand sich ein Stamm, der 


1) ete exp. Med. Vol. 43. 1926. p. 71. 


Dimtza, Veränderungen von Coli-Stämmen durch Bakteriophagenwirkung. 177 


nach zahlreichen Ueberimpfungen, die stets scharf begrenzte schleimige 
Kolonien lieferten, vor der Rückkehr zur normalen Kultur wieder ange- 
fressene Kolonien und taches vierges bildeten, wohl ein Beweis mehr 
für die Ansicht, daß der Bakteriophage in den schleimenden Kulturen 
vorhanden ist und durch noch unbekannte Faktoren wieder aktiviert 
werden kann. 

Wir glauben, daß dieses Phänomen der Schleimbildung in Zukunft 
bei der Diagnose von B. coli in Betracht gezogen werden muß, sind 
doch zweifellos eine Anzahl der in der Literatur bekannt gegebenen 
atypischen Colistämme (vielleicht auch Coli mutabile?) auf Bak- 
teriophagenwirkungund Abwehrreaktion zurückzuführen, wenn auch 
die Schleimbildung an sich nicht nur auf Anwesenheit eines Bakterio- 
phagen schließen läßt. Heim!) erwähnt in seinem Lehrbuch derartige 
Veränderungen des Bakterienwachstums, hervorgerufen unter dem Ein- 
fluß von Salzen oder „eigenen Stoffwechselprodukten“. Wir selbst. 
konnten mit Lugolscher Lösung bei einem Coli-Stamm Schleim- 
bildung hervorrufen. Allerdings tritt in diesen Fällen die Rückkehr zur 
Norm sehr früh wieder ein. In diesem Sinn können die im Laboratorium 
zu beobachtenden Abweichungen von der Norm als Modifikation be- 
zeichnet werden, hervorgerufen durch eigene Stoffwechselprodukte, 
Bakteriophagen, vielleicht auch durch anderweitige therapeutische Maß- 
nahmen, z. B. Jodkali usw. 

Ueber die Aussichten der Bakteriophagentherapie können wir uns 
noch nicht aussprechen. Die Zahl der bisher behandelten Fälle ist noch 
zu gering. Wenn das in unseren beiden Fällen erreichte Resultat 
auch keine bakteriologische Heilung darstellt, so ermuntert doch der als 
weitgehende Besserung bzw. Heilung zu bezeichnende klinische Be- 
fund nach dem Versagen jeglicher früheren Therapie zu weiteren Ver- 
suchen. Es ist doch auffallend, daß die 11/, Monate nach Aussetzen der 
Bakteriophagenbehandlung gezüchteten Coli-Bakterien ihre Schleim- 
bildung beibehalten haben. Wir glauben, sie auf die Anwesenheit von 
Spuren von Bakteriophagen zurückführen zu müssen, wenn es zu (diesem 
Zeitpunkt auch nicht gelang, ihn aus dem Urin zu gewinnen. 

Die Frage, ob sich der Bakteriophage nur an der Bakterienzelle 
halten kann, oder ob unter gewissen Umständen hierfür auch Gewebs- 
zellen in Betracht kommen können, steht weiterhin zur Diskussion. Die 
Tatsache, daß die Bakterien, welche ihre veränderten Eigenschaften 
im Organismus, also „in vivo“ erlangt haben, dieselben viel hart- 
näckiger beibehalten als diejenigen Bakterien, die in „vitro“ dem Bak- 
teriophagen ausgesetzt wurden, scheint doch dafür zu sprechen, daß hier 
ein noch unbekannter Faktor vorliegt. 

Was die Bakteriophagentherapie anbelangt, so rechtfertigen die 
herabgesetzten Lebensprozesse der Bakterien vielleicht doch die An- 
nahme, daß sie im Zustand der Schleimbildung auch für den Organismus 
weniger aggressiv sind, was durch das starke Zurücktreten der Ent- 
zündungserscheinungen trotz der nicht erreichten Sterilität zum Aus- 
druck käme. 


1) Lehrb. d. Bakt. 5. Aufl. 1918. 


Erste Abt. Orig. Bd. 101. Heft 4/5. 12 


178 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


Nachdruck verboten. 
Zum Nachweis des Bacterium coli commune als 
Fäkalindikator im Wasser. 


[Aus dem Hygiene-Institut der Technischen Hochschule Zürich.] 
Von Dr. Oskar Acklin. . 
Mit 1 Abbildung im Text. 


Zum Nachweis des Bacterium coli als Fäkalindikator im Wasser 
verwendeten Salus und Hirn!) eine Pepton-Pankreatinverdauungs- 
brühe mit 1 Proz. Glukose. Horowitz-Wlassowa?), verwendet 
anstelle der Glukose Laktose und betrachtet das Bacterium coli 
in denjenigen Proben als nachgewiesen, wo gleichzeitig Gas und Indol 
gebildet werden. 

Bei unseren ausgedehnten Untersuchungen von Trinkwasser bzw. 
Seewasser zu Trinkzwecken haben wir diese Methode in der Modifikation 
von Horowitz angewendet. Wir mußten aber daran etwelche Ab- 
änderungen treffen, welche uns erlaubten, die Methode wirklich mit 
Erfolg anzuwenden. 

Die Colinachweismethode genügte unseren Anforderungen in fol- 
genden Punkten nicht: 

1) Bei Serienuntersuchungen wurde die Herstellung der Pankreatin- 
verdauungsbrühe als umständlich und zeitraubend empfunden. — 2) Die 
Pufferung mit Kreide war ungenügend. Die Indolbildung konnte in 
Kontrollversuchen mit Reinkulturen von Bact. coli, sowie in den 
Wasserproben, infolge saurer Reaktion der Nährlösung, nicht oder nur 
selten festgestellt werden. — 3) Der Nachweis des Indols mit dem 
Ehrlich-Böhmeschen Reagens war sehr unsicher wegen der starken 
Eigenfarbe der Nährlösung, und die Gasbildung entging häufig der 
Beobachtung, indem das Gas nicht manifest gemacht werden konnte. 
— 4) Es konnnten nur relativ kleine Wassermengen in die Nährlösung 
verimpft werden. Wir benötigen aber hierzu solche bis zu 30 und mehr 
Kubikzentimetern. — 5) Größere Mengen gebrauchsfertiger Nährlösung 
versuchsbereit zu halten, wurde als umständlich und schwierig emp- 
funden. 

Im folgenden beschreiben wir kurz unsere Modifikation der ge- 
nannten Methode zur Bestimmung des Colititers im Wasser. 


1. Die Nährlösung. 

Die Nährlösung besteht aus einer gewöhnlichen Laktose-Nähr- 
bouillon mit geringem Zuckergehalt. Die Bouillon enthält aber die 
10fachen Mengen ihrer normalen Bestandteile, so daß pro L. 10 g 
Pepton, 10 g „Liebig“-Fleischextrakt, 5 g Laktose und 5 g Kochsalz 
vorhanden sind. Dieser 10fach konzentrierten Laktosebouillon wird 
soviel 2n-Sodalösung zugesetzt, daß die Normalbouillon einen px-Wert 





: 1) Salus u. Hirn, Zur Wasserbeguti whtung und zur Colibiologie. 
(Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 90. 1923. S. 286). 

2) Horo witz-Wlassowa, Eine vereinfachte Methode der Bestimmung des 
Colititers eines Wassers (Arch. f. Hyg. Bd. 96. 1925. S. 262). 


Acklin, Nachweis des Bact. coli comm. als Fäkalindikator im Wasser. 179 


von 7,2—7,4 aufweist. Zur Aufbewahrung wird eine solche 
Bouillon — sie muß kalt klar filtrieren — zu 100,0 ccm in entsprechende 
Kélbchen mit Watte und Stanniolverschluß gegeben und während 
10 Min. bei 110° sterilisiert. 

Zum Gebrauch als Nährlösung werden in 100 ccm Bouillon 
15—20 g Na?HPO* (Natriumphosphat nach Sörensen zu Enzym- 
studien) unter kurzem Aufkochen im Wasserbad aufgelöst!). Bringt 
man jetzt diese Nährlösung auf die Konzentration einer gewöhnlichen 
Bouillon, z. B. indem man 5 ccm davon mit 45 ccm Wasser vermischt, 
ergibt sich eine leicht gelblich gefärbte Flüssigkeit vom px-Wert 
8,0—8,2?) Dies ist im Prinzip unsere Phosphat-Nährlösung. Die 
weitere Aufgabe war es nun, nath diesem Prinzip, aber unter Ver- 
wendung des auf Coli zu untersuchenden Wassers zweckmäßig eine 
aseptische Nährlösung (Gärsystem) herzustellen. 

Da wir gleichzeitig darauf bedacht waren, Gasbildung dauernd 
kenntlich zu machen, stellen wir uns die Phos- 
phat-Nährlösung direkt in besonderen, einfachen 
Gärkölbchen her. 


2. Die Gärkölbchen. 


In weithalsige Jenaer Erlenmeyer-Steh- 
kölbchen von 50 ccm Inhalt wird eine Glashaube 
als Gasfänger gegeben und unter Watteverschluß 
bei 160—170° ca. 1!/, Std. bei trockener Hitze 
sterilisiert. Die Gasfänger sind Glashauben von 
nebenstehender Form und Größenverhältnissen. 
Die Dimensionen richten sich nach denjenigen 
des Halses des Erlenmeyer-Kölbchens. Der 
untere Durchmesser der Haube ist vorteilhaft nicht 
geringer als 2cm. Die Höhe bis zur Kuppe ge- 
messen, sollte, um ein Umkippen der als Schwim- 
mer funktionierenden Haube zu verhindern, nicht 
weniger als 3 cm betragen. Die Kuppe selbst Fig. 1. 
soll eher spitz als flach sein. Die offene Seite 
der Haube muß rechtwinklig und glatt abgeschnittene Ränder aufweisen 
(um ein Umkippen in der Nährlösung zu verhindern). 


3. Die Herstellung der Gärsysteme. 

Zur Herstellung der Gärsysteme mit dem auf Bact. coli zu 
prüfenden Wasser werden aseptisch je 5 ccm der frisch bereiteten, kon- 
zentrierten Phosphatnährlösung und 5—20 ccm) steriles Wasser in 
die sterilen Gärkölbehen abpipettiert. Da das zugesetzte Phosphat 
nicht steril ist, werden die Gärkölbchen nochmals bei 110° für 
5 Min. in den Autoklav gegeben, worauf sie für die Aufnahme des zu 
untersuchenden Wassers bereit sind. Um in allen Systemen dieselben 


1) Diese übersättigte Lösung muß, um Ausscheidungen in der Kälte zu 
verhindern, bis zu ihrer Verdünnung im Wasserbad gehalten werden. 

2) Obere optimale Wachstumsgrenze für Bact. coli. Š 

3) Die Anzahl ccm dieses Wassers richtet sich danach, ob mehr als 20 ccm 
Wasser in einem Kölbchen geprüft werden sollen. 40 ccm Wasser können maximal 
verimpft werden, wenn man darauf achtet, daß unter Berücksichtigung der nach- 
folgenden kurzen Sterilisation die 5 cem der ursprünglichen konzentrierten Phosphat- 
nährlösung mindestens um das Doppelte verdünnt werden muß. Mehr als 30 cem 
dürfen dabei wegen des Schäumens Keim Sterilisieren nicht verwendet werden. 

12* 


180 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


Konzentrationsverhältnisse, besonders bezüglich der pu-Werte zu haben, 
werden die einzelnen Gärsysteme aseptisch mit sterilem Wasser genau 
auf 50 ccm ergänzt. 

Angenommen wir benötigen eine Serie von Gärsystemen, in welchen 
40,0, 30,0, 20,0, 10,0, 5,0, 1,0 und 0,1 ccm Wasser geprüft werden 
sollen, so stellen wir uns die Proben nach folgendem Schema hert): 


Kubikzentimeter,Coli- Wasser‘: | 40,0 | 30,0 | 20,0 | 100 | 50 | 10 | 0, 
Kubikzentimeter Phosphat-Lak- 

















tosebouillon : 5,0 5,0 5,0 5,0 5,0 5,0 5.0 
Kubikzentimeter steriles Wasser 
(vor Sterilisation): 5,0 | 15,0 | 20,0 | 20,0 | 20,0 | 20,0 20,0 


bei 110° 5 Min. sterilisiert 














Kubikzentimeter steriles Wasser 
zur Ergänzung (aseptisch!): | _ | _ 5,0 | 15,0 | 20,0 | 24,0 | 24,0?) 

Die so angesetzten Kulturen werden mit hakenförmig gebogenem 
ausgeglühtem, abgekühltem Platindraht so durchmischt, daß man mit 
dem Platinhaken die Glasschwimmer faßt, sie einigemale auf der Seite 
liegend um sich selbst dreht, bis eine genügende Durchmischung der be- 
impften Kulturflüssigkeit eingetreten ist. Man beginnt hierfür bei der 
Probe mit der geringsten Trinkwasserkonzentration und geht sukzessive 
zu den höheren Konzentrationen über, ohne den Draht inzwischen aus- 
zuglühen. Nach erfolgter Durchmischung stellt man den Glasschwimmer 
mit dem Platinhaken aufrecht. 


4. Die Feststellung des Titers. 


Die so vorbereiteten Kulturen werden bei 370 bebrütet. Zwischen 
18—24 Std. werden sie auf Wachstum, Gas- und Indolbildung kon- 
trolliert. Das Wachstum wird entweder an einer allgemeinen Trübung 
oder an einer Kahmhaut erkannt. Die Gasbildung ist nicht nur am 
Gas, das sich in der Kuppe des Schwimmers bildet, erkenntlich, sondern 
meistens auch am Kohlendioxyd, das bei Erschütterung des Kölbchens 
aus der Nährlösung herausperlt. Die Indolbildung wird mit dem 
Reagens nach Ehrlich-Böhme wie folgt nachgewiesen. Nach 18 bis 
24stiind. Bebrütung, auf jeden Fall aber, wenn deutliches Bakterien- 
wachstum vorhanden ist, werden 5 cem Kulturflüssigkeit in Reagenz- 
gläser abpipettiert und 2,5 ccm des Ehrlichschen Reagens I 3) so 
zufließen gelassen, daß keine Vermischung eintritt (Ringreaktion). Ist 
Indol vorhanden, so tritt sofort oder spätestens nach 5—15 Min. ein 
mehr oder weniger scharf begrenzter roter Ring (Ringzone) auf 4). 

Wir führen nun noch einige typische Beispiele von unsern Be- 
funden mit vorstehender Methode an. Sie sollen vor allem als Re- 


1) Es ist zu Vergleichszwecken und als Kontrolle empfehlenswert, jeder Serie 
eine „blinde Probe“ beizugeben. Es ist dies eine mit sterilem Wasser normal ver- 
diinnte, also sterile, Nährlösung, die mit Bact. coli-Reinkultur beimpft wird. 

2) Wassermengen von weniger als 1,0 ccm werden nicht als solche, sondern 
immer, in entsprechenden Verdünnungen mit sterilem Wasser in einem Volumen von 
1,0 cem verimpft. 

3) p-Dimethylamidobenzaldehyd in salzsaurer, alkoholischer Lösung. 

4) Wir haben festgestellt, daß bei Wachstum von Bact. coli in unserer Nähr- 
brühe diese immer genügend Stoffe enthält, welche die Oxydation der Leukobase 
zu dem Rosindol besorgt. (Bei sterilen oder coli- freien Kulturen beobachteten wir 
diese Erscheinungen nicht.) Wir verwenden daher die KsS;O;-Lösung nicht mehr. 


Acklin, Nachweis des Bact. coli comm. als Fäkalindikator im Wasser. 181 


gistrierschema dienen; dann dürften sie aber gleichzeitig zeigen, daß 
unsere Nährlösung eine vorteilhafte selektive Wirkung auf das Wachs- 
tum des Bact. coli ausübt. Wir geben deshalb zu jedem Coli-Be- 
fund die Keimzahl des betreffenden Wassers, auf Nährgelatine pu = 
7,4 erhalten, an. 


Beispiel I (KZ= 180) 


nach < 24 Std. nach > 24 Std. 
Kobikzontimetar Wasser Wachstum Gas Indol Wachstum Gas Indo 

1,0 = _ = +’) = = 

5,0 es iFa = + = + 
10,0 + + + 
20,0 + + + 
30,0 + + + 

Coli-Titer = 10,0. 
Beispiel Il (KZ = 250) 

0,1 — — — — — — 

1,0 =7 = = + = + 

5,0 gy = a” *) + + 
10,0 + + + 
20,0 + + + 
30,0 + + + 

Coli-Titer = 10,0. 
Beispiel III (KZ = 650) 

0,1 — — — — — — 

1,0 — — — — — _ 

5,0 — — — *) _ — 
10.0 = 3; = *) = = 
20,0 — 2s rer *) = = 
30,0 + = <= +*) = foe 


Coli-Titer > 30,0. 


+ = allgemeine bakterielle Trübung, Gas- und Indolbildung, 
— = kein Bakterienwachstum, keine Gas- und Indolbildung, 
KZ= Keimzahl, *) = Kahmhaut. 


Wir sehen aus den angeführten Beispielen: 

1) Die nach weniger als 24 Std. gemachten Beobachtungen ver- 
ändern sich nirgends dahin, daß nach mehr als 24 Std. der Coli- 
Befund ein anderer wäre. — 2) Aus Beispiel II geht hervor, daß zur 
endgültigen Feststellung des Coli-Titers vorteilhaft der Befund trotz- 
dem nach mehr als 24 Std. berücksichtigt wird, indem eine positive 
Gas- und Indolbildung nur dann für Bact. coli verantwortlich gemacht 
werden kann, wenn dessen spezifische Wachstumserscheinungen eben- 
falls deutlich vorhanden sind. — 3) Bei Gegenüberstellung der Keim- 
zahl mit den entsprechenden Beobachtungen unter „Wachstum“ sehen 
wir hier die deutliche Hemmung der Nicht-Coli-.Bakterien gegen- 
über den in Wirklichkeit auf der Nährgelatine angegangenen. 

In der beschriebenen Ausführung glauben wir, eine Coli-Nach- 
weismethode für Wasser angegeben zu haben, die gegenüber den bis- 
herigen einige namhafte Vorteile besitzen dürfte und dabei das Bact. 
coli trotzdem mit einer für praktisch-biologische Vergleichszwecke 
genügenden Sicherheit rasch erfaßt. 


182 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


Nachdruck verboten. 
Le Mycobacterium aquae Galli- Valerio et son action 
pathogène. 


[Institut d'Hygiène et de Parasitologie de l’Université de Lausanne. | 
Par B. Galli-Valerio et M. Bornand. 


Il y a 14 ans, on trouvait dans des robinets d’eau potable un 
bacille acido-résistant morphologiquement analogue au bacille de 
Koch, le M. aquae. Il pouvait être isolé en culture à des tem- 
pératures de 20° et 37° sur milieu à l'œuf glycériné, d'abord en 
culture mixte avec une Streptothrix, puis en culture tout à fait pure 
(1, 2, 3). 

Or l’etude de cette forme bactérienne, nous a paru fort intéressante 
dans un moment où l’étude des parasites démontre de plus en plus qu’il 
s’agit d’adaptations de formes saprophytes a la vie parasitaire dans l’or- 
ganisme de l’homme et des animaux, et cela d’autant plus que c’est 
justement dans le genre Mycobacterium que nous trouvons l’exemple 
le plus typique d’un passage des formes saprophytes aux formes 
extrêmement pathogènes. L’un de nous a publié a cet égard un 
tableau généalogique probable de l’origine desM ycobacteriums patho- 
genes (4). 

Dans l’adaptation des formes saprophytes au parasitisme, deux 
facteurs entrent en jeu: L’exaltation du pouvoir pathogene du sapro- 
phyte sous l’influence des causes les plus variées, et l’affaiblissement 
de la resistance individuelle de l’organisme dans lequel un saprphyte 
a pénétré. Voir quel est le mode d’agir de ces deux facteurs au 
point de vue de l’action pathogene du M. aquae, est le but que 
nous nous sommes proposés. 

De nombreux travaux bien connus ont paru sur l’action pathogene 
de bacilles acido-résistants du milieu extérieur, du lait etc., mais dans 
tous, sauf dans un où il y a certainement eu infection accidentelle avec 
M. tuberculosis, on n’a déterminé que des lésions relativement 
légères et jamais on a constaté une réelle transformation de ces 
germes en Bacille de Koch. 

Un bacille d'un type si saprophyte que M. aquae et en même 
temps si rapproché morphologiquement du M. tuberculosis, méri- 
tait certainement d’être expérimenté au point de vue que nous venons 
d'indiquer. 

Le M. aquae se présente morphologiquement dans les robinets 
sous la forme de bâtonets fins ou épais, droits ou légèrement courbés, 
très souvent renflés en massue à une extrémité. Leurs dimensions 
varient entre 2—3—4—6X0,3—0,4 u. Dans les cultures, il garde les 
mêmes caractères, mais dans les cultures âgées les formes deviennent, 
souvent plus longues, en courts filaments, souvent renflés en massue, 
à fausses ramifications, les vraies étant très rares et exclusivement 
dans les cultures très anciennes. Soit dans les robinets, soit dans les 
cultures, il est très acido-résistant. Il résiste autant que de bacille de 
Koch à la décoloration par l'acide nitrique au tiers et par l'alcool. 
Les cultures réussissent d'emblée, après traitement par l’antiformine, sur 
œuf glycériné, non seulement à 20° mais même à 370. Il peut alors 


Galli- Valerio et Bornand, Le Mycobacterium aquae ete. 183 


se repiquer dans tous les milieux glycérinés mais aussi sur les milieux 
ordinaires, sur pomme de terre et carotte surtout; dans le bouillon, 
il donne un depöt jaunätre au fond; il ne liquéfie pas la gélatine. 

Cependant, sa croissance est beaucoup plus rapide dans les 
milieux renfermant de la glycérine et du glycose et son développement 
plus abondant. De méme les cultures faites & 37° croissent plus 
rapidement quà la température ordinaire. 

Les cultures sont jaunes, presque orangées, brillantes, mamelon- 
nées, grasses se détachant assez facilement du milieu de culture. 
Au point de vue de l’action pathogène de ce Bacille, un de nous (5) 
avait échoué en inoculant une culture en symbiose avec une Streptothrix 
à deux cobayes, un dans le péritoine et l’autre sous la peau de la 
cuisse. Shin Maie (6) expérimentant avec des cultures pures de ce 
même bacille sur les poissons rouges (Carassius aurats), notait que 
l’inoculation dans la chambre antérieure de l'œil, dans le péritoind 
et dans les muscles abouissait à la dissémination du bacille dans tout 
l'organisme où il subissait une très forte bactériolyse extracellulaire. 
Nous nous sommes proposés à nôtre tour de vérifier l’action pathogène 
des cultures d’origine directe sur vertébrés à sang chaud, à sang 
froid et sur des invertébrés, celle de cultures ayant passé sur l’animal 
et l’action prédisposante de substances irritantes locales dans le dé- 
veloppement de l'infection. 

Voici un exposé de nos expériences. 


lre Série: Cultures d'origine directe inoculées aux animaux 
à sang chaud. 

13. 2. 21. Inoculations avec une émulsion de culture sur carotte glycérinée 
glycosée âgée de 10 jours à 370. 

Bacilles présentant des formes longues, granulations fortement acido-résistantes, 
nombreuses massues. 

Rat blanc (No. 17). Un cm? sous la peau de la cuisse gauche’). Mort le 
21. 5. 22. Fort amaigrissement. Au point d'inoculation abcès comme petit pois, à pus 
jaunâtre, mou. Légère tuméfaction de la rate. Dans le pus, très nombreux M.aquae, 
tous extracellulaires isolés ou en petits paquets, plutôt courts, trapus souvent en 
massue. Point dans les organes. 

ia cm? de ce pus est inoculé sous la peau de la cuisse du rat blanc 
No. 14. Il meurt le 2. 7. 23. Amaigrissement et légère tuméfaction au point 
inoculé. Point de M. aquae.) 

Cobaye No. 15. Un cm? sous la peau de la cuisse gauche. 

24. 12. 21. Abcès ouvert au point inoculé de la dimension d'une petite 
noisette à pus épais jaunâtre. Beaucoup de M. aquae, plutôt longs, quelques uns 
granuleux, en gros amas, simulant des amas de bacilles de la lèpre. 

(Un cm? d'une émulsion de ce pus est inoculée sous la peau de la cuisse 
gauche du cobaye No. 18. Le 29. 12 21. Petite tuméfaction élastique de la 
dimension d'une noisette. Mort le 11. 7. 22. Amaigrissement, léger œdème pulmo- 
naire, congestion du foie et des reins, Hyperémie des capsules surrénales et de 
ae Petit ganglion comme grain de millet au point inoculé. Point de 
M. aquae.) 

Le cobare 15 présente le 29. 12. 21 induration comme noisette au point 
inoculé. Mort le 19. 5. 22. Fort amaigrissement, point de lésions sauf hyperémie 
de l'intestin et des capsules surrénales. Point de M. aquae. 

Lapin (No. 16). Un cm? sous la peau de la cuisse gauche. 

15, 2. 22. Tuméfaction comme noix au point inoculé. 

Le 1. 5. 22 une incision de la tuméfaction donne un pus jaunätre mou, avec 
de nombreux. M. aquae plutöt longs, en massue, Sxtracsllulaires, Ils présentent 
souvent des espaces ARE et sont disposés par 2 ou 3. 

(Une émulsion de ce pus est inoculde sous la peau de la cuisse gauche du 
cobaye No. 13 (1. 7. 22). Il meurt paralysé. Amaigrissement. Au point: inoculé 


1) Les inoculations sont toujours faites à la face interne de la cuisse. 


184 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


infiltration hémorrhagique avec ganglion comme grain de millet. Légère tuméfaction 
de la rate, hyperémie de l'intestin et des capsules surrénales. Point de M. aquae.) 

Le 12. 3. 23, le lapin No. 16 qui s’est complétement rétabli, est inoculé 
sous la peau de la cuisse droite avec 2cc d'une émulsion d'une culture âgée de 
15 jours de tuberculose bovine (originaire du chat). Il meurt le 9. 6. 23 très 
amaigri avec graves lésions de tuberculose généralisée. 

Cobaye No. 14, avec 1 cm? dans l'abdomen. Mort le 13. 12. 21. Au point 
inoculé petit escare et infiltration hémorragique. Exsudat hémorragique dans l’ab- 
domen petites hémorragies des séreuses. Dégénérescence granulo-graisseuse du foie 
et des reins. Rate tuméfiée, capsules surrénales hyperémies; poumons normaux. 
Dans le péritoine très nombreux M. aquae isolés ou en petits amas la plus 
rande partie granuleux. Par ci par là, gros amas de granulations. Très rares les 
uns phagocytées. On a l'impression d'une lyse extracellulaire. On trouve aussi 
des bacilles dans le foie, dans la bile, plus nombreux dans la rate, rares dans 
les reins assez nombreux dans les capsules surrénales et dans les ganglions més- 
entériques tuméfiés, peu nombreux dans les poumons, rares dans le sang. On 
a l'impression d'une véritable septicémie. 


2e Série: Culture d'origine directe stérilisée, inoculée aux 
animaux à‘sang chaud. 

30. 5. 22. Inoculation avec une émulsion de culture sur carotte glycérinée 
lycosée d'origine directe à 37° chauffée une heure à 80°. Bacilles présentant des 
ee longues, bien colorées avec de nombreuses granulations, formes en massue. 

Cobaye No. 20. 2 cm? sous la peau de la cuisse gauche. Mort le 5.7.22. 
Fort amaigrissement. Très forte infiltration hémorrhagique au point inoculé s’éten- 
dant jusqu'à l'abdomen. Hyperémie de l'intestin, des reins et des capsules sur- 
rénales. M. aquae en massue, plusieurs dans des phagocytes au point inoculé. 

Cette expérience parle en faveur de l'action des endotoxines du M. aquae 
dans la mort des animaux inoculés méme avec des cultures vivantes. 


3e Série: Cultures de passage sur le Cobaye, inoculées aux ani- 
maux à sang chaud. 

1. 2. 22. a) Inoculation avec une culture sur carotte glycérinée glycosée à 
a originaire du pus du cobaye No. 15 (13. 12. 21). Bacilles plutôt longs, bien 
colorés. 

Cobaye 14. 1 cm? sous la peau de la cuisse gauche. 

By 2e Tumefaction comme noisette au point inocule. 

15. 2. Très légère enflure. Mort le 20. 5. 22. Très fort amaigrissement. De- 
générescence granulo-graisseuse du foie. Hyperémie de l'intestin et des capsules 
surrénales. Point de M. aquae. 

24. 10. 22. b) Idem. Culture de 15 jours. Bacilles plutöt minces et longs 
quelques formes en massue, plusieurs à granulations. 

Souris blanche No. 13. 1/ cm? sous la peau de la cuisse gauche 
Morte le 1. 7. 23. Point de lésions sauf fort amaigrissement et un Cysticercus 
fasciolaris dans le foie. Mais dans un frottis du poumon droit il y a un 
petit amas de M. aquae en partie bien conservés et colorés, en partie réduits en 
granulations. On a ici l'impression d'une légère lésion pulmonaire analogue à celles - 
quo l'un de nous a déterminé dans des essais d'infection des rats et souris avec le 

acille de Koch (7). 

28. 11. 22. c) Idem. Culture de 5e repiquage âgée de 12 jours sur carotte 
glycérinée glycosée. Bacilles plutôt longs presque tous en massue, uniformément 
colorés. Rares les formes en granulations. 

Cobaye No. 27. 1 cm? sous la peau de la cuisse gauche. 

14. 12. Fortement amaigri avec infiltration au point inoculé. Mort le 17. 12. 
Fort amaigrissement. Au point inoculé gros abcès à pus caséeux infiltré dans les 
muscles. Hémorragies souscutanées. Aucune autre lésion sauf forte hyperémie des 
capsules surrénales. Dans l'abcès nombreux M. aquae, la plus grande partie 
courts et uniformement colorés. Plusieurs sont granuleux et il y a par ci par IA 
des amas de granulations. Ressemblent tout A fait & des bacilles de Koch Point 
de phagocytés point de ces formes dans les organes. 

(Avec une émulsion de ce pus inoculé sous la peau de la cuisse gauche le 
cobaye No. 25. Mort le 9. 6. 23. Amaigrissement. Point de lésions locales. Dégéné- 
rescence granulo-graisseuse du foie et des reins. Hyperémie des capsules surrénales. 
Point de M. aquae.) 

Cobaye No. 27a. 1 cm? dans la cavité thoracique gauche. Mort le 16. 12. 
Fort amaigrissement. Trés forte hyperémie de la plövre avec exsudat sérosanguino- 


Galli- Valerio et Bornand, Le Mycobacterium aquae ete. 185 


lent.° Hyperémie des reins et des capsules surrénales. Rares M. aquae, plutôt 
longs, granuleux, extracellulaires au niveau du point inoculé. Point dans la plévre ni 
dans les organes. 

10. 1. 23. Idem. Culture de 6° repiquage âgée de 3 semaines. Bacilles 
plutôt longs et en filaments uniformément colorés. 

Cobaye 27b; 2 cm? sous la peau de la cuisse gauche. 

17. 1. Légére tuméfaction au point inoculé. Mort le 4. 6. 23. Point de 
lesion locale; poumons normaux. Dégénérescence granulo-graisseuse du foie; Hyper- 
émie des capsules surrénales. Point de M. aquae. 

Cobaye 27c. Un cm? dans la plèvre droite. Mort le 4. 6. 23. Amaigris- 
sement. Forte adhérence entre le point inoculé, la plévre pulmonaire et le péricarde. 
Legere hyperémie des poumons. Foie et rein gauche en dégénérescence granulo- 
zalecane, Hyperémie des capsules surrénales et de l'intestin grèle. Point de 
M. aquae. 

obaye 27d. Un cm? dans l'hémisphère cérébral gauche. 

Mort le 11. 4. 23. Légère hyperémie du cerveau. Foie en dégénérescence 

gibier. Hyperémie des capsules surrénales et de l'intestin. Point de 
. aquae. 

15. 5. 23. e) Idem. Culture de 13 jours sur pomme de terre glycerinée gly- 
cosée. Bacilles en massues uniformément colorés quelques uns granuleux. 

Cobaye 22. Quelques gouttes d'émulsion dans le sac conjonctival gauche en 
frottant légèrement. 

Mort le 25. 6. 23. Amaigrissement. Dégénérescence granulo-graisseuse du foie. 
Hyperémie des et surrénales. Point de M. aquae. 

3. 10. 24. f) Idem. Culture de 13 jours sur pomme de terre. Bacilles plutöt 
longs uniformément colorés, plusieurs en massue. Formes courtes rares. 

Lapin No. 18. Un cm? dans la veine marginale de l'oreille gauche. Tué le 
23. 10. Au point inoculé érosion avec une petite goutte de pus; aucune autre 
lésion sauf un ganglion assez gros dans le mésentère. M. aquae dans le pus de 
l'oreille, rares plusieurs en involutiones amas de granulations restes de lyse, point 
dans les organes. 

Lapin 17. Idem. Mort le 28. 11. 24. Au point inoculé tuméfaction élastique 
comme petite noisette. Incisée, met en liberté un matériel caséeux jaunätre à 
M. aquae en grande partie bien conservés d'autres en granulations, tous extra- 
cellulaires. Légère tuméfaction de la rate et hyperémie des capsules surrénales. 
Point de M. aquae dans les organes. 

(Avec le pus de l'oreille de ce lapin inoculé sous la peau de la cuisse gauche 
le Cobaye 13. Ee cobaye présente un nodule comme un pois au point inoculé, nodule 
qui s'ouvre et se vide le 7. 1. 25. Mort le 30. 1. 25. L’animal ne présente qu'hyper- 
émie des capsules surrénales. Point de M. aquae.) 

Rat blanc et noir No. 13a. Idem. Devient agressif, puis présente para- 
5. 10. .Petite hémorragie dans l'hémisphère cérébral gauche. Légère tuméfaction 
de la rate. M. aquae nombreux dans les deux hémisphères; isolés, par 2, en 
pas amas très bien conservés mais en bonne partie granuleux en lyse. Idem dans 
e cervelet. Très rares et granuleux dans la rate. 

Rat blanc et noir No. 13a. Idem. Devient agressif, puis présente para- 
lysie du train postérieur et meurt le 12. 11. 24. Hyperémie du cerveau et des 
capsules surrénales. M. aquae assez bien conservés et granuleux dans l'hémisphère 
cérébral gauche rares dans le droit point dans le reste Jò système nerveux central; 
Ils sont moins nombreux que chez le rat No. 13. 

(Avec une émulsion du cerveau de ce rat, inoculé dans le cerveau le rat blano 
No. 11, et dans l'abdomen 2 cm? le rat noir 11a.) 

Le rat blane No. 11 est trouvé mort le matin du 26. 4. 25. Il présente de 
la gale à S. alepis aux oreilles et #u nez; beaucoup de Trichomonas muris 
dans l'intestin. 

Point de lésions et seulement quelques M. aquae granuleux à contours irré- 
guliers dans l'hémisphère cérébral gauche. 

Le rat noir est trouvé mort le matin du 14. 5. 25. Il présente une forte 
infection à S. alepis et des lésions pulmonaires à Corynebact. muris. Seulement 
dans le péritoine on trouve par ci par là de petits amas de M. aquae très courts 
et en massue ressemblant à de petites touffes d'Actinomyces. A côté de ces 
amas, il y a des granulations indiquant une lyse). 

Cobaye No. 16. Un cm? d’@mulsion de la culture plus 1 cm? d'une sus- 
pension stérile de pierre ponce (5 g dans 10 cm? sol. physiologique) sous la peau 
de la cuisse gauche. 

Le 14. 10. Au point inoculé tuméfaction comme petite noisette. Mort le 


186 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


31. 10. 24. Amaigrissement. Tuméfaction au point inoculé avec un gros »foyer 
caséeux qui pénètre dans les muscles, remplie d'un pus jaunâtre avec beaucoup de 
M. aquae à espaces clairs. Plusieurs sont très longs en massue; point de granu- 
lations ni de formes phagocytées. Oedème et hyperémie pulmonaire, hyperémie de 
l'intestin et des capsules surrénales. Dans aucun organe il y a des M. aquae. 

(Avec une émulsion de ce pus, inoculé 1 cm? sous la peau de la cuisse gauche 
du cobaye No. 18. 

Le 8. 11. Au point inoculé nodule comme Ae pois. Mort le 28. 1. 25. 
Fort amaigrissement. Petit ganglion au point inoculé et hyperémie du conjonctif 
souscutané. Un peu d’@demie pulmonaire, hyperémie des capsules surrénales. 
Point de M. aquae.) 

5. 11. 24. f) Idem culture de 15 jours sur carotte glycérinée glycosée. 
Bacilles longs, bien colorés, plusieurs avec granulations, massues. 

Deux rats blancs et noirs No. 10 avec quelques gouttes d'émulsion 
dans l'hémisphère cérébral gauche. 

Un meurt le 6. 11. Légère hyperémie du cerveau avec beaucoup de M. 
aquae très longs et granuleux dans l'hémisphère gauche, rares dans le droit, le 
cervelet et la moelle Akon ée. Hyperémie des capsules surrénales. Point de M. 
aquae dans les organes. T 2e rat meurt le 7. 11. et présente des lésions identi- 
ues. 

u 10. 11. 24. Idem. Culture âgée de 17 jours sur carotte, bacilles longs, bien 
colorés. 

Deux rats blancs No. 10a, avec quelques gouttes d’&mulsion dans 1l’hömi- 
sphére cérébral gauche. Un meurt le 12. 11. Hyperémie du cerveau. M. aquae 
ans l'hémisphère gauche, rare dans le droit, granuleux. Point d'autres lésions. 
L'autre est trouvé mort le matin du 6. 4. 25 par une infection de gale à Sar- 
copter alepis. A l'autopsie, il ne présente aucune lésion et absence complète de 
M. aquae. 

apin No. 14. Quelques gouttes d’@mulsion dans la chambre antérieure de 
Pæil gauche. Les jours suivants, l'œil devient trouble. Mort le 8. 1. 25. Très 
amaigri. Oeil gauche très trouble à taches blanchâtres sur le cristallin. Point de 
lésions de l'autre œil ni des différents organes sauf dégénérescence granulo-graisseuse 
des reins. L'œil gauche présente une véritable fonte caséeuse englobant le cristallin 
avec de très nombreux M. aquae en amas ou isolés très bien colorés. Il n'y en a 
point dans le reste de l'organisme. 

(Avec 1 cm? d’émulsion du matériel caséeux de l'œil de ce lapin, inoculé 
sous la peau de la cuisse gauche le lapin No. 26 1/, cm? sous la peau de la cuisse 
gauche a cobaye No. 25. Le lapin présente à partir du 15. 1. forte tuméfaction 
de la cuisse qui s'ouvre le 24. 1. donnant un pus verdâtre dans lequel il ny a 
point de M. aquae. 

Il reste après une infiltration dure, comme une noisette et à la région ingui- 
nale une nodosité comme une noix qui persiste encore en février, puis peu à peu 
se résorbe et disparaît complètement le 20 mars 1925. Le lapin meurt le 14. 12. 25 
d'une septicémie à staphylocoques. Ni lésions, ni M. aquae. 

cobaye meurt le 30. 1. 25. Petite ulcération au point inoculé avec in- 
filtration hémorragique remontant jusqu'au sternum. Point d'autres lésions, point 
de M. aquae, ni d'autres bactéries). 

Cobaye No. 16 avec 1cm? d'émulsion de culture plus 1cm3 de sus- 
pension de pierre ponce sous la peau de la cuisse gauche. 

Mort le 2. 2. 25. Légére hyperémie au point inoculé et forte hyperémie des 
capsules surrénales. Point de M. aquae. ; 

16. 12. 25. Idem. Culture de 23 jours sur pomme de terre glycérinée gly- 
cosee. Bacilles trapus plusieurs en massue, uniformément colorés avec quelques formes 
longues et granuleuses. e 2 

Un coq. 2 cm? dans la cavité générale du corps. Mort le 26. 5. 26. Amai- 
grissement énorme. L'animal n'est plus qu'un squelette. Aucune lésion visible sauf 
atrophie de la rate réduite à la dimension d'un pois. Point de M. aquae. On a 
l'impression que l'animal a succombé aux produits toxiques de M. aquae. 

25. 1. 26. Idem. Culture de 11 jours sur pomme de terre glycérinée glycosée. 
Bacilles plutôt longs, minces, plusieurs en massue, plusieurs granuleux. Un pigeon. 
1 cm? dans la cavité générale du corps. Il vit encore. Un pigeon 1 cm? dans. la 
trachée. Il vit encore. 

Deux Vesperugo noctula en hibernation; un demi cm? dans l'abdomen. 
Trouvé morts le 26. 2. 26 ainsi que d'autres non inoculées. Dans le péritoine on 
trouve de très nombreux M. aquae bien colorés, plutôt longs en gros paquets avec 
quelques formes granuleuses tous extracellulaires. Ces mêmes bacilles, moins nom- 


Galli-Valerio et Bornand, Le Mycobacterium aquae ete. 187 


breux se rencontrent dans le foie, rate, reins et poumons. Dans les poumons il y a 
plusieurs formes en lyse. 


4e Série. Cultures d'origine directe inoculées aux poissons. 

6. 9. 22. a) Inoculation avec une culture de 19 jours sur sérum de bœuf 
Zee et glycosé & température ordinaire. Bacilles plutöt longs, granuleux. Point 
e formes en massue. 

Trois Leuciscus rutilus No. 4. Le plus gros, avec 2 cm, les deux autres 
avec 1 cm? d’&mulsion dans la cavité générale du corps. Un des poissons meurt le 
1. 6. 23. Point de lésions visibles, mais de très nombreux M. aquae dans le 
zone le foie et les reins, rares dans le cerveau. Ils sont disposés en amas 
normes simulant des masses de bacilles lépreux. Tous sont extracellulaires, plutôt 
longs quelques-uns granuleux; dans le rein plus longs que dans le péritoine et dans 
les autres organes. 

Un deuxième L. rutilus est trouvé mort le 1. 10. 25. Dans la cavité abdo- 
minale il y a de nombreux M. aquae uniformément colorés. Ils sout disposés en 
amas formant des globi comme dans la lépre. Ils sont en massue, colorés, la plus 
grande partie à fausses ramifications. Ces mêmes bacilles mais moins abondants se 
rencontrent dans les reins, et plus rares dans le foie. Ils manquent dans le cerveau. 

(Avec 1 cm? environ d'émulsion du contenu du péritoine de ce L. rutilus, 
inoculé dans la cavité abdominale deux Tinca vulgaris No. 5; elles vivent 
encore aujourd'hui.) 

24. 10. 22. b) Idem avec une culture sur pomme de terre de 15 jours à 
température ordinaire. Bacilles plutöt minces et longs, peu de formes en massue. 
Sont granuleux. 

Deux cm? d’&mulsion dans la cavité générale d'un Squalius cavedanus 
et d'une Tinca vulgaris No. 4a. La Tinca vulgaris est morte le 3. 4. 23. 
Depuis quelque temps elle était infectée d'une affection à hyphomycètes de la peau. 
Point de lésions visibles sauf accumulation de liquide purulent sanguinolent dans la 
cavité générale. Dans ce liquide il y a de très nombreux M. aquae en gros amas, 
tous extracellulaires. Il y en a de courts filaments, beaucoup en grosses massues, 

lusieurs à pseudoramifications. Sont plutôt granuleux, parfois comme des chaînettes. 
es mêmes bacilles se trouvent en an formidable dans le foie où ils sont 
plutot longs, à pseudoramifications et en massues, dans les reins ils sont plus 
isséminés, dans le cerveau plus rares. Les coupes du foie démontrent une formi- 
dable infiltration bactérienne sans tubercules. Toutes les formes sont extracellulaires 
et les amas simulent tout à fait des globi, de la lèpre. 

(Avec 1 cm? du liguide purulent de cette tanche, inoculé dans la cavité 
générale du corps 2 Leticiscus rutilus No. 5. Un meurt le 6. 4. Dans la 
cavité générale, Peansóup de M. aquae bien conservés, extracellulaires. Point dans 
les organes. Le second meurt le 5. 5. Point de lésions. Dans la cavité générale, 
pet ci par là quelques rares M. aquae isolés, plutôt longs, bien colorés extracellu- 
aires. Point dans les organes.) 

Le Sq. cavedanus meurt par infection à Costia necatrix le 1. 10. 25. 
Point de lésions, point de M. aquae. 


5e Série. Cyltures de passage sur les poissons inoculées aux 
animaux à sang chaud et à sang froid. 

18. 7. 23. a) Inoculation d'une culture originaire du Leuciscus rutilus 
No. 4. Premier repiquage sur milieu à l'œuf à température ordinaire de 12 jours. 
Bacilles surtout longs, minces et granuleux. 

Lapin No. 25. Un cm? sous la peau de la cuisse droite. Mort le 17. 8. 24. 
Point de lésions, point de M. aquae. 

Cobaye No. 26. Un em sous la peau de la cuisse gauche. Mort le 15. 9. 
Amaigrissement, petit uleöre au point inoculé. Hyperémie des capsules surrénales. 
Point de M. aquae. 

Quatre Squalius cavedanus No. 4c 1/ cm? dans la cavité générale du 
corps. Un meurt le 19. 7. 23. Dans cavité générale très nombreux M. aquae 
granuleux, en gros amas et amas de granulations. 

Point de phagocytose. Un autre meurt le 12. 7. 24. Dans la cavité générale, 
très rares M. aquae en granulations. Dans le foie, plusieurs bacilles longs finement 
granuleux, isolés ou par 3 ou 4, moins fréquents dans les reins. Point dans les 
autres organes. Un troisième meurt le 6. 11. 24. Il était envahi depuis quelque 
temps par Costia necatrix. Très rares M. aquae en granulations dans le 
foie. Le 4e Sq. cavedanus meurt le 1. 9. 25 envahir par Costia necatrix. 
Point de lésions ni de M. aquae. 


188 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


6. 5. 24. b) Idem culture sur œuf glycériné âgée de 20 joúrs à température 
ordinaire. Bacilles longs minces ou en massues, à granulations, plutôt pâles. 

Rana temporaria A) Un cm? d’émulsion dans le sac dorsal. Morte le 
9. 5. Dans le sac dorsal beaucoup de M. aquae granuleux et complètement réduits 
en granulations. Très rares les formes phagocytées. Dans les poumons, beaucoup de 
bacilles granuleux, rares les formes en granulation complète. Dans le sang beaucoup 
de bacilles granuleux. Dans le foie envahissement formidable de bacilles courts et 
longs formant de véritables nids. Dans les cou du foie on trouve un véritable 
feutrage de bacilles sans des formes typiques de tubercules. Tous ces bacilles se 
colorent beaucoup mieux que ceux de la culture employée pour l'inoculation. 


(Avec une émulsion du foie de cette grenouille inoculé dans le sac dorsal 
(1/2) em? 5 Rana esculenta. Une meurt le 28. 6. 24. Ulcère gangréneux à la 
face interne de la cuisse droite. Très rares M. aquae granuleux dans l'ulcère, le 
foie et les reins. Une 2e meurt le 14. 7. 24. Très rares M. aquae granuleux à 
formes involutives, dans le foie et la cavité générale du corps. Les deux autres 
meurent le 26.7. et le 30.9. sans lésions et sans M. aquae.) 

Rana esculenta. B) Un cm? dans le sac dorsal. Morte le 17. 5. 24. Dans 
le sac dorsal nombreux M. aquae en amas, courts, bien colorés, en massue, et 
rares formes longues granuleuses. Beaucoup d'amas de granulations. Point de phago- 
cytose. Dans le foie bacilles en gros paquets. Les formes granuleuses y sont rares. 
Dans les poumons, bacilles rares plutôt granuleux. Dans les reins rares formes 
isolées granuleuses. Dans le cerveau assez nombreux et en petits amas. Dans le 
sang et dans la cavité générale du corps il n'y a point de bacilles. 

Cinq Rana esculenta. C) Un 'em? d'émulsion dans la cavité générale 
du corps. Une meurt le 13.5. 24. Dans la cavité générale, exsudat puriforme 
sanguinolent avec d'innombrables M. aquae en grande partie bien conservés, en 
courtes massues fort bien colorées, disposées en amas énormes comme des globi de la 
lèpre. Par ci par là formes granuleuses et amas de granulations. Il y a de rares 
hagocytes complètement bourrés de bacilles, qui ne laissent libre que le noyau. 
ans le foie nombreux bacilles en amas moyens et isolés, plutôt granuleux. Poumons 
et reins bacilles plus rares. Plus nombreux et en petite amas, dans le cerveau. 
Dans le sang du cœur bacilles rares granuleux et en granulations. Dans les coupes 
du foie nids bactériens disséminés dans le parenchyme. 

Une 2 meurt le 18. 5. 24 Dans la cavité générale beaucoup de M. 
aquae très granuleux non phagocytés. Dans le foie et reins innombrables bacilles 
surtout en paquets. Dans les poumons, bacilles assez nombreux isolés ou en paquets. 
Dans le cerveau beaucoup de bacilles isolés ou en paquets. Point dans les ovaires. 
Dans le sang du cœur beaucoup de bacilles très granuleux. Dans les coupes du 
foie, les amas de bacilles apparaissent déjà comme des taches rouges dans le paren- 
chyme rappelant des coupes d'organes lépreux. 

Une 3% grenouille meurt le 28. 7. 24. Très amaigrie. Dans la cavité générale, 
rares M. aquae par 2 et 3 bien colorés peu granuleux. Dans les poumons très 
rares bacilles longs granuleux. Dans la rate bacilles en petits amas assez nombreux 
granuleux, presque en streptocoques. Mêmes caractères dans les reins mais plus 
rares. Dans le foie paquets plus gros. Dans les testicules bacilles isolés bien colorés. 
Partout les bacilles sont extracellulaires. Point de bacilles dans le cerveau, le sang et 
le sac dorsal. Les coupes du foie montrent moins de bacilles que dans les cas 
récédents. Les deux autres grenouilles meurent le 10. 10. 25 sans lésions et sans 
M. aquae. 


Le 2. 12. 25. b) Inoculation d'une culture originaire du Leuciscus rutilus 
No. 4 mort le ler Octobre 1925, second passage sur pomme de terre glycérinée 
glycosée de 15 jours. Bacilles courts, en massues, uniformément colorés. 

Un pigeon. 1 cm? dans la cavité abdominale, le pigeon n'a présenté aucun 
trouble et vit encore aujourd'hui. 

Tinca vulgaris No. 3. 1/,; cm? dans la cavité générale du corps. Morte 
le 3. 9. 26. Point de lésions visibles. Dans le péritoine, amas de M. aquae plutôt 
courts, bien colorés, et quelques granulations. Ces mêmes bacilles se rencontrent 
moins nombreux dans les reins et sont rares dans le foie. Ils manquent dans le 
cerveau. 

Tinca vulgaris No. 3. 3%/,cm° dans la cavité générale du corps. Morte 
le 27. 4. 26. Point de lésions visibles. Dans le péritoine, M. aquae en amas, plutôt 
courts et toujours avec granulations libres. Point de phagocytés. Mêmes formes 
dans le foie et dans la rate. Dans les reins ils sont plus rares et réduits en bonne 
partie en granulations. Point dans le cerveau. 


Galli-Valerio et Bornand, Le Mycobacterium aquae ete. 189 


6. Série. Cultures d’origine directe inoculées & des invertébrés. 
15. 5. 23. a) Inoculation d'une culture sur carotte glycérinée glycosée à 


température ordinaire âgée d'un mois. Bacilles plutôt longs, uniformément colorés. 
Huit Arion rufus No. 2. 1/ cm? d'émulsion dans la cavité générale 


du ST a 

16. 5. Ouvert un Arion: Dans la cavité générale très nombreux M. aquae 
libres très granuleux et réduits en granulation. Du certain nombre est englobé dans 
des era be qui en sont complétement remplis et simulent de véritables cellules 
lépseuses. Dans certaines cellules il n’y a que des granulations. 

17. 5. Trouvé mort un 2e Arion. Dans la cavité générale il n'y a que des 
M. aquae réduits en granulations. 

Ones un 3e Arion: Dans la cavité générale innombrables M. aquae 
granuleux ou réduits en granulations. Ils sont presque tous dans les phagocytes 
qui en sont bourrés. Le fait que dans l'Arion mort spontanément, les masses de 
granulations étaient extracellulaires, parle dans le sens que dans le 3e Arion les 
phagocytes ont agi plutôt comme croque-morts englobant des bacilles déjà attaqués 
par les humeurs. 

23. 5. Trouvé mort un 4e Arion, dans la cavité générale très nombreux M. 
aquae la plus grande partie en granulations, presque tous extracellulaires. Des 
amas de bacilles se trouvent aussi dans le foie. 

7. 6. Trouvé mort un 5e Arion. Dans la cavité générale, il n'y a plus que 
de rares amas de granulations acido-résistantes surtout libres, quelques-unes dans 
les phagocytes. 

29. 6. Trouvé mort un 6e Arion. Dans la cavité générale très nombreux 
M. aquae isolés ou en petits amas libres ou dans des phagocytes, uniformément 
colorés. Les formes granuleuses ou réduites en granulations, libres ou phagocytées 
sont très rares. Dans le foie il y a des amas énormes de bacilles les uns dans de 
grosses cellules analogues aux cellules lépreuses, les autres libres. Ces amas sont 
ormés par des bacilles courts, trapus uniformément colorés, en massue. Rares les 
formes granuleuses. 

29. 5. 23. b) Inoculation d'une culture sur œuf glycériné à température 
ordinaire de 16 jours. Bacilles courts, uniformément colorés, en massue. Rares les 
formes granuleuses. 

Dix Melolontha vulgaris avec quelques gouttes d'émulsion dans la 
cavité generale du corps. 

31. 5. Ouvert une Melolontha: dans la cavité générale, très nombreux 


. M. aquae en grande partie granuleux tous extracellulaires. 


1. 6. Trouvées mortes 5 Melolontha: Dans la cavité générale de leur 
corps innombrables M. aquae très granuleux ou réduits en amas de granulations, 
tous extracellulaires sauf chez deux exemplaires où il y a des formes granuleuses 
phagocytées. 

2. 6. Trouvée morte une Melolontha. Dans la cavité générale trés nom- 
breux M. aquae presque tous en granulations extracellulaires. 

11. 6. Trouvée morte une Melolontha. M. aquae en grands amas trés. 
bien conservés et amas de granulations. Tous extraceilulaires. 

30. 6. Trouvées mortes deux Melolontha. Dans la cavité générale il n'y a 
que de très rares granulations acido-résistantes, extracellulaires. 

30. 6. 25. Inoculation d'une culture sur pomme de terre glycérinée glvcosée à 
température ordinaire de 12 jours. Bacilles plutôt longs, uniformément colorés. 

25 limaces (Limax maximus, L. caerulans, L. variegatus, Arion 
rufus) avec 2/,, em? d’émulsion dans la cavité générale du corps. 

3. 7. 25. Trouvés morts 5 L. maximus jeunes M. aquae en massues, 
abondant, en amas dans la cavité générale et le foie. Point de formes phagycytées, 
rares les formes en lyse. 

4. 7. et 6. 7. Trouvées morts 3 L. maximus jeunes. Dans la cavité générale, 
beaucoup de M. aquae courts, trapus, uniformément colorés disposés en amas 
comme des bacilles lépreux. Dans un exemplaire ils sont aussi abondants dans le 
foie; dans un autre moins abondants et dans le 3e très rares. Dans deux il y a 
quelques rares formes phagocytées. Par ci par là rares granulations libres. 

9. 7. et 10. 7. Trouvés morts 3 L. maximus jeunes. Dans un, rares M, 
aquae granuleux dans le péritoine et amas de granulations dans le foie. Dans les 
=, nahea point de bacilles, quelques granulations dans le foie et dans la cavité 
générale. 

13. 7. Trouvés morts 2 L. maximus. Dans l’un quelques M. aquae assez 
bien colorés dans le péritoine et dans le foie; dans l'autre point de bacilles dans la 
cavité générale, rares formes constitućes par 2 à3 grains dans le foie. 


190 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


14. 7. Trouvés morts 2 L. caerulans. Dans l'un, il y a dans la cavité 
énérale de rares bacilles granuleux. Dans l'autre on trouve les bacilles dans toutes 
es phases de la lyse. Rares formes uniformément colorées isolées ou par 3 ou 4. 
Très rares formes tout à fait granuleuses, amas de granulations. Dans le foie, il n'y 
a que des formes re a et des amas de granulations. Dans une seule pré- 
paration on trouve 2 à 3 bacilles dans des leucocytes. 

15. 7. Trouvé mort un L. maximus. Dans la cavité générale beaucoup de 
formes 2 à 3 fois plus longues que les formes normales, granuleuses, à granu- 
lations faisant saillie sur les bords du bacille qui présente l'aspect d'un boudin. Tyts 
rares les formes plus courtes très bien colorées. Par ci par là amas de 4 à 5 
formes granuleuses. Dans le foie, il n'y a que de rares formes granuleuses. 

20. 7. Trouvé mort un L. variegatus. Depuis quelques jours il bougeait 
à peine. Dans la cavité générale, très nombreuses formes filamenteuses, 4 à 5 fois 
plus longues que les formes ordinaires, granuleuses et sinueuses comme des strepto- 
coques. Plusieurs sont disposées en paquets. Point de formes phagocytées. Dans le 
foie, formes granuleuses assez nombreuses. 

Trouvé mort un L. maximus, il présente les mêmes caractères. 

Trouvé mort un L. maximus; dans la cavité générale: M. aquae rares, 
lutôt courts granuleux et rares formes streptocociques. Plusieurs formes sont englo- 
Pees ar des phagycytes qui contiennent parfois des amas de granulations. Dans le 
foie il n'y a que de rares formes granuleuses. 

21. 7. Trouvé mort un L. maximus. Dans la cavité générale, bacilles courts, 
granuleux à formes streptocociques; plusieurs amas de granulations dans les phago- 
cytes, dans le foie amas de granulations. 

22. 7. Trouvés morts deux L. maximus. Chez un, dans la cavité générale 
rares bacilles minces, longs, granuleux comme des streptocoques. Point de phago- 
cytés. Dans le foie rares amas granuleux et quelques formes phagocytées. Chez 
lautre les bacilles sont peu nombreux avec beaucoup de formes involutives. 

23. 7. Trouvé morts un A. rufus et un L. maximus: Chez le premier 
dans la cavité générale beaucoup de bacilles présentant des formes involutives et 
rares formes granuleuses. Très rares phagocytés. Dans le foie rares formes granu- 
euses. 

Chez le deuxième, dans la cavité generale, formes moins granuleuses; point 
de phagocytose. Dans le foie rares formes courtes et granuleuses. 


7e Serie. Cultures d'origine directe stérilisées inoculées à des 
invertébrés. 

14. 7. 25. Inoculation d'une culture sur carotte glycérinée glycosée âgée de 
14 jours à la température de la chambre. 4 anses dans 10 cm? de solution physio- 
logique stérilisées 1 h à 800. Bacilles en amas courts bien colorés. 

6 Limax maximus et Arion rufus avec 1/, cm? les gros, 1/, les petits, 
dans la cavité générale du corps. 

18. 7. Trouvé mort un L. maximus. Dans la cavité générale bacilles 
courts bien colorés en amas ou isolés. 

Point de lyse. Plusieurs formes phagocytées. Dans le foie, très rares paquets 
de 3 à 4 bacilles bien colorés. 

20. 7. Trouvé morts 3 L. maximus. Dans la cavité générale et dans le 
foie bacilles nombreux bien colorés disposés en paquets. Plusieurs sont phagocytés. 

22. 7. Trouvés morts deux A. rufus. Dans la cavité générale, très nombreux 
bacilles bien colorés, en amas en grand nombre phagocytés. Tormes analogues mais 
moins abondantes dans le foie. 


Si nous jetons un coup d'œil sur cette série assez longue d’ex- 
périences, nous pouvons faire les observations suivantes: 

1) Les inoculations de cultures d'origine directe du M. aquae sur les 
vertébrés à sang chaud (cobayes, lapins, rats et souris) peuvent provo- 
quer la mort de ces animaux parfois, avec des lésions assez fortes aux 
points inoculés, à types d’abcés où de foyers caséeux, mais le bacille n’a 
aucune tendance, dans la plus grande partie des cas, à se généraliser 
dans l’organisme ni à y donner des lésions ganglionnaires ni des tuber- 
cules. D’une façon tout à fait exceptionnelle, on peut parfois trouver 
de petits foyers dans les organes. La mort des animaux fait lim- 
pression d’une intoxication par endotoxine et en effet l’inoculation 


Galli-Valerio et Bornand, Le Mycobacterium aquae ete. 191 


au cobaye d’une culture chauffee 1 h a 80°, determine la mort avec 
des lesions analogues ä celles qu’on observe chez les animaux inocules 
aves des cultures vivantes, surtout typique est l’hyperemie des 
capsules surrénales. 

2) Les inoculations de ces mêmes animaux, avec le pus provenant 
d'animaux inoculés, ou avec des cultures isolées de ces mêmes animaux 
ne semble pas exalter le pouvoir pathogène du M. aquae, mais 
déterminer des troubles tout à fait analogues à ceux quon observe 
par suite de l’inoculation des cultures d’origine directe. 

3) Les inoculations de cultures d’origine directe aux poissons 
semblent, dans quelques cas, avoir la tendance à déterminer une 
multiplication et une diffusion plus grande des bacilles dans l’organisme 
que chez les animaux à sang chaud. Mais les inoculations à d’autres 
poissons du matériel pris sur les poissons infectés, ne démontre pas 
que les bacilles aient acquis une virulence ‘plus grande. 

4) Les inoculations de culture de passage sur ces poissons à 
d’autres poissons et au cobaye, ne démontrent pas non plus une augmen- 
tation de virulence du bacille, mais par l’inoculation de ces cultures 
aux grenouilles, on remarque au contraire une tendance à la multipli- 
cation du bacille dans les organes provoquant la mort de ces animaux; 
chose qui démontre toujours plus la vérité de l'observation faite par un 
de nous (8) que souvent des vertébrés à sang froid sont très sensibles 
à des bactéries saprophytes peu ou pas pathogènes pour les animaux 
à sang chaud. 

5) Les inoculations de cultures d’origine directe à des invertébrés 
semblent capables de provoquer dans plusieurs cas la mort de ces 
animaux et on a l'impression d’une multiplication des bacilles dans 
la cavité générale de leur corps, et parfois dans les organes. On re- 
marque souvent dans la cavité générale du corps des limaces in- 
oculées un liquide louche assez abondant. Mais aussi chez les inver- 
tébrés, M. aquae semble agir par production d’endotoxine. 

6) Les essais faits sur les cobayes pour augmenter leur récepti- 
vité, associant le M. aquae à une substance irritante, telle que la 
pierre ponce, n’ont pas pu démontrer que cette association puisse 
d’une façon constante favoriser l’action pathogène du M. aquae. On 
a plutôt l'impression, que dans l’action pathogène de ce germe sur les 
différents animaux, la résistance indivuelle naturelle joue un rôle 
surtout important, car avec les mêmes cultures, les mêmes doses et 
les mêmes voies d’inoculations on a des résultats tout à fait différents. 
Ce fait très important, parle toujours plus en faveur de l'idée que 
l'adaptation des formes saprophytes au parasitisme dépend fort pro- 
bablement du hasard, qui fait arriver ces saprophytes dans des organis- 
mes plus sensibles que d’autres à leur action, et si ce hasard porte 
à des passages successifs sur d’autres individus présentant la même 
sensibilité, il est possible qu’il se forme une race pathogène permanente. 

ce point de vue, pour établir expérimentalement le passage de 
formes saprophytes aux formes parasites, il y aurait lieu d’expéri- 
menter sur des animaux appartenant à une même famille, et si l’on 
tombait sur une famille à membres sensibles au saprophyte employé, 
on pourrait peut-être arriver à transformer ce dernier en parasite 
permanent. 

Il se vérifierait là quelque chose d’analogue à ce que l’on constate 
pour le cancer de la souris inoculable positivement au 90 0/, des 


192 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


souris d'une famille sensible au cancer, tandis qu’il n’est inoculable 
qu'au 5°/, des souris d’une autre famille. Il nous semble qu'il y 
aurait là une nouvelle voie pour l'étude de cet important problème. 

7) Chez tous les animaux expérimentés, le bacille est d’abord rendu 
granuleux, puis transformé en des amas de granulations qui finissent 
par disparaître. Cette dissolution est presque exclusivement extra- 
cellulaire, sous l'influence des humeurs de l’organisme. La phagocytose 
est exceptionnelle et dans plusieurs cas elle agit après la lyse humorale 
des bacilles, pour englober les formes granuleuses ou les granulations. 
Typique est le cas des limaces; inoculées avec des cultures vivantes, 
elles réagissent par formation de bactériolysines, tandis qu’inoculees 
avec des cultures mortes elles ne produisent pas de bactériolysines, 
mais les bactéries mortes sont phagocytées. 

8) Cette lyse des bactéries dans l’organisme n’aboutit pas tou- 
jours à la guérison de l’animal, mais bien au contraire, elle porte à la 
mise en liberté de grandes quantités d’endotoxines, qui provoquent la 
mort de l'animal, comme les expériences faites avec les cultures 
chauffées sur les vertébrés et les invertébrés le démontrent. 

9) Dans une expérience, la guérison d’un lapin d’une infection à 
M. aquae ne lui a donné aucune immunité vis a vis d’une inoculation 
de M. tuberculosis bovis. 

10) Quant aux modifications morphologiques du M. aquae chez 
les animaux inoculés, si nous faisons exception de l'aspect granuleux 
qu'il prend souvent sous l’action des lysines de l'organisme, on ne 
constate pas de grandes differences des formes d’avec les cultures. Con- 
trairement à ce qui a été observé par Limousin (9) dans ses in- 
oculations du bacille de la Fleole dans les veines des lapins, nous 
n’avons jamais constaté que le M. aquae perde son acido-résistance 
dans l'organisme, mais bien au contraire nous avons remarqué que 
souvent il se colorait beaucoup mieux que dans les cultures. Intéressante 
est la grande tendance de ce bacille, surtout chez les vertébrés à 
sang froid et les invertébrés, à prendre des dispositions en gros amas 
parfois intracellulaires, simulant tout à fait des amas de bacilles lépreux. 

11) Dans aucun cas nous n’avons constaté une lésion macro- 
scopique ou microscopique pouvant faire penser à la formation de 
tubercules typiques analogues à ceux déterminés par le M. tuber- 
culosis. 


Conclusions générales. 

1) M. aquae des robinets d’eau potable n’est pas un germe tout 
à fait inoffensif pour les animaux d'expérience qu’il peut tuer par dis- 
sémination générale dans l'organisme et surtout par intoxication. — 
2) Il ne nous a pourtant pas été possible par passages sur l'animal, 
de créer une race sûrement pathogène, l’action pathogène semblant 
influencée surtout par des conditions de résistance individuelle de chaque 
animal. — 3) Nos expériences tendent à démontrer, que la formation 
de races pathogènes dérivées de races saprophytiques est surtout un 
fait du hasard: pénétration de la forme saprophytique dans l'organisme 
d'individus présentant une sensibilité spéciale à la race saprophyte. — 
4) Pour ces recherches il y aurait lieu pour l'avenir d’expérimenter 
sur des animaux d’une même famille. Une fois une famille trouvée 


Sakai, Bakteriol. Untersuch. d. Paratyphusepid. im Lehrersem. zu Sendai. 193 


dont des membres sont sensibles à un saprophyte donné, il est pro- 
bable que des inoculations successives dans la méme famille portent 
à la formation d’une race pathogène. A ce point de vue l’utilisation 
des vertébrés à sang froid et des invertébrés serait surtout à conseiller. 


Litérature. 


1) Galli-Valerio, B., Centralbl. f. Bakt., Abt. I. Orig. Bd. 63. 1912. 
S. 559. — Ders., Idem. Bd. 88. 1922. S. 34. — 3) Bornand, M., Revue 
~ 


Suisse de Méd. 1915. No. 1. — 4) Galli- Valerio, B., Schweiz. med. Wochenschr. 
1920. Nr. 8. — 5) Bornand, M., Revue Suisse de Méd. 1915. No. 1. — 
6) Shin Maie, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 88. 1922. S. 34. — 7) Galli- 
Valerio, B., Correspondenzbl. f. Schweiz. Aerzte. 1919. Nr. 35. — 8) Ders., 
ar un Wochenschr. 1920. Nr. 4. — 9) Limousin, Annal. Inst. Pasteur. 
1924. p. 713. 


Nachdruck: verboten. 
Bakteriologische Untersuchung der Paratyphusepidemie 
im Lehrerseminar zu Sendai. 


"Aus dem Bakteriologischen Institut der Universität zu Sendai. (Dir.: 
Prof. Dr. K. Aoki).] 


Von Dr. Kikuo Sakai. 


Die epidemiologischen Fälle von Paratyphusinfektion, über welche 
ich hier Mitteilungen machen will, sind nicht neu, so daß man es für 
überflüssig finden könnte, hier darüber zu schreiben. Der Grund, 
welcher mich dazu aber doch bewogen hat, ist der, daß wir noch keinen 
solchen Fall erlebt haben, wo Paratyphusbazillen während der Epidemie 
in unseren repräsentierenden Seren systematisch untersucht worden 
sind. 

Bei uns im Institut wurden 2 Typen Paratyphus Schottmüller 
und ferner 2 Typen von Mäusetyphusbazillen von Aoki und seinen 
Schülern Konno und Sakai festgestellt. Diese 4 Stämme können 
einzeln typisch wirkende Sera darstellen, wodurch die Stämme von 
Paratyphus- und Mäusetyphusbazillen, welche bis jetzt agglutinatorisch 
schwer unterscheidbar waren, ganz deutlich differenziert werden können. 
Die 2Typen vonSchottmüller- Bazillen haben folgende Eigenschaften: 
Ein Typus ist mit einem Typus der Mäusetyphusbazillen sehr nahe, 
mit dem anderen Typus aber gar nicht verwandt. Der andere Typus 
stellt einen spezifischen Stamm dar, welcher mit den 2 Mäusetyphus- 
bazillen-Typenagar gar nicht verwandt ist. Die 2 Typen der Mäuse- 
typhusbazillen verhalten sich genau so, wie die obigen 2 Typen von Para- 
typhusbazillen. Ein Typus ist nämlich mit einem Typus Schott- 
müller nahe verwandt, mit dem anderen aber nicht. Der andere Typus 
ist mit keinem Typus Schottmüller verwandt. 

1922 war eine große Paratyphusepidemie in der Pension des 
Lehrerseminars in Sendai ausgebrochen. Vom 11.—26. Oktober er- 
krankten 77 von 223 Insassen’ fieberhaft. Am 11. Oktober wurden 2, 
am 12. 3, am 13. 10, am 14. 7, am 15. 10, am 16. 17, am 17. 9, 
am 18. 8, am 19. 5, am 20. 3, am 21. 1, am 22. 1, am 26. 1 krank. 
Erst am 16. Oktober, also am 6. Tage nach den ersten Erkrankungen, 

Erste Abt. Orig. Bd. 101 Heft 4/5. 13 


194 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


wurde diese fieberhafte Krankheit bakteriologisch als Paratyphus fest- 
gestellt. Deshalb wurden von da an alle Kranken und Verdächtigen 
streng isoliert und beobachtet, und ferner wurde bei den übrigen ge- 
sunden Leuten die Temperatur regelmäßig gemessen. Bis zu dieser Zeit 
waren schon 49 Schüler krank. Daraufhin erkrankten noch 28. Die 
bakteriologische Untersuchung wurde von uns systematisch bei allen 
Personen, sowohl bei den Schülern als auch bei Lehrern und dem 
sonstigen Personal ausgeführt. 


Untersuchung an den Kranken. 

a) Blutuntersuchung. Die Blutproben wurden zu verschiedenen 
Zeiten, entweder imal oder 2mal bei allen Kranken entnommen, wie 
Tab. I angibt. Die Blutproben wurden einerseits bakteriologisch, ander- 
seits serologisch auf Typhus und Paratyphus A und B untersucht. 
Es stellte sich dabei heraus, daß Typhus- und Paratyphus A - Bazillen 
sowohl direkt als auch indirekt nicht nachgewiesen werden konnten. Da- 
gegen agglutinierte das Serum Paratyphus B-Bazillen sehr stark. 
Ferner wurden Paratyphus B-Bazillen im Blute nachgewiesen, und 
zwar im ganzen bei 28 Personen und im Anfangsstadium der Epidemie 
im Blute in hohem Prozentsatz, während sie später ganz wenig nach- 
gewiesen wurden (Tab. I). Dagegen trat positive Widalsche Reak- 















































Tabelle I. 
Datum der Biinahms | R ee fae | 7 
Fee PS ee A SA D 
Zahl der Blutprobe | 5 38: i-z- |» 26 leio- di 4 | 10 
tp | | 
i 4) 8 E 6 4 642 0 0 
Bazillen Le) 28 ea a à 11 26 
+ By ut H 9 | 6 2! || 38 3 7 
; . u ee 4 | 3 | 3 1 3 
Widalsche Reaktion Titer 10 = | 100 =| 100 — | 100 =| 100 = 100 = 100 =| 200 — 
| 200 | 500 | 1000 | 2000 | 2000 ' 2000 | 2000 | 2 000 
ar eg T us, | ae iz: À as, | 19. 
Zahl der Blutprobe SHN 17 6 | 4 7 2 | 1 
1 f + | 2 0 0 0 i, 1-0 
Bazille | 6 4 7 oh ES 
+ 5 4 7 a | Sy 
| - eg 1 0 0 0 0 
Widalsche Reaktion rane =| 1000 = | 2000 = | 1000= | 2000 = | 10000 — 
15000 | 5000 | 10000 | 20000 | 10000 | 10000 

















tion im Anfangsstadium der Epidemie viel weniger als im späteren 
Stadium derselben auf. Deshalb wurde die negatve Reaktion bis zu 
der Mitte derselben neben der positiven Reaktion beobachtet, von 
diesem Zeitpunkt ab aber nie mehr (Tab. I). Ihr Titer war am Anfang 
‘der Epidemie niedriger als im letzten Stadium der Epidemie, trat aber 
von der Mitte derselben ab bei allen Kranken über 1:1000 stark auf 
(Tab. 11, S. 195). 

b) Kotuntersuchung bei den Kranken: Der Kot wurde 
2mal an verschiedenen Tagen bakteriologisch untersucht. Wie Tab. III 


Sakai, Bakteriol. Untersuch. d. Paratyphusepid. im Lehrersem. zu Sendai. 195 
















































































Tabelle IL. 
Datum der | 
Blutprobe | © | 7- | 8 | 9% | 10. | 11. | 12. | 13 u 15. | 16. | 17. | 18.| 19. 
5 iha Ea a a aa | 12. 1% BEE 
= DON TEN SIEH EI ET ELLE DI ST > Wes 
Sa | 500 an eh | ee ee TR et à Pe eee ee 
£ J 1000 het Ree Sh EY ae Pee eh Se ake i alle 
32) 2000 DETENTE TRS a A E a E 
>35 | 5000 colli Sap let el oar CRE ee A IM 
8 [10000 oh BY at et Meee Tan 
& | 20000 ie | 2 
Tabelle III. 
= L Ma ji. IL Ma 
Datum der Kotentnahme _[ 147 15. | 16. | 17.] 18., 21.] 22.| 23. | 24.| 25. | 26. 
Zahl d. Kotprobe [ao | 12 [nlwlolw|slslo 13 | 12 
: + | By de] 2) 0! 0111-0110: 16 Pot <o 
Bazillen ee $11 9/10; 9,14/ 8 | 6 | 9 | 13 
Im ganzen Personen 52 | 63 


angibt, wurde vom 14. Tage nach dem Ausbruch der Epidemie bis zum 
27. Tage untersucht und Bazillen wurden im ganzen bei 6 Fällen 
nachgewiesen, und zwar am 14. 15, am 16. und 21. Tage. 


Tabelle IV. 









































- Name und Titer der Immunsera 
Name ne = = > 
derBakterien |. 8-1 |-BB:9 | Me 2 | Ms. 34 | E. G, 3 | E. G. 18 
5000 | 5000 | 10000 | 20000 | 10000 | 20000 
P. B. 125 5 000 5 000 2.000 200 500 + 500 + 
„ 126 10000 + 10000 + 5000 + 500 + 500 + 500 + 
se Wee 5 000 5 000 5000 + 500 + 500 + | 500 + 
„ 128 10000 + 10 000 + 5 000 + 200 500 + 500 + 
„ 129 5 000 10 000 + 2 000 200 500 + 500 + 
„ 130 5 000 10 000 + 5000 + 500 + 500 + | 500 + 
„ 131 5 000 5.000 2.000 100 500 + | 500 + 
„ 132 5.000 5 000 2 000 200 500 + | 500 + 
» 183 5 000 5 000 2 000 200 500 + 500 + 
„ 134 5 000 5 000 2 000 500 + 500 + 500 + 
„ 135 5 000 5 000 5 000 + 200 500 + | 500 + 
» 136 5 000 5 000 5 000 + 200 500 + 500 + 
„ 137 5 000 5 000 5000 + 200 200 200 
» 138 5 000 10 000 + 5 000 + 200 200 500 + 
„ 139 5 000 10 000 + 2 000 200 200 500 + 
„ 140 5 000 5 000 2 000 200 200 500 + 
„ 14 5 000 5 000 5 000 + 200 + 200 + 200 
„ 142 5 000 10 000 + 5 000 + 200 200 500 + 
„ 143 5 000 5 000 2 000 200 + 200 + 200 
„ 144 5 000 10 000 + 5 000 + 200 + 200 500 + 
» 145 5 000 5 000 5 000 + 100 200 500 + 
a 146 5 000 5.000 2 000 100 500 + 200 
» 147 5 000 10 000 + 5 000 + 200 200 500 + 
„148 5 000 5 000 5 000 + 200 100 500 + 
P.B. 1 .... Paratyphus B Schottmüller (unspezifisch), 
PBB? Ans ne 5 (spezifisch), 
Ms. 2 .... Mäusetyphus (unspezifisch), 
Ms. 34 .... (spezifisch), 
E.G. .... Enteritis Gärtner. 


13* 


196 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


c) Kot von gesunden Leuten wurde bei 161 Personen unter- 
sucht. Dabei wurden Paratyphus B-Bazillen bei 7 Gesunden nach- 
gewiesen, von denen 2 fieberten hiernach. Sie erkrankten aber nur 
ganz leicht, so daß sie bald entfieberten und ferner Bazillen im Blute 
nicht nachzuweisen waren. 

Doch fiel die Widalsche Reaktion beim 1 positiv und bei den 
andern negativ aus. Die übrigen 5 Bazillenträger wurden streng bak- 
teriologisch mehrere Tage hindurch untersucht. Dabei ergab sich, daß 
sie bald nicht mehr nachweisbar waren. Die Widalsche Reaktion 
fiel immer negativ aus. Da wir bis jetzt noch keine Gelegenheit hatten. 
Paratyphus B-Bazillen während einer Epidemie in unseren Seris zu 
untersuchen, so beabsichtigten wir, sie darin agglutinatorisch zu unter- 
suchen, um ferner festzustellen, ob sie typische Schottmüller- 
Bazillen waren. Die Sera zeigten folgendes: 2 Paratyphus-Sera, 1 
spezifisch, das andere unspezifisch; 2 Mäusetyphussera, ebenfalls 1 
spezifisch und 1 unspezifisch. Wären die Mikroben Paratyphus Schott- 
müller, und zwar die unspezifische Form, so müßten sie in den 
beiden Paratyphus-Sera gleich stark, bis zum Titer, und ferner in 
typischem Mäusetyphusserum ebenfalls gleich stark, fast bis zum Titer 
agglutinieren. Falls sie spezifische Paratyphus B-Schottmüller 
wären, so müßten sie nur in beiden Paratyphus B-Sera bis zum Titer, 
dagegen in allen Mäusetyphussera nicht agglutinieren. Wie man in 
Tab. IV, S. 195 leicht ersehen kann, reagieren alle unsere Stämme genau so 
wie oben auseinandergesetzt wurde, so daß sie als unspezifische Schott- 
müller- Bazillen betrachtet werden müssen. 


Literatur. x 


1) Aoki, Tohoku Journ. Exper. Med. Vol. 2. 1921. p. 131. — 2) Ders. 
u. Konno, Ibid. Vol. 2. 1921. p. 376. — 3) Sakai, Ibid. Vol. 3. 1922. p. 341. 
— Ders., Ibid. Vol. 5. 1924. p. 275. — 5) Ders., Centralbl. t. Bakt. Abt. I. 
Orig. Bd. 95. S. 438. 


Nachdruck verboten. 
Ueber die Stimulierung der bakteriellen Aktivität und 
das Verhalten des B. typhi in der Milch. 


Von Prof. Dr. Constantino Gorini. 
Direktor des Bakt. Laboratoriums an der K. landwirtsch. Hochschule zu Mailand. 


Bekanntlich sind die Beziehungen des B. typhi zum B. coli 
viel umstritten worden, und es ist bekannt, daß einer der wenigen 
differentiellen kulturellen Charaktere zwischen den 2 Keimen in deren 
Wirkung auf die Milch besteht, insofern der B. Eberth, im Gegen- 
satz zum B. coli, allgemein für unfähig gilt, Milch zum Gerinnen zu 
bringen, trotz der Versuche, ihm ein solches Vermögen zu verleihen. 
Dies war auch meine Ansicht bis zu meinen letzten Untersuchungen 
über die Stimulierung der bakteriellen Aktivität in der 
Milch (s. Bibliographie). 

Schon längst habe ich nachgewiesen, daß es, um -das wirkliche 
Verhalten der Bakterien in der Milch zu studieren, notwendig ist, 
die Modifikationen möglichst einzuschränken, denen die Milch durch 
die Sterilisationstemperatur unterworfen ist. In der Tat erzielte ich, 


Gorini, Stimulierung d. bakt. Aktivität u. das Verhalten des B. typhi in d. Milch. 197 


seitdem ich die Milch durch Tyndalisieren bei einer Temperatur nicht 
über 100° C sterilisierte, so daß sie ihre weiße Farbe unverändert 
beibehielt, daß ich bei einer Reihe von Bakterien [aus den Gruppen 
der Milchsäurebakterien, des B. coli, des Mammococcus-Gastro- 
coccus!)-Caseococcus-Enterococcus, des Streptococcus- 
Pneumococcus usw.) das Gerinnungs- und besonders das Säurelab- 
bildungsvermögen feststellte, die zu der Kategorie meiner doppelten 
oder gemischten Fermente, d. h. zu den säureproteolytischen 
Bakterien zu rechnen sind. 

Leider sind aber nach meinen Beobachtungen die Resultate, 
namentlich bei einigen Typen und Stämmen, noch nicht konstant, und 
zwar wahrscheinlich wegen der Unmöglichkeit, die chemischen (Lak- 
tose, Kasein, Albumin, Phosphate etc.) und die biologischen (Enzyme, 
Vitamine etc.) Milchbestandteile, die unbedingt für die bakterielle 
Aktivität nötig sind, immer genügend und in gleicher Höhe bei der 
Sterilisierung zu verschonen. Um größere Beständigkeit zu erlangen, 
bin ich in der Saatdosis freigebiger gewesen ‘und habe 5—10proz. 
Bouillonkultur der Milch hinzugefügt. Da ich aber aus früheren Be- 
funden (1892) wußte, daß die Bildung von Chimosin durch Bakterien 
selbst in kaseinfreien Nährböden (Bouillon, Agar usw.) eintreten kann, 
glaubte ich, die Koagulation der Milch einem zufällig in der Bouillon- 
kultur enthaltenen Enzym zuschreiben zu müssen. Ich erzielte aber 
dieselben günstigen Erfolge, wenn ich der Milch in demselben Ver- 
hältnis sterile Bouillon, die ja nicht milchgerinnend ist, hinzusetzte, 
und die Bouillonmilch durch gewöhnliche Platinöse einsite. Demnach 
ist wahrscheinlich der wohltätige Einfluß reichlicher Saat nicht so sehr 
der großen Mikrobenmenge als den konstitutiven Elementen der Bouillon 
zuzuschreiben. In der Tat erhielt ich ähnliche Ergebnisse, wenn ich: 
der Milch anstatt der Bouillon deren organische Komponenten (Pepton, 
Liebigs-Extrakt) hinzufügte. 

Ferner machte ich Versuche mit dem Zusetzen anderer nährhafter, 
an sich nicht milchgerinnender Stoffe, wie Hefenwasser oder (von 
meinem Mitarbeiter Dr. Callerio vorgeschlagen) defibriniertes Blut, 
wobei ich ganz gute Erfolge erzielte. Durch Hefenmilch oder Blutmilch 
konnte ich unter anderem bestätigen, daß auch pathogene Streptokokken 
(Str. pyogenes, Str. erysipelatis, Pneumococcus) Milch regel- 
mäßig koagulieren können, im Widerspruch zu der allgemeinen Ansicht, 
daß sie sich von den gewöhnlichen saprophytischen Streptokokken 
(Str. lacticus) durch ihre Unfähigkeit oder Unregelmäßigkeit, Milch 
zum Gerinnen zu bringen, unterscheiden. 

Nun war es fraglich, welches Element bzw. welche Elemente in 
der Milch durch die hohen Temperaturen geschädigt werden, wes- 
wegen die Milch durch obengenannte Stoffe kompensiert werden 
soll. Handelt es sich dabei um eine Reintegration der Stickstoff- 
nahrung oder um einen günstigen Einfluß von Vitaminen, oder von 
Puffern, oder von Koenzymen, die selbst mineralischer Natur sein 
können? Die Antwort ist nicht leicht, wäre aber zweifellos erleichtert, 
wenn man die Kulturen nicht in durch Wärme sterilisierter Milch, 
sondern in keimfreier, durch aseptisches Melken gewonnener Milch her- 
stellen könnte. Ein solches Ideal ist aber nicht mehr erreichbar, seit- 


1) Gastrococcus ist ein säureproteolytischer, dem Mammococcus- 
Caseococcus ähnlicher Kokkus, welchen ich aus Labmägen isoliert habe (siehe 
Bibliographie). 


198 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


dem ich die normale endomammarische Gegenwart von Euterkokken 
(Mammococcus) festgestellt habe, die unvermeidlich mit der Milch 
aus dem Euter herauskommen. Jedenfalls muß ich hier betonen, daß 
die obengenannten Stoffe mehr eine stimulierende Wirkung auf die 
enzymatischen Funktionen der Bakterien als eine bloß eugenetische 
Wirkung auszuüben scheinen, da keine wahrnehmbare Verschieden- 
heit in der Mikrobenmenge bei den einfachen Milchkulturen im Ver- 
gleich zu den hinzugefügten Milchkulturen besteht. Ferner ist die 
Schnelligkeit überraschend, mit welcher die Gerinnung und Peptoni- 
fikation nach einer posthumen Hinzufügung von Hefenwasser oder 
von Blut zu schon vor einigen Tagen gut entwickelten, aber noch nicht 
äußerlich veränderten Milchkulturen erfolgte. Die dazu notwendige 
Menge von stimulierenden Stoffen ist so winzig, daß die Annahme einer 
katalytischen Wirkung derselben gerechtfertigt ist. 

Die obenerwähnten Befunde veranlaßten mich, meine Forschungen 
auf B. typhi auszudehnen. Dabei erzielte ich ein ganz unvermutetes 
Ergebnis, welches bei diesem Keim bisher absolut unbekannte, aber 
wichtige Aktivitäten enthüllte. Nimmt man durch Tyndalisieren weiB- 
sterilisierte und mit Hefenwasser hinzugefügte Milch, besät man sie 
mit einer großen Dosis (5—10 Proz.) von Typhusbouillonkultur und be- 
hält man die Kulturen bei nicht zu hoher Temperatur (30—32°C), so be- 
merkt man folgende überraschende Erscheinungen. 

Die Wirkung des vollvirulenten (direkt und frisch aus dem 
Blute von Kranken isolierten), B. typhi auf die Milch zeigt zwei 
Phasen: eine 1. Phase der Alkalinisierung und Solubilisierung, die sich 
in 30—40 Tagen vollzieht, und eine 2. Phase der Säuerung und Ge- 
rinnung, die in 30—40 Tagen nach der 1. Phase verläuft. Während 
der 1. Phase wird die Milch allmählich durchscheinend, leicht gelblich 
und zeigt alkalische Reaktion. Während der 2. Phase aber wird die 
Milch allmählich opak, wieder weiß und verändert ihre alkalische 
Reaktion in eine sauere. 

Durch die 1. Phase, bei welcher eine ausgesprochene Lösung 
(Peptonifikation) des Kaseins auftritt, differenziert sich der B. typhi 
vom B. coli, während er sich mehreren, von mir parallel unter- 
suchten Stämmen von B. paratyphi, B. enteritidis, B. alcali- 
genes und Ruhrbazillen nähert. 

urch die 2. Phase, bei welcher eine Reversion, d. h. eine 
Rekonstitution des Kaseins vom gelösten Zustand zum primitiv kol- 
loidalen eintritt, differenziert sich der B. typhi von allen anderen 
Bakterienarten. Ein solcher Prozeß ist ein ganz außerordent- 
licher und kommt weder in der Literatur noch bei allen von mir 
untersuchten Mikroben vor. 


Zusammenfassung. 

Indem ich mir vorbehalte, auf dieses ganz erstaunliche Verhalten 
des B. typhi wieder zurückzukommen, beschränke ich mich hier 
folgendes darauf zu behaupten: 

Durch geeignete Kulturbedindungen und stimulie- 
rende Stoffe gelingt es, nachzuweisen, daß der virulente 
B. typhi fähig ist, Milch nach einem ganz unbekannten 
Mechanismus zum Gerinnen zu bringen. 


Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 199 


Bibliographie. 

Gorini, C., Ueber die Enterokokken (Mammococcus). (Centralbl. f. Bakt. 
Abt. II. Ref. Bd. 67. 1926. p. 11.) — Ders., Sur le gastrococcus. (Compt.rend. 
Acad. Scienc. 16. 11. 1925.) — Ders., Action des streptocoques sur le lait. (Compt. 
rend. Acad. Scienc. 12. 4. 1926.) — Ders., Sur les streptocoques acidoprotéolyti- 
ques. (Compt. rend. Soc. Biol. 12. 6. 1926.) — Ders., Stimulation des activités 
bactériennes dans le lait (Compt. rend. Acad. Scienc. 19. 7. 1926.) — Ders., Sul 
comportamento del B. coli na latte. (Rend. R. Acc. Linc. 1. 2. 1920.) — 
Callerio, C., Sul comportamento degli streptococchi piogeni nel latte. (Rend. R. 
Ist. Lomb. Sc. e Lett. 1. 7. 1926.) 


Nachdruck verboten. 


Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtherie- 
bazillen und anderen Corynebakterien. 


[Aus dem Hygien. Institut der Landesuniversität Gießen (Dir.: Prof. 
Dr. E. Gotschlich).] 


Von Dr. med. H. Kliewe, Heidelberg, Hyg. Institut d. Universität. 
Ill. Teil. 


D. Die aus den Variabilitätsstudien und der Gruppeneinteilung sich 
ergebenden ees EHRT! a pas A zwischen Di- und 
seudodi-B. 


Kehren wir zu den eingangs gestellten Fragen zurück, sind die 
beiden Gruppen, Di- und Pseudodi-B. als eine Art anzusehen und in 
welchen verwandtschaftlichen Beziehungen stehen sie zueinander? 

Nehmen wir an, daß beide Typen aus 2 verschiedenen Urformen 
sich entwickelten, dann beständen zwischen beiden überhaupt keine 
verwandtschaftlichen Beziehungen. Haben jedoch beide Gruppen ge- 
meinsame Stammformen, oder ging der eine Typ zu irgendeiner Zeit 
aus dem anderen hervor, dann ist von Anfang an mehr oder weniger 
Typenverwandtschaft vorhanden. Diese letztere Annahme hat, wenn 
wir uns den Begriff der Art klar machen, am meisten Wahrscheinlich- 
keit. Der für uns in Frage kommende biologische Artbegriff wird 
dadurch gewonnen, daß man die Individuen, hier die Einzelkultur 
nach Form, Größe, Lebensfunktionen usw. miteinander vergleicht. Die- 
jenigen Einzelstämme, welche in bestimmten Merkmalen gleich sind, 
werden in eine Art zusammengefaßt und von den im Begriffe anderer 
Arten liegenden Merkmalen unterschieden. Dieser Artbegriff kann je 
nach der Art und Zahl der vorliegenden Merkmale mehr oder weniger 
erschöpfend ausfallen. Mitunter ist es jedoch schwierig, eine bestimmte 
Lebensäußerung als artcharakteristisch anzusehen, da durch die Va- 
riantenbildung charakteristische Merkmale verloren gehen oder neue 
erworben werden, so daß Typen entstehen, die als selbständige auf- 
gefaßt werden können. 

Die Grenzen zwischen Typus und Art sind wie begreiflich nicht 
scharf zu ziehen, da in phylogenetischer Beziehung ein einheitlicher 
Ursprung anzunehmen ist, wie in der Gärtner-, Typhus-Coli-Gruppe. 
Maßgebend für die Statuierung des Artbegriffes in der Bakteriologie 
sind praktische Erwägungen, nämlich, ob die betreffenden Unterschiede 
konstant sind und ob in der krankheitserregenden Wirkung vor allem 
auch im epidemiologischen Verhalten Differenzen vorkommen. Gerade 


200 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


mit Rücksicht auf das epidemiologische Verhalten kann kein Zweifel 
bestehen, daß ein durchgreifender Unterschied zwischen Di- und Pseudo- 
di-B. besteht (Kober). 

Die Berechtigung, die Di- und Pseudodi-B. als 2 getrennte Arten 
aufzufassen, ist praktisch ebenso begründet wie beim Typhus und Para- 
typhus. Auch hat man wissenschaftlich exakt noch niemals den Ueber- 
gang der Pseudodi- in Di-B. beobachtet. Wenn Trautmann und 
Gaethgens aus denselben Kranken zuerst Pseudodi-B., dann echte Di- 
B. züchteten (allerdings ist nicht bewiesen, daß beide nicht von vorn- 
herein vorhanden gewesen waren) und Baerthlein aus einem avi- 
rulenten atypischen Di-Stamm eine schwach virulente Variante abspalten 
konnte und wenn andererseits Bernhard und Paneth, Schmitz, 
Killian u. a. den Di-B. alle charakteristischen Merkmale nehmen 
konnten, dann ist damit nicht bewiesen, daß eine Art in eine andere 
übergeführt wurde. Es liegt vielmehr die Annahme näher, daß innerhalb 
einer Art Umwandlungen vorgegangen sind, die seltener beobachtet 
werden und die, wie uns die Lehre von der Entstehung des Parasitis- 
mus sogleich zeigen wird, in dem ersten Falle als progressive, in den 
letzten Fällen als rezessive Merkmale beurteilt werden können. Daß 
dem Experiment unterworfene Individuen neue Eigenschaften annehmen 
können, ist wiederholt erwiesen. Doch sind Erscheinungen, wie die 
Veränderung der Zuckervergärbarkeit oder sonstiger biologischer Merk- 
male niemals irreversibel. 

Es konnte wiederholt beobachtet werden, daß Verlust eines Merk- 
males nur eine Latenz desselben bedeutet, so daß mit dem ‘Ausfallen 
oder auch mit der Neugewinnung eines Merkmales nicht auch zugleich 
das Ausfallen oder der Neuerwerb eines Erbfaktors, sondern nur die 
Gegenwart eines Hemmungs- bzw. Förderungsfaktors verbunden ist. 
Solche Varianten können deshalb auch nicht als Mutationen, sondern 
müssen als Modifikationen (v. Nägeli) angesehen werden. Es handelt, 
sich also um Formen, die ihrer erblichen idioplasmatischen Veranlagung 
nach völlig gleichen und unveränderten Mikroorganismen durch äußere 
Reize, denen sie ausgesetzt waren, zytoplasmatisch verschieden geworden 
sind. Nach Aufhören des äußeren Reizes können die neuen Typen 
früher oder später wieder zur Norm zurückkehren. Allerdings werden 
sprunghafte Modifikationen beobachtet, die sich durch größere Be- 
ständigkeit auszeichnen und vielfach nicht von Mutationen unter- 
schieden werden können. Jollos bezeichnet sie als Dauermodi- 
fikationen. 

Die Gruppeneinteilungen der Corynebakterien erwähnen stets an 
erster Stelle die tierpathogenen Di-B., deshalb wohl, weil sie wegen 
ihrer menschenpathogenen Bedeutung das größte Interesse haben. Wenn 
wir uns jedoch fragen, ob denn auch phylogenetisch die Di-B. als die 
ersten Formen anzusehen sind, dann geben uns die Beobachtungen 
über die Entstehung des Parasitismus eine verneinende Antwort. Wie 
bereits oben angeführt wurde, liegen Beobachtungen vor, daß unter be- 
stimmten Bedingungen Di-B. in avirulente atypische Formen sich um- 
wandeln: daß aber avirulente oder sogar Pseudodi-Stämme wieder 
virulent werden, konnte bisher nur in ganz vereinzelten Laboratoriums- 
versuchen beobachtet werden. Diese Versuche können aber, weil die 
natürlichen Verhältnisse doch nur sehr unvollkommen nachgeahmt 
sind, nicht ohne weiteres verallgemeinert werden. Das letzte Wort 
sprechen in dieser Frage die epidemiologischen Beobachtungen. Diese 





Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 201 


aber mußten dahin gedeutet werden, daß einwandfrei die Umwandlung 
der avirulenten in die virulenten Formen der Corynebakterien nicht be- 
obachtet wurde. Damit ist nicht gesagt, daß solche Umwandlungen 
nicht vorkommen können. Wir müssen im Gegenteil annehmen, daß 
ebenso wie bei anderen Infektionskrankheiten, deren Erreger aus an- 
scheinend avirulenten saprophytischen hervorgehen, auch aus avirulenten 
Di- und Pseudodi-Stämmen virulente Keime entstehen können. Solche 
Beobachtungen liegen z. B. bei Erkrankungen vor, deren Erreger In- 
fluenzabazillen (Neufeld, Gosio, Cecil, Russell, Blake), 
Streptokokken, Staphylokokken, Pneumokokken, Rotlauf-, Hühner- 
cholerabazillen, anaérobe Wunderreger usw. sind. Diese phylogenetische 
Anpassung von ursprünglich saprophytischen Formen an die Virulenz 
erfolgt bei den Corynebakterien wahrscheinlich direkt, indem die ur- 
sprünglich auf der äußeren und inneren Körperfläche vegetierenden 
Keime gelegentlich in das Innere der Gewebe eindringen und dort 
pathogene Wirkung auslösen. Solche Mikroben, die gelegentlich und 
nur für den eigenen disponierten Wirtsorganismus pathogen werden 
können, aber zunächst noch nicht ansteckungsfähig sind, bezeichnet 
Gotschlich als ,,unfertige Infektionserreger“, während bei den 
fertigen, echten der Höhepunkte der phylogenetischen und ontogene- 
tischen Entwicklung und damit die Anpassung an die parasitische 
Existenz in vollkommener Weise erreicht ist, so daß die Erkrankung in 
erster Linie durch den biologischen Charakter des Erregers verursacht 
wird und sekundär von der Disposition des Menschen abhängig ist. 

Der phylogenetische Zusammenhang zwischen den pathogenen und 
den Pseudoformen tritt auch darin deutlich hervor, daß ebenso wie bei 
anderen Erregern (Staphylo-, Strepto-, Meningokokken u. a.) auch bei 
den Di-B. die verwandten Arten sich immer an der Eintrittsstelle der 
spezifischen, Erreger finden, so daß diese die gleichen Anforderungen 
an die Lebensbedingungen besitzen und vor allem auch die häufig schwache 
Virulenz der Stämme die Brücke zu den Saprophyten bildet. Und 
wenn wir bei den Corynebakterien eine Gruppe (Di-B.) relativ scharf 
abgegrenzt sehen, während die übrigen nur mangelhaft differenziert 
sind, wie Aehnliches in der Paratyphus- und Pseudodysenteriegruppe 
beobachtet wird, indem die Eberth-Gaffkyschen Typhusbazillen 
bzw. die Kruse-Shiga-Bazillen, obschon diesen verwandt, als viel 
schärfer abgetrennte und selbständige Gruppe erscheinen, dann sind 
die Beziehungen der einzelnen Gruppen zueinander innerhalb der Art so 
zu deuten, daß die Spezifität des Erregers erst entstanden und als ein 
in sehr ungleichem Maße differenziertes Produkt der phylogenetischen 
Entwickelung zu denken ist. 

Diese Anpassung an die parasitische Lebensweise tritt bei den 
Di-B. auch in dem Verhalten auf Kulturen deutlich zutage. Je mehr 
wir der rein parasitischen Lebensweise näherkommen, um so größere 
Ansprüche stellen die Mikroorganismen an die Form der Kohlenstoff- 
und Stickstoffquellen. Während die Pseudodi-B. auf gewöhnlichem Agar 
üppig wachsen, zeigen die Di-B. anfangs meist kümmerliches Wachs- 
tum, erst durch Gewöhnung an diesen Nährboden oder nach Zusatz 
von Serum, Glyzerin oder Zucker können auch diese gut gedeihen. 
Aehnliche Beobachtungen liegen bei anderen pathogenen Arten vor, wie 
Cholerabazillen, Gonokokken, Pestbazillen, Tuberkelbazillen usw. Sie 
alle zeigen, daß zwischen den saprophytischen und den virulenten 
"Typen Uebergänge bestehen, die als Beweis für die Entwicklung der 
Saprophyten zu den Parasiten anzusehen sind. 


202 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


Als Ursache fiir das Entstehen der verschiedensten Typen und 
Gruppen ist wohl die Anpassungsfähigkeit der Cornybakterien anzu- 
sehen. Wie bei den höheren Organismen müssen wir auch bei den 
Mikroorganismen annehmen, daß ihnen die innere Veranlagung von 
Anfang innewohnt, neue zweckmäßige Leistungen zu entwickeln oder 
alte umzuformen, sonst müßten sie ja bei jeder ihnen aufgedrungenen 
Veränderung ihrer Lebensbedingungen zugrunde gehen. Diese inneren 
Entwicklungsmöglichkeiten werden dauernd durch eine Fülle von 
äußeren Umweltsfaktoren (Körpersäfte, Wirtswechsel, Desinfizientien, 
Art, Alter, Reaktion des Nährbodens, Klima, Symbiose, Antagonismus 
usw.) beeinflußt, so daß Strukturveränderungen eintreten, die zunächst 
nur in dem Stadium, in dem sie auftreten, von Bedeutung sind, die 
aber die Voraussetzung und der Ausgangspunkt für weitere Umwand- 
lungen werden können. Diese sind jedoch wieder abhängig von der 
Art und Intensität der einzelnen Reize, so daß bei schwächeren und 
kurz dauernden Reizen oder auch bei bereits vollzogener Umwandlung 
überhaupt keine oder nur geringfügige weitere Veränderungen ein- 
treten. Häufig aber veranlassen die altererbten, im Laufe der Phylo- 
genese gefestigten inneren Veranlagungen des Bazillenleibes Repro- 
duktionsvorgänge, so daß eine gewisse Konstanz der Art und Gruppen 
besteht. 

Fragen wir nun, ob Mikroorganismen, die sich, wie wir oben be- 
reits hörten, aus frei lebenden saprophytischen Arten phylogenetisch 
ableiten, auch heute noch aus Saprophyten entstehen können, so können 
wir diese Frage mit Gotschlich und Neufeld auf Grund der epi- 
demiologischen Beobachtungen grundsätzlich bejahen. Wenn wir z. B. 
sehen, daß Schwankungen in der Ansteckungsfähigkeit der Di-B. be- 
stehen, wenn alle Epidemiologen darin übereinstimmen, daß die Di-B. 
in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und in der ersten Hälfte 
des 19. Jahrhunderts eine unbedeutende Rolle spielten und 1849 eine 
Pandemie auftrat, die sich über ganz Europa verbreitete, die Krank- 
heit wieder um 1894 zu ihrer früheren Bedeutung herabsank (vgl. 
KiBkalt, „Die Diphtheriepandemie des 19. Jahrhunderts“) und wenn 
wir diese Schwankungen, allerdings in geringerem Ausmaße auch jetzt, 
noch alljährlich erleben, und wenn wir ferner bedenken, daß diese 
Erreger außerhalb des menschlichen oder tierischen Körpers nicht zu 
wachsen vermögen, so dürfen wir nach unseren gegenwärtigen Kennt- 
nissen wohl annehmen, daß diese Mikroben in der seuchenfreien Zeit 
als harmlose Epiphyten insbesondere auf den Schleimhäuten der oberen 
Atmungswege vegetieren und gelegentlich eine sprunghafte spontane 
Steigerung ihrer Virulenz erfahren haben. Achnliche Beobachtungen 
wurden von Stephan, Lubinski, Sonnenschein, Kliewe- 
Koch u. a. gemacht, indem durch relativ harmlose Epiphyten, Diplo- 
coccus mucosus bzw. B. pyocyaneus, als sie in den Lumbal- 
raum eindrangen, Meningitis hervorgerufen wurde. Neufeld und 
Poppe fanden milzbrandähnliche Bazillen, die dem Milzbrand ähnliche 
tödliche Infektion verursachten. Th. Smith, Gotschlich und Neu- 
feld erklären diese Umwandlung dahin, daß sich die betreffenden 
Mikroorganismen in der Regel nicht als Parasiten dauernd zu erhalten 
vermögen und daß eine rein parasitäre Existenz in den meisten Fällen 
für den betreffenden Keim im Interesse der Erhaltung seiner Art 
durchaus unzweckmäßig ist. Besonders gelte dies für die Erreger der 
akuten Krankheiten, „die immer in Gefahr sind, mit ihrem letzten 


Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 203 


Opfer auszusterben, und wenn sie sich davor nicht durch Sporen- 
bildung, durch Uebergang in einen Zwischenwirt oder bei Keimträgern 
schützen können, so sehen wir sie meist wieder zur saprophytischen 
Lebensweise zurückkehren“. Mit diesen epidemiologischen Verände- 
rungen der Di-B. ist die Frage nach der Ursache des spontanen Auf- 
hörens oder der dauernden Abschwächung der Epidemie verbunden. 
In manchen Fällen sind diese Umwandlungen sicher eine Folge der ver- 
änderten Empfänglichkeit der Menschen nach Durchseuchung des Indi- 
viduums oder der Bevölkerung, wie z. B. bei Masern, Phthise usw. 
Weit häufiger aber stehen die epidemiologischen Schwankungen mit den 
biologischen Veränderungen des Erregers im Zusammenhang, indem 
spontane und sprunghafte Variationen oder Modifikationen auftreten, 
die mit dem Aufhören der Erkrankung und der Epidemie im Zu- 
sammenhang stehen. Wenn z. B. die Di-B. bei Di-Kranken wochen- 
lang typisches morphologisches, biologisches und tierpathogenes Ver- 
halten zeigen und gegen Ende der Erkrankung plötzlich Abweichungen 
vom normalen Typ eintreten, die anfänglich noch als atypische Formen 
angesehen werden können, dann sich aber so weit verändern, daß 
keinerlei Anhaltspunkte für Di-B. mehr bestehen, dann bilden diese 
Beobachtungen eine Ergänzung zu den bereits oben mitgeteilten Be- 
funden von Baerthlein, Bernhard und Paneth, Schmitz, 
Trautmann und Gaethgens und eigenen Beobachtungen, daß durch 
Tierpassagen oder durch kulturelle Weiterzüchtung typische Di-B. ihre 
charakteristischen Eigenschaften und damit ihre epidemiologische Be- 
deutung verlieren können. Damit ist nicht gesagt, daß wir in der Be- 
kämpfung der Di. den bisher praktisch bewährten Standpunkt aufgeben 
sollen, wie es z. B. Siegert fordert. 


E. Schlußfolgerungen. 

Fassen wir das Ergebnis unserer morphologischen, biologischen und 
serologischen Untersuchungen kurz zusammen, so können die diesen 
Untersuchungen zugrunde gelegten 130 Stämme von Corynebakterien 
in folgende Gruppen eingeteilt werden. 


Gruppe Ia. B. diphtheriae Klebs-Loeffler (Normaltypus). 

Lange und mittellange, „oft leicht gebogene Bazillen, wirr, Y-förmig 
gelagert, mit Neißerscher Polfärbung an einem oder beiden Enden. 
Nach der verlängerten Gramfärbung von Langer sind die Stäbchen 
gramnegativ. Auf Natr. oleinic.-Agar (Engering) zeigen sie kein 
Wachstum. Maltose und Lävulose werden vergoren, ebenso Dextrose 
(Thielscher Nährboden); aus Saccharose wird keine Säure gebildet. 
Im tiefen Traubenzuckerstich wachsen sie deutlich anaérob. In Bouillon 
zeigen die Stämme fein- oder grobkörnige Flockung. Flüssigkeitssäule 
bleibt klar, mitunter ist sie leicht getrübt und am Boden befindet sich 
etwas Satz. In Traubenzuckerbouillon wird reichlich Säure gebildet, 
weniger in gewöhnlicher Bouillon. Ferner sind die Stämme stark hämo- 
toxisch. Auf Glyzerinagar wachsen die Stämme in 3 verschiedenen 
Kolonientypen, die aber Uebergänge zeigen; unsere Stämme zeigten 
regelmäßig Tierpathogenität für Meerschweinchen und, soweit geprüft, 


204 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


für Kaninchen, Hunde, meist auch für weiße Mäuse. Im Agglutinations- 
versuch werden die Stämme mit einem Di-I.S. hergestellt mit einem 
Stamm dieser Gruppe, fast bis oder bis zur Titergrenze agglutiniert. 


Gruppe Ib. Minusvarianten A. 

Form, Lagerung, Neißer-, Langer-Färbung, Wachstum auf 
Natr. oleinic.-Agar, in Bouillon, Säuregrad, Anaérobeswachstum und 
Kolonientypen wie bei der Gruppe Ia. Maltose, Lävulose und Dextrose 
werden immer, wenn auch manchmal schwach, vergoren. Sacccharose 
bleibt unverändert, das hämotoxische Vermögen kann fehlen. Tier- 
versuch (Meerschweinchen und weiße Mäuse) ist immer negativ. Die 
Agglutinationshöhe mit den Di-I.S. ist niedriger als bei den Stämmen 
der Gruppe Ia. Auch ein inagglutinabler (serumfester) Stamm wurde 
beobachtet. 


Gruppe Ic. Minusvarianten B. 

Meist kurze polgefärbte, wirr, palisadenartig oder auch Y-förmig 
gelagerte Stäbchen. Langer-Färbung, anaörobes Wachstum, Wachs- 
tum auf Natr. oleinic.- Agar, in Bouillon, Säurebildung und Kolonien- 
typen wie bei der Gruppe Ia. Maltose wird nicht vergoren, dgl. Sac- 
charose. Aus Dextrose und Lävulose wird Säure gebildet, wenn auch 
nur schwach, hämotoxische Fähigkeit fehlt meist oder ist nur schwach 
vorhanden. Im Tierversuch (Meerschweinchen, weiße Mäuse) sind die 
Stämme apathogen. Serologisch verhalten sich die Stämme wie die 
der Gruppe Ib. 


Gruppe Id. Minus-Plusvarianten. 

Lange und mittellange, polgefärbte Stäbchen in typischer Lagerung. 
Langer-Färbung, anaörobes Wachstum, Wachstum auf Natr. oleinic.- 
Agar, in Bouillon, Säuregrad, Art der Kolonienbildung, Agglutination 
wie bei der vorhergehenden Gruppe. Hämolysinbildung kann fehlen. 
Alle Zuckerarten (Maltose, Lävulose, Saccharose, Dextrose) werden ver- 
goren. Serologisch verhalten sich die Stämme, wie die der Gruppe Ib. 
‘Tierversuche nicht angestellt. 


Gruppe Ie. Minus-Plusvarianten B. 

Kurze und mittellange, zum Teil starre Stäbchen, mit oder ohne 
Polfärbung, Langer-Färbung, Wachstum auf Natr. oleinic. - Agar, 
in Bouillon, Säuregrad, anaérobes Wachstum wie bei Gruppe Ia, Lävu- 
lose, Saccharose und Dextrose werden vergoren, Maltose bleibt unver- 
ändert. Die Fähigkeit, Hämolysine zu bilden, kann abgeschwächt sein. 
Der Tierversuch mit Meerschweinchen und weißen Mäusen kann positiv 
oder negativ ausfallen. Im Agglutinationsversuch verhalten sich die 
Stämme wie die der Gruppe Ia. 


Gruppe If. 
Zu dieser Gruppe kann der Stamm 87 gerechnet werden. Er 


Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 205 


unterscheidet sich von den Stämmen der Gruppe Id nur dadurch, daß 
er Maltose vergärt, hingegen Lävulose unverändert läßt. 

Das praktisch wichtigste Ergebnis dieser Variabilitätsstudien ist 
darin zu erblicken, daß im Gegensatz zu anderen neuerdings unter- 
suchten Krankheitserregern (Pneumokokken, Gonokokken, Gasbrand- 
bazillen u. a.) die Di-B. zu einer einheitlichen Art gehören und nicht 
in konstante Typen zerfallen, damit ist für die Herstellung der Di- 
Immunsera ähnlich wie beim Tetanus, Milzbrand u. a. eine eindeutige 
Serotherapie gewährleistet. 


Gruppe IIa Pseudodi-B. 

Kurze, auch mittellange, starre Stäbchen, einzeln, seltener in Nestern, 
parallel oder unbestimmt gelagert. Polfärbung nach Neißer fehlt 
meistens, in ca. 20 Proz. fanden sich polgefärbte Stäbchen. Nach 
Langer färben sich die Bazillen grampositiv, einzelne Stämme sind 
gramvariabel. Auf Natr. oleinic.-Agar wird meist deutliches, seltener 
schwaches Wachstum beobachtet. Maltose, Lävulose und Saccharose 
werden vergoren, Dextrose in den meisten Fällen nicht. Das anaérobe 
Wachstum im tiefen Zuckeragarstich und die Hämolysinbildung ist 
wechselnd. Bouillon zeigt meist gleichmäßige oder feinkörnige Trübung 
mit Bodensatz, oft Häutchenbildung, seltener feine Granula und klare 
Flüssigkeit. Geringe Säure- oder Alkalibildung. Auf Glyzerinagar 
weißgraue, oft konfluierende Kolonien mit feuchtem Glanz. Zu dieser 
Gruppe sind auch die Paradi-B. von Lubinski zu rechnen. 

Tierversuch (Meerschweinchen, weiße Mäuse) immer negativ. 


Uebergangsgruppe IIb. Minusvarianten A. 

Kurze und mittellange Stäbchen, zum Teil Polfärbung zeigend, 
parallel oder unbestimmt gelagert. Nach Langer färben sich die 
Bazillen grampositiv. Auf Natr. oleinic.-Agar deutliches Wachstum. 
Maltose und Dextrose werden nicht vergoren, aus Lävulose und Sac- 
charose hingegen Säure gebildet. Die hämotoxische Fähigkeit fehlt. 
Bouillon wird gleichmäßig getrübt, Die Säure- bzw. Alkalibildung ist 
gering. Auf Glyzerinagar wachsen die Bazillen gleichmäßig rund, 
glattrandig, ganz fein gekörnt, im Zentrum etwas dichter als am Rande. 
Tierversuche negativ. 


Uebergangsgruppe IIc. Minusvarianten B. 


Kurze, plumpe, polgefärbte Stäbchen, parallel und in Nestern ge- 
lagert. Sie unterscheiden sich von der vorhergehenden Gruppe dadurch, 
daß aus Maltose Säure gebildet wird, während Lävulose unverändert 
bleibt und Saccharose nur schwach vergoren wird. Auf Glyzerinagar 
bilden die Stämme unregelmäßige, runde, zackige, fest zusammengefügte 
und deutlich gekörnte Kolonien. Tierversuche mit einem der unter- 
suchten Stämme (72) waren negativ. 


206 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


Gruppe IId. Minusvarianten C. 

Mittellange Stäbchen, parallel oder palisadenartig gelagert, meist 
keine oder nur geringe Polfärbung zeigend. Langer-Färbung, Wachs- 
tum auf Natr. oleinic.-Agar in Bouillon, in der anaéroben Kultur, 
Säuregrad, Hämolysinbildung wie bei den Stämmen der Gruppe Ila. 
Auf Glyzerinagar deutliches saftiges Wachstum, Kolonien weißgelb, 
erhaben, glattrandig, ganz fein gekörnt. Maltose, Lävulose, Dextrose 
werden nicht vergoren, während aus Saccharose Säure gebildet werden 
kann. Tierversuche negativ. 


Gruppe Ile. Minusvarianten D. 

Mittellange, plumpe oder auch kurze plumpe Stäbchen, meist ohne 
Polfärbung, parallel oder palisadenartig gelagert, nach Langer gram- 
positiv oder auch gramvariabel gefärbt. Auf Natr. oleinic.-Agar deut- 
liches Wachstum, anaörobes Wachstum schwach oder fehlend. Hämo- 
lysinbildung fehlt immer. Auf Glyzerinagar wachsen die Stämme als 
kleine mittelstark gekörnte Kolonien, mit zerklüftetem Rande, im 
Zentrum etwas dichter. Säure bzw. Alkali wird überhaupt nicht oder 
nur ganz schwach gebildet. Maltose, Lävulose, Saccharose, Dextrose 
werden nicht gespalten. 

Im Agglutinationsversuch verhalten sich die Stämme der Gruppen 
IIa—e einheitlich, indem sie vom Di-I.S. nicht oder nur schwach bis 
1:50 agglutiniert werden. Von einem Pseudodi-I.S. werden sämtliche 
geprüften Stämme bis 1:800 und darüber agglutiniert. 

Hieraus ergibt sich, daß auch die Pseudodi-B. eine einheitliche 
Art im engeren Sinne darstellen. Höchstwahrscheinlich ist dies ein 
Ergebnis der epiphytischen Anpassung an die Schleimhäute der oberen 
Atmungswege. 

Was die Stellung der Di-B. zu den Pseudodi-B. anbelangt, so 
muß unbeschadet ihrer phylogenetischen Zusammengehörigkeit fest- 
gestellt werden, daß einwandfreie Beobachtungen für den Uebergang der 
einen Art in die andere, vor allem der Pseudodi-B. in Di-B. nicht vor- 
handen sind. Gewisse Erfahrungen aus der Geschichte der Di-Epi- 
demien sprechen allerdings dafür. 

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Pfalz, Ueber bakteriophage Wirkungen bei Meningokokken. 209 


Nachdruck verbolen. 


Ueber bakteriophage Wirkungen bei Meningokokken. 


[Aus dem Hygienischen Institut der Universität Münster i. W. (Dir.: 
Prof. K. W. Jötten).] 


Von Dr. med. G. J. Pfalz, 
Assistent des hygienischen Instituts der Universität Münster i. W. 


Mit 3 Abbildungen im Text. 


Der Widerstreit der Meinungen über die biologische und morpho- 
logische Wesensart des Twort-d’Herelleschen Bakteriophagen, der im 
Anschluß an die 1917 und 1918 erschienenen Mitteilungen d’Herelles 
und ihre kritische Prüfung vorwiegend durch deutsche Bakteriologen 
während der Jahre 1922—1924 Fachschriften und Fachkongresse be- 
herrschte, ist fast verklungen, obwohl die Literatur der beiden ver- 
gangenen Jahre weder den Eindruck erweckt, daß das Problem eine un- 
widersprochene Lösung fand, noch, daß das Interesse für seine Er- 
forschung geschwunden ist. Doch scheint die Ueberzeugung zu über- 
wiegen, daß die Frage der Ferment- oder Virusnatur des Bakterio- 
phagen auf direktem Wege nicht eindeutig lösbar ist. Die Vertreter 
beider Anschauungen beschränken sich deshalb darauf, auf eigenen Be- 
funden und diesen abgeleiteten Hypothesen fußend und aufbauend, die 
Kenntnis der alle Gebiete der Mikrobiologie und -pathologie berührenden 
Wirkungen des vielseitigen Phänomens zu erweitern und zu vertiefen. 
Das Erscheinungsbild bakteriophagen Keimzerfalls wird beispielsweise 
in logische Beziehungen gebracht zu bestimmten immunbiologischen 
Reaktionen des Organismus, ferner zum Chemismus der Anaphylaxie, 
zur Aetiologie infektiöser, pathologischer Organzellwucherungen sowie 
durch Aphanozoen bedingter Infektionskrankheiten, wobei die end- 
gültige Ermittelung begründeter Analogieschlüsse auf Struktur und 
Wirksamkeit des Bakteriophagen angestrebt wird. Die überwiegende 
Mehrzahl der Versuche wurde, den umfassenden Sammelreferaten von 
Schloßberger (1), Doerr (2), sowie Otto und Munter (3) zu- 
folge, mit keimfreien Stuhlfilrtaten und Darmsekreten eingeleitet und 
mit den Bakterien der Typhus-Ruhr-Coli-Gruppe, in weit weniger 
zahlreichen Fällen mit den Erregern tierischer Septikämien und ver- 
einzelt mit den gramfesten Kokkenarten fortgesetzt. Wenn nun diese 
beiden fast ausschließlich begangenen Wege zur Darstellung und Be- 
obachtung hochkonzentrierter Lysine auch die Bedeutung des Darm- 
traktus und seiner physiologischen Fähigkeiten für das Zustandekommen 
ausgiebiger Bakteriophagenwirkung zu erweisen scheinen, war im Ver- 
gleich zu verwandten Erscheinungen mit allgemeiner Gültigkeit die 
Vermutung berechtigt, daß sich bakteriophage Vorgänge auf gleicher 
Grundlage, wenn auch in ihren Erscheinungen verschieden, bei allen 
Mikroorganismen abzuspielen pflegen, ohne daß die sie in Lösung oder 
Suspension enthaltenden Flüssigkeiten, beispielsweise entzündliche Se- 
krete, Exsudate und Zerebrospinalliquores für unsere Darstellungs- 
methoden immer zugänglich oder geeignet sind. 

Diese Annahme fand unmittelbar nach der Mitteilung ,,Bakterio- 
phagenähnlicher Erscheinungen bei Milzbrand durch Katsu (4) 

Erste Abt. Orig. Bd. 101. Heft 4/5. 14 


210 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


dadurch eine Bestätigung, daß wir auf einer 24stünd., 30proz. Aszites- 
agar-Plattenkultur von Meningokokken etwa ein Dutzend kreisrunder, 
steriler, scharf wallartig von Kokkenrasen umgrenzter, annähernd gleich- 
großer Kulturaussparungen beobachteten, die einen Durchmesser von 
von etwa 3—5 mm hatten und sich in keiner Weise von den ,,keim- 
freien Flecken“ d’Herelles unterschieden. Ihre scharfe Umrandung 
und ihre übereinstimmende Kreisform schlossen von vornherein jede 
Verwechslung mit den bei Meningokokken häufig von uns beobachteten, 
auf ungenügenden oder das "Wachstum störenden Nährbodenzusätzen 
beruhenden Kulturlücken aus. 

Die aus diesem Befunde sich ergebende Frage nach der Wesensart 
der eigenartigen Kulturdefekte bzw. deren Identität mit dem Twort- 
d’Herelleschen Phänomen, nach ihrer ursächlichen Herkunft so- 
wie den hieraus hervorgehenden Hinweisen auf Natur und Genese der 
Bakteriophagie im allgemeinen bestimmten den Gang unserer Unter- 
suchungen nach drei Gesichtspunkten: 

1) Ist eine Fortzüchtung und quantitative Anreicherung des ly- 
tischen Prinzips von Kultur zu Kultur und cine Abgrenzung seiner 
Wirkungsbreite innerhalb der verschiedenen Keimgattungen möglich ? 

2) Ist die Meningokokkenkultur oder deren Nährboden, der Aszites- 
agar bzw. dessen Zusätze oder Abbauprodukte der Ausgangsort der 
Bakteriolyse ? 

3) Besteht eine Artverwandtschaft der Meningokokken- und Darm- 
bazillenlysine auf Grund von Wechselbeziehungen, und ergeben sich 
hieraus Schlüsse auf Art und Ursprung der Bakteriophagie ? 

In der Absicht, das bakteriophage Agens, dessen Wirkung sich 
entweder auf oder innerhalb der unbewachsenen kreisrunden Nährboden- 
schicht entwickelt haben mußte, zur Darstellung zu bringen, strichen 
wir einerseits die Ränder der Kulturlöcher samt dem angrenzenden 
Kokkenrasen auf Plattenkulturen aus, um erneute Aussparungen und 
Flatterformen entsprechend unseren Erfahrungen bei Ruhr- und Typhus- 
bakteriophagen zu erzielen. Andererseits schnitten wir die Kultur- 
lücken samt dem Aszitesagar mit sterilem Spatel aus und brachten 
sie gleichzeitig mit einer Normalöse 24stünd. Kultur des zleichen 
Stammes in Bouillon, um eine Anreicherung des Lysins auf Kosten 
der hinzugefügten Kokkensubstanz zu bewirken. Der erste Weg führte 
zu negativem Ergebnis. Auch der zweiten Darstellungsmethode stellte 
sich zunächst eine Schwierigkeit entgegen, die unseres Erachtens die 
quantitative Gewinnung von Meningokokkenbakteriophagen durchweg 
stark zu beeinträchtigen pflegt: der wachstumfördernde Aszites- oder 
Serumzusatz zur Bouillon konnte durch Absorption oder Bindung einer 
mehrminder beträchtlichen Lysinmenge ebenso wie die Verwendung der 
das Kokkenwachstum hemmenden reinen Fleischbrühe infolge Mangels 
junger, lvsinogener Kultur zur Verschleierung der tatsächlichen Vor- 
gänge führen. Um den geeigneten Mittelweg zu finden, brachten wir die 
vorerwähnten lvsinhaltigen Nährbodenstücke in je 10 cem reiner Fleisch- 
brühe und solcher mit Zusatz von 2 Proz. Traubenzucker, von 10 Proz. 
Aszites und 5 Proz. Pferdeserum, schickten den Inhalt der 4 Röhrchen 
nach 24stiind. Bebrütung bei 370 durch Berkefeld-Kerzen und 
betropften mit den Filtraten mittels Kapillaren frisch beimpfte Platten- 
kulturen des zugehörigen Stammes mit dem Ergebnis, daß die Kultur- 
filtrate von reiner und traubenzuckerhaltiger Bouillon, die schon vor der 
Filtration durch auffallende Aufhellung Lyse verrieten, im Gegensatz 


Pfalz, Ueber bakteriophage Wirkungen bei Meningokokken. 211 


zu den aszites- und serumhaltigen Röhrchen scharf umrandete Kultur- 
defekte im Bereiche der Tropfen zeigten (Fig. 1). 

In Anbetracht der starken Bouillonverdünnung der lytischen Aus- 
gangssubstanzen war eine erhebliche Anreicherung des Lysins er- 
wiesen; die Wirkung des Lysins zeigte sich unvermindert bis zu dessen 
10facher Verdünnung sowie in 2 im Anschluß an seine Darstellung her- 
gestellten Bouillonkulturpassagen des gleichen Kokkenstammes. Die 
Beschränkung der lytischen Fähigkeit des gewonnenen Filtrates auf 
den beeinflußten Stamm, auf bestimmte biologisch und serologisch 
von Jötten (7) getrennte Gruppen innerhalb der Gattung, endlich auf 
die ihr verwandten Kokkenrassen wurde dadurch geprüft, daß die Lysate 
erster und zweiter Passage auf frischbeimpfte Kulturen von 16 Me- 
ningokokkenstämmen verschiedenster Gruppenzugehörigkeit, 5 Gono- 
kokkenstämmen und 2 Stämmen Micrococcus katarrhalis, ferner 
von 3 Pneumokokken- sowie je 3 Typhus- und Ruhr-, Paratyphus- und 
Pararuhr-, Coli- und Aerogenes-Stämmen getropft wurden. 94 Proz. 

der geprüften Meningokokken, 

80 Proz. der Gonokokken und beide 
Katarrhalisstimme zeigten Wachs- 
tumshemmunginnerhalb des Tropfen- 
bereichs mit graduell stärkster Wir- 
kung bei den Meningokokken. Von 
den Pneumokokken blieb ein Drittel 
unbeeinflußt; die Gruppen der Para- 
typhus-, Pararuhr- und Kruse- 
Shiga-Ruhrbazillen zeigten keiner- 
lei Hemmung. Von den Typhus- und 
Coli-Bazillen wiesen nur 2 Stämme 
Spuren einer Lysinwirkung auf, die 
auf Grund früherer Befunde Che- 
mikalien und Fermenten gegenüber 
allgemein als labil bekannt waren. 
Es liegt also eine in erster Linie 
auf die Meningokokkengattung 
insgesamt, in weiterem Sinne 
auf die morphologisch ihnen 
nahestehenden gramfreien Diplokokkenarten beschränkte Spezifität 
der Bakteriolyse vor. Der Befund vorwiegender Wirkung des 
Lysins auf Meningokokken wurde dadurch bestätigt, daB die ausge- 
schnittenen, die sterilen Flecken enthaltenden Aszitesagarscheiben von ` 
4 Meningokokkenstämmen in Traubenzuckerbouillonkulturen der zuge- 
hörigen Stämme stark lytische Filtrate lieferten, während mit 4 Gono- 
kokken- und 2 Pneumokokkenstämmen bei sonst gleicher Versuchs- 
anordnung eine Fortzüchtung nicht gelang. 

Die erwähnten Befunde lytischer Filtratwirkung wurden 3 Monate 
später mit dem unvermindert wirksamen, durch Phenolzusatz kon- 
servierten Lysin bestätigt; sie führten zu dem endgültigen Schlusse, 
daß die eingangsmitgeteilten, anscheinend spontan aufgetretenen Kultur- 
löcher auf bakteriophager Ursache entstanden und dem Twort- 
d’Herelleschen Phänomen wesensverwandt sind. 

Ebenso wichtig wie die Ermittelung des biologischen Geschehens 
für die Kenntnis bakteriophager Meningokokkenlyse war die Feststellung 
der Herkunft des wirksamen Agens. Der Gedanke, der anscheinend 

14 





Fig. 1. Bakteriophagenwirkung gegen- 
über Meningokokken im Plattentropfver- 
versuch nach Bouillonkulturpassage. 


212 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


spontan aufgetretene Bakteriophage könne dem vier Wochen vorher 
aus England zugesandten Stamm von altersher angehaftet haben und ihm 
gegenüber auf unseren Kulturen erst allmählich infolge hypothetischer, 
vielleicht durch den Nährbodenwechsel bedingter. biologischer Um- 
stimmung wirksam geworden sein, lag ähnlichen Befunden unserer- 
seits (8) sowie von Gildemeister und Herzberg (9), von Bail 
(10) und Suzuki (11) zufolge nahe, mußte aber verworfen werden, da 
einzelne Kulturlöcher späterhin wiederholt bei 3 anderen Meningo- 
kokkenstämmen, die über Jahr und Tag fast täglich von uns beobachtet 
worden waren, spontan auftraten. Wir mußten danach folgerichtig in 
dem zur Kultur verwendeten Nährboden und zwar in dessen Aszites- 
zusatz den Herd der Bakteriophagenbildung erblicken, wofür sich 
folgende weitere Anhaltspunkte boten: 

Stark konzentrierte Aszitesagarkulturen, hergestellt aus 5proz. 
Agarlösung mit 50 Proz. Asziteszusatz, lieferten bei 6 Meningokokken- 
stämmen typische Kulturaussparungen (Fig. 2). 





Fig. 2a. Fig. 2b. Fig. 2c. 


Fig. 2a, b und c. Spontanauftreten von Meningokokken-Bakteriophagen auf kon- 
zentrierten Aszitesagarkulturen. 


Der Wechsel des Aszitesspenders hatte Ausbleiben spontaner Bak- 
teriophagenbefunde zur Folge. 

Gelegentlich früherer Untersuchungen in anderem Zusammenhange 
(8) ist uns aus einem durch Laparotomie entleerten Peritonealexsudate 
einer an puerperaler Pyämie und kavernöser Lungenphthise erkrankten 
Patientin die Darstellung starker Ruhr- und Coli-Lysine nach deren 
vorherigem Nachweis im Stuhlfiltrate der Kranken gelungen, so daß 
uns die Möglichkeit des Auftretens bakteriophager Kräfte inner- 
halb peritonealer Ex- und Transsudate als erwiesen galt. 

Nahmen wir den verwendeten Aszites als Ausgangsort der Bakterio- 
phagie an, so konnten sich ihm entweder gelöste oder suspendierte Darm- 
lysine durch Darmdiffusion oder -läsion beigemischt und ihre Wirk- 
samkeit gegenüber der Meningokokkenkultur nach Anpassung an das 
veränderte Objekt direkt fortgesetzt haben. 

Entsprechend den Bakteriophagenfunden von Bordet und Ciuca 
(12) in peritonealen Exsudaten vorbehandelter Meerschweinchen wurde 
auch das Vermögen selbständiger Bildung des Lysins oder einer durch 
Hinzutreten von Bakterien zu aktivierenden Vorstufe seitens des Peri- 
toneums des Aszitesspenders erwogen. 


’ 


Pfalz, Ueber bakteriophage Wirkungen bei Meningokokken. 213 


Ebenso konnte die beobachtete Kokkenauflösung indirekt durch 
Chemikalien, etwa von der Desinfektion zurückgebliebene Sublimat- 
reste, das konservierende Chloroform oder giftige Zwischenstufen der 
organischen Eiweißanalyse katalysatorisch eingeleitet und autolytisch 
fortgeführt worden sein. 

Die unter diesem Gesichtspunkte vorgenommene Prüfung des chloro- 
formreichen Zentrifugats des Aszites, das wir mit Agar zu Platten- 
kulturen verarbeiteten, verlief unbefriedigend, da nur in einem Einzel- 
falle deutliche Lochbildung auftrat, während im übrigen nur allgemeine 
Wachstumshemmung zu beobachten war. 

Angeregt durch die Arbeiten von Ficker (13), der eine völlige 
Meningokokkenauflösung durch taurocholsaures Natrium erzielte, und 
Flexner (14), der durch Toluolzusatz zu gleichem Ergebnisse und 
daraufhin zur Annahme autolytischer, nach Abtötung der Keime frei- 
werdender Endofermente bei Meningokokken kam, führten wir mit 
den erwähnten beiden Substanzen sowie einer Reihe von Farbstoffen 
und Metallsalzen verschiedenster Struktur, die von Jötten und Lüdke 
(15) als besonders aggressiv gegenüber Meningokokken erwiesen waren, 
in der oben angegebenen Weise Plattentropfversuche aus, die zwar 
innerhalb des Tropfenbereichs zu Kulturaussparungen selbst nach uns 
nur bei Bakteriophagen geläufigen stärksten Verdünnungen der Agen- 
tien führten, niemals aber eine Fortführung, geschweige denn An- 
reicherung des wirksamen Prinzips über mehr als eine Bouillonkultur- 
passage ergaben. 

An Hand dieser Befunde konnte die eingangs beschriebene Be- 
obachtung bakteriophager Meningokokkenlösung unmöglich als Folge 
primärer, grob unspezifischer chemischer Zellschädigung und daran 
sich anschließenden autolytischen Zerfalls gelten; folglich lag der 
Gedanke nahe, ein organisches, dem Darm oder Peritoneum ent- 
stammendes, mit der besonderen Fähigkeit enzymartiger, unspezifischer 
Einleitung selbständig sich fortsetzender spezifischer Zerfallserschei- 
nungen innerhalb der Kokkenkultur anzunehmen. Zum Beweis dieser 
Folgerung mußte die experimentelle Darstellung vorwiegend gegen Me- 
ningokokken wirksamer Lysine organischen Ursprungs erreicht werden. 
Da der logisch nächstliegende Weg zu diesem Ziele, die Prüfung einer 
größeren Anzahl Zerebrospinalliquores von Meningitiskranken und -re- 
konvaleszenten auf Meningokokkenlysine infolge gegenwärtigen Material- 
mangels späteren Untersuchungen unsererseits vorbehalten bleiben muß, 
versuchten wir eine experimentelle Wiederholung der anscheinend spon- 
tan aufgetretenen bakteriophagen Vorgänge mittels eines im Handel er- 
schienenen Pankreaspräparates, „Pankreon“, das uns für unsere Ver- 
suche durch die herstellende Firma!) in dankenswerter Weise zur Ver- 
fügung gestellt wurde und den Ergebnissen von Hoder und Suzuki 
(11, 16) zufolge als eine ergiebige Fundstätte für Bakteriophagen der 
Ruhr-Typhus-Coli-Gruppe erwiesen war. 

Da wir auf Grund der mitgeteilten Beobachtungen sowie früherer 
eigener, mit zahlreichen anderen Untersuchern übereinstimmender Er- 
gebnisse bei Ruhr-, Typhus- und Coli-Lysinen beim bakteriophagen 
Vorgange eine bezüglich Herkunft und Angriffsfähigkeit der Lysine 
allen Bakterienrassen gegenüber relativ unspezifische, fermentartig ein- 
leitende und eine für die einzelnen Gattungen infolge Eigenbildung der 


1) „Rhenania“ Verein Chemischer Fabriken A.-G. Aachen. 


214 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


weiterhin tätigen Agentien spezifische, endgültig wirksame zweite Phase 
annahmen, enthielt die Hoder und Suzuki gelungene Darstellung 
von Darmbazillenlysinen aus Pankreon für uns die begründete Aussicht, 
in diesem Organpräparate lysinogene Körper enzymartiger Struktur 
zu ermitteln, welche die an die Kokkensubstanz gebundenen artspe- 
zifischen Lysine zu unbegrenzt fortführbarer Wirkung aktivieren 
würden. Wir stellten darum eine 'Aufschwemmung des Präparates in 
Traubenzuckerfleischbrühe (0,5 Pankreon auf 10,0 Bouillon) her, die 
wir nach Abschleudern des Bodensatzes durch einstündiges Erhitzen 
auf 58—60° sterilisierten und danach dauernd bei 37° hielten. Mit 
derartigen, aus fünf verschiedenen Packungen gewonnenen Pankreon- 
suspensionen betropften wir unmittelbar nach deren Herstellung, so- 
wie nach 1, 2, 3 und 5 Tagen mehrere Meningokokkenplattenkulturen, 
späterhin zum Vergleich auch Coli-, Paratyphus-, Ruhr- und Para- 
ruhrkulturen, ohne eine Spur bakteriophager Wirkung zu sehen. 

Ganz anders war das Ergebnis, als keimfrei gemachten, pankreon- 
haltigen Fleischbrühröhrchen je eine Normalöse dreier verschiedener 
Meningokokkenstämme zugesetzt, und das Gemisch nach 24stünd. Brut- 
schrankaufenthalte bei 37° erneut zentrifugiert und durch einstündiges 
Erhitzen auf 58—60° sterilisiert worden war. Verarbeiteten wir einen 
Teil davon im Verhältnis 1:10 zu Aszitesagarplatten, so traten nach 
Beimpfung mit den drei verschiedenen Meningokokkenstämmen bei dem 
Stamme E, flächenhafte, wallumgrenzte, rundliche und ovale Wachs- 
tumshemmungen auf, in deren Mitte sich ein auffallend zarter Rasen 
offenbar lysinresistenter Kokken fand. Die Wirkung, die merkwürdiger 
Weise auf den einen Stamm beschränkt blieb, verstärkte sich bis zu 
völliger Sterilität der Flecken, nachdem wenige Tropfen der lytischen 
Flüssigkeit in frische Meningokokkenbouillonkulturen (eine Normalöse 
auf 5 ccm) gebracht worden waren. Betropften wir andererseits mit: 
der lysinhaltigen Flüssigkeit frisch beimpfte Meningokokken-Platten - 
kulturen, so zeigte sich zunächst bei dem gleichen Stamm E, ein feiner, 
ringförmiger steriler Saum am Tropfenrand, nach einmaliger Kultur- 
passage ein völlig unbewachsener Fleck im Tropfenbereich, nach zwei 
weiteren Passagen in gleicher Weise auch bei den beiden anderen 
Stämmen. Dabei erwies sich die lytische Fähigkeit so stark, daß völlige 
Aufhellung und Keimfreiheit des mit einigen Tropfen der vorher- 
gehenden Passage beschickten und mit einer Normalöse Kokken be- 
impften Traubenzuckerbouillonröhrchens eintrat, ein Vorgang, der in an- 
betracht der hochgradigen Verdünnung nicht mehr auf primäre Pankreon- 
wirkung, sondern auf selbständige, sekundäre, durch das Pankreon 
in Freiheit und Tätigkeit gesetzte Kokkenautolysine zurückgeführt 
werden muß. In dieser Folgerung wurden wir bestärkt durch die 
völlige Wirkungslosigkeit reiner Pankreonbouillon, die wir unmittel- 
bar nach Herstellung sowie 1—5tagiger Bebrütung bei 37° im Platten- 
tropfversuch gegenüber verschiedensten Meningokokkenkulturen prüften, 
entsprechend den Beobachtungen, die auch Jötten gelegentlich früher 
mitgeteilter Versuche an Trypsinbouillonkontrollen machen konnte. Die 
Bildung steriler Flecken schrieben wir demzufolge den sekundär ge- 
bildeten Autolysinen zu, die infolge der notwendigen ausgiebigen” und 
langdauernden Reaktionsmôglichkeit der Ferment- und Bakterien- 
substanz nur in flüssigen Medien in wirksamer Menge entstehen können. 

Das in oben beschriebener Weise dargestellte Lysin nahm in seiner 
Angriffsfähigkeit gegenüber dem zu seiner Bildung verwendeten Stamm 


Pfalz, Ueber bakteriophage Wirkungen bei Meningokokken. 215 


erst bei Verdünnungen über 1/3200 ab. Es erzeugte im Plattentropf- 
versuch sterile Flecken übereinstimmend bei 5 Meningokokkenstämmen 
verschiedener Gruppenzugehörigkeit, in gleicher Weise bei 4 Gono- 
kokkenstämmen, doch zeigte sich bei Ermittlung seiner Wirkungs- 
grenze durch zunehmende Verdünnung der lysinogene Stamm am 
stärksten, die Gonokokkenstämme am wenigsten empfindlich. Ein Ruhr- 
stamm und je 3 Pararuhr-, Paratyphus- und Coli- Stämme blieben völlig 
unbeeinflußt (Fig. 3). $ 

Auf die ursächlichen Beziehungen, die diese von uns durch 
Pankreasextrakte verursachten, unbegrenzt fortführbaren autolytischen 
Vorgänge zur Natur und Genese des d’Herelleschen Phänomens 
im allgemeinen haben, wird noch besonders zurückzukommen sein. Hier 
sei nur auf die Analogie der Erscheinungen hingewiesen, die zwischen 
der experimentell wohl durch tryptische Pankreasenzyme ausgelösten 
Meningokokkenauflösung und der 
Eingangs beschriebenen, dem As- 
ziteszusatz des Nährbodens folge- 
richtig zugeschriebenen Kokken- 
lyse besteht, deren Ursache nun- 
mehr auf aszitesgelöste oder sus- 
pendierte enzymartige Substanzen 
zurückgeführt werden kann. 

Um die Zweiteilung des bak- 
teriophagen Vorganges in eine be- 
züglich der anzugreifenden Keim- 
gattung unspezifische Reizphase 
und eine daraufhin selbständig 
und vorwiegend die eigene Art 
schädigende Autolyse durch ein 
eigen gebildetes spezifisches Prin- 
zip zu erweisen und damit das Zu- 
standekommen der Bakteriophagie 
im allgemeinen dem Verständnis 
näher zu bringen, gaben wir einige Fig. 3. Aus Pankreon nach dreimaliger 
Tropfen hochwirksamen Meningo- Bouillonkulturpassage gewonnener Bakterio- 
kokkenlysi ti phage nach Einwirkung auf 3 Meningokokken- 
okkenlysins zusammen mit je stämme. 
einer Oese Ruhr- und Pararuhr- 
kultur in Bouillon und stellten nach 48stünd. Bebrütung und Sterili- 
sation, die wir, um technische Fehler zu vermeiden, sowohl durch Ab- 
schleudern des Bakteriensedimentes und halbstündiges Erhitzen auf 55 
bis 600 als auch durch Filtration mittels Kieselgurkerzen vornahmen, 
Plattentropfversuche gegenüber dem entsprechenden Ruhr- und Para- 
ruhrstamme an. Das Wachstum der Ruhr- und Pararuhrerreger blieb 
völlig ungehemmt, dagegen zeigte das Filtrat noch immer, wenn auch 
im Vergleich zu einem unter gleichen Bedingungen mit dem lysogenen 
Meningokokkenstamm gewonnenen Filtrat verminderte Lyse gegenüber 
der entsprechenden Kokkenkultur. Auch durch 3fache Kulturpassagen 
der erwähnten Ruhrstämme war ihnen gegenüber eine lytische Wirkung 
des Meningokokkenlysins nicht zu erzielen. Zu demselben Ergebnis 
führten gleichsinnige Versuche mit einem nach zwei Bouillonkultur- 
passagen aus Pankreon gewonnenen Pararuhrlysin, das Meningokokken- 
kulturen selbst nach 3 mit diesen nach Lysinzusatz vorgenommenen 
Passagen durchaus unbeeinflußt ließ. In der Erwägung, das Fehlen 





216 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


des Uebergreifens oder der Anpassung der unter Einwirkung von 
Pankreassubstanz gegenüber bestimmten, morphologisch unterschiedlichen 
Keimgattungen getrennt ermittelten Bakteriophagen könne von zu ge- 
ringer Konzentration der lytischen Agentien abhängig sein, gingen 
wir folgendermaßen vor: Durch mehrwöchige tägliche Darreichung 
lebender Colikultur in dünndarmlöslichen Geloduratkapseln, die wir 
in anderem Zusammenhange zu experimentell therapeutischen Beob- 
achtungen an Paratyphusdauerausscheidern gaben, wurde aus dem 
Stuhlfiltrat des behandelten Patienten ein Lysin gewonnen, das bereits 
nach einmaliger Passagenzüchtung gegenüber dem lysinbildenden Stamm 
noch in Verdünnung 1/,00000000 deutlich wirksam war, während 
vor der Behandlung diesem Stamme gegenüber keinerlei lytische Wirkung 
des gleichen Stuhlfiltrates feststellbar war. Gleichzeitig löste das ge- 
wonnene Lysin bis zur Verdünnung 1/,55000 einen Paratyphus B-Stamm 
und in geringerer Weise je einen Typhus- und Paratyphusstamm. Dieses 
konzentrierte Lysin zeigte keinerlei Angriffsneigung gegenüber drei 
Meningokokkenstämmen; es zeigte selbst, nachdem wenige Tropfen 
davon in frische Meningokokkenbouillon gebracht und nach 48stünd. Be- 
brütung bei 370 durch Filtration und Zentrifugieren keimfrei ge- 
macht waren, keinerlei Wirkung den Kokken, wohl aber noch 
wenn auch abgeschwächt, dem lysinogenen Colistamme gegentiber. 
Nach zwei weiteren Passagen stellte sich eine schwache randférmige 
Kulturaussparung bei zwei Meningokokkenkulturen im Tropfversuch 
ein, der indessen, da sie sich in den folgenden Passagen nicht ver- 
stärkte, keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen werden konnte. 

Fügen wir die entscheidenden Befunde der mitgeteilten Beob- 
achtungen und daran anknüpfenden Untersuchungen zu einem einheit- 
lichen Erscheinungsbilde bakteriophager Vorgänge auf Meningokokken- 
kulturen zusammen und suchen wir ihm eine Gesetzmäßigkeit für das 
Entstehen und Geschehen bakteriophager Keimlösung überhaupt ab- 
zuleiten, so kommen wir zu folgendem Urteil: Das Auftreten bak- 
teriophager Lysine nach Einwirkung von Peritonealexsudat und Pan- 
kreassubstanz in Meningokokkenkulturen spricht für die Bedeutung der 
biologischen Zelltätigkeit des Organismus bei der Lysinbildung. 

Die Wirkungslosigkeit des Pankreasextraktes ohne vorherige mehr- 
stündige Reaktion mit Kokkensubstanz sowie das Unvermögen, zwei aus 
gleicher Pankreassubstanz dargestellte, auf rassenverschiedene Bak- 
terien getrennt eingestellte Bakteriophagen wechselseitig in ihrer ly- 
tischen Wirkung einander anzupassen, beweist die Zweigliederung des 
bakteriophagen Vorganges in eine unspezifische fermentative Reizphase, 
die ihrerseits eine der Kokkensubstanz zuzuschreibende und vorwiegend 
gegen die eigene Art gerichtete Autolyse bedingt. 

Beide Befunde machen die Annahme eines belebten bakteriophagen 
Virus unwahrscheinlich, da einerseits die Gegenwart eines vorgebildeten, 
mikrobenartigen Meningokokkenbakteriophagen gerade in normaler Pan- 
kreasorgansubstanz wegen dessen isolierter Bedeutung und seltenen 
Bedarfs für den Organismus kaum vorstellbar ist. Andererseits kann 
eine dauernde Bindung eines hypothetischen Virus an die Kokken- 
substanz und dessen Aktivierung durch Fermente nicht erwogen werden, 
da schwerlich eine Infektion sämtlicher, das Lysin nachweisender 
Stämme, die geprüft wurden, mit den Bakteriophagen von alters her 
denkbar ist. 


Yakimoff, Le toxoplasme des poissons. 217 


Literatur. 


1. Schloßberger, Zeitschr. f. Haut- u. Geschlechtskrankh. Bd. 4. H. 7. 

2. Dörr, Berger u. Brüninger, Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. 
Bd. 97. — 3. Otto u. Munter, Weichardts pen Bd. 6. 1924. S. 1. — 
4. Katsu, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 96. H. 5/6. — 5. Jötten, 
ge f. Hyg. Bd. 92. 1924. S. 312. — 6. v. Angerer, Ibid. Bd. 94. S. 174. — 
Jötten, Klin. Wochenschr. 1922. IL. Nr. 44. S. 2181. — 8. Pfalz, [Inaug.- 
Diss. Leipzig. 9. Gildemeister u. Herzberg, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. 
Orig. Bd. 93. S. 802. — 10. Bail, Med. Klin. 1925. Nr. 34. — 11. Suzuki, 


Zeitschr. f. Immunitätsf. Bd. 47. S. 143. —. 12. Bordet u. Ciuca, Sup 
rend. soc. de Biol. T. 83. 1920. p. 1296. — 13. Ficker, Arch. f. BE 
Bd. 68. S. 1. — 14. Flexner, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 43. 1 

— 15. Jötten u. Lüdke, Arb. a. d. R.-G.-A. Bd. 57. S. 271. — 16. Hoder 
u. Suzuki, Centralbl. f.Bakt. Abt. I. oe Bd. 98. 1926. S. 433. — 17. Borchardt, 
Zeitschr. f. ’ Immunitätsf. Bd. 37. 1923. 1. — 18. Seiffert, Ibid. Bd. 38. 


1923. S. 292. — 19. Prausnitz, Klin. Wochenschr 1922. S. 1639. — 20. Ders. 


u. van der Reis, Deutsch. med. Wochenschr. 1925. Nr. 8. — 22. Mießner 
u. Baars, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 93. 1924. S. 131*. — 23:Keller, 
Zeitschr. f. Hyg. Bd. 103. S. 177. — 24. d’Hérelle, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. 
Orig. Bd. 96. 1925. S. 385. 


Nachdruck verboten. 


Le toxoplasme des poissons. 


[Service de Protozoologie de l’Institut bactériologique-vétérinaire à 
Leningrade (Pétrograde). | 


ar le Prof. Dr. med. et med. vet. W. L. Yakimoff. 
Avec 19 figures en texte. 


Depuis de 1909, quand Ch. Nicolle et Manceaux ont trouve 
en Tunisie chez le Ctenodactylus gondii Pall. le parasite nouveau 
nommé le Toxoplasma gondii, beaucoup des toxoplasmes sont con- 
nus. Le Tableau I indique ces organismes : 

Mais personne n’a pas vu les toxoplasmes chez les poissons. 

En juin de 1926, pendant la campagne anti-piroplasmique dans 
le district de Lodeïnoé Polé (gouvernement de Léningrade | Pétrograde]), 
organisée par la Direction agronomique du nord-ouest de la Russie, nous 
avons fait la séction de deux brêmes, capturés du lac de Pidma, riche 
en poissons. 

Nous avons trouvé sur les frottis du foie et du grattage de la mu- 
qeuse de l'intestin les organismes, dont le protoplasme se colore après 
Leishman en bleu et le noyau en rouge. Les formes en arc avec les 
éxtrémités effilées (dimension: 5,60—6,65 u x 2,10—2,70 u) et avec le 
noyau au milieu (2,80 u) sont fréquentes (fig. 1). Quelquefois une ou 
tous les deux éxtrémités sont arrondies (fig. 2 et 3) ou se rencontre la 
forme plus ou moins droite (fig. 4 et 5) ou plus trapue de dimension 
5,10 u X 3,15 x (fig. 6). Il peut que l'organisme piriforme avec le 
grand noyau (4,30—5,60 u X 3,15—4,90 u) (fig. 12) ou en citron 
(6,30 u X 4,90 u) (fig 13) sont les formes de multiplication. Les formes 
de multiplication nette persistent. Dans les organismes en arc nous 
avons vu 2, 3 et 4 noyaux (fig. 7 et 11); les dimensions de ces formes 
jusqu'à 7,35 u x 2,80—4,20 u. Le protoplasme se divise en deux 
(T u X 4,9 u; fig. 10) et peut-être, en quatre (fig. 11). 

Ensuite se rencontrent les formes rondes (5,60—7,35 u; fig J6 et 


g 


18), où aussi s'observe la multiplication (fig. 19). Peut-être les for- 























218 Ceutralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4 5. 
Tableau I. 
ie = — = = 
Les noms des toxoplasmes| L'animal | Les pays Les auteurs 
L Mammifères | i 
T. gondii Nicolle et (Ctenodactylus |Tunisie Ch. Nicolle et Man- 
Manceaux, 1909 | gondii ceaux, Chatton et 
| Blanc 
T. cuniculi Splendore, Lapin 1) Bresil; 2) Sénégal ;/1) Splendore, Carini; 
1909 3) Congo 2) Bourret; 3) Sa. 
ceghem 


T. canis Mello, 1910 (Chien 


T.talpae Prowazek, 1910 Taupe 


T. musculi Sangiorgi, Souris 
1913 
T. ratti Sangiorgi, 1915 | Rat 
T. pyrogenes Castellani, Homme 
1914 
T. sciuri Coles, 1914 |Ecureil 
T. caviae Carini et Mi- Cobaye 
gliano, 1916 
T. sp. Plimmer, 1916 Cryptoprocta 
ferox 
T. sp. Thézé, 1916 Singe (Mycetes, 
senilicus) | 


II. Oiseaux 


T. columbae Yakimoff 


|Pigeon 
et Kohl-Yakimoff 


T. paddae 

T. atticoriae > 

T. ramphocoeli & 

T. paroariae io; 7, 

T. sporophilae Oiseaux divers 


| 


. tanagrae 

. Sicalidis 

. brachyspizae 

. avium Marullaz, 1913 


m 
© 
= 
- | 


Oiseaux divers 


T. liothricis Laveran Liothrix luteus 


et Marullaz, 1914 
T. sp. Plimmer, 1916 





Pigeon (Car- 

| pophaga 
concinna 

Pratneola 

' caprata 


Item 


III. Reptiles | 
T. sp. Plimmer, 1916 ‘Serpent 
| (Coluber 
| melano- 


| Brésil 


1) gy lie; 2) Allemag 


5) Hasi 4) Tunis; 


Venne 


Japan 


\[talie 


1) Ceylon ; 2) Russie (?); 
Angleterre 


Madagascar 


Guyane francaise 


1) Brésil; 2) Inde portu- 
guèse 


Brésil 


ne; 





1) U. Mello; 2) Yaki- 

| moff et Kohl-Yaki- 
moff; 3) Carini et 
Maciel; 4) Blanc; 
p Campuzano 

v. Prowazek 

Sangiorgi 

1) Castellani; 2) Fédo- 
Mitch 

Coles 

Carini et Migliano 

Plimmer 

Thézé 


1) Carini; 2) F. de Mello 
et collabor. 1 
t 


Beaurepaire Aragäy 





France, Inde, Japan, 
Brésil, Afrique | 


Île Aru 


Inde 


Mexique 





| leucus) 


mes rondes avec 2 noy 
Blanc. 


Les formes de division se recontrent 


piriformes (fig. 14 et 15). 
Les parasite 
éléments. 


Laveran, Marullaz, 
Anschütz, Mire, 
Plimmer, Carini et 
Maciel, Mayer 

Laveran et Marullaz 

Plimmer 

Plimmer 

Plimmer 





s Sont toujours isolés et jamais inclus dans 


aux sont les schizontes in sensu Chatton et 


aussi parmi les Organismes 


quelques 


Yakimoff, Le toxoplasme des poissons. 219 


Ils sont frequents sur les frottis du foie et moins frequents dans 
l'intestin. 

Nous n'avons trouvé aucuns parasites dans le sang, les organes et 
l'intestin. L'examen du contenu de l'intestin (avec la solution du NaCl 
concentrée) n’a donné les œufs des hélminthes, ni oocystes des coccidies. 

C’est le premier cas de la toxoplasmose des poissons et en général 
en Russie (la nature toxoplasmique des organismes trouvé par Mme 





Fig. 1—19. 


Fedorovitsch dans le sang périphérique d’un enfant au Caucase, 
atteint de splénomégalie, est douteux; d’après Ed. et Et. Sergent 
et Parrot il serait une hémogrégarine voisine de IH. elliptica). 

Le tableau IT donne les dimensions des toxoplasmes connus et de 
notre. (Tableau IL p. 220.) 

Nous donnons à ce organisme le nom, en hommage de notre regrette 
collaboratrice Mlle Wéra Wassilewsky, Toxoplasma wassi- 
lewsky n. sp. 


220 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


























_Tableau II. 
— - — = - = = 
Les noms | L'animal Longueur er Les auteurs 
tn En ee on pe o = L ` 
T, gondii Ctenodactylus gondii| 5 @ 5—7) | 2—3 (—5) |Ch.Nicolle et Manceaux 
T. cuniculi Lapin —8 2—4 Splendore, Carini 
T. talpae Taupe 210 2—5 v. Prowazek 
4,26—8,52 | 1,42—2,84 |Yakimoff et Kohl- 
T. canis |Chien Yakimoff 
5-9 Es Carini et Maciel 
T. musculi |Souris 3,5-48 1,8—2,4 eae 
T. ratti Rat 6,4 2,4 | Sangiorgi 
T. seiuri \Keureil 5—8 2—3 Coles EN 
T. caviae Cobaye 5—8 2—4 Carini et Migliano 
7—12 (sang) : 
T. pyrogenes | Homme 3—5 (rate) Castellani 
\ 7 2-3  |Fédorovitch 
T. avium ‘Oiseaux 5—6 23 Marullaz 
T. liothricis ‚Liothrix luteus 5—7 2,5—3 |Laveran et Marullaz 
T. wassilewsky ‘Brême | 5,6—8,52 1,42—2,84 Yakimoff 





e 
Nachdruck verboten. 


Gärungsversuche mit Milzbrandbazillen ). 


| Aus d. Statens Seruminstitut Kopenhagen (Dir.: Dr. Th. Madsen).! 
Von Martin Kristensen. 


Jeder, der sich mittels zuverlässiger und bequemer Methoden mit 
Untersuchung des Verhaltens verschiedener Bakterien gegenüber einer 
größeren Anzahl von Kohlehydraten, polyvalenten Alkoholen und ge- 
wissen anderen, chemisch wohldefinierbaren Stoffen beschäftigt hat, 
muß notwendigerweise davon überzeugt werden, daß diese Gärungs- 
reaktionen für die bakteriologische Diagnostik von außerordentlicher 
Bedeutung sind, und in jeder Beschreibung eines Bakterienstammes, 
welche eine einigermaßen erschöpfende Darstellung von den konstan- 
testen Eigenschaften des betreffenden Stammes zu geben beansprucht, 
ganz unentbehrlich, wenn der betreffende Bazillus überhaupt imstande 
ist, Gärungen hervorzurufen. 

Merkwürdigerweise hat man eben bei einigen der wichtigsten 
pathogenen Mikroben sich nur in geringem Grade mit diesen Gärungs- 
reaktionen beschäftigt, was besonders für den Milzbrandbazillus Geltung 
hat, indem hier überhaupt keine ausführlichere Mitteilung betreffs 
dieser Verhältnisse vorzuliegen scheint. Eine Kenntnis der Gärungs- 
reaktionen des Milzbrandbazillus wird jedoch sicher in verschiedenen 
Beziehungen von Bedeutung sein können, u. a. für die Entscheidung, 
ob Bakterien, welche sich im Tierversuche schwach virulent oder 
avirulent gezeigt haben, als Milzbrandbazillen angesehen werden können. 


Die hier mitzuteilende Untersuchung umfaßt die untenstehenden 
Milzbrandstämme. 


l. Alter Laboratoriumsstamm, im Statens Seruminstitut fortgezüchtet. 2. Kultur 
am 8. 10. 1926 aus einem Tierarzte gezüchtet, der bei der Sektion von einer 
Kuh infiziert worden war. 3. „Alter Laboratoriumsstamm I“ (C. W. Andersen). 


1) Mit Gärung wird hier jede Umbildung von ,,Zuckerarten unter Säure- 
bildung bezeichnet, selbst wenn gleichzeitig keine Gasentwicklung stattfindet. 


Kristensen, Gärungsversuche mit Milzbrandbazillen. 221 


4. „Alter Laboratoriumsstamm II“ (C. W. Andersen). 5. „Schwein 32“, am 
23. 7. 1922 von der Muskulatur eines Schweines gezüchtet. 6. Von Vieh gezüchtet. 
7. 637/1918, Vieh. 8. 508/1919, Schwein. 9. 2384/1920, Vieh. 10. 707/1920, 
Vieh. 11. 710/1921, Vieh. 12. 11/1922, Vieh. 13. 796/1923, Pferd. 14. 1896 
1924, Vieh. 15. 242/1925, Vieh. 16. 408/1925, Vieh. 17. 519/1925, Vieh. 
18. 269/1926, Vieh. 19. 400/1926, Vieh. 20. 419/1926, Vieh. 

Die Kulturen 3—5 wurden mir von dem Serumlaboratorium der kgl. Veterinär- 
und landwirtschaftlichen Hochschule (Prof. C. O. Jensen) überlassen. Nr. 6 von 
Prof. M. Christiansen an derselben Hochschule. Nr. 7—20 vom Labora- 
toriumsvorsteher H. Magnusson, Hushällningssälskapet, Malmö. 

Es ist kaum zu bezweifeln, daß sämtliche 20 Stämme aus milz- 
brandkranken Individuen gezüchtet worden sind, obwohl nähere Auf- 
schlüsse in den meisten Fällen fehlen. 

Bei Züchtung auf Agar wuchsen sämtliche Stämme in der für Milz- 
brand charakteristischen Weise, obwohl mit gewissen Unterschieden 
unter den einzelnen Stämmen. Gelatine wurde von sämtlichen schnell 
geschmolzen, und kein einziger bildete Indol. 

Für die Gärungsreaktionen kam eine aus Iproz. Fleischextrakt 
Liebig, lproz. Pepton Witte, 1/,proz. NaCl und Bromthymolblau 
in der Konzentration 1: 40000 bestehende Bouillon zur Verwendung. 
Diese Mischung wird durch Autoklavieren sterilisiert (pa nach der 
Sterilisierung ca. 7,5), wonach 1/, Proz. der ,,Zuckerart“ zugetan 
wird, dessen Vergärbarkeit zu untersuchen ist. Es wurden Präparate 
von Pfanstiehl Chemical Comp. verwendet, jedoch mit Ausnahme 
von Glyzerin, Mannit, Glukose, Laktose und Saccharose, wo ge- 
wöhnliche reine Präparate verwendet wurden. Nach Zusatz von der 
„Zuckerart‘ wird auf sterile Reagenzgläser verteilt und 10 Min. 
gekocht; es ist von besonderer Bedeutung ein stärkeres oder länger 
dauerndes Erwärmen zu vermeiden. Bei einigen der Zuckerarten 
(darunter Glukose und Trehalose) enthielten die Gläser ein kleines, 
umgekehrtes Glas für die Untersuchung für Luftentwicklung. Es 
soll gleich bemerkt werden, daß Gasentwicklung in keinem Falle 
beobachtet wurde. 

Nach dem Beimpfen wurden die Gläser bei 370 gestellt und 
14 Tage täglich beobachtet; 1 und 2 (die vor den übrigen in einem 
besonderen Versuch untersucht wurden) jedoch nur 8 Tage. 

In der Tabelle I wird die Anzahl von Tagen angegeben, welche 
binnen dem Zeitpunkte verlaufen, wo die ursprüngliche, blaugrüne 
Farbe des Substrates als Folge von Säurebildung einigermaßen rein 
gelb geworden war. Eine Einklammerung der Zahl bedeutet, daß 
innerhalb der Versuchszeit nur eine gelbgrüne Farbe zum Vorschein 
kam; „N“ bezeichnet ein negatives Resultat, d. h. daß die Farbe 
des Indikators sich nur unwesentlich änderte. Ein leerer Platz be- 
deutet, daß der betreffende Versuch nicht unternommen wurde. 

Die Stämme 1 und 2 wurden auch gegenüber Melibiose und 
Amygdalin probiert, welche in 8 Tagen nicht vergärt wurden, und 
weiter gegenüber Glykogen, das von Nr. 1 schwach, von Nr. 2 stärker 
vergoren wurde. 

Um nun einen Totalausdruck für das Gärungsvermögen der 
20 Stämme zu erhalten, konnte man für jede Zuckerart, wo Gärung 
sich überhaupt geltend gemacht hat, den Mittelwert der angeführten 
Zahlen nehmen; dies würde indessen weniger rationell sein, und zwar 
besonders, weil die N-Werte hierdurch außer Betracht gelassen werden 
mußten. Es würde natürlicher sein, als Ausdruck der Gärungsintensität 
die reziproken Werte der Zahlen zu nehmen; eine Gärung, wodurch 


299 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


ein gewisser Säuregrad im Laufe von 24 Std. erreicht wird (Intensität 1) 
wird somit 4mal so stark geschätzt als ein anderer, bei welcher der- 
selbe Säuregrad erst in 4 Tagen erzielt: wird (Intensität 1/,). Wird 
schließlich der reziproke Wert des gefundenen Durchschnittes ge- 
nommen, so erhält man die Anzahl von Tagen, die eine Kultur, welche 
eben mit der durchschnittlichen Vergärungsintensität wirkte, zur Her- 
stellung des betreffenden Säuregrades brauchen würde. Für die 
durch eine eingeklammerte Zahl angegebenen Reaktionen wird die 
Vergärungsintensität als die Hälfte des derselben nicht eingeklammerten 
Zahl entsprechenden gerechnet, und in den Fällen, wo N. steht, ist 
die Vergärungsintensität gleich O gesetzt worden. 





Salizin 








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Tabelle I. Tabelle IL. 
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7ZINNNNNNNNNI1/2|NNN241|NNA4I9IN|N 211313. 2,2 
7 NNNNNNNNNI2|N [N/1/./1/NIN/3/5| NIN 2111315212 
9 NININININININININ2|7IN) IN241|NN?|7 NIN 111/3/3:1i1 
7 NINININI NIN N NIN/1| 7 |N|N|N/1/9/1|N|N| 9 ((7)|2)|N 21111112 2 
9 NNNNNWIN 12 N1|3 IN] IN1/4/1/NIN 4/59 N 1112/13 4 
IN] |NNNNnNNı[?|N |NılzlılnNn?[912 N 211111115812 
5 NINININNINN NIN1 4 |N/NIN|1/4/1/N|N/ 45 (2)|N 1111112.2:2 
7| IN} |NIN|ININ| NIN/1/ 3 niılalı[nN3| | NIN 2/1]4]2 2,2 
9 | IN NINININI N|N|1| 3 |N] INI1I1/1IN ON 3) NN 2111111141 
9 NINININNINN N/N/1| 2 |NININ/1/3/1|NIN/4/7| NIN 1111;l41512 
7'NNNNNNNNIN1l3|n IN217/1ININ 7141) |N 212 
7NNNNNNNNN3|5|N [nılalannö| |12)N 2/1/2]2|2|2 
9 NINNNNNN NIN1|7INININ2/1/1ININI4/5 9 |N ılılyla/ılı 
7'NNNNNNNN|N1|2|NNNI1l4|1|NIN4 7 NN 214 301 
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Mit anderen Worten: Die eingeklammerten Zahlen werden doppelt 
gerechnet, die N werden gleich © gesetzt, wonach man die har- 
monische Mittelzahl nimmt. Es werden dann für die verschiedenen 
Zuckerarten folgende Werte erhalten: 

1) Trehalose 1,09, 2) Glukose 1,14, 3) Saccharose 1,3, 4) Mal- 
tose 3,4, 5) Lävulose 3,9, 6) Dextrin 4,8, 7) Stärke 6,4, 8) Glyzerin 
7,6, 9) Salizin 28. Hierzu kommen noch die isolierten, schwachen Ver- 
gärungen von Xylose und Mannit. 

Bei dieser Berechnung sind die Stämme 1 und 2 ausgelassen, weil 
sie, wie erwähnt, in einem besonderen Versuch untersucht worden sind, 
der sich nur über 8 Tage erstreckte, und worin der Säurebildungsgrad 
vielleicht auch nicht in völlig derselben Weise, wie im Hauptversuche 
beurteilt wurde. 

Es ist jetzt von Bedeutung, zu untersuchen, ob die angeführte 
Reihenfolge für sämtliche Stämme dieselbe ist. Man sicht sofort, daß 
von einer solchen Regel anscheinend mehrere Ausnahmen kommen ; 
so hat z. B. der Stamm 3 Maltose schneller als Saccharose vergoren. 
Solche Unregelmäßigkeiten können indessen auf ungleicher Beimpfung 





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99 D © OO Œ I Où O1 


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Kristensen, Gärungsversuche mit Milzbrandbazillen. 223 


der Gläser oder auf anderen Verhältnissen beruhen, die mit den indi- 
viduellen Unterschieden der Stämme nichts zu tun haben. Gerade beim 
Milzbrand ist es wegen seiner eigentümlichen Wuchsform sehr schwierig, 
ein gleichmäßiges Beimpfen zu erzielen, und in diesem Falle, wo die 
Gläser von einer Bouillonkultur mittels einer Pasteur-Pipette be- 
impft wurden, waren in den Impfmengen sicher beträchtliche Varia- 
tionen vorhanden. 

Die Mehrzahl der Reaktionen, welche, wie das angeführte Beispiel, 
abweichende Verhältnisse gezeigt hatten, wurde deshalb mit sorg- 
faltigerem Beimpfen wiederholt. In der weit überwiegenden Mehr- 
zahl von Fällen wurde nun die „normale“ Reihenfolge gefunden: so 
vergärte nun der Stamm 3 in 19 Std. Saccharose, Maltose aber erst 
in 9 Tagen. Im ganzen deuteten diese wiederholten Versuche an, daß 
die meisten Unregelmäßigkeiten als zufällige betrachtet werden dürften, 
d. h. nicht auf Eigentümlichkeiten der Stämme selbst beruhend. Da- 
gegen dürfen aber die Unterschiede in der Vergärbarkeit der einzelnen 
Zuckerarten als zuverlässig angesehen werden. 

Der ganze Versuch, mit Ausnahme der Reaktionen gegenüber 
Glukose und Trehalose, wurde danach mit halbflüssigem Agar als 
Grundsubstrat wiederholt, indem zu der früher erwähnten Bouillon 
ca. 0,15 Proz. zugesetzt wurde. Die Gläser wurden mittels Impf- 
nadel von einer Agaroberfläche beimpft, und zwar so, daß ein Partikel 
der Kulturmasse in den oberen Teil des Substrates gebracht wurde. 
Diese Methode zeigte sich, wahrscheinlich wegen der mehr aéroben 
Verhältnisse, als für den Milzbrand besonders geeignet, weil die Säure- 
bildung sich bedeutend schneller als in dem flüssigen Substrat ent- 
wickelte. Die Beobachtungszeit betrug hier nur 7 Tage; ihr Resultat 
geht aus der Tab. II hervor. Wir führen hier die Zuckerarten auf, in 
welchen Säurebildung sich einstellte. In den untenstehenden Zucker- 
arten, die alle mit sämtlichen Stämmen probiert wurden, war dies nicht 
der Fall: Erythrit, Adonit, Dulzit, Sorbit, Mannit, Arabinose, Xylose 1), 
Rhamnose, Galaktose, Mannose, Laktose, Raffinose, Inulin und Inosit. 

Werden ebenso wie oben die harmonischen Mittelzahlen für die 
Gärungszeiten berechnet, so erhält man: 1) Saccharose 0,33, 2) Mal- 
tose 0,42, 3) Dextrin 1,05, 4) Stärke 1,2, 5) Glyzerin 1,3, 6) Salizin 
12,7. Lävulose wurde nicht gleichzeitig mit den übrigen Zuckerarten 
untersucht und nach 6 Std. keine Beurteilung vorgenommen; die Zahl 1 
würde deshalb wahrscheinlich zu hoch sein. 

Abgesehen von der starken Abkürzung der Gärungszeiten, findet 
sich somit ganz dieselbe Reihenfolge, wie in dem flüssigen Substrat. 
Die fehlende Fähigkeit der Stärkevergärung bei dem Stamme 1 ist für 
den Versuch im flüssigen resp. halbflüssigen Substrat dieselbe, und 
scheint somit eine Eigentümlichkeit des betreffenden Stammes zu sein. 
Vielleicht handelt es sich um den Verlust eines ursprünglich vorhandenen 
Vergärungsvermögens. 

Die Stämme 4 und 10 wurden später gegenüber Xylose, Stamm 10 
auch gegenüber Mannit untersucht, indem erst auf Agar geimpft wurde, 
um danach in jedem der 3 Fälle 5 Gläser mit flüssigem Substrat zu 
beimpfen. Bei 21tiigiger Beobachtung wurde keine Xylosevergärung 
beim Stamme 4 beobachtet, desgleichen keine Mannitvergiirung beim 
Stamme 10, wogegen der letzterwähnte Stamm nach ca. 10 Tagen in 


1) Rechtsdrehend (I-Xylose nach E. Fischer). 


224 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


3 Xylosegläsern beginnende Säurebildung zeigte. Eines nahm allmählich 
etwas die gelbe Farbe an, ohne aber völlig gelb zu werden, wogegen die 
beiden übrigen gelbgrün bzw. gelblichgrün wurden. Von dem am 
stärksten gelben Glase wurde weiter in 5 Gläser mit halbflüssigem 
Xyloseagar geimpft. Während einer Ttägigen Beobachtung zeigte sich 
nur eine ganz unbeträchtliche Säurebildung, wobei die ursprünglich 
blaugrüne Farbe im obersten Teile der Gläser rein grün wurde. Dies 
kann aber wohl auch in demselben Substrate ohne Zusatz einer ,,Zucker- 
art“ beobachtet werden. 

Außer den erwähnten Abweichungen im Verhalten gegenüber Stärke 
und Xylose würde man durch eingehendere Untersuchung wahrschein- 
lich unter den Stämmen gewisse konstante Unterschiede betreffs der 
Intensität, womit sie die verschiedenen Zuckerarten vergären, fest- 
stellen können. Im ganzen darf man aber sagen, daß das Gärungs- 
vermögen des Milzbrandbazillus ebenso charakteristisch ist: wie die 
(biochemischen, serologischen usw.) Reaktionen, durch welche man 
in anderen Gebieten der Bakteriologie die Bakterien zu kennzeichnen 
sucht, welche zu demselben eng begrenzten Typus (z. B. Typhus oder 
Cholera) gehören. Immer ist aber mit einer gewissen Variabilität des 
einzelnen Stammes und gewissen kleinen Unterschieden unter den 
Stämmen desselben Typus zu rechnen. 


Zusammenfassung. 


Von dem Bacillus anthracis werden die untenstehenden 
Zuckerarten, und zwar immer ohne Gasentwicklung, vergoren: 

Trehalose und Glukose schnell, Saccharose etwas langsamer und 
danach mit abnehmender Intensität Maltose, Lävulose, Dextrin, Stärke, 
Glyzerin und Salizin (inkonstant). Bei 1 der untersuchten Stämme 
war jedoch die Gärungsfähigkeit gegenüber Lävulose ganz schwach; 
einem anderen Stamme fehlte das Gärungsvermögen gegenüber der 
Stärke und bei einem 3. wurde ein schwaches Gärungsvermögen gegen- 
über Xylose beobachtet. Von sehr zweifelhafter Mannitvergärung ab- 
gesehen, wurde übrigens keine Vergärung von Erythrit, Adonit, Arabit, 
Dulzit, Sorbit, Mannit, l-Arabinose, Xylose, Rhamnose, Galaktose, 
Mannose, Laktose, Raffinose, Inulin und Inosit gefunden. Insofern 
nach Versuchen mit 2 Stämmen beurteilt werden kann, werden Melibiose 
und Amygdalin nicht vergoren, Glykogen dagegen in einiger Aus- 
dehnung. 

Für Gärungsversuche mit Milzbrandbazillen ist ein halbflüssiges 
Substrat von näher beschriebener Zusammensetzung besonders geeignet. 


Ganz, Anwendung des Trockenkomplements bei der Wassermann-Reaktion. 225 


Nachdruck verboten. 
Zur Anwendung von Trockenkomplement bei der 
Wassermannschen Reaktion. 


{Aus dem Serobakteriologischen Laboratorium der Universitätsklinik 
für Haut- und Geschlechtskrankheiten in Belgrad (Leiter: Prof. Dr. 
Gj. Gjorgjevic).| 
Von Dr. Peter O. Ganz in Belgrad. 


Die zahlreichen Versuche, das Komplement so zu konservieren, 
daß es wenigstens für einige Wochen annähernd den Ausgangstiter be- 
hält, lassen erkennen, wie wichtig diese Frage für den Praktiker sein 
muß. Als Beispiele der Forscher, die auf diesem Gebiete gearbeitet. 
haben, seien zunächst erwähnt Ottolenghi und Mori, Fried- 
berger, Ito, Sivori, Browning und Mackie, Rhamj, Dold, 
Hammerschmidt u. a. Die Arbeiten aus den ersten beiden Jahr- 
zehnten dieses Jahrhunderts verliefen ohne hinreichenden Erfolg; im 
allgemeinen wurde kaum eine mehr als 14 Tage dauernde Haltbarkeit. 
des konservierten Komplementes erzielt. Auch die Trocknung scheiterte 
bis vor kurzem an unzureichender Technik. 

Erst den Bemühungen von Straub u. Gaede gelang es, durch 
Konstruktion einer zweckmäßigen und für zahlreiche ähnliche Zwecke 
verwertbaren Apparatur ein Trockenkomplement zu gewinnen, das nach 
den Untersuchungen von Königsfeld allen Anforderungen der Praxis 
zu genügen scheint, zum mindesten alle bisherigen Versuche auf diesem 
Gebiet unvergleichlich weit übertrifft. Das Trockenkomplement, welches 
von der Firma „Pharmagans A.-G.“ in Oberursel a. Taunus 
hergestellt wird, ist ein gelbliches, in Wasser leicht lösliches Pulver, 
das in Ampullen abgegeben wird. Um eine dem normalen Meerschwein- 
chenkomplement entsprechende Lösung zu erhalten, wird 1 Gewichtsteil 
des Serumpulvers in 9 Teilen destillierten Wassers gelöst. 

Seit der Arbeit von Königsfeld ist bereits eine Reihe von Ar- 
beiten über das Präparat veröffentlicht worden, so z. B. von Stern u. 
Frank, Schilf, Pöhlmann, Schmitz, Pokornä, Dino Nai, 
Moses; die Mehrzahl der Untersucher konnte über günstige Ergebnisse 
bei Verwendung des Präparates insbesondere zur Wassermannschen 
Reaktion berichten. Da jedoch auch einige abweichende Stimmen laut 
geworden sind, so halte ich mich für berechtigt, meine an einem großen 
Zahlenmaterial gewonnenen Ergebnisse mitzuteilen. 

Es darf jedoch nicht verschwiegen werden, daß gewisse graduelle 
Unterschiede in der Stärke der Reaktionen beobachtet wurden, eine 
Tatsache, die ja auch nach den längst bekannten erheblichen individuellen 
Unterschieden verschiedener Meerschweinchensera ohne weiteres zu er- 
warten waren. 

Im ganzen wurden 10860 Wassermann-Reaktionen mit dem 
Trockenkomplement ausgeführt. Zur Kontrolle wurde jedes Serum ent- 
weder mit frischem Komplement, nach der Original-Wassermann- 
Reaktion geprüft (860 Proben), oder nach den Modifikationen von 
Müller bzw. Tribondeau. In allen 10860 Fällen wurde eine be- 
friedigende Uebereinstimmung mit dem Trockenkomplement erzielt. Wie 
genau diese Uebereinstimmung war, möge die Analyse der 860 Unter- 
suchungen zeigen, die parallel mit dem Trockenkomplement und frischem 
Komplement nach der Original-Wassermann-Methode ausgeführt 

Erste Abt, Orig. Bd 101. Heft 4/5. 15 


236 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


wurden. So reagierten 182 Sera vollkommen übereinstimmend mit beiden 
Komplementen. +++++4+. In 224 Fällen reagierte das Serum mit 
frischem Komplement ++++-++, während mit Trockenkomplement 
nur 19 von diesen gleich stark, 5 dagegen ++++ reagierten. In 
5 Fällen, in denen das frische Komplement die Reaktion -H+ ergab, 
erhielten wir mit Trockenkomplement einmal +-+++, zweimal +. 
und zweimal übereinstimmend mit dem frischen Komplement “++. 
Von 3 Fällen endlich, in denen das frische Komplement + ergab, war 
die Trockenkomplementreaktion zweimal + und einmal +. Diese Dif- 
ferenzen sind jedenfalls konstant, da sie auch bei Wiederholung der 
Untersuchung gleichsinnige Resultate lieferten. Sie sind jedoch so ge- 
ringfügig, daß sie nach unserer Ueberzeugung die Brauchbarkeit des 
neuen Präparates in keiner Weise beeinträchtigen. 

Von technischen Beobachtungen bei der Verwendung des Trocken- 
komplements sei zunächst erwähnt, daß die Lösung des Präparates stets 
eine geringfügige opaleszente Trübung aufweist; dies muß bei der Ab- 
lesung der WaR. beachtet werden. Man hat auch versucht, durch Auf- 
lösung des Serumpulvers in 0O,lproz. NaCl-Lösung eine ganz klare 
Lösung zu erhalten, aber nach meinen Erfahrungen ist der hierdurch 
erzielte Vorteil nicht erheblich, und ich habe daher zur Lösung stets 
doppelt destilliertes Wasser benutzt. 

Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß bei Verwendung des Trocken- 
komplements die Hämolyse rascher verlaufen kann, als mit frischem 
Komplement, und daß es sich daher empfehlen dürfte, die Bestimmung 
der Ambozeptorverdünnung nicht gleich nach der Auflösung des 
Trockenkomplements auszuführen, sondern damit erst einige Zeit zu 
warten. 

Die Dauer der Verwendbarkeit des Trockenkomplements scheint 
recht erheblich zu sein, wenigstens haben wir im März dieses Jahres 
Präparate benutzt, die im Februar des Vorjahres hergestellt, jetzt. 
359, bzw. 369 Tage alt waren, und sich noch als voll verwendungs- 
fähig erwiesen. 

Wir legen Gewicht darauf zu betonen, daß natürlich eine jede Am- 
pulle, bzw. jede zu einem Wassermann-Versuch benutzte Trocken- 
komplementlösung am Tage des Versuchs einer genauen Kontrolle auf 
Hämolyse und Ablenkung in genau der gleichen Weise zu unterwerfen 
ist, wie man es mit jedem frischem Komplement auch tun muß. 

Die einmal hergestellte Lösung des Trockenkomplements verhält 
sich in ihrer Haltbarkeit ziemlich ähnlich wie frisches Komplement. 
Bei einer Aufbewahrungstemperatur von 16° war die Trocken- 
komplementlösung nach 6 Std. noch vollständig gebrauchsfähig, da- 
gegen war die Hämolyse mit einer 12 Std. aufbewahrten Lösung bereits 
geringer und nach 24 Std. so schwach, daß sie zur Reaktion unbrauch- 
bar geworden war. — Anders verhält sich die Lösung bei Aufbewahrung 
im Lisschrank. Hier zeigte sich nach 5 Tagen noch keinerlei Beein- 
trächtigung des Hämolysetiters, nach 7 Tagen nur eine ganz geringe 
Abschwächung, und erst am 10. Tage war die Lösung endgültig un- 
brauchbar geworden. Hierbei sei jedoch bemerkt, daß wir in diesen 
Versuchen nach einiger Zeit der Aufbewahrung eine geringfügige Aus- 
flockung in der Lösung sahen, die jedoch keinen Einfluß auf die hämo- 
lytische Wirkung zu haben schien. 

In der Praxis wird man gut tun, das Präparat sobald zu verwenden, 
wie eine völlige Auflösung des Pulvers, also die Herstellung einer gleich- 


Ganz, Anwendung des Trockenkomplements bei der Wassermann-Reaktion. 227 


mäßigen Lösung gesichert ist, d. h. nach etwa 1/,—1stiind. Stehen. 
Jedenfalls sollte, wenn angängig, der. Inhalt einer Ampulle auf einmal 
aufgelöst werden, da das stark hygroskopische Trockenserum nach 
dem Oeffnen der Ampulle leicht verdirbt; im Notfalle könnte es 
vielleicht für kurze Zeit im Exsikkator oder.nach erneutem Zuschmelzen 
der Ampulle aufbewahrt werden, doch wird man zweckmäßiger von 
solchem Vorgehen absehen. 

Ein großer Vorteil des Trockenkomplements ist durch den geringen 
Raum bedingt, den das Präparat einnimmt. Dadurch ist man in der 
Lage, größere Mengen auf Reisen mitzunehmen und die WaR. unter den 
primitivsten ländlichen Verhältnissen auszuführen. So unternahm im 
Juli 1925 eine Gruppe von Aerzten, unter denen auch ich mich befand, 
unter Leitung von Herrn Prof. Dr. Gjorgevic eine Forschungsreise 
durch Südserbien, zum Zweck der Erforschung der Syphilis in der 
einheimischen Bevölkerung. Der Aufenthalt in den verschiedenen Orten 
dauerte oft nur 1—2 Tage. Durch das Ein- und Auspacken und die 
Beförderung von Ort zu Ort wurde nicht wenig Zeit und Raum be- 
ansprucht. Es braucht nicht betont zu werden, welche Schwierigkeiten 
durch die Mitführung und Pflege der erforderlichen Zahl von Meer- 
schweinchen und durch die Blut- und Serumgewinnung von ihnen be- 
dingt gewesen wären, zumal wir in etwa 30 Tagen etwa 10000 WaR. 
ausführen mußten. Dabei konnte die für alle diese Untersuchungen. 
nötige Menge des Trockenkomplements in einer Schachtel mitgeführt 
werden. i 

Was endlich die wirtschaftliche Frage anbelangt, so dürfte die 
nachfolgende Berechnung interessieren. Unter Zugrundelegung der 
durchschnittlichen Kosten eines Meerschweinchens für die Anschaffung, 
Futter und Wartung, und der durchschnittlich von einem Meerschwein- 
chen zu gewinnenden Blutmenge wurde errechnet, daß die für eine 
WaR. erforderliche Komplementmenge 1—1,5 dinars kostet. Dieser 
Preis entspricht annähernd demjenigen des Trockenkomplements, also 
sind auch in diesem Punkt die beiden Präparate für unsere Verhält- 
nisse gleichwertig. 

Zusammenfassung. 

1) Auf Grund der von uns mit Trockenkomplement ausgeführten 
Untersuchungen von 860 Serumproben auf WaR. wurde festgestellt, 
daß das Trockenkomplement sowohl nach seiner spezifischen Wirkung, 
wie naclı seiner Empfindlichkeit dem frischen Komplement durchaus 
gleichwertig ist. — 2) Der Gebrauch von Trockenkomplement spart 
uns die Zeit, die bei der Gewinnung des frischen Komplements ver- 
loren geht. — 3) Das Trockenkomplement bürgt für eine gleich- 
mäßigere hämolytische Wirkung, da zur Bereitung einer Operations- 
nummer eine weit größere Zahl (mehrere Hundert) von Meerschwein- 
chen punktiert wird, als bei der Gewinnung von frischem Komplement 
der Fall ist. — 4) Der Gebrauch des Trockenkomplements macht 
uns unabhängig von den störenden Epizootien. — 5) Endlich ist es ein 
weiterer Vorteil des Trockenkomplements, daß es auf kleinstem Raum 
mitgeführt werden kann. Dies zeigte sich besonders bei Unter- 
suchungen in einem Wanderlaboratorium, wo die Ausführung einer 


großen Zahl von WaR. unter primitivsten Verhältnissen nur durch die 
15* 


228 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


Verwendung dieses Präparates möglich war. — 6) Kleinen Labo- 
ratorien, denen es schwer fällt, Meerschweinchen zu halten, ist durch 
Verwendung von Trockenkomplement die Ausführung der WaR. auf 
einfachste Weise ermöglicht. — 7) Die Verwendung dieses Präparates 
bringt uns einen Schritt näher zur Lösung der wichtigen Frage nach 
der Standardisierung der Wassermannschen Reaktion. Schon früher 
(ljecnicki Vjesnik Nr. 2, 1926, Zagreb) habe ich auf die großen Vor- 
teile hingewiesen, die bei einer einheitlichen Ausführung der Reaktion 
und bei Verwendung der gleichen staatlich hergestellten Reagenzien er- 
zielt werden würden. 


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Sachs, Handb. d. pathog. Mikroorg. hrsg. v. Kolle u. Wassermann. 2. Aufl. Bd. 2. 1912. 
Jena (Fischer). S. 793. — Ders., Kolloid. Zeitschr. Bd. 26. 1918. H. 4. — Ders. 
u. Omorokow, Zeitschr. f. Immunitätsf. Bd. 11. 1911. H. 6. S. 710. — Ders. 
u. Ternuchi, Berl. klin. Wochenschr. Bd. 44 1907. H. 16, 17, 19. — Scaffidi. 
Bioch. Zeitschr. Bd. 69. 1915. S. 162. — Scimone, Zeitschr. f. Immunitätsf. 
Bd. 36. 1923. S. 443. — Sclavo, Rivista d’Igiene e Sanità Pubblica. 1903. — 
Sivori, Ann. Ist. Maragliano, Bd. 6. 1913. S. 259. Ref. i. Centralbl. f. Bakt. 
Abt. I. Ref. Bd. 58. 1913. 8.396. — Schilf, Ibid. Abt. I. Orig. Bd. 92. 1924. H. 5/6. 
8.438. — Schmitz, K.E.F., Ibid. Bd. 94. 1925. S. 177—185. — Spadolini, Arch. 
di fisiologia. Bd. 12 u. 13. 1914; Bd. 15. 1917. — Stern, Marg.. Dtsch. med. 
Wochenschr. 51. 1925. H. 10. S. 397—398. — Dies., u. Frank, T., Ibid. Bd. 51. 
H. 45. 1925. S. 1858—1859. — Sylber, Chark., Med. Journ. 1923. Nr. 1. — 
Zeißler, Berl. klin. Wochenschr. Bd. 46. 1909. S. 2340. 


Pérékropoff, Sur la question des parasites du type Sergentella. 229 


Nachdruck verboten. 


Sur la question des parasites du type Sergentella. 
Par le Dr. G. I. Pérèkropoff, Kazan, U.R.S.S. 
Avec 2 figures en texte. 


En classant les nombreuses préparations de parasites du sang, 
que j'avais accumulées dans le but d’etudier la dégénération et lin- 
volution des plasmodies du paludisme, j’ai trouvé deux lames de sang, 
dont l’une contenait des parasites que je n'avais jamais observés chez 
mes malades. Ces lames de sang colorées par le procédé Romanovs- 
ky-Giemsa, dataient de 1914 et avaient été prélevées aux malades 
atteints du paludisme. Les deux préparations citées plus haut appar- 
tenaient à la patiente D. N. S., venue de Simbirsk. La malade s'était 
présentée à la Clinique Thérapeutique de la Faculté de Médecine de 
l'Université de Kazan; elle se plaignait de maux de tête, de vertige, 
de malaise, d’elevation périodique de température (sans caractère inter- 
mittent régulier, comme cela s’observe dans le paludisme), d’insomnie, 
d’anemie, fort avancée, de dégoût pour les aliments, de tintements et 
de bourdonnements d'oreilles, d’une légère toux, de douleurs à la poitrine 
et de palpitations de cœur. 


D'après l'anamnesis de la malade, il a été reconnu que D. N. S., âgée de 
27 ans, était russe, la femme d'un petit commerçant; qu'elle était née à Simbirsk 
et qu'elle n'avait jamais quitté sa ville natale jusqu'en 1914. Jusqu'à l'âge 
de 23 ans elle jouissait d'une bonne santé et ce n'est qu'à dater de 1911 qu'elle 
commença à ressentir les premières atteints d’anemie et une prompte lassitude. 
Quelquefois un léger état fiévreux paraissait pour 2—3 jours, rarement 4, 
passait rapidement pour repuraître au bout de quelques temps. Auparavant la 
malade n'y faisait guère attention, attribuant ces malaises soit au refroidissement, 
soit à la fièvre ou à d'autres causes inconnues et non éclaircies. Les accès de 
fièvre étaient accompagnés de maux de tête tenaces qui dans les derniers 18 mois 
revenaient de plus en plus souvent, duraient plusieurs jours et ne cédaient pas au 
traitement appliqué couramment. Pendant cette dernière période (1 an !/,) la 
malade constatait que les bourdonnements et les tintements d'oreilles revenaient 
périodiquement, mais sans régularité, que la vue s’affaiblissait, l'anémie se dé- 
veloppait progressivement et de maux de tête persistants lui revenaient, la nuit 
surtout; l'insomnie et une surexcitation du système nerveux décidèrent la malade 
à consulter un médecin. Celui-ci, supposant le lues, conseilla de faire la réaction 
de Wassermann qui donna le résultat négatif. Après ces données une thérapie 
paludéene fut préscrite, mais ce traitment n'apporta aucun soulagement à la 
malade. Son état ne faisait qu'empirer; l'anémie évoluait, les vertiges étaient 
devenus plus fréquents et plus violents, la marche ou le moindre travail provo- 
quaient la dyspnée, les palpitations de cœur s'étaient augmentées. Concurremment 
les maux de tête devenaient plus fréquents, les accès de fièvre à caractère nette- 
ment déterminé revenaient de plus en plus souvent, simultanément une insomnie 
opiniâtre se développait et les symptômes d'une neurasthénie grave apparaissaient. 

temps en temps une légère démangeaison de la peau se déclarait, plus rarement 
une éruption (du genre de le fièvre ortiée, au dire de la malade) de la peau se 
montrait. Les derniers 6—7 mois la malade ressentait des douleurs dans la poitrine 
accompagnées d'une légère toux sèche (à l'examen microscopique de la glaire, 
fait à plusieurs reprises, aucun bacille Koch n'avait été découvert). 

Jonstations à l'examen de la malade: les glandes lymphatiques sont un peu 
plus volumineuses, consistantes, non soudées l'une à l'autre. Dans les sommets des 
poumons une quantité modérée de râles humides. La rate a augmenté de volume; 
elle est consistante, non douleureuse, déborde de 31/, centim. les côtes. Les foie 
est consistant quelques volumineux, non douleureux à la palpation. Des con- 
stipations. Dans l'urine il y a des traces d’albumine et d’urobiline. 

L'examen du sang donne comme résultat : 

31 Proz. d'hémoglobine, 3,900 leucocytes, 2,340,000 érythrocytes. La formule 
leucocytaire est différenciée au profit de éosinophiles et de mononueléaires. Il 


230 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


N a 20,5 de lymphocytes, 55,7 de polynucléaires, 7,1 de mononucléaires, 0,9 de 
asophiles, 15,8 d'éoisnophiles. On remarquait une sensible diminution d’h&mato- 
blastes sanguins (comme cela se voit dans le paludisme. Aucune modification 
n’a été observée dans les corpuscules rouges du sang à l'exception de 2 exemplaires 
d'érythrocytes à noyau dans 100 champs de microscope. Il n'y avait pas de poly- 
chromatophilie. Je n'ai réussi à découvrir dans le sang de la malade le 
arasite malarique (palud&n). L'image radiographique n'a donné aucun indice sur 
‘état morbide des organes internes. 

L'état volumineux de la rate, la formule leucocytaire du sang et les signes 
anamnestiques ont déterminé le diagnostic probable du paludisme chronique et un 
traitement combiné de quinine, de bleu de méthyléne et d’arsénic fut ordonné. 

J'ai perdu de vue cette malade et ce n'est que 11/,—2 ans après que i'ai 
appris qu'elle était morte d’anémie progressive et de tuberculose pulmonaire. 


Les parasites que j’ai trouvé dans le sang de la malade D. se 
présentaient sous forme d’embryons des vers- filaires, longs de 31 m. 
larges de 1,25 u. Entre l'extrémité obtuse du parasite et la tâche 
foncée de la chromatine, il y avait 12 u, la tâche foncée avait 
3u, d’une masse chromatique à lautre, du même type, 4u et entre 





Fig. 1. 


la 2e masse chromatique et lextrémité pointue des parasites 16 u. 
Le protoplasma des parasites se colorait très bien après le procédé 
Romanovsky- Giemsa en teinte bleu-rose et n’avait pas de cuticule. 

Les parasites du sang de cette malade avaient, comme il vient 
d’etre dit, 2 grands amas de chromatine et de petits grains parsemés 
sur tout le corps. Les masses chromatiques se coloraient parfaitement 
en rouge-carmin, n'étaient pas compactes, mais légèrement floues. Ces 
parasites à contours bien dessiné, ne présentaient aucune saillie ou 
irrégularité sur leurs corps. Si l’on considère l'extrémité obtuse comme 
étant la tête, elle était arrondie et lautre — celle de la queue — se 
terminait en pointe. 

Les sujets plus petits de ce type de parasites du sang avaient 
12 à 14 uu de long sur !/, à 1 micron de large. Ils se présentaient, 
sous forme de formations légèrement fléchies à un bout ou quelque 
peu courbées en demi-lune. L'une des extrémités de ces jeunes parasite, 
était également obtuse, lautre pointue (fig. 2). Au milieu de leur 
corps se trouvait un noyau compact en forme d’un triangle irrégulier, 
à bords légèrement flous, et qui se colorait très bien en rouge carmin. 
Quelques uns de ces parasites (non tous) avaient à l’une des extrémités 


Panayotatou, Sur une ,,Mycose“ isolée de la langue d’un malade. 231 


pointues, a une distance du bord de !/, a 1/4 x, un autre noyau chroma- 
tique qui se colorait 4 peine en rouge sous l’aspect de point. Le proto- 
plasma de ces jeunes parasites se colorait en rose-bleu. 

Dans toute la lame je n’ai trouvé que quelques exemplaires de ce 
genre de parasites vu qu'à cette époque une épaisse goutte n’avait 
pas encore droit de cité) et cela-m’a empêché d’en observer les autres 
ormes. 

Selon les indications du professeur W. L. Yakimoff ces para- 
sites se rattachent au grouppe Sergentella décrit par les frères 
Ed. et Et. Sergent et découvert-par eux en Algérie. 

Ces parasites présentent probablement une nouvelle espèce de Ser- 
gentella, mais je n'ai pas réussi à en déterminer la voie d'infection, 
ni les agents transporteurs. 

Comme ce type de parasites n’a pas encore été mentionné dans 
la littérature médicale, je propose de l'appeler Sergentellayaki- 
movi, du mon de nom très estimé maitre dans l'étude des parasites 
du sang Mr le professeur Dr. W. L. Yakimoff. 


Nachdruck verboten. 


Sur une „Mycose“ isolée de la langue d'un malade. 
„Penicillium linguae (genre Scopulariopsis)“. 


Par Mme le Dr. Angelique Panayotatou (d'Alexandrie). 
Lauréate de l’Institut. Ex-Professeur agrégée de l’Université d'Athènes. 


Avec 6 figures dans le texte. 


Le 27. 10. 25 s'est présenté (amené par sa mère) à la Poly- 
clinique Sanitaire (Kism Karmouz), dirigée par nous, un enfant indi- 
gène, nommé Gaber Mohamed, âgé de deux ans, qui avait la 
langue couverte d'un enduit épais, gros et ride de couleur brune 
foncée. 

La mère venait nous consulter pour cet aspect extraordinaire, 
que la langue de l'enfant présentait depuis 2—3 jours et, qui rendait 
très difficile la déglutition. 

L'aspect du processus pathologique, nous ayant paru intéressant 
surtout au point de vue étiologique, nous avons de suite enlevé un peu 
de l’enduit brunâtre sur du coton stérile, enduit, qui nous servit à 
faire des examens et des cultures. 

Voilà les résultats de notre étude bactériologique ou plutôt para- 
sitologique et plus spécialement mycosique. 


Etude du Champignon. 


En préparation prompte nous avons remarqué plusieurs formes 
ovoides et sphériques rapellant les levures. 


En milieu de culture. - 
La culture sur gélose de Sabouraud se développe vite en 24 heures 
résentant sous l'aspect macroscopique un léger enduit blanc sale d'abord, 
p duvet très fin par endroits. 

Cet enduit s'épaississait de jour en jour et devenait de couleur plus foncée, 
d'un blanc plus sale d'abord, verdâtre ensuite et à la fin brunätre, épais et ridé 
tout à fait ressemblant à l’enduit de la langue du petit malade et très adhérent au 
milieu de culture. 


232 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


L'examen microscopique présente de nombreuses cellules ovalaires 
et du mycélium bien caractéristique (v. fig. No. 1 et 2). 





Fr) 
Fig. 1. Fig. 2. 


Fig. No. 1. Bourgeonnement au pourtour du filament. 
Fig. No. 2. Mycélium à membrane et mycélium sporofore. 


Blastospores sur les tiges du mycélium et isolés Une membrane enveloppe 
chaque cellule, ainsi que les éléments longs du mycélium. 

Les cellules de levure présentent l'aspect soit sphérique soit ovalaire 
et effilé à une extrémité avec 2, 3 et jusqu'à 7 corpuscules réfringents examinées 
sans coloration. Ces cellules primitives se multiplient par bourgeonnement. Le 
parasite se colore par les couleurs d’aniline facilement et prend le gram. 

La culture sur d'autres milieux nous donna les résultats suivants : 


Culture de 24 heures. 

19 Sur gélose macroscopiquement: couche très mince, lisse, de 
blanc sale, — Microscopiquement: de nombreuses formes longues rappelant 
des bactéries épaisses, cependant en quelques endroits unies en longueur ces formes, 
soit disant bactériennes, donnent l'idée du mycélium à peine développé. — 2° Dans 
l'eau peptonée glucosée tournesolée. Macroscopiquement: Aux bords 
on distingue un voile blanc sale, formant presque anneau. Pas de changement de 
la couleur du milieu. — Microscopiquement: des bâtonnets, on dirait des 
bactéries épaisses, c'est selon nous le commencement du mycélium. 

Ils se présentent à un seul élément et même à 2 ou 3 avec des espaces entre 
eux (voir fig. No. 3). 

Les éléments de la culture se colorent 
1 s e > facilement par les couleurs d’aniline et sont 


= gram positifs. Au bout de ces formes 

d bactériennes quelques formes rondes ou ova- 

ji H a l 479 laires, le tout on dirait des branches de plantes 
l 


à boutons (v. fig. No. 4). 
Après 48 les formes ovales (formes le- 


Fig. 3. Fig. 4. vures) sont beaucoup plus nombreuses, gran- 
Fig. 3. Eléments rappelant le com- deur de 3—6 p. Les formes bactériennes 
mencement du mycélium. s'unissent en filet formé par des my- 
Fig. 4. Fonnes. oralas eb mrte: céliums épais, cloisonnés, caractéristi- 
Ruw. ’ ques et assez nombreux. — 3° Dans 
bouillon: Milieu trouble, peu de dépôt, 

voile peu épais blane sale. — 4° Dans 


l'eau peptonnée: pas de trouble, dépôt à peine, voile épais blanc sale. — 
5° Dans l'eau peptonée glucosée tournesolée, milieu pâle décoloré 
(milieu réduit pas acidifié), voile épais, blanc sale. — 6° Dans l'eau peptonée 
lactosée tournesolée, milieu décoloré, voile moins épais, blane sale. — 7° Dans 
l'eau peptonde mannitée tournesolée, milieu décolore, voile épais, blanc 
sale collé au tube, pas de dépôt. — 5° Dans l’eau peptonée au rouge neutre, 
milieu pas décoloré, presque pas de voile, fine collerette. — 9 Sur pomme de 
terre, léger enduit légèrement grisâtre, couche très mince. 

Microscopiquement: tous ces milieux présentent de nombreuses formes 
longues rappelant des bactéries épaisses, par endroits unies en longueur donnant 
l'idée du mycélium, à peine développé. On remarque aussi des mailles du 
mycélium entrelacées en réseau et des cellules ovalaires. (Certains milieux p. ex. 
l'eau peptonée glucosée tournesolée, l'eau peptonée mannitée tournesolée et la pomme 
de terre présentent des cellules ovalaires abondantes (v. fig. No. 5). 

Cette culture microscopiquement sans coloration après plusieurs repiquages 
présente des corps sphériques et ovoïdes à corpuscules transparents parfois 2-7 et, 
du mycélium sporofore. ; 





Panayotatou. Sur une ,,Mycose“ isolée de la langue d’un malade. 233 


Cultures aprés 5 jours. 
Macroscopiquement: à la surface de l'eau peptonée glucosée 
tournesolée: un voile très épais, blanc verdätre, irrégulier, ridé mamelonné re- 
couvre presque toute la surface du liquide. Milieu un peu décoloré, mais pas viré, 
pas de dépôt au fond du tube. — Microscopiquement: les formes bactériennes 
ont disparu, il y a des formes ovales excessivement nombreuses et en amas et 
quelques mycéliums caractéristiques. 


Cultures après 9 jours. 


Macroscopiquement: différents milieux se décolorent sans virer : 
19 Eau peptonée glucosée tournesolée: voile très épais, irrégulier, 


mamelonné. — 2° Eau peptonnée mannitée tournesolée: ride, mame- 
lonné voile, moins épais qu'en glucose. — 3° Eau peptonée lactosée tourne- 
solée: voile bien moins épais. — 4° Sabouraud: couche très épaisse à rides 


irrégulières, duvet léger, blanc sale aux bords. — 5° Bile: pas de voile. — 6° Eau 
peptonée au rouge-neutre: milieu un peu décoloré, voile blanc sale, com- 
parativement mince. — 7° Proca: pas de voile, seulement aux parois du verre 
anneau mince. — 8° Lait: pas coagulé, mais en 
partie absorbé, voile trés épais, gros et ride, gris 
et blanc sale. 





Fig. 5. 
Fig. No. 5 après 3j. dans l’eau p eptonée 
mannitée tournesolée. 


Fig. No. 6. Branches de mycélium blasto- 
phores au sommet et aux pourtours. 





Culture de 18 jours. 

1° Eau peptonée glucosée tournesolée: formes ovoïdes nombreuses en 
chapelets et en amas, quelques mycéliums peu développés. — 2° Eau peptonée 
mannitée tournesolée: Décoloration complète, pas de virage, voile ridé, épais, 
gros, blanc sale de 1 cm. d'épaisseur surnageant à la surface du liquide. Dans 
tous les milieux formes ovales bien développées, quelques mycéliums. — 3° Eau 
peptonée lactosée tournesolée: voile comparativement mince, gris sale, 
non ride, milieu décoloré. Microscopiquement: peu de mycéliums contenant 
quelques corps sphériques de petites dimensions ressemblant à des spores. — 40 Eau 
peptonée au rouge-neutre: voile comparativement mince, brun sale, non 
ride, milieu décoloré. Microscopiquement: formes petites ovoïdes et mycélium 
abondant. — 50 Milieu Proca: pas de voile. Microscopiquement: du 
mycélium fin, on dirait des bactéries enveloppées d'une capsule, quelques éléments 
ovoïdes petits. — «+60 Bile: pas de voile, culture très pauvre. Micrascopique- 
ment: du mycélium très peu abondant, contenant des formes ovoïdes plus grandes 
et petites, ressemblant à des spores. — 70 Lait: voile excessivement épais (3 cm 
d'épais) ridé, vert, au fond peu de lait concentré, on dirait coagulé. Le voile 
s'est propagé en couche épaisse de la surface en profondeur. Mycélium abondant, 
mince, formes ovoides petites et déformées en amas encapsulés. — 8° Sabouraud: 
couche très épaisse, ridée, brune à duvet. Microscopiquement: les formes 
ovales enveloppées d'une capsule. 


Culture de 20 jours. 

L'examen microscopique du duvet de la culture de vingt jours, 
après plusieurs repiquages présentait l'aspect suivant: Mycélium très SR St 
à cloisons et hyphes, bourgeonnement de cellules ovalaires (v. fig. No. 6). 
Les cellules des différentes cultures forment parfois de courts chapelets. Les 


234 ‘Centralbl. f. Bakt etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


milieux les plus favorables sont & base de glucose et de mannite. Temp. optima 
250—350, 

Cette mycose ne liquéfie pas le sérum. — Ne coagule pas le lait: 
se développe très bien sur milieu neutre ou ‘légèrement alcalin. Dans milieu 
acide la culture est pauvre et tardive, à duvet blanc abondant les premiers jours- 

Après 40 jours de culture. 


Le lait: tout à fait absorbé par la mycose, qui forme un tissu très ridé, très 
lissé, de couleur grise-brune. — Sabouraud: couche épaisse, ridée, brune. — 
au peptonée glucosée tournesolée: couche brune épaisse, ridée en- 

vahissant le tube vers le bas, ayant absorbé le liquide, presque pas de liquide. 


Expériences biologiques. 


Sur Cobaye: Injection sous-muqueuse de la langue ne 
provoque pas de maladie. Pas même le frottis avec des parcelles de la 
culture mycosique sur la muqueuse de la langue après scari- 
fication. — L’injection intrapéritonéale d’une culture (4 c.c.) 
dans leau peptonéé glucosée, culture de 5 jours, fut sans effet sur 
le cobaye. — Sur un petit rat: l'injection sous cutanée à la base 
de la queue avec culture dans leau peptonée mannitée le 6. 4. 26 
provoqua la mort en quelques heures. — A l'autopsie les organes 
sont hypérémiés. Rien d’autre à signaler. Les frottis d'organes 
n'ont pas décélé de parasites. Mais la culture de sang du cœur 
pris aseptiquement après ensemencement sur milieu Sabouraud et 
eau peptonée mannitée tournesolée donna une culture pure 
après 3 jours du „Penicillium linguae (genre scopulariopsis)“ 
isolé de la mycose linguale. 


Conclusions. 


Il nous est pas permis d'identifier notre mycose an Crypto- 
coccus linguae pilosae de Lucet, car ce Cryptococcus ne 
présente pas de mycélium, tandis que le mycélium de notre 
champignon est très caractéristique. 

D’ailleurs, notre parasite ne provoque pas la fermentation 
des sucres et n’acidifie pas les milieux, dans lesquels on le cultive, 
ainsi, que cela est observé avec le Cryptococcus linguae pilo- 
saet). 

L’injection sous-cutanée au petit rat provoque une septicémie 
rapide et la mort en quelques heures. Pas de cachexie par 
formation d’abcés. Ce pouvoir pathogène envers les animaux n’est 
pas noté pour les autres espèces voisines: scopulariopsis Bainier, 
Brévicaulis etc. lesquelles se cultivent aussi dans les milieux 
artificiels; microscopiquement d'ailleurs les filaments mycéliens, 
ainsi que les conidies de notre „Penicillium“ présentent l'aspect 
bien different à celui de (scopulariopsis Brevicaulis var. Hom.) 
de notre prof. Brumpt et Lang eron. 

Ces remarques exposées nous croyons avoir le droit de supposer 
quil s’agit d’une espèce de Penicillium (scopul.), — ainsi que notre 
prof. Dr. Langeron l’a caractérisée, — espèce cependant pas décrite 
jusqu’ aujourd’hui et jamais, que nous sachions, isolée d’une affection 


Panayotatou, Sur une ,,Mycose“ isolée de la langue d’un malade. 235 


linguale. C’est une espèce de — „Glossomyces“ ou „Penicillium 
linguae“ (genre Scopulariopsis) Panayotatou — 1926. 


Nous devons noter aussi, que depuis tant d’années, que nous 
exercons en Egypte, malgre les milliers d’enfants, que nous avons eu 
l'occasion de soigner surtout aux ,,Polycliniques sanitaires 
des femmes et enfants‘, que nous avons l'honneur de diriger depuis 
quelques années, nous n’avions jamais rencontré un cas pareil. 

Cependant il y a trois ans nous avions eu l’occasion d’isoler de la 
sève d’un arbre de la classe des „Urticinae“ famille „Moraceae“ 
genre „ficus“ de l’espece „Ficus nitida“ une levure ressemblante 
au point de vue cultures et aspect morphologique au Glosso- 
myces d’aujourd’hui et nous croyons pouvoir supposer, que peut-étre 
notre malade, suivant l’habitude des enfants indigénes de basse classe, 
a mettre tout dans la bouche s’était infecté avec une branche de cet 
arbre, branche de méme infectée. 

Malheureusement l’enfant depuis n’a plus paru a la clinique; la 
mére ayant donné une adresse fausse nous n’avons pas pu trouver leur 
habitation de sorte, que nous ne connaissons pas le sort du petit malade. 


Notre savant Professeur Brumpt dans son „Precis de Parasito- 
logie“ s'exprime avec les termes suivants -concernant les mycoses 
fréquentes dans la nature ambiante, qui peuvent être trouvées comme 
parasites fortuits chez l’homme. 

Après avoir cité quelques unes il écrit. „Il serait facile de multiplier 
les exemples de ces levures pathogenes, mais ceux, que nous avons 
cites suffisent, pour montrer le grand nombre de Cryptogames 
saprophytes capables de s’adapter à l’organisme humain et ils nous 
permettent de croire, qu’il en reste encore beaucoup à découvrir“. 

Nous voulons espérer, que nous avons ajouté par notre observation 
ci-dessus une nouvelle espéce au grand nombre déja connu et cité par 
le savant Professeur. 

Quant à ce qui concerne les „Penicilliums“ il s’exprime ainsi. 
„Les Penicilliums sont abondants dans la nature où ils vivent en 
saprophytes; dans des cas tout a fait exceptionnels ils 
peuvent devenir pathogenes. 

Notre cas doit être considéré comme un de. ces cas ex- 
ceptionnels, surtout parce que sa localisation sur la langue, d’apres 
ce que nous connaissons, n’a pas été encore notée par personne, parmi 
les savants investigateurs des laboratoires. 


1) Brumpt, Parasitologie. Paris (Masson) 1922. p. 1440. 


236 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


Nachdruck verboten. 
Die Frage der Verwendung des Lop als Des- 
infektionsmittel an Stelle von Aethylalkohol, 


[Aus dem Preußischen Hygienischen Institut Landsberg a. W. 
(Dir.: Prof. Hilgermann).] 


Von Dr. Heinz Spranger, Assistent am Institut. 


Der ehedem niedrige Preis des Aethyalkohols ließ die Frage der 
desinfizierenden Kraft der übrigen Alkohole der aliphatischen Reihe 
als eine rein akademische, für die Praxis bedeutungslose erscheinen. 
Da der Alkohol auch heute noch in der großen Reihe von brauchbaren 
Desinfektionsmitteln seinen Platz in der chirurgischen Technik be- 
hauptet, er aber infolge der Steuermaßnahmen eine so außerordntliche 
Verteuerung erfahren hat, sind billigere Ersatzmittel des reinen Aethyl- 
alkohols nunmehr von großer praktischer Bedeutung. Man wird aller- 
dings von einem derartigen Ersatzmittel neben dem gleichen keimtötenden 
Wert dieselben angenehmen Eigenschaften in Bezug auf Fettlösungs- 
vermögen, Aussehen, Geruch etc. fordern müssen, die dem reinen 
Athylalkohol eigen sind. 

Bei der Durchsicht der anderen Alkohole der aliphatischen Reihe 
in Bezug auf ihre Brauchbarkeit als Ersatzmittel des Aethylalkohols 
schaltet Methylalkohol wegen seiner Giftigkeit aus. Bei der Aus- 
wahl unter den höher molekularen Alkoholen sind wir durch die Tat- 
sache beschränkt, daß nur die niedrigen aliphatischen Alkohole be- 
wegliche, leicht mit Wasser mischbare Flüssigkeiten sind. Es käme 
also nur der Propylalkohol und eventuell der Butylalkohol in Frage. 
Der Amylalkohol ist schon wegen seines unangenehmen Geruches 
ungeeignet. 

Die Desinfektionswirkung der niederen aliphatischen Alkohole ist 
bereits mehrfach untersucht. Die Arbeiten von Buchner, Fuchs 
und Megele (3), Christiansen (4), Kisch (6), Wirgin (10) 
lassen erkennen, daß die keimtötende Kraft der Alkohole sogar mit. 
der Molekulargröße steigt, so daß man im allgemeinen feststellen kann, 
daß die niederen aliphatischen Alkohole, nach ihrer bakteriziden Kraft 
geordnet, dieselbe Skala bilden, wie ihrer molekularen Konstitution 
entspricht: Butyl- (am stärksten), Propyl-, Aethyl-, Methylalkohol (am 
schwächsten), wobei die isomeren Alkohole (z. B. Normalpropyl- 
alkohol und Isopropylalkohol) unter sich gleichwertig erscheinen (Wir- 
gin). Für den Isopropylalkohol bestätigt auch Bernhardt (2) diese 
Ergebnisse. 

Die Preise für jene höher molekularen Alkohole sind im all- 
gemeinen nicht niedriger, als die für den Aethylalkohol (z. B. Propyl- 
alkohol Kahlbaum 7 u. 6 M. Isopropylalkohol Kahlbaum rein 
10 M., techn. 4 M.). 

Billige Ersatzmittel des reinen Aethylalkohols stehen uns jedoch 
durch Vergällung des Aethylalkohols selbst zur Verfügung. Dabei 
ist allerdings zu beachten, daß einige der amtlich zugelassenen Ver- 
gällungsmittel zu für die Händedesinfektion ungeeigneten Produkten 
führen. So wird man den mit Pyridin versetzten Brennspiritus wegen 
seines unangenehmen Geruches nicht als ein brauchbares Ersatzmittel 
des reinen Aethylalkohols bezeichnen können. Derselbe wird denn 


Spranger, Verwendung des Isopropylalkohols als Desinfektionsmittel usw. 237 


auch von chirurgischer Seite mit Recht als Händedesinfektionsmittel 
perhorresziert. Dagegen stellt der mit Holzgeist vergällte Branntwein 
einen brauchbaren Ersatz dar, da er sehr billig ist (35 Pfg. pro L) 
und geruchlich nicht belästigend wirkt. 

Liegt bei dieser Sachlage überhaupt noch das Bedürnis vor, nach 
weiteren Ersatzmitteln des reinen Aethylalkohols zu suchen? 

Neuerdings wird nämlich ein relativ billiger Isopropylalkohol (ca. 
2 M. pro L) propagiert (11), der diese Frage akut werden läßt. 
Es schien uns der Nachprüfung wert, denselben auf seine Desinfek- 
tionskraft zu untersuchen, um festzustellen, ob er praktisch die Er- 
wartungen erfüllen würde, die man nach den oben angeführten Unter- 
suchungen theoretisch an einen sekundären Propylalkohol stellen darf, 
sowie um festzustellen, ob er besondere Vorzüge gegenüber den 
sonstigen vorgenannten Ersatzmitteln des reinen Aethylalkohols bietet, 
die etwa seine Einführung berechtigt erscheinen lassen könnten. 

Es wurde sein bakterizides und entwicklungshemmendes Vermögen 
geprüft gegenüber Bacterium coli, B. paratyphi, B. Staphylo- 
coccus pyogenes aureus, Milzbrandsporen und gegenüber den 
Hautsaprophyten der ‚Tageshand‘. Parallelversuche mit Aethylalkohol 
unter den gleichen Bedingungen dienten zur Kontrolle. 

Bei den Versuchen in vitro zeigte es sich, daß dieser Isopropyl- 
alkohol bei den Versuchsreihen, die in den verschiedensten Konzen- 
trationen mit Bact. coli, paratyphi und Staphyloc. aureus 
angesetzt wurden, verhältnismäßig stärker desinfizierte als Aethyl- 
alkohol. Ausgedehnte Versuchsreihen, die dahin zielten, die Wirkungs- 
kurven nach der Methode von Reichel (7) aufzustellen zur Berechnung 
der optimalen Konzentrationen für bestimmte zeitliche Leistungen, 
ergaben interessante Diagramme: So stellen die Wirkungskurven des 
Isopropylalkohols und des Aethylalkohols auf B. coli 2 hyperboloide 
Kurven von fast genau parallelem Verlauf dar, bei denen die Kurve des 
Aethylalkohols infolge der geringeren desinfizierenden Kraft desselben 
in die Kurve des Isopropylalkohols eingeschachtelt erscheint (bei Ein- 
tragung der Konzentrationsgrade und der Abtötungszeiten auf Ordinate 
bzw. Abszisse). Deutlich tritt auch hier beim Isoprophylalkohol das 
vom Aethylalkohol her bekannte Nachlassen der bakteriziden Kraft 
in den sehr hohen Konzentrationsgraden hervor. Das Optimum der 
keimtötenden Wirkung lag beim Isopropylalkohol bereits bei 40 bis 
50 Proz., beim Aethylalkohol dagegen erst bei 60 Proz. Im folgenden 
einige Beispiele aus den Versuchsreihen: 

Abtötung angetrockneter Colikeime: 

durch 20 Proz. Isopropylalkohol in 10 Min. 


» 20 ,, Aethylalkohol » 15 i 
„ 40 „ Isopropylalkohol „ !}, is 
„ 40 ,„ Aethylalkohol a, a 5 
» 90 „ lsopropylalkohol „ 2 5 
e: i S Aeth ohol , 75 „ 


Abtötungsoptimum im Durchschnitt sämtlicher mit verschiedenen 
Colistämmen angestellter Versuche, unter Berücksichtigung von Ab- 
tötungszeit und Konzentration : 


FR rer 40 und 50 Proz.: SAMa in !/, Min. 
Aethylalkohol :60 Proz. = ick Ye es 


Bei den mit Paratyphus B-Bazillen BEN Abtötungsversuchen 
in vitro waren die Ergebnisse ähnlich. Mit Staphyloc. aureus — 


238 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


trockenen und feuchten Keimen, Mischkulturen von virulenten Stämmen 
— fielen die Versuche nicht so eindeutig aus. Obwohl sich auch hier 
manchmal eine Ueberlegenheit des Isopropylalkohols zeigte, kann man 
als Resultat der Gesamtversuche nur feststellen, daß sich der Iso- 
propylalkohol in Bezug auf seine Wirkung auf Staphylokokken dem 
Aethylalkohol im allgemeinen gleichwertig, in keiner Weise jedoch 
etwa unterlegen erwies. 

Milzbrandsporen zeigten sich gegen Isopropyl- und gegen Aethyl- 
alkohol in gleicher Weise gänzlich refraktär! Selbst nach Swéchigem 
Liegen in 30, 50, 70 und 100proz. Isopropyl- und Aethylalkohol bei 
Zimmertemperatur keimten die in der üblichen Weise an Seidenfäden 
angetrockneten Sporen (von 3 Min. Resistenz gegen strömenden Wasser- 
dampf) in Bouillon aus (5). Schon Koch (9) hatte ja die Unwirk- 
samkeit des Aethylalkohols gegenüber Milzbrandsporen nachgewiesen. 
Saul (8) hatte dann gezeigt, daß sogar siedende aliphatische Alkohole 
nicht fähig sind, Milzbrandsporen abzutöten. Erst Wasserbeimengung 
gibt den siedenden Alkoholen keimtötende Kraft, und zwar dürfte die 
von Saul festgestellte Tatsache, daß die bakterizide Kraft der siedenden 
Alkohole mit dem Wassergehalt steigt und bei dem kleinsten Alkohol- 
prozengehalt am größten war, lediglich darauf hindeuten, daß nicht 
der betreffende siedende Alkohol, sondern das siedende Wasser in diesen 
Fällen die Keimtötung bewirkte. 

Auch die von den Händen mehrerer Versuchspersonen und aus 
Nagelfälzen dieser Tageshände gezüchteten Hautsaprophyten zeigten 
in vitro gegenüber dem Isopropylalkohol und dem Aethylalkohol eine 
recht zähe Resistenz: auch nach 11/?stünd. Einwirkung von 40, 
60 und SOproz. Isopropyl- und Aethylalkohol waren die aus Kokken 
und grampositiven und gramnegativen Stäbchen bestehenden Bakterien- 
gemische noch nicht gänzlich abgetötet. 

Um die durch den Isopropylalkohol bewirkte Entwicklungshemmung 
zu untersuchen, wurde die von Bechhold und Ehrlich (1) an- 
gegebene Prüfungsmethode für den Eintritt der Entwicklungshemmung 
benutzt (Beimpfung von mit dem Desinfiziens in verschiedenen Konzen- 
trationen versetzten Bouillonröhrchen). Bei diesen Versuchen erwies 
sich der Isopropylalkohol dem Aethylalkohol ebenbürtig in Bezug auf 
entwicklungshemmendes Vermögen. In vereinzelten Fällen zeigte er in 
vitro bereits Entwicklungshemmung bei geringerer Konzentration als 
der Aethylalkohol, z. B. in einigen Versuchen mit Bact. coli. Bei 
Staphylokokkengemischen trat die Entwicklungshemmung in 6proz. Iso- 
propylalkohollösung ein, bei Coli in, 4proz., desgleichen bei Para- 
typhus B. 

Nach den bei den Versuchen in vitro gemachten Erfahrungen 
konnte man von vornherein erwarten, daß sich der Isopropylalkohol auch 
bei der praktischen Verwendung zur Händedesinfektion als vollwertiger 
Ersatz des Aethylalkohols erweisen würde. Die verschiedenen Versuchs- 
reihen, die an den mit Hautsaprophyten reichlich verunreinigten Tages- 
händen mehrerer Versuchspersonen und an mit Bacterium coli 
künstlich infizierten Händen angestellt wurden, zeigten eine Gleich- 
wertigkeit beider Alkohole. Es wurden 22 Händedesinfektionsversuche 
angestellt mit beiden Alkoholen. Dabei wurden die Alkohole ent- 
sprechend den durch die Versuche in vitro erwiesenen Konzentrations- 
optima in 40, 50 und 60proz. Verdünnung angewendet. Die Versuchs- 
anordnung entsprach insofern der Technik der Händedesinfektion in 


Spranger, Verwendung des Isopropylalkohols als Desinfektionsmittel usw. 239 


der chirurgischen Praxis, als der in einer Schale befindliche Alkohol 
mittels Mull nach Bedarf auf die vorher nicht gewaschenen Hände 
aufgetragen und dieselben 5 Min. lang mit ihm bearbeitet wurden. 
Diese Versuche erwiesen die Ebenbürtigkeit beider Alkohole, indem 
mit beiden an der Tageshand sehr starken Keimreduktion (beim Iso- 
propylalkohol z. B. von 3960 auf 5 Keime, von 2145 auf 1 Keim) 
und zum Teil völlige Entkeimung zu erzielen war. Die Versuche an 
künstlich infizierten Händen fielen noch günstiger aus, indem beide 
Alkohole in 85 Proz. völlige Keimfreimachung ergeben. Die Wirkungs- 
weise der oben genannten verschiedenen Konzentrationen ließ bei diesen 
praktischen Versuchen keine wesentlichen Unterschiede erkennen. 
Nach dem Ergebnis vorbeschriebener Versuche darf man den unter- 
suchten Isopropylalkohol als ein brauchbares, dem Aethylalkohol eben- 
bürtiges Desinfektionsmittel bezeichnen. Ob er allerdings imstande 
sein wird, sich in der Desinfektionstechnik einzubürgern, ist eine andere 
Frage, da uns durch Vergällung des Aethylalkohols bereits genügend 
brauchbare billige Ersatzmittel des reinen Acthylalkohols zur Verfügung 
stehen, denen gegenüber jener Isopropylalkohol keine nachweisbaren 
Vorzüge besitzt. Im Gegenteil ist der mit Holzgeist vergällte Aethyl- 
alkohol ja sogar ganz erheblich billiger als der Isopropylalkohol. 


Zusammenfassung: 

Die Prüfung der Desinfektionswirkung eines als besonders preis- 
wert propagierten Isopropylalkohols im Vergleich mit Aethylalkohol 
mittels Hemmungsversuchen und Abtötungsversuchen mit feuchten 
und trockenen Keimen in vitro, an der mit Saprophyten ver- 
unreinigten Tageshand und an künstlich infizierten Händen ergab 
völlige Gleichwertigkeit des Isopropylalkohols und des Acthylalkohols 
in Bezug auf die bakterizide Kraft, bei den Versuchen in vitro sogar 
eine gewisse Ueberlegenheit des Isopropylalkohols. 

Ein Bedürfnis zur Einführung dieses Isopropylalkohols in die 
Desinfektionstechnik dürfte jedoch kaum vorhanden sein, da wir in 
dem wesentlich billigeren mit Holzgeist vergällten Aethylalkohol ein 
brauchbares Ersatzmittel des reinen Aethylalkohols besitzen. 


Literature. 


1) Bechhold u. Ehrlich in Croner, Lehrb. d. Desinf. 1913. — 
2) Bernhardt, Ueber Isopropylalkohol als Mittel zur Händedesinfektion. (Deutsch. 
med. Wochenschr. 1922. Nr. 2. — 3) Buchner, Fuchs u. Megele, Arch. 
t. Hyg. Bd. 40. S. 149. — 4) Christiansen, Z. phol. Ch. 102. 275. 1918. — 
5) Hilgermann u. Marmann, Arch. f. Hyg. Bd. 79. H. 4/5. — 6) Kisch, 
Biochem. Zeitschr. Bd. 40. 1912. S. 153. — 7) Reichel, in Kraus-Uhlen- 
huth, Handb. d. mikrobiolog. Techn. Bd. 1. S. 437. — 8) Saul, Ueber die 
Desinfektionsenergie siedender Alkohole. (Arch. f. klin. Chir. Bd. 56. S. 686. — 
9) cf. Weyls Handb. d. Hyg. Bd. 8. S. 1085. — 10) Wirgin, Vergleichende 
Untersuchungen über die keimtötenden und PTE ET PA Jen Wirkungen von 
Alkoholen der Methyl-, Aethyl-, Propyl-, Butyl- und Amylreihe. (Zeitschr. f. Hyg. 
Bd. 46. 1904. S. 149. — 11) E. Reichmann, Berlin NW. 


240 Centralbl. f. Bakt. ete. T. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


Nachdruck verboten. 


Recherches sur la physiologie des globules blancs. 
Cytodiagnostic et son application en clinique. 


Par Prof. A. Alexeieff (Tachkent). 
Avec 17 figures dans le texte et 4 planches. 


Table des matiéres. 


page 
Préface . . A re Be seu pire Re ee A ZA 
I. Plasmophages REN Pa DAT er Dach AA SEE 

II. Monophages et histiophages ahs RAS E Kop “Gt, 6a FS MEN LEE SN AM 2 200 
III. Rôle physiologique des lymphocytes ST En ee Le WS. a he OH) vn DE 
IV. Physiologie des neutrophiles . . ras Re Tr a Somes a a 
V. Théorie de la digestion au second degré . er vit GMM, 209 
VI. Sur le rôle du mésenchyme . . EEE NE SCOR 
VII. Principes généraux du eytodiagnostie . . . . . . . . . . . . . 266 
VIII. Py ir a EN a 2, Ge er L we Lire SLD 
TX. Explication des planches N 3 : 276 


Comme on le voit déjà d’apres is titre ce He est composé er 
deux parties qui ont une valeur autonome telle qu’elles pourraient étre 
publiées isolément. Cependant, d’une part la découverte de certains 
faits hématologiques nouveaux est sortie des recherches sur le cyto- 
diagnostic, et d’autre part le cytodiagnostic gagne en profondeur quand 
on sait à quoi servent les divers éléments cellulaires qui se trouvent 
dans les épanchements pathologiques. Cela revient a dire qu’en fin de 
compte la liaison entre ces deux parties n’est pas artificielle et fortuite 
et qu'il vaut mieux les traiter ensemble dans un même mémoire. De 
cette façon j’eviterai les répétitions et les références que j'aurais dû 
faire à chaque pas, si j'avais décidé de publier ces deux mémoires 
séparément. 

Depuis assez longtemps les hématologues cherchent à élucider le 
rôle des diverses catégories des globules blancs, et cependant, p. ex. 
sur les fonctions des cellules plasmatiques on ne sait à peu près rien. 
Ainsi Maximoff (1918) dans son beau traité d’Histologie dit à ce 
propos (p. 192): „On ne sait rien sur la fonction des cellules plasma- 
tiques. Comme elles se trouvent surtout en grand nombre dans le tissu 
conjonctif dans certaines formes d’inflammation chronique, là où sont 
détruits de nombreux éléments tissulaires, on suppose que les cellules 
plasmatiques ont pour rôle principal d’eloigner et de décomposer selon 
le mode intracellulaire ces produits de la nécrose des tissus (Schaf- 
fer). Même en ce qui concerne le groupe si important de lympho- 
cytes, en dehors de ce qu'ils renferment la lipase et à cause de cela 
jouent un rôle important dans la défense de l'organisme contre les 
bacilles acido-résistants avec leur enveloppe cireuse, on ne sait pas à 
quoi servent ces éléments. 

L’insucces des recherches dans cette direction tient tout d’abord 
à ce que la technique employée (celle des frottis désséchés) est fon- 
cièrement défectueuse; cette technique donne encore des résultats 
assez bons et constants tant qu'il s'agit du sang, mais quand 
on traite de la même façon p. ex. le culot d'un exsudat pleuritique, les 


Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blancs ete. 241 


résultats sont désastreux — les éléments cellulaires éclatent presque 
toujours. D'autre part les hématologues ont tort de s'acharner à re- 
chercher la solution des problèmes hématologiques dans le sang même 
en oubliant que celui-ci ne représente qu'un moyen de transport et que 
les processus les plus importants et les plus intéressants se passent 
dans les organes hémopoiétiques et surtout dans le tissu conjonctif à 
l’état d’inflammation. C’est précisément dans les foyers d’inflammation, 
dans la zone où a lieu le combat entre l'organisme et le microbe enva- 
hisseur que lon peut déceler la vraie personnalité de certains éléments 
du sang. Maximoff et ses élèves (Samsonoff [1908], Solouha 
[1908], Babkine [1910]) avaient déjà suivi cette voie et beaucoup de 
données nouvelles en ont été le résultat. 

Il m'a été donné d'établir par les observations de ce genre quelques 
faits absolument nouveaux; ces faits seront exposés dans les premiers 
chapitres de ce mémoire. De plus, comme la connaissance du rôle 
physiologique que jouent les amibocytes du sang et des tissus touche 
de près aux problèmes généraux tels que p. ex. l’immunite, je n'ai pas 
pu passer à côté de ces questions si importantes; de là sont sortis les 
ar a sur la théorie du mésenchyme et sur la digestion au second 

egré 

La technique dont je me suis servi peut être résumée de la façon 
suivante: fixation au sublimé alcool-acétique1), coloration à l’hémato- 
xyline de Delafield-éosine, ou bien à l’hématoxyline ferrique de 
Heidenhain; ce dernier colorant du reste n’a présenté pour les pyo- 
grammes aucun avantage sur l’hématoxyline de Delafield. 


I. Plasmophages (pl. I et fig. I—V dans le texte). 


On pouvait prévoir que le terme de Metchnikoff ,,macro- 
phages“ ne représente pas une entité morphologique bien nette, mais 
contrairement aux microphages qui, eux, correspondent strictement 
aux neutrophiles, embrasse plusieurs catégories distinctes. Et en effet, 
ayant etudie le pus d’origine differente j’ai été amené a distinguer 
les trois catégories suivantes: 1) plasmophages, 2) monophages 
et 3) histiophages. 

Les macrophages que l’on rencontre le plus souvent, ce sont les 
monophages. Cependant la catégorie la plus intéressante, en ce sens 
que son étude permet d’élucider le röle des cellules plasmatiques, est 
sans conteste représentée par les plasmophages et c’est par la descrip- 
tion de ces éléments que Je commenceral ce mémoire. 

De parti pris je serai trés sobre en indications bibliographiques en 
me limitant aux references les plus indispensables. D’ailleurs, quand 
il s’agit des macrophages et d’une facon plus générale des questions 
de la phagocytose, un seul nom est surtout à citer, c'est celui du savant 
dont le livre ,,Immunité dans les maladies infectieuses‘ (1903) peut 
être lu encore aujourd'hui avec profit. 

La question des plasmophages est intimement liée au développement 
de nos connaissances sur la cytologie du pus des ulcérations intestinales 
dans la dysenterie. John Anderson (1921) — l’auteur qui a le plus 
contribué a etablir la possibilité du cytodiagnostic entre la dysenterie 


1) Liqueur de Lehnossek — 75 parties de la solution aqueuse saturée du sub- 
limé corrosif, 25 parties d’aleool absolu, 5 parties d’acide acétique glacial. 


Erste Abt. Orig. Bd. 101. Heft 4/5. 16 


242 Centralbl. f. Bakt ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


bacillaire et amibienne nie (et en cela il a grandement tort comme 
nous allons le voir) la presence des macrophages dans les selles de 
la dysenterie amibienne. 


Du reste avant cet auteur divers protistologues (en particulier 
Wenyon) avaient déjà noté qu’il existe certaines différences entre la 
constitution du pus dans les deux formes de la dysenterie. Tantôt on 
disait d’une façon peu précise que dans la dysenterie bacillaire on trou- 
vait presque exclusivement des neutrophiles, tandis que dans la dysen- 
terie amibienne l'élément dominant était représenté par les cellules épi- 
théliales de l'intestin, ce qui s’expliquait par l’action mécanique de 
l’Amibe qui pénétrait entre les cellules de l’epithelium intestinal et le 
minait. D'autre part, nombre d'auteurs parlent d’une éosinophilie 
massive dans le pus de la dysenterie amibienne. 

Les choses en étaient là lorsqu’en 1921 a paru le travail de John 
Anderson où cet auteur a bien insisté sur la possibilité de faire le 
diagnostic entre les dysenteries bacillaire et amibienne d’après la con- 
stitution du pus, la diagnose bactériologique venant seulement pour con- 
firmer la diagnose posée de cette façon. 


D'après cet auteur dans la dysenterie bacillaire les neutrophiles con- 
stituent 90 0/,, les macrophages — environ 3 9/9, quelques rares éosino- 
philes, pas de ,,cellules pyenotiques“; dans la dysenterie amibienne — 
les neutrophiles — 7,50/,, les éosinophiles — environ 2,50/,, pas de 
macrophages, les „cellules pycenotiques“ — 830/;. 

Tout cela est à peu près exact sauf l’affirmation que dans la dysen- 
terie amibienne les macrophages manquent: en realite ils s’y retrouvent 
avec la méme fréquence relative (car le pus est ici d’une facon 
generale plus pauvre en éléments cellulaires que dans la dysenterie ba- 
cillaire) et dans les deux cas on les rencontre souvent disposes en amas 
plus ou moins considérables. D’autre part j’ai montré que les ,.cellules 
pyenotiques“ de J. Anderson sont en réalité de petits lymphocytes. 

On sait que dans la muqueuse intestinale méme normale il y a des 
plasmocytes (= cellules plasmatiques). On.peut trouver à ce sujet 
des renseignements tres précis dans la these de Samsonoff 
(1908) sortie du Laboratoire du prof. Maximoff et portant le titre 
„Elements mobiles de la muqueuse intestinale des Mammiferes“. Cet 
auteur décrit les cellules plasmatiques de l’intestin et rappelle que ton- 
trairement à l'opinion d’Unna qui considérait la présence de ces élé- 
ments comme signe d'un état pathologique, nombre d'auteurs (Hodara, 
Pappenheim, Dominici, Maximoff et autres) ont montré que 
les plasmocytes se trouvent dans le tissu conjonctif — et tout parti- 
culièrement dans les organes hémopoiétiques. On rencontre ces éléments 
dans toute l'étendue de l'intestin, mais ils sont surtout nombreux dans 
l'intestin grêle. Les plasmocytes sont de préférence groupés autour 
des vaisseaux et là ils forment souvent des amas considérables; vers 
la base des glandes de Lieberkühn leur nombre diminue et on n’en trouve 
que quelques rares représentants. 

J'ai pu vérifier l'exactitude de ces données en examinant les coupes 
du duodénum du cobaye et celles du côlon de l'homme. Chez le co- 
baye on voit que vers la base des glandes les plasmocytes deviennent 
de plus en plus rares et sont remplacées par les éosinophiles, On 
reconnaît facilement les plasmocytes grace à leur plasma très baso- 
phile et leur noyau en forme de roue situé excentriquement. 


Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blancs etc. 243 


D’après Samsonoff les plasmocytes proviennent de gros lympho- 
cytes et surtout de petits lymphocytes; de plus, les plasmocytes seraient 
capables de se multiplier après une division mitotique du noyau; cet 
auteur aurait observé le stade de peloton. On peut douter de cette 
dernière observation; en effet, nous verrons que la structure caracté- 
ristique du noyau des plasmocytes est un signe incontestable de la 
dégénérescence commencée; qu'un élément dont le noyau porte des 
stigmates si nets d’involution puisse se diviser — cela est très peu pro- 
bable. Cette division nucléaire non suivie de la division du corps cyto- 
plasmique conduit -elle à la formation des cellules géantes? C’est 





Textfig. I. Involutions des plasmocytes [colite ulcéreuse] (coloration à l’hématoxyline 
de Delafield-éosine). X 1500. — Fig. 1 et 3. Plasmocytes avec un seul corpuscule de 
Russel (très gros dans l’exemplaire 3). — Fig. 2. Plasmocyte avec trois corpuscules de 
Russel. — Fig. 4. Plasmocyte auquel sont accolés les débris d’autres plasmocytes. Dans 
le plasmocyte pourvu d’un noyau non encore menté un corpuscule de Russel possède 
4 vacuoles. — Fig.5. A noter la tension de la membrane nucléaire qui va bientöt se 
déchirer. — Fig. 6. Deux plasmocytes accolés; leurs noyaux ont déjà subi le caryorhexis 
et constituent les sphérules noires; de nombreux corpuscules de Russel. — Fig. 7—19. 
Plasmocytes et fragments de plasmocytes. Fig. 13. Deux corpuscules de Russel ont 
Pair de se fusionner ensemble (consistance visqueuse fluide). Fig. 14—19. Fragments 
de plasmocytes sans vestige de noyau ne renfermant que les corpuscules de Russel 
(ceux-ci sont en réalité colorés en rose très vif). 

16* 


244 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


tout autre chose et plus loin nous verrons que ce processus a lieu 
réellement (v. la fig. IV, 2 dans le texte). 

Dans le pus des selles dysentériques (peu importe — dysenterie 
amibienne ou bacillaire) on trouve parfois des amas notables de plasmo- 
cytes à divers stades d’involution. On peut y observer également le 
stade initial qui sert de point de départ pour la formation de notre 
plasmocyte; cette forme initiale est un petit lymphocyte. 
Ainsi à côté des plasmocytes préexistants qui entrent en jeu dans les 
foyers de suppuration, il y a formation de nouveaux plasmocytes aux de- 
pens de petits lymphocytes. Cette transformation s’effectue de la facon 
suivante: dans le noyau du lymphocyte la chromatine s’accumule en 
plusieurs endroits prés de la membrane nucléaire; le corps cytoplasmique 
du lymphocyte grossit et devient basophile. Quelquefois déjà à ce stade 
on voit dans le plasma un ou deux corpuscules de Russel (— sphères 
hyalines=corpuscules fuchsinophiles ou bien éosinophiles) qui se colorent 


” N 


D ec 





Textfig. II. Fig. 1—4. Neutrophiles du pus d’un cas de colite ulcéreuse. In vivo. 
Pas de glycogène. Pas de formation de pseudopodes (donc pas de Serien Mouve- 
ment brownien dans 5°/, de ces éléments. — Ce sont de véritables corpuscules du pus 
(éléments morts). — Fig. 5. Deux plasmocytes accolés. Un élément cellulaire phagocyté 
se trouve dans le plasmocyte supérieur — près de la ligne d’accolement. [Colite ulcéreuse.] 
X 1500. — Fig. 6—8. Plasmocytes du pus d’un cas de la dysenterie bacillaire. >< 1500. 
Fig. 6. Plasmocyte avec deux corpuscules de Russel. vacuoles correspondent 
aux gouttelettes de graisse dissoutes pendant le passage de la préparation dans les alcools 
et le xylol. — Fig. 7. Plasmocyte typique. A noter lauréole claire autour du noyau 
ainsi que la basophilie du protoplasma. — Fig. 8. Lymphocyte-plasmocyte (ou plus 
exactement dore me). La structure du noyau est celle d’un lymphocyte 
et cependant dans le plasma basophile on note déjà un corpuscule de Russel. 


par l’éosine en rose brillant à peu près comme les hématies. Très rarement 
le plasmocyte manifeste déjà à ce moment des propriétés 
phagocytaires. Le plus souvent il devient macrophage après avoir 
grossi davantage et après que son noyau s’est fragmenté en plusieurs 
blocs chromatiques. 

Comment un plasmocyte devient-il un plasmophage? Quand le 
plasmocyte a son noyau à structure typique et que son plasma a acquis 
la basophilie caractéristique, de petits pseudopodes se forment à sa 


Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blancs etc. 245 


surface et peuvent s’accrocher a un élément cellulaire voisin qui se 
trouve peu a peu englobé par notre plasmophage. Trés souvent le 
plasmophage renferme plusieurs cellules ingérées et alors trois cas 
peuvent se présenter: 1) tous les éléments ingérés sont placés dans 
une méme vacuole digestive et le plasmophage a l’aspect d’un croissant 
dont la partie épaissie contient les restes du noyau — c’est le mode 
d’ingestion unipolaire; 2) il y a deux vacuoles digestives placées 
symétriquement et séparées l’une de l’autre par un mince pont proto- 
plasmique — c’est l’ingestion bipolaire; 3) enfin il se forme autant 
de vacuoles digestives qu’il y a d'éléments ingérés, ou bien ceux-ci sont 
plongés dans le cytoplasme du plasmophage sans interposition d’une 
couche liquide — c'est ingestion pluripolaire (ou bien apolaire). 
Parmi les el&ments ingeres on rencontre le plus souvent les neutro- 
philes et les éosinophiles. Ces derniers se trouvent dans les plasmo- 
phages avec une frequence relativement tres grande ce qui pourrait 
Textfig. III. Plasmo- 
cytes et plasmophages d’un 
cas de la dysenterie bacil- 
laire. (La méme coloration 
que dans les fig. précé- 
dentes). X 1500. — Fig. 1. 
Plasmocyte dont le noyau 
se désagrége sans avoir 
formé de gros blocs péri- 
pheriques; c’est un caryo- 
rhexis qui n’est pas pré- 
cédé d’une pycnose péri- 
phérique. — Fig. 2. Plas- 
mophage dont le noyau 
pest pas encore fragmenté; 
dans la vacuole digestive 
est placé un neutrophile 
phagocyté.— Fig.3. Plasmo- 
phage sans trace de noyau / 
{un petit corpuscule de 
Russel) ayant ingéré un | 
éosinophile. — Fig. 4. Dé- 
colement fortuit des deux 
lasmoc accolés. — 
ig. 5. Plasmophage géant 
ayant déjà englobé 5 neu- 
trophiles; il est en train 
d’ingérer encore deux neutrophiles qui sont vivants si l’on juge d’après leurs pseudopodes 
(surtout chez celui à gauche); deux grosses sphérules noires représentent la chromatine 
du noyau du plasmophage. 


amener à penser qu'il y a une prédilection marquée de la part des 
plasmophages à l'égard de ces éléments, c’est a dire que chez les 
plasmophages le chimiotactisme pour les éosinophiles serait tout parti- 
culièrement développé. Cependant comme on doit toujours préférer 
les explications les plus simples, il est bien plus probable que ceci 
s'explique par le fait que ces plasmophages avaient traversé les zones 
où il y avait beaucoup d’eosinophiles, d’où vient cette proportion 
d’éosinophiles ingérés trop grande par comparaison avec ce qui s observe 
dans le pus émis avec les selles. 

Parfois un plasmophage en avale un autre plus petit. Assez 
rarement on rencontre les plasmophages ayant ingéré 1—3 hématies et 
alors la confusion avec l’Amibe dysenterique est a craindre, — je re- 
viendrai à ce sujet plus loin. 





246 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


Comme je l’ai deja dit plus haut, dans le plasmophage mür le 
noyau morphologiquement défini n'existe plus, — il est remplacé 
par autant de sphérules chromatiques qu’il y avait de blocs pariétaux 
dans le noyau au stade de pycnose périphérique. En effet qu'est ce 
qu'un noyau à l’aspect d'une roue sinon un noyau frappé de la 
dégénérescence — de la pygnose périphérique, ou bien, si 
l'on préfère cette expression de Maximoff — de l’hyperchroma- 
tose de la paroi nucléaire? Or les expériences de mérotomie avec 
les Amibes ont appris que le morceau anucléé continue pendant un cer- 
tain temps de se déplacer, d’englober les proies et que même il y a com- 
mencement de la digestion (aux dépens des ferments preformes), mais 
que la phase finale de la digestion — l'assimilation n’a pas lieu, d’où 
la conclusion que le noyau préside au phénomène d’assimilation. De 
cette façon déjà à priori on devait s'attendre à ce que les cellules 
ingérées par les plasmophages ne seront pas digérées et c’est bien ré- 
ellement le cas: les noyaux des cellules englobées se colorent touiours 
très bien et gardent leur structure caractéristique, de même que d’ailleurs 
les contours du corps cytoplasmique restent nettement tracés et ne 

ET deviennent flous et mal definis 
que trés rarement, — par consé- 
quent il y a parfois commence- 
ment de la digestion, mais celle- 
ci ne va jamais jusqu’a l’assimi- 
lation complete des proies en- 
globées. 


A 


Textfig. IV. Dysenterie amibienne 
(même technique) X 1500. — Fig. 1. 
Cellule épithéliale de l'intestin avec son 
plateau. — Fig. 2. Plasmophage géant 
T plurinucléé. trois noyaux sont au 
© ¥ même stade de pycnose périphérique. 
Un éosinophile phagocyté se trouve dans 
2 la vacuole digestive à parois très nette- 
ment tracées. 





Le nombre des cellules ingérées n’est jamais considérable, il dé- 
passe rarement quatre (v. la fig. III, 5 dans le texte). Cependant 
dans les plasmophages ayant atteint les dimensions considérables (30 à 
35 u de diamètre et davantage, tandis que la taille du plasmocyte 
mesure 10—124 de diamètre) j'ai vu jusqu’à sept neutrophiles englobés. 
A ce sujet la figure III, 5 est très démonstrative: elle montre l’ingestion 
unipolaire (par le pôle festonné dirigé vers le bas), et en plus de 
cinq neutrophiles déjà complètement englobés deux autres sont accrochés 
par les pseudopodes de notre plasmophage. 

Les plasmophages peuvent quelquefois atteindre la taille de 70 u 
de diamètre. Dans ces cellules géants on note quelquefois, très rarement, 
il est vrai, plusieurs noyaux. Une de ces cellules géants d’origine plasmo- 
cytaire est représentée par la fig. IV, 2 — on voit là trois noyaux aveo 
pycnose périphérique et un éosinophile placé dans une vacuole digestive 
à contours très nets. 

On trouve souvent des groupes constitués par 2—3 plasmocytes 
accolés plus ou moins étroitement entre eux. La question assez impor- 
tante est de savoir si c’est là une disposition primitive qui vient de ce 
ce que ces éléments accolés prenaient part à la constitution d’un tissu 


Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blancs etc. 247 


(ou d’un syncytium) ou bien s’agit-il là d’un accolement accidentel ? 
Certains aspects tels que celui représenté dans la fig. II, 5 décident 
en faveur de la dernière interprétation: en effet on ne conçoit pas 
comment le plasmocyte supérieur aurait pu capturer par son pôle in- 
férieur un élément cellulaire, s’il avait été toujours accolé à son voisin 
en bas; — il est bien plus naturel d'admettre que la réunion de ces 
deux plasmocytes est tout à fait fortuite et tient aux propriétés agglu- 
tinantes de leur surface. 

Je ne saurais trop insister sur le fait qu'une part relativement 
minime de plasmocytes évoluent en plasmophages, — c’est suivant les 
cas tantôt 1—2 0/ọ tantôt 3—5 0/, de tous les plasmocytes. Quand 
je dis „évoluent“ ce n’est pas tout a fait le mot — il s’agit ici d’un 
processus d’involution qui a lieu et dans le noyau et dans le 
plasma. Or, tous les plasmocytes dégénèrent et pendant cette involution 
certains d’entre eux peuvent fonctionner comme macrophages 
et ceux-là seuls méritent le nom de „plasmophages‘“. 





Textfig. V. Colite ulcéreuse (Delafield - éosine). x 1500. — Fig. 1. Plasmophage 
avec trois neutrophiles ingérés. Arrangement apolaire. — Fig. 2. Aggregat de trois plasmo- 
cytes dont deux renferment les éléments cellulaires phagocytés. — Fig. 3. Plasmophage 
ayant englobé cinq neutrophiles placés dans deux vacuoles digestives. — Mode d’ingestion 
bipolaire avec un pont (ou l’isthme) protoplasmique. — Fig. 4. Plasmophage avec un 
neutrophile ingéré. -- Fig. 5. Monophage jeune avec pop restes des éléments phago- 
ai — Fig. 6. Monophage ayant englobé plusieurs éléments cellulaires; ceux-ci sont aux 
ivers stades de digestion. 


Quel est le sort des plasmocytes qui ne deviennent pas macrophages 
(et de tels plasmocytes représentent comme je viens de l’indiquer une 
majorite considerable)? Ces plasmocytes subissent une dégénérescence 
plus profonde encore et finalement forment le detritus. 

Les figures de 1 à 19 (fig. I dans le texte) ont été dessinées pres- 
que d’aprés un seul champ de microscope (avec objectif 4 immersion) — 
tellement sont parfois nombreux ces éléments en pleine dégénérescence; 
on en trouve des nids entiers. Comme on le constate d’après ces figures, 
il s’agit ici d’une fragmentation très irrégulière des plasmocytes dont le 
noyau a subi le caryorhexis et dont le plasma renferme un nombre 
variable et parfois considérable (jusqu’à remplir tout le plasma de la 


248 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


cellule) de corpuscules de Russel. Les debris qui resultent de ce ‘mor- 
cellement tantöt renferment et les restes du noyau et les corpuscules 
de Russel, tantôt un seul de ces éléments. 

Tout ce que je viens de rapporter au sujet d’evolution et d’in- 
volution des plasmocytes, je l’ai contrélé par les observations in vivo; 
— le sort de chaque inclusion et de chaque granule a été suivi. Ce 
contröle m’a paru d’autant plus nécessaire que j’avais vu maintes fois 
mes collégues faire la diagnose de la dysenterie amibienne 4 cause des 
macrophages qui ont été pris pour l’Amibe dysentérique. Et il faut 
en convenir que la ressemblance est assez grande surtout si notre plas- 
mophage a capturé une ou plusieurs hématies. Je dois signaler 
que cette erreur était commise non seulement par les médecins peu 
versés aux détails de la Protistologie, mais par ‘des protistologues 
distingués. En effet dans l’article écrit par M. Hartmann ,,Morpho- 
logie und Systematik der Amöben“ in „Handbuch der pathogenen 
Mikroorganismen“ Kolle und Wassermann (1913) nous voyons 
les figures 22—26 censées d’apres Hartmann de représenter les 
formes d’Entamoeba tetragena en dégénérescence, mais qui en 
réalité toutes (sauf peut-étre la fig. 22) sont des plasmophages (les 
figures 23 a 25 sont des dessins inedits du Dr. Ornstein). Que 
l’on compare en particulier la fig. 25 de Hartmann avec mes 
fig. I, 4, 6—8 on verra que la ressemblance est complete. D’autre part 
Brumpt dans la dernière édition de son ,,Précis de parasitologie“ 
(Paris 1922) dit quelques mots a propos d’Endolimax phago- 
cytoides Gauducheau qui ‘serait tres peu mobile et méme dans la 
plupart des cas serait deja morte dans les excréments (ce qui ne peut 
guére se concevoir pour un parasite intestinal); dans les figures se rap- 
portant a cette ,,Amibe on reconnait les plasmophages. Je me suis 
permis de m'arrêter sur l'erreur commise par ces deux protistologues 
ayant une grande expérience, pour donner une idée de la difficulté que 
présentent ces éléments pour le médecin peu habitué aux recherches 
protistologiques. 

Maintenant que nous avons des notions assez complétes sur la 
morphologie et l'involution de nos plasmocytes abordons la question très 
importante et très peu connue du rôle physiologique qu’ils jouent dans 
l'organisme. Il est évident que ce rôle ne peut pas être ramené 
entiérement à la propriété phagocytaire, — celle-ci s’observe tout au 
plus dans 5 /, du nombre total; à quoi servent les autres 95 0/,? 

J'ai déjà cité plus haut les paroles de Maximoff au sujet du 
rôle des plasmocytes. Prof. Pokrovsky dans un article consacré aux 
„Cellules plasmatiques et leurs congénères dans la pathologie“ arrive 
à peu près à la même conclusion — on ne sait rien de précis sur les 
fonctions des plasmocytes. 

Pour moi la fonction principale des plasmecytes consiste en ce 
qu'ils absorbent les substances toxiques; deux arguments plaident en 
faveur de cette opinion: c’est d’abord la basophilie toute particulière 
de leur cytoplasme, basophilie qui a conduit même à l’hypothèse d'un 
granoplasma spécial (Unna) et qui détermine cet aspect si caracté- 
ristique de ce plasma (grumeleux); d'autre part les phénomènes de dé- 
générescence qui ont lieu et dans le noyau (pycnose périphérique) et 
dans le plasma (corpuscules de Russel — dégénérescence hyaline 
localisée) montrent que le plasmocyte est un élément profondé- 
ment intoxiqué, et cest là précisément son rôle physiologique: 


Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blancs etc. 249 


il absorbe électivement toutes les toxines, qu'elles soient d’origine in- 
trinsèque, ou bien qu'elles viennent d'une invasion microbienne (p. ex. 
dans les foyers d’inflammation septique). 

Comme les intoxications d’origine endogène ont tou- 
jours lieu même dans l'organisme le plus sain (autointoxi- 
cation intestinale, produits toxiques de la fatigue musculaire etc.), on 
comprend très bien pourquoi on trouve les plasmocytes même dans 
les conditions dites physiologiques ou nor ma les; mais na- 
turellement dans les états pathologiques, lorsque les intoxications de- 
viennent incomparablement plus intenses, on trouve beaucoup plus de 
plasmocytes. Et comme, d'autre part, notre plasmocyte provient du 
lymphocyte et celui-ci est un élément à énergie potentielle presque 
inépuisable, il en résulte que même pendant le processus d’involution le 
plasmocyte peut manifester une tentative évolutive, — ainsi il devient 
macrophage et à cet état englobe les cellules sans être capable de les 
digérer. Étant une cellule anucléée et cependant relativement viable, 
notre plasmophage fait évoquer un autre élément du sang dépourvu 
lui aussi de noyau — l’hématie dont la durée est de quelques semaines. 

En somme on peut dire que le plasmocyte n’est qu'un 
lymphocyte en voie de dégénérescence, de même qu’un 
neutrophile avec le noyau pyenotique n’est pas autre 
chose qu’un neutrophile au stade d’involution. Évidemment 
dans le cas de plasmocyte il y a non seulement pycnose du noyau, mais 
encore accroissement du corps cy toplasmique (ce qui correspond au stade 
de polyblaste de Maximoff), mais est-ce la une difference bien. 
profonde? Et il ne faut pas voir dans ce qui précede seulement une 
facon de parler ou une comparaison superficielle; l’opinion que je viens 
de formuler équivaut à un changement très profond dans notre manière 
de voir: au lieu de se représenter les plasmocytes comme une catégorie 
très spéciale placée tout à fait à part dans l’ensemble des globules blancs, 
nous admettons que le lymphocyte soumis à l’action des to- 
xines devient plasmocyte. C’est un point de vue qui diffère 
beaucoup de ce qu’on croyait jusqu'ici au sujet de la nature des plas: 
mocytes. 

Dès lors nous sommes en état d'apprécier l'intérêt de la constatation; 
suivante: Dr. Babkina (1910) provoque l’inflammation aseptique 
dans la rate du lapin; aux stades avancés on constate les Mastzellen 
et les plasmocytes en nombre beaucoup plus considérable que dans la 
rate normale; dans certains endroits presque tous les petits 
lymphocytes sont transformés en plasmocytes. La nécrose 
du tissu splenique a conduit à la formation d’une quantité notable de 
toxines; la réaction des lymphocytes à cette influence toxique est partout 
la même, mais elle varie quant au degré, — par places l’intoxication 
était tellement massive et intense que la réaction était pour ainsi dire 
totale — chaque lymphocyte est devenu plasmocyte. 

Il est probable que si l’on continuait a se contenter d'étudier les 
plasmocytes dans le sang périphérique, on serait toujours réduit aux 
conjectures sur leur signification fonctionelle. Il a suffi de diriger 
l'attention sur les foyers de suppuration où tous les processus physio- 
logiques sont intensifies et menés jusqu’au bout, pour constater que les 
plasmocytes sont avant tout toxinophages, c'est à dire qu'ils 
absorbent électivement les toxines, et que, de plus, ils peuvent fonc- 
tionner comme macrophages qui doivent être désignés par un terme 


350 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


special (plasmophages) pour les distinguer des monophages et 
des histiophages; c’est a la description de ces deux dernières caté- 
gories que je passerai maintenant. 


II. Monophages et histiophages (pl. II—III et fig. V, 5—6 dans 
le texte). 


Monophage — c’est le type le plus fréquemment observé. On trouve 
les monophages dans le pus des furoncules, de l’osteomyelite, dans le 
liquide céphalo-rachidien dans les cas de la méningite cérébro-spinale 
epidemique. 

Ici nous partons d’une cellule du type monocyte avec un noyau 
pauvre en chromatine et pourvu d’une encoche plus ou moins profonde: 
cet élément grossit (ou plus exactement son corps cytoplasmique seul 
grossit) et commence a englober les éléments cellulaires — les hématies 
et tout particulièrement les neutrophiles. Dans certains cas le mono- 
phage est bourré de neutrophiles et alors l’ensemble figure une sorte de 
sac à paroi très mince avec un léger épaississement du côté où se trouve 
le noyau; on en trouve avec 20 neutrophiles ingérés tous placés dans 
une énorme vacuole digestive centrale. Qu'on se rappelle que Metchni- 
koff avait signalé également jusqu'à 20 hématies ingérées, — ses 
macrophages du cobaye ayant englobé les hématies de l’oie correspondent 
parfaitement à nos monophages (de l’homme). Dans d’autres cas les 
éléments phagocytés se trouvent repartis en plusieurs endroits sans 
aucun ordre apparent et alors le noyau peut prendre une forme très 
bizarre. Du reste ce noyau présente une grande variabilité d'aspect 
extérieur. Cependant sa structure interne ne varie point; 'en particulier 
on n’y constate jamais le moindre signe de dégénérescence, et ceci avec 
absence de corpuscules de Russel dans le cytoplasme, — sont des carac- 
tères différentiels qui distinguent ces monophages des plasmophages 
précédemment décrits. 


De plus le monophage, toujours contrairement au plasmophage, est 
doué d’une vitalité extraordinaire — il digérera facile- 
ment ses vingt neutrophiles englobés et soit continuera d’exer- 
cer sa fonction phagocytaire, si le besoin s'en fait sentir, soit retournera 
à son stade initial — a l'état de monocyte. Et en effet on voit les 
noyaux des neutrophiles ingérés perdre peu à peu leur colorabilité: 
ces noyaux finissent pas se dissoudre de même que le cytoplasme qui 
est digéré en premier lieu comme c’est ‘la règle générale. 

Le monocyte de même que le monophage qui en dérive 
— ce sont des éléments à énergie évolutive multiple: 
je reviendrai sur ce sujet quand j'aurai à envisager le rôle des lympho- 
cytes. 

Passons maintenant aux histiophages. Il s'agit d'un élément cellu- 
laire dont les propriétés phagocytaires ne sont jamais bien développées: 
c'est tout au plus une ou deux cellules englobées que l’on peut noter 
à l'intérieur de l'histiophage. Son noyau se distingue aisément du 
noyau du monophage par sa membrane rigide; celle-ci même en se dé- 
formant garde ce caractère de rigidité, tandis que le noyau du monocyte 
frappe par les contours très labiles, souvent singuliers. 

On trouve les histiophages dans le pus gonococcique, dans les 
liquides ascitique et pleurétique. 


Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blanes etc. 251 


III. Rôle physiologique des lymphocytes. 


Il n° y à pas longtemps on ne savait sur le rôle des lymphocytes 
à peu pres rien. Un seul fait bien établi était qu'ils renferment la 
lipase, d’où le rôle important que ces éléments jouent dans la lutte contre 
les bacilles acido-résistants. On sait les propriétés spéciales que pré- 
sente le pus des abcès froids précisément à cause de cette richesse en 
ferment lipolytique; ainsi la prédominance dans le pus des lymphocytes 
plaide fortement en faveur de son origine tuberculeuse. 

On croyait et on croit encore aujourd’hui que les lymphocytes ne 
sont pas doués d’une mobilité propre. Ainsi pour expliquer le phéno- 
mène de Stöhr au niveau des amygdales on a admis l'existence d’un 
courant de lymphe spécial dirigé vers l’extérieur. De même on nie 
que les lymphocytes peuvent fonctionner comme phagocytes. 

En réalité le lymphocyte mérite plus que tout autre élément la 
qualification de cellule bonne a tout faire. C’est le lymphocyte 
qui est le défenseur principal de notre organisme, de- 
fenseur qui entre en action à chaque instant, tantôt à propos d’une in- 
vasion microbienne, tantöt dans l’autointoxication (d’origine intestinale 
ou toute autre) et dans ce dernier cas est exercée la propriété de toxino- 
phagie — c’est a dire les lymphocytes absorbent élective- 
ment les substances toxiques. De plus, le lymphocyte peut de- 
venir macrophage -- soit du type monophage, soit du type 
plasmophage. 

Cependant il faut en convenir que le petit lymphocyte considéré tel 
qu'il est ne peut pas déployer une grande énergie. Mais dès qu’une 
toxine ou un autre excitant quelconque agit sur ce lymphocyte, il cesse 
de se multiplier par division; en revanche son corps cytoplasmique 
grossit et alors des deux choses l’une: ou bien il devient un monocyte 
qui a son tour dans la suite peut devenir (mais cela n’est pas obligatoire) 
monophage, ou bien — si l’action de la toxine a été plus profonde et 
plus brutale — notre lymphocyte présente des signes de dégénérescence, et 
maintenant nous savons que le lymphocyte en état d’involution se nomme 
plasmocyte; celui-ci devient (assez rarement) plasmophage. Ainsi suivant 
le degré d’excitation fonctionnelle et de l’intoxication qui en est la cause, 
nous avons tantöt un élément trés vivace qui pourra dans la suite subir 
plusieurs évolutions successivement, tantöt le plasmocyte avec une 
vitalité trés amoindrie, plasmocyte dont les jours (et peut étre méme 
les heures) sont comptés. 

Je ne saurais trop repéter que la propriété de toxinophagie est 
incomparablement plus importante que la propriété phagocytaire. Or 
cette dernière est plus facile à constater, plus tangible, et à cause de 
cela jusqu'ici seule entrait en ligne de compte. D'ailleurs plus 
loin nous verrons que la toxinophagie de méme que la phagocytose 
ne sont que des manifestations particulières d’un processus très général 
qui a lieu constamment a l’etat le plus normal de l’organisme dans les 
globules blancs du sang et des tissus, — je fais ici allusion au pro- 
cessus de la digestion au second degre. 

Absorber et décomposer les substances toxiques dissoutes dans le 
plasma sanguin et ensuite rejeter les déchets, — mais c’est 1a la fonction 
d'un organe excréteur. Et ce rôle a été déjà exprimé par l’histologiste 
français Ranvier quand il avait proposé le terme néphrocytes 
pour les éléments appartenant, il est vrai, à une catégorie déterminée 


252 Centralbl. f. Bakt. ete. 1. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


des cellules mésenchymateuses, mais comme nous allons le voir il n’y a 
en réalité aucune différence essentielle entre les lymphocytes et les né- 
phrocytes des tissus, tout cela — ce sont des amibocytes; quand plus 
loin je me servirai du terme amibocyte je lui donnerai toujours la même 
signification, a savoir — les globules blancs du sang de méme que les 
diverses espéces des cellules mobiles du mésenchyme. 

Ainsi nous avons déja reconnu que les lymphocytes, ou plus exacte- 
ment leurs dérivés directs (polyblastes, monocytes, plasmocytes), exer- 
cent deux fonctions: phagocytaire et néphrocytaire (toxinophage). S'il 
n’y avait que ces deux fonctions le röle des lymphocytes serait deja tres 
important. Cependant ces éléments ont encore une fonction. 

On sait maintenant que les cellules étoilées de Kupffer dans le 
foie deversent la bilirubine (qui résulte de la décomposition de l’hemo- 
globine des hématies ingérées par les cellules de Kupffer) dans les 
capillaires sanguins; c’est là un produit de sécrétion interne qui plus 
tard sera repris et excrété par les cellules hépatiques. Ainsi grace 
aux travaux d'Aschoff et de son école la cellule hépatique est dé- 
possédée d’une partie de ses fonctions, — en effet elle ne fait ju’ex- 
créter la bilirubine (donnant la réaction directe, car la cellule hé- 
patique a scindé la combinaison peu stable de la bilirubine); on a rap- 
porté aux cellules de Kupffer — à ces éléments d'origine mesenchy- 
mateuse, la partie essentielle du processus de la formation de la bili- 
rubine. 

Il ne faut pas croire que c’est la un fait isolé dans l’économie de 
l'organisme. Dans beaucoup de glandes possédant à la fois la sécrétion 
externe et la sécrétion interne, la première est due à l’activité de la 
partie parenchymateuse (d'origine endodermique) de la glande, tandis 
que la fonction endocrine est exercée par la partie mésenchymateuse 
qui est en quelque sorte surajoutée, en ce sens qu'elle n'apparaît que 
plus tard dans l'évolution ontogénétique. Ainsi les recherches de 
Mesnil ont montré que dans le foie des embrvons de cobaye et chez 
les lapins nouveaux-nes il n’ya pas de cellules de Kupffer; ce n'est 
que plus tard que ces éléments immigrent dans le foie et occupent la 
situation que l'on connaît (périthélium). 

Les cellules interstitielles de Levdig dans le testicule consti- 
tuent dans leur ensemble (malgré les attaques contre cette manière de 
voir pendant ces quelques dernières années) une glande à sécrétion 
interne. Or, comme l'ont montré les recherches classiques T'A n cel 
et Bouin les cellules de Leydig, au moins chez le cheval, proviennent 
pour la plupart des globules blancs immigrés (probablement il s'agit 
ici des éléments du type monocyte). 

Je crois que les éléments cellulaires qui forment les ilots de 
Langerhans dans le pancréas sont aussi d’origine mésenchymateuse. 
En effet on sait que cette partie endocrine de la glande se constitue 
plus tard que les éléments à sécrétion externe, d'où la supposition que 
les cellules des îlots de Langerhans ne se différencient que re- 
lativement tard à partir des éléments glandulaires du parenchyme. 
N’est-il pas beaucoup plus simple et conforme à ce que nous voyons 
dans les autres glandes d'admettre l'immigration des éléments endo- 
crines dans un organe parenchymateux déjà formé. ces éléments à 
sécrétion interne étant de nature mésenchymateuse? Naturellement les 
recherches embryologiques doivent être entreprises pour élucider ce 
point. 


Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blancs ete. 253 


De même dans le chapitre où sera traité la question de la digestion 
au second degré je montrerai que dans les poumons à côté de la partie 
parenchymateuse d'origine endodermique il y a une glande endocrine 
diffuse constitutée par les cellules à poussières (ou lipophages) — élé- 
ments mésenchymateux dont l’incret est la lipase. 

Or, nous pouvons considérer chacun de ces éléments mononucléaires 
— lymphocytes et leurs dérivés (de même que les amibocytes du tissu 
conjonctif tels que les cellules migratrices au repos de Maximoff, 
cellules adventitielles de Marchand etc.) comme une glande uni- 
cellulaire à sécrétion interne. C’est qu’en effet, s’il est vrai que toute 
cellule qui vit sécrète certaines substances, on est convenu d’attribuer 
la qualification d’element glandulaire à la cellule qui fabrique plus 
de ferments qu’il n’en N ia mr, 
faut pour son propre 6@~ ‘Yo 708 ? 
usage, le produit de sé- /9 h 


vE o \ 
crétion étant utilisé par | 50 9 00029 | 0, 9.2. | Pa o à. 
l'organisme tout entier. © o 0.24 a 31 lee 3 Ze! 
Et c’est précisément le `o © - % 9° 90 Q ; KAA 9 
cas de nos amibocytes 1 2 09° eu > \ "9°90 2 
uninucléés du saug et 3 \ 007, 
du tissu conjunctif. 5 N Sr 


Textfig. VI. El&ments 
du pus aseptique (abcès chez 
un paralytique général causé 
par l'injection de l'essence de 
térébinthine). In vivo. — 
Fig. 1—5. Gros monocytes 
avec gouttelettes graisseuses 
chai piur 4 en est tout 

urré). Ces monocytes ne 
fonctionnent point comme 





macrophages. — Fig. 6—9. = 8 

p me Fig. 6. Neu- 7 <p, PENEI N : 
trophiles avec le noyau for- /,) 52. 0.9.8: PARLES 
mé de 4 segments (très nets (yy: er er A PRET 7 
sur le vivant). Fig. 7-9. A r Yo: ° OF 084) hode 3:20 
noter les gouttelettes de ws, / ~ 2” so 7577 \fecse% 29° 
graisse. Fig. 9. Emission des a." SOA A We 
pseudopodes. — ar, 


Du reste cette fonction sécrétrice n’avait pas échappé à l’attention 
des histo-physiologistes, Ainsi Renaut a proposé le terme de ,,cellules 
rhagiocrines‘‘. 

De cette facon les lymphocytes et les éléments qui en derivent 
réunissent a divers degrés, suivant l’element et surtout suivant l’époque 
considérée (ce qui revient aux modifications des conditions extéri- 
eures), les trois facultés suivantes: ils sont phagocytes, néphro- 
cytes et endocrinocytes (— cellules ragiocrines), ou si nous vou- 
lons exprimer toutes ces fonctions par un seul mot — un peu long il 
est vrai, mais bien explicite — ce sont des phago-néphro-endo- 
crinocytes. 

Je viens de dire que de ces trois fonctions tantôt prédomine 
l'une, tantôt l’autre (ou bien il y a à la fois deux fonctions au premier 
plan etc.), — suivant l’espece de l’élément considéré (plasmocyte ou bien 
monocyte etc.) et surtout suivant l’époque considérée. C’est qu’en effet 


254 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


ayant étudié la physiologie des amibocytes uninucléés j'ai été amené 
à la conclusion qu’il n'y a pas pour ainsi dire de prédétermination pour 
leur différenciation dans tel ou tel sens, — ce sont uniquement les 
conditions du milieu ambiant qui commandent telle ou 
telle évolution de ces éléments. Nous avons déjà vu un exemple 
concret qui confirme cette manière de voir dans le rôle que joue le 
degré d'intoxication sur le sort des lymphocytes: soumis a un faible 
excitant (commencement d'intoxication) le lymphocyte devient un mono- 
cyte!); si l’intoxication est plus massive, plus rapide — nous avons 
la transformation du lymphocyte en plasmocyte qui est, comme nous 
l'avons vu, un élément voué à la dégénérescence définitive et a la 
mort proche. 

Comme exemple concret d’un amibocyte mésenchymateux qui cumule 
les trois fonctions qui sont résumées dans le terme phago-néphro- 
endocrinocyte, je rappelle les cellules de Leydig. Les cellules 
interstitielles du testicule deversent le produit d’incrétion qui stimule 
Vardeur sexuelle, donc elles sont endocrinocytes; dans certaines 
conditions on a vu les prolongements pseudopodiques des cellules de 
Leydig traverser la membrane propre des canalicules séminaux et 
phagocyter les spermatozoïdes, — donc ces cellules de Leydig fonc- 
tionnent comme des phagocytes. Enfin Voinow avait déjà attri- 
bué aux cellules interstitielles le rôle d’une barrière, — ces cellules 
absorberaient les toxines et empêcheraient les influences nocives de 
toute sorte d'arriver jusqu'aux éléments sexuels très peu résistants, 
— c'est la la troisième fonction — toxinophage on néphro- 
cytaire. 

A propos de la fonction phagocytaire de ces éléments il faut 
ajouter qu'elle s'exerce tout le temps — en effet les cellules de 
Leydig ramassent les restes non utilisés lors de la transformation des 
spermatides en spermatozoïdes (v. le schéma fig. XVII dans le texte 
où sont représentés le testicule et le foie). Pour moi cet aliment 
spécifique est même indispensable pour que puisse avoir lieu la for- 
mation des lipoides spécifiques dans les cellules de Leydig, lipoides 
qui fixent le bleu de pyrrhol et qui donnent l'hormone sexuelle. Ce 
processus est absolument analogue à ce qui se passe dans une autre 
glande, où il y a le même enchevétrement de la partie parenchymateuse 
et des éléments mesenchymateux: je fais allusion aux cellules de 
Kupffer qui ne fabriquent de la bilirubine que si elles ont reçu l’hémo- 
globine des hématies. C’est avec un matériel spécial que les cellules 
de Kupffer forment la bilirubine, de même que la cellule de Leydig 
a besoin des éléments de la lignée séminale pour élaborer l'incret 
sexuel. 

Ainsi dans ce chapitre nous avons vu que le lymphocyte est un 
élément à énergie évolutive multiple; en effet il peut donner soit le 
monocyte soit le plasmocyte 2). 


1) Je ne parle pas ici de la catégorie des monocytes qui renferment l’oxydase; on 
suppose que de tels monocytes sont d’origine médullaire. 

2) Je n’oublie pas que pour beaucoup d’auteurs le terme monocyte embrasse trois 
catégories d’éléments: monocytes provenant de la série lymphocytaire, monocytes d’ori- 
gine médullaire (ce sont ceux qui renferment l’oxydase) et enfin des histiocytes égale- 
ment pourraient devenir des monocytes. — Je dois noter que j’ai observé quelques 
formes de transition entre le lymphocyte et le monocyte (y. = fig. 1 de la pl. II. 


Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blancs etc. 255 


Telles sont les propriétés des lymphocytes au point de vue de leur 
evolution. Si nous envisageons maintenant leur röle physiologique, ces 
elements ou plutöt leurs derives directs sont capables comme nous 
l’avons déjà vu d'exercer trois fonctions très importantes, — ce sont des 
phago-néphro- endocrinocytes. . 

A ce propos je dois ajouter que la fonction néphrocytaire de ces 
amibocytes n’a pas été jusqu’ici suffisamment envisagée par les auteurs. 
Bien arbitrairement on a isolé de tout l’ensemble une partie — les cellules 
de Kupffer dans le foie, les éléments du reticulum de la rate, les 
cellules endothéliales des vaisseaux et on en a fait le systeme réticulo- 
endothelial dont importance pour notre raisonnement clinique s'accroît 
de jour en jour. 

Les toxines avant 
d’arriver au filtre renal 


passent par le filtre né- oN 
phrocytaire;decettefacon EX \ 
les nephrocytes forment S 

1 


dans leur ensemble une 
sorte de rein diffus 
qui jusqu’à présent a été 
méconnu. 


Textfig. VII. Cellules | 
endothéliales dans un cas de c+) 


gonorrhée chronique. 1500. 
— Fig. 1. Cellule endothéliale P / 


_—— 


—/5 


binueléée. — Fig. 2. Cellule * 

endothéliale a wat ee une P \ 
hématie. Fig. Cellule ee Q \ 
endothéliale ayant "hues un 

élément épithélial. — Fig. 4 | © 


Cellule endothéliale ayant en- 
go deux neutrophiles placés s 

ans une seule vacuole di- Q / 
gestive. — Fig. 5. Complexe / N 
des deux cellules endothéliales Sat 
entourant quelques cellules 
épithéliales. 


De même les glandes endocrines dont l’etude constitue une branche 
importante des sciences médicales — l’endocrinologie, ne sont au moins 
en partie qu’une condensation de nos éléments endocrinocytes. Et si dans 
la question des remplacements des fonctions endocrines il y a encore beau- 
coup de points obscurs, c’est précisément à cause de ce qu'on ne tient 
pas suffisamment compte de ces glandes endocrines diffuses qui sont 
formées par les lymphocytes-endocrinocytes. 

Dans le chapitre consacré à la digestion au second degré nous 
verrons que la phagocytose rentre dans les cadres d’un phénomène 
qui a lieu dans l’organisme d’une façon continue; de même que la 
toxinophagie, la phagocytose n’est qu’un cas particulier 
de la digestion au second degré, c’est à dire que, après la di- 
gestion au premier degré au niveau de la muqueuse intestinale (avec 
participation des glandes annexes, comme le foie, le pancréas), toutes 
les substances alimentaires passent à travers le corps des amibocytes 
et y subissent une assimilation, ou, d’une façon plus générale, des change- 
ments profonds. 


256 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


IV. Physiologie des neutrophiles (pl. III et fig. VL et VIII dans 
le texte). 


` 

Il semble au premier abord que le rôle physiologique des neutro- 
philes qui correspondent bien aux microphages de Metchnikoff est 
suffisamment élucidé et se ramène en grande partie à la phagocytose. 

Certainement on a été obligé d’introduire des corrections importantes 
dans la conception primitive trop morphologique de Metchnikoff. 
A côté d’englobement des bactéries et de la digestion intracellulaire il 
y a destruction des leucocytes (leucocytolyse), d’où la mise en liberté 
des ferments protéolytiques et d'autres substances bactéricides. 

Cette concession aux affirmations des humoralistes a été faite déjà 
par Metchnikoff. Plus tard l'importance de la leucocytolyse a 
été bien mise en évidence par Manoukine qui même a tiré de ces 
conceptions des applications thérapeutiques !). 

Cependant même en admettant ces corrections on ne se rendra bien 
compte de la signification physiologique des neutrophiles qu’à la condition 
ne pas la ramener exclusivement à la phagocytose, mais se rappeler 
toujours que ces leucocytes jouent un rôle très important dans la di- 
gestion au second degré. Avant de parler de cette dernière théorie 
reprenons quelques faits plus ou moins bien établis concernant la 
physiologie des neutrophiles. 

Pour moi les granulations neutrophiles des leucocytes polynucléaires 
représentent à n’en pas douter le ferment protéolytique à l’état de pro- 
ferment. De plus on sait que les neutrophiles renferment l’oxydase. 

Quant au glycogène dans les neutrophiles décrit par beaucoup d'au- 
teurs je n’ai jamais pu le mettre en évidence dans le sang 
périphérique ?). 

Je crois que le plasma du sang gêne la réaction de Lugol, de même 
qu'il empêche les colorations vitales. Il est probable que le coéfficient 
de répartition de ces substances (liqueur iodo-iodurée et les colorants 
vitaux tels que le rouge neutre, le bleu de methylene et autres) n'est. 
pas en faveur des éléments figurés. Malgré ma grande expérience 
des colorations vitales, il ne m’a pas été donné d'obtenir des colorations 
vraiment intravitales (et non postvitales) dans les leucocytes. Il 
en est tout autrement si l'on s'adresse aux leucocytes provenant p. ex. 
du pus du liquide céphalo-rachidien (dans la méningite cérébro-spinale, 
ou bien dans les cas des tumeurs extradurales etc.): là à peu près dans 
950/, des neutrophiles on peut déceler le glycogene en grande quantité; 
le plus souvent on observe avec le liquide de Lugol l'aspect suivant: 
le glycogène fuse en gouttelette volumineuse et fait une sorte d’hernie 
vers l'extérieur; plus rarement cela se produit aux deux pôles plus ou 
moins exactement opposés; dans le cas de la gouttelette glycogénique 
unique celle-ci peut atteindre les dimensions égales au reste du leucocyte. 
Ainsi on peut dire que dans tous les neutrophiles du pus céphalo- 
rachidien il y a du glycogene: dans tous, car ces 50/ où le glycogène 


1) Cet auteur utilise l’action des rayons X sur la rate pour pıovoqueur la leuco- 
eytolyse grâce à laquelle le plasma du sang s'enrichit en leucocytolysines; le foie doit 
être bien protégé contre les rayons, car autrement il produirait les antileucocytolysines. 

2) D’après Voskresensky le glycogène serait surtout abondant dans les cas 
de typhus exanthématique; cet auteur y voit même un caractère ayant une valeur pour 
la diagnose de cette maladie. J'ai examiné à ce sujet le sang d’un certain nombre de 
malades avec le typhus exanthématique, mais je wai pas eu ici non plus de résultats 
positifs. 


Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blancs ete. 257 


manque s'expliquent probablement par le fait que toutes ces réactions 
microchimiques ne donnent jamais des résultats constants en ce sens que, 
à côté des éléments ayant pris la coloration rouge brun-acajou typique, 
il y en a d’autres qui ne la prennent pas — tout en renfermant du 
glycogène. 

J’ai revu le même phénomène dans les crachats purulents dans la 
pneumonie lobaire et dans d’autres liquides purulents. Là la proportion 
des neutrophiles pourvus de réserves glycogéniques était moindre. Enfin 
avec le pus qui a subi une macération (p. ex. dans la pyorrhée alvéo- 
laire, le pus dysentérique), le réactif de Lugol donne des résultats 
négatifs — tout le glycogène a été dissous. A cette différence correspond 
une autre: tandis que les neutrophiles du pus céphalorachidien et ceux 
de la pneumonie lobaire se déplacent activement à l’aide de pseudopodes, 
les neutrophiles du pus dysentérique et ceux de la pyorrhée alvéolaire 
sont absolument immobiles — car ils sont morts — ce sont de véritables 
corpuscules du pus et non les leucocytes polynucléaires que l’on 
trouve dans le pus à glycogène. On voit par ces exemples que les 





Textfig. VIII. Neutrophiles du pus d’un cas de la gonorrhée aigüe (3"* jour d’écoule- 
ment). In vivo. — Fig. 1-6. Neutrophile présentant la formation des pseudopodes in- 
tense. Fig. 1. Dessiné à 2h. 40 min. Fig. 2. Id. à 2h. 41 min. Fig. 3. Id. à 2h. 
43 min. Fig. 4. Id. à 2h. 46min. Fig. 5. Id.’ 2h. 48 min. Fig. 6. Id. à 2h. 50 min. 
Ces leucocytes mobiles constituent seulement 5—6 °/, du nombre total. Tous les autres 
sont immobiles comme ceux représentés dans les fig. 7 et 8. Dans tous les neutrophiles 
le glycogène manque; pas de mouvement brownien. 


neutrophiles, suivant le pus, diffèrent beaucoup quant à leur vitalité — 
tantöt ce sont les leucocytes vivants, tantöt les corpuscules du pus. 

De ces observations il résulte que les neutrophiles renferment tou- 
jours du glycogéne en quantité notable; si dans ‘certains cas on ne 
décéle pas ce glycogene, cela tient soit aux conditions qui inhibent la 
réaction iodo-iodurée (dans le sang circulant), soit à la macération, 
qu’ont subie les éléments du pus — pendant cette macération le glyco- 
gene était dissous et a passé a l’exterieur. 

Y a-t-il dans les neutrophiles encore une substance de réserve — 
je veux parler de la graisse? Dans les neutrophiles du sang périphérique 
on ne constate pas de globules graisseux; cependant en étudiant le sang 
des malades ayant le typhus exanthématique j'ai observé dans quelques 
neutrophiles (assez rarement) des grains de méme taille trés réfringents 

Erste Abt. Orig. Bd. 101. z Heft 4/5. 17 


258 Centralbl. f. Bakt..ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


legerement jaunätres; en fixant les frottis secs du sang aux vapeurs 
osmiques et en colorant au Giemsa j’ai vu ces grains se colorer en bleu 
mineral intense; quelques jours apres ces grains bleus dans ces prepara- 
tions étaient complétement decolores. Par contre dans les neutrophiles du 
pus il est d’une observation courante de trouver des grains ou méme des 
gouttelettes assez volumnineuses de graisse: en particulier dans le pus 
d'un abcès froid compliqué d’une infection secondaire j’ai vu les neutro- 
philes qui étaient souvent bourrés de gouttelettes graisseuses trés réfrin- 
gentes. Cependant dans tous ces cas de Ja présence de la graisse 
il y a une difference capitale avec le .depöt de glycogène, — la il 


_ Textfig. IX. Eléments 
cellulaires du pus d’un En 
toncle. Delafield-éosine. 
X 1500. — Fig. 1. Com- 
plexe de trois cellules. A 
noter dans la plus grosse 
(celle qui est située à droite) 
tout autour du noyau une 
auréole claire et ensuite une 
zone plus large striée avec 
la sphère (attractive) qui a 
déterminé une invagination 
dans la membrane nucléaire. 
Ce sont probablement les cel- 
lules fixes du tissu conjonctif 
(périvasculaire?) et non pas 
les cellules endothéliales. — 
Fig. 2. Une cellule conjonc- 
tive isolée avec halo périnu- 
cléaire et la zone striée très 
nette. — Fig. 3. Une cel- 
lule plus petite; la sphère 
avec sa radiation (aster) a 
déterminé la forme en crois- 
sant du noyau. — Fig. 4—6. 
Eléments encore plus petits 
qui semblent devenir finale- 
ment des sortes de mono- 
cytes d’origine tissulaire 
(histiocytes). Fig. 6. ‘Le 
noyau en forme de croissant 
très prononcée; l’encoche 
profonde est remplie par la 
sphère. . 





s'agissait d’un processus normal physiologique, — ici il s’agit d’un 
processus morbide — cest la dégénérescence graisseuse des 
neutrophiles. 

Ainsi les neutrophiles ne jouent aucun röle dans les échanges grais- 
seux de l’organisme — c’est là la fonction des lymphocytes avec leur 
richesse en lipaset). 

Quel est l'intérêt de la constatation que nous venons de faire, 
à savoir que les neutrophiles renferment une grande quantité de glyco- 
gène? En effet ce n’est pas là un simple détail concernant la physiologie 


1) Dans les monocytes qui pour moi proviennent des po on rencontre 
souvent des grains et des gouttelettes de graisse (fig. VI, 1—5 dans le texte). 


Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blancs ete. 259 


du neutrophile comme tel, mais un fait d’une portée beaucoup plus 
générale. 

Rappelons-nous que déja en 1898 Lépine avait admis que le 
ferment glycolytique se trouve dans les leucocytes. Et dés lors nous 
comprenons d’où vient cette abondance de glycogéne dans les neutro- 
philes; ce n’est pas seulement pour son propre compte que le neutro- 
phile absorbe le glycogéne (ou bien le forme par synthése), — cet élément 
cellulaire a pour röle de régler les échanges hydrocarbonés 
dans notre organisme, et dans ce but tantôt il décompose le 
glycogéne a l’aide de son ferment glycolytique et dé- 
verse dans le plasma sanguin la glucose obtenue, tantöt 
il fait la réaction inverse et produit avec la glucose puisée dans 





Textfig. X. Eléments du pus d’un cas de la dysenterie amibienne. Delafield- 
éosine. X 1500. — Fig. 1. Polyblaste (forme de transition entre le petit lymphocyte et le 
lasmocyte). — Fig. 2. Plasmocyte typique avec un corpuscule de Russel. — Fig. 3. 
lasmocyte dont le noyau est sur le point de se fragmenter. — Fig. 4. Plasmocyte avec 
pseudopodes; le caryorhexis a eu déja lieu. — Fig. 5. Plasmophage avec restes du noyau 
et deux corpuscules de Russel; un éosinophile phagocyté est placé dans la vacuole diges- 
tive. — Fig. 6. Deux plasmocytes accolés. — Fig. 7--9. Te (el&ment dominant 
du pus). — Fig. 10. Neutrophiles à 5 segments nucléaires. — Fig.11. Neutrophile à 7 seg- 
ments nucléaires (ceux-ci ont la forme de pépins de raisin). — Fig. 12—14. Cristaux de 
Charcot-Leyden colorés par l’&osine en rose vif (dans ces selles il y avait une éosino- 
philie locale). Ces cristaux proviennent sans aucun doute des granulations éosino- 
philes par voie de cristallisation (après la dissolution préalable) et ils gardent la propriété 
d’éosinophilie. 


le plasma sanguin du glycogène. Nous verrons du reste qu’il en va de 
même pour les substances albuminoïdes et les graisses. 


V. Théorie de la digestion au second degré. 


On sait que les substances alimentaires pendant leur passage à 
travers la muqueuse intestinale subissent une décomposition laquelle 
est suivie d’une synthèse ayant lieu dans l'épaisseur même de cette 
muqueuse et plus exactement dans les cellules épithéliales. Cette 
succession de changements chimiques est surtout nette pour les graisses : 
celles-ci se décomposent en acides gras et glycérine et dans la suite dans 
les chondriosomes des cellules de l’épithélium intestinal il se fait une 

. 17* 


260 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


synthése qui conduit 4 la reconstitution des graisses neutres. C’est 
le processus de la digestion au premier degré et dans cette 
expression je ne vise pas tant l’action du suc intestinal sur les graisses 
neutres que le premier stade d’assimilation, — le début de remaniement 
de ces graisses: la graisse du porc, le suif se sont déja un peu rapprochés 
par leurs propriétés physico-chimiques de la graisse de homme +). 

On croyait jusqu'ici que les substances alimentaires après cette 
première transformation arrivent véhiculées par le sang jusque dans 
l'intimité des tissus, où elles sont distribuées aux diverses cellules et 
aux substances intercellulaires. En réalité il n’en est rien: une deuxième 
étape est nécessaire; celle-ci a lieu à l’intérieur des amibocytes du sang 
et du tissu conjonctif. Et c’est là qu’il faut chercher l’explication de la 
richesse des amibocytes en ferments, — ferment protéolytique et oxydase 
dans les granulocytes, ferment lipolytique dans les lymphocytes. 

Dans le chapitre précédent j'ai déjà envisagé le rôle des neutrophiles 
dans le cycle des substances hydrocarbonées dans notre organisme. 
La fonction glycogénique est exercée non seulement par le foie, mais 
aussi par les neutrophiles; ainsi l’activité glycogénique ne peut pas être 
attribuée à un seul organe, de même qu'une autre fonction hépa- 
tique — formation de la bile dépend de l’activité des éléments mésen- 
chymateux — des cellules de Kupffer. 

Dans le processus d’assimilation et en général dans 
le cycle des matières albuminoides dans notreorganisme 
les neutrophiles jouent un grand rôle. Ce n’est pas seulement 
en qualité d’une armée de réserve pour les cas d’invasion microbienne 
que les neutrophiles possèdent une grande quantité de ferments protéo- 
lytiques: ce ferment intervient tout le temps dans l’acte le plus 
physiologique — dans l’assimilation des substances albu- 
minoides. 

Il en est de méme pour les graisses; ici ce sont les lymphocytes dont 
l’activité fermentative préside aux transformations de ces substances. 
En effet, c’est un point de vue trop finaliste et trop medical que de 
s’imaginer que le ferment lipolytique existe dans les lymphocytes dans le 
but providentiel de dissoudre l’enveloppe du bacille tuberculeux quand 
celui-ci pénètre dans un organisme donné. De même que le ferment 
glycolytique régle les échanges des substances hydro- 
carbonées et le ferment protéolytique -- ceux des ma- 
tieres albuminoides, — de méme la lipase des lympho- 
cytes joue un réle trés important dans le cycle des corps 
gras dans notre organisme. 

Et la cellule adipeuse que représente-t-elle sinon une cellule 
du mésenchyme remplie de gouttelettes de graisse? Et lorsque nous 
disons qu’une personne est disposée à la lipomatose, cela veut dire 
que son mésenchyme est du type lipomateux, ou en d’autres termes -— les 


1) Nous savons que dans certains cas si l’on donne à la chienne qui allaite du 
suif, on peut retrouver celui-ci dans le lait de la chienne. De même j'ai fait une ob- 
servation analogue à Théodosie pendant les années de la guerre civile et de la famine: 
la graisse du pore sentait le poisson et avait le point de fusion peu Alevé; or, on don- 
nait comme nourriture à ces pores un petit poisson nommé en Crimée ,.Kamea* et 


c’est la graisse de ce poisson qui passait très peu modifiée dans le pannicule adipeux 
des pores. 
Mais ce sont les cas plutôt exceptionnels et la règle générale est que la graisse 


venant de l’animal d’une autre espèce se transforme et acquiert les propriétés de la 
graisse de son hôte nouveau. 


Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blancs etc. 261 


cellules mésenchymateuses deposent avec une facilité exagérée dans 
leur protoplasma des gouttelettes graisseuses, tandis que l’action de la 
lipase se trouve inhibee, — il y a ici prédominance du processus de 
la formation des réserves graisseuses sur leur consommation; les graisses 
ne sont pas brûlées et ici nous sommes conduits à envisager un point 
encore assez peu connu, mais tres important pour comprendre le cycle 
des corps gras. Je veux parler d’un foyer puissant de production 
de la lipase; ce foyer se trouve dans les poumons; l’attention des 
physiologistes et des cliniciens n’a été attirée de ce côté que depuis 
quelques années. 

La doctrine de la digestion au second degré a cet avantage qu’elle 
embrasse tout un ensemble de faits isolés et disparates et leur donne 
un sens profond qu'ils n’avaient point sans cette théorie. La phago- 
cytose et tout le probléme de l’immunité ne sont qu’un 
cas particulier de cette doctrine de la digestion au 
second degré et retrent dans cette doctrine sans aucune difficulté. 

En effet, dès qu'on admet quil y a une infinité de ferments 


Textfig. XI. Le même cas de 
pagel amibienne. X 1500. — 

1. Plasmoc ae avec 4 corpus- 
cules de Russel. — Fig. 2. Ent- 
amoeba dysenteriae avec une 
hématie ingérée. A noter le vrai nu- 
cléole au centre du noyau; en effet 
ce pseudo-caryosome (ou pseudo-cen- 
triole) se colore en rose par l’éosine 


tandis que les grains de la chroma- 3 4 a Pa 
tine périphérique ont pris la teinte @ © \ Sf J 
Q ok 


yo 


~ 
/ 
O 





violette de l’hématoxyline de D ela- 
field. — Fig. 3—7. Petits lympho- \ 

cytes (constituent à peu près 70 °/, de N rá 
tous les éléments cellulaires de ce ~i — 
pus). Fig. 3-5. Petits lymphocytes 


3 = D'ARTS 
typiques. Fig. 6—7. Tendanceala 5 (ei 6 k 4 ; 
segmentation du noyau iid ® A À 
tence des lymphocytes). \ j New, NR. 


protéolytiques et qu’ils sont spécifiques (comme la clef adaptée a la 
serrure suivant la comparaison devenue classique de Fischer), on 
comprend que les neutrophiles pendant l’invasion d’un microbe donné 
ont appris a sécréter le ferment qui dissout ces bactéries (ces neutro- 
philes auraient fait la méme chose pour n’importe quelle particule 
solide ou dissoute) et gardent cette propriété acquise qui a l’avenir 
assurera l’immunité de notre organisme vis-à-vis de la bactérie dé- 
terminée. 

Il est vrai que déjà Metchnikoff affirmait que la phagocytose 
de même que l’immunité rentrent dans le cadre du phénomène de la 
digestion intracellulaire. Cependant cette conception doit être con- 
sidérablement élargie, — elle ne correspond que partiellement à ma 
manière de voir. Dans la doctrine de la digestion au second degré il ne 
s’agit plus de la digestion intracellulaire — celle-ci n’occupe qu’une 
place tout-à-fait secondaire, car elle a lieu pour ainsi dire accidentelle- 
ment. Dans la conception que je développe ici il s’agit d’un processus 
journalier, constant qui ne cesse pas pour un instant, processus 
par exellence normal et physiologique. Même dans l'organisme 


262, Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


qui reste a jetine pendant quelques jours, cette digestion au second 
degré se continue comme si de rien n’etait; il n’y a que cette difference 
que dans ce cas ce sont les réserves d’abord et ensuite la substance: 
propre de certains tissus de l’organisme en inanition qui sont assimilées 
par les amibocytes. 

On voit que la doctrine que j’ai formulée dans ce chapitre différe 
profondement de la conception trop morphologique de Metchnikoff. 

Je rappelle qu’on a fait un autre reproche a la doctrine de Metch- 
nikoff, — c’est qu'elle est finaliste. Et en effet d'après les vues 
de ce savant les microphages p. ex. ne serviraient qu'à combattre 
l'invasion microbienne, mais en temps ordinaire ces éléments n’auraient 
pas de fonction; ce serait une caste à fonction pour ainsi dire exclusi- 
vement militaire. Dans ma conception ce finalisme disparait, car les 
amibocytes continuellement prennent part dans le processus 
physiologique d’assimilation et non seulement dans le cas 
pathologique d’une infection bactérienne. 

En somme ce que je désigne par l'expression ,,digestion au second 
degré”, c’est le processus d'échanges intermédiaires qui de 
plus en plus attire l’attention des physiologistes et des cliniciens. 

On pourra m’objecter: comment concevoir que ces éléments mé- 
senchymateux épars puissent jouer un rôle important dans le méta- 
bolisme nutritif de l'organisme tout entier, quand il y a le tube digestif 
avec ses glandes annexes dont certaines sont les laboratoires chimiques 
puissants, — tels le pancréas et surtout le foie? 

A cette objection je répondrai en rappelant le changement important 
qu'a apporté l'étude des glandes endocrines dans nos conceptions sur 
le mécanisme des correlations du fonctionnement des divers organes. II 
y a quelques années on attribuait ce rôle uniquement au système 
nerveux: celui-ci a dû partager cette fonction avec le système endocrine. 
Il en sera de même pour les échanges intermédiaires — ce n'est pas 
seulement le tube digestif et ses glandes qui règlent le cycie des sub- 
stances alimentaires, mais encore ces glandes unicellulaires si riches 
en ferments de toutes sortes, ces éléments auxquels j'ai donné le nom 
de phago-néphro-endocrinocytes. 

Je dois rappeler que pour l’endothelium des capillaires on a été 
déjà obligé d'admettre qu'il ne s’agit pas là de simples phénomènes 
d’osmose, mais que les cellules endothéliales font subir des changements 
aux substances dissoutes qui passent à travers ces cellules. Les cellules 
endothéliales seraient sécrétrices au même titre que les cellules du 
filtre rénal. Là encore on n’a entrevu qu'un côté du probleme qui 
doit se poser, d’une façon beaucoup plus vaste, — toute cellule mésen- 
chymateuse (excepté les cellules transformées en fibres) jouit des pro- 
prictés sécrétrices, car, comme je l'ai déjà dit maintes fois, ce sont des 
phago-néphro-endocrinocytes. 


VI. Théorie du mésenchyme. 


Il y a un tissu dont le rôle était pendant longtemps méconnu, - - 
c'est le mésenchyme. En effet on considère le plus souvent le tissu con- 
jonctif comme un simple tissu de remplissage, ou tissu de soutien; il 
n'aurait qu'une seule fonction celle de relier entre eux les tissus 
dits „nobles“ qui forment en particulier le parenchyme de nos organes. 

Ce malentendu vient de ce que l’on oublie trop souvent que dans le 


Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blancs etc. 263 


tissu conjonctif il y. a deux sortes d'éléments très différents quant a 
leur fonction: élément inerte plus ou moins dense — substance inter- 
cellulaire (souvent fibrillaire), et éléments mobiles aptes aux diverses 
fonctions... 

Or,.si lon considère ces éléments mobiles — ces polyblastes, ces 
cellules migratices au repos etc., ou d’une façon générale ces amibocytes, 
on ne saurait leur attribuer trop d’importance. Ce sont ces cellules qui 
jouent un rôle capital à peu près dans tous les phénomènes physio- 
logiques et pathologiques. 

Comme nous l’avons déjà indiqué, à côté d’un organe excréteur 
massif — le rein, il existe des néphrocytes — amibocytes mé- 
senchymateux à fonction ‘ 2 
rénale. A côté des glandes 30.8 
endocrines massives il existe des 
endocrinocytes éparpillés 
dans tout l’organe; ces endocrino- | 
cytes forment p. ex. la glande s 
interstitielle du testicule, ou bien 255276, / 
disséminées dans le „tissu con- 9.079" gp i %9 
jonctif“ sous-cutané élaborent là | ` Qo \ ES 
les substances immunisantes. En- = Š 6.>= ASS 
fin, à côté del’appareildi- X 11 
gestif d’origine endodermi- (8, s 0 


\ 3 
que ilya le vaste système g Ay © Yo 


Textfig. XII. Eléments cellulaires 12 





des rachis dans un cas de ge - x 3. 14 15 
bronchite légère. — Fig. 1. Cellu ED 
poussières bourrée de gouttelettes grais- © 6 Q @ 9) OX 
seuses — Fig. 2. Cellule à poussières Q 9 % 


avec un corpuscule myélinoïde à stria- O 

tion concentrique; dans le noyau on 16 

distingue in vivo le nucléole. — Fig. 3 

—23. Delafield-éosine. X 1500. — QO 

Fig. 3. Eosinophile binucléé. — Fig. 4 | 

—18. Neutrophiles avec nombre diffé- O 

zn de I ep nucléaires. — Fig. 19. 
eutrophile pycnotique avec (a droite) 

un fragment du héntrophile- — Fig. 20. 20 21 22 23 

P anope périphérique dans un henao- / € , — 

phile non segmenté. — Fig. 21. Pyenose 

Pe forme en calotte — Fig. 22—23. Q le e © © 

Pycnose dans les neutrophiles avec le ue NE e 

noyau non segmenté. č 


phagocytaire et toxinophage qui exerce la digestion au 
second degré. 

Ainsi nous voyons combien le rôle du mésenchyme est important 
et multiple; ce tissu sans aucun doute doit être placé au premier plan, 
au point de vue médical du moins. : 

Dans toute une série des processus physiologiques les amibocytes du 
mésenchyme jouent un rôle très important à côté des éléments d’origine 
endodermique. Mais lorsque entrent en jeu les processus pathologiques 
tels qu'une invasion bactériale ou bien une intoxication, la défense de 
Yorganisme dans ces cas incombe exclusivement au mésenchyme. De la 
rapidité avec laquelle les amibocytes se mobilisent dans un organisme 
donné, de l’activité dont ils sont capables, dépend l'issue de la lutte 


264 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


avec l’agent infectieux. D'autre part, de l’intensité avec laquelle les 
amibocytes dans le foyer d’inflammation se transforment en fibroblastes 
depend la rapidité de la cicatrisation. 


Chacun de nous porte des staphylocoques & la surface de la peau 
et si des deux personnes ayant à peu pres le même état de santé et 
soumis au méme régime alimentaire et aux mémes causes de fatigue 
il n’y a qu'une qui présente la furonculose, c’est là une preuve de ce 
que son mésenchyme est débile et ne peut pas rapidement avoir raison 
du staphylocoque. 


On a énoncé qu'on a l’âge de ses artères; il serait préférable de 
formuler: on a l’âge de son mésenchyme, de même que l’état de santé 
et la faculté de résister aux maladies infectieuses sont déterminés par 
les propriétés du mésenchyme. 

Maintenant lorsque les médecins reviennent à l’importance des fac- 
teurs constitutionnels, on ne doit pas oublier que la théorie du mésen- 
chyme exposée ici a ses précurseurs qui affirmaient que le tissu con- 
jonctif est très important à considérer dans les questions concernant la 
pathologie humaine. Qu'on se rappelle que, avant que le terme arthri- 
tisme était proposé (Comby), on se servait d'expressions „syndrome 
fibroplastique“ (Bazain), ou bien ,diathèse fibreuse“ de 
Huchard. 

Bazain, Huchard et Gazalis considèrent le tissu conjonctif 
comme le substratum principal de la disposition aux diverses maladies. 
Pfaundler adonné une extension plus grande a cette maniére de voir 
en envisageant les proprétés constitutionnelles de tous les dérivés du 
mésenchyme — tissu conjontif, systéme vasculaire, tissu lymphatique, 
tissu musculaire lisse des vaisseaux, de l’intestin et d’autres organes. 

Mais alors, me dira-t-on, la théorie du mésenchyme ‘n’a rien de 
nouveau, — elle avait été déja formulée par plusieurs auteurs. 

En réalité, ces auteurs s’etaient occupés pour ainsi dire de l’autre 
côté de la médaille — de la tendance au développement exuberant du 
tissu fibreux, en d’autres mots ce sont les éléments inertes, peu actifs du 
tissu conjonctif qui étaient exclusivement envisagés par ces savants. 
Tandis que, au contraire, dans la théorie du mésenchyme ce sont les 
amibocytes— les éléments mobiles capables de phagocyter, 
néphrocyter et endocrinocyter, qui doivent nous préoccuper, car 
de leur activité dépend la résistance et d’une façon plus générale la 
constitution de l’homme. 

Le mésenchyme a déjà sa physiologie. Il a sa pathologie et il aura 
bientôt sa thérapie. 

La physiologie du mésenchyme (et ici comme partout je ne m’occupe 
que des éléments mobiles de ce tissu) peut se résumer dans l’expression: 
les amibocytes mésenchymateux sont des phago-néphro-endocrino- 
cytes. ; 

Comme exemple de processus pathologiques qui dépendent étroite- 
ment des qualités du mésenchyme on peut citer la furonculose. D’autre 
part on admet que les personnes avec un appareil réticulo-endothélial 
qui fonctionne bien ne peuvent pas avoir les tumeurs malignes; inverse- 
ment la présence du cancer implique la faiblesse du système réticulo- 
endothélial. Prof. Bogomoletz (1924) fait à ce sujet la remarque 
suivante (p. 227): „Il faut croire que de nombreux cancers prennent 
naissance et périssent sans atteindre le développement manifeste cli- 


Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blancs etc. 265 


niquement par suite d’une réaction macrophagocytaire suffisamment 
énérgique, réaction qui supprime la tumeur à l’état d’ebauche.“ 

En quoi peut consister la thérapie du mésenchyme? On pourrait 
croire que c'est une difficulté insurmontable — agir sur un seul tissu 
et surtout ce tissu étant répandu dans l'organisme d’une façon si diffuse. 
Mais il y a la possibilité d’avoir recours aux affinités particulières de 
ce tissu (se rappeler l’affinité pour le bleu de pyrrhol). Ainsi 
on a déjà essayé de bloquer l’appareil réticulo-endothélial au moyen des 
métaux colloidaux dans le but de supprimer la phagocytose des hématies. 


De plus il y a une région où le mésenchyme est tout à fait 
accessible pour nous, — c’est la peau Les amibocytes du tissu con- 
jonctif sous-cutané jouent, comme cela est démontré depuis quelques 
années, un rôle très important dans la formation des substances immuni- 
santes. D'autre part, si la fonction excrétrice de la peau atteint par- 
fois telle intensité qu’elle peut suppléer pendant quelques jours à l’in- 
suffisance complète des reins, il ne faudrait pas croire que les pro- 
cessus les plus essentiels se passent au niveau des glandes sudoripares — 
celles-ci ne font en somme qu’excreter, tandis que tout un travail 
préliminaire, beaucoup plus important et plus spécifique — sécrétion 
au sens propre de ce mot, a lieu auparavant dans les nephrocytes 
(= amibocytes) du tissu conjonctif sous-cutané. 


De cette façon les soins de la peau auxquels l'hygiène de toutes 
les époques et de tous les peuples attribue tant d'importance reçoit 
aujourd'hui une interprétation et une explication nouvelles. Dans les 
sciences médicales l’empirisme souvent précède la découverte du fonde- 
ment scientifique; il en était ainsi pour la signification de l’hygiène 
de la peau pour l’état de santé de l’organisme. Tous les procédés bal- 
néothérapeutiques qui améliorent le fonctionnement de la peau forti- 
fient notre organisme. 


Il reste encore un point très important que seules les recherches 
spéciales pourront élucider: quelle est la part qui revient à la consti- 
tution héréditaire et dans quelle proportion le mésenchyme peut être 
modifié par une éducation et entraînement appropriés? De plus, on 
devra instituer les méthodes cliniques permettant à l’aide de mani- 
pulations relativement simples de définir la constitution mésenchyma- 
teuse du malade donné (p. ex. en se servant de la réaction à l’intro- 
duction sous la peau de la toxine staphylococcique etc.). 


Je termine la première partie de ce mémoire. Avant de passer 
au cytodiagnostic je dirai quelques mots pour expliquer d’où vient cette 
multiplicité de fonctions que nous avons constatée chez les amibocytes 
mésenchymateux qui sont à la fois phago-néphro-endocrinocytes. En 
effet comment expliquer cette activité extraordinaire, ‘cette énérgie 
potentielle multiple et variée, sans exemple analogue dans les autres 
tissus ? 

L’embryologie permet de comprendre ces propriétés du mésen- 
chyme; elle nous apprend que le mésoderme provient de la zone de 
l'oeuf où se trouve le corps vitellin de Balbiani — ce foyer de syn- 
thèse où il y a le plus de ferments (en particulier de l’oxydase); rien 
d'étonnant que le tissu dont les éléments sont très riches en chondrio- 
somes et en ferments oxydants et autres, soit capable de déployer une 
activité sans précédent et dans plusieurs directions. 


266 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


VI. Principes généraux du cytodiagnostic. 


Au fur et à mesure que nos moyens d’investigastion clinique se 
perfectionnent et se compliquent les procédés de laboratoire y ob- 
tiennent une place de plus en plus prépondérante. Certains cliniciens 
sont même portés à déplorer cette tendance craignant qu'elle ne 
supplante finalement l'observation directe du malade. Ces craintes sont 
sans aucun doute exagérées. En effet ne voyons-nous pas de nos jours 
paraître un livre intitulé ,,Bctoscopie‘, où Dr. Edouard Weitz ex- 
pose comment par simple inspection du thorax on peut tirer toute une 
série d'observations aidant à faire le diagnostic? 

Si la plupart des travaux qui paraissent appartiennent au das 
des recherches de laboratoire, c'est que dans ce domaine il reste encore 
beaucoup à faire, tandis qu’il est extrêmement difficile d'approfondir 
p. ex. les méthodes de percussion et d’auscultation. D'ailleurs la dif- 
férence entre l'observation dite clinique et les procédés de laboratoire 
est souvent très conventionnelle. Ainsi il ny a pas longtemps une 
analyse complète de la morphologie du sang apparaissait presque comme 
un travail de recherches, tandis que, aujourd'hui, cette analyse est 
entrée dans la pratique journalière et se fait à propos de chaque 
malade: même on est habitué de désigner cette analyse de sang comme 
analyse „clinique‘. 

Une discipline médicale que nous devons aux travaux de O. Müller 
— la capillaroscopie nous a montré que la forme et la disposition des 
capillaires varient non seulement suivant divers types de constitution, 
mais aussi qu’elles sont modifiées d’une façon caractéristique dans 
certaines maladies. 

Plus on étudie les réactions de l'organisme plus on voit combien 
elles sont spécifiques. Le cytodiagnostic est précisément basé sur 
cette spécificité des réactions à un excitant déterminé (représenté 
le plus souvent par la toxine d’un microbe donné). 

On sait qu'il est d’un usage courant en clinique de conclure des 
éléments cellulaires d’un épanchement pleuritique ou ascitique à son 
étiologie. De même si dans le pus du liquide céphalo-rachidien ce 
sont les lymphocytes qui prédominent, il s’agit d’une méningite tuber- 
culeuse, car dans la méningite cérébro-spinale épidémique l'élément 
dominant est représenté par les neutrophiles (du moins pendant l’acmé 
de la maladie, car au début et vers la fin du processus il en est autre- 
ment). — C’est là le cytodiagnostic dont les bases ont été posées par 
Widal. 

Cependant on devait s'attendre à ce que poussée plus à fond l'ana- 
lyse des éléments cellulaires des liquides pathologiques donnerait plus 
de résultats; en d’autres termes à l’analyse quantitative de 
ces éléments cellulaires doit s’adjoindre une analyse 
qualitative. Prenons un exemple: souvent on dit à propos d’un 
liquide purulent quon y trouve des neutrophiles à divers états de 
dégénérescence, — cette simple constatation ne donne presque rien; 
or souvent tel ou tel mode de changement nécrobiotique est pathogno- 
monique pour tel ou tel microbe, c’est à dire que ce changement 
est spécifique. 

Ainsi pour ce qui concerne la dégénérescence des neutrophiles j'ai 
pu constater les 6 modes suivants: 1) par pycnose du noyau; 2) par 
chromatolyse du noyau, ce qui aboutit à la formation des ..nébu- 


Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blancs etc. 267 


leuses“ (ou bien ,,aires granuleuses“); 3) par énucléation, ce ‘qui 
donne les ,,ombres des neutrophiles‘‘; 4) dégénérescence graisseuse; 
5) gonflement hydropique du noyau (caryophyseme); 6) de- 
generescence aqueuse ou hydropisie du cytoplasma. Je dirai quel- 
ques mots à propos de chacun de ces modes de dégénérescence. 

1) On connait suffisamment l’aspect d’un neutrophile avec le noyau 
en pycnose. En examinant ces neutrophiles de plus prés on peut 
distinguer les cas où les segments du noyau sont entièrement trans- 
formés en une spherule qui se colore d’une facon extrémement intense 
par les colorants basi- 


ques, tandis que dans Qo 

d’autres neutrophiles Qee | 
la partie centrale des @ 9 
segments nucléaires à RA a 





reste claire, ou bien la 
partie colorable forme 
une sorte de crois- .o 

es 


sant plus ou moins . p ne, 2 
épais. u ee = a 
o g 


Textfig. XIII. Elé- A + e © 

ments cellulaires d’un cas 4 s 5 6 7 
de coli-pyélitis (petite fille 
de 3 ans). — Fig. 1—3. In 
vivo. Fig. 4—19. Héma- 
toxyline ferrique de Hei- 
denhain-éosine. X 1500. 
— Fig. 1-2. Neutrophiles 
(le noyau se voit trés nette- 
ment; dans la fig. 1 on 
distingue méme la couche 
de chromatine périphéri- 
que). — Fig. 3. Plasmocyte; 
la structure du noyau est 
très nette sur le vivant. — 
Fig. 4—5. Plasmocytes. 
A noter que les corpuscules 
de Russel sont sidéro- 
philes — ils se colorent en 
noir foncé. — Fig. 6—16. 
Neutrophiles non se BE 
tés et segmentés. — g.l 
—19. Neutrophiles bed 
pycnotique. 





16 17 18 19 


Dans la plupart des cas il s’agit la de stades peu avancés qui 
aboutissent dans la suite a la pycnose complete. On note pour tous ces 
neutrophiles que leur protoplasme devient plus dense, plus homogéne 
et se colore avec plus d'intensité par l’éosine. Ces changements dans 
les propriétés du plasma des neutrophiles doivent être attribués à la 
dégénérescence albuminoide qui est accompagnée de la dissolution des 
granulations neutrophiles ainsi que d’une déshydratation partielle, d’où 
la consistance plus dense et méme une diminution de la taille; en effet 
les dimensions des neutrophiles à noyau pycnotique sont au dessous des 
dimensions moyennes des neutrophiles normaux. Le premier indice du 
début de la pycnose consiste en ce que les segments du noyau s’éloignent 
lun de l’autre et alors on distingue très nettement grace à cet éloigne- 


268 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


ment les tractus qui relient les segments entre eux; quand il y a, comme 
cela arrive souvent, quatre segments nucléaires, il se disposent en croix 
— c'est le temps de quadrille des segments; les tractus s’entrecroisen.t 
et l’ensemble présente un aspect trés caractéristique. Déja & ce moment 
les segments nucléaires ont une structure assez dense et par suite d’une 
rétraction (perte d’eau) sont plus petits que d’ordinaire. On peut dé- 
signer ce stade par le terme prépycnose. 

La degenerescence des neutrophiles par pycnose est surtout fré- 
quente dans le pus des furoncles, où 10 à 20°), de neutrophiles sont 
frappés de ce processus. Dans le pus gonococcique il n’y a en général 
que 1—3 0/, des neutrophiles pycnotiques. 

2) La chromatolyse du noyau s’observe toujours dans le pus sta- 
phylococcique. Le contenu du noyau se résout en une sorte de poussière 
chromatique, la membrane nucléaire a ‘disparu et la poussiére chro- 
matique s’eparpille dans toute la zone plasmatique; on trouve des neutro- 
philes ot la zone plasmatique non envahie encore par la chromatine est 
relativement considérable et ensuite devient de plus en plus petite; 
& la fin tout le cytoplasme est inondé de ces granulations trés fines de 
chromatine et alors on a laire granuleuse (ou bien la ,,nébuleuse‘‘) 
completement constituée; celle-ci par la double coloration hématoxyline 
de Delafield -éosine se colore uniquement par l’hématoxyline. Souvent 
dans le semis de grains tres fins il y a une ou deux spherules chro- 
matiques de dimensions variables. Autour de ces nébuleuses on ne con- 
state pas de traces de la membrane cellulaire: c’est un amas de grains 
extrêmement fins et tous à peu près de la même taille, amas à contours 
non délimités et souvent anguleux; ces grains cependant se tiennent 
ensemble grâce à une force de cohésion assez grande. 

La formation des aires granuleuses s’observe dans le pus des 
furoncles, dans celui de l’ostéomyélite, de même que dans le pus 
aseptique que l’on obtient en injectant sous la peau l’essence de téré- 
benthine. 

3) Dans le pus qui a subi une macération dans l’organisme on 
trouve un certain nombre de neutrophiles sans noyau. Sans aucun 
doute le noyau a été ici rejeté dans le milieu extérieur et n’a point 
dégénéré sur place, car le protoplasme a absolument les mêmes pro- 
priétés tinctoriales que dans les neutrophiles normaux nucléés; d’ailleurs 
les granulations neutrophiles dans les uns comme dans les autres 
apparaissent peu nettement, car elles ont été dissoutes aprés la mort 
de ces corpuscules du pus. Les neutrophiles anucléés (il serait plus 
exact de dire — énucléés) ont les dimensions plus petites en moyenne, ce 
qui s'explique précisément par la rétraction consécutive à la sortie 
du noyau. 

Dans le pus de la balanite chez un malade avec le typhus exan- 
thématique j'ai trouvé 8 à 10 %/, de ces neutrophiles anucléés (= om- 
bres de neutrophiles). On les observe également dans la pyorrhée al- 
véolaire et dans les dysenteries. 

4) La dégénérescence graisseuse se rencontre dans les neutro- 
philes de certains crachats et en général dans les collections puru- 
lentes qui ont été retenues pendant quelque temps dans l'organisme. 
Dans les abcès à évolution lente on constate généralement que ia masse 
principale du pus est constituée par un détritus dans lequel les goutte- 
lettes graisseuses sont particulièrement nombreuses; quant aux éléments 
figurés on n’y note que quelques neutrophiles renfermant les gouttelettes 





Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blancs etc. 269 


` 


refringentes de la même taille que celles qu’on observe tout autour à 
létat libre; il est évident que les gouttelettes de graisse. libres pro- 
viennent, au moins en grande partie, des neutrophiles dont la dégénéres- 
cence graisseuse avait abouti à une fragmentation complète. 

5) Le gonflement hydropique du noyau des neutrophiles a été ob- 
servé plusieurs fois dans le pus de la dysenterie bacillaire. Il s’agit 
ici d’une hydratation du noyau qui se fait probablement pendant l’agonie 
des neutrophiles. Les segments nucléaires se gonflent, leur chromatine 
se colore très faiblement avec l’hematoxyline de Delafield et autres 
colorants basiques. Je n’ai pu établir les conditions qui provoquent cette 
hydropisie du noyau. D'ailleurs le protoplasme s’imbibe d’eau égale- 
ment — ces neutrophiles ont des dimensions qui dépassent celles des 
neutrophiles ordinaires; souvent leurs contours sont polygonaux par 
pression réciproque. 


Textfig. XIV. Fig. 1—7 
po et plasmophages. 
ela field -éosine. 1500 
Colite ulcéreuse]. — Fig. 1. 
ymphoplasmocyte — forme 
de passage entre le petit lym- 
: hocyte et le plasmocyte. — 
Fig . Plasmocyte avec deux 
corpuscules de Russel. — 
Fig. 3. Plasmocyte avec noyau 
& membrane distendue qui va 
se déchirer bientöt (début du 
caryorhexis). — Fig. 4. Deux 
plasmocytes accolés avec leurs 
noyaux déjà fragmentés. — 
Fig. 5. immense presen- 
tant le mode d’ingestion bi- 
polaire. — Fig. 6. Plasmo- 
phage ayant phagocyté quatre 
neutrophiles (ingestion unipo- 
laire). —- Fig. 7. Plasmocyte 
pan (60 u de diamètre) avec 
locs de chromatine et les cor- 
uscules de R ussel. — Fig. 8. 
ymphocytes du pus de la dys- 
enterie amibienne; à noter la 
segmentation légère du noyau. 





A. ce changement de structure nucléaire se rattache un type très 
particulier de dégénérescence que j’ai observé dans les neutrophiles du 
pus méningococcique et gonococcique — c’est une hypertrophie vesiculaire 
du noyau ou caryophyséme (terme proposé par Dangeard pour 
un phénoméne analogue chez les Protistes). Les segments nucléaires 
grossissent sans que le processus soit accompagné d’enrichissement en 
chromatine; à cause de cela ces segments sont très pauvres en chro- 
matine, on ne voit que quelques tractus traversant l’aire nucléaire 
devenue très vaste; le noyau a lair d’une vésicule traversée par 
les tractus; les segments nucléaires s'appliquent étroitement l’un contre 
l’autre et finalement arrivent à avoir telles dimensions qu’ils remplissent 
entièrement tout le neutrophile, et à ce moment on pourrait prendre 
celui-ci pour un ,,noyau libre“. 

6) La dégénérescence aqueuse consiste en une vacuolisation du 
cytoplasme; ce processus aboutit à la formation d’une seule vacuole 
énorme qui ne laisse qu'un mince liséré protoplasmique périphérique 


270 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


dans lequel sont placés les segments nucléaires qui tantôt se tiennent 
ensemble tantôt sont séparés. Cette partie de mes observations a été 
faite surtout d’après l’examen des frottis fixés et colorés. Ainsi il 
est possible qu’il s’agit ici toujours de la dégénérescence graisseuse 
et alors l’analogie de ces neutrophiles avec les cellules adipeuses du 
tissu conjonctif serait frappante. 


Je n'ai observé jusqu'ici cette vacuolisation des neutrophiles que 
dans le pus de la gonorrhée chronique. 


Ainsi nous voyons que l'étude des neutrophiles seuls peut donner 
déjà de nombreuses indications. Mais dans la plupart des cas il y a 
d’autres éléments cellulaires dans le pus; les caractères de ces éléments 
peuvent aussi varier et servir dès lors comme autant de critères 
permettant de reconnaître le pus d’une origine déterminée. 


Au début de mes recherches je notais le pourcentage des neutro- 
philes présentant le mouvement Brownien, car, comme on sait, certains 
auteurs admettent que ce mouvement dans les neutrophiles est lié à 
la mise en liberté de ferment protéolytique en grande quantité et pour 
ces auteurs ce processus dans les affections des voies respiratoires 
pourrait servir pour le prognostic. Je crois que lorsqu'il s’agit du 
pus qui peut séjourner dans l’ulcération un temps variable, il y a trop 
de facteurs accidentels qui ont’ une influence sur le mouvement Brownien 
des granulations dans les neutrophiles pour que l’on puisse attribuer 
à la présence ou l’absence de ce mouvement un intérêt quelconque. 
Dans l’explication de mes figures on trouvera les indications a ce 
sujet. 

Ainsi avant de fixer et colorer les neutrophiles d’un pus donné 
il est nécessaire de les observer in vivo et d’avoir recours aux réactions 
microchimiques; de cette façon on note la mobilité, mouvement Brow- 
nien, réserves glycogéniques, réserves graisseuses. Ces constatations 
sont complétées par l'examen des préparations définitives. 


VIII. Pyogrammes. 


Voici quelques exemples de pyogrammes que j’ai pu établir jusqu’ici 


Staphylogramme. 
Neutrophiles . . 53 ele 67° | 
A avec noyau fortement segmenté (plus de4 t segments) ee lo 89°, 
avec noyau pranokigys 22 „ | 
Granulosa (nébuleuse) . ` 5 
Lymphocytes 28 meen” wat) EC ae Seas 
Fosinophiles n < > 8 An Aa Suds gp de di wt & OBS 
Monocytes SE ae a eee ap ay naar 2° Ds s 
Monophages . 25 
Méningogramme. 
Neutrophiles s. o je wa a le ce meh Se 49 of 830 | 
= avec noyau très segmenté. . . . . . . . 34 h) lo 88°}, 
š avec noyau pyenotique. . oa e lg | 
hi avec noyau hyperirophiė (Kernschatten) NE a 
en SR Gage askin ¢ Rc her Met eS, Jee ter Lie 
onocytes z AD Phe Aare a ee Bay RO 
Monophages (grands) S Vorher MY EC Boe. Aal War a, evens 
= (petits) ee ee VEL fast APP m Py 





Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blancs etc. 271 


Gonogramme. 
Neéutrophiles: «i. 2. An 2 Senin eG À 0 ORS 
3 à noyau fortement segmenté . . . . . .22,,%92%, 93 °/ 
5 à noyau en bâtonnet . a ee ° 
PA à noyau pyenotiue . .. . . . LS 
Pr à noyau he percrophié (Kernschatten) . . 5, 
Histiophages . . . wy aie bre tay La de BE Ue 
A] 


Plasmophages (binuclées) 3 


A propos du méningogramme je dois signaler que le caractère de 
nombreux segments nucléaires (jusquà 9—10) dans les neutrophiles 
se constate également dans les neutrophiles du sang périphérique. 
Comme nous le verrons à propos de la pyorrhée alvéolaire il y a 
parallélisme entre l’hémogramme et le pyogramme au point de vue du 
nombre des segments nucleaires dans les neutrophiles. 

Le gonogramme exige quelques commentaires. Nous avons ici 
deux catégories de macrophages: histiophages et plasmophages; les uns 
et les autres se rencontrent à peu près avec la même fréquence ce 
que je n’ai observé dans aucun pus ailleurs. — On pourrait pour fixer 
les idées dire que le gonocoque se signe des deux mains. La signature 
de ce microbe a encore un trait caractéristique: presque tous les 
plasmocytes (à l'exception de tout petits) sont binucléés et les deux 
noyaux sont toujours absolument au même stade. 

Certains aspects plaident en faveur de ce que ces plasmocytes 
sécrètent une substance qui prépare les gonocoques — les sensibilise 
en quelque sorte, et ce n’est qu'après cette sensibilisation que ceux-ci 
pourraient être phagocytés par les neutrophiles. Ainsi la figure 15 
de la pl. IV évoque les idées d’Ehrlich sur les haptophores etc. 1). 

Dans le pus de la gonorrhée chronique on trouve également les 
plasmocytes, mais ici ils sont toujours très petits et sont sauf la 
présence de corpuscules de Russel si peu caractérisés qu'on peut 
se demander si ce sont bien là les plasmocytes et non des cellules 
tissulaires quelconques (p. ex. les cellules des assises profondes de 
l’epithelium uréthral ou vésical). Le même doute pourrait du reste 
être formulé à propos des plasmocytes binucléés de la gonorrhée 
aiguë; on sait en effet qu’il y a des cellules binucléées qui proviennent 
de certaines régions (du trigone de Lieutaud dans la vessie) qu’on peut 
quelquefois difficilement distinguer des plasmocytes. L'absence dans 
les premiers éléments de corpusceules de Russel pourrait trancher la 
difficulté, quoiqu'il ne faudrait pas croire que les corpuscules de 
Russel ne se rencontrent que dans les plasmocytes. 

Dans les uréthrites paragonorrhoïques on ne trouve ni plasmocytes 
ni neutrophiles avec le caryophysème. 

Ainsi on peut facilement distinguer ces trois pro- 
cessus pathologiques: gonorrhée aiguë avec ses plasmocytes 
binucléés et les neutrophiles à caryophysème; gonorrhée 
chronique avec ses plasmocytes(?) petits et uninucléés; 
infection paragonorrhoique — pas de plasmocytes, pas de 
neutrophiles a caryophyseme. 


1) Je ne puis pas entrer ici dans les détails de ma conception de l’immunité, car 
cela m’aurait entrainé trop loin. Cependant je dois noter que si le ferment protéo- 
lytique non spécifique (= complément) est formé par les neutrophiles (les granulations 
neutrophiles représentant le proferment. une sorte de trypsinogène), ’ambocepteur doit 
étre fourni par les ambocytes uninucléés (lymphocytes, plasmocytes, monocytes). Je 
reviendrai ailleurs sur cette question très importante. 


272 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


On sait combien peu de garanties donne l'analyse bactérioscopique 
(et même bactériologique) de la sécrétion vaginale, même si cette 
dernière a été prélevée du col de l’utérus; on ne trouve pas de gono- 
coques malgré les recherches réitérées et cependant la femme est par- 
faitement contagieuse. La flore bactériale très riche du vagin ne permet 
pas de déceler le gonocoque, mais il persiste en quantité suffisante 
pour déterminer le coit contaminant. Le cytodiagnostic peut rendre 
dans ces cas des services inappréciables: la signature du gonocoque 
est comme nous l'avons vu extrêmement nette, et, si dans un cas 
donné la formation du pus doit au moins en partie être attribuée 
à la présence du gonocoque, on reconnaîtra cette présence en étudiant 
la formule cytologique du pus sans avoir besoin de voir le gonocoque 
lui-même 1). : 

J'aurais pu multiplier ces exemples, mail le 
travail dans cette direction n’est pas encore terminé 
et je compte revenir à ce sujet plus tard. Un fait 
bien établi est que les pyrogrammes sont spé- 
cifiques. 

Depuis assez longtemps on sait que les carac- 
tères des granulomes varient suivant l’agent pa- 
thogène; ainsi le granulome syphilitique diffère 
du granulome tuberculeux etc. Cependant per- 
sonne n’a eu l’idee de voir si dans le pus, dans 
ce liquide plus ou moins visqueux blanc-jaunâtre, 
on ne peut pas déchiffrer la signature du microbe 
pyogène. 


Textfig. XV. Involution et évolution du plasmocyte. 
A gauche — processus d’involution aboutissant à la formation 
du détritus. A droite — plasmophage-avec deux neutrophiles 
ingérés et plus bas — plasmophage géant avec 5 neutrophiles 
phagocytés. 





Il faut noter que le microbe joue un rôle essentiel dans la consti- 
tution des pyogrammes, tandis que la localisation est beaucoup moins 
importante. Ainsi p. ex. le pus d’ostéomyélite et celui des 
furoncles sont identiques et cependant la différence de locali- 
sation est assez grande. 


Cependant il faudrait avoir un point de départ, un critère pour 
pouvoir distinguer ce qui revient à un microbe donné et ce qui doit 
être rapporté à la nécrose banale réalisée p. ex. à laide d’agents chi- 
miques. Dans ce but j'ai fait l observation suivante: j'ai injecté à un 
paralytique général sous la peau 0,2 d’essence de térébenthine; l’abces 
mûr était ouvert 6 jours après et dans le pus aseptique de cet abcès 
(comme les ensemencements l'ont montré il était stérile) j'ai retrouvé 


1) Ainsi dans un cas d’une arthrite et écoulement vaginal, cas qui paraissait un 
peu suspect à mon collégue le chirurgien- prof. Sitkowski, celui-ci ma prié 
d’examiner le pus pris du col de l’uterus; j'y ai constaté exclusivement des neutro- 
hiles d’od j’ai conclu à Pabsence de gonocoques; il y avait là de très nombreux 
Trichomonas vaginalis; sans décider si ce Flagellé peut déterminer les colpites 
catarrhales, jai formulé que ce n'était pas en tout cas une infection gonococeique, mais 
une catarrhe peut-être causé ou seulement entretenu (car cette question n’est pas en- 
core élucidée) par Trichomonas. Diverses constatations cliniques ainsi que les 
suites du traitement avaient confirmée cette conclusion tirée du eytodiagnostic. 


Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blancs etc. 273 


à peu près la même formule que dans le pus des furoncles: les neutro- 
philes avec un pourcentage de noyaux pycnotiques considérable, les 
nebuleuses et les gros monocytes avec les gouttelettes graisseuses très 
réfringentes in vivo (fig. VI dans le texte 1—5). Fait curieux: ces 
monocytes contrairement a ce qu’on observe dans le pus staphylococcique 
ne fonctionnent pas comme macrophages; c’est à peine si en cherchant 
dans plusieurs préparations on en trouve un avec seul élément cellulaire 
ingéré; le pouvoir phagocytaire des monophages est ici 
inhibé et cela fait une différence essentielle avec le pus provoqué 





a 


Textfig. XVI. Trois categories de macrophages. La série de gauche (de haut en 
bas): plasmocyte — plasmophage; la rangée moyenne: monocyte — monophage (une sorte 
de sac avec 20 neutrophiles ingérés); la rangée droite: histiocyte — A (à noter les 
contours ee du noyau). L = lymphocyte (ou bien Stammzelle); Pl = plasmocyte 
— plasmophage; Mo = monocyte — monophage; Hi = histiocyte — histiophage. 


par les staphylocoques, où il n’est pas rare de rencontrer les monophages 
avec 10—20 cellules englobées. 

Néanmoins il faut bien reconnaître que la ressemblance entre le 
pus aseptique et le pus staphylococcique est grande. Comment peut-on 
expliquer cette ressemblance ? — Ne savons-nous pas que dans la 
furonculose la succession des phénomènes est suivante: la nécrose se 
produit premièrement et ce n’est qu’ensuite, secondairement, qu'il y a 
formation du pus — c'est à dire réaction leucocytaire et liquéfaction 
des éléments tissulaires, Dès lors il faut s'attendre à ce que le pro- 

Erste Abt. Orig. Bd. 101. Heft 4/5. 18 


274 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


cessus ici sera tout pareil à celui qui s’observe dans la nécrose des 
tissus causée par l’essence de térébenthine. 

Il me manque encore le streptogramme et c’est la une lacune im- 
portante. Quand elle sera comblée étant donné que les signatures des 
microbes pyogenes les plus communs sont enregistrees, les chirurgiens 
profiteront grandement de ces pyogrammes: un quart d’heure apres avoir 
ouvert un abcés (10 minutes pour l’execution du frottis humide, 5 mi- 


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Textfig. XVII. Schéma; — à gauche le foie, à droite le testicule. K = cellule de 
Kupffer (élément du mésenchyme) avec lhémoglobine des hématies ingérées élabore la 
bilirubine qu'elle rejette dans les capillaires (c’est la sécrétion interne); la cellule hépa- 
tique fixe cette bilirubine, la transforme en bilirubine donnant la réaction directe de 
H. v. d. Berg et la sécrète dans les conduits hépatiques (c’est la sécrétion externe du foie). 

A = cellule interstitielle (élément du mésenchyme) qui aux dépens d’un matériel 
spécifique (détritus qui n’a pas été utilisé pendant la spermiogenèse) élabore des lipoïdes 
(ineret) qui arrivent dans les capillaires et exercent leur rôle de hormone sexuelle. A 
gauche — la sécrétion externe du testicule — production des spermatozoïdes. 

Dans les deux cas il y a un enchévétrement de la glande endocrine mésenchyma- 
teuse avec le parenchyme de l'organe. 


nutes pour l'examen) il connaîtra l’étiologie de cet abcès sans s'adresser 
aux procédés bactériologiques (ensemencements etc.). On gagne ainsi 
du temps et on peut très rapidement recourir à la séro- ou vaccino- 
thérapie spécifique. 


Postscriptum. 
Pendant la correction des épreuves je me rends compte que dans 
le désir d'être bref et concis j'ai passé trop vite sur certaines questions 
importantes et je me permets de les reprendre ici point par point. 


Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blancs ete. 275 


1) Tout d’abord à propos des monophages. Le type le plus fré- 
quent des macrophages c'est celui décrit par Metchnikoff; il dérive 
du monocyte sans que l’on puisse préciser dans chaque cas particulier 
la nature de ce monocyte. Certains arguments plaident en faveur de 
ce que ce ne sont pas en tout cas les histiocytes d Aschoff-Kiyono 
qui donnent mes monophages, ainsi p. ex. mes observations sur les 
macrophages dans la leishmaniose. Comme on sait, la leishmaniose in- 
fantile (de même que Kala-Azar des adultes) est une maladie où le 
systeme reticulo-endothelial est électivement atteint: le parasite se mul- 
tiplie dans les splenocytes, dans les cellules de Kupffer du foie et 
autres éléments de l’appareil réticulo-endothélial (en particulier dans 
les cellules & poussiéres du poumon ce qui démontre bien la nature 
mésenchymateuse de ces éléments sur laquelle je reviendrai dans un 
travail prochain). Or, j’ai pu observer dans la Clinique Protistologique 
le fait suivant: dans certains frottis réussis là où les éléments de la pulpe 
splénique sont bien conservés, on note que les cellules réticulaires de la 
rate renferment un grand nombre de leishmanies (plusieurs dizaines) 
et sont colorées avec Giemsa en bleu ciel, tandis que à côté de ces 
éléments spléniques se trouvent (plus rarement) de grosses cellules avec 
le protoplasma très pâle (couleur cendre claire) dans lesquelles on ob- 
serve quelquefois une—deux—trois leishmanies en état de dégénérescence 
évidente, — pn ne distingue plus de traces de cytoplasme du parasite, 
les noyaux et les blépharoplastes sont le plus souvent éparpillés à une 
distance plus ou moins grande; en d’autres mots on assiste ici, à diverses 
phases de la digestion des leishmanies. Ces éléments sont pour moi 
des monocytes qui phagocytent les leishmanies; ici il ne s’agit 
plus de parasitisme, mais de la phagocytose. Ainsi notre Pro- 
tiste vit en parasite dans les splénocytes et autres éléments du système 
reticulo-endothelial, il y prospère et se multiplie, tandis qu’il est phago- 
cyté et digéré dans les vrais monocytes. 

Cette différence profonde d'ordre biologique nous démontre pre- 
mièrement que les ferments des monocytes et des cellules réticulaires ne 
sont pas identiques, et secondement que le pont qu’on à cru pouvoir 
jeter entre les globules blancs du sang et l’appareil réticulo-endothélial, 
pont basé sur la conception d’Aschoff — les monocytes sont toujours 
des Bluthistiozyten, n’est pas bien solide.et se rompt sous le poids de 
certaines observations. 

2) Mes histiophages ne dérivent pas des histiocytes sensu Aschoff- 
Kiyono. Je réserve le terme histiophages aux éléments phagocytaires 
provenant des cellules endothéliales. Ces histiophages gardent souvent 
encore les traces de leur origine tissulaire; on voit en particulier que ces 
éléments avaient pris part à la constitution d’un tissu grâce à leur 
forme polygonale et à l’aspect rigide du noyau. La mobilité et le pouvoir 
phagocytaire de ces histiophages (— cellules endothéliales devenues libres) 
sont très limités. 

3) Mes observations sur la transformation des plasmocytes en ma- 
crophages (plasmophages) démontrent que l’opinion d’après laquelle 
lesystème macrophagaletl’appareil réticulo-endothélial 
sont synonymes est erronée. En effet la notion du systéme 
macrophagal est plus vaste puisqu’elle renferme les plasmo- 
phages, qui sont, comme je l’ai montré avec la derniére évidence, les de- 
rivés directs des lymphocytes. Par ses mémes observations j’ai établi une 
liaison entre les globules blancs du sang et l’appareil réticulo-endo- 

18* 


276 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


thélial, — cette liaison qui serait formée par les Bluthistiozyten si la 
conception de Schilling (tous les monocytes sont des histiocytes 
d'Aschoff-Kiyono) était exacte. 

Nous partons d’un lymphocyte, et que ce soit un plasmocyte ou 
un monocyte, nous aboutissons à un élément macrophagal — plasmo- 
phage dans le premier cas, monophage dans le deuxième. 


Index bibliographique. 

Alexeieff, A., Sur la question du noyau chez les bactéries. (Arch. f. Protistenk. 
1924.) — Anderson, John, A study of dysentery in the field. With special reference 
to the cytology on early and accurate diagnosis. (Lancet. 1921. Nov. 12.) — Babkine, 
Recherches sur les modifications des organes hémopoiétiques pendant l’inflammation asep- 
tique. [Thèse.] Pétersbourg 1910. [En russe.] — Bogomoletz, Physiologie te Lou 
Saratoff 1924. [En russe] — Maximoff, A., Traité d’histologie. 1918. |En russe.] — 
Samsonoff, Sur les éléments migrateurs de la muqueuse de l'intestin des Mammifères. 
[Thèse.] Pétersbourg 1908. [En russe.] — Soloucha, N., Sur les éléments cellulaires 
du tissu conjonctif des oiseaux à l’état normal et dans l’inflammation. [Thèse.] Péters- 
bourg 1908. [En russe.] 


Explication des planches. 
Planche I. 
Plasmocytes et plasmophages du pus de la dysenterie amibienne. Coloration à 
l’hématoxylne de Delafield-éosine; 1500. 
Fig. 1. Deux plasmocytes accolés. Le plasmocyte supérieur est binucléé; un des 
deux noyaux est fragmenté. Dans le plasmocyte inférieur on voit deux corpuscules de 
Russel colorés par l’éosine en rose très vif (corpuscules fuchsinophiles ou bien 60sino- 


hiles). 

p Fig. 2. Plasmocyte avec plusieurs corpuscules de Russel. 

Fig. 3. Plasmocyte avec une hématie ingérée (placée dans la vacuole digestive). 

Fig. 4. Plasmocyte avec un corpuscule de Russel. 

Fig. ee Plasmocytes de différentes tailles avec nombre variable de corpuscules 
de Russel. 

Fig. 9. Plasmocyte binucléé. 

Fig. 10. Plasmocyte binucléé avec un neutrophile phagocyté. 

Fig. 11. Plasmocyte dont le noyau vient de se désagréger (on apergoit encore les 
limites de la zone nucléaire). | 

Fig. 12. Dans ce plasmocyte les vestiges même de la membrane nucléaire ont 
disparu, cependant les blocs de chromatine restent agglomérés. 

Fig. 13. Deux plasmophages accolés; celui d’en bas a phagocyté un éosinophile. 

Fig. 14. Plasmophage à noyau fragmenté en 5 blocs a ingéré un éosinophile et 
un neutrophile. 

Fig. 15. Petit plasmophage avec une sphérule de chromatine (en noir) et un cor- 
puscule de Russel renferme un neutrophile phagocyté. 

Fig. 16. Plasmophage avec deux neutrophiles ingérés (ingestion bipolaire). 

Fig. 17. Plasmophage — forme en croissant (ingestion monopolaire) ayant ingéré 
un neutrophile et trois éosinophiles placés tous les quatre dans une vacuole digestive 


Fig. 18. Fragment d’un plasmophage renfermant un éosinophile ingéré. 

Fig. 19—20. Plasmophage avec blocs de chromatine et corpuscules de Russel. 
Fig. 21. Deux plasmophages accolés. 

Fig. 22. Plasmophage avec quatre sphérules chromatiques et deux corpuscules de 


‘ig. 23. Plasmophage avec un morceau accolé (celui-ci provient peut-être de ce 

même plasmophage). 

4 Fig. 24. Plasmophage avec une grosse sphérule chromatique et un gros corpuscule 
e Russel. 

Fig. 25. Lymphocyte à noyau assez typique; dans le plasma on constate déjà les 
corpuscules de Russel — anticipation du processus de dégénérescence dans le plasma 
sur l’involution du noyau (pas de pycnose périphérique). 

Fig. 26—27. Morceaux des plasmophages renfermant des sphérules de chromatine 
et des corpuseules de Russel. 

Fig. 28—30. Morceaux de plasmophages avec les corpuscules de Russel. 

Fig. 31. Morceau d’un plasmophage fragmenté renfermant une hématie placée 
ans la vacuole digestive. 


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Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blancs etc. 277 


Planche II. 


Eléments du pus d’un furoncle [pris le 5”* jour, lorsque le furoncle était tout à 
fait mûr; pus liquide strié de sang]. 

Fig. 1. Elément lymphoide — probablement point de départ pour la formation 
de monocyte tel que celui représenté par la fig. 2. 

Fig. 2. Monocyte avec noyau typique — pauvre en chromatine (les détails du 
cytoplasme n’ont pas été dessinés). 

Fig. 3. Monophage de taille moyenne (= gros monocyte) ayant englobé un 


ere e. 
ig. 4 Monophage avec trois éléments cellulaires ingérés. 

Fig. 5. Gros monophage ayant phagocyté quatre cellules placées chacune dans 
une vacuole digestive spéciale (mode d’ingestion pluripolaire). A noter la structure fila- 
menteuse du noyau. 

Fig. 6. Monophage de forme cylindroide avec cing éléments cellulaires englobés. 
A noter la forme particulitre du noyau — en pépin de raisin (avec un nucléole). 

Fig. 7. Monophage avec deux neutrophiles phagocytés et les restes d’autres éléments 
cellulaires presque complètement digérés. A noter la forme du noyau qui est incurvé 
entre les particules ingérées. 

Fig. 8. Gros monophage avec plusieurs neutrophiles à moitié digérés et placés 
dans des vacuoles digestives. Les vestiges d’autres éléments cellulaires phagocytés sont 
plongés directement dans le cytoplasme du BBOBDERSE: 

Fig. 9-10. Monophages figurant les corps en demi-lune. Dans l'énorme vacuole 
digestive centrale sont placés les neutrophiles phagocytés (phénomène d’agglutination). 

Fig. 11. Monophage de grande taille représentant une sorte de sac à paroi mince 
bourré de neutrophiles ingérés (parmi ceux-ci un éosinophile). 

Fig. 12. Cellule géante multinuclée — d'origine tissulaire — comp. avec la fig. 
dans le texte IX, 2 à 6 

Fig. 13. La division du noyau se fait suivant le mode direct (amitotique). On 
note ici un élément ingéré — donc la cellule géante peut fonctionner comme phagocyte. 
Il vagit ici d'un polyp. age. 

ig. 14. Le seul plasmocyte trouvé pendant l’examen de quelques dizaines de 
préparations. 

Fig. 15—17. Neutrophiles avec noyau à 4 et 5 segments. 

Fig. 18. Neutrophile (= gen de Metchnikoff) fonctionnant comme 
macrophage, — il a ingéré un élément cellulaire. 

‘ig. 19. Neutrophile à trois segments nucléaires rapprochés. 

Fig. 20. Neutrophile dont les segments nucléaires ont l'air de se fusionner. 

Fig. 21. Id. (il n'y a ici que deux segments). 

Fig. 22. Neutrophile à deux segments nucléaires; pycnose périphérique et gon- 
flement hydropique du noyau. 

Fig. 23. Stade de propTontes — figure de quadrille. 

Fig. 24. Neutrophile à noyau pycnotique (six segments nucléaires). 

rag 25—28. Neutrophiles à noyau pycnotique (nombre de segments nucléaires 
variable). 

Fig. 29. Neutrophile à noyau pycnotique. A noter le protoplasme dense et plus 
éosinophile que chez les neutrophiles non pycnotisés (condensation par perte d'eau, d’où 
les dimensions plus petites — par suite d’une retraction). 


Planche III. 


Fig. 1—17. Pus d’un furoncle (suite de la planche précédente). 

Fig. 1. Pycnose dans un neutrophile. 

Fig. 2. Pycnose périphérique. 

Fig. 3. Pycnose en bague. 

Fig. 4 Pycnose totale dans un neutrophile nain (ces formes naines ont presque 
toujours le noyau en pycnose). 

Fig. 5-14. Chromatolyse du noyau dans les neutrophiles qui conduit à la for- 
mation des aires uleuses (ou nébuleuses). 

Fig. 5—8. La partie inférieure de ces neutrophiles n’est pas encore envahie par le 
noyau en chromatolyse et est formée par le cytoplasme éosinophile. Dans les exem- 
plaires 7 et 8 une partie de la chromatine nucléaire s’est pour ainsi dire pycnotisée et 
forme des sphérules fortement colorées. 

Fig. 9—11 et 14. Plus de cytoplasme; ce sont les nébuleuses ou les aires granu- 
leuses définitivement constituées. Dans l’exemplaire 9 au milieu de la poussière chro- 
matique une sphérule pycnotisée (plus claire au centre). 

Fig. 12. Un petit bout cytoplasmique (à droite). Deux amas pycnotiques au milieu 
de la chromatique poussiéreuse. 


278 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


Fig. 15. Eosinophile à 3 segments nucléaires. 

Fig. 16—17. Deux petits lymphocytes typiques. 

Fig. 18—53. Eléments du pus du liquide céphalo-rachidien dans un cas de la 
méningite cérébro-spinale épidémique. 

ig. 18—21 et 32—34. In vivo. 

Fig. 22—31. Action de la liqueur iodo-iodurée. 

Fig. 37—53. Coloration à l’hématoxyline de Delafield-éosine. X 1500. 

Fig. 18—20. Le même neutrophile dessiné à une minute d’intervalle; à noter la 
formation des pseudopodes digitiformes très intense. 

Fig. 21. Neutrophile au repos avec quelques gouttelettes de graisse réfringentes. 

Fig. 22—24. Formation d’hernie glycogénique sous l’action de la liqueur de Lugol 
(cette d ge" est en réalité colorée en rouge brun acajou.) 

Fig. 25—26. Une hernie glycogénique à chaque pôle opposé. 

Fig. 27. Vésicule glycogénique aussi grosse que le neutrophile lui-même. A noter 
une rangée de granulations neutrophiles délimitant à gauche la vacuole glycogénique. 

Fig. 28 Vésicule glycogénique en forme d’un pseudopode lobé. 

Fig. 29—30. Deux neutrophiles dont chacun présente deux hernies glycogéniques 
placées au même pôle. 

Fig. 31. Le glycogène ne forme point d’hernie, mais s’est amassé dans la région 
endoplasmique entre les 4 segments nucléaires. 

Fig. 32. Monophage ayant phagocyté un neutrophile. Le noyau du monophage 
se voit comme vésicule allongée optiquement vide. 

Fig. 33. Monophage avec un corpuscule placé dans la vacuole digestive. Dans le 
noyau on distingue le nucléole et même les grains de chromatine. Des gouttelettes 
graisseuses dans le cytoplasme. 

Fig. 34. Monophage plus gros ayant englobé plusieurs éléments cellulaires. Le 
noyau du monophage a l’air d’une vésicule vide à contours nettement tracés. Des globules 
de graisse disposés en chapelet. 

ig. 35. Monocyte ayant déjà englobé un corpuscule. 

Fig. 36. Monocyte avec un corpuscule placé dans la vacuole digestive. 

Fig. 37. Monocyte ayant phagocyté un neutrophile. 

Fig. 38. Monocyte avec un élément cellulaire ingéré. 

Fig. 39. Monophage avec trois neutrophiles ingérés. 

Fig. 40. Gros monophage ayant phagocyté cinq neutrophiles; dans certains de ces 
derniers le noyau se distingue à peine à cause de la digestion avancée. Le noyau du mono- 
phage présente une invagination (à gauche). 

Fig. 41. Monophage ayant phagocyté 8 neutrophiles; les contours de la plupart de 
ceux-ci sont devenus flous; différents stades de digestion ce qui indique que ces neutro- 
philes avaient été englobés aux différents Fo 

Fig. 42. Neutrophile ayant phagocyté un autre neutrophile. Donc le neutrophile 
ici fonetionne comme macrophage. 

Fig. 43—46. Neutrophiles à noyau formé par 7—10 segments. (Cette hypersegmen- 
tation se constate également dans les neutrophiles du sang périphérique.) 

Fig. 47. Neutrophile à noyau constitué par 6 segments disposés en éventail (comp. 
avec la dysenterie amibienne). 

Fig. 48. Premier stade du gonflement hydropique du noyau dans un neutrophile 
à sept segments. 

Fig. 49. Hypertrophie du noyau (caryophysème de Dangeard) dans un neutro- 
phile à 4 segments nucléaires. On voit encore les restes du cytoplasme. 

Fig. 50. Caryophysème poussé au dernier degré, — plus de vestiges du cytoplasme 
du neutrophile. — L'ensemble figure une sorte de „noyau libre‘, 

Fig. 51—53. Neutrophiles pycnotiques. 


Planche IV. 

Eléments du pus d'un cas de la gonorrhée aigüe (3”"—4"" jour depuis le début 
d'écoulement). X 1500. 

Fig. 1—10. Coloration à l’hématoxyline de Delafield -éosine. 

Fig. 11—22. Coloration à l’hématoxyline ferrique de Heidenhain. 

Fig. 1—2. Caryophysème dans deux neutrophiles à 3 segments. 

Fig. 3. Hypertrophie du noyau dans un neutrophile à deux segments. A noter 
la coloration très pâle des grains de chromatine. 

Fig. 4—5. Caryophysème dans deux neutrophiles à un seul segment nucléaire. 

Fig. 6. ,, Noyau libre“. 

Fig. 7. Neutrophile pycnotique. 

Fig. 8. Histiophage ayant englobé un élément lymphoide. A noter la forme lobée 
du noyau. 


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ALSACO sie TI Gustav Fischer 





THE LIBRARY 
OF THE 
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Shmamine, Agar als Einschlußmedium für die Untersuchung im Dunkelfeld. 979 


Fig. 9. Histiophage ayant phagocyté un élément uninucl&. A noter la forme 
incurvée du noyau; celui-ci rappelle le noyau des monocytes-monophages. 

Fig.10. Histiophage ayant ingéré un neutrophile qui contient les gonocoques phago- 
cytés („emboitement des germes“ ou plutôt phagocytose au second degré). A noter les 
contours rigides du noyau d’histiophage. 

Fig. 11. Petit plasmocyte. 

Fig. 12. Petit plasmocyte binucléé. A noter la basophilie du cytoplasme. 

Fig. 13. Plasmophage uninucléé ayant englobé deux neutrophiles. 

Fig. 14. Plasmophage binucléé avec les éléments cellulaires phagocytés. 

Fig. 15. Plasmophage binucléé avec un neutrophile ingéré. 

Fig. 16. Plasmophage binucléé avec plusieurs éléments englobés. Toute la chroma- 
tine nucléaire s’est amassée en une lentille biconvexe périphérique. A noter le parallélisme 
parfait dans l’involution des deux noyaux (de même que dans les fig. 12, 14 et 15). 

Fig. 17. Gros plasmophage binucléé; les deux noyaux sont au même stade de 
caryorrhexis. Au pôle inférieur sont accrochés les gonocoques („groupement haptophore“). 

Fig. 18. Plasmophage à trois noyaux (comp. avec la fig. IV, 2 dans le texte). 
A l'extrémité inférieure un neutrophile ingéré. 

Fig. 19—20. Eléments provenant de la fragmentation des complexus tels que celui 
représenté dans la fig. 22. 

Fig. 21. Ensemble des cellules d’un tissu ou d’un syncytium? Des amas de gono- 
coques se groupent au voisinage de ces cellules. A noter la ressemblance de ces élé- 
ments cellulaires avec les plasmocytes gonococciques ; ces derniers seraient-ils toujours 
des histiocytes ? 

Fig. 22. Complexe cellulaire avec de gros blocs colorés en noir foncé et des neutro- 
philes de place en place. V. l'explication des fig. 19—20. 


Nachdruck verboten. 
Agar als Einschlussmedium für die Untersuchung im 
Dunkelfeld `). 


[Zahnärztliche Klinik des Kaiserl. Japanischen Kulturministeriums, 
Tokio, Japan. | 


Von Prof. Dr. Tohl Shmamine. 
Mit 1 Abbildung im Text. 


Es ist eine schon bekannte Tatsache, daB Dunkelfeldbeleuchtung 
vielfach geeigneter fiir die Untersuchung der Mikroorganismen ist als 
gefärbte Präparate. 

Erstens kann man die Mikroorganismen lebend sehen und zweitens 
kann man sie auch in dem Falle scharf und deutlich untersuchen, wenn 
sie sich schlecht färben lassen, z. B. Spirochaeta pallida u. a. In- 
folgedessen ist die Dunkelfeldbeleuchtung heutzutage ein unentbehr- 
liches Hilfsmittel für die bakteriologische Untersuchung. Aber sie hat 
auch Nachteile. Man hat bis jetzt gewöhnlich als Einschlußmittel 
Flüssigkeiten (Wasser, Bouillon usw.) benutzt. Dadurch bewegen sich 
auch die Mikroorganismen, die sonst unbeweglich sind, und diejenigen, 
welche aktive Bewegungen haben, ändern fortwährend ihren Ort. Da- 
her ist man nicht imstande, genaue morphologische Beobachtungen zu 
machen. Noch größere Schwierigkeiten bereitete diese Technik für 
photographische Aufnahme in der Ruhe, während kinematographische 
Aufnahme zum Teil gut gelungen ist. Will man zum Beispiel Mund- 
bakterien von verschiedenen Krankheiten, unter denen sich bekanntlich 


1) Vortrag gehalten auf dem internationalen zahnärztlichen Kongreß in London 
2. August 1914. 


280 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


sehr viele bewegliche Mikroorganismen befinden, im Dunkelfeld stu- 
dieren, so bemerkt man immer die oben erwähnten Nachteile. 

Seit langer Zeit mit der Bakteriologie des Mundes, seit meiner 
Anstellung im Königl. Zahnärztlichen Institut der Universität Berlin 
bei Herrn Professor Dieck insbesondere mit dem Studium der Alveolar- 
pyorrhoe beschäftigt, empfand ich diesen Mangel und versuchte daher, 
Agar als Einschließungsmittel zu verwenden. 

Die Technik meiner Methode ist folgende: 

Fleischwasseragar von 3 Proz. Agargehalt wird bis zur völligen 
Lösung gekocht und bis ca 40° abgekühlt. Unterdessen macht man 
einen gutgeputzten Objektträger nebst Deckglas in der Bunsen- 
flamme warm, legt ihn auf eine er- 
wärmte Petri-Schale, bringt mittels 
Platinöse einen Tropfen Agar auf 
den Objektträger, mischt das Aus- 
gangsmaterial, z. B. den Eiter aus 
Alveolarpyrrhoe, mit einer Platin- 
nadel zusammen und deckt das 
Deckgläschen unter festem Druck 
schnell darauf. Hierbei ist zu be- 
obachten, daß keine Luftbläschen 
hineinkommen. Um diese zu ver- 
meiden, darf der Tropfen bei der 
Mischung seine kugelförmige Wöl- 
bung nicht verlieren. 

Darauf läßt man den Objekt- 
träger durch Bestreichen mit kal- 
tem Wasser auf der Rückseite oder 
im Eisschrank schnell abkühlen, da- 
mit der Agar alsbald fest wird. 
Jetzt kann man die mikroskopisehe 
Untersuchung anstellen. 

Zu meiner eigenen Ueberrasch- 
ung fand ich, daß die suspendierten 
Mikroorganismen in diesem Medium 
vorzüglich zu beobachten sind, und 
zwar auch die beweglichen, die trotz Fixation an Ort und Stelle ihre 
Bewegung nicht einbüßen. 

Bei den unbeweglichen Bakterien (Bac. fusiformis usw.) kann 
man mit Sicherheit die feinere Struktur des Bakterienleibes erforschen 
und bei den beweglichen Bakterien (verschiedene Sorten von Spirochäten 
und geißeltragenden Mikroorganismen usw.) die Art und Weise der 
Bewegung genau beobachten. 

Es gibt ja zahlreiche solche Spirochäten und andere Bakterien in 
der Mundhöhle, welche im flüssigen Einschließungsmedium außer- 
ordentlich rasche Ortswechselbewegungen haben, so daß es unmöglich 
ist, den Charakter der Bewegung derselben zu verfolgen. Durch Agar 
werden sie nun bis zu einem geeigneten Grad an der Bewegung ver- 
hindert, so daß man die Feinheiten genau studieren kann. 

Der Agar bietet also den großen Vorteil der Fixierung beweglicher 
Mikroorganismen ohne Aufhebung ihrer Bewegung. Er ist aber auch 
optisch ein überaus günstiges Medium, denn mit überraschender Deut- 
lichkeit kann man in ihm auch die Geißeln der Bakterien und Geißel- 





Fig. 1. 


Shmamine, Agar als Einschlußmedium für die Untersuchung im Dunkelfeld. 281 


bewegungen wahrnehmen. Falls die Bewegung der Bakterien und Geißel- 
bewegung die mikroskopische Aufnahme stört, so läßt man das Prä- 
parat im Eisschrank einen Tag liegen. 

Dieses Verfahren hat weiterhin den Vorteil, daß man gleichzeitig 
auch Studien über das Schicksal der Bakterien, ihr Wachstum und Ab- 
sterben sogleich anschließen Kann. 

Die hierbei erforderliche Technik unterscheidet sich von der oben 
geschilderten nur in so weit, als ich 1) zum Einlegen der Objekte 
statt einfachen 3 Proz. Agar Pferdeblutserumagar (Mischung von 
Pferdeblutserum 1/, und 5 Proz. Traubenzuckeragar ?/,) empfehle, 
weil das letztere nach meinen bisherigen Erfahrungen für die Züchtung 
der Bakterien viel geeigneter ist. Es gibt sogar solche Mikroorganis- 
men, z. B. Zahnspirochäten und Bac. fusiformis u. a., welche 
nur bei Vorhandensein von Pferdeblutserum wachsen. 

2) empfehle ich statt des gewöhnlichen Objektträgers und Deck- 
gläschens die großen Formate, auch drücke man das Deckgläschen nicht 
zu fest auf, damit die Mikroorganismen noch Spielraum für ihr Wachs- 
tum haben. Durch Benutzung der großen Gläser wird die Austrocknung 
und Veränderung des Nährbodens vom Rande aus vermieden. 

3) lege ich Wert auf die Umrandung des Präparates mit Wachs. 

Nachdem das Präparat nun so weit fertig ist, bringt man es unter 
das Mikroskop mit Dunkelfeldbeleuchtung und fixiert beliebige Bak- 
terien. Nach eingehender Untersuchung zeichnet man oder mache man 
eine photographische Aufnahme und stellt alsdann das ganze Mikroskop 
in den Brutschrank. 

Nach einigen Stunden nehme man dann das Mikroskop heraus und 
untersuche die Veränderung derselben Mikroorganismen. 

Bei der Wiederholung dieses Verfahrens kann man entweder die 
Reihenfolge des Wachstums oder des Absterbens des .betreffenden 
Mikroorganismen studieren. 

Besonders möchte ich noch die Aufmerksamkeit darauf lenken, 
daß man bei dieser Untersuchung der Dunkelfeldbeleuchtung den Spiegel 
richtig handhabt, damit man die Gestalt der Mikroorganismen bei ver- 
schiedener Beleuchtung erkennen kann. 

Zum Schlusse möchte ich noch betonen, daß dies Verfahren ganz 
einfach ist und ich es mit Erfolg für die Untersuchung der Mund- 
bakterien verwerten konnte. 

Die zahlreichen bakteriologischen Studien über Alveolarpyorrhoe, 
welche ich mit Hilfe dieses Verfahrens ausgeführt habe, kann ich leider 
wegen Zeitmangel hier nicht mitteilen. 

Das Mikrophotogramm stellt eine Reinkultur von fusiformen Ba- 
zillen, nach dieser Methode im Dunkelfeld aufgenommen, dar. Vergr. 1000:1. 


Zusatz. 

Die hier dargelegte Methodik ist von Herrn Prof. Shmamine 
während seiner Tätigkeit in dem damals mir unterstellten Hygienischen 
Institut der Universität Breslau ausgearbeitet und durch einen Vortrag 
auf dem internationalen zahnärtzlichen Kongreß in London am 2. August 
1914 publiziert worden. Der Ausbruch des Krieges verbot die Ver- 
öffentlichung in deutschen Zeitschriften, die jetzige Publikation er- 
folgt zur Wahrung der Priorität, die Benutzung erstarrender Einschluß- 
flüssigkeiten bei Dunkelfeldbeleuchtung betreffend. 

Breslau, den 4. Oktober 1926. R. Pfeiffer. 


282 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


Nachdruck verboten. 


Sterilisierung und Konservierung von Aszitesflüssigkeit 
zur Nährbodenbereitung. 


[Aus der bundesstaatl. Kontrollstelle im Serotherapeutischen Institute 
in Wien (Vorstand: Doz. Dr. B. Busson).] 


Von Dr. B. Busson. 


Jedem, der eine bakteriologische Sammlung unterhält, oder sich 
viel mit der Züchtung von Gonokokken etc. beschäftigt, ist cs be- 
kannt, mit welchen Schwierigkeiten die Beschaffung emes sicher 
sterilen Aszites für die Nährbödenbereitung verbunden ist. Und häufig 
gerade dann, wenn die Ausbeute am reichsten ist, sind der Aszites 
oder die Hydrozelenflüssigkeit etc. durch Saprophyten verunreinigt 
und dadurch unbrauchbar geworden. Denn es gelingt nur selten, die 
Aszitesflüssigkeit in solchen Fällen durch vorsichtiges Pasteurisieren 
wieder zu sterilisieren, weil die anzuwendende Temperatur von 55° 
zur Abtötung der meisten Bakterien und Kokken nicht hinreicht. 

Dieser immer wiederkehrende Uebelstand hat mich veranlaßt, 
nach einem Verfahren zu suchen, mit welchem ‘es gelingt, bakteriell 
verunreinigten Aszites oder andere Ex- und Sekrete, die zur Nähr- 
bödenbereitung häufig benötigt werden, sicher zu sterilisieren. 

Ich glaube nun, ein solches Verfahren gefunden zu haben, welches 
an und für sich einfach ist, und auf der starken Desinfektionswirkung 
der Laugen beruht. Danach wird eine bestimmte, abgemessene Menge 
von Aszites oder dergleichen mit 5proz. oder 1Oproz. Kali- oder 
Natronlauge in solchem Ausmaße versetzt, daß die Gesamtmenge 
der Flüssigkeit 1/, Proz. Lauge enthält. Ein ‘derartig angelaugter 
Aszites ist selbst bei stärkster bakterieller Verunreinigung zufolge der 
außerordentlichen Desinfektionskraft der Kali- oder Natronlauge in 
kürzester Zeit steril. 

Derartig behandelten Aszites habe ich, in Literkolben verfüllt, 
durch länger als 1 Jahr aufbewahrt; er war noch brauchbar. Aller- 
dings kommt es häufig zu stärkeren Ausflockungen und zur Bildung 
eines Bodensatzes, aber ich konnte mich überzeugen, daß dennoch die 
überstehende Flüssigkeit genügend Eiweiß in Form von Alkali- 
albuminaten enthält, die als Nährbodenzusatz zur Züchtung von Gono- 
kokken ausreichen. 

Auf diese Weise gelingt es, bakteriell sehr stark verun- 
reinigten, ja sogar sporenhaltigen Aszites sicher zu sterilisieren. 

Um nun diesen Laugenaszites, der in dieser Form zur Kultur 
natürlich ungeeignet ist, für die Nährbödenbereitung tauglich zu 
machen, entnehme ich der großen Flasche 50—100 ccm und titriere 
diese mit Phosphorsäure bis zur Neutralität. Ist dann die Menge der 
zur Neutralisation von 100 ccm Laugenaszites notwendigen Phosphor- 
säure bekannt, dann gebe ich dieselbe abgemessene Menge Phosphor- 
säure in kleine, sterile Fläschchen und dazu die entsprechende Menge 
Laugenaszites, verschließe die Fläschchen mit Gummistopfen und mische 
durch Umdrehen den Inhalt durcheinander. Der neutralisierte Aszites 
ist auf diese Weise steril in kleine Portionen verteilt worden, und 
eignet sich gut zur Kultivierung auch der so anspruchsvollen Gono- 


Braun u. Goldschmidt, Brutschrankluft als Stickstoff- bzw. Kohlenstoffquelle. 383 


kokken, insbesondere aber zur Weiterzüchtung von Laboratoriums- 
stämmen, die schon an die künstliche Kultur gewöhnt sind. 

Bei direkter Züchtung von Gonokokken vom Patienten weg auf 
diesen Nährboden, also für Erstkulturen, glaube ich feststellen zu 
dürfen, daß er sich besser eignet und bessere Resultate gibt, als “Agar, 
der mit Tierserum gemischt wurde, und nicht allzusehr den frischen 
Aszitesnährboden nachsteht. 

Es ist ja bekannt, daß sich keineswegs jeglicher Aszites, selbst 
im frischesten Zustand, immer und in gleicher Weise als Nährboden- 
zusatz eignet, daß vielmehr dabei große Unterschiede, die von vielen 
Faktoren abhängen, zu konstatieren sind. Derartiger Aszites, der sich 
schon im frischen Zustand nicht sehr zur Kultur eignet, wird natürlich 
durch das Laugenverfahren nicht verbessert werden, aber guter Aszites 
gibt, mit Lauge behandelt, auch gute Resultate. Schließlich soll ja 
dieses Verfahren auch nur einen Notbehelf darstellen, das insbesondere 
kleineren bakteriologischen Laboratorien und Prosekturen, aber auch 
größeren bakteriologischen Sammlungen, wo viel Nährboden verbraucht 
wird, von Wert sein wird, schon deshalb, weil das Anlegen von Vor- 
räten leicht und einfach vor sich gehen kann, und der daraus bereitete 
Agar-Aszitesnährboden billig und in seiner Verwendbarkeit, wie eigene 
Versuche zeigten, zumindest ebenso brauchbar ist, wie Serumagar. 
Ich konnte in zahlreichen Versuchen diese Brauchbarkeit für Gono- 
kokkenzüchtung und Fortimpfung der Kulturen feststellen. 


Nachdruck verboten. 


Die Brutschrankluft als Stickstoff- bzw. Kohlenstoffquelle 
für Typhus-, an Aue LE und Coli- 
azillen. 


[Aus der bakteriologisch-hygienischen Abteilung des Städt. Hygienischen 
Universitätsinstituts in Frankfurt a. M.] 


Von H. Braun und R. Goldschmidt. 


In früheren Untersuchungen des Verwendungsstoffwechsels säure- 
fester Bakterien haben wir (H. Braun, A. Stamatelakis, Kondo, 
R. Goldschmidt und H. Wolff!)) die Feststellung gemacht, daß 
der Timothee-Bazillus in einer stickstoff- und kohlenstofffreien 
Nährlösung beim Hinzutritt der Brutschrankluft in Passagen wachsen 
kann, und daß der Blindschleichen- und Schildkrötentuberkelbazillus, 
der Hühner-, Rinder- und Menschentuberkelbazillus in einer stickstoff- 
freien, aber kohlenstoffhaltigen Nährlösung in Passagen gedeihen kann. 
Dagegen gelang es bei den 5 letzteren Bakterien nicht, sie in einer 
stickstoffhaltigen, aber kohlenstofffreien Nährlösung zu züchten. Daß 


1) Klin. Wochenschr. Jhrg. 3. 1924. No. 1: Biochem. Zeitschr. Bd. 145. 
1924. H. 5/6; Biochem. Zeitschr. Bd. 146. 1924. H. 5/6; Biochem. Zeitschr. 
Bd. 153. 1924. H. 3/6; Biochem. Zeitschr. Bd. 155. 1925. H. 1/2; Biochem. 
Zeitschr. Bd. 158. 1925. H. 4/6; Biochem. Zeitschr. Bd. 162. 1925. H. 1/2; 
Krankheitsforsch. Bd. 1. 1925. H. 1/3. 


284 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


in diesen Fällen die Stickstoffquelle bzw. Kohlenstoffquelle aus der 
Brutschrankluft bezogen worden ist, ging daraus hervor, daß ein Wachs- 
tum nur dann möglich war, wenn die Brutschrankluft durch längere 
Zeit hindurch Zutritt zur Nährflüssigkeit hatte. Wurden nämlich die 
Versuchskélbchen mit paraffinierten Wattestopfen verschlossen, so blieb 
das Wachstum aus. Daran konnte sicher nicht der Sauerstoffmangel die 
Schuld tragen, denn in einer Nährflüssigkeit, die die Stickstoff- und 
Kohlenquellen enthielt, wuchsen die ‘genannten säurefesten Bakterien 
auch nach dem luftdichten Verschluß der Kölbchen mit Paraffin sehr 
gut. Die im Kölbchen eingeschlossene Sauerstoffmenge genügt also 
zum Wachstum. 

Das Wachstum der genannten Mikroorganismen, wenn sie die 
Stickstoff- bzw. Kohlenstoffquelle aus der Luft beziehen mußten, war 
ein außerordentlich mühsames. Erst nach längerer Bebrütung war meist 
ein geringes Wachstum feststellbar. Die Häutchen waren sehr zart. 
Es ließen sich, wie wir schon oben gesagt hatten, mehrere Passagen 
unter solchen Bedingungen durchführen. 

In jüngster Zeit hat Masur!) einen Tuberkelbazillenstamm be- 
obachtet, der in einer stickstoffhaltigen, aber kohlenstofffreien Nähr- 
lösung bei Brutschrankluft wuchs und Masur behauptet, daß das 
Wachstum auf die in der Luft anwesende Kohlensäure zurück- 
zuführen ist. 

Die Tatsache, daß die säurefesten Mikroorganismen die stickstoff- 
"bzw. kohlenstoffhaltigen Bestandteile der Luft verwerten können, stellt 
für die exakten Untersuchungen des Kohlenstoff- und Stickstoff-Ver- 
wendungsstoffwechsels dieser Mikroorganismen eine Fehlerquelle dar, 
die beachtet und vermieden werden muß. Das kann wie schon oben er- 
wähnt, auf einfachste Weise dadurch erzielt werden, daß man die 
Kulturen, bevor sie in den Brutschrank gebracht werden, luftdicht ab- 
schließt, so daß die Brutschrankluft keinen Zutritt hat. 

Die Brutschrankluft kann reich an Verunreinigung sein, da es 
sich bei den Brutschränken um relativ kleine Räume handelt, in denen 
sich die gasförmigen Produkte des Bakterienstoffwechsels ansammeln. 
Je mehr Kulturen in einem Brutschrank vorhanden sind, umsomehr 
gasförmige Verunreinigungen wird die Luft enthalten. 1 

In der vorliegenden Arbeit haben wir uns zur Aufgabe gestellt, 
zu untersuchen, ob auch bei den Bakterien der Typhus-Coli-Ruhr- 
gruppe die Brutschrankluft als Stickstoff- bzw. Kohlenstoffquelle dienen 
kann. Wir wollen mit der Verwertung der Brutschrankluft als Stick - 
stoffquelle beginnen. Zunächst wollen wir über die Versuche mit, 
Typhusbazillen berichten. Wir haben zu diesen Versuchen 8 Typhus- 
stämme herangezogen, von denen 5 befähigt waren, Ammoniak als 
einzige Stickstoffquelle zu verwerten, und 3 andere Stämme, die dazu 
nicht oder nicht sicher befähigt waren. Wie gleich vorweggenommen 
werden mag, ließen sich die ammoniakassimilierenden Typhusbazillen 
in einer stickstofffreien, aber kohlenstoffhaltigen Nährlösung, wenn 
auch mühsam, in Passagen züchten, die nichtammoniakassimilierenden 
Stämme dagegen nicht. 

Was die Methodik betrifft, so möchten wir, um Wiederholungen zu 
vermeiden, auf unsere früheren Arbeiten (H. Braun und C. E. Cahn- 
Bronner?) hinweisen. 

1) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 99. 1926. 

2) Bicchem. Zeitschr. Bd. 131. 1922. 


Braun u. Goldschmidt, Brutschrankluft als Stickstoff- bzw. Kohlenstoffquelle. 285 


Tabelle I. 
1. Ammoniakassimilierender Typhusstamm 4602 wurde in stickstofffreier 
Nährlösung gezüchtet. Brutschrankluft konnte eindringen. 
Zur Kontrolle wurden gleichzeitig geimpft: 
2. Stickstofffreie Nährlösung, ie Kélbchen luftdicht verschlossen. 
3. Milchsäure-Ammoniak-Nährboden, nicht luftdicht abgeschlossen. 
4. Milchsäure-Ammoniak-Nährboden, luftdicht verschlossen. 
Stets wurden je zwei Zuchten gleichzeitig angelegt (a u. b). Das Wachstum 
wurde zu verschiedenen Zeiten protokolliert. 


. Stickstoffreie Nährlösung: (Brutschrank- 2. Stickstofffreie Nährlösung (luftdicht 
luft tritt ein.) verschlossen). 
Datum der a ee N 





Beimpfung: 
29. 10. 
Die Kélbchen wurden am 24. 11. geöffnet und 
nicht luftdicht verschlossen. 
| 28. 11. 0 28. 11. ? 
8 1. 12. 0 1.12. + 
3. 12. 0 3. 12. + 
5. 12.0 
3. Milchsäure-Ammoniak-Nährlösung 
(nicht luftdicht verschlossen). 
——— M 
18. 11. 
25. 11 
b | 
2. 12 3. 12. 0 | 
6. 12. 0 
18. 12. 0 
2 1,8 + 
7 1.8 + 
22, 1. + 
30. 1. + 





Fortsetzung auf S. 286. 


286 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


Fortsetzung des Versuches in stickstofffreier Nährlösung von S. 285. 


4 4. Milchsäure-Ammoniak-Nährlösung 
4. Passage (Wiederholung) | (luftdicht abgeschlossen). 
um om oO ——— u 


16. 12. 





zen 





Am 16. 3. wurden die Kulturen der 5. Passage untersucht. Sie waren mikro- 
skopisch, kulturell und serologisch rein und typisch. 


Zeichenerklärung: 0= kein Wachstum. s + = schwach trüb. + = trüb. 


++ = stark trüb. +++ = sehr stark trüb. Der Pfeil zeigt an, aus welchen Kölb- 
chen Passagen angelegt wurden. 


Die stickstofffreie Nährlösung hatte folgende Zusammensetzung: 


Na,SO 0,5 g 
MgSO, 0,005 , 
KH,PO, 0,05 > 


K,HPO 015.5 
Natriumlaktat 0,5 ecm 
Aqua bidest. 100 


Die zur Kontrolle geimpfte Milchsäure-Ammoniak-Nährlösung ent- 
hielt außerdem 0,5 g NH,CI. 

Einen Versuch wollen wir in vorstehender Tabelle I, S. 285 u. 286 
wiedergeben. 

Wie aus der Tabelle zu ersehen ist, wächst der Typhusbazillus in 
einer stickstofffreien Nährlösung sehr langsam. Es dauert mehrere 
Tage bis einige Wochen, bevor Wachstum wahrnehmbar ist. In einzelnen 
Kölbchen bleibt die Vermehrung vollständig aus. Derselbe Stamm, wie 
Kontrollversuche zeigen, wächst dagegen in einer Nährlösung, die 
außer den oben angeführten Stoffen noch 0,5 g Ammoniumchlorid ent- 
hält, schon nach 48 Std. gut. Er wächst bei Ammoniumsalzanwesenheit 
auch dann, wenn der Brutschrankluft der Zutritt zur Nährflüssigkeit 
durch Paraffinverschluß verwehrt wird. In der stickstofffreien Nähr- 
flüssigkeit kann er sich dagegen bei Paraffinverschluß nicht vermehren. 
So trat in dem in der Tabelle angeführten Versuch unter diesen Be- 
dingungen vom 29. 10. bis 24. 11. kein Wachstum ein. Nachdem 
die Kölbehen dann geöffnet und durch einen gewöhnlichen Watte- 
stopfen verschlossen waren, so daß Brutschrankluft Zutritt hatte, trat 
nach einigen Tagen in einem Kölbehen Wachstum ein. Daraus geht 
hervor, daß in der stickstofffreien Nährlösung das Wachstum des 


Braun u. Goldschmidt, Brutschrankluft als Stickstoff- bzw. Kohlenstoffquelle. 287 


Typhusbazillus nicht durch Verunreinigungen der benutzten Chemikalien 
oder des Wassers zustande kommt, sondern daß es durch die in der Brut- 
schrankluft vorhandenen stickstoffhaltigen Bestandteile bewirkt wird. 


Aehnlich wie ammoniakassimilierende Typhusbazillen verhielten 
sich auch ein Stamm von Paratyphus B-, Shiga-Kruse-Dysenterie- 
und 3 Stämme von Coli- Bazillen. Sie ließen sich in Passagen in stick- 
stofffreier, aber kohlenstoffhaltiger (Laktat-)Nährlösung züchten. Die 
Kulturen waren sehr schwach gewachsen und es dauerte längere Zeit, 
bevor deutliches Wachstum wahrnehmbar war. Die Versuche wurden 
in gleicher Weise wie die mit Typhusbazillen ausgeführt. Auf die 
Wiedergabe der Versuche wollen wir verzichten. Bemerken möchten wir, 
daß nach unseren früheren Untersuchungen (H. Braun und C. E. 
Cahn-Bronnert)) alle Stämme von Coli- und Paratyphus B-Ba- 
zillen Ammoniak als einzige Stickstoffquelle verwerten können, unter 
den Shiga-Kruse-Bazillen es dagegen wie bei Typhusbazillen am- 
moniakassimilierende und nichtammoniakassimilierende gibt. Für die 
Versuche in stickstofffreier Nährlösung haben wir einen ammoniak- 
assimilierenden Shiga-Kruse-Bazillus benutzt. 

Wir wollen nun über die Versuche berichten, die die Frage be- 
treffen, ob die Bakterien der Typhus-Coli-Gruppe die Brutschrank- 
luft als Kohlenstoffquelle verwerten können. Die kohlenstofffreie, 
aber stickstoffhaltige Nährlösung hatte folgende Zusammensetzung: 


NH,Cl 05 g 
Na SO, 5, 
MgSO 0,005 > 
KE. PO, 0,05 , 
K,HPO 0,15 


Aqua bidest. 100 cem 


Die zur Kontrolle beimpfte kohlenstoffhaltige Nährlösung enthielt 
außer den oben erwähnten Stoffen noch 0,5 ccm Natriumlaktat. 


Ein ammoniakassimilierender Typhusbazillus konnte sich in der 
kohlenstofffreien Nährlösung bei wiederholten Versuchen nach vier- 
wöchentlicher Beobachtung nicht vermehren, während er bei gleich- 
zeitiger Anwesenheit von Natriumlaktat und NH,Cl nach 48—72 Std. 
ein üppiges Wachstum zeigte. Aehnlich verhielt sich ein ammoniak- 
assimilierender Shiga-Kruse-Bazillus. Er wuchs in der NH,Cl und 
kohlenstoffhaltigen Nährlösung nach etwa 10tägiger Bebrütung gut. 
während er in einer kohlenstofffreien Nährflüssigkeit auch nach 
4wöchentlicher Bebrütung keine Vermehrung zeigte. Ein Paratyphus B- 
Bazillus zeigte in der kohlenstofffreien, aber NH,CI enthaltenden Nähr- - 
lösung nach 4wöchentlicher Bebrütung kein Wachstum, nach dieser 
Zeit, in der die Nährflüssigkeit natürlich bereits eingeengt war, eine 
schwache Trübung. Sicheres Wachstum ist hier nicht feststellbar ge- 
wesen, während derselbe Paratyphus B-Bazillus in der Laktat und 
NH,Cl enthaltenden Nährflüssigkeit schon nach 24 Std. ein sehr 
üppiges Wachstum zeigte. 

Die 3 untersuchten Coli-Stämme verhielten sich in der kohlen- 
stofffreien, aber NH,Cl enthaltenden Nährlösung nicht gleich. Zwei 
von ihnen sind auch bei wiederholten Versuchen nicht gewachsen. Ein 
Stamm ließ sich dagegen in Passagen züchten. Das Wachstum war ein 


1) Biochem. Zeitschr. Bd. 131. 


288 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


Tabell 
1. Colistamm Nr. 14 wurde in kohlenstofffreier Nährlösung 1. Kohlenstofffreie Nähr- 
züchtet. Brutschrankluft konnte eindringen. Als lösung 

ontrolle wurden geimpft: (Brutschrankluft tritt ein). 
2. Kohlenstofffreie Nährlösung. Die Kölbchen luftdicht a 

verschlossen. a 
3. Milchsäure- Ammoniak - Nährboden, nicht luftdicht ab- 12. 6. 

eschlossen. .d: 


4. Milchsäure-Ammoniak-Nährboden, luftdicht verschlossen. 
Zeichenerklärung s. Tabelle I. 


4. Milchsäure-Ammoniak- 
Nährboden 
(tuftdicht verschlossen). 


ł 


Passage 





a 
9. 10. 
12. 10. ++ 12. 10. ++ 





—— 


a b 
17. 10. 
| 21.10. ++ | | 2110. 44 | 












13 Milchsäure-Ammoniak- 
Nährboden 
| (nicht luftdicht verschlossen). 











| 








j ani 


5. Passage 





0. 


a b b 
EN 17. 10. 
I] 21.10, +++ 21.10. +++ 21. 10. s + 21. 10. s+ 
24:10. + 24.10. + 
l | 14, 11. ++ 14. 11. ++ 
t 


14. 11. Mikroskopisch u 





Braun u. Goldschmidt, Brutschrankluft als Stickstoff- bzw. Kohlenstoffquelle. 289 


2. Kohlenstofffreie Nähr- 


lösung 
(Kölbchen luftdicht verschlossen). 




















coooco 


| 
| 
| 
| 
I 
| 
| 
| 
I 
| 
| 
l 
| 
| 
| 
| 
| 
| 
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| 
i 
| 
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| 
| 
| 


` 21. 10. 0 
24. 10. 0 
14. 11,0 


| 

| 

| a 

| 17. 10 
I 21. 10. 0 

I] 24. 10. 0 

IE 14. 11. 0 

| 


kulturell rein und typisch. 
Erste Abt. Orig. Bd. 101. 


langsames und geringes. Es blieb aus, 
wenn die Brutschrankluft zur Nähr- 
flüssigkeit keinen Zutritt hatte. Daß 
an dem Ausbleiben der Vermehrung 
nicht der Sauerstoffmangel die Schuld 
trug, zeigten Kontrollversuche mit 
der NH,Cl und kohlenstoffhaltiger 
Nährlösung, in welcher auch nach 
ParaffinabschluB üppiges Wachstum 
eintrat. Näheres ist aus vorstehen- 
der Tabelle II, S. 288 und 289 zu 
ersehen. 

Hier möge ein technischer Be- 
helf beim Paraffinabschluß der Kölb- 
chen erwähnt werden. Bebrütet man 
die luftdicht verschlossenen Kölb- 
chen längere Zeit hindurch, wie es 
bei diesen Versuchen nötig ist, so 
entwickeln sich leicht im Watte- 
stopfen Schimmelpilze, deren Sporen 
in die Nährflüssigkeit fallen und sie 
verunreinigen. Es empfiehlt sich 
daher, das Paraffinieren der Watte- 
stopfen nicht nur an der Kölbchen- 
öffnung, sondern so vorzunehmen, 
daß man sie ganz in das verflüssigte 
Paraffin (Schmelzpunkt 60 — 70°) 
eintaucht, leicht auspreßt und dann 
mit ihnen die Kölbchen schließt und 
die Kölbchenöffnung mit Paraffin ab- 
dichtet. 

Es erhebt sich natürlich die 
Frage, um was für Stoffe es sich 
handelt, die in der Brutschrankluft 
vorhanden sind und das Wachstum 
der Bakterien ermöglichen. Irgend 
etwas Sicheres können wir darüber 
nicht aussagen. Entsprechende ein- 
gehende Untersuchungen sind nötig. 
Die Tatsache, daß ammoniakassimi- 
lierende Bakterienarten in stickstoff- 
freier Nährlösung bei Brutschrank- 
luft wachsen können, nichtammoniak- 
assimilierende dagegen nicht dazu 
befähigt sind, spricht dafür, daß es 
sich vielleicht bei der stickstoff- 
haltigen Verunreinigung der Brut- 
schrankluft um Amnioniak handeln 
könnte. 

Ueberblicken wir die Ergeb- 
nisse der ausgeführten Versuche, so 
zeigt sich, daß auch beiden Bak- 
terien der Typhus - Para- 


Heft 4/5. 19 


290 Centralbl. f. Bakt. ete. 1. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


typhus-Coli-Ruhrgruppe die Brutschrankluft als Stick- 
stoff-, bei Coli auch als Kohlenstoffquelle in Betracht 
kommen kann. Für exakte Stoffwechseluntersuchungen an diesen 
Bakterien muß man deshalb die Brutschrankluft ausschalten. Das ge- 
schieht am einfachsten dadurch, daß die beimpften Kélbchen, welche die 
Zimmerluft enthalten, bevor sie bebrütet werden, luftdicht verschlossen 
werden. Das Wachstum der genannten Mikroorganismen ist, wenn die 
Brutschrankluft als Stickstoff- bzw. Kohlenstoffquelle dient, ein lang- 
sames und geringes. 


Nachdruck verboten. 


Ueber ein einfaches Verfahren zur Konservierung lebender 
Bakterienkulturen. 


[Aus dem Hygienischen Institut und Untersuchungsamt für ansteckende 
Krankheiten in Freiburg i. Br.] 


Von Bruno Dikomeit, 


früherem Medizinalpraktikant am Untersuchungsamt, zurzeit Assistenzarzt 
am Städt. Krankenhaus Berlin-Cöpenick. 


Der Bakteriologe hat von jeher ein großes Interesse daran gehabt, 
Bakterienkulturen längere Zeit in reinem Zustand lebensfähig zu er- 
halten und so jeder Zeit zur Verfügung zu haben. Diese Dauerkulturen 
sollen in 1. Linie ein stets bereites und geeignetes Demonstrations- 
material für Vorlesungen und bakteriologische Kurse bieten und das 
zeitraubende und kostspielige Erneuern der Kulturen möglichst ver- 
meiden lassen. 

In 2. Reihe käme der gleichwertige Vorteil, welchen solche Dauer- 
präparate der Forschung gewähren. Bei einigermaßen intensiver Arbeit 
ist es ohnehin nur unter Aufwand sehr vieler Mühe und Zeit möglich, 
eine sich stetig mehrende Reihe von Reinkulturen der der bakterio- 
logischen Untersuchung unterzogenen Fälle eine längere Zeit fortzu- 
führen, um Vergleichsmaterial für spätere Befunde zu besitzen. Mittel 
und Zeit ziehen hier oft enge Grenzen. Die Dauerkulturen sollen diese 
Grenzen möglichst weit hinausrücken und es dem Forscher ermöglichen, 
mit geringen Mitteln jede seiner Reinkulturen so zu konservieren, daß 
er auch nach längerer Zeit die bakteriologischen Resultate eines gleichen 
oder ähnlichen Falles mit den heute erhaltenen zu vergleichen imstande 
ist. In gleicher Weise besteht dieses Interesse an Dauerkulturen bei 
wissenschaftlichen Arbeiten, die aus irgendwelchen Gründen zeitweise 
unterbrochen werden müssen, ferner für die Aufbewahrung besonders 
interessanter und seltener Kulturen und das Einrichten bakteriologischer 
Museen und Institutssammlungen. 

Unter gewöhnlichen Verhältnissen gehen die Reinkulturen durch 
Austrocknung, durch Verunreinigung, durch Erschöpfung des Nähr- 
bodens und schließlich durch ihre eigenen, in den Nährboden ab- 


Dikomeit, Einfaches Verfahren zur Konservierung lebender Bakterienkulturen. 291 


gesonderten Stoffwechselprodukte rasch zu Grunde, und, wenn nicht 
Hilfskräfte in ausgiebiger Zahl zur Verfügung stehen, wird es nicht 
leicht, stets die für den entsprechenden Zweck benötigten Objekte zur 
Hand zu haben. Es entwickelte sich deshalb notwendigerweise das Be- 
streben, diese rasche Vergänglichkeit der Kulturen zu verhindern. Man 
erkannte bald als die wichtigsten der oben angeführten schädigenden 
Momente hierbei die Austrocknung und die Verunreinigung der Kul- 
turen, und, sobald nach der Einführung der Züchtung von Bakterien 
auf festen Nährböden durch Robert Koch das Interesse an längerer 
Haltbarkeit der Kulturen, als es auf den gewöhnlichen Nährböden 
der Fall war, wach wurde, suchte man diese schädigenden Faktoren 
auszuschalten. 


Soyka und Kräl haben sich als erste (1887) mit diesem Problem beschäftigt. 
Sie stellten Dauerpräparate auf festen undurchsichtigen Nährböden (Kartoffeln, Reis- 
brei, Brot) her. Diese Nährböden kamen in zylindrische Glasdosen mit genau auf- 
geschliffenem Glasdeckel von gleichem Durchmesser, die zur Erzielung einer ge- 
wissen Luftverdünnung auf 150—170° C in der Flamme erhitzt und dann in flüssiges 
Paraffin getaucht oder auch mit Kitt verschlossen wurden. Aehnlich gingen sie 
später mit Plattenkulturen zu Werke und konnten auf diese Weise Kulturen längere 

eit (nähere Angaben sind nicht gemacht) unverändert erhalten. Auch Stichgelatine- 

und Agarkulturen konservierten sie durch Zuschmelzen längere Zeit. Ein Teil der 
Kartoffel- und Plattenkulturen fiel, zum Teil wegen mangelhaften Verschlusses, 
durch Verschimmeln oder Austrocknen dem Verderben anheim. 

Von anderen Autoren wurden mit diesem Verfahren sehr wenig günstige Re- 
sultate erzielt. Im allgemeinen war, wie besonders Czaplewski betonte, eine be- 
sondere Ausrüstung und eine nicht geringe Kunstfertigkeit zur Ausführung der 
Methode erforderlich, so daß Te io den Bedürfnissen der Praxis nicht sehr 
damit gedient war. Gleichwohl empfiehlt einige Jahre später das Soykasche Ver- 
fahren Eisenberg, der anstatt der von Soyka angewandten Kartoffelscheiben 
Kartoffelbrei als Nährboden benutzte, in dieser Modifikation wieder sehr warm und 
bezeichnet es in bezug auf den Erfolg als vortrefflich und sehr leicht auszuführen. 
Das Verdienst Soykas ist es, der als erster die Schädigung der Lebensfähigkeit 
einer Bakterienkultur in der Austrocknung erkannte, als wichtigstes Prinzip der 
Konservierung den sicheren Luftabschluß Nes Kulturen eingefiihrt zu haben. Die 
in der Folgezeit bis auf den heutigen Tag angewandten Konsertierungsmethoden 
gingen immer wieder von diesem Prinzip aus. Die Erzielung eines möglichst sicheren 
Luftabschlusses ist der grundlegende Gedanke all dieser Methoden. 

Dieser Luftabschluß wurde am sichersten erzielt durch einfaches Abschmelzen 
der die Kulturen enthaltenden Röhrchen, wie es auch Soyka machte, nur daß 
später statt der eigens hergestellten Kartoffelnährböden die Kulturen auf dem für 
sie in jedem Falle geeignetsten Nährboden auf erwähnte Art konserviert wurden. 

Martini konnte so in abgeschmolzenen Röhrchen Schrägagarkulturen von 
Typhus-, Paratyphus-, Enteritidis-, und der sonst gegen das Altern empfind- 
licheren Ruhr- und Pseudoruhrbazillen nach 2 Jahren 8'/, Monaten weiterzüchten 
und dabei waren sie aus der Heimat über Suez nach Tsingtau gesandt worden und 
hatten dort gelagert, waren also den verschiedensten Klimaten ausgesetzt gewesen und 
hatten durch die wiederholten, immerhin erheblichen, Temperaturschwankungen nicht 
gelitten. 

Kiefer fand auf gleiche Art aufbewahrte Kulturen (Schrägagar) nach 
15 Jahren lebend, und zwar handelte es sich um: Typhus-, Enteritidis-, Para- 
typhus B- und Bacterium coli- Kulturen. Streptokokken jedoch gingen so auf- 
bewahrt nach kurzer Zeit ein. 

Mehr zur Beobachtung der Lebensfähigkeit gewisser Bakterienarten außerhalb 
der gewöhnlichen Nährböden als zu Konservierungszwecken brachte Br. Busson 
Colı-Bakterien in steriles destilliertes Wasser, verschloß die Röhrchen luftdicht 
durch Abschmelzen und fand diese Keime noch nach 6 Jahren lebend. Das gleiche 
Verfahren bei Typhus- und Shiga-Kruse-Bazillen konnte dagegen niemals eine 
längere Lebensdauer erzielen. Von anderen Autoren gemachte Beobachtungen dieser 
Art sind in bezug auf die Zeiträume sehr schwankend. Im Mittel lebten Typhus- 
bazillen in sterilem destill. Wasser 30—60 Tage. 

Zahlreich sind dann die weiteren Verfahren, die angegeben wurden, um den für 
die Konservierung nötigen Luftabschluß auf andere Weise zu erreichen. 


19* 


292 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


G. Hauser dichtete Schalenkulturen mit Plastilin, G. Löwi Reagenzröhrchen 
mit gut passenden Glaskappen, die noch besonders mit Guttaperchapapier unter Er- 
wärmen oder auch mit Plastilin verschlossen wurden. Ferner wurden paraffinierte 
Wattestopfen zu diesem Zwecke herangezogen. An sich halten letztere die Luft nicht 
vollkommen ab, deshalb soll Besseres erzielt werden nach Rr. Müller, indem das 
untere Ende des Stopfens in flüssiges Paraffin getaucht und dann schnell aufgesetzt 
wird. Zur Wiedereröffnung braucht dann nur kurz erwärmt zu werden. Cza- 
plawskı gießt geschmolzenes Paraffin auf den abgesengten Stopfen der zu kon- 
servierenden Reagenzglaskultur, und nachdem durch das Entweichen reichlicher Luft- 
blasen die erste aufgegossene Portion des Paraffins aufgesaugt ist, wird nachgegossen 
und der beim Erkalten entstehende Trichter mit Paraffin wieder ausgefüllt. sind 
sogar „Paraffindauerpfröpfe‘ (von Seitz eingeführt) im Handel erhältlich mit 
biegsamer Handhabe zum Herausziehen. Sie werden durch die Flamme gezogen und 
in die kurz erwärmte Mündung des Kulturröhrchens eingeführt. 


Ueber außerordentlich günstige Erfolge berichtete im Jahre 1919 Ungermann 
mit einem sorgfältig ausgearbeiteten Konservierungsverfahren, mit dem er, was mit 
den bisherigen Methoden nicht gelungen war, auch sehr empfindliche Keime, wie 
Meningo- und Gonokokken, auf längere Zeit lebensfähig und ohne Veränderungen 
ihrer kulturellen und sonstigen Eigenschaften erhalten konnte. Ungermann ver- 
wendete steril entnommenes mit 25- oder 50proz. sterilem Wasser verdünntes Blut- 
serum vom Menschen oder Kaninchen, erhitzte es in kleinen Röhrchen auf 60 C, 
überschichtete es mit etwa gleichen Teilen sterilem flüssigem Paraffinöl und impfte 
nach dem Erkalten mittels sterilen Glaskapillaren. Diese Kulturen wurden bei 
37° © angebrütet und bei 30° weiterhin aufbewahrt. Meningokokken haben sich auf 
diese Weise bis zu 16 Monaten entwicklungsfähig gehalten. Auch frisch aus dem 
Menschen gezüchtete Stämme waren dem beschriebenen Verfahren zugänglich und 
erwiesen sich dabei als ebenso dauerhaft. Gonokokken hielten sich in den ersten 
Serumkulturen bis zu 42 Tagen, in der zweiten länger als 8 Wochen überimpfbar 
und waren dabei gegen niedere Temperaturgrade wenig empfindlich. Ebenso lieferte 
das Züchtungsverfahren in luftabgeschlossenem Serum bei anderen empfindlichen 
Kokkenarten gute Resultate. Pneumokokken und Streptokokken blieben ebenfalls 
lange lebensfähig und behielten die ursprüngliche Virulenz. Nicht nur frühe Ab- 
impfungen der Serumkulturen waren pathogen, sondern auch diese selbst noch im 
Alter von mehreren Wochen. Auch bei hochpathogenen Typhus- und Cholerastämmen 
blieb die Virulenz im anaérob gehaltenen Serum wesentlich länger und besser er- 
haltenen als bei der sonst üblichen kulturellen Fortpflanzung. Dabei zeigte sich 
aber ein deutlicher Einfluß der Temperatur, bei der die Serumkulturen gehalten 
wurden und der Generationsfolgen derart, daß niedere Grade und seltene Ueber- 
impfungen die Erhaltung der Virulenz begünstigten, hohe Temperaturen und häufige 
Kulturpassagen sie herabsetzten. 

Die Ursache des günstigen Einflusses der hier gegebenen Kulturbedingungen auf 
Lebensdauer und Virulenz der Bakterien wird von Ün germann im allgemeinen 
auf die Analogie der Kulturverhältnisse mit den Bedingungen zurückgeführt, die der 
tierische Organismus den Keimen bietet. Im besonderen dürfte nach Ungermann 
dabei der quantitative und qualitative Reichtum des tierischen Serums an Nähr- 
stoffen einerseits und der Sauerstoffmangel, in dessen Folge es nur zu ciner spar- 
samen Vermehrung der Keime kommt, andererseits in Betracht kommen. 

Michael kam bei Nachprüfung dieser letzteren Ueberlegung Ungermanns 
aut den Gedanken, statt der von Ungermann angegebenen Verwendung von 
Kaninchenserum die gewöhnlichen Nährböden einer Paraffinüberschichtun zu unter- 
ziehen und zu prüfen, inwieweit damit eine Konservierung der besonders schwer 
züchtbaren Erreger zu erzielen sei. : 

Gonokokkenkulturen konnten so fast 5 Monate ohne Veränderung des mikro- 
skopischen und kulturellen Verhaltens bei Aufbewahrung im Brutschrank lebensfähig 
erhalten werden. Degenerationserscheinungen irgendwelcher Art wurden nicht fest- 
gestellt. Beı Zimmertemperatur starb eine mit Paraffin überschichtete Ascitesagar- 
kultur in gleicher Weise ab wie ein Kontrollröhrchen. Meningokokken konnten unge- 
fiihr 1 Monat bei Brutschrankaufenthalt gehalten werden, starben bei Zimmer- 
temperatur ab. Wiederholte Versuche mit Pneumokokken ergaben keine längere Halt- 
barkeit als einmal bis zu 21 Tagen. Der Kulturrasen blieb in diesem Falle nicht am 
Loeffler-Substrat haften, sondern löste sich in kleinen Partikelchen ab, die das 
Paraffin trübten und darin herumschwammen, auch eine Weiterübertragung auf 
andere Röhrchen erschwerten. Michael glaubt, als Erklärung der Versuchsergeb- 
nisse in 1. Linie die Sauerstoffarmut der Kulturen ansehen zu müssen. Da durch 
das Paraffin hindurch eine beschränkte Diffusion von Luft stattfindet, die genügt, um 


Dikomeit, Einfaches Verfahren zur Konservierung lebender Bakterienkulturen. 293 


auch obligate Aérobier am Leben zu erhalten, meint Michael, daß nicht nur nach 
der Annahme Ungermanns die günstigen natürlichen Nährstoffzusammensetzungen, 
durch die das Serum den künstlichen Nährsubstraten überlegen ist, die Dauerzüchtung 
beispielsweise des Gono- und Meningokokkus ermöglicht, sondern daß auf jedem der 
ebräuchlichen Nährböden eine solche Fortzüchtung möglich ist, sofern nur durch 
ntziehung des Sauerstoffs eine zu rasche Vermehrung und dadurch eine zu rasche 
Konsumption der im Kultursubstrat vorhandenen Nährstoffe vermieden wird. Für 
diese Auffassung sprechen auch die Versuche von Lorenz, dem es gelang, auf 
Kulturen, die in Petri-Schälchen im luftverdünnten Raum gezüchtet wurden, 
ein erheblich besseres Wachstum zu erzielen als unter gewöhnlichen Verhältnissen. 


Allerdings konnte Michael nicht alle Keime in gleicher Weise fortzüchten, 
insbesondere ergaben, wie erwähnt, die Versuche für den Pneumokokkus und In- 
fluenzabazillus für die Praxis unsichere Resultate. Auch die Herabsetzung der 
Temnperaturemptindliehkeit, die Ungermann angab, konnte Michael in seinen 
Versuchen nicht bestätigen, was die Verwendbarkeit dieser Fortzüchtungsmethode auf 
das Laboratorium beschränkt. Immerhin bedeutet die Methode eine erhebliche Er- 
sparnis an Zeit und Kosten, ebenso wie sie die Gefahr der Unterbrechung begonnener 
Arbeiten durch Absterben eines seltenen Stammes herabmindert. Technisch wird die 
Uebertragung und Entnahme des Kulturmaterials mit einer an langem Draht 
armierten Oese ausgeführt, um eine Verunreinigung des Paraffins zu vermeiden. 
Mit dieser Oese wird durch die Paraffinschicht hindurchgegangen und beim Prä- 
paratañisatrichi unterlaufende Paraffintröpfchen durch Erhitzen des Objektträgers leicht 
entfernt. 


Während die bisher erwähnten Methoden das Prinzip vertraten, die Austrocknung 
als hauptsächlichste Gefahr für die Lebensfähigkeit der Kulturen zu verhindern, 
indem auf die verschiedenste Art die Behältnisse der betreffenden Kulturen luftdicht 
aufbewahrt wurden, hat Heim zuerst gerade die Eintrocknung als Methode zur 
Konservierung angegeben und empfohlen. Er trocknete kokkenhaltiges Blut oder 
Eiter an Seidenfäden im Exsikkator und bewahrte sie darin auf. Es zeigte sich, 
daß die sonst so empfindlichen Pneumokokken eine Austrocknung etwa bis zu 1 Jahr 
aushielten, lebensfähig und virulent blieben. Dagegen vertrugen Gono- und Meningo- 
kokken das Austrocknen gar nicht. Cholera war in der ersten Woche tot, Strepto- 
*kokken nach etwa 3—4 Monaten. Ein Diphtheriestamm hielt sich 1 Jahr, ein anderer 
fast 4 Jahre. Streptococcus longus dagegen war in Uebereinstimmung mit 
dem eben angeführten Resultat nach 4 Tabea nicht mehr lebensfähig. 


Auch Neufeld wandte unabhängig von Heim die Exsikkatortrocknung zur 
Virulenterhaltung von Pneumo- und Streptokokken an, in der Weise, daß Blut in 
dicker Schicht mit Organstiickchen von Mäusen, die einer Pneumokokkeninfektion 
erlagen, in offene Petri-Schalen bei Zimmertemperatur in den Exsikkator pelest 
wurden. Es erwies sich als absolut notwendig, daß das Material recht reichlich In- 
fektionserreger enthielt. Pneumokokken erhielten sich hierbei !/,—1 Jahr lebensfähi 
und virulent. Da diese Bakterien, in nacktem Zustand getrocknet, schon sehr bal 
absterben, so handelt es sich bei den eben erwähnten Methoden wohl nicht im 
strengeren Sinne um eine Lebendkonservierung durch Trocknen; die Oberfläche der 
eintrocknenden Blutschicht bildet vielmehr eine luftdichte Hülle über den darunter 
gel enen Bakterien und schützt sie vor wirklichem Austrocknen. Nach dieser 

rklärun würde gerade die von Heim angewandte Behandlungsart der zu kon- 
servierenden Bakterien die Austrocknung verhindern, und es erscheint deshalb die in 
der entsprechenden Literatur für das Verfahren zur Anwendung kommende Be- 
zeichnung als Eintrocknungsmethode als.nicht ganz geeignet. 


Zu erwähnen wäre hier noch eine von Swift angegebene Methode, durch Ein- 
trocknen in gefrorenem Zustand Bakterien längere Zeit am Leben zu erhalten. Sie 
müssen gefroren bleiben, bis der letzte Flüssigkeitstropfen verschwunden ist. Tech- 
nisch gestaltet sich das Verfahren so, daß die Bakterien in möglichst geringer 
Filisigkeilmense in sterile, mit Watte verschlossene Röhrchen eingefüllt werden. 
Die Röhrchen kommen in den unteren Teil eines Exsikkators, der mit Glyzerin ge- 
füllt ist, während der obere Phosphorpentaoxyd enthält. Der Exsikkator wird in 
eine Kältemischung gestellt, und nun zuerst mit der Wasserluftpumpe, dann mit 
einer mechanischen Luftpumpe bis auf ein Vakuum von 2—3 mm Hg evakuiert. 
Nach etwa 12 Std. ist die Austrocknung beendet. Die Röhrchen werden aus dem 
Exsikkator entfernt, mit Paraffin verschlossen oder zugeschmolzen und bei Zimmer- 
temperatur im Dunkeln aufbewahrt. Auf diese Weise konnten Streptokokken mehrere 
Jahre, Pneumokokken bei unveränderter Virulenz mehrere Monate, Meningokokken 
ebenfalls mehrere Monate lebend erhalten werden. Swift kombinierte also die 
Eintrocknung, das Gefrieren und den Sauerstoffabschluß in geschickter Weise zur 


294 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


Konservierung und kam zu außerordentlich guten Resultaten. Nach den Angaben 
des Autors scheint die Methode den vorher angeführten einfachen sogenannten Aus- 
trocknungsmethoden überlegen zu sein, da auch Meningokokken konserviert werden 
konnten; sie kann jedenfalls wegen ihrer Wesensverwandtschaft mit ihnen in 
erweitertem Sinne in diese eingereiht werden. 


Ein völlig neuer Weg in der Konservierungstechnik wurde be- 
schritten mit Versuchen, die sich auf eine Beobachtung Nißles 
stützten, der im Jahre 1924 einen in einer Mutaflorgelatinekapsel ein- 
geschlossenen Coli-Stamm—Mutaflor ist eine Bakterienemulsion, die zu 
therapeutischen Zwecken, insbesondere bei Darmerkrankungen verwendet 
wird — bei gelegentlicher Nachprüfung seit 1917 vollständig lebensfähig 
und im vollen Besitz seiner kulturellen und sonstigen typischen Eigen- 
schaften fand: insbesondere hatte sich der antagonistische Index unver- 
ändert erhalten. Dieser also volle 7 Jahre lebensfähig gebliebene Coli- 
Stamm befand sich ohne jeden Nährboden oder nährbodenähnliches Sub- 
strat lediglich in einer Mischung von Lanolin. anhydr. und Paraffin. 
liquid. Auf Anregung Nißles wurden von mir Versuche angestellt, 
zur Feststellung, ob und wie lange sich andere Bakterien in dieser Fett- 
mischung lebensfähig halten konnten, ob sie dabei ihre Eigenschaften 
in irgendeiner Hinsicht einbüßten, und ob schließlich dies Verfahren 
als brauchbare Konservierungsmethode für lebende Bakterienkulturen 
in Betracht kommen könnte. 


Ueber die Resultate der von mir angestellten Versuche werde ich 
am Schluß dieser Arbeit berichten. Zunächst folge die Beschreibung 
des Verfahrens: 


Als Material für die Aufbewahrung der Kulturen diente die oben 
erwähnte Mischung von Lanol. anhydr. und Paraff. liquid. zu gleichen 
Teilen. Es kann dazu das Lanolin verwendet werden, wie es in den 
Apotheken zu haben ist, jedoch darf keinerlei Wasser- und Oelzusatz 
dabei sein. Die Ausführung des Verfahrens ist technisch denkbar ein- 
fach und kann ohne weiteres Instrumentarium und ohne Hilfskräfte 
überall erfolgen. 

Man stellt sich zunächst die Mischung her, indem man am besten 
in einem Porzellanschälchen das Lanolin über der Flamme zum Ver- 
flüssigen bringt, dazu die gleiche Menge flüssigen Paraffins gibt und 
und unter Umrühren mit einem Glasstabe gründlich vermischt. Diese 
Masse gießt man noch flüssig in ein zur späteren Verwendung am 
besten geeignetes Erlenmeyer-Kölbchen, verschließt dieses mit einem 
Wattestopfen und sterilisiert im Dampftopf 45 Min. lang. Der Schmelz- 
punkt der Fettmasse liegt bei 40°C, jedoch ist die Mischung, be- 
sonders wenn sie vorher auf 40° erwärmt war, bei 37—38° noch so 
weit flüssig, daß sie verwendet werden kann, da der Schmelz- und der 
Erstarrungspunkt um einige Grade auseinanderliegen. 

Das Vorgehen bei der eigentlichen Konservierung der betreffenden 
Kulturen gestaltet sich nun folgendermaßen: Notwendig ist, daß die zu 
konservierenden Stämme sich auf festen (nicht in flüssigen) Nährböden 
befinden. Man nimmt am besten Reagenzgläschen von ca. 1 cm Durch- 
messer und ca. 8 cm Höhe, wie sie zur Ausführung der WaR. benutzt 
werden. Diese Röhrchen werden mit Wattestopfen verschlossen, wie 
üblich sterilisiert und sind dann so gebrauchsfertig. Es wird nun von 
der mit dem Bakterienstamm bewachsenen Platte mit einer an langem 
Draht armierten Oese, die zweckmäßig etwas größer und von stärkerem 


Dikomeit, Einfaches Verfahren zur Konservierung lebender Bakterienkulturen. 295 


Drahte wie üblich gewählt wird, der Kulturrasen vom Nährboden ab- 
geschabt und an den Boden oder unten an die Seitenwand des Röhr- 
chens getan, wo er ohne Schwierigkeiten haften bleibt. Dabei ist darauf 
zu achten, daß vom Nährboden möglichst nichts oder nur soviel, wie sich 
nicht vermeiden läßt, mitgenommen wird. Am zweckmäßigsten wird der 
Kulturrasen einer ganzen Platte in ein Röhrchen gebracht, und damit 
erhält man eine größere Menge des am Boden oder der Seitenwand 
des Röhrchens haftenden Materials, das allerdings quantitativ bei den 
verschiedenen Kulturen verschieden ist. Aus dem indessen in ein 
Wasserbad von 370 C gebrachten Erlenmeyer-Kölbchen mit der 
Fettmischung wird diese mittels einer sterilen Pipette, die nicht zu 
dünn ausgezogen ist — am geeignetsten sind 5 oder 10 ccm Pipetten — 
entnommen und einfach auf das im Röhrchen befindliche Kulturmaterial 
gebracht, bis letzteres vollständig von der Fettmasse bedeckt ist. In der 
gelblichen durchscheinenden Fettmischung ist meistens von außen her 
das sich gegen die Mischung deutlich abhebende Kulturmaterial sehr gut 
zu erkennen. Die Masse erstarrt in kurzer Zeit in den Röhrchen, die, 
mit Wattestopfen verschlossen, in den Kühlraum gestellt werden. 


Die Entnahme gestaltet sich so, daß das betreffende Röhrchen, aus 
dem Material entnommen werden soll, in ein Wasserbad von 370 C ge- 
bracht wird, um die Fettmischung flüssig zu machen und dadurch die 
Entnahme der Kultur zu erleichtern. Gleichzeitig werden die zur Be- 
impfung bestimmten, mit Bouillon oder anderen Nährflüssigkeiten ge- 
füllten Röhrchen zur Anwärmung in ein Wasserbad gebracht, Platten 
mit festen Nährböden im Brutschrank erwärmt. Durch diese Maßnahme 
erhalten die zu beimpfenden Nährböden die gleiche Temperatur wie die 
Fettmischung in den Konservierungsröhrchen; andernfalls erstarrten die 
bei der Ueberimpfung in die kälteren Nährsubstrate unvermeidlich mit- 
übertragenen Fetttropfen und würden in ihnen etwa eingeschlossenes 
Kulturmaterial nicht zur Entwicklung gelangen lassen. An der Stelle, 
wo von außen her das Kulturmaterial sichtbar ist, wird mit der Oese in 
die bedeckende Schicht eingegangen und 1 oder mehrere Oesen auf die 
zur Beimpfung bestimmten Röhrchen oder Platten übertragen. Es ist 
darauf zu achten, daß die einzelnen Partikel der Mischung gut auf 
den Platten verstrichen werden. Die Röhrchen, aus denen entnommen 
wurde, werden neu mit der Fettmischung überschichtet und können 
dann später zu wiederholten Entnahmen dienen. Bei meinen Versuchen 
zeigte es sich, daß die neu überschichteten Röhrchen in jedem Falle 
bedeutend bessere Resultate ergaben als solche, bei denen die Nachüber- 
schichtung unterlassen wurde. 

Ich möchte hier noch auf einige zu beachtende Momente hinweisen, 
deren Uebersehen leicht zu ungünstigen Resultaten führen kann, jeden- 
falls sehr leicht eine Abtötung der Keime oder eine Schädigung her- 
vorruft, die ihre Haltbarkeit in der Mischung stark beeinträchtigt: 
die zum Abschaben des Kulturrasens verwendete Oese muß nach dem 
Ausglühen genügend erkaltet sein, ferner darf die auf das Kultur- 
material gebrachte Fettmischung nicht über 38° temperiert sein. 

Unvermeidlich ist in den meisten Fällen das Hineingelangen von 
mehr weniger reichlichen Partikeln der Fettmischung mit dem aus dem 
Konservierungsröhrchen entnommenen Kulturmaterial in die beimpften 
Nährböden. Es entstehen dann bei der Färbung der Präparate zum 
mikroskopischen Nachweis der gewachsenen Keime oft insofern 


296 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


Schwierigkeiten, als das Fett die Färbung nicht annimmt. Man 
hilft sich leicht durch Begießen der Präparate mit Aether nach dem 
Fixieren. Nach Verdunsten des Aethers wird dann wie üblich gefärbt, 
oder das entnommene Material kann auch mit Aether zentrifugiert und 
das Sediment gefärbt werden. 

Im folgenden berichte ich nun über die angestellten Versuche und 
deren Ergebnisse: 

Es wurden Untersuchungen angestellt mit Streptokokken, Di- 
phtheriebazillen, Typhus- und Shiga-Kruse-Bazillen, Pneumokokken 
und Meningokokken. Die Versuche erstrecken sich einschließlich der 
Vorbereitungen zum Herausfinden der geeignetsten Technik über eine 
Zeit von 9 Monaten. 


Streptokokken. 


Ein auf Loeffler-Serumnihrboden reingezüchteter Streptokokkenstamm, der 
im mikroskopischen Bilde Ketten von 15—20 Gliedern aufwies, wurde am 22. 1. 
1925 in oben geschilderter Weise konserviert, und zwar wurde von je 1 Loeffler- 
Platte (6—8 em Durchmesser) ein Röhrchen angelegt, im ganzen 6 Röhrchen. Auf- 
bewahrung im Eisraum. 

1. Kontrolle am 4. 2. 1925. 
1. Entnahme aus Röhrchen 1. 

Es wurden einige Oesen des konservierten Kulturmaterials entnommen und auf 
Bouillon und Loeffler-‘Serum übertragen. Das Röhrchen wurde mit der Fett- 
mischung nachüberschichtet und weiter im Eisraum aufbewahrt. Nach 24 Std. Brut- 
schrankaufenthalt sind alle 3 beimpften Bouillonröhrchen stark getrübt. Die be- 
impften Loeffler-Platten zeigen bis dahin kein Wachstum. Mikroskopisch sind 
in den Bouillonkulturen Streptokokken in picker Lagerung ohne Veränderung der 
Formen, doch in kürzeren Ketten als vor der Konservierung nachweisbar. Weitere 
Uebertragung auf Traubenzuckerbouillon. In dieser intensives Wachstum. Mikro- 
skopisch zeigen sich nach einigen Tagen anhaltender Traubenzuckerbouillon 
wieder langkettige Streptokokken von 20 und mehr Gliedern. Die beimpften 
Loeffler-Platten zeigen erst nach 2tigigem Brutschrankaufenthalt üppiges Wachs- 
tum. Mikroskopisches Verhalten der Streptokokken wie in der Traubenzuckerbouillon. 


Ergebnis: 


1. Kontrolle nach 13 Tagen ergibt einwandfrei lebensfähige, weiter übertragbare 

Streptokokken ohne Veränderung der typischen Eigenschaften. 
2. Kontrolle am 11. 2. 1925. 
2. Entnahme aus Röhrchen 1. 

Uebertragung auf Bouillon und Loeffler-Platten. Reichliches Wachstum 
in der Bouillon. Loeffler-Platten sind, wie bei Kontrolle 1, erst nach 2 Tagen 
bewachsen. Mikroskopisch: typische Streptokokken, zunächst kurzgliedrig, nach 
Traubenzuckerpassage zu langen Ketten auswachsend. 


Ergebnis: 


2. Kontrolle nach 21 Tagen ergibt lebensfähige Streptokokken. 
3. Kontrollle am 21. 4. 
3. Entnahme aus Röhrchen 1. 
1. Entnahme aus Röhrchen 2. 
Beimpfen von Traubenzuckerbouillon und Loeffler-Platten. Ueppiges Wachs- 
tum des Materials aus Röhrchen 1 und 2. Weiterübertragung mit sehr gutem Erfolg 
möglich. Mikroskopisch langgliedrige Streptokokken. 


Ergebnis: 


3. Kontrolle nach 88 Tagen ergibt lebensfähige Streptokokken. 
4. Kontrolle am 22. 5. 
4. Entnahme aus Röhrchen 1. 
2. Entnahme aus Röhrchen 2. 
1. Entnahme aus Röhrchen 3. 
Beimpfen von Traubenzuckerbouillon und Loeffler-Platten. Ueppiges Wachs- 
tum der Kulturen von Röhrchen 1 und 2. Röhrchen 3 zeigt kein Wachstum. 


Dikomeit, Einfaches Verfahren zur Konservierung lebender Bakterienkulturen. 297 


Ergebnis: 


Abgesehen von Röhrchen 3 finden sich bei der 4. Kontrolle nach 120 Tagen 
die Streptokokken in Röhrchen 1 und 2 unverändert lebensfiihig. Zu bemerken ist, 
daß das Wachstum des Materials aus Röhrchen 1 hinter dem aus Röhrchen 2 zurück- 
bleibt. Eine Erklärung für das Nichtangehen des Kulturmaterials aus Röhrchen 3 
kann nicht gefunden werden. 

5. Kontrolle am 1. 7. 1925. 
5. Entnahme aus Röhrchen 1. 
3. Entnahme aus Röhrchen 2. 

In den von Röhrchen 1 beimpften Bouillonröhrchen kein Wachstum, ebenso 
wenig auf Loeffler-Serum. Dieses Resultat ist wohl allein schon aus der häufigen 
Entnahme von Material aus dem Röhrchen herzuleiten. Das vorhandene Material 
dürfte dadurch bereits aufgebraucht sein. Schon bei der vorangegangenen Kontrolle 
wurde bedeutend geringeres Wachstum festgestellt als bei Röhrchen 2. Röhrchen 2 
ergibt genügendes Wachstum und mikroskopisch typische Streptokokken. Zurück- 
bleiben im Wachstum gegen die frühere Entnahme ist deutlich festzustellen. 


Ergebnis: 


5. Kontrolle nach 5 Monaten: Röhrchen 1 kein Wachstum. Röhrchen 2 gutes 
Wachstum typischer Streptokokken. 
6. Kontrolle am 6. 7. 
2. Entnahme aus Röhrchen 3. 
1. Entnahme aus Röhrchen 4. 


Ergebnis : 

Röhrchen 3 zeigt kein Wachstum wie auch am 22. 5. 

Röhrchen 4 zeigt zunächst spärliches Wachstum. Nach weiterer Uebertragung 
auf Loeffler-Platten nimmt es jedoch deutlich zu. Mikroskopischer Befund: 
Streptokokken in langen Ketten. 

7. Kontrolle am 16. 7. 
1. Entnahme aus Röhrchen 5. 

Beimpfte Traubenzuckerbouillon erweist sich stark bewachsen. Die beimpften 
Loeffler-Platten zeigen erst nach 36stünd. Brutschrankaufenthalt deutliches 
Wachstum. Mikroskopisch : langgliedrige Streptokokken. 


Ergebnis : 
6. und 7. Kontrolle nach nahezu 6 Mon. ergibt einwandfrei entwicklungsfähige 
Streptokokken. 
8. Kontrolle am 12. 9. 
Bei der letzten Kontrolle liefen Röhrchen 3 und 5 durch Umfallen im Wasser- 
bad voll Wasser und wurden als unbrauchbar fortgetan. 
6. Entnahme aus Röhrchen 1. 
4. Entnahme aus Röhrchen 2. 
2. Entnahme aus Röhrchen 4. 
1. Entnahme aus Röhrchen 6. 
Röhrchen 1 und 2 enthalten keine lebensfähigen Streptokokken. Röhrchen 4 
zeigt mäßiges, und Röhrchen 6 sehr starkes Wachstum auf Traubenzuckerbouillon 
und Loeffler-Platten. 


Ergebnis der 8. Kontrolle: 

Nach 71/, Mon. sind in Röhrchen 4 und 6 noch reichlich lebensfähige Strepto- 
kokken nachzuweisen. 

Zusammenfassend wäre also festzustellen, daß Streptokokken sich in unserer 
Fettmischung 7!/, Monate lebensfähig und ohne Veränderung ihrer typischen Form 
hielten. Einschränkend ist zu bemerken, daß die häufigen Entnahmen aus einem 
Röhrchen schädigend wirkten, da nach den ersten Entnahmen das üppige Wachstum 
allmählich abnahm, daß aber neu angenommene ARR A ri Sn üppiges 
Wachstum aufwiesen. Gleich an dieser Stelle möchte ich erwähnen, daß diese Fest- 
stellung auch für alle Untersuchungen an den anderen Bakterien, mit denen ich 


298 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


gearbeitet habe, gilt. Offenbar bleibt, wie bei anderen Konservierungsverfahren, nur 
ein kleiner Teil der ursprünglich benutzten Bakterienmenge am Leben‘). 


Diphtherie. 


Die Versuche mit Diphtheriebazillen führten erst nach einigen anfänglichen 
Mißertolgen zu guten Resultaten. 

Zunächst wurde am 20. 1. 1925 ein aus einem Rachenabstrich gezüchteter 
Stamm, der längere Loeffler-Serumpassagen bis zur völligen Reinzüchtung durch- 
machte, in der Fettmischung konserviert. Es wurden 6 Röhrchen angelegt. Nach 
14 Tagen wurde die 1. Kontrolle ausgeführt. Lebende Diphtheriebazillen fanden sich 
in dem aus Röhrchen 1 entnommenen Material nicht. Das gleiche negative Resultat 
erzielten Entnahmen aus Röhrchen 2 und 3 und eine 2. Entnahme aus Röhr- 
chen 1. Als Grund für diese Mißerfolge mußte irgendein technisches Versehen in 
Frage kommen, zumal die Diphtheriebazillen als erste mit dem Konservierungs- 
verfahren behandelt wurden. Es war daran zu denken, daß die zur Reinzüchtun 
über längere Zeit notwendig gewesenen Uebertragungen irgendwie beeinträchtigen 
aut die Pebenfähigkeit gewirkt hatten. Diese Annahme hat sich durch spätere Kon- 
trollen als nicht zutreffend erwiesen. 

Es wurde nun am 20. 4. 1925 ein aus einem Rachenabstrich frisch gezüchteter 
Diphtheriestamm, der mit Staphylokokken etwas verunreinigt war, konserviert. 

Die am 22. 5. von Röhrchen 1 dieses 2. Diphtheriestammes gemachten Kon- 
trollen ergaben, daß nur Staphylokokken gewachsen waren. Von Diphtheriebazillen 
war nichts nachzuweisen. Eine am 1. 7. erfolgte Kontrolle aus dem gleichen Röhr- 
chen ergab das gleiche Resultat. Es mußte daraufhin angenommen werden, daß die 
Diphtheriebazillen zugrunde gegangen und nur die lebensfähigeren Staphylokokken 
lebensfähig geblieben waren. Spätere Kontrollen jedoch ergaben sehr günstige Resul- 
tate, über die nachfolgend berichtet sei. 

Es wurde außer den beiden erwähnten Stämmen am 14. 7. noch ein dritter, 
völlig rein gezüchteter Stamm konserviert. Von diesem Stamm 3 wurde am 6. 8. 
(nach 21 Tagen) eine Kontrolle gemacht. Ergebnis: die beimpften Loeffler- 
Platten und Glyzerinbouillonréhrchen waren üppig bewachsen. kroskopisch waren 
massenhaft Diphtheriebazillen in typischer Lagerung und Form zu sehen, bei 
Neißer-Färbung die charakteristischen Polkörperchen vorhanden. Diese erste 
Kortrolle aus Röhrchen 1 des Diphtheriestammes 3 ergab also nach 21 Tagen 
üppig wachsende, weiter übertragbare Diphtheriebazillen. Weitere Kontrollen am 26. 8. 

1. Entnahme aus Röhrchen 4 Stamm 1. 
2. Entnahme aus Röhrchen 2 Stamm 2. 
2. Entnahme aus Röhrchen 1 Stamm 3. 
1. Entnahme aus Röhrchen 2 Stamm 3. 


Ergebnis : 


Stamm 1 Röhrchen 4 weist auf den beimpften Nährböden kein Wachstum auf. 
Damit zeigt sich Uebereinstimmung mit den früheren Kontrollen aus Stamm 1. 

Stamm 2 Röhrchen 2: Reichliches Wachstum auf Glyzerinbouillon und 
Loettler- Platten. Mikroskopisches Bild: Nester von Diphtheriebazillen in cha- 
rakteristischer Lagerung, dazwischen Staphylokokken. Es gelingt leicht, die ge- 
wachsenen Diphtheriebazillen völlig rein zu züchten, so daß nach einigen Ueber- 
tragungen keine Beimengungen von anderen Keimen vorhanden sind. Das mikro- 
skopische Bild und auch das Aussehen der Kolonien ist ähnlich dem vor der Kon- 
servierung. (Die früheren Präparate zum Vergleich waren aufbewahrt worden.) 

Stamm 3 Röhrchen 1 und 2: Ueppiges Wachstum auf den beimpften Nähr- 
böden. Mikroskopisch : typisch gelagerte schlanke Stäbchen mit Polkörnchen bei 
Neißer-Färbung. Die gewachsenen Kulturen lassen sich bei gleich üppigem 
Wachstum beliebig lange weiterzüchten. 


1) Bei einer am 8. 1. 1926 (also nach fast 1 Jahre) angestellten Nachkontrolle 
(3. Entnahme aus Röhrchen 4) zeigte sich deutliches Wachstum der entnommenen 
Streptokokkenkulturen in Bonillon und auf Loeffler- Platten, Weiterziichtung 
gut möglich. Mikroskopisch zunächst 5-8 Glieder, bei mehrmaligem Umzüchten 
10 12gliedrige Ketten in Bouillonkulturen. 


Dikomeit, Einfaches Verfahren zur Konservierung lebender Bakterienkulturen. 299 


Röhrchen 1 und 2 des Stammes 3 enthalten nach 42 Tagen lebensfähige Di- 
phtkeriebazillen, Röhrchen 2 Stamm 2 solche nach 4 Monaten Aufbewahrung in der 
Konservierungsmischung. 

Kontrollen am 12. 9. 1925. 


Stamm 1. 

Entnahme aus Röhrchen 
. Entnahme aus Röhrchen 
Entnahme aus Röhrchen 
Entnahme aus Röhrchen 
Entnahme aus Röhrchen 
. Entnahme aus Röhrchen 


j bet BO DO DO DO 
PETER NE 


Stamm 2. 
3. Entnahme aus Röhrchen 
3. Entnahme aus Röhrchen 
1. Entnahme aus Röhrchen 


err 


Stamm 3. 
3. Entnahme aus Röhrchen 
2. Entnahme aus Röhrchen 
1. Entnahme aus Röhrchen 
1. Entnahme aus Röhrchen 


BPODM 


Ergebnisse : 


Stamm 1 Röhrchen 1—4 zeigen wie bei den früheren Kontrollen kein Wachs- 
tum der beimpften Nährböden. Aus Röhrchen 5 und 6 entnommenes Material da- 
gegen weist deutliches Wachstum und weitere Uebertragungsmöglichkeit der ge- 
wachsenen Keime auf. Mikroskopisch ist die typische rung der Diphtherie- 
bazillen in Häufchen und Streichholzformen zu sehen. Neben schlanken Stäbchen 
finden sich kürzere dickere mit dicken Polkörnchen, die anscheinend Involutions- 
formen entsprechen. 

Stamm 2 Röhrchen 1: nur Staphylokokken. 

Röhrchen 2 neben Staphylokokken spärliche Diphtheriebazillen. 


Röhrchen 3 sehr reichliches Wachstum. Mikroskopisch einwandfreie Diphtherie- 
bazillen in typischer Form und Lagerung. Es finden sich neben klassischen Formen 
reichlich kürzere, gedrungene Stäbehen in für Diphtheriebazillen typischer Lagerung 
mit deutlichen Polkörperchen. 

Stamm 3 Röhrchen 1-3 üppiges Wachstum. Mikroskopisch auffallend viel 
Keulen- und Hantelformen. Daneben auch kürzere gedrungene Stäbchen in für 
Diphtheriebazillen typischer Lagerung. Nach mehreren Passagen über Loeffler- 
Serum verschwinden die letztgenannten Formen, und es zeigt sich das klassische 
Bild einer Diphtheriebazillenreinkultur. 

Röhrchen 4 und 5 ergeben das gleiche Resultat, zeigen jedoch weniger üppiges 
Wachstum. 

Zusammenfassend ergaben die Kontrollen nach 21 und 42 Tagen, 4, 5 und 
7 Monaten, daß von Stamm 1 aus unbekannter Ursache in Röhrchen 1—4 keine 
lebenden Diphtheriebazillen vorhanden, daß in Röhrchen 1 des Stammes 2 nur 
Staphylokokken nachzuweisen, jedoch in Röhrchen 5 und 6 von Stamm 1 nach 
71/, Monaten, in Röhrchen 2 und 3 des Stammes 2 nach 4!/ Monaten, und in 
sämtlichen Röhrchen von Stamm 3 nach 2 Monaten einwand rei entwicklungs- 


fähige Diphtheriebazillen, die teilweise Involutionsformen aufwiesen, zu finden waren. 


Pneumokokken. 


Das Sediment des Lumbalpunktates eines Falles von Pneumokokkenmeningitis 
wurde einer Maus subkutan injiziert. Nach 2 Tagen ging die infizierte Maus an 
einer Pneumokokkensepsis ein. Ihr Herzblut wurde auf Blutagarplatten geimpft, auf 
denen Pneumokokken in Reinkultur wuchsen. Diese Reinkulturen wurden am 
13. März 1925 in drei Röhren konserviert. 

1. Kontrolle am 25 3. 


300 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


Aut Blutagarplatten übertragenes Material aus Röhrchen 1 wächst in genügender 
Menge. Mikroskopisch : Grampositive Diplokokken von Lanzettform. Die 1. Kontrolle 
nach 12 Tagen ergibt entwicklungsfähige Pneumokokken. 

2. Kontrolle am 24. 6. 
2. Entnahme aus Röhrchen 1. 
1. Entnahme aus Röhrchen 2. : : 

Wachstum in beimpften Traubenzuckerbouillonröhrchen spärlich. Weiterzüchtung 

elingt nur für kurze Zeit. Nach 2maliger Uebertragang auf Blutagar wird das 
Wachstum zusehends geringer und hört bei weiteren Versuchen völlig auf. 


Ergebnis: Nach 3 Mon. finden sich in den Konservierungsröhrchen zwar ent- 
wicklungsfähige, aber in ihrer Resistenz sehr geschwächte Pneumokokken, die sich 
nur kurze Zeit weiterzüchten lassen. 

3. Kontrolle am 6. 7. 
3. Entnahme aus Röhrchen 1. 
2. Entnahme aus Röhrchen 2. 


Die beimpften Traubenzuckerbouillonröhrchen und Blutplatten zeigen deut- 
liches Wachstum. Mikroskopisch typische lanzettförmige Pneumokokken. Weiter- 
übertragung gelingt. 


Ergebnis: Nach 4 Mon. sind lebensfähige weiterübertragbare Pneumokokken 
nachzuweisen. 
4. Kontrolle am 12. 9. 
4. Entnahme aus Röhrchen 1. 
3. Entnahme aus Röhrchen 2. 
1. Entnahme aus Röhrchen 3. 
In Röhrchen 1 und 2 keine lebensfähigen Keime mehr. Material aus Röhrchen 3 
weist deutliches Wachstum und mikroskopisch ausreichend typische Pneumokokken. 


Ergebnis: In Röhrchen 1 und 2 keine lebenden Pneumokokken. In Röhrchen 3 
reichliches Wachstum typischer Pneumokokken 1). 


Meningokokken. 


Aus einem Lumbalpunktat gewonnene Meningokokken wurden am 5. 5. von 
einer Ascites-Agarplatte, auf der nur wenig zahlreiche Kolonien gewachsen waren, 
in üblicher Weise entnommen und in einem Röhrchen konserviert. 

1. Kontrolle am 15. 5. 

Beimptung einer Ascites-Agarplatte. Wachstum weniger Kolonien, deren Weiter- 
züchtung gelingt, ohne daß aber eine nennenswerte Vermehrung der Kolonien zu 
erreichen ist. 

Auf Ascites-Agar geimpftes Material wächst in zarten, flachen, grau durch- 
scheinenden Kolonien in geringer Zahl. Weiterübertragung möglich. Mikroskopisch 
gramnegative, semmelförmige Diplokokken. 


Ergebnis: Nach Aufenthalt von 31 Tagen in der Konservierungsmasse sind 
lebensfühige Meningokokken vorhanden. Es zeigt sich keinerlei Aenderung des kultu- 
rellen und mikroskopischen Verhaltens, jedoch hat anscheinend eine Beeinträchtigung 
der Entwicklungsfähigkeit des Stammes stattgefunden, da eine Zunahme der Kolonien 
nicht festzustellen war, die weitere Fortzüchtung sogar eine deutliche Abnahme des 
Wachstums zeigte. 

3. Kontrolle am 10. September. 

Entnommenes Material zeigt kein Wachstum mehr. Der Grund hierfür mag 
wohl darin liegen, daß das nur spärliche Material aus dem Konservierungsröhrchen 
aufgebraucht ist. à 


Typhus. 


Ein Typhusstamm, der als solcher durch sein Verhalten auf den Spezial- 
nährböden (Endofuchsinsulfitagar, Neutralrotagar, Lackmusmolke) durch die lebhafte 


1) Bei einer Nachuntersuchung am 8.1. 1926 zeigt sich bei Entnahme aus 
Röhrchen 3 keinerlei Wachstum mehr. 


Dikomeit, Einfaches Verfahren zur Konservierung lebender Bakterienkulturen. 301 


Beweglichkeit der Stäbchen im hängenden Tropfen und durch die Agglutination 
sicher identifiziert wurde, wird am 24. 1. konserviert. Und zwar wurden angelegt: 
5 Röhrchen von 5 Schrägagarkulturen, 1 Röhrchen von einer Endoplatte und ver- 
suchsweise 1 Röhrchen mit einer Oese Bouillonkultur. 


1. Kontrolle am 24. 2. 1925. 
1. Entnahme aus Röhrchen 1. 

Beimpfte Bouillon ist deutlich getrübt. Mit der bewachsenen Bouillon be- 
impfter Endonährboden weist reichlich farblose, blasse Kolonien auf. Neutralrot- 
agar und Lackmusmolke bleiben unverändert. Agglutination bis zur Titergrenze 
deutlich. Ergebnis : 

Nach 4 Wochen lebensfähige Typhusbazillen in Röhrchen 1. 


2. Kontrolle am 1. 7. 
2. Entnahme aus Röhrchen 1. 
führt zu gleichem Ergebnis wie bei Kontrolle 1. 


3. Kontrolle am 25. 8. 
3. Entnahme aus Röhrchen 1. 
1. Entnahme aus Röhrchen 2 und 3. 
In allen 3 Röhrchen erweist sich der konservierte Typhusstamm als einwandfrei 
lebensfähig und im vollen Besitze seiner typischen Eigenschaften. 


4. Kontrolle am 12. 9. I 
4. Entnahme aus Röhrchen 1. 
2. Entnahme aus Röhrchen 2 und 3. 
1. Entnahme aus Röhrchen 4—7. 


In von Röhrchen 1—5 beimpfter Bouillon deutliche Trübung. Typisches 
Verhalten aut Endo- und Spezialnährböden (Neutralrotagar und Lackmusmolke). 
g Stäbchen im hängenden Tropfen. Agglutination deutlich bis Titergrenze. 

öhrchen 6 (aus Bouillonkultur konserviert) und 7 (von Endoplatte konser- 
viert) zeigen kein Wachstum. 

Ergebnis: Nach 7!/, Monaten sind in der Konservierungsmischung lebensfähig 
und unverändert gebliebene Typhusbazillen nachzuweisen. 


Dysenterie. 


Es werden 2 Stämme von Shiga-Kruse-Bazillen konserviert. Ein Stamm 
Shiga-Marburg, der schwer agglutinabel ist, und ein 2. Stamm Shiga-Freiburg, 
werden am 12. 2. 1925 von Šchrägagarkulturen in 6, bzw. 4 Konservierungs- 
röhrchen gebracht. 

Stamm Freiburg. 
1. Kontrolle am 1. 7. 

Beimpfte Bouillon von Röhrchen 1 ist deutlich getrübt. Auf Endo platten 
reichliches Wachstum blasser Kolonien. Im hängenden Tropfen kurze, dicke, uribe- 
wegliche Stäbchen mit sehr lebhafter Molekularbewegung. Agglutination findet zu- 
näc nicht statt. 

Nach 3tigiger Passage über Schrägagar stellt sich Agglutination bis Titer- 
grenze ein. 


2. Kontrolle am 26. 8. 
1. Entnahme aus Röhrchen 2. 
2. Entnahme aus Röhrchen 1. 

Aus beiden Röhrchen entnommenes Material weist reichliches Wachstum auf 
den beimpften Nährböden auf. Verhalten wie bei Kontrolle 1. Agglutination wird erst 
nach längerer Uebertragung auf Schrägagar deutlich bis Titergrenze. 

3. Kontrolle am 12. 9. 
3. Entnahme aus Röhrchen 1. 
2. Entnahme aus Röhrchen 2. 
1. Entnahme aus Röhrchen 3 und 4. 

Material aus allen 4 Röhrchen zeigt sich entwicklungsfähig. Kulturelles und 
mikroskopisches Verhalten wie bei den vorigen Kontrollen. 

Ergebnis: Nach 7 Mon. sind in allen Konservierungsröhrchen in ihren Eigen- 
schaften unverändert gebliebene Shiga-Kruse-Bazillen nachzuweisen. 

Stamm Marburg. 
1. Kontrolle am 26. 8. 
1. Entnahme aus Röhrchen 1 und 2. 


302 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5. 


Reichliches Wachstum des entnommenen Materials auf den beimpften Nähr- 
böden. Agglutination deutlich bis Titergrenze. 
2. Kontrolle am 12. 9. 
Entnahmen aus Röhrchen 1—6. 


In allen 6 Röhrchen lassen sich durch das Wachstum auf den beimpften Nähr- 
böden und die bis Titergrenze deutliche BERLINER einwandfrei lebensfähige 
Shiga-Kruse-Bazillen nachweisen, die fon. ohne Beeinträchtigung ihrer 
Entwicklungsfähigkeit in der Fettmischung konserviert werden konnten. 


Die Ergebnisse der beschriebenen Versuche sind in wissenschaft- 
licher wie in praktischer Hinsicht sehr beachtenswert. Die schon von 
anderer Seite gemachte Feststellung, daß auch als empfindlich und an- 
spruchsvoll erkannte Keime in gewisser Hinsicht eine geradezu erstaun- 
liche Resistenz und Anspruchslosigkeit an den Tag legen, wird wieder 
einmal bestätigt. Sonst so empfindliche Keime wie Pneumo- und Me- 
ningokokken hielten sich in unserem Falle bei niederer Temperatur 
längere Zeit (Pneumokokken 6 Mon., Meningokokken 31 Tage) ohne 
jeden Nährboden, auch die wenig widerstandsfähigen Streptokokken 
hielten sich über ein Jahr unter den gleichen Bedingungen. Sucht man 
nach einer Erklärung dieser Ergebnisse, so muß wohl als wichtigstes 
Moment für die Erhaltung der Lebensfähigkeit der Sauerstoffabschluß 
durch die umgebende Fettschicht angesehen werden, wozu dann noch 
einige gleich anzuführende Momente hinzukommen, die vor den auf 
Nährböden unter Sauerstoffabschluß konservierenden Methoden über- 
wiegende Vorteile darstellen. Ist infolge des Fehlens des Sauerstoffes 
schon auf luftabgeschlossenen Nährböden nur eine ganz geringe Ver- 
mehrung von Keimen möglich, so ist diese Vermehrungsmöglichkeit um 
so weniger .vorhanden, wenn gar kein Nährboden zur Verfügung der 
Keime steht wie in unserem Falle. Es ist sehr leicht möglich, daß in 
der Verhinderung der Keimvermehrung das wesentlichste Moment für die 
Erhaltung der Lebensfähigkeit liegt, da ja damit die Schädigung durch 
die die Keime sicher außerordentlich beeinträchtigenden eigenen Stoff- 
wechselprodukte fortfällt. Dazu kommt ferner, daß die Gefahr der 
Austrocknung sehr gering ist oder wenigstens sehr spät eintreten kann, 
da der Wassergehalt der Fettmasse genügend groß für den Bedarf der 
Keime ist und bleibt. 

Praktisch sind die Versuchsergebnisse insofern von Interesse, als 
sich darauf ein neues einfaches Konservierungsverfahren aufbaut. Das 
Verfahren scheint gerade für die einfachen Bedürfnisse der Praxis sehr 
gut geeignet zu sein. Gegenüber anderen der bisher üblichen Ver- 
fahren besitzt es manchen Vorteil. Die an sich sehr wertvolle Unger- 
mannsche Methode ist immerhin kompliziert und wird daher der Aus- 
führung in gut ausgestatteten Laboratorien vorbehalten bleiben. Vor 
allem ist die Gewinnung des sterilen Serums nicht ohne Schwierig- 
keiten. Unsere Methode ist technisch außerordentlich einfach, erfordert 
kein besonderes Instrumentarium und keine Hilfskräfte, macht wenig 
Kosten und entbehrt vollkommen der Nährböden. Damit ist ein weiterer 
sehr beachtenswerter und die Handhabung der Methode vereinfachender 
Faktor gegeben, da ein allzu ängstlich steriles Arbeiten gar nicht er- 
forderlich ist. Denn sollten einmal irgendwelche Luftkeime in die Kon- 
servierungsröhrchen gelangen, so können sie keinen Schaden anrichten, 
da für sie infolge des Fehlens jeglichen Nährsubstrates keine Ver- 
breitungsmöglichkeit besteht. ‚Jedenfalls ist bei meinen Versuchen nie- 


Dikomeit, Einfaches Verfahren zur Konservierung lebender Bakterienkulturen. 303 


mals eine Verunreinigung durch Luftkeime festzustellen gewesen. In 
der mir zur Verfügung gewesenen Zeit war es nicht möglich, für ein 
Konservierungsverfahren und Prüfung der Lebensdauer der konser- 
vierten Keime nötige endgültige Ergebnisse zu erhalten. Deshalb sind 
die von mir angestellten Versuche nur als vorläufige zu betrachten. Es 
bedarf noch weiterer Arbeiten, um die Leistungsgrenze der Methode zu 
erproben und sie durch weitere Vervollkommnungen auszubauen. Ins- 
besondere wären vielleicht mit einer variieften Zusammensetzung der 
Fettmischung noch Verbesserungen zu erreichen. 


Zusammenfassung. 


Auf Grund einer Beobachtung Nißles, der einen Coli-Stamm 
nach 7 Jahren in einer Fettmischung von Lanolin. anhydr. und 
Paraffin. liq.aa völlig lebensfähig und im vollen Besitz seiner typischen 
Eigenschaften fand, wurden von mir Versuche angestellt zur Fest- 
stellung, ob sich andere Keime in dieser Fettmischung längere Zeit 
lebensfähig halten konnten, und ob sie darin ihr Verhalten irgendwie 
änderten, schließlich, ob darauf ein Konservierungsverfahren gegründet 
werden könnte. Die Versuche wurden angestellt mit Streptokokken, 
Pneumokokken, Meningokokken, Diphtheriebazillen, Typhus- undShiga- 
Kruse-Bazillen. Sie führten zu folgenden Resultaten: Streptokokken 
hielten sich in erwähnter Fettmischung fast ein Jahr lang unverändert 
lebensfähig, Pneumokokken 6 Monate, Meningokokken 31 Tage, Di- 
phtheriebazillen 71/, Monate, Typhusbazillen 7!/, Monate und Shiga- 
Kruse -Bazillen ebenfalls 7!/, Monate. Eine längere Beobachtung war 
aus äußeren Gründen nicht möglich. Das Verfahren kommt infolge 
seiner einfachen Ausführung als praktisch brauchbare Konservierungs- 
methode in. Frage und besitzt in mancher Hinsicht nennenswerte Vor- 
teile gegenüber den bisher üblichen Methoden. 


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Bd. 1. S. 542.) — Soyka und Kräl, Vorschläge und Anleitungen zur An- 
degung von bakteriologischen Museen. (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 5. S. 497.) — Swift, 
Journ. of Exper. M. 1921. 33. p. 69. (Ref. im Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 72. 
1921. S. 46.) — Ungermann, Eine einfache Methode zur Gewinnung von 
Dauerkulturen empfindlicher Bakterienarten und zur Erhaltung der Virulenz tier- 
pathogener Keime. Arbeiten aus dem Reichsgesundheitsamt. Bd. 51. S. 180. 


An dieser Stelle spreche ich Herrn Prof. Nißle meinen ergebenen 
Dank aus für die Anregung zu dieser Arbeit und die mir bei ihrer 
Anfertigung erteilten freundlichen Ratschläge. 








Inhalt. 





Acklin, Oskar, Zum Nachweis des Bac- | Kliewe, H., Variabilitätsstudien und Grup- 
terium coli commune als Fäkal- peneinteilung bei Diphtheriebazillen und 
indikator im Wasser. Mit 1 Abbildung anderen Corynebakterien. III. S. 199. 
im Text, S. 178. Kristensen, Martin, Gärungsversuche mit 

Alexeieff, A., Recherches sur la physio- Milzbrandbazillen, S. 220. 
gie des globules blancs. Cytodiagnostic | Panayotatou, Tu Ay Sur une „My- 
et son application en clinique. Avec cose“ isolée de la langue d’un malade. 
17 figures dans le texte et 4 planches, | »Penicillium linguae (genre Sco- 
S. 240. pere u Avec 6 figures dans 

Braun, H., u. Goldschmidt, R., Die Brut- en tg N 
schrankluft als Stickstoff- bzw. Kohlen- ec Lo “+ os la on des 
stoffquelle für Typhus-, Paratyphus B-, Den S Er ge 2 a., “Avec 
Shiga-Kruse- und Coli-Bazillen, | pfas a 7. Ueber bakteri ; 
5. 283. z, @. J., Ueber bakteriophage Wir- 

ee kungen bei Meningokokken. Mit 3 Ab- 

Busson, B., Sterilisierung und Konser- bildungen im Text, S. 209. 
vierung von Aszitesflüssigkeit zur Nähr- Sakai, Kikuo, Bakteriologische Unter- 

« bodenbereitung, S. 282. ‚ suchung der Paratyphusepidemie im 

Dikomeit, Bruno, Ueber ein einfaches |  Lehrerseminar zu Sendai, S. 193. 
Verfahren zur Konservierung lebender | Seligmann, E., Artumwandlung in der 
Bakterienkulturen. S. 290. Enteritisgruppe. Il. Mitteilung, S. 161. 

Dimtza, Alexander, Ueber Veränderungen Shmamine, Tohl, Agar als Einschluß- 
von Coli-Stämmen durch Bakterio- medium für die Untersuchung im Dun- 
phagenwirkung „in vivo und in vitro“, kelfeld. Mit 1 Abbildung im Text, 
S. 171. | §. 279. 

Galli-Valerio, B., et Bornand, M., Le | Spranger, Heinz, Die Frage der Verwen- 
Mycobacterium aquae Galli-Valerio dung des Isopropylalkohols als Desinfek- 
et son action pathogène. 8. 182. tionsmittel an Stelle von Aethylalkohol, 

Ganz, Peter O., Zur Anwendung von S. 236. 

Trockenkomplement bei der Wasser- | Wolff, L. K., Ueber ein auch bei tropi- 
mannschen Reaktion, S. 225. | scher Temperatur steriles Wasser liefern- 

Gorini, Constantino, Ueber die Stimu- des Filter. Mit 1 Abbildung im Text, 
lierung der bakteriellen Aktivität und S. 163. 
das Verhalten des B. typhi in der Milch, Yakimoff, W. L., Le toxoplasme des pois- 
S. 196. sons. Avec 19 figures en texte, S. 217. 


Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena — 5549 








Contralbl. f. Bakt. ete. I. Abt Originale, Bi ID. Het 6 


Ausgegeben am 5. Februar 1927. 


I 





Nachdruck verboten. 


Ist der gaslose Paratyphus B-Bazillus eine besondere Art? 


[Aus dem Städt. Hygienischen Universitätsinstitut in Frankfurt a. M. 
(Dir.: Geh. Medizinalrat Prof. Dr. M. Neisser).] 


Von Dr. Emmy Klieneberger. 


Im Jahre 1913 beschrieb E. Oette (8) einen Paratyphus B-Bazillenstamm vom 
Typus Schottmüller, der sich in den meisten Reaktionen typisch verhielt, 
aber in einigen Eigenarten, vor allem der 'sonst so charakteristischen Gasbildung, 
abwich. Er zeigte Schleimwiille, war in der Raffinosereaktion positiv, zersetzte 
Arabinose, Dulzit und Rhamnose wie ein Schottmüller-Stamm, im Gegensatz 
zu Typusbazillen, und wies eine typische Agglutination auf, nur bildete er kein 
Gas, weder aus Traubenzucker noch aus anderen Kohlehydraten u. dgl., während er 
wohl imstande war, aus ihnen Säure zu bilden. Dieser Stamm, „Risum-Sohn“ ge- 
nannt, wurde aus dem Stuhl eines an diagnostisch sicherem Paratyphus erkrankten 
Patienten gezüchtet. 4 Wochen später erkrankte seine Mutter, offenbar durch Kon- 
taktinfektion. Aus ihrem Urin und Stuhl wurden (im Gegensatz zu den Ergebnissen 
beim Sohne) Paratyphus B-Bazillen, Stamm "Risum - Mutter“ gezüchtet, die aus 
Traubenzucker reichlich Gas abspalteten. Ebenso sind Paratyphus B-Bazillen ohne 
Gasbildungsvermögen von G. Wagner 1913 (13) und K. Ohno 1915 (9) 
direkt aus Krankenmaterial gezüchtet worden. M. Yoshioka 1923 (14) be- 
schreibt ferner einen Paratyphus A-Bazillenstamm ,Majeda“, der sich ebenfalls 
durch die Gaslosigkeit von anderen Stämmen dieser Gruppe unterscheidet. 


Der oben erwähnte Stamm „Risum-Sohn‘“ befindet sich seit 
dem Jahre 1919 in der hiesigen Institutssammlung durch Prof. 
H. Braun, der ihn von Prof. Wagner erhalten hatte. Der Stamm 
wurde alle 2—3 Monate auf Nähragar überimpft. Von Zeit zu Zeit 
geprüft, erwies er sich dauernd als gaslos. Auch die verschiedensten 
Versuche, ihn zur Gasabspaltung aus Traubenzucker zu bringen, 
scheiterten. 

Von diesen zahlreichen ergebnislosen Versuchen seien die fol- 
genden kurz erwähnt: Zuerst wurde versucht, entsprechend unseren 
früheren erfolgreichen Experimenten mit schwachen und unregelmäßigen 
Vergärern (6), festzustellen, ob der Stamm ,,Risum-Sohn“ vielleicht 

ein schwacher Gasbildner sei, dessen Gärvermögen gesteigert werden 
` könne. Die Prüfung des Gasbildungsvermögens fand stets in Zucker- 
agarschüttelkulturen (Fleischwasser - Peptonagar) statt. Es wurden 
Zuckernähragars verschiedener Alkalität, bzw. verschiedenen Säuregrades 
benutzt, da die Wasserstoffionenkonzentration bei schwachen 
Vergärern oft eine große Rolle spielt. Dann wurde dem Zuckeragar ein 
Phosphatgemisch (Pufferung), sowie Magnesiumhydroxyd 
[C. Revis, 1914 (11)] in verschiedenen Konzentrationen zugesetzt, 
um ev. zu verhüten, daß die starke Säurebildung aus Zucker die Bak- 
terien so schädige, daß Gas nicht mehr gebildet werden könne. Ferner 
wurde erwogen, ob etwa ein Bakteriophage in der Kultur vor- 

Erste Abt. Orig. Bd, 101. Heft 6/7. 20 


306 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


handen und ein die Gasbildung hemmender Faktor sei. Um Aufschluß 
hierüber zu gewinnen, wurden längere „Kulturfiltratpassagen‘“ mit dem 
Stamm ausgeführt. Da manche Stämme durch Passagen auf Nähr- 
böden, die den spezifischen Zucker enthalten, diesen Zucker anzugreifen 
lernen, wurden Zuckerbouillon- und Zuckeragarpassagen mit 
dem Stamm gemacht. Auch wurde „Normalisierung“ [M. Neisser 
(7)] durch eine längere Schrägagarpassagenreihe versucht. Nach 
W. J. Penfold (10) und J. A. Arkwright (1), die gaslose Coli 
durch Züchtung auf Natriumformiatnährböden zur Gasbildung 
gebracht hatten, wurde gearbeitet. Alte Bouillon- und Agar- 
kulturen (zum Teil über 1 Jahr alt) wurden zur Untersuchung heran- 
gezogen nach K. Baerthlein (2), der häufig auf diese Weise Rück- 
schläge von Varianten zum Ausgangstypus erhalten hatte. Alle diese 
und viele andere Bemühungen (Mauspassagen) waren, wie schon an- 
gegeben, erfolglos, der Stamm „Risum-Sohn‘“ blieb gaslos. Die 
letzte Prüfung mit diesem Ergebnis fand im Oktober 1924 statt. 

Als im Dezember desselben Jahres verschiedene Stämme in Gär- 
versuchen geprüft wurden, zeigte der Stamm „Risum-Sohn“ nach 
12jähriger Gaslosigkeit zum ersten Mal schwache Gas- 
bildung in der Zuckeragarschüttelkultur. Die Gasbildung wurde beim 
Abimpfen von dieser selben Kultur sowohl bei direkter Ueberimpfung 
in Zuckeragar sowie bei Zwischenschaltung einer neuen Schrägagar- 
kultur immer wieder erzielt. Der Einwand, es handele sich um eine 
Verwechslung, wurde sofort erhoben und geprüft. Die genaue Unter- 
suchung der Kultur schloß die Verwechslung aus. Die weitere Frage, 
die gestellt werden mußte, war die nach der Reinheit der Kultur. 
Angelegte Platten wiesen makroskopisch ausschließlich Kolonien des 
gleichen Typus auf. Zur erneuten Reinzüchtung des Stammes wurden 
einzelne isolierte Kolonien abgestochen. Sie erwiesen sich sämtlich 
als gaslos. Um die vermutete „Verunreinigung‘‘ herauszubekommen, 
wurde eine größere Anzahl von Einzelkolonien (50 im ganzen) von 
einer Platte isoliert. Sie lieferten alle gaslose Stämme. Nun wurde 
eine Schrägagarkultur, deren Subkulturen in Zuckerschichten Gas- 
bildung gezeigt hatten, in steriler physiol. Kochsalzlösung auf- 
geschwemmt und von dieser Aufschwemmung eine Reihe von Ver- 
dünnungen angelegt. Durch ösenweises Verimpfen verschiedener Ver- 
dünnungen wurde festgestellt, daß etwa unter 500 Keimen je ein ver- 
gärender sein mußte, denn die mit etwa 500 Keimen und mehr beimpften 
Schrägagarröhrchen ergaben, in Zuckeragar verimpft, Vergasung, 
während die mit weniger Keimmaterial beimpften Schrägröhrchen gas- 
lose Populationen ergaben. Da es zu mühsam gewesen wäre, durch Iso- 
lieren einzelner Kolonien den Vergärer reinzuzüchten (es hätten ja min- 
destens 500 Kolonien abgestochen werden müssen), wurde eine Kultur- 
verdünnung hergestellt, die etwa 20—50 Keime pro Oese enthielt. 
Es wurden 20 Schrägagarröhrchen mit je 1 Oese dieser Aufschwemmung 
beimpft und bebrütet, also im ganzen etwa 400 bis 1000 Keime (ver- 
teilt auf 20 Röhrchen) verimpft. Sämtliche so erhaltene Kultur- 
röhrchen wurden mit je 1 ccm steriler Kochsalzlösung abgeschwemmt ; 
von diesen Aufschwemmungen wurden hohe Zuckeragarschichten be- 
impft. Sie zeigten keine Vergärung bis auf eine hohe Schicht. Diese 
hohe Schicht war von einem Schrägagarröhrchen beimpft worden, das 
nur 13 Kolonien auf seiner Oberfläche gezeigt hatte. Eine dieser Kolo- 
nien muß aus vergärenden Keimen bestanden haben. Es ist daher an- 


Klieneberger, Ist der gaslose Paratyphus B-Bazillus eine besondere Art? 307 


zunehmen, daß unter etwa je 13 Keimen der Abschwemmung dieses Agar- 
röhrchens ein gasbildender war. Einige von diesen durch Isolierung zu 
gewinnen, war recht aussichtsvoll. Es wurden daher von der betreffenden 
Schrägagarkultur Platten angelegt, und von diesen im ganzen 70 Einzel- 
kolonien isoliert. Darunter befanden sich 6 vergärende und 
64 nichtvergärende. Ein aus einer solchen Kolonie gewonnener 
Stamm wurde eingehend untersucht und mit dem Ausgangsstamm ver- 
glichen. Es zeigte sich, daß dieser vergärende Stamm mit dem 
Ausgangsstamm übereinstimmte, sowohl agglutinatorisch wie auch in 
den kulturellen Besonderheiten des Stammes „Risum-Sohn‘“, nämlich 
in der Malachitgrünempfindlichkeit sowie darin, daß beide 
Stämme Maltoselackmusagar nicht säuerten, im Gegensatz 
zu allen anderen Paratyphus B-Stämmen unserer Kulturensammlung. 
Es wurde nun auch der Nichtvergärer aus der Mischkultur, in 
die sich der Urstamm verwandelt hatte, isoliert. Beide Stämme erwiesen 
sich als in sich einheitlich, d. h. der eine bestand nur aus gasbildenden, 
der andere nur aus gaslosen Keimen. Im übrigen waren sie einander 
gleich. 

Obwohl sehr wahrscheinlich der gaslose Stamm gasbildende Keime 
gewissermaßen abgespalten hatte, so legten wir dieser einmaligen 
Erscheinung doch keine allzu große Bedeutung bei, da sie im Ver- 
lauf weiterer 11/, Jahre nicht mehr reproduzierbar war und sich auch 
von selbst nicht wiederholte. Die beiden reingezüchteten Stämme, der 
gasbildende als Stamm II, der gaslose als Stamm III, wurden 
in der Kulturensammlung in der üblichen Weise weitergeführt. Außer- 
dem wurde der von Prof. Braun weitergezüchtete Stamm ,,Risum- 
Sohn‘ als Stamm I erneut in die Kulturensammlung aufgenommen. 
Er war zu dieser Zeit gaslos. Vom Januar 1925 bis Sommer 1926 wurde 
an diesen öfters untersuchten Stämmen keine Veränderung festgestellt. 

Im Juli und August 1926 wurde bei Ueberimpfung des Stammes I 
in Zuckeragarschichten wieder eine schwache Gasbildung beobachtet. 
Es war zunächst nur eine Schrägagarkultur, die durch direkte reich- 
liche Ueberimpfung des Kulturmaterials in Zuckeragar 3mal hinterein- 
ander Gasbildung hervorrief. Beimpfte man von dieser Kultur neue 
Schrägagarröhrchen und von diesen aus wieder Zuckerschichten, so trat 
keine Gasentwicklung mehr auf. Auch durch Ueberimpfung von 
den vergorenen Zuckeragars aus wurde Gasbildung nicht mehr er- 
zeugt. Es wurde angenommen, daß der gaslose Stamm I nun cben- 
falls gasbildende Keime abgespalten hatte, nur in sehr viel ge- 
ringerer Anzahl als das erste Mal. Das Abstechen isolierter Kolo- 
nien schien aussichtslos. Es wurde trotzdem versucht und Isolierung 
von 200 Kolonien vorgenommen. Diese ergab, wie zu erwarten war, 
lauter gaslose Stämme Es wurde wieder versucht, durch - Ver- 
dünnungen zum Ziel zu gelangen, und durch Zufall ein Röhrchen zu 
gewinnen, in dem das Verhältnis der gaslosen zu den vergärenden 
Keimen zugunsten der letzteren verschoben war. Auch das glückte 
nicht, die Zahl der vergärenden Bakterien war offenbar zu klein im 
Verhältnis zu den gaslosen. Schließlich wurde, wie schon früher des 
öfteren, geprüft, ob nicht doch vielleicht auf Traubenzucker-Endo- 
Platten ein bisher übersehener Unterschied zwischen gasbildenden und 
gaslosen Kolonien zu beobachten sein könnte. Insbesondere wurde ver- 
mutet, daß eventuell bei sehr frühzeitiger Durchmusterung der Platten 
Differenzen zu finden seien. Von der Schrägagarkultur, deren Sub- 

20* 


308 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


kulturen in Zuckeragarschichten 3mal hintereinander Vergärung auf- 
gewiesen hatten, wurden 7 Traubenzucker -En do- Platten mit isolierten 
Kolonien hergestellt. Die frühe Prüfung ergab keinen auffallenden oder 
bemerkenswerten Befund. Dagegen wurde nach 24-stünd. Be- 
brütung bei sehr genauer Betrachtung mit der Lupe auf 
der 7. Platte eine Kolonie gefunden, die nicht ganz so fuchsin- 
glänzend aussah wie die anderen Kolonien, obwohl sie gut isoliert 
lag. Sie war außerdem leicht gewölbt, während die anderen flacher 
waren. Sie wurde isoliert und lieferte einen stark gasbildenden 
Stamm, die anderen Kolonien erwiesen sich als gaslos. Dieser neue 
gasbildende Stamm sei als Stamm IV bezeichnet, ein aus derselben 
Mischkultur isolierter gasloser Stamm als Stamm V. 

Um nochmals festzustellen, ob tatsächlich die gaslosen Kolonien 
von den gasbildenden auf der Traubenzucker-Endo-Platte sich unter- 
scheiden, wurde aus Stamm IV und V ein Gemisch hergestellt, das 
vergärende und gaslose Keime zu gleichen Teilen enthielt. Von dem 
Gemisch wurden Platten angelegt, die tatsächlich etwa zur Hälfte 
flachere Kolonien mit starkem Fuchsinglanz und zur anderen Hälfte 
leicht gewölbte Kolonien mit nicht ganz so starkem Fuchsinglanz auf- 
wiesen. Die flachen Kolonien lieferten nicht vergärende, die gewölbten 
gasbildende Stämme. Auf Milchzucker-Endo sowie auf Agarplatten 
konnten Unterschiede in den Kolonietypen nicht festgestellt werden. 

Selbstverständlich wurden nun auch die im Jahre 1925 rein- 
gezüchteten Stämme nochmals auf Traubenzucker-Endo-Platten unter- 
sucht. Der Stamm II enthielt nur gasbildende Keime, hatte sich also 
nicht verändert, von Stamm III dagegen (als gaslos im Januar 1925 
reingezüchtet) konnte ebenfalls wieder ein vergärender Stamm abge- 
spalten werden, er sei als Stamm VI bezeichnet. Alle Stämme wurden 
nochmals aufs genaueste kulturell und serologisch geprüft. Das Er- 
gebnis dieser Prüfung ist in der folgenden Uebersicht (S. 309) wieder- 
gegeben. 

Nach ihrem kulturellen Verhalten erweisen sich demnach alle 
6 Stämme als Paratyphus B-Stämme der Schottmüller- Gruppe. 
Zwar haben sie ihr Wallbildungsvermögen eingebüßt, was, wie 
bekannt, bei alten Laboratoriumsstämmen vorzukommen pflegt (E. Oette 
beschrieb den Stamm ,,Risum-Sohn“ seinerzeit als wallbildend). Da- 
für zeigen sie nach 4 Tagen deutliche Knöpfchenbildung auf 
2proz. Raffinosenähragar (Kieler Schule). Sie erweisen sich 
ferner als nichtfütterungspathogen im Mäuseversuch (Kieler 
Schule), erzeugen aber wohl eine tödliche Infektion bei intraperitonealer 
und subkutaner Injektion. Auch durch ihr Verhalten gegenArabinose, 
Trehalose, Dulzit und Inosit [F. Höß (4)] sind die Gasbildner 
als typische Schottmüller-Stämme charakterisiert, da sie aus allen 
4 Substanzen Gas abspalten. Inbezug auf Trehalose schienen die in Be- 
tracht. kommenden Stämme zunächst eine Ausnahme zu machen. Die 
hohen Agarschichten (entzuckerter Nähragar!) zeigten in den ersten 
Tagen keinerlei Vergärung. Am 4. Tag aber war in diesen Schichten 
eine Anzahl dicker Kolonien, die sich am 5. und 6. Tage noch 
vergrößerten, zu erkennen, wie sie R. Burri (3) für eine Reihe von 
Coli-Stämmen in Saccharosenähragar beschreibt. So wie Burri durch 
Abstechen der dicken Kolonien saccharosevergärende Stämme gewann, 
erhielten wir aus unseren dicken Kolonien trehalosevergasende Stämme, 


Klieneberger, Ist der gaslose Paratyphus B-Bazillus eine besondere Art? 309 
































„Risum-Sohn“, Stamm 
I II I IV i Vv : VI à 
geprüft | geprüft |geprüft| geprüft | geprüft| geprüft 
1925 1926 | 1925 1926 1926 1926 
Beweglichkeit a Fe: + + $ + 
Wallbildung — — — — — — 
aus Traubenzucker { hed Fa ES + f + = 
» Michzucker | taal = == = = -3 = 
i Gas >= + — + — + 
» Mannit | Säure u K R + T + 
» Maltose E ee SSeS ee eS 
Gas = = = — = = 
» Saccharose Säure = = = ER = >= 
Arabinose Gas — + — + = + 
Trehalose = — (aus dick — aus dick.) — aus dick. 
Kolon. + Kolon. +) Kolon. + 
Dulzit 3 = + = + an + 
Inosit » — + + — + 
Raffinosereaktion (Knöpfchen)| + + + + + + 
Rhamnosereaktion a gelb gelb gelb gelb gelb gelb 
1. Tag rot rot rot rot rot rot 
Lackmusmolke 9 Tag blau | blau | blau | blau | blau | blau 
Wachstum auf 
Malachitgrünagar bis 1 : 50000! — — — — — — 
Fütterungspathogenität — — — — — — 
(weiße Maus) Er 
Endtiter einer Formolbouillon- | i 
kultur d. betreffenden Stam- 
mes mit Schottmiiller-Serum 
vom Titer 1: 3000, gepr. 1926| . 6400 6400 | 25600 | 3200 














und zwar wurde von diesen die Trehalose prompt in etwa 15 Std. ver- 
gast, wie es Schottmüller-Stämme immer von vornherein tun. 

Die einzigen noch bestehenden Abweichungen der Risum-Sohn- 
Stämme, auch der vergärenden, vom Paratyphus B-Normaltypus sind 
die Malachitgrünempfindlichkeit und die Unfähigkeit, Mal- 
tose, einen der Trehalose chemisch sehr nahe stehenden Körper, anzu- 
greifen. Versuche, die sich mit diesen Abweichungen näher befassen, 
sind im Gange!). 

Jedenfalls kann nach den mitgeteilten Untersuchungen kein Zweifel 
darüber bestehen, daß die Stämme ,,Risum-Sohn I bis VI“ gemein- 
samer Herkunft sind, sowie daß alle diese Stämme sichere Reinkulturen 
darstellen. 

Veränderungen im Gasbildungsvermögen einzelner Stämme sind 
vielfach in der Literatur angegeben. Auch der Verlust des Gasbildungs- 
vermögens und die Wiedergewinnung ist schon beobachtet worden 
[E. Seligmann 1924 (12)]. 

Es handelt sich hier aber um einen Stamm, der trotz seiner ur- 
sprünglichen Gaslosigkeit als Paratyphus B-Stamm diagnostiziert 
worden war und wegen der scheinbar unverändert bestehenden Gas- 
losigkeit als besondere Art (,gasloser Paratyphus B“) angesehen 
werden mußte. Durch die mitgeteilten Beobachtungen zeigte es sich, daß 


1) Siehe Nachtrag. 


310 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


die Anlage zur Gasbildung auch hier vorhanden war. Die Ursachen, 
die das Inerscheinungtreten dieser Anlage verhinderten, sind vorerst 
dunkel. Aber wir sehen, wie sich nachlangen Jahren der Un- 
veränderlichkeit der gaslose Stamm in die gasbildende 
Form — den eigentlichen Typus, wie wir wohl annehmen 
dürfen — zurückverwandelt. Es werden zuerst wenige gasbildende 
Keime abgespalten. Diese erweisen sich in ihrer Nachkommenschaft 
als konstant gasbildend. Die gaslose Form, aufs neue reingezüchtet, 
spaltet wieder nach einiger Zeit (hier 11/, Jahre) gasbildende Bak- 
terien ab. Der Vorgang wiederholt sich.. Diegaslose Form kann also 
nicht rein erhalten werden und wird sich möglicherweise im Laufe 
der Zeit in eine Population umwandeln, die in zunehmendem Maße 
(vielleicht einmal ausschließlich) aus gasbildenden Bakterien besteht. 

Diese allmähliche Rückverwandlung in den Normaltypus durch 
immer erneutes Abspalten des Typus von der modifizierten, hier der 
gaslosen Form, steht nicht einzeln da in der Bakteriologie und Proto- 
zoologie. Im Gegenteil, es schlagen die meisten Modifikationen der 
Bakterien in dieser Weise in ihren Normaltypus zurück. Auch 
V. Jollos zeigt in seinem schönen Referat 1924 (5), daß die meisten 
Veränderungen der Bakterien wie der Protozoen nur Modifikationen 
sind, die nach einer gewissen Zeit den nicht modifizierten Typus 
wieder abspalten. 

Danach können wir wohl sagen, daß der gaslose Paratyphus B- 
Stamm „Risum-Sohn“ nicht eine besondere Art oder Varietät, 
sondern eine Dauermodifikation einer, nach unserer Annahme, 
ursprünglich gasbildenden Form von besonders hartnäckiger 
Konstanz vorstellt. Diese Konstanz dauerte nach den Beobach- 
tungen unseres Instituts 12 Jahre. Von da an hat der Stamm ständig, 
wenn auch in langsamem Rhythmus, gasbildende Formen abgespalten. 

Wir sehen aus diesem Beispiel, wie zähe eine vorhandene „Anlage“ 
festgehalten werden kann, auch wenn sie scheinbar völlig verloren ge- 
gangen war, und wie schwer es ist, aus dem scheinbar dauernden Ver- 
schwinden einer „typischen“ Eigenschaft auf die Entstehung einer 
neuen Art zu schließen. Umgekehrt lehrt die Betrachtung des Stammes 
„Risum-Sohn‘“, daß auch eine von selbst plötzlich auftretende, scheinbar 
neue positive Eigenschaft nicht ein wirkliches Neuerscheinen, sondern 
Auferstehung, Wiedergeburt einer uralten Protoplasmaweisheit sein 
kann. 


Zusammenfassung. 


Der gaslose Paratyphusstamm ,,Risum-Sohn‘, von E. Oette 1913 
beschrieben, behielt seine Gaslosigkeit 12 Jahre lang unverändert 
bei; es gelang nicht, ihn künstlich zur Gasbildung zu bringen. Im 
Jahre 1924 hat der Stamm von selbst gasbildende Individuen in ge- 
ringer Menge abgespalten, die, reingezüchtet, sich, abgesehen von ihrer 
Fähigkeit der Gasbildung, als völlig identisch mit dem gaslosen Stamm 
erwiesen. Der gaslose Stamm wurde ebenfalls erneut reingezüchtet, er 
erhielt sich durch 11/, Jahre konstant gaslos. Im Sommer 1926 hatte 
er wieder in geringer Menge gasbildende Individuen erzeugt. Gleich- 
zeitig hatte eine andere Subkultur des Stammes ‚„Risum-Sohn“ 


Wohlfeil, Zur Methodik des Typhusbazillennachweises in der Milch. 311 


zu diesem Zeitpunkt zum ersten Mal ebenfalls gasbildende Individuen 
abgespalten. Alle Stämme, gaslose und gasbildende, verhielten sich, 
abgesehen vom Gasbildungsvermögen, kulturell und agglutinatorisch 
übereinstimmend. Es wird daraus geschlossen, daß es sich bei der gas- 
losen Form des Paratyphus Bnicht um eine besondere Art, sondern 
um eine Modifikation besonders hartnäckiger Natur handelt. Die gas- 
lose „Art“ kann auf die Dauer nicht als gaslose „Art“ weitergeführt 
werden. Es ergeben sich daraus Schlüsse für die Bewertung scheinbar 
nicht vorhandener und scheinbar neu entstandener Eigenschaften. 


Literatur. 


1) Arkwright, J. A., Journ. of Hyg. V. 13. 1913. p. 68. — 2)Baerth- 
lein, K., Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd.81. 1918. S.369.— 3) Burri, R., Ibid. 
Abt. II. Bd. 28. 1910. 8.321. — 4) Höß, F., In Vorbereitung befindliche Diss. — 
5) Jollos, V., Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 93. 1924. Beih. S. 22. — 
6) Klieneberger, E., Ibid. Bd. 96. 1925. S. 181. — 7) Neisser, M., Ibid. 
Bd. 97. 1926. Beih. S. 14. — 8) Oette, E, Ibid. Bd. 68. 1913. S. 1. — 
9) Ohno, K., Ibid. Bd. 75. 1915. S. 288. — 10) Penfold, W. J., Journ. of Hyg. 
Vol. 13. 1913. p. 35. — 11) Revis, C., Centralbl. f. Bakt. Abt. II. Orig. Bd. 39. 
1914. S. 394. — 12) Seligmann, E., Ibid. Abt. I. Orig. Bd. 93. 1924.. S. 288. 
— 13) Wagner, G., Ibid. Bd. 68. 1913. S. 1. — 14) Yoshioka, M., Ibid. 
Bd. 90. 1923. S. 219. - 


Nachtrag: Inzwischen (26. 11. 1926) ist die Gewöhnung an 
Malachitgrün so weit gelungen, daß der Stamm „Risum-Sohn‘ wie 
unsere anderen Paratyphus B-Stämme auf einer Konzentration von 
1:2000 üppig wächst, während er anfangs auf 1:50000 (wie B. Coli) 
nicht wuchs. Ferner konnte eine gasbildende Subkultur durch lange 
„Normalisierung‘‘ auf Nähragar (50 Passagen) zur Gasbildung aus 
Maltose gebracht werden. Es gelingt also, aus der gasbildenden 
Form des Stammes „Risum-Sohn‘ einen Stamm zu züchten, 
der sich von einem typischen Paratyphus Bin keiner 
Eigenschaft mehr unterscheidet. 


Nachdruck verboten. 


Zur Methodik des Typhusbazillennachweises in der Milch. 


[Aus dem Hygienischen Institut der Universität Königsberg 
(Stellvertr. Dir.: Prof. Dr. Hilgers).] 


Von Dr. phil. et med. T. Wohlfeil. 
Mit 9 Kurven im Text. 


Die Bedeutung des Typhus als eine der gefährlichsten Volks- 
seuchen ist trotz des Zurücktretens der Typhuserkrankungen als Todes- 
ursache!) im Verhältnis zu anderen Infektionskrankheiten immer noch 
eine sehr hohe, wie die jüngsten Ereignisse (Hannover, Magdeburg) 


1) B. Moeller, Dtsch. med. Wochenschr. 1925. S. 1745. 


312 ` Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


beweisen. In epidemiologischer Hinsicht haben die Typhusepidemien 
ihren Charakter gegenüber den früheren Jahrzehnten insofern geändert, 
als in der letzten Zeit die durch Milchinfektion entstandenen Epi- 
demien durch die Konzentrationsmaßnahmen der Milchversorgung mehr 
als früher hervortreten. Nur bei einem sehr kleinen Teil derselben. 
ließen sich aus der Milch Typhusbazillen züchten !), weniger nus 
Gründen der Technik, als vielmehr infolge der auch beim Typhus- 
bazillennachweis in verdächtigem Wasser bekannten Erscheinung der 
langen Inkubationsdauer des Typhus. Erst bei der Meldung gehäufter 
Erkrankungen beginnt gewöhnlich das Suchen nach den Infektions- 
quellen. Werden trotzdem Typhusbazillen in der fraglichen Milch 
nachgewiesen, so erklärt sich dies meist durch eine wiederholt ein- 
setzende, über längere Zeit sich erstreckende Infektion derselben durch 
schubweise ausscheidende Bazillenträger. 


Nun ist aber der bakteriologische Nachweis der Typhusbazillen 
in Rohmilch mit den bisher bekannten Methoden ebenso wenig leicht 
wie der Nachweis derselben in Wasser. Oft bestätigt erst die Sanierung 
von Molkereibetrieben oder die Uebereinstimmung von Milchversorgungs- 
feld mit Seuchenfeld bei einem Erlöschen der Seuche die Richtigkeit 
der Vermutung. Der direkte Nachweis der Milchinfektion ermöglicht 
aber ein sicheres Vorgehen bei dem Verschließen der Infektionsquellen. 


Es erschien daher, auf Grund der Tatsache, daß gerade wegen der 
wiederholten Infektion der Milch die bakteriologische Diagnostik die 
Infektionsquellen unmittelbar zu zeigen,imstande sein kann, auch von 
praktischem Werte, eine Methode zum leichten Nachweis von Typhus- 
bazillen in infizierter Milch ausfindig zu machen. 


In die Milch geratene Keime bleiben nicht nur trotz der Bakterizidie derselben 
am Leben, sondern pflegen sich je nach Art der Keime und der Anreicherung zu 
vermehren. Die keimtötende Kraft der Milch beruht zum Teil auf dem Vorhanden- 
sein von Stoffen, die gegen die Bakterien gerichtet sind, wobei wohl weniger oxy- 
dierende Fermente ?), als vielmehr nach Henninger’) in der Hauptsache Alexine 
und Leukine in Frage kommen. Ein Absterben pathogener Keime auf Grund der 
Säuerung durch die natürlichen saprophytischen Siurebildrier der Milch kann nach 
den Untersuchungen Demmes‘) nicht mehr in dem Maße zustande kommen, 
wie man es früher wohl anzunehmen geneigt 5), ©) war. Es bleiben ja sogar im Yo- 
gurth und Kefir Typhusbazillen lange Zeit, bei kälterer Temperatur bis zu 4 Wochen 
entwicklungsfähig. Patliogens Keime erfahren aber außerdem, wenn sie erstmalig in 
Milch geraten, wahrscheinlich nach Stocking ’) eine vorübergehende Entwicklungs- 
hemmung, weil die Milch ihnen ein ungewohnter Nährboden ist, an den sie sich 
erst anpassen müssen. 

Gekochte Milch dagegen läßt Typhuskeime progressiv ohne Entwicklungs- 
hemmung, wenn auch anfangs relativ langsam, sich vermehren, wie es schon mehr 
oder weniger bekannt °) ist, und wie einige eigene Versuchsreihen, die in diesem 
Zusammenhange nicht weiter angeführt werden sollen, zeigten. 


1) Lentz, Volkswohlfahrt 1925. S. 361. 

2) Hannsen, The bactericidal property of milk. (Brit. Journ. of exp. Pathol. 
1924. No. 5. Ref. Centralbl. f. d. ges. Hyg. Bd. 10. 1925. S. 26.) 

3) E. Henninger, Arch. f. Hyg. Ba. 97. S. 183. 

4) H. Demme, Klin. Wochenschr. 1925. 4. Jahrg. S. 2351. 

5) Die ältere Literatur siehe bei Kolle, Klin. Jahrb. Bd. 13. 1905. 

6) M. Bub, Centralbl. f. Bakt. Abt. IT. Bd. 27. 1910. S. 321. 

7) Stocking, Centralbl. f. Bakt. Abt. I (Ref.) Bd. 33. S. 275. 

8) Cherman, James and H. R. Curron, The germicidal action of milk. 
Proc. of the Soc. Exp. Biol. and Med. Vol. 22. 1925. p. 15—17. Ref. Centralbl. 
f. Bakt. Bd. 11. 1926. S. 156. Aeltere Literatur siehe Bei Bindseil, Zeitschr. 
f. Hyg. Bd. 84. S. 181. ' 


Wohlfeil, Zur Methodik des Typhusbazillennachweises in der Milch. 313 


Wird also gekochte Milch mit Typhusbazillen in Berührung gebracht, so ist 
die Möglichkeit einer schrankenlosen Vermehrung derselben beim Fehlen der Kon- 
kurrenz durch die saprophytischen Milchbakterien gegenüber der Rohmilch noch 
um ein Beträchtliches gestiegen. 


Zu den gewöhnlichen und leicht nachweisbaren Milchbewohnern 
der käuflichen rohen Marktmilch gehören in erster Linie Strepto- 
coccus lact. und Bact. coli. Diese :sind es, welche durch die 
Säurebildung und durch ihr schnelles Wachstum die Vermehrung ein- 
gedrungener Typhuskeime hindern, vor allen Dingen aber deren Nach- 
weis mit den gebräuchlichen Methoden (Ausstreichen auf Endo- und 
Drigalski-Platten) erschweren. x 

Die Infektion der Milch mit Typhusbazillen wird in der Mehr- 
zahl der Fälle durch Fäzes, seltener durch Urin erfolgen. Der Kot 
enthält daneben immer Colibazillen. Man muß also bei der Infektion 
der Milch mit Typhusbazillen auch stets eine solche mit Bact. 
coli erwarten. Hierbei wird das Verhältnis von Typhus zu Coli im 
günstigsten Falle wie 1:1 sein. Zu den in der Milch bereits vorhandenen 
Colibazillen, die man bei Feststellung des Colititers schon in aus- 
gezeichneter Vorzugsmilch findet, kommen noch reichlich Colibazillen 
aus den Fäzes hinzu. Trotz des Vorhandenseins dieser Saprophyten 
müssen die eingebrachten Typhusbazillen in der Milch, wie die großen 
Milchepidemien annehmen lassen, eine beträchtliche Vermehrung er- 
fahren, ihr Nachweis aber wird insbesondere durch die mindestens 
parallel gerichtete Wachstumsgeschwindigkeit des Bact. coli zu einer 
schwierigen Aufgabe. 

Eine Methode der Wahl existiert für die Praxis noch nicht. Solche, 
wie z. B. die von Demme!) angegebene Anreicherung in Galle 
mit Kombination der Friedbergerschen ?) Filtrierpapier - Steige- 
methode kommt wegen ihrer Umständlichkeit und letzthin auch nicht 
größeren Sicherheit kaum in Betracht. 

Auf Grund der angeführten Ueberlegungen und Erfahrungen muß 
eine Methode zum Nachweis von Typhusbazillen in der Milch folgende 
Erfordernisse erfüllen: 

1) Die Ausschaltung der Bakterizidie der Milch und ihre Um- 
wandlung zu einem für pathogene Darmbakterien, insbesondere Typhus- 
bazillen günstigen Nährboden; 2) die Ausschaltung von Strepto- 
coccus lact; 3) die Zurückdrängung von Bact. coli. 

In einer Reihe von Vorversuchen suchte ich zunächst den beiden 
letzten Anforderung gerecht zu werden. 


Die Anreicherung in der Milch enthaltener Typhuskeime durch Verwendung 
der Milch selbst als Nährsubstrat verhindert der Streptococcus lacticus, der 
durch zunehmende Säuerung der Milch diese als Nährboden für Typhusbazillen bald 
wenig geeignet macht. Dem entspricht die Erfahrung (Jacobsen), daß eine Neu- 
tralısation gesäuerter Milch das Wachstum pathogener Bakterien in derselben be- 
fördert. Das Verbot der Neutralisation der Milch mit Soda in milchwirtschaft- 
lichen Betrieben, die nur durch die Kriegsverhältnisse gerechtfertigt war [Hilgers 


1) H. Demme, Klin. Wochenschr. 1925. S. 2351, und H. Demme [Dissert.], 
Rostock 1924; vgl. auch Siitterlin u. Demme, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. 
Orig. Bd. 94. H. 34. 


2) E. Friedberger, Münch. med. Wochenschr. 1919. S. 1372. 


314 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


und Lapp!)] ist daher auch vom seuchenhygienischen Standpunkt aus zu be- 

üßen. Nach den Angaben von Svanberg liegt das Wachstumsoptimum des 
Streptococcus lact. bei einer PH 6. Eine PH von 7,9 kann er gerade noch 
überwinden, während die meisten Milchsäurestäbchen schon bei einer PH von 7,1 ent- 
wicklungsfähig sind. husbazillen dagegen wachsen bei der angegebenen PH noch 
üppig genug, wenn sie freilich auch einen etwas sauren Nährboden bevorzugen. Durch 
Abalslerung der Milch bis zu einer PH 8 gelingt es also leicht, Streptococcus 
lact. praktisch auszuschalten. Damit läßt sich den Typhusbazillen eine sapro- 
phytische Konkurrenz nehmen, ohne ihre Lebensfähigkeit wesentlich zu be- 
einträchtigen. 

Als schwieriger stellte sich, wie es ja zu erwarten war, die Zurückdrängung 
des nach einiger Feit des Aufenthaltes in der Milch bei höherer Temperatur als etwa 
4° alles überwuchernden Bact. coli heraus. 

Die elektive Züchtung von Typhusbazillen aus Typhus- Coli-Gemischen, wie 
z. B. infizierten Stühlen, ist auch heute noch ein leidiges Kapitel der Bakteriologie. 
Es lag nun keineswegs im Rahmen meiner Aufgabe, nach einem neuen, Coli-hem- 
menden Mittel zu fanden. Man kennt wenig chemische Substanzen, die nicht schon 
einmal zum Gegenstand der Untersuchungen gemacht worden sind. Die Versuche, 
durch Farbstoffgiftwirkung?), 5), 4) Typhus- und Colibazillen isoliert zu treffen, 
haben sich ebensowenig für die Praxis als brauchbar erwiesen, als etwa die Iso- 
hering durch Adsorption, Trockenmethoden #) und anderes mehr. 

on den chemischen Verfahren erschienen in diesem Zusammenhange eher einige 
der Nachprüfung wert. Ganz kurz — es erübrigt sich, in diesem Zusammenhange 
eine erschöptende Zusammenstellung der fast unübersehbaren Literatur zu geben — 
wäre zu erwähnen, daß u. a. eine gewisse, halbspezifische Wirkung dem Koffein 5), ®) 
und dem Petrol-Aether”?), 8) zugeschrieben worden ist. Alle die bereits erprobten 
chemischen Verbindungen haben mehr oder weniger Anlaß zu Kritik und Ablehnun 
gegeben. Vielleicht bewährt sich eine von L. Müller°) angegebene Methode, bei 
der als Coli-hemmendes Mittel Salze der Tetrathionsäure (Natrium-Tethrathionat) 
angegeben worden ist, in der Praxis besser. 


In den vorliegenden Versuchen erprobte ich zunächst einmal die 
Wirkung des Koffeins und des Petrol-Aethers. Die Prüfung der Coli- 
hemmenden Wirkung jener in Milch geschah nach folgender Methode: 
Eine bestimmte Menge roher Milch, die auf Grund obiger Ueberlegung 
bei diesem Versuche meist mit Typhus- und Colibazillen zu gleichen 
Teilen infiziert worden war (je 0,1 ccm einer Kochsalzaufschwemmung 
von etwa 590—900 Millionen Bakterien auf 1 ccm. Die Bakterienzahl 
stellte ich zum Teil durch Zählung mit der Bürkerschen Zähl- 
kammer, zum größten Teil durch Gießen von Platten nach 1 million- 
facher Verdünnung der ursprünglichen Aufschwemmung fest), wurde 
bis zum Phenophthalein-Umschlag mit steriler, 10proz. Sodalösung 
neutralisiert. Damit war im allgemeinen bei einer pH von ungefähr 
8 Streptococcus lact. praktisch ausgeschaltet. Dann wurde die 
Milch nach den Angaben von Schuscha! mit Petrol-Aether ver- 
setzt und einige Zeit geschüttelt. Nach 3—15stünd. Brutschrankaufent- 
halt strich ich 2—3 Oesen auf Endo- und Drigalski-Nährboden aus. 


1) Hilgers u. Lapp, Ges. Ing. Bd. 43. S. 353. 

2) Oesterlin, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 94. S. 313. 

3) Sartorius, Ibid. Abt. 1. Orig. Bd. 99. H. 4. 

4) Die ältere Literatur siehe u. a. bei Kraus-Uhlenhuth, Handb. d. 
mikrobiolog. Techn. Berlin 1923. Bd. 2. Abt. 3 u. 4. 

5) Roth, Arch. f. Hyg. Bd. 94. S. 199. 

6) Weitere Literatur siehe bei Kolle u. Wassermann, Handbuch d. 
pathog. Mikroorg. 2. Aufl. Bd. 3. 1913. S. 746—747. 

) Bierast, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. 74. S. 348. 

8) Weitere Literaturangaben außer der bei 4. u. 6. genannten bei Fried- 
berger-Pfeiffer, Lehrb. d. Mikrobiol. 1919. Kap. XII. 

9) L. Mueller, Compt. rend. de Biol. T. 84. No. 24, p. 433. 1923; Referat 
Centralbl. f. d. ges. Hyg. 1924. Bd. 6. S. 215. 

10) Schuscha, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 82. H. 1. 


Wohlfeil, Zur Methodik des Typhusbazillennachweises in der Milch. 315 


Die Experimente, deren Ergebnisse im einzelnen hier nicht mitgeteilt 
werden sollen, führten zu keinem brauchbaren Resultat. 


Es ließen sich Typhus-Kolonien auf den Platten nur sehr vereinzelt, neben 
reichlich Bact. coli, vorfinden. Von den Typhus- verdächtigen Kolonien wurde 
nach der Prüfung auf Beweglichkeit Traubenzucker-Agar-Stich-Kulturen und Manit- 
bouillon-Kulturen angelegt und die Agglutination mit hus-Immunserum an- 
pre Da ich die Erfahrung machte, daß auf Drigalski-Agar die durch 
etrol-Aether, Koffein usw. anscheinend in ihrer Lebensfähigkeit beeinträchtigten 
Coli- und Typhusbazillen, vielleicht wegen des Kristallviolett-Zusatzes, schlechter 
als auf Endo-Agar wuchsen, benutzte ich in späteren Versuchen nur noch den 
Fuchsin-Agar zur Differentialdiagnose. l 


In einer weiteren Vorversuchsgruppe habe ich Milch nach der oben 
genannten Behandlung und Bebrütungszeit durch Zusatz von Milchsäure 
ausgeflockt, um dann nach Zerreiben der Kasein-Gerinnsel diese auf 
Platten auszustreichen. Durch den Ausflockungsprozeß werden bekannt- 
lich in der Milch enthaltene Keime in dem Gerinnsel eingeschlossen. 
Außerdem legte ich Kulturen von der zurückbleibenden Molke an. In 
beiden Fällen wuchsen nur ganz vereinzelt Typhus-Kolonien, von Coli- 
Kolonien in großer Zahl umgeben. 

In weiteren Versuchen erprobte ich die Wirksamkeit des Koffeins, 
dessen wirksame Konzentrationen zwischen 0,4 und 0,6 Proz. liegen. 
Ich verfuhr in zahlreichen Vorversuchen so, daß ich mit Typhus- und 
Colibazillen infizierte Milch mit 1 ccm physiol. Kochsalzlösung ver- 
setzte, die 6 Proz. in der Hitze gelöstes Koffein enthielt. Nach 12 
bis 18stünd. Brutschrankaufenthalt erfolgte wieder das Ausstreichen 
einer Oese Milch auf Endo- und Drigalskiagar. Auch hier waren 
anfangs bei Vorhandensein von Bact. coli Typhusbazillen nur sehr 
vereinzelt nachweisbar, die Colibazillen freilich schon in merklich 
höherem Maße zurückgedrängt, als bei den oben genannten anderen 
Verfahren. 


Die angegebene Infektionsdosis war im übrigen so groß gewesen, daß sich un- 
mittelbar nach der Infektion meist Typhuskeime nachweisen ließen. Stellt man durch 
papes fest, eine Oese Milch enthält etwa 2,4 mg Flüssigkeit und 10 cem 
Koffein-Milch sind im Mittel etwa 10,4 g schwer, so kann also unmittelbar nach 
der Infektion der Milch mit einer Dosis von z. B. 59000000 Bazillen pro 10 ccm 
Milch mit einem Bakteriengehalt pro Oese von 14—15000 Typhus- oder Coli- 
keimen gerechnet werden. 


Die geringe Nachweisbarkeit der Typhusbazillen nach dem zur An- 
reicherung bei den. genannten Methoden notwendigen Brutschrank- 
aufenthalt konnte zurückzuführen sein auf eine Giftwirkung der zu- 
gesetzten Chemikalien, auf die relativ starke Alkalisierung, auf die 
bakterizide Wirkung der rohen Milch oder auf die Tatsache, daß für 
Typhusbazillen die Milch in diesem Zustande ein ungewohnter Nähr- 
boden war, während das widerstandsfähigere Bact. coli schneller 
fortkam. Von diesen beiden Faktoren waren es zweifellos die beiden 
letzteren, da eine Ausschaltung derselben mit der im folgenden be- 
schriebenen Methode zu einem weitaus leichteren Nachweis der Typhus- 
bazillen führte. 

Nach den Versuchen Henningers mildert oder beseitigt ein ge- 
wisser Zusatz von Nährbouillon zur Milch ihre keimtötende Kraft. 
Bouillonzusatz zu irgendeinem Medium, in welchem Bakterien schlecht 
fortkommen, ist weiterhin nach den Ergebnissen von Loeffler und 


316 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


Riegler!) geeignet, die Atmung und Lebensfähigkeit der Bakterien 
so zu steigern, als ob sie in Bouillon wachsen. 

Die Erfahrungen jener Autoren veranlaßten mich daher, eine im 
folgenden beschriebene Methode auszuprobieren: 7,5 ccm der infizierten 
Milch wurden mit 2,5 ccm neutraler Nährbouillon versetzt, der als 
Coli-hemmende Stoffe Koffein u. a. zugesetzt werden konnte. Die 
gesamten 10 ccm Bouillonmilch alkalisierte ich dann mit 10proz. 
steriler Sodalösung bis zum Phenolphthalein-Umschlag. Von der ver- 
arbeiteten Milch wurden sofort einige Endoplatten angelegt; dann 
kamen sie für bestimmte Zeiten, die bei den Versuchen variiert wurden, 
in den Brutschrank von 37°. Nach der entsprechenden Stundenzahl 
wurden wieder Endoplatten ausgestrichen. 

Es ist nun bekanntlich schwierig, das quantitative Wachstum von 
Bakterien auf Platten exakt wiederzugeben. Meist haben sich die 
Autoren damit begnügt, anzugeben, ob auf den beimpften Platten ein 
reichliches oder geringes Bakterienwachstum eingetreten war, ob die 
Kolonien groß oder klein gewesen waren und anderes mehr. Mir kam 
es bei diesen Versuchen neben der Nachweisbarkeit von Bac. typhi 
vor allen Dingen auf das Verhältnis der durch ihr Wachstum nach- 
nachbaren Typhus- und Colikolonien an. Auf den sorgfältig nach 
der Kruseschen Methodik in 3 Verdünnungen ausgestrichenen Platten 
wurden daher nach 18—24 Std. Bebrütung in jenem Bereich — meist 
dem letzten Drittel der Platte —, in welchem die Kolonien isoliert 
standen, die Typhus- und Colikolonien gezählt. Um vergleichbare 
Werte zu erhalten, rechnete ich die absoluten Zahlen auf Prozentzahlen 
um. Da bei etwaigem, ungleichmäßigem Ausstreichen der Platten Ver- 
suchsfehler herauskommen konnten, wurde stets mehr als eine, meist 
3—6 Platten, von jedem Versuchsröhrchen angelegt und das Mittel 
aus ihnen genommen. 

Die Infektion einer Milch wird im allgemeinen an 3 Stellen er- 
folgen können: 1) beim Melken, 2) beim Umgießen der Milch an den 
Sammelstellen, z. B. Molkereien und 3) an den Verkaufsstellen. Jedes- 
mal treffen die hineingeratenen Typhusbazillen auf eine andere Be- 
schaffenheit der Milch. Die eben gemolkene Milch hemmt das Wachstum 
vorübergehend auf Grund der eigentlichen Bakterizidie. In einer 
Milch, die längere Zeit bei Zimmertemperatur gestanden hat, ins- 
besondere jene Milch der Verkaufsstellen werden Typhusbazillen auf 
reichlich Saprophyten stoßen. Um nun in den Versuchen diese Ver- 
hältnisse möglichst nachzuahmen, wurde mit einer sehr keimarmen 
Vorzugsmilch (Vitamina-Milch, Domäne Waldau bei Königsberg), die 
etwa der Milch kurz nach dem Melken entsprach, und mit gewöhnlicher, 
käuflicher Marktmilch experimentiert. 

Die folgenden, durch Tabelle I gegebenen, mit Vitamina-Milch 
ausgeführten Versuche dienten methodologischen Zwecken. Es wurde 
zur Beantwortung zuerst einmal die Frage aufgeworfen: Genügt zur 
Förderung des Wachstums der Typhusbazillen gegenüber den Coli- 
bazillen allein schon der Zusatz von 25 Proz. Bouillon zur Milch 
zum Zwecke einer guten Nachweisbarkeit oder ist noch als Coli- 
hemmendes Mittel Koffein-Zusatz und eventuell zur Hemmung der 
grampositiven Bakterien Kristallviolettzusatz zu empfehlen. Koffein 


1) E. Löffler u. R. Riegler, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 99. 
H. 1—3. 


Wohlfeil, Zur Methodik des Typhusbazillennachweises in der Milch. 317 


in Milch (d. h. eigentlich Kaffee mit Milch) scheint ja nach Dold!) 
eine relativ geringe bakterienfeindliche Wirkung gegenüber den Typhus- 
bazillen und insbesondere Paratyphusbazillen aufzuweisen. Zu diesem 
Zwecke wurde Milch in der aus den Tabellen ersichtlichen Weise mit 
Typhus- und Colibazillen in physiol. NaCl-Aufschwemmung infiziert 
und in der einen Versuchsreihe mit 25 Proz. Bouillon, in der 2. Ver- 
suchsreihe mit 25 Proz. Koffein-Bouillon (1,2 Proz. Koffein) und in 
der 3. Versuchsreihe mit 25 Proz. Koffein - Kristallviolett - Bouillon 
(1:25000) versetzt (Tabelle I a). 


Tabelle Ia. 
Versuch am 15.7.1926. Vitamina-Milch mit 25-proz. Bouillon-Zusatz. 















































7,5 cem Milch $ ; F 
7 $ Einsaat auf 10 ccm Milch 
2,5 Bouillon 
nn husbaz. 98 000 000 = 46,5 Proz. 
0,6 ,„ 10-proz. Sodalösung Typ —0,1 cem} 5.’ 
0,1 k Ty- und Coliaufschw. Colibaz. 112 000 000 | 2 53,5 , 
Endoplatte I Endoplatte II Endoplatte III Mittel 
Std. ezählte |. ezählte |. ezählte |. i 
olonien lin P 702.) Kolonien |” Proz.| Kolonien in Prva, in Proz. er 
2 Ty : 38 35 Ty : 92 48 Ty :19 35 Ty =39,3 
Coli: 52 | 65 Coli : 100 52 Coli : 29 65 Coli — 60,7 
3 Ty : 61 70 Ty : 33 71 Ty :39 35 Ty =42 
Coli: 20 30 Coli : 127 79 Coli : 73 65 Coli = 58 
4 Ty : 10 19 Ty : 17 46 Ty :11 15 Ty = 26,6 
Coli: 42 81 Coli: 21 54 Coli : 63 85 Coli = 73,4 
5 Ty : 2 1 Ty : 17 24 Ty :36 30 Ty —18,3 
Coli : 197 99 Coli: 54 76 Coli : 78 70 Coli = 81,7 
6 Ty a,l 1 Ty : 25 18 Ty :5 19 Ty =126 
Coli: 98 99 Coli : 57 82 Coli : 25 81 Coli = 87,4 
Tabelle Ib. 
Versuch am 15. 7. 1926. Vitamina-Milch mit 25-proz. Koffein- 
EN Bouillon-Zusatz, 
7,5 cem Mile : : 
, > R Einsaat auf 10 cem Milch 
2,5 ,, Koffein-Bouillon 
0,6 ,, 10-proz. Sodalösung aie ao \ =0,1 cem er Proz. 
Gl. |; Ty- und Coliaufschw. : dats 
Endoplatte I Endoplatte II Endoplatte III A 
Std ählte ezählte ezählte i sp eee 
š : IA > i Z. 
olonien. |" Proz. olonien in P no Kolonien in Proz. nn 
2 Ty :24 28 Ty : 12 50 Ty :18 56,5 Ty =44,8 
Coli : 36 72 Coli: 12 50 Coli: 14 43,5 Coli = 55,2 
3 Ty :39 71 Ty : 45 59 ı Ty :22 61 Ty =64 
Coli:16 | 29 Coli: 31 41 Joli : 14 39 Coli — 36 
4 :40 | 66,7 Ty : 65 76,5 : 34 69,6 Ty —67,6 


Ty Ty : 
Coli:20 | 33,3 | Coli: 33 | 33,5 Coli : 15 30,5 | Coli= 32,4 























5 Ty :66 55 Ty : 40 66 Ty :58 74,5 Ty =61,8 
Coli : 55 45 Coli: 21 | 34 Coli : 21 25,5 Coli — 38,2 
6 Ty :78 64 Ty :115 60 Ty :35 48 Ty —51 
Coli : 44 36 Coli: 75 40 Coli: 49 52 Coli = 46 


1) H. Dold, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 92. 1921. S. 30. 


318 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


Tabelle Ic. 


Versuch am 15. 7. 1926. Vitamina-Milch mit 25-proz. Koffein- 


Kristallviolett-Bouillon-Zusatz, 





































7,5 cem Milch 3 r 
25 , Koffein-Kristallv.-Bouillon Typhusbaz. 98 er auf 10 46,5 Aueh 
0,6 , 10-proz. Sodalösung Clibaz ‘ 112.000 000 = 0,1 cem \ 535 Rs 
0,1 „ Ty- und Coliaufschw. a E 
Endoplatte I Endoplatte II | Endoplatte III | 2 
Std. | gezählte |. ezählte |. | gezählte |. N 
olonien |!” Pros. olonien |!” Proz. olonien |" P 102) a ; 
2 | Ty :36 53 Ty :37 38 Ty :32 | 46 Ty = 
Coli : 32 47 Coli:60 | 62 | Coli:37 54 Coli = 54 
3 Ty :50 58 Ty :45 50 Ty :22 41 Ty =49,7 
Coli : 36 42 Coli:45 | 50 Coli : 32 59 Coli = 50,3 
4 Ty :15 30 Ty :80 53 Ty :43 42 Ty =42 
Coli : 30 70 Coli : 91 47 Coli:60 | 58 Coli — 58 
5 : 72 64 : 44 64 Ty :37 35 Ty —54,4 
Ci :41 36 Ohi : 25 36 Coll:66 65 Coli — 45,6 
6 | Ty :39 45 °:18 50 Ty :35 65 Ty =43,4 
Coli: 49 55 Qi :18 50 Coli : 19 35 Coli = 56,6 

















In diesem Zusammenhange ist ferner die Feststellung wichtig, 
wann die quantitative Scheitelhöhe der Typhusbazillenkurve erreicht 


Typhuskolonien : Colikolonien 














0 
nach2 


Kurve 1. 








Milch + Bouillon. 
+ Koffein-Bouillon. 
» + Koffein-Kristall- 


violett-Bouillon. 


hemmende Wirkung. 


ist, ehe Streptococcus lact. nach 
Ueberwindung des hemmenden Einflusses 
der Alkalisierung in den Vordergrund 
tritt. Aus diesem Grunde wurden von 
der beimpften und vorbehandelten Milch 
Platten nach 2—6 Std. ausgestrichen. 
Ließ sich feststellen, daß ein gewisses 


Wachstumsoptimum der Typhusbazillen - 


schon in kürzerer Zeit als 12—18 Std. 
zu beobachten war, so würde dies eine 
merkliche Beschleunigung der Anreiche- 
rung z. B. gegenüber der von Demme 
angegebenen Methode bedeuten. 

Vergleicht man nun die Ergebnisse 
der 3 Versuchsreihen (die mittleren Pro- 
zentzahlen sind in Kurvenform dargestellt, 
Kurve I), so ergibt sich, daß die Kurve, 
welche den Nachweis der Typhusbazillen 
in der Koffein-Bouillon-Milch darstellt, 
am höchsten liegt. Bei alleinigem Bouil- 
lonzusatz überwuchert Bact. coli in 
weit höherem Maße den Typhusbazillus, 
während die Kurve des Koffein-Kristall- 
violettzusatz überlegen ist. Koffein hat 
hier in der Milch also auch eine Coli- 


Im Verein mit Kristallviolett, wie es Ficker1) 


ursprünglich angegeben hat, scheint es aber eine größere Hemmungs- 


1) M. 


Ficker, 


W. Hoff 


wirkung auf Typhusbazillen auszuüben als ohne diesen Farbstoff. Nach 


mann: Arch. f. 229. 


lyg. Bd. 9. S. 


Lil 


Wohlfeil, Zur Methodik des Typhusbazillennachweises in der Milch. 319 


Tabelle Ia. 
Versuch am 19.7.1926. Vitamina Milch mit 25-proz. Bouillon-Zusatz. 
7,5 ccm Milch 
































25 » Bouillon husbaz. 72000000) 07 mn je 40 Proz. 
0,65 „ 10-proz. Sodalösung phusbaz, = 0,1 ce m {= roz 
01 x Ty- und Coliaufschw. è Rines 78 000 000 } = 50,5 S 
Endoplatta I | Endoplatte II | Endoplatto ILI Endoplatte. IV Mittel 
Std.| gezählte ezählte | in |gezählte | in | gezihlte in Proz. 
olonien | Proz. olonien | Proz. | Kolonien | Proz. | Kolonien Proz: 
3 |Ty : 8| 28 |Ty : 33| 24 | Ty :1 17 | Ty :1 1 Ty =20 
Coli : 21 72 |Coli:105| 76 | Coli:5 | 83 | Coli:8| 8 Coli = 80 
4 | steril . [Ty : 13) 25 steril ; steril i Ty =25 
; . |Coli: 40) 75 3 3 A ; Coli = 75 
5 | Ty : 1 5 |Ty : 3| 13 ‘ A steril à Ty = 9 
Coli:20 | 95 |Coli: 20| 87 steril k = : Coli = 91 
6 | Ty : 0 . |Ty : 4 8 ; i : Ty = 4 
| Coli: 9 | 100 |Coli: 41| 92 steril : steril Coli = 96 




















Tabelle IIb. 
Versuch am 19. 7.1926. Vitamina-Milch mit 25-proz. Lymphdrüsen- 
Bouillon-Zusatz. 
7,5 cem Milch 

















+ : Einsaat auf 10 cem Milch 
55," Iymphdrüsen-Bouillon  myphusbaz. 77 000 000 {498 Proz. 
0,65 „ ee Sodalösung Golibas 78.000.000 ¢ — 9,1 cem —505 
01 » Ty- und Coliaufschw. a ? 
Endoplatte I _Endoplatte II Endoplatte III | Endoplatte IV Mittel 
Std. | gezählte | in | gezählte ezählte | in ezählte | in in Proz. 
olonien | Proz. | Kolonien trea: Kolonien | Proz. | Kolonien | Proz. = 
3 | Ty :31 | 63,5 | Ty :37 | 43 |Ty :26 48 | Ty :16 | 41 | Ty = 42,1 
Coli:18 | 36,5 | Coli:49 | 57 | Coli:28 | 52 | Coli:23 | 59 | Coli = 57,9 
4.1 Ty : 31 13 |Ty:5 8 |Ty:8| 20 | Ty : 5| 16 | Ty =143 
Coli:21 | 87 | Coli:41 | 92 | Coli:33 | 80 | Coli:57 | 84 | Coli = 85,7 
5 | Ty : 2 5. |Typ.:2 |: 11 | Ty +8 7 | Ty : 3 8 | Ty = 8 
Coli:44 | 95 | Coli:16 | 89 | Coli:42 | 93 | Coli:30 | 92 | Coli = 92 
6 | Ty : 6| 20 |Ty : 5 | 11 | Ty : 0 > Ty:5| 21 /Ty =13 





























Coli:25 | 80 | Coli:42 | 89 | Om: 13 | 100 | Coli:19 | 79 | Coli=87 


Tabelle II c. 
Versuch am 19. 7. 1926. Vitamina-Milch mtt 25-proz. Lymphdrüsen- 
Koffein-Bouillon- Zusatz. 
7,5 cem Milch 











25 , Lymphdr-Koff-Bouillon qynhusbaz. 77000001 a 12-405 Proz. 

0,65 „ 10-proz. Sodalösung Golibuz. 78000 ooo } = 0,1 com | = 505 

01 „ Ty- und Coliaufschw. ss ites 
Endoplatte I | Endoplatte II | Endoplatte III | Endoplatte IV Mittel 


Std. | gezählte | in |gezählte 


in ezählte | in ezählte in in Proz. 
olonien | Proz. | Kolonien 


Proz. | Kolonien | Proz. | Kolonien | Proz. 








3 [Ty :15| 19 |Ty :21| 22 | Ty :34| 40 [Ty :16| 34 | Ty = 
Coli:64 | 81 | Coli:77 | 78 | Coli:50 | 60 | Coli:31 66 | Coli = 71 
4 | Ty :ı| 19 |Ty : 9 | 28 | Ty :12 | 34 | Ty :16 | 50 | Ty — 33 
Coli:21 | 81 | Coli:21 | 72 | Coli:24 | 66 | Coli:16 50 | Coli = 67 
5 : 3] 15 |Ty : 9] 38 |Ty : 6! 26 |Ty : 5 30 | Ty = 
Obi :17 | 85 | Coli:15 | 62 | Coli:18 | 75 | Coli:12 70 | Coli= 73 
6 | Ty : 1 8 |Ty : 3] 23 | Ty : 9| 23 | Ty : 0 z Ty = 13,5 
Coli: 12 | 92 | Coli:10 | 77 | Coli:30| 77 | Coli: 7 | 100 | Coli = 86,5 
































320 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


diesen Versuchen würden 25 Proz. Koffeinbouillonzusatz die benutzten 
Bact. coli-Stämme um etwa 40 Proz. gegenüber den verwendeten 
Typhusstämmen zurückzudrängen imstande sein. 

In dem Bestreben, einen Elektiv-Nährboden für Typhusbazillen 
bei diesen Versuchen ausfindig zu machen,” wurde versuchsweise, statt 
gewöhnlicher Nährbouillon Lymphdrüsenbouillon aus menschlichen Me- 
senterial-Lymphdrüsen der Milch zugesetzt. Die Tatsache, daß sich 
pathologisch-anatomisch die Typhuserkrankung in den Lymphfollikeln 
des Darmes lokalisiert, konnte einen solchen Versuch lohnend erscheinen 
lassen. Die Experimente ergaben, wie Tabelle II und Kurve II zeigen, 
nach 3 Std. eine im Verhältnis zum gewöhnlichen Bouillonzusatz relativ 
günstige Nachweisbarkeit von Bact. typhi. 

Nach 4 und mehr Stunden war die Nachweisbarkeit jener Bak- 
terien bei gewöhnlicher Bouillon besser. Bei Zusatz von Koffein zur 

Lymphdrüsenbouillon lag die Kurve der Nach- 
Versuch am 19. 7.1926. weisbarkeit über jener der beiden erstge- 
nannten. 

Vergleicht man die Ergebnisse von Ta- 
belle IIa mit den in Tabelle La angeführten, 
so ist bei [la eine merklich schlechtere Nach- 
weisbarkeit von Typhusbazillen im Verhältnis 
zu Coli-Bazillen festzustellen. Im allge- 
meinen scheint nach den Erfahrungen an 
diesem und anderem, hier nicht tabellarisch 
mitgeteilten Material die Größe der Einsaat 
von Bedeutung zu sein. Mit einer gewissen 
Einschränkung ist zu sagen: Je größer die 
Einsaat von gleichen Teilen von Typhus- und 
Coli-Bazillen, umso leichter ist der Nach- 
= Milch t iow. Boul: weis von Typhusbazillen gegenüber Coli- 

on. 








: Bazillen. 
Seis page eu Aus den Versuchen mit Ersatz der ge- 
Benz = Milch + Lymph- Wöhnlichen Nährbouillon durch menschliche 
drüsen - Koffein- Lymphdrüsenbouillon ging jedenfalls eine be- 
bouillon. achtenswerte Förderung des Typhusbazillen- 
Wachstums durch letztere nicht hervor. 
In weiteren Versuchsreihen — auf die tabellarische Darstellung 


dieser Resultate soll verzichtet werden — wurde nun von anderer Seite 
Milch mit Coli- und Typhusbazillen, allein mit Colibazillen usw. in 
verschiedensten Dosierungen infiziert und nach 3—5stünd. Stehen 
mir zum Typhusbazillennachweis übergeben. Es zeigte sich, daß noch 
bei einer Infektionsdosis von 468720 gezählten Colikeimen und 
322560 gezählten Typhuskeimen auf 5 ccm Milch letztere Bazillen 
nach Zusatz von 25proz. Koffeinbouillon und erfolgter Alkalisierung 
in etwa 10 Proz. nachzuweisen waren. 

Eine weitere Frage war die, nach wie langer Zeit noch Typhus- 
bazillen mit der angegebenen Methode in Milch festzustellen sind. 
Nach Demme!) gelang dies bei nur mit Typhusbazillen infizierter 
Milch, die im Eisschrank stand, meistens bis zu 4 Wochen. Wurde 
die infizierte Milch bei Zimmertemperatur stehen gelassen, so konnte 
er noch nach einer Woche Typhusbazillen herauszüchten. Man muß 


1) a. a O. 


Wohlfeil, Zur Methodik des Typhusbazillennachweises in der Milch. 321 


nun aber die Versuche Demmes, so interessant sie auch in ihren 
Ergebnissen sind, nach dem früher Gesagten als wirklichkeitsfremd 
betrachten. Wird eine Milch mit Typhusbazillen infiziert, so geschieht 
es, wie man wohl mit größter Wahrscheinlichkeit anzunehmen be- 
rechtigt ist, nicht, ohne daß auch gleichzeitig mindestens ‘in gleicher 
Menge Colibazillen in dieselbe gelangen. Wir haben daher gerade 
auch bei diesen Versuchen Milch meist mit Typhus- und Colibazillen, 
zum kleinen Teil, um die Demmeschen Resultate nachzuprüfen, allein 
mit Typhusbazillen infiziert und ihre Nachweisbarkeit mit der an- 
gegebenen Methode geprüft. 

Zuerst prüfte ich die Brauchbarkeit der Methode an einer Milch, 
die einer solchen, gleich nach dem Melken infizierten entsprach. 

Zu diesem Zwecke mit Typhusbazillen versetzte Vitamina-Milch 
(0,5 ccm einer Typhusbazillenaufschwemmung = 900 Millionen Keime 
auf 100 ccm Milch) wurde erstmalig nach einem Monat, dann nach 
11/, Monaten Aufenthalt auf Eis untersucht. Tabelle III, in welcher 


Tabelle ITI. 


Versuch am 8. 9. 1926. 100 cem Vitamina-Milch 
(leicht sauer) infiziert am 8. 8 1926 mit 0,5 ccm 
Typhusbaz.-Aufschw. = 900 Mill. Keime. 


++++ =sehr reichlich 

















7,5 cem Milch +++ =reichlich 
2,5 „ Koffeinbouillon ++ = wenig 
12 „ 10-proz. Sodalösung + = vereinzelt 
— = negativ 
Std. Kontrolle N 
a b 
sofort Ty + Ty + Ty + 
3 Sy he I le Ty +++ 
4 Ty + Ty ++ Ty ++ 
5 Ty ++ Ty +++ Ty ++++ 
6 Ty + Ty +++ Ty +++ 
7 Ty + Ty +++ Ty +++ 
8 Ty + Ty ++ Ty -+ 
20 Ty = Ty++++ | Tr++++ 











die Stärke des Wachstums der Typhusbazillen mit +++ bis — an- 
gedeutet wird, bringt die Tatsache, daß ohne jede Schwierigkeit auch 
nach einem Monat Typhusbazillen nachweisbar sind. Interessant ist 
vor allen Dingen hier die sofortige Nachweisbarkeit von Typhusbazillen 
durch Ausstrich einiger Oesen Milch. Es waren also auch trotz der 
geringen Einsaat, jene Bakterien ohne die genannte Methode, wenn 
auch nur vereinzelt, zu finden. Nach 3 Std. Brutschrankaufenthalt 
sind sogar aus der Milch ohne Koffeinbouillonzusatz sehr reichlich 
Typhusbazillen zu isolieren gewesen. Nach längerer Zeit (4—6 Std.) 
sind Typhuskolonien nur noch vereinzelt — siehe Kontrollreihe — 
vorhanden, nach 20 Std. überhaupt nicht mehr, stark überwuchert von 
Bact. coli und Streptococcus lact. Betrachtet man aber die 
Ergebnisse bei Koffeinbouillonzusatz, so ist aus ihnen wieder eine, 
durch Colihemmung und Zurückdrängung von Streptococcus lact. 
fördernde Wirkung des Wachstums von Typhusbazillen unverkennbar. 

Die Tatsache, daß auch ohne Anreicherung Typhusbazillen nach 
einem Monat beim gewöhnlichen Ausstrichverfahren nachweisbar ge- 

Erste Abt. Orig. Bd. 101. Heft 6/7. 21 


322 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


wesen sind, ist wohl aus der relativen Keimarmut der benutzten 
Vitamina-Vorzugsmilch zu erklären. Für das Absterben pathogener 
Keime in infizierter Milch scheint zu einem späteren Termin als direkt 
nach dem Melken weniger die eigentliche Bakterizidie derselben, als 
vielmehr das Ueberwuchern von Saprophyten und die Schädigung durch 
deren Stoffwechselprodukte in Frage zu kommen. Tab. IV bringt die 
Resultate der Untersuchung der gleichen Milch nach ca. 11/, Monaten. 
Hier wurde nun, um einen besseren Masstab für die Größe des Typhus- 
bazillenwachstums zu haben, in der früher angegebenen Weise die An- 
zahl der Typhuskolonien gegenüber der Anzahl der Milch-Colikolonien 
(resp. Coli aérogenes) ausgezählt. Außerdem führte ich zum Ver- 
gleich die Demmesche Methode der Anreicherung in Galle zusammen 
mit der Filtrier-Papier-Steigmethode durch. 


Tabelle IV. 


Versuch am 24. 9.1926. Vitamina-Milch (stark sauer) vom 9. 8. 1926 
auf His stehend. 
7,5 cem Milch 
2,5 , Koffeinbouillon 
2,0 , Sodalésung 












































| Endoplatte I | Endoplatte II _Endoplatte III | Endoplatte IV | Mittel 
Std. | gezählte | in | gezihlte| in |gezählte | in |gezählte | in | in Proz. 
olonien | Proz. | Kolonien | Proz. | Kolonien | Proz. | Kolonien | Proz. 
sofort) Coli: . | 100 | Coli: . | 100 | Coli: . | 100 | Coli: . | 100 | Coli — 100 
3 |Ty : 3 5 : : : . Tyre 5 [Ty = 2,5 
Coli:67 |- 95 | Coli: . | 100 | Coli: . | 100 | Coli:20 | 95 |Coli = 97,5 
4 s ? f [Ty #1] 6] j . [Ty = 125 
Coli: . | 100 | Coli: . | 100 | Coli:18 | 95 | Coli: . | 100 | Coli = 98,75 
5 |Ty : 3 8 a Ey (2 Ty = 75 
Coli:36 | 92 | Coli: . | 100 | Coli:10 | 78 | Coli 100 | Coli = 92,5 
6 |Ty : 2 5 3 ‘ 3 s i + [Ty = 1,25 
Coli:38 | 95 | Coli: . | 100 | Coli: . | 100 | Coli: . | 100 | Coli = 98,75 
7 |Ty : 1 3. |ITy.,: 2 4 é . |Ty : 2| 29 (Ty = 2 
Coli:31 | 97 | Coli:50 | 96 | Coli: . | 100 | Coli:51 | 71 |Coli = 98 
8 | Ty : 1 4 : ea : is : . [Ty = 2 
| Coli:28 | 96 | Coli: . | 100 ie — = — | Coli — 98 
20 | Coli: . | 100 | Coli: . | 100 | Coli: . | 100 | Coli: . | 100 |Coli = 100 














Es zeigt sich nun nach 11/, Monaten keine Nachweisbarkeit von 
Typhusbazillen bei gewöhnlichem Ausstrich von der unbehandelten 
Milch. Erst nach 3stünd. Anreicherung mit Koffeinbouillon sind ver- 
einzelt Typhuskolonien herauszufinden; aber auch nicht bei allen 
Platten. Das Maximum der Nachweisbarkeit von Typhusbazillen liegt 
hier wieder bei einer Zeit von 5 Std. Die nach Demmes Vorschrift 
angestellte Untersuchung der Milch ergab nur Coli commune und 
Coli aörogenes. Es ist also mit der angegebenen Methode noch 
möglich gewesen, Typhusbazillen nach 11/, Monaten in einer Milch, 
die etwa der beim Melken infizierten entspricht, wenn auch vereinzelt. 
nachzuweisen. Hierbei ist besonders beachtenswert, daß die Infektions- 
dosis eine relativ niedrige war. 

Infiziert man nun die gleiche Milch mit Typhus- und Colibazillen, 
so lassen sich ebenfalls nach längerer Zeit Typhusbazillen nachweisen. 


Wohlfeil, Zur Methodik des Typhusbazillennachweises in der Milch. 3923 
Hierbei fällt die Größe der Prozentzahl der Typhuskolonien anfangs 
schneller, später langsamer ab, wie die folgenden Tabellen zeigen. Bei 
den Versuchsreihen, deren Ergebnisse nur graphisch dargestellt, unter 
Verzicht auf umfangreiche Tabellen, geboten werden sollen, waren 
100 cem Vitamina-Milch mit relativ reichlich Typhusbazillen (ca. 
4 Milliarden) und Colibazillen (ca. 3 Milliarden) künstlich infiziert, 
bis über 8 Tage auf Eis aufbewahrt und in gewissen Abständen unter- 





we 


Sofort 3 4 5 6 7 
Kurve IV. 


(0) 
sofort 3 4 5 


Kurve III. 


Versuch am 10. 8. 1926. 24. Std. Vitamina-Milch infiziert mit Typhus 
auf Eis, Vitamina-Milch infiziert mit Ty + Colibazillen. 4 Tage auf Eis. 
+ Colibazillen. 


sucht worden. Nach den Ergebnissen der Untersuchung nach 24 Std. 
(Kurve III) waren gleich nach dem Ausstreichen ohne Anreicherung 
Typhusbazillen nachweisbar. 

Wird die Milch mit Koffeinbouillon versetzt, so steigt die Nach- 
weisbarkeit um ein beträchtliches (siehe ausgezogene Kurve). Aus 
der ohne jeden Zusatz in den Brutschrank gestellten Milch sind da- 
gegen Typhuskeime nur noch ganz 
vereinzelt zu isolieren (siehe punk- 
tierte Kurve). 

Nach 4 Tagen (Kurve IV) sind 


% 
25 


bei Koffeinbouillonzusatz merklich 
weniger Typhuskolonien gegenüber 
den Colikolonien in Prozent aus- 
gedrückt im Verhältnis zu den Er- 
gebnissen der ersten Versuchsreihe 
zu finden. In den Kontrollen 
ohne Koffein wird der Typhus- 
bazillennachweis schnell unmöglich. 

Nach 8 Tagen (Kurve V) liegt 
die Kurve der Nachweisbarkeit der 
Typhusbazillen wieder tiefer als 
nach 4 Tagen. 


20 


10 





Sofort 3 4 5 6 7 


Kurve V. 


Versuch am 16. 8. 1926. Vitamina- 
Milch infiziert mit Ty + Colibazillen. 
8 Tage auf Eis. 


In der Kontrollmilch sind mit einer Ausnahme nur ganz vereinzelt 


Typhusbazillen nachweisbar. 


Kurve VI gibt neben den 3 Kurven die Mittelkurve. Aus dieser 


geht hervor, daß, abgesehen von Zufälligkeiten, um 5 Std. Brutschrank- 
aufenthalt herum ein gewisses Maximum der Nachweisbarkeit existiert, 
wie es auch frühere Versuchsreihen ergaben. Im Mittel haben sich 
nach 24 Std. 25,13 Proz., nach 4 Tagen 17,43 Proz., nach 8 Tagen 


21* 


324 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


13,34 Proz. Typhuskolonien von 100 gewachsenen Bakterienkolonien 
nachweisen lassen. Das würde unter der Voraussetzung der Gleich- 
mäßigkeit des Abfallens der Nachweisbarkeit, die in Wirklichkeit nicht 
existieren wird, für die ersten 3 Tage, vom 2. Tage an gerechnet im 
Mittel einen Abfall von täglich 10,20 Proz., für die zweiten 4 Tage von 
täglich 5,87 Proz. bedeuten. Noch nach etwa 20 Tagen müßten rech- 
nerisch Typhusbazillen trotz der reichlichen Anzahl von Colibazillen 
vereinzelt nachweisbar sein. Wahrscheinlich ist aber die Isolierung 
bereits vor dieser Zeit nicht mehr möglich. Die zunehmende Säuerung 
durch Streptococcus lact. und Bact. coli, welche nach der 
obengenannten Tabelle immer mehr Bact. typhi überwuchern, wird 
sicherlich nicht nur in arithmetischer Progression fortschreiten. 

Bei den bisher gezeigten Ergebnissen war stets die relativ keim- 
arme Vitamina-Milch verwandt worden. Man konnte also mit großer 
Wahrscheinlichkeit annehmen, daß sich in ‘gleicher Weise auch eine 
sofort beim Melken infizierte Milch verhalten würde. 


% 
100 
nach 24 Std. 
30 


80 





60 


nach 4 Tagen 





20 
Mittelkurve 





DA 3 5 6Std. 





Kurve VII. 
nach 8Tagen Versuch am 23. 8. 1926. 100 ccm 
8 Std wöhnliche Mich infiziert mit ca. 
: Mill. husbazillen am 22. 8. 
Kurve VI. 1926. 24 Std. auf Eis. 


Die anschließenden Versuche befaßten sich in der Hauptsache 
mit dem Nachweis von Typhusbazillen in roher, käuflicher Marktmilch, 
also einer solchen, die mindestens 24 Std. alt war. Letztere enthielt, 
wie früher bemerkt, schon von vornherein viel Bact. coli und 
lact. aérogenes, die den Nachweis der Typhusbazillen mitunter 
sehr zu erschweren imstande waren. Infizierte ich gewöhnliche Roh- 
milch allein mit Typhusbazillen, so ließen sich dementsprechend auch 
stets in einem gewissen Prozentsatz Colikolonien auf den Platten 
finden. Daß aber Koffeinbouillon-Zusatz auch in diesen Versuchen 
die Colibazillen und Bact. lact. aérogenes der Milch zurück- 
zudrängen imstande ist, beweist die folgende Kurve VII. Bei reich- 
lichem Vorhandensein von Typhusbazillen in der infizierten Milch sind 
gleich beim Ausstrich fast ausschließlich Typhuskolonien nachweisbar. 
Läßt man die Milch aber mehrere Stunden bei Brutschranktemperatur 
stehen, so bleibt bei Koffeinbouillonzusatz die Kurve annähernd auf 
gleicher Höhe, während sie bei der Milch ohne diese Behandlung merk- 
lich abfällt. Im Mittel finden sich bei der Milch ohne Koffeinbouillon- 


Wohlfeil, Zur Methodik des Typhusbazillennachweises in der Milch. 3925 


Zusatz in diesem Falle 13 Proz. Colikolonien, bei Koffeinbouillon- 
Zusatz 4 Proz. derselben. 

In Nachahmung der Demmeschen Versuche infizierte ich weiter- 
hin ‘gewöhnliche Milch nur mit Typhusbazillen und bewahrte sie bei 
Zimmertemperatur von etwa 20° längere Zeit auf. Nach 5—6 Tagen 
wurde die sich im total verdorbenen, zum Teil peptonisierten Zustande 
befindende Milch mit der angegebenen Methode untersucht. Die fol- 
gende Kurve VIII zeigt die erstaunliche Tatsache, daß, wenn auch 
nicht sofort, doch nach 3—4 Std. Aufenthalt im Brutschrank Typhus- 
bazillen in der Milch ohne .Koffeinbouillon-Zusatz nachweisbar ge- 
wesen sind. Nach längerem Verbleiben waren sie auch bei gleichzeitigem 
Ausstreichen von 4 und mehr Endoplatten nicht mehr zu finden. 
Zugabe von Koffeinbouillon und Alkalisierung führen dagegen langsam, 





Kurve VIII. 

Versuch am 17. 9. 1926. Gewöhnliche Milch 
infiziert am 11. 9. 1926 mit 0,5 cem Ty-Bazillen- 
Aufschwemmung = 300 Mill. Keime auf 100 ccm 
Milch. 5'/, Tage bei Zimmertemperatur. 


= Milch + Koffein-Bouillon. 
------ = nur Milch. 


Kurve IX. Versuch am 27.8. 1926. Gewöhn- 
liche Milch infiziert mit Ty + Colibazillen am 25.8. 
1926 (zu gleichen Teilen je etwa 80 Mill. Keime). 
2 Tage auf Eis aufbewahrt. 
= Milch + Koffein-Bouillon. 
Sa = nur Milch. Kurve IX. 











aber stetig zu einer Anreicherung der vorhandenen Typhuskeime. Es 
ist also in Bestätigung der Demmeschen Resultate ebenfalls mit der 
hier angewandten, aber im Verhältnis zur Methode jenes Autors, 
schneller zum Ergebnis führende eigene Methode der Koffeinbouillon- 
Anreicherung möglich, Typhusbazillen nach ungefähr einer Woche aus 
Milch, welche bei Zimmertemperatur gestanden hat, herauszuzüchten. 

Die folgenden Versuche befaßten sich nun mit dem Nachweis von 
Typhusbazillen in gewöhnlicher Milch, wobei bei der Infektion dieser 
auch gleichzeitig Colibazillen in gleicher Menge beigefügt worden 
waren, um der Wirklichkeit näher zu kommen. Aus gewöhnlicher 
Milch, mit Typhus- und Colibazillen geimpft, und auf Eis auf- 
bewahrt, lassen sich Typhusbazillen nach 2tägigem Stehen und wahr- 
scheinlich auch nach längerem — längere Zeiten wurden in diesem Falle 
nicht geprüft — leicht wieder sogar ohne Anreicherung isolieren, wie 
Kurve IX zeigt. i 


326 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


Tabelle V. 

Versuch am 18. 8. 1926. Gewöhnliche Milch infiziert am 16. 8. 1927 mit hus- 
und Colibazillen (auf 100 ccm Milch = Coli : Typhus = 384 Mill. : 352 Mill.) 2 Tage 
bei Zimmertemperatur, stark sauer. 

A. 7,5 ccm Milch B. 7,5 cem Milch-Kontrolle 
25 , Koffein-Bouillon 
2,3 „ 10-proz. Sodalösung 





























I. IL III IV Zeit 
A | 100% Coli} 100% Coli 100 % Coli 100% Coli | sofort 
B 100 0/0 ” 100 % ” 100 % » 100 0/0 ” 

Ty : ` 2= 18% Ty : 2=3% 
A | 100% „ | Coli:130=972% | Coli:62:=97% | 100% „ | 3 Std. 
B | 100% ” 100 % Coli 100% Coli 100% > 
A 100 % ” 100 % ” 100 % ” 100 % ” 4 ” 
B | 100% , | 100% » 100% » 100% , 
A 100 % ” 100 % » 100 % 5, 100 % » 5 y 
B 100% „ 100% ,, 100% ,, 100 % » 
A 100 0/0 ” 100 % ” 100 % ” 100 % ” 6 ” 
B 100 0/0 ” 100 % » 100 % ” 100 % ” 
A | 100% ,, 100% ,, 100% ,. 100% „ |7 , 
B 100 % ” 100 % u 100 % ” 100 % ” 
A 100 % ” 100 % ” | 100 % ” 100 % ” 8 ” 
B 100% ,, 100% „ 100% ,, 100 % » 
Tabelle VI. 


Versuch am 20.8. 1926. Gewöhnliche Milch infiziert mit hus- und Colibazillen 
(auf 100 cem Milch = Coli: Ty = 384 Mill. : 352 Mill. 4 Tage bei Zimmertemperatur. 














A. 7,5 ccm Milch B. 7,5 cem Milch C. 7,5 cem Milch 
2,5 „ Koff.-Bouillon 1,20% 2,5 , Koff.-Gallebouillon 
26 , 10% Sodalösung 2,6 „ 10% Sodalösung 
Koffein-Bouillon Koffein-Gallebouillon Kontrolle in Milch Zeit 
A B C 
Coli 100% Coli 100% Coli 100% sofort 
” 100 % ” 100 % ” 100 0/0 
” 100 % ” 100 % nn 
LL 100 0/0 ” 100 0/0 ” 100 % 3 Std. 
à Ty : 1=1% y 
„ 100% Coli: 130 = 99,87 % » 100 % 
„ 100% Coli 100 % | = 
e Ty :1=1 0/0 j . 4 ” 
„ 100% Coli ; 85 = 99 % » 100% 
„ 100% Coli 100 % » 100% 
5 Ty : 1=1% r 
„ 100% Coli : 63 = 99 % — 
Ty : 2 = 2 0 5 | s 5 „ 
Coli : 40 = 98 % Coli 100 % » 100% 
Coli 100 % » 100% » 100% 
” 100 % ” 100 % psg 
” 100 % | ” 100 % ” 100 % 6 ” 
» 100 % » 100% „ 100% 
Ty : 1=1,5% t > | 
Coli : 73 = 98,5 % » 100% — i 
Ty : = 1,5 % 3 5 Toh 
Coii : 120 = 98,5 % | » 100% » 100% 
Coli 100 % | » 100% „ 100% 
„ 100% | » 100% = 











Wohlfeil, Zur Methodik des Typhusbazillennachweises in der Milch. 327 


Schwierig jedoch gestaltet sich der Nachweis, wenn mit Typhus- 
und Colibazillen infizierte, rohe Marktmilch bei Zimmertem- 
peratur längere Zeit gestanden hat. Nach 2tägigem Stehen bei etwa 
20° sind bei vollkommenem Vorherrschen von Bact. coli (Tab. V) 
nur noch vereinzelt nach 3 Std. Typhusbazillen isolierbar. Vergleichs- 
weise wurde bei dieser gesamten Versuchsgruppe, die durch Tab. V 
und die folgende Tab. VI dargestellt wird, auch die Galle-Anreicherung 
mit der Filtrierpapier-Steigmethode nach Demmes Vorschrift an- 
gewandt. Niemals ließen sich Typhusbazillen nach diesem Verfahren 
isolieren. 

Die gleiche Milch wurde nach 4 Tagen untersucht. Außer der 
gewöhnlichen Koffeinbouillon versuchte ich eine Anreicherung in 
Koffeingallebouillon. Scheinbar gab diese nach Tabelle XV etwas bessere 
Resultate nach den ersten Stunden Brutschrankaufenthalt. Nach 5 
und mehr Stunden waren bei Koffeingallebouillon-Zusatz Typhusbazillen 
nicht mehr isolierbar, dagegen noch bei Koffeinbouillon-Zusatz verein- 
zelt vorhanden. Aus diesen Versuchen erhellte sich jedenfalls die Tat- 
sache daß auch bei Einsaat von Typhus- zusammen mit Colibazillen, 
Typhusbazillen noch einige Tage nach der Beimpfung vorhanden und 
mit der angegebenen Methode, wenn auch nicht mehr so leicht wie bei 
den früheren Versuchen, nachzuweisen sind. Diese Ergebnisse zeigen 
erneut, die außerordentliche Schwierigkeit des Nachweises von Typhus- 
bazillen unter Verhältnissen, die in vielen Fällen den wirklichen wohl 
sehr nahe kommen dürften. Auch die Methode der Koffeinbouillon- 
Anreicherung mit Alkalisierung der Milch in der angegebenen Weise 
ist weit davon entfernt, den Nachweis von Typhusbazillen in jedem 
Falle zu gewährleisten, aber sie ist den übrigen Methoden und ins- 
besondere der von Demme angegebenen insofern überlegen, als sie 
zum mindesten dasselbe, wenn nicht in den meisten Fällen mehr leistet 
und vor allen Dingen den Nachweis in einer relativ kurzen Zeit er- 
möglicht. 


Hauptergebnisse der Arbeit. 


1) Es lassen sich mit der beschriebenen Methode aus einer mit 
Typhusbazillen infizierten keimarmen Rohmilch, die etwa der Milch 
kurz nach dem Melken entspricht, bei Aufbewahrung auf Eis Typhus- 
bazillen ohne weiteres nach 11/, Monaten nachweisen, wenn die Milch 
allein mit Typhusbazillen infiziert wurde. — 2) Bei mit Coli- und 
Typhusbazillen versetzter keimarmer Milch entziehen sich die Typhus- 
bazillen viel schneller der Isolierung, sind aber auch noch auf Grund 
der Untersuchungen und theoretischen Ueberlegungen bis zu etwa 
3 Wochen nachweisbar. — 3) Aus nur mit Typhusbazillen versetzter 
Marktmilch, die von vornherein als keimreich zu bezeichnen ist, lassen 
sich nach Aufbewahrung bei Zimmertemperatur noch mindestens nach 
einer Woche Typhusbazillen züchten. — 4) Wird die gleiche Milch 
mit Coli- und Typhusbazillen infiziert, so sind schon nach 4 Tagen 
Zimmeraufenthalt letztere gerade noch isolierbar. Der Nachweis ge- 
staltet sich hier zu einer sehr schwierigen Aufgabe, die mit den bis- 
her bekannten Methoden und auch der eigenen noch nicht zufrieden- 


328 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


stellend gelöst ist. — 5) Bei Anwendung der Methode ist am vorteil- 
haftesten folgende Reihenfolge einzuhalten: 7,5 ccm der fraglichen 
Milch + 2,5 ccm 1,2 Proz. Koffeinbouillon werden mit einigen Tropfen 
0,5 Proz. Phenolphthaleins versetzt und zur Feststellung der bei dem 
Säuregrad erforderlichen Alkalimenge mit 10 Proz. steriler Soda- 
lösung bis zur deutlichen Rotfärbung alkalisiert. Ein zweites Reagenz- 
glas wird mit der gleichen Menge Milch, Koffeinbouillon und der 
austitrierten Menge Sodalösung beschickt. Die Milch kommt in den 
Brutschrank von 37°. Nach 4, 5, 6 evtl. 7 Std., wenn es sich um 
Massenuntersuchungen handelt, nur nach 5 Std. werden von 
der fraglichen Milch 3 Oesen, resp. mit einer feineren Kapillare 
3 Tropfen, aus verschiedenen Tiefen auf Endoplatten ausgestrichen. 
Nach 18—24 Std. Brutschrankaufenthalt erfolgt die weitere Ver- 
arbeitung in der üblichen Weise. 


Nachdruck verboten. 


Zum Parallelismus zwischen den wachstumshemmenden 
und den i T ae der Filtrate nach 
esredka. 


Vorläufige Mitteilung. 


[Aus der Variola-Vakzineabteilung des Bakteriologischen Instituts zu 
Kiew (Abteilungsvorsteher Priv.-Doz. Dr. Iw. Hach).] 


Von Dr. G. S. Barg. 


Wie Besredka1) festgestellt hat, ist es für die in bestimmter 
Weise bereiteten Filtrate der Staphylo- und Streptokokkenbouillon- 
kulturen kennzeichnend: 1. daß sie bei intrakutaner Einführung eine 
Immunität hervorrufen, und 2. daß bei Einsaat entsprechender Bak- 
terien sich diese darin nicht vermehren, obwohl sie einige Zeit am 
Leben bleiben. Diese beiden Eigenschaften der Filtrate erklärt Bes- 
redka durch die Anwesenheit eines spezifischen „Antivirus“. 

Durch eine Reihe von Versuchen habe ich die Frage zu studieren 
gesucht, ob es nicht möglich wäre, die Eigenschaften der nach Bes- 
redka gewonnenen Filtrate aus Staphylokokkenbouillonkulturen so zu 
verändern, daß sie, ohne ihre immunisierende Wirkung zu verlieren, 
zugleich ein mehr oder wenig befriedigendes Nährmedium für die be- 
treffenden Mikrobien darstellen. Für diese Versuche benützte ich 


1) Besredka, Die lokale Immunisierung. Paris 1925 (russisch). Leipzig 
1926 (deutsch). 


Barg, Parallelismus zwischen d. wachstumshemm. u. den immun. Eigenschaften. 329 


Filtrate von 3, für Meerschweinchen pathogenen Staphylokokkenstämmen 
(Staphylococcus aureus). Nach Hinzufügen zu den Fil- 
traten (in welchen alle 10 untersuchten Staphylokokkenstämme nur 
sehr spärlich wuchsen), von Kohlehydraten (Glukose, Laktose, 
Maltose oder Lävulose), welche durch den entsprechenden Stamm ver- 
gärt werden, beobachtete ich stets in den so veränderten 
Filtraten ein reichliches Wachstum, welches seiner Inten- 
sität nach das des betreffenden Stammes in gewöhnlicher Bouillon 
übertraf. In Fällen, wo der betreffende Stamm das hinzugefügte 
Kohlehydrat nicht zersetzte, erhielt ich keine Wachstumsbegünstigung. 
Eine Ausnahme bildet nur das Mannit, welches durch alle Stämme 
vergärt wurde, aber trotzdem beim Hinzufügen zu den Filtraten das 
Wachstum von keinem der Stämme begünstigte (vgl. die Angaben von 
Gözony und Kramär!) über Wachstum der Mikroben auf mannit- 
haltigen Medien). 

Unsere für Meerschweinchen pathogenen Staphylokokkenstämme 
vergären die Glukose und wuchsen dementsprechend in Glukosefiltraten 
sehr üppig. In den folgenden Versuchsserien habe ich Meerschweinchen 
mit Staphylokokkenfiltraten, zu welchen 1 Proz. Glu- 
kose hinzugefügt war, immunisiert (pansement spécifique, intra- 
dermale Injektionen). Bei solchen Tieren habe ich stets eine 
zweifellose-Immunität, welche in keinem Falle der durch „reines“ 
Filtrat erhaltenen nachstand, hervorgerufen. 


Bei nicht immunisierten Meerschweinchen entstanden in der Regel als Folge 
der Infizierung mit 0,25—0,5 Oese einer Staphylokokkenagarkultur starke Haut- 
nekrose oder große Abszesse; bei Meerschweinchen, welche mit ,,Glukosefiltraten“‘ 
(wie auch mit „reinen“ Filtraten) immunisiert waren, erfolgte entweder keine Er- 
krankung, oder nur eine schwache Hyperplasie der regionären Lymphdrüsen, welche 
niemals abszedierten. 


Auf diese Weise gelang es unter den angegebenen Bedingungen, 
in Staphylokokkenfiltraten ein üppiges Wachstum von 
Staphylokokken zu erhalten, ohne daß dabei die immuni- 
sierenden Eigenschaften der Filtrate merklich beein- 
trächtigt würden. 





1) Gözony u. Kramár, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 89. 1922. 
Heft. 6. 


330 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


Nachdruck verboten. 


Die Bedeutung der Mineralien für den Stoffwechsel der 
Bakterien der Typhus-Coli-Gruppe. 


[Aus der bakteriologisch-hygienischen Abteilung des Städt. Hygien. 
Universitäts-Instituts in Frankfurt a. M.] 


Von H. Braun und R. Goldschmidt. 


In früheren Untersuchungen haben wir gezeigt!), daß die am- 
moniakassimilierenden Typhus-, Paratyphus B-, Coli-, Shiga-Kruse- 
und Colitis-Bazillen in einem sulfatfreien Nährboden gezüchtet werden 
können, daß dagegen der säurefeste Trompetenbazillus unter diesen Be- 
dingungen nicht in Passagen züchtbar ist?). 

Diese Tatsache veranlaßte uns, die Rolle der Mineralien für die 
Vermehrung und den Stoffwechsel der Mikroorganismen der Typhus- 
Coli-Gruppe einer genaueren Untersuchung zu unterziehen. Wir 
haben zu diesem Zwecke einen Nährboden hergestellt, der Ammoniak 
als Stickstoffquelle, Laktat als Kohlenstoffquelle und Phosphat als 
Phosphorquelle enthielt, aber frei von Schwefel, Magnesium, Kalium 
und Natrium war. Er hatte folgende Zusammensetzung: 


NH,H,PO 0,15 g 
(NH,), HPO, 045 , 


em faittat 0,5 cem 
Aqua bidestillata 100 * 5 


Wir wollen im folgenden diese Nährflüssigkeit ,,mineralfrei‘ 
nennen. Die Wasserstoffionenkonzentration dieses Nährbodens, nach 
Michaelis bestimmt, betrug px 7,2. Wir möchten an dieser Stelle 
ausdrücklich hervorheben, daß bei allen in vorliegender Arbeit benutzten 
Nährflüssigkeiten die Wasserstoffionenkonzentration bestimmt wurde 
und daß nur neutrale oder schwach alkalische Nährböden verwendet 
wurden (pu 6,8—7,2). Was die Technik und Methodik der Züchtung 
der Bakterien in künstlichen Nährböden betrifft, so dürfen wir wohl, 
um Wiederholungen zu vermeiden, auf unsere früheren Arbeiten ver- 
weisen. 

Zu allen Versuchen, über die wir im folgenden berichten, wurden 
nur Bergkristallgefäße benutzt, um dem Einwand zu begegnen, 
daß vielleicht Mineralien aus den Glasgefäßen an die Nährflüssigkeit 
abgegeben wurden. Das benutzte doppelt destillierte Wasser wurde eben- 
falls in Bergkristallgefäßen gewonnen. Auch die benutzten Meßgefäße 
waren aus Bergkristall. 


Wir wollen zunächst über die Ergebnisse der Züchtungsversuche 
in dem mineralfreien Nährboden mit einem Typhusbazillus be- 
richten. 


1) Braun u. Cahn-Bronner, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 86. 1921; 
u. Biochem. Zeitschr. Bd. 131. 1922. 
2) H. Wolff: Der Verwendungsstoffwechsel säurefester Bakterien. V. Bioch. 
Zeitschr. Bd. 155. S. 319. 


Braun u. Goldschmidt, Bedeutung der Mineralien für den Stoffwechsel usw. 331 


Tabelle I. 

Ammoniakassimilierender Typhusstamm Nr. 4602 wurde am 20. 8. von einer 
Agarkultur in die „mineralfreie“ und in die „mineralreiche‘“ Nährlösung geimpft. Die 
„mineralfreie* Kultur wurde in Passagen fortgeziichtet und aus den zu den 
Passagekulturen gewählten Kölbchen gleichzeitig ‚„mineralreiche‘“ Kulturen angelegt. 
Die Pfeile zeigen den Gang der Abimpfungen. Jedesmal wurden zwei Kölbchen 
a und b geimpft. Datum der Abimpfung ist links vom Kôülbchen a angegeben. 

Zeichenerklärung: O0 = kein Wachstum + Wachstum 

? —fragliches Wachstum ++ starkes Wachstum 
s + = schwaches Wachstum 


„Mineralfreie“ „Mineralreiche“ 
Nährlösung: Nährlösung: 
LT EE 





1. 9. 











b 


a 
16. 9. 21.9. ++ 21.9. ++ 





<——| 








a b 
30. 9. | 3. 10. ++ 3. 10. ++ 








> 
. 











| 


| b 
a | | 
24. 10. | 28. 10. ++ 28. 10. ++ 


t 
Kulturelle und serologische Untersuchung ergibt Reinkultur typischer 
Typhusbazillen. 





332 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


Der benutzte Stamm war ammoniakassimilierend. Er wuchs in 
einem Milchsäureammoniaknährboden folgender Zusammensetzung gut: 


NH,CI 05 g 
Na,SO, 08.7 
MgSO 0,01 , 
KH, PO, 0.05 ° 
K,HPO 0,15 , 
Natriumlaktat 0,5 ccm 


Aqua bidestillata 100 


Diese Nährlösung wollen wir im folgenden ,,mineralreich‘‘ nennen. 

Die beifolgende Tabelle I gibt Auskunft über das Verhalten des 
Typhusbazillenstammes in der mineralfreien und in der mineralreichen 
Nährlösung. 

Wie aus dem Versuche zu ersehen ist, läßt sich unser Typhus- 
bazillus in einer Nährflüssigkeit, die Natrium, Kalium, Magnesium 
und Schwefel nicht enthält, in Passagen züchten. Das Wachstum ist 
allerdings ein sehr langsames und nicht sehr üppiges.. Die Bakterien 
bleiben nach 5 Passagen in mineralfreier Nährflüssigkeit kulturell und 
serologisch typisch. Gleichzeitig zeigt der Versuch, daß die Mineralien 
nicht ohne Einfluß auf die Vermehrung der Typhusbakterien sind, 
denn in einem Nährboden, der Natrium, Kalium, Magnesium und 
Schwefel enthält, ist das Wachstum ein üppigeres und schnelleres. Es 
unterliegt also keinem Zweifel, daß die Mineralien für den Stoff- 
wechsel des Typhusbazillus von Bedeutung sind. Was die 
Quantität der Mineralien betrifft, die wachstumsfördernd wirken, so 
kann auf Grund der vorliegenden Versuche nichts Genaues ausgesagt 
werden. Auffällig ist die Feststellung, daß sich in den Kölbchen mit 
mineralfreier Nährlösung nach erfolgter Passageabimpfung 
das Wachstum verstärkte. Das ist darauf zurückzuführen, daß 
aus diesen Kölbchen gleichzeitig je drei Oesen Kultur in die 
mineralreiche Nährflüssigkeit abgeimpft wurden. Dabei 
sind natürlich Mineralien in das mineralfreie Medium übertragen 
worden. Diese geringen Mengen der Mineralien genügten, 
um die Vermehrung der Bakterien zu steigern. In den 
Kölbchen mit mineralfreier Nährlösung, aus denen Passagen nicht ab- 
geimpft wurden, blieb das Wachstum dauernd hinter dem in Kölbchen 
mit mineralreichem Nährboden sehr zurück. 

Wir hatten daran gedacht, daß die Mineralien bei den Bakterien 
das Gerüst, gewissermaßen das Skelett der Zelle, darstellen und deshalb 
für die Gestalt des Mikroorganismus von Einfluß sind. Diese Annahme 
ist nicht richtig. In dem mineralfreien Nährboden zeigen die Typhus- 
bazillen mikroskopisch im lebenden wie im fixierten Zustande dieselbe 
Form wie im mineralreichen. 

Die Frage, die wir uns nun vorgelegt haben, war die, welches 
Mineral für das Wachstum des Typhusbazillus von besonderer Bedeutung 
ist. Wir haben zu diesem Zwecke zu der mineralfreien Nährlösung Salze 
der einzelnen Elemente zugefügt und geprüft, ob dabei das Wachstum 
des Typhusbazillus bedeutend verbessert wird. Weiterhin haben wir in 
der oben angegebenen mineralreichen Nährlösung einzelne Mineralien 
weggelassen und untersucht, ob das Wachstum eine Beeinträchtigung 
erfährt. Mit diesen letzteren Versuchen wollen wir beginnen. 


Braun u. Goldschmidt, Bedeutung der Mineralien für den Stoffwechsel usw. 333 


Wir stellten uns eine Nährflüssigkeit her, die Kalium, Natrium 
‘und Schwefel, aber kein Magnesium enthielt; sie hatte folgende Zu- 
.sammensetzung. 


NH,Cl 05 g 
Na,SO 05 , 
KH,PO, 0,05 , 
K,HPO, 0,15 , 
Natriumlaktat 0,5 cem 
Aqua bidestillata 100 , 


In dieser Nährlösung ließ sich der ammoniakassimilierende Typhus- 
stamm in Passagen züchten. Das Wachstum war kümmerlich. Die 
Abwesenheit von Magnesium verschlechterte also das Wachstum be- 
trächtlich. i 

Auch in einem Nährboden, der Kalium, Natrium, Magnesium, 
aber keinen Schwefel enthielt, ließ sich der Typhusbazillus züchten, aber 
auch hier war das Wachstum ein langsames und geringes. Der schwefel- 
freie Nährboden hatte folgende Zusammensetzung : 


NH,Cl 05 g 
MgCl, 0,01 , 
KH,PO, 0,05 , 
HPO, 0,15 , 
Natriumlaktat 0,5 ccm 


Aqua bidestillata 100 , 


Aus diesen Versuchen geht also hervor, daB sowohl der Weg- 
fall von Schwefel wie auch der von Magnesium eine Ver- 
schlechterung des Wachstums des ammoniakassimilie- 
renden Typhusbazillus bedingte. 

Wie wir schon oben gesagt hatten, versuchten wir, die Be- 
deutung der Mineralien auch in der Weise zu klären, daß wir zu dem 
kalium-, natrium-, magnesium- und schwefelfreien Nährboden Salze 
dieser Elemente einzeln zufügten und geprüft haben, ob der Typhus- 
bazillus besser in solchen Nährböden gedeihen kann als ohne diese 
Mineralien. 

Der schwefelhaltige, kalium-, natrium-, magnesiumfreie Nähr- 
boden hatte folgende Zusammensetzung: 


NH,H,PO 0,15 g 
NH,), HPO, 0,45 „ 
NH,),SO, 05 5 
Ammoniumlaktat 0,5 ccm 


Aqua bidestillata 10 , 


Der magnesiumhaltige, kalium-, natrium-, schwefelfreie Nährboden 
enthielt: 


NH,H,PO 0,15 g 
(NEL), PO, 0.45 „ 
MgHPO, 0,01 , 
Ammoniumlaktat 0,5 ccm 


Aqua bidestillata 10 , 


Der kaliumhaltige, natrium-, schwefel-, magnesiumfreie Nährboden 
hatte folgende Zusammensetzung: 


KH,PO, 0,05 g 
K,HPO, 0,15 „ 
Ammoniumlaktat 0,5 ccm 


Aqua bidestillata 10 z 


334 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


Der natriumhaltige, kalium-, schwefel-, magnesiumfreie Nährboden 
bestand aus: 


NH,H,PO 0,15 g 
(NH) PO, 045 ,. 
atriumlaktat 0,5 ccm 


Aqua bidestillata 10 „ 


Der chlorhaltige, kalium-, natrium-, schwefel-, magnesiumfreie 
Nährboden war folgendermaßen zusammengesetzt: 
NH,H,PO 0,15 g 


(NH,), HPO, 0,45 , 
NH, Be à 
Ammoniumlaktat 0,5 ccm 


Aqua bidestillata 10 , 


Die Ergebnisse der Züchtungsversuche in diesen Nährböden waren 
folgende: In dem magnesiumhaltigen Nährboden ließ sich der Typhus- 
bazillus bei Abwesenheit von Natrium, Kalium und Schwefel züchten ; 
das Wachstum war aber geringer und langsamer als bei Anwesenheit 
aller Mineralien. Das Magnesium vermag deshalb allein ein gutes 
Wachstum des Typhusbazillus nicht herbeizuführen. Aehnlich fielen 
die Versuche in dem schwefelhaltigen bzw. kaliumhaltigen bzw. natrium- 
haltigen bzw. chlorhaltigen Nährboden aus. Wachstum war zwar in 
ihnen möglich, aber es war langsamer und geringer als bei Anwesenheit 
aller Mineralien. 

Aus diesen Versuchen geht hervor, daß Kalium, Natrium, 
Magnesium oder Schwefel allein nicht ausreichen, um 
gutes Wachstum des Typhusbazillus zu ermöglichen. 
Dieses ist aber in der mineralreichen Nährlösung fest- 
stellbar. 

Wir versuchten nun die Frage zu beantworten, ob nicht die mole- 
kulare Konzentration der Nährlösungen für das Wachstum des Typhus- 
bazillus von Bedeutung ist. Folgende Versuche wurden deshalb aus- 
geführt: 

Zu der kalium-, natrium-, magnesium- und schwefelfreien Nähr- 
lösung setzten wir NaCl in verschiedenen Konzentrationen zu und zwar 
1 Proz.; 0,1 Proz.; 0,01 Proz.; 0,001 Proz.; 0,0001 Proz. Zur 
Kontrolle beimpften wir gleichzeitig die mineralfreie und die mineral- 
reiche Nährlösung. Das Ergebnis war folgendes: 

In der 1 Proz. NaCl enthaltenden Nährlösung ließ sich der Typhus- 
bazillus in Passagen züchten. Die Kulturen erreichten nach mehreren 
Tagen eine beträchtliche Dichte, die Nährlösungen sind trüb bis stark 
trüb gewesen, während in der gleichzeitig beimpften mineralfreien 
Nährlösung innerhalb von 17 Tagen kein Wachstum feststellbar war. 
Das Wachstum in der 1 Proz. NaCl enthaltenden Nährlösung trat aber 
nicht so schnell ein und war nicht so üppig wie in der mineralreichen 
Nährlösung. 

Auch in der Nährlösung, die 0,1 Proz. NaCl enthielt, ließ sich 
der Typhusbazillus züchten. Er wuchs meist langsam an, das Wachstum 
war aber gut, die Nährlösung ist trüb bis stark trüb geworden. Auch 
beim Gehalt 0,01 Proz. NaCl trat schon nach einigen Tagen Wachs- 
tum ein, das sich bis zur Trübung der. Nährflüssigkeit steigerte. 
Dasselbe traf auch zu bei 0,001 Proz. NaCl. Bei Gehalt von 0,0001 
Proz. NaCl ließen sich zwar 2 Passagen züchten, die 3. ging aber nicht 


Braun u. Goldschmidt, Bedeutung der Mineralien für den Stoffwechsel usw. 335 


mehr an, wiewohl die Kultur, aus der abgeimpft wurde, noch reichlich 
eats Bakterien enthielt, wie die Abimpfung auf Nähragar gezeigt 
atte. 

So zeigt dieser Versuch, daB durch den Zusatz von NaCl zur 
mineralfreien Nährlösung das Wachstum verbessert werden konnte. 
Da die Vermehrung der Typhusbazillen schon durch sehr geringe NaCl- 
Konzentrationen begünstigt worden ist, so muß man annehmen, daß 
die Verschiebung der molekularen Konzentration der Nähr- 
lösung durch den NaCl-Zusatz nicht den begünstigenden Faktor 
darstellt. Wahrscheinlicher ist, daß die Anwesenheit von NaCl den 
Stoffwechselprozeß in biochemischer Richtung günstig beeinflußt. Die 
wachstumsfördernde Wirkung durch NaCl in peptonhaltigen Nähr- 
böden ist bei Colibazillen, Choleravibrionen, Typhusbazillen und bei 
Saprophyten mehrfach untersucht worden. Wir möchten hier nur an 
die Arbeiten von J. Kabelik und S. Freudmann!), Siera- 
kowski?), J. Beauverie3), I. M. Sherman, G. E. Holm und 
W. R. Albus‘) hinweisen. 

Wir wollen nun dariiber berichten, wie sich Paratyphus B- 
Bazillen in dem mineralienfreien Nährboden verhielten. Der von uns 
untersuchte Stamm von Paratyphus B-Bazillen wuchs in der kalium-, 
natrium-, magnesium- und schwefelfreien Nährlösung in Passagen, das 
Wachstum trat, wie beim ammoniakassimilierenden Typhusbazillus, sehr 
langsam ein und war gering, während in der mineralienreichen Nähr- 
lösung ein üppiges und schnelles Wachstum zu beobachten war. 

Wir untersuchten den Paratyphus B-Bazillus in derselben Weise 
wie den Typhusbazillus. In der oben beschriebenen kalium-, natrium-, 
schwefelhaltigen, aber magnesiumfreien Nährlösung wuchs der Para- 
typhus B-Bazillus schwächer und langsamer als wenn alle Mineralien 
vorhanden waren. Ebenso verhielt er sich in der kalium-, natrium-, 
magnesiumhaltigen, aber schwefelfreien Nährlösung. 

Setzten wir zu der mineralfreien Nährlösung ein Magnesiumsalz 
hinzu, so konnte der Paratyphusbazillus wachsen, aber auch hier war die 
Vermehrung schlechter als wenn alle Mineralien vorhanden waren. 

Setzten wir zu der kalium-, natrium-, magnesium- und schwefel- 
freien Nährlösung ein Sulfat zu, so wuchs der Paratyphusbazillus 
in Passagen, und wir hatten den Eindruck, daß hier das Wachstum 
gegenüber der mineralienfreien Nährlösung verbessert wurde. Es er- 
reichte aber nicht die Ueppigkeit wie in einer Nährlösung, in der 
Kalium, Magnesium, Natrium und Schwefel gleichzeitig vorhanden 
waren. 

So zeigten diese Versuche, daß, wie beim Typhus- 
bazillus, auch beim Paratyphus B-Bazillus die Mine- 
ralien für den Stoffwechsel von Bedeutung sind. Das 
Wachstum dieser Mikroorganismen ist ohne diese Mineralien zwar 
möglich, aber die Schnelligkeit und Ueppigkeit des Wachstums ist eine 
bedeutend geringere als bei gleichzeitiger Anwesenheit von Mineralien. 

Wir wollen nun über Versuche mit einem Coli- Bazillus berichten. 
Dieser wuchs in der mineralreichen Nährlösung sehr gut. 


1) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 90. 1923. S. 407. 

2) Zit. nach Kabelik und Freudmann 

3) Compt. Rend. l'Acad. Scienc. T. 163. 1916. Pp- ar et 769. 

4) Journ. of Bact. Vol. 6. 1921. p. 511 and Vol. 7. 1922. p. 465 and 583. 


336 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


In der kalium-, natrium, magnesium- und schwefelfreien Nähr- 
lösung ließ er sich in Passagen züchten und zeigte in dieser Nähr- 
fiüssigkeit ein besseres Wachstum als wir es bei Typhus- und Para- 
typhusbazillen gesehen haben. Die Ueppigkeit des Wachstums war 
aber auch beim Coli-Bazillus in dieser Nährflüssigkeit eine geringere 
als bei Anwesenheit der Mineralien. 

In der kalium-, natrium-, magnesiumhaltigen, aber schwefelfreien 
Nährlösung und in der natrium-, kalium-, schwefelhaltigen, aber ma- 
gnesiumfreien Nährlösung wuchs unser Coli-Bazillus ebenfalls gut und 
ließ sich in Passagen züchten. Auch hier war das Wachstum etwas 
schwächer als in einer Nährlösung, die Schwefel und Magnesium 
gleichzeitig enthielt. 

Setzten wir zu der mineralfreien Nährlösung Salze der Elemente 
Mg und S einzeln hinzu, wie wir es beim Typhus- und Paratyphus- 
bazillus beschrieben haben, so wuchs unser Coli-Bazillus in diesen 
Nährlösungen gut in Passagen, wenn auch das Wachstum nicht so 
üppig war, wie wenn alle Mineralien gleichzeitig vorhanden waren. 

Wenn wir die Versuche überblicken, so zeigt sich, daß auch für 
das Gedeihen des Colibazillus die Mineralien von Be- 
deutung sind. Der von uns geprüfte Coli-Stamm erwies sich aber 
in bezug auf seinen Mineralienbedarf genügsamer als der untersuchts 
Typhus- und Paratyphusstamm. 

Wir wollen zum Schluß über Versuche berichten, die wir mit 
einem Colitisbazillus ausführten. Wie wir bereits in früheren 
Untersuchungen (H. Braun und C. E. Cahn-Bronner) gezeigt 
haben, gibt es auch unter den Colitisbazillen ammoniakassimilierende 
und nichtammoniakassimilierende Stämme. Für diese Versuche wählten 
wir einen ammoniakassimilierenden Stamm, der nach der Kruse- 
schen Einteilung als Pseudodysenteriebazillus Rasse H bezeichnet werden 
müßte. 

In der mineralienreichen Nährlösung, die Kalium-, Natrium-, Mag- 
nesium- und Schwefelsalze enthielt, wuchs dieser Stamm gut. In einer 
kalium-, natrium-, magnesium- und schwefelfreien Nährlösung war 
zwar das Wachstum in Passagen möglich, es war aber sehr kümmerlich 
und langsam. Es dauerte gelegentlich 14 Tage bis 3 Wochen, bevor 
schwaches Wachstum feststellbar war. In einer kalium-, natrium- und 
schwefelhaltigen, aber magnesiumfreien Nährlösung war das Wachstum 
in Passagen möglich, doch war es schwächer als in einer solchen, die 
außerdem noch ein Magnesiumsalz enthielt. Das Gleiche gilt von der 
kalium-, natrium-, magnesiumhaltigen, aber schwefelfreien Nährlösung. 

Haben wir zu dem mineralienfreien Nährboden ein Magnesiumsalz 
zugesetzt, so blieb das Wachstum trotzdem kümmerlich. Das Gleiche 
war der Fall, wenn wir zu der mineralienfreien Nährlösung ein Kalium- 
salz zugesetzt hatten. Beim Sulfatzusatz zu dieser Nährflüssigkeit 
hatten wir den Eindruck gewonnen, daß das Wachstum verbessert 
worden ist, aber es war trotzdem schlechter als in der mineralreichen 
Nährflüssigkeit. 

Es zeigte sich also, daß auch für den Colitisbazillus die 
Mineralien von Bedeutung sind. 

Das Ergebnis der Versuche läßt sich dahin zusammenfassen, daß 
die Mineralien, vorallem Mg- und S-Salze, für die Ver- 
mehrung der Typhus-, Paratyphus B-, Coli- und Coli- 
tisbazillen zwar nicht unbedingt lebensnotwendig sind, 
aber sehr wachstumsfördernd wirken. 


Gundel. Diphtherieprobleme. 337 


Nachdruck verboten. 


Diphtherieprobleme. 


|. Mitteilung '). 


{Aus dem Hygienischen Institut der Universität Kiel (Dir.: Prof. 
Dr. Korff-Petersen).] 


Von Dr. med. et phil. M. Gundel. 
Mit 6 Abbildungen im Text. 


Untersuchungen über die Biologie der Corynebakterien und zur 
Frage der Variabilität der Diphtheriebakterien. 


In der vorliegenden Arbeit soll versucht werden, unter Darlegung 
eigener experimenteller Untersuchungen und unter Berücksichtigung 
neuerer Arbeiten einige Punkte der Diphtheriefrage neu zu beleuchten, 
während in einer II. folgenden Mitteilung epidemiologische Gesichts- 
punkte der Diphtherie zu behandeln sein werden. 

Es ist bekannt, daß die bakteriologische Diphtheriediagnose noch 
heutigen Tages auf die größten Schwierigkeiten stößt und es muß meist 
der persönlichen Geschicklichkeit bzw. dem Verantwortungsgefühl des 
einzelnen Untersuchers überlassen bleiben, die Diagnose „positiv“ oder 
„negativ“ zu stellen. Nicht allein gehen die Ansichten über die Mor- 
phologie und das kulturelle Verhalten der Diphtheriebakterien weit 
auseinander, auch unser Wissen von den Lebenseigenschaften und 
Lebensäußerungen der Gruppe der Corynebakterien ist verhältnismäßig 
gering. Weiterhin wissen wir kaum Näheres über die Beziehungen, die 
zwischen den verschiedenen Typen der Gruppe der Corynebakterien 
bestehen. 

Zunächst soll einmal die Einteilung der Gruppe der Corynebak- 
terien untersucht werden. 

Nach gründlichem Studium der gesamten Gruppe der Corynebak- 
terien glaube ich vorerst, im Rahmen der hier gestellten Frage nur 
folgende 3 Typen von Corynebakterien behandeln zu sollen: 

1) die echten Diphtheriebakterien, 2) die diphtherieähnlichen Bak- 
terien und 3) die Pseudodiphtheriebakterien, zu denen als 4. Gruppe 
die der farbstoffbildenden Corynebakterien tritt. 

Zur Begründung und Erklärung sei das Folgende gesagt: Als echte 
Diphtheriebakterien werden diejenigen bezeichnet, deren Lagerung im 
Grampräparat typisch ist (längere, schlanke und mehr oder weniger 
stark gekrümmte, in finger- oder haufenförmiger Lagerung angeordnete 
Stäbchen), die durch positive Körnchenfärbung, starke Säurebildung 
(Glukose) und Tierpathogenität ausgezeichnet sind. Als 2. Gruppe 
folgen die diphtherieähnlichen Bakterien, die, abgesehen von der fehlen- 
den Tierpathogenität, in allem den echten Diphtheriebakterien gleichen. 


1) Anmerkung bei der Korrektur: Während der Korrektur erschienen die 
Arbeiten von Kliewe (Centralbl. f. Bakt. 1926), der in vielen Punkten unsere 
trüheren Untersuchungsbefunde wie auch die in dieser Arbeit niedergelegten be- 
stätigen konnte. 


Erste Abt. Orig. Bd. 101. Heft 6/7. 22 


338 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


Die 3. Gruppe stellen die Pseudodiphtheriebakterien dar, die aus dem 
Rachen, aus Nase und Wunden und von der Haut stammen. Es handelt 
sich im allgemeinen um kurze, oft kokkenartige Stäbchen in atypischer 
Lagerung; im Neißer-Präparat findet man keine oder nur ganz ver- 
eınzelt Körnchen, die man aber leicht von dem bekannten Bilde einer 
„positiven Diphtherie‘‘ unterscheiden kann. Im Tierversuch sind sie 
— auch in größeren Dosen — apathogen. Im Gegensatz zu den Di- 
phtherie- und diphtherieähnlichen Bakterien bilden sie nur sehr wenig 
Säure: es gibt nur selten einen Stamm, der etwas mehr Säure zu bilden 
imstande ist als der am wenigsten Säure produzierende Diphtherie- 
stamm (1, 2). 

Es sei aber schon an dieser Stelle mit Nachdruck betont, daß 
diese 3 (4) Untergruppen nicht als festumrissene Arten aufzufassen 
sind, vielmehr halte ich diese Einteilung nur für eine annähernd 
richtige Wiedergabe der Erfahrungen, die wir im mikroskopischen Prä- 
parat und in der Kultur gesammelt haben. Inwieweit die Untergruppen 
2 und 3 u. U. auch für die Aetiologie der Diphtherie in Frage 
kommen, soll später gezeigt werden. 

Bei dieser Einteilung bin ich mir darüber klar, daß sie in Wider- 
spruch steht zu der Auffassung von Pesch. Pesch hat in eingehenden 
Studien (3) eine Einteilung der Corynebakterien in 6 Gruppen an- 
gegeben. 

Als I. Gruppe bezeichnet Pesch die echten Loefflerschen Di- 
phtheriebakterien, wobei er jedoch noch zwei Untergruppen unter- 
scheidet (la u. 1b). Er sagt, daß einzelne von Haut, Bindehaut und 
Wunden isolierte Diphtheriebakterien auch in größten Dosen von Meer- 
schweinchen reaktionslos vertragen werden (Gruppe 1b). „Wohl die 
aus Rachen und Diphtheriekranken Nasen gezüchteten Kulturen er- 
wiesen sich ausnahmslos als virulent (4). Im Gegensatz zu Peschs 
Auffassung stehen aber unsere Befunde. Im Laufe des letzten Jahres 
habe ich außerordentlich häufig von Diphtheriekranken Rachen und 
Nasen Bakterien gezüchtet, die sich in nichts von echten Diphtherie- 
bakterien unterschieden als in der fehlenden Tierpathogenität. .Ich 
darf hier einschaltend — gerade in Anlehnung an die Ausführungen 
von P. (4) — hervorheben, daß ich nur mit ganz gewaltigen Mengen 
von Bakterien bei den Tierversuchen gearbeitet habe, sogar mit noch 
größeren als P. (5 Oesen) und daß die Technik in allem die gleiche 
war (Einspritzung am Brustbein unter die Haut). Ich stehe auf dem 
Standpunkt, daß wir in vielen Fällen, wenn wir uns vor der Ausführung 
eines Tierversuches scheuen, Gefahr laufen, Fehldiagnosen auszu- 
sprechen. Nach P. wäre ja, was die praktische Seite anbetrifft, die 
Diagnose wie früher relativ einfach: Diphtheriebakterien von Diphtherie- 
kranken sind als echt zu bezeichnen, Diphtheriebakterien aus Wunden, 
Bindehaut und Haut gezüchtet, sind zu der Gruppe 1b zu zählen. 
Aus dieser Auffassung ergibt sich der Schluß, daß wir entweder die 
P.sche Gruppe 1b erweitern müßten oder aber, und das ist unser Vor- 
schlag: wir sprechen von echten Diphtheriebakterien (s. 9.) und di- 
phtherieähnlichen Bakterien, die überall da vorkommen können, wo 
die echten Diphtheriebakterien angetroffen werden. 

Zu der II. Gruppe zählt Pesch die in der kindlichen Nase vor- 
kommenden Hofmann-Wellenhofschen Pseudodiphtheriebakterien, 
und er sagt, daß der Begriff der Pseudodiphtheriebakterien nur für diese 


Gundel, Diphtherieprobleme. 339 


„wohlcharakterisierten Mikroorganismen“ angewandt werden darf. Alle 
geprüften Stämme dieser Gruppe haben sich ihm als avirulent er- 
wiesen. Es handelt sich um ,,mittellange Stäbchen von gleichmäßiger 
Form, an den Enden abgestumpft, Wachstum auf Blutagar mittelstark, 
Kulturrasen weißlich, Neigung zur Polkörnchenbildung sehr gering‘. 
Demgegenüber beschreibt er die Vertreter der III. Gruppe als „kurze, 
plumpe, keilförmige Stäbchen, auf Blutagar sehr üppig in saftig 
weißen Kolonien wachsend, Polkörnchenbildung stark schwankend, im 
allgemeinen stärker als bei der II. Gruppe‘. Die Vertreter der 
II. Gruppe stellen nach P. eine ‚ganze Anzahl verschiedenartiger 
Stämme‘ dar und er teilt sie nach ihrem Saccharosevergärungsvermögen 
in 2 Untergruppen. Als IV. Gruppe schließlich faßt er die Vertreter 
zusammen, die außerordentlich zart wachsen, sie waren mittellang bis 
lang, jedoch dicker und plumper als die echten Diphtheriebakterien, 
auch war ihre Lagerung mehr palissadenartig. Sie bildeten im allge- 
meinen nur wenig oder gar keine Säure. Auch hier handelte es sich 
also, wie Pesch schreibt, nicht um eine einheitliche Bakterienart, 
sondern um eine Artengruppe, die er nun weiter je nach ihrem Körn- 
chenbildungsvermögen in 2 Untergruppen aufteilt. Sie waren sämtlich 
avirulent und P. möchte sie wegen ihres häufigen Vorkommens auf 
der Augenbindehaut als Xerosegruppe zusammenfassen. 

Folgende Erwägungen zwingen uns, die Vertreter dieser 3 Gruppen 
mit ihren Untergruppen als eine große Gruppe, nämlich die der 
Pseudodiphtheriebakterien, zusammenzufassen: Die morphologische 
Gestalt der Vertreter der 3 Gruppen nach Pesch muß nach eigenen 
Beobachtungen als nicht einheitlich für jede einzelne bezeichnet werden. 
Pesch betont ja auch selbst (3, S. 37) für die III. Gruppe, „was die 
Bakterienform angeht, so zeigten sich da gewisse, doch nicht sehr er- 
hebliche Unterschiede. Ich beobachtete mittellange, aber auch ganz 
kurze, ovale Formen.“ Vergleicht man jetzt die 3 Gruppen nach ihrer 
Gestalt miteinander, so kann man doch nur mit großer Mühe auf Grund 
morphologischer Verhältnisse eine Differenzierung in 3 Gruppen er- 
möglichen. Sicherlich wird, und das haben uns eigene Versuche ge- 
lehrt, aber eine Unterscheidung dem Untersucher bei fortlaufenden Ar- 
beiten im Laboratorium unmöglich sein. 

Des weiteren wird zur Unterscheidung das Verhalten im Neißer- 
Präparat herangezogen: : 

Gruppe II: Neigung zur Polkörnchenbildung sehr gering. 

Gruppe III: Polkörchenbildung stark schwankend, im allgemeinen 
stärker als bei der II. Gruppe. 

Gruppe IVa: Polkörnchenbildung ähnlich wie Gruppe I. 

Gruppe IVb: Im Bakterienleib eine Reihe gut ausgebildeter meta- 
chromatischer Körnchen nebeneinander. 

Wenn wir die bei Variabilitätsuntersuchungen gezeitigten Befunde 
sowie die fast täglichen Beobachtungen im Untersuchungsamt berück- 
sichtigen, so müssen wir auch hier den Standpunkt von P. aufgeben. 
Die Bildung von Polkörnchen in so geringen Mengen kann unseres Er- 
achtens nicht für eine Einteilung verwandt werden. Pesch selbst hat 
ja in einer besonderen Arbeit (5) den Nachweis erbracht, von welchen 
und wievielen Bedingungen sie abhängig sein kann. 

Des weiteren wird der Art des Wachstums auf Nährböden 
verschiedener Zusammensetzung bei den einzelnen Gruppen besondere 

22* 


340 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


Bedeutung beigemessen. Ich greife als Beispiel die Wachstumsintensität 
auf den gebräuchlichsten Nährböden nach P. heraus: 











| Ascitesagar |Loeff ler-Serum | Blutagar 
Gruppe II +++ +++ ++ weißlich 
Gruppe III +++ +++ +++ weiß 
Gruppe IV š A zart, klar, farblos, ähnlich wie 


Gruppe I, nur schwächer 


Wir sehen, daß aus dieser kleinen Aufstellung deutlich wohl nur 
sich die Gruppe IV heraushebt. Hierzu ist aber zu sagen, daß man 
relativ oft bei fortgezüchteten Stämmen eine Aenderung in der Wachs- 
tumsintensität sehen kann, daß ganz zart gewachsene Erstkulturen 
manchmal schon in der zweiten Uebertragung üppig weiß und nach 
einiger Zeit geradezu ,,schleimig weißglänzend‘ wachsen. 

Als letztes wäre noch auf das Zuckervergärungsvermögen 
der einzelnen Gruppenvertreter einzugehen: Es folgt aus den Unter- 
suchungen von Pesch, daß die Stämme der Gruppe II die Zucker 
nicht vergären, die der Gruppe IIIa vergären Dextrose und Saccharose, 
die der Gruppe IIIb nur Dextrose und die der Gruppe IV vergären 
die Zucker gar nicht oder schwach. Nun geht aus unseren früheren 
Untersuchungen hervor (1 u. 2), daß unsere sämtlichen Vertreter der 
Pseudodiphtheriebakterien Säure bilden (titrimetrisch und Gasketten- 
bestimmung), daß allerdings die Menge der gebildeten Säure gering ist. 
Immerhin — und das erscheint mir sehr wichtig — gibt es sichere di- 
phtherieähnliche Stämme, die mehr Säure bilden, als der oder die am 
wenigsten säurebildenden Diphtheriestämme. Neben diesem Grund, der 
zur Ablehnung des 4. Differenzialdiagnostikums von Pesch angeführt 
werden muß, ist weiterhin der Befund wichtig, daß ein Pseudodiphtherie- 
stamm, der zunächst kaum Säure gebildet hatte, nach geeigneter Be- 
handlung die Eigenschaft gewinnt, so viel Säure zu hilden, wie die 
große Anzahl der geprüften sicheren Diphtheriestämme (siehe unten). 

Die von Pesch als V. Gruppe zusammengefaßten Corynebakterien 
zeichnen sich durch Farbstoffbildung aus. Obwohl das Farbstoff- 
bildungsvermögen der Corynebakterien keine konstante Eigenschaft dar- 
stellt (S. Bitter und Gundel, 6), möchten auch wir dafür sein, 
diese als besondere Gruppe als ,,farbstoffbildende Corynebakterien‘‘ ab- 
zutrennen. Inwieweit hier Beziehungen mit unseren 3 Gruppen be- 
stehen, möchte ich späteren Untersuchungen zur Klarlegung überlassen. 
Schließlich bringt Pesch in seiner VI. Gruppe alle die Stämme, die 
in seine Gruppe I—V nicht hineinpassen! 

In der vielzitierten Arbeit von Riebold (7) finden wir einleitend 
folgende Sätze: 

„Die klinische Medizin hat bisher eine Reihe äußerst wertvoller 
Ergebnisse der bakteriologischen und serologischen Diphtherieforschung 
meines Erachtens bei weitem nicht gebührend berücksichtigt; ich 
meine: 

1) Den Nachweis, daß die Löfflerschen Diphtheriebazillen 
identisch sind mit den Pseudodiphtheriebazillen und anderen 
ähnlichen Keimen; 

2. 2.2... Trotz eingehender Literaturstudien habe ich in keiner 
Arbeit, ausgenommen wohl die Arbeiten von Schanz, auf die Rie- 


Gundel, Diphtherieprobleme. 341 
bold sich allem Anschein nach zumeist stützt, auch nur Anhaltspunkte 
gewinnen können, daß die verschiedenen Forscher derartigen Ideen 
huldigen. Wohl wird angenommen, ohne daß bis heute auch nur irgend- 
welche wichtigen Anhaltspunkte dafür erbracht werden konnten, daß 
im Organismus auf den Tonsillen, im Rachen oder in der Nase sich die 
Diphtherie- in Pseudodiphtheriebazillen umwandeln. Aber ich glaube, 
daß sich die meisten Forscher, wenn nicht alle außer Riebold, darin 
einig sind, daß zwischen Diphtherie- und Pseudodiphtheriebakterien 
doch ganz gewichtige Unterschiede biologischer Natur vorhanden sind. 
Ich glaube kaum, daß es uns darum einfallen wird, zu sagen, beide, Di- 
phtherie- und Pseudodiphtheriebakterien seien identisch, wie wir auch 
heute kaum noch sagen werden, die Diphtherie- und Pseudodiphtherie- 
bakterien stellen beide etwas ganz Verschiedenes, miteinander gar- 
nicht in irgendeiner Weise Verwandtes dar. 

Ein wichtiges Moment, das die Diphtherie- von den Pseudo- 
diphtheriebakterien unterscheidet, ist ihr Vermögen, ziemlich große 
Mengen von Säure zu bilden. Wenn ein Diphtheriestamm innerhalb 
von 24 Std. eine 1proz. Peptonmolke von pu 7,2 auf px 5,34 säuern 
kann, ein Pseudodiphtheriebakterium aber nur auf 7,07 oder 6,98, so 
spricht dies wohl von recht verschiedenen biochemischen Eigenschaften. 
Ich fragte mich nun, ob man einen Pseudodiphtheriestamm durch ge- 
eignete Behandlung zu derartigen chemischen Leistungen heranzüchten 
könnte. Sollte dieser Versuch gelingen, so hätte er doch eine Eigen- 
schaft gewonnen, die sich vielleicht auch in Aenderungen anderer so- 
genannter Charakteristika auswirken könnte. 

Für diese Versuche wählte ich zwei Stämme ‚Ps alt“ und „2815“ 
Ueber die Eigenschaften dieser beiden sei das Folgende zusammen- 
fassend gesagt: 








Stamm: „Ps alt“ Stamm: „2815“ 


m 


Herkunft: 35-jährige Frau, Tonsille 
Aerztliche Diagnose: Angina 


Bakteriologische Diagnose : Kurze, pseudo- 
diphtherieartige Stäbchen 


Kultur: Mittelgroße, weißliche, im Rasen 
etwas schleimige, glänzende Kolonien auf 
Traubenzuckerblutagar 


Gram: Ganz kurze Stäbchen, zum Teil 
ovale und Kugelformen, unregelmäßige 
Lagerung (siehe Fig. 1) 


Neißer: Keine Körnchen 
Säurebildung: Ausgangs px 7,07 
lproz. Peptonmolke 


Nach 24 Stunden: pH 7,01 
Säurebildung: 

Chinablaumolke: > 
Tierpathogenität: = 

5 Oesen suprasternal: negativ 


(von Blutkultur) 





Herkunft: 3 Wochen alter männl. Säugling 
Klinische Diagnose: Nasenkatarrh 


Bakteriologische Diagnose: Kurze pseudo- 
diphtherieartige Stäbchen 


Kultur: Mittelgroße, weißliche, im Rasen 
etwas schleimige, glänzende Kolonien auf 
Traubenzuckerblutagar 


Gram: Sehr kurze Stäbchen, sehr selten 
einzelne, etwas schlankere und gerade 
Stäbchen, selten ovale und Kugelformen, 
Fe Lagerung in Haufen (siehe 

ig. 


Neißer: Keine Körnchen 


pH 6,96 


negativ 


342 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


Aus der Aufstellung ergibt sich, daß wir es mit zwei typischen' 
Pseudodiphtheriestämmen zu tun haben. 

Zunächst seien die Versuche mit dem Stamm „Ps alt“ besprochen. 
Es sollte versucht werden, den Stamm durch Anpassung an ein be- 
stimmtes Medium zu intensiverer Säurebildung zu beeinflussen. Ich 
impfte den Stamm in eine Molke I (1 Proz. Pepton, 1 Proz. Trauben- 
zucker, 0,5 Proz. NaCl in 100 Teilen Wasser) von einer Ausgangs-pH 
7,07. Nach je 24stünd. Bebrütung wurde täglich bis zu 5 Tagen die 
Säuerung bestimmt und gefunden, daß nach 3maliger Wiederholung des 
Versuches die Säuerung immer noch innerhalb der für Pseudodiphtherie- 
bakterien gefundenen Werte lag und auch das kulturelle Verhalten bei 
täglicher Aussaat auf Traubenzuckerblutagar das gleiche geblieben war. 
Morphologisch zeigten sich gegenüber den Kolonien auf den Blutplatten, 
die von dem unbehandelten Ausgangsstamm weitergezüchtet waren, 
schon Unterschiede. Die Stäbchen wurden im- ganzen schlanker, das 
Bild wurde gleichmäßiger, die Vielheit der Formen verschwand, nur 





Fig. 1. Fig. 2. 


das Neißer-Präparat blieb unverändert negativ. Am Ende des dritten 
Versuches wurde ein weiterer angestellt, der folgende Werte ergab: 


Nach 24stündiger Bebrütung pH 7,05 

Röhrchen I u. nl » 48 > 7,01 
5.96): Fo 5 7,01 

E I „220: se S 6,45 

{ lI p20) © 5 6,38 


Aus den beiden Röhrchen 1 und 2 züchtete ich nun Kolonien, die 
sich ziemlich von dem unbehandelten und Ausgangsstamm unter- 
schieden: 

Bei gleicher Größe war die Farbe nicht mehr weißlich sondern 
die Kolonien waren durchsichtig bei glasigem Aussehen, mikroskopisch 
jedoch noch dem oben beschriebenen Bild ähnlich. Aus diesen beiden 
Röhrchen brachte ich nun je eine Oese in anderes Substrat bei folgender 
Zusammensetzung: 2 Proz. Pepton, 1 Proz. Traubenzucker, 0,5 Proz. 
NaCl und einer pu von 7,14. Die Säuerung des Stammes verhielt 
sich jetzt folgendermaßen: 


Ausgangs-pH 7,14 
nach 24 Stunden 7,02 
» 48 „ 6,81 
5296 +3 6,80 


Sie war in diesem Substrat relativ stärker als in dem des vierten 
Versuchs, blicb aber hinter den Erwartungen zurück. Jedoch zeigte 


Gundel, Diphtherieprobleme. 343 


jetzt das Gram-Präparat ein ganz anderes Aussehen. Es handelte sich 
um im allgemeinen schlanke, gerade, zuweilen aber auch um typische, 
leicht gebogene Stäbchen in schönen V- und Y-Formen, die zum großen 
Teil in Haufen lagen und im Neißer-Präparat das Bild einer aus- 
gesprochenen Diphtherie boten (s. Fig. 2). Es war hier cine über- 
wältigende Fülle von Körnchen in durchaus typischer Form und 
Lagerung zu erkennen. In diese Versuche Uneingeweihte stellten aus 
den beiden Bildern ohne Besinnen die Diagnose ,,Diphtherie“. 

Man ist zweifelsohne versucht, zunächst an eine Verunreinigung zu 
denken. Aber neben dem Umstand, daß wir in der betreffenden Zeit 
gar keinen echten Diphtheriestamm im Laboratorium hatten, spricht 
die Tatsache dagegen, daß ein am gleichen Tag neu angesetzter Versuch 
das gleiche Ergebnis zeigte. Auch kulturell zeigte die Blutaussaat aus 
dem letzten Röhrchen ein ganz verändertes Aussehen. Die Kolonien 
waren „ganz klein und farblos“. Schon das kulturelle Bild täuschte 
eine echte Diphtherie vor. 

Aus dem Röhrchen ,,6,80“ (siehe oben) wurde neben der Blut- 
aussaat nun gleichzeitig wieder in die Molke I zurückgeimpft, um 
festzustellen, ob diese Bakterien etwa jetzt in diesem Substrat besser 
säuern können. Gleichzeitig wurde von der Blutaussaat aus ,,6,80* 
und aus der unbehandelten Blutkultur von „Ps alt“ in das gleiche Sub- 
strat je 1/ Oese verimpft. Das Bild war folgendes: 

















| In Molken I von pH 7,07 
mach | aus Molke IT | aus Blutplatte | aus unbehandelter 
| von pH 6,80 | Molke 6,80 | Blutreinkultur 
96 Std | 5,55! 6,32 | 7,01! 
120 5 | 5,32! 5,98 | 6,89! 


Wir sehen jetzt, daß der Stamm „Ps alt“, unbehandelt von Blutagar 
auf Blutagar fortgezüchtet, seine alten Eigenschaften beibehalten hatte: 
Die Säuerung war ganz gering geblieben, im Gram- und Neißer-Prä- 
parat war keine Veränderung eingetreten, das kulturelle Verhalten 
zeigte im Wachstum üppigere und hellweiße Kolonien. Hingegen 
zeigte der behandelte Stamm eine ganz bedeutende Aenderung in seinem 
biochemischen, kulturellen und färberischen Verhalten: die Säuerung, 
war stärker, als ich sie bei der großen Mehrzahl meiner Diphtherie- 
stämme gefunden habe, das morphologische und kulturelle Verhalten 
war typisch für eine echte Diphtherie. Nach der einen Blutagarpassage 
war die Säuerung bereits wieder etwas geringer, im anderen Verhalten 
zeigte sich jedoch noch keine Veränderung. 

Tierversuche, die vielfach mit dem behandeltem Stamm (besonders 
und zweimal wiederholt von ,,6,80° und „5,32°) angestellt worden 
waren, verliefen negativ. Damit ist für diese Versuchsreihe also der 
Beweis noch nicht erbracht, daß es sich um eine echte Diphtherie 
handelt, wohl aber, daß der Stamm in diphtherieähnliche Bakterien um- 
gewandelt worden ist. Es will darum scheinen, daß enge Beziehungen 
zwischen Pseudodiphtherie- und diphtherieähnlichen Bakterien bestehen. 

Ich habe schon weiter oben hervorgehoben, daß es sich auch bei 
dem Stamm ,,2815“ um einen typischen Pseudodiphtheriestamm handelt. 
Die Fig. 3 zeigt im Gram-Präparat das gewohnte Bild eines ,,unver- 


344 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


dächtigen‘‘ Pseudodiphtheriestammes. Der Stamm verhielt sich in der 
Molke I (s. 0.) zunächst durchaus typisch, indem er am 4. Tage die 
Molke (Ausgangs-pH 7,07) bis 6,64 säuerte. Jedoch zeigte sich bereits 
bei der Uebertragung aus diesem Röhrchen in ein neues mit einer px 
von 7,07, daß seine Eigenschaften sich verändert hatten. Nach 
72stünd. Bebrütung stellte ich einen Wert von px 6,43 und nach 
96stünd. Bebrütung von 5,76 fest (selbstverständlich handelte es sich 


Fig. 4. 





immer um Reinkulturen). Auch beide Kontrollröhrchen ergaben bei 
den pu-Messungen fast dieselben Werte (6,53 und 5,74). Auf das 
kulturelle und morphologische Verhalten muß ich ausführlicher ein- 
gehen. Bei der ersten Messung (6,43) fanden sich im Nährmedium 
und auf der Platte Bakterien, die morphologisch schon sich recht er- 
heblich von dem Ausgangsstamm unterschieden. Betrachtet man die 
Fig. 4 und 5, so sieht man im Gram-Präparat Formen, die einer 





© tr 
Fig. 6. 





typischen Diphtherie entsprechen: V-Formen, z. T. leicht gekrümmte, 
schlanke Stäbchen in haufenförmiger Anlagerung, daneben aber noch 
kurze plumpe Stäbchen, die den Eindruck von Pseudodiphtheriestäb- 
chen machen. Auf der Fig. 5 haben sich die Stäbchen in ihrer Form 
noch mehr nach der Diphtherieseite verschoben. Im Neißer- Präparat 
habe ich nur in einem Bilde drei Stäbchen mit typischen Körnchen ge- 
sehen, in ca. 15 anderen Präparaten jedoch immer vermißt. Das 
kulturelle Aussehen war zum Teil anders als bei dem Ausgangsstamm. 
Es fanden sich neben üppigeren weißen Kolonien schon ganz zarte, 
durchsichtige. In Gram-Präparaten zeigten sich jedoch keine Unter- 
schiede im morphologischen Verhalten der verschiedenen Kolonien: wir 


Gundel, Diphtherieprobleme. 345 


sehen bei überwiegendem Vorkommen von ,,Diphtherie‘-Stibchen doch 
noch ,,Pseudodiphtherie“-Formen. 

In den ,„5,76“-Röhrchen des 4. Tages finden wir nun Stäbchen, 
die durchaus typisch für Diphtherie sind. Es handelt sich (siehe 
die Fig. 6) um schlanke, oft leicht gekrümmte Stäbchen in V- und 
und Y-Formen, die im allgemeinen in Häufchen liegen und mittellang 
sind. Im Neißer-Präparat sieht man eine ausgezeichnete Körnchen- 
färbung von typischer Gestalt. Erfahrenen Untersuchern vorgelegt, 
zögerte keiner mit der Diagnose „Diphtherie‘, obwohl wir recht vor- 
sichtig mit dieser Diagnose geworden sind. Ich hätte jetzt noch auf 
das kulturelle Verhalten der aus dem Röhrchen ‚5,76‘ gezüchteten 
Bakterien einzugehen. Wenn wir schon tags vorher gesehen hatten, 
daß sich die Art des Wachstums verändert hatte, so konnte ich jetzt 
feststellen, daß die Kolonien farblos (erst nach längerem Stehen mit 
weißlichem Glanz) und recht zart waren, wobei sie sich deutlich von 
den Kolonien des Ausgangsstammes unterschieden. 

Bei weiterer Fortzüchtung des Stammes auf Traubenzuckeragar 
behielten die Bakterien im Gram-Präparat ihre „Diphtheriegestalt‘ 
23 Tage bei täglicher Uebertragung bei. Vom ungefähr 23. Tag ab 
machte sich langsam zunehmend eine Aenderung in ihrem morpho- 
logischen Aussehen bemerkbar, bis wir am 36. Tag (am Abschluß 
der Untersuchungen) im Gram-Präparat Stäbchen sahen, die ich wieder 
als „Pseudodiphtherie‘‘ ansprechen würde, obwohl sich zuweilen noch 
„verdächtige“ Stäbchen fanden. Kulturell machte sich ungefähr vom 
8. Tag ab ein üppigeres Wachstum bemerkbar, das am 36. Tag nur 
noch üppige, weiße, glänzende, mittelgroße Kolonien zeigte. In ihren 
chemischen Leistungen hatte sich aber die Veränderung durchaus 
erhalten. Die aus den Röhrchen ,,6,43“ und „5,76“ gezüchteten Stämme 
zeigen gegenüber dem Ausgangsstamm „2815“ ein ganz anderes Ver- 
halten (Molke 1): - 


Stamm „2815“ „6,43“ 90.764 
Ausgangs pH 6,96 6, 6,96 
72 Std. 6,68 5,96 5,13 
% , 6,54! 4,82 ! 4,78! 


Trotz der sehr bedeutsamen Veränderungen haben vielfach wieder- 
holte Tierversuche jedoch keine Aenderung in der Virulenz ergeben. 
Fassen wir die Ergebnisse dieser Versuche zusammen, so muß hervor- 
gehoben werden, daß der Nachweis experimentell erbracht worden ist, 
daß man Pseudodiphtheriebakterien von typischem Aussehen in di- 
phtherieähnliche Bakterien von typischem Aussehen umwandeln kann. 
Die beiden Ausgangsstämme, die als sichere Pseudodiphtheriestämme 
nach ihrem morphologischen und kulturellen Verhalten sowie nach 
ihrem Zuckergärungsvermögen erkannt werden konnten, wurden in 
Stämme verwandelt, die das Bild eines diphtherieähnlichen Bakteriums 
darstellen (morphologisch und kulturell erscheinen sie als Diphtherie- 
bakterien, das Zuckergärungsvermögen war positiv bei fehlender Tier- 
pathogenität). Auf welchen Umstand das Ausbleiben der Tierpatho- 
genität zurückgeführt werden kann, muß zur Klärung weiteren Unter- 
suchungen vorbehalten bleiben. 

Es wurde schon eingangs kurz hervorgehoben, daß die Diphtherie- 
bakterien aus Glukose im allgemeinen mehr Säure bilden können 
als die Pseudodiphtherienbakterien. Jedoch fanden sich einzelne aviru- 


346 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


lente Stämme, die zu bestimmten Zeiten mehr Säure zu bilden imstande 
waren, als die am wenigsten Säure produzierenden echten Diphtherie- 
stämme (siehe 1 und 2). Dasselbe ließ sich für das Alkalibildungs- 
vermögen nachweisen: im allgemeinen bilden die Diphtherienbakterien 
mehr Alkali als die überwiegende Zahl der Pseudodiphtheriebakterien, 
die ebensoviel oder mehr Alkali bilden als die am wenigsten produzieren- 
den Diphtheriestämme. Schließlich konnte gefunden werden, daß die Di- 
phtheriebakterien schneller ihr Säuremaximum erreichen als die Pseudo- 
diphtheriebakterien, wohingegen die Pseudodiphtherie- eher ihr Alkali- 
maximum erreichen als die Diphtheriebakterien. 

Es resultierte aus diesen Untersuchungen, daß eine sichere 
Unterscheidung der Diphtherie- von den Pseudodiphtheriebakterien auf 
Grund der gebildeten Säure- bzw. Alkalimengen nicht möglich ist. 


Des weiteren geht aber aus diesen und den vorher besprochenen 
Versuchen hervor, daß allem Anschein nach zwischen den verschiedenen 
Typen der Gruppe der Corynebakterien engere Beziehungen bestehen 
müssen als im allgemeinen bisher angenommen wurde Diese Annahme 
wird z. B. unterstrichen durch eine Arbeit von Gickel (11), der eine 
Epidemie von Vulvadiphtherie bei Säuglingen beobachtete. Die Bak- 
terien waren ohne metachromatische Körnchen und avirulent, aber 
zweifellos die Erreger der Epidemie!). Lähmungserscheinungen wurden 
nicht beobachtet. Es könnte sich danach um eine lokale Erkrankung 
handeln, deren Erreger -das beschriebene Pseudodiphtheriebakterium 
wäre, und bei der darum Lähmungen nicht auftraten. Auch von 
Bitter (8. Tagung der fr. Verein. f. Mikrobiol. 1920) wurden bei 
Fällen von Wunddiphtherie ähnliche Befunde erhoben: „Außer echten 
Diphtheriebakterien sind nicht selten völlig avirulente aus Traubenzucker 
säurebildende diphtherieartige Stäbchen und Pseudodiphtheriebakterien 
isoliert wurden. In derselben Wunde fanden sich gelegentlich alle 
3 Formen oder 2 von ihnen neben- oder hintefeinander.‘‘ Des weiteren 
hat Orloff neuerdings nach den Ergebnissen der Schick-Reaktion 
den Eindruck gewonnen, daß die Pseudodiphtheriebakterien ein Zeichen 
von spontaner Immunität sind! Er kommt also zu einer ähnlichen An- 
sicht wie ich auf Grund meiner experimentell biologischen Versuche. 
In diesem Zusammenhang dürfte es nicht uninteressant sein, darauf 
hinzuweisen, daß von den gramnegativen Gonokokken schon lange 
bekannt ist, daß sie sich beim Uebergang der akuten in die chronische 
Gonorrhoe in grampositive verwandeln können. Diese grampositiven 


1) Nach Abschluß meiner Untersuchungen erschien die Arbeit von Gins 
und Fortner (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 99. 1926), die ein neues 
Verfahren für die Diphtheriediagnose — die Tuscheausstrichmethode — veröffentlichen. 
Aus dieser Arbeit möchten wir einige Beobachtungen der Autoren kurz streifen, die 
geeignet sind, einige meiner Vrais zu unterstreichen: die beiden Autoren beob- 
achteten gleichfalls eine Aenderung im morphologischen und kulturellen Bild ihrer 
Diphtheriestiimme (S. 254): 

„Auffallend war die Tatsache, daß große morphologische Unterschiede auf- 
traten, je nachdem ob die Kulturen auf Loefler-Serum oder Levinthal-.Agar 
gehalten worden waren. ...... 

Die Loeffler-Kulturen von Di 2 und 382 waren nicht mehr gelblich 
wie zuerst, sondern weiß, trocken und hafteten zähe an der Nährbodenfläche . . .“ 

Des weiteren führen die beiden Autoren Versuche mit einem anderen Stamm 
an (S. 256), wo bei Zimmertemperatur Bakterien wuchsen, die Pseudodiphtherie- 
bazillen glichen, während bei Brutschranktemperatur typische Diphtheriebazillen 
gezüchtet wurden ! 


Gundel, Diphtherieprobleme. . 347 


Formen wachsen auf den künstlichen Nährböden besser als die gram- 
negativen Gonokokken. Wie sich so der gramnegative Gonokokkus in 
eine grampositive Form verwandeln kann, so glaube ich auch, daß 
sich das Diphtheriebakterium auf den Tonsillen in Pseudodiphtherie- 
bakterien umwandeln kann. Umgekehrt ist bekannt, daß diese ,,sapro- 
phytischen“ Gonokokken unter günstigen Bedingungen wieder pathogen 
werden können. Das gleiche hat meines Erachtens für die Pseudo- 
diphtheriebakterien zu gelten! 


Es ist die Beobachtung bereits kurz gestreift worden, daß einige 
Autoren beim erkrankten Menschen in der Rekonvaleszenz nach vor- 
herigem positiven Diphtheriebakterienbefund allmählich immer mehr 
Pseudodiphtheriebakterien fanden, und daß sie aus diesen Beobachtungen 
schlossen, daß die Diphtherie- in Pseudodiphtheriebakterien übergehen. 
Gegen diese Annahme sind früher viele Einwände erhoben worden, 
die aber nicht restlos dieser Hypothese den Garaus machen konnten. 
In neuerer Zeit ist es in Tierexperimenten Schmitz (8) und besonders 
Killian (9) gelungen, durch Fütterung, intravenöse und intraperi- 
toneale Einverleibung Diphtherie- in pseudodiphtherieartige Bakterien 
umzuwandeln. Damit wäre dann die Richtigkeit dieser Hypothese 
erwiesen. 


In einer Versuchsreihe habe ich die Befunde von Killian 
nachgeprüft. Ich fütterte Meerschweinchen mit großen Dosen Di- 
phtheriebakterien und tötete sie nach 4, 8, 12 bzw. 24 Std. Uns 
interessieren hier besonders die Befunde mit dem Diphtheriestamm 90, 
der aus einer Tonsillendiphtherie stammte und im Tierversuch hoch- 
virulent war. Ein kleiner Teil der aus den Halsdrüsen der getöteten 
Tiere gezüchteten Stämme war zunächst durch ein außerordentlich 
üppiges Wachstum ausgezeichnet und sämtliche Stämme waren neißer- 
negativ! Nach durchweg 5—8 Tagen langer Fortzüchtung in opti- 
malen Nährböden traten wieder Körnchen auf, die Kolonien wurden 
zarter und es trat schließlich auch wieder die bis dahin fehlende Tier- 
pathogenität auf. Bei diesen Stämmen beobachtet man demnach bei 
der Durchwanderung der Schleimhäute zunächst eine sehr durch- 
greifende Aenderung in ihrem kulturellen und morphologischen Ver- 
halten. Diese frisch aus dem getöteten Tier gezüchteten Stämme sind 
zunächst immer als Pseudodiphtheriestämme anerkannt worden, sind 
aber von Killian offensichtlich nicht gefunden worden. Killian 
beobachtete vielmehr nur Stämme, die „Degenerationsformen, Virulenz- 
verlust, stark verzögertes Wachstum, sowie eine allgemeine Herabsetzung 
der Lebensfähigkeit“ zeigten und die sich in der Regel nicht weiter auf 
Nährböden fortzüchten ließen. In der überwiegenden Zahl von positiven 
Züchtungsbefunden konnte auch ich diese Formen nachweisen, die 
ich als Endprodukt der Umwandlung der Diphtheriebakterien auf- 
fassen möchte, gerade auch darum, weil sie fast ausschließlich ge- 
funden wurden, wenn der Versuch länger als 8 Std. dauerte. Das 
1. Stadium der Umwandlung ist zweifellos das in Pseudodiphtherie- 
bakterien, dem dann die Umwandlung in völlig degenerierte Formen- 
folgt. Damit ist erwiesen, daß in vivo Diphtheriebakterien sich in 
Pseudodiphtheriebakterien verwandeln können, die dann in vitro unter 
günstigen Bedingungen in diphtherieähnliche (Fehlen von Tierpatho- 
genität!) und schließlich in echte Diphtheriebakterien zurückverwandelt 
werden können. Daß es sich hierbei auch tatsächlich um echte Di- 


348 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


phtheriebakterien handelt, ließ sich einwandfrei durch die Tiervirulenz 
feststellen. Herr Dr. Pesch, der so liebenswürdig war, sie zu prüfen, 
wofür ich auch an dieser Stelle meinen ergebensten Dank zum Ausdruck 
bringen möchte, teilte mir über die Prüfung das Folgende mit: ,,Sämt- 
liche 3 Stämme erwiesen sich als vollkommen einheitlich und gehören 
zu meiner Gruppe I. Ob sie zur Gruppe Ia oder Ib gehören, habe ich 
nicht geprüft, da ja bei der Pathogenitätsprüfung nicht leicht Differen- 
zen entstehen dürften.“ Bei den 3 an Herrn Dr. Pesch gesandten 
Stämmen handelte es sich um den Originalstamm (90) aus einer frischen 
Tonsillendiphtherie und 2 Stämme, die aus den Halsdrüsen zweier 
getöteter Meerschweinchen gezüchtet und in echte Diphtheriestämme 
zurückverwandelt worden waren. 

Aber nicht nur tierexperimentell, auch in vitro ist es uns bereits 
früher gelungen (1,2), einen pathogenen Diphtheriestamm in einen 
apathogenen Stamm und wieder zurückzuverwandeln. Unter Verwendung 
geeigneter Nährmedien, die nach den Erfahrungen unserer früheren 
Versuche über die Biologie der Corynebakterien zusammengesetzt worden 
waren, und mit Hilfe einer großen Reihe von Tierversuchen, konnte 
diese Variabilitätsneigung der Diphtheriebakterien schon in 48 Std. 
gezeigt werden. 

Es fehlte jetzt nur noch der Nachweis, daß es ebenfalls gelingt, 
einen Pseudodiphtheriestamm (als Ausgangsstamm!) in einen Di- 
phtheriestamm zu verwandeln. Es wäre dann der Kreis geschlossen, 
der uns in die Lage versetzte, gewisse epidemiologische Fragen durch 
diese Befunde aufklären zu können. Dieser Beweis fehlt zwar noch, 
aber es gelingt, wie wir eingangs gesehen haben, das biologische Ver- 
halten der Pseudodiphtheriebakterien so zu verändern, daß sie hin- 
sichtlich des Säurebildungsvermögens den echten Dibakterien sehr ähn- 
lich werden. 

Mit dem erworbenen Säurebildungsvermögen ging eine Aenderung 
im morphologischen und kulturellen Verhalten der beiden geprüften 
Stämme einher. Möglicherweise wird es auch noch gelingen, diese 
Stämme in tierpathogene umzuwandeln. 

Wegen der aber immer noch vorherrschenden Meinung über die 
Wichtigkeit der Tierpathogenität bei der Unterscheidung ,,menschen- 
pathogener“ und ‚„menschenapathogener“ Diphtheriestämme, möchte ich 
an dieser Stelle betonen, daß meines Erachtens bei frisch aus dem 
Krankheitsherd gezüchteten Stämmen die Avirulenz eines Bakteriums 
— also in unserem Falle eines diphtherieähnlichen Bakteriums — 
nicht den Schluß zuläßt, daß dieser Mikroorganismus nicht der 
Erreger der betreffenden Erkrankung ist. Relativ häufig (z. B. 
siehe Tab. I), haben wir aus einer schweren Tonsillen- und Nasen- 
diphtherie ,,Diphtheriebakterien“ gezüchtet, die für Meerschweinchen 
vollkommen avirulent waren. Würde in jedem Falle einer „positiven 
Diphtherie‘“ ein Tierversuch gemacht werden, dann würde die Zahl 
der Befunde von „echten Diphtheriestämmen‘ wahrscheinlich noch 
viel kleiner werden, gleichzeitig aber die Unzufriedenheit der Praktiker 
mit unserer Diagnosestellung weiter wachsen. Nach Abschluß meiner 
Untersuchungen erschien eine „kurze wissenschaftliche Mitteilung“ 
von Herta Meyer (10). Ich stimme ihren Zweifeln, „die sich gegen 
die absolute Gültigkeit des Tierexperimentes für den Menschen ergeben‘, 


Gundel, Diphtherieprobleme. 349 


vollkommen zu und möchte noch weiter gehen, indem ich das Tier- 
experiment für die Diagnosestellung, ob echte = tiervirulente, d. h. 
menschenpathogene oder unechte = tieravirulente, d. h. menschenapatho- 
gene Diptheriestämme vorliegen, ablehne. Herta Meyer gelangt zu 
ihrem Ergebnis auf Grund der Untersuchungen von Nasen - Rachenab- 
strichen an 327 Kindern. Sie fand „in 34 Fällen= 10 Proz. echte Di- 
phtheriebazillen“. Von 22 Bazillenträgern zeigten 10 eine positive Reak- 
tion. In 7 Fällen mit positivem Bazillenbefund wurde der Tierversuch 
angestellt, . . . .. Das Ergebnis war: dreimal Tod des Meerschwein- 
chens . . ., viermal Tier gesund geblieben.“ 


Ich halte meine Befunde aber für noch eindeutiger, weil sie so- 
wohl an Kranken als auch anscheinend Gesunden (= Bazillenträgern) 
erhoben wurden. Das Material ist zwar klein, jedoch sind sämtliche 
in einem bestimmten Zeitraum zur Untersuchung gelangten Fälle ein- 
gehend geprüft und keine Auswahl getroffen worden (s. Tab. I). 


Tabelle I (12. 4.- 27. 4. 1926). 























Protokoll- A Pathogenität am . 
Nr. Patient Moerschweinchen Krankheit 
799 W., wbl. negativ krank 
939 H. P, H., ml. z ? ob Bazillenträger 
878 H. F., ml. positiv * “ 
871 H. H., ml > a 4 
875 H. M., ml. negativ A 
788 H. B., whl. = krank 
926 P. G., ml. positiv Bs 
1024 R., whl. 3 ə 
1003 K., wbl. negativ = 
970 R. ml. (Nasen-Di) » i 
1020 W. G., ml. positiv * 
1014 B, 5 A 
958 | H. | negativ : 





Von 9 Diphtheriefällen zeigten die gezüchteten Stämme: 


in 4 Fällen positive Tiervirulenz und 
A) » negative Mr 


Von 4 Bazillenträgern zeigten die gezüchteten Stämme: 


in 2 Fällen positive Tiervirulenz und 
» 2 „ negative š 


In der Zeit vom 12. 4. bis 27. 4. 1926 gelangten bei uns etwa 
400 Nasen- und Rachenabstriche zur Untersuchung und in 13 Fällen 
wurden Diphtheriebakterien gefunden: 9 von Diphtheriekranken und 
4 von fraglichen Bazillenträgern (unter 178). Von 9 Diphtheriestämmen 
von Kranken zeigten sich aber nur 4, von 4 von Bazillenträgern nur 2 
als virulent für Meerschweinchen. Gegen die klinische Diagnose ,,Di- 
phtherie“ können in diesen Fällen keinerlei Zweifel erhoben werden; 
auch konnten die negativen wie positiven Befunde bei einigen Fällen 
verschiedene Male bestätigt werden. Mag vielleicht auch in meinem 


350 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


Material der Prozentsatz avirulenter Diphtheriestämme besonders groß 
sein, so läßt doch dieses kleine Material in Uebereinstimmung mit den 
Befunden von Herta Meyer schon die großen Fehlerquellen erkennen, 
die im Vergleich des Ausfalls des Tierexperiments mit der Pathogenität 
der Diphtheriestämme beim Menschen begründet liegen. 

Zum Schluß dieser bakteriologisch-biologischen Betrachtungen über 
den Erreger der Diphtherie und seine Beziehungen zu den diphtherie- 
ähnlichen und Pseudodiphtheriebakterien seien kurz die für unsere 
weiteren Ueberlegungen wichtigsten experimentell erhobenen Befunde 
zusammengefaßt: 


Es konnte der Nachweis erbracht werden, daß 1. im Tierkôrper 
eine Umwandlung von Diphtheriebakterien in Pseudodiphtheriebakterien 
erfolgt und daß diese in vitro wieder in Diphtheriebakterien zurück- 
verwandelt werden können, daß 2. in vitro ein pathogener Diphtherie- 
stamm in einen apathogenen und wieder zurückverwandelt werden 
konnte, daß 3. in vitro ein Pseudodiphtheriestamm in einen apatho- 
genen Diphtheriestamm verwandelt werden konnte und daß schließlich 
4. die Prüfung der Virulenz von Diphtheriestimmen an Meerschwein- 
chen keinen Rückschluß auf ihre Virulenz für den Menschen gestattet. 


Literatur. 


1) Gundel, Med. Gesellsch. Kiel. 16. VII 25. Ref.; Münch. med. 
Wochenschr. 1925. Nr. 34. — 2) Bitter, Gundel u. Sancho, Centralbl. 
f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 97. 1926. — 3) Pesch, Ibid. Bd. 92. — 4) Ders., 
Dtsch. med. Wochenschr. 1924. S. 1298. — 5) Ders, Centralbl. f. Bakt. 
Abt. I. Orig. Bd. 92. — 6) Bitter u. Gundel, Münch. med. Wochenschr. 
1920. Nr. 10. — 7) Riebold, Ibid. 1923. S. 1204 u. 1203. — 8) Schmitz, 
Berl. klin. Wochenschr. 1917. Nr. 6. — 9) Killian, Zeitschr. f. ive, Bd. 102. 
1924. — 10) Meyer, Klin. Wochenschr. 1926. Nr. 12 — 11) Gickel, 
Centralbl. f. Bakt. Abt I. Ref. Bd. 85. S. 55. 


Nachdruck verboten. 
Ueber die aktive Immunisierung gegen Diphtherie 
mittels Anatoxin. 
Il. Mitteilung. 
[Aus dem Bakteriologischen Staatsinstitut in Baku (Aserbeidschan).] 
Von Prof. Dr. med. P. Sdrodowski und Dr. K. Chalapina. 


In unserem 1. Bericht über die aktive Immunisierung mittels Di- 
phthericanatoxin haben wir schon die Resultate veröffentlicht, welche 
wir bei den ersten Versuchen mit diesem Präparat bekommen haben 1), 


1) Sdrodowski, P., u. Brenn, H., Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. 
Bd. 97. 1926. 


Sdrodowski u. Chalapina, Aktive Immunisierung gegen Diphtherie usw. 351 


Auf Grund dieser Untersuchungen sind wir zum Schlusse ge- 
kommen, daß die Ramonsche Methode nach ihrem Prinzip die voll- 
kommenste der Diphtherievakzinebereitung ist, ungerechnet ihrer uni- 
versellen Bedeutung (die Verwandlungsmöglichkeit eines beliebigen 
Toxins nach Ramons Methode in entsprechendes Anatoxin mit voll- 
wertigen vakzinierenden Eigenschaften). 

Doch ist die Ramonsche Methode nichts viel weiter als eine glück- 
liche Zufallsentdeckung, weswegen sie in vieler Hinsicht eine empirische 
Methode, deren weiteres Studium erforderlich ist. 


Zur Charakteristik des jetzigen Standes des Problems über Di- 
phtherieanatoxin genügt es zu sagen, daß bisher die wichtigste Frage 
über die experimentelle Charakteristik der wertvollen Präparate des 
Anatoxins sowie über die rationelle Methode der Bereitung eines Ana- 
toxins von bestimmter Aktivität ganz offen bleibt; desgleichen die wich- 
tige Frage der quantitativen und qualitativen Standardisation des Ana- 
toxins. Die zur Zeit angewandte Dosierung des Anatoxins ist viel zu 
willkürlich, da die Dosierungsmethode schlechthin in einfachen Volum- 
einheiten des Präparates ohne präzisere quantitative und qualitative 
Charakteristik der Vakzine angegeben wird. Schließlich. fehlen bis jetzt 
ncch rationelle Immunisierungsschemata für den Menschen, da z. B. die 
französische Methode (2 oder 3malige Injektion des Anatoxins mit 
Zwischenräumen von 20 Tagen bei Dosierung des Präparates — 0,5, 
1,0, 1,0 oder 1,5) willkürlich ist und für größere Kinder resp. Er- 
wachsene kaum anwendbar ist (großer Prozentsatz starker Reaktion). 
In. Summa sind also in Ramons Verfahren die Befunde von wichtigster 
theoretischer und praktischer Bedeutung, jedoch fordert das ganze Pro- 
blem der Anatoxine und speziell des Diphtherieanatoxins noch viel 
weiteres Studium. 

Im Laufe der Jahre 1925—26 werden unter unserer Leitung in 
Baku massenhafte Impfungen von Kindern mit Anatoxin organisiert. 
Diese Massenvakzination gestattet uns, die nötigen Beobachtungen aus- 
zuführen und gleichzeitig die Anatoxinpräparate an Menschen und 
unter Laboratoriumsbedingungen zu prüfen. In Zusammenhang mit 
unseren früheren Untersuchungen über Diphtherieanatoxin (1924 bis 
1925) war die Aufgabe dieser experimentell-klinischen Forschungen 
folgende: 

1) Die Feststellung der vakzinierenden Eigenschaften verschiedener 
Präparate des Diphtherieanatoxins. — 2) Die Feststellung der Labo- 
ratoriumsmethode zur qualitativen Charakteristik der Anatoxinpräparate, 
welche einen Maximaleffekt bei der Immunisation der Menschen geben 
(die qualitative Standardisation des Anatoxins). — 3) Die Feststellung 
der vakzinierenden Wirkung der in bezug auf die Reaktion toleranten, 
verminderten Dosen des Anatoxins, ausgedrückt in antigenen Einheiten 
Ramons (die rationelle Dosierung und die quantitative Standardisation 
des Antitoxins). — 4) Die Feststellung der Prinzipien der Gewinnung 
der am meisten aktiven Anatoxinpräparate mit Klarlegung der Gesetz- 
mäßigkeiten, denen sich der Prozeß der Anatoxinbildung überhaupt 
unterwirft. 

Im ganzen wurden zur Zeit der Diphtheriebekämpfung in Baku 
etwa 27000 Kinder einer Voruntersuchung nach Schick (1/4)T) unter- 
worfen; hauptsächlich waren es Schulkinder im Alter von 7—14 Jahren 
(22523). Die positive Reaktion nach Schick war in etwa 19 Proz. 


352 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


registriert und verteilte sich nach dem Alter folgendermaßen: 0—3 Mon. 
5 Proz., 4-6 Mon. 24,2 Proz., 7—12 Mon. 36,8 Proz., 1—3 Jahr 
60,5 Proz., 4—6 Jahr 42,5 Proz., 7—10 Jahr 22,1 Proz., 11—14 Jahr 
13,5 Proz. 

Von den Kindern, die eine positive Sch.R. gaben, wurden der Ana- 
toxinimmunisation von Oktober—März 1925—1926 3624 M. unter- 
worfen; dazu gerechnet frühere Beobachtungen und ergänzende Vakzi- 
nation in der Provinz, im ganzen 4600 M. 

Später wurde in verschiedenen Fristen der Grad der Immunität 
vermittels Sch. R. (1/49 T) an 1861 M. kontrolliert. Dieses Material 
gab die Grundlage für unsere experimentell-klinischen Beobachtungen. 

Zur aktiven Immunisation benutzten wir mehrere Anatoxine, welche 
aus verschiedenen Toxinarten bereitet waren. Die Toxine selber wurden 
durch Aussaat der Diphtheriekultur Park Williams N. 8 in 
Martinsche Bouillon bereitet. 


Die Charakteristik der angewandten Toxine ist folgende: 


Gesamtstickstoff nach Kjeldahl von 0,25—0,33 Proz., pH nach Komparator 
von Michaelis 8,1—8,3; DLM für ein Meerschweinchen von 250 g Gewicht 
von 0,0018—0,0026; die Zahl der antigenen Einheiten (A. E.), bestimmt nach 
Ramon in der Anfangsflockulation, von 7—9 in 1 cem; alle Toxine flockten 
gut mit unseren spezifischen Sera in der Zeit von 2—3!/, Std. bei 35—37° C; 
es wurden frisch zubereitete, wie auch im Eisschrank unter Toluol aufbewahrte 
(maximum 10 Mon.) Toxine gebraucht. 


Bei Zubereitung der Anatoxine benutzten wir eine 35proz. (nach 
dem spezifischen Gewicht) Lösung des käuflichen Formalins, von dem 
0,5 Proz. zum Toxin hinzugefügt wurde. Das formalinisierte Toxin 
wurde im Thermostat bei 33—40° C (ohne genaue Regulierung) oder 
in einigen Fällen bei 40—420 C 30 Tage gehalten !). 

Das frisch bereitete Anatoxin wurde zuerst an Meerschwein- 
chen von 250 g Gew. auf Unschädlichkeit geprüft, denen das Präparat 
subkutan in einer Quantität von 5,0 eingespritzt wurde, was einer 
Menge von 2000—2775 T. der Ausgangstoxin entsprach. Alle Meer- 
schweinchen blieben hierbei gesund, an der Impfstelle bildete sich nur 
(nicht immer) ein vorübergehendes mäßiges Oedem, das nach 1—2 Tagen 
verschwand. 

Dann wurde das Anatoxin weiter erprobt, und zwar gleichzeitig 
mit dem Ausgangstoxin im Flockulationsversuch nach Ramon mit 
einem Diphtherieserum von bestimmtem A.E.-Titer nach Ehrlich. 
Bei diesem Experiment wurde die Zeit des Erscheinens der 1. Flocku- 
lation resp. deren Avidität und die Serumverdünnung, bei 
welcher sich die initiale Flockulation zeigt, d. h. die Quantität A.E. 
nach Ramon bestimmt. 

Auf solche Weise wurde eine vergleichende Charakteristik des Aus- 
gangstoxins und des Anatoxins in anbetracht der Quantität antigener 
Einheiten im ccm und in anbetracht der Schnelligkeit der Flockulation 
(gleichzeitige Flockulation resp. ihre Verzögerung in Std.) erhalten. Alle 


1) Nach unseren Beobachtungen spielt die Temperatur eine entscheidende Rolle 
bezüglich Aktivität des Anatoxins, da schon bei 41° C. eine wesentliche Denaturation 
des Präparate stattfinden kann. Die Einzelheiten hoffen wir in folgenden Mit- 
teilungen zu veröffentlichen. 


Sdrodowski u. Chalapina, Aktive Immunisierung gegen Diphtherie usw. 353 


Flockulationsexperimente wurden bei einem Gesamtvolumen von 5 ccm 
bei 35—37° C ausgeführt. 


Bei der Immunisation der Kinder wandten wir 6 Serien ver- 
schiedener Anatoxine an, welche folgenderweise charakterisiert werden: 


Anatoxin III N nach Kjeldah | 0,25 Proz., pH —7,5, AE.—7, Verspät. Flock. —5 Std. 
3 


” ” ” ” 7 ” ee, We » ” —2!},, 
» VI » » » 0,33 ” 2 —7,7, ” —8, ” n —0 » 
» VII » n » 0,28 » ” —6,7, ” —7, n n —3 ” 
» X n ” » 0,28 n » —7,0, n —7, n n —0 ” 
» XIII » » ” 0,29 n ” —7,0, n —7, ” n —0 n 


So enthielten die Anatoxine, welche wir zur Immunisation der 
Kinder anwandten, in 5 von 6 Fällen 5 A.E. Ramons in 1 ccm und 
in 1 Fall 8 A.E. Die Serien unterschieden sich nach der Flockulations- 
fähigkeit mit Antitoxin wie folgt: VI, X und XIII flockulierten ohne 
Verspätung, III, V und VIII flockulierten im Vergleich mit den Aus- 
gangstoxinen mit einer Verspätung von 21/,—5 Std. 

Endlich ist noch zu bemerken, daß in den Serien X und XIII die 
Quantität A.E. im Ausgangstoxin und Anatoxin die gleiche war, in 
Serien III, V, VI, VIII enthielt das Anatoxin im Vergleich zum Aus- 
gangsioxin weniger A.E. (Differenz von 1—2 A.E.). Dabei wurde 
in der Serie VI die Verminderung von A.E. nicht von der Verspätung 
der Flockulation begleitet, in den andern Serien — V, VI, VIII — aber 
wurde sie durch gleichzeitige Verspätung kompliziert. 

Die Anatoxine immunisierten Meerschweinchen von 250 g Ge- 
wicht bei Imaliger Vakzination mit 1,0 und 5,0 nach 14—17—20 Tagen, 
aber bei Dosen 0,3 und 0,5 im Laufe von 17—21 Tagen. 


Wie schon oben erwähnt, ist die Dosierung des Anatoxins, welche 
die französischen Autoren empfehlen (0,5 erste Impfung und 1,0 die 2.) 
praktisch für die Immunisation größerer Kinder und Erwachsener wenig 
tauglich, da sie einen großen Prozentsatz starker Reaktion (örtlicher 
und allgemeiner) geben. Was Kinder bis zu 3 Jahren anbetrifft, so 
wird diese Dosierung (ja sogar eine größere) ohne jede Reaktion ver- 
tragen (eigene Beobachtungen). Somit ist die französische Dosierung 
für Kinder bis zu 3 Jahren beizubehalten. 


Unsere Beobachtungen haben gezeigt, daß größere Kinder (Schul- 
kinder) und Erwachsene einen unvergleichlich geringeren Prozentsatz un- 
angenehmer Reaktion aufweisen, wenn Anatoxin in Dezigrammen ge- 
messen eingespritzt wird (0,2, 0,3, 0,5). 

Bis zu welchem Grade jedoch ist die Herabsetzung der Dosen 
möglich und die Anwendung solcher Dosen rationell? Die Experimente 
an Meerschweinchen zeigen, daß man einen Maximaleffekt nur bei der 
Hyperimmunisation erzielt; bei der Vakzination mit minimalen 
Dosen verzögert sich einerseits die Erzielung der Immunität und ander- 
seits beginnt bei dieser Immunisationsart der Faktor der Individualität 
sich zu zeigen. Somit ist die Vakzination mit minimalen 
Dosen nicht rationell. 

Unter Berücksichtigung der Proz. der Reaktion auf die Vakzination 
und des Prinzips der Hyperimmunisation haben wir uns für die Do- 
sierung 0,3 und 0,5 entschieden, was im Durchschnitt 2 und 3,5 A.E. 
unserer Anatoxine entspricht. 

Erste Abt. Ong. Bd. 101, Heft 6/7. 23 


354 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


Die angegebene Dosierung gab bei einer Massenvakzination von 
Kindern von 7—14 Jahren in bezug auf die Reaktion folgende Resultate: 
bei 15 Proz. fehlte jede Reaktion, bei 78 Proz. fanden wir eine 
leichte oder mäßige örtliche Reaktion in Gestalt von Rötung, 
Oedem und Schmerzhaftigkeit, die nach 2—3 Tagen schwanden; end- 
lich wurde bei 7 Proz. eine starke örtliche und allgemeine Reaktion be- 
obachtet, zuweilen mit einer Temperaturerhöhung bis 38,5—39,5° und 
in einer Reihe Fälle (0,3 Proz.) mit einer Vergrößerung der lympha- 
tischen Drüsen; in diesen Fällen starker Reaktion dauerten die örtlichen 
Erscheinungen 2—3—4—5 Tage. In Fällen starker Reaktion auf Ana- 
toxin zeigte sich kein regelmäßiger Zusammenhang mit Schicks 
„Pseudoreaktion“. 

Somit erwies sich die Dosierung von 0,3 und 0,5 in 93 Proz. der 
durch Anatoxin Immunisierten vollkommen tolerant, doch verhinderte 
bei 7 Proz. auch die herabgesetzte Dosierung nicht das Auftreten un- 
angenehmer Erscheinungen. Augenscheinlich ist dieser Prozentsatz, als 
Merkmal individueller Empfänglichkeit des Organismus, unver- 
meidlich. In der Tat beobachteten wir bei einigen äußerlich vollkommen 
gesunden Menschen eine starke Reaktion schon nach einer Injektion 
von 0,1 oder 0,2 des Anatoxins (eine analoge Empfänglichkeit be- 
obachteten wir auch an Pferden, welche gewöhnlich die Immunisation 
in großen Dosen Anatoxin sehr gut vertragen). Jedoch ist es nicht aus- 
geschlossen, daß unter den Kindern, die bei uns eine starke Reaktion 
gaben, sich Kranke befanden (t. b. c.). 

Aus der Gesamtzahl der immunisierten und kontrollierten 1816 
Kinder waren 281 einmal in Dosen von 0,3 (2 A.E.) und 0,5 (3,5 A.E.) 
und 1535 2mal (1. Impfung 2 A.E. und 2. 3,5 A.E.) geimpft. Bei 2- 
maliger Vakzination schwankte die Zwischenzeit zwischen den Imp- 
fungen von 9—10 bis 20 und mehr Tagen (ohne merkbaren Unter- 
schied in den Resultaten). 

Betrachten wir jetzt die Erfolge der Vakzination 

Bei einmaliger Vakzination von 124 Kindern mit den Anatoxinen 
VI, X und XIII, welche im Vergleich zu den Ausgangstoxinen in der 
Flockulation nicht verspäteten, zeigte sich die Immunität nach 
Sch.-R. (4/49 T.) schon nach Verlauf von 3—4 Wochen bis 2—21/, Mo- 
naten in 85,8—93,6 Proz.1). Bei der Anwendung von den Anatoxinen 
III und V dagegen, welche die Flockulation mit Verspätung von 
21/,—5 Std. ergaben, wurde Immunität nach Verlauf von 21/,—4 Mon. 
nur in 73,3—80,0 Proz. erzielt (157 Kinder immunisiert). 

Auf diese Weise zeigte sich nach Imaliger Impfung deutlich die 
Abhängigkeit der Resultate von den Eigenschaften des Anatoxins, wo- 
bei der Zusammenhang der antigenen Aktivität des Prä- 
parates sich mit seiner Flockungsfähigkeit erwies, ob 
diese Flockung früher oder später eintrat. Diese Be- 
ziehungen werden noch deutlicher, wenn wir die Resultate vergleichen, 
die wir mit einzelnen Serien des Anatoxins erhalten haben. 


So haben wir: 


1) Anatoxin X, Flockulation ohne Verspätung, Immunität in der Frist von 
3—4 Wochen bis 2'/, Mon. in 92,4—98,6 Proz. (64 Menschen). — 2) Anatoxin V 


‚ 


1) Hier, wie auch weiter, bezeichnet die 1. Zahl (88,8 Proz.) die Prozente rein 
negativer Sch. R., die 2. Zahl (93.6 Proz.) sind negative + fraglich — negative, 
d. b. mit leichten Spuren einer Reaktion. 


Sdrodowski u. Chalapina, Aktive Immunisierung gegen Diphtherie usw. 355 


pape der Flockulation 2!/ Std., Immunität in der Frist von 21/;—4 Mon. 
in 92,4—93,8 Proz. (64 Menschen). — 3) Anatoxin III, Verspätung der Flockula- 
tion 5 Std. Immunität in der Frist von 21/;—4 Mon. in 60,3—72,0 Proz. 
(93 Menschen). 


Es gab in unseren Beobachtungen schon dieeinmalige 
Vakzination mit relativ kleinen Dosen des Anatoxins 
(2 und 3,5 A.E.) einen großen Effekt, doch hängt der Grad 
desselben von der individuellen Eigenschaft des Ana- 
toxins ab, welche durch seine Flockulationsfähigkeit 
bestimmt wird (Schnelligkeit der Flockulation). 


Was die 2malige Vakzination betrifft, so ergab sich dieselbe Gesetz- 
mäßigkeit wie bei einmaliger Immunisation. 


Es seien hier die Durchschnittszahlen angeführt: 


1. Die Anatoxine X und XIII (Flockulation ohne Verspätung) nach 2maliger 
Vakzination von 622 Kindern. — Immunität in der Frist von 3—4 Wochen Bis 
21/ Mon. in 92,3—96 Proz. — 2. Anatoxine V und III (Flockulation mit Ver- 
spätung von Sa? Std.); nach 2maligen Impfungen von 553 Kindern. — Im- 
munität in 2—4 Mon. in 83,4—92,4 Proz. 


Somit ergaben Anatoxinserien, welche ohne Verspätung flock- 
ten, im Vergleich zum Ausgangstoxin, bei 2maliger Vakzination in 
Dosen 2 A.E. und 3,5 A.E. schon in 3—4 Wochen bis 21/, Mon., von 
der 1. Impfung angerechnet, Immunität in 92,3—96 Proz., während die 
Anatoxinserien, die in der Flockung verspäteten, bei denselben 
Vakzinationsbedingungen nur 83,4—92,4 Proz. Immunität ergaben, und 
zwar in 2—4 Monaten nach der 1. Impfung. 

Unsere Beobachtungen zeigten weiter, daß, wenn eine der Imp- 
fungen mit Anatoxin mit verspäteter Flockulation (III, V, VIII), 
die andere mit einem Präparat mit nicht verspäteter Flocku- 
lation gemacht wird, der Effekt merkbar erhöht wird. So haben wir 
bei 2maliger Immunisation von 353 Kindern nach dem angegebenen 
Schema die Immunität im Verlauf von 2—3!/, Mon., von der 1. Imp- 
fung an gerechnet, erhalten in 92,7—95,2 Proz. 

Folglich können verschiedene Serien des Anatoxins, 
bei gleichem Gehalt von A.E., sich in den vakzinierenden 
Fähigkeiten unterscheiden. Die Maximalaktivität bei 
der Vakzination weisen die Anatoxinpräparate auf, 
welche völlig die Flockulationsfähigkeit des Ausgangs- 
toxins bewahren. Die Verspätung der Flockulation im 
Vergleiche mit dem Ausgangstoxin läuft der Vermin- 
derung der Avidität des Präparats als Vakzine parallel. 
Somit ist bei der Bewertung des Anatoxins als Vakzine 
nicht nur die quantitative, sondern auch die individuelle 
qualitative Charakteristik des Präparats unerläßlich, 
d. h. die Charakteristik seiner Avidität, die sich in der 
Schnelligkeit der Flockung mit dem Antitoxin äußert. 
Die Anatoxinpräparate, welche vollständig die Flok- 
kungsavidität der Ausgangstoxine bewahren, zeigen 
schon bei geringerer Dosierung (durchschnittlich von 
2 A.E. und 3,5 A.E.) vollkommene vakzinierende Eigen- 
schaften. 

Wir erzielten die Immunisation nach imaliger Imp- 
fung der hochaktiven Anatoxin-Präparate durchschnitt- 

23* 


356 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd, 101. Heft 6/7. 


lich in 88,8—93,6 Proz. im Verlaufe von 3—4 Wochen 
bis 21/, Monaten und bei 2maliger Impfung in 93,3—96,0 
Proz. in derselben Frist von dem Tage der 1. Impfung ge- 
rechnet. 


Die angegebenen Zahlen rechtfertigen somit die An- 
wendung verminderter Dosierungen des Anatoxins, die 
für die 2malige Vakzination etwa 2A.E. und 4A.E. sind. 

Da, wo eine 2malige Impfung technisch schwierig ist, können wir 
nach den oben angeführten Zahlen sogar eine imalige mit denselben 
Dosen empfehlen. 

Die angegebene Dosierung (2A.E. und 3,5—4A.E.) erweist sich 
augenscheinlich reichlich, d. h. sichert die notwendige Hyper- 
immunisaton, da auch noch geringere Dosen des Anatoxins sehr 
gute Effekte erzielen. 

So führte nach unserem Vorschlag Dr. Hain an 45 positiv nach 
Schick reagierenden Kindern eine Probevakzination mit Dosen von 
1,4—2 A.E. (Anatoxin XIII, welches Flockung und Avidität voll- 
kommen bewahrt) aus. Diese ergab schon am Ende des 1. Monats eine 
Immunität von 70—82,3 Proz. 

Was speziell die Frage der Dosierung des Anatoxins 
betrifft, so müssen wir darauf Gewicht legen, daß diese 
Dosierung durchaus nicht in Raumeinheiten, auch nicht 
in diesen oder jenen standardisierten Einheiten des Aus- 
gangstoxins angegeben werden soll, sondern in stan- 
dardisierten Einheiten des Anatoxins selbst. Die Beob- 
achtungen zeigen, daß beim Prozeß der Verwandlung des Toxins in 
Anatoxin sehr häufig Veränderungen der quantitativen Charakteristik 
des Ausgangstoxins stattfinden. So haben wir von 16 experimentell 
untersuchten Anatoxinserien (Formalin 0,4—0,5 Proz., Temperatur von 
38—41° C) in 12 Fällen eine Verminderung von A.E. in der Flockung 
im Vergleich zu dem Ausgangstoxin beobachtet. 

Was die Methode und Form der Standardisation des 
Anatoxins anbetrifft, so ist unserer Meinung nach die 
Standardisation nach der Flockulation (wie sie Ramon 
1925 vorgeschlagen hat) die beste. Ohne von der Einfach- 
heit der Ramonschen Methode und ihrer Objektivität 
zu reden, hat die letztere noch den großen Vorzug, daß 
sie zugleich die Berechnung der Schnelligkeit der Er- 
scheinung der 1. Flockulation, d. h. die Charakteristik 
der aviden Eigenschaften des Präparats, sichert). 

Wie schon erwähnt, ist es unerläßlich, neben der quantitativen 
Standardisation des Anatoxins auch die qualitative Charakterisierung 
seiner vakzinierenden Fähigkeiten resp. Avidität des Präparates zu be- 
stimmen. Es schien uns, daß diese individuelle vakzinierende Eigenes 
schaft des Anatoxins sich am besten durch Experimente an Meer- 
schweinchen (250 g) bei deren Immunisation mit fallenden Dosen des 
Präparates bestimmen lassen. (P. Sdrodowski und H. Brenn. 1925 
bis 1926). Wir neigten der Ansicht zu, daß die kleinste vakzinierende 





1) Es ist zu bemerken, daß man bei Prüfung der Anatoxinpräparate nach der 
Flockulationsmethode die Versuche bei der Temperatur von 35—37° C beobachten 
muß, da bei höherer Temperatur (z. B. 45° C) die Reaktion zu schnell verläuft, 
infolgedessen die individuelle Flockulationsdifferenz der Präparate entgehen kann. 


Sdrodowski u. Chalapina, Aktive Immunisierung gegen Diphtherie usw. 357 


Dose an Meerschweinchen in vivo titriert, wirklich die vakzinierenden 
Eigenschaften des Präparats ausdrücken kann. Indes erwiesen spätere 
Beobachtungen, daß diese Vermutung nicht richtig ist, da die biologische 
Methode nicht genügend empfindlich ist. 

Die folgenden Versuche illustrieren dies. Wir verwendeten 2 an 
Menschen schon geprüfte Anatoxine: Anatoxin X, die Flockung nicht 
verspätend und bei Kindern bei 1maliger Impfung bis 98,4 Proz. Im- 
munität im Laufe von 3—4 Wochen bis 21/, Monate ergebend, und 
Anatoxin II, die Flockung um 5 Std. verspätend und bei 1maliger 
Impfung 72,1 Proz. Immunität im Laufe von 21/, Monaten gebend. 

Im Uebrigen charakterisieren sich beide Anatoxine folgendermaßen: 


1) Anatoxin X: H=70; AE. = 7 
2) z e Mey See =. 


Mit fallenden Dosen dieser Anatoxine wurden Meerschweinchen 
von 250—300 g Gewicht 1- und 2malig immunisiert. Es wurden für 
jede Dosierung 2 Meerschweinchen nach dem folgenden Schema im- 
munisiert: Imaliges Vakzinieren 5,0; 1,0; 0,5; 0,4; 0,3; 0,2; 0,05; 
2maliges Vakzinieren 0,2—0,3; 0,1—0,2; 0,05—0,1; 0,025—0,05; und 
0,0125—0,025 mit einem Zwischenraum von 6 Tagen. 

Die weitere Priifung der immunisierten Meerschweinchen mit Hilfe 
der Sch.-R. zeigte, daß bei Imaliger Impfung in Dosen bis 0,2 und bei 
2maliger in Dosen bis 0,1—0,2, die beiden Anatoxine sich in ihren 
antigenen Eigenschaften nicht unterschieden (gleichzeitiges Erscheinen 
der Immunität im Verlaufe von 14—24 Tagen). Was die kleineren 
Dosen betrifft (s. oben), so zeigt sich auch kein merkbarer Unterschied 
doch waren sich die Resultate nicht völlig regelmäßig. 

Diese Tatsache erklärt sich augenscheinlich dadurch, daß bei der 
Vakzination mit großen Dosen Hyperimmunisation erzeugt wird, die 
die individuellen Eigenschaften des Präparats nicht zum Vorschein 
kommen läßt; bei kleinen Dosen jedoch offenbart sich der Einfluß der 
„Individualität“ des Tieres, wodurch die Regelmäßigkeit der Resultate 
gestört und die individuelle Wirkung der Vakzine selbst maskiert wırd. 

Folglich gibt die kleinste immunisierende Einheit, 
für Meerschweinchen bestimmt, noch nicht eine indivi- 
duelle Charakteristik der Präparate an, daher die rela- 
tive Bedeutung der biologischen Methode. 

Im Gegensatz zu der ungenügenden Empfindlichkeit 
der biologischen Methode gab uns die Methode der Be- 
stimmung der Flockungsschnelligkeit völlig befriedi- 
gende Resultate. Da die Erfahrungen der Massenimp- 
fungen von Menschen zeigten, daß dadurch die indivi- 
duellen Eigenschaften des Präparates differenziert wer- 
den können, kommen wir zum Schluß, daß die Charak- 
teristik der vakzinierenden Eigenschaften des Anatoxins 
ganz zuverlässig durch die Schnelligkeit ihrer Flok- 
kung mit Antitoxin dargestellt wird. Diese Methode soll 
somit zur Bestimmung der Avidität des Anatoxins ver- 
wendet werden. 

Es sei hier kurz bemerkt, daß Descombey (Ann. de I'Inst. 
Pasteur 1925) auf Grund seiner Experimente mit Tetanusanatoxin zur 
gleichen Bewertung der Schnelligkeit der Flockung und zu analogen 
Schlußfolgerungen kam. 


358 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


Aber es muß gleichzeitig im ‘Auge behalten werden, 
daß die Aviditätdes Anatoxinsim besten Fall (bei Fehlen 
jeder Flockungsverspätung) der Aktivitätdes Ausgangs- 
toxins gleich sein kann. Doch können augenscheinlich 
die Toxine selbstsichinihrem Aviditätsvermögen unter- 
scheiden; wenigstens wurde bei den Experimenten der 
Flockulation mit ein und demselben Serum derartiges 
beobachtet, was z. B. aus den folgenden Zahlen hervor- 
geht: 

1) Toxin N 19, Quantität mes erste Flockulation nach 2 Std. 30 Min. 


EE Se re ees 
(Experimente mit ein und demselben Serum mit 500 AE.). 

Man kann a priori annehmen, daß unter völlig glei- 
chen Bedingungen die Avidität des Ausgangstoxins ab- 
hängig ist, und in diesem Fall müssen wir zugeben, daß 
2 Anatoxine mit gleichem Inhalt von A.E., die dabei 
vollkommen die Flockulationsschnelligkeit des Aus- 
gangstoxins bewahrt haben, dennoch sich in ihren vak- 
zinierenden Eigenschaften unterscheiden können. 


Nachdem unsere Beobachtungen gezeigt haben, welche Forde- 
rungen ein hochaktives Anatoxin gewährleisten muß, sind wir zur ex- 
perimentellen Lösung der Frage über die sicherste Methode der Be- 
reitung der aktiven Anatoxinpräparate einerseits und zum Studium der 
Aviditätserscheinungen des Anatoxins andererseits übergegangen. Die 
erhaltenen Resultate dieser Untersuchungen werden wir in einer 
weiteren Mitteilung bekannt geben. 


Nachdruck verboten. 


Paratuberkulose-Schutzimpfung und Heilung. 


(Aus dem Hygienischen Institut der Universität zu Modena.) 


Von Prof. Dr. Francesco Sanfelice. 


Werden Tuberkelbazillen oder deren toxische Produkte in den 
Organismus eingeführt, so kommt es seitens der Verteidigungskräfte 
der Zellen zu einer mit Antikörperbildung einhergehenden Reaktion. 
Auf diesen Vorgang begründet sich die Schutz- und Heilimpfung der 
Tuberkulose. Es konnte in der Tat sicher festgestellt werden, daß im 
Blute tuberkulöser Individuen, bei denen eine spezifische Behandlung 
eingeleitet wurde, Antikörper in steigender Menge zugegen sind, und 
zwar komplementbindende Substanzen, Bakteriotropine — wie durch die 
Versuche von Böhme und Löwenstein bewiesen wurde: Bak- 
teriolysine, Präzipitine und Opsonine. Die Gegenwart all dieser Anti- 
körper ist als der Ausdruck zahlreicher Reaktionsprozesse zu deuten; 


Sanfelice, Paratuberkulose-Schutzimpfung und Heilung. 359 


sie ist aber wertlos bei der Beurteilung des Immunitätszustandes oder 
der Genesung des betreffenden Individuums. In Anbetracht des Vor- 
handenseins von Antikörpern kann wohl nicht angenommen werden, daß 
die Immunität bei Tuberkulose in den Geweben selbst oder durch 
direkten Kontakt der letzteren mit den Tuberkelbazillen zustande 
käme, daß es sich demnach um eine Immunität von ausschließlich 
histogener Natur handle. 


Die Schutz- und Heilimpfung der Tuberkulose wurde bisher versucht mit 
Filtraten aus Glyzerinbouillonkulturen, Alttuberkulin, mit Aufschwemmungen von 
abgetöteten Tuberkelbazillen, mit spezifischen Bazillen, die durch Einwirkung physi- 
kalischer oder chemischer Faktoren verändert worden waren, mit nach verschiedenen 
Methoden gewonnenen Tuberkelbazillenextrakten, mit lebenden heterologen Keimen 
und endlich mit Sera von Tieren, die mit den genannten Tuberkelbazillenprodukten 
vorbehandelt worden waren. 

Die Einspritzung des Tuberkulins hat eine Antikörperbildung zur Folge und 
führt gleichzeitig zum Auftreten einer lokalen und allgemeinen toxischen Wirkung. 
Gerade in der Prävalenz dieser toxischen Wirkung liegt die Gefahr der spezifischen 
Tuberkulosebehandlung; durch sie werden dieser Therapie gewisse Schranken ge- 
setzt. Die Tuberkulininjektion erzeugt Hyperämie und seröse Infiltration im tuber- 
kulösen Krankheitsherd, sie befördert zuweilen eine aktive Resorption der Zell- 
zerfallprodukte, was den Lebensbedingungen der Tuberkelbazillen zum Vorteil ge- 
reichen kann. Andererseits besteht die Möglichkeit eines raschen Verfalls des tuber- 
kulösen Gewebes, wobei die Resorption der in Freiheit gesetzten toxischen Substanzen 
dem Organismus ‚schaden kann. Während einige Forscher die Meinung vertreten, 
es könne die Tuberkulinbehandlung den Organismus nicht schädigen, noch käme es 
infolge der Herdreaktion zu einer Verschlimmerung der Lungenkrankheit, sind wieder 
andere von der Gefahr einer starken Reaktion im tuberkulösen Herd überzeugt. 
Nach der Ansicht von Sahli führen die durch solche Lokalreaktionen erzeugten 
Veränderungen zu einer Verschlimmerung des Allgemeinzustandes mit dem End- 
resultat einer Verminderung der Wehrkräfte des tuberkulösen Herdes. Es ist hieraus 
zu schließen, daß die Auslösung lokaler Entzündungserscheinungen bei der Tuber- 
kulinbehandlung ein Wagnis ist. Meissen beobachtete bei einer genügend großen 
Zahl von Fällen, bei denen Tuberkulineinspritzungen nicht kontraindiziert waren, 
selbst mit ganz geringen Dosen das Auftreten imponierender Reaktionen, zuweilen 
sogar Blutungen, ein Befund, der gewiß nicht zur Fortsetzung der Behandlung er- 
mutigte. Einige Beobachter, die mit den Tuberkulindosen zu hoch gestiegen waren, 
überzeugten sich von dem Auftreten von Fieberreaktionen, denen zufolge sich 
neue bronchopneumonische Herde bildeten. 

Aus dem Gesagten ist zu schließen, daß man sich vom Gebrauch der 
Tuber kuline bei der Schutz- und Heilimpfung der Tuberkulose 
wenig versprechen kann. 

Außer mit Tuberkulinen, ist die Schutz- und Heilimpfung gegen Tuberkulose 
mit Aufschwemmungen abgetöteter Tuberkelbazillen und mit Bakterienextrakten 
versucht worden. Koch hat als 1. beobachtet, daß tuberkulöse Meerschweinchen 
nach Einspritzung ganz geringer Mengen abgetöteter Tuberkelbazillen verenden. Wird 
nun eine Piesis eingespritzt, die geringer als die tötliche ist, so überleben die Meer- 
schweinchen, und es kann die Krankheit zum Stillstand kommen. Babes be- 
handelte Meerschweinchen, Kaninchen und Hunde mit steigenden Mengen einer 
Aufschwemmung abgetöteter Tuberkelbazillen und spritzte nach einiger Zeit den 
Konica Tieren stark pathogene Tuberkulosekulturen ein, ohne daß es zu einem töt- 
ichen Ausgang gekommen wäre. Es unterliegt demnach keinem Zweifel, daß eine 
vorbeugende Einspritzung mit abgetöteten Keimen bei den Tieren Immunität er- 
zeugen kann. Bei der Heilimpfung mit Suspensionen abgetöteter Bazillen wird 
häufig Neotuberkulin verwendet, eine Suspension von Tuberkelbazillen, die in einer 
Mischung destillierten Wassers und Glyzerin fein zerrieben wurden, so daß pro cem 
Suspension 0,5 mgr Trockensubstanz enthalten ist. Zur Herstellung der Ver- 
dünnungen dient 0,5proz. Phenol in physiol. Kochsalzlésung. Auch bei der Ein- 
spritzung von abgetöteten, verschieden behandelten Tuberkelbazillen ist Vorsicht 
am Platze, weil man auch damit lebhafte Reaktionen erzeugen kann, die eine Ver- 
schlimmerung des Zustandes der Patienten zur Folge haben. 

Ebensolche Resultate sind mit Bakterienextrakten erzielt worden. Much be- 
handelte die Tuberkelbazillen mit Milchsäure und konnte dabei die Bemerkung 


360 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


machen, daß sich nur ein Teil im Wasser auflöst und daß der in Wasser nicht 
lösliche Ueberrest aus Eiweißkörpern und Fettsubstanzen besteht (Lipoide und neutrale 
Fette). Während die löslichen Substanzen kein Immunisierungsvermögen ` besitzen, 
gelingt es, mit den Restkomponenten Tiere zu immunisieren. Maragliano ver- 
wendet zur Impfung ein aus Toxialbumin und Tuberkulin zusammengesetztes Ge- 
misch (verdünnt im Verhältnis von 1:3); weitere derartige Präparate sind Tuber- 
kulomucin, Sierosin, Tuberkulin nach Dorstal, Partialantigen usw. . 

Zahlreiche Versuche wurden ferner mit lebenden, homologen und heterologen 
Keimen angestellt: Perlsuchtbazillen und Bazillen der Geflügeltuberkulose wurden 
Menschen eingespritzt und Bazillen der Tuberkulose des Menschen dienten zur Be- 
handlung von Rindera. Man versuchte auch beim Menschen eine Impfung mit 
abgeschwächten Keimen der Humantuberkulose ‘Von Behring wurde die Vak- 
zination der Rinder mit einem aus Tuberkelbazillen vom Menschen hergestellten 
Impfstoff bewerkstelligt. Koch und Schütz impften menschliche Individuen 
mit einem Vakzin, das aus auf Glyzerinbouillon gezüchteten Bazillen der mensch- 
lichen Tuberkulose bestand. Noch ein weiterer Impfstoff ist jener von Rabino- 
witsch, zu dessen Herstellung abgeschwächte Keime der menschlichen Tuber- 
kulose Verwendung finden; zur Abschwächung werden 'die Bazillen bei Gegenwart 
geringer Formolmengen gezüchtet. 

In den letzten Jahren hat sich, namentlich durch das Verdienst von Spengler 
und Ponndorf, die perkutane Impfung eigebürgert; der gleichen Methode be- 
dienen sich auch Petruscky und Moro. Die perkutane Impfung bei der 
spezifischen Tuberkulosebehandlung gipfelt in der alten Erfahrung, daß der tuber- 
kulöse Prozeß der inneren Organe im allgemeinen einen gutartigen Verlauf nimmt, 
wenn er mit spezifischen Manifestatitonen auf der Haut einhergeht. Mit der Ponn- 
dorfschen Methode haben in der Tat einige Forscher günstige Resultate erzielt, 
andere hingegen beobachteten ausgesprochene Reaktionen mit bedeutender Infiltration 
der Achseldrüsen. 


Unlängst hat Calmette, zusammen mit anderen Beobachtern, zur Tuber- 
kuloseimpfung die Aufschwemmung eines lebenden, virulenten Perlsuchtbazillus ver- 
wendet, der furch mehrjährige Züchtung auf mit Rindergalle getränkten Kartoffeln 
eine besondere Veränderung erfahren hatte; es hatte nämlich dieser Keim seine 
tuberkuligene Eigenschaft eingebüßt, während das antigene Vermögen unverändert 
erhalten geblieben ist. Wird der Bazillus auch in hohen Dosen empfänglichen Or- 
Be eingespritzt, so kommt es niemals zur Bildung übertragungsfähiger 

uberkel. Die Impfung mit diesem Keim schützt auf die Dauer eines Jahres 

junge Rinder und einige Affenarten (Anthropoide mit einbegriffen) von der spontanen 
oder experimentell erzeugten Tuberkulose. Den Meerschweinchen verleiht sie eine 
deutliche, aber nur kurze Zeit dauernde Risistenz. Die oben genannten Forscher 
haben Versuche an Kindern und Neugebornen tuberkulöser Mütter angestellt: 
während bei den Nichtgeimpften die Tuberkulosemortalität 25 Proz. betrug, sank 
sie bei den Schutzgeimpften unter 2 Proz. herab. Die Dauer der Immunität 
konnte noch nicht genau festgestellt werden. Es ist übrigens sehr zweifelhaft, ob 
ein in seiner biochemischen Beschaffenheit künstlich so stark modifizierter Keim 
zu wirklich günstigen Resultaten führen kann. Zum Schlusse sei noch der Fried- 
mannschen Methode Erwähnung getan, bei welcher zur Tuberkulose-Heilimpfung 
lebende Keime der Schildkrötentuberkulose angewendet werden. 


Im allgemeinen läßt sich sagen, daß fast sämtliche aus Tuberkelbazillen- 
kulturen stammenden Präparaten wegen ihrer Toxizität von den Kranken nicht 
immer gut vertragen werden, so daß schon nach den ersten Einspritzungen die 
Behandlung, wegen der zunehmenden Intensität der Reaktionen, unterlavcken werden 
muß. Versucht man daraufhin, mit besonderem Vorgehen die Toxizität der tuber- 
kulären Produkte zu vermindern, so erhält man Präparate, welche sich bei der 
Tuberkulosebehandlung wirkungslos erweisen. 


Das Leitprinzip der Paratuberkulose-Heilimpfung ist hingegen ein 
verschiedenes. In einer beträchtlichen Reihe von Untersuchungen, die 
während der letzten Jahre veröffentlicht wurden, konnte ich feststellen, 
daß bei Tieren, die einer Einspritzung mit Bazillen der Menschen- und 
Rindertuberkulose aus Organen oder Reinkulturen erlegen sind, häufig 
säurefeste Bazillen isoliert werden, die sich bei Temperaturen von 200 
bis 22° üppig zu entwickeln pflegen. Morphologisch zeigen sich diese 
Bazillen in jungen Kulturen von mittlerer Länge, in alten Kulturen 


Sanfelice, Paratuberkulose-Schutzimpfung und Heilung. 361 


hingegen erscheinen sie als zum Teil säurefeste Kokkus-Bazillen; in 
Strichkulturen auf Agar kommt es bei letzteren zur Bildung von 
orangegelben, korallenroten, oder zederngelben Belagen. Die Bazillen 
besitzen keine Sporen, sind unbeweglich und gramresistent. Die gleichen 
Paratuberkulosebazillen werden mit großer Häufigkeit aus dem Sputum 
von Lungentuberkulösen isoliert. Ich konnte im einer anderen Ver- 
suchsreihe zeigen, daß solche Paratuberkulosebazillen bei ihrer Passage 
durch den Tierkörper imstande sind, sich an das parasitäre Leben 
zu gewöhnen und eine Umwandlung in echte Tuberkelbazillen ein- 
zugehen. Es handelt sich demnach um Tuberkelbazillen, aus denen, 
der Reaktion des Organismus zufolge, Saprophyten geworden sind. 
Diese meine Befunde fanden ihre Bestätigung in den Untersuchungen 
von Kolle, Schloßberger und Pfannenstiel. In der Tat konnten 
diese Forscher bei einer Reihe von mit solchen säurefesten Bazillen 
gemachten Meerschweinchenpassagen beobachten, daß diese Mikro- 
organismen mit zunehmender Anpassung an den Meerschweinchen- 
körper an Virulenz gewinnen und sich in echte Tuberkelbazillen ver- 
wandeln. Mit den aus dem Sputum von Lungentuberkulösen, oder aus 
den Organen von an Tuberkulose verendeten Tieren isolierten Para- 
tuberkulosebazillen habe ich nun bei Meerschweinchen Schutz- und 
Heilungsversuche angestellt: 

Es erhielten dabei einige Tiere eine prophylaktische Einspritzung 
mit Paratuberkulosebazillen und wurden 15—30 Tage später mit 
menschlichen Tuberkelbazillen infiziert. Bei einer anderen Meer- 
schweinchengruppe wurden gleichzeitig auf der rechten Körperseite 
Paratuberkulosebazillen und links Keime der menschlichen Tuberkulose 
eingeführt. Eine 3. Gruppe von Meerschweinchen erhielt subkutan 
Bazillen der Menschentuberkulose, während einige Tage später Para- 
tuberkulosebazillen eingespritzt wurden. Die Resultate dieser Behand- 
lung waren folgende: während bei der 1. Gruppe die Kontrolltiere 
an diffuser Miliartuberkulose eingingen, überlebten die schutzgeimpften 
Meerschweinchen und zeigten bei der nach einigen Monaten vor- 
genommenen Tötung und Autopsie keine tuberkulären Läsionen. In 
der 2. Versuchsreihe verendeten die Kontrolltiere infolge einer all- 
gemeinen Tuberkulose, während die andern Meerschweinchen überlebten ; 
sie wurden nach einigen Monaten geopfert und erwiesen sich bei der 
Autopsie frei von tuberkulären Läsionen. Gleichartige Resultate ergab 
auch die 3. Versuchsreihe. 

Das Bestehen einer engen Verwandschaft zwischen Paratuberkulose- 
bazillen und Tuberkelbazillen findet übrigens auch eine Stütze in den 
unlängst von Ogawa veröffentlichten Untersuchungen. Zur Ent- 
fernung der Fettsubstanz hat dieser Forscher die säurefesten Bazillen 
nach der von v. Wassermann vorgeschlagenen Methode mit Azeton, 
Trichlorethylen und Tetralin behandelt, und zwar bis zum völligen 
Verschwinden der Säureresistenz. Er gewann auf diese Weise ein 
Antigen, das bei der Komplementbindung mit ‘Sera von Tuberkulösen 
die gleichen Reaktionen auslöste wie die, ebenso behandelten, aus 
echten Tuberkelbazillen erhaltenen Antigene. 

Auf Grund der bei obigen Versuchen erhaltenen Resultate schien. 
es mir gerechtfertigt, ein Tuberkulose-Vakzin herzustellen, zusammen- 
gesetzt aus Kulturen von Paratuberkulosebazillen, die aus dem Sputum 
von Lungentuberkulösen oder aus Organen von Tieren isoliert wurden, 


362 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


welche einer Behandlung mit Bazillen der menschlichen Tuberkulose 
erlegen waren. Aus begreiflichen Gründen habe ich bei der Her- 
stellung des Impfstoffes Kulturen von jenen Paratuberkulosebazillen 
bevorzugt, die ich am häufigsten im Sputum von Lungentuberkulösen 
und in den Organen von an Tuberkulose verendeten Tieren vorfand. 


Die Herstellung des Vakzins erfolgte in der Weise, daß zu Gly- 
zerinagarstrichkulturen — nach 10tägigem Verweilen bei Tem- 
peraturen von 15—18° C sterile physiol. Kochsalzlösung hinzugefügt 
wird. Nachdem mit Hilfe einer Platinnadel der Bakterienbelag in der 
Masse suspendiert worden ist, schüttelt man die Reagenzgläser und 
ergänzt den Inhalt von 4 Kulturen mit steriler physiol. Kochsalz- 
lösung bis auf ein Volumen von 250 ccm. Die so erhaltene, homogene 
Suspension wird hierauf auf Phiolen zu je 1 ccm verteilt. Mit dem 
Inhalt dieser Phiolen wird die 1. Injektionsreihe vorgenommen. 


Die zur 2. Versuchsreihe dienenden Phiolen erhält man aus der 
Suspension von 8 Kulturen in steriler physiol. Kochsalzlösung und 
füllt wiederum die Flüssigkeit mit physiol. Kochsalzlösung auf 250 ccm. 
auf. Die Phiolen sind vor dem Aufsaugen der Flüssigkeit kräftig 
zu schütteln, um die Suspension homogen zu gestalten. 

Als Injektionsstelle wählt man das subkutane Bindegewebe. Nach- 
dem man die 30—40 Injektionen der 1. Reihe ausgeführt hat, macht 
man eine 10—12tägige Pause, um hierauf die 2., aus einer gleichen 
Zahl von Einspritzungen bestehenden Reihe vorzunehmen. Die Be- 
handlung kann beliebig lange fortgesetzt werden, da das Paratuberkulose- 
vakzin niemals starke Reaktionen auslöst, sondern anstandslos von den 
Patienten vertragen wird. Nur nach den ersten Injektionen ist eine leichte 
Temperatursteigerung zu verzeichnen. Die subkutane Infiltration an 
der Injektionsstelle verschwindet ohne weiteres nach wenigen Tagen. 

Das Paratuberkulosevakzin fand bisher Anwendung bei vielen, mehr 
oder weniger fortgeschrittenen, aber noch nicht kavernösen Fällen 
von Lungentuberkulose, wobei die ersten Injektionen eine Temperatur- 
steigerung von höchstens 1° zur Folge hatten. Nach 15—20—30 Ein- 
spritzungen kam es in der Regel zum Abklingen des Fiebers, zum 
völligen Aufhören der Blutungen, zum Verschwinden des Hustens; 
die Zahl der Tuberkelbazillen im Auswurf nahm bedeutend ab, es 
verkleinerte sich die Ausdehnung des bronchopneumonischen Herdes, 
wie aus der Radiographie und Radioskopie ersichtlich war. Mehrere 
dieser Kranken blieben über 1 Jahr nach Beendigung der Kur in 
Beobachtung, ohne daß je ein Rezidiv zum Vorschein gekommen wäre. 

Der Paratuberkuloseimpfstoff diente auch zur Behandlung mehrerer 
chirurgischer Tuberkulosen. Ich berichte diesbezüglich nur über folgen- 
den, von Prof. Binaghi aus der Chirurgischen Klinik der Universität 
von Cagliari behandelten Fall. 


Es handelte sich um ein 20jähriges Mädchen, das am 24. 9. 1923 in die 
Klinik aufgenommen wurde. Die Anamnese ergab nichts von Bedeutung: die 
Krankheit begann mit einem typischen Anfall einer rechtsseitigen, fieberhaften 
Nierenkolik, die sich nach 1 Jahr wiederholte und mit spontanem Abgang eines 
kleinen Nierensteins und einer bedeutenden Menge Nierengries endete. Von da 
ab begann der Harn trüb zu werden und ‘blieb es in der Folge beständig. Die 
Kranke klagte über Schmerzen in der Nierengegend beiderseits; sie magerte zu- 
schends ab und bekam allabendlich Fieber. Die Gesamtmenge des Harns betrug 
in 24 Std. 1500 cem: Reaktion sauer, Eiweiß 1/4 %% Chloriire 5 Proz., Harn- 
stoff 12 9%. Der bakteriologische Nachweis des Tuberkelbazillus im Harn fiel 
negativ aus. Die Analyse des Harns der rechten Niere ergab: Chlorüre 5,20 Proz., 


Sanfelice, Paratuberkulose-Schutzimpfung und Heilung. 363 


Harnstoff 8 io. im Zentrifugat waren Tuberkelbazillen und viele Eiterselleu 
nachzuweisen. Im Harn der linken Niere: Chlorüre 5 Proz., Harnstoff 12 or 
die Prüfung des Zentrifugates fiel für den Kochschen Bazillus negativ aus. Aus 
der Radiographie ergab sich das Vorhandensein von Nierensteinen im Parenchym 
der rechten Niere. ie Diagnose lautete auf beiderseitige Nierentuberkulose, rechts 
kompliziert mit Lithiase Ae à Pyonephrose. 

Es wurde der chirurgische Eingriff beschlossen und rechtsseitig lumbal die 
Nephrolithotomie mit sofortiger Nephrothomie ausgeführt, da die radikale Operation 
kontraindiziert erschien. Auf diese Weise wurden .2 mittelgroße, phosphatische 
Nierensteine mit Harnkern freigelegt. Verlauf regelmäßig, wie es bei derartigen 
Fällen zu sein pflegt; allmählich reinigte sich der pyonephrosische Herd, es sank 
die Temperatur, während der Harn trüb blieb und auch die Krisen von Schmerz- 
anfällen auf der linken Seite sich wiederholten. Langsame Bildung einer lumbalen 
Harnfistel, die trotz aller Bemühungen weit klaffend blieb. 

Bei diesem Zustande wurde 8 Monate nach dem operativen Eingriff die 
Paratuberkuloseimpfung eingeleitet. Im ganzen wurden 50 Injektionen vorgenommen, 
und zwar 38 während der Monate März, April, Mai und Juni, und weitere 12 im 
August und September. Schon vom 1. Monat ab war eine allgemeine und lokale 
Besserung zu verzeichnen; die Kranke nahm an Gewicht wie an Energie zu, die 
Schmerzen in der Nierengegend mäßigten sich, das Fieber begann zu sinken und 
war weniger konstant, um vom 2. Monat ab ganz zu verschwinden. Die Lumbal- 
fistel, welche vor der Impfung mit leicht blutender, schlaffer Granulation bedeckt 
war, die beständig trüben Harn abtropfen ließ und jeder Auskratzung oder Kau- 
terisierung trotzte, reduzierte ihren Umfang schon am Ende des 1. Monats; sie 
wurde intermittent; reinigte sich hierauf nach und nach und bedeckte sich mit 
res gesunden Granulationsgewebe, das schlieBlich eine gute, dauernde Narbe 
ildete. 

Im Harn, der nach und nach klar wurde, waren am Ende des 2. Monats 
bereits keine Tuberkelbazillen mehr nachweisen; trotz häufiger und genauer Unter- 
suchung des Zentrifugats war und blieb der Befund auch fernerhin negativ. 

In den darauffolgenden 2 Monaten, während welchen die Behandlung ab- 
sichtlich unterbrochen wurde, traten nicht nur keine Krankheitserscheinungen mehr 
auf, sondern es war auch eine fortschreitende Besserung des Allgemeinbefindens und 
der Nierenfunktion zu beobachten. 

Gegenwärtig, es sind ca. 6 Monate verstrichen, seit die Fistel geschlossen ist, 
erfreut sich Patientin eines blühendes Befindens. 


Die hier beschriebenen Versuche und Beobachtungen berechtigen 
zu den Schlußfolgerungen: 


1) Der Paratuberkuloseimpfstoff eignet sich zur Behandlung der 
verschiedensten Lokalisierungen des Tuberkelbazillus und löst in den 
Patienten, selbst bei Erreichung der beträchtlichen Dosis von 1000 ccm, 
keine schädigende Wirkung aus. Es ist somit der Hauptanforderung 
Genüge geleistet, die einem Arzneimittel gestellt wird: jener der ab- 
soluten Unschädlichkeit. — 2) Bei der Behandlung der Lungen- 
tuberkulose im Anfangsstadium oder auch bei vorgeschrittenen Fällen 
bewirkt das Paratuberkulosevakzin das Verschwinden der wichtigsten 
“klinischen Erscheinungen, indem es die Ausdehnung des broncho- 
pneumonischen Herdes reduziert und den Tuberkelbazillenbefund im 
Auswurf gänzlich negativ gestaltet., — 3) Auf der chirurgischen 
Tuberkulosen, wie z. B. Nierentuberkulose, Tuberkulose der Wirbel- 
säule oder der Hoden, spezifische Lymphome, Gelenksynovitis tuber- 
kulärer Natur, kann der Paratuberkuloseimpfstoff mit Vorteil an- 
gewendet werden. — 4) Bei den Patienten, die der Paratuberkulose- 
impfung unterzogen wurden, waren niemals Stoffwechselstörungen zu 
beobachten. — 5) Geradeso wie die mit den Kochschen Bazillen 


364 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


immunisierten Tiere ein Serum liefern, welches viele säurefeste Keime 
agglutiniert, und umgekehrt die Sera von mit säurefesten Bazillen 
behandelten Tieren Tuberkelbazillen agglutinieren, so müssen sich im 
Menschen, der mit Paratuberkulosebazillen geimpft wird, lysische Anti- 
körper bilden, die imstande sind, den Tuberkelbazillus zu zerstören. 


“Modena, September 1926. 


Literatur. 


Ogawa, Untersuchungen über Complementbindung bei Tuberkulose (Zeitschr. 
f. Immunitätsf. Bd. 43. 1925.) — Sanfelice, Bacilli della tubercolosi e bacilli 
acido - resistenti. (Bollet. dell’Ist. Sieroter. Milano 1920.)— Ders., Intorno 
alla trasformazione dei bacilli acido-resistenti in bacilli della tubercolosi nell’ organismo 
animale. (Ann. d'Igiene. 1921.) Kolle, Schloßberger u. Pfannenstiel, 
Ueber das Verhalten säurefester sogenannter saprophytischer Bakterien nach längerem 
Verweilen in Warmblüterorganismen. (Arb. a. d. Staatsinstit. f. exp. Therap. 1921.) 


Nachdruck verbolen. 


Tierversuch und Kulturverfahren zum Nachweis von 
Tuberkelbazillen im Sputum. 


[Aus dem Hygienischen Institut der Universität Königsberg (Stellvertr. 
Dir.: Prof. Dr. Hilgers).] 


Von Dr. Fr. Schmidt, Assistent am Institut. 


Die Züchtung des Tuberkelbazillus auf unseren Laboratoriumsnähr- 
béden galt seit seiner Entdeckung als eine schwierige Aufgabe der 
Bakteriologie. Sehr zahlreich sind daher die Versuche, das Nährsub- 
strat für den Tuberkelbazillus zu modifizieren. 


So führte schon Robert Koch das Rinderserum ein, Nocard und 
Roux bedienten sich des Glyzerins als Nährbodenbestandteil Pawlowski ver- 
wandte die Kartoffel, mehrere englische Autoren das Tierserum, Dorset und 
später Lubenau den Eiernährboden, Isabolinsky und Gibowitch Stier- 
hoden, Schiller Glyzerin mit Glykose, Besredka einen flüssigen Hühner- 
eiweißnährboden, Petroff einen Eiernährboden mit alkoholischer Gentianaviolett- 
lösung, Zechnowitzer einen Eiernährboden aus Hühnerei mit Glyzerin, Weise 
und Fernbach Eigelbwasser. Schon die große Anzahl der Nährmedien läßt 
erkennen, daß keiner von ihnen sich allgemeine Anerkennung zu verschaffen ver- . 
mochte. Alle diese Methoden blieben auf ihre Autoren und einige Nachuntersucher 
beschränkt. 

Einen bedeutenden Schritt weiter brachten uns die Arbeiten von Loewen- 
stein (1) und Sumiyoski (2), die zwecks Abtötung der Begleitbakterien die 
zu untersuchenden Medien mit starken Säuren, vor allem Schwefelsäure behandelten. 
Mit dieser Methodik konnte Sumiyoski bei Benutzung fester Kartoffelnährböden 
mit Glyzerinzusatz als Nährsubstrat ausgezeichnete Erfolge erzielen. Pesch und 
Simchowitz (3) prüften dieses einfache und bequeme Verfahren nach und konnten 
bei mikroskopisch positivem Material in 96 Proz. die Tuberkelbazillen züchten. 


Die Frage, ob man die kulturelle Züchtung der Tuberkelbazillen 
auf festen Kartoffelnährböden vorziehen soll oder der Meerschweinchen- 


Schmidt, Tierversuch u. Kulturverfahren z. Nachweis von Tbz. im Sputum. 365 


versuch empfindlicher ist, lassen die beiden letzten Autoren offen. 
Dieses festzustellen, sollte als Aufgabe in der vorliegenden Unter- 
suchung betrachtet werden. 


Außer dem Kartoffelnährboden verwandte ich noch den Eiernähr- 
boden nach Lubenau (4), wobei ich mir die Methodik zu eigen zu 
machen suchte, wie sie in der Zusammenstellung von Kahlfeld und 
Wahlfisch (5) zu finden ist und neuerdings von Hohn (7) durch 
umfassende Untersuchungen geprüft und verbessert wurde. Es wurden 
nur frische Eier verwandt. Die „natursaure“ Bouillon wurde auf einen 
pH von 6,4—6,6 eingestellt, da nach den Angaben von Hohn die 
Tuberkelbazillen ein bedeutend früheres und stärkeres Wachstum zeigen 
als bei Verwendung von alkalischer Bouillon; das Wachstumsoptimum 
der Tuberkelbazillen liegt nach der sauren Seite. 


Als künstliches Kondenswasser wurde in jedes Röhrchen 0,5 ccm 
natursaure Bouillon mit einer Pipette zugegeben, da die Eiernährböden 
nur winizige Mengen von Kondenswasser .auspressen, eine Züchtung des 
Tuberkelbazillus auf trockenem Nährmedium aber nicht gelingt. Nach 
der Prüfung auf Sterilität wurden die Röhrchen mit dem verdächtigen, 
wie unten angegeben, hergerichteten Material beimpft. 


Der Kartoffelnährboden wurde nach der Angabe von Pesch und 
Simchowitz (6) in der Weise hergestellt, daß frische, gut gereinigte, 
ungeschälte Kartoffeln 2 Std. in Sublimat und darauf zur Neutralisation 
in Ammoniumsulfat gebracht wurden. Nach gründlicher Waschung 
mit Leitungswasser wurden etwa 1 cm breite und dicke und etwa 5 cm 
lange Kartoffelschnitzel hergestellt, diese in Reagenzröhrchen gebracht, 
mit 1 ccm eine 5proz. Glyzerinlösung versetzt und dann im Auto- 
klaven sterilisiert. Nach der Sterilitätsprüfung wurden die Röhrchen 
in einem dunklen, kühlen Raum bis zur Benutzung aufbewahrt. Röhr- 
chen, deren Inhalt älter als 2 Wochen war, wurden nicht mehr benutzt. 


Als Untersuchungsobjekte nahm ich ausschließlich Sputa. Die 
Menge jeden Sputums wurde in 3 gleiche Teile geteilt. Das eine Drittel 
wurde mit 10 ccm einer 10proz. Schwefelsäure versetzt, da nach 
Angabe von Hohn (7) diese Menge und Konzentration zur Abtötung 
auch der widerstandsfähigsten Begleitbakterien genügt, anderseits die 
Tuberkelbazillen in ihrer Vitalität keineswegs schädigt. Nach 20 Min. 
langer Einwirkung der Schwefelsäure wurde das Sputum zentrifugiert 
und dann auf je 4 Eiernährböden gebracht, und zwar so, daß das 
Zentrifugat bis auf 2 ccm ‘der sich im unteren Ende des Zentrifugen- 
röhrchens befindenden Versuchsflüssigkeit weggetan und von diesen 
2 ccm auf jedes Röhrchen 0,5 ccm des zu untersuchenden Materials 
verimpft wurden. 

Dem 2. Drittel desselben Sputums wurde nach Pesch und 
Simchowitz (6) 1 ccm einer 20proz. Schwefelsäure zugegeben. 
Auch dieser Teil wurde dann !/, Std. lang unter wiederholtem Um- 
schütteln der Einwirkung von Schwefelsäure ausgesetzt, dann zentri- 
fugiert, das Sediment mit steriler 0,85proz. Kochsalzlösung gewaschen, 
erneut zentrifugiert und im ganzen 4mal so behandelt. Von dem Sedi- 
ment wurde darauf eine Kontrolle gefärbt und eingehend mikroskopisch 
untersucht. Erwies sich das Sputum als negativ, wurde vom Sedi- 
ment etwas auf Aszitesagar ausgestrichen und eine Weiterverarbeitung 
auf je 4 Kartoffelnährbodenröhrchen nur dann vorgenommen, wenn 


366 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


die Probe nach 24stünd. Bebrütung steril geblieben war. Die beimpften 
Röhrchen wurden in den Brutschrank gestellt. 

Das letzte Drittel versetzte ich zur Abtötung der Begleitbakterien 
ebenfalls mit 2—3 ccm einer 20proz. Schwefelsäure, ließ 1/, Std. 
stehen, wusch das Sediment 4mal und legte eine Sterilitätsprobe auf 
Aszitesagar an. Waren keine Begleitbakterien gewachsen, wurde das 
Sediment, welches nach 4maligem Waschen immer noch stark sauer 
reagierte, neutralisiert und in einer Menge von 1 ccm einem Meer- 
schweinchen subkutan in die linke Kniefalte injiziert. 

Nachdem die Brauchbarkeit der oben besprochenen Nährmedien 
an 50 mikroskopisch positiven Sputa erprobt und bei Eiernährböden 
in 96 Proz. und bei Kartoffelnährböden in 92 Proz. der Fälle positive 
Resultate erzielt worden waren, verarbeitete ich nur solche Sputa, die 
auch nach Antiforminanreicherung sich einwandfrei als negativ er- 
wiesen hatten. Dabei wurde streng darauf geachtet, daß der klinische 
Befund das Vorhandensein eines sicher tuberkulösen Lungenprozesses 
ergab. Die Anzahl der so untersuchten Fälle betrug 40, mehr Sputa 
zu untersuchen, war aus äußeren Gründen nicht möglich. 

In der folgenden Zusammenstellung finden sich die Ergebnisse der 
untersuchten Sputumproben: 


Im Tierversuch und in der Kultur waren negativ 28 Sputa 


” non ” n e] sitiv 6 à 
davon: a) auf Eier- und Kartoffelnährböden 5 
b) „ Eiernährboden allein 1 Sputum 


Nur 1mal fanden sich auf dem Eiernährboden Tuberkelbazillenkolonien, während 
der Kartoffelnährboden steril geblieben war. 


Im Tierversuch positiv und in der Kultur negativ waren dementsprechend: 
a) auf Eiernährboden 5 Sputa 
b) „ Kartoffelnährboden 6 , 


Im Tierversuch negativ und in der Kultur positiv waren: 
a) auf Eiernährboden 1 Sputum 
b) , Kartoffelnährboden Ys 


40 mikroskopisch negative Sputa waren also im Tierversuch in 
11 Fällen positiv, in der Kultur waren auf dem Eiernährboden 6mal 
und auf der Kartoffel gleichzeitig bei denselben Auswurfproben 5mal 
Tuberkelbazillen gewachsen. Nach diesen Ergebnissen ist also der Tier- 
versuch empfindlicher als die Kultur und ergibt rein zahlenmäßig 
eine größere Ausbeute. 

Was die Zeitdauer anbetrifft, ist allerdings die Kultur dem Tier- 
versuch durchaus überlegen. Auf dem Eiernährboden zeigten sich die 
ersten Kolonien bereits am 10. Tage, die längste Dauer bis zum Auf- 
treten der makroskopisch sichtbaren Kolonien war 28 Tage. Der 
mittlere Durchschnitt für den Wachstumsbeginn sämtlicher auf dem 
Eiernährboden gewachsener Kolonien betrug 18,6 Tage. Auf dem 
Glyzerinkartoffelnahrboden waren die entsprechenden Zahlen 13 und 
52, der mittlere Durchschnitt 31,2 Tage. Die Tuberkelbazillen zeigten 
also auf der Glyzerinkartoffel dem Eiernährboden gegenüber ein be- 
deutend verlangsamtes Wachstum. Befunde, die mit den Angaben von 
Hohn übereinstimmen. 

Der einzige Vorteil der Kartoffelnährböden besteht vor allem in 
der Billigkeit, ferner ist es nicht immer leicht, namentlich im Winter, 
sich frische Eier zu verschaffen. 


Schmidt, Tierversuch u. Kulturverfahren z. Nachweis von Tbz. im Sputum. 367 


Das Aussehen der Kolonie stimmt mit den Angaben von Sumi- 
yowski überein. Entsprechend dem mikroskopisch negativen Material 
waren nur ganz vereinzelte, meist stecknadelkopfgroße, trockene Ba- 
zillennester auf den Nährböden gewachsen. 


In einem Falle ergab der Tierversuch ein negatives Resultat, 
während sowohl auf dem Eier- wie auch auf dem Kartoffelnährboden 
Kulturen von Tuberkelbazillen gewachsen waren. Die Tuberkelbazillen- 
kolonien wurden auf dem Eiernährboden am 18. Tage, auf dem Kar- 
toffelnährboden am 17. Tage makroskopisch sichtbar. Eine Weiter- 
impfung dieses Stammes habe ich nicht vorgenommen, so daß die 
Frage, ob es sich um einen säurefesten Saprophyten oder um einen 
für Menschen apathogenen Stamm des Typhus humanus oder vielleicht 
um einen Geflügeltuberkelbazillus handelt, offen bleiben muß. Daß 
auch beim Menschen Tuberkelbazillen des Typus gallinaceus tuber- 
kulöse Veränderungen hervorrufen können, war schon nach den Er- 
fahrungen von Kruse und Pansini wahrscheinlich. 


Sumiyowski kommt auf Grund von Virulenzstudien zu dem 
Schluß, daß es zweifellos Stämme des Typus humanus gibt, die für 
Meerschweinchen nicht pathogen sind. 


Die in der Literatur vorhandenen Angaben über die Züchtung des 
Tuberkelbazillus auf Kartoffelnährboden nach Vorbehandlung mit dem 
Verfahren von Loewenstein stimmen mit den hier gewonnenen Er- 
gebnissen überein. Obwohl viele Autoren, so Isabolinski und 
Gitowitsch (8) meinen, der Eiernährboden eigne sich mehr für 
die Weiterzüchtung einmal gewonnener Reinkulturen, sei aber zur Rein- 
züchtung von Tuberkelbazillen ungeeignet, konnte ich in der vor- 
liegenden Untersuchung die Auffassung Hohns von der Brauchbarkeit 
des Eiernährbodens auch zur Gewinnung der primären Kultur durchaus 
bestätigen. Die Züchtungsergebnisse in meiner früheren Arbeit mit 
Sylla (9), die nicht die gleichen Ergebnisse ergab, sind wohl der noch 
mangelnden Technik, sodann wohl auch der Tatsache zuzuschreiben, 
daß die von Hohn in seiner später erschienenen Arbeit angegebenen 
Kautelen noch nicht befolgt wurden. Andererseits ist nach meinen Er- 
fahrungen die Art der Vorbehandlung des zu untersuchenden Materials 
für das Wachstum der Bakterien nicht belanglos. Die Vernichtung 
der Begleitbakterien mit hochprozentiger Natronlauge scheint im Gegen- 
satz zu den Beobachtungen von Sumiyowski auf die Tuberkelbazillen 
einen schädigenden Einfluß auszuüben, indem zwar die Bakterien nicht 
abgetötet, aber in ihrer Lebenskraft derart geschädigt werden, daß ein 
Wachstum der ohnehin schon spärlich vorhandenen Bazillen verhindert 
wird. Die Untersuchungen Loewensteins und Sumiyowskis be- 
deuten also für die Züchtung der Tuberkelbazillen einen großen Fort- 
schritt. Die störenden Einflüsse der Begleitbakterien sind mit einem 
Schlage beseitigt, die Methodik ist einfach, handlich, für jedermann 
leicht erlernbar. Das Kulturverfahren ist ferner billig und führt in 
einem Teil der Fälle in kürzerer Zeit ‘zum Ziele als der teure und 
länger dauernde Tierversuch. Für das Kulturverfahren spricht ferner 
die Tatsache, daß es menschenpathogene Stämme gibt, die für Meer- 
schweinchen apathogen sind und daher auf diesem Wege diagnostisch 
nicht erfaßt werden können. 

Die durch meine Vergleiche erwiesene größere Sicherheit des 
Nachweises liegt aber auf seiten des Tierversuchs. Die Verimpfung 


368 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


des verdächtigen Materials auf Meerschweinchen ist auch heute noch 
wie in den Tagen Robert Kochs das empfindlichste Reagens auf 
Tuberkelbazillen und sollte überall da angewandt werden, wo es auf 
Zeit und Geld nicht ankommt. Am zweckmäßigsten ist die Heran- 
ziehung der Kultur neben dem Meerschweinchenversuch, denn die An- 
wendung beider Verfahren garantiert die höchste Sicherheit mit dem 
Vorteil einer möglichst frühzeitigen Diagnosestellung. 


Zusammenfassung. 


1) Es wurden 40 mikroskopisch negative Sputa nach Vorbehand- 
lung mit Schwefelsäure zur Abtötung der Begleitbakterien auf Kar- 
toffelnährböden mit Glyzerinzusatz und Eiernährböden verimpft und 
mit demselben Material ein Meerschweinchenversuch angesetzt. — 
2) Der Tierversuch ergibt 11, der Eiernährboden nur 6 und der Kar- 
toffelnährboden nur 5 positive Resultate. In einem Falle wuchsen auf 
beiden Nährmedien Tuberkelbazillenkolonien, während der gleichzeitige 
Tierversuch ein negatives Resultat ergab. — 3) Der Meerschweinchen- 
versuch ist auch heute noch der sicherste Weg zur Diagnosestellung 
der Tuberkulose. Die Kultur hat ihm gegenüber den Vorteil der Billig- 
keit und des schnelleren Wachstums. — 4) Erstrebenswert ist die An- 
wendung des Tierversuches neben den Kulturverfahren. 


Literatur. 
1) Loewenstein, Zeitschr. f. Tuberk. Bd. 7. S. 491 und Wien. klin. 
Wochenschr. 1925. Nr. 29. — 2) Sumiyoski, Zeitschr. f. Tuberk. Bd. 39. 


1924. S. 333; Bd. 40. S. 338. — 3) Pesch u. Simchowitz, Münch. med. 
Wochenschr. 1925. S. 1592. — 4) Lubenau, Hyg. Rundsch. 1907. S. 1455. — 
5) Kahlfeld u. Wahlisch, Nährbodentechnik. (Wien, Urban und Schwarzen- 
berg). — 6) Pesch u. Simchowitz, Lc — 7) Hohn, Centralbl. f. 
Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 98. S. 460. — 8) Isabolinsky u. Gitowitsch, 
Ibid. Bd. 94. H. 5. — 9) Schmidt u. Sylla, Zeitschr. f. Tuberk. Bd. 45. 
H. 5. — 10) Hohn, L c. 


Gerbasi, Bakt. Untersuchung über einige Stämme d. Strept. meningea. 369 


Nachdruck verboten. 


Bakteriologische Untersuchung über einige Stämme der 
Streptothrix meningea. 


[Aus der Kgl. Universitätskinderklinik zu Palermo 
(Dir.: Prof. G. Di Cristina).] 


Von Dr. Michele Gerbasi, Assistenten. 


Bereits 1915 sind in den Kinderkliniken von Palermo und Neapel 
und späterhin in der von Rom einige auf einem besonderen Keim be- 
ruhende Fälle von eitriger Meningitis beschrieben worden, der nach 
den in der Zerebrospinalflüssigkeit und in den Kulturen aufgewiesenen 
Eigenschaften zur Klasse der Streptotricheen gehört und bezüglich 
der morphologischen und kulturellen Eigenschaften der großen Familie 
der Trichobakterien entspricht, bei der 4 Gattungen: Actinomyces, 
Streptothrix, Cladothrix und Leptothrix unterschieden wer- 
den, unter denen sich auch für Menschen und Tiere pathogene Arten 
und saprophytische Arten befinden. 


Doch kann die Klassifizierung der verschiedenen, zu dieser Gruppe 
gehörigen Formen nicht absolut und streng durchgeführt werden, da 
Formen mit nicht genau bestimmten Eigenschaften vorkommen. Ebenso- 
wenig sind die von den verschiedenen Klassifikatoren vorgeschlagenen 
Benennungen derart, daß dadurch die Frage geklärt würde, so daß 
dieNamen Cladothrix, Streptothrix, Actinomyces nicht immer 
zur Unterscheidung der verschiedenen Stämme voneinander dienen. 

Einige amerikanische Autoren fassen, obwohl sie die Ungenauigkeit 
des Ausdruckes anerkennen, die Fadenformen in die Gruppe Strepto- 
thrix-Nocardia-Actinomyces zusammen. In diese Kategorie 
wurde neuerdings von Anna Williams auch ein von Eppendorf- 
Neal aus einem Fall von eitriger Meningitis isolierter Stamm ein- 
gereiht. 

Wright (bei Eppendorf-Neal) reserviert den Namen Nocardia 
für jene Bakterienformen dieses Typus, die sich aérob entwickeln, in 
den Läsionen keine an den Enden geschwollene Formen geben, gram- 
positiv sind und mehr oder weniger Säure bilden. Actinomyces 
nennt er die Stämme, die in den Läsionen an den Enden geschwollene 
Formen geben, sich schwer und mehr oder weniger in Anaérobiose 
entwickeln und gram-amphoter sind. 

In der neuerlichen von der amerikanischen bakteriologischen Ge- 
sellschaft vorgeschlagenen Klassifizierung wurde die Bezeichnung No- 
cardia ausgeschaltet, und die bisher mit diesem Namen bezeichneten 
Formen wurden der Gattung Actinomyces zugeteilt. 

In der Literatur liegen keine eingehenden Untersuchungen über 
die aus den Hirnhäuten isloierten Stämme vor; einige Eigenschaften 

Erste Abt. Orig. Bd. 101. Heft 6/7. 24 


370 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


sind von Rutelli, Sindoni, Kharina-Marinucci, Fabris 
sowie Eppendorf-Neal studiert worden. 


Rutelli beschreibt die morphologischen und kulturellen Eigenschaften des von 
ihm isolierten Keimes. Er fand dünne, längliche Stäbchenformen mit granulärer 
Struktur von verschiedener Länge. In den Kulturen finden sich lange Formen 
ohne charakteristische Anordnung mit den gleichen strukturellen Eigenschaften. Sie 
wuchsen aérobisch auf Blutnährböden spärlich und nach 24 Std. bildete sich eine 
dünne, graue, leicht ablösbare, feinkörnige Kulturpatina aus. ' 

Die gleichen Eigenschaften wurden von Sindoni beschrieben, die außerdem 
die von ihr isolierten Stämme gramnegativ fand, ohne nach der Methode von 
Neißer-Kühne färbbare Granula. Diese Keime ähnelten sehr dem Diphtherie- 
bazillus; sie entwickelten sich nur in festen Nährböden mit Blutzusatz. Alle Stämme 
waren mit geringer Lebensfähigkeit ausgestattet; sie starben bei 45° in 20 Min. 
ab. Bei den Kranken riefen sie keine Immunkörperbildung hervor. Für Tiere 
waren sie nicht pathogen. 

Fonzo fand nahezu identische kulturelle Eigenschaften. Außerdem war die 
Inokulation von 1 ccm Zerebrospinalflüssigkeit der Patientin bei Meerschweinchen 
wirkungslos. 

Kharina-Marinucci beschreibt einen Stamm, der sich sofort nach der 
Isolierung in Bouillon mit Glyzerinzusatz unter Tipeksabildung am Boden ent- 
wickelte. Auf Blutagar gab er nach Bordet-Gengou Entwicklung einer zarten, 
einer feinsten Tauschicht ähnlichen Patina; auf Agar mit Glyzerinzusatz wurde 
keine Entwicklung erhalten. Im hängenden Tropfen zeigten sich die Keime in 
langen, wenig beweglichen Fäden angeordnet. Zweckmäßig gefärbt, zeigten sie sich 
als dünne Bazillen von verschiedener, zwischen 3—8 p schwankender Länge, gerade 
oder gekrümmt. Sie wiesen abwechselnd hypo- und hyperchromatische Zonen ohne 
Granula auf und waren nicht säurebeständig. Derselbe Stamm brachte ein Kanin- 
chen nach peritonealer Einimpfung zum Exitus. Meerschweinchen eingespritzt, rief 
es Drüsenanschwellungen mit einem Verkäsungsvorgang ähnlicher Verflüssigung her- 
vor. Verf. stellt den Keim der von Eppinger, Sabrazés und R uer untersuchten 
Cladothrix an die Seite. 

Fabris beschreibt bei einem Meningitisfall mit klarem Liquor verschieden 
lange, verzweigte, gramnegative Bakterienformen mit hyperchromatischen Zonen. 
Züchtungen in aéroben Nährmedien gelangen nicht, solche in Anaérobiose konnten 
nicht hergestellt werden. 

Der von Eppendorf-Neal isolierte und beschriebene Stamm war zum 
Unterschied von den von italienischen Autoren studierten streng anaérob. 


Ich muß darauf hinweisen, daß vor einigen Jahren im Anschluß 
an eine Arbeit amerikanischer Autoren die Möglichkeit erwogen wurde, 
daß die von den Italienern gesehenen und beschriebenen Stämme 
besondere Formen des Pfeifferschen Bazillus seien. Diese Hypo- 
these ist von Fonzo und auch von mir in einer früheren Mitteilung 
behandelt worden, so daß ich ein weiteres Eingehen darauf für über- 
flüssig halte. 


Da keine eingehenderen Untersuchungen über die Eigenschaften 
dieses Keimes vorliegen, hielt ich es für nützlich, die morphologischen, 
kulturellen und biologischen Eigenschaften von 6 Streptothrix- 
Stämmen zu studieren, die in der Kinderklinik von Palermo isoliert 
wurden. Sie stammten aus der Zerebrospinalflüssigkeit von Patienten 
mit eitriger Meningitis cerebrospinalis und zeigten in der Zerebro- 
spinalflüssigkeit und sofort nach Isolierung die bereits von Rutelli. 
Sindoni und Fonzo beschriebenen Eigenschaften. Sie traten als 
verschieden lange, diskontinuierlich gefärbte, an den Enden nicht ge- 
schwollene Bazillen mit verschiedenartiger, zuweilen V-förmiger An- 
ordnung auf, so daß sie durch diese Eigenschaft dem Loefflerschen 


Gerbasi, Bakt. Untersuchung über einige Stämme d. Strept. meningea. 371 


Bazillus sehr ähnelten. Sie waren schwer färbbar und wurden in 
Nährböden mit Blut gehalten. Bei Beginn vorliegender Untersuchungen 
waren sie bereits seit langer Zeit im Zustande des Saprophytismus ge- 
wesen und hatten zahlreiche Passagen in den Kulturböden durch- 
gemacht. 


1. Morphologische und kulturelle Eigenschaften. 


Die Entwicklung der Stämme wurde aérobisch und anaérobisch 
in flüssigen und festen Nährmedien versucht. Als anaérobe Nähr- 
böden wurden verwendet der nach Tarozzi-Noguchi und ein 
anderer, der folgendermaßen hergestellt wurde: In Röhrchen mit eın- 
fachem Agar (3 ccm), die lange Zeit im Kochen gehalten worden 
waren, wurde 1 ccm hämolysierter roter Blutkörperchen vom Kanin- 
chen und 1 ccm Blutserum desselben Tieres hinzugegeben. Darauf 
wurde rasch zum Erkalten gebracht und nach dem Erstarren ca. 
1 ccm Vaselinöl hinzugefügt. Die Beschickung geschah durch Ein- 
stich bei absoluter Anaérobiose in einem ziemlich durchsichtigen Nähr- 
boden, in dem sich die Streptothrix gut entwickelte. Beobachtet, 
wurden die Keime im frischen Zustand, im hängenden Tropfen oder 
an gefärbten Präparaten (einfache Färbung, Verfahren von Gram, 
Ziehl-Neelsen und Neißer-Kühne). 

In einfachem Agar, Agar mit Glyzerinzusatz, einfacher Bouillon 
mit Peptonzusatz, Bouillon mit Glyzerinzusatz, Brocaschem Nähr- 
boden mit Peptonzusatz wurde auch nach mehreren Tagen der In- 
kubation im Brutschranke bei 370 keine Entwicklung erhalten. 

In Blutagar und dem Nährboden von Nicolle-Neal-Novy 
wurde nach 24—48 Std. eine ziemlich gute Entwicklung mit Bildung 
einer dünnen Patina von schwach graulicher Farbe mit scharfen 
Rändern, feuchter, feinkörniger Oberfläche erhalten. Die einzelnen 
Kolonien waren rund, stecknadelspitzengroß, an der Oberfläche nicht 
sehr erhaben. Auf dem Petroffschen Nährboden wurde ohne Glyzerin- 
zusatz nach 24 Std. üppige Entwicklung erhalten, auf Aszitesagar 
aber spärliche nach 48 Std. mit den bereits beschriebenen Eigenschaften. 
In Blutbouillon bekam man Entwicklung, die nach 48 Std. mit schwacher 
Trübung der Flüssigkeitssäule und darauffolgender Hämolyse einsetzte. 
Nach 5 oder 6 Tagen wurde die Nährflüssigkeit wieder klar, und 
‘die entwickelten Keime setzten sich am Boden oder auf der Wand 
des Röhrchens ab. 

In Aszitesbouillon entwickelten sich nur 2 Stämme (I u. II), 
die nach 2 oder 3 Tagen eine geringe Trübung gaben, die in den folgen- 
den Tagen nur wenig zunahm. Die anderen Stämme entwickelten 
sich nicht. 

In Serumbouillon zeigte sich anfängliche Entwicklung nach 48 Std. 
mit leichter Trübung und Bildung eines spärlichen, schleimartigen 
Sedimentes am Boden des Reagenzglases. 

"In Bouillon mit Traubenzuckerzusatz entwickelten sich sämtliche 
Stämme nach 3 Tagen unter Bildung einer leichten Trübung der 
Flüssigkeitssäule. 

Im Tarozzi-Noguchischen Nährboden (ohne Vaselinöl und 
nicht absolute Anaérobiose) zeigte sich nach 48 Std. diffuse Triibung 

24* 


372 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


des Substrates, die in den folgenden Tagen zunahm und schließlich be- 
trächtlich wurde. 


In demselben Nährmedium mit einer Schicht Vaselinöl darüber 
begann die Trübung nach 4 oder 5 Tagen um das Organstiickchen 
des Substrates herum, breitete sich nach oben hin aus und erreichte 
die gleiche Intensität wie in den Röhrchen bei relativer Anaérobiose. 
Einige Stämme bildeten an der Oberfläche der Kulturflüssigkeit unter 
dem Vaselinöl ein dünnes Häutchen. 


Bei dem von mir zur anaöroben Züchtung hergestellten festen 
Nährboden wurde durch Einstich beschickt. Nach 48 Std. trat schwache 
Entwicklung längs des Einstiches und dünne Patina an der Grenze 
zwischen Vaselinöl und Agar auf. 

Bei Beobachtung der Präparate im hängenden Tropfen, die aus 
jungen Kulturen (24—48 Std. alt) in flüssigen Nährböden hergestellt 
waren, fanden sich unbewegliche Bazillen, isoliert oder in Haufen ohne 
charakteristische Anordnung. Sie waren von mittlerer Länge (1/, bis 
1 des Durchmessers eines roten Blutkörperchens), bestehend aus 2—5 
kleinen, länglichen, glänzenden Segmenten, die mit nicht lichtbrechenden 
Abschnitten abwechselten. Selten wurden Formen mit stärker an- 
geschwollenem polaren Granulum wahrgenommen. 


Der gleiche Befund wurde an Stägigen Kulturen erhalten. An 
sehr alten (20 Tage) wurden seltene rundliche Elemente, die wie 
dicke Kokken aussahen, wahrgenommen. 


Bei Untersuchung der mit alkalischem Loefflerschen Blau ge- 
färbten Ausstriche fanden sich Bazillen mittlerer Länge (4—7 u), 
bestehend aus sehr intensiv gefärbten Segmenten. die mit fast voll- 
ständig farblosen Äbschnitten abwechselten. Einige Bazillen zeigten 
geschwollene Enden. Häufig war V-förmige und palisadenartige An- 
ordnung bei jungen (2—5 Tage alten) Kulturen; an alten Kulturen 
wurden neben Bazillenformen, die eine deutliche granuläre Struktur 
annahmen, so daß sie wie Kokkenkettchen aussahen, diplokokken- 
artige Formen und andere isolierte, vollkommen rundliche Formen, 
wie sehr dicke Kokken, beobachtet. 

Das mikroskopische Aussehen der Kulturen war bei den ver- 
schiedenen Stämmen nahezu gleich. Nur der Stamm V bestand aus 
sehr langen Bazillen (ungefähr doppelt so lang als die übrigen). 

Verzweigte Formen wurden niemals beobachtet. Alle Stämme 
waren mit Methylenblau schwach färbbar. Besser färbten sie sich mit 
Fuchsin und nahmen nach Beizung gut die Farbe an (Loefflersches 
Blau, Nicollesche Flüssigkeit, Zi ehlsches Fuchsin). 

Sie waren weder säure- noch alkoholbeständig, aber grampositiv. 
Nach dem Neißer-Kühneschen Verfahren wurde an den jungen 
Kulturen die Doppelfärbung nicht nachgewiesen. 

Sie waren keine Sporenbildner. 


2. Biologische Eigenschaften. 


Untersucht wurden die biochemischen Eigenschaften (Vergärung 
von Traubenzucker, Livulose, Galaktose, Maltose, Laktose, Saccharose, 
Koagulation der Milch), das antigene, das pathogene Vermögen für 
Versuchstiere, die eventuelle Toxinbildung in den flüssigen Nährböden. 


Gerbasi, Bakt. Untersuchung über einige Stämme d. Strept. meningea. 373 


Die fermentativen Eigenschaften für Zuckerarten wurden unter- 
sucht, indem ich die Stämme in Bouillon mit Kaninchen -Serum 
vegetieren ließ, der als Indikator Lackmustinktur zugesetzt worden war. 

Die Immunisierung der Kaninchen erfolgte durch intravenöse In- 
okulation steigender Mengen bei 55° abgetöteter Kulturen. 

Zum Nachweis der Toxinbildung wurden der Tarozzi-Noguchi- 
sche und der Di Cristinasche Nährboden ohne Vaselinöl benutzt, 
in denen sich die Stämme üppig entwickelten. Die Kulturen wurden 
10—17 Tage lang bei 37° gehalten und dann durch Chamberland- 
Kerzen L, filtriert. Die so erhaltene, auf ihre Sterilität nachgeprüfte 
Flüssigkeit wurde in farbigen Flaschen unter Toluol aufbewahrt. 
Zur Feststellung der Anwesenheit von Toxin und zur Virulenzprüfung 
der verschiedenen Stämme wurden junge Meerschweinchen und Kanin- 
chen benutzt, die aus unserer Zucht stammten und somit mutmaßlich 
frei von spontanen Krankheiten waren. Die Versuchstiere wurden täg- 
lich beobachtet. Bei einem jeden verendeten Tiere wurden sorgfältige 
Sektion und Kontrolleinimpfungen in ‚gewöhnliche Nährböden sowie 
solche mit Blut vorgenommen. Die Einimpfung der filtrierten Flüssig- 
keiten erfolgte subkutan. Die 48 Std. alten, auf festen Nährböden 
entwickelten, lebenden Kulturen wurden in physiol. Kochsalzlösung 
suspendiert und intraperitoneal, intravenös und subdural injiziert. 

a) Biochemische Eigenschaften. Alle Stämme spalteten 
von den untersuchten Zuckersorten allein, und zwar nur teilweise, 
Traubenzucker und Galaktose, Milch brachten sie nicht zum Gerinnen. 

b) Antigenes Vermögen. Bei intravenöser Einimpfung von bei 
550 abgetöteten Kulturen in von 100 Millionen Keimen an steigender 
Menge wurde bei Vornahme von wöchentlich 2 Injektionen nach 5 bis 
6 Injektionen ein an Agglutininen und Ambozeptoren reiches Serum 
(Agglutinationstiter 1:2000; Ambozeptor 0,05 ccm) erhalten. 

Die Stämme zeigten keine merklichen Unterschiede im Verhalten. 
in Gegenwart der verschiedenen Immunsera; nur Stamm V war geringer 
agglutinierbar (1:200). 

Es ist zu bemerken, daß der Immunisierungsvorgang zuweilen mit 
schwerem Kräfteverfall der Tiere einherging, und daß einige unter 
Anzeichen von Kachexie (Hypotrophie der Organe, seröse transsudative 
Ergüsse in Abdomen und Thorax) verendeten. 


c) Virulenz der verschiedenen Stämme: 


æ) 6 jungen Kaninchen von 800—1100 g wurden intravenös die 
verschiedenen Stämme in der Menge eines Kulturbelages auf Petroff- 
schem Nährboden inokuliert. 

Im Anschluß an die Injektion wurde keinerlei krankhafte Erschei- 
nung beobachtet und das Wachstum war regelmäßig. Die Tiere wurden 
nach ca. 3 Monaten außer Beobachtung gesetzt. 

Gleichfalls ohne Wirkung war die subdurale Inokulation von 
lebenden Kulturen (!/;,—1 Platinöse). 


ß) Die subkutane Inokulation der Kulturen in Meerschweinchen 
hatte dagegen, wenn sehr große Keimmengen injiziert wurden, nach 
6 Tagen bis 2 Mon. den Exitus der Tiere im Gefolge. 

Ueber die positiv ausfallenden Versuche will ich ausführlich be- 
richten. 


374 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


Stamm I. 18. 1. 1926. Einem Meerschweinchen im Gewicht von 280 g 
werden 4 Oesen Kultur subkutan inokuliert. — 19. 1. Erhebliche lokale Reaktion 
mit ausgedehnter Infiltration und Schmerz beim Betasten. — 21. 1. Die lokalen 
Symptome gehen zurück. Das Gewicht nimmt ab. Es treten Zeichen von allge- 
meinem Uebelsein auf (ruppiger Pelz, Verweigerung der Nahrungsaufnahme). — 
24. 1. Das Tier verendet. Sektion: Keine merkliche örtliche Läsion. Inguinale 
Lymphdrüsen mäßig vergrößert, ohne sichtbare Veränderungen in ihrer Struktur. 
Hyperämie der Eingeweide. Nebennieren, erheblich kongest (beim Schnitt entleert 
sich eine viel größere Blutmenge als in der Norm). Nieren ein wenig vergrößert, 
bedeutende Kongestion der Mark- und Rindensubstanz, kleine Blutungen in der 
Dicke der Rindensubstanz. Myokard blaß. Nichts bei Untersuchung der Hirnhäute 
und des Hirnes. Die Verimpfung von Herzblut in Tarozzi-Noguchischen 
Nährboden führt zur Entwicklung von keinerlei Keimen. 4 

Stamm II. 18. 1. 1926. Einem Meerschweinchen im Gewicht von 300 g 
werden 4 Oesen Kultur inokuliert. Symptome dieselben wie beim 1. Meerschweinchen. 
Exitus am 24. 1. 

Anatomischer Befund: Nichts von Bedeutung an der Injektionsstelle. 
Mäßige Vergrößerung der inguinalen Drüsen. Nichts am Peritoneum. Leber ver- 
rößert. Geringgradige Kongestion der Nebennieren. Hyperämie der Nieren. Myo- 
ard blaß. Nichts bei Untersuchung der Hirnhäute und des Hirns. Verimpfungen 
des Herzblutes negativ. 

Stamm II]. Einem Meerschweinchen im Gewicht von 300 g werden 
4 Oesen Kultur inokuliert. 19. 1. Ziemlich starke lokale Reaktion ınit Infiltration 
und Schmerz auf Druck. — 21. 1. Die lokalen Erscheinungen gehen zurück; Gewicht 
stationär. — 24. 1. Das Tier verweigert die Nahrungsaufnahme, hat ruppigen Pelz, 
bewegt sich nicht spontan, Gewicht 270 g. — 30. 1. Der Allgemeinzustand des 
Tieres hat sich gebessert; Gewichtsabnahme hält an. — 15. 2. Auf den ganzen 
Körper verbreiteter Haarausfall. Gewicht 280 g. — 14. 3. Das Tier, das immer 
mehr abgemagert war, verendet. Bei der Sektion wenig klare Flüssigkeit in der 
Peritonealhéhle. Hypotrophie sämtlicher Organe. Myokard vom Aussehen ge- 
kochten Fleisches. Nichts zu Lasten des Hirnes und der Hirnhäute. Verimpfung 
von Herzblut und peritonealer Flüssigkeit in Tarrozzischen Nährboden negativ. 

Stamm IV. 28. 1. Einem Meerschweinchen im Gewicht von 260 g werden 
3 Oesen Kultur inokuliert. 29. 1. Geringe lokale Infiltration, Zeichen von allge- 
meinem Uebelsein. — 5. 2. Das Tier verendet. Keine merklichen Läsionen an a 
Injektionsstelle. Peritoneum injiziert. Spärliche serös-blutige Flüssigkeit in der Peri- 
tonealhöhle. Nieren kongest mit deutlicher Zeichnung. Nebennieren normal. Myo- 
kard schlaff. Nichts zu Lasten des Hirns und der Hirnhäute. Verimpfungen 
negativ. 

Stamm V. 28. 1. Einem Meerschweinchen im Gewicht von 300 g werden 
3 Oesen Kultur inokuliert. Es zeigt dieselben Symptome wie das vorausgehende 
Meerschweinchen und verendet am 8. 2. Anatomischer Befund gleich dem voraus- 
gehenden, nur zeigen sich die Nebennieren erheblich kongest. Die Verimpfungen in 
die gewohnten Nährböden fallen negativ aus. 

Stamm VI. 28. 1. Einem Meerschweinchen im Gewicht von 250 g werden 
3 Oesen Kultur inokuliert. 30. 1. Geringe lokale Reaktion. 10. 2. Erhebliche Ab- 
magerung (Gewicht 240 g). 17. 2. Das Tier verendet. Hypothrophie der Organe. 
Keine örtliche Läsion. Spärliche, klare seröse Flüssigkeit in der Peritonealhöhle. 
Nebennieren kongest. Kleine diffuse Blutungen in den Nieren. Myokard blaß, schlaff. 
Nichts bei Untersuchung des Zentralnervensystems. Verimpfungen mit dem Herzblut 
negativ. 


y) Die subdurale Kulturinokulation (1/,—1/4 Oese) gab bei jungen 
Meerschweinchen niemals krankhafte Erscheinungen. Bei der Natur der 
Versuche konnten keine größeren Keimmengen inokuliert werden. 


8) Toxinbildung. Inokulation des Filtrates von 4—15 Tage 
alten Blutbouillonkulturen (bis zu 4 cem) rief bei Meerschweinchen nur 
lokale Reaktion hervor. Dagegen kamen die Tiere bei Inokulation der 
durch Filtrieren von Kulturen in Tarozzi-Noguchischen Nähr- 
boden ohne Vaselinöl erhaltenen Flüssigkeit manchmal zum Exitus, 
wobei sie dieselben Symptome und dieselben Läsionen wie die mit 
lebenden Kulturen geimpften Meerschweinchen aufwiesen. 


Gerbasi, Bakt. Untersuchung über einige Stämme d. Strept. meningea. 375 


Die Versuche mit positivem Resultat sollen hier aufgeführt werden: 


Stamm III. 28. 2. Einem Meerschweinchen im Gewicht von 280 g werden 
2 ccm des Filtrates einer 15tägigen Kultur inokuliert. — 2. 3. Das Meerschweinchen 


zeigt mäßige lokale Reaktion. — 4. 3. Die subkutane Infiltration strebt zu ver- 
schwinden. Das Tier zeigt Symptome von Uebelsein. Gewicht 250 g. — 7. 3. Das 
Tier verendet. Gewicht 250 g. — Sektion: Keine merkliche Läsion in dem sub- 


kutanen Gewebe. Injektion des Peritoneums. Spärliches seröses Exsudat in der 
Peritonealhéhle. Nebennieren kongest. Myokard blaß. Nichts bei Untersuchung 
des Nervensystems. 


Stamm VI. 28. 2. Einem Meerschweinchen im Gewicht von 300 g werden 
3!/, ecm des Filtrates einer 15tägigen Kultur in Tarozzi-Noguchischem Nähr- 
boden inokuliert. 

Das Tier zeigt die gleichen Symptome wie das vorausgehende Meerschweinchen. 
2 TER am 10. 3. (Gewicht 250 g). Sektion: Befund wie der bereits be- 
schriebene. 


Stamm IV. 8. 3. 1926. Einem Meerschweinchen im Gewicht von 240 g 
werden 2 ccm des Filtrates einer 17 Tage alten Kultur inokuliert. 10. 3. Erhebliche 
Infiltration im subkutanen Gewebe, die auf die ganze Bauchwand ausgebreitet ist. — 
14. 3. In der Haut hat sich, entsprechend der infiltrierten Region eine nekrotische 
Zone mit einem Schorf gebildet, der späterhin abgestoßen wird und ein Geschwür 
in der Größe von 3:4 cm zurück läßt. — 18. 3. Das Tier verendet. Gewicht 
200 g. Sektion: Um die ulzerierte Zone wird in der Dicke des subkutanen 
Bindegewebes serös-blutiges Oedem gefunden. Im Uebrigen Befund wie der bereits 
beschriebene. . 


Stamm I. 12. 4. Einem Meerschweinchen im Gewicht von 300 g werden 
1!/ cem des Filtrats einer lltägigen Kultur inokuliert. 15. 4. Lokale Reaktion 
mäßigen Grades. — 24. 4. Varsıkarından der lokalen Infiltration. Gewichtsabnahme 
(250 g). — 30. 4. Haarausfall, Gewicht 220 g. — 14. 6. Das Meerschweinchen 
verendet. Gewicht 150 g. Sektion: Keine merkliche Läsion in der Dicke des 
Unterhautzellgewebes. Spärliche seröse Flüssigkeit in der Peritonealhühle. Erheb- 
liche Hypotrophie der Organe. Myokard schlaff und blaß. 


Aus diesen Versuchen ergibt sich, daß die von mir untersuchten 
Stämme eine geringe Virulenz für die Versuchstiere zeigten. Nur durch 
Inokulation großer Kulturmengen gelang es, bei Meerschweinchen einen 
durch lokale Entzündung und erhebliche Beeinträchtigung des Allge- 
meinbefindens gekennzeichneten Krankheitszustand hervorzurufen; der 
Exitus trat nach einem Zeitraum von wenigen Tagen (6—8) oder 
ausnahmsweise nach ein paar Monaten ein. 

In diesem Falle verendete das Tier unter Kachexieerscheinungen 
(erheblicher Kräfteverfall, Gewichtsabnahme, Erguß in die Peritoneal- 
höhle). š 

Die Meningitis hervorzurufen gelang nicht, und zwar nicht cinmal, 
wenn der Keim mit dem Nervensystem der Tiere in direkten Kontakt. 
gebracht wurde; doch war die in diesem Falle inokulierte Keimmenge 
ziemlich gering, wie es nach der Natur des Experiments nicht anders 
sein konnte. Die geringe Virulenz der Stämme könnte jedoch mit der 
Tatsache in Zusammenhang stehen, daß sie lange Zeit saprophytisch 
in den Nährböden gehalten worden waren. 

War nun die hervorgerufene experimentelle Krankheit von septik- 
ämischer oder toxämischer Natur? 

Der negative Befund der mit dem Blute, zuweilen auch intra vitam, 
vorgenommenen Verimpfungen schließt die erste Möglichkeit aus. Es 
bleibt somit die toxische Natur des bei den Tieren erzeugten krank- 
haften Zustandes anzunehmen. 

Man muß sich nun vergegenwärtigen, daß es bei keinem der ver- 
endeten Tiere möglich war, den inokulierten Keim nachzuweisen, nicht 
einmal an der Injektionsstelle. Dies könnte zur Ansicht veranlassen, 


376 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


daß Erkrankung und Tod des Tieres von dem injizierten Keim unab- 
hängig gewesen seien, diese vielmehr mit spontanen Krankheiten zu- 
sammenhingen. Dieser Hypothese widerstreiten der negative Erfolg 
der vorgenommenen bakteriologischen Untersuchungen, das Fehlen eines 
pathologisch-anatomischen Befundes, der einen zufälligen Tod erklären 
könnte, und außerdem die bei Auswahl der Versuchstiere, die aus 
eigener Zucht stammten, bei der sich niemals spontane Krankheiten 
bemerkbar gemacht haben, aufgewandte Sorgfalt. Uebrigenss tritt eine 
analoge Erscheinung häufig auf und ist von mehreren Untersuchern 
nachgewiesen worden, z. B. bei Inokulation von Typhusbazillenkulturen 
in Meerschweinchen, die verenden können, ohne daß es dann gelänge, 
den pathogenen Keim aus dem Blut, der Peritonealflüssigkeit usw. zu 
isolieren (vgl. Kolle und Wassermann, Handb. d. path. Mikroorg). 

Die anatomische Untersuchung wies, kurz gesagt, eine erhebliche 
Reaktion der peritonealen Serosa, Läsionen des Nierengefäßsystems 
(punktförmige Blutungen in der Dicke der Rindensubstanz), erhebliche 
Kongestion der Nebennieren, degenerativähnliche Läsionen zu Lasten 
des Myokards nach. 


Daß der Tod der geimpften Tiere toxischer Natur gewesen ist, 
wird dadurch bestätigt, daß wir in der Kulturflüssigkeit in Tarozzi- 
Nährboden die Anwesenheit eines toxischen „Quid“ nachweisen konnten, 
das befähigt ist, bei Tieren, denen es injiziert wurde, Symptome und 
Läsionen auszulösen, die nahezu identisch sind mit den durch lebende 
Kulturen hervorgerufenen. 

Von den untersuchten Stämmen erwiesen sich 4 als toxisch. Die 
2 anderen erzeugten unter den von mir gewählten Versuchsbedingungen 
kein Toxin. 

Die Natur dieses Toxins, seine Bedeutung im Hinblick auf die 
menschliche Pathologie und eine eventuelle spezifische Therapie werden 
durch weitere Untersuchungen besser aufgeklärt werden können. 


Zusammenfassend ist zu sagen: Die untersuchten Stämme 
zeigten folgende Eigenschaften: 

1) Fakulative Entwicklung in Anaérobiose und Aérobiose in festen 
oder flüssigen, an nicht denaturierten tierischen Proteinen (Blutserum, 
Vollblut, Aszitesflüssigkeit) reichen Nährmedien. — 2) Fähigkeit, sich 
positiv nach dem Gramschen Verfahren zu färben. — 3) Geringe Viru- 
lenz für Versuchstiere; nur beim Meerschweinchen rufen sie eine Er- 
krankung vom Typus einer mit Exitus endigenden Allgemeinintoxi- 
kation hervor. — 4) Erhebliches antigenes Vermögen. — 5) In vitro 
Bildung eines Toxins, das bei Meerschweinchen Symptome und Läsionen 
hervorruft, die mit den durch lebende Kulturen ausgelösten fast identisch 
sind. 


Schlüsse. 


Sämtliche untersuchten Stämme gehören nach ihren morphologischen, 
kulturellen und biologischen Eigenschaften einem einzigen, distinkten 
Bakterientyp an. Obwohl sie Streptothrix-Eigenschaften auf- 
weisen, können sie mit den anderen bisher beschriebenen Keimen dieser 
Gruppe nicht identifiziert werden. Von den Stämmen Kharina-Ma- 





Murakami, Ueber Milch gerinnende Arten von Pseudodysenteriebazillen. 377 


rinuccis und Eppendorf-Neals entfernen sie sich, weil ersterer 
beim Meerschweinchen als pseudotuberkulös qualifizierte Alterationen 
erzeugte, während der 2. streng anaérob war. Dagegen bewahren sie im 
allgemeinen die früher von Rutelli, Sindoni und Fonzo be- 
schriebenen Eigenschaften. 


Literatur. 


Rutelli, G., Pediatria. 1915. — Sindoni, M., Pediatria. 1916. — Kha- 
rina-Marinucci, Pediatria. 1918. — Fabris, S., Pediatria. 1920. — Fonzo, 
F., Pediatria. 1922. — Gerbasi, M. Pediatria. 1924. — Vitetti, La Ri- 
nascenza med. 1924. — Eppendorf-Neal, Arch. of Paediatrics. 1925. 


Nachdruck verboten. 


Ueber Milch gerinnende Arten von Pseudodysenterie- 
bazillen. 


[Aus dem bakteriologischen Institut der Universität Sendai (Dir.: 
Prof. Dr. K. Aoki).] 


Von Katsuro Murakami. 


Kruse war der erste, welcher Pseudodysenteriebazillen agglutinatiorisch in 
verschiedene Typen einzuteilen unternommen hatte. Dabei war es ihm gelungen, 
sie in 8 Typen absorptorisch zu differenzieren. Sie wurden von ihm mit A bis H 
bezeichnet. Darunter fand er einen Typus, welcher, im Gegensatz zu den anderen 
Typen, die Fähigkeit hat, Milch zur Gerinnung zu bringen. Dieser Typus wurde 
von ihm E-Typus genannt. Die Stämme, welche als zu diesem Typus gehörig 
von ihm festgestellt wurden, waren im ganzen nur 4. Sie wurden immer bei 
sporadischen Fällen von Dysenterie nachgewiesen. Baerthlein konnte bei einer 

ysenterieepidemie in Berlin 3 Stämme von Dysenteriebazillen nachweisen, welche 
Milch zum Gerinnen bringen konnten. Hutt untersuchte diese Stämme mit den 
anderen 4 Stämmen, welche von Kruse früher gefunden worden waren, ver- 
gleichend, und konnte feststellen, daß es Stämme von Pseudodysenteriebazillen gibt, 
welche Milchzucker zu vergären befähigt sind, so daß die Milch dadurch langsam 
zur Gerinnung gebracht werden kann. Ferner nahmen sie agglutinatorisch und 
absorptorisch eine Sonderstellung ein, so daß man sie dadurch von den anderen 
Unterarten der Dysenteriebazillen ganz deutlich differenzieren kann. Diese Art 
von Dysenteriebazillen wurde daraufhin von Hilgers bei einer Dysenterieepidemie 
bei Göttingen und Frankfurt zwischen anderen Typen nachgewiesen. Milchgerinnende 
Stämme von Dysenteriebazillen wurden auch von Sonne als sein 3. Typus nach- 
gewiesen. 


In Japan sind diese Bakterien auch nicht unbekannt geblieben. So wurde 
ein Stamm von Pseudodysenteriebazillen bei Enteritis follicularis der Kinder 
von Ohara zuerst nachgewiesen. Gleich darauf fand Mita auch ihnen ähnliche 
Mikroben bei Enteritis follicularis und hielt sie für den Erreger derselben. Auch 
Adachi konnte ähnliche Mikroben bei Kinderenteritis nachweisen. Diese 3 Stämme 
zeichnen sich dadurch aus, daß die Milch von ihnen sehr langsam zum Ge- 
rinnen gebracht wird. Sonst verhielten sie sich genau wie Dysenteriebazillen. Durch 
die vergleichende Untersuchung von Adachi wurde festgestellt, daß diese 3 Stämme 
anz identisch sind. Daraufhin wurden ähnliche Mikroben von Nakamura bei 

ysenteriekranken nachgewiesen. Er untersuchte diese Stämme mit den oben ge- 
nannten 3 Stämmen, verglich sie und kam zu dem Resultat, daß sie alle sowohl 
kulturell als auch agglutinatorisch ganz identisch sind. Ferner wurde ein Stamm 


378 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


von Dysenteriebazillen von Takematsu bei Dysenteriekranken nachgewiesen, 
welcher auch die Milch zum Gerinnen brachte. Ob dieser Stamm mit den obigen 
4 Stämmen identisch ist, wurde von ihm nicht weiter untersucht. 


Kürzlich konnte ich einen Stamm von Dysenteriebazillen bei Dy- 
senteriekranken nachweisen, welcher sich auch dadurch kennzeichnete, 
daß er Milch zum Gerinnen brachte Aoki konnte vor 8 Jahren viele 
Stämme von Dysenteriebazillen agglutinatorisch in 11 Typen einteilen. 
Darunter fand er einen Typus, den Typus VII, welcher nur aus solchen 
Dysenteriebazillen bestand, welche Milch langsam zur Gerinnung 
brachten. : 

Ich beabsichtigte nun zuerst, meinen Stamm mit den anderen, 
welche von Ohara, Mita, Adachi und Nakamura nachgewiesen 
worden waren, dann alle diese Stämme mit dem von Aoki vergleichend 
zu untersuchen. Die Stämme wurden von den Herren Mita, Adachi 
und Nakamura uns freundlichst zur Verfügung gestellt, wofür ich 
ihnen verbindlichst danke. 

Im ganzen wurden 6 Stämme mit meinem Stamme verglichen, 
nämlich Dys. 56, 264, 300, 301, 302 und 303. Sie wurden mit meinem 
Stamme Dys. 342 zusammen zuerst kulturell und mikroskopisch unter- 
sucht und zeigten sich dabei einander gleich. Es waren plumpe, un- 
bewegliche, gram-negative Stäbchen, die gut in Bouillon wuchsen. Indol- 
bildung negativ. Traubenzucker wurde von ihnen nicht so gespalten, 
daß Gas gebildet wird, und Neutralrot nicht von ihnen verändert. 
Lackmusmolke wurde getrübt und gerötet, Milch langsam, erst nach 
7—14 Tagen, zur Gerinnung gebracht. Dieses kulturelle Verhalten 
war bei den anderen Stämmen ganz ähnlich. Mit ihnen wurden Seren 
von Kaninchen hergestellt. Dabei konnte ich bei einzelnen Stämmen 
ganz leicht Sera herstellen, welche über 1:10000 agglutinieren. In 
diesen Seren wurden sie gegenseitig kreuzweise agglutinatorisch unter- 
sucht. Dabei ergab sich, daß die Stämme, welche schon von Ohara, 
Mita, Adachi und Nakamura beobachtet worden waren, mit meinem 
Stamme zusammen gegenseitig ganz gleich reagierten, so daß sie agglu- 
tinatorisch als identisch zu betrachten sind (Tab. I). 
































Tabelle I. 
Name der Immunsera 
Nas der Bakeren Dys. 56 |Dys. 264 Dys. 300|Dys. 301 Dys. 302|Dys. 303|Dys. 342 
er __ Titer . 
__ | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 
Dys. 56 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 
Dys. 264 10 000 | 10000 | 10 000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 
Dys. 300 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 
Dys. 301 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 
Dys. 302 10000 | 10000 | 10000 | 10600 | 10000 | 10000 | 10000 
Dys. 303 10000 | 10000 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 
Dys. 342 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 


Absorptionsversuche mit diesen Stämmen wurden dann mit ent- 
sprechenden Seris ausgeführt, wobei sich ergab, daß sie ihre Agglutinine 
gegenseitig total erschöpfen können, so daß sie auch dadurch als iden- 
tisch zu betrachten sind (Tab. II). Ferner wurden während der Immuni- 


Murakami, Ueber Milch gerinnende Arten von Pseudodysenteriebazillen. 379 
















































































Tabelle II. 
Name der Immunsera 
Dys. 56 absorbiert mit Dys. 264 absorbiert mit 
N T Dys. 56 | Dys. 264|Dys. 300 Dys. 342 Dys. 56 |Dys. 264|Dys. 300|Dys. 342 
Bakterien Behandlung 
fords: nach der Absorption Tor Aur nach der Absorption 
. 56 | 10000 | 50— | 50— | 50— | 50— | 10000 | 50— | 50— | 50— | 50— 
. 264 10000 | 50— | 50— | 50— | 50— | 10000 | 50— | 50 — | 50— | 50 — 
300 10000 | 50— | 50— | 50— | 50— | 10000 | 50— | 50— | 50— | 50 — 
342 | 10000 | 50— | 50— | 50— | 50— | 10000 | 50— | 50— | 50— | 50 — 
i Name der Immunsera 
Dys. 390 absorbiert mit Dys. 342 absorbiert mit 
ey | Dys. 56 |Dys. 264|Dys.300|Dys.342 Dys. 56 |Dys.264|Dys. 300|Dys. 342 
Bakterien Behandlung 
oe nach der Absorption re oe nach der Absorption 
. 86 | 10000 | 50— | 50— | 50— | 50— | 10000 | 50— | 50— | 50— | 50— 
. 264 10000 | 50— | 50— | 56— | 50— | 10000 | 50— | 50— | 50— | 50 — 
. 300 10000 | 50 — | 50 — | 50— | 50— | 10000 | 50— | 50— | 50— | 50 — 
. 342 |10000 | 50 — | 50— | 50— | 50— | 10000 | 50— | 50— | 50— | 50 — 








sierung verglichen, ob sie immer gegeneinander in gleichem Verhältnis 
Agglutinine bilden oder agglutiniert werden können. Zu diesem Zwecke 
wurden Kaninchen mit einzelnen Stämmen immunisiert und während 
der Immunisierung Blutproben aus den Ohrvenen entnommen. Mit diesen 
Seren wurden nicht nur homologe, sondern auch heterologe Stämme 
agglutiniert. Dabei wurde der Agglutinationstiter heterologer Stämme 
mit dem Titer der homologen verglichen. Falls diese Stämme 
identisch sind, muß der Index während der ganzen Immunisierung 
wie 1/, sein, wie schon Aoki und Konno bei Typhus- und Para- 


Tabelle III. 



































Ki | Mal der Vorbehandlung 

I II III IV V VI 
Dys. 342 1 1 1 1 1 1 
Dys. 56 1 1 1 1 1 1 
Dye aN ae | a ah 
Dys. 264 1 1 1 1 1 1 
Dys. 342 1 1 1 1 1 1 
Dys. 300 1 1 1 I I I 
_Dys. 56 a 1 1 1 1 1 
Dys. 342 1 1 1 1 I I 
Dys. 264 1 1 ag an ie 
Dys. 342 2 1 1 1 I I 
Dys. 300 1 1 1 1 1 1 
Dys. 342 | 2 T 1 1 I 1 














380 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 
typhusbazillen nachgewiesen haben. Wie Tab. III zeigt, war es bei 
allen Stämmen den anderen Stämmen gegenüber während der Immuni- 
sierung immer wie 1/, (Tab. III). Es ist daher wohl anzunehmen, 
daß mein Stamm mit denen von Ohara ganz identisch ist. 


Da nach obigen Versuchen feststeht, daß mein Stamm mit den 
anderen von Ohara, Mita, Adachi und Nakamura identisch ist, 
wurde ferner untersucht, ob sie dies auch mit den Stämmen von Aoki 
sind, welche von ihm als Milch gerinnende Art, nämlich Typus VII, 
angegeben war. Es handelte sich um Stämme, nämlich Dys. 102 und 
Dys. 103, die sich mikroskopisch und kulturell genau wie die anderen 
Stämme verhielten, so daß ich diese Stämme von Aoki als mit den 
anderen, oben untersuchten für identisch ansehen möchte. So verhielten 
sie sich agglutinatorisch gegenseitig ganz anders. So reagierten die 
Stämme Aokis mit den Ohara-Seren und den anderen ganz schwach. 
Umgekehrt wurden die Stämme von Ohara von den Seris der Stämme 
Aokis ganz schwach agglutiniert (Tab. IV). 


Tabelle IV. 











Name der Immunsera 








Dys. 102 | Dys. 103 























| 8. 56 | Dys. 300! 

Name der Bakterien | VII VIr | Pys- 56 | Dys. 264| Dys. 300|Dys. 342 
| u eg Titer rar ~~ 

| 20000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 

Dys. 102 VII 20000 | 10000 | 500+ | 500+ | 500+ | 500+ 
Dys. 103 VII | 20000 | 10000 | 500= | 500+ | 500+ 500 + 
Dys. 56 500+ | 500+ | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 
Dys. 264 500+ | 500+ | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 
Dys. 300 500= | 500+ | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 
Dys. 342 500+ | 500+ | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 


__ Absorptorisch konnte ich diese beiden Bakterienarten ganz deut- 
lich unterscheiden. Sie konnten die Agglutinine gegenseitig nicht ganz 
erschöpfen lassen, wie Tab. V zeigt (Tab. V). 


Tabelle V. 











Name der Immuusera 





























Dys. 56 absorbiert mit 
Maria Aes Rabies Dys. 56 Dys. 164 Dys. 300 Dys. 342 Dys. 102 Dys. 103 
Behandlung aa 
mor 0 nach der Absorption 
Dys. 56 | 10000 | 50 50 | 50 | 50 | 2000 | 2000 
Dzs. 264 | 10 000 50 50 50 50 2000 | 2000 
Dys. 300 10 000 50 50 50 60 2000 | 2000 
Dys. 342 10000 | 50 50 | 50 50 | 2000 | 2000 
Dys. 102 VIL 200 | 50 50 | 50 59 50 50 
Dys. 103 VII 200 50 50 | 50 | 50 50 50 


Murakami, Ueber Milch gerinnende Arten von Pseudodysenteriebazillen. 381 





Name der Immunsera 


























| 
| ee Dys. 102 VII absorbiert mit =. 
Name der Bakterien |_ | Dys. 102 Dys. 103 Dys. 56 |Dys. 264 Dys. 300 Dys. 342 
Fe = | Behandlung 
es = mo u nach der Absorption 
Dys. 56 | 1000 | 50 50 | 50 | 50 | 50 | 50 
Dys. 264 1000 | 50 50 50 50 50 50 
Dys. 300 1000 | 50 50 | 50 | 50 50 50 
Dys. 342 1000 | 50 50 | 50 50 50 50 
Dys. 112 VII 20000 | 50 50 | 5000 + | 5000 + | 5000 + | 5000 + 
Dys. 103 VIE 2000 | 50 | 50 | 5000 + | 5000 + | 5000 + | 5000 + 





‚Während der Immunisierung mit dem Ohara-Stamm wurde der 
Aoki-Stamm untersucht. Der Index war dabei immer viel kleiner 
als 1/,, umgekehrt aber beinahe wie 1/,, wenn der Ohara -Stamm 
eee der Immunisierung der Kaninchen mit Aoki untersucht 
wurde. 

Ich méchte daher annehmen, daB beide Bakterien, wenn auch ganz 
verschieden, doch bis zu einem gewissen Grade verwandt sind (Tab. VI). 


















































Tabelle VI. 
Mal der Vorbehandlung 
Index =< 
JA IL II IV | v | VI 
Dys. 102. 1 1 1 1 1 1 
Dys. 56 13 17 28 30 44 50 
Dys. 102 1 1 1 1 1 1 
Dys. 264 5 10 10 10 10 10 
Dys. 102 1 1 1 1 1 1 
Dys. 300 10 50 50 50 50 50 
Dys. 102 1 1 1 1 1 1 
Dys. 342 2 2 5 10 20 20 
Dys. 56 1 1 1 1 1 1 
Dys. 102 1 1 1 2 2 3 
Ds | 2. U eS a Ne 
Dys. 102 +1 1 1 2 2 3 
Dys. 300 1 1 1 1 1 1 
Dys. 102 1 1 2 2 2 4 
Dys. 342 1 1 1 1 1 1 
Dys. 102 I 1 F Dia LE 





Ferner wurde untersucht, ob die Ohara-Stämme zu unseren 
anderen Typen, welche von Aoki agglutinatorisch festgestellt waren, 
agglutinatorisch irgendeine Beziehung haben. Es wurden in den Seren 
von 11 Typen Dysenteriebazillen, welche von Aoki festgestellt waren, 
agglutiniert. Dabei ergab sich, daß sie außer dem Typus VII in noch 
anderen Typen, Typus VIII, IX und X, in gewissem Grade, in den 
übrigen Typen aber gar nicht beeinflußt waren. Im Typus IX und X 


382 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


wurden sie aber deutlich, wenn auch schwächer als Typus VII, beein- 


flußt (Tab. VIIa). 


Dieses agglutinatorische Verhalten konnte ich 


umgekehrt nicht nachweisen (Tab. VIIb). Ich verglich deshalb die 


Tabelle VIIa. 











Name der Immunsera 































































































Nime Dys. 12| Dys:33|Dys. 86|Dys.85|Dys.63|Dys. 62 Dys. 162|Dys. 6 Dys. 176| Dys. 122 Dys.203 
der I II IT IV V VI VII | VIII IX | X XI 
Bakterien = 
Re T Titer = 
5000 | 5000 | 5000 | 5000 | 10.000| 10.000 | 10000 | 5000 | 10000 | 10.000 | 10000 
Dys. 56 |100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 500 100 500 200 | 100— 
Dys. 264 | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 500 100 200 200 | 100— 
Dys. 300 | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 500 + | 200+} 200 200 |10- 
Dys. 301 | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 500 + |100 200 200 | 100— 
Dys. 302 | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 500 + |100 500 200 | 100— 
Dys. 303 | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 500 + | 100 500 200 | 100— 
Dys. 342 | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 500 + | 100 500 200 | 100— 
Tabelle VIIb. 
Name der Immunsera 
t. . 264|Dys. . 301|Dys. 302|Dys. 303| 342 
van de Bakterlen Dy 56 Dys. 264 Dys 300|Dys 301 Dys. 302|Dys. 303 Dys. 
Titer 
10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 
Typus I  Dys.12 | 100— | 100— | 100— | 100— | 100— | 100— | 100— 
I Dys.33 | 100— | 100— | 100— | 100— | 100— | 100— | 100 — 
Ill Dys.5 100— | 100— | 100— | 100 — | 100— | 100— | 100— 
IV Dys.13 | 100— | 100— | 100— | 100— | 100— | 100— | 100— 
V Dys.63 | 100— | 100— | 100— | 100— | 100— | 100— | 100 — 
VI Dys62 | 100— | 100— | 100— | 100— | 100— | 100 100 — 
VII Dys. 102 | 200 200 — | 200 200 200 200 200 
VIII Dys. 6 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 10 — | 100 — | 100 — 
IX Dys. 176 | 100— | 100 — | 10 — | 10 — | 100 — | 10 — | 100 — 
x Dys. 122 | 100— | 100— | 100— | 109— | 100— | 100— | 100— 
XI Dys.203| 100— | 100— | 100— | 100— | 100— | 100— | 100— 
Ohara-Stämme ferner mit den vom Typus IX und X noch genauer 


in der oben angegebenen Weise. Dabei wurde festgestellt, daß sie mit 
Typus IX sowohl agglutinatorisch als auch absorptorisch bis zu einem 


Tabelle VIIlIa. 

















Mal der Vorbehandlung 

IR E | a | oe | 1 | yv 
__Dys 56 | 7 2 2 1 1 1 
Dys. 176 (IX) 1 1 1 2 2 5 
ie OE) oN BO Be | ae hg 
Dys. 176 (IX) 1 1 1 1 2 5 
Dys. 300 7 2 dl. 1 1 1 
Dys. 176 (IX) 1 1 1 2 2 5 
Dys. 342 | 7 Bee 1 1 
Dys. 176 (IX)| 1 1 1 2 2 5 





I| 























Murakami, Ueber Milch gerinnende Arten von Pseudodysenteriebazillen. 383 


gewissen Grade verwandt waren, mit Typhus X aber gar nicht 
(Tab. VIIIa, b). 


Tabelle V1Ilb. 








| Name der Immunsera 


























Dys. 176 (IX) absorbiert mit ER 
Name der Bakterien | On | Dys. 56 | Dys. 264 Dys. 300 | Dys. 342 
| P Behandlung 
EE ee Br o nach der Absorption \ | 
Dys. 176 (IX) 10000 | 100— | 1000 1000 1000 | 1000 
Dys. 56 1000 | 100— | 100— | 100— | 100— | 100— 
Dys. 264 1 000 100 — 100 — 100 — 100 — 100 — 
Dys. 300 1 000 100 — 100 — 100 — 100 — | 100 — 
Dys. 342 1 000 100 — 100 — 100 — | 100 — | 100— 


Nach den obigen Ergebnissen kann ich annehmen, daß der Ohara- 
Stamm agglutinatorisch einen neuen Typus darstellt, welcher einerseits 
mit dem Typus VII, andererseits mit dem Typus IX von Aoki ge- 
wisse agglutinatorische Verwandtschaft hat. Insbesondere haben sie mit 
Typus VII zusammen die Eigenschaft, Milch zum Gerinnen zu bringen, 
weshalb wir sie mit Typus VII von Aoki als Milchrasse als Pseudo- 
dysenteriebazillen bezeichnen möchten, wie Kruse schon angab. Diese 
Milchrassen können in 2 agglutinatorische Typen unterschieden werden, 
den von Aoki und den von Ohara. In welcher Beziehung unsere 
Stämme zu der E-Rasse von Kruse stehen, kann ich leider nicht 
sagen, weil wir jene E-Rasse noch nicht besitzen. Diese Frage wird 
später noch genau untersucht werden. 

Schließlich ist noch festzustellen, ob diese Milchrasse als Dysen- 
teriebazillen betrachtet werden muß. Die Eigenschaft, Milch zu koa- 
gulieren, ist sonst den Dysenteriebazillen nicht eigen. Deshalb dürfte es 
richtig sein, sie mehr als atypische Coli anzusehen, wie dies Braun 
u. a. schon getan haben. Diese atypischen Coli sind jedoch den 
Dysenteriebazillen kulturell und agglutinatorisch nahe verwandt, so 
daß sie auch Dysenterieerscheinungen bei Menschen hervorrufen können. 


Literatur. 


1) Kruse, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 57. 1907. S. 417. — 2) Baerthlein, 
Berl. klin. Wochenschr. 1912. S. 735. — 3) Hutt, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 74. 
1913. S. 108. — 4) Hilgers, Zeitschr. f. Immunitätsf. Bd. 30. 1920. S. 77. — 
5) Ohara, S., Fukuoka-Ika-Daigaku-Zasshi. Bd. 8. 1915. p. 329. (japan.) — 
6) Mita, M., Sai-Kin-Gaku-Zasshi. 1917. No. 258. p. 173. EE en ia 7) Adachi, 
S., Fukuoka-Ika-Daigaku-Zasshi. Bd. 14. 1921. S. 618. |japan.] — 8) Naka- 
mura, K., Jikken-Igaku-Zasshi. Bd. 7. 1923. p. 39. Dorn] — 9) Take- 
matsu, S., Gun-I-Dan-Zasshi. 1926. No. 153. p. 307. [japan.] — 10) Braun 
u. W. Liess, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 88. 1919. S. 251. — 11) Aoki u. Konno, 
Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 86. 1921. S. 139. — 12) Dieselben, Tohoku 
Journ. Exper. Med. Vol. 2. 1921. p. 376. — 13) Aoki, Ibid. Vol. 2. 1921. p. 142. 
— 14) Ders., Ibid. Vol. 4. 1923. p. 12. 


384 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


Nachdruck verboten. 


Die epidemiologische und klinische Bedeutung der Kom- 
plementbindungsreaktion bei Rhinosklerom. 


Il. Mitteilung. 


[Aus dem weißruss. staatl. bakteriol. Institut in Minsk. Dir.: Prof. 
B. Elbert.] 


Von Prof. Dr. B. Elbert, Dr. B. Feldmann und W. Gerkes. 


Das Rhinosklerom ist in den Westgebieten der Sowjet-Union, be- 
sonders in Weißrußland, eine weitverbreitete Krankheit. Und zwar 
findet sich dieselbe innerhalb Weißrußlands am häufigsten in den 
Kreisen des früheren Minsker Gouvernments — wie das von uns 
mittels systematisch durchgeführter Massenuntersuchung verschiedener 
Bevölkerungsgruppen nachgewiesen worden ist. 

Bei der betreffenden Untersuchung fiel die Hauptrolle der von 
uns behufs epidemiologischer Zwecke angewandten serologischen Methode 
in Form der Komplementbindungsreaktion zu, die sich uns bei der 
diagnostischen Feststellung des Rhinoskleroms durchaus bewährt hat!). 
Es handelte sich, bei einem Material von 132 mit der Kplb. R. unter- 
suchten Personen, um 20 positive Untersuchungsbefunde Diese ver- 
teilen sich hinsichtlich der klinischen Diagnose folgendermaßen: 13 teil- 
weise durch mikroskopische Untersuchung?) erhärtete Fälle von klinisch 
deutlich ausgeprägtem Rhinosklerom; 1 Fall, wo die Diagnose zwischen 
Rhinosklerom und Lues schwankte; 1 Fall, bei dem die Diagnose zwischen 
Rhinosklerom und Tbc schwankte; 2 Fälle, welche in klinischer Be- 
ziehung auf Rhinitis atrophicans, und 3 Fälle, die auf Ozaena 
verdächtig waren. 

Das betreffende Untersuchungsresultat wird durch Tab. I ver- 
anschaulicht. 














Tabelle I. 
Positives Resultat 
Klinische Diagnose Zahl der F älle | | der a era dungi 
tion 

Rhinosklerom 13 13 
Rhinosklerom ? Lues? 1 ‘ 1 
Rhinosklerom? Tbe.? 1 1 
Ozaena? 3 3 
Rhinitis atroph.? 2 2 
Verschiedene Erkrankungen des Nasen- 

rachenraumes, der Atmungswege; ver- 112 _ 

schiedene Kontrollen (Wa.-R. usw.) = 








1) s. u. (Literatur). 

21 Bloß in 5 Fällen von klinisch ausgeprägtem Rhinosklerom konnten wir 
die Obduktion ausführen; in allen diesen Fällen fanden sich die für dieses Leiden 
charakteristischen, pathologisch-anatomischen Befunde. 


Elbert, Feldmann u. Gerkes, Die epidemiologische u. klin. Bedeutung usw. 385 


Die Bedeutung der Kplb. R. bei der Feststellung des Rhinoskleroms 
wird von de Area Leas hervorgehoben; dieser Autor spricht der 
Präzipitations- und Agglutinationsreaktion einen diesbezüglichen dia- 
gnostischen Wert ab. Auch Kabelik weist auf die diagnostische 
Bedeutung, der serologischen Untersuchung nach der Bordet-Gen- 
gouschen Methode bei Rhinosklerom hin und behauptet, daß eine 
geringe Komplementablenkung mit dem Abel-Löwenbergschen Bac. 
ozaena und dem Friedländerschen Bac. pneumoniae lediglich 
in den Fällen vorkommt, wo das Antigen nicht genau austitriert 
worden war. 


Unsere oben erwähnten Untersuchungen stellten vollkommene Spezi- 
fizität der Kplb. R. bei Rhinosklerom fest. Wir erhielten kein einziges 
Mal selbst leicht ausgesprochenes, positives Resultat mit Bac. ozaena, 
Diplobac. Friedlaenderi, Bac. mucosus capsul. und son- 
stigen Antigenen. 

Unsere Untersuchungsresultate stimmen mit denen von Tomasek 
überein, welcher mittels der Kplb. R. 16 Rhinoskleromfälle, 8 auf 
diese Krankheit verdächtige Fälle, neben einem beträchtlichen Kontroll- 
material untersuchte und unter den betreffenden 16 Fällen von Rhino- 
sklerom in 14 positive Reaktion erhielt. 

Quast erzielte mit dieser Methode bei 10 Rhinoskleromkranken 
in 10 Fällen positiven Befund. Die Methode dieses Autors unterscheidet 
sich von unserer dadurch, daß er als Antigen ein Bakterienextrakt 
(nach Erwärmen bis 80° und Schütteln im Laufe von 4 Std. mit 
nachfolgendem Stehenlassen im Eisschrank 24 Std. lang) anwandte, 
während wir eine Emulsion abgetöteter Mikroben benutzten. 

Die von uns angewandte Methodik der betreffenden Blutunter- 
suchung ist folgende: Als Antigen dient eine 24 Std. Kultur des 
Rhinosklerombazillus auf Schrägagar (schwach alkalischer Reaktion) 
aufgeschwemmt in 5 ccm physiolog. Kochsalzlösung; die Bakterien- 
emulsion wird in ein steriles Reagenzgläschen hineingezogen und als- 
dann im Laufe einer Std. bei 600 C erwärmt, um die Bakterien ab- 
zutöten. Darauf erfolgt die Bestimmung der Antigendose in der 
Mischung mit 1. Komplement; 2. Komplement + Normalserum; 3. Kom- 
plement + Serum eines Rhinosklerompatienten. — Das zu untersuchende 
Serum wird im Wasserbad, !/, Std. lang, bei 56° C inaktiviert und 
durch. physiolog. NaCl-Lösung im Verhältnis 1:5 verdünnt. Das Kom- 
plement gelangte in einer Verdünnung von 1:10 zur Anwendung. Nur 
in einigen Fällen wurde die Reaktion nach der quantitativen Methode 
Kaups mit fallenden Komplementwerten angestellt. 

Der gesamte Verlauf der Reaktion, nach unserem üblichen Ver- 
fahren, ist in Tab. II (S. 386) dargestellt). 

Statt des dargelegten Verfahrens mit fallenden Antigendosen kann 
man auch eine Methode, bei welcher die Mengen des zu untersuchenden 
Serums variieren, anwenden ?). 

Nachdem wir durch unsere ersten Untersuchungen, welche sich 
auf das Jahr 1924 und das erste Halbjahr 1925 beziehen, zur 
Ueberzeugung gelangt waren, daß die Kplb. R. bei Rhinosklerom 


1) Näheres in unserer Arbeit, 1. c. 

2} Siehe das Schema der Titrierung des Antimeningokokkenserums in der 
Arbeit von Otto und Hetsch, Die staatliche Prüfung der Heilsera, 1921, 
Jena, Verlag Gustav Fischer. 

Erste Abt. Orig. Bd. 101. Heft 6/7. 25 





386 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


Tabelle II. 








kranken — — — 
Normalserum 1:5 — 
Emulsion aus bac. Friedlaen- 
deri, resp. bac. Ozaeni usw. — — | — — z 
Phys. NaCl-Lésung — 0,05 0,1 | 0,15 -- -— — — 
5proz. Lösung von Hammel- 
throzyten, nach Sensi- | 
sierung mit 3facher | 
Dose des hämolyt. Ambo- 


Rhinosklerosebazillen- 

Emulsion 0,25 0,2 0,15 0,1 — 0,25 0,25 0,5 
Komplement 1:10 0,25 0,25 0,25 0,25 0,25 0,25 0,25 0,25 
Serum des Pat. (?) 1:5 0,25 0,25 0,25 0,25 025 - | — =- 
Serum eines Rhinosklerom- nak 














0,5 0,5 0,5 0,5 0,5 0,5 0,5 
Resultat | Hemm. | Hemm. | Hemm. | Hemm. | k. H. |Hemm.| k. H. | k. H. 


k. H. = kompl. Hämolyse. 














vollkommen spezifischen Charakter aufweist, legten wir diese sero- 
logische Methode einer Massenuntersuchung größerer Bevölkerungs- 
gruppen zugrunde, um die Herde der Rhinoskleromerkrankung auf- 
zudecken. Diese Arbeit wird von uns fortgesetzt, so daß es nach 
einiger Zeit wohl möglich sein wird, eine mehr oder weniger genaue 
Beschreibung der Verbreitung des Rhinoskleroms innerhalb Weiß- 
rußlands im Sinne der endemischen und familiären Krankheitsherde 
zu liefern. Das bisher gesammelte Material spricht für eine Ver- 
breitung des Leidens an verschiedenen Orten und bekräftigt den 
Wert der Bordet-Gengouschen Methode für die diagnostische Fest- 


Tabelle III. 





























5 | a a | Seroreaktion wa . 
= [Unter- Klinische Diagnose mit bac. | R 
-1925 such. rhinoscler. | ~~ 
24.5. 1 | Shiljtschick (Tochter) Rhinoskler. nasietlaryng| ++++ =< 
2 | š (Mutter) Gesund | — — 
| 3 | Parnikowa Rhinosklerom ? ++++ == 
4 | Kantorowitsch Rhinosklerom ? | = = 
5 | Suljshitz Rhinosklerom (positive | 
| | Kontrolle) ı ++++ _ 
6 | Gurinowitsch Rhinosklerom ++++ — 
7 I. negat. Kontrolle _ = a= 
| 48 I. ,„ á = — = 
YD EOL. à à = _ = 
| 10 | Grunjko (Sohn) Rhinosklerom ++++ = 
ei lee X (Vater) Gesund ++++ = 
12 | Katzmann Rhinosklerom ++++ = 
13 | Kantorowitsch Gesund — — 
| 14 |IV. negat. Kontrolle = _ i 
| 15 Ya = — _ = 
16° |} VIL. i _ = = 
17 ‘| Kischtschuck | Rhinosklerom ++++ = 
2 N g 63 Rhinosklerom ++++ | — 
19 | Schmyrj — tR À — 
20 | Bulang o — = | = 
21 | Artaschewskaja Gesuud _ [rsa 
22—29 VII.—XIV. negat. Kontr.| Negat. Kontrolle — | — 





Elbert, Feldmann u. Gerkes, Die epidemiologische u. klin. Bedeutung usw. 387 


stellung des Rhinoskleroms, welches in epidemiologischer Beziehung 
— was Polen, Tschechoslowakei und Rußland anbelangt — nicht 
ohne Berechtigung mit der Lepra verglichen wird. 

Unser Material betrifft, seit Beginn der vorliegenden Unter- 
suchungen — Mai 1925, 189 Fälle und ist in nachfolgenden 6 Tabellen 
zusammengefaßt 1). 

Die 1. hierhergehörige Untersuchung wird durch Tab. III dar- 
gestellt. 

Darauf wurden Einwohner der in der Nähe von Minsk gelegenen 
Dörfer Retschniza und Kamenza, wo durch die vorangegangenen sero- 
logischen Prüfungen Rhinoskleromfälle konstatiert worden waren, unter- 
sucht. Und zwar wurde hier das Blut sowohl den auf Rhinosklerom 
verdächtigen Patienten als auch deren Verwandten und mit den Pa- 
tienten in näheren Kontakt getretenen Personen entnommen. Bei 
dieser Untersuchungsserie (33 Fälle) wurde die Reaktion mit 3 Rhino- 





























Tabelle IV. 
8| Nr | Komplementbindungs- | Kpbl.-R. | 
E | der | s ‚reaktion mit mit | 
a | Ger | Klinische Diagnose Rhinoskler.-Bazillus 714 
A |Unter- | ale 
— such. FE 333 = 
RAR OR Pb ae — -T |e RR SRE 
30 | Suljshitz M. Rinoskl. nasi et lar. ++++++++++++| — | — |— 
31 | A A. Rhinitis atroph. ++++| +++ | ppp | | — |— 
32 | a B. Rhinitis sicca ++ — =% en ee 
33 5 D. Gesund Fe Š = os 
34 | = J. 5 = = = nn Fees 
35 | a E. 3 = _ = zul le 
3 » K. » — anp on — — |— 
” n | 
38 | Popkowitsch J. Rhinitis? Pharyngitis ++++++++++++| —| — JH 
39 A L. | Rhinosklerom ++ — = ER a 
40 3 L. Rhinitis catarrh. = _ = E ln 
41 5 P. Rhinosklerom ? = = is saat ly te ES 
42 > E. Pharyngitis a Be = EN eee 
43 = O. Gesund —_ — | — =) be 
44 3 M. Katarrh der Atemwege — — | — == 
45 = S. | Gesund u lle 
46 | > A. RE = | an 
47 > K. Rhinitis et pharyng. = | FEN cen eo 
48 € W. Gesund a EN ES 
49 | x J; 3 = lee 
50 = A. Pharyng catarrh. | — EE 
51 S O. Gesund = et 
52 | s W. Rhinitis et pharyng. — e LE ER ES 
53 5 L. 5 å > — Sar CE 
54 |Lukaschewitsch Gesund _ = = EA RE fe 
55 |Laschuck à | — — | = = ee 
56 | Karpowitsch z: 5 = — = rase 
57 $ — = = Ale 
58 | Tedjuschko Rhinokl. nasi et lar. ++++ | Zt 
59 |Stepanowitsch A. | Rhinoskl. ? Ozaena? ++++ | AE EE 
60 M. | Rhinitis sicca ++++ À A f —| - I 
6170| Norm. Kontrollsera | | | 
XV—XXIV = = = | Sl 

















1) Siehe Anmerkung 2, S. 385. 
25* 








388 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


skleromantigenen, ferner mit Antigenen aus Baic. ozaenae und diplo- 
bac. Friedlaenderi angestellt. Es ergaben sich die in Tab. IV 
(S. 387) dargestellten Befunde. 

Weiterhin wurden die in Tab. V angeführten Fälle, die sich vor- 
zugsweise auf Einwohner der Dörfer Dubrowka und Pjatowschtschina 
beziehen, untersucht. 























Tabelle V. 
E Nr. Kplb. mit Rhino- 
E | mar. bg Klinische Diagnose 
1925 | such | 1 aw | 
15. 7. | 71 |Sidorowitsch F+++++++ | Rhinoscler. nasi et laryng. 
72 ” 


| Stann [+++ ++ +++ 
73—77| XXV—XXIX er 


- E (Normalsera) A 
22.7.| 78 |Schimkewitsch A. |++++++++| — 


Rhinosklerom? Rhin. 








| ” 
87 | Pribytko 


atroph. 
79 | a 8. — — — | Gesund 
80 = G. — — — |Rbinitis et pharyngitis 
| Rhinosklerom? Rhin. 

81 5 Rs (lues = — catarrh. 
82 | 5 J. — -= — | Gesund 
83 |Narkewitsch J. _ — — = 
84 | > L. — _ — á 
85 |Jatschny W. — | = — a 
86 S. — | == = ” 

a i ee Na bs atk > 

Frrrrrr = 




















88 |Schwadowitsch M. |+ Rhinoscler. nasi et laryng. 
89 ` W. |+ Rhinosklerom 
90 | R 8. | | | Gesund 
91 | Gladki = — — |Ozaena 
92 | Polsun — — — |Lues 
| 93 |Sajatz — — — | Gesund 
| 94 IN, ++++++++| — | Rhinosklerom 
| 95 |N, ++++++++ — | » 
| 96—97| Sera XX V—XXVI1 Negat. 


Beachtung erheischt Fall 78, bei dem die klinische Diagnose 
Rhinitis atropticans lautete und in anamnestischer Beziehung 
nachgewiesen werden konnte, daß die Mutter des Patienten an „Er- 
stickung nach chronischer Larynxstenose* zugrunde gegangen war. 
Offenbar handelte es sich auch bei der Mutter um Rhinosklerom. 

Die nachfolgenden 34 Blutuntersuchungen wurden vom 30. IX. 
1925 bis zum 7. I. 1926 vorgenommen. Siehe Tab. VI. 




















Tabelle VI. 
j Komplement- 
Nr. der bindungsreaktion Wa. 
a ini i mit ino- = 
Ener Klinische Diagnose sklerombazill. R. 
98 Stanzer | Rhinoscleroma laryng. 
99 | Wertinski re 
100 Schestakowa Gesund 
101 Babitzkaja (Rhinosklerom ? 
102 | Messy š 








Elbert, Feldmann u. Gerkes, Die epidemiologische u. klin. Bedeutung usw. 389 


Tabelle VI (Fortsetzung). 

















| Komplement- 
Nr. der | bindungsreaktion w 
Unter- | Klinische Diagnose mit Rhino- R 
such. sklerombazill. 
| | E Nr. 1 | Nr. 2 
103 Masurkewitsch Gesund = — 
104 | Krutjko _ +++ 
105 Masurowa Rhinosel. nasi, phar. et lar.) + +++ 
106—109 | Sera XX VII-XXX = 
110 Serum XXXI — + + 


111—113 | Sera XXXII-XXXIV 


114 Sdarjenock Rhinosel. nasi et laryng. ++++ 








+ — 
+ — 
= ++ 

S++ — 

115 XXXV (Normalserum) - — — 
116 XXXVI = _ _ 
117 Nadumowitsch Rhinosel. nasi et laryng. |++ ++ — 
118 Kanon Gesund -— — 
119 Kantorowitsch z _ 
120 Lagut > — — 
121 Schender Š — — 
122 Kraiko J. = _ — 
123 A: Rhinosclerom ? — 
124 Jasselj K. ‚Gesund — — 
125 pM: Rhinosel. nasi et laryng. |++++ — 
126 | Chlewko = š à ++++ — 
127 Altmann Gesund — — 
128 |Schmyrch A. Rhinosklerom ++++ — 
129 | » N. Gesund z5. <= 
130 « J; : = = 
131 Ganewitsch _ — 











” 


Im Fall No. 128 ergab die mikroskopische Untersuchung typischen 
Rhinosklerombefund. 

Am I. 1926 gelangten 44 Sera der Bewohner eines Dorfes (Minsker 
Kreis) zur Untersuchung, wobei bloß in einem einzigen Falle die 
Reaktion auf Rhinosklerom positiv ausfiel. Die hierhergehörigen Be- 
funde zeigte Tab. VII. 


Tabelle VII. 























Nr. der Zahl | Komplementbindungsreaktion 
Unter- Klinische Diagnose der mit Rhinosklerombac. Wa.-R. 
such. Falle positiv negativ 
132 Rhinosklerom 1 1 — = 
133 Rhinosklerom ? 1 — 1 _ 
134—140 | Rhinitiden 7 — 7 — 
141—142 | Polypen 2 _ 2 — 
143—144 | Amygdalitis hyperplast. 2 _ 2 — 
145—175 | Gesund 31 — 31 — 














Die Ergebnisse der im Zeitraum 3. II.—27. VI. 1926 an hiesigen 
Krankenhäusern und Ambulatorien vorgenommenen Untersuchungen sind 
in Tab. VIII wiedergegeben. 


390 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


Tabelle VIII. 





























Nr. der Komplementbindungsreaktion |. 
Unter- Klin. Diagnose mit Rhinosklerombaz. Ei 
ie Nr. 1 N.2 |> 
176 Schalimo Rhinosklerom ++++ rer je 
177 Segorowa Gesund = — = 
178 Sdarjenork y = - = = 
179 Tschaiko Rhinosklerom ++++ ++++ — 
180 |N. » ++++ ++++ |- 
181 Kondratjew ++++ ++++ = 
182—189 | Normalsera Gesunde — — = 





Das Gesamtergebnis unserer serologischen Untersuchungen ist in 
Tab. IX zusammengefaßt. 























Tabelle IX. 
; Zahl der ` Komplementbindungsreaktion 
Klinische Diagnose untersuchten mit Rhinosklerombazillen 
Fälle positiv | negativ 

Rhinosklerom | 31 31 | — 

Rhinosklerom ? 10 6 4 
Verschiedene Erkrankungen des 
Nasenrachenraumes und des 
Kehlkopfes ohne klin. Erschein. 

von Rhinosklerom 24 4 20 

Seren mit posit. u. negat. Wa.-R. 44 — 44 

Gesunde 80 1 79 

Insgesamt 189 42 | 147 


Aus der zusammenfassenden Tabelle ist folgendes ersichtlich: In 
sämtlichen 31 Fällen, deren klinische Diagnose ,,Rhinosklerom‘ lautete, 
ergab die Komplementbindungsreaktion positives Resultat; unter 
10 Fällen, wo dem Rhinosklerom gegenüber Syphilis, Tuberkulose, 
Ozaena diagnostisch in Frage kamen, war in 6 Fällen das Resultat 
positiv; unter 22 Personen, die an verschiedenen Erkrankungen der 
Nasenhöhle, des Rachens und Kehlkopfs litten, jedoch keinerlei kli- 
nische Erscheinungen des Rhinoskleroms aufwiesen, konnte durch die 
serologische Untersuchung in 5 Fällen positive Reaktion auf Rhino- 
sklerom nachgewiesen werden; endlich war bei 80 gesunden Personen 
bloß in einem Falle das serologische Resultat positiv. 

Der letztere Fall (No. 11) bietet insofern Interesse, als er sich 
auf den Vater eines Skleromkranken (No. 10) bezieht. Auch in den 
Fällen, wo bei klinischen Erscheinungen einer Rhinitis atrophicans 
sicca das serologische Resultat positiv ausfiel, litten nahe Ver- 
wandte der betreffenden Patienten an Rhinosklerom: so handelte es 
sich in Fall No. 60 (Rhin. sicca) und Fall No. 59 (Rhinosklerom) 
um leibliche Brüder; denselben Verwandschaftsgrad weisen die Fälle 
No. 31 u. 32 zu Fall No. 30 (Rhinoslceroma nasi et laryngis), 
sowie der Fall No. 35 (Rhinitis et pharyngitis) zu No. 39 
(Rhinosklerom) auf. { 

Es drängt sich nun die Annahme auf, daß die keine klinischen 
Symptome des Rhinoskleroms bietenden Personen mit positiver Kplb. R. 
eventuell Rhinosklerombazillenträger sind — eine Annahme, die durch 


Elbert, Feldmann u. Gerkes, Die epidemiologische u. klin. Bedeutung usw. 391 


das Zusammenleben der betreffenden Personen mit ihnen, an Rhino- 
sklerom leidenden nahen Verwandten theoretisch gestützt werden kann. 
Jedoch erwies sich eine derartige Vermutung als unbegründet, da unsere 
bakteriologischen Untersuchungen des Schleimes aus der Nasen- und 
Rachenhöhle an unserem gesamten Material den Bacillus Frisch 
bloß in klinisch ausgeprägten Rhinoskleromfällen nachweisen konnten; 
dieser Bazillus fand sich weder im Schleim von Gesunden noch in 
dem von Patienten, die mit Rhinoskleromkranken verwandt sind, 
aber andersartige Krankheitserscheinungen aufweisen. Daher erscheint 
die Annahme .berechtigt, daß diese Personen an atypischen Formen 
des Rhinoskleroms leiden, indem sich dasselbe an Körperstellen, wo 
eine klinische Erkennung des Leidens vorderhand nicht môglich ist, 
lokalisiert. Uebrigens halten wir es nicht für ausgeschlossen, daß 
bei einmaliger ambulatorischer Untersuchung in einem den klinischen 
Anforderungen keineswegs entsprechenden Milieu der hiesigen Dörfer 
geringfügige Schleimhautveränderungen spezifischer Natur übersehen 
worden sind, — um so mehr als es sich um Massenuntersuchungen bei 
einer Bevölkerung handelte, welche ihre körperlichen Leiden erst in 
weit vorgeschrittenen Stadien beachten und der ärztlichen Behandlung 
zuführen. 

Die atypischen, d. h. klinisch nicht erkennbaren Skleromfälle 
sind, unseres Erachtens im Sinne der Verbreitung des Leidens für die 
Umgebung sehr gefährlich. 

Der Hauptwert der vorliegenden serologischen Methode besteht 
eben in der Möglichkeit einer diagnostischen Auffindung von schwer 
erkennbaren Formen des Rhinoskleroms, was sowohl in epidemiologischer 
als klinischer Beziehung von großer Wichtigkeit ist. 

Auch ist diese Methode wertvoll für die Feststellung von Rhino- 
skleromerkrankungen innerhalb bestimmter Familiengruppen, bei An- 
gehörigen von Rhinoskleromkranken und mit letzteren längere Zeit hin- 
durch in nahen Kontakt getretenen Personen. Bekanntlich spielt beim 
Rhinosklerom, ähnlich wie bei anderen chronischen Infektionskrank- 
heiten, die familiäre Ansteckung eine bedeutende Rolle. In dieser Hin- 
sicht ist unser Material von Interesse, da von uns im Laufe von 
2 Jahren 10 Familiengruppen mit einem Bestand von 66 Personen sero- 
logisch untersucht worden sind. Das diesbezügliche Resultat wird durch 
Tab. X veranschaulicht. 


























Tabelle X. 
Zahl 
ve Verwandtschaftsgrad 
Nr. Familienname nern one der positiv reagierten 
mitglieder Kalle 
1 |Katschuschtschick 7 2 Schwiegermutter und 
Schwiegertochter 
2 |Mikuljtschick 4 2 ‚Schwestern 
3 |Kursick 9 2 {Mutter und Sohn 
4 |Grunjko 2 2 Vater und Sohn 
5 Suljskitz 9 3 Mutter und 2 Söhne 
6 Po kowitsch 19 2 Bruder und Schwester 
7 |Schimkewitsch 6 2 Mutter und Sohn 
8 |Schwadowitsch 3 2 Schwestern 
9 |Schmyrj 3 1 — 
10 |Germann © 4 1 — 
Insgesamt | 66 19 








392 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


Somit fanden sich, laut dem Ergebnis der serologischen Unter- 
suchung, unter 66 Personen, die 10 Familien angehören, 19 Rhino- 
skleromfälle, was 29 Proz. beträgt. Ein derartig hoher Prozentsatz 
familiärer Erkrankung resp. Ansteckung mit Rhinosklerom erheischt 
ganz besondere Beachtung. 

Auch die Erforschung dieses Leidens als einer sozialen Krankheit 
und seiner Verbreitung in verschiedenen Bevölkerungsschichten stellt 
eine überaus notwendige Aufgabe dar. Unser Material zeigt, daß die 
Personen, welche positive Kplb.R. aufweisen, zum Bauernstande und 
zu den ärmsten Bevölkerungsgruppen der weißrussischen Städte und 
Flecken gehören. 

Behufs möglichst genauer Feststellung des Rhinoskleroms mittels 
der serologischen Methode haben wir in sämtlichen Fällen, in denen 
das möglich war, bei der vorliegenden serologischen Untersuchung außer 
dem Stammantigen noch eine oder mehrere Kulturen des Rhinosklerom- 
bazillus angewandt. Mehrmals wurde auch die Reaktion mit einer 
Autokultur, die bei bakteriologischer Untersuchung erhalten worden 
war, angestellt. Bei Anwendung von 2 Kulturen als Antigenen erzielten 
wir in einem Falle positives Resultat mit Kultur Nr. 1, während die 
Reaktion mit Kultur Nr. 2 negativ ausfiel. 

Bei unserer Methodik, bei der konstante Serum- und Komplement- 
dosen und fallende Antigendosen zur Anwendung gelangten, war die 
Reaktion in der Mehrzahl der Fälle stark positiv. So war unter 
42 positiven Reaktionen nur in 2 Fällen ein schwach positives Resultat 
zu verzeichnen. Kein einziges Mal konstatierten wir unbestimmtes 
Resultat (+, +), sowie Selbsthemmung in den Kontrollversuchen. 

Außerdem sei darauf hingewiesen, daß die Sera der Rhinosklerom- 
kranken bei unseren Versuchen (s. Tab. IV) keine positive Reaktion 
mit Kulturen anderer Kapselmikroben (Bac. ozaenae, Bac. Fried- 
laender, Bac. lactis aerogenes, Bac. capsulatus) als auch 
mit den Wassermannschen Antigenen ergaben. Die Sera dieser 
Kranken reagierten fast durchweg positiv mit frisch entnommenen 
Stämmen!). Wir sind daher der Ansicht, daß bei der bakteriologischen 
Diagnose des Rhinoskleroms für die Unterscheidung des Bac. Frisch 
von anderen Kapselmikroben in erster Linie das positive Resultat der 
Kplb. und erst an zweiter Stelle dieses oder jenes Verhalten des betr. 
Bazillus zu verschiedenen Nährböden und Farben in Betracht kommt. 
Die vorliegende Serumreaktion stellt somit die genaueste und einfachste 
diagnostische Methode bei Erkennung des Rhinoskleroms dar. 

Die von uns als auch von Tomasek angewandte quantitative 
Methode nach Kaup und Calmette ist beachtenswert. Jedoch be- 
sitzt dieses Verfahren, ganz abgesehen von dessen Kompliziertheit, 
keine Vorzüge vor unserer üblichen Methodik, deren Zuverlässigkeit, 
unseres Erachtens, durch das angeführte Material genügend gestützt 
wird. 


Schlußfolgerungen. 
1) Die von uns in systematischer Weise vorgenommene Unter- 
suchung verschiedener Schichten der Bevölkerung Weißrußlands wies 


1) Diese Kulturen sind allmählig den betreffenden Patienten entnommen 
und differenziert worden; als spezifisch galten die Kulturen erst nach positivem 
Befund der Kplb. R. mit einem Standard-Rhinoskleromserum. 


Loewenthal, Eine Fehldiagnose auf Wut? 393 


eine erhebliche Verbreitung des Rhinoskleroms, besonders unter den 
Bauern, auf. — 2) Bei der Aufdeckung endemischer Rhinosklerom- 
herde fällt die Hauptrolle der serologischen Methode in Form der 
Komplementbindungsreaktion zu. — 3) Die Komplementbindungsreak- 
tion erweist sich genau, da a) diese Reaktion in sämtlichen Fällen des 
klinisch ausgeprägten Leidens positiv ausfällt, b) keine nicht spe- 
zifischen Resultate verzeichnet werden. — 4) Die Komplementbindungs- 
reaktion ermöglicht die Feststellung des Rhinoskleroms nicht nur in 
klinisch ausgeprägten, sondern auch in initialen resp. latenten Formen 
der Krankheit, was in epidemiologischer und klinischer Beziehung. 
von erheblicher Wichtigkeit ist. — 5) Bei der bakteriologischen Di- 
agnostik des Rhinoskleroms gebührt der Methode der Komplement- 
ablenkung die erste Stelle. 


Literatur. 
Elbert, Feldmann u. Gerkes, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 96. 
1925. — Quast, Ebenda. Bd. 97. 1926. H. 2/3. — Käbelik, Seuchen- 


bekämpfung. 1925. H. 3/4. 


Nachdruck verboten. 


Eine Fehldiagnose auf Wut? 


[Aus dem Institut zur Erforschung der Infektionskrankheiten in Bern 
(Dir.: Prof. Dr. Sobernheim).] 


Von Dr. Waldemar Loewenthal, Leiter der Wutschutzabteilung. 
Mit 1 Abbildung im Text und 1 Tafel. 


Am 6. 9. 1926 erhielt die Wutschutzabteilung aus dem Tessin 
ohne irgendwelche weitere Angaben den Kopf einer jungen Katze zur 
Untersuchung auf Wut. Makroskopisch wurde an dem Gehirn nichts 
auffälliges bemerkt. Für die mikroskopische Untersuchung wurden 
Stücke von Ammonshorn mit nächster Umgebung entnommen und teils 
nach dem Azetonschnellverfahren, teils nach Sublimatfixierung in Pa- 
raffin eingebettet und geschnitten. Ein weiterer Teil des Ammonshorns 
und grauer Substanz wurde zur bakteriellen Entkeimung für spätere 
Kaninchenimpfung in Glyzerin eingelegt. 

Iu den Ganglienzellen des Ammonshorns selbst konnten in 
keinem der zahlreichen untersuchten Schnitte Negrische Körper- 
chen festgestellt werden. Dagegen wurde an den Schnitten eines 
Stückes, das nach Azetonbehandlung schnell eingebettet worden war, ein 
besonderer Befund erhoben. Während nämlich das Ammonshorn auch 
hier frei von Negrischen Körperchen war, zeigten viele der Ganglien- 
zellen in einem dem Kopf des Ammonshorns benachbarten Bezirk 
Einschlüsse; das betreffende Gebiet ist auf der Uebersichtsskizze 
(Fig. 1) durch eine schwarze Linie umgrenzt. Es handelte sich dabei 
um scharf umschriebene, rundliche Gebilde verschiedener Größe, etwa 


394 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


kleineren Negri-Körpern entsprechend. Sie färbten sich bei Lentz- 
Färbung eosinrot; Vakuolen können an manchen Exemplaren mehr oder 
weniger deutlich erkannt werden, aber keine Innenkörper. Manchmal 
ist der Einschluß von einem undeutlichen Hof umgeben. Die Ein- 
schlüsse sind meist in Einzahl vorhanden, es wurden aber auch Zellen 
mit 2 Einschlüssen gefunden. Besser als alle Beschreibung geben die 
Zeichnungen (Tafelfig. 1—4) den Befund in einigen Beispielen wieder. 
Auch bei der Färbung mit Karmin-Bayrischblau 1) waren die Einschlüsse 
zu erkennen, traten aber am Azetonmaterial nicht gut hervor. Im Subli- 
matmaterial konnte, wie sich später herausstellte, keine Stelle mit 
einschlußhaltigen Ganglienzellen gefunden werden. 

Aber schon nach der Untersuchung des Azetonmaterials war die 
praktische Frage zu beantworten: ist bei der Katze Wut zu 
diagnostizieren? oder mit anderen Worten: Sind die Einschlüsse 
als Negrische Körperchen anzusehen? Daß die Einschlüsse nicht in 
den Ganglienzellen des Ammonshorns zu finden waren, machte wohl 
stutzig, schloß aber ihre Deutung als Negri-Körper nicht aus; es 

konnte sich ja um einen jener Aus- 
nahmefälle handeln, in denen Ne- 


y 4 4 a: = grische Körperchen an anderen 
E NA ix NE Stellen des Zentralnervensystems 
wur nachweisbar sind, aber nicht im 


Ammonshorn. Was nun die Ein- 
schlüsse selbst betrifft, so gelang 
freilich die Darstellung von Innen- 
körperchen nicht; da nach meiner 
Erfahrung aber die Lentz-Fär- 
bung nicht mit solch unfehlbarer 
Sicherheit arbeitet, daß in jedem 
N egri- Körperchen die In- 
Fig. 1. nenkörperchen erkennbar werden, 
l so sah ich auch darin noch 
keinen Gegenbeweis. Bei dem ganzen Habitus der Einschlüsse, wie 
er in Tafelfig. 1—4 durch den Zeichner Herrn Dr. Schütz unbeein- 
flußt von mir objektiv wiedergegeben ist, hielt ich es nicht für möglich, 
die Deutung der Gebilde als Negrische Körperchen auszuschließen °). 
Da obendrein der Kopf aus dem südlichen Teil des Tessin eingesandt 
war, der Gegend der Schweiz, die in bezug auf Wutvorkommen in erster 
Reihe steht, und da trotz fehlender Angabe Menschen verletzt sein 
konnten, teilte ich noch am selben Tage, am 6. 9., dem einsendenden 
Arzt telegraphisch den Befund als für Wut positiv mit. 
Tatsächlich fanden sich daraufhin schon am nächsten Morgen 
2 Personen zur Wutschutzbehandlung ein, 4 weitere folgten. Es 
handelte sich um ein junges Mädchen, das am 5. 9. ohne Veranlassung 


‘1 

‘ 

och 
‘ 





1) Die von mir schon wiederholt beschriebene Färbung (Zeitschr. f. Krebs- 
forsch. 1907. v. 5. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 97. 1926.) gibt für den 
Nachweis der Negrischen Körperchen sehr gute Resultate und eignet sich auch für 
Klatschpräparate. Für Negrikörper muß jedoch die Fürbedauer mit Bayrischblau 
auf 5 Min. und mehr ausgedehnt werden. Die Methode hat den Vorteil, daß sie 
auch an Schnitten, die für andere Svezialfärbungen zu dick sind, sehr gute Bilder 
liefert, gelingt aber nur gut nach Sublimatfixierung. 

2) Bemerkenswert ist, daß Luzzani sowie Jastrembsky mehrfach bei 
Katzen in den Ganglienzellen des Ammonshorns Einschlüsse gefunden haben, die 
sehr kleinen Negrikörpern ähnelten, ohne dad es sich um Wut gehandelt hätte. 


Loewenthal. Eine Fehldiagnose auf Wut? 395 


von der Katze so kräftig in den Oberschenkel gebissen worden war, daß 
die Hose zerrissen und die Haut verletzt wurde. Ein 2. junges Mädchen 
hatte die Katze gewohnheitsmäßig auf das Maul geküßt und hatte 
2 lange Kratzer am Hals; ferner erschien das Stubenmädchen, das 
wiederholt den Boden von der schaumigen Flüssigkeit gesäubert hatte, 
die die Katze aus dem Maul entleerte, und 3 Kinder von 3—12 Jahren, 
die dauernd mit der Katze gespielt und sie geküßt hatten. Alle 6 Per- 
sonen wurden in Wutschutzbehandlung genommen, was umso unbe- 
denklicher geschehen konnte, als das hiesige Institut bisher keinen Fall 
von Lähmung nach der Behandlung zu beklagen hat. Ob das nur ein 
glücklicher Zufall bei kleinem Beobachtungsmaterial ist, oder mit der 
ausschließlichen Verwendung von Glyzerinmark nach Calmette zu- 
sammenhängt, wird wohl die von der Hygienekommission des Völker- 
bundes eingeleitete Sammelforschung ergeben. 

Nun konnte auch über die Krankheit des Tieres etwas in Er- 
fahrung gebracht werden. Es handelte sich um eine 4 Monate alte 
Katze, seit 3 Monaten bei dem letzten Besitzer; sie wurde im Zimmer 
gehalten und angeblich nur unter Aufsicht ins Freie gebracht, eine 
vorangegangene Verletzung der Katze durch einen Hund oder ein 
anderes Tier wurde für ausgeschlossen erklärt. Seit einigen Tagen 
habe die Katze verminderte FreBlust gezeigt und verändertes Wesen, 
habe sich in den Ecken und unter Möbeln verkrochen, sei an Gegen- 
stände angerannt, habe häufig Schaum ausgespien oder crbrochen 
(welches von beiden zutraf, war nicht klarzustellen), habe viel gemiaut 
mit veränderter, tiefer, heiserer Stimme, habe sich auf den Hinterbeinen 
nicht aufrichten können und sie beim Gehen nachgeschleift. Nach- 
dem die Katze am 5. 9. ohne Grund gebissen hatte, war sie auf Ver- 
anlassung des Arztes getötet worden; ein Tierarzt war nicht zuge- 
zogen worden. 

Gewiß muß man bei einer jungen Katze an Staupe denken, aber 
die ganze Schilderung scheint eher für Wut zu sprechen; insbesondere 
daß eine gut gehaltene Katze einen ihr wohlbekannten Menschen ohne 
Veranlassung kräftig beißt, soll nur bei Wut vorkommen. Ich würde 
also in der von den jungen Mädchen gegebenen Krankheitsbeschreibung 
eine volle Bestätigung der mikroskopischen Wutdiagnose erblickt haben, 
wenn nicht nachträglich noch eine weitere Angabe gemacht worden 
wäre: die Katze sollte im Laufe des letzten Monats schon zwei- 
mal die gleichen Krankheitserscheinugen, mit Ausnahme 
der Stimmänderung und des Beißens, gezeigt und sich beide Male 
nach einigen Tagen wieder vollkommen erholt haben. Derartig 
weitgehende Remissionen sind in der mir zugänglichen Literatur weder 
bei Staupe noch bei Wut erwähnt, und ich wüßte nicht, welche Krank- 
heit sonst in Betracht käme. Andererseits wurden die Angaben von 
den beiden jungen Mädchen mit solcher Bestimmtheit gemacht, daß 
Zweifel an ihrer Richtigkeit nicht berechtigt erschienen. 

Nun blieb noch die Entscheidung durch den Tierversuch. 
Von einer dichten Emulsion des Katzengehirns in Kochsalzlösung er- 
hielten am 9. 9. zwei Kaninchen je 0,2 ccm intrazerebral. Bis Jetzt, 
mehr als 6 Wochen nach der Impfung, sind beide Tiere vollkommen 
munter und normal!). | 


1) Anmerkung bei der Korrektur. Die Tiere sind 12 Wochen nach der Imp- 
fung gesund aus der Beobachtung entlassen worden. 


396 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


Es handelt sich also um eine schwer zu beurteilende Sachlage: 
der mikroskopische Befund und das Krankheitsbild waren ungewöhnlich 
ließen aber die Wutdiagnose als möglich und daher die Schutzimpfung 
der gefährdeten Personen als notwendig erscheinen; der Tierversuch 
jedoch verlief negativ. Entweder war also die mikroskopische und 
‚klinische Diagnose falsch, oder die Katze war wirklich wutkrank und 
die intrazerebrale Impfung hat bei 2 Kaninchen versagt. Eine Alter- 
native wäre so merkwürdig wie die andere, und deshalb hielt ich es 
für geboten, die Beobachtung mitzuteilen. 


Erklärung der Abbildungen im Text. 


Nachdruck verboten. 


Zur Frage der Herpesätiologie'). 


[Aus dem Institut für Hygiene u. Bakteriologie und der Wissenschaft- 
lichen Abteilung des Schweizer Serum- und Impfinstituts in Bern 
(Dir.: Prof. Dr. G. Sobernheim).] 


Von Dr. Waldemar Loewenthal. 
Mit 26 Abbildungen im Text und 1 Tafel. 


Die Theorie eines unbelebten Agens als Ursache des Herpes ist 
durchaus nicht so sicher begründet, als daß nicht noch mit der Möglich- 
keit gerechnet werden dürfte, einen belebten Erreger zu finden. Bak- 
teriologische Untersuchungen haben bisher völlig versagt. Es scheint 
mir daher, daß ein anderer Weg eingeschlagen werden sollte: zunächst 
nämlich einmal mikroskopisch nachzuforschen, ob im herpetischen Ge- 
webe etwas von banalen Befunden Abweichendes aufgefunden werden 
kann, was den Eindruck eines Mikroorganismus macht. Findet man 
solche Gebilde, so wäre das immerhin schon ein Schritt auf dem 
Wege, und es bestände die Hoffnung, daß weitere Fortschritte Auf- 
klärung bringen könnten, ob das tatsächlich ein Organismus und ge- 
gebenen Falles der Herpeserreger ist. Nach den Erfahrungen der 
Pockenforschung scheint für den Beginn solcher Untersuchungen die 
mit Herpes infizierte Kaninchencornea am ehesten geeignet. 

Ein ganz regelmäßiger mikroskopischer Befund im Epithel der 
herpetischen Cornea des Kaninchens ist die Kern veränderung, die als 
Herpeskörperchen, von Dörr als Binnenkörper bezeichnet wird. 
Der Name ,,Herpeskérperchen“, rein deskriptiv aufgefaßt, präjudiziert 
nichts und darf daher nach meiner Meinung ohne Bedenken gebraucht 
werden. Ich habe sie in der Herpescornea nie vermißt und anderseits 
ist mir aus eigener Erfahrung wie aus der Literatur kein Fall be- 
kannt, in dem es sich sicher nicht um Herpes gehandelt hätte und 
dennoch die Herpeskörperchen in der Cornea, gefunden worden wären. 
Eine Ausnahme macht nur das filtrable Kaninchenvirus von Rivers 


1) Demonstrationsvortrag, gehalten am 10. 4. 26 an der Jahresversammlung 
der Schweiz. Dermatolog. Gesellschaft in Bern. 


Loewenthal, Zur Frage der Herpesätiologie. 397 


und Tillet, über dessen Bedeutung und Beziehungen erst wenige Unter- 
suchungen vorliegen. Ich glaube also, daß man den Nachweis der 
Herpeskörperchen diagnostisch verwenden kann in der gleichen Weise, 
wie die Guarnierischen Körperchen für die Pockendiagnose. Das be- 
bezieht sich aber nur auf die Kaninchencornea; ob es auch für andere 
Gewebe gilt und man z. B. auf anscheinend entsprechende Kern- 
veränderungen in Zellen der Lunge und Leber eines Kindes die Diagnose 
Herpes stellen darf, wie es v. Glahn und Pappenheimer getan 
haben, entzieht sich meiner Beurteilung. 

In der pathologisch-anatomischen Literatur sind nämlich derartige 
Kernveränderungen schon zu wiederholten Malen beschrieben worden, 
und Luger und Lauda, die sich eingehend damit beschäftigt haben, 
fassen alle diese Vorgänge, darunter auch das Auftreten der Herpes- 
körperchen, unter dem Namen ,oxychromatische Degeneration“ als 
etwas Einheitliches und daher Unspezifisches zusammen. Material zur 
Nachprüfung von Luger und Laudas Angaben besitze ich nicht, bis 
auf eines ihrer Beispiele, die einschlußartige Kernveränderung in der 
Karpfenpocke. Auch diese rechnen die genannten Autoren zur 
oxychromatischen Degeneration, und sie haben das auf der letzten 
Tagung der Deutschen Vereinigung für Mikrobiologie demonstriert an 
einem Präparat von Karpfenpocke, das mit Hämatoxylin schwach ge- 
färbt, aber mit Eosin ad maximum überfärbt war und in dem der Kern- 
einschluß tatsächlich eosinrot war. Das hat mich frappiert, da ich 
ja seinerzeit als erster diese Kernveränderung in der Karpfenpocke 
beschrieben und ausdrücklich angegeben hatte, daß auch die veränderten 
Kernteile die Kernfarbstoffe annehmen, was mit einer Oxychromasie 
unvereinbar ist. Ich habe mich auf meine alten, vielleicht abgeblaßten 
Präparate nicht verlassen mögen und neue Schnitte von Karpfenpocke 
mit Hämatoxylin und Eosin gefärbt, kann aber meine frühere Angabe 
nur bestätigen: bei normaler Ausführung der Färbung nehmen auch 
die einschlußartigen Teile der Kerne das Hämatoxylin stärker an 
als das Eosin. Selbst bei der Färbung mit Karmin und angesäuertem 
Bayrischblau, bei der die sonst nicht ausgesprochen oxychromatischen 
Herpeskörperchen den sauren blauen Farbstoff intensiv festzuhalten 
pflegen, erscheinen schon bei geringer Differenzierung die Kern- 
veränderungen der Karpfenpocke karminrot. Ich kann also nicht an- 
erkennen, daß die einschlußartige Kernveränderung in der Karpfen- 
pocke eine oxychromatische Degeneration ist. 

Es ist das freilich nur ein einziges Beispiel der ,,oxychromatischen 
Degeneration‘, das ich nachgeprüft habe. Wenn aber schon dies eine 
Beispiel nicht stimmt, ist doch der Zweifel berechtigt, ob wirklich 
die ,,oxychromatische Degeneration“ von Luger und Lauda etwas 
Einheitliches ist, und der von daher genommene Einwand gegen die 
Spezifizität der Herpeskörperchen in der Kaninchencornea erscheint 
mir nicht stichhaltig. Es ist auch wohl von vornherein wenig ein- 
leuchtend, daß gerade diejenige mikroskopische Veränderung in der 
Herpescornea, die regelmäßig anzutreffen ist und die meines Wissens 
auf der Kaninchencornea bisher nur durch Herpesinfektion (mit der 
schon angeführten Ausnahme) hervorgerufen werden kann —, daß 
gerade diese Veränderung unspezifisch sein sollte. 

Lipschütz hält die Herpeskörperchen für eine Wirkung von 
Chlamydozoen, eine Ansicht, die allgemein abgelehnt wird. Meinen 
eigenen Einwand gegen die Chlamydozoen-Natur, daß nämlich die 


398 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


Herpeskörperchen fast stets strukturlos sind, kann ich nicht mehr 
voll aufrecht erhalten; ich habe mich bei weiteren Untersuchungen 
überzeugt, daß sie doch häufiger, als ich früher angenommen hatte, 
kleinste und zahlreiche Körnchen enthalten können. Aber man kann 
manchmal andere Erscheinungen an ihnen beobachten, die allzu weit 
von dem abweichen, was wir sonst bei Chlamydozoen kennen. Ich 
werde darauf noch zu sprechen kommen. 

Ferner kommen in der Herpescornea Einschlüsse im Zellleib 
der Epithelzellen vor, die große Aehnlichkeit mit Guanierischen Kör- 
perchen haben, aber dennoch von ihnen unterschieden werden können. 
Lucksch hat sie als erster beschrieben; zum Unterschied von den 
Gebilden im Kern bezeichnet er sie als ‚seine Herpeskörper“. Lucksch 
stellt sie auf eine Stufe mit den Guarnierischen, Negrischen 
Körperchen und anderen Zelleinschlüssen und hält sie alle miteinander 
für unspezifisch. Tatsächlich können wir die Herpeskörper von 
Lucksch wohl von G. K. unterscheiden, nicht aber von Guarnie- 
roiden, wie wir sie auf unspezifische Weise, z. B. durch Di-Toxin in 
der Kaninchencornea hervorzurufen vermögen. Solange wir hier keine 
Unterscheidungsmerkmale kennen, sind also Luckschs Herpeskörper 
nicht verwertbar, und ich lasse die in der Herpescornea häufig zu 
findenden Guarnieroiden daher außer Betracht. 

Weiterhin kann man in der herpetischen Cornea des Kaninchens 
noch andere Zelleinschlüsse finden, die von G.K. stärker ver- 
schieden sind. Ich habe hierüber schon auf der letzten Tagung der 
Deutschen Vereinigung für Mikrobiologie gesprochen; da der Verhand- 
lungsbericht noch nicht lange erschienen ist!), darf ich mir wohl er- 
lauben, Ihnen die betreffenden Zeichnungen in möglichster Kürze vor- 
zuführen (Demonstration). 

Ich hatte mich in Frankfurt dahin geäußert, daß mir solche Bilder 
als Produkte von Zelldegeneration, Phagozytose u. dgl. nicht bekannt 
seien, daß sie sich aber sehr wohl in den Entwicklungsgang eines 
Protozoon (Mikrosporidium) einordnen ließen. Ich hatte aber noch einen 
Vorbehalt gemacht, den Dörr unterstrichen hat: die Befunde stammten 
nämlich fast alle aus Corneae, die nicht direkt vom Menschen, sondern 
mit herpetischem Kaninchengehirn geimpft waren, so daß es sich also 
um Täuschung durch phagozytierte Gehirnpartikel oder zufällige Misch- 
infektion mit Encephalitozoon cuniculi handeln konnte. 

Um dieser Möglichkeit zu begegnen, habe ich zunächst auf skari- 
fizierte Kaninchencorneae Gehirn verimpft von Kaninchen, die an 
Passage-W ut eingegangen waren, teils ohne weiteres, teils bei gleich- 
zeitiger Reizung der Cornea durch Bouillon. Bei der mikroskopischen 
Untersuchung von Paraffinschnitten habe ich in den Corneae nichts 
den Herpesbefunden irgendwie Vergleichbares finden können. 

Wichtiger sind die nun zu besprechenden Untersuchungen von 
Corneae, die mit Herpes vom Menschen?) unmittelbar oder 
nach einer Corneapassage geimpft waren, so daß also Störung durch Ge- 
hirnelemente ausgeschlossen ist. Offensichtlich banale Veränderungen 
habe ich außer Betracht gelassen, ebenso die einfachen Guarnieroiden 


1) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 97. 1926. 

2) Das Herpesmaterial verdanke ich zum größten Teil Herrn Prof. Nägeli, 
ferner den Herren Prof. Sahli und Guggisberg bzw. ihren Herren Assistenten; 
einen Fall von postmenstruellem Herpes machte mir in freundlicher Weise Herr Dr. 
Zurukzoglu zugänglich. 


Loewenthal, Zur Frage der Herpesätiologie. 399 


und alle nicht sicher intrazellulär liegende Gebilde, auch wenn sie 
durchaus in den Rahmen paßten. Dies letzte geschah nur aus Gründen 
der Arbeitsökonomie, denn sachlich ist eine solche Beschränkung nicht 
berechtigt; da die Infektion von der Cornea auf das Gehirn übergreifen 
kann, müssen wir von einem Gebilde, das wir als Herpeserreger an- 
erkennen sollen, geradezu verlangen, daß wir ihm auch außerhalb der 
Zellen des Corneaepithels begegnen. Um mich nicht zu zersplittern, 
habe ich mich vorläufig auf eine einzige Methode beschränkt: Sublimat- 
fixierung, Paraffinschnitte, Färbung mit Lithionkarmin-Bayrischblau. 





Fig. 1. 


Fig. 3. Fig. 4. 


Ich darf Ihnen nun die Befunde in Zeichnungen vorführen; ein 
möglichst großer Teil der Dinge ist auch unter den Mikroskopen ein- 
gestellt. 

Zunächst Befunde, die als Knospungsvorgänge an den Proto- 
plasmaeinschlüssen aufgefaßt werden können: In einem großen, den 
Zellkern einbuchtenden Hof ein Körperchen, dem ein kleineres aufsitzt 
(Fig. 1), oder 2 gleichgroße, dicht aneinander gelagerte Körperchen 
(Fig. 2). Ich selbst bin derartigen Knospungen bei G.K. nie begegnet, 
Ungermann und Zülzer jedoch geben solche Abbildungen sowohl 


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Fig. 5. Fig. 6. Fig. 7a. Fig. 7b. 


von echten G. K. wie auch von Guarnieroiden, die nach Terpentin- 
reizung der Cornea entstanden waren. Die in einem gemeinsamen Hof 
liegenden 2 und 3 Einschlüsse (Fig. 3 und 4) könnten ebenfalls durch 
Knospung entstanden sein; das eine der Körperchen in Fig. 3 zeigte eine 
deutliche, exzentrische kernartige Differenzierung. 3 und 4 kleine 
Knospen, die dem guarnieroiden Einschluß aufsitzen, zeigen Fig. 5 und 
Tafelfig. 1. Daß Knospungsvorgänge bei Mikroorganismen weit ver- 
breitet sind, ist allbekannt; unter den Mikrosporidien verweise ich nur 
auf die langen Sprossungsketten bei Nosema. 

Weiterhin möchte ich Protoplasmaeinschlüsse mit kern- 
artigen Bildungen zeigen, Tafelfig. 2 und Fig. 6 mit je cinem, 


400 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


Fig. 7a (hohe Einstellung) mit 2 Kernen, deren stärker oder karmin- 
rot färbbare Substanz als Calotte angeordnet ist. Solche Calottenkerne 
(falls die Gebilde tatsächlich Kernwert haben) sind mir bei keiner 
Säugetierzelle bekannt, abgesehen von den Verschiebungserscheinungen 
bei ungeeigneter Fixierung; dann müßten die Calotten aber alle nach 
derselben Richtung liegen, und das ist nicht der Fall. Bei den Protisten 
dagegen begegnet man solchen Kernen nicht selten; ich darf aus eigenen 
älteren Untersuchungen als Beispiel anführen die Kerne der Schwärm- 
sporangien von Synchytrium taraxaci und die Kerne von Opa- 
lina ranarum zur Zeit der Enzystierung. Zwei Kerne zeigt auch 


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Fig. 8. Fig. 9a. Fig. 9b. 





der Einschluß Fig. 8, eine größere Zahl Fig. 7b, 9—11 u. Tafelfig. 3, 
die z. T. deutlich 2 Gruppen verschiedener Größe bilden. In den letzten 
3 dieser Abbildungen, insbesondere in Tafelfig. 3, ist die Calottenform 
der Kerne des Zelleinschlusses sehr ausgeprägt. Ihre Zahl beträgt 
meist etwa 8. 

Fig. 12 und 13 zeigen mehrere nestartig zusammenliegende Ein- 
schlüsse, zumeist mit deutlicher kernähnlicher Differenzierung. Man 
kann sich solche nesterweise Anordnung in einer Zelle ebensowohl aus 
den Knospungsformen entstanden vorstellen, wie aus den mehrkernigen 
Formen; ob und welches von beiden zutrifft, läßt sich bisher nicht 
sagen. 





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Fig. 10. Fig. 11. Fig. 12. Fig. 13. Fig. 14. 


Die Zelle Fig. 14 enthält, von einem Hof umgeben, einen den Zell- 
kern einbuchtenden, birnförmigen Einschluß, in dem, der Wand von 
innen anliegend, zwei langgestreckte, würmchenförmige Gebilde mit 
kernartiger Differenzierung zu erkennen sind. Aehnlich, nur mit etwas 
anderer Lagerung der Würmchen, ist der birnförmige Einschluß in 
Fig. 15. In der Zelle Tafelfig. 4 ist ein etwas aufgetriebener birn- 
förmiger Einschluß (ohne Hof) zu sehen, der 4 solche Würmchen mit 
deutlicher Kerndifferenzierung enthält; die Würmchen liegen nicht 
in einer Ebene, sondern sind zu flachen Spiralen angeordnet. Daß die 
Wiirmchen auch frei auftreten können, zeigt Fig. 14 (in der Nähe des 
rechten Kernpols). Es könnte daher auch der einzelne kleine Ein- 


Loewenthal, Zur Frage der Herpesätiologie. 401 


schluß in Fig. 4 (neben dem Zellkern) und der größere in Fig. 16 auf 
solches Würmchen zurückgeführt werden, wenngleich eine andere 
Deutung, Entstehung aus den bald zu erwähnenden Schiffchen, eben- 
falls möglich ist. 

Fig. 17 zeigt 2 Einschlüsse; links in einem den Kern stark ein- 
buchtenden Hohlraum (bei höherer Einstellung bedeckt der Zellkern 
einen großen Teil des Einschlusses) in einer undeutlich gefärbten Masse 
3 scharf umgrenzte spindelförmige Gebilde, die im Innern jedes 
eine kleinere blau und eine größere rot gefärbte Stelle erkennen lassen ; 
noch ein viertes Gebilde ist vorhanden, bei dem ich nicht sicher er- 
kennen kann, ob es sich um eine senkrecht zur Bildebene stehende 
Spindel handelt. Der 2. Zelleinschluß, rechts vom Zellkern, erscheint bei 
flüchtiger Betrachtung als kräftig blau gefärbtes Guarnieroid. Bei 
genauerer Beobachtung jedoch ist erkennbar, daß der Einschluß aus 
4 dicht aneinander gedrängten, Weberschiffchen - förmigen Körper- 
chen besteht; jedes der Schiffchen ist an der Peripherie stark, im Innern 
blaß ‘oder fast gar nicht gefärbt. Noch deutlicher tritt der aus einer 
größeren Zahl von Schiffchen bestehende Einschluß in Tafelfig. 5 
hervor. Diese Epithelzelle lag an einer Stelle, wo der Zellverband aufs 
äußerste gelockert war, und der Einwand, es handle sich hier nur um 
stärkere Alveolen- oder Vakuolenbildung in einer degenerierenden Zelle 


Co W Q, Y 
Fig. 15. Fig. 16. Fig 17. Fig. 18. 


und ich interpretierte fälschlich die Alveolarsepta als Schiffchen, wäre 
auf Grund von Fig. 17 und Tafelfig. 5 nicht bindend zu widerlegen. 
Bei der folgenden Tafelfig. 6 ist jedoch dieser Einwand nicht möglich. 
Das ist eine im geschlossenen Zellverband des Epithels liegende, gut 
erhaltene Basalzelle mit scharfer Begrenzung, nur nach der Basis zu 
gehen, wie gewöhnlich, die Zellen synzytienartig ineinander über. Im 
Basalteil dieser Zelle umschließt eine deutlich doppelt konturierte Mem- 
bran einen unregelmäßig geformten Hohlraum. In der Mitte des Hohl- 
raums sind in einer undefinierbaren Masse eine größere Anzahl Schiff- 
chen angehäuft; am Rande des Haufens liegen einige Schiffchen ganz 
frei, so daß über ihre Natur als selbständig begrenzte Gebilde gar 
kein Zweifel bestehen kann. Tafelfig. 7 und Fig. 18 zeigen Epithel- 
zellen, die in einer Protoplasmavakuole je 3 einzeln liegende Schiffchen 
beherbergen; in Tafelfig. 7 ist das Innere der Schiffchen ungefärbt, 
ın Fig. 18 haben sie durchweg den blauen Farbstoff intensiv festge- 
halten. Auch den Befund Fig. 19 möchte ich hierher rechnen, wo 
im äußersten Zipfel einer Zelle (der erst bei tieferer Einstellung sicht- 
bare Hauptteil der Zelle ist im Umriß gezeichnet) ohne erkennbare 
Vakuole 8 Schiffchen liegen, deren Peripherie tiefblau, deren Inneres 
aber rotviolett gefärbt ist. 

Nun komme ich auf die Veränderungen der intranu- 
kleären Herpeskörperchen zu sprechen, auf die ich eingangs 
schon hindeutete als zu weit von dem abweichend, was wir von Chla- 

Erste Abt. Orig. Bd. 101. Ileft 6/7. 26 


402 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


mydozoen kennen. In Tafelfig. 8 u. 9 weist das im Kern liegende 
blasse Herpeskörperchen etwa 8 blaue, unregelmäßig gestaltete Flecke 
auf, in Tafelfig. 8 unscharf, in Tafelfig. 9 scharf begrenzt und zum 
Teil mit kernartiger Differenzierung. In Tafelfig. 10 und Fig. 20 (Kern 
zerrissen, das stärker zerfetzte Protoplasma nicht gezeichnet) besteht das 
blaue, im Kern liegende Herpeskörperchen aus einer größeren, nicht ge- 
nau festzustellenden Zahl von Schiffchen, und Fig. 21 zeigt in dem blaß- 
blauen Herpeskörperchen etwa 9 rotgefärbte Schiffchen verstreut. Die 
Befunde im intranukleären Herpeskörperchen sind also weitgehend 
den Protoplasmaeinschlüssen ähnlich. 





Fig. 19. Fig. 20. Fig. 21. Fig. 22. 


Weiterhin muß ich noch Befunde zeigen, die vielleicht eine 
ganz andere Bedeutung haben; ich darf aber nicht wohl Dinge 
verschweigen, die gegen meine Auffassung verwertet werden können. 
Die Zellen Fig. 22 bis 24 (in Fig. 23 ist der in höherer Ebene liegende 
Teil der Epithelzelle nur im Umriß gezeichnet) enthalten einzeln oder 
gruppenweise Zelleinschlüsse, die blau gefärbte Ringe bilden, deren 
Inneres ungefärbt oder in verschiedenem Grad rot gefärbt sein kann, 
ein dunkelblauer Punkt oder Strich im Zentrum kann vorhanden sein 
oder fehlen. Alles vereinigt zeigt am deutlichsten der Einschluß Fig. 24. 
Nun stellt Fig. 25 einen sicheren Leukozyten dar, wie man ihnen in 





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Fig. 23. Fig. 24. Fig. 25. Fig. 26. 


der Herpescornea sehr häufig begegnet, die ich aber sonst noch nicht 
gefunden habe1): die abgerundeten Kernsegmente hochrot gefärbt, in 
der Mitte jedes der Segmente ein dunkelblauer Strich. Die Aehnlich- 
keit eines einzelnen Kernsegmentes, von einem Protoplasmarest um- 
geben, mit den Einschlüssen der Figg. 22—24 ist auffällig. 

Wenn wir die Befunde der beiden Untersuchungsreihen, 
Corneaimpfung mit Herpesvirus nach Gehirnpassage und ohne solche, 
miteinander vergleichen, so haben Sie sich wohl überzeugen können, 
daß sie einander bestätigen und ergänzen. Die Zelleinschlüsse, 
wie ich sie in Frankfurt (und heute hier wieder) gezeigt habe, sind also 


1) Nachtrag: Ich habe seither solche Leukozyten auch in der mit Maul- und 
Klauenseuche geimpften Meerschweinchenplanta gesehen. 


Loewenthal, Zur Frage der Herpesätiologie. 403 


nicht durch die mitverimpfte Gehirnquote bedingt, und es wächst daher 
die Wahrscheinlichkeit, daß sie mit der Herpesimpfung als solcher in 
Zusammenhang stehen. Für die weitere Erforschung dieser Zell- 
einschlüsse ergibt sich, daß man unbedenklich das Untersuchungs- 
material durch Verimpfung von Passagevirus (Gehirn) gewinnen darf, 
was manche Vorteile bietet, so daß das spärliche Material aus Herpes- 
bläschen vom Menschen für direkte mikroskopische Untersuchung ver- 
{ügbar wird. 

‘Wenn ich sagte, die beiden Untersuchungsreihen bestätigen ein- 
ander, so heißt das, daß unter den Zelleinschlüssen gewisse wieder- 
kehrende Formtypen zu erkennen sind; dadurch verlieren die Befunde 
den Charakter des Zufälligen, Isolierten, und eine Gesetzmäßigkeit ist 
angedeutet. 

Daraus folgt freilich noch nichts über die Natur der Befunde. Es 
wäre gewiß leicht, sie als Erscheinungen irgendwelcher Degeneration, 
Nekrobiose, Phagozytose, Ausfällungen durch das Fixierungsmittel u. dgl. 
abzutun. Meines Wissens aber kennen wir noch keinen Fall, daß 
Degeneration usw. derartige Bilder im Corneaepithel hervorbrächte, 
und solange dafür kein Beispiel beigebracht wird, wäre das eben nur 
eine Behauptung, die sich möglicherweise sogar später als zutreffend 
herausstellen könnte, der aber bisher die Grundlage fehlt. Freilich ist 
das Gebiet der Veränderungen des Corneaepithels durch unbelebte Reize 
wohl noch ungenügend durchforscht. So wissen wir zwar seit mehr als 
20 Jahren, daß durch Di-Toxin in der Cornea Guarnieroide erzeugt 
- werden können; tatsächlich aber kann man nach diesem Reiz eine 
wahre Musterkarte von Kern- und Zellveränderungen finden, deren 
genauere Analyse eine dankenswerte und interessante Aufgabe für die 
pathologische Cytologie wäre. Die letzte Zeichnung (Fig. 26) zeigt 
das den Herpesbefunden ähnlichste Bild, das ich bisher gesehen habe. 
Ein Unterschied im Habitus gegen Tafelfig. 2 ist gewiß erkennbar; 
immerhin mahnt das zu einiger Vorsicht. 

Dagegen läßt sich jedes der Herpesbilder mit einer ganzen Reihe 
von Beispielen aus der Protozoenkunde in Parallele setzen. Es ist wohl 
das Natürlichste und Ungezwungenste, die Befunde bis auf weiteres dort 
unterzubringen, wo wir Analoges kennen, und so erscheint mir meine 
Arbeitshypothese, die beschriebenen Zelleinschlüsse in 
der Herpescornea als Entwicklungsstadien eines Proto- 
zoon anzusehen, noch berechtigter als bisher. Daß das Bild zu 
buntscheckig dafür sei, vermag ich nicht einzusehen; wenn wir einen 
Schizonten, Mikrogameten und Ookineten des Tertianparasiten unver- 
mittelt nebeneinander sähen, ich glaube nicht, daß wir die 3 für den- 
selben Organismus halten würden, wenn uns der Entwicklungsgang 
nicht so vertraut wäre. Von den Herpeseinschlüssen kennen wir noch 
nicht genügend Formen, aber schon bei meinen bisherigen Unter- 
suchungen habe ich die Empfindung gehabt, daß, nach Ueberwindung 
eines Stadiums der Verwirrung, sich das Bild mir immer mehr klärte, 
je mehr ich sah. Trotzdem möchte ich nicht den Versuch wagen, einen 
Entwicklungszyklus zu konstruieren, die einzelnen Formen als Sporo- 
blasten oder dgl. zu bezeichnen und den angenommenen Organismus 
einer bestimmten Gruppe von Protozoen einzuordnen, wenngleich er mir 
am ehesten in die Mikrosporidien zu passen scheint. Auf Grund aus- 
schließlicher Untersuchung fixierten Materials, wo man nicht weiß, 
was früher und später kommt, ist man zu sehr auf den Besitz von 

26* 


404- Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


Phantasie oder Intuition angewiesen, und auch dann ist man vor 
Fehlern nicht geschützt. Ob Untersuchung von Corneae zu ver- 
schiedenen Zeiten nach der Impfung hier weiter führen wird, ist mir 
zweifelhaft, da immer neue Eruptionen aufschießen, so daß man also 
in einer alten Cornea junge Stadien wird finden können. 


Werden die Einschlüsse als Protozoon angesehen, dann bestände 
die Möglichkeit, daß das der Herpeserreger ist, was noch durch 
besondere Untersuchungen zu erweisen wäre. Die offenbare Aehnlich- 
keit mancher Bilder mit dem Encephalitozoon cuniculi, dem 
Erreger der spontanen Kaninchenencephalitis, spräche dafür. Ein 
Grund, und zwar ein sehr gewichtiger Grund spräche dagegen: das 
ist die Spärlichkeit der beschriebenen Einschlüsse; zahlreich sind nur 
die intranukleären Herpeskörper und nächst ihnen die einfachen Guar- 
nieroiden. Vielleicht aber ist die Spärlichkeit nur scheinbar und beruht 
auf ungenügender Färbungs- und Untersuchungstechnik. Wenn man 
darauf aufmerksam geworden ist, wenn ein Präparat mit der Zeichnung 
daneben aufgestellt wird, dann sind die Gebilde leicht erkennbar; 
dennoch begegnet es mir, der ich doch mindestens für diese Dinge jetzt 
ein geübter Mikroskopiker sein sollte, immer wieder, daß ich erst nach 
mehrfach wiederholtem Studium eines Gesichtsfeldes einen Einschluß 
entdecke, den vorher nicht gesehen zu haben ich überrascht bin. Die 
Möglichkeit, daß ich vielleicht bisher nur die auffälligsten Stadien 
gefunden habe, während zahlreichere, weniger charakteristische mir 
entgangen sein könnten, will ich nur andeuten. 


Ich bin mir wohl bewußt, hier nur Vermutungen und Annahmen, 
aber keine Beweise vorgebracht zu haben. Wenn Sie aber bedenken 
wollen, seit wie langen Jahren wir die Guarnierischen, Negrischen 
Körperchen und andere Zelleinschlüsse kennen, wie zahlreiche und ein- 
gehende Untersuchungen die verschiedenartigsten Forscher ihnen ge- 
widmet haben, und wie weit wir von bewiesenen oder auch nur allge- 
mein anerkannten Anschauungen über deren Natur noch entfernt sind, 
so werden Sie es wohl verzeihlich finden, daß auch ich Ihnen Beweise 
über die Natur der Zelleinschlüsse in der Herpescornea nicht bringen 
konnte, sondern mich mit Arbeitshypothesen begnügen mußte. 


Nachtrag. Die Veröffentlichung ist um 1/, Jahr verzögert 
worden, da sie ursprünglich im Verhandlungsbericht der Schweizer 
Dermatologischen Gesellschaft erfolgen sollte. 

In der Zwischenzeit habe ich durch das Entgegenkommen der 
Kliniken und einiger Privatärzte die Möglichkeit gehabt, von 10 Herpes- 
fällen den Bläscheninhalt zu Ausstrichpräparaten zu verarbeiten 
und mikroskopisch zu untersuchen. Kontrollmaterial von nicht herpe- 
tischen Hautbläschen habe ich noch nicht hinreichend erlangen können. 

In einem Herpesfall fand ich im Protoplasma größerer, einkerniger 
Zellen von einem Hof umgebene Einschlüsse, meist aus Schiffchen zu- 
sammengesetzt, etwa entsprechend Tafelfig. 5; dieser Befund war in 
dem Fall nicht ganz spärlich, noch zahlreicher waren in den Präparaten 
freiliegende Schiffchenkugeln, die an Färbung und gesamtem Charakter 
den intrazellulären durchaus glichen. Ob diese Gebilde erst durch die 
Präparation frei geworden sind oder schon im Bläscheninhalt extra- 
zellulär lagen, ist am Ausstrichpräparat nicht zu entscheiden. Aehn- 
licher Schitfchenbefund in 2 weiteren Fällen. 


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Gntralblatt Tür Bakteriologie Abt? Orig. Ba. 101. 





Lowenthal, Eine Fehliltagnose auf Wut 










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3. 

















Verlag von Gustav Fischer ın Jena pin UR Ar 


Schüffner u. Mochtar, Versuche zur Aufteilung von Leptospirenstämmen. 405 


In anderen Herpesfällen fand ich in den Ausstrichen aus Blasen- 
inhalt runde oder elliptische Gebilde, scharf umschrieben, in blauer 
Färbung und Strukturmangel etwa dem Einschluß in Tafelfig. 1 
entsprechend, der Mehrzahl der Exemplare sitzt an einem Pol knospen- 
artig ein kleineres gleiches Körperchen auf. Körper mit mehr als 
emer Knospe habe ich bisher nicht gefunden. Bis auf die intrazelluläre 
Lagerung, die ich in Ausstrichpräparaten noch nicht gesehen habe, 
geht also dieser Befund den Knospungsvorgängen, wie ich sie aus der 
herpetischen Kaninchencornea nach Schnittpräparaten dargestellt habe, 
parallel 1). 

Es scheint demnach, daß im Inhalt đer Herpesbläschen dieselben 
Befunde erhoben werden können, wie in den Epithelzellen der her- 
petischen Cornea, und daß, soweit das kleine Material einen Schluß 
gestattet, im Gegensatz zur Kaninchenhornhaut im Bläscheninhalt die 
vorläufig als Mikroorganismen angesprochenen Gebilde jeweils sämtlich 
im selben Entwicklungsstadium sich befinden. 


Erklärung der Tafelabbildungen. 


Die Abbildungen sind sämtlich Epithelzellen, nur Fig. 25 ein Leukozyt der 
Kaninchencornea. Die Cornea der Fig. 26 war mit Diphtherietoxin behandelt, alle 
anderen Figuren beziehen sich auf herpetische Corneae; a und b ist jeweils dieselbe 
Zelle bei hoher und tiefer Einstellung. 

Sublimatfixierung. Paraffinschnitte. Färbung Lithionkarmin-Bayrischblau. 

Die Zeichnungen sind mit Seibert homog. Immers. 1/,,;, Ok. 3 mit dem 
Zeichenapparat in Tischhöhe entworfen, bei der Wiedergabe der Textfiguren auf 
4/; verkleinert, während die Tafelfiguren in Originalgröße wiedergegeben sind. Die 
Bilder sind so orientiert, daß die Corneaoberfläche oben zu denken ist. 





Nachdruck verboten. 


Versuche zur Aufteilung von Leptospirenstämmen, mit ein- 
leitenden Bemerkungen ne on Verlauf von Agglutination 
und Lysis. 


[Aus dem „Instituut voor tropische Hygiene“, Koninglijke Vereeniging 
Koloniaal Instituut, Amsterdam. | 


Von Prof. W. Schiiffner und Achmad Mochtar, gouv. indisch arts. 
Mit 1 Abbildung im Text. 


Zur Entscheidung der Frage, ob ein Leptospirenstamm einheitlich 
zusammengestellt ist, oder aus verschiedenen nur morphologisch iden- 
tischen Rassen oder Arten besteht, sind die fiir Bakterien tauglichen 
Methoden nicht brauchbar. Leptospiren wachsen nicht auf festen Nähr- 
böden, oder wenn sie darauf wachsen würden, dann würde ihr Nach- 
weis, der im Dunkelfelde zu geschehen hätte, sehr umständlich und 
schwierig sein, und auch der Einzellenkultur, die in unserem Institute 

1) Anmerk. bei der Korrektur. Die freien Knospen sind offenbar von der Haut 
in die FE gelangt; sie sind auch in Präparaten von normaler Hautoberfläche 
zu finden. 


406 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


wohl versucht wurde, stand bisher mancherlei im Wege, und wollte 
nicht glücken. Doch sind solche Versuche — P. Uhlenhuth1) wies 
noch in seiner letzten Arbeit darauf — für die Kenntnis der Lepto- 
spiren sehr erwünscht. Wir haben uns daher bemüht, dem Problem 
auf andere Weise beizukommen, wozu wir durch unsere serologischen 
Arbeiten mit einer ansehnlichen Zahl von Leptospirenarten gebracht 
wurden. Auf einzelnes Besondere dieser Arbeiten müssen wir zuvor 
näher eingehen. 

I. Wenn wir mit Immunseren, gleichgültig ob vom Menschen oder 
vom Kaninchen stammend, die Agglutination und Lysis auswerteten, 
so erhielten wir bei unseren Versuchen und mit unserer Methodik sehr 
regelmäßig einen Ablauf, den die beigegebenen Protokolle verdeutlichen. 


Bei der Aufzeichnung wird möglichst alles, was sich nach Ablauf der 
Reaktion beobachten läßt, berücksichtigt. Die Reaktion ist, im Gegensatz zu den 





Fig. 1. 


einfachen Gruber-Widalschen Reaktionen, eine kombinierte, d. h. sie gibt 
in einem Zuge Aufschluß über das agglutinatorische sowie 
über das lysierende Vermögen eines Serums. Beides wird registriert, 
und die verschiedenen Abstufungen werden mit 1—4 Kreuzen ausgedrückt. Aber 
außerdem zeichnen wir in einer 3. Kolonne noch auf, was an lebenden, unbeein- 
flußten Leptospiren übrig bleibt, gleichsam als Probe aufs Exempel. Hierauf legen 
wir besonderen Wert, da die Feststellung, ob die Zahl der Parasiten in der 
Flüssigkeit von der Kontrolle abweicht, am leichtesten objektiv möglich ist. Dem- 
entsprechend erscheint die Kontrolle mit 4 Kreuzen, und ebenso die höchste Ver- 
dünnung, die keinen Einfluß mehr auf die Parasiten hatte. Dazwischen liegen 
die verschiedenen Grade und Formen der Reaktion. 

Die Verdünnungen werden durch Tropfen aus einer Pipette hergestellt. 
Sehr zweckmäßig sind hierfür die Farbnäpfchen wie sie von Günther und 
Wagner in den Handel gebracht werden. Die beigefügte Photographie erübrigt 
weitere Beschreibung. Es läßt sich mit ihnen ohne Schwierigkeit steril arbeiten: 
Bedeckung mit einer Glasglocke schützt vor Austrocknung. 

Zur Besichtigung im Dunkelfeld wird den Verdünnungen der Reihe nach 
mit der Platinöse ein Tröpfehen entnommen (nach gehörigem Umrühren !), das 


1) Klin. Wochenschr. 1926. S. 1113. 


Schüffner u. Mochtar, Versuche zur Aufteilung von Leptospirenstimmen. 407 


auf dem Tragglas nur wenig, und möglichst immer in gleicher Größe ausgebreitet 
wird. Man raucht mittlere Vergrößerungen (etwa Zeiß Obj. 20, Okular 10), 
wobei man die Parasiten genügend erkennen und ihre Bewegung vollkommen be- 
urteilen kann. Der Vorteil der schwachen Vergrößerung ist, daß man kein Deckglas 
nmg hat, und daß das Bild trotzdem scharf gezeichnet wird. Der mi Fa Tropfen 
wird dann unmittelbar daneben ausgebreitet und durch Verschieben des Trag Fe 
in den Lichtkegel gebracht. So ist es möglich, die Besichtigung einer ganzen Reihe 
von 12—16 Verdünnungen auf einem Tragglas unterzubringen — eine große Er- 
sparnisan Zeit und Material. 


Die beiden Reaktionen nun, Agglutination und Lysis, sind in der 
Reihe auffallend gegeneinander verschoben. In den ersten Verdünnungen 
vollzieht sich allein die Agglutination. Bei 1:10 erscheint die Reaktion 
oft nur angedeutet, bei 1:25 wird sie ausgesprochener, doch bestehen 
die einzelnen Flöckchen nur aus wenigen ineinander verschlungenen 
Leptospiren. Erst in den darauf folgenden Verdünnungen werden die 
Flocken größer, es bilden sich nun förmliche Netze von Leptospiren mit 
zierlichem Maschenwerk, in dem die Leptospiren ineinander ver- 
schlungen sichtbar sind, und durch ihre Bewegung erkennen lassen, 
daß sie noch lebend sind. Das ist das Bild, das man nach 16—20 Std., 
dem Termin des Ablesens, gewöhnlich findet. Beim Stehen senken sich 
die Netze, aber auch die kleineren Flocken zu Boden. Die Zahl und 
Größe der Flocken entspricht, soweit man das beurteilen kann, der 
ursprünglich vorhandenen Menge der isoliert schwimmenden Lepto- 
spiren, lytische Vorgänge sind in diesen ersten Verdünnungen nicht 
wahrzunehmen. Stets bleiben aber einige völlig intakt erscheinende 
isolierte Exemplare übrig, die sich im Gegensatz zu den verklumpten 
Massen nicht zu Boden senken. 

In den höheren Verdünnungen wird die Agglutination durch Lysis 
verdrängt, die Grenze ist bisweilen recht scharf wahrzunehmen, bis- 
weilen ist sie verwaschen. Die Leptospiren zerfallen — auf die Einzel- 
heiten wollen wir hier nicht eingehen — und können schließlich ganz 
aufgelöst werden. Wir begegnen dann auf der Höhe des Prozesses (Ver- 
dünnung 1:5000, nach 16—20 Std.) folgenden zwei Bildern. Ent- 
weder es ist in den Serum-Leptospiren-Gemischen alles verschwunden, 
das Gesichtsfeld erscheint bis auf einzelne, scheinbar völlig intakte 
Exemplare ganz leer, oder aber die körnig zerfallenen Leptospiren 
haben sich zu vielgestaltigen im Dunkelfeld blendend weiß strahlenden 
Haufen mit rund verlaufenden Grenzlinien zusammengeballt, die sich 
durch ihre gleichmäßig körnige Struktur ohne weiteres von den Netzen 
der agglutinierenden Parasiten unterscheiden. An der Peripherie der 
sonst bewegungslosen Masse hängt mitunter noch die eine oder andere 
lebende Spirochäte, deren verlangsamte Bewegung indessen verrät, 
daß sie auch nicht mehr ganz normal ist. 

Die Bildung dieser Ballen findet in der Weise statt, daß zunächst 
Agglutination eintritt. Dieser Zustand bleibt aber nicht, wie in den 
ersten Verdünnungen, sondern nun setzen die Lysine ein, und führen 
die agglutinierten Netze in die beschriebenen strukturlosen Massen 
über. Auch diese Ballen sedimentieren. Greifen die Lysine schneller 
an, wie es bei noch höherer Verdünnung auf der Höhe der Reaktion 
geschehen kann, dann werden die Ballen nicht geformt und man erhält 
das leere Gesichtsfeld. 

Naht die Verdünnung der Titergrenze, so kündet sich das sehr 
deutlich durch die Zunahme der frei schwimmenden Leptospiren an. Das 


408 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


Ende der Reaktion liegt da, wo das Bild und die Konzentration der 
Keime von der Kontrolle wieder erreicht ist. 

Nicht selten tritt in diesem Stadium eine 3. Form von Leptospiren- 
anhäufungen auf, die wir als „Brutnester‘‘1) ansehen und bezeichnen 
möchten. In typischer Ausbildung stellen sie Sterne dar mit dichtem, 
ebenfalls schneeig leuchtendem Kern und einem Strahlenkranz von 
Leptospiren, deren freie Enden in der bekannten Weise lebhaft schlagen. 
Bei genauer Betrachtung scheint auch der Kern in Bewegung, ein 
Zeichen, daß er von lebenden Leptospiren durchsetzt ist. Form und 
allseitige Bewegung unterscheidet sie leicht ‘von den lysierten toten 
Massen ; eine Verwechslung mit den fein gestrickten Netzen der Agglu- 
tination kann ebensowenig in Frage kommen. Wir sehen diese .,Brut- 
nester‘‘ recht häufig spontan in Kulturen?) auftreten, ohne daß wir 
einen Grund dafür haben finden können. Es ist daher die Frage, ob 
wir ihr Erscheinen in den Verdünnungen nach Ablauf der eigentlichen 
Reaktion noch als letzte Folge des Immunserums auffassen dürfen. 
In Fällen, wo die gleichzeitig angesetzte Kontrolle davon nichts zeigte, 
kann man sich allerdings des Gedankens einer wenn auch sehr ent- 
fernten Einwirkung nicht erwehren. 


Der hier geschilderte Verlauf, der bei hochwertigen Kranken- und 
Tierseren und bei Ablesung nach 16—20 Std. die Regel war (nach 
2 Std. ist die Reaktion gewöhnlich noch nicht abgeschlossen), weicht 
in mehrfacher Beziehung von dem, was darüber in der Literatur be- 
kannt wurde (Inada und Ido, Uhlenhuth und Fromme, dann 
Händel, Ungermann und Jänisch, Jacobsthal, Zuelzer, 
Martin et Pettit, Bärmann u. a.) ab. Einzelnes Grundlegendes 
wurde aus unserem Institut bereits durch die Arbeiten von Wolff} 
und von Raden Soesilo{) bekannt gegeben. 

Zunächst muß auffallen, worauf nicht immer mit genügend Nach- 
druck hingewiesen wurde, daß die lysierende Wirkung auf die Lepto- 
spiren ohne Komplement geschieht. Streng genommen ist das nicht 
ganz richtig, denn wir arbeiten mit aktivem Immunserum. Aber die 
Menge Komplements, die dadurch der Reaktion verbleibt, ist in den 
Verdünnungen, bei denen die Lysis beginnt (etwa 1:250) bereits so 
gering, daß man sie verwahrlosen kann. 

Zu aller Sicherheit aber haben wir auch Vergleiche mit Seren, die 
bei 56° 1/, Std. lang inaktiviert waren, angestellt, und diese gaben mit 
dem aktiven Serum die volle Uebereinstimmung. Danach kann die 
bei den Leptospiren eintretende Lysis und Bakterizidie kein komplexer 
Vorgang, im Sinne der bei Bakterien bekannten Reaktion, sein, sondern 
muß, von jener prinzipiell verschieden, auf eine andere Weise zustande 
kommen. 

Händel, Ungermann und Jänisch meinten, nach Inakti- 
vierung des Serums zwar auch keine Aufhebung, aber wohl eine Ab- 
schwächung und Verlangsamung der lytischen Reaktion wahrzunehmen. 





1) Diese Bezeichnung scheint uns treffender als Agglomeration oder Kon- 
glomeration, Prozesse, die in ihrem Wesen kaum von Agglutination zu trennen 
sind. 

2) Vor allem unsere Wasserstämme L. pseudoicterogenes Uhlenhuth- 
Zuelzer neigten dazu. 

3) Wolff, J. W., Dissertation. Amsterdam (S. L. v. Looy) 1924. — Arch. 
f. Schiffs- u. Tropenhyg. 1925. 

4) Raden Soesilo, Dissertation. Amsterdam (S. L. v. Looy) 1925. 


Schüffner u. Mochtar, Versuche zur Aufteilung von Leptospirenstämmen. 409 


Der Unterschied war indessen keinesfalls erheblich und kann darum 
kaum ins Gewicht fallen. Vor allem aber machten sie die Beobachtung 
nur mit wenig verdünntem Serum, während es sich bei unseren Ver- 
suchen ja gerade um die hohen vieltausendfachen Verdünnungen handelt. 


Ferner ergibt sich, daß die lysierende Kraft der Immunsera in 
den ersten Verdünnungen vollkommen gehemmt ist. Die Leptospiren 
bleiben in den konzentrierten Serumlösungen lebend, erst in den höheren 
Verdünnungen wird die Lysis und die Bakterizidie offenkundig. In 
ihrer Wirkung ist diese Hemmung in vitro dem Neißer-Wechs- 
bergschen Phänomen völlig gleich, ob sie es auch ihrem Wesen nach 
ist, möchten wir dahingestellt sein lassen, ebenso wie die Erklärung 
der merkwürdigen Erscheinung. Mit einer Komplementablenkung, die 
sich, so geistreich sie auch erdacht war, für Bakterien nicht hat halten 
lassen, ist bei den Leptospiren von vorneherein nichts anzufangen, da 
die Lysis ja komplementlos verläuft. Wir können nur feststellen, daß 
in vitro eine hohe Verdünnung nötig ist, um, wenn man sich so aus- 
drücken darf, die potentielle Energie des spezifischen Stoffes in ki- 
netische umzusetzen, vielleicht dadurch, daß das Molekül des spe- 
zifischen Stoffes dissoziiert und die spezifische Kraft nun erst aufge- 
schlossen, frei wird. 


= I Wir kommen nun zur Hauptsache, und zwar, daß sich bei 
diesen Reaktionen stets eine Anzahl von Leptospiren der Einwirkung 
der spezifischen Stoffe entzieht. Selbst in den Verdünnungen, wo die 
Lysis, die wir hier allein berücksichtigen, am stärksten wirkt, bleiben 
einzelne Leptospiren völlig unverändert, und behalten ihre lebhafte 
charakteristische Bewegung bei. Von der Konzentration des Serums 
kann dies nicht abhängig sein, denn die vorangehende und die folgende 
Verdünnung bringt sie nicht zum Verschwinden. Vermutlich entgehen 
diese Ueberlebenden dem Angriff der Immunkörper, weil ihr Rezeptoren- 
apparat keine für sie passende Gruppe besitzt. 


Es war nun naheliegend, mit diesen Ueberlebenden neue Kulturen 
anzulegen, und dann wieder durch Auswertung gegenüber dem ge- 
brauchten Immunserum festzustellen, ob und in welcher Weise sich 
der Tochterstamm im Vergleich zum Mutterstamm verändert hatte. 
Wir gingen dann zwar nicht von einer Zelle aus, sondern mußten 
mit einer ganzen Anzahl von Keimen rechnen. Aber allen diesen 
Einzelparasiten, die man so leicht abscheiden konnte, war die eine 
Eigenschaft der Resistenz gemeinsam. Wenn daher der unter- 
suchte Stamm ursprünglich aus mehreren Rassen entstanden war, dann 
konnte sich die Gelegenheit, ihn zu zerlegen, nicht günstiger bieten als 
hier, wo in der Flüssigkeit allein die Exemplare mit abweichender Eigen- 
schaft übrig geblieben waren. 


Die für die Versuche nötige Technik ist nach dem Vorausgeschickten sehr 
einfach, nur die Sterilität erfordert alle Aufmerksamkeit. Man nimmt gut ge- 
wachsene Kulturen, d. h. solche, worin die Leptospiren gut beweglich, in normaler 
Größe, also nicht in langen Fäden gewachsen sind, und wo sich keine „Brutnester‘ 
bildeten. Man fügt nun Immunserum hinzu, wobei man die endliche Verdünnung 
in der Kultur so berechnet, daß möglichst die höchste lytische Wirkung erreicht 
wird. Nach 18—20 Std. haben sich die Uberreste der lysierten Leptospiren zu 
Boden gesenkt, die obenstehende Flüssigkeit enthält nun allein noch die Resistenten 
in gleichmäßiger Verteilung. Eventuell kann man die Trennung durch Zentri- 
fugierung, bei mittlerer Geschwindigkeit (ca. .1600 U.), schon früher vornehmen und 
beschleunigen. Lebende, gut bewegliche Leptospiren halten sich sehr lange gegen 
mäßiges Zentrifugieren, ohne sich ausschleudern zu lassen. 


410 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


Die rein gewonnenen Ueberlebenden werden nun in neue Kulturröhrchen !) 
übergeimpft, wobei man nur darauf zu achten hat, daß die erhaltene Verdünnung 
des Immunserums jenseits der äußersten Titergrenze fällt. Anders hält das mit- 
überimpfte Immunserum das Wachstum stark zurück. Es fiel uns übrigens auf, 
daß das erste Wachstum dieser Tochterkulturen an sich langsamer erfolgte, so daß 
wir längere Zeit als gewöhnlich warten mußten, bis wir Kulturen hatten, die für 
die Reaktion dicht genug waren. 

































































Tabelle I. 
Reaktion mit Stamm „BA“ und seinem Antiserum. 
| Mutterkultur | Tochterkultur 
Verdiinnung ER TEE 
Agglutina- B Ueber- | Agglutina- | : Ueber- 
Siion Lysis lebende | Le tion Lysis lebende 
Kontrolle 0 0 | ++++ | 0 0 ++++ 
1: 10 +++ 0 + | +44 0 + 
de. -25 +++ 0 + | +++ 0 + 
1: 50 +++ 0 + | +++ 0 + 
1: 100 +++ 0 + +++ 0 + 
1: 250 ++ + + ++ + + 
1: 500 + ++ + + ++ + 
1: 1000 0 +++ + 0 +++ + 
1: 2500 0 +++ + 0 +++ + 
1: 5000 0 +++ + 0 +++ + 
1:1000 | 0 ++ | + 0 +++ -+ 
1 : 25 000 0 + ++ 0 ++ ++ 
1:50000 | 0 0 | +++ 0 o | EFE 
Tabelle 11. 

Reaktion mit Stamm „Franken“ und seinem Antiserum. 
Kontrolle | © 0; | thee 0 0 ++++ 
1: 10 +++ o | + +++ 0 + 
1: 25 +++ 0 | + +++ 0 + 
1: 50 +++ 0 | .+ ++ + + 
1: 100 ++ + + + ++ + 
L: 250 + ++ + + ++ + 
1: 500 0 +++ + 0 +++ + 
1: 1000 0 +++ + 0 +++ + 
1: 2500 0 +++ + 0 +++ + 
1: 5000 0 ++ ++ 0 +++ + 
1: 10000 0 ++ ++ 0 ++ ++ 
1: 25000 0 + +++ 0 ++ ++ 
1: 50000 0 + +++ 0 + TEE 
1 : 100 000 0 0 ++++ 0 0 ++++ 














Der Ausfall der Reaktion entsprach nicht dem, was wir erwarteten. 
Wie aus den beigegebenen Protokollen I und II ersichtlich, war aus der 
resistenten Einsaat von Stamm „BA“ wieder ein Stamm gewachsen, 
der alle ursprünglichen Eigenschaften zurückerhalten 
hatte. Weder qualitativ noch graduell trat ein irgendwie nennens- 
werter Unterschied zwischen Mutter- und Tochterstamm zutage. Bei 
Wiederholung des Versuches mit Stamm „Franken“ ergaben sich die 

1) Vervoortscher Nährboden 1 Proz. Pepton Witte, gekocht, mit Normal- 
phosphorsiiure auf ca. pH 6,8 gebracht, nochmals gekocht und dann filtriert. 
Dann 5—10proz. Kaninchenserum beimengen, und zu je 3 cem in sterile kleine 
Röhrchen einfüllen. !/, Std. bei 57° halten. 


Schüffner u. Mochtar, Versuche zur Aufteilung von Leptospirenstämmen. 411 


gleichen Bilder1). Das Resultat war also eigentlich negativ. Doch lassen 
sich daran die folgenden Ueberlegungen und Folgerungen knüpfen: 

1) In einheitlich zusammengesetzten, aus Krankheitsfällen ge- 
züchteten Leptospirenkulturen entwickelt sich regelmäßig eine kleine 
Anzahl von Leptospiren, die für die Antistoffe, denen die Hauptmasse 
erliegt, nicht erfaßbar sind. Sie lassen sich isolieren und weiterzüchten, 
vererben aber ihre individuelle Eigenschaft der Resistenz nicht. Der 
Nachwuchs wird wieder der Ausgangskultur gleich, worin die resistenten 
Formen nur als Ausnahmen vorkommen. 

Was wir hier in vitro verfolgen können, läßt uns einen Blick tun 
in die Vorgänge: in vitro bei verschiedenen Spirochäten- und Trypano- 
somen-Krankheiten. Unter der Einwirkung der gebildeten Immunstoffe 
findet z. B. bei Recurrens gegen Ende des Anfalls, auch bei der 
Schlafkrankheit zu gewissen Zeiten, ein Massenuntergang der Parasiten 
statt, ohne daß es zu einer völligen Reinigung des Körpers kommt. 
Hier sind es vermutlich auch die resistenten Formen, welche die In- 
fektion im Körper erhalten, und zwar so lange, bis sie sich nach Ab- 
sinken der Immunkräfte wieder zu krankmachender Höhe vermehren 
können. Es wäre dann nicht nötig, zu der einigermaßen gekünstelten 
Annahme zu greifen, daß sich Reste der Parasiten in ,,Schlupfwinkel“, 
für die Immunstoffe unzugänglich, flüchten. Aehnlich dürfte es bei der 
Weilschen Krankheit sein. Nachdem die Krankheit ihre Höhe über- 
schritten hat, verschwinden die Leptospiren aus der Zirkulation und 
den Organen bis auf eine kleine Minderheit — die Resistenten — 
die dann kaum noch durch den Tierversuch (Impfung mit Organ- 
emulsion) nachgewiesen werden können. Daß sie aber doch noch nach 
dem Massenuntergang im Körper bleiben, beweist die oft lange Zeit 
anhaltende Leptospirurie, mit der lebende, und für Tiere vollvirulente 
Parasiten ausgeschieden werden. Ein krankmachender Einfluß geht 
dann nicht mehr von ihnen aus, ihre Vermehrung im Körper bleibt 
in Schranken, weil sich von ihrem Nachwuchs nur die als Ausnahme 
gebildeten, resistenten Formen halten können. Die übrigen gehen nach 
ihrer Bildung rasch zugrunde und unterhalten oder steigern sogar — 
durch Freiwerden von Endotoxin? — noch eine Zeitlang den Reiz zur 
Produktion von Immunstoffen. Das endliche Verschwinden der In- 
fektion aus dem Körper würde mit dieser, unseren Versuchen ent- 
nommenen Auffassung durchaus verständlich sein. 


Die hier durchgeführte Vergleichung soll uns indessen nicht gegenüber einer 
anderen Möglichkeit, die Ausscheidung der lebenden Leptospiren zu erklären, 
blind machen. Die im Urin erscheinenden Leptospiren brauchen nicht mehr aus 
den Organen oder der Zirkulation hervorgegangen zu sein, sondern können, ähnlich 
wie bei der Ratte, dem Lumen der Tubuli contorti entstammen. Wenn sie sich 
dort befinden, haben sie den Körper im strengen Sinne des Wortes schon verlassen, 
und leben auf der Außenfläche, wo sie sich, für die Immunstoffe des Blutes und 
der Gewebe nicht mehr erreichbar, ungestört vermehren, als Ektoparasiten. Die 
Ratte wird, wie wir verfolgen konnten, zum Dauerausscheider, bei Yranschen aber 
sehen wir die Infektion nach kürzerer Zeit, höchstens einigen Monaten, aus uns un- 
bekannten Gründen wieder verschwinden. 


2) Daß aus den ,,Ueberlebenden“ wieder ein vollkommen agglu- 
tinabler und lysabler Stamm wächst, möchten wir als ein Zeichen für 
die große Beständigkeit der serologischen Eigenschaften auffassen. 


1) Anmerkung bei der Korrektur. Seitdem auch mit einem Stamm vor 
L. icteroides und L. hebdomadis. 


412 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


Wir stellen daher auch die serologische Reaktion in vitro als Mittel 
der Unterscheidung der verschiedenen Leptospirenarten ihrer kon- 
stanten und scharfen Ausschläge wegen obenan. Ohne Zweifel 
läßt auch das Wachstumsverfahren, wie es Uhlenhuth anwendet 
und empfiehlt, auch das von Oba im Laboratorium von M. Zuelzer 
ausgearbeitete eine weitgehende Unterscheidung zu, aber die Methoden 
sind umständlich und zeitraubend, und vielleicht auch dadurch, daß mit 
dem Nährboden ein nicht immer vollkommen bekannter und beherrschter 
Faktor dazwischengeschaltet wird, weniger zuverlässig. Wenig brauch- 
bar sind nach unserer Erfahrung gekreuzte Immunisationen. Wir beob- 
achteten in zahlreichen Versuchen, daß das Ueberstehen einer Infektion 
auch gegen Stämme schützte, die serologisch nicht die geringste Ver- 
wandtschaft besaßen. Hier wurden also Unterschiede überdeckt, welche 
der Lysisversuch in vitro einwandfrei angab, und die wir zur weiteren 
Klärung der so verwickelten Leptospirenfrage nicht außer acht lassen 
dürfen. In einer folgenden Arbeit sollen diese für die Diagnose wich- 
tigen Ergebnisse besonders’ behandelt werden. Endlich sahen wir auch 
vom Pfeifferschen Versuch keinen Vorteil gegenüber der Aus- 
wertung der Sera in vitro. 


Mit dieser Auffassung sind allein die Ergebnisse von Versuchen 
mit Wasserstämmen nicht recht in Einklang zu bringen, die von M. 
Zuelzer1) 1922/23 angestellt wurden, wobei nach jahrelangen Ueber- 
impfungen 2 Wasserstimme pathogen wurden und serologisch, das ist 
das Besondere, die Eigenschaften des Weil-Stammes annahmen. Das 
würde auf eine Veränderlichkeit deuten. Unsere Nachprüfungen dieser 
prinzipiell sehr wichtigen Experimente sind bisher ebenso wie die von 
van Thiel?) in Leiden negativ verlaufen, d. h. 2 von uns isolierte 
Wasserstämme (in Reinkultur) behielten trotz zahlreicher Umzüchtung 
ihre Charaktere. Wir setzen aber diese Versuche, auch in der von Uhlen- 
huth angeregten Modifikation, Züchtung auf Rattenserum, fort. Auch 
bei unseren Weil- und Rattenstämmen, von denen wir 3 Varietäten 
bezitzen, sahen wir im Verlauf der jahrelangen Umzüchtung keine Ver- 
änderung der ihnen eignen, scharf geschiedenen, serologischen Eigen- 
schaften eintreten, während die Virulenz, wie bekannt, in sehr breiten 
Grenzen schwanken konnte. Wir möchten daher vorläufig an unserem 
Standpunkt, daß man an den serologischen Eigenschaften der Lepto- 
spiren, eine sichere, vielleicht die sicherste, Handhabe zur Unter- 
scheidung besitzt, festhalten. 

Das von uns benutzte Verfahren, die ,,Ueberlebenden“ zu Stämmen 
heranzuzüchten, dürfte mit Vorteil benutzt werden, wenn es sich wirk- 
lich um Gemische von verschiedenen Leptospiren handelt. Als solche 
muß man nach unserer Vorstellung alle Züchtungen aus Wasser an- 
sehen, wo außer der typischen unschuldigen Wasserleptospire (L. 
pseudoicterogenes) zugleich auch eine für Ratten und Mensch 
pathogene vorhanden sein kann. Letzteres, d. h. die Anwesenheit 
von hochinfektiösen Leptospiren, wurde neuerdings in Holland aufs 
neue mit aller Sicherheit bewiesen durch eine ganze Reihe von „Weil“- 
Erkrankungen, die im Anschluß an ein unfreiwilliges Bad in stark 
verschmutztem Wasser, mit reichlicher Wasseraufnahme von seiten des 
Magens und der Lungen, also geradezu experimentell, entstanden waren. 





1) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 89. 1923. S. 117. 
2) Vortrag in Mikrobiol. Ver 1923. 


Messik, Ueber Thrombozytobarine gegen Amoeba endolimax usw. 413 


Züchtet man aus solch verdächtigem Wasser und würde man dann die 
saprophytischen Leptospiren durch Versetzen mit Antiserum, das gegen 
sie gerichtet ist, niederschlagen, so wiirde man unter den Ueberlebenden 
einmal die homologen Resistenten erhalten, dann aber auch, wenn sie 
vorhanden sind, die heterologen Leptospiren, die mit dem Serum nichts 
zu tun hatten. Durch Wiederholung dieses Prozesses mit Enkelkulturen 
müßte es gelingen, den Wasserstamm zu verdrängen und den bei- 
gemengten Stamm endlich rein zu erhalten. 


Nachdruck verboten. 


Ueber Thrombozytobarine gegen Amoeba endolimax 
und Leishmania tropica. 


[Aus dem Mikrobiologischen Institut des Volksunterrichts-Kommissariats 
R. S. F. S. R. (Dir.: Prof. I. L. Kritschewsky).] 


Von Dr. R. E. Messik. 


Das zuerst von Rieckenberg!) entdeckte Beladungsphänomen 
bei experimenteller Trypanosomiasis wurde ausführlich in unserem 
Institut weiter studiert. 

Von Kritschewsky und Tscherikower?) wurde festgestellt, 
daß das Beladungsphänomen, das sich in Beladung der Parasiten mit 
Thrombozyten äußert, durch spezielle Antikörper, die von ihnen 
»Thrombozytobarine“ genannt wurden, hervorgerufen wird. 

Diese Antikörper kann man im Blute der infizierten und immuni- 
sierten Tiere bei Zusammenbringen dieses Blutes mit den entsprechenden 
Parasiten entdecken. Schon von Rieckenberg bemerkte Spezifität 
dieses Phänomens wurde nicht nur bezüglich der verschiedenen Arten 
der Trypanosomen, sondern auch bezüglich verschiedener Rassen 
der letzteren von Brussin und Beletsky?) bestätigt. 

Sobald der theoretische Wert der Thrombozytobarine beim Studium 
einiger Immunitätsfragen klar wurde‘), 5), 6), entstand natürlich das 
Bestreben, die Möglichkeit der Aufdeckung der Thrombozytobarine 
auch bei anderen Infektionen zu beweisen. Tatsächlich hat Brussin?) 
experimentell bewiesen, daß das Beladungsphänomen bei durch Spiro- 
chäten vom Recurrenstypus hervorgerufenen Infektionen ebenfalls statt- 
findet, und daß die Thrombozytobarine dort durch eine ebenso feine 
Spezifität sich auszeichnen, wie bei Trypanosomen. 


1) Rieckenberg, Zeitschr. f. Immunitätsf. Bd. 26. 1917. 

2) Kritschewsky u. Tscherikower, Ibid. Bd. 42. 1925. Bd. 45. 1926. 
3) Brussin u. Beletsky, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 96. 

4) Kritschewsky u. Antonomow, Zeitschr. f. Immunitätsf. Bd. 32. 


1925. 

vant 5) Brussin u. Rubinstein, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 96. 
25. 
6) Kritschewsky u. Heronimus, Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg. 1926. 
7) Brussin, Zeitschr. f. Immunitätsf. Bd. 44. 1925. 


414 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


Kritschewsky und Tscherikower!) haben dann das Er- 
scheinen der Thrombozytobarine auch bei Spirochäten vom Typus ictero- 
genes konstatiert. Es wurde somit nachgewiesen, daß diese Reaktion 
eine weit größere Anwendung im Gebiete der Immunität besitzt, als 
es von Rieckenberg selber angenommen wurde. 

Prof. I. L. Kritschewsky hat mir vorgeschlagen, dieses Phä- 
nomen in bezug auf Amoeba limax und Leishmania tropica 
zu studieren. Um dem Problem näher zu kommen, wurde von mir zuerst 
eine Anzahl von Mäusen durch eine lebende Amöbenkultur immuni- 
siert ?). 

Dieser Stamm wird auf einfachem 3proz. Agar in Petri-Schalen 
bei Zimmertemperatur unterhalten. In den ersten 2—3 Tagen wachsen 
nur vegetative Formen, am 4.—5. Tag findet man in den Kulturen 
vegetative Formen und Zysten, in älteren Kulturen nur Zysten. 
Für die Immunisierung der Mäuse wurden alle diese Momente des 
Amöbenwachstums berücksichtigt. 

Sämtliche Mäuse wurden in 4 Gruppen geteilt: cine Gruppe 
wurde ausschließlich durch vegetative Formen, die 2. durch vege- 
tative und zystische, die 3. ausschließlich durch zystische und die 4. 
abwechselnd durch zystische und vegetative Formen immunisiert. 

Die Immunisierungstechnik war folgende: Ein Stückchen Agar- 
kultur zusammen mit Agar wurde herausgeschnitten und im Reagenzglas 
mit physiologischer Kochsalzlösung 0,85proz. abgewaschen. Dann 
habe ich den Mäusen mittels Pasteurscher Pipette ca. 0,5 ccm 
dieser Emulsion subkutan eingeführt, nachdem ich zuvor unter dem 
Mikroskop immer die Form der Amöben (ob vegetative oder zystische) 
und die Anzahl derselben im Gesichtsfeld kontrolliert hatte. 8—15 
Tage nach jeder Immunisierung habe ich dann Versuche parallel mit 
zweierlei Methoden angestellt: nach Rieckenberg?) und nach Brus- 
sin und Beletskyt). Bei Anstellung der Reaktion habe ich ständig 
ausschließlich die vegetativen Formen, die sich durch maximale Be- 
weglichkeit auszeichnen, benutzt. Technik der Reaktion: Mittels 
der Pasteurschen Pipette wurden 2—3 Tropfen einer 2proz. 
Zitratbouillon mit gleicher Menge Blut der immunisierten Maus ge- 
nommen; es wurde gründlich durchgemischt und dann 1—2 Tropfen 
Amöbenemulsion in physiologischer Kochsalzlösung hinzugesetzt; dann 
wurde das ganze Gemenge wiederum gründlich durchgemischt. Ein 
Tropfen davon wurde dann unter dem Mikroskop (Objektiv 7) bei 
halbgeöffneter Blende untersucht (Rieckenberg-Verfahren). Der 
übrige Teil der Aufschwemmung wurde für 10—15 Min. in den Thermo- 
stat gestellt; nachher wurde der Tropfen unter dem Mikroskop, wie im 
1. Falle untersucht (Verfahren von Brussin und Beletsky). 

Obwohl die Reaktion in beiden Fällen negativ blieb, wurde doch 
ein großer Unterschied zwischen diesen beiden Methoden der Ver- 
suchsanordnung bemerkt. Während beim Rieckenberg-Verfahren 
die Amöben während einer ganzen Stunde, zuweilen noch länger, be- 
weglich blieben und bei den Bewegungen ihre Form und Gestalt, 


1) Kritschewsky u. Tscherikower, Zeitschr. f. Immunitätsf. Bd. 46. 
1926. 

2) Der Stamm ist mir von G. O. Roskin übergeben worden (Protozoo- 
logische Abteilung unseres Instituts). 

3) Rieckenberg, |. c. 

4) Brussin u. Beletsky, Le. 


Messik, Ueber Thrombozytobarine gegen Amoeba endolimax usw. 415 


wie gewöhnlich, änderten, indem sie die Scheinfüßchen aus- und ein- 
zogen, wurden sie bei der Methode von Brussin und Beletsky, 
d. h. nach Verweilen im Thermostat, wie eingeschrumpft, nahmen 
kugelige Form an und verwandelten sich in eine Art Zysten, die an 
Amöben aus sehr alten Kulturen erinnerten. Augenscheinlich wirkte 
der Thermostat auf die Amöben schädigend. Nach 2maliger paralleler 
Anordnung der Versuche mit den beiden Methoden kam ich zu dem 
Schlusse, daß es in diesem Falle besser ist, sich des Rieckenbergschen 
Verfahrens zu bedienen. 

Die Zahl der Versuchsmäuse betrug im ganzen 21; die Mehr- 
zahl von ihnen wurde 8—9mal mit großen Mengen von Amoeba 
limax immunisiert. Nach jeder Immunisierung wurde der Ver- 
such mit dem Beladungsphänomen wiederholt; Thrombozytobarine 
wurden aber in keinem Falle entdeckt 1). 

Es ist somit gelungen festzustellen, daß bei Mäusen Thrombo- 
zytobarine trotz mehrfacher Immunisierung mit Amöben 
nicht gebildet werden. 

Bekanntlich besteht zwischen Leishmaniosis und Trypanoso- 
miasis ein enger genetischer Zusammenhang, und nach Dofleins 
Klassifikation gehört Leishmania zur Familie der Trypanoso- 
minae. Dieser Zusammenhang macht die Vermutung sehr wahrschein- 
lich, daß das Beladungsphänomen auch bei Leishmania stattfinden 
kann. 

Es ist mir auch tatsächlich mittels des Beladungs- 
phänomens gelungen, zu beweisen, daß bei durch Leish- 
mania tropica immunisierten Mäusen Thrombozytobarine 
gebildet werden. Diese Tatsache ist um so interessanter, 
als die Frage von Antikörpern bei Leishmaniosen noch 
sehr wenig studiert ist. 

Um die Frage der Antikörperbildung bei Leishmania tropica 
zu studieren, habe ich eine Serie von Mäusen mit Kulturen der 
Parasiten immunisiert?), die auf Blutagar (Nährboden N.N.N.) ge- 
züchtet worden waren. Die Kultur wurde durch physiol. Kochsalzlösung 
abgewaschen. Ich injizierte den Mäusen subkutan 0,5 ccm dieser Auf- 
schwemmung, nachdem ich zuvor unter dem Mikroskop die Zahl der 
Parasiten im Gesichtsfeld kontrolliert hatte. 

Obwohl die Mäuse nicht weniger als 3mal immunisiert wurden und 
jedesmal eine erhebliche Anzahl der Parasiten unter die Haut erhielten, 
wurden trotzdem im Blute keine Parasiten gefunden. Ueber die Frage 
der Möglichkeit, eine experimentelle Leishmaniose zu erzeugen, finden 
sich in der Literatur verschiedene Angaben. M. Nicolle, A. Sicre, 
Laveran, Pettit haben als erste Mäuse mit Hautleishmaniose 
erfolgreich infiziert. Umgekehrt haben die Brüder Sergent, Le- 
maire, Senevot, Franschini mit negativem Erfolge versucht, 
experimentell bei einigen Tieren, unter anderem auch bei Mäusen, die 
Orientbeule hervorzurufen. Diejenigen Autoren, denen es gelungen ist, 
die Mäuse zu infizieren, nehmen an, daß die Inkubation bei ihnen bis 


1) Ausführliche Protokolle sind gemäß der Redaktionsforderung beseitigt. 
Sie sind in russischem Texte gebracht. (Zeitschr. f. Mikrobiol., Pathol. u. In- 
fektionskrankh. Bd. 3. 1926.) 

2) Die Kultur erhielt ich von Sch. D. Moschkowsky (Tropisches In- 
stitut des Volksgesundheitskommissariats), dem ich bei dieser Gelegenheit meinen 
Dank ausspreche. 


416 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


70 Tage dauern kann. Meine Mäuse waren unter Beobachtung zirka 
6—7 Monate. Da die von mir bei der Immunisierung der Mäuse mit 
Leishmania tropica nachgewiesenen Thrombozytobarine sehr lange 
im Blute zirkulierten (zirka 6—7 Monate), so kann man bei ihnen die 
Existenz einer larvierten Infektion vermuten. 


Nach jeder Immunisierung stellte ich Versuche über den Gehalt des 
Blutes an Thrombozytobarinen nach der Brussin- und Beljetsky- 
Methode an (Technik s. o.), da diese sich in diesem Falle als die 
empfindlichere zeigte. 

Während nämlich die Reaktion, nach der Methode von Brussin 
und Beljetsky ausgeführt, stark positiv ausfiel (++++), war sie 
beim Rieckenbergschen Verfahren bei denselben Mäusen schwach- 
positiv (+) oder positiv (++), oder zuweilen auch negativ. 

Wie schon erwähnt, äußert sich die positive Reaktion in Be- 
ladung der Parasiten mit Thrombozyten. Wenn man das Bild unter 
dem Mikroskop beobachtet, so bekommt man den Eindruck, daß 
es sich hier um eine spezielle Mobilisation der Thrombozyten handelt, 
welche sich auf die Parasiten ihrer Geißelseite her so zu sagen werfen. 
Gleichzeitig begegnet man einzelnen Parasiten, die sich von den 
Thrombozyten anscheinend loszureißen versuchen; der Parasit bewegt 
sich, schwankt hin und her, es reißen sich daher einige Plättchen von 
ihm los und versuchen dann wieder, ihn zu umkleben. In einigen, 
augenscheinlich älteren Kulturen wurden Agglomerationsrosetten be- 
obachtet, die aus lanzettförmigen, mit ihren Peitschen nach dem 
Zentrum hin gerichteten Parasiten bestanden. Eine ungeheure Zahl von 
Parasiten umklebte eben das Zentrum einer solchen Agglomerations- 
rosette. Am Beladungsphänomen waren größtenteils länglich-ovale und 
auch lanzettartige Formen beteiligt, birnenförmige Formen aber blieben 
weniger beweglich und ihre Umklebung von Thrombozyten war sehr 
gering. Auf einer ziemlich großen Peitsche, die fast zweimal so 
groß wie der Parasitenkörper selber war, saßen 3—4 Plättchen. Zu- 
weilen blieben die Peitschen ganz frei davon, während neben ihnen die 
ovalen und Lanzettformen von einer ungeheueren Zahl von Parasiten 
umklebt waren. 


Eine scharf-positive Reaktion war erst nach der 3., seltener nach 
der 2. Immunisierung zu bekommen. Augenscheinlich ist das von indi- 
viduellen Eigenschaften der verschiedenen Mäuse abhängig, die schneller 
oder langsamer mit der Antikörperbildung auf Einführung dieser oder 
jener Antigene reagieren. 

Nachdem nun experimentell die Anwesenheit der Antikörper bei 
Leishmaniosen festgestellt war, war es außerordentlich wichtig, 
nachzuforschen, wie lange die Thrombozytobarine im Blute zirkulieren. 
Zu diesem Zwecke habe ich bei Mäusen mit scharf-positiver Reaktion 
jede 2.—3. Woche das Beladungsphänomen ausgeführt. Es stellte sich 
dabei heraus, daß die Thrombozytobarine sich bei einigen Mäusen 3, 
bei anderen 4—61/, Monate halten. 

Da 2 von diesen Mäusen in der Zwischenzeit Junge geworfen 
hatten, so habe ich die Frage der Uebertragung der Antikörper von 
Mutter auf Kind ebenfalls geprüft. Zu diesem Zweck wurde von mir 
das Beladungsphänomen mit Blut von 8 Jungmäusen angestellt. 
3 Junge, deren Mutter während der Trächtigkeit und noch 21/, Monate 
nach dem Wurf eine scharf-positive Reaktion zeigte, haben zwei Tage 


Breindl u. Jirovee, Einige Abnormitäten bei Trypanosoma Lewisi. 417 


nach der Geburt eine negative Reaktion ergeben. Ebenso war die 
Reaktiion bei 5 Jungen 1—2 Wochen nach der Geburt negativ. 

Um endlich die Spezifität dieser Reaktion festzustellen, habe ich 
das Beladungsphänomen gekreuzt angeordnet: das Blut einer Trypano- 
somen (Tr. equiperdum) enthaltenden Maus mit dem Blut einer 
Maus, die mit Leishmania tropica immunisiert war und das Blut 
einer von Trypanosomen geheilten Maus mit Kultur von Leish- 
mania tropica. In beiden Fällen war die Reaktion negativ. Diese 
Versuche wurden von mir zweimal mit demselben Resultat wiederholt. 


Schlußfogerungen. 

1) Bei Mäusen werden nach mehrfacher Immunisierung mit 
Amöben keine Thrombozytobarine gebildet. — 2) Obwohl bei Mäusen, 
die mit Leishmania tropica-Kulturen experimentell infiziert waren, 
keine nachweisbare Infektion zustande kommt, werden dennoch Anti- 
körper (Thrombozytobarine) gebildet, die das Beladungsphänomen be- 
dingen. — 3) Thrombozytobarine für Leishmania tropica bleiben 
im Organismus 3—61/, Monate nachweisbar. — 4) Thrombo- 
zytobarine verhalten sich gegenüber Leishmania tropica spe- 
zifisch. — 5) Thrombozytobarine werden von Mutter auf Kind nicht 
übertragen. 


Nachdruck verboten. 


Ueber einige Abnormitäten bei Trypanosoma Lewisi. 
Von V. Breindl und O. Jirovec. 
Mit 2 Abbildungen im Text. 


I. Auf der Höhe der Infektion einer Ratte mit Trypanosoma 
Lewisi bemerkten wir (Jirovec) auf einem mit Giemsa gefärbtem 
Präparat ein sehr interesantes Teilungsstadium ohne den Hauptkern. 
Von Verletzung kann keine Rede sein, da sich keine abgerissene 





g. 1. Trypanosoma Lene Hom. pes Trypanosoma Lewisi. Hom. imm. 
Ins !/ a“ komp. Okk. X fs omp. Okk. XVII 


Fetzen in der Nähe fanden. Den Kinetonukleus erkennt man an seiner 

Größe und dem dunkelroten Farbton, er teilt sich nach dem Typus 

der einfachen Promitose durch (Textfigur 1). Das Verbindungsstück 

ist viel heller gefärbt. Die Geißeln sind auch schon geteilt, die eine 

zeichnet sich durch ihre besondere Länge aus, die 2. ist viel kürzer 
Erste Abt. Orig. Bd. 101. Heft 6/7. 27 


418 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


(vielleicht spricht dies für das Auswachsen derselben aus den neu- 
gebildeten Basalkörnern). Dieselben konnten wir nicht besonders gut 
beobachten. Die Plasmateilung war auch schon angefangen. Das ganze 
Individuum zeichnete sich durch eine geringe Größe aus (vergleiche 
die starke Vergrößerung!). Der Fall selbst ist gewiß von theoretischem 
Interesse. 1. sind hauptkernlose Trypanosomen noch nicht beschrieben 
worden!). 2. die Abwesenheit des Hauptkernes beeinträchtigt nicht 
im geringsten die Teilungs- und Lebensfähigkeit der Zelle und des 
Blepharoplasten. 3. dies würde doch für die Kernnatur des Kineto- 
nukleus deuten, obwohl sich neuerdings einige Autoren (Bëlaï etc.) 
gegen dieselbe wenden. 

II. Der 2. interessante Fall, den wir (Breindl) beobachtet haben, 
zeigt die Textfigur 2. Es handelt sich, wie man bemerkt, um eine voll- 
kommen ausgewachsene Trypanosomenform, die der Größe nach die 
vorige weit überragt. Der Randfaden (und Membran) beginnt von einem 
einfachem Basalkorn — und der sehr große kernartige Blepharoplast liegt 
dem Trophonukleus sehr nahe. Der Kinetonukleus zeigt eine rundliche 
Form, einen dunkelroten Farbton und in seinem Innern kann man bei der 
starken Vergrößerung (Hom. imm. 1/,, Komp. Occ. XVIII) eine korn- 
artige Struktur beobachten. Der Trophonukleus zeigt dagegen menr blaB- 
roten Farbton, ist von normaler ovaler Form und Größe und weist eine 
alveolare Innenstruktur aus. Auch dieser Fall wurde auf der Höhe 
der Infektion auf einem tadellosen mit Giemsa gefärbten Ausstrich- 
präparat beobachtet. Sehr wichtig, wie man sieht, sind die Schluß- 
folgerungen dieser Beobachtung. 1. ist es die abnormale Lage des 
Kinetonukleus, die mehr an eine Herpetomonasform erinnert, 
2. ist es sein kernartiges Aussehen. Was die Lage anbelangt, nähert 
sich dieser Fall den Anfangsstadien bei blepharoblastlosen Trypanosomen, 
wie es Verbitzki und Kudicke beschrieben haben. Viel wichtiger 
scheint uns aber die Kernnatur des Kinetonukleus, womit sich wieder 
das, was im 1. Teile dieser kurzen Mitteilung gesagt wurde, bestätigt. 
Es ist zwar möglich, daß es sich in diesem Falle um eine abnorme 
Auflockerung der Kinetonukleussubstanz handelt, wodurch seine Kern- 
natur entstanden ist, ebenfalls kann aber nicht die Möglichkeit aus- 
geschlossen werden, daß man es hier mit einer zufälligen atavistischen 
Rückwandlung des Kinetonukleus in seine ursprüngliche Kernform zu 
tun hat. Eine ganz andere Frage ist die Erklärung dieses interessanten 
Stadiums. Leider auch dabei kann man nicht entscheiden, ob es sich 
entweder um autokopulative Vorgänge oder nur um pathologische Ab- 
normität handelt. Jedenfalls sehen wir aber in diesen beiden Fällen 
eine neue Bestätigung der alten .geistvollen Hartmannschen An- 
sicht, und auf Grund unserer langjährigen Trypanosomenstudien stimmen 
wir nicht, was nämlich die Kinetonukleusfrage anbelangt, mit der 
neuen extremen Ansicht Bëlaï überein. Es scheint uns, daß Belar 
in seinem schönen Werke wieder in gegenseitige Extreme eingegangen 
ist, an welchen bis jetzt die Protozoologie gelitten hat. Jeder 
Protozoologe muß seine schöne und verdienstvolle Arbeit anerkennen, 
mit der er in das bisherige Chaos der protozoologischen Ergebnisse 
Vereinfachung und mehr Licht zu bringen sucht, jedoch sehen wir in 
seiner Arbeit einen Versuch den größeren Teil des bestehenden Proto- 
zoologiegebäude zerstören zu wollen. 

Prag, den 29. September 1926. 


1) Etwas ähnliches hat Berliner bei Leptomonas jaculum beschrieben. 


Robitschek, Invasion von Strongyloides intestinalis in den Urogenitaltrakt. 419 


Nachdruck verboten. 


Invasion von Strongyloides intestinalis in den 
Urogenitaltrakt. 


[Aus der I. medizinischen Abteilung des Krankenhauses Wieden in 
Wien (Vorstand: Hofrat Prof. Dr. Maximilian Sternberg).] 


Von Dr. Walter Robitschek. 


Soweit wir die Literatur überblicken, ist das Vorkommen von 
Strongyloides intestinalis im Urogenitaltrakt bisher nicht be- 
schrieben worden. Es dürfte daher die Mitteilung eines Falles, der im 
Januar 1926 auf unserer Abteilung beobachtet wurde, berechtigt sein. 

Eine 55jährige Patientin erschien in der Ambulanz mit der An- 
gabe, daß sie seit 1 Jahre an häufigem, auch nächtlichem Drang zu 
urinieren und Brennen in der Harnblasengegend leide. Der Harn war 
anderweits bereits 2mal untersucht worden, Zucker und Eiweiß beide- 
mal negativ, bei der Betrachtung war der Harn immer klar. 

Auch der Harn, den wir zur Untersuchung erhielten, war voll- 
ständig klar. Trotzdem wurde zentrifugiert und das Sediment mikro- 
skopiert. Bei der Musterung des Präparates fanden wir zahlreiche 
Gebilde, die sofort als Würmer zu erkennen waren. Sie befanden sich 
in lebhafter schlängelnder Bewegung und wiesen eine Länge von ca. 
0,3 mm und eine Breite von ca. 0,02 mm auf. Bei wiederholter Unter- 
suchung sowohl im frischgelassenen als auch in älterem Harn fanden 
wir Exemplare mit doppelter Ausbuchtung des Oesophagus und solche, 
deren Speiseröhre ein gleichmäßig zylindrisches Rohr darstellte, also 
Rhabditis- und Filaria-Formen. Außer diesen Larven waren aber 
auch geschlechtsreife Tiere vorhanden. Nach dem gesamten Befunde 
handelte es sich um Strongyloides intestinalist). 

Bei wiederholter Untersuchung des Stuhles konnten wir keine 
Parasiten nachweisen. Eine nähere somatische Untersuchung, vor 
allem aber die Zystoskopie, wurde von der Pat. entschieden abgelehnt. 

Eine Ergänzung der Anamnese ergab, daß die Pat. sich 7 Monate 
vor Auftreten der ersten Beschwerden 3 Wochen in Oberitalien auf- 
gehalten hatte. Da der Strongyloides intestinalis, nach Europa 
verschleppt, nur in Italien heimisch wurde, lag es nahe, den Zeitpunkt 
der Invasion in die Zeit des Aufenthaltes der Pat. in diesem Lande 
zu verlegen. Die 2. Möglichkeit wäre die, daß die Uebertragung zu 
einem späteren Termin durch eine 3. Person stattgefunden hat. Diese 
Frage ließ sich natürlich nach 1 Jahre nicht mehr beantworten. 

Auch das ganz ungewöhnliche Vorkommen im Urogenitaltrakt 
können wir nicht erklären. Eine äußere Uebertragung vom Darm ist 
nicht wahrscheinlich, da im Stuhle trotz wiederholter Untersuchung 
keine Parasiten gefunden wurden. Da die Larven in die Darmwand 
eindringen können, wäre auch daran zu denken, daß von hier aus 
eine Verschleppung auf dem Blutwege stattgefunden hat. 

Wenn also auch in dieser Hinsicht der hier kurz mitgeteilte Fall 
ungeklärt blieb, so glaubten wir doch, das bisher unbekannte Vor- 
kommen von Strongyloides intestinalis im Urogenitaltrakt 
einer 5bjährigen Pat. mitteilen zu sollen. 

1) Die Präparate wurden in der Sitzung der Vereinigung der Wiener Patho- 
logischen Anatomen am 22. Februar 1926 vorgewiesen. 


27* 


420 . Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


Nachdruck verboten. 


Mit welchem Bestandteile des Antigens ist die Impedin- 
wirkung verbunden? 


[Aus dem chirurg. Laboratorium der Kais. Universität zu Kyoto 
(Prof. Dr. R. Torikata).] 


Von Dr. Y. Ischimoto. 


Einleitung. 


Da sich Proteinstoffe und Lipoide sehr schwierig voneinander 
trennen lassen, so müssen wir annehmen, daß bakterielle Antigene 
normalerweise mindestens aus 2 Komponenten, Proteinstoffen und Li- 
poiden, bestehen. Seit der 1. Publikation von R. Torikata!) im Jahre 
1917 über die Impedinerscheinung bei der Präzipitation ist vielfach 
nachgewiesen, daß native (unerhitzte) Kulturfiltrate die Prozesse 
wie Präzipitation, Komplementbindung, Phagozytose und die Bildung 
von Antikörpern (Agglutinine und Bakteriolysine) im Organismus bis 
zu einem ansehnlichen Grade hemmen!). Es hat sich andererseits 
herausgestellt, daß entfettete Mikroben ceteris paribus viel 
schlechter phagozytiert werden als die nicht entfetteten 
(Ischimoto). Daher fragt sich, welcher der beiden Bestandteile eines 
nativen Antigens, Proteinstoffe oder Lipoide, die Eigenschaft besitzt, 
den phagozytierenden Prozeß zu dämpfen oder zu hemmen. Im folgenden 
möchten wir über die Versuchsergebnisse bezüglich dieser Frage be- 
richten. 


Versuch I. 


Phagozytose, beeinflußt durch entfettetes Kulturfiltrat von 
Staphylokokken. 

Zu diesem Versuche haben wir von einer 24stünd. Agarkultur von Staphylo- 
coccus pyogenes aureus eine beliebige Aufschwemmung von Kokken mit 
Kochsalzlösung hergestellt, sie 24 Std. lang bei 37° C stehen gelassen und dann 
durch eine Rilierant mids aKerne filtriert. Das Filtrat wurde mit gleichen 
Teilen reinen Aethers während etwa 10 Minuten mit der Hand geschüttelt, als- 
dann wurde der abgeschiedene Aether entfernt. Die Spur Aether, welche noch im 
Kulturfiltrat enthalten ist, haben wir durch Erwärmung bei 40° C während 
etwa 30 Minuten verdunsten lassen. Das so enthaltene Filtrat wurde in 3 gleiche 
Teile geteilt. Ein Teil wurde ohne weiteres als entfettetes natives Kulturfiltrat 
(N.F.— Lp) verwendet, während ein 2. Teil 30 Min. lang und der 3. Teil 
60 Min. lang in einem bei 100°C siedenden Wasserbade erhitzt und somit als 
F.K.— Lp. 30° bzw. bzw. F.K.— Lp. 60° zum nachstehenden Versuch herange- 
zogen wurden. 

Meerschweinchen von ca. 300 g Körpergewicht teilten wir in 2 je aus 
3 Tieren bestehende Gruppen A und B. Tiere der Gruppe A bekamen ip. je 
0,5 ccm von N.F.—Lp. und die der Gruppe B dieselbe Menge von F.K. — Lp. a. 
30 Min. später erhielten sämtliche Versuchstiere intravenös eine Aufschwemmung 
von Staphylococcus pyogenes aureus in der Menge von 1,0 cem (zirka 
0,0035 ccm der Kokkenleiber), um das Verhalten der Phagozytose und Hyper- 
leukozytose bei den beiden Gruppen A und B miteinander zu vergleichen. Die 
Ergebnisse sind in den Tabellen 1—3 enthalten. 


1) Siehe die Literaturangabe am Ende dieser Arbeit! 


Ischimoto, Mit welch. Bestandteile des Antigens ist d. Impedinwirk. verbunden? 421 


Tab. I (N.F.—Lp). 


Durchschnittliche Ergebnisse der Phagozytose im Blutkreislaufe von 3 Meer- 
schweinchen, welche zunächst N.F.—Lp. ip. und dann 30 Min. später eine Auf- 
schwemmung von lebendigen gleichnamigen Erregern iv. erhielten. 




















Unter 200 weißen Zellen 
pe: pais | Fress. Z. | Gefr. Kokk. | Phagozytat 
Vor der Einverleibung von | | | 
t; Kokken 5600 0 0 0 


Intraperitoneale Einspritzung von 0,5 cem eines nativen, durch Aether ex- 
trahierten Kerzenfiltrates einer Kochsalzaufschwemmung von Staphylococcus 
pyogenes aureus und nach !/, Std. iv. Einverleibung von einer Aufschwemmung 

leichnamiger lebendiger Erreger in der Menge von 1,0 ccm (ca. 0,0035 ccm als 





okkenleiber). | Y 
| ‘15’ 7 400 8,3 20,0 28,3 
Zeit nach Einverleibung | 50 AS ora ee 
von Erregern bis zur 120° 9 600 93 337 430 
Blutuntersuchung 240! 11 300 83 207 29 0 
14807 9 400 3,7 8,7 124 
Totale Summe | 68300 | 528 | 1628 | 215,1 


Ges. W. = Zahl der gesamten weißen Zellen im 1,0 cem Blut. 

Fress. Z. = Zahl der weißen Zellen, welche Staphylokokken im Protoplasma 
aufgenommen haben. 

Gefr. Kok. = Zahl der phagozytierten Kokkenleiber. 

Phagozytat = Gefr. Kok. + Fres. Z. 


Tabelle II (F.K. — Lp. 304, 


Durchschnittliche Ergebnisse der Phagozytose im Blutkreislaufe von 3 Meer- 
schweinchen, welche zunächst F.K. — Lp. 30 ip. und dann 30 Min. später eine 
Aufschwemmung von lebendigen gleichnamigen Erregern iv. erhielten. 

F Unter 200 weiBen Zellen 
Fress. Z. | Gefr. Kokk. | Phagozytat 











Untersuchung Ges. W. 








Vor der Einverleibung von 
Kokken 6800 0 0 0 
Genau dieselbe Behandlung von Versuchstieren, nur daß anstatt N.F.—Lp. 
F.K.—Lp. 30’ verwendet wurde. 














15! 6 900 8,6 27,4 36,0 

Zeit nach Einverleibung 30 pees ise ao = 
von Erregern bis zur 4 jo 9 300 147 474 621 
Blutuntersuchung 240! 12200 100 307 407 
u RO N T 21,3 29,0 

Totale Summe 52 000 64,1 2302 | 294,3 


Tabelle III. 


Einheitliches Blutbild betreffend Phagozytose bei den Tiergruppen, welche 
N. F.—Lp. bzw. F. K.—Lp. 30° ip. erhalten hatten. 

















Art aes | Originale, : F ress. Gefr. Koëffizient der 
Kulturfiltrats | Tabelle | Ges. W. | 2. Kokk. | Phagozytat Phagozytose 
F.K.—Lp.30| 1 | 53000 | 523 | 1628 | 2151 | 408 
N.F. — Lp. | 2 52 000 | 64,1 230,2 29143 | 5,65 


422 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


Koéffizient der Phagozytose = Das auf 1000 von ges. W. als Einheit be- 
rechnete Phagozytat. 

Befund; Bei einer ungefähr gleich großen Anzahl von weißen Zellen war 
die Phagozytose, also der Wert vom a a ar h: bei den N.F.—Lp.-Tieren 
beträchtlich kleiner als bei den F.K.— Lp. 30’-Tieren. 


Versuch II. 
Phagozytose, beeinflußt durch Lipoide von Staphylokokken. 


Staphylokokken wurden von einer Agaroberfläche mit 0,85proz. NaCl-Lösung 
suspendiert, bei 60°C 30 Min. lang im Wasserbade erhitzt und dann mit 
leichen Teilen chemisch reinem Aether chiittelt, der danach abgeschiedene 
ether wurde abgegossen und vermischt. ie schmierige Substanz, welche nach 
Verdunstung des Aethers sichtbar wurde, lösten wir in 96proz. Alkohol auf. Diese 
alkoholische Lösung von Lipoiden wurde im Verhältnis von 1:10 mit 0,85proz. 
NaCl-Lésung vermengt, um eine beliebig stark getrübte Emulsion von Lipoiden 
zu gewinnen. 

Von einem so erhaltenen Ausgangsmaterial bereiteten wir 1) native Lipoide, 
2) bei 100°C 20 Minuten lang erhitzte Lipoide, die wir mit folgenden 
kürzungen bezeichnen: 1) N.Lp., 2) K.Lp. 20’ und 3) K.Lp. 60’. Die Ergeb- 
aina a Untersuchungen wie bei Versuch I sind aus den Tabellen IV—VII 
ersichtlich. 


Tabelle IV (Lp.N.). 

Durchschnittliche Ergebnisse der Phagozytose im Blutkreislaufe von 3 Meer- 
schweinchen, welche zunächst native Lipoide der Staphylokokken ip. und 
dann = Min. später eine Aufschwemmung von lebendigen gleichnamigen Erregern 
iv. erhielten. 











Unt ißen Zell 
Untersuchung | Ges. W | nter 200 weißen Zellen 


Vor der Einverleibung von 
Kokken 5600 0 0 | 0 
Intraperitoneale Injektion von 1,0 cem der Emulsion von aetherlöslichen Sub- 
stanzen von Staphylokokken und 30 Min. später iv. Einverleibung von einer Auf- 
schwemmung gleichnamiger lebender Erreger in der Menge von 1,0 cem (ca. 
0,0035 cem als Kokkenleiber). 














15‘ | 8000 13,3 41,4 54,7 

Zeit nach Einverleibung a >. we a. 
von Erregern bis zur | 120 | 9 800 134 56.6 70.0 
Blutuntersuchung | 240° | 11800 8'7 33.3 42.0 
480° | 7 700 8,0 26,0 34,0 

Totale Summe | 56200 | 751 | 2726 | 377 


Tabelle V (Lp. 20%). 


Durchschnittliche Ergebnisse der Phagozytose im Blutkreislaufe von 3 Meer- 
schweinchen, welche zunächst Lp. 20 ip. und dann 30 Min. später eine Auf- 























schwemmung von lebendigen gleichnamigen Erregern iv. erhielten. 
7 | p ri Unter 200 weißen Zellen 
Untersuchung | Ges. W. |— = ` 
| Fress. Z. | Gefr. Kokk. | Phagozytat 
Vor der Einverleibung von | Vers mul dl l =H ne 
Kokken | 6400 0 0 | 0 
Genau dieselbe Behandlung von Versuchstieren wie bei Tab. IV, nur daß 
anstatt Lp.N. Lp.20 herangezogen wurde. 
1) Diesbezüglich siehe die Arbeiten von H. Suguro, Zeitschr. f. Immunitäts- 


forsch. Bd. 42. 1925. S. 77 u. 535. 


Ischimoto, Mit welch. Bestandteile des Antigens ist d. Impedinwirk. verbunden? 423 























Daio Ges. W. | Unter 200 weißen Zellen 

| Fress. Z. | Gef. Kokk. | Phagozytat 
jr 15' 7600 | 10,6 26,7 37,3 
Zeit nach Einverleibung = Her ns 2 a 
von Erregern bis zur À 100, 8100 20.4 78,7 99,1 
Blutuntersuchung |340 | 11300 13,3 58,1 714 
480‘ 8 700 10,3 34.0 44,3 
Totale Summe 54 400 77,6 292,8 370,4 











Tabelle VI (Lp, 60°). 


Durchschnittliche Ergebnisse der Phagozytose im Blutkreislaufe von 3 Meer- 
schweinchen, welche zunächst Lp.60° ip. und dann 30 Min. später eine Auf- 
schwemmung von lebendigen gleichnamigen Erregern iv. erhielten. 


RS TREE Š Unter 200 weißen Zellen 
Fress. Z. | Gefr. Kokk. | Phagozytat 








Untersuchung Ges. W. 





Vor der Einverleibung von 7 
Kokken | 6500 0 0 0 

Genau dieselbe Behandlung von Versuchstieren wie bei Tab. IV, nur daß 

anstatt Lp. N. (resp. Lp. 20’) Lp. 60° verwendet wurde. 




















15° 7 600 11,9 34,7 46,6 

Zeit nach Einverleibung ia E- oe 2 ce 1026 
von Kokken bis zur Blut- À, 9600 15,0 73.4 88,4 
untersuchung 940° 9 100 11,0 36,9 47,0 

480° 7 500 7,3 18,0 25,3 

Totale Summe 59 400 79,1 | 292,7 371,8 


Tabelle VII, 


Einheitliches Blutbild bezüglich der Phagozytose bei den Tiergruppen, welche 
N. Lp., K. Lp. 20’ resp. K, Lp. 60’ ip. erhalten hatten. 


























Koktionsdauer der Lipoide Befund der Hyperleukozytose und Ph ozytose, beeinflußt 
von Staphylococeus pyo- | durch die vorherige Einverleibung von Lipoiden der gleich- 
genes’ aureus | namigen Frreger 
_ ai | = = = = 
| Ges. W. | Fress. Z. | Gefr. Kokk. | Phagozytat zi Koéffizient 
0 Minuten 56200 | 75,1 272,6 347,7 6,2 
= 54 400 77,6 292.8 370,4 6,8 
6, 59400 | 79,1 292,7 371,8 63 





Ergebnis: Sowohl die Anzahl der weißen Zellen, als auch der Grad der 
Phagozytose, welche mittels der Testmaterialien: N.Lp., K.Lp. 20’ und K.Lp. 60 
erzielt worden waren, fielen.beinahe gleich groß aus. 


Betrachtung der Versuchsergebnisse. 


Zufolge der oben erwähnten Befunde dürften die Eigenschaften der 
nativen und gekochten Kulturfiltrate, die darin sich äußern, daß 
die ersteren gegenüber den letzteren etwas größere Hyperleukozytose 
verursachen und trotzdem bei weitem kleinere Phagozytose ergeben. 
dadurch verständlich gemacht werden, daß man im nativen Kultur- 
filtrate eine Substanz oder richtiger eine biologische Energie 
annimmt, welche den Prozeß der Phagozytose bis zu einem gewissen 
Grade hemmt und welche bei einer hochgradigen Erhitzung an sich total 


424 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


wirkungslos gemacht wird, während dabei die antigene Wirkung der 
Kulturfiltrate trotz ihrer hochgradigen Erhitzung noch unversehrt er- 
halten bleibt. Die supponierte Substanz, welche im nativen Kultur- 
filtrat enthalten sei, wurde im Jahre 1907 mit der Bezeichnung ,,Im- 
pedin“ (R. Torikata) belegt. Unsere Versuchsergebnisse lehren uns 
weiter, daß diese Energie: Impedin nicht mit dem Lipoidanteil, 
sondern mit dem Proteinkörperanteil nativer Antigene ver- 
bunden ist. 

Wenn der Proteinkörperanteil eines nativen Antigens Impedine 
enthält, die u. a. den Prozeß der Phagozytose gewissermaßen hemmen. 
dann folgt daraus der ganz natürliche Schluß, daß Nativantigene 
gegenüber den Koktoantigenen, bei welchen die Impedine ver- 
pichtet worden sind, einerseits giftiger wirken und andererseits 
größere immunogene Aviditäten entfalten müssen, weil die 
Gewinnung der aktiven Immunität, lokal oder allge- 
mein, auf nichts anderes zurückzuführen ist, als auf pa- 
renterale Verdauung der Antigene im Protoplasma der 
phagozytären Zellen mesenchymatöser Natur!). Die im- 
munogenen Substanzen müssen daher einerseits durch Erhaltung bzw. 
Zusatz von Lipoiden (Ischimoto u. Kawai), andererseits durch 
Vernichtung von Impedinen viel besser, d. h. in einer weit größeren 
Menge phagozytiert werden als sonst; ein Verhalten, wodurch ja im- 
munogene Substanzen einerseits an ihrer Giftigkeit ver- 
mindert und andererseits an ihrer antigenen Wirksam- 
keit erhöht werden müssen. 


Zusammenfassung. 


1) Entfettetes natives Kerzenfiltrat einer Aufschwemmung von 
Staphyloccus pyogenes aureus zeigte einen bedeutend kleineren 
Koeffizienten der Phagozytose als das gleiche bei 100°C 30 Min. 
lang erhitzte Testmaterial. — 2) Dagegen ließ sich bei der Kochsalz- 
emulsion der Lipoide von Staphylococcus pyogenes aureus 
keine beträchtliche Aenderung der dadurch herbeigeführten Phagozytose 
feststellen, wenn sie im nativen, 20 oder 60 Min. lang gekochten Zu- 


stande verwendet worden war. — 3) Die Impedinwirkung nativer 
antigener Substanzen ist nicht mit ihrem Lipoid-, sondern Protein- 
körperanteil verbunden. — 4) Bei immunogenen Materialien mikro- 


biotischer Herkunft sollen die darin enthaltenen Lipoide erhalten 
bleiben und die Impedine, welche mit dem Proteinkörperanteil 
nativer immunogener Substanzen der Mikroben verbunden sind, total be- 
seitigt werden, wenn sie als Immunogene in vivo möglichst 
ungiftig sein und möglichst wirksam funktionieren sollen. 


Literatur über die Impedinerscheinung. 
1) Torikata, R., Koktopräzipitinogene und Koktoimmunogene. Bern 1917. — 
2) Uyeda, O., Ueber die Im yedinerscheinung bei Choleravibrionen. (Zeitschr. d. 
apan. mikrobiol. Gesellsch. Bd. 16. 1922. [japan. u. deutsch].) — 3) Ders., 
srforschung über die Antigene von Choleravibrionen im Lichte der Komplement- 








1) Vgl. die Arbeiten von S. Nakagawa, Zeitschr. f. Immunitätsf. Bd. 39. 
1924. S. 187--191, sowie ibid. Bd. 42. 1925. S. 413. 


Ischimoto, Die Rolle der Lipoide der Mikroben bei ihrer Phagozytose usw. 495 


bindungsreaktion. (Japana Centrarevuo Medic. 1924. No. 30; 1924. No. 419—421.) 
— Suguro, H., Zur Frage der Artspezifität der Impedinerscheinung im Lichte 
der Phagozytose im Blutkreislaufe der Versuchstiere. ges d. med. Gesellsch. 
zu Tokio. Bd. 38. 1924. Nr. 9 [japanisch u. deutsch].) — 5) Kataoka, Sh, 
Ueber die Impedinerscheinung bei der Präzipition und Komplementbindungsreaktion 
(SRR) bezüglich Mäusetyphusbazillen. (Ibid. Bd. 38. 1924. Nr. 10 [japanisch u. 
deutsch.) — 6) Torikata, R., Impedinerscheinung bei K ripieno pinia 
reaktion. (,Ikaijiho“, 1924. Nr. 1535—1570.) — 7) ap bike H., Ueber die 
Impedinerscheinung bei der Phagozytose. 1. Mitt. (Zeitschr. f. Immunitätsf. Bd. 42. 
1925. S. 58.) — 8) Ders. Ueber die Impedinerscheinung bei der Phagozytose. 
II. Mitt. ve S. 525.) — 9) Ders., Ueber die Impedinerscheinung bei Phago- 
zytose. III. Mitt. (Ibid. Bd. 46. 1926. S. 399). — 10) Derselbe, Experimentelle 
Grundlagen zur Beurteilung antigener Avidität im Lichte der Phagozytose. (Japana 
Centrarevuo Med. 1925. No. 436/7.) — 11) Derselbe, Einfiuß des nativen und 
ee Antigens auf die Phagozytose im Blutkreislaufe der Versuchstiere. (Mitteil. 
. med. Gesellsch. Tokio. Bd. 39. 1925. No. 10.) (japan. u. deutsch.) — 12) 
Takamatsu, I., Ueber den Einfluß des Impedins auf die Bildung des Agglu- 
tinins im Blute. (Ibid. Bd. 39. 1925. No. 10.) — 13) Fujimoto, A., Erforschung 
über die Antigene von Shigaschen Dysenteriebazillen im Lichte der Komplement- 
bindungsreaktion, insbesondere über die Impedinerscheinung bei dieser Reaktion. 
(Ibid. Bd. 39. 1925. No. 9.) — 14) Fujimori, T., Ueber die Impedinerscheinung 
bei der immunisatorischen Bildung von Agglutinin im Blute. (Ibid. Bd. 40. 1926. 
No. 4.) — 15) Derselbe, Ueber die Impedinerscheinun bei der immunisatorischen 
Bildung von Bakteriolysin im Blute. (Ibid. Bd. 40. 1926. No. 4.) — 16) Taka- 
matsu, I. Ueber die Impedinerscheinung bei der Gewinnung der allgemeinen 
aktiven Immunität mittels Bins ritzung von Typhusvakzine bei Kaninchen. (Ibid. 
Bd. 40. 1926. No. 4.) — 17) TEU hinott Y., Die Impedinerscheinung bei der 
Bor ae Hag betreffend Staphylococcus pyogenes aureus. (Japana Centra- 
revuo Med. 1926. No. 472.) (japan.) — 18) Fujimori, T., Impedinerscheinung 
bei der Phagozytose von Staphylokokken, beeinflußt durch Nativkulturfiltrat von 
Pestbazillen. (Ibid. Bd. 40. 1926. No. 474.) — 19) Uyeda, O., Experimentelle 
Untersuchungen über das Verhalten der Toxizität des Immunogens zu seinem 
immunisatorischen Erfolg inbezug auf Nativimmunogen und Koktoimmunogen von 
Choleravibrionen. (Mitteil. d. med. Gesellsch. zu Tokio. Bd. 40. 1926. No. 5.) 
japan. u. deutsch.) — 20) Yamasaki, N., Ueber die Impedinerscheinung bei 
der Komplementbindungsreaktion betreffend Staphylococcus pyogenes au- 
reus. (Ibid. Bd. 40. 1926. No. 7.) 


Nachdruck verboten. 


Ueber die Rolle der Lipoide der Mikroben bei ihrer 
Phagozytose im Blutkreislaufe der Versuchstiere. 
[Aus dem chirurg. Laboratorium der Kais. Universität Kyoto (Prof. 
Dr. R. Torikata).] 

Von Dr. Y. Ischimoto. 

Mit 5 Abbildungen im Text. 


Einleitung. . 


Die Versuchsergebnisse über die Komplementbindungsreaktionen: 
SRR und ERR mittels der Torikataschen Untersuchungsmethode 
führten zu der Ansicht, daß Komplemente und Phagozyten biologisch 
gewissermaßen identisch sind (Torikata!) und Imamaki?). Somit 
wollen wir weiter Versuche über die Rolle der Lipoide der Mikroben- 
leiber bei ihrer Phagozytose anstellen, um zu wissen, wie weit die beiden 


1) Acta scholae medic. universit. imp. in Kioto. Vol. 8. Fase. 4. 1926. 
2) Ebenda. Vol. 9. Fasc. 1. 1926. 


426 Centralbl. f. Bakt: ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


Phänomene: Phagozytose und Komplementbindung von den 
in den antigenen Substanzen a priori enthaltenen Lipoiden ab- 
hängig sind. 


Versuchsanordnung. 


Als Ausgangsmaterial zogen wir eine beliebige Aufschwemmung 
von Staphylokokken heran, indem von einer 24 Std. alten Agarkultur 
von Staphylococcus pyogenes aureus die Mikrobenleiber im 
Verhältnisse von 3 Normalösen zu 1,0 ccm Medium mit 0,85proz. NaCl- 
Lösung suspendiert wurden. Volumetrisch gemessen enthielt 1,0 ccm 
dieser Aufschwemmung ca. 0,0035 ccm der Mikrobenleiber. Die Auf- 
schwemmung wurde zur Sterilisierung im Wasserbade während 30 Min. 
bei 60° gehalten und dann in 3 gleiche Portionen geteilt. Eine 1. Por- 
tion A wurde als das Ausgangsmaterial für die Prüfung der Phago- 
zytose verwendet und mit der Abkürzung Orig bezeichnet. Eine 2. Por- 
tion B wurde mit dem gleichen Teile Aether während etwa 5—10 Min. 
mit einer Hand beliebig stark geschüttelt, um den Aether wieder in situ 
abzudampfen. Die auf diese Weise vorbereitete Aufschwemmung von 
Kokken dient zur Kontrolle und wird mit der Abkürzung: Aether- 
Orig bezeichnet. Die 3. Portion C haben wir zunächst genau gleich wie 
bei der Portion B mit Aether zusammen geschüttelt, um dann den aus- 
geschiedenen Aether abzupipettieren. Die Spur von Aether, welche 
trotz der Ausscheidung noch in der Aufschwemmung enthalten ist, 
ließen wir durch Erwärmung verdunsten, indem dieselbe im Wasserbade 
bei 409 C während etwa 4 Std. gehalten wurde. Die so erhaltene 
Aufschwemmung von Kokken als Testmaterial bezeichnen wir mit der 
Abkürzung: Orig — Lp. Somit haben wir von einer Aufschwemmung 
von Staphylokokken, welche durch Erhitzung bei 60° C während 
30 Min. abgetötet worden sind, 3 Untersuchungsmaterialien vorzu- 
bereiten: 1) Orig, 2) Aether-Orig und 3) Orig — L 

Als Versuchstier bedienten wir uns des Meerschweinchens mit einem 
Körpergewicht von ca. 300 g. Jede Versuchsgruppe bestand aus 
3 Tieren, so daß die Ergebnisse der Untersuchungen immer in durch- 
schnittlichen Zahlen angegeben werden. Den Versuchsgruppen 1—3, 
welche aus normalen Tieren bestanden, wurden jeweils Orig, Aether- 
Orig und Orig — Lp intravenös eingespritzt, um dann den Verlauf 
der sich im zirkulierenden Blute abspielenden Phagozytose inbezug 
auf die betreffenden Kokken unter Berücksichtigung der dabei nach- 
weisbaren Hyperleukozytose genau zu verfolgen. 

Andererseits wurden gleichsinnige Prüfungen an den Versuchs- 
gruppen IV und VI angestellt, bei denen die Tiere bereits gegen Sta- 
phylokokken gewissermaßen immunisiert worden waren, indem sie 
7 Tage vorher eine bestimmte Menge polyvalenten Koktoimmunogens 
von Staphylokokken intraperitoneal bekommen hatten. Die Technik 
der Versuche war dieselbe wie bei den Arbeiten von H. Suguro!). 


Versuch I. 


Phagozytose abgetöteter Staphylokokken (Orig) im zirkulierenden 
Blute normaler Meerschweinchen. 


Um uns zunächst zu orientieren, wie das Ausgangsmaterial (Orig), welches, wie 
oben erwähnt, eine bestimmte Aufschwemmung abgetöteter Staphylokokken darstellt, 


1) Zeitschr. f. Immunitätsf. Bd. 42. 1925. S. 58, sowie 525. 


Ischimoto, Die Rolle der Lipoide der Mikroben bei Ihrer Phagozytose usw. 427 


im zirkulierenden Blute normaler Meerschweinchen phagozytiert werden, stellten wir 
Versuche an, deren Prozedur und Ergebnisse aus Tab. I ersichtlich sind. 
Tabelle I. (Norm und Orig.) 
Durchschnittliche Ergebnisse von 3 normalen Meerschweinchen über die Phago- 
zytose im Blutkreislaufe von durch Erhitzung abgetöteten Kokken (Orig). 





Unter 200 weißen Zellen 





| | Neutrophile 


Untersuchung = tres. | gefr. Phago. Leukozyten | eS | Leukozyten 





Z. \Kok., zyten = fres.| gefr. ol | fres.| gefr. | o, fres.| gefr. 
| | /o | Z. |Kok.| "° | Z. |Kok. lo Z. | ok. 




















| 


Vor der Einver- | | | | 
leibung von | 


Kokken (Orig)| 6400) 0 | o| o |233| o | o |698| o| o |58| o | 0 
Intravenöse Injektion einer Aufschwemmung von Staphylococcus pyo- 


genes aureus, welcher durch Erhitzung bei 60° C während 1/, Std. ab- 
tötet worden war; und zwar in der Menge von 1,0 ccm (= ca. 0,0035 ccm als 























okkenleiber). 

15 8400| 4.7] 25,3 30 | 37 | 471 25,3; 54,800) 6,2) 0 | 0 
Zeit nach Einverlei- || 30‘ 830016,3 28 | 44,3 44,211 | 48 | 42,8.0 010,5 5 118,7 
bung von Kokken | 60/1050022 118,4 1404 57,8/17,7 104,7 27800, 9,8 4,3.13,7 
(Orig) bis zur Blut- (120 1380017,6] 9931169 638163 94 | 28,200 5 | 1,3 5,3 
untersuchung [24012 100 194| 713 90,7 59/7177, 66 | 34,200 22 1” | 33 
'480'| 9700 10,6 37.3 47.9 52,310 | 35,3 42 1000 27 0,3. 0,2 
Totale Summe | 692009,63:9,64702 [124833 OÙ 111,941,7 

mn a 

(450,7) ') 


ges. W. = Zahl der gesamten weißen Zellen in 1,0 ccm Blut. 
fres. Z. = Zahl der Phagozyten, welche Stapphylococcus pyogenes 
aureus im Protoplasma aufgenommen haben. 
petr. Kok. = Zahl der phagozytierten Kokkenleiber. 
hagozytat = (fres. Z. + gefr. Kok.) betreffs Phagozyten. 


Versuch II. 
Phagozytose der mit Aether zusammen geschüttelten Stahyplo- 
kokken (Aether-Orig) im zirkulierenden Blute normaler Meer- 
schweinchen. 


Zur Kontrolle wurden sowohl Phagozytose als auch Hyperleukozytose bei der 
originalen Aufschwemmung von Staphylokokken geprüft, welche einfach mit Aether 
zusammen geschüttelt, jedoch nicht damit extrahiert worden waren (Aether-Orig). 
Die Ergebnisse der Versuche sind in Tab. II enthalten. 


Tabelle II. (Norm und Aether-Orig.) 


Durchschnittliche Ergebnisse von 3 normalen Meerschweinchen über die Phago- 
zytose im Blutkreislaufe von mit Aether zusammen einfach geschüttelten Kokken 
(Aether-Orig). 





| Unter 200 weiBen Zellen 








| fres. | gefr fres. | gefr. 


0 
Z. |Kok.| lo 























| | Neutrophil Eosinophil 
: phile sinophile 
Untersuchung pes fres. | gefr.|Phago- Leukozyten Lymphozyten Leukozyten 
Z. |Kok.| zytat | | |fres.|gefr.| o 

| | | Io 2. | ok. lo 
Vor der Einver- | | | | 
leibung von 
Kokk. (Aether- | | | | 
Orig) 52001 0 | o | o l38|o0 | o [578 o | o |43| 0 | 











1) „Neutrozytat“ (s. den Text !). 


428 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


Intravenöse Injektion einer Aufschwemmung von Staphylococcus pyo- 
genes aureus, welcher durch Erhitzung bei 60° C während !/, Std. abgetötet 
und dann mit Aether zusammen einfach geschüttelt worden war; und zwar in 
der Menge von 1,0 ccm (= ca. 0,0035 ccm als Kokkenleiber). 








15'| 7 700|18,3| 84 |102,3| 38,2117,3] 76,7) 59 |0|0| 1,2] 0,7| 5,3 
Zeit nach Einverlei- || 30‘ 6 800/23,6113,3 136,9| 47,520,3| 98 | 47 00 3,5 3,3115,3 
bung der Kokken J| 60! 8600/14,3| 87.3101,6| 50 |13 | 82 | 43 00 4,8) 1,3) 5,3 

(Aether-Orig) bis zur \|120‘16 100|18,7| 75,3 94 | 64 17,7 71,3] 33,300] 18 1 | 4 
Blutuntersuchung | 240.13 900 15,7 60 | 75,7| 64,214/7 58 | 32,300 1,8 0,7) 1,3 
480'| 7900| 9,3| 40 | 49,3| 57,3| 9° | 39,3] 37,500! 3 | 0,3) 0,7 
Totale Summe | 1662009,9459,91559,8 [92 453 00) | 7,331,9 

— —— 


(517,3) 


Versuch III. 


Phagozytose der mit Aether extrahierten Staphylokokken 
(Orig — Lp) im zirkulierenden Blute normaler Meerschweinchen. 


Eine gleichsinnnige Prüfung wie beim Versuch I und II wurde mit dem Test- 
material : ee angestellt. Dasselbe stellt, wie bereits erwähnt, eine Portion 
der originalen Aufschwemmung der durch Erhitzung abgetöteten Staphylokokken 
dar, von welchen jedoch ätherlösliche Substanzen (Lipoide) extrahiert worden sind. 
Es ist klar, daß diese Extraktion der Lipoide quantitativ keine vollständige sein 
kann. Die Versuchsergebnisse sind in Tab. III enthalten. 


Tabelle III. 
(Norm und Orig. —Lp. 
Durchschnittliche Ergebnisse von 3 normalen Meerschweinchen über die Phago- 


zytose im Blutkreislaufe von durch Aether extrahierten Kokken (Orig — Lp). 





Unter 200 weißen Zellen 














er Neutrophile |, _ | Eosinophile 
Untersuchung I fres. | gefr | Phago-| Leukozyten | Lymphozyten | Leukozyten 
| Z. Kok.) zytat |, fres. gefr.| „, |fres.|gefr.| o fres. gefr. 
| o | Z. Kok.| | Z. |Kok.| % | Z. (Kok. 
Vor der Einver- | | | re 
leibung von | | | | 
Kokken (Orig | | 
— Lp) 20 0|0o| o [34510] 0 |59 | 0 | 0 |42| 0 | © 





Intravenöse Injektion einer Aufschwemmung von Staphylococcus pyo- 
genes aureus, welcher durch Erhitzung bei 600 C während 1/, Std. abgetötet 
und dannn durch Aether extrahiert worden war; und zwar in der Menge von 
1,0 cem (= ca. 0,0035 cem als Kokkenleiber). 

















15‘) 7 600)16,7| 72 | 88,7] 41,8113,7| 57.3] 53 010) 1,8) 1,3! 6 

Zeit nach Einverlei- || 30° 9 500/15,3| 52,7; 68 | 56,2/11,3) 37,7) 34 0/0) 6,8) 3,7| 14,3 
bung der Kokken j| 60‘12 200/10 | 56 | 66 | 52 | 7,3) 44 39,300) 6 12,712 
(Orig — Lp.) bis zur) 120‘19900 15,3 67,3) 82,6) 78,215 | 65,3) 17,700 2,830 | O 
Blutuntersuchung 240/12 500 9,7| 44 | 53,7 67,3) 9,7) 44 | 29,700 1,8 0 (0) 
480°10 900| 5,6! 19,4) 25 | 57,7| 5,3) 18,7| 35,7 00 4|0 10 

Totale Summe | |80 000172,61311,4384 | 162,3/267 | 100|  :7,7,32,3 

(339,8) 


Betrachtung der Ergebnisse der Versuche I—IIL. 


Die in den Tabellen I—III angegebenen Befunde sind zur sinn- 
fälligen Vergegenwärtigung noch in Fig. 1 in bezug auf die Hyper- 
leukozytose und in Fig. 2 hinsichtlich der Phagozytose wieder- 
gegeben. Daraus ersehen wir folgendes: 


Ischimoto, Die Rolle der Lipoide der Mikroben bei ihrer Phagozytose usw. 429 


elle er. | 
19000 

nite aaa 
NN 
17000 A 
bis AE Te a 
ar: 

A 
14000 r > 
/ \ 


/ l 









































13000 7 x RERO 
if = 
12000 } 7 + IR TEE 
/ ( ` Te, o 
11 rig. 
999 | / ' | SI mn Ce 
. ‘ 
m. {/ |! | | Le 1 (Orig) 
| 4 N x 
9000 + pr RZ 
, | > 
8000 f = m (Asme = 
t f Orig. 
ENLI 
7000 i+ — — + 
' | 
6000 ! ji = T 
5000 l 77 
015'30' 60° 120' 240 480‘ 


Fig. 1. Das Verhalten der gesamten weißen Zellen im Blute normaler Meer- 
schweinchen, verursacht durch die iv. Injektion von Staphylokokkenaufschwemmung : 


Ori | 
IT Aether-Orig | 
UI Orig—Lp Í 


je in der Menge von 1,0 cem 






































1 CGris, À 








I CQrig) 





40 } 




















RE ZE 7 


20 





015'30' 60’ 120° 240° 


Su Cas) 


PE 2. Das Verhalten des Grades der Phagozytose (Phagozytatwerte) im Blut- 
kreislaufe normaler Meerschweinchen, verursacht durch die iv. Injektion von Staphylo- 


kokkenaufschwemmung: 
I Orig. | 
II Aether-Orig 
Ill Orig—Lp Í 


je in der Menge von 1,0 cem 


1. Unter den Testmaterialien: Orig, Aether-Orig und Orig — Lp 
führte eben das Orig — Lp, also diejenige Aufschwemmung von ab- 


430 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


getöteten Staphylokokken, von denen die Lipoide bis zu einem gewissen 
Grade extrahiert worden waren, die größte Anzahl der weißen Zellen 
im Blute herbei (vgl. Fig. 1 Kurve 3), während die Hyperleukozytose 
bei Orig und Aether-Orig keinem großen Unterschiede unterlag 
(Fig. 1). — 2. Trotz der größten Anzahl der weißen Zellen im Blute 
stellte sich das Resultat der Phagozytose, also der Wert von Phagozytat 
eben beim Orig — Lp am kleinsten heraus, während sich kein be- 
trächtlicher Unterschied zwischen den Phagozytatwerten bei Orig und 
Aether-Orig konstatieren ließ (vgl. Fig. 2). — 3. Die Summe der 
Anzahl der fressenden neutrophilen Leukozyten einerseits und der davon 
gefressenen Kokkenleiber andererseits, die gegenüber dem Phagozytat 
mit Recht als „Neutrozytat‘‘ bezeichnet werden dürfte, betrug 450,7 
bei Orig (Tab. I), 517,3 bei Aether-Orig (Tab. II) und bloß 329,3 
bei Orig — Lp (Tab. III). — 4) Es scheint also nachgewiesen zu 
sein, daß Phagozyten (Histiozyten inklusive) beider spon- 
tanen Phagozytose diejenigen Mikrobenleiber, vondenen 
die a priori enthaltenen Lipoide mehr oder weniger ex- 
trahiert worden sind, mit einer beträchtlich kleineren 
Energie arretieren als die Originale, bzw. diejenigen, 
welche zwar mit Aether zusammen geschüttelt, jedoch 
nicht damit extrahiert worden waren!). — 5. Die Analogi- 
sierung der Komplementbindungsreaktion mit der Phago- 
zytose, somit auch die von Komplementen mit den Phagozyten 
scheint insofern zurecht zu bestehen, als sowohl die solitaire 
(spontane) Komplementbindungsreaktion SRR als auch 
die spontane Phagozytose beieinem mit Aether mehr oder 
weniger extrahierten Testmaterial beträchtlich herab- 
gesetzt wird. 


Versuch IV. 


Phagozytose abgetöteter Staphylokokken (Orig) im zirkulieren- 
den Blute immunisierter Meerschweinchen. 


Nachdem wir uns über das Verhalten der spontanen Phagozytose bei nor- 
malen Versuchstieren bezüglich Orig, Aether-Orig und Orig—Lp orientiert 
haben, gingen wir zur gleichsinnigen Prüfung der Phagozytose bei den gegen Sta- 
rt ge leichtgradig immunisierten Meerschweinchen über. u diesem 
wecke wurden die Versuchstiere zunächst mit einer einmaligen intraperitonealen In- 
jektion von 3,0 ccm eines gelagerten polyvalenten Koktoimmunogens von Staphylo- 
kokken vorbehandelt. 7 Tage danach Nos die Tiere mit je 1,0 ccm der originalen 
Aufschwemmung von Staphylokokken (Orig) intravenös gespritzt, um die Blut- 
befunde inbezug auf die Hyperleukozytose und Phagozytose zu verfolgen. Die 
Versuchsergebnisse sind in Tab. IV angegeben. 


Tabelle IV. 
(Immun. und Orig.) 


Durchschnittliche Ergebnisse der Phagozytose der durch Erhitzung abgetöteten 
Kokken im Blutkreislaufe von 3 Meerschweinchen, welche das Koktoimmunogen 
des gleichen Erregers erhalten hatten. 


1) Die Versuchsergebnisse von Paul Th. Müller über dieselbe Frage fielen 
damals negativ aus (vgl. Zeitschr: f. Imm. Bd. 1. 1909. S. 61). 


Ischimoto, Die Rolle der Lipoide der Mikroben bei ihrer Phagozytose usw. 431 








Unter 200 weißen Zellen 
































i 5 Neutrophile Eosinophile 
Patemvehing w fres. gefr. N Leukozyten de tra Leukozyten 
Z. |Kok.| zytat |, |fres.|gefr.| o fres. | gefr. 97 fres. | gefr. 
| | h | Z. 'Rok.| lo | Z. (Rox. o | Z. |Kok. 
Vor der Einver- | | | | | 
leibung von 
Kokken (Orig)| 5200| 0 | 0 | 0O |20,8, 0 | 0 | 70] 0 | 0 |65| O | 0 


























Intraperitoneale Injektion von 3,0 cem des Koktoimmunogens von Sta- 
hylococcus ogenes aureus. Nach Verlauf von 7 Tagen wurden die 
iere wie in der Tab. I behandelt. 











15°) 8900| 21,7) 59,7) 81,4| 44 |14,7| 34,3) 43 |00] 9,3) 6,3] 22,7 

Zeit nach Einverlei- | 30‘) 9300| 17,7| 61,3) 79 | 42,313 | 40 | 41500112 | 4 |17,3 
bung der Kokken j| 60’ 9600 27,31136,31163,6| 47,2 22,3113 | 38 (00| 10,2) 4 |17,3 
(Orig) bis zur Blut- )/120'14 700! 24 | 93,4/117,4| 63,2/21 | 84 | 27200 6 | 1,7| 4,7 
untersuchung |240110700) 7,7, 24 | 31,7 72,3, 7 | 22 | 21,500 3,3 0,7 2 
480’ 16 200! 12 | 34,6] 46,6! 78,8)11,3 33,3) 17,500! 1,8 0,7) 1,3 











Totale Summe | |746001110,41409,35519,7) 189,3 326,6] 010! 117,4) 65,3 
(415,9) 
Versuch V. 

Phagozytose der mit Aether zusammen geschüttelten Staphylo- 
kokken (Aether-Orig.) im zirkulierenden Blute immunisierter Meer- 
schweinchen. 

Zur Kontrolle stellten wir eine ähnliche Prüfung wie bei Versuch IV mit 
Aether-Orig, also der Staphylokokkenaufschwemmung, welche mit Aether einfach 

eschüttelt, jedoch nicht dadurch extrahiert worden war, an. Der Befund ist in 
ab. V enthalten. 
Tabelle V. 
(Immun- und Aether- Orig.) 

Durchschnittliche Ergebnisse der Phagozytose der durch Erhitzung abgetöteten 
und dann mit Aether zusammen geschüttelten Kokken im Blutkreislaufe von 
‘ Meerschweinchen, welche das Koktoimmunogen gleichnamigen Erregers erhalten 

atten. 








Unter 200 weißen Zellen 
































Doi Neutrophil čosi i 
K | phile | Eosinophile 
Untersuchung n fres. | gefr.| Phago- Leukozyten Lymphozyten Leukozyten 
Z. |Kok. zytat |fres.|gefr.| o, | fres.| gefr. fres. | gefr. 
i “le |Z Bok % [Zr Eok % | 2 Rok: 
Vor der Einver- | 
leibung der 
Kokk. (Aether- | 
Orig) 8000| 0 0 0 40,7| 0 0 | 56,3) 0 0 |18| 0 0 

















Intraperitoneale Injektion von 3,0 cem des Koktoimmunogens von Sta- 
hylococcus pyogenes aureus. Nach Verlauf von 7 Tagen wurden die 
Tiere wie in Tab. II behandelt. 




















| 15‘ 11 300 36 |161,31197,3| 50,826 |114,3| 40,7/0]0| 6,7| 8_|31,7 

Zeit nach Einver- | | 30’ 12900) 24,3, 96,3 120,6) 38,7116,7, 68,3, 52800 6,3| 7,3125,3 
leibung von Kokken || 60’ 16700 15,9, 66,7. 82.6 61,5110,3| 46 | 29 (010! 5,7| 5,3/18,7 
(Aether-Orig) bis zur | 120‘ 19 000 20,4 92 112,4 70,219 | 85,3| 23,2010] 3,5] 0,7! 2 
Blutuntersuchung [240 16 600| 9 | 35,3) 44,3! 68,5| 9 | 35,3| 29,500] 0,7 0 
‚480° 11700! 7 | 20 | 27 | 59,716 | 18 | 33300 43| 1 | 2 

Totale Summe | | 96 200,112,6.471,6584,2| 87 3672) [OU]  122,3/79,7 


(454,2) 


432 Centralbl f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


Versuch VI. 


Phagozytose der mit Aether extrahierten Staphylokokken (Orig 
— Lp) im zirkulierenden Blute immunisierter Meerschweinchen. 

Die Ergebnisse der Versuche mit der Aufschwemmung von Staphylokokken, von 
denen die Lipoide bis zu einem gewissen Grade durch Aether extrahiert worden 
waren, fielen wie in Tab. VI zusammengestellt aus. 


Tabelle VI. 
(Immun und Orig— Lp) 


Durchschnittliche Ergebnisse der Phagozytose der durch Erhitzung abgetöteten 
und dann mit Aether extrahierten Kokken im Blutkreislaufe von 3 Meerschweinchen, 
welche das Koktoimmunogen gleichnamiger Erregerstämme erhalten hatten. 








Unter 200 weißen Zellen 























| j Neutrophile | Eosinophile 
Untersuchung 2 fres. gefr. Phago-| Leukozyten | Lymphosyien Leukozyten 
Z. |Kok.| zytat | | |fres.| gefr.| o, |fres. efr| o/ fres. | gefr. 
l | Z. 'Kok.| | Z. |Kok| % | Z. |Kok. 

















Vor der Einver-| | 
leibung der 
Kokken (Orig | 
— Lip) 9400 0 | 0 0 (3750| 0/55] 0 | 0155} 0 | © 


Intraperitoneale Injektion von 3,0 cem des Koktoimmunogens von Sta- 
phy lonoecus pyogenes aureus. Nach Verlauf von 7 Tagen wurden die 
iere wie in Tab. IIL behandelt. 
































| 15| 770015 | 54 | 69 | 38,310 | 36 | 52,7,00| 6,2| 4 |15,3 
Zeit nach Einverlei- || 30% 8300 9,9) 32 | 41,9) 38,7) 3,3) 16 | 48,7/0/0|10,5| 6,3,15,5 

bung der Kokken }| 60‘ 15 300113,7 49,3) 63 | 58,7| 9,7| 35,3) 33,310,0 4,7| 4 |14 
(Orig — Lip) bis zur) 1201710012 | 444| 56,4| 69,811 | 42,7 35.2001 2.8) 1 | 1,7 
Blutuntersuchung | 240°) 12 90(1/10,3) 27,3] 37,6, 64,7| 9,3) 25,3) 28,200 3 | 0,7) 1,3 
RE 1480) 10 000! 8,7) 24,7 33,4, 59,7| i 20,7 33,3010| 3,31 0,7 1,3 
Totale Summe | |8070069,6,231,7301,3 50,3176 | 00] ]16,7/48,9 

(226,3) 


Betrachtung der Ergebnisse der Versuche IV—VI. 


Die Versuchsergebnisse der Tabellen IV bis VI sind zur besseren 
Uebersicht noch in Fig. 3 und 4 kurvenmäßig dargestellt. 

Daraus geht folgendes hervor: 

1) Auffallend ist die Feststellung, daß sich die Hyperleukozytose 
bis zur 4. Std. am größten bei Aether-Orig, mittelmäßig groß bei 
Orig—Lp und am kleinsten bei Orig erwies, während sie am Ende der 
8. Std. am größten bei Orig, mittelmäßig groß bei Aether-Orig und 
am kleinsten bei Orig — Lp war. — 2) Bezüglich des Grades der 
Phagozytose ließ sich kein großer Unterschied zwischen dem Orig und 
Aether-Orig konstatieren, während das Testmaterial Orig — Lp, also 
die durch Aether extrahierte Aufschwemmung von Staphylokokken 
die kleinste Phagozytose verursachte (vgl. Fig. 4, Kurve III). — 3) Das 
sogenannte „Neutrozytat“, in welchem sich eben der Grad der Phago- 
zytose bei neutrophilen Leukozyten. dokumentiert, betrug 415,9 bei 
Orig, 454,2 bei Aether-Orig und bloß 226,3 bei Orig — Lp. — 
4) Somit ist der Nachweis erbracht worden, daß auch bei den immuni- 
sierten Tieren die mehr oder weniger mit Aether um ihre a priori 
vorhandenen Lipoide beraubten Staphylokokken gegenüber den origi- 
nalen bzw. bloß mit Acther zusammen geschüttelten, jedoch nicht 


Ischimoto, Die Rolle der Lipoide der Mikroben bei ihrer Phagozytose usw. 433 














19000 7 u ı 
in 
18000 APRES 
RUE = 
17000 7 ZN an? 
£o ims 1> 
16000 gg 


I COrig.) 





























CED 
4 


> te 
































9000 | 
8000 - 
7000 a 
6000 + 
5000 

015'30'60' 120° 240° 480' 


Fig. 3. Das Verhalten der gesamten weißen Zellen im Blute im 
schweinchen, verursacht durch die iv. Injektion von: 
I Orig. i 
II Author One ie in der Menge von 1,0 cem 


III Orig—Lp 


200 







































































3o HH- l das 
Sol IE ij 








munisierter Meer- 


1 COrig.) 


m CS 
Aether 
a Orig. 3 


O 15' 30' 60° 120' 240° 480° 


Fig. 4. Das Verhalten des Grades der Phagozytose (Phagozytat 
durch die iv. Injektion von: 
us | 
IL Aether-Orig 
III Orig—Lp | 


Erste Abt. Orig. Bd. 101 Heft 6/7. 


je in der Menge von 1,0 ecm 


werte), verursacht 


434 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


damit extrahierten Kokkenleibern bei weitem am wenigsten phagozytiert 
werden; d. h. mit anderen Worten, Phagozyten und Komple- 
mente lassen sich biologisch insofern identifizieren, als 
die beiden diejenigen Antigene, welche ihre aprioristi- 
schen lipoiden Substanzen mehr oder weniger stark ver- 
loren haben, mit einer’ beträchtlich kleineren Energie 
binden resp. arretieren als die originalen Antigene, die 
ihre Lipoide vollständig besitzen. 


Zusammenfassende Betrachtung sämtlicher Befunde 
nebst Diskussion. 


Stellen wir nun die oben erwähnten wichtigen Befunde nebenein- 
ander zusammen, so ergibt sich Tabelle VII, in welcher der Wert von 
Hyperleukozytose, Phagozytat sowie Neutrozytat bei nor- 
malen bzw. immunisierten Tieren inbezug auf Orig, Aether-Orig 
und Orig — Lp miteinander verglichen werden kann. 


Tabelle VII. 


Vergleichende Zusammenstellung der Hyperleukozytose und Phagozytose bei 
normalen mid immunisierten Tieren in Bezug auf Orig, Aether-Orig und 
Orig — Lp. 

















; | = = 
4 er ‚ Testmaterial | Zu an) Zu | ig, Zu $ 
Originale Tiere | für die | ge. | resp. | Seg | resp. | à i 5 3, resp. N 
Tabelle waren w. | Ab- ap Ab- Soe Ab- 5 
| Phagozytose | nahme = S'Inahme! $ LZ R” nahme Š 
| | | SE te) 

1 normal Orig 169 200 | — 470,2 — 16,79 450,7 — 16,51 

4 immunisiert Orig 74 600 | + 5400 519,7/+ 49,5 6,97) 415,9 — 34,8) 5,58 

2 normal Aether-Orig |66200 | — 559,81 — (8465173, — 7,81 

5 immunisiert | Aethrer-Orig |96 200 + 30000 584,2 + 24,4,6,07 454,2. - 63.11 4.77 

3 normal | Orig — Lip | sven’) — 384| — |4,803293 — 4,12 

6 immunisiert | Orig — Lip [80700 | +700 sonsl— 8271,75 226,3 — 103 8,80 


Diese Nebeneinanderstellung der Befunde gestattet uns folgende Be- 
trachtungen : 


a) Ueber Hyperleukozytose. 


Mittels der Injektion von Testmaterialien: Orig, Aether-Orig 
und Orig — Lp wurde eine beträchtliche Hyperleukozytose im zir- 
kulierenden Blute hervorgerufen und zwar bei den immunisierten 
Tieren in einem höheren Maße als bei den normalen. 
Dabei war der Unterschied zwischen der Anzahl der gesamten weißen 
Zellen im Blute der normalen und immunisierten ‘Tiere, welche mittels 
Orig — Lp hervorgerufen waren, ein winzig kleiner (700), während 
sich die absolute Anzahl der gesamten weißen Zellen bei denjenigen 
Tieren, welche eben Orig — Lp bekommen hatten, gegenüber den 
übrigen, also den Orig- sowie Aether-Orig-Tieren am größten heraus- 
stellte. Die Anzahl der gesamten weißen Zellen betrug nämlich 80 000 
bei normalen Orig — Lp-Tieren, 69200 resp. 66200 bei normalen 
Orig- resp. Aether-Orig-Tieren. 





1) Phagozytat = Zahl der sämtlichen fres. weißen Zellen + gefr. Kokken. 

2) Neutrozytat = Zahl der fres. neutrophilen Zellen + gefr. Kokken. 

3) Ein Zeichen dafür, daß die Giftigkeit von Orig — Lp gegentiber Orig 
resp. Aether-Orig eine beträchtlich hochgradigere ist. 


Ischimoto, Die Rolle der Lipoide der Mikroben bei ihrer Phagozytose usw. 435 


Der oben erwähnte Befund will uns sagen, daß die Giftigkeit 
des mit Aether extrahierten Testmaterials (Orig — Lp) 
unter den anderen, Orig und Aether-Orig, am größten sein 
muß, weil durch die Arbeit von Saguro bekannt ist, daß die Hyper- 
leukozytose mit der Giftigkeit des dabei verwendeten anti- 
genen Materials bis zu einem gewissen Grade Hand in 
Hand geht!). Diese Feststellung verkündet im voraus, daß das 
Testmaterial: Orig— Lp wegen seiner erhöhten Giftig- 
keit am schwächsten und am wenigsten phagozytiert und 
daher als immunogene Substanzen auch am wenigsten 
ausgenutzt werden wird. 


b) Ueber Phagozytat. 

Trotz der größten Anzahl der weißen Zellen im Blute war das 
Resultat der Phagozytose, also das Phagozytat bei weitem am 
kleinsten (384 u. 301,3) bei denjenigen Tieren, welche Orig -- Lp 
bekommen hatten, während dasselbe bei den Orig- und Aether-Orig- 
Tieren keinen wesentlichen Unterschied aufwies (470,2 u. 519,7 bzw. 
559,8 u. 584,2). Dabei war auffallend, daß der Wert von Phagozytat 
bei normalen Orig— Lp-Tieren 384 betrug, während sich derselbe 
bei immunisierten Orig—Lp-Tieren deutlich kleiner und als 301,3 
herausstellte. : 

Der obige Befund deckt sich mit der vorerwähnten Feststellung 
und Betrachtung über die Hyperleukozytose und gilt somit als ein fester 
Beweis dafür, daß 1. das Testmaterial: Orig — Lp sowohl bei 
normalen als auch bei immunisierten Tieren unter den 
übrigen Antigenen am wenigsten phagozytiert und darum 
als ein antigenes (s. immunogenes) Material vom Orga- 
nismus am wenigsten ausgenutzt wird, und daß 2. die Phago- 
zyten diejenigen antigenen Substanzen, welche der eigentlichen lipoiden 
Substanzen mehr oder weniger beraubt worden sind, nicht mehr gern 
phagozytierten, obwohl dabei das Medium, in welchem sich die Phago- 
zytose abspielen soll, infolge der Immunisierung spezifische Antikörper 
enthält, wie dies bei den immunisierten Orig- bzw. Aether-Orig- 
Tieren deutlich nachgewiesen ist. Es läßt sich also nicht mehr 
leugnen, daß sowohl die Phagozytose als auch die Kom- 
plementose?) eine innige Beziehung zu den Lipoiden haben. 
Dadurch wurde unsere Ansicht bestätigt, daß Komplemente biologisch 
als „Phagozyten im flüssigen Zustande“ angesehen werden 
dürfen oder daß Komplemente und Phagozyten insofern gewissermaßen 
als identisch aufzufassen sind, als die beiden sich mit den Lipoiden der 
Antigene verbinden, die jede antigene Substanz a priori mehr oder 
weniger enthält. Nichtsdestoweniger müssen wir jedoch auch zugeben, 
daß z. B. Staphylokokken, wenn sie auch von den lipoiden Substanzen 
gänzlich befreit sein mögen, doch mehr oder weniger phagozytiert 
werden müssen, weil wir wissen, daß die Phagozyten auch Fremdkörper 
frei von Lipoiden, wie z. B. Tusche, Carmin etc. wohl speichern. 


c) Ueber Neutrozytat. 

Unter ,,Neutrozytat” verstehen wir die Summe der Anzahl der 
phagozytierenden neutrophilen Zellen und der davon phagozytierten 
ie 23 Zeitschr. f. Immunitätsf. Bd. 42. 1925. S. 536 ff. 

2) Vgl. die Arbeit von Imamaki (l. c.). 

28* 


436 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


Kokkenleiber, welches also den Grad der Phagozytose in bezug auf 
die neutrophilen Zellen indizieren soll. Es hat sich nun herausgestellt, 
daß das Neutrozytat bei den immunisierten Tieren übereinstimmend bei 
sämtlichen antigenen Testmaterialien deutlich kleiner war, als bei den 
normalen (s. Tab. VII). Was dieser Befund bedeuten soll, wissen wir 
vorläufig nicht; denn das Phagozytat, also der Grad der allgemeinen 
Phagozytose im Blutkreislaufe war bedeutend größer bei den im- 
munisierten Tiere als bei den normalen, wie bereits oben er- 
örtert, nur daß dieses Verhalten bei den Orig — Lp-Tieren umgekehrt 
war (s. Tab. VII). 

Auch bei Betrachtung von Neutrozytat ergab sich, daß die Phago- 
zytose der neutrophilen Leukozyten bei den Orig — Lp-Tieren eine 
bei weitem minderwertigere war, als die bei dem Orig- und Aether- 
Orig-Tieren. Somit gelangen wir zu dem Schlusse, daß die Li- 
poide, welche in den mikrobiotischen Antigenen a priori 
enthalten sind, sowohl bei der Komplementbindungs- 


Y Kg. 5. Das Verhal- 

ten des Phagozytatwertes 

re F ss. ia zu dem Grade der Hyper- 
20000 2 leukozytose bei 1) norma- 


De Sos Aged N L , len bzw. 2) immunisierten 
99 RTE x Tieren betreffend die fol- 
genden Aufschwemmun- 











70000 " 

' gen der Staphylokokken : 
60000 Orig: II er -Orig 

und III Orig — Lp. 
s0000 | Der Winkel YOIIL, 
40000 indiziert z. B. die Größe 
L des Koëffizienten der 

30000 


-7 Phagozytose bei immuni- 
à sierten Tieren betreffend 


k 
20000 Orig — Lp, erscheint hier 








10000 also am kleinsten unter 
L j x den übrigen, YOLI, — 
o 100 200 300 400 500 600 YOIL. 


reaktion (ERR resp. SRR) als auch bei der spontanen 

resp. induzierten Phagozytose eine große Rolle spielen!). 

Wenn also die Phagozytose der Mikrobenleiber in Gegenwart 

von spezifischen Antikörpern in der Regel sehr erhöht werden soll, 

so muß dabei natürlich die Bedingung wohl erfüllt sein, daß dabei 

te lt der Mikroben an Lipoiden ein konstanter 
eibt. 


d) Ueber den Koéffizienten der Phagozytose. 

Zur genaueren Betrachtung des Grades der Phagozyten ist das 
Verhalten des Phagozytatwertes zu der Anzahl der gesamten weißen 
Zellen im Blute zu berücksichtigen. Somit berechneten wir den Koëffi- 
zienten der Phagozytose bei jeder Versuchsgruppe, um die Stärke 
dieses Vorganges von einem einheitlichen Gesichtspunkte aus in Betracht 
zu ziehen. Die Koéfizienten sind nämlich in Tabelle VII angegeben. 
Zur besseren Orientierung ist das Verhalten des Phagozytatwertes zu 
der Anzahl der weißen Zellen im Blute noch in Fig. 5 bildlich mittels 


1) Daraus läßt sich der Schluß ziehen, daß lipoidhaltige Immuno- 
gene besser geeignet sind, als lipoidarme bzw. lipoidlose. 


Ischimoto, Die Rolle der Lipoide der Mikroben bei ihrer Phagozytose usw. 437 


der Größe der Winkel veranschaulicht, welche die Linien O L, 
0 I, 0 IL, OIL, O III, und O III, mit der Ordinatenachse OY bilden. 
Die Größe des Winkels YOIII, indiziert z. B. die Größe des 
Koeffizienten der Phagozytose bei immunisierten Tieren betreffend 
Orig — Lp; und zwar je kleiner dieser Winkel ist, desto 
kleiner ist auch der Koéffizient der Phagozytose. 

Es stellte sich nun heraus, daB die Reihenfolge der GréBe der in 
Betracht kommenden Winkel folgendermaBen anzuordnen war: YOIII, 
< YOIII, < YOII, < YOI, < YOI,< YOII,. Es ist also deutlich nach- 
gewiesen, daß die Phagozytose bei den Orig — Lp-Tieren gegen- 
über den übrigen Tiergruppen die kleinste war; und zwar 
die bei den immunisierten Orig — Lp-Tieren noch beträcht- 
lich kleinerals diebei den normalen Orig — Lp-Tieren. Selbst 
bei Gegenwart von gleichnamigen spezifischen Antikörpern im zirku- 
lierenden Blute werden die Mikroben sehr wenig phagozytiert, wenn sie 
von den lipoiden Substanzen, die sie ja a priori enthalten, mehr oder 
weniger beraubt worden sind. i 


e) Ueber die zahlenmäßige Angabe des minimalen Im- 
munitätsgrades. 


Es ist klar, daß die Phagozytose mit dem Grade der Im- 
munität Hand in Hand geht. Zur zahlenmäßigen Angabe des mini- 
malen Immunitätsgrades kann also unter anderem auch die 
Phagozytose wohl mit Recht herangezogen werden. Zu diesem 
Zwecke scheint jedoch nicht die Angabe von „Neutrozytat‘“, sondern 
die von „Phagozytat‘ besser geeignet zu sein (s. Tab. VII). Selbst- 
verständlich muß dabei das zu phagozytierende Testmaterial eine ein- 
heitliche Aufschwemmung von Mikroben darstellen. 

Die zahlenmäßige Nebeneinanderstellung von Phagozytatwerten, 
welche unter denselben Bedingungen festgestellt worden sind, scheint 
dazu geeignet zu sein, selbst einen ganz minimalen Unterschied an Im- 
munitätsgrad nachzuweisen. 


Zusammenfassung. 


1) Die Phagozytose der mit Aether gewissermaßen 
extrahierten Aufschwemmung von Staphylokokken wurde 
gegenüber der der originalen sowie der mit Aether 
bloß geschüttelten Aufschwemmung in einem beträcht- 
lichen Grade herabgesetzt, während dabei dieHyperleuko- 
zytosebeimersteren Testmaterialam größten hervorgeru- 
fen war. — 2) Die Phagozytose bei der originalen sowie mit Aether 
einfach geschüttelten Aufschwemmung von Staphylokokken war eine 
deutlich höhere bei den immunisierten Tieren als bei den nor- 
malen, während die bei der mit Aether extrahierten Emulsion von 
Kokken (Orig — Lp) ein umgekehrtes Verhalten aufwies, indem das 
Phagozytat bei der immunisierten Tiergruppe 301,3 und dasselbe 
bei der normalen Tiergruppe 384 betrug. — 3) Ungeachtet des 
Vorhandenseins von spezifischen Antikörpern im Medium scheint die 
Phagozytose der Mikroben beträchtlich herabgesetzt zu werden, wenn 


438 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


sie durch Aetherextraktion von ihren a priori vorhandenen lipoiden 
Substanzen mehr oder weniger beraubt worden sind. Sowohl bei der 
spontanen als auch bei der induzierten Phagozytose muß also das 
Verhalten der Lipoide, welche a priori in den Mikroben enthalten sind. 
nicht außer Acht gelassen werden. — 4) Die Wirkungsweise von 
Komplementen bzw. Phagozyten bei der Komplementbin- 
dungsreaktion bzw. Phagozytose dürfte insofern identi- 
fiziert werden, als die beiden Prozesse mehr mit den in 
den antigenen Substanzen a priori enthaltenen lipoiden 
Substanzen zu tun haben als mit den eigentlichen Eiweiß- 
körpern, die ja die Antigene bzw. Immunogene sui generis 
darstellen. 


Nachdruck verboten. 


Versuche mit einer Methode zur Bestimmung der Keim- 
zahl anaérober Kulturen unter Verwendung von Höhen- 
schicht und Reduktionsmittel. 


[Aus dem Statens Seruminstitut, Kopenhagen ©. (Dir.: Dr. 
Th. Madsen).] 


Von @. C. Reymann. 


. Einleitung. 
. Historisches. 
. Wahl des Reduktionsmittels : 
a) Die Reduktionskraft der probierten Reduktionsmittel. 
b) Die Giftigkeit derselben. 
. Die Methode. 
. Die Begründung der angeführten Methode. 
a) Kriterien an guten anaöroben Verhältnissen. 
b) Abhängigkeit der Höhe der Oberflächenschicht vom Reduktionsmittel 
und Stärke des Bakterienwachstums. 
c) Abhängigkeit der Oberflächenschicht von der Molarität der Reduktions- 
mittel bei derselben Bakterienmenge. 
d) Einfluß von a@rober Verunreinigung. 
e) Vergleich zwischen Züchtung von Tetanusbazillen in Substraten ohne 
und mit Reduktionsmittel. 
f) Die optimale Molarität der verwendeten Reduktionsmittel 
6. Die Fehlergrenzen der Methode. 
a) Wieviel kann man von einer derartigen quantitativen Methode ver- 
langen? 
b) Die Keimungsprozente unter verschiedenen Verhältnissen. 
c) Vergleich zwischen der anaöroben Plattenmethode und der hier be- 
schriebenen. 
d) Feststellen der Mittelfehler. 
Zusammenfassung. 
Literatur. 


woe 


os 


1. Kinleitung. 


Von Methoden zur quantitativen Bestimmung der Anaéroben in 
einer Kultur verfügt man bekanntlich nur über die gewöhnliche Platten- 


Reymann, Methode zur Bestimmung der Keimzahl anaérober Kulturen usw. 439 


methode, entweder mit Züchtung in einer Wasserstoffatmosphäre oder 
in einer solchen, wo der Luftsauerstoff durch Absorbentien (Pyro- 
gallol u. dgl.) beseitigt worden ist. Hierzu besteht bekanntlich dies- 
bezüglich eine durch mehrere Jahrzehnte reich ausgebildete Apparatur, 
deren Entwicklung z. B. bei Fermi und Bassu in übersichtlicher 
Weise beschrieben wird und neuerdings in dem Apparate von Mc In- 
tosh und Fildes ihre letzte Vervollkommung erreicht hat. 

Jeder, der sich mit quantitativer Anaérobenziichtung in größerem 
Maßstabe beschäftigt hat, hat sich sicher durch den beschränkten 
Rauminhalt derartiger Apparate gehemmt gefühlt, wozu noch die 
Feuchtigkeit des geschlossenen Raumes als unangenehmer Uebelstand 
kommt, der oft ein Verschmelzen von Oberflächenkolonien verursacht. 

Es war somit wünschenswert, eine Methode zu finden, bei welcher 
man in unbeschränktem Maßstabe quantitative Anaérobenuntersuchungen 
ausführen konnte, und die relativ große Sicherheit, womit die Höhen- 
schichtmethode, besonders beim Hinzufügen von Reduktionsmitteln, 
wirkt, berechtigte zu der Vermutung, daß sie sich quantitativ verwerten 
ließe. 

Die nähere Beschreibung der Methode schicke ich untenstehende 
historische Untersuchung voraus. 


2. Historisches. 


Ein Zusatz von reduzierenden Stoffen zur Förderung des Anaëroben- 
wachstums wurde mit der Einführung von Zucker schon von Pasteur (1861) 
verwendet. Als ein bedeutungsvoller Fortschritt in der Züchtung von Anaéroben 
erwies sich für das Arbeiten mit festen Nährböden die Einführung der ‚Höhenschicht, 
die bald W. u. R. Hesse (1885), bald Liborius (1886) zugeschrieben wird. 
Die ersteren züchteten Oedembazillen in der Weise, daß sie ein Stückchen Gewebe 
von einer infizierten Maus so in Agar versenkten, daß der Stichkanal offen gelassen 
wurde, während Liborius zuerst das Prinzip der Höhenschicht erkannte. „Da- 
gegen erhält man sehr anschauliche Bilder, wenn man die ganze 
Masse des Nährsubstrates verflüssigt, dann etwas Impfmaterial 
hineinbringt, dieses durch alle Schichten sorgfältig ver- 
teilt und hierauf erstarren läßt,“ wodurch jede dirkte Verbindung mit 
der Luft abgebrochen wird. 

Von den Resultaten von Pasteur, Hesse und Liborius ermuntert, 
ging das Streben einiger Anaérobenforscher in den 90er Jahren und im 1. Dezennium 
ieses Jahrhunderts darauf aus, Substrate ausfindig zu machen, worin Anaéroben 
„aërob“ gezüchtet werden konnten, und zwar sind Kitasato und Wey! (1890) die 
ersten, welche das Problem durch Zusatz von reduzierenden Stoffen im Sinne 
Pasteurs zu lösen versuchten. Es gelang ihnen aber nicht, ,,Anaéroben im 
offenen Gefäß und in flüssigem Nährboden zu züchten‘ (ebenso wenig, wie später 
Chjudjakow (1896) in 100 verschiedenen Substraten); sie fanden aber haupt- 
sächlich einen Stoff, das Natriumformiat, das das anaörobe Wachstum im Agar 
sehr förderte. 

Von theoretischen Erwägungen über die Schwefelwasserstoffbildung der Bak- 
terien ausgehend, versuchte weiter Trenkmann (1898) verschiedene Anaéroben 
in schwefelnatriumhaltiger Bouillon unter freiem Luftzutritt zu züchten, und zwar 
mit gutem Erfolge. Auch bei Züchtung in Höhenschicht übte das Reduktionsmittel 
eine gute Wirkung aus, die Luftentwicklung war geringer, als nach Zusatz von 
Traubenzucker, der Abstand der Kolonien von der Oberfläche auch geringer, 
ca. 2 cm. bzw. ca. 0,5 cm. 

Die von Trenkmann inaugurierte Methodik wurde von Hammerl be- 
stätigt (1901), der außerdem mit K,S und NH,SH experimentierte und trotzdem 
der letztere Stoff jedesmal frisch bereitet werden mußte, diesen den Vorzug gab. 
Auch Hammer] findet, ebenso wie Kitasato-Weyl und Trenkmann, 
daß die Anaéroben selbst unter diesen Verhältnissen immer nur zu einigen 
Millimetern unterhalb der Agaroberfläche wachsen. 

Rivas, der diese Reduktionsstoffe weiter untersuchte (1902), hält auch 
NH,SH für das beste und machte darauf aufmerksam, daß es nicht nur wachs- 


440 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


tumsfördernd auf die Anaëroben wirkte, sondern auch die Aëroben hemme. 
Nach Rivas hält sich das Reduktionsvermögen dieser Stoffe nur wenige Tage 
in Bouillon und diese wird nach Na,S-Zusatz durch Schwefelausfällung getrübt. 


Weiter ist zu erwähnen, daß Wrzosek (1907) unter anderem metallisches 
Zink und Eisen als Bouillonzusätze verwendete, und Liefmann (1907) Ferro- 
ammoniumsulphat, das in alkalischer Lösung einen Bodensatz gibt, welcher das 
Wachstum der Anaéroben fördert. 

Schließlich probierte Hata ebenso den Einfluß verschiedener Na-Schwefel- 
verbindungen, und zwar NaS, NaSO, und Na;S;0,; in Bouillon, und erzielte 
durch sie auch eine Wachstumsförderung. Die Tetanusbazillen wuchsen aber nur, 
wenn sie mit einem Agarstückchen zusammen überführt wurden. 


Neuerdings hat Manteufel (1923) die Methode Trenkmanns als An- 
reicherungsmethode für Anaéroben in Vorschlag gebracht. 


Man ist sich schon längst darüber im Klaren (Liefmann, Wrzosek. 
Hata), daß die Wirkung dieser Reduktionsmittel auf ihrer Reduktionskraft beruht; 
es werden durch sie, trotz offener Verbindung mit der atmosphärischen Luft, 
anaërobe Verhältnisse geschaffen, so daß die Anaéroben keineswegs ihre Lebensweise 
zu ändern brauchen, um in diesen Substraten zu gedeihen, und nach v. Oettingen 
sollen sie in derselben Weise wie die Aöroben in Mischkulturen wirken, indem sie 
den in den Anaérobenkulturen entstandenen Sauerstoff binden. 


Die Frage hat somit nichts mit den Versuchen zu tun, die darauf ausgehen, 
Anaéroben an aérobes Wachstum zu gewöhnen (Ferran, Righi, Belfanti, 
Carbone und Perero mit Tetanusbazillen), sondern geht im Gegenteil darauf 
aus, die anaöroben Verhältnisse trotz Luftzutritts möglichst zu vermehren. 


Die Verwendung reduzierender Mittel in Anaérobenkulturen, von der man sich 
einst soviel versprochen hatte, ist im allgemeinen wieder verlassen worden, so schreibt 
z. B. J. ZeiBler in dem Handbuch von Krauß und Uhlenhut (Bd. 2. S. 979) 
nach einer Besprechung der einschlägigen Literatur: „Abgesehen von Trauben- 
zucker, sind heute alle eben angeführten reduzierenden anorganischen und organischen 
Zusätze zu den Nährsubstraten obsolet“. 


3) Wahl des Reduktionsmittels. 


Wenn es sich um Keimzählen handelt, sind natürlich nur solche 
verwendbar, die keine Ausfällungen im Agar hervorrufen, wes- 
halb die Ferrosalze von vornhernein auszuschließen sind. Es wurden 
demnächst die folgenden probiert: 

Natriumsulphid (Na,S), Natriumhydrosulphid (NaSH), Ammonium- 
hydrosulphid (NH,SH), Natriumhydrosulphit (Na,S,0,), Natriumbi- 
sulphit (NaHSO,), Natriumsulphit (Na,SO,), Natriumformiat (NaCOOH) 
und Natriumthiosulphat (Na,8.03). 

Die Verbindungen wurden in molaren Lösungen verwendet und die 
Lösungen bei jedem Versuche frisch hergestellt, Stoffe in größt mög- 
licher Reinheit und mit festgestelltem Wassergehalt beschafft und in 
wohl verschlossenen Gläsern aufgehoben. Das Natriumhydrosulphit war 
wegen seiner leichten Zersetzbarkeit für quantitative Zwecke wenig 
verwendbar. 

Da es sich darum handelte, ein in dem Agarsubstrate möglichst: 
stark reduzierendes und zugleich möglichst ungiftiges Reduktions- 
mittel zu haben, so wurden diese beiden Eigenschaften wie folgt. 
untersucht: 


a) Die Reduktionskraft der probierten Reduktionsmittel. 


Zu Reagenzglasserien, die mit abnehmenden Mengen 0,1 molarer 
Lösungen der respektiven Reduktionsmittel beschickt worden waren, 


Reymann, Methode zur Bestimmung der Keimzahl anaérober Kulturen usw. 441 


wurde pr. Glas dieselbe Methylenblauagarmenge zugesetzt und die 
Grenze der totalen Reduktion (normale Agarfarbe) festgestellt, und 
zwar unter Bezugnahme der Eigenreduktion des Agars. Diese Total- 
reduktion findet aber nie in der oberen Agarschicht statt; es findet 
sich hier immer eine mehr oder minder höhere Schicht, wo die Me- : 
thylenblaufarbe besteht, und die Höhe dieser Schicht kann auch als 
Maß für die Reduktionskraft benutzt werden, womit der von oben ein- 
dringende Luftsauerstoff beseitigt wird. 

In der untenstehenden Tabelle findet sich eine Uebersicht über 
einen derartigen Versuch, wo derselbe Methylenblauagar unter 3 ver- 
schiedenen pH s verglichen worden ist. 

Von den erwähnten Reduktionsmitteln verändern nur NaHSOs, 
Na gS,0, und NaSO, das pH des Agars in nennenswertem Grade in 
den unten verwendeten Mengen. Man muß sich aber erinnern, daß 
diese Dosen die oberen Prüfungsgrenzen repräsentieren. Bei Ver- 
wendung der Reduzenten in den Wachstumsversuchen liegen die opti- 
mal wirkenden Dosen niedriger. 


Tabelle I. 














PHa b p H7 LE PH; 
a) b a) b) a) |b) 


Die geringste |: 
total reduzierende/2ierten Ober- 









































Menge nach Het it m 
E nach | | 
a sta, | 48 | 3 | 48 | 3 | 48 | 8 | 48] 3 | 48 3 | 48 
"| Std. | Std. | Std. | Std.| Std. | Std.! Std. | Std.) Std. Std. Std. 
| ecm ccm cm cm San ccm | cm cm |cem com | cm | cm 
Na,S ; x . 1008| 012 |07 [19/1 . | . |. |. 
N HSH 0.17 0.17 | 0.7 14 |0.1 | 0.065/0.55/ 1.6 | 0.1 (004 [0.55 1.4 
NaSH 0.065 | 0.06 06| 17 0.041 0.04 0.6 | 1.5 | 0.040.025 0.45 14 
Na SO, = 20 -| 20] 12 |>20| 04 1.5 |>2.00.1 | 1.6 
Na, >10>20 065 | c. 20 04 | 0.25 1.6 |6.0.4.0.13 14 
NaCOOH | > 20 >20 . [>20/> 20 >2.0>20 . |. 
NaHSO, S20 |S 20 e. 165207 20 11 [52.0 0.4 15 
Na,8,0, >20 |> 20 >20> 2.0 >2.0>2.0 





_ Tabelle I zeigt, daß die Hydrosulphid- und Sulphidverbindungen 
die größte Reduktionskraft im Agar entfalten, was sich auch in der 
geringen Höhe der nicht reduzierten Oberflächenschicht äußert; die 
Vergrößerung dieser Schicht mit der Zeit zeigt die allmähliche Er- 
schöpfung der Reduktionskraft. Die Reduktion nimmt mit dem px 
zu. In den Züchtungsversuchen wurde pu 7 angewandt, um aus- 
giebigeres Wachstum der Tetanusbazillen zu erzielen. Wiederholungen 
zeigten in der Hauptsache dieselben Verhältnisse und namentlich, daß 
NaSO, in Lösung am wenigsten haltbar war. 


b) Die Giftigkeit der Reduktionsmittel 


geht aus der untenstehenden Zusammenstellung der Züchtungsresultate 
von Tetanusbazillen in Agar hervor mit einem Inhalt von 2,7 ccm 
0,02 mol. Lösung der betreffenden Reduktionsmittel pro 10 ccm Agar. 


442 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


Nr. 1. NH,SH schwache Wachstumshemmung 
ur 2. NaSH keine $ 

n 3 MeO, starke » 

» 4 NaS O, totale = 

NE Noch keine 7 

» 6. NaHSO, totale = 

» 7. Na,8,0, keine = 

» 8. NaS schwache ý 


Am ungiftigsten sind somit Nr. 2, 5 und 7, während NaSH die 
größte Reduktionskraft im Agar entfaltet, und da es außerdem bei 
Züchtung der Tetanusbazillen durchgehends weniger Luft entwickelt, 
war es vorzuziehen. 


4. Die Methode. 

Zunächst will ich die in den Versuchen verwendete Methode 
schildern, weil ihre Technik eine Voraussetzung für die Beurteilung der 
Resultate ist, und dann später ihre Einzelheiten näher begründen. 

Für die Untersuchungen wurde ausschließlich ein stark anaërober 
Tetanusstamm verwendet und zu den Prüfungen werden entweder 
Proben von wachsenden Kulturen mit Paraffinschicht, oder im Eiskeller 
aufgehobenen Sporenaufschwemmungen benutzt. Der Versuch wurde 
folgendermaßen ausgeführt: Eine Reihe von sterilen Präparatengläsern 
(1,5, X 10cm) werden mit je 2,7 ccm einer 0,01—0,005 molaren, 
durch Berkefeld-Filtrieren sterilisierten Lösung von NaSH be- 
schickt und die Gläser mit kurzen, flachbodigen Präparatengläsern als 
Deckel versehen. Von der Tetanuskultur werden a. m. Walbum 
mittels eines Normaltropfenzählers 6 Tropfen ins 1. Glas getröpfelt. 
nach Schütteln wieder 6 Normaltropfen ins nächste Glas überführt usw.. 
so daß jede Konzentration Yu der vorigen ausmacht. Die in Stativen 
stehenden Gläser werden dann entweder alle, oder falls man die 
Keimzahl einigermaßen kennt, nur einige mit 7,5 ccm Agar mittels 
ciner Pipette beschickt und nach Erstarren 2 Tage in den Thermostat 
bei 350 gestellt. Die Substratzusammensetzung war: Pferdefleisch- 
bouillon, Pepton- Witte (1 Proz.), Agar (1,5 Proz.); für die Bouillon 
wurden 500 g Fleisch pro Liter Wasser verwendet. — px 7. 

Nach Herausnahme aus dem Thermostaten wird aus jeder Serie 
ein Glas mit einer passenden Kolonienzahl ausgewählt. Man kann 
mit großer Genauigkeit bis etwas über 150 Kolonien zählen. Am be- 
quemsten sind Kolonienzahlen um 50. 

Zu beachten ist, daß das für die NaSH-Lösung verwendete Wasser 
ganz frisch sterilisiert sein muß, daß weiter der Agar 1 Std. in 
strömenden Dampf erhitzt und gleich nach der Herausnahme ge- 
schwenkt werden muß. Es kommt natürlich darauf an, durch Luft- 
vertreibung das Reduktionsmittel voll auszunutzen. Außerdem wurde 
beobachtet, daß, falls man nicht so verfährt, die Bazillen stärker gas- 
bildend werden, während die Gasbildung sonst im NaSH-Agar so 
gering ist, daß sie das Zählen nicht stört. Am besten ist es ferner, 
wenn das Reduktionsmittel sich im Verdünnungswasser findet, nicht 
aber dem Agar beigemischt wird, weil die Anaéroben dadurch während 
der Verdünnung vor der Luft geschützt werden, denn nach Barber 
können einige Anaëroben schon durch Istünd. Luftaussetzen getötet 
werden. Auf die Berücksichtigung des Alters der Agarpräparation 
wird unten eingegangen werden. Da der Zusatz eines Reduktions- 
mittels wohl nur als eine Unterstützung der Reduktionsfähigkeit des 


eymann, Methode zur Bestimmung der Keimzahl anaérober Kulturen usw. 443 


Peptons aufzufassen ist!), kann mitunter, besonders in frischem Agar 
die oben angegebene NaSH-Dosis zu hoch sein. Die Kolonien wachsen 
dann anfangs weniger gut in der Tiefe der Agarsäule, weshalb man 
erst nach 3—4 Tagen (35°) zählen darf. 


5. Die Begründung der angeführten Methode. 


a) Um die Leistungsfähigkeit einer derartigen Methode beurteilen 
zu können, muß man I) Kriterien an guten anaéroben Ver- 
hältnissen trotz freiem Luftzutritt haben, und zwar speziell in 
Hinblick auf die quantitative Seite der Untersuchungen. Solche Kri- 
terien sind: 1) Die Kolonienbildung muß mit Ausnahme der wachs- 
tumsfreien Oberflächenschicht durch die ganze Agarsäule gleichmäßig 
sein. 2) Die Oberflächenschicht muß von möglichst geringer und gleich 
großer Ausdehnung sein, damit die daraus herrührenden ev. Fehler 
möglichst klein werden. 

Das unter I aufgestellte Verlangen wird durch Zusatz von Re- 
duktionsmitteln erfüllt, und zwar nur bei passender Konzentration 
derselben, denn bei zu großem Zusatz werden die Verhältnisse den An- 
aöroben sozusagen zu anaërob und sie wachsen nur in den oberen 
Schichten. Hier spielt natürlich die Giftwirkung eine Rolle. 

Die 2. Forderung einer möglichst kleinen, wachstumsfreien Ober- 
flächenschicht wird auch durch Zusatz von Reduktionsmitteln, aber 
nicht durch sämtliche untersuchte erfüllt. Die Höhe dieser Schicht 
ist weiter von der Molarität des Reduktionsmittels abhängig und 
nimmt mit abnehmender Kolonienzahl zu. Letzteres spielt innerhalb 
der zählbaren Kolonienmenge keine größere Rolle. 

Als Kriterium guter anaérober Bedingungen kann indirekt auch 
die Hemmung des Aérobenwachstums bei Zusatz des Reduktionsmittels 
dienen, was jedenfalls bei der sterilen Durchführung der Manipulation 
eine Rolle spielt, und zwar um so mehr, als eine aérobe Verunreinigung 
oft in hohem Grade die Keimfähigkeit der Anaöroben beeinflussen kann. 

Nachstehend werden einige der obigen Bemerkungen mit Ver- 
suchsresultaten belegt: 


b) Abhängigkeit der Höhe der Oberflachenschicht vom 
Reduktionsmittel (2,7 ccm von 0,01 molaren Lösungen + 7,3 cem 
Agar) und Stärke des Bakterienwachstums. (Tab. II, s. S. 444.) 


Aus dieser Tabelle geht hervor, daß die Oberflächenschicht bei 
größerer Keimzahl abnimmt, da eine größere Anzahl Bakterien sich 
trotz Luftzutritts bessere anérobe Bedingungen, als eine kleinere Anzahl 
zu schaffen vermag. Die Schicht ist bei NaSH und NH,SH am 
kleinsten und einige Reduktionsmittel geben keine niedrigere Schicht 
als NaCl. 

Beim Vergleich mit den Tabellen über das Verhalten der Re- 


1) Dies erhellt z. B. aus der Beobachtung, daß in den Versuchen in Tab. V 
die durchschnittliche Höhe der wachstumsfreien Oberflächenschicht folgende Werte 
ergab: 


Kultur 1 18 Std. 0,25 cm Kultur 4 18 Std. 0,54 cm 
» 1 2 Tage 0,39 „ » 4 2 Tage 0,63 „ 
Sd Be 080,75 u ae OS 


Trotzdem die Bakterien allmählich weniger anaörob werden, nimmt die Oberflächen- 
schicht zu, was sich wohl daraus erklären läßt, daß die Eigenreduktion des Agars 
allmählich abnimmt. 


444 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 

















Tabelle IL 
| 5 Normaltropfen | Abstand des 
Reduktionsmittel Kolonien- sear aged pd oe Kultur Wachstums von 
ai zahl fläche i pr. Agarröhrchen | der Oberfläche 
u FEN | Kolonienzahl . in cm 
Nas 22 0,9 0,5 
Na,SO 42 11 0,5 
sis 34 1,1 0,7 
NaHSO, 35 1,1 0,6 
30 1,0 0,6 
Na,SO, 28 1,0 0,8 
ae 33 1,0 0,7 
NaCOOH 16 1,1 Z 0,4 
14 
NaSH 31 | 0,2 | 0,1 
30 | 0, | 0,1 
NH, SH 53 | 0,4 0,1 
48 | 04 0,1 
Na,8,0, 53 0,9 | 0,6 
Kontrollle: Physiol. 42 1,2 0,7 
NaCl-Lésung 39 1,3 0,8 











duktionsmittel im Agar ohne Bakterienwachstum (Tab. I und II) 
wird man finden, daB die Anaéroben auch etwas in die Schicht hinauf- 
wachsen, wo die Reduktionsmittel den Luftsauerstoff nicht beseitigen 
können, in Uebereinstimmung damit, daß sie eine geringe Sauerstoff- 
spannung vertragen können. 


c) Abhängigkeit der Oberflächenschicht von der Mo- 
larität der Reduktionsmittel bei derselben Bakterien- 
menge. 


Tabelle IlI. 
Die Zahlen geben die Oberflächenschicht in cm an. 




















Molarität im Verdünnungswasser + 
1.0 0,3 0,1 0,03 | 0,01 | 0,003 | 0,001 | Phys. Nacı. 
Na,8,0, Kein | Kein | Kein | Kein | | i 
Wachst. | Wachst. | Wachst. | Wachst. 0,6 | 0,6 | 0,65 | 0,85 
NaHSO, dgl. dgl. dgl. dgl. 0,6 | 0,7 | 0,75 0,7 
Na,SO, Are 0,5 05 | 0,75 | 1,1 | 09 0,8 
NaCOOH 2 A a 0,5 06 | 055/05 | 05 | 05 
NaSH Kein 
Wachst. 0,1 0,05 0,05 | 0,1 0,25 | 04 ; 0,7 
NH,SH dgl. Kein | 
Wachst. | 0,1 | O1 | 01 0,35 | 0,55 0,7 
Na,S,0, ; dgl. 0,6 04 | 055| 04 | 0,5 0,75 























Aus obiger Tabelle geht hervor, daß auch die Molarität cine Rolle 
für dic Höhe der Oberflächenschicht spielt. Man sieht, daß auch hier 


Reymann, Methode zur Bestimmung der Keimzahl anaérober Kulturen usw. 445 


die beiden Sulphydrate bei einer gegebenen Molarität durchgängig die 
kleinste Oberflächenschicht haben. 


d) Einfluß von aérober Verunreinigung. 


Daß Aéroben das Wachstum der Anaéroben begünstigen, wurde 
schon von Pasteur beobachtet. Ein Beispiel dafür, daß das Keimungs- 
prozent in der Tetanuskultur durch aérobe Verunreinigung gesteigert 
wird, gibt Tabelle VI (die eingeklammerten Zahlen), und untenstehend 
wird gezeigt, daß eine Keimuntersuchung in gewöhnlichem Agar (olıne 
Reduktionsmittelzusatz), wozu pro Verdünnungsglas 1 Tropfen Luft- 
kokkenkultur außer den Tetanusbazillen zugesetzt worden war, (die 
untenstehenden auf die ursprüngliche Tetanuskultur umgerechnete 
Werte gab: 























. r Oberflächenabstand der 
Verdünnen der Kultur B saia PMittel. La Kolonien im Agar (obere 
ur Mibtelzai’en | und untere Grenzwerte) 
Gekochte physiol. NaCl-Lösung 52 000 3,6—6,0 
Dieselbe + 1 Tropfen Luftkokken- 
kultur 4 400 000 0,2—0,3 
Dieselbe + 1 Tropfen gekochte 
Luftkokkenkultur 68 000 2,8—4,2 
Dieselbe + 1 Tropfen berkefeld- 
filtrierte Luftkokkenkultur 17 600 3,4—6,0 


Das Obenstehende, das als ‘der Versuch von Kedrowsky in 
quantitativer Form betrachtet werden kann, zeigt eine starke Förderung 
des Anaérobenwachstums durch Zusatz von Aéroben. Dies ist aber 
nicht immer der Fall, denn ich habe auch antagonistisch wirkende 
Aéroben gefunden. Es geht hieraus die große Bedeutung der von 
den Reduktionsmitteln ausgeübten Aérobenhemmung hervor. 


e) Vergleich zwischen Züchtung von Tetanusbazillen 
in Substraten ohne und mit Reduktionsmitteln. 

Um die Vorteile der erwähnten Methode klarzulegen, muß be- 
wiesen werden, daß die quantitative Ausbeute von Tetanusbazillen- 
kolonien bei Zusatz von Reduktionsmitteln größer wird, als ohne die- 
selben und das Wachstum gleichmäßiger. Die anaöroben Forderungen 
desselben Stammes sind indessen nicht immer die gleichen und unter 
anderem vom Alter der Kultur abhängig (schon Chjudjakow hat 
gezeigt, daß die vegetativen Formen anaérober sind als die Sporen), 
und es stellte sich heraus, daß, obwohl ein Zusatz von gewissen 
Reduktionsmitteln zuverlässigere und gleichmäßigere Resultate gibt, 
man bei Sporenkulturen mitunter ebenso gute Resultate bei Ver- 
wendung von ausgekochter physiologischer NaCl-Lésung als Ver- 
dünnungswasser erhalten kann, wahrscheinlich wegen der Reduktions- 
kraft des Peptons. Im allgemeinen werden aber die Kolonien hier 
weniger kräftig ausgebildet (durchsichtig, schattenartig), während sie 
mit NaSH undurchsichtig und mit einem festen Kern sind. Bei 
Untersuchung wachsender Kulturen werden die Resultate dagegen in 
Höhenschicht ohne Reduktionsmittel immer schlecht. Eine der Haupt- 
ursachen des Mißlingens der Höhenschichtkultur, wovon mitunter be- 
richtet wird, ist sicher im Ueberimpfen von sporenfreien Kulturen zu 
suchen. Schließlich werden ohne Reduktionsmittel oft Sprünge in den 


446 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


Verdünnungsreihen beobachtet, so daß ein Agarröhrchen z. B. mehrere 
Hunderte von Kolonien aufweist, während die nächste Verdünnung 
1—10 gar keine gibt. 

Als Beispiele des Obenstehenden teile ich unten 2 Versuche mit, 
in denen teils 0,01 molare Lösung von NaSH, teils physiologische NaCl- 
Lösung verwendet wurde. Weitere Beispiele finden sich im Kapitel über 
die Fehlergrenzen. 


Versuch I. 


Tetanuskultur in Bouillon (py,), am 31.8. beimpft. Die Bakterienzahl wurde an den 
unten angeführten Zeitpunkten in Höhenschicht festgestellt. 





























| NaCl (physiol) | NaSH (0,01 mol.) 
eee == —- = = 
am 3. 9. | 40000 pr. cem Kultur | ca. 4 Million. pro cem Kultur 
„49. 1,2400 5 +4 3 |» » > » » 
Versuch II. 
Tetanuskultur am 5. 9. beimpft. 
NaCl (physiol.) NaSH (0,005 mol.) 
À ausgekocht I nicht ausgekocht | 
am 7.9. | Kein Wachstum 9000 Mill. pr. ccm Kult.22,6 Mill. pr. ccm Kult. 
» 8.9. |2,9 Mill. pr. cem Kultur | — BESTE R 
” 9. 9. 4,7 » n n n 540000 ” n n 11,2 ” ” kad p 
n 10. 9. 54 „ ” n ” | 3680 n ” ” ” 115,2 ” n n » 
u. MRD, — ‚518000 MIO ES Yu. | % 
„ 12.9. {96900 ; , sé “I — 168 not a er og 








In diesen Versuchen findet man das oben Gesagte illustriert. 
Obwohl die Gleichmäßigkeit bei Verwendung von NaSH in vielen Ver- 
suchen bestätigt wurde, hat man natürlich hier, wie überhaupt bei 
quantitativen Bakterienuntersuchungen, mit Unregelmäßigkeiten zu 
kämpfen, weshalb man immer mehrere Verdünnungsreihen aus derselben 
Kulturprobe herstellen muß. 

Die Zahlen der NaSH-Reihe geben übrigens die gewöhnlichen 
Wachstumskurven der Tetanuskulturen an. Am 3. Tage, wo die Sporu- 
lation in vollem Gange ist, nimmt die Kurve etwas ab, weil natürlich 
nicht alle Stäbchen sporenbildend sind. Eine Erklärung der späteren 
Zunahme wird später versucht werden. 


f) Die optimale Molarität der verwendeten Reduk- 
tionsmittel: 


Es wurde schon erwähnt, daß sowohl Reduktionsvermögen als auch 
Giftigkeit der zu verwendenden Reduktionsmittel in Betracht gezogen 
werden müssen, und es wurde festgestellt, daß NaSH am besten geeignet. 
war. Die Giftigkeit zeigt sich mit zunehmender Konzentration erst 
durch eine Wachstumshemmung, die Kolonien entwickeln sich nur in 
der oberen Hälfte des Agarröhrchens, und bei noch größerer Konzen- 
tration erlischt das Wachstum vollständig, siehe untenstehenden Versuch: 
(s. Tab. IV, S. 447.) 

Die Zahlen zeigen Kolonienzahlen in gleich starken Verdünnungen. 
a und b wurden mit verschiedenen Agarpräparaten und verschiedenen 
Salzpräparaten ausgeführt. Die Wirkung derselben Molarität ist etwas 
verschieden, und man muB somit beim Wechseln von Agar oder Salz 


Reymann, Methode zur Bestimmung der Keimzahl anaérober Kulturen usw. 447 





























Tabelle IV. 
Molarität der Reduktionsmittel im Verdünnungswasser NaCl- 
+ > nn Kon- 
10 | 03 | 01 | 003 | 0,010,005 0,003/8,001| trolle 
a) 
NH,SH Kein Kein | | 
Wachstum [Wachstum 43 | 61 |z| . | 63 | 67 = 
NaSH dgl. |Hemmungg 49 | 65 75 | . | 72 | 50 = 
Na.s,O, : k | 0 |Hemmung| 44 | . | 46 | 39 © 
Na HSO., PRE dg. 33| : |37| 31| 
Na, 50, ; 5 ‚Hemmung |30| . | 24) 24/1 3 
NaCOOH : F5 | K ee . | 5 
b) 
NH,SH e ; ; : | 27 | 26 | 
NaSH | . ; : : 10 | 44 = 
Na 8.0, | Le a 7 |12| 12 = 
NaHS0, | | . 213). cs 
a 3 j ; 17) |. ,1 aN ES 
NaCOOH on a” : . Kar 
Na,S K : | : ; | 20 | 34] . ; 














die gecignete Molarität herausfinden. Für das in dieser Arbeit 
am gründlichsten durchprobierte Salz (NaSH) lag die 
optimale Konzentration immer bei 0,01- 0,005 molar (im 
Verdünnungswasser). 


6. Die Fehlergrenzen der Methode. 


a) Wieviel kan man von einer derartigen quantita- 
tiven Methode verlangen? 


Die Anzahl von Bakterien einer Kultur, die nach Umsäen in ein 
anderes Substrat auskeimt, ist bekanntlich unter anderem vom Alter und 
der Resistenz der Bakterien abhängig, und das Keimungsprozent ist 
selbst bei einem so vermehrungsfähigen Aéroben wie Bac. coli außer- 
ordentlich schwankend. So fand Hechscher in einer solchen Kultur, 
daß in den ersten Std. nur von ca. 3—80 Proz. im Verhältnis zur 
gezählten Anzahl auskeimten, und neuerdings hat K. A. Jensen 
mittels einer Modifikation der Reinzüchtungsmethode Orskovs einen 
Unterschied zwischen den Keimungsprozenten alter Laboratoriums- 
stämme und frisch reingezüchteter von derselben Bakterie gefunden, 
und zwar wiesen die letzteren einen größeren Keimungsprozent auf: 
Bei den Anaéroben kommt noch das komplizierende Moment hinzu, 
daß die Kulturen je nach ihrem Alter teils aus vegetativen Formen 
allein, teils aus diesen und Sporen in verschiedenen Mischungs- 
verhältnissen bestehen, und diese Formen stellen, wie erwähnt, un- 
gleiche Forderungen an die Anaérobiose. Es steht ja auch wie eine 
Dogme fest, daß die Anaéroben mit besonderer Unregelmäßigkeit aus- 
keimen, und man findet in der Literatur recht oft die Bemerkung, 
daß es deshalb fast unmöglich ist, Einzellenkulturen von diesen Organis- 
men anzulegen, was wohl eigentlich darin liegt, daß anaërobe Be- 
dingungen sich schwieriger als aörobe darstellen lassen. Ist dies richtig, 
so konnte man erwarten, mit einer Methode, wo hinlänglich Ana- 
örobiose konstant vorhanden ist, ein regelmäßigeres Auskeimen zu er- 
zielen. 


448 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


b) Das Keimungsprozent unter verschiedenen Ver- 
hältnissen: 

Am besten geeignet zum Feststellen des Keimungsprozentes sind 
natürlich» ihrer größeren Resistenz entsprechend, die Sporenaufschwem- 
mungen und unten findet sich ein Beispiel einer solchen, wo das 
Keimungsprozent an verschiedenen Tagen festgesetzt worden ist. 

Tetanussporenaufschwemmung 
Beim Versuche am 30. wt Keimungsproz. oe 


n ” 2 n ’ 

i 2 ” 12 12 4 64,0 
z E ” 14.12. 5 92,0 
3 z ” 18. 12. : 52,2 
2 ” 21.12 a 91,0 
: : ” 19. 1 2 50,1 
; RE ; 74,9 
s x ” 25, 1 60,1 
» ” ” 25. 1 ” 64,1 


Die Anzahl der Sporen in der Aufschwemmung wurde bei jedem 
Versuche durch Doppelzählungen in 2 Kammerfüllungen (Fuchs- 
Rosenthal) festgestellt und aus diesen allen eine Mittelzahl be- 
rechnet (Mittelfehler + 7,18). Bei gleichartigen Untersuchungen in 
Kulturen, wo auch vegetative Formen vorhanden waren, wurde ein 
Mittelfehler von 13,4 gefunden und durch Prozentausrechnung mit 
dieser Mittelzahl das Keimungsprozent in jedem Versuch (12—20 Ver- 
dünnungsreihen) bestimmt. Die Agarpräparate haben im Laufe der 
Versuchsreihe mehrmals gewechselt. Die Keimungsprozente sind, wie aus 
der obenstehenden Zusammenstellung hervorgeht, schwankend, ich wage 
es aber, auf viele Erfahrungen mit Sporenaufschwemmungen von 
Aéroben (Anthrax) gestützt, zu behaupten, daß ähnliche Versuche mit 
diesen keine besseren Resultate ergeben haben würden. 

Diese Versuche sollen natürlich keineswegs eine Feststellung des 
Keimungsprozents par excellence, d. h. unter optimalen Bedingungen 
sein, was eine vielfache Variation der Versuchsbedingungen erfordern 
würde, sondern nur eine Schätzung der Brauchbarkeit der Methode 
unter den gegebenen Bedingungen. (Weiter kann natürlich das Kei- 
mungsprozent in verschiedenen Sporenaufschwemmungen bedeutend vari- 
ieren; in einem anderen wurden im Mittel 18,2 gefunden (Mittel aus 
6 Versuchen: durchschnittlicher Mittelfehler 4,8 und Proz. der M. 
12,9)). 

Von Interesse ist es, daß das Keimungsprozent nicht mit dem 
Alter des Agarpräparates abgenommen hat, trotzdem die Zu- 
nahme der Oberflächenschicht zeigt, daß der Agar allmählich schlechtere 
Bedingungen darbietet. Das in der untenstehenden Versuchsreihe (die- 
selbe wie oben) verwendete Agarpräparat wurde am 12. 12. sterili- 
siert. 


Kolonienzahlen in gleich Höhe der Oberflächen- 


starken Verdünnungen schicht 

Versuch am 12. 12. 39,6 0,39 cm 
A „ 14.12, 55,6 0,56 „ 

s -y 48:12 33,3 055 | 

A if Gloves 54,2 0,64 „ 

è = 10% E 32,0 062 „ 


Dagegenaber muß manbeim Untersuchen von wachsen- 
den Kulturen das Alter des Agars berücksichtigen, wie aus 


Reymann, Methode zur Bestimmung der Keimzahl anaérober Kulturen usw. 449 


dem untenstehenden Kontrollversuche hervorgeht, und was übrigens 
schon von Kitasato bemerkt worden ist. 


24stündige Tetanuskultur: 


Alter Agar, Mittelzahl der Kolonie in gleich starker Verdünnung 34,5 
neuer „ » » » > » » 88,3 


5 Tage alte Kultur: 
Alter Agar, Mittelzahl der Kolonie in gleich starker Verdünnung 129,0 
neuer „ » » » ” » » » 0 
Von den mit Sporenkulturen erhaltenen Resultaten geleitet, glaubte 
ich anfangs, dies spiele eine untergeordnete Rolle, wenn nur der Agar 
gut ausgekocht war, und es ist auch von diesem Gesichtspunkte aus 
von Interesse, die Resultate zu betrachten, welche erzielt wurden. Die 
untenstehenden Tabellen zeigen 4 Versuchsreihen, wo jede Keimzahl 
20 Verdünnungsreihen repräsentiert, überall wurde 0,01 mol. NaSH 
als Verdünnungswasser verwendet. Jede Versuchsreihe repräsentiert 
eine Kultur, die von 18 Std. nach dem Beimpfen an weiter 3—5 Tage 
untersucht wurde. Das Alter des Agars und die Versuchszeiten gehen 
aus Tabelle V hervor und man sieht, daß für die Keimuntersuchung 
der Kultur Nr. 1 ganz frischer Agar zur Verwendung kam, während 
für die Kulturen 2 und 3 ein älteres Präparat verwendet wurde, und 
für die Kultur 4 ein ganz frisch hergestelltes. Man sieht, daß die 
Mittelfehler bei den Kulturen 1 und 4 regelmäßiger ausfallen und 
aus einer Betrachtung der Tabelle Va über das Keimungsprozent wird 
hervorgehen, daß dieses auch in 1 und 4 die höchsten Werte erreicht. 
Die Hauptschwierigkeit liegt somit in der Keimbestim- 
mung nach 18 Std., so, wie es oben gezeigt wurde, während nach 
Eintreten der Sporulation und bei Verwendung von relativ frischem 
Agar das Keimungsprozent relativ regelmäßiger ausfällt, aber mit 
einer vorübergehenden Senkung. 


Tabelle V. 
Pferdefleisch-Pepton Wittte (1proz.)-Agar. py,. 35°. 
a) Mittelzahl aus 20 Verdünnungáréihen: b) Mittelfehler. c) Proz. der Mittelzahl. 


























Agar- | “| Keimzahl Bach folgenden Zeiten untersucht 
präpa- Versuchs- u: z 
ration | datum 3 18 Std. | 2 Tagen | 3 Tagen | 5 Tagen | 7 Tagen 
ST =| | N = 
Ne itn “| alb|ec|a| bij cj a| bic] |b] c| s| blo 
27 | 1.12,| 3. 12— 5. 12.11 82,2 24,2)29,4 173,4 12,2 16,6 43,5110.524,4| . 5 
29 12. 12.) 5. 1.—10. 1.|2 |185,0/18,6/10,05/43,8/11,8 |26,8| 78,0/22,7/29,1| 85,7115,818,4 . 
20 12.12.13. 1.—18. 1.| 3 |107,0)39,4/36,8 166,0 40,9 620 89,0/18,6/20,9| 53,0/12,1/22,8) . 
31 20.1. (21. 1.—28. 1.|4| 88,3/13,6|15,4 |24,5) 5,34|21,8| 41,5|7,45|18,0/129,0|24,3/18,8|152,9/15.16|9.91 
Tabelle Va. 
Die in den obenstehenden Versuchen erhaltenen Keimungsprozente. 
18 Std. 2 3 5 7 Tage 
Kultur 1 19,1 78,7 70.3 ; 
5 2 14,8 59,6 15,0 45, 9 
Ze: 3,1 10,8 2,3 11,9 f 
o> | 9,4 94,6 100 29,0 49.4 


Erste Abt. Orig. Bd. 101. Heft 6/7. 29 


450 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


Diese Senkung und das Wiederansteigen des Keimungsprozentes 
rührt von den komplizierten Verhältnissen in sporulierenden Kulturen 
her. Die vegetativen Zellen keimen an dem Höhepunkt der Ent- 
wicklung der Kultur gut aus, sterben allmählich ab, werden aber noch 
mitgezählt, und somit fällt das Keimungsprozent, weiter werden sie 
autolysiert, womit das Keimungsprozent wieder steigt. 

Geringes Keimvermögen im Anfange der Kultur findet man auch 
bei Aéroben, wie es Heckscher in Versuchen mit Bac. coli beob- 
achtet (s. oben); es ist ein Zeichen niedriger Resistenz der jungen 
Zellen, die ein Ueberimpfen in andere Substrate nicht vertragen können. 

Um festzustellen, wie alt die Agarpräparate sein dürfen, wurde 
der unten angeführte Versuch ausgeführt. Die Technik war dieselbe wie 


























Tabelle VI. 
4 s Kultur a. am 1. 2. beimpft | Kultur b. am 1. 2. beimpft 
er- = 
Agarpräpa- | suchs- ar: 2.1 Proz. der| Kei- ; z Proz. der Kei- 
A | N 1. : Mittel-| Mittel- ~,,. | 
ration |datum uetel-|Mittel| Mittel- mungs- Mittel- | mungs- 
| zahl | fehler zahl proz. zahl | fehler zahl proz. 
Nr. | sterili- | © | u zz j tt ar re 
siert am: | | | 
1 2.2. | 2. 2. |150,6 | 11,4 | 7,8 16 '644/] 72 | 112 14 
1 la22|32| 94,7 | 172 | 182 95,5 |613 | 171 | 279 | 86,3 
2 | 3.2. | 3. 2. | 98,3 | 19,1 19,4 99,0 65,5 14,9 22,8 92,2 
1/22/42] 519! 79| 152 644) | 304 3,5 11,5 31,4 
3142142) 6221 105! 169 | (775) | 355 | 61 | 172 | 367 
| 
1 | 2. 2. | 6. 2. | ‚109 | 17,7 | 162 || 
1/22/62. | L101 | 215 | 213 || 286 
4 | 6.2. | 6. 2. 81,6 8,88 109 | 212 
4 | 6. 2. ! 6. 2. 9,5 1,5 15,87 |p "> 




















im vorigen Versuche, nur wurden jeden Tag teils die Anfangspraparate, 
teils ein jeden Tag frisch hergestelltes verwendet, und zwar aus dem- 
selben, im Kühlraume aufbewahrten Fleische. Das Alter spielt inner- 
halb einiger Tage keine Rolle. Bei der Kultur a sei auf die am 4. 2. 
gefundenen hohen Keimungsprozente aufmerksam gemacht. Die Kultur 
war hier aérob infiziert, und es wurde in einigen Fallen das alte, aber 
nicht früher quantitativ gezeigte Phänomen beobachtet, daß das Vor- 
handensein von Aéroben das Wachstum von Aéroben fördern kann, 
was sich vielleicht für die Feststellung der Keimzahl der anaeroben 
Kulturen quantitativ verwerten ließe. 

Es wäre in dieser Verbindung auch von Interesse, die von K. A. 
Jensen mit Metallsalzen a. m. Walbum bewerkstelligte starke 
Wachstumsstimulation bei aéroben, auch bei Anaéroben zu probieren, 
vielleicht ließe sich dadurch ein größeres Keimungsprozent auch in 
den ersten 24 Std. erzielen. 

Schließlich sei zu den obenstehenden und einigen der folgenden 
Tabellen bemerkt, daß die, das Prozentverhältnis zwischen Mittelfehler 
und Mittelzahl angebende Zahl unregelmäßiger als der Mittelfehler ist, 


Reymann, Methode zur Bestimmung der Keimzahl anaérober Kulturen usw. 451 


was daran liegt, daß das Prozent bei einer passenden Kolonienzahl 
am niedrigsten wird. Es gilt, bei dieser Methode sich um eine Kolonien- 
zahl von etwa 50 zu bewegen; wenn sie zu hoch wird, hat ein Ver- 
schmelzen und Unterdriicken von Kolonien stattgefunden und bei 
zu niedrigen Zahlen spielt das Nichtauskeimen einzelner Bakterien 
natürlich in prozentualer Beziehung eine größere Rolle. Eine Be- 
rücksichtigung dieser Punkte findet sich bei Reymann und Ny- 
mann (1911). 


c) Vergleich zwischen der anaéroben Plattenmethode 
und der hier beschriebenen. 


Ich untersuchte, ob die Methode im Verhältnis zu der gewöhnlichen 
Züchtung in Wasserstoffatmosphäre im Apparate von Mc Intosh und 
Fieldes auch einige Vorteile bietet, wenn auch nur in quantitativer 
Beziehung, denn für Reinzüchtungszwecke kann die Höhenschicht- 
methode natürlich in keiner Richtung mit der Plattenmethode kon- 
kurrieren. 


Diese Versuche wurden so ausgeführt, daß in jedem von einer 
alten Sporenaufschwemmung, wie oben, 20 Verdünnungsreihen her- 
gestellt wurden, und zwar teils in physiol. NaCl-Lésung, teils in 
NaSH-Lösung von passender Molarität. Von einer passenden Sporen- 
konzentration wurden aus jeder Reihe zugleich Platten gegossen, die in 
den nämlichen Apparat gestellt wurden. Die Zahlen in Tab. VII geben 
die Kolonienzahlen gleich starker Verdünnung an: 


Tabelle VII. 


Züchtung in Höhenschicht Züchtung in Plattenkulturen im 








Versuch Nr. | : 














Apparate von Mc I und F. 

| mit NaSH | mit NaCl mit NaSH | mit NaCl 
1 | 396 | 98 | 15,9 | 16,6 
FT 55,6 266 | 7,5 | 30,4 
3 33,3 | 21,1 38 | 22,0 
4 | 54,2 23,0 79 | 17,8 


Dieser Vergleich nach 3—4tägigem Wachstum bei 35° zeigt, 
daß die höchsten Kolonienzahlen bei der Verwendung von Reduktions- 
mitteln in der Höhenschicht erzielt worden sind. Weiter ist bemerkens- 
wert, daß, während bei Züchtung ohne Reduktionsmittel dieselben 
Werte in der Höhenschicht und anaéroben Plattenkulturen erzielt. 
werden, geben diese letzteren mit Zusatz von Reduktionsmitteln weit 
schlechteren Resultate als die entsprechenden Höhenschichtkulturen 
geben, wahrscheinlich weil durch die Konstellation anaérobe Platten- 
kulturen + Reduktionsmittel auch die letzten Spuren vom Reizsauerstoff 
entfernt werden. Ein entsprechender Versuch mit 18stünd. Kulturen 
gab für die NaSH-Methode im Vergleich mit dem erwähnten Apparate 
noch bessere Resultate. In dieser Verbindung sei erwähnt, daß das 
Anbringen der Agarröhrchen in dem Apparate selbst eine Kolonien- 
bildung bis auf die Oberfläche hinauf gibt, aber keinen Einfluß auf 
die Auskeimung in den unteren Schichten ausübt. 

29 * 


452 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


a) Das Feststellen der Mittelfehler wurde teils in jungen. 
wachsenden, teils in älteren Kulturen und schließlich in mehrere Monate 
alten, im Kühlraum aufgehobenen Sporenaufschwemmungen festgestellt. 
In den unten folgenden 3 Tabellen werden solche Versuche angeführt. 
und betreffs wachsender Kulturen kann weiter auf die obenstehende 
Zusammenstellung in Tab. V, Va und VI verwiesen werden. Aus 
jeder Probe wurden 20 gleichartige Verdünnungsreihen angefertigt und 
aus jeder Reihe ein Glas mit einer zählbaren Koloniedichte erwählt, 
was innerhalb der Verdünnungsreihen aus derselben Probe immer in 
demselben Verdünnungsgrad vorzufinden war. Beim Vergleichen der 
Zahlen aus den verschiedenen Verdünnungsreihen muß die obenstehende 
Bemerkung über den Einfluß der Kolonienzahl auf den prozentischen 
Mittelfehler in Betracht gezogen werden. 


Tabelle VIII. 


Prüfung einer Tetanuskultur auf Keimgehalt. Höhenschicht + NaSH (Molarität im 
Verdünnungswasser 0,01, im Agar 0,002) Agar: py 6,9—7,0. LE 












































ee reer | Prüfung nach 18 Std. nach 2 Tagen nach 3 Tagen 
Verdünnung 1—1000 | Verdünnung 1—1 500 000 | Verdünnung 1—1 500 000 
Kolonien- |Abweich.v.d.| Kolonien- |Abweich.v.d.| Kolonien- |Abweich.v.d. 
zahl Mittelzahl zahl Mittelzahl zahl Mittelzahl 
1 40 + 422 55 + 18,4 76 + 32.5 
2 58 + 24,2 76 + 2,6 61 + 175 
3 52 + 30,2 86 + 12,6 — A 
4 77 + 52 56 + 17,4 38 + 55 
5 79 + 32 83 + 9,6 45 + 15 
6 94 + 12,2 47 + 26,4 55 + 11,5 
7 97 + 15,8 83 + 9,6 33 + 10,5 
8 93 + 11,8 88 + 14,6 36 + 75 
9 72 + 10,2 88 + 14,6 38 + 55 
10 77 + 52 78 + 46 34 + 95 
11 62 + 202 75 + 16 41 + 25 
12 98 + 15,8 82 + 86 | 39 = 45 
13 103 + 208 79 + 5,6 55 + 11,5 
14 92 + 98 48 + 25,4 32 + 115 
15 67 + 15,2 62 + 11,4 « 25 + 185 
16 56 + 26,2 69 + 4,4 36 = 75 
17 120 + 37,8 | 111 + 37,6 36 + 75 
18 143 + 60,8 64 + 94 = 2 
19 139 + 568 67 + 64 63 + 19,5 
20 24 +582 | 70 3,4 40 + 35 
Mittelzahl 82,2 | 73,4 43,5 
Mittelfehler + 24,2 + 12,2 | + 105 
‘ der Mittelzahl 29,4 16,6 24,1 











Reymann, Methode zur Bestimmung der Keimzahl anaérober Kulturen usw. 453 


Tabelle IX. 


Prüfung einer Tetanuskultur auf Keimgehalt. Höhenschicht + NaSH. 35°. py 7,0. 
Die gezählten Gläser alle in Verdünnung 1—1 600 000. 
































| 7 alt 
R E | Katus 3 Tage alt 1 4 Tage altr ME 6 Tage se 
Nr. Kolonien- Abweich.v.d.. Kolonien- Abweich.v.d. Kolonien- |Abweich. v.d. 
zahl | Mittelzahl zahl Mittelzabl | zahl | Mittelzahl 
| | | 
1 28 = 22 || 52 130 | 50 + 22,1 
2 31 > 81 59 60 | 54 = 99 
3 54 + 14,9 61 4,0 54 + 211 
4 4 + 49 67 + 20 | 45 + 40,1 
5 3 : Ol 47 180 | 33 = 09 
6 42 + 29 59 | - 60 |. 46 + 14,9 
7 52 + 12,9 69 + 4,0 29 + 21,9 
8 39 + 0,1 60 + 5,0 42 + 10,9 
9 39 + O1 60 + 5,0 25 : 09 
10 41 + 1,9 68 + 3,0 41 + 89 
11 45 + 5,9 71 + 6,0 46 | + 26,9 
12 36 m9 | 81 + 16,0 34 | + 149 
13 35 + 4,1 73 + 8,0 37 t AO 
14 33 + 6l 66 + 10 21 > 89 
15 35 = 41 73 + 80 48 + 291 
16 32 = 7,1 76 + 11,0 47 + 14,1 
17 38 1,9 48 - 170 | i | ; 
18 40 + 0,9 71 + 6,0 
19 46 + 69 69 + 40 
20 | 32 7,1 | 69 + 40 
Mittelzahl | 391 | 65,0 | 408 | 
Mittelfehler As 5:2) + + 735 | 8,2 
°,, der Mittelzahl 13,3 +18 | 20,1 


Aus der Tabelle VIII geht hervor, daß der Mittelfehler mit dem 
Alter der Kultur abnimmt. was übrigens auch durchgängig aus Tab. V 
ersichtlich war, und zwar mehr als von den Zahlen angegeben, weil der 
Verdünnungsfehler in der nach 18 Std. entnommenen Probe kleiner 
als in den übrigen ist. 

Tabelle IX zeigt eine etwas ältere Kultur, 3—6 Tage alt; man 
sieht hier ebenfalls trotz der starken Verdünnung befriedigende Re- 
sultate. 


Tabelle X zeigt die Resultate der Untersuchung einer 2monatlichen 
Sporenaufschwemmung. Es geht daraus hervor, daß, wenn die Auf- 
schwemmung in Agar + physiologischem NaCl oder 0,003 molaren 
NaSH-Lösung verdünnt wird, das Resultat niedriger wird als in 0,01 
molaren NaSH, aber bei fast demselben Mittelfehler. 


1) Am 6. Tage wurde in kleinen 50 cm fassenden, völlig gefüllten Soyka- 
flaschen anstatt Agarröhrchen aber sonst unter denselben Bedingungen gezüchtet: 
einige Kontrollreihen mit Agarröhrchen gaben fast dieselbe Kolonienzahl (Mittel : 48,9). 


454 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


Tabelle X. 


Keimgehalt einer 2 Monate alten Sporenaufschwemmung (27. 11. Höhenschicht mit 
physiologischem NaCl als Verdünnungswasser, 28. 11. mit 0,003 mol. NaSH und 30. 11. 
und 2. 12. mit 0,01 mol. als Verdünnungswasser). 



































| 27. 11: 28. 11. | 30. 11. | 3.13: 
r ww | | 

Verdünnungs- | Kolo- Abweichung | Kolo- | Abweichung | Kolo- | Abweichung | Kolo- | Abweichung 
reihe Nr. nien-| von der nien-| von der |nien- von der | nien-' von der 

| zahl | Mittelzahl zahl | Mittelzahl | zahl Mittelzahl | zahl | Mittelzah! 

| | | 

1 19 + 79 19 + 85 31 + 11,6 Al; = 78 

2 21 + 59 27 + 05 40 | + 26 47” || os LS 

3 30 + 3, 27 = 05 64 + 21,4 59 + 102 

4 49 + 22,1 48 | + 20,5 31 - 11,6 58 + 92 

5 26 = 09 31 + 35 47 + 44 68 | + 192 

6 51 +241 | 36 + 85 4 | + 24 | — | =). 

7 29 + 21 34 + 65 47 + 44- 36 + 138 

8 16 | - 10,9 19 = 8:8 33 - 9,6 32 + 168 

9 32 + 51 23 + 45 49 + 66 34 | + 148 

10 25 + 19 49 | 4 21,5 42 + 0,6 31 | +178 

1] 29 + 2,1 26 = 05 57 | + 144 44 > 48 

12 25 = 19 53 + 25,5 51 + 84 4 + 48 

13 22 + 4,9 12 + 15,5 38 + 46 49 + 02 

14 17 9,9 27 = 05 55 + 13,6 58 + 108 

15 46 + 19,1 17 — 105 | 45 + 24 62 + 13,2 

16 22 49 25 + 15 27 > 15.6 54 + 52 

17 15 11,9 25 + 25 40 = 26 48 + 08 

18 13 + 13,9 9 + 185 41 + 1,6 53 + 42 

19 26 | 0,9 19 + 85 33 + 96 53 + 42 

20. 2 | + 19 23 1 + 45 35 - 76 | 58 ; + 108 
Mittelzahl 26.9 27,5 | 426 | 48,8 | à 
Mittelfehler Erle | + 855 | | 7,73 | 8,97 

‘ der Mittelzahl 28,9 | 31,1 | | 181 18,4 


Zum Vergleiche kann erwähnt werden, daß Walbum in seinen 
Untersuchungen über die Bakterien der Typhus-Coligruppe bei Ver- 
wendung verschiedener Tropfenzähler folgende Werte in Petrischalen 
fand: 

Mittelzahl: 43,5, Mittelfehler: + 6,7 Proz. des M. z.: 15,4, 
während er mit demselben Tropfenzähler 41,4 bzw. + 4,2 und 10,1 
fand. Diese Versuche wurden so ausgeführt, daß erst eine Ver- 
dünnung von 1:10000000 hergestellt und von dieser die Petri- 
schalen beschickt wurden, während ich immer mehrmals 1--10 verdünnt 
habe und jede Zahl somit aus 4—6 Normaltropfenzählerabmessungen 
hervorgegangen ist; der Verdünnungsfehler ist somit hier größer. 
(Mit einer Sporenaufschwemmung anderer Provenienz, wo nur auf 
1--500 verdünnt werden sollte, wurde, wie erwähnt, ein durch- 
schnittlicher Mittelfehler von 4,8 erhalten und das Proz. der Mittelzahl 
betrug 12,9.) 


Reymann, Methode zur Bestimmung der Keimzahl anaérober Kulturen usw. 455 


Der Umstand, daß der Mittelfehler unter guten Versuchsbedin- 
gungen bei anaéroben Kulturen nicht viel größer als bei aéroben ist, 
scheint anzudeuten, daß die oft erwähnte „launische“ Auskeimung der 
Anaéroben mehr in der mangelhaften Darstellung anaérober Bedingungen 
zu suchen ist. In dieser Beziehung scheint die fast verlassene NaSH- 
Methode beim Innehalten der erwähnten Versuchsbedingungen einige 
Vorteile zu bieten. ` 


Gegen die erwähnte Launenhaftigkeit sprechen auch die Zahlen 
vom 1. Stadium der wachsenden Kulturen im Vergleich mit den späteren 
Stadien (Tab. VIII) und für die Sporenaufschwemmungen die Zahlen 
der NaCl-Verdiinnungen contra NaSH-Verdünnungen (Tab. X). Die 
Regelmäßigkeit ist an und für sich gleich groß und nur die Zahl der 
Ausgekeimten verschieden. Man darf sich deshalb wohl am besten 
eine anaörobe Kultur als aus Individuen bestehend vorstellen, die einen 
verschiedenen Grad von Anaérobie erfordern und ungleiche Resistenz 
besitzen. In ganz jungen Kulturen stellt die Mehrzahl in dieser 
Beziehung große Ansprüche und wenige sind resistent, weshalb nur 
eine geringe Anzahl auskeimt, doch wird sie mit zunehmender Anaérobie 
eine größere. In Sporenaufschwemmungen sind die Anforderungen 
weniger streng, weshalb wir hier schon bei Verwendung von physiol. 
NaCl eine relativ große Auskeimung finden, aber doch sind auch 
hier durch Verwendung von NaSH die Grenzen weiter gerückt. 

Auf diesen verschiedenen Ansprüchen beruht vielleicht das An- 
gewöhnen von Anaéroben an aérobe Verhältnisse, das so oft mit gutem 
Erfolge verwendet worden ist. Ueberhaupt ist natürlich das Wort 
„launisch“ in Verbindung mit den Lebensfunktionen nur eine Ver- 
schleierung der Tatsache, daß wir die Beteiligung der Gesetze nicht 
kennen. 


Zusammenfassung. 


Durch quantitative Untersuchungen über Züchtung des Bacillus 
tetani wird in der Höhenschicht mit einem geeignten Reduktionsmittel 
(NaSH) in passender Molarität, nach Durchprobieren mehrerer solcher, 
gezeigt, daß die Methode fast eben so gleichmäßige Resultate wie die 
quantitative Aérobenziichtung gibt. Die Methode wird zur quanti- 
titativen Beleuchtung einiger alter und neuer Beobachtungen über 
anaérobes Wachstum verwendet. 


Literaturverzeichnis. 


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Moskau 1896; Centralbl. f. Bakt. Abt. II. Ref. Bd. 4. 1898. — Van Ermengem, 
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Orig. Bd. 35 u. 38. 1904. — Hesse, W. u. R., Dtsch. med. Wochenschr. 1885. 
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456 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7. 


Liborius, P., Zeitschr. f. Hyg. Bd. 1. 1886. S. 115. — Me Intosh u. Fildes, 
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Abt. I. Orig. Bd. 32. 1902. S. 831. — Reymann u. Nymann, Ibid. Bd. 58. 
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Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 23. 1898. S. 1038 u. 1087. — Tarozzi, 
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1907. S. 607. — Zeißler, J, Kraus u. Uhlenhuth, Handb. d. mikrobiol. 
Tech. Bd. 2. 1924. S. 979. -- Ørskov, J., Journ. of Bakt. Vol. 7. 1922. p. 537. 


Inhalt. 


Barg, G. S., Zum Parallelismus zwischen | nose auf Wut? Mit 1 Abbildung im 
den wachstumshemmenden und den im- | ext und 1 Tafel, S. 393. 
munisierenden Eigenschaften der Filtrate | — —, Zur Frage der Herpesätiologie. Mit 
nach Besredka. Vorläufige Mittei- 26 Abbildungen im Text und 1 Tafel, 
lung, S. 328. S. 396. 

Braun, H., u. Goldschmidt, R., Die Be- Messik, R. E., Ueber Thrombozytobarine 
deutung der Mineralien für den Stoff- gegen Amoeba endolimax und 
wechsel der Bakterien der Typhus-C oli- eishmania tropica, S. 413. 
Gruppe, S. 330. Murakami, Katsuro, Ueber Milch gerin- 


Breindl, V., u. Jirovec, O., Ueber einige nende. ert von Pseudodysenterie- 
‚8. 377. 


Abnormitäten bei Trypanosoma Le- WE 
wisi. Mit 2 Abbildungen im Text, Reymann, @. C., Versuche mit einer Me- 


S. 417. thode zur Bestimmung der Keimzahl 


anaérober Kulturen unter Verwendun 
Elbert, B., Feldmann, B., u. Gerkes, W., von Höhenschicht und Reduktionsmittel 


Die epidemiologische und klinische Be- S. 438. 

deutung der Komplementbindungsreak- | Robitschek, Walter, Invasion von 
tion bei Rhinosklerom. II. Mitteilung, Strongyloides intestinais in den Uro- 
S. 384. Genitelkcakt, S. 419. 

Gerbasi, Michele, Bakteriologische Un- | Sanfelice, Francesco, Paratuberkulose- 
tersuchung über einige Stämme der Schutzimpfung und Heilung, S. 358. 
Streptothrix meningea, S. 369. Schmidt, Pr., Tierversuch und Kultur- 

Gundel, M., Diphtherieprobleme. I. Mit- verfahren zum Nachweis von Tuberkel- 
teilung. Mit 6 Abbildungen im Text, bazillen im Sputum, 8. 364. 

S. 337. : Sdrodowski, P., u. Chalapina, K., Ueber 

Ischimoto, Y., Mit welchem Bestandteile die aktive Immunisierung gegen Di- 
des Antigens ist die Impedinwirkung htherie mittels Anatoxin. fr Mittei- 
verbunden ? S. 420. ung, S. 350. 

— —, Ueber die Rolle der Lipoide der | Schüffner, W., u. Achmad Mochtar, Ver- 
Mikroben bei ihrer Phagozytose im Blut- suche zur Aufteilung von Leptospiren- 
kreislaufe der Versuchstiere. Mit 5 Ab- stämmen, mit einleitenden Bemerkungen 
bildungen im Text, S. 425. über den Verlauf von Agglutination und 

Klieneberger, Emmy, Ist der gaslose Para- Lysis, S. 405. 
typhus B-Bazillus eine besondere Art? | Wohlfeil, T., Zur Methodik des Typhus- 
S. 305. bazillennachweises in der Milch. Mit 

Loewenthal, Waldemar, Eine Fehldia- | 9 Kurven im Text, 8. 311. 








Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena — 5550 





Contralbl. f. Bakt ete. I. Abt Originale. Bd. 101. Heft 8. 


Ausgegeben am 12. Februar 1927. 


Nachdruck verboten. 


Ludwig Heim 
zum 70. Geburtstage. 


Ludwig Heim feiert am 13. Februar seinen 70. Geburtstag. 
In Eichstätt in Mittelfranken als Sohn eines praktischen Arztes 
geboren, hat er fast sein ganzes Leben in Franken verbracht. Wir 
sehen ihn in Nürnberg als Abiturienten des Melanchthon-Gymnasiums, 
als frohen Corpsstudenten vom ersten bis zum letzten Semester in 
Erlangen, als Militärarzt in Bamberg, Amberg und Würzburg und 
schließlich wieder als Ordinarius für Hygiene und Bakteriologie in 
Erlangen. 

Sein ganzes n l den Methoden und 
Leben war seinem M der Lehre Pet- 
Fache gewidmet. tenkofers ver- 
Kaum waren die traut, versäumte 
ersten Entdeckun- kaum eine Vor- 
gen Kochs be- lesung. Das erste 
kannt, schon hatte wissenschaftliche 
sich der Assistenz- Kommando (1887) 
arzt 2. Klasse mit eines bayr. Sani- 
eigenen Mitteln tätsoffiziers zum 
ein kleines Labo- Kaiserlichen Ge- 
ratorium einge- sundheitsamt 
richtet und das mußteso aufHeim 
nötige Schrifttum fallen. Mit der- 
verschafft. Rasch selben Gründlich- 
hatte er sich in keit und Kritik, 
die Anfänge der mit dr Heim 
Bakteriologie ein- bisher das Auf- 
gearbeitet und mit blühen der Bak- 
Eifer wurde jeder teriologie verfolgt 
Fortschritt erar- hatte, wurde nun 
beitet und geprüft. | unter Renk in 
1884 im Sommer- pu J SH. reiner Hygiene 
semester machte 7 gearbeitet. Dann 
sich Heim mit zog es Heim aber 
wieder zur Bakteriologie und er arbeitete unter Gaffky. Gleichzeitig 
hatte er keine Gelegenheit versäumt, Robert Kochs Vorlesungen und 
Vorträge zu hören. 

Mit Freuden erfuhr dann Heim von seiner Versetzung nach 
Würzburg. Erhielt er doch dort Gelegenheit zur Habilitation (Jan. 
1890) und ein eigenes, wenn auch kleines Laboratorium (Unter- 
suchungsstation des 2. bayr. A.K.). 7 Jahre verbrachte er in der 
sonnigen und frohen Frankenstadt. Es kam dann die Berufung nach 
Erlangen, zuerst als a. o. Professor der Bakteriologie, dann, nachdem 

Erste Abt. Orig. Bd. 101. Heft 8. 30 





458 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 8. 


der Physiologe Rosenthal seine nebenamtliche Tätigkeit in der 
Hygiene aufgegeben hatte, die Ernennung zum Direktor des Hyg. 
Institutes (1898) und zum Ordinarius (1902). Mit den bescheidensten 
Mitteln hat hier Heim ein kleines, aber vollkommenes Institut ge- 
schaffen und trotz der Schwere der Zeit mit einem Haushalt von 
etwas über 2000 M. erhalten. Als Generalarzt und Obergeneralarzt 
war Heim vom Kriegsbeginn bis zum Zusammenbruch Hygieniker 
der 6. Armee. 

Heim übersieht so die Bakteriologie von ihren Anfängen an, 
man kann sagen, daß er jeden Fortschritt sorgfältig und nicht vor- 
eingenommen prüfte. Das Ergebnis dieser Lebensarbeit ist in seinem nun 
schon in 7 Auflagen erschienenen Lehrbuch niedergelegt. Wir finden 
dort auch eine genau durchgearbeitete Literatur. „Für die so oft in 
mühsamer Laboratoriumstätigkeit verfolgten Ideen findet der Urheber 
außer in der inneren Befriedigung über das Gelingen einer Sache einen 
Lohn zumeist nur noch darin, daß er von anderen darauf weiter 
bauenden Untersuchern nicht mit Stillschweigen übergangen wird.‘ 
Wie gründlich Heim sich diesen Satz beim Aufbau seines Buches 
zu eigen machte, geht ohne weiteres daraus hervor, daß die Autoren 
sich immer mehr darauf beschränken, in ihren Literaturzitaten auf 
das Heimsche Lehrbuch hinzuweisen. Heim kennt das Schrifttum 
nicht nur dem Namen, sondern auch dem Inhalt nach; es erscheint 
auch heute kaum eine Arbeit, die sich Heim nicht „zu Faden schlagen 
würde“. Mit seltener Kritik wird dann gesichtet und der Auszug 
peinlich genau geordnet. In dem völligen Vertrautsein mit dem Schrift- 
tum sieht Heim eine der Grundlagen wissenschaftlicher Tätigkeit 
gegenüber dem modernen Zug mancher Autoren, nur mehr auf der 
Literatur ihres Instituts aufzubauen. 


Ebenso wie Heims Lehrbuch ein Buch der Gründlichkeit und des 
exakten Wissens ist, sind auch seine wissenschaftlichen Arbeiten da- 
durch ausgezeichnet. Heim wollte stets eine den Bedürfnissen der 
Medizin entsprechende Bakteriologie treiben. 

Wenn wir Heims bakteriologische Arbeiten überblicken, so lassen 
sich klar die Probleme erkennen, die ihn beschäftigten. 

Zunächst war es, entsprechend der Entwicklung der Bakterio- 
logie, die Möglichkeit und die Art des Nachweises krank- 
heitserregender Keime. Schon am 19. August 1892 (also 3 Tage 
nach dem Ausbruch der großen Hamburger Epidemie) erschien die 
grundlegende Arbeit über die Möglichkeit der Anreicherung der Vi- 
brionen in größeren Mengen Wassers durch Zusatz von Pepton und 
Kochsalz. Erst dadurch konnte in genügendem Umfang der Nachweis 
des Choleraerregers im Wasser erbracht, der Stein des Anstoßes gegen 
die Kochsche Lehre entfernt und die Beweiskette für die ursächliche 
Bedeutung des Vibrios geschlossen werden. 

Dann konnte Heim den weiteren Nachweis erbringen, daß die 
Choleraerreger und Vibrionen überhaupt durch Blutbestandteile, be- 
sonders die des Rinderbluts, gefördert werden. Als der wirksame Stoff 
wurde das Hämoglobin angesprochen. Dieses Verfahren ist dann von 
Dieudonné durch Erhöhung der Alkalizugabe so verbessert worden, 
daß es auch heute noch als eine der besten Anreicherungs- und 
Elcktivmethoden gilt. Schon vorher hatte Heim wesentliche Unter- 
lagen über das Verhalten der Erreger von Cholera, Typhus und Tuber- 


Ludwig Heim zum 70. Geburtstage. 459 


kulose in Milch, Butter, Molken und Käse beigebracht. Diesen Ver- 
suchen schlossen sich Untersuchungen über Milchfehler an. 

In Mittelfranken mit seiner Borsten und Haare verarbeitenden 
Industrie sah sich Heim bald wieder veranlaßt, die Milzbrand- 
studien aufzunehmen. Es gelang ihm als erstem der Nachweis der 
Keime am Rohmaterial der Fabriken. Durch Waschen, Erhitzen und 
Sedimentieren wurde auch hier eine Anreicherung zuwege gebracht, 
über deren Vortrefflichkeit sich jeder klar wird, der derartige Unter- 
suchungen vornehmen muß. Da auch der Nachweis der Keime an 
Ziegenhaaren erbracht wurde, mußten die geltenden reichsgesetzlichen 
Bestimmungen entsprechend ergänzt werden. Bei der Seltenheit der 
Milzbranderkrankung bei Ziegen hatte man nicht daran gedacht, daß 
an den Haaren dieser Tiere der Keim haften könne. Anschließend 
finden wir weitere Arbeiten über Pathogenese, Färbbarkeit und Halt- 
barkeit dieses Erregers. 

Von jeher hat dann Heim die Streptokokkenfrage be- 
schäftigt. Es war für den geradezu künstlerisch begabten Diagnostiker 
immer unbehaglich, daß hier so häufig unser Können versagt. Wir 
finden so Abhandlungen über Virulenz, Färbung, Züchtung und Auf- 
bewahrung (,Seidenfadenmethode‘) des Strept. pneumoniae, mu- 
cosus und pyogenes. Später wurden dann die Streptokokken als 
Erreger der Pulpitis nachgewiesen (O. Sieberth). In neuerer Zeit ge- 
lang es, wenigstens einen apathogenen Keim, den Str. lactis durch 
seine eigenartigen Veränderungen in der Lackmusmilch zu kennzeichnen 
und die Streptokokkenmorphologie soweit auszubauen, daß wir auf 
einigermaßen sicherem Boden stehen. Die Lackmusmilch hat sich schnell 
nicht nur in medizinischen, sondern auch in tierärztlichen Laboratorien 
eingebürgert. Heims langjährige Erfahrungen veranlaßten ihn auch, 
der neuaufgetauchten Lehre von der Einheit der Streptokokken nachzu- 
gehen. Daß es damit „Nichts“ ist, wird bei seinem vorsichtigen Urteil 
für den derzeitigen Stand der Lehre sicher Geltung haben. 

Das Streptokokkenproblem führte naturgemäß zur Bearbeitung der 
Mundbakteriologie. Lag doch hier ein Feld vor, dem ieider von 
Fachleuten zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Bald erkannte 
Heim die Bedeutung der Azidobakterien für das Zustandekommen 
der Karies, die schon von der Bearbeitung der Scheidenflora 
(W. Rother) gut bekannt waren. Er prüfte dann mit K. Schlirf 
grundlegend diese Bakteriengruppe, die, abgesehen von der Karies, auch 
für andere Vorgänge in und außer dem Körper von großer Bedeutung 
ist. Besonders auf diesem vielbeackerten Gebiet ist aus den Arbeiten 
das gründliche Studium des Schrifttums ersichtlich. Mit seiner Sichtung 
beschäftigt sich eine eigene Arbeit. 

Nicht unerwähnt darf bleiben, daß H. von jeher, auch als es noch 
nicht „modern“ war, stets neben aéroben auch anaërobe Zuchten bei 
Aussaat mit unbekannter Keimart anlegte. Es entstand so eine sorg- 
fältige Pflege der Technik zur Anaérobienzucht, wie aus ver- 
schiedenen Arbeiten hervorgeht. Schon 1909 hat H. auf die Ver- 
wechslungen oder Verunreinigungen der Botulinus- mit Putrificus- 
Kulturen hingewiesen. Heute wird dies im großen Umfang besonders in 
der amerikanischen Literatur hervorgehoben. Ueberhaupt war es die 
sichere Reinkultur, die auch Heim hier verlangte und die nur durch 
die Plattenkultur erreichbar schien. Dabei war es von jeher eine 
Selbstverständlichkeit, daß nur nach oder unter mikroskopischer Kon- 

30* 


460 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 8. 


trolle abgeimpft werden durfte. Zur Züchtung der Anaérobier wurde 
die Leber-Leberbrühe (K. Würcker) empfohlen, die sich dann später 
in Untersuchungen mit M. Knorr unter Einhaltung besonderer Be- 
dingungen auch für die Anreicherung der Gasbrandbazillen sehr gut 
bewährte. 

Ein Meister sorgfältiger bakteriologischer Technik, war H. stets be- 
strebt, sie zu vervollkommnen [Geißelfärbung (A. Peppler), keimfreie 
Filtration u. a.]. Auch hierin ist sein Lehrbuch eine Fundgrube. Ferner 
hat er vor allem der Mikrophotographie neben dem Altmeister 
Zettnow zu ihrem Recht verholfen. Zahlreiche Apparate für das 
Laboratorium sind nach seinen Angaben gefertigt (Faust-Heim- 
Trockenapparat, Zählokular, Abfüllbürette u. a.). Besondere Aufmerk- 
samkeit hat er von jeher der Herstellung der Nährmittel zu- 
gewendet. 

Infolge seiner sorgfältigen und gründlichen Bearbeitung der medi- 
zinischen Bakteriologie wurde Heim als ihr „Gutes Gewissen‘ be- 
zeichnet. Aber auch auf dem Gebiet der öffentlichen Hygiene — der 
Gesundheitswirtschaftslehre — wie Heim bei dem Altmeister Petten- 
-kofer gelernt hatte, Hygiene aufzufassen, muß die weitblickende klare 
Beurteilung hervorgehoben werden. 

Auf den Versammlungen des Deutsch. Ver. f. öffentl. Gesundheits- 
pflege 1899 und 1914 erstattete H. Referate über „Das Bedürfnis 
größerer Sauberkeit im Kleinvertrieb von Nahrungsmitteln“ und „Der 
Wert der jetzigen Desinfektionsmaßnahmen im Lichte neuerer Forsch- 
ung“. H. ist mit seinen Vorschlägen weit den damals gültigen An- 
sichten vorausgeeilt und kann heute mit Befriedigung feststellen, daß 
es mit fast allem allmählich so geworden ist, wie er es damals vor- 
schlug — selbst mit der Formaldehydzimmerdesinfektion. Den ausge- 
prägten Sinn für praktisch-hygienische Dinge und die klaren, lang über- 
legten und so stets treffenden Urteile, die Einwände stets einschlossen, 
sind auch bezeichnend für Heims Vorträge und die stets eingehend 
vorbereitete Vorlesung. 


Das gleiche geschlossene Bild wie in der Arbeit sehen wir im all- 
täglichen Leben. Wir verehren in Heim den peinlich gewissenhaften 
und gerechten Vorgesetzten und Lehrer, den uneigennützigen Forscher 
und Gelehrten, der trotz seiner eigenartigen Größe stets außen und 
innen ein einfacher Mensch bleibt und so auch nie den gütigen Sinn für 
die kleinen und großen Nöte anderer Menschen verliert. 


Klieneberger, Künstliche Gewinn- und Verluständerungen usw. 461 


Nachdruck verboten. 


Künstliche Gewinn- und Verluständerun en im Salizin- 
(bzw. Arbutin-) Vergärungsvermögen eines Coli-Bakteriums 
in besonders ausgedehnten Versuchsreihen. 


[Aus dem Städt. Hygienischen Universitäts-Institut Frankfurt a./M. 
(Dir.: Geh. Med. Rat Prof. Dr. M. Neisser).] 


Von Dr. Emmy Klieneberger. 


Mit 2 Abbildungen im Text und 2 Text-Tafeln. 


Die vorliegende Studie beschäftigt sich mit einer künstlich. 
modifizierbaren Eigenschaft eines Colistammes und ver- 
sucht die Gesetzmäßigkeiten dieser Veränderungen des Stammes, das 
Entstehen der Veränderungen, ihre Konstanz und ihr Ver- 
schwinden unter wechselnden Ernährungs- und Wachstumsbedin- 
gungen eingehend, in Hunderten aufeinander folgenden Passagen, zu 
erforschen. 


Auf die umfangreiche Literatur des in Betracht kommenden Ge- 
bietes soll nicht eingegangen werden, da jede mögliche Beschränkung 
des Umfanges der Ausführungen erwünscht scheint, und da die haupt- 
sächliche Literatur ja auch in Form verschiedener zusammenfassender 
Darstellungen, zum Teil aus der letzten Zeit (Ph.Eisenberg, E.Got- 
schlich, V. Jollos u. a.) zugänglich gemacht worden ist. 


Die Untersuchungen wurden ausgeführt mit einem typischen Bact. 
coli, das sich in der Indolbildung, der Vergasung von Trauben- 
und Milchzucker, Nichtverflüssigung von Gelatine und anderem als 
typisch erwies. Der betreffende Stamm wurde 1919 aus einer von 
Prof. Nissle übersandten ,,Mutaflorkapsel‘‘ gezüchtet und seitdem unter 
der Bezeichnung NO 13 in der Institutssammlung weiter geführt 
Er fiel im Sommer 1925 bei Vergärungsversuchen mit einer größeren 
Reihe verschiedener Stämme der Typhus-Coli-Gruppe auf durch 
sein eigenartiges Verhalten gegenüber den beiden Glukosiden Sali- 
zin und Arbutin. Diese Substanzen waren entzuckertem Nähr- 
agar zugesetzt worden, der in hoher Schicht als Schüttelkultur mit 
den zu prüfenden Stämmen nach der von E. Klieneberger (1925) 
angegebenen Methode beimpft worden war. Sowohl Salizin wie ‚auch 
Arbutin wurden nicht vergast, aber nach 5tägiger Bebrütung (37° C) 
waren in beiden hohen Schichten eine Anzahl dicker, fast steck- 
nadelkopfgroßer Kolonien in dem vorher durch Wachstum 
der Bakterien gleichmäßig diffus getrübten Medium entstanden. In 
dem einen der Röhrchen zeigte sich nach 6 Tagen eine Gasblase. 
Durch Abstechen solcher dicken Kolonien aus dem Arbutin- oder 
Salizinröhrchen wurden Stämme erhalten, die sowohl Salizin wie auch 
Arbutin (unabhängig davon, ob sie von einer dicken Kolonie aus 


462 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 8. 


Arbutin- oder Salizinagar stammten), unter reichlicher Gasbil- 
dung nach 24 Std. zu spalten vermochten!). 

Es sei hier schon bemerkt, daß nicht nur alle untersuchten Coli- 
stämme, sondern auch alle im Laufe der vorliegenden Versuche ge- 
wonnenen Varianten des Stammes NO 13 sich gegen die beiden chemisch 
sich so nahe stehenden Glukoside Arbutin und Salizin völlig gleich- 
mäßig verhielten, so daß schließlich nur noch mit einem der beiden 
Stoffe, nämlich Salizin, die Versuche fortgesetzt wurden. 

Ein dem Stamm NO 13 entsprechendes Verhalten zeigten von 
R. Burri (1910) beschriebene Bakterien der Coli-Gruppe gegenüber 
Saccharose. Von den dicken Kolonien aus Saccharosenähragar (in 
hoher Schicht beimpft), gewann Burri Stämme, die Saccharose unter 
Gasbildung zerlegten, während Subkulturen, die von anderen mit sehr 
kleinen Kolonien durchsetzten Stellen der hohen Schichten herstammten, 
sich gegen Saccharose so verhielten wie der Ausgangsstamm, diesen 
Zucker also zunächst nicht anzugreifen vermochten. Burri zeigte an 
seinen Stämmen, daß alle Keime zur Bildung der dicken Kolonien 
befähigt waren, da stets eine gewisse Anzahl solcher Kolonien ent- 
standen, unabhängig davon, ob er die Schichten mit wenigen oder vielen 
Keimen beimpfte. Unser Stamm NO 13 verhielt sich in den mit Salizin 
und Arbutin versetzten hohen Schichten ebenso wie die Burrischen 
Stämme in Saccharoseagar: Nach 5 bis 7 Tagen waren stets 
einige dicke Kolonien ausgebildet. 

Die Veränderung, die mit den zu dicken Kolonien ausgewachsenen 
Bakterien vor sich gegangen war, ließ sich auch auf der Salizin- 
bzw. Arbutin-Endoplatte leicht studieren. Während der Aus- 
gangsstamm auf solchen Endo-Platten völlig hell wächst, färbte der 
abgeänderte Stamm diesen Nährboden rot und es trat ein charak- 
teristischer metallischer Fuchsinglanz auf dem Bakterienrasen 
und den isolierten Kolonien auf. Wie stark der Unterschied zwischen 
den roten Kolonien des abgeänderten Stammes und den hellen des Aus- 
gangsstammes auf der Salizin-Endoplatte sich ausprägt, zeigt Fig. 1. 
Es sind dort Sektoren von 2 Platten abgebildet, von denen die erste 
mit unserem Ausgangsstamm NO 13, die zweite mit einem Gemisch 
„roter“ und „heller“ Abkömmlinge beimpft worden war, wie man es 
durch Abstechen einer dicken Kolonie aus der Schüttelkultur erhält. 
Es gelingt nämlich nicht direkt von den dicken Kolonien durch ein- 
maliges Abstechen einen völlig rein „roten“ Stamm zu gewinnen, da 
natürlich auch eine Anzahl ‚„heller‘‘ Keime, welche die ganze Kultur 
je nach Beimpfung mehr oder weniger dicht durchsetzen, beim Hinein- 
stechen mit auf die Nadel geraten. Aber durch Abimpfung einer roten, 
fuchsinglänzenden Kolonie von einer weiß-roten Endoplatte, wie sie 
die Abbildung zeigt, läßt sich natürlich ohne weiteres ein rein „roter“ 
Stamm gewinnen. Rein „rote“, ursprünglich von dicken Kolonien 
herstammende Kulturen erwiesen sich nach mehreren Nähragarpassagen 
(5 bis 10), sowie nach mehrwöchigem Stehen noch immer als rein 
„rot“ (Salizin-Endoplatte!). Da nach diesen Vorversuchen vermutet 


die von den veränderten dieken Kolonien ausgingen. 


Klieneberger, Künstliche Gewinn- und Verluständerungen usw. 463 


änderung handele, wurden mit dem Stamm NO 13 in ausgedehnten 
Versuchen, die sich bereits über ein Jahr hinziehen, ohne indessen bis 
jetzt völlig abgeschlossen zu sein, fortlaufend Passagen unter wechselnden 
Kulturbedingungen ausgeführt, um so die Gesetzmäßigkeiten 
im Auftreten und eventuellen Verschwinden der neu er- 
worbenen Eigenschaft zu erkennen. 

Ehe auf die einzelnen Fragen, die an Hand verschiedener Versuchs- 
gruppen beantwortet werden sollten, eingegangen werden kann, muß 
zuvor kurz die Methodik, 
die in allen Versuchen gleich- 
mäßig und streng beachtet 
wurde, dargelegt werden. 


Methodik der Versuche. 


Für die im Laufe der 
Untersuchungen ausgeführten 
Passagen!) wurden in der 
Hauptsache feste Nährböden 
verwendet. Der Nähragar 
wurde aus Fleischwasser mit 
einem Zusatz von 1 Proz. 
Pepton (Witte) hergestellt 
und besaß eine Alkalität von 
pH = 72 bis 7,4. Zur Her- 
stellung von Nähragar mit 
Kohlehydratzusätzen 
wurde eine entzuckerte Fleisch- 
wasserbouillon verwendet, die 
durch Beimpfung mit Bact. 
coli gewonnen wurde. Die 
als Zusätze benutzten Zucker- 
arten wurden vorsichtig ste- 
rilisiert (an 3 Tagen hinter- 
einander 5—10 Min. im Dampf- 
topf), die Glukoside Salizin 
und Arbutin wurden nach 
Lösung in destilliertem Was- 
ser durch Filtration 
mittels Chamberland- 
kerzen sterilisiert und dem 
flüssigen Agar bei etwa 
50° C zugesetzt. Der abgefüllte Agar wurde 1 bis 2 Tage bei 370 C 
gehalten zur Prüfung auf Sterilität. Es sei hier bemerkt, daß Arbutin- 
agar, auch Arbutin-Endo-Agar 2 bis 3 Tage nach. der Beimpfung 
eine bräunliche Verfärbung zeigt, während beimpfter Salizinagar sich 

ganz leicht gelb-grünlich irisierend verfärbt. 
Zur Untersuchung der Stämme auf Platten wurde ein Agar 
nach der Endoschen Vorschrift, aber ohne Zuckerzusatz bereitet. 





1) Die Passagen wurden täglich, mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage, 
ausgeführt. 


464 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. IR Heft 8. 


Zum Gebrauch wurde dieser Agar verflüssigt und mit abgemessenen 
Mengen steriler, filtrierter Salizin- oder Arbutinlösung vermischt. Ein 
Zusatz von 1 bis 1!/ Proz. Salizin oder Arbutin zum Endoschen 
Nähragar hatte sich zur Differenzierung der Vergärer von den Nicht- 
vergärern als besonders günstig erwiesen. Es wurde stets ein 1proz. 
Salizin- oder Arbutin-Endo-Agar verwendet. 


Die Endo-Platten wurden, ausgehend von einer kleinen Oese des 
Kulturrasens (oder einer kleinen Oese Schrägagaraufschwemmung) nach 
dem Prinzip der „dreigeteilten Platte‘ mit der feinen Oese be- 
impft, so daß im 1. Feld der Platte ein dichter Bakterienrasen, im 
2. Feld ein weniger dichter Rasen, oft auch schon isolierte Kolonien, 
im 3. Feld stets nur Einzelkolonien wuchsen. Es ließ sich leicht durch 
Abzählen der isolierten roten und hellen Kolonien feststellen, in 
welchem Zahlenverhältnis ‚rote‘ und ,,helle“ Keime in der Mischkultur 
vorhanden waren. 


Um von vornherein den Einwand auszuschließen, daß in die Ver- 
suche bzw. die Prüfungsergebnisse Unregelmäßigkeiten kommen könnten, 
durch Abnehmen von Impfmaterial von verschiedenen 
Stellen des Schrägagarröhrchens, wurden die folgenden methodisch 
wichtigen Versuche gemacht. Von einer Mischkultur (aus Salizin- 
vergärern und Nichtvergärern bestehend), wie man sie direkt durch 
Abstechen einer dicken Kolonie gewinnen kann, wurden zunächst vom 
Agarröhrchen selbst, dann von einer Aufschwemmung des Kulturrasens 
Plattensätze auf Salizin-Endo-Agar angelegt. Alle zeigten dasselbe 
Bild. Ferner wurden mehrere Agarröhrchen von dieser Kultur aus 
beimpft und von jeder dieser Subkulturen eine Endo-Platte angelegt. 
In einem weiteren Versuch wurden von solchen Subkulturen nach ver- 
schiedenen Zeiten, nämlich 6, 12 und 24 Std. (um auch den eventuellen 
Einfluß einer Altersverschiedenheit der Kulturen auf die 
Prüfungsergebnisse auszuschließen) Endo-Platten beimpft. Alle diese 
Platten zeigten ein gut übereinstimmendes Zahlenverhältnis der roten 
und hellen Kolonien. 


Zur Feststellung, ob vergärende Keime in einer Kultur vorhanden 
seien, wurden in der Regel auch Agarschüttelkulturen mit 
Salizin- oder Arbutinzusatz angelegt. Geringe Gasbildung, 
zum Zeichen, daß vereinzelte vergärende Keime in der Ausgangskultur 
vorhanden waren, trat hier häufig schon auf, wenn die En do - Platten- 
aussaat rote, d. h. vergärende Kolonien noch nicht aufwies, ein Zeichen 
dafür, daß die Agarschüttelkultur, wenn es sich um wenige vergasende 
Bakterien in einer Population handelt, ein besonders feiner Indikator 
der Vergärung ist. Für solche Agarschüttelkulturen wurde ausschließ- 
lich entzuckerter, auf Zuckerfreiheit in Kontrollröhrchen geprüfter Agar 
mit Zusatz von 1/, bis 1 Proz. Glukosid (Salizin oder Arbutin) und 
einer Alkalität von pu = 7,4 verwendet. Die hohe Schicht wurde mit 
einer kleinen Oese einer Aufschwemmung der Schrägagarkultur (1 ccm 
sterile physiol. Kochsalzlösung auf ein Schrägagarröhrchen), also stets 
mit etwa derselben Bakterienmenge unter 2maligem kräftigen Schütteln 
beimpft. 

Von größter Wichtigkeit, ja geradezu die Basis der ganzen Unter- 
suchungen, war es, die Möglichkeit der Verwechslungen bei 
den serienweise lange Zeit hindurch ausgeführten Passagen auf ver- 


Klieneberger, Künstliche Gewinn- und Verluständerungen usw. 465 


schiedenen Nährböden auszuschließen, um wirklich gesicherte Ergebnisse 
zu erhalten. Es wurde deshalb mit ganz besonderen Vorsichtsmaßregeln 
gearbeitet. Die Röhrchen, welche die verschiedenen Nährböden ent- 
hielten, wurden sofort nach Bereitung und Abfüllung der Medien in 
bestimmter stets gleichbleibender Farbe gezeichnet. Außerdem mußte 
vor der Beimpfung nochmals die Art des Nährbodens in Abkürzungen 
auf dem betreffenden Röhrchen vermerkt werden. 


Die einzelnen Stämme wurden unter bestimmten Bezeichnungen, 
die stets auf die Kulturröhrchen geschrieben wurden, geführt und 
wurden einzeln (bzw. bei Parallelpassagen mehrere gleichartige zu- 
sammen) in besonderen Kulturkästchen gehalten, die eine Aufschrift, 
den Inhalt betreffend, trugen. Außerdem befand sich in jedem Käst- 
chen ein Protokoll über die mit den betreffenden Stämmen ausgeführten 
Passagen, in das jede neue Ueberimpfung eingetragen werden mußte 
(selbstverständlich wurden noch außerdem alle Untersuchungen und 
Prüfungen aufs genaueste im Zusammenhang protokolliert). Bei den 
Ueberimpfungen wurde ein Kästchen nach dem andern gesondert 
vorgenommen. 

Eine sichere Gewähr aber dafür, daß Verwechslungen nicht vor- 
gekommen sind, bieten vor allem die öfteren Wiederholungen sämt- 
licher Versuche, die stets gleichsinnige Ergebnisse zeitigten. 

Wir gehen nun zur Besprechung der mit dem Stamm NO 13 aus- 
geführten Versuche über. 


I. Primäre Angewöhnung. 


A. Spezifische Reizwirkung. 


Unsere erste Frage war, ob die Neuerwerbung der Salizin- 
und Arbutinvergärung bei unserem Stamm die Antwort 
auf einen spezifischen Reiz sei, d. h. ob ausschließlich auf Nähr- 
böden mit diesen Zusätzen die neue Eigenschaft auftritt. 


Vorversuche. 


Es wurden mehrfache Reihen täglicher Passagen auf 0,5 bis 
lproz. Salizin- und Arbutinschrägagar, sowie auf Glyzerin-Trauben- 
zucker- und gewöhnlichem Schrägagar ausgeführt. Die Neuerwerbung 
der Salizin- und Arbutinvergärungsfähigkeit trat nur bei den auf 
Salizin- und Arbutinagar passierten Stämmen ein, und zwar vermochte 
der ,,Salizinstamm‘ auch Arbutin, der „Arbutinstamm“ auch Salizin 
anzugreifen. Offenbar werden diese Zersetzungen, wie schon früher 
bemerkt, durch dasselbe Ferment bewirkt. Nach 7—10 Passagen war 
in diesen ersten Versuchen der Stamm verändert. Brachte man ihn 
dann in Salizin- oder Arbutinagar in hoher Schicht, so trat Gasbildung 
(Zerreißung der Schicht) auf. Verimpfte man den Stamm auf Salizin- 
Endo-Platten, so zeigten sich neben vielen hellen Kolonien eine An- 
zahl völlig roter, fuchsinglänzender Kolonien. Die auf Schrägagar, 
Zucker- und Glyzerinagar passierten Stämme hatten sich nicht ver- 
ändert. 


466 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 8. 


Hauptversuch. 


Im Hauptversuch wurde die Ausgangskultur nach erneuter Rein- 

züchtung in parallelen täglichen Passagen (Versuchsreihe 1) über 
1) 1/,proz. Arbutin- 

3) 1/,proz. Salizin- 

3) 1/4proz. Traubenzucker- 
4) !/yproz. Milchzuckernähragar 

geschickt. Außerdem wurde noch 

5) eine Passagenreihe mit Nähragar, dem ein Gemisch von !/, Proz. 
Arbutin, 1/, Proz. Salizin, 1/, Proz. Traubenzucker, 1/, Proz. Milch- 
zucker (1 Proz. Zusatz im ganzen) zugesetzt war, ,,Gemischagar™ ge- 
nannt, ausgeführt. Um die Veränderungen der Passagenstämme fest- 
zustellen, wurden sie zunächst täglich, später 1mal wöchentlich, auf 
Salizin- und Arbutin-Endo-.Agar, sowie in hohen Agarschichten mit 
denselben Zusätzen geprüft. 

Erst nach der 17. Passage zeigten sich Veränderungen, und zwar 
waren sic wieder ausschließlich bei den Salizin- und Arbutin- 
passagestämmen aufgetreten. Diese wiesen nach der 17. Passage, auf 
Endo-Platten überimpft, eine große Anzahl fuchsinglänzender, roter 
Kolonien auf neben etwa derselben Zahl heller Kolonien. Die zur 
Prüfung angelegten hohen Salizinagarschichten waren nach ltägiger 
Bebrütung durch Gasbildung zerrissen. Bei den Vorversuchen war das 
Erscheinen roter Kolonien früher wie im Hauptversuch, nämlich schon 
nach 7—10 Passagen beobachtet worden, was vermutlich damit zu- 
sammenhängt, daß in diesen ersten Versuchen 0,5 bis 1proz. Salizin- 
und Arbutinagar verwendet wurde, während jetzt nur mit 0,25proz. 
Glukosidagar gearbeitet wurde. Die Ueberimpfungen der Versuchsserie 1 
(Tafel 1) wurden in gleicher Weise bis zur 41. Passage fortgeführt 
mit folgendem Endergebnis: Die Salizin- und Arbutinkulturen be- 
standen etwa zur Hälfte aus Bakterien, die diese Glukoside zu 
spalten vermochten, zur anderen Hälfte aus Bakterien, die unverändert 
geblieben waren. Die anderen 3 Passagestämme, die über Traubenzucker- 
Milchzucker- und „Gemisch“ - Nähragar fortgeführt worden waren, 
zeigten keine Veränderung. Es wird daraus geschlossen, daß die 
Umwandlung des Ausgangsstammes in eine Population, die etwa zur 
Hälfte aus salizin- und arbutinvergärenden Bakterien besteht (dieses 
Verhältnis bleibt auch bei weiterer Fortführung der Passagen ungefähr 
erhalten), nur auf salizin- oder arbutinhaltigen Nährböden vor sich 
geht, auf gewöhnlichem Nähragar (dies zeigen die ersten Vorversuche), 
sowie auf Nähragar mit verschiedenen Zuckerzusätzen tritt keine Ver- 
änderung ein. Ja sogar auf dem ,,Gemischagar“, der neben je 1/, Proz. 
Trauben- und Milchzucker noch einen 1/,proz. Zusatz der beiden Glu- 
koside (nämlich !/, Proz. Salizin, 1/, Proz. Arbutin) enthielt, blieb 
der Ausgangsstamm während 41 Passagen unverändert, cbwohl 
schon 17 Passagen mit Salizin- oder Arbutinzusatz allein genüzten, 
um den Umschlag zu bewirken. Man kann sich vielleicht die Vor- 
stellung bilden, daß die stark Traubenzucker und Milchzucker zer- 
setzenden Coli-Bakterien ihren Bedarf an Kohlehydraten leicht in 
dem zuckerhaltigen Medium des „Gemischagars“ zu decken vermögen, 
und daß die Glukoside neben diesen Zuckern daher keinen Reiz mehr 
auf die Bakterien ausüben. Der Tatbestand sei kurz zusammengefaßt: 


eee ES eS u om 7 — = — u a nn Donne one | 


Klieneberger, Künstliche Gewinn- und Verluständerungen usw. 467 


1) Die Abspaltung „roter“ salizin- und arbutin- 
angreifender Bakterien aus dem „hellen“ Ausgangsstamm 
tritt nur auf Salizin- oder Arbutinagar auf, sie ist also 
Antwort auf einen spezifischen Reiz. 

2) Neben anderen Zuckerarten kommt diese spezi- 
fische Reizwirkung der Glukoside Salizin und Arbutin 
auf unseren Coli-Stamm nicht zur Entfaltung. 


B. Plétzliche Umstimmung oder stufenweise Veränderung. 


Es wurde die auch im Falle des Coli mutabile Neisser- 
Massini diskutierte Frage gestellt: Handelt es sich bei der Umwand- 
lung des nicht vergärenden in den salizin- und arbutinspaltenden Stamm 
um eine plötzliche Umstimmung oder können wir eine 
stufenweise Veränderung beobachten? 

Für das Coli mutabile haben R. Burri und i ] 
sein Schüler C. Thaysen in Versuchen, die aller- 
dings von R. Müller angegriffen wurden, zu | 
zeigen versucht, daß es sich um eine allmähliche ; 
Umwandlung handelt, und daß man neben der ver- 

gärenden, also schon umgewandelten Form, teil- 

weise umgestimmte Bakterien isolieren kann, wäh- 

rend M. NeisserundR.Massini die Erscheinung Fig. 2. 
als eine sprungweise Veränderung auffaßten. 

Für unseren Salizinstamm läßt sich die Frage beantworten an Hand 
. der Versuche, die mit 2 von einer Salizin-Endo-Platte im Laufe der 
weiteren Versuche isolierten „hellen“ Stämmen, als y und 8 in den 
Protokollen geführt, angestellt wurden. Diese Endo-Platte stammte 
von einer Kultur, die bereits eine Zeit lang auf Salizinagar passiert 
worden war. Durch die Berührung mit Salizin waren diese Stämme 
offenbar schon beeinflußt. Denn obwohl sie in der hohen Schicht mit 
Salizinzusatz kein Gas abspalteten und zunächst auf Salizin-Endo 
hell wuchsen wie der Ausgangsstamm, wichen sie doch von diesem ab. 
Sie bildeten nämlich auf der Salizin-Endo-Platte vom 4. bis 5. Tage 
der Bebrütung an Knöpfe, die zuerst rosa waren und sich später 
röteten und Fuchsinglanz zeigten (s. Fig. 2). Diese bekannte Er- 
scheinung der Knopfbildung, wie sie zuerst vom Coli mutabile und 
später von vielen anderen Bakterien der Typhus-Coli-Gruppe be- 
schrieben wurde, muß wohl auch hier als Entstehung sekundärer Tochter- 
kolonien, die aus vergärenden Individuen sich zusammensetzen, aufge- 
faßt werden. Impfte man von den Knöpfen auf Salizin- oder Arbutin- 
Endo-Agar ab, so bekam man Platten mit hauptsächlich roten und 
vereinzelt hellen Kolonien, wie nicht anders zu erwarten war. Der 
Ausgangsstamm — vom Agarröhrchen auf Salizin-Endo verimpft — 
hatte nie Knopfbildung gezeigt, auch nicht nach 1wöchiger Bebrütung. 
Es muß noch bemerkt werden, daß die beiden Stämme y und à 
die Knöpfe nur auf Salizin- und Arbutinagar ausbildeten, nicht aber 
auf gewöhnlichem Nähragar oder Zuckeragar. Es handelt sich also 
bei den hellen Stämmen y, 5 augenscheinlich um 2 teilweise um- 
gestimmte Stämme. Sie konnten wochenlang auf Nähragar passiert 
werden, ohne daß an ihrem Zustand der teilweisen Umstimmung eine 
Veränderung zu bemerken war. Anders verhielten sich die Stämme, 


468 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 8. 


sobald Passagen auf Salizinagar mit ihnen ausgeführt wurden. Nach 
einer Salizinagarpassage und folgender Ueberimpfung auf Salizin- 
Endo-Agar traten die Knépfchen schon nach 3 bis 4 Tagen auf, so- 
wohl im dichten Rasen wie innerhalb einzelner heller Kolonien. Die 
Umstimmung war also wieder einen Schritt weiter gegangen. Nach 
zwei Salizinagarpassagen zeigte die zur Prüfung angelegte Endo- 
Platte zwar nach 1 Tag noch völlig helles Wachstum, nach 2tägiger 
Bebrütung eine Anzahl roter Kolonien zwischen den hellen, aber keine 
Knopfbildung mehr. Nach drei Salizinagarpassagen war die Prüfungs- 
platte bereits nach 24 Std. von roten und hellen Kolonien bewachsen, 
Knopfbildung trat nicht mehr auf. Diese Versuche zeigen, laß bei der 


Umwandlung von „hell“ in „rot“ Zwischenstadien — teilweise 
umgestimmte Stämme — existieren und daß es sich daher hier wohl 


nicht um eine sprungweise Veränderung handelt. 

Hauptergebnis der bisherigen Versuche über primäre 
Angewöhnung: 

Es gelingt künstlich einen Coli-Stamm, der Salizin und 
Arbutin nicht anzugreifen vermochte, zum Salizin- und Arbutinvergärer 
zu machen. Diese Angewöhnung erfolgt nur durch spezifischen Reiz, 
nämlich durch Züchtung auf salizin- und arbutinhaltigen Nährböden. 
Bei Umwandlung des salizin- und arbutinnichtspaltenden in den ver- 
gärenden Stamm werden Zwischenstadien beobachtet. 


II. Primäre Abgewöhnung. 


Wir stellten die Frage: bleibt die neu erworbene Eigen- 
schaft der Salizin- und Arbutinspaltung dauernd er- 
halten oder kann sie wieder verloren gehen? 

Zur Beantwortung dieser Frage wurde eine rote Kolonie nach 
der 17. Salizinagarpassage des Ausgangsstammes von der Prüfungs- 
Endo-Platte isoliert. Es wurde so ein Stamm erhalten, dessen sämt- 
liche Keime Salizin zu vergasen vermochten und auf Salizin-Endo- 
agar zu roten Kolonien sich entwickelten. Dieser rein ‚rote‘ Stamm 
wurde täglich auf gewöhnlichen Schrägagar überimpft (Versuchsreihe 3, 
Tafel I). Im Laufe dieser Passagen wurde der Stamm des öfteren auf 
der Salizin-Endo-Platte sowie in hoher Salizinagarschicht geprüft. 
Er erwies sich noch nach der 40. Passage als völlig unverändert. Nach 
der 46. Schrägagarpassage zeigten sich zum erstenmal auf der Platte 
2 helle Kolonien unter lauter roten. Nach der 56. Passage hatte 
die Zahl der hellen Kolonien im Vergleich zu den roten etwas zuge- 
nommen. Die ‚rote‘, salizinspaltende Abart des Coli- Stammes NO 13 
hatte demnach wieder „helle“ salizinnichtangreifende Keime abgespalten. 
Die neu erworbene Eigenschaft erweist sich als nicht 
dauernd konstant, sondern nach einer langen Reihe aufeinander 
folgender Generationen, die beharrlich die Figenschaft der Nalizin- 
spaltung beibehalten, entstehen wieder Keime, die denen des Ausgangs- 
stammes gleichen. Wir müssen also die künstlich erzeugte „rote‘‘, 
salizinspaltende Form des Stammes NO 13 als eine, wenn auch 
hartnäckige Modifikation (Jollos 1924) des „hellen“ Aus- 
gangstammes, der Salizin nicht anzugreifen vermochte, bezeichnen. 

Wir haben geschen, wie durch „Angewöhnung‘“ (Züchtung auf 
salizinhaltigen Nährböden) die Eigenschaft der Salizinspaltung von 


Klieneberger, Künstliche Gewinn- und Verluständerungen usw. 469 


einem Coli-Stamm erworben wird und wie er durch „Abgewöhnung“ 
(Züchtung auf gewöhnlichem Nähragar) die neu erworbene Eigenschaft 
wieder verliert. Im ersten Fall werden salizinspaltende, im zweiten 
Fall salizinnichtangreifende Keime abgespalten. 

Wir fragen nun: 


III. Vermögen alle „hellen“ Abspaltungen, die von Stämmen 
herrühren, welche längere Passagenreihen über Salizinagar 
durchgemacht haben, bzw. die durch Abgewöhnung wieder hell 

geworden sind, die Salizinspaltung zu „erlernen“? 


Es wurde zu diesem Zweck zunächst von der Salizin- Endo- Platte, 
die zur Prüfung der 17. Salizinagarpassage des Ausgangsstammes an- 
gelegt war, eine helle Kolonie abgestochen (Tafel I, Versuchs- 
gruppe 1). Wie Tafel I zeigt, wurde in Versuchsreihe 2 der so ge- 
wonnene „helle“ Stamm auf Salizinschrägagar (1 Proz)!) weiter- 
gezüchtet. Nach 55 folgenden, also im ganzen nach 73 Salizinagar- 
passagen erfolgte der Umschlag, d. h. es zeigten sich wieder rote, salizin- 
spaltende Kolonien auf der Prüfungs-Endo-Platte, und die hohe 
Salizinagarschicht wurde von dem Stamme zerrissen. Auch dieser 
Stamm hat die Salizinspaltung „erlernt“. Weitere 4 helle Kolo- 
nien — Versuchsgruppe 5 — wurden von der Prüfungsplatte der 
41. Salizinagarpassage des Ausgangsstammes abgestochen. Sie wurden 
sämtlich auf Salizinagar fortgeführt. Alle 4 Stämme hatten’nach 13 
weiteren, also im ganzen nach 55 Salizinagarpassagen die Fähigkeit 
der Salizinspaltung erworben. Die dunklen und hellen Sektoren der 
abgebildeten Prüfungs-Endo-Platten sollen jedesmal ungefähr das 
Zahlenverhältnis zwischen roten und hellen Einzelkolonien angeben. 
Von einem dieser 4, als hell isolierten, nach 55 Salizinagarpassagen 
umgeschlagenen Stämme wurden — Versuchsgruppe 6 — erneut durch 
Abstechen heller Kolonien von der Salizin-Endo-Platte 10 helle 
Stämme isoliert. Wieder wurden sie sämtlich täglich auf Salizin- 
agar tiberimpft. Nach kürzerer oder längerer Zeit (der cine Stamm 
brauchte im ganzen 111 Salizinagarpassagen!) hatten sie alle die 
Salizinzersetzung ‚erlernt‘, wie auf Tafel I, Nr. 6 dargestellt. 

Es wurden also bis jetzt, im Laufe des dargestellten Hauptver- 
suchs (abgesehen von den mit dem Ausgangsstamm selbst angestellten, 
geschilderten Versuchen) 1 helle Kolonie (Nr. 2), 4 helle Kolonien 
(Nr. 5), 10 helle Kolonien (Nr. 6), isoliert, die alle durch 
Passagen auf Salizinagar die Salizinspaltung, eineEigen- 
schaft, die ihnen zuvor fehlte, „erlernten“. 

Nun bleibt noch die Frage zu beantworten, ob es möglich ist, einem 
„hellen“ Stamm, der durch Rückschlag aus einem rein 
„roten“, salizinspaltenden entstanden ist, wieder erneut die 
Salizinvergärung anzugewöhnen. Machen wir uns das am Bei- 
spiel des schon beschriebenen rein „roten“ Stammes klar! Der über 
Salizinagar passierte „helle‘‘ Ausgangsstamm der Versuchsgruppe 1, 
Tafel 1, war nach 17 Passagen zum Salizinvergärer geworden und wies 
auf der Salizin-Endo-Platte zur Hälfte rote, zur Hälfte helle Kolo- 


1) Hier und in allen folgenden Versuchen kam 1proz. Salizinagar zur 
Verwendung. 


470 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 8. 

nien auf. Von dieser Platte wurde einerseits ein rein „heller‘‘ Stamm 
gewonnen, der, wie wir bereits sahen, über Salizinagar zum Vergärer 
(Nr. 2) gemacht wurde, andererseits wurde ein rein „roter“ Stamm 
isoliert, der, wie ebenfalls schon beschrieben, nach einer langen Reihe 
von Agarpassagen in die helle Form zurückschlug, d. h. helle, nicht 
salizinspaltende Kolonien abgab (Nr. 3). Eine der beiden, nach der 
46. Agarpassage abgespaltenen, hellen Kolonien lieferte uns wieder 
einen rein „hellen“, salizinnichtangreifenden Stamm. Ist es möglich, auch 
diesen — durch Rückschlag aus dem rein „roten“ entstandenen — 
„hellen“ Stamm wieder zum Salizinvergärer zu machen ? Wir passierten 
ihn, um dies zu entscheiden, über Salizinagar (Nr. 4). Zunächst blieb 
er längere Zeit unverändert. Nach 50 Passagen aber hatte auch dieser 
Stamm das Salizinspaltungsvermögen wieder erworben. Etwa 1/3 
der Kolonien wuchs rot, ?/; hell auf der Salizin- Endo-Platte. Wir 
sahen also, wie der salizinnichtspaltende Ausgangsstamm künstlich zum 
Salizinvergärer gemacht wurde, wie er dann im Laufe längerer Agar- 
passagen dieses Spaltungsvermögen wieder verlor und wie schließlich 
ein solcher sekundär „heller“, nicht vergärender Stamm das Salizin- 
spaltungsvermögen aufs neue gewann. Wir fragen uns: läßt sich dieses 
„Spiel“ ins Unbegrenzte fortsetzen? Kann man die Eigenschaft 
der Salizinspaltung immer wieder von neuem erzeugen 
und zum Verschwinden bringen? Verfolgen wir zur Beant- 
wortung dieser Frage den auf Tafel I u. II dargestellten Hauptver- 
such weiter. Der Endstamm der Versuchsgruppe 4 ist ein Stamm, der 
zum 2. Mal die Salizinspaltung erlernt hat. Durch Isolation einer 
roten Kolonie von der zugehörigen Salizin-Endo-Platte gewinnen 
wir wieder einen rein ‚roten‘ Stamm, dessen Keime sämtlich Salizin 
zu spalten vermögen. In der großen Versuchsgruppe 7, Tafel II, 
auf deren Bedeutung im folgenden Kapitel eingegangen wird, sehen wir 
diesen Stamm erneut „helle‘‘ Formen abspalten. 2 solcher heller Kolo- 
nien wurden abgestochen und die so erhaltenen beiden .,hellen‘* 
Stämme einerseits auf Schrägagar, andererseits auf Salizinagar täglich 
überimpft (Versuchsgruppe 8). Die auf Agar passierten „hellen‘“ 
Stämme änderten sich nicht, während durch die Salizinagarpassagen 
auch hier das Vergärungsvermögen wieder erworben wird. Wir haben 
demnach die aufeinander folgenden Umwandlungen erzeugt: 


Versuchsgruppe 
„heller“, N dors Stamm } "Nr. 1 


in ,roten“, salizinspaltenden = 


v 
» „roten“, salizinspaltenden 


” 


t 
» „hellen“, salizinnichtspaltenden 


» „hellen“, salizinnichtspaltenden F | „4 
\ 
J 


PE 
» „Toten“, salizinspaltenden ` 
Hieraus könnte man schließen, daß dieses „Hin- und Herpendeln‘“ 
der Stämme zwischen Salizinspaltungsvermögen und Unvermögen einer 
einfachen Gesetzmäßigkeit folgt und immer wieder in derselben Weise 
die eine Form aus der anderen hervorgehen kann. Mit anderen Worten, 





Klieneberger, Künstliche Gewinn- und Verluständerungen usw. 471 


man könnte annehmen, daß alle Keime gleich veranlagt seien, und daß 
sie die Anlage, Salizinspaltung unter gewissen Bedingungen zu erwerben 
und wieder zu verlieren, von vornherein besitzen. Vergleichen wir die 
verschiedenen Versuchsreihen aber genauer, so können wir die Aunahme 
der von vornherein gleichen Veranlagung aller Keime nicht aufrecht 
erhalten. Denn wir stellen fest: Zur Erlernung der Salizinspaltung 
waren in Nr. 1: 17 Passagen nötig; in Nr. 2 dagegen 73; in Nr.5: 55; 
in Nr. 6: 7mal 69, 1mal 81, Imal 93, imal 111; in Nr. 8: 15. 
Gingen wir vom Urstamm aus, so erfolgte der Umschlag von „hell“ 
(salizinnichtvergärend) in ‚rot‘‘ (salizinspaltend) stets verhältnismäßig 
schnell, meist nach 7 bis 10 täglichen Passagen, im Hauptversuch nach 
17 Passagen (hier war nur 1/, Proz., sonst ‘0,5 bis 1 Proz. Salizin 
verwendet worden!). Im Gegensatz dazu lieferten die im Laufe der 
Versuche isolierten hellen Kolonien Stämme (Nr. 2, 5,6, 8), die zum 
Teil recht hartnäckig sich zeigten, bis sie schließlich durch immer 
weiter fortgesetzte Passagen zum Umschlag, d. h. zur Salizinvergärung, 
gebracht werden konnten. Da bei diesen genannten , hellen“ Stämmen 
die Fähigkeit, das Salizinspaltungsvermögen zu erlernen, in durchaus 
verschiedenem Maße vorhanden war, die Stämme also gewiß hierin 
ungleich veranlagt sind (die Ursachen, die diese Verschiedenheit 
möglicherweise im Laufe der Versuche erzeugten, entziehen sich unserer 
Beobachtung), können wir uns sehr wohl vorstellen, daß die Fähigkeit 
der ,,Erlernung‘ des Salizinspaltungsvermögens bei einem oder dem 
andern Stamm völlig verloren gehen kann, daß also gewissermaßen 
eine ‚„Verlustmutante‘‘ entsteht. 


Unsere weiteren Versuche bieten Anhaltspunkte für die eben ent- 
wickelten Vorstellungen. In Versuchsgruppe 11 und 12 handelt es sich 
möglicherweise um 2 Stämme, welche die Fähigkeit, die Salizinspaltung 
zu erwerben, verloren haben. Diese beiden ,,hellen‘‘ Stämme wurden von 
einem rein „roten‘‘ Stamm gewonnen, der (Versuchsgruppe 10) nach 
12 Salizinagarpassagen helle Kolonien abgespalten hatte. 2 solcher 
Kolonien lieferten die Stämme 11 und 12, die bei Anfertigung der 
Tafel II bereits 130 mal, inzwischen im ganzen 160mal über Salizin- 
schrägagar passiert wurden, ohne irgendeine Veränderung zu zeigen, 
d. h. ohne die Salizinvergärung zu erlernen. Diese Stämme stellen also 
als einzige unter allen „hellen‘‘ Stämmen eine Ausnahme dar, indem sie, 
auch nach einer so großen Anzahl von Salizinagarpassagen, dieses 
Glukosid nicht anzugreifen vermögen. Ihre Untersuchung wird noch 
fortgesetzt!). Selbstverständlich ist es möglich, daß nur die Zeitdauer 
der Reizwirkung bei diesen Stämmen sehr viel länger, wie bei allen 
übrigen untersuchten, bemessen werden muß, und daß sie schließlich 
doch noch die Salizinspaltung „erlernen“. Aber die andere Möglichkeit, 
daß es sich um festgewordene Typen hier handeln kann, muß immerhin 
zugegeben werden, insbesondere wenn man das auch sonst häufig in 
der Literatur mitgeteilte Auftreten von „Verlustmutationen‘‘ bedenkt. 
Jedenfalls läßt sich die auffallende Verschiedenheit der einzelnen 
Stämme in bezug auf die „Erlernbarkeit‘‘ des Salizinspaltungsvermögens 
nicht bestreiten. 

Es seien die Mitteilungen dieses Kapitels in Kürze wiedergegeben: 

Eine größere Anzahl im Laufe der Versuche isolierter „heller“ 


1) Siehe Nachtrag. 


472 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 8. 


Stämme konnte — zum Teil erst nach lange Zeit hindurch fortge- 
führten Salizinagarpassagen — in salizinspaltende Stämme übergeführt 
werden. Auch die Umwandlung von Stämmen, die ihr erworbenes 
Salizinspaltungsvermögen wieder verloren hatten, in salizinspaltende 
Stämme gelang mehrmals hintereinander. Die verschiedenen ,,hellen‘‘ 
— im Laufe der Versuche gewonnenen Stämme erwiesen sich als un - 
gleich veranlagt, da die Salizinspaltung verschieden schnell 
erworben wurde. Zwei der isolierten ,,hellen‘‘ Stämme konnten — im 
Rahmen der vorliegenden Versuche — überhaupt nicht mehr zur Neu- 
erwerbung des Salizinspaltungsvermögens gebracht werden‘). 


IV. Wie verhalten sich umgezüchtete ‚rote‘ Stämme unter ver- 
schiedenen Bedingungen ? 


In Nr. 1, Tafel I wurde festgestellt, wie der salizinnichtangreifende 
Ausgangsstamm die Salizinvergärung ‚erlernte‘, wie dann der rein 
„rote“ salizinspaltende Stamm (Nr. 3) sein Vergärungsvermögen wieder 
verlor und wie er schließlich sekundär (Nr. 4) die Salizinspaltung von 
neuem erwarb. Durch Isolierung einer roten Kolonie des Endstammes 
von Nr. 4 erhielten wir einen sekundären rein ,,roten‘‘ Stamm. Dieser 
bildete reichlich Gas in der hohen Agarschicht mit Salizinzusatz und 
erzeugte auf der Salizin-Endo-Agarplatte ausschließlich rote Kolo- 
nien. Wir fragten uns: Wie wirken verschiedene Bedingungen 
auf das Salizinspaltungsvermögen dieses Stammes? Gibt 
es Bedingungen, die den Verlust der neuerworbenen Eigenschaft schnell 
hervorrufen ; können wir solche feststellen, unter denen sich das Gär- 
res besonders lange erhält oder überhaupt nicht zum Verschwinden 

ommt ? 

3 Versuchsgruppen (7, 9, 10) sollten hierüber Aufschluß geben. 
Wir besprechen zuerst Versuchsgruppe 7: 

Tägliche und 14tägige mit dem „roten“ Stamm vorge- 
nommene Passagen auf verschiedenen Nährböden. 

Für die täglichen Passagen wurde folgende Nährbodenserie ver- 
wendet: 

1) Gewöhnlicher Nähragar; 

2) Nähragar mit Giftzusätzen und zwar: a) Malachitgrün- 
agar, b) Monochlornatriumazetatagar ; 

3) Salizinnähragar; 

4) Zuckernähragar, bei der ersten Versuchsserie dieser Art 
(Nr. 7) speziell nur Milchzuckernähragar. 


Vorbemerkungen. 


Der Giftagar kam insbesondere deshalb zur Verwendung, weil nach 
Angaben aus der Literatur des öfteren Verlust der Gärfähigkeit nach 
Züchtung auf Nährböden mit Giftzusätzen beobachtet worden war. 
Nach C. Revis, G. Seiffert und anderen kommt besonders dem 
Malachitgrün diese schädigende Wirkung auf die Gärfähigkeit zu, 
während W. J. Penfold schnelle Einbuße des Gärvermögens bei 
Zusatz von Monochlornatriumazetat zum Nährboden konstatierte. Unsere 


1) Siehe Nachtrag. 


-a — 


Klieneberger, Künstliche Gewinn- und Verluständerungen usw. 473 


Stämme, sowohl der Urstamm NO 13, als auch der abgeänderte „rote“ 
Stamm NO 13 erwiesen sich als malachitgrünempfindlich, gewannen 
aber nach und nach eine bedeutende Festigkeit gegen dieses Gift. Ur- 
sprünglich wuchsen die Stämme kaum auf einem Agar, der 0,00166... 
Proz. (Verdünnung 1:60000) Malachitgrün enthielt. Die Zusätze 
wurden ganz allmählich gesteigert, schließlich wuchs der uns hier inter- 
essierende ‚‚rote‘‘ Stamm üppig unter Reduktion der tief dunkelgrünen 
Farbe auf einem Agar, dem 0,2 Proz. (1:500) Malachitgrün zugesetzt 
worden war. Die Bakterien gewöhnten sich also im Laufe der Passagen 
an eine 120fache Steigerung der Giftkonzentration. 

Methodisch ist hierzu noch zu bemerken, daß der Malachit- 
grünagar täglich frisch bereitet wurde, da er durch Aufbewahrung 
seine Giftigkeit teilweise (wohl durch Ausfallen des Farbstoffes) ver- 
liert. Ferner wurde zur Herstellung des Malachitgrünagars stets 
nur neutraler Agar (pH = 7) verwendet, da alkalischer Malachit- 
grünagar eine geringere Giftigkeit aufweist als neutraler. Durch Alkali 
wird das Malachitgrün entfärbt. 

Der 2. Giftagar wurde stets in ein und derselben TE S 
nämlich mit 0,2proz. Monochlornatriumazetatzusatz her- 
gestellt. Es ist das diejenige Konzentration, mit der Penfold be- 
sonders schnell gaslose Varianten erzeugen konnte. 

Außer der beschriebenen Serie täglicher Passagen wurde der 
„rote“ Stamm, wie schon angegeben, noch 14tägigen Passagen 
unterworfen. Zu diesen wurde sowohl gewöhnlicher Nähragar 
wie auch ein „Hungeragar“, der nur den 4. Teil der Nährstoffe 
des üblichen Fleischwasserpeptonagars enthielt, benutzt. 

Die Ergebnisse der Versuchsgruppe 7, welche uns über die Ab- 
spaltung ‚heller‘, nicht salizinspaltender Formen aus dem rein ‚roten‘, 
salizinspaltenden Stamm unter verschiedenen Bedingungen Aufklärung 
geben sollte, werden nun besprochen. Zunächst 


die täglichen Passagen. 

Eine Zeitlang blieben alle täglich überimpften Stämme un- 
verändert rein ‚rot‘. Das Auftreten heller Kolonien auf Prüfungs- 
platten wurde zum erstenmal nach 16 täglichen Passagen beobachtet. 

Am schnellsten ging diese Abspaltung „heller“, sali- 
zinnichtzersetzender Varianten vom ‚roten‘ salizinspaltenden 
Stamm bei derjenigen Subkultur vor sich, die täglich auf Agar mit 
1 Proz. Salizinzusatz überimpft wurde. Es sei diese ‚Subkultur 
der Kürze halber als ‚„Salizinstamm‘ bezeichnet. 


Der „Sakizinstamm‘“. 

Nachdem der ,,rote‘’ Stamm 16 Passagen über Salizinagar durch- 
gemacht hatte, waren auf der Prüfungsplatte etwa 1/, der isoliert 
liegenden Kolonien hell, ?/; waren rot. Durch die weiteren Passagen 
auf Salizinagar wurde der „Salizinstamm‘ allmählich in einen Stamm 
umgewandelt, der zur Hälfte aus Kolonien mit Salizinspaltungs- 
vermögen, zur Hälfte aus Kolonien ohne diese Fähigkeit bestand. 
Nachdem das Verhältnis hell (= salizinnichtspaltend) : rot (= salizin- 
spaltend) wie 1:1 einmal erreicht war, konnte trotz sehr lange weiter 
fortgeführter Passagen (160) keine wesentliche Veränderung mehr 
beobachtet werden. 

Erste Abt. Orig. Bd. 101 Heft 8. 31 


474 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 8. 


Dieses Ergebnis bedeutet, daß unter Einwirkung desselben 
Reizes, nämlich 1 Proz. Salizinzusatz, einerseits bei dem „hellen‘“ 
Stamm das Neuauftreten der Salizinvergärung hervorgerufen wird und 
andererseits der ,,rote‘‘, salizinspaltende Stamm sein Gärungsvermögen 
wieder verliert. Diese Abspaltung erfolgt noch obendrein schneller 
als unter allen anderen der gepriiften Bedingungen. Die Abspaltung 
heller Kolonien erreicht aber eine Grenze, wenn der Gleichgewichts- 
zustand hell:rot wie 1:1 erreicht ist. 


Auch bei Angewöhnung der Salizinvergärung durch Züchtung 
eines „hellen‘‘ Stammes auf Salizinagar kann — wenn die Fähigkeit 
der Salizinspaltung einmal erworben ist — das Verhältnis der ver- 
gärenden zu den nichtvergärenden Keimen nicht wesentlich über den 
Quotienten 1:1 hinaus gesteigert werden, auch bei langer Fortzüchtung 
der Kulturen auf Salizinagar (vgl. Tafel I Nr. 1). 


Welche Umstände diese merkwürdigen Ergebnisse zeitigen, ist 
schwer zu sagen. Es mögen extreme Bedingungen, denen die Kulturen 
auf Salizinagar ausgesetzt sind, eine Rolle spielen. Wie verschieden 
die Kulturverhältnisse auf diesem Nährboden sind, geht daraus hervor, 
daß salizinspaltende Stämme zunächst darauf besonders üppig wachsen. 
Bald aber müssen ungünstige Bedingungen eintreten, die das völlige 
Absterben der Kulturen schon nach 8—10 Tagen (Aufenthalt im 
Brutschrank) bewirken. Doch auch auf Zuckeragar sind die Kulturen 
in dieser Beziehung ähnlichen Verhältnissen ausgesetzt, ohne daß 
hier die gleichen Wirkungen auf unsere Stämme zu beobachten wären! 
Vielleicht: sind bei Kultur auf Salizinagar besondere Stoffwechsel- 
produkte, schließlich auch die Wiedererwerbung des Gärvermögens von 
Bedeutung. 


„Der Agarstamm‘“. 


Verhältnismäßig schnell veränderte sich auch die Subkultur 
unseres „roten‘‘ salizinspaltenden Stammes, die tägliche Schrägagar- 
passagen durchmachte. Nach den 16 ersten Passagen wurden wie 
bei dem Salizinstamm auf der Endo-Platte einzelne helle Kolo- 
nien bemerkt, allerdings eine viel geringere Anzahl als .bei dem ent- 
sprechenden ,,Salizinstamm‘. Je weiter die Passagen fortgeführt 
wurden, um so mehr nahm die Zahl der hellen Kolonien im Vergleich 
zu den roten zu. Nach 64 Passagen war der Agarstamm fast ganz 
„hell“, es wurden nur noch vereinzelte rote Kolonien beobachtet. 
Dann kam ein Stadium (130 Passagen), in dem der Stamm auf der 
zur Prüfung angelegten Salizin-Endoplatte nach 1tägiger Bebrütung 
dieser Platte völlig hell wuchs; nach mehrtägiger Bebrütung 
der Platte traten helle, später rotwerdende Knöpfchen auf, aus 
denen wieder durch Reinzüchtung ‚rote‘, salizinspaltende Stämme 
gewonnen werden konnten. Der Stamm hatte dasselbe Stadium 
zwischen hell und rot erreicht wie die früher beschriebenen 
Stämme + und à, die ebenfalls nach mehrtägiger ‚Bebrütung auf der 
Salizin-Endo-Platte Knöpfe bildeten. Vermutlich hätte der Stamm 
nach einer noch größeren Anzahl weiterer Passagen den Zustand des 
Ausgangsstammes, der auf der Salizin-Endo-Platte völlig hell, ohne 
spätere Knöpfchenbildung wächst, wieder erreicht. Bei Abbruch dieser 


ee ee — — 


Klieneberger, Künstliche Gewinn- und Verluständerungen usw. 475 


Versuche nach 160 Schrägagarpassagen befand sich der „Agarstamm‘ 
noch im ,,Knüpfchenstadium". 


Die „Giftstämme‘“. 


Längere Zeit konstant ,,rot‘‘ und salizinvergärend blieben die 
Subkulturen unseres roten Stammes, die täglich über Agar mit Gift- 
zusätzen geführt wurden. 

Der „Monochlornatriumazetatstamm‘“, der auf Agar mit 
0,2 Proz. dieses Giftes wuchs, fing etwa nach 64 Passagen an neben 
roten helle Kolonien auf Salizin-Endo-Agar zu zeigen. Die Zahl 
der hellen Kolonien nahm im Laufe der weiteren Passagen noch zu. 
Nach 160 Passagen hatte dieser Stamm ebenso wie der vorher be- 
schriebene ,,Agarstamm‘ das ,,Knépfchenstadium“ erreicht. Aehnlich 
verhielten sich die „Giftstämme‘ anderer noch zu erwähnender Ver- 
suchsgruppen. Vermutlich würden diese Stämme bei lange genug weiter- 
geführten Ueberimpfungen wieder in den Zustand des Ausgangsstammes 
sich umwandeln. 

Eine Ausnahme von allen beobachteten ,,Giftstammen‘ bildet der 
„Malachitgrünstamm‘ der Versuchsgruppe 7. Als einziger dieser 
Stämme spaltete er überhaupt keine hellen Kolonien ab trotz 160 Ueber- 
impfungen. Dagegen nahm er mehr und mehr ein schleimiges Wachs- 
tum an. Auch in seiner Salizinspaltung verhielt er sich ganz ab- 
weichend. Er wuchs nach 160 Malachitgrünpassagen, wobei seine 
Festigkeit um das 120fache erhöht worden war, wie erwähnt, auf 
Salizin-Endo überimpft, zunächst völlig hell; am dritten Tage der 
Bebrütung rötete sich die Platte und am vierten Tage trat auf dem 
stark verschleimten Rasen der typische rote Fuchsinglanz auf. Da 
durch Bakteriophagenwirkung schleimbildende Stämme (O. Bail, 
F. Hoder, S. Kimura) entstehen können, wurde der Stamm auf Ge- 
halt an bakteriophagem Lysin geprüft. Ein Bakteriophage konnte 
nicht nachgewiesen werden weder gegen den homologen noch gegen 
andere Coli-Stämme. Vielleicht hat hier die schädigende Wirkung 
des Malachitgrüns ähnlich wie die bekannte, schädigende Wirkung 
eines Bakteriophagen eine schleimige Variante erzeugt. 

Das beschriebene langsame Sichverlieren des Salizinspaltungs- 
vermögens bei Passagen auf Giftagar steht in einem gewissen Gegen- 
satz zu dem häufig in der Literatur beschriebenen Verlust der Gär- 
fähigkeit durch Giftwirkung. Statt dessen wird hier dieses Ver- 
mögen lange bewahrt. Es hängt dies vielleicht damit zusammen, daß 
nur die kräftigeren und befähigteren Individuen auf Giftagar sich 
fortpflanzen und daß diese gerade die neu erworbene Eigenschaft be- 
sonders hartnäckig festhalten. 


Der „Milchzuckerstamm‘“. 


Es bleibt noch die Serie der täglichen Passagen des ‚roten‘ 
salizinspaltenden Stammes über Milchzuckeragar zu besprechen. Bei 
diesem Stamm blieb die Fähigkeit der Salizinspaltung lange Zeit 
gleichmäßig erhalten. Auf Salizin-Endo-Platten wuchsen bis zur 60. 
Passage nur rote Kolonien. Erst nach 64 Passagen trat zum ersten- 
mal einc helle Kolonie auf. Nach 160 Passagen hatte der Stamm erst 

31* 


476 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 8. 


wenige helle Kolonien abgespalten. Es bleibt also die Fähigkeit 
der Salizinvergärung beim ,Milchzuckerstamm im Ver- 
gleich zu allen anderen Stämmen der Versuchsreihe 7 (mit Ausnahme 
des auch sonst abweichenden ,,Malachitgrünstammes") am längsten 
bewahrt. 

Ueberblicken wir die Gruppe der mit dem ‚roten‘ salizinspaltenden 
Stamm ausgeführten täglichen Passagen, so sehen wir, daß der „Salizin- 
stamm“ am schnellsten nichtsalizinangreifende Kolonien bildet, es folgen 
dann der „Agar- und schließlich der „Monochlornatriumazetatstamm‘ 
(eine Ausnahme in jeder Beziehung bildet der Malachitgrünstamm), 
die beide die Salizinspaltung nach 24 Std. völlig verlernt haben, im 
Gegensatz zum Salizinstamm, der noch nach 160 Passagen etwa zur 
Hälfte aus salizinspaltenden, zur Hälfte aus salizinnichtspaltenden 
Keimen besteht. Am längsten hält der Milchzuckerstamm sein Salizin- 
spaltungsvermögen fest. 


Die l4tägigen Passagen. 


Der „rote“, salizinspaltende Stamm wurde in Abständen von 
14 Tagen einerseits über Nähragar, andererseits über Hungeragar 
passiert. Der „Nähragarstamm‘ sowohl wie der ,Hungerstamm‘ 
veränderten sich nach wenigen Passagen. Schon nach der dritten war 
ein beträchtlicher Teil von hellen Kolonien (Versuchsgruppe 7, Tafel IT) 
vorhanden. Doch ,,verlernte der „Nähragarstamm‘ sein Salizinspal- 
tungsvermögen schneller als der „Hungerstamm‘“. Nach 6 Passagen be- 
fand sich der ,,Nähragarstamm' im mehrfach beschriebenen ,,Knépf- 
chenstadium‘‘, während der ,,Hungerstamm‘ zu diesem Zeitpunkt noch 
zur Hälfte aus ‚roten‘, zur Hälfte aus „hellen“ Keimen bestand. 
Nach 10 Passagen glich der „Agarstamm‘ ganz dem Ausgangsstamm ; 
der ,,Hungerstamm‘ war erst nach 14 Passagen völlig in den Normal- 
typus zurückgeschlagen. Unter ungünstigen Bedingungen wird 
also die neu erworbene Eigenschaft länger festgehalten 
als unter günstigen. 

Dies entspricht dem Verhalten der oben beschriebenen „Gift- 
stämme“. Die Abspaltung heller Kolonien erfolgte dort schneller auf 
Nähragar als auf dem Agar mit den schädigenden Giftzusätzen. 

Der Vergleich der 14tägigen Ueberimpfungen des ,,roten‘‘ Stammes 
mit den täglichen zeigt, daß bei den ersteren eine viel geringere 
Passagenzahl genügt, um den „Rückschlag‘“ zu bewirken, wie bei den 
letzteren. Die l4tägigen Passagenstämme allein erreichten ganz 
den Zustand des Ausgangsstammes, während sich die „hell‘“ 
gewordenen täglichen Passagenstämme bei Abbruch dieser Ver- 
suche noch im „Knöpfchenstadium‘‘ befanden. 


Wiederholte passagenweise Züchtungen roter Stämme 
unter verschiedenen Bedingungen (Versuchsgruppe 9 und 10). 


Um die Sicherheit darüber zu gewinnen, daß das beschriebene Ver- 
halten des auf verschiedenen Nährböden passierten „roten‘‘ Stammes 
(Nr. 7) kein zufälliges war, wurden zwei neue Versuchsserien 
derselben Art wie Reihe 7 angelegt. Vom ,,Agar‘‘- and „Salizin- 
passagenstamm* der Serie 7 wurde nach 16 Ueberimpfungen, als eben 


u u "0 





Klieneberger, Künstliche Gewinn- und Verluständerungen usw. 477 


die ersten Abspaltungen , heller“ Keime aufgetreten waren, je ein 
„roter“, salizinspaltender Stamm erneut reingezüchtet. 

Diese beiden Stämme wurden in den zwei Versuchsgruppen 9 
und 10 (Tafel II) täglich auf verschiedene Nährböden übertragen, 
nämlich auf 


1. Nähragar, 
2. Giftagar, 
a) Malachitgrünagar, 
b) Monochlornatriumazetatagar, 
3. Zuckeragar, 
a) Traubenzuckeragar, 
b) Milchzuckeragar, 
4. Salizinagar. 


Es wurde alles in derselben Weise gehandhabt wie bei Versuchs- 
serie 7, nur wurde neben Milchzuckeragar noch ein zweiter Zucker- 
agar, Traubenzuckeragar, verwendet. Wie aus Tafel II ersichtlich, 
beginnt die Abspaltung heller Kolonien bei Serie 9 früher als bei 10. 
Aber der Gesamtrhythmus bei beiden ist ungefähr derselbe wie bei 
Reihe 7, d. h. zuerst spalten die „Salizinstämme‘“ helle, salizin- 
nichtzersetzende Kolonien ab (hier bleibt wieder bei Fortführung der 
Passagen das Verhältnis hell:rot wie 1:1 erhalten); ungefähr gleich- 
zeitig, nur spärlicher, beginnen die ,Agarstimme mit Abspaltung 
„heller“ Keime; schließlich folgen die „Giftstämme“, und zwar 
wieder die „Monochlornatriumazetatstämme“ früher als die 
„Malachitgrünstämme‘. Der ,,Monochlornatriumazetatstamm der 
Versuchsreihe 9, der schon nach 45 Passagen das Stadium halb hell, 
halb rot erreicht hat, bleibt bis zur 140. Passage auf diesem Stadium 
stehen; der Parallelstamm der Reihe 10 dagegen hat nach 140 Passagen 
bereits das ‚Knöpfchenstadium‘‘ erreicht. Der ,,Malachitgriinstamm“ 
der Reihe 10 ging nach 65 Passagen durch ein Versehen ein, er war 
damals noch völlig rot; der Parallelstamm zeigte nach 45 Passagen 
die ersten hellen Abspaltungen und hatte nach 140 Passagen das 
„Knöpfchenstadium‘ erreicht. 

Die „Zuckerstämme‘ halten die Fähigkeit der Salizinvergärung 
besonders lange fest. Nach 130 Passagen setzt bei dem einen „Milch- 
zuckerstamm' die erste Abspaltung heller Kolonien ein. Der Parallel- 
stamm ist zu dieser Zeit noch völlig rein „rot“. Das gleiche gilt für 
die beiden ‚Traubenzuckerstämme‘“. Diese, sowie der „Milchzucker- 
stamm‘ der Versuchsreihe 9 haben ihr Salizinspaltungsvermögen bis 
zum vorläufigen Abbruch dieser Versuche nach 140 Passagen völlig 
unverändert beibehalten. Die 3 Stämme, in Tafel II als End- 
stimme A, B, C besonders markiert, werden auch jetzt noch weiter 
über die betreffenden Zuckeragars passiert, ohne daß diese Passagen- 
stämme bis jetzt nach 175 Passagen ihr Salizinspaltungsvermögen 
eingebüßt haben. Man könnte annehmen, daß hier die „rote Form“ 
zu einer konstanten ‚roten Rasse‘‘ geworden sei. Doch konnte gezeigt 
werden, daß cs sich auch bei diesen „Zuckerstämmen“ nur um 
Modifikationen handelt. Die Endstämme A, B, C wurden auf 
Nähragar überimpft und 14tägig auf neuen Nährboden übertragen. 
Schon nach der dritten 14tigigen Nähragarpassage hatten alle 
3 Stämme eine Reihe völlig ,heller‘’ Abkömmlinge erzeugt. Damit 
ist die Inkonstanz auch dieser Stämme erkannt. 


Text-Tafel I. 














Zeichenerklärung: 
m = Malachitgrünzusatz. 
Monochlornatriumazetatzusatz. 


= Agar in schriiger Schicht. 


o ze 

o = ein Viertel des normalen Nähr- 
MERRER stoffgehaltes. 
Arbutinzusatz. ND tag ige Passagen. 


= Milchzuckerzusatz. 
= Traubenzuckerzusatz. 


© = Salizinzusatz. 
Y 
8 
= 


rey 


a a 0% 


= z.B. Agar inschräger 
Schicht mit Zusatz von 
Salizin, Arbutin, Trau- 
ben- und Milchzucker. 


= ı4-tägige Passagen 
über „„Hungeragar‘‘ 


— Agar in hoher Schicht 
mit Salizinzusatz, un- 
vergoren, 


Text-Tafel Il. 








Zeichenerklärung: 


— Agar in hoher Schicht mit 
Salizinzusatz, vergoren 
(zerrissen). 


= weitergehende Passagen, 
A, B, C, D, E = End- 
stämme, kleine Zahlen = 


Passagenzahlen, groBe 
Zahlen = Versuchs- 
gruppen. 


Salizin-Endo-Platten, geimpft 
mit Stamm 


O © © e 


hellem teils hel- Knépf- 


lem, teils chensta- 
rotem dium 


rotem schjeim- 


bildendem 


480 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 8. 


Durch welche Ursachen gerade auf Zuckeragar die „rote“ Form 
ihr Salizinspaltungsvermögen so lange bewahrt, während sie auf Salizin- 
agar so schnell in „hell‘“ umschlägt, bleibt dunkel. 

Um zusammenzufassen: Durch Züchtung der künstlich salizin- 
spaltend gemachten Stämme auf verschiedenen Nährböden konnte ge- 
zeigt werden, daß unter bestimmten Bedingungen die neue Eigenschaft 
verhältnismäßig schnell verloren geht, unter anderen wird sie dagegen 
sehr lange — zum Teil vielleicht sogar dauernd (,,Traubenzucker- 
stimme‘‘) — beibehalten, ohne daß deshalb diese Stämme zu fest ge- 
wordenen Typen sich verwandelt hätten. Sämtliche rote Stämme 
wurden im Gegenteil nur als Modifikationen erwiesen. 


V. Die „alten“ Stämme. 


Alle Endstämme aus abgebrochenen Versuchsreihen wurden auf- 
bewahrt. Nach 3 Monaten — aufs neue untersucht — hatten die um- 
gewandelten, salizinspaltenden Stämme sämtlich diese Eigenschaft 
mehr oder weniger eingebüßt. Die meisten befanden sich im ,,Knépf- 
chenstadium“, wuchsen also am 1. Tag auf der Endo- Platte hell und 
wiesen nach 2—3 Tagen Knöpfchen auf. Sie waren demnach noch 
nicht völlig in den Zustand des Ausgangsstammes zurückgekehrt. 
Alle untersuchten Endstämme stimmten in ihren anderen morpho- 
logischen und kulturellen Eigenschaften untereinander und mit dem 
Ausgangsstamm überein. 


Zusammenfassung. 


1) Es gelingt, durch vielfache „spezifische“ Passagen einen Nicht- 
vergärer von Salizin (und Arbutin) zu einem starken Salizin- (und 


Arbutin-) Vergärer zu machen. — 2) Diese ‚spezifische‘ Reiz- 
wirkung von Salizin kommt bei gleichzeitiger Anwesenheit anderer 
Kohlehydrate nicht zur Erscheinung. — 3) Die künstlich erzeugte 
Umwandlung zeigt Zwischenstadien. — 4) Der völlig umgewandelte 


Stamm bildet allmählich immer wieder Abkömmlinge der alten Art. 
— 5) Solche rückgeschlagenen Abkömmlinge lassen sich wiederum 
spezifisch zu Salizinvergärern „umzüchten“. Auch diese sekundären 


Umwandlungen schlagen nach und nach zurück usf. — 6) Wiederholung 
solcher ,,An- und Abgewöhnungen“ scheint häufig Verlängerung der 
zur Umwandlung nötigen Zeit zur Folge zu haben. — 7) Bei 2 solchen 


der „An- bzw. Abgewöhnung‘‘, sowie der Aufspaltung mehrfach unter- 
worfenen Abkömmlingen war schließlich die Umwandlungszeit so groß 
geworden, daß eine Rückumwandlung nicht mehr beobachtet werden 
konnte, so daß dadurch die Frage einer „Verlustmutation“ offen ge- 


lassen werden mußte !). — 8) Besonders bemerkenswert ist, daß der zur 
„Angewöhnung“ führende „spezifische Reiz“ auch am leichtesten zur 
„Abgewöhnung‘ führt. und daß wieder nur der „spezifische Reiz‘ 


1) Siehe Nachtrag. 





Klieneberger, Künstliche Gewinn- und Verluständerungen usw. 481 


aufs neue „Angewöhnung‘ hervorruft usf. — 9) Auf Nährbôden mit 
schädigenden Zusätzen wird die angezüchtete Eigenschaft besonders 
lange festgehalten („Giftstämme‘‘). — 10) In noch weit höherem 
Maße wird sie bei dauernder Züchtung auf ‚unspezifischen‘‘ Kohle- 
hydratnährböden bewahrt. — .11) Die Rückverwandlung geht auch 
auf gewöhnlichem Agar vor sich, wenn auch weniger schnell als auf 
„spezifischem Agar‘; auf Agar mit geringerem Nährstoffgehalt 
(„Hungeragar‘‘) erfolgt sie noch langsamer. — 12) Zur „Abgewöhnung‘“ 
sind wenige l4tägige Passagen ebenso wirksam wie viele tägliche. 
— 13) Morphologisch und kulturell war an den künstlich veränderten 
Stämmen auch am Ende der Versuchsreihen nichts Besonderes be- 
merkbar — bis auf einen Zweig, welcher im Laufe der Malachit- 
grüngewöhnung ein schleimiges Wachstum angenommen hatte. — 
14) Die Gesetzmäßigkeiten dieser Veränderungen lassen sich nur 
an sehr langen Passagenreihen [hier jeweils 200—300 ununterbrochener 
Passagen mit Aufspaltung in Subkulturen (mehr als 50)], sowie unter | 
besonderer Berücksichtigung der zahlreichen technischen Fehlerquellen 
einwandfrei feststellen. 


Literatur. 


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S. 98. — Nissle, Deutsch. med. Wochenschr. Jhrg. 42. 1916. S. 1181. — 
Penfold, W. J, "The Journ. of Hyg. Vol. 13. 1913. i 35. — Revis, C., 
Centralbl. f. Bakt. Abt. II. Bd. 31. 1911. S. 1. — Ders., Ibid. Bd. 39. 1913/14. 
S. 394. — Seiffert, G., Zeitschr. f. Hyg. Bd. 71. 1912. 561. — Thaysen, 
A. C., Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Ba 67. 1912. S. à. 


Nachtrag bei der Korrektur den 18. Jan. 1927. 


Inzwischen ist es gelungen, die einzigen beiden sekundär ‚hellen‘ 
(= salizinnichtangreifenden) Stämme (in Tafel II als Endstämme D 
und E bezeichnet), deren Rückverwandlung in Salizinvergärer nach 130 
Passagen noch nicht erreicht war, durch 193 Salizinagarpassagen in 
salizinangreifende Stämme zurückzuführen. Die aufgeworfene 
Frage, ob hier eine ‚„Verlustmutation‘‘ vorliege, ist daher für diese 
Stämme in negativem Sinne entschieden. Es ist so gezeigt, daß der 
geschilderte Colistamm die Eigenschaft der Salizinspal- 
tung unter den angegebenen Bedingungen immer wieder 
von neuem erwerben und verlieren kann. 

Zum Schlusse wurde noch durch einen einfachen und zu solchem 
Zweck wohl noch kaum benutzten Versuch der Beweis erbracht, daß die 


482 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 8. 


den langen Passagen unterworfenen Endstämme unter sich und mit dem 
Ausgangsstamm übereinstimmten. Es wurde mit Pankreasextrakt (H o- 
der) ein gegen den Ausgangsstamm wirkender Bakteriophage erzeugt. 
Dieser Bakteriophage wirkte auch auf alle untersuchten Endstämme, 
während er andere Coli- Stämme nicht oder in geringerem Maße angriff. 


Nachdruck verboten. 


Ursachen biochemischer Reaktionen in der Paratyphus- 
gruppe und ihre praktische Bedeutung. 


[Aus dem Hyg. Institut der Universität München (Geh. Med. Rat 
Prof. Dr. Karl KiBkalt).] 


Von Priv.-Doz. Dr. M. Knorr. 


Mit 1 Abbildung im Text. 


Bitter, Weigmann und Habs haben vor kurzem (Münch. med. 
Wochenschr. 1926. S. 940) die Rhamnose-Methylrotreaktion (R.M.R.) 
zur Unterscheidung von Schottmüller- und Breslaustämmen an- 
gegeben. Beide Arten zerlegen Rhamnose unter Säure und Gasbildung 
(s. a. Standfuß, Bakt. Fleischbeschau. S. 41), aber verschieden 
stark. Wenn man den Proben nach genau 15stiind. Bebrütung Methyl- 
rot in der Weise zusetzt, wie man mit diesem Indikator den px-Wert 
bestimmt, soll eine Unterscheidung in dem Sinne möglich sein, daß 
Breslaustämme rot, Schottmüllerstämme gelb sind. 


Wir haben die R.M.R. nachgeprüft und können die Angaben 
der Kieler Autoren voll bestätigen. Allerdings fanden auch wir, und 
zwar häufiger, Fehlresultate. 


Bitter, Weigmann und Habs berichten, daß sich von 111 Schott- 
müllerstämmen 3 atyp. verhielten, d. h. sie bildeten nach 15 Std. soviel Säure, 
daß die R.M.R. für Breslau sprach. Andererseits gab von 72 Breslaustiimmen einer 
dıe gelbe Schottmnllermektion, 


Wäre dieses Verhalten regelmäßig gewesen, so könnte man annehmen, daß 
den 3 Schottmüllerstämmen eine besondere Fähigkeit der Rhamnosezerl 
zukiime, die dem Breslaustamm fehlte. Aehnliche Befunde sind bekannt. So sin 
nach Braun und Cahn-Bronner Stämme der gleichen Art ernährungs - physio- 
logisch verschieden (Bioch. Zeitschr. 131. S. 226). Schloßberger, eek 
und Joffe fanden Xylose vergiirende und nichtvergärende Typhusstämme (Zeitschr. 
t. Hyg. Bd. 105. S. 564). Man konnte sogar auf Grund des bioch. Verhaltens der 
herausgezüchteten Stämme manche Epidemien klären (Mandelbaum, s. Meta- 
typhus. Münch. med. Wochenschr. 1908. 8. 19). 


Man hätte so die atypischen Stämme der Rhamnosereaktion zum Ausgangs- 
punkt derartiger Untersuchungen machen können, wenn nicht die weiteren Angaben 


von Bitter, Weigmann und Habs die Untersuchungen in andere Richtung 
gebracht hätten. 


Knorr, Ursachen biochemischer Reaktionen in der Paratyphusgruppe usw. 483 


Ein atyp. Schottmüllerstamm verhielt sich nämlich bei der ersten Prüfung 
typischer als sonst, indem er rotgelb reagierte. Der 2. atyp. Schottmüller- 
stamm zeigte ebenfalls in den beiden ersten Versuchen rotgelbe Reaktion, dann 
später rote. Auch ein weiterer Stamm aus Rußland zeigte einmal die abweichende 

otreaktion. Bei Breslaustimmen konnte gelegentlich ebenfalls ein ver- 
schiedener Ausfall der Reaktion beobachtet werden: z. B. zunächst gelbrot, dann 
gelb, erst beim 3. Male rot. 


Ist es nun möglich, dieses Schwanken der Reaktion 
zu erklären und welche Folgerungen für die Praxis er- 
geben sich daraus? 


Ich habe früher (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 99. S. 25) darauf 
hingewiesen, daß frische Schottmüllerstämme auf Gelatine die von L. Heim 
(Münch. med. Wochenschr. 1919. S. 1399) beschriebene Kuppenform mit flammen- 
förmiger Zeichnung, frische Breslaustämme, weinblattförmige, durchsichtige flache 
Kolonien meist ohne Zeichnung bilden. Die Schottmüller stämme können nun 
beim Altern weinblattförmige Kolonien abspalten. Aus Breslaustäimmen sah ich 
bis jetzt nie Kuppenformen entstehen. Auch die übrigen Wallbildner der Paratyphus- 
gruppe (Gärtner, Suipestifer, kurz Fleischvergifter) zeigen ein ähnliches Ver- 

ten. 


Es mußte auffallen, daß nach den Ausführungen der Kieler 
Autoren die Reaktion vom Schleimbildungsvermögen!) abhängt, da 
neben den Schottmüllerstämmen fast alle Schleimbildner der Para- 
typhusgruppe?) gelb reagieren sollten. Stand nun tatsächlich die 
Schleimbildung mit dem Ausfall der Reaktion in Zusammenhang, dann 
mußte dies am deutlichsten bei den Stämmen in Erscheinung treten, die 
er oben dargelegt wurde, in 2 Wuchsformen auf Gelatineplatten er- 
scheinen. 


Mit 7 derartigen Paratyphusstämmen wurden 156 Versuche gemacht. Die 
Abimpfung geschah stets von Gelatineplatten, die immer wieder von Aussaaten 
von Belatineplatten ewonnen waren. Bei der großen Zahl von Versuchen steht 
dieses Verfahren wont der Einzellkultur praktisch am nächsten. 


Die Aussaat von 84 kuppenförmigen, also schleimbildenden Kolo- 
nien zeigte nach 15 Std. 57mal die R.M.R. im gelb, 23mal im 
orange?) und 4mal im rot; von 72 weinblattförmigen, also nicht 





1) Im Rahmen dieser Untersuchungen ist nur das Schleimbildungsvermögen 
aut den gebräuchlichen Nährböden gemeint; die von Elkeles durch Züchtung 
auf hochprozentigen Kochsalzagar erzielte Schleimbildung von Breslaustämmen 
(Centralbl. t. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 98. S. 338) die wir tätigen konnten, muß 
hier als etwas außergewöhnliches unberücksichtigt bleiben. Ich werde darauf in Unter- 
suchungen mit Herrn cand. med. Braun zurückkommen. (Die Abhängigkeit der 
Schleimbildung auf synthetischen Nährmitteln von milchsauren Salzen). 

2) Ueber die Ursachen des angeblich abweichenden Verhaltens der mit 
Gärtner verwandten C,N,-Stämme will ich hier weitere Ausführung nicht 
machen, da diese Stämme vorläufig keine größere praktische Bedeutung haben 
und ich nicht in der Lage war, melirere Stämme zu prüfen. 

3) Ich habe von einer farbtechnisch gut unterrichteten Laborantin die Farb- 
töne aufzeichnen lassen. Sie gingen vom kalten blauen Rot über Warmrot zu 
Zinnober, Rotorange, Orange, Orangegelb, Gelborange bis zum Cadmiumgelb. 
Man sieht daraus, daß die Farbtöne gelb und rot nicht ausreichen. Zum min- 
desten ist die Einführung von Orange nötig, schon deshalb, weil dieser Farbton 
keine Differenzierung gestattet. In dieser Arbeit ist alles bis Rotorange als rot, 
ne und Orangegelb als orange. Gelborange bis Cadmiumgelb als gelb be- 
zeichnet. 


484 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 8. 


schleimbildenden Kolonien ergab die Abimpfung 61mal die Rot-, 7mal 
die Orange- und 4mal die Gelbreaktion. 


Diese Feststellungen schränken natürlich die Zuverlässigkeit der 
R.M.R. ein. Ein Stamm, der zur Aufspaltung neigt, wird häufig nicht 
eindeutig erfaßt werden können. 


Die Reaktion wird auch wechseln, je nachdem in den Kuppen und den 
Weinblattformen der Aufspaltungsvorgang in den anderen Typ schon mehr oder 
weniger weit fortgeschritten ist. Da der Umschlag von Kuppen zu Weinblattform 
die Regel ist und die Weinblattformen eine beträchtliche züchterische Festigkeit 
besitzen, nimmt es nicht wunder, daß von 84 Kuppenaussaaten nur 57 die 
typische Gelbreaktion zeigen. Andererseits entsprachen aber die 11 atypischen 

eaktionen unter 72 Versuchen bei Aussaat weinblattförmiger Kolonien nicht der 
Seltenheit des Entstehens einer Kuppenform aus einer Weinblattform. 


Es lag nahe, die Vermehrungsgeschwindigkeit der Keime in Rham- 
nosebrühe in Zusammenhang mit dem Ausfall der Reaktion zu bringen. 
Es wurde zunächst die Keimzahl in der Einsaat und nach 15 Std. die 
Ernte bestimmt, hierauf die R.M.R. angestellt. 





























Stamm Aussaat | Ernte R.M.R. 
Breslau a 200 | 422000 gelb 
(Reine Weinblattform) 1200 | 975 000 rot 
Breslau Makrele 200 360 000 orange 
(Reine Weinblattform) 12 900 000 rot 
Dg). 85 :) 480 000 gelb 
2000 750 000 orange 
Fleischvergifter ?) 42 210000 | gelb 
(Abgespaltene Weinblattform) 400 450 000 orange 
Del. 180 420000 | gelb 
(Kuppenform) 2700 500000 | i 
Schottmüller a 166 150 000 gelb 
1000 330 000 » 


Ich habe ferner, um den Möglichkeiten des praktischen Labora- 
toriumsbetriebes näher zu kommen, ein eben noch sichtbares Stippchen 
und etwa das 6fache davon eingesät. So konnten mit echten Bres- 
laustämmen bei geringerer Einsaat ebenfalls die schönsten Schott- 
müllerreaktionen erzielt werden, nie aber mit einem nur in 
Kuppenform wachsenden Schottmüllerstamm, selbst bei méhr als 
um das 6fache gesteigerter Einsaat, rote Breslaureaktionen. 

Damit waren die bisherigen Ergebnisse in ihren ursächlichen Zu- 
sammenhängen weiter geklärt: Die Reaktionsbreite von gelb- rot der 
echten nichtschleimbildenden Weinblattformen, also nicht nur der Ab- 


1) Dieser Versuch ist etwa 2 Mon. später ausgeführt worden, als der voran- 
gehende. Die Ursachen für das etwas abweichende Verhalten liegen in den ver- 
wickelten Verhältnissen der Keimvermehrung, die nur das Herausschälen gröberer 
Unterschiede gestatten; vielleicht auch darin, daß der 1. Versuch im Reagenzglas, 
der 2. im Kölbchen ausgeführt wurde. 

2) Der ,,Fleischvergifter“ ist nach den bisherigen Untersuchungen mit dem 
Typ Freiburg identisch. Der Typ scheint überhaupt häufiger zu sein 
(Uhlenhuth u. Seiffert, Deutsch. med. Wochenschr. 26. S. 737). 


A "08 


Knorr, Ursachen biochemischer Reaktionen in der Paratyphusgruppe usw. 485 


spaltungen, ist oft nur durch die Einsaatmenge bedingt. Dagegen ist 
die Gelb-Reaktion der nur schleimbildenden Kuppenformen nahezu 
völlig unabhängig von der Einsaat. Zur Aufspaltung neigende Kuppen- 
formen können, je nach der Zahl der eingesäten Keime, mit oder ohne 
Neigung zur Schleimbildung, von Gelb bis Rot reagieren. Bei Abimpfung 
deutlich schleimiger Kolonien wird die Wahrscheinlichkeit, überwiegend 
Keime mit Nichtschleimbildung auszusäen und so Rotreaktion zu er- 
halten, gering sein. 

Folgende Zusammenstellung gibt über 100 Versuche Aufschluß, die 
ohne genau bestimmte Einsaatmenge auf ihre Ernte und R.M.R. ge- 
prüft wurden. 
































r Kuppenformen F X : 

Ver- Keimzahl 

suchs-| obne | mit gie Mittel- | R.M.R. 
zahl Abspaltung reine |abgespaltene wu 

Gruppe I 44 17 21 2 4 367000 | gelb 

Mittelwert (232 000) | (336 000) | (410 000) (493 000) 5 A 

Gruppe II | 26 1 5 9 11 630000 | orange 

Mittelwert (514000) | (693000) | (618000) (697 000) R ‘ 

Gruppe III; 30 n 1 19 10 901 000 rot 

Mittelwert š = (900 000) | (950 000) (854 000) . . 





Die Keimzählung geschah mikroskopisch mit Zählokular von L. Heim 
(Leitz). Es kann hier nicht auf Besprechung der Methodik und die Möglich- 
keiten ‘der Bewertung der Keimzählung eingegangen werden. Die Keimzählung hat 
natürlich Fehlerquellen (nach Neißer + 7 — 1/,), die Zahl der gewachsenen 
Keime ist auch nur als Differenz zwischen der Gesamtsumme aller Keime und der 
schon abgestorbenen Keime aufzufassen. Dies gilt für Keimzahlen aus Kulturen 
bei 37% schon für die ersten Stunden. (Gotschlich, Kolle-Wassermann, 
dort auch weitere kritische Angaben über Bewertung der Keimzahl.) 


Auf die Einsaat kann auch eine mehr oder minder lange Latenzperiode 
unter anderem mit Abnahme der Keime folgen. All diese Umstände müßten natürlich 
erfaßt werden, wenn man ein annähernd genaues Bild von dem Verlauf des Lebens 
der eingesäten Keime haben wollte. Wir brauchen aber hier nur Vergleichs- 
werte. Der Vergleich wird besonders mit Gruppe III nicht ganz einwandfrei 
sein. Zunächst neigen manche Weinblattformen stärker zur Flöckchenbildung als 
Kuppenformen. Auch durch Schütteln kann dieser Fehler nicht ausreichend be- 
seitigt werden. Dann ergaben Beobachtungen, daß die Zahlen zwischen 12 und 
15 Std. höher liegen können als nach 15 Std. In Fig. 1 sind die Beziehungen 
Keimzahl zu R.M.R. graphisch dargestellt. 


Die Keimzahlen sind nach 15stünd. Bebrütung der Rhamnosebrühe bestimmt. 
Die zur Aussaat benützte Oese hatte ein Mittelgewicht von 3,25 mg. Zufolge der 
Wägungen war die Abweichungen des Gewichts vom Mittel nach unten 15 Proz., 
nach oben 10 Proz. Würde man die Darstellung unter Zugrundelegung der Er- 
gebnisse nach 21—24 Std. machen, dann würde die Zahl der Orange- und Gelb- 
reaktionen, die durch höhere Keimzahlen bedingt sind, zunehmen. Es begann 
nämlich der steile Anstieg der Kuppenformkurven (Schottmüller) erst nach 
15 Std. Da die Säurebildung dieser Stämme entsprechend der anfänglich geringeren 
Keimzahl und dem oft schwächeren Vermögen, Säure zu bilden, in der Anwuchszeit 
(1 bis 15, vor allem 9—15 Std.) gering war, wird die Keimvermehrung nicht so rasch 
hintangehalten, wie bei Weinblattformen. Diese Umstände führen dann zu Keimzahlen 
bis über 1 Million im Gelb, vorwiegend im Orange, dann allerdings sehr rasch, im 
Rot. Mit anderen Worten: Rasche Vermehrung und gleichlaufende Rhamnose- 
zerlegung der Weinblattformen (Breslau) zwischen 9 und 15 Std., Gleichbleiben 
oder Verringerung der Keimzahl nach dieser Zeit infolge Säurung und Brutschrank- 
temperatur (36,50); rasche Vermehrung der Kuppenformen nach 15, oft erst nach 


486 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 8. 


21 Std., so daß bei der oft noch geringeren Fähigkeit der Rhamnosezerlegung erst 
nach 21 bzw. noch später die der Keimzahl entsprechende R.M.R. vorhanden 
sein kann. 


Einen quantitativen Ausdruck für die Vermehrungsenergie be- 
kommen wir durch die Bestimmung der Generationsdauer. Auch 
hier wird die Genauigkeit des Vergleichs durch verschiedene Um- 
stände (Alter der eingesäten Kultur, Annahme, daß nach einer ge- 
wissen Zeit aus jedem Keim 2 Keime werden, Nährbodenänderung usw.) 
gestört. — Ich habe mit 17 Paratyphusstämmen in 70 Versuchen die 
Generationsdauer nach der Formel von Buchner, Longard und 
und Riedlin bestimmt. 


Bei Aussaat von 50—5000 Keimen ergab sich: 1) für reine, ganz schleimige 
Kuppenformen eine Generationsdauer von 1,76 bis 3 Std.; 2) für Kuppenformen 
mit dem Vermögen, Weinblattformen abzuspalten, 1,36 bis 3 Std.; Ei) für ab- 
gespaltene Weinblattformen, denen Vermögen für Schleimbildung praktisch fehlt, 
1,15—1,76 Std.; 4) für nicht abgespaltene reine Weinblattformen 1,20—1,76 Std. 


Für die Praxis ergibt sich zunächst aus diesen Untersuchungen, 
daß die R.M.R. wechselnde Befunde haben kann, die auf folgende Ur- 
sachen zurückgeführt werden können: 

1) Ungleiche Aussaatmengen. — 2) Aufspaltung reiner Kuppen- 
formen in Weinblatt- und Kuppenformen, die damit gleichlaufende 
Aenderung der Vermehrungsgeschwindigkeit und der zeitlichen Rham- 
nosezerlegung. — 3) Verminderte Vermehrungsgeschwindigkeit, die nicht 
bloß frischen, reinen Schleimbildnern (Schottmüller, Gärtner 
usw.), sondern auch nicht schleimbildenden Weinblattformen, vor allem 
älteren Stämmen hier und da eigen zu sein scheint, und ausschlaggebend 
für das Zustandekommen der gelben R.M.R. ist. 

Wenn man Fehlergebnisse oder falsche Bewertung der Ergebnisse 
vermeiden will, muß man 

1) zur R.M.R. nur eine reichliche Aussaat möglichst frischer 
Stämme benutzen, 2) durch gleichlaufende Gelatineplatten in zwei- 
deutigen Fällen auf Abspaltungsvorgänge fahnden. 


Was man unter ,reichlicher* Einsaat bei grober Kalkulation zu verstehen hat, 
ergibt die Formel nach Buchner, Longard und Riedlin (Einsaat a, 
Ernte b, Zahl der Generationen n)a-2n = b. Eine reine Weinblattform (Breslau) 
würde sich z. B. alle 1,5 Std. teilen, also in 15 Std. 10 Generationen aufweisen. 
Als Ernte sind bei Rotreaktion durchschnittlich 900000 Keime nötig (s. o.). Somit 
rund 1000 :a—900000, a=900. Es würde also ungefähr die Einsaat von einer 
4 mg-Oese Brühekultur in 5 ccm Rhamnosebrühe genügen, wenn die Oese rund 
1 Million Keime enthielt. 

Wie man die Abspaltungsvorgänge zu beurteilen hat, zeigt folgendes Schema : 


Reine, ganz schleimige Kuppenform 
(Gelatineplatten) 
(Sehottmüller, frische Gärtner und Fleischvergifter außer 
Breslau). R.M.R. unabhängig von Einsaatmenge „Gelb“ in 
15 Std. Zahl der Generationen in Rhamnosebrühe 5—8,5 
Strich- und Punktkultur von Fleischbrühe auf Fleischwasser- 
agar Wall fast stets lückenlos) 


Ueberimpfung 

(Gelatineplatten) 
(Die Zahl der zur Aufspaltung nötigen Ueberimpfungen ist 
wechselnd. Oft Jahre hindurch keine Aufspaltung zu 





nn À 


Knorr, Ursachen biochemisel.er Reaktionen in der Paratyphusgruppe usw. 487 


erzielen, oft schon nach einer Ueberimpfung besonders 
bei Gärtner und ne a 


ge RE, 
Reine, ganz oder Hidh schleimige Reine, nicht e nur teilweise schleimige 
_Kuppenform Weinblattform 
R.M.R. hä abhängig yon Ein- R.M.R. fast stets abhängig von Ein- 


saatmenge ,Gelb-Orange-Rot“; bei saatmenge „Gelb-Orange-Rot“; bei 
Ne Einsaat 75 Proz. gelb, 20 Proz. timaler Einsaat rund 40 Proz. orange, 

range, 5 Proz. rot. Zahl der Genera- 6b Proz. rot. Zahl der Geuerationen in 
dos in Rhamnosebrühe 5—11 Rhamnosebrühe 8,5—13 


Strich- und Punktkultur von Fleisch- Strich- und Punktkultur von Fleisch- 
brühe auf Fleischwasseragar Wall häufig brühe auf Fleischwasseragar ohne Wall 


mit Lücken häufig „Knospen“ 
| 
Ueberimpfung Ueberimpfung 
(Gelatineplatten) (Gelatineplatten) 
Kuppen- und Weinblattformen Weinblatt- und Kuppenformen 
(selten unter 80 Proz. Kuppenformen) (häufig 100 Proz. Weinblattformen) 








Mm 






































ft 
|| 
i 









































Tausend — Millionen — 


Fig. 1. 
Erklärun = Gelb, Orange, = Rot. . 
Ordinate: Proz. der écho Abszisse: Köimvahlen mit til von 100 000. 


Es wurde versucht, die Abhängigkeit einer biochemischen Reaktion 
von züchterischen Merkmalen und quantitativen Vorgängen zu zeigen 
und ihre Bedeutung für die Praxis darzulegen. Diese ist deshalb von 
praktischer Bedeutung, weil man gerade in der Paratyphusgruppe die 
Ausnahmen vom sogenannten Kieler Schema zum Ausgangspunkt des 
Angriffes gegen diese Lehre macht. Dies hat jedoch nur dann einen 
Sinn, wenn man Fehlerquellen der üblichen bakteriologischen Unter- 
scheidungsmittel zu beherrschen versucht und nicht nur Beobachtungen 


488 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 8. 


als Gegenbeweis anführt. Wir haben deshalb auch seit einem Jahr 
Untersuchungen über die Ursachen der Wallbildung eingeleitet. Außer 
der Arbeit von Elkeles über den Einfluß von NaCl und den Angaben 
von R. Müller (Zustandekommen bei Z.-T., nur auf Fleischwasser- 
peptonagar) liegt meines Wissens nichts einschlägiges vor. Wir be- 
nützen also auch hier ein Unterscheidungsmittel in einer wichtigen 
medizinischen Frage, ohne stets sagen zu können, wie es zustande kam, 
oder warum es nicht klappte. Es ist natürlich auch unmöglich, vom 
Bakteriologen zu verlangen, derartige biologische Vorgänge etwa in 
eine Formel zu zwängen. Es interferieren beim Arbeiten mit lebenden 
Dingen sehr oft auch beim Bakteriologen nicht erfaßbare Faktoren. 
Man soll aber nie übersehen, daß die Ergebnisse der Praxis erst durch 
quantitative Vorstellungen einen festeren Grund erhalten. Ich habe 
dies früher (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 87. 1921. S. 339). 
schon für den Nachweis der Ruhrbazillen im strömenden Blut gezeigt. 
Ich verweise hier deshalb auf diese Untersuchungen, weil neuerdings 
(Münch. med. Wochenschr. 26. S. 1926) H. Spranger von diesen 
merkwürdigen Befunden berichtet!). Auch ihre Ursachen liegen nicht 
nur in der Art, dem Stamm und dem Zustand der Zucht, sondern auch 
in der Zahl: Eine geringe Aussaat von Shiga-Kruse-Keimen 
ging in der zur Blutanreicherung benutzten Rindergalle zugrunde, einer 
reichlicheren folgte meistens Vermehrung. Die unter der alten Be- 
zeichnung verstamdenen Pseudodysenteriestämme unterlagen dagegen der 
bakteriziden Wirkung der Galle auch bei geringerer Einsaat nicht. 


Nachdruck verboten. 


Ueber die Entstehung der sekundären Strahlen in sonnen- 
belichteten Nährmitteln und deren bakterientötende 
Eigenschaft, 


[Aus dem Bakteriologischen Institut in Vel. Bečkerek, Jugoslavien.] 
Von Dr. Vojin Dimitrijevic-Speth, Chef des Institutes. 


Bei Sporenabtétungsversuchen im Sonnenlicht fiel mir auf, daB 
auf den unbeimpften Rest der Agaroberfläche aufgestrichene Typhus- 
bakterien kein Wachstum zeigten. Um das regelmäßige Auftreten dieser 
Erscheinung zu prüfen, hängte ich an Fäden 6 Schrägagarröhrchen 
an einem Fenster der Ostseite so auf, daß sie den ganzen Vormittag der 
Sonne ausgesetzt waren, und schaltete zwischen diese Röhrchen 2 eben- 
solche mit doppelter Stanniolumwicklung ein, so daß bei letzteren die 


1) Bis jetzt sind nach dem Schrifttum 17 Fälle bekannt, wo mit der Galle- 
anreicherung Pseudodys., 6 Fälle wo Shiga-Kruse im Blute nachgewiesen wurde 
(s. a. H. Späth, Die Bedeutung des Nachweises von Ruhrkeimen in inneren Or- 
ganen und ihren Sekreten, besonders in der Galle. [Inaug.-Diss.]. Erlangen 1925). 


-m ee ae —— 





Dimitrijevic-Speth, Sekundäre Strahlen in sonnenbelichteten Nährmitteln. 489 


Einwirkung des Sonnenlichtes ausgeschlossen war. Nach 12 Tagen 
wurden alle 8 Röhrchen mit je 1 Oese einer homogenen Emulsion von 
Typhusbakterien einschließlich des Kondenswassers beimpft. Während 
die 2 unbelichteten Röhrchen üppiges Wachstum im Kondenswasser und 
dem ganzen Ausstrich entlang zeigten, blieben die 6 belichteten Röhr- 
chen ohne jedes Wachstum auf der Agaroberfläche und nur bei 3 war 
das Kondenswasser schwach getrübt. 

Um die Sonnungszeit annähernd quantitativ festzulegen, hängte 
ich eine Menge der verschiedensten Nährmittel auf grauem Hinter- 
grund in die Sonne an der Südseite. Für Laboratoriumsstämme von Bac. 
typhi abdom. ergab sich folgendes (gültig für Schrägagar): 

Nach 1—4 Tagen: Wachstum zeitlich immer mehr verlangsamt und bleibt auch 
nach ‚Wochen erer als bei der unbelichteten Kontrolle. 

Nach 8—10 Tagen: Wachstum nur in der Kondenswassernähe und im Kondens- 
wasser selbst. 

Nach 14—16 Tagen: Meist völlig sterile Röhrchen. nur vereinzelt im Kondens- 
wasser leichte Trübung, jedoch erst nach 60 Std. Brutschrank bemerkbar. 

ach 20 Tagen: Alle Röhrchen steril. 


Da die lange Sonnung die Versuche sehr verzögert, versuchte ich 
jetzt schon, die auch anderweitig interessante Frage zu lösen, ob auch 
andere Lichtarten außer dem Sonnenlicht dieselbe Wirkung erzeugen. 

Eine Reihe von 8 parallel aufgehängten Schrägagarröhrchen wurde 
im dunklen Schrank in 20 cm Entfernung einer elektrischen Birne 
von 32 Kerzen gegenübergestellt. Nach 14 Tagen und Nächten un- 
unterbrochener Brennzeit war noch nicht einmal eine geringe Hemmung 
bemerkbar. 

Künstliche Höhensonne: nach 60 Min. Belichtung im Ab- 
stand. von nur 20 cm üppiges Wachstum der nachher verimpften 
Typhusbakterien. Hiermit scheint es ausgeschlossen, daß die hemmende 
Wirkung ‘der Sonnenstrahlen von den ultravioletten Strahlen ausgeht. 

Um nachzuweisen, ob die Typhusbakterien nur im Wachstum völlig 
gehemmt werden, oder ob sie unter der Wirkung der Einwirkung der 
sekundären Strahlen absterben, stellte ich folgende Versuche an: 

18 Tage sonnenbelichtete Schrägagarröhrchen wurden mit je einer 
Oese frisch auf Agar gewachsener Typhusbakterien beimpft. Nach 
24 Std. Stehen bei 379 wurde die Oberfläche des Agars mit einer 
Platinöse gut abgestreift und damit je 1 unbelichtetes Agarröhrchen 
beimpft. Diese blieben steril. Ferner wurde 1 dieser belichteten und 
beimpften Röhrchen mit steriler Galle ‘abgeschwemmt und die ab- 
geschwemmte Galle in 1 Kölbchen ‘mit 80 ccm Bouillon gebracht. 
Auch diese blieb im Brutschrank nach mehreren Tagen steril. Die 
Typhusbakterien werden also in den sonnenbelichteten 
Agarröhrchen abgetötet. 

Diese wachstumshemmende und bei längerer Sonnenbelichtung ab- 
tötende Wirkung geht beim Stehen im Dunkeln allmählich wieder ver- 
loren. Auf Agar mit kontrollierter abtötender Dosis konnte ich wieder- 
holt schon nach 4tägigem Stehen im Dunkeln mager gewachsenen Rasen 
von Typhusbakterien erzielen. Nach 14tägigem Dunkelstehen war nur 
noch ein kleiner Unterschied gegenüber der unbelichteten Kontrolle 
vorhanden. 

Die schwierige Frage einer eventuellen elektiven Resistenz von 
bestimmten Bakterien gegenüber den sekundären Strahlen kann ich 

Erste Abt. Orig. Bd. 101. Heft 8. 32 


490 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 8. 


leider nicht aufklären. Auffallend ist nur, daß Schimmelpilze und 
mehrere Arten von Luftkeimen auf absichtlich unsteril behandelten 
Röhrchen lange vor dem Typhusbakterium wuchsen und auffallend 
fette Kolonien bildeten. i ' 

Daß es sich nicht um eine einfache Zerstörung von lebenswichtigen 
Substanzen im Nährboden handelt, beweist schon mit Wahrscheinlich- 
keit die Erholung derselben im Dunkeln. Ferner gelingt es nicht, durch 
Auftropfen von frischer Bouillon auf den belichteten Agar, denselben 
zu regenerieren. 

Was die Art der Nährmittel selbst anbelangt, trat in physiol. 
Kochsalzlösung auch nach 40 Tagen keine hemmende Wirkung auf. In 
Bouillon erst nach 24 Tagen bei einigen Röhrchen völlige Abtötung, 
bei anderen so stark Hemmung ein, daß aus der 24stünd. Kultur 
von 1 cem im Plattengußverfahren nur 3—20 Kolonien erhalten wurden. 
Mit Galle blieben alle Versuchsröhrchen nach 18 Tagen klar und von 
fünfen 4 steril, im anderen waren lebende Keime spärlich. Zur Ver- 
impfung wurde jeweils eine ganze Oese Typhusbaktcrienrasen ver- 
wendet. Gelatine funktioniert wie Bouillon. Leicht getrübter gelblicher 
Agar ist weit wirksamer als weißer gewaschener und geklärter. Eiweib- 
lösung flockt in der Sonne nach mehreren Tagen aus und verhält sich 
sonst, wie Bouillon. 

Nach alldem scheint die Vorbedingung für das Zustandekommen 
der Sekundärstrahlen die Trübung zu sein, und zwar unabhängig vom 
chemischen Aufbau des Nährmittels. 


Zusammenfassung. 


Im Agar und anderen Nährmitteln treten nach Sonnenbestrahlung 
von 1—3 Wochen zunächst Hemmung des Wachstums und später völlige 
Abtötung der nachträglich auf ihn verimpften Bakterien ein. — Diese 
Wirkung läßt sich nur durch die Annahme von sekundär im Agar auf- 
tretenden Strahlen erklären, da andere Möglichkeiten durch obige Ver- 
suche ausgeschieden sind. — Andere Lichtarten als das Sonnenlicht 
wie Quarzlicht, elektrisches Licht blieben in den Grenzen dər ge- 
prüften Lichtmenge wirkungslos. 








Inhalt. 

Dimitrijevic-Speth, Vojin, UeberdieEnt- |  Arbutin-) Vergärungsvermögen eines 
stehung der sekundären Strahlen in son- | Coli-Bakteriums in besonders ausge- 
nenbelichteten Nährmitteln und deren dehnten Versuchsreihen. Mit 2 Abbil- 
bakterientötende Eigenschaft, S. 488. dungen und 2 Tafeln im Text, S. 461. 

Ludwig Heim zum ņ0. Geburtstage. Mit | Knorr, M., Ursachen biochemischer Re- 
Abbildung, S. 457. ‚ aktionen in der Paratyphusgruppe und 

Elieneberger, Emmy, Kiinstliche Gewinn- ihre praktische Bedeutung. Mit 1 Ab- 
und Verluständerungen im Salizin- (baw. | bildung im Text, S 482. 


Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena — 5584. 








Inhaltsverzeichnis. 


I. Verzeichnis der in Band 101 enthaltenen Arbeiten. 


Acklin, Oskar, Zum Nachweis des Bac- 
terium coli commune als Fäkalindikator 
im Wasser, 178 

Alexeieff, A., Recherches sur la physio- 
logie des globules blancs. Cytodiagnostic 
et son application en clinique: 240 

Baars, G., s. MieBner, H. 

Barg, G. S., Zum Parallelismus zwischen 
den wachstumhemmenden und den 
immunisierenden Eigenschaften der Fil- 


trate nach Besredka. 328 
Bornand, M., s. Galli- Valerio, B. 
Braun, H. u. Goldschmidt, R., Die Brut- 


schrankluft als Stickstoff- bzw. Kohlen- 
stoffquelle für Typhus-, Paratyphus B-, 
Shi 
— —, Die Bedeutung der Mineralien für 
den Stoffwechsel der Bakterien der 
Typhus-Coli-Gruppe. 330 
Breindl, V., u. Jirovee, 0., Ueber einige 


Abnormitäten bei Trypanosoma Lewisi. | 


417 
Busson, B., Sterilisierung und Konser- 
vierung von Aszitesflüssigkeit zur Nähr- 
bodenbereitung. 282 
Chalapina, K., s. Sdrodowski, P. 
Dikomeit, Bruno, Ueber ein einfaches 
Verfahren zur Konservierung lebender 
Bakterienkulturen. 29C 


stehung der sekuudären Strahlen in 
sonnenbelichteten Nährmitteln und deren 
bakterientötende Eigenschaft. 488 
Dimtza, Alexander, Ueber Veränderungen 
von Coli - Stämmen 
phagenwirkung „in vivo und in vitro“. 
171 

Ebert, B., Feldmann, B., u. Gerkes, W., 
Die epidemiologische und klinische Be- 
deutung der Komplementbindungsreak- 
tion bei Rhinosklerom. II. Mitteilung. 


a-Kruse- und Coli-Bazillen. 283 | 





durch Bakterio- | 


384 | 


Feldmann, B., s. Elbert, B. 


Galli-Valerio. R., et Bornand, M., Le 
Mycobacterium aquae Galli-Valerio et 
son action pathogène. 182 

Ganz, Peter 0., Zur Anwendung von 
Trockenkomplement bei der Wasser- 
mannschen tion. 225 

Gerbasi, Michele, Bakteriologische Unter- 
suchung über einige Stämme der Strepto- 
thrix meningea. 369 

Gerkes, W., s. Elbert, B. 

Goerttler, V., Zur Technik der Anaëroben- 
ee à 156. 

Goldsehmidt, R., s. Braun, H. 

Gorini, Constantino, Ueber die Stimu- 
lierung der bakteriellen Aktivität und 
das Verhalten des B. typhi in der Milch. 


196 
Gundel, M., Diphtherieprobleme. I. Mit- 
teilung. 337 


Haupt, H., s. Klimmer, M. 

Heim, Ludwig, Zum 70. Geburtstage. 457 

Isehimoto, Y., Mit welchem Bestandteile 
des Antigens ist die Impedinwirkung 
verbunden ? 420 

—, Ueber die Rolle der Lipoide der 
Mikroben bei ihrer Phagozytose in Blut- 
kreislaufe der Versuchstiere. 425 


90 | Jirovec, ©., s. Breindl, V. 
Dimitrijevie-Speth, Vojin, Ueber die Ent- 


Klieneberger, Emmy, Ist der gaslose Para- 
typhus B-Bazillus eine besondere a 
305 

—, Künstliche Gewinn- und Verlust- 
änderungen im Salizin- (bzw. Arbutin-) 
Vergärungsvermögen eines Coli- Bak- 
teriums in besonders ausgedehnten Ver- 
suchsreihen. 461 
Klimmer, M., u. Haupt, H., Beitrag zur 
Trennung verschiedener tierpathogener 
und saprophytischer Streptokokken (des 
Streptococcus agalactiae, Str. lacticus, 
Str. equi, Str. abortus equi und des Str. 
pyogenes equi). 126 

32* 


492 


Kliewe, H., Variabilitätsstudien und Grup- 
peneinteilung bei Diphtheriebazillen Fa 
anderen Corynebakterien. 

—, Variabilitätsstudien und na 
teilung bei Diphtheriebazillen und an- 
deren Corynebakterien. II. 44 

Variabilitätsstudien und Gruppenein- 
teilung bei Diphtheriebazillen und an- 
deren Corynebakterien. III. 199 


Knorr, M., Ursachen biochemischer Reak- 
tionen in der Paratyphusgruppe und 
ihre praktische Bedeutung. 482 


Krijgsman, B. J., Die Therapie der Kok- 
zidiose. 1. Teil: Die Kokzidiose der Ka- 
ninchen. 108 | 

Kristensen, Martin, Gärungsversuche mit 
Milzbrandbazillen. 220 


Loewenthal, Waldemar, Eine Fehldiagnose 
auf Wut? 393 
—, Zur Frage der Herpesiitiologie. 396 
Messik, R. E, Ueber Theomboeyioliarine 
gegen Amoeba endolimax und Leish- 
mania tropica. 413 | 
Mießner, H., u. Baars. G., Immunisierung | 
gegen Lyssa der Hunde mit Lyssin. 79 
Moehtor, Achmad, s. Schüffner. W. 
Murakami, Katsuro, Ueber Milch ge- 
rinnende Arten von Pseudodysenterie- | 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. 





bazıllen. 377 
Müller, Reiner, Borstenwürmer im mensch- 
lichen Körper (Pachydrilus lineatus). 
151 

Panayotatou, Angelique, Sur une „My- 
cose“ isolée de la langue d’un malade. 
„Penicillium linguae (genre Scopular- 


opsis)“. 231 
Perekropofl, G. I., Sur la question des | 
parasites du type Gergentella. 229 | 


Pfalz, G. J., Ueber bakteriophage Wir- 
kungen bei Meningokokken. 209 
Preisz, H. v.. Zwei eigenartige Varianten 





des Pestbazillus. 65 | 
Pribram, Ernst, Die Gruppe des B. sep- | 
ticaemiae h: vemorrhagicae. 18 | 


Reyman, (+. C., Versuche mit einer Methode 
zur Bestimmung der Keimzahl anaerober 


Originale. Bd. 101. Heft 8. 


Kulturen unter Verwendung von Höhen- 
schicht und Reduktionsmittel. 438 
Robitschek, Walter, Invasion von Stron 
loides intestinalis in den Urogenitaltrakt. 
419 
Sakai, Kikuo, Bakteriologische Unter- 
suchung der Paratyphusepidemie im 
Lehrerseminar zu Sendai. 193 
Sanfelice, Francesco, Paratuberkulose- 
Schutzimpfung und Heilung. 358 
Schmidt, Fr., Merversuch und Kulturver- 
fahren zum Nachweis von Tuberkel- 
bazillen im Sputum. 364 
Schiiffuer, W., u. Achmad Moehtar, Ver- 
suche zur Aufteilung von Leptospiren- 
stämmen, mit einleitenden Bemerkungen 
über den Verlauf von Agglutination und 
Lysis. 405 
Schw arze, E., Zur Biologie eines bei Ferkel- 
sterben gefundenen Streptokokkus 148 
Sdrodowski, P., u. Chalapina, K., Ueber 
die aktive Immunisierung gegen Di- 
phtherie mittels Anatoxin. II. Mit- 
teilung. 350 
Seligmann, E., Artumwandlung in der 
Enteritisgruppe. Il. Mitteilung. 161 
Shmamine, Tohl, Agar als Einschluß- 
medium für die” Untersuchung im Dun- 
kelfeld. 279 
Shwartzman, Gregory, The rate of re- 
duction of methylene blue by Bacillus 
coli in the course of the Bacteriopha 
phenomenon. “BL 


| Spranger, Heinz, Die Frage der Verwen- 


dung des Isopropylalkohols als Desinfek- 
tionsmittel an Stelle von Aethylalkohol 
36 

Wohlfeil, T., Zur Methodik des Typhus- 
ra in der Milch. 311 
Wolf, L. K., Ueber ein auch bei tropi- 
scher Temperatur steriles Wasser liefern- 


II. Sachverzeichnis. 


Agar, EinschluBmedium fiir Dunkelfeld- 


| 


untersuchung. 279 | 
Agglutination bei Leptospirenstimmen. 
405 

Amoeba endolimax, Thrombozytobarine | 
gegen dieselben. i 413 

Anaerobenzüchtung, Technik. 156 | 
Anaerobier, Keimzahlbestimmung. L38 
Anatoxin zur Diphtherieimmunisierung. 


350 


des Filter. 
Yakimoff, W. L., Le toxoplasme des pois- 
sons. 217 
Zuelzer, Margarete, Ueber Bacterium 
spirilloides n. sp., ein bisher unbe- 
kanntes Bakterium. 1 
Antigen, Bestandteile desselben und 
Impedinwirkung. 420 


Ascitesflüssigkeit, Sterilisierung und Kon- 
servierung derselben. 
Auswurf, Tuberkelbazillennachweis in dem- 


selben. 364 
Bac. coli, Fäkalindikator im Wasser. 178 
—, Methylenblaureduktion. 62 
- -, Salizin-Vergärungsvermügen. 461 


Inhaltsverzeichnis. 


Bac. eoli, Veränderung durch Bakterio- 
phagen. 171 
Bae. enteritidis Gärtner, Artumwandlung. 
161 


Bac. paratyphi B, lose Form. 305 
Bac. beendodyaen atina; M Milch gerinnende 

Arten. 377 
Bac. septicaemiae haemorrhagicae. 78 
Bact. spirilloides n. sp. 1 


Bakterien der Enteritisgruppe, Artumwand- 
lung. 161 


— der Paratyphusgruppe, biochemische 
Reaktionen. | 

— der Typhus-Coli-Gruppe, Stoffwechsel 
derselben. 330 

— der Tynu Coli- Ruhrgruppe, Stick- 
stoff- bzw. Kohlenstoffquelle für die- 
selben. 283 


Bakterienkulturen, lebende, Konservierun 
derselben. 2 


zytose. 425 
Bakteriophage, Methylenblaureduktion. 62 

, Wirkung auf Bac. coli. 171 

—, Wirkung auf Meningokokken. 209 
Besredka-Filtrate, Eigenschaften derselben. 


328 

Blutkörperchen, weiße, Physiologie der- 
selben. 240 
Borstenwürmer, Vorkommen im Menschen. 
151 


Brutschrankluftals Stickstoff- bzw. Kohlen- 
stoffquelle für Bakterien. 283 


Coli - Typhus - Gruppe, Stoffwechsel der- 

selben. 330 
Corynebakterien, Biologie derselben. 337 
—, Gruppeneinteilung. 6, 44, 199 
—, Variabilität. 6, 44, 199 


Desinfektion mittels Isopropylalkohol. 
— durch Sonnenlicht. 
Diphtherie, Immunisierung, aktive, mittels 





236 i 


| Leishmania tropica, 
Bakterienlipoide, Bedeutung bei der Phago- | 


493 


Isopropylalkohol als Denkt 


Kaninchen-Kokzidiose, Therapie Glen 
1 


Keimzahlbestimmung in anaeroben Kul- 
turen. 438 
Kohlenstoffquelle für Bakterien. 283 
Kokzidiose der Kaninchen, Therapie der- 
selben. 108 
Komplement, Trocken- s. Trockenkom- 

plement. 
Komplementbindungsreaktion bei Rhino- 
sklerom. 384 
Konservierung von BABES GEN: 
Kreolintherapie der Kaninchen-Kokzidiose. 
108 


Thrombozytobarine 
gegen dieselben. 413 
een, Aufteilung durch 
gglutination und Lysis. 405 
Lin e der Bakterien, Bedeutung bei der 
pi zytose. 425 
Lysie bei EIER: 405 
Lyssa s. 
Lyssin, SEITEN von Hunden mit 
demselben. 79 


Meningokokken , 
bei denselben. 
DRS bei Colibakterio- 
62 


Sn oi LEE LUG 


when intestins in der- 
selben. 311 

—, Verhalten der Typhusbazillen in der- 
selben. 196 

| Milzbrandbazillen, Gärungsversuche mit 
denselben. 221 
Monophagen, Physiologie derselben. 240 


488 | 


Mycobacterium aquae 
gene Wirkung desselben. 
Mykose der Zunge. 


ralli- Valerio, patho- 
. 182 
231 


| Nährböden, Ascitesflüssigkeit für dieselben. 


Anatoxin. 350 
Diphtherie-Probleme. 337 
Diphtheriebazillen , Gruppeneinteilung. 
—, Variabilität. 6, 44, 199, 337 | 


Dunkelfelduntersuchung, Agar als Ein- 


schlußmedium für dieselbe. 279 
Enteritisgruppe, Artumwandlung. 161 
Ferkelsterben, durch Streptokokken ver- 

ursacht. 148 
Filter, steriles Wasser bei Tropentemperatur | 

liefernd. 163 | 
Fische, Toxoplasmose derselben. 217 | 
Heim, Ludwig, zum 70. Geburtstage. 457 
Herpes, Aetiologie desselben. 397 
Histiophagen, Physiologie derselben. 240 | 
Hunde, Immunisierung gegen Wut mit 

Lyssin. 79 
Impedinwirkung. 420 | 


282 

—, sonnenbelichtete. 488 
Paratuberkulose, Schutzimpfung. 358 
Paratyphus - Epidemie,  bakteriologische 
Untersuchungen bei derselben. 193 
Paratyphus - Gruppe, biochemische Reak- 
tionen. 482 
Pachydrilus lineatus, Vorkommen im 
Menschen. 151 
Penicillium linguae. 231 
Pestbazillen, Varianten derselben. 65 


gr aaa Bedeutung der Bakterien- 
lipoide 425 


Plasmophagen, Physiologie derselben. 240 
Pse sailodiphthedebasillen j Variabilität. 
44, 199 


Rhinosklerom, Komplementbindung bei 
demselben. 384 


494 


Salizin - Vergärungsvermögen eines Bac. 
coli. 461 
Schweine s. Ferkelsterben. 
Sergentella yakimovi n. sp. 
Sonnenlicht, bakterientétende Eigenschaft 
der sekundären Strahlen. 488 
Spirochäten s. a. Leptospiren. 


Staphylokokkenfiltrate nach Br 
3 
Stickstoffquelle für Bakterien. 283 


Stoffwechsel der Bakterien der Ha 
Coli-Gruppe. 330 


Streptococcus abortus equi, Trennung ie 
12 


anderen Streptokokken. 
— agalactiae, 
_ Streptokokken. 
a , Trennung von anderen Strepto- 
ken. 126 
— lacticus, Trennung von anderen Strepto- 
kokken. = j 26 
— pyogenes equi, Trennung von anderen 
Streptokokken 


Trennung von anderen 


Streptokokken, tierpathogene und sapro- 
phytische, Trennung derselben. 126 
Drache, von Ferkelsterben. 148 
Streptothrix meningea. 369 


a tober intestinalis, Eindringen in 
rogenitaltrakt. 419 


Thrombozytobarine gegen Amoeba endo- 

limax. 413 
— gegen Leishmania tropica. 413 
Toxoplasmose der Fische. 217 


III. Verzeichnis 


Bac. coli als Fäkalindikator in Wasser. | 
179 
— —, Salizin-Vergiirungsvermégen. 463, 
467 
Bact. spirilloides n. sp. (Taf. I, II.) 6 
Bakteriophagenwirkung bei Meningo- 
kokken. 211, 212, 215 
Blutkörperchen, weiße, Physiologie und 
Diagnostik derselben. I I—1V.) 
243— 247, 253, 255, 257—2 261, 063) 
267, 269, 272— 274, 276, 278 
Diphtheriebazillen, Variabilität derselben. 
342, 344 
Dunkelfelduntersuchung. 279 
Heim, Ludwig. 457 
Herpes, Aetiologie. (Taf.) 399, 402, 405 


229 | BEER lewisi. 


126 | 


126 | 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 8. . 


Trockenkomplement bei der Wassermann- 
Reaktion. 225 
Tropen, Filter fiir steriles Wasser. 163 
Abnormitäten des- 
selben. 417 
Tuberkeibazillen Nachweis im Sputum. 


Tuberkulose, Paratuberkuloseschutzimp- 
fung bei derselben. 358 

| Typhusbazillen, Nachweis in Milch. 311 
—, Verhalten in Milch. 196 
Typhus-Coli-Gruppe, Stoffwechsel der- 
selben. 330 


Urogenitaltrakt, Eindringen von Strongy- 





loides intestinalis in denselben. 19 
Variabilität der Bakterien der Enteritis- 
gruppe. 161 

| — der Corynebakterien. 6, 44, 199 
— der Diphtheriebazillen. 6, 44, 199, 337 
— der Pestbazillen. 65 
— der Pseudodiphtheriebazillen. 44, 199 


Wasser, Bac. coli als Fäkalindikator in 


demselben. 178 
—, steriles, durch Filtration. 163 
Wassermann - Reaktion, Trockenkomple- 

ment bei derselben. 225 
Wut, Fehldiagnose. 393 
—, Immunisierung mit Lyssin. 79 
Zungenmykose. 231 


der Abbildungen. 


Kokzidiose der Kaninchen, Therapie der- 


selben. (Taf.) 126 
Leptospirenstimme, Aufteilung derselben. 
405 

Pachydrilus lineatus. 151 
| Penicillium linguae. 252, 253 
| Pestbazillen, Varianten derselben. (Taf.) 
| 77 
| Sergentella yakimovi. 231 
| Toxoplasmose der Fische. 219 
Trypanosoma lewisi, Abnormitäten bei 

| demselben. 417 
| Wasserfilter. 170 
| Wut, Fehldiagnose. (Taf.) 394, 396 











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UNIVERSITY OF ILLINOI 
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ZENTRALBLATT FUR BAKTERIOLOGIE, PARA 


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