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University of Illinois Library
L161— 0-1096
CENTRALBLATT
für
Bakteriologie, Parasitenkunde
und Infektionskrankheiten
In ‘Verbindung mit
Prof. Dr. R. Abel, Prof. Dr. M. Braun, Prof. Dr. R. Pfeiffer
Geh. Obermed.-Rat in Jena Geh. Reg.-Rat in Königsberg Geh. Med.-Rat in Breslau
herausgegeben von
Prof. Dr. O. Uhlworm, Präsident Dr. A. Weber
Geh.Reg.-Rat in Bamberg in Dresden
und
Prof. Dr. E. Gildemeister,
Ober-Reg.-Rat, Berlin-Lichterfelde-W.
Erste Abteilung. 101. Band
Medizinisch-hygienische Bakteriologie
und tierische Parasitenkunde
Originale
Mit 113 Abbildungen im Text und 10 Tafeln
Jena
Verlag von Gustav Fischer
1927
LON
Ausgegeben am 7. Dezember 1926.
Nachdruck verboten.
Ueber Bacterium spirilloides n. sp. ein bisher unbe-
kanntes Bakterium.
[Aus der bakt. Abteilung des Reichsgesundheitsamts Berlin - Dahlem.]
Von Margarete Zuelzer.
Mit 2 Tafeln.
Während meines Aufenthaltes an der Staatlichen Biologischen An-
stalt in Helgoland im Sommer 1924 und 1925 beobachtete ich lange
„ Bakterien, welche eine ziemlich starke Flexibilität zu haben schienen.
"Da die Bakterien infolge ihrer starren Membran sonst keine cigene
© Flexibilität aufweisen, schien mir das Vorkommen von Bakterien, welche,
wie ihre Flexibilität zeigt, eine elastische Membran haben müssen,
“von prinzipieller Bedeutung ' ’ ich beschloß daher, diese Bakterien
„näher zu beobachten. Die bev,ifenden Bakterien lebten meistens in
‚Gesellschaft mit marinen Spirochäten, stets an organisch leicht verun-
, reinigten Stellen. Mein Material stammt vorwiegend aus dem Scheiben-
+ haîfen von Helgoland. Im Meer sind die Bakterien etwa durchschnittlich
50—67 u lang. Die Bakterien können sich in verschiedenen Formen
biegen und winden; sie schwimmen langsam. Gelegentlich wurden bis
100 u lange Exemplare beobachtet. Die Durchschnittsdicke dieser
Organismen beträgt 1,5—2 u; die Membran kann sich gelegentlich an
einzelnen Stellen bis zu 3, u Dicke verbreitern.
Die Bakterien sind sehr zart; im Hellfeld sind sie zwar zu er-
kennen, aber die große Zartheit erschwert die Beobachtung im Hellfelde
außerordentlich. Viel besser sind die Einzelheiten im Dunkelfelde zu
verfolgen und deshalb wurden die nachstehend geschilderten Beobach-
tungen meist im Dunkelfelde gemacht. Da die Bakterien in der freien
Natur sehr vereinzelt auftraten, mußte ich versuchen, sie zu züchten,
um morphologische Untersuchungen machen zu können.
Die Kulturversuche führten nach vielen vergeblichen Versuchen
zum Ziel. Die Bakterien wuchsen und vermehrten sich in reinem, in-
aktiviertem Kaninchenserum. Die Kulturen wurden in kleinen Re-
agenzröhrchen bei niederer Temperatur weitergezüchtet. Werden die
Kulturen bei Zimmertemperatur oder wärmer gehalten, so hat dies
2 Nachteile: erstens überwuchern die Begleitbakterien sehr schnell und
^s kommt vor, daß dadurch die gesuchten Bakterien sehr bald ver-
schwinden; der zweite Uebelstand ist der, daß in den Röhrchen, in denen
die Bakterien wachsen, sie sich rapide durch schnell aufeinanderfolgende
Zweiteilungen vermehren, so rapide, daß sie im Durchschnitt nur 4—10
lang werden. Diese kurzen Bakterien zeigen kaum etwas von der mic oh
interessierenden Flexibilität. Sie schwimmen außerordentlich schnell
und sind von Spirillen kaum zu unterscheiden. Erst als ich die
Kulturen kalt, d. h. bei + 7 bis Nik C hielt, folgten gie Teilungen
Erste Abt. Orig. Bd. 101. Heft 1
630i 57
2 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3
langsamer aufeinander und infolgedessen wuchsen die einzelnen Exem-*
plare in die Länge. Es traten nun ebensolche Formen, wie ich sie
im Meer gefunden hatte, auf. Ich beschränkte mich deshalb darauf,
die Kulturen kalt zu halten. Diese Kulturen wuchsen und ver-
mehrten sich außerordentlich langsam, die Bakterien erreichten dann
aber die gleiche Durchschnittslänge wie die aus dem freien Meer be-
obachteten Formen, also etwa 50—70 u, gelegentlich 100 u. Diese
Kältekulturen können erst nach 3—4 Monaten überimpft werden; so
lange Zeit ist erforderlich, um das gewünschte Material heranwachsen
zu lassen.
Zur Herstellung von gefärbten Präparaten werden Ausstriche am
besten mit Osmiumdampf oder mit Sublimatalkohol fixiert. Essigsäure
und andere saure Fixierungsmittel sind zu vermeiden, da bei deren Ver-
wendung die Membran der Bakterien zu stark quillt. Zum Studium
des Zellinhaltes geben Giemsa -Präparate (nasse Methode) oder Fär-
bungen mit Eisenhämatoxylin die besten Bilder. Doch sind zur Kon-
trolle Hämalaun- oder Hämatoxylinpräparate nicht unbrauchbar.
Für Geißelfärbungen wandte ich mit bestem Erfolg die Loeffler -
sche Geißelfärbung an nach vorhergegangener Behandlung der Aus-
striche mit der von Ruys (1926) für Spirillum minus empfohlenen
Modifikation der Ruge-Lösung, welche auch bei Präparaten aus Kul-
turen, deren reiner Serumuntergrund sich sonst meist so stark mit-
färbt, daß die Färbung etwaiger Geißeln durch den gefärbten Unter-
grund überdeckt wird, gute Bilder ergab.
Beizen in Ruge-Lösung [100 ecm Aqu. dest., 1 ccm Eisessig
(Acid. acet.), 20 ccm Formaldehyd (Formol)], abspülen; darauf Beizen
in alter, gereifter Loeffler-Beize 1—5 Min. in der Wärme bis zur
Dampfbildung. Färben in der Wärme in Anilin-Fuchsin 1—5 Min.
Schon nach kurzer (2—5 Min.) Behandlung mit Ruge-Lösung
färbt sich der Untergrund nicht mehr, und die feinen Geißeln der Bak-
terien werden nun nach Loeffler gefärbt erkennbar. Jedoch fand
ich die sehr feinen Geißeln zuerst nicht bei gefärbten Präparaten,
sondern mit der von Neumann empfohlenen „Methode der Unter-
suchung von geißeltragenden Organismen im Dunkelfeld‘“. Ich brachte,
so wie Neumann es empfiehlt, die Bakterien in ein Tröpfchen
flüssiger Fleischbouillongelatine neutral. (7—8 Proz. Gelatine) und
untersuchte die lebenden Präparate mit sehr starker Beleuchtung im
Dunkelfeld. Diese Methode eignet sich für den Nachweis feiner Geißeln,
die sonst im Dunkelfeld nicht erkennbar sind, ganz vorzüglich und ich
konnte damit zuerst die sehr feinen Geißeln dieser Bakterien er-
kennen, während mir dies in Serum- resp. Wasserpräparaten weder im
Hell- noch im Dunkelfelde auch mit starker Beleuchtung vorher kaum
möglich gewesen war. Offenbar beruht die Neumannsche Methode
darauf, daß bei der Uebertragung der Organismen aus dem flüssigen
Serum in die Gelatinelösung sich durch eine unvollständige Benetzbarr
keit der Bakterienoberfläche mit derselben eine Luftschicht um die
Bakterien und ihre Anhänge herum bildet, und dadurch die ganze Ober-
fläche der Organismen im Dunkelfelde leuchtend und erkennbar wird.
Der Körper der Bakterien ist mehr oder weniger unregelmäßig
gewunden; die Windungen können eng oder weit sein, so daß z. B. ein
80 u langes Exemplar je nach dem 4—8 Windungen aufweisen kann.
Die kurzen, etwa 4—10 u langen Exemplare können eine oder zwei
Windungen zeigen, sind aber bisweilen auch stäbchenartig gerade. Die
Zuelzer, Bact. spirilloides n. sp. ein bisher unbekanntes Bakterium. 3
Windungen sind nicht deutlich korkenzieherartig gewunden, sondern.
scheinen mehr in einer Ebene zu liegen.
Bei den Untersuchungen der flexilen Bakterien in verflüssigter
8proz. Nährgelatinelösung konnte ich also auch ohne Geißelfärbung fest-
stellen, daß die Bakterien eine sehr feine eigenbewegliche Geißel auf-
weisen. Diese Geißel ist äußerst fein und scheint bei den kurzen wie bei
den langen Exemplaren die gleiche Länge zu behalten, ca. 10—16 u. Bei
den kurzen können die Geißeln die Körperlänge um das 3—4fache über-
treffen. Bei den langen ist die Geißel jedoch nur ein kurzer Anhang
(Fig. 1—4, Taf. 1). Bei den langen Formen sitzt die Geißel meistenteils
am hinteren Ende und wird passiv nachgeschleppt; sie gibt den langen
Organismen offenbar nicht die einzige Bewegungsmöglichkeit. Bei den
kurzen Formen ist das geißeltragende Ende bald das vordere, bald das
hintere; die Geißeln schlagen lebhaft und vermitteln bei den kurzen
Formen die Bewegung. Im Leben im Dunkelfeld in Gelatinelösung bei
guter Beleuchtung (X Immersion, Oc. 12) kann man gelegentlich be-
obachten, daß auch diese Geißeln ganz ähnlich, wie ich dies früher beim
Erreger des Rattenbißfiebers beschrieb, aus mehreren feinsten Geißeln zu-
sammengesetzt erscheinen (Fig. 1f., Taf. II). Ob es sich hier um gleiche
morphologische Verhältnisse handelt wie bei den Rattenbißspirillen, ist
schwer zu entscheiden. Diese Geißeln sind äußerst zarte Gebilde, viel
feiner als die der Rattenbifspirillen; trotzdem gelingt es gelegentlich im
Leben zu verfolgen, wie sich die scheinbar einzelne Geißel in 4—6 noch
feinere aufspaltet. Diese Geißeln machen den Eindruck, als wären
sie ein aufgespaltenes GeiBelbiischel. Ich vermag aber nicht zu ent-
scheiden, ob vielleicht solche Bilder so zu deuten sind, daß hier morpho-
logisch der feinste Bau der Geißel erkennbar ist, d. h. ob hier die
feinsten Fibrillen, aus denen eine einzelne Geißel zusammengesetzt ist,
sichtbar sind, oder ob auch diese feinen Geißeln wie bei den Spirillen
die gelegentlich aufgespaltenen Geißeln eines Geißelbüschels darstellen.
Die Aufspaltung müßte dann wohl als physiologischer Vorgang aufzu-
fassen sein. Schwimmt das Bakterium, so ist die Schwimmbewegung
mittels eines zusammengeklebten einzelnen Gebildes, wie das Geißel-
büschel eines ist, kräftiger und funktionsfähiger. Bewegt sich jedoch
der Organismus mit Hilfe der aktiven Flexibilität vorwärts, so sind,
wie dies bei den langen Exemplaren zu beobachten ist, die Geißeln
nur Anhänge und keine Bewegungsorganelle und spalten sich dann,
funktionslos geworden, gelegentlich in ihre einzelnen Bestandteile auf.
Auch gutgelungene Loeffler-Präparate lassen erkennen, daß die
Geißeln dieser Bakterien ein aus mehreren feinsten Geißeln zusammen-
gesetztes Gebilde darstellen (Fig. 4c, Taf. I).
Die langen Bakterien, gleichgültig ob aus dem Meer oder den oben
beschriebenen Kältekulturen, können frei schwimmen. Beobachtet man
die lebenden Bakterien längere Zeit, so zeigen sie verschiedene Be-
wegungsmöglichkeiten. Sie können gradlinig schwimmen; der Organis-
mus erscheint dann starr, die Enden schlagen synchron und man erkennt
eine den Spirillen analoge Bewegung, bei welcher von einer aktiven
Flexibilität nicht die Rede sein kann. Bei einer Umdrehung ihres un-
regelmäßig gewellten Körpers wird, ebenso wie bei den Spirillen,
immer wieder die gleiche Körperform erreicht. Außer dieser typischen
Spirillenbewegung, bei welcher offenbar die Bewegung mit Hilfe der
Geißel erfolgt, können die Bakterien auch noch andere Bewegungen
1*
4 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
zeigen, bei welcher die Biegungen und Windungen ihres Körpers sich
verändern, ähnlich der einer Spirochäte (Fig. 1a, b, c, Taf. 1).
Besonders günstig ist diese Bewegung zu beobachten, wenn das eine
Ende des Bakterienkörpers irgendwo fest hängen bleibt; es genügt auch
schon, wenn die Geißel sich festheftet. Solche Exemplare zeigen dann
eine typische aktive Flexibilität, zu vergleichen etwa der eines Blut-
egels, der mit dem Kopfe festsitzt, und dessen Körper sich windet.
Außer dieser Flexibilität scheint es, als ob einzelne Exemplare auch noch
metabole Bewegungen ausführen können. Bei solchen scheint sich eine
Körperstelle zu verdicken, sie schwillt an und erweckt den Eindruck, als
ob diese Verdickung sich allmählich auf andere Körperpartien überträgt.
Beide Formen der aktiven Beweglichkeit, sowohl die blutegelartige
Flexibilität als auch die Metabolie des Körpers, vermitteln die Be-
wegungen der langen Exemplare. Bei diesen wird, wie schon erwähnt,
die kurze Geißel nachgeschleppt, und diese dürfte bei der Bewegung
der langen Exemplare kaum eine Rolle mehr spielen. Die aktive
Flexibilität ist, wie gesagt,am besten an solchen Exemplaren zu erkennen,
die aus irgendeinem Grunde mit dem einen Ende festsitzen. Bei den
freischwimmenden ist die Frage viel schwieriger zu entscheiden, ob
die Enden nicht etwa synchron schlagen und eine Flexibilität ähnlich
wie bei den Spirillen nur vorgetäuscht ist. Dies ist jedoch, wie bei ein-
zelnen langen Exemplaren festzustellen ist, nicht der Fall, sondern es
sind tatsächlich unregelmäßige und ungleichsinnige Bewegungen, welche
diese Bakterien im Gegensatz zu anderen auszuführen vermögen. Ich
hätte diese Vorgänge gern durch kinematographische Aufnahmen belegt,
welche, langsam abgerollt, eine eindeutige Klärung dieser Frage hätten
ergeben müssen. Da ich mich jedoch für eine Reise nach Indien
rüste, reicht meine Zeit nicht mehr aus, vorher diese schwierigen Auf-
nahmen zu machen, und so fehlt zum Beleg der Richtigkeit meiner
Auffassung dieses Beweisstück.
Ueber den feineren Bau dieser Bakterien ist wenig zu berichten.
Bereits im Leben erkennt man, daß ihre Membran ziemlich dick ist,
sie muß, um die vorher geschilderten Bewegungen ausführen zu können,
elastisch (flexibel) sein.
Im Innern der Zelle erkennt man regelmäßige Querwände (Fig. 1),
durch diese kommt eine Kammerung zustande, ähnlich wie sie die
Cristispirenzelle aufweist. Gefärbte Präparate bestätigen die Befunde
(Fig. 2, 3, Taf. I). Der Zellinhalt der Organismen besteht aus einer ein-
zigen, von einer starken Membran umhüllten Reihe von Plasmawaben, die
durch zarte Querwände voneinander geschieden sind. Die Wabenwände
erscheinen als einfache Lamellen, die sich durch stärkere Färbbarkeit
vom umgebenden Plasma unterscheiden. Die Zahl der Wände ist ziem-
lich wechselnd, im Durchschnitt kommen 6—8 auf eine Windung, doch
ist diese Zahl nicht konstant, da die Windungsweite schnell wechseln
kann und auch die Zahl der Wände in beständiger Vermehrung ist.
Der Kammerinhalt ist erheblich schwächer lichtbrechend als die
Kammerwände, auch ist der Kammerinhalt mit Kernfarbstoffen er-
heblich schwächer färbbar als die sich mit Kernfarbstoffen gut färben-
den Wände. In den Kammerwänden sind gelegentlich feinste mit Kern-
farbstoffen sich färbende Granulationen wahrzunehmen. Die den ganzen
Körper umgebende elastische Membran ist färberisch schwer zu dif-
ferenzieren. Bei der Fixierung hebt sie sich meist ein wenig vom Zell-
inhalt ab, und ist dann mit Heidenhainscher Eisenhämatoxylin-
Zuelzer, Bact. spirilloides n. sp. ein bisher unbekanntes Bakterium. 5
färbung als dunkelgefärbte doppeltkonturierte Membran zu erkennen
(Fig. 2 u. 3, Taf. I). Die auf Fig. 3 abgebildeten langen Bakterisn
dürfen nicht etwa nur als Kultur- oder Involutionsformen angesehen
werden; sie entsprechen vielmehr durchaus den Formen, wie sie im
freien Meerwasser zu finden sind.
Die Vermehrung dieser Bakterien erfolgt durch Querteilung. Kleine
und große Exemplare können sich teilen. Bei den kleineren Formen
erfolgt in der Regel eine Zweiteilung in zwei gleichgroße Teilstücke
(Fig. 1e, 2b, Taf. II); es wird in der Mittel des Bakteriums eine Quer-
wand ausgebildet und an dieser Stelle erfolgt die Durchschnürung. Auch
eine Vielfachteilung kann vorkommen; bei derselben bilden sich mehrere
Querwände aus, und an der Ausbildungsstelle der Querwände erfolgt
die Durchschnürung. Bei langen Exemplaren erfolgt die Vermehrung
meist durch nacheinanderfolgende Abschnürung von ungleichgroßen Teil-
stücken (Fig. 2d, 3a, Taf. I).
Für die Einreihung der vorbeschriebenen Bakterien in das System
muß besonders berücksichtigt werden: 1) das Vorhandensein einer
elastischen flexilen Membran bei einem aktiven flexilen Organismus;
2) das Vorhandensein einer Geißel; 3) die Kammeranordnung des
Weichkörpers. Die elastische Zellmembran prägt den Bewegungen
dieses Organismus den Charakter auf und das Vorhandensein dieser
Zellmembran unterscheidet sie ganz wesentlich von den nackten Spiro-
chäten, mit denen sie zunächst in der Bewegung gewisse Aehnlichkeit
zu haben scheinen. Durch ihren Bau unterscheiden sie sich jedoch
wesentlich von den Spirochäten. Die Bakterien weisen niemals den
Spirochätenachsenfaden auf, ihr Zellinhalt ist gekammert, und was das
Wesentlichste ist, sie haben eine elastische Membran. Durch das
Vorhandensein einer elastischen Membran weisen die Organismen viel-
mehr Gemeinsamkeit mit den Cristispiren auf. Auch im feineren Bau
des gekammerten Zellinhaltes zeigen sie eine wesentliche Ueberein-
stimmung mit den Cristispiren. Der Mangel der Crista dagegen sowie
das Vorhandensein der Geißel trennt sie von ihrer Zugehörigkeit zu
den Cristispiren. Wie früher ausgeführt wurde (Zuelzer 1912) haben
die Cristispiren im Bau viel Gemeinsames mit den Spirillen; durch das
Fehlen einer Geißel und das Vorhandensein einer Crista unterscheiden
sie sich jedoch von diesen.
Die hier beschriebenen Bakterien haben eine Geißel oder ein Geißel-
büschel, ähnlich wie die Spirillen; sie unterscheiden sich aber von den
Spirillen durch das Vorhandensein einer flexilen Membran, wodurch
ihre aktive cristispirenähnliche Flexibilität zustande kommt, sowie
durch das Fehlen der Spirillenvolutinkörner, wogegen ihr Körper, ähn-
lich dem der Cristispiren, einen gekammerten Bau aufweist. Das oben
beschriebene Bakterium, welches ich als Bacterium spirilloides n. sp.
bezeichne, wird daher seine Stellung im System zwischen Cristispiren
und Spirillen zu finden haben.
Lagerheim (1892) hat als Glaucospira agilissima und tenuior zwei
blaugrüne Organismen beschrieben, welche, von einer Membran umgeben, in Form
von losen Spiralen, mit unregelmäßigen Bewegungen und aktiven Krümmungen leb-
haft vermittels Geißeln im Meerwasser umherschwimmen, und diese Organismen zu
den Spirochäten gestellt. Bei den Spirochäten sind jedoch geißeltragende Organis-
men nicht unterzubringen; diese Organismen dürften systematisch dem hier be-
beschriebenen Bacterium spirilloides nahe stehen, und dieses neue Genus
überhaupt wohl noch eine ganze Reihe von bisher noch nicht bekannten Vertretern
aufzuweisen haben.
6 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Erklärung der Tafelabbildungen.
Tafel 1. Fig. 1. Nach dem Leben mit Abbé Zeich.-App. Komp.-Ok. 12; x Imm. im
Dunkelfeld gezeichnet.
a) Freischwimmende Bacterium spirilloides aus dem Meer.
b) Ein Exemplar in verschiedenen Bewegungen.
c) Ein Exemplar in verschiedenen Bewegungen.
Tafel II. Fig. 1
d) Kurzes Exemplar kurz nach der Teilung.
e) Teilungsformen.
_ £) Geißelbüschel aufgespalten.
Tafel 1. Fig. 2—4. Nach Heidenhainschen Eisenhämatoxylin-Präparaten. Fig. 4.
Nach Löffler-Präparaten. Imm. 2 mm, 1,30, Ok. 12.
a) Verschiedene lange Exemplare mit gekammertem Zellinhalt.
b) Teilungsstadien.
Fig. 3. 2 sehr lange Exemplare in Bewegung mit zum Teil zu- und ab-
nehmenden Verdickungen einzelner Körperpartien.
a) Teilung durch Abschnürung.
Fig. 4. Nach Löfflerpräparaten.
a) Einfache Geißel.
b) Gespaltene Geißel.
c) Au pepaltènes Geißelbüschel.
) Teilung.
Literatur.
Bütschli, O., Ueber den Bau der Bakterien und verwandter Organismen.
Leipzig (C. F. Winter) 1890. — Ders., Weitere Ausführungen über den Bau der
Cyanophyceen und Bakterien. Leipzig (Wilh. Engelmann) 1896. — Gross, J..
Cristispira nov. gen. (Mitt. a. d. Zoolog. Station Bd. 20. 1910. H. 1). —
Ders., Ueber freilebende Spironemaceen. (Ibid. Bd. 20. H. 2.) — Lage rheim,
Notiz über phykochromhaltige Spirochäten. Ber. d. Dtsch. Botan. Gesellsch. Bd. 10.
1892.) — Nouman Franz, Ueber Geißeldarstellung im Dunkelfeld. Sitz.-Ber.
v. 14. 12. 1925 d. Berl. mikrobiol. Gesellsch. (Centralbl. f. Bakt. Ref. Bd. 81. 1926.
Nr. 11/12. — Ruys, A. Charlotte, Der Erreger der Rattenbißkrankheit. (Arch.
f. Schiffs- u. Tropenhyg. Bd. 30. 1926. S. 112—121.) — Zuelzer, Margarete,
Ueber Spirochaeta plicatilis Ehrbg. und deren Verwandtschaftsbeziehungen. (Arch.
f. Protistenf. Bd. 24. 1912.) — Dies., Biologische u. systematische Spirochätenunter-
suchungen. (Centralbl. f: Bakt. Abt. 1. Orig. Bd. 85. S. 154. 1921.)
Nachdruck verboten.
Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtherie-
bazillen und anderen Corynebakterien `).
[Aus dem Hygien. Institut der Landesuniversität Gießen
(Dir.: Prof. Dr. E. Gotschlich).]
Von Dr. med. H. Kliewe, Heidelberg, Hyg. Institut d. Universitat.
I. Teil.
Inhaltsübersicht.
A. Diphtheriebazillen von menschlicher Herkunft.
I. Form, Faite und Färbung typischer und variierter Stämme,
Il. Physiologische Leistungen.
1) Ausgeführt mit Unterstützung einer Forschungsbeihilfe des Ausschusses zur
Förderung des wissenschaftlichen medizinischen Nachwuchses (Hilfsausschuß der
Rockefeller-Foundation).
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centralblatt fürBakteriologie Abt I Oriq. Bd. 101 Zuelzer, Bakterium spiriloides n.sp. Tar M.
Fig. 1.
r Gustay bisehersy 7 2
Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 7
1) der echten tierpathogenen Di-Stämme.
a) Verhalten auf Lackmuszuckernährboden und Natr. oleinic.-Agar.
b) Anaérobes Wachstum im tiefen Traubenzuckeragarstich.
c) Hämolysinbildung in Hammelblutbouillon.
) Wachstum und Säurebildung in Fleischwasserbouillon.
e) Wachstum aut 5proz. Glyzerinagar (Kolonientypen).
2) der Varianten des echten Di-Bazillus.
a) Minus-Varianten A.
b) Minus-Varianten B.
c) gleichzeitige Minus-Plus-Varianten A.
d) gleichzeitige Minus-Plus-Varianten B.
e) leichzeitige Minus-Plus-Varianten C.
at GR sda à der typischen und variierten Di-Stämme.
a) an Meerschweinchen,
b) an weißen Mäusen.
IV. Agglutinationsversuche.
B. Pseudodiphtheriebazillen menschlicher Herkunft.
I. Das morphologische Verhalten der Pseudodi-Stämme. ‘
II. Die physislonisohen Leistungen und serologischen Reaktionen der Pseudodi-
stämme und daraus sich ergebende Gruppeneinteilung.
1. Pseudodi-Stämme ohne Variationen.
2. Minusvarianten A.
3. Minusvarianten B.
4. Minusvarianten C.
5. Minusvarianten D.
C. Corynebakterien, gezüchtet aus Wunden bei Pferden.
1. Die mo open, hysiologischen und serologischen Eigenschaften der
aus den Wunden gezüchteten verschiedenen Gruppen von Di u. Pseudodi-
II.
Stämmen.
Il. Das morphologische und physiologische Verhalten der Para-Di-Stämme.
D. Die aus den Variabilitätsstudien und der Gruppeneiniehing sich ergebenden
verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den Di- und Pseudodi-B.
E. Zusammeüfassung.
F. Literatur.
Die Entwicklungslehre wurde seit Lamarck nicht nur richtunggebend für
einzelne Spezialwissenschaften wie Botanik, Zoologie, Anatomie, Anthropologie, sondern
das ganze philosophische Denken des vorigen Jahrhunderts stand unter dem Ein-
flusse jener Lehre. Auch in der Mikrobiologie fand der Entwicklungsgedanke bald
ingang, jedoch anfangs nur in rein spekulativer Form und un eufigend. begründet in
der re vom Pleomorphismus (Billroth, Klebs, v. Naegeli u. a.). Es
konnte auch nicht anders sein, weil es an den exakten Methoden der Reinzüchtung
fehlte, durch die die Variationen von den typischen Formen unterschieden werden
und von allen zufälligen Verunreinigungen ferngehalten werden konnten. Einen
waltigen Fortschritt bedeutete das von F. Cohn und R. Koch aufgestellte Gesetz
er Konstanz der Form und der Spezifität. In scheinbarem a 5 ype zu diesem
Gesetz schienen Beobachtungen zu sein, die schon bald zeigten, daß eine gewisse
Variation bestehe.
Eıinıge Autoren (Hauser, Kruse, v. Gruber, Lehmann und Neu-
mann u. a.) teilten Beobachtungen mit, daß die als konstant erscheinenden Formen
einer Bakterienart einer gewissen Veränderlichkeit unterliegen. Doch wurden diese
und spätere Mitteilungen über Variabilitätserscheinungen z. B. von Kossel, Kolle,
Schottelius und Dieudonné mehr als Ausnahmen und Kuriosa angesehen.
Die 1. zusammenfassende und kritische Darstellung über das Gebiet der Variabilität
ab Kruse 1896 in Flügges Mikroorganismen (3. Aufl.). Als dann um die
ende des Jahrhunderts die Frblichkeitsforschung durch die Benutzung der Varia-
tionsstatistik mit exakter Methodik betrieben wurde und durch die besondere Wertung
der Mutation durch de Vries (1902) ganz neue Möglichkeiten für die Lösung der
Erblichkeitstragen auftauchten, als ferner die Mendelschen Bastardierungsregeln
wiederentdeckt wurden, gewann auch das Variabilitätsstudium in der Mikrobiologie
einen neuen Impuls. Insbesondere bildeten die Veröffentlichungen von M. Neißer
und Massini (1906) über Mutationen des B. coli den Ansporn, sich intensiver
als bisher mıt den Variabilitätserscheinungen bei Bakterien zu befassen. Seit der Zeit
sind eine Unmenge. von Veröffentlichungen erschienen — ich verweise nur auf die
8 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Arbeiten von Pringsheim, Baerthlein, Eisenberg, Toenniessen und
insbesondere auf die Referate von Gotschlich, Jollos, Neufeld und
Morgenroth (10. Tagung der „Deutschen Vereinigung für Mikrobiologie“ 1924) —
welche die Variabilitätserscheinungen in naturwissenschaftlichem Sinne verschieden
bewerteten. Die Annahme, daß es sich bei den meisten Variationen nicht um
echte Mutation handelte, entgegen der früheren Ansicht, ist heute als sicher zu
bezeichnen. Viele Autoren halten sogar den von Massini in die Mikrobiologie ein-
führten ee der Mutation im Sinne von de Vries für unzutreffend (vgl. bei
ollos). an glaubte infolge Fehlens der chlechtlichen Fortpflanzung der
Bakterien nicht entscheiden zu können, ob bei der Vererbung von Variationen das
Idioplasma bezw. das Gen oder das Zytoplasma, der Phaenotypus, betroffen war.
Deshalb war man lange Zeit im Zweifel, ob die echten Mutationen, wie sie bei den
höheren Organismen bestehen, auch bei den Bakterien vorkommen. In den letzten
Jahren mehren sich allerdings die Stimmen derer, die auch den Bakterien analoj
den Metazoen ein Keimplasma und Zytoplasma (Jollos, Toenniessen u. a5
und geschlechtliche Fortpflanzung zusprechen (Almquist, Ph. Kuhn, Fried-
berger und Meissner, Prell und Schmitz, eirowsky, Schaudinn,
Dobell, Ruzicka und Enderlein u. a.). Es liegt deshalb kein zwingender
Grund vor, von der Anwendung des Begriffes Mutation in seiner ursprünglichen Be-
deutung und Verwendung für die Erblichkeitsforschun bei Bakterien abzusehen, zu-
mal eine Reihe mit großer Wahrscheinlichkeit beobachteter Mutationen vorliegt,
z. B. bei Milzbrandbazillen (Preisz u. Bail), bei Friedländer- Bazillen
(Toenniessen), bei Typhusbazillen und hämolytischen Streptokokken (R. Müller,
Sobernheim-Seligmann, Schmitz, Schnitzer-Munter, Kuczynski-
Wolff), beim B. prodigiosus (Wolff), bei einer Heferasse (Hausen), beim
Aspergillus niger (Schiemann), bei der Spirochaeta icterogenes
Uhlenhuth-Zuelzer). Wenn auch die eigentliche Ursache der Mutation un-
bekannt ist, man sagt, sie erfolgt „spontan“, so wissen wir -doch, daß ganz bestimmte
Reize, hohe Temperaturen, Einwirkungen von schädigenden chemischen Stoffen und
vor allem der Aufenthalt im Organismus usw. Mutationen auslösen können. In
den meisten Fällen handelt es sich aber nicht um Mutationen, sondern um Modi-
fikationen (v. Naegeli). Gerade diese Art der Variation, die der Rückbildung
fähig ist, wird bei Bakterien sehr viel beobachtet, und falls sie von sehr dauerhafter
Natur ist, als Dauermodifikation bezeichnet.
Von anderen Variationsbildungen sind noch zu nennen die Alternation
Toennissen): Von seiten eines Types erfolgt immer wieder Abspaltung der
ariante, die sich in hohem Grade stabil erweist, und die physiologische Art-
umbildung (Beijerinck. bei der eine sprunghafte Variation sämtlicher Indi-
viduen einer Kultur stattfindet, z. B. bei der Umzüchtung von Variolavirus in
Vakzinevirus, ferner von Straßen- in Passagevirus der Lyssa.
Für die verschiedenen Variabilitätsformen sind in der Literatur
eine Menge Synonyma angegeben, die jedenfalls nicht zur Klärung
der Sachlage beigetragen haben.
Eine praktische und theoretisch gleich bedeutende Frage ist nun:
Können die durch Variation entstandenen neuen Bakterienformen so
sehr vom Ausgangsstamm abweichen, daß man berechtigt ist, sie als
neue Arten oder besondere Typen anzusprechen? Die Beantwortung
dieser Frage ist um so schwieriger, als eine eindeutige Charakteristik
des Artbegriffes gerade im Reiche der Mikroorganismen noch mehr als
sonst in der Biologie auf Schwierigkeiten stößt. Es ist hierbei der
praktische und theoretische Standpunkt auseinanderzuhalten, daß
der Mikrobiologe der praktischen Medizin Rechnung tragen muß und
nur dann eine Trennung in Gruppen vornimmt, wenn in der Praxis
ein zwingender Grund vorliegt. So ist z. B. der von Mandelbaum
gezüchtete ,,Metatyphusbazillus ein kulturell atypischer, in epidemio-
logischem Verhalten aber durchaus charakteristischer Erreger. Solche
Erreger als eigene Art anzusehen ist nicht gerechtfertigt. Beim Para-
typhus und Abdominaltyphus sind wir berechtigt, von besonderen Arten
zu sprechen, weil sowohl klinische und epidemiologische als auch bio-
Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 9
logische Differenzen bestehen. Aehnliche Verhältnisse beobachten wir
bei den humanen und bovinen Tuberkelbazillen.
Mit Rücksicht auf die Schwierigkeiten in der Frage des Art-
begriffes hat man für die Fälle, in denen eine weitgehend stabile
Variante beobachtet wird, den Begriff Typus eingeführt. Er besagt,
daß derselbe Erreger, der eine bestimmte Infektion verursacht, in
mehreren relativ konstanten Typen vorkommt, die sich entweder kul-
turell verschieden verhalten, aber einheitliches pathologisches Verhalten
zeigen oder die auch ein unterschiedliches Krankheitsbild hervorrufen
können. Die Aufstellung des Typus hat weitgehende praktische Kon-
sequenzen für die Sero- bzw. Vakzinetherapie. Bei bestimmten Krank-
heiten (Pneumonie, Gonorrhoe, Gasbrand u. a.) ist diese Therapie nur
dann erfolgversprechend, wenn das homologe Serum des als Erreger
in Frage kommenden Typus zur Anwendung kommt.
Die günstigen prophylaktischen und therapeutischen Erfolge, die
bisher mit dem Diphtherieantitoxin erzielt wurden, veranlaßten mich
unter anderem die Frage zu erörtern, ob auch bei den Corynebakterien,
ein Begriff, der nach Lehmann und Neumann die Di- und
Pseudodi-B. in sich schließt, mehrere konstante Typen vorkommen oder
ob es sich um einheitliche Typen wie bei Tetanus-, Milzbrandbazillen,
Choleravibrionen u. a. handelt.
Es bedarf wohl keiner weiteren Begründung, daß zu Anfang
dieser Besprechungen die Eigenschaften der Corynebakterien, die als
artcharakteristisch gelten, analysiert werden. Dabei genügt es jedoch
nicht, daß nur das eine oder andere Merkmal hervorgehoben wird,
sondern soweit bekannt möglichst alle Eigenschaften, die in ihrer
Gesamtheit in naturwissenschaftlichem Sinne das Wesen der Coryne-
bakterien ausmachen. Nur so kann man durch vergleichende Unter-
suchungen feststellen, inwieweit die gefundenen Merkmale geeignet
sind, den Begriff „Di-B. bzw. Pseudodi-B.“ zu charakterisieren, in
welchem Verhältnis beide Gruppen zueinander stehen, ob konstante
Typen vorkommen und wie die abweichenden Befunde zu bewerten
sind. r
A. Diphtheriebazillen.
I. Form, Lagerung und Färbung typischer und variierter Di-
Stämme.
Zur Charakterisierung der Mikroorganismenarten bedienen wir
uns ihrer morphologischen, kulturellen, krankheitserregenden und sero-
logischen Eigenschaften.
Auch bei den Corynebakterien sind, wenn auch nicht in dem Maße
- wie bei der Typhus-Coli-Gruppe, die morphologischen Merkmale für
sich allein häufig nicht genügend zur Differentialdiagnose, so daß
wir vielfach aus der Größe, Form, Färbbarkeit eine bestimmte Dia-
gnose nicht stellen können, und die physiologischen Leistungen und
andere Kriterien mitherangezogen werden müssen.
Einige Autoren glaubten, eine bestimmte Gruppeneinteilung der
Corynebakterien nach ihrem morphologischen Aussehen, z. B. in kurze
und lange Bazillen, machen zu können. Wir wissen jedoch heute, daß
keine dieser Einteilungen von Martin, Escherich, Zarniko u. a.
mehr Geltung haben kann; denn die Entscheidung, ob ein Di-Bazillus
zu der einen oder anderen Gruppe der Corynebakterien gehört, ist
A
10 Centralbl. f. Bakt. ete. 1. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
oft unmöglich, da das morphologische Aussehen der Keime ein und
derselben Kultur wechselt. Ihr Aeußeres ist, wie wir sogleich sehen
werden, je nach dem Alter der Kultur, nach der Art und Reaktion
des Nährbodens, nach der Intensität des Wachstums und anderen uns
zum größten Teil noch unbekannten Faktoren sehr verschieden.
Meine Beobachtungen sind an 130 Stämmen gemacht, die folgender
Herkunft waren:
24 Stämme wurden aus der Nase bzw. dem Rachen von Di-Kranken gezüchtet,
2 aus dem Auge (bei Conjunctivitis),
l Stamm aus dem Ohr eines Di-Kranken,
1 ji aus der Vagina,
1 Bf von der Cervix,
3 aus der Trachea eines an Di Verstorbenen,
41 Stämme aus der Nase von Ozaena-Kranken,
3 ÿ aus der Nase von nicht Di-kranken Säuglingen und Kleinkindern,
1 Stamm aus der Nase einer gesunden Person,
18 Stämme aus Wunden bei Pferden,
1 Stamm aus dem Rachen eines Rindes.
(Vgl. Rubrik 2 der Tab. I, III, IV, VII, VIII, X.)
Die Besprechung der morphologischen Eigenschaften der Di-B.
(die Pseudodi-B. und Di-B. aus Wunden bei Pferden werden in einem
späteren Abschnitt behandelt) soll an Hand einiger Stämme geschehen
und gezeigt werden, daß die verschiedensten Einflüsse echte Di-Stämme
verändern können. Von der Wiedergabe der gleichen Beobachtungen
bei anderen Stämmen will ich absehen, da sie grundsätzlich dasselbe
Bild ergeben.
Zur Methodik möchte ich noch bemerken, daß sämtliche Stämme,
die rein gezüchtet wurden, mehreremal über Plattenreihen geschickt
wurden und daß unter mikroskopischer Kontrolle immer von einer
Kolonie weitergeimpft wurde, um sicher reine Linien zu erhalten.
Von den 26 echten tierpathogenen Di-Stämmen zeigt der Stamm 107,
gezüchtet aus der Nase eines Di-Kranken, unter den verschiedensten
Bedingungen besonders starke Variation in morphologischer Hinsicht.
im Neißer-Präparat von einer 24stünd. Loeffler-Serumkultur zeigte
der Stamm unmittelbar nach der Reinzüchtung sehr viel lange neben
einzelnen kürzeren, deutlich polgefärbte Stäbchen, in regelloser oder
Y-förmiger Lagerung. Nach weiterer 24stünd. Bebrütung derselben
Kultur wurden die längeren Formen dicker und plumper, mit deut-
licher Kolbenbildung an einem oder beiden Enden des Bazillenleibes.
Nach 4mal 24stünd. Aufenthalt im Brutschrank sah man sehr viele
kokkenähnliche Gebilde oder sehr kurze, nicht polgefärbte oder auch
vereinzelte mittellange, starre polgefärbte Formen. Von einem anderen
Stamme (115) zeigte die 24stünd. Loeffler-Kultur im Neisser-
Präparat lange und mittellange, zum Teil an einem Ende, zum Teil an
beiden Enden deutlich polgefärbte oder auch nicht polgefärbte Stäb-
chen, wirr, parallel und Y-förmig gelagert. Nach 4mal 24stünd. Be-
brütung zeigte dieselbe Kultur nur noch sehr kurze, kokkenähnliche,
schwach oder nicht polgefärbte Formen ohne charakteristische Lage-
rung. Beimpfte man, von diesen Kulturen ausgehend, ein frisches
Loefflerserum-Röhrchen, so war nach 24 Std. wieder das Bild der
Ausgangskultur vorhanden. Es genügt also, wie längst bekannt, eine
längere Bebrütung der Keime bei 370 C, um bestimmte Formverände-
rungen, die man als Involutionsformen bezeichnet, zu erzielen. Diese
bei den beiden Stämmen mitgeteilten Beobachtungen ließen sich mehr
mu ans m e m—
mm
Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 11
oder weniger deutlich fast bei allen Stämmen beobachten. Hatte ein
Stamm nach der Reinzüchtung aus irgendeinem Grunde cine andere
Form angenommen, so behielt er diese bei öfteren Nachprüfungen nicht
bei, sondern zeigte weitgehende Veränderungen, indem die kürzer ge-
wordenen Bazillen sich noch mehr verkürzten, plumper und dicker
wurden, seltener auch schlanker. Einzelne Stämme bildeten Rück-
schläge bis zum Aussehen wie bei ihrer Reinzüchtung. Besonders günstig
wirkte in diesem Sinne tägliches Ueberimpfen auf Loeffler- Serum.
Diese morphologischen Varianten sind wahrscheinlich durch Stoff-
wechselprodukte verursacht. Sicherlich hängen sie in hohem Maße von
der Art des Nährbodens ab, auf dem die Keime wachsen. Besonders
typische Formen erzielt man auf Loeffler-Serum und Aszitesagar,
während die gleichen Bazillen auf 5proz. Glyzerinagar plumper und
kürzer und ohne Polkörperchenbildung wachsen. Aehnliches Wachs-
tum sahen Teo umin auf dem Nährboden von Rothe und Traut-
mann, Gaehtgens auf der Tellurplatte von Conradi und Frosch.
Pesch beobachtete, daß auf der Levinthal-Agarplatte die echten
Di-B. als lange, an einem Ende keulenförmig aufgetriebene Formen
oder als kokkenähnliche Gebilde wuchsen. Sehr kurze Formen sah
Glücksmann auftreten, wenn zahlreiche Kolonien infolge ihres
dichten Wachstums konfluierten. Beimpfte er den unteren Teil eines
Schrägagarröhrchens mit sehr viel Material, den oberen nur sehr wenig,
so daß hier einzelstehende Kolonien zur Entwicklung kamen, so fand
er, daß im unteren Teil des Röhrchens kurze Di-B., im oberen dagegen
lange Formen zur Entwicklung kamen. Weiterhin konnte Kurth u. a.
beobachten, daß Begleitbakterien in Mischkulturen, insbesondere
Streptococcus lanceolatus, formverändernd auf Di-B. wirkten;
er fand in solchen Kulturen Typen, die sich von Pseudodi-B. nicht
mehr unterscheiden ließen. Nach Stovall, Scheid und Nichols
treten bei dem gemeinsamen Wachstum mit Streptokokken Verände-
rungen auf, die als eine Annäherung an die kurzen und soliden Formen-
typen aufgefaßt werden können.
Außer den oben beschriebenen Veränderungen in der Form konnte
ich beim Stamme 107 eine Abweichung in der Lagerung der einzelnen
Bazillenleiber im Neißer-Präparat beobachten. Eine 14 Tage bei
37° C bebrütete Bouillonkultur dieses Stammes zeigte, abgesehen von
nicht oder nur schwach polgefärbten Formen, neben typisch gelagerten,
wie sie nur in der Originalkultur vorhanden waren, hintereinander ge-:
reihte Ketten von 2—4 Bazillenleibern, so daß es den Anschein er-
weckte, als handle es sich um Leptothrix-Fäden. Nach mehrmaligem
Ueberimpfen auf Loeffler-Serum trat jedoch immer wieder die ur-
sprüngliche für Di-B. typische Lagerung auf, ein Beweis dafür, daß
es sich um Di-B. handelte.
Wie weit die Vielgestaltigkeit eines einzelnen Stammes gehen kann,
zeigt die schon von vielen Autoren beschriebene Bildung echter Ver-
zweigungen. Bei dem Stamme 107 fanden sie sich einmal in einer
3 Wochen alten Aszitesagarkultur, ein anderesmal in einer 6 Monate
alten Aszitesflüssigkeitkultur, die die ganze Zeit bei 370 C bebrütet war.
In dem letzteren Falle bildeten die Bazillen kürzere und längere, ge-
wundene und in Knäuel liegende Fäden, von denen ein bis zwei Ver-
zweigungen seitlich abgingen. Am Ende der Fäden konnte man bei
einzelnen Individuen keulenförmige Anschwellungen beobachten. Rück-
verimpfungen auf frische Loeffler-Serumkulturen zeigten nach 24-
12 Centralbl. £. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
stünd. Bebrütung wieder lange, leicht gebogene, nicht polgefärbte Stäb-
chen ohne Verzweigungen. In der 2. Abimpfung war auch die Pol-
körperchenbildung wieder eingetreten. Auch die Stämme 64 und 87
hatten in der 6 Wochen alten Aszitesflüssigkeitkultur echte Ver-
zweigungen gebildet, während sie beim echten Di-Stamm 16, unter den
gleichen Bedingungen gewachsen, fehlten. Warum der eine Di-Stamm
Verzweigungen bildet und der andere nicht, ist noch ungeklärt. Die
Zusammensetzung des Nährbodens hat dabei sicherlich großen Einfluß,
besonders sollen Eiweißkulturen (von Hühnereiern) fast regelmäßig die
Bildung von Verzweigungen bewirken (C. Fränkel). Lehmann und
Neumann sahen jedoch auf Glyzerinagar und Bernheim und Folger
in frischen Membranen echte Verzweigungen. Wahrscheinlich wird ihre
Bildung durch die gleichen Ursachen hervorgerufen, die auch sonstige
Formveränderungen, wie sie bereits oben geschildert wurden, verursacht,
also durch Stoffwechselprodukte, die ihrerseits wieder, je nach der ver-
schiedenen Zusammensetzung der Nährböden, von verschiedener Be-
deutung sind.
Wir ersehen aus den vorhergehenden Beobachtungen, daß ein und
derselbe Di-Stamm auf künstlichen Nährböden sich so weit umformen
kann, daß er von Pseudodi-B. nicht mehr zu unterscheiden ist, ja daß
man Zweifel hegen kann, ob die betreffenden Keime überhaupt Coryne-
bakterien sind. Wichtiger für die Pathologie ist jedoch die Feststellung,
daß auch im tierischen Organismus und damit in gewisser Analogie
auch im menschlichen Organismus Formveränderungen herbeigeführt
werden können. Zur Nachprüfung dieser Frage verimpfte ich einer
weißen Maus 0,2 ccm Reinkultur (3 Oesen in 2 ccm physiol. Koch-
salzlösung aufgeschwemmt) in die Schwanzvene. Im Originalpräparat
des betreffenden Stammes (107) fanden sich lange, deutlich polgefärbte,
typisch gelagerte Formen. 15 Minuten nach der Injektion wurde aus
der Schwanzvene ein Tropfen Blut entnommen. Im nach Neißer ge-
färbten Ausstrichpräparate fanden sich neben nicht polgefärbten meist
deutlich polgefärbte Stäbchen; ferner sah man sehr viele dünne, zarte
Bazillenleiber mit schwacher Polfärbung. 40 Minuten nach der Injektion
fanden sich im Neißer-Präparat nur noch vereinzelte pol- und nicht
polgefärbte Stäbchen ohne Formveränderungen, daneben aber sehr viele
dünne, zierliche, nur, schwach polgefärbte Individuen. 31/, Std. nach
der Injektion konnten noch ganz vereinzelte zum Teil nur an einem Ende
polgefärbte Bazillen und zierliche, mit schwach gefärbtem Bazillenleib
beobachtet werden. Derselbe Versuch mit demselben Stamm bei einer
zweiten Maus mit Entnahmezeiten von 10, 45 Min., 1 und 21/, Std.
nacn der Injektion, führte zu ähnlichen Ergebnissen, so daß auf die
genauere Wiedergabe des Protokolls verzichtet werden kann. Nach
mehrmaligem täglichen Weiterverimpfen auf Loeffler-Serum schlugen
die Stämme wieder in den ursprünglichen Typ zurück. Beide Versuche
zeigten, daß die Di-B. auch im 'Tierkörper und, wie Beobachtungen
anderer Autoren (s. u.) lehren, auch im menschlichen Organismus deut-
liche morphologische Veränderungen erfahren können, die sich nament-
lich darin äußern, daß die Stäbchen zierlicher werden, den Farbstoff
schlechter aufnehmen und keine Polkörperchen bilden. Ferner konnte
festgestellt werden, daß die Veränderungen nicht irreversibel sind,
sondern in den Ausgangstyp zurückgeführt werden können. Aehnliche
Beobachtungen machten Bernhard-Paneth und Schmitz in zahl-
reichen Versuchen. Killian fand vor allem aufgeblasene, xerose-,
Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 13
kokken- und keulenartig entartete Individuen in den Halsdrüsen bei
Mäusen und Meerschweinchen nach Fütterungsversuchen.
Ich erwähnte bereits, daß sich nach längerem Verweilen im Tier-
körper auch in der Farbstoffaufnahme Veränderungen zeigten. Dieses
Verhalten der Di-B. sehen wir oft in viel charakteristischer Weise, wenn
sie auf den künstlichen Nährboden gewachsen sind. Schon bei der ein-
seitigen Färbung mit Loefflers Methylenblau verhalten sich die
Bazillenleiber einer Di-Kultur tinktoriell ganz verschieden. Manche
Formen zeigen besonders intensive Färbung an den keulenförmig ge-
schwollenen Enden, während der übrige Teil des Leibes sich kaum
färbt; andere zeigen deutliche punktförmige Färbungen innerhalb des
Bazillenleibes oder auch punktförmige Lücken bei deutlich gefärbtem
Bazillenleib. In dem Präparat von einer 6 Wochen alten Bouillonkultur
des Stammes 87 und ferner im Grampräparat vom Stamm 100 sah man
den Bazillenleib aus kleinen blauen Punkten bestehend, da sich nur ein-
zelne Teile des Protoplasmas färbten, so daß man glauben könnte, es
handle sich um Kokken. Auch bei der Anwendung der Neißer-
schen Polfärbung treten häufig deutliche Schwankungen in der Farb-
stoffaufnahme auf. Im allgemeinen zeigen die echten Di-B. und Di-
ähnlichen Stäbchen, auf Serumnährböden gezüchtet und nach Neißer
gefärbt, Polkörperchen. Doch sieht man fast in jeder Kultur nicht pol-
gefärbte oder nur an einem Ende deutlich gefärbte Stäbchen und weiter-
hin beobachtet man, wie später gezeigt werden soll, Pseudodi-B., die
Polkörperchen zeigen. Wenn uns die Bedeutung und Entstehungsweise
der Babes-Ernstschen Körperchen auch nicht bekannt ist, so wissen
wir doch, daß sie mit der Virulenz nichts zu tun haben, denn in alten
Di-Kulturen, deren Virulenz erloschen ist, finden wir sie gerade so
zahlreich wie in vollvirulenten Kulturen. Auch handelt es sich nicht
um Zellkerne oder Makrogranula, wie Gutstein durch verschiedene
Färbemethoden, in denen die Makrogranula und Polkörperchen in 2 ver-
schiedenen Kontrastfarben zur Darstellung gebracht wurden, nachweisen
konnte. Meyer und Grimme bezeichneten die Polkörperchen, die
nach Schumacher aus Nukleinsäureverbindungen bestehen als ,,Vo-
lutin“, da sie ähnliche Körper im Spirillum volutans fanden. Ihre
Bildung hängt sehr von der Zusammensetzung des Nährbodens ab, auf
dem die Di-B. wachsen. Am geeignetsten ist Loeffler-Serum, ebenso
soll nach Pesch auf Levinthal- und Blutagar und Capaldischen
Nährboden sehr gute Körnchenbildung zu erzielen sein. Auf Glyzerin-
und Aszitesagar tritt sie nur schwach oder überhaupt nicht auf. Ma-
grail hatte die günstigsten Ergebnisse auf Blutserumnährboden, denen
Fleischextrakt (nicht Pepton) zugegeben waren, sodann sah er in Aus-
strichen aus kompakten Kulturen mehr Körnchen als in solchen aus
Einzelkolonien. Wenn Pesch glaubt, daß die Polkörperchenbildung im
umgekehrten Verhältnis zur Vermehrungsintensität steht, in dem Sinne,
daß derselbe Stamm bei üppigem Wachstum geringe, bei schwächerem
starke Neigung zur Volutinbildung zeigt, dann gilt das nicht für alle
Fälle. Die Intensität der Volutinbildung ist sicherlich häufig Eigen-
tümlichkeit des Stammes. Z. B. war der Stamm 87 ein starker Volutin-
bildner, auf Aszitesagar zeigte er deutliche Polfärbung und üppiges
Wachstum, ähnliche Beobachtungen liegen von anderen Stämmen vor.
Auch bei den von Dale und Trautmann isolierten Stämmen, die sich
durch schwaches Wachstum auf Loeffler-Serum, aber durch äußerst
starke Polkörnchenbildung von anderen Di-Stämmen auszeichneten
14 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
müssen beide Faktoren nicht in ursächlichem Zusammenhang stehen,
da frisch isolierte Stämme häufig geringe Wachstumsintensität zeigen,
die wahrscheinlich durch einen längeren Aufenthalt im Organismus
bedingt ist. Dasselbe zeigten die zu diesem Zwecke angestellten Tier-
versuche. Die aus mit Di-B. intravenös gespritzten Mäusen isolierten
Keime zeigten sowohl schwache Wachstumsintensität als auch schwache
Polfärbung. Ich glaube deshalb, daß die Volutinbildung, abgesehen von
dem Nährsubstrat, auf dem die betreffenden Keime wachsen, noch von
anderen Faktoren als der Wachstumsintensität abhängt. Dafür spricht
auch die Tatsache, daß mehrere typische Di-Stämme, als sie 11/, Jahre
auf Glyzerin- und Aszitesagar weitergezüchtet wurden, ihre Volutin-
bildung verloren hatten; erst nach täglichem Ueberimpfen auf frisches
Loeffler-Serum zeigte sich in der 3. oder 4. Generation bei den
meisten Individuen schwache Polfärbung. In der 5.—6. Generation
waren fast sämtliche Keime des Präparates wieder deutlich polgefärbt.
Offenbar war durch den vermehrten Wachstumsreiz die rezessive Vo-
lutinbildung wieder angeregt worden. Die Wachstumsintensität war je-
doch nach wie vor in allen Kulturen dieselbe geblieben. Einige Di-
Stämme zeigten auch nach der 10. Generation noch keine Volutin-
bildung. Ob diese Stämme nach weiteren Ueberimpfungen noch Pol-
körperchen bilden würden, bleibt fraglich. Die Wahrscheinlichkeit be-
steht nicht, da auch frisch aus Patienten gezüchtete echte Di-Stämme
gelegentlich die Polfärbung vermissen ließen und selbst nach vielen Ver-
impfungen auf den verschiedensten Nährböden keine Neigung zur Vo-
lutinbildung zeigten.
Aus dem Vorhergehenden können wir entnehmen, daß es einerseits
in der Hand des Experimentators liegt, bei Di-Stämmen Formen ohne
oder mit atypischer Polkörperchenbildung hervorzurufen und anderer-
seits, daß echte Di-Stämme vorkommen, welche Polkörperchenfärbung
vermissen lassen. Letztere Tatsache kann jedoch, da sie nur selten be-
obachtet wird, der altbewährten Neißerschen Polkörperhenfärbung
keinen Abbruch tun. Wenn sich, wie Tab. I und IV zeigen, die Stämme
der biologisch differenzierten Gruppen Ia—f sowohl in bezug auf
Neißer-Färbung als auch bezüglich Form und Lagerung ziemlich
einheitlich verhalten und, wie wir später sehen werden, gelegentlich
auch Pseudodi-B. nach Neißer sich färben lassen, dann müssen wir
gestehen, daß eine Trennung der Di-B. von Pseudodi-B. und die Ein-
teilung beider Typen in Untergruppen auf Grund ihres morphologischen
Verhaltens nicht immer möglich ist. Weiter mahnt uns diese Tatsache
zur Vorsicht, aus dem morphologischen Verhalten der Corynebakterien
ohne weiteres eine bestimmte Diagnose zu stellen.
Eine andere häufig angewandte Färbemethode ist die von Langer
angegebene verlängerte Gram -Färbung mit verlängerter Entfärbung.
Im allgemeinen werden sowohl in frischen als auch in älteren Kulturen
nach dieser Methode die echten Di-B. gramnegativ und die Pseudodi-B.
grampositiv gefärbt. Doch gilt dies nicht für alle Stämme. Bei mehreren
Di- und Di-ähnlichen Stämmen der Gruppen 1b—1f war z. B. nur ein
Teil der Stäbchen entfärbt, neben gramnegativen fanden sich auch
grampositive. Insbesondere blieben die kolbigen Verdickungen der Ba-
zillenleiber vielfach grampositiv. Daß jedoch ein Stamm, der kurz
nach der Reinzüchtung gramnegativ war, später, selbst wenn er sich
in der Form stark verändert hatte, grampositiv wurde, konnte ich nicht
beobachten. Auch die Befunde von Schmitz und Bachmann, daß
Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 15
bei echten Di-B. überhaupt keine und andererseits bei Pseudodi-B. Ent-
färbung eingetreten war, konnte ich nur für die letzteren in einigen
Fällen bestätigt finden. Wahrscheinlich sind diese Differenzen auf die
verschiedene Art der Alkoholeinwirkung zurückzuführen. Bachmann
stellte z. B. fest, daß viele Pseudodi-Stämme sich entfärbten, wenn das
Präparat nicht ruhig im Alkohol stand, sondern der Alkohol während
15 Min. auf das Präparat geträufelt wurde. Es empfiehlt sich deshalb,
die Präparate zunächst während 3—5 Min. in der Cuvette hin und
her zu bewegen, dann, um wieder frischen Alkohol (96proz.) zu der
Farbfläche zu führen, alle 3 Min. die Cuvette zu schütteln. Aber trotz-
dem konnte ich bei Pseudodi-B. nicht immer einwandfreie Präparate
erzielen, so daß die Gram-Färbung nach Langer als sichere Methode
für die Trennung der Di-B. von den Pseudodi-B. nicht angesehen
werden kann. Andere Di-Färbemethoden (Sommerfeld, Raskin,
Stoltenberg, Gins u. a.) konnten bis jetzt keinen Fuß in der bak-
teriologischen Di-Diagnose fassen, da sie keine besseren Ergebnisse als
die oben angegebenen zeigten.
Fassen wir unsere Ergebnisse über die beobachteten morphologischen
Veränderungen nochmals kurz zusammen, so sehen wir, daß die Trias
(Morphologie, Lagerung und Intensität der Färbung) durch die ver-
schiedensten Einflüsse verändert werden kann, daß echte Di-B. sich
in allen drei Punkten so verändern können, daß sie Di-ähnlichen und
Pseudodi-B. äußerlich vollkommen gleich sind und daß es anter Um-
ständen leicht gelingt, die verschiedenen Typen experimentell hervor-
zurufen. Meistens handelt es sich um abnorme Ernährungsbedingungen,
welche die Variation verursachen. Schon das Wachstum auf festen
künstlichen Nährböden ist ein anormaler Zustand, dazu kommt die
gegenseitige Beeinflussung durch die Stoffwechselprodukte in der Kul-
tur, durch die vitale Konkurrenz, vielleicht auch durch Bakteriophagen-
wirkung, durch Temperaturwechsel usw. Dann sind nicht alle Keime
einer Kultur, selbst wenn sie von einer Mutterzelle abstammen, also
eine reine Linie darstellen, als gleichwertig anzusehen, da sie sich in
bezug auf Vermehrungsgeschwindigkeit, Nährstoffaufnahme usw. unter-
scheiden, so daß sie aus inneren Gründen heraus auf gleiche äußere
Reize verschieden reagieren. Die Variationsbreite ist abhängig von der
den Di-B. innewohnenden Möglichkeit, wechselnde äußere Bedingungen
zu ertragen, sich dem Aufenthaltsort, der Art des Nährbodens, Tempe-
raturdifferenzen usw. anzupassen, ohne in der Lebensfähigkeit voll-
kommen gehemmt oder sogar vernichtet zu werden. Deshalb können
geringe und inkonstante Abänderungen von dem typischen morpho-
logischen Verhalten nicht für eine Gruppen- oder Typeneinteilung
verwandt werden.
Angesichts der geschilderten morphologischen Variantenbildungen
müssen wir die biologischen Eigenschaften, deren richtige Bewertung
allerdings häufig auf Schwierigkeiten stößt, für eine biologische
Gruppeneinteilung zu Hilfe nehmen.
II. Physiologische Leistungen.
Sollen die physiologischen Leistungen der Di-B. richtig erkannt
und sie damit von anderen Arten unterschieden werden, so müssen ihre
Fähigkeiten auf künstlichen Nährböden auf ihre Konstanz hin analysiert
werden. Finden wir, daß bestimmte Merkmale bei den verschiedensten
16 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Stämmen wieder vorkommen, so können wir sie als zum Wesen der
Di-B. gehörig ansehen. Oefters vorkommende Abweichungen vom
Normaltyp müssen wir dann näher untersuchen und sie in ein bestimmtes
System einzureihen versuchen.
In der nachstehenden Tab. I sind eine Reihe von Untersuchungs-
methoden angegeben, welche bei den 130 Stämmen Anwendung fanden.
Tabel
Echte, tierpathogen
1. 2 3; 4. 5. 6. Bf 28: 9. 10.
3 ab E} 35 |Verhalten zu den Lackmus
E E E > Z zuckernährböden
à nft fe z ;
mn pat Morphologie fa Fa Bo g © 2 p az
5 | der Stämme 3 8 |3 g4| 38 S |g] 3 2
T : =} Q “| S S | 34
° © a aa a A > =g
5 BAER | 5 RENEA:
13 | Nase (Ozaena) nee lang, typ. Lag. + — + + +
14 Rachen-Di ang, typ. Lag. + =u + — + + = +
19 Nase tai: schlank, rea “Lag. + |—u+ + + +
(Di-Kranker)
20 Rachen-Di agl. + —u +| — + + = +
24 | Nase (Ozaena) fs + _ = + £ = +
28 | Nase (Säugl.) + = = $ + =, +
30 | Nase (Ozaena) |sehr lang und ang, typ. Lag.| + _ = + + = ae
31 Rachen-Di lang, schlank, typ. Lag. y eu} — + + = +
+
36 | Rachen-Di dgl. + + Er +
37 | Rachen-Di + le El = + + +
48 | Nase (Säugl.) | sehr lang, schlank, Baz.-Leib + = = + + +
gekörnt, typ. =}
49 |Rachen (Säugl.) lang, ae =i ‚ typ ag. + = = + + = +
60 | Nase (Ozaena) + == = + + = +
62 | Rachen-Di à + = = $ +. = +
63 | Rachen-Di å + = = + + ats +
70 | Rachen (Säugl.) + = = as ra =. +
73 | Rachen-Di : + = = + + = es
76a| Nase (Ozaena) |lange u. kurze Formen, typ. Lag.| + = = + + = +
76b| Nase (Ozaena typ. Lag. + —u + — + + — Ei
85 |Ohr (Di-Krank.)| längere und kurzere Formen + _ = + | + = +
typ. Lag.
99 | Rachen-Di lang, rt typ. Lag. + — _ + + _ +
106 | Nase (Säugl.) + = == + $ = +
107 | Nase (Ozaena) | sehr lang, schank, typ. Lag. + = _ + of — +
110 Rachen-Di + == = are + = +
115 | Rachen-Di sebr lang it Sang typ. Lag.| + = — + + — +
116 Nase dgl + _ = + + | — +
(Di-Kranker) |
Inwieweit die Nährböden für die Di-Diagnose (die Besprechung der
Pseudodi-Gruppe erfolgt später) verwandt werden können, wird jeweils
bei der Besprechung des betreffenden Nährbodens angegeben. Um zu
einem abschließenden Urteil zu kommen, mußte öfters auf die wider-
sprechenden Angaben in der Literatur näher eingegangen werden.
a) Lackmus-Zuckernährböden und Natrium oleinic.-Agar.
Das in der Tab. I unter 3, 4 und 5 wiedergegebene morphologische
Verhalten der Di-B. wurde bereits im 1. Teil der Ausführung näher
besprochen. Wir kamen zu dem Ergebnis, daß diese Merkmale der
Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 17
echten Di-B. der Variation unterliegen und deshalb für eine Gruppen-
einteilung nicht allein in Frage kommen. Wir bedürfen deshalb
weiterer differentialdiagnostischer Hilfsmittel. Auch genügt, wie wir
später sehen werden, nicht ein bestimmtes Verhalten auf einem Nähr-
boden, sondern wir bedürfen der Kombination von mehreren, um daraus
bestimmte Schlüsse für die aus der Variantenbildung sich ergebende
I.
Di- Stämme Ia.
il | 12 D D 14. 16. 16.
P SE Säure- Wachst
HE a5 g grad in d alas Virulenz für
53 EEE Wachstum in Bouill 5 com [au Glyzerin
3833 Se Trauben-\* Kolonien- | M
a ‚ucker- p eer- A à
<> gm“ bouillon!) typen) schwalnohen "= Mäuse
Zs | | ra
+ + leichmäßige Trübung, Bodens. 1,3 3 Ik. + | 8
+ + feinkörnige Trübung, etw. Bodens. 1,4 1 Ik. + |8k.9T.fr
+ + starke Körnelung, klar 1,2 3 BE. 4, + 8
|
+ — feingekörnt, klar, etw. Bodens. 0,4 3 Sk. 5 T. f.| 8
+| + starke Körnelung, klar 1,0 1 Sk. 3, T. {| Sk. —
+ + feinkörnige Trübung, etw. Bodens. 1,6 8 Ik. + | 8
Ea feingekörnt klar, etw. Bodens. 0,6 1 Ik. + 6
= + |deutliche, gleichmäßige Trübung, Bodens. 1,3 3 Sk: 3:7 fi 8
Hautbildung
+] + starke Körnelung, klar 1,0 1 Ik. + 0
+ + dgl. 1,2 1 Ik. + | Sk. —
+ + feingekörnt, klar 1,1 1 Sk. 5 T. + 8
a + starke Körnelung, klar 0,8 3 Ik. + Sk. 6: TT. +
+ + |gleichmäßige deutliche Trübung, Bodens. 0,8 2 Sk iS i G i €
= -H feinkörnige Trübung, etw. Bodens. 1,2 1 Sk. 3'/, T. f| 8
+ starke Körnelung, klar, etw. Bodens. 0,8 1 |Sk. 214, T. +, Sk.4 T. +
= + gleichmäßig feine Trübung, etw. Bodens. 0,8 2 | Sk. 4 T. ¢ | Sk. 8 T. f
+ + feingekörnt, klar 0,7 3 Sk: 214 T. +| Sk. 7 T. +
+ _ feinkörnige Trübung, etw. Bodens. 0,5 8 Ik. Sk. —
+| + dgl. 0,3 G Tk... || Bk. =
+ + feingekörnt, klar 0,5 1 Sk. 3 T. + D Sk. cg
| 2) „ -T
+ 23 dgl. 0,8 1 | Sk. 36 + | sk 6 T +
eh + $ 0,6 2 Ik. + | Sk. 3T. f
+| + feinkérnige Fons, etw. Bodens. 08 | 3 Sk: À ES + a 3 Er T
+| ++ gl. 04 | 142 Sk.2T.} | Sk. 8 T. F
+ | ++ |gleichmäßige feine Trübung, etw. Bodens. 04 | 2 | 8k. 3 T. 7 | Sk. 4 T. +
+) ++ feinkérnige Triibung, etw. Bodens. 0,3 3 ‚Sk. 4, T. | Sk.6T.f
Gruppeneinteilung ziehen zu können. Eine sehr brauchbare Kombination
solcher Nährböden .wurde von Engering angegeben. Sie besteht in
der vergleichsweisen Prüfung des Wachstums auf Natrium oleinicum-
Agar (0,4 ccm einer 10proz. Natr. oleinic.-Lösung werden mit 20 ccm
flüssigem Agar vermischt und zu Platten gegossen) und in Zucker-
Lackmuslösungen.
1) Bei den Stämmen, die eine höhere Nummer als 72 haben, wurde die Säure-
bzw. Alkaliprüfung in gewöhnlicher Fleischwasserbouillon, ohne Traubenzuckerzusatz,
vorgenommen. — Ik. = Intrakutanmethode; Sk. = Subkutanmethode; 6 = Tier-
versuch nicht angestellt; T. — Tage; * — Stunden.
Erste Abt. Orig. Bd. 101. Heft 1/3. 2
18 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Zuckernährböden (Maltose, Lävulose, Saccharose) nach Lubinski
und van Riemsdijk:
1) 1 g Pepton Witte, 0,5 g NaCl, 100 ccm H,O; kochen bis alles
gelöst, filtrieren, 2) 6 ccm Lackmuslösung-Kahlbaum mit 1 g der be-
treffenden Zuckerart (Maltose, Lävulose, Saccharose chemisch rein),
so viel Alkali bzw. Säure hinzugeben, bis ein leicht blauer Farbton er-
reicht ist, abfüllen in Röhrchen zu 5 ccm; nochmals 10 Min. im Dampf-
topf sterilisieren. 48 Std. im Brutschrank beobachten, ob Farbumschlag
eintritt, dann beimpfen. Von den Zuckernährböden verwandte Enge-
ring nur Maltose. Mir erschien es ratsamer, die Prüfung auch mit
Saccharose vorzunehmen, da ich ebenso wie Kruse, Sonne u. a. bei
Dysenterie- und Pseudodysenteriebazillen ein variables Verhalten der
echten Di-B. gegenüber Maltosevergärung beobachtete, aber keinen der
echten Di-Stämme, der aus Saccharose Säure bildete. Wenn Martin,
van Riemsdijk, Bachmann und andere Autoren entgegen den
Ansichten von Th. Smith, Knapp, Graham Smith, Ca-
diot-Cathoire, Henry, Fox, Engering, Lubinski, Pesch
auch Di-Stämme fanden, die aus Saccharose Säure bildeten, so zeigen
diese Beobachtungen an, daß, wie wir weiter unten ‚sehen werden,
Veränderungen im Bazillenleib vorgegangen sein müssen, die im Sinne
einer Plusvariation zu bewerten sind. Aehnliches, jedoch in entgegen-
gesetzter Richtung, eine Minusvariation beobachten wir bei manchen
Di-Stämmen gegenüber anderen Zuckerarten, z. B. Lävulose und Dextrose.
Für die Brauchbarkeit der letzteren Zuckerart, die meist in Form des
Thielschen Nährbodens angewandt wird, sind in der Literatur ganz
widersprechende Befunde angegeben. So konnte z. B. Engering in
50 Proz. aller Fälle ein Versagen dieses Nährbodens -feststellen.
Günstiger lauten die Ergebnisse von K. E. F. Schmitz. Er beobachtete
unter 22 Fällen nur einen echten avirulenten Di-Stamm, der den Thiel-
schen Nährboden nicht rétete. Meine Befunde decken sich ungefähr
mit denen von Schmitz. Bei den echten Di-B. trat immer eine
Rötung und Trübung ein. Wenn ein Di-Stamm atypisches Verhalten
zeigte, dann stellte er auch in anderen Merkmalen eine Minusvariante
dar. Ich muß jedoch hinzufügen, daß mit Hilfe des Thielschen Nähr-
bodens allein eine Trennung der Di-B. von den Pseudodi-B. nicht immer
möglich ist, da ich mehrere Pseudodi-Stämme beobachtete, die eben-
falls den Thielschen Nährboden réteten. Aehnliche Beobachtungen
liegen mit den anderen Zuckerarten vor. Die 4 Zuckerarten zusammen
und insbesondere bei gleichzeitiger Prüfung des Wachstums auf Na-
trium oleinicum-Agar ergaben jedoch ein sehr brauchbares, wenn auch
nicht vollkommenes Differenzierungsmittel zwischen den Di- und Pseudo-
di-B. und ihren Untergruppen.
Aus der Tab. I, Ia unter 6, 7, 8, 9, 10 ersehen wir, daß sowohl die
echten tierpathogenen Di-Stämme (Tab. Ia) als auch die nicht patho-
genen Di-Stämme (Tab. III, Ib) auf Natrium oleinicum-Agar nicht
wuchsen, daß Maltose, Lävulose und Dextrose vergoren wurden, daß
hingegen Saccharose unverändert blieb. Dieses Verhalten auf den an-
geführten Nährboden muß, da es sich immer wieder bei den echten tier-
pathogenen Di-B. vorfindet, als artcharakteristisch angesehen werden.
Unter den pathogenen Stämmen (Tab. ILI, Ib) sind jedoch 2 (75, 83),
welche Maltose nur schwach röteten, obwohl die Reaktion des Nähr-
bodens neutral bis ganz schwach alkalisch war und die beimpften Röhr-
chen 10—12 Tage beobachtet wurden. Auf diese Stämme, die als
Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 19
Minusvarianten anzusehen sind, werde ich später nochmals zurück-
kommen, wenn die anderen Untersuchungsmethoden besprochen sind.
b) Anaérobes Wachstum.
Als bemerkenswerter Unterschied zwischen Di- und Pseudodi-B.
ist von vielen Autoren (M. Neißer, Escherich, K. E. F. Schmitz,
Heurlin, Burkhardt und Enriquez, Martin und Loiseau
und andere) das Sauerstoffbediirfnis der Corynebakterien angesehen.
Pesch und Gottschalk, die sich eingehender mit dieser Frage be-
schäftigten, sahen zwar, daß echte Di-B. bei Sauerstoffmangel im allge-
meinen gut wuchsen; sie fanden aber auch diphtheroide Stäbchen
(„Gruppe 3, saprophytische Di-Stämme“, Einteilung Pesch) und ein-
zelne Stämme aus der Xerosegruppe (Gruppe 4, Einteilung Pesch),
die unter Sauerstoffmangel deutliches Wachstum zeigten. Zu ähnlichen
Ergebnissen kamen K. E. F. Schmitz und Lewandowsky. Meine
sämtlichen echten Di-Stämme (Ia) zeigten in schwach alkalischem
1,5proz. Traubenzuckeragar deutliches anaérobes Wachstum; einige
Stämme der anderen Gruppen (55, 83, 93, 114), die auch in der Aus-
gangskultur spärlich wuchsen, bildeten jedoch unter anaéroben Ver-
hältnissen ein kaum sichtbares Wachstum längs des Impfstriches.
Meine Pseudodi-Stämme wuchsen meist nicht anaérob, einige jedoch
zeigten mehr oder weniger deutliches Wachstum.
Demnach ist zwar eine Unterscheidung der Di-B. von den Pseudodi-
B. nur insofern möglich, als nicht anaérob wachsende Corynebakterien
fast niemals Di-B. sind, anaörob wachsende meistens; doch sind auch
Pseudodi-Stämme bekannt, die anaörobes Wachstum zeigten. Sichere
differentialdiagnostische Schlüsse können deshalb aus dem an- bzw.
aéroben Wachstum im tiefen Traubenzuckeragarstich für sich allein
nicht gezogen werden. Nach Pringsheim waren die Coryhebakterien
ursprünglich alle aörob wachsende Keime. Das erklärt sich schon
daraus, daß das Leben im Sauerstoff und der Energiegewinn durch
Oxydation die normale Funktion ist und das anaérobe Wachstum nur
solchen Arten möglich ist, die befähigt sind, die Nährstoffe so stark
zu spalten, daß sie mit der dabei gewonnenen Energie auskommen
können. Wir können deshalb annehmen, daß bestimmte Gruppen von
Corynebakterien diese Fähigkeit, die für die parasitische Lebensweise
u. U. notwendig sein kann, im Kampfe ums Dasein durch Anpassung
erworben haben. Sanfelice konnte diese Anpassung an die Anaöro-
biose z.B. beim B.fluorescens, Beijerinck bei Milchsäurebakterien
experimentell hervorrufen; doch sind diesbezügliche Beobachtungen sel-
tener, viel häufiger konnte festgestellt werden, daß streng anaérob
wachsende Keime sich an aërobe Verhältnisse gewöhnten [Rausch-
brand-Tetanusbazillen (Kitt, Braatz), B. botulinus (Rosen-
thal) u. a.].
c) Hämolysinbildung.
Als weiteres Hilfsmittel für die Unterscheidung der Corynebak-
terien zog man auch ihre Fähigkeit, Hämolysine zu bilden, heran.
5 ccm leicht alkalischer Nährbouillon wurde 2 Tropfen steriles Hammel-
blut zugesetzt, dann die Kulturen beimpft. Lubenau berichtete be-
reits 1901 über 6 von 7 untersuchten Di-Stämmen, die hämotoxische
Eigenschaft zeigten. Schwoner machte die Beobachtung, daß ge-
rade die aus klinisch schweren Fällen gezüchteten Stämme sich durch
DE
20 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Hämolysinbildung auszeichneten, während die von gewöhnlicher Rachen -
di herrührenden Stämme schwach oder gar nicht hämotoxisch waren.
Andere Autoren (Weselow, Costa, Troisier und Dauvergne),
beobachteten bei ihren sämtlichen Di-Stämmen mehr oder weniger
starke hämotoxische Eigenschaften. Die Ansicht Schwoners, daß
ein gewisser Parallelismus zwischen hoher Menschenpathogenität und
hämotoxischem Vermögen besteht, konnte ich ebenso wie Hammer-
schmidt nicht bestätigen. Zwei von meinen Stämmen, die stark
hämotoxisch waren, stammten aus Pferdewunden, in einem Falle
(Stämme 92) handelte es sich um apathogene diphtheroide Stäbchen,
in dem anderen Falle (Stamm 100) um einen atypischen, allerdings
tierpathogenen Di-Stamm. Ferner zeigten Stämme, die von schweren
Di-Fällen herrührten, im allgemeinen keine stärkere Hämolyse als
die aus der Nase von nicht di-kranken Kindern gezüchteten Stämme.
Außerdem konnte ich mehrere atypische Stämme (4, 12, 18, 21, 64,
74, 75, 93, 102) und Pseudodi-Stämme (s. Tab. VII, Ila) beobachten,
welche ebenfalls hämotoxisch waren. Als ausschlaggebendes differen-
tialdiagnostisches Merkmal kann deshalb die Hämolysinbildung der
Di-B. nicht angesehen werden.
Meine echten Di-Stämme (Ia) waren sämtlich hämotoxisch, von
den 17 nicht tierpathogenen, aber kulturell echten Di-Stämmen waren
11 hämotoxisch, drei (74, 75, 102) schwach und drei (95, 101, 103) keine
Hämolysinbildner. Wenn man bedenkt, daß die pathogenen Stämme
sämtlich hämotoxisch waren und von den 17 apathogenen, aber kulturell
echten Di-Stämmen 6 schwach oder gar nicht hämotoxisch waren,
so liegt die Vermutung sehr nahe, daß es sich bei diesen Stämmen um
eine verloren gegangene Eigenschaft handelt. Wir hätten also Minus-
varianten vor uns, die in zwei Punkten (mangelnde Hämolyse-
fähigkeit, fehlende Tierpathogenität) von der Norm abgewichen sind.
Wir werden in der Annahme,- daß es sich um Minusvarianten handelt
noch bestärkt durch die Beobachtung, daß bei der Nachprüfung der
Hämolysefähigkeit 11/, Jahre nach der Reinzüchtung bei 10 Stämmen
Abweichungen von früheren Befunden festgestellt wurden; und zwar
zeigten 2 echte Di-Stämme (19, 49) und ein apathogener Stamm (83),
die früher deutlich hämotoxisch waren, jetzt nur noch schwache Hämo-
lysinbildung; zwei weitere (13, 70) hatten ihre schwach hämotoxische
Fähigkeit vollständig verloren, ebenso 5 von den apathogenen Stämmen
(72, 74, 86, 102, 105).
In bezug auf Hämolysinbildung der Di-B. ist also zu sagen, daß
viele von den echten Di-Stämmen in ihrer Fähigkeit, Hämolysin zu
bilden, übereinstimmen. Einige Stämme zeigten jedoch ein abweichendes
Verhalten und wir können annehmen, da ja öfters die Beobachtung ge-
macht wurde, daß ein Stamm nach Monaten ein oder mehrere Eigen-
schaften verlor, daß es sich um Minusvarianten handelte. Ein ata-
vistisches Verhalten, indem die früher schwache Hämolysefähigkeit
stärker wurde oder ein anhämotoxischer Stamm hämotoxisch wurde,
konnte ich nicht beobachten.
d) Wachstum und, Säurebildung in Fleischwasserbouillon.
Nach Hammerschmidt sollen bestimmte Korrelationen zwischen
der Fähigkeit, Hämolysine zu bilden, und der Art des Wachstums in
Bouillon bestehen in dem Sinne, daß die anhämotoxischen Stämme die
Bouillon vollkommen klar lassen, am Boden befinde sich nur klein-
Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 21
bröckeliger Satz. Die hämolytischen Stämme sollen jedoch nach 48 Std.
die Bouillon mehr oder weniger trüben. Diese Beobachtung konnte ich
bei 5 anhämotoxischen Di-Stämen (20, 80, 101, 103, 106) bestätigen;
bei einem Stamm 82 war die Bouillon jedoch gleichmäßig getrübt.
Meines Erachtens ist diesem Befunde keine Bedeutung zuzumessen, da
ja die meisten Di-Stämme (s. Tab. I, Ia 10) die Bouillon klar lassen
und dieses Wachstum (feine oder grobe Granula am Boden des Glases
bei sonst klarer Flüssigkeitssäule) gerade für die echten hämotoxischen
Di-Stämme typisch ist. Auch gewisse Beziehungen zwischen hämo-
toxischer Fähigkeit und Säure- bzw. Alkalibildung in Bouillon, die
Hammerschmidt beobachtete, konnte ich. nicht bestätigt finden.
Als Kardinalunterschied zwischen den Di- und Pseudodi-B. hat man
seit Erkennung der beiden Gruppen die Fähigkeit der Di-B., in Bouillon-
kulturen in Gegenwart von Kohlehydraten Säure zu bilden, angesehen.
Echte Di-B. bilden nach 4—5tägiger Bebrütung der Bouillonkultur
stets mehr Säure als die verwandten Arten. Den vielen Autoren,
welche die Säureproduktion als differentialdiagnostisches Merkmal an-
nehmen (Zarniko, Escherich, M. Neißer, Knapp, Gr. Smith,
Bentam, Th. Smith, de Martini, Spronck u. a.) steht eine
ebenso große Anzahl mit entgegengesetzter Ansicht gegenüber (Peters,
Kurth, v. Behring, Scheller, Henri Schmitz u. a.) Madsen
u.Jakobsen stellten sogar 3 Gruppen von Di-B. auf, die sich durch die
Grade ihrer Säurebildung unterscheiden. Neuerdings kamen L. Bitter,
Gundel und Sancho auf Grund umfangreicher Untersuchungen zu
der Feststellung, daß in Zuckerbouillon Di-B. den maximalen Wert der
Säurebildung schneller erreichen und mehr Säure bilden als die Pseudodi-
und Di-ähnlichen Bakterien, während in zuckerfreier Bouillon die
letzteren bei der Alkalibildung ihren maximalen Wert fast immer eher
erreichen als die Di-B., die im allgemeinen aber auch mehr Alkali
produzieren. Diese Autoren kamen deshalb zu der Ueberzeugung, daß
die früheren Vorschläge der Unterscheidung der Di-B. von den Di-ähn-
lichen Keimen auf Grund der von ihnen gebildeten Säure- bzw. Alkali-
menge als nicht zureichend sich erwiesen. Für meine Di-Stämme ver-
wandte ich teilweise (Stamm 1—73 und die Stämme aus Pferdewunden)
1proz. Traubenzucker-Fleischwasserbouillon, teilweise aus äußeren Gründen
bei den Stämmen 73—116 gewöhnliche Fleischwasserbouillon, die nach
den Versuchen von Th. Smith und Spronck immer geringe Mengen
Glykogen, Glukose und Traubenzucker enthält. Nach 5tägiger Bebriitung
bei 37° C erfolgte die Titration der mit je 5 ccm Bouillon beschickten
Röhrchen mit n/10 NaOH bzw. H,SO, und Phenolphthalein als Indi-
kator. Bei der Verwendung von Traubenzuckerbouillon fanden wir bei
den echten tierpathogenen Di-Stämmen Werte, die zwischen 0,4—1,6
n/10 NaOH schwankten, im Mittel betrug der Säurewert 1,2; bei den
nicht pathogenen echten Di-Stämmen (Ib) ergaben sich Schwankungen
zwischen 0,2—1,4 n/10 NaOH, der Mittelwert betrug 0,7. Bei der Ver-
wendung von Bouillon ohne Traubenzuckerzusatz fanden sich im allge-
meinen viel geringere Säuregrade. Die Zahlen bewegten sich bei den
Stämmen der Gruppe Ia zwischen 0,3 und 0,8, im Mittel 0,5 n/10
NaOH; bei den apathogenen Di-Stämmen (Ib) zwischen 0,2—0,8,
im Mittel ebenfalls 0,5 n/10 NaOH. Einen nach 5 Tagen noch Alkali
bildenden Di-Stamm beobachtete ich überhaupt nicht.
Ich erwähnte bereits oben, daß Hammerschmidt die Alkali-
bzw. Säurebildung der Di-B. mit ihrer hämotoxischen Fähigkeit in
Damm
22 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Verbindung brachte. Unter seinen 11 anhämotoxischen Stämmen
bildeten nur 3 Alkali, die übrigen 8 hingegen Säure und alle hämo-
toxischen Stämme Alkali (H. verwandte Bouillon aus menschlicher
Placenta). In 1proz. Traubenzuckerbouillon bildeten die hämotoxischen
Stämme jedoch nach 4 Tagen reichlich Säure, die anhämotoxischen
Stämme dagegen in viel geringerem Maße. Meine Beobachtungen gingen
dahin, daß ein Parallelismus zwischen der hämotoxischen Fähigkeit
und der Säure- bzw. Alkalibildung nicht in dem Maße besteht, wie es
Hammerschmidt annimmt. Meine anhämotoxischen Di- Stämme
zeigten in Traubenzuckerbouillon Säuregrade bis 0,4 n/10 NaOH.
4 Stämme (82, 101, 103, 106), in gewöhnlicher Bouillon sogar bis
0,7 n/10 NaOH. Auch konnte ich bei den hämotoxischen Stämmen
nicht beobachten, weder bei Verwendung von gewöhnlicher noch auch
Traubenzuckerbouillon, daß deutliche Beziehungen zwischen der Hämo-
lysin- und Säure- bzw. Alkalibildung bestanden. Ich sah sogar stark
hämotoxische Stämme (110, 115, 116) mit verhältnismäßig geringen
Graden von Säurebildung (0,3—0,4 n/10 NaOH) und andererseits an-
hämotoxische Stämme (101, 103, 109) mit starker Säurebildung bis
1,2 n/10 NaOH. Meine Beobachtungen können also die Befunde von
Hammerschmidt nicht bestätigen. Der Versuch, ein bestimmtes
Verhalten der Corynebakterien in Bouillon, in der Säure- bzw. Alkali-
bildung und in ihrer hämotoxischen Fähigkeit für sich allein zur Art-
bzw. Gruppeneinteilung zwischen Di- und Pseudodi-B. zu verwenden,
scheint mir deshalb nicht angebracht.
e) Wachstum auf 5proz. Glyzerinagar. Art der Kolonien-
bildung.
Die meisten Di- und Di-ähnlichen Stämme bildeten auf 5proz.
Glyzerinagar bei genügender Feuchtigkeit nach 24—48stünd. Wachs-
tum Kolonien mit charakteristischem Aussehen. Man konnte unter ihnen
3 Typen unterscheiden: 1. kreisrunde Kolonien mit regelmäßigem Rand,
fein bis mittelstark gekörnt, fest zusammengefügt, abgesehen von der
Größe der Kolonie Staphylokokkenkolonien ähnlich. Sie bestanden meist
aus langen, schlanken und mittellangen Stäbchen in charakteristischer
Lagerung. 2. Kleinere zarte, rundliche Kolonien, mit unregelmäßig ge-
kerbten Rande, gleichmäßig deutlich granuliert, wie aus kleinen
Bröckeln zusamengesetzt. Die Bazillen dieses Types waren meist etwas
kürzer und dicker, vielfach auch keilförmig und segmentiert. 3. Als
Uebergang zwischen beiden wurde eine größere Kolonieform beobachtet,
die meist im Zentrum dichter war und bei mikroskopischer Betrachtung
einen hell durchscheinenden, breiten Saum aufwies. Auch die einzelnen
Bazillen dieser Kolonieart nahmen eine Mittelstellung zwischen denen
der ersten und zweiten Form an. Die Einordnung sämtlicher Di- oder
Di-ähnlicher Stämme in dieses Koloniensystem bereitete jedoch oft
große Schwierigkeit, da mehr oder weniger Variationen beobachtet.
wurden, die als Uebergänge von einem Typ zum anderen angesehen
werden können. Das ergibt sich auch aus dem Wachstum dieser 3 Kolo-
nientypen in Bouillon. Von meinen 13 Stämmen vom Typ 1 wuchsen 6,
von den 18 Stämmen von Typ 2—8, und von Typ 3 unter 8 Stämmen 6
in Bouillon fein und grobkörnig mit Bodensatzbildung, die Flüssigkeits-
säule blieb klar. 4 Stämme vom Typ 1, 5 Stämme vom Typ 2 und
1 Stamm vom Typ 3 zeigten feinkörnige Trübung und Bodensatzbildung :
nur je 1 Stamm vom Typ 1 und 3 und 5 Stämme vom Typ 2 zeigten
Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 23
gleichmäßige Trübung mit deutlichem Bodensatz. Für die einzelnen
Typen bestand zwar ein gewisses charakteristisches- Wachstum in der
Bouillon insofern, als die Typen 1 und 3 vorzugsweise fein- oder grob-
körnig wuchsen und die Bouillon meist klar ließen, während die Stämme
vom Typ 2 häufig auch die Bouillon gleichmäßig trübten und deutlichen
Bodensatz bildeten. Wir können annehmen, daß die Art der Kolonien-
bildung ebenso wie das morphologische Verhalten der Di-B. von einer
großen Menge zum Teil noch unbekannten Faktoren abhängig ist. So
kommen z. B. die Konsistenz und Zusammensetzung des Ausgangs-
nährbodens, die Dauer der Bebrütungszeit, die Dichte des Wachstums
auf der Platte, die Menge der gebildeten Stoffwechselprodukte und
andere Richtung gebende Einflüsse in Betracht, so daß ein und derselbe
Di-Stamm, der eine reine Linie bildet, je nach den gegebenen Wachs-
tumsbedingungen, verschiedene Kolonietypen bildet. Man kann sogar
beobachten, daß von einem Stamm, der ursprünglich aus einem Kolonie-
typ besteht, sich 2 oder mehr Kolonientypen abspalten. Diese Tatsache,
die erstmalig von Baerthlein bei Verwendung von mehrere Wochen
alter Bouillon festgestellt wurde, und nachher von vielen Autoren
(Bernhard und Paneth, Weil, Gruschka, Breinl u. a.) zu Er-
zielung von Varianten angewandt wurde, wird fast regelmäßig be-
obachtet, sowohl bei frisch isolierten als auch bei älteren Di-Stämmen,
am besten aber bei Stämmen, die aus der Nase gezüchtet wurden. Die
verschiedenen Typen wuchsen monatelang bei kurzfristiger Ueber-
impfung unverändert nur in der entsprechenden Kolonieform weiter. Ich
erwähnte bereits oben, daß die Art der Kolonienbildung auch von der
gegenseitigen Beeinflussung der Kolonien auf dem Nährboden abhängig
ist. Ich konnte z. B. bei mehreren Stämmen beobachten, daß sie im
Haufenwachstum kleine, mittelstark gekörnte, bläulich durchschimmernde
Kolonien mit unregelmäßigem Rande bildeten. Die am Rande des
Haufens gelegenen Kolonien waren etwas größer und zeigten deutlichere
Granulierung. Die ganz isoliert liegenden Kolonien, im Abstand von
wenigstens 1/ cm waren groß, deutlich gekörnt, im Zentrum etwas
dichter als am Rande und gering gezackt, also Typen, die sich der
Gruppe 3 obiger Einteilung näherten. Morphologisch handelte es sich
bei den Keimen dieser 3 verschiedenen Kolonientypen um die gleichen
Individuen. Hier ist also die verschiedene Koloniebildung auf dem-
selben Nährboden wahrscheinlich bedingt durch die vitale Konkurrenz
der Keime.
Weiterhin war die Art der Koloniebildung abhängig von der Dauer
der Bebrütungszeit. Ich sah z. B. bei einem Stamm (107), daß die
nach 48 Std. gebildeten Kolonien vom Typ 2 waren, einige Tage später
aber hatten diese Kolonien ein dem Typ 3 ähnliches Aussehen ange-
nommen. Eine wahrscheinlich auf die gleiche Ursache zurückzuführende
eigenartige Erscheinung beobachtete ich beim Stamm 100. Beimpfte
ich von einer 14 Tage alten Bouillonkultur eine Glyzerinplatte, so
zeigten sich zunächst nach 48 Std. zwei verschiedene ‚Kolonientypen.
Wo die Kolonien einzeln wuchsen, sah man große, runde, gering ge-
zackte und mittelstark gekörnte Kolonien, die im Zentrum etwas
dichter waren als am Rande. Lagen die Kolonien dicht nebeneinander,
so waren sie klein, unregelmäßig geformt, mittelstark bis deutlich ge-
körnt, mit deutlich gezacktem Rande, im Zentrum dichter als am Rand.
Hatten die Platten aber 6 Tage bei Zimmertemperatur gestanden, so
war bei den freiliegenden, großen Kolonien allseitige deutliche Wall-
24 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
bildung zu sehen. Lagen die Kolonien jedoch nur einseitig frei, so
zeigte sich diese Wulstbildung nur an der Seite der Kolonie, wo keine
anderen Kolonien in unmittelbarer Nähe lagen. Die kleinen in Haufen
liegenden Kolonien zeigten jedoch diese Wallbildung nicht. Beimpfte
ich von den Kolonien mit Wallbildung und von den kleinen Kolonien
je eine frische Glyzerinplatte, so bildeten beide Kolonien wiederum
größere ohne Wallbildung und kleinere, wie sie oben beschrieben
wurden; nach ca. 6 Tagen sah man jedoch bei den größeren freiliegenden
Kolonien wiederum Wallbildung. Diese Erscheinung ist wohl durch das
Altern der Kolonie und durch die Einwirkung der Stoffwechselprodukte
zu erklären und wird, wenn die Kolonien in Haufen wachsen, durch die
vitale Konkurrenz der Keime hintangehalten. Andere Stämme bildeten
nach 1—2wöchentlicher Aufbewahrung bei Zimmertemperatur Knöpfe,
die im gefärbten Präparat vorwiegend Formen mit Kolbenbildung
zeigten, während die Kolonien ohne Knöpfchen diese meist vermissen
ließen. Beim Studium dieser Knöpfchen konnte Baerthlein fest-
stellen, wenn er von der Kolonie, nicht von den Knöpfchen neue Kul-
turen anlegte, daß diese nach 2—3 Tagen wiederum Knöpfe bildeten
und von großer Konstanz waren; erst nach längerer Züchtung in
Bouillon trat wieder ein Rückschlag zu den ursprünglichen Kolonien
ein. Bernhard und Paneth fanden bei Verimpfung von undurch-
sichtigen, gelben, gezackten Kolonien ohne Knopfbildung und anderer-
seits von Knöpfen der betreffenden Kolonie in Bouillon, daß die erstere
nach 2 Tagen sehr schwach giftig war. Wurden die Knöpfe auf Agar
geimpft, so bildeten sich dicke, runde undurchsichtige, braune Kolonien.
Wurde hiervon wiederum in Bouillon verimpft, so war auch diese nach
2 Tagen sehr giftig; nach 7—10 Tagen war kein Unterschied mehr in
der Giftbildung feststellbar, beide waren sehr stark giftbildend. Nach
dieser Zeit waren aber auch aus der mit dem hellen Typ besäten
Bouillon bei Aussaat auf Agar die in gelben Kuppen wachsenden
Typen vorhanden. Es war also in der Bouillon ein Rückschlag in den
andern Typus eingetreten.
Baerthlein konnte auch von atoxischen Varietäten eines toxischen
Di-Stammes nach mehrwöchentlichem Wachstum in Bouillon wiederum
Toxin bildende Kolonien abspalten.
Daß die Art der Koloniebildung mit ihrer Fähigkeit, Gift zu
bilden, in Beziehung steht, wie es Bernhard und Paneth vermuten,
glaube ich auch nach meinen Beobachtungen bejahen zu müssen. (Siehe
nachstehende Tab. IT.)
Tabelle II.
Die Kolonientypen von 45 Stämmen ergaben folgenden Ausfall:
, R Tierversuch Tierversuch
Kolonientyp positiv negativ
1 11 2
2 5 13
3 8 2
lu. 2 2 1
2 u. 3 0 1
Soweit die kleinen Zahlen überhaupt Schlüsse erlauben, sehen wir,
daB unter 13 Stämmen von Typ 1 elf positiven Tierversuch zeigten,
vom Typ 2 von 18 Stämmen nur 5, hingegen 13 negativ und vom Typ 3
unter 10 Stämmen 8 positiv, 2 negativ. Kolonientyp 1 und 3 gaben also
Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 25
die meisten positiven Tierversuche. Sehen wir uns die Herkunft
dieser Stämme an, so finden wir, daß unter den 11 tierpathogenen
Stämmen von Typ 1 sieben von typischen Di-Kranken, 2 aus der Nase
von Ozaenakranken und 2 aus der Nase von gesunden Kindern gezüchtet
wurden. Die beiden apathogenen Stämme mit dem Kolonietyp 1 (95,
114) stammten von Di-Kranken, ebenfalls 5 unter 8 Stämmen vom
Typ 3, 1 Stamm aus der Nase eines gesunden Säuglings und 2 aus der
Nase von Ozaenakranken; von den beiden apathogenen Stämmen vom
Typ, 3 wurde einer aus der Nase eines gesunden Kindes, der andere aus
der Nase eines Ozaenakranken gezüchtet. Von den Stämmen, die Kolo-
nien vom Typ 2 bildeten, war hingegen nur einer unter 5 pathogenen
Stämmen, der von einem Di-Kranken stammte, während 2 Stämme aus
der Nase. von nicht Di-kranken Kindern, 1 Stamm aus der Nase
eines Ozaenakranken und einer aus einer Wunde am Pferd ge-
züchtet wurde. Von den 13 apathogenen Stämmen mit Typ 2 stammten
8 aus der Nase von nicht Di-erkrankten Kindern, 3 aus der Nase von
Ozaenakranken, 1 Stamm von einem Di-Kranken und 1 Stamm aus der
Wunde eines Pferdes. Nach diesen Befunden sind also die von Di-
Kranken gezüchteten Stämme vorwiegend vom Typ 1 und 3 und weiter-
hin sind sie die stärksten Giftbildner.
Von großer Bedeutung ist nun die Frage, ob die Variantenbildung
auch im Organismus vorkommt. Es liegen bereits verschiedene Be-
obachtungen vor, die diese Frage bejahen. Bereits Frosch konnte
1893 beobachten, daß in Kulturen vom Blute Di-Kranker oder aus
inneren Organen von an Di-Gestorbenen verschiedene Typen wuchsen.
Er fand sogar Typen, deren Bouillonkulturen Pseudodi-B. ähnlich waren
und sich als wenig oder gar nicht virulent erwiesen. Graef beobachtete
bei seinen aus dem Urin gezüchteten Di-B., daß bereits in der ersten
Urinaussaat sich verschiedene Typen fanden, die den durch künstliche
Kultur und durch Tierpassage erhaltenen Pseudoformen glichen. Nur
2 voh 10 Stämmen waren Giftbildner, die anderen 8 ungiftig. Nach
diesen Befunden findet also eine Umformung der Kolonientypen im
Organismus statt. Ich konnte dieselben Beobachtungen an mehreren
Versuchen bei weißen Mäusen machen. Ich gebe der Kürze halber nur
einen solchen Versuch wieder.
Einer weißen Maus wurde 0,2 ccm von einer Aufschwemmung
(1 Oese Di-Reinkultur in 1 ccm physiologischer Kochsalzlösung) des
Stammes 107, Kolonientyp 1, in die Schwanzvene injiziert. Die Maus
wurde nach 2 Std. getötet und unter streng aseptischen Kautelen seziert.
Von der Milz wurden Ausstriche auf Glyzerinagar angelegt. Nach
48stünd. Brutschrankaufenthalt beobachtete ich auf der Platte 3 ver-
schiedene Kolonietypen. 1) Große, deutlich gezackte, unregelmäßig
runde, aus Bröckeln zusammengesetzte Kolonien mit abgesprengten
Kolonien am Rande, ferner von gleichmäßig bläulich durchscheinen-
dem und flachem Aussehen. 2) Kleinere unregelmäßig runde, mit leicht
unregelmäßigem Rande, weniger durchsichtig, mittelstark gekörnt, im
Zentrum dichter und mit breiter heller Randzone. 3) undurchsichtige
Kolonien mit stark zerklüftetem Rande, wie aus Bröckeln zusammen-
gesetzt und makroskopisch wie Staphylokokkenkolonien aussehend. Die
beiden letzten Typen zeigten nur schwache Wachstumsintensität. Wir
fanden also Stämme, deren Wachstum sich aus den oben erwähnten
3 Typen von Kolonien zusammensetzten. Die Originalkultur bestand
nur aus Kolonien vom Typ 1. Morphologisch zeigten die ersten beiden
26 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Typen keine wesentliche Unterschiede, es handelte sich um kürzere und
längere Stäbchen in typischer Lagerung. Die Keime vom Kolonientyp 3
waren plumper, meist kurz, wirr und parallel gelagert. Auch kulturell
zeigten die drei Kolonientypen Abweichungen insofern, als der Stamm
vom Typ 1 die Fähigkeit Maltose und Lävulose zu vergären beibehalten
hatte, während die Stämme von Typ 2 und 3 Maltose und Lavulose
nicht mehr veränderten. Auch bei meinen anderen Stämmen fiel auf,
daß diejenigen, welche die Maltose oder Lävulose nur schwach oder erst
nach längerer Bebrütungszeit röteten oder welche bei der Nachprüfung
der Zuckervergärbarkeit nach 11/, Jahren diese nicht mehr vergärten,
meist vom Typ 2 und 3 waren. Diese beiden Typen scheinen be-
sonders zur Variantenbildung zu neigen. Uebereinstimmend damit steht
auch die Virulenzprüfung dieser 3 Kolonientypen. Sie ergab, daß die
Bakterien vom Typ 1 das Meerschweinchen in 31/, Tagen töteten
Tabell
1. Untergrupp
it + | 3 4 5 | 6 | 7 | 8 | 9 [EE
à | | ý ED FE . |Verhalten zu den Lackmus
à | 2 E | 8.2 Zuckernährböden
# | 4 i Ein | A
n| Herkunft | Morphologie Pi r | BS &| g 2 33
g | | 5 g |a.9/ § | g gal
ee | 2 | 4 1383 | a | & EEI
= s =
Z | En “2 A A =] [Ez a = BZ
11| Nase (Ozaena) fang, schlank: typ. Tag. + -u+ — | + + 24
15| Nase (Ozaena) |sehr lang, schlank, meist einzeln + — — + + — +
| liegen +
16| Nase (Ozaena) | sehr lang u. lang, typ. Lag. + — — + | + -=
25 nae Saagi) lang, schlank, typ. Lag. + _ — + + — +
40, Nase (Säugl.) dgl. + -u+4 — + + | — +
61) Nase (Ozaena) | sehr lang, shina typ. Lag. + | = | + + — +
72b| Nase SE lang, schlank, typ. Lag. + | — — | + + = +
74| Nase (Säugl.) | dgl. + | — — + + — +
75| Nase (Ozaena) | = + = = $ + | — $
82| Rachen-Di 5 TEER = BE + = +
83) Nase (Säugl.) | = | sats = = ail + = ES
95| Rachen-Di 5 + = 2 + Se Li +
101| Nase (Säugl.) = | $ = = ED at _ +
102| Nase (Säugl.) š + | — — + + — +
103 Nase (Säugl.) sehr lang u. lang, typ. Lag. + u.— — = + + — $
104| Nase (Säugl.) lang, schlank, typ. Lag. + — — + + — +
105! Nase (Säugl ) dgl. I + — + + _ +
(Sektionsbefund typisch), während die Stämme von den andern beiden
Typen sich als avirulent erwiesen. Wir müssen demnach dem Organis-
mus als Mittel zum Kampfe gegen die Mikroorganismen Fähigkeiten
zuschreiben, welche die Bakterien dahin verändern, daß sie, abgesehen
von morphologischen und kulturellen Veränderungen, auch ihre Virulenz
verlieren. Bernhard und Paneth glauben, daß das Auftreten bzw.
das Ausbleiben von Degenerationsformen im Zusammenhang mit dem
klinischen Krankheitsbilde steht, indem das Ausbleiben dieser Umwand-
lung für den infizierten Organismus ungünstig ist „und daß solche Indi-
viduen, die nicht imstande sind, die giftigen Bazillen in ungiftige um-
zuwandeln, zum Teil deshalb der Infektion erliegen“. Damit im Ein-
klang steht auch die SCHOEN: die andere Autoren machten (Roux
und Yersin, Klinger und Schoch u. a.), daß die Di-B., die aus
Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 27
der Nase von nicht Di-kranken Kindern, aus der Nase von Ozaena-
kranken, von Wunden oder auch von gesunden Personen aus der Um-
gebung Di-Kranker usw. gezüchtet wurden, vorwiegend avirulent waren
und häufig atypisches Wachstum zeigten. Als Grund hierfür kann
man annehmen, daß die Di-B. in der Nase der Einwirkung des
schleimigen Sekrets von bekannt bakterienfeindlichem Charakter aus-
gesetzt sind. Für den Mikrobiologen haben diese Beobachtungen inso-
fern praktisches Interesse, als sie einerseits von großer differential-
diagnostischer Bedeutung sind und andererseits empfehlen, zur Her-
stellung von Antitoxinen nur solche Typen zu verwenden, die eine
rasche und starke Giftbildung zeigen. Es besteht also unstreitig eine
große Mannigfaltigkeit der Formen, die sowohl durch kulturelle Ein-
griffe als auch durch den Tierversuch erreicht werden können. Daß
diese Veränderungen auch schon im menschlichen Organismus vorgehen
ı Di-Stämmen Ib.
1.) 3 13 | 14 15 16
4 |Hämolvei | Säure- | Wachstum | Virulenz für
5 bildun ta | rad in |der Kolonien
a H ung a Wachstum in Bouillon | Trauben- [auf Glyzerin-| |
2 bu thoul Nok zucker- |Agar (Kolo-| Meer- weiße
= | bouillon | nientypen) | schweinchen | Mäuse
- + feingekörnt, klar 02 | 6 | Sk — | 6
- + gleichmäßig, deutl. Trübung, Bodensatz 0,4 2 | Ik. — |Sk. -
+ stark gekörnt, klar 1,4 9 | Sk. — 8
- + feingekörnt, klar 0,8 2 Ik. — [|Sk. —
- + feinkérnige aia 5 etwas Bodensatz 0,3 2 Ik. — |8k. —
- + dgl. 1,2 2 Sk. — |Sk. —
- + feingekörnt, klar 0,41) | 2 Sk. — |Sk.
- + dgl. 0,7 lu. 2 Ik. — |Sk. —
= + deutlich gekérnt, klar 0,3 2 | Ik. — |Sk. —
- | -= gleichm. feine Trübung, etwas Bodensatz 0,2 2 8 Sk. -
: + feinkörnige Triibung, etwas Bodensatz | 0,3 2 u. 3 Sk. — |Sk.
- _ feingekörnt, klar 0,2 1 Sk. — |Sk. —
- — gl. 0,7 3 Sk. — |8k. —
- | + feinkörnige Triibung, etwas Bodensatz 0,8 2 Ik. — Sk. —
- — feingekörnt, klar 0,6 2 Sk. — (Sk. —
- + deutlich gekörnt, klar, etwas Bodensatz 0,7 2 Sk. — JSk.
> + feinkörnige Trübung, etwas Bodensatz 0,5 2 Sk. — Sk.
müssen, habe ich bereits oben erwähnt. In demselben Sinne sprechen
auch die vielen variierten Stämme auf Tab. I, III, IV, die aus den ver-
schiedensten Organen gezüchtet wurden.
II. Physiologische Leistungen der Varianten des echten Di-
Bazillus.
Bei der Betrachtung dieser Stämme müssen wir uns zunächst die
Frage stellen, ob diese Stämme überhaupt zu den Di-B. zu rechnen
1) Bei den Stämmen, die eine höhere Nummer als 72 haben, wurde die Säure-
bzw. Alkaliprüfung in gewöhnlicher Bouillon ohne Traubenzuckerzusatz vorgenommen.
lk. = Intrakutaniustho e. Sk. = Subkutanmethode. 6 — Tierversuch nicht angestellt.
28 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
sind und weiter ob eine prinzipielle Trennung zwischen diesen Stämmen
und der Gruppe der Pseudodi-B. durchzuführen ist.
Wir können uns im folgenden kürzer fassen, da über die Zusammen -
setzung und Brauchbarkeit der in Frage kommenden Nährböden bereits
berichtet wurde.
a) Minusvarianten A.
a) Zunächst ist eine Gruppe von Di-Stämmen zu erwähnen (siehe
Tab. III, Ib), die sich von denen der Gruppe Ia insbesondere durch ihre
fehlende Tierpathogenität unterscheidet. Ob in jedem Falle der negative
Tierversuch durch ein zu hohes Alter des Stammes (einige Stämme
waren 1/,—!/, Jahr alt), bedingt war — die Tierpathogenität kann be-
kanntlich nach häufigen Umzüchtungen verloren gehen — muß unent-
schieden bleiben. Bitter, Gundel und Sancho konnten im Ex-
periment nachweisen, daß ein vorher virulenter Stamm bereits nach
der zweiten Uebertragung avirulent wurde, wenn er in ein Substrat
von anderer für ihn bei dem betreffenden px ungünstigen Zusammen-
setzung gebracht wurde. Ein vollvirulenter Stamm, der auf Blutagar ge-
wachsen war, blieb nach der Uebertragung auf eine Molkenkultur
(1 Proz. Pepton, 1 Proz. Traubenzucker und 0,5 Proz. Natriumchlorid
in 100 Teilen dest. Wasser) zunächst noch virulent, nach der 2. oder
3. Molkenkultur fiel der Tierversuch aber negativ aus. Ohne die inter-
essanten Befunde obiger Autoren bezweifeln zu wollen, glaube ich für
meine Stämme doch annehmen zu müssen, daß sie bereits bei der
Herauszüchtung aus dem menschlichen Körper apathogen waren, da
einerseits 9 von 13 untersuchten Stämmen auf Glyzerinagar Kolonien
vom Typ 2 bildeten, und diese sich, wie wir bereits sahen, vorwiegend
bei apathogenen Stämmen finden und andererseits, weil verschiedene
Stämme sogleich nach der Reinzüchtung ein von der Norm abweichendes
kulturelles Verhalten zeigten. Wir haben z. B. 2 Stämme (75 und 83),
welche aus Maltose nur geringe Mengen Säure bildeten und weiterhin
3 Stämme (95, 101, 103), die keine, und 3 andere (74, 75, 102), die
nur schwache hämotoxische Fähigkeiten äußerten, ferner wuchs 1 Stamm
(83) schwach anaérob. In Bouillon bildeten 11 Stämme Säurewerte
zwischen 0,2 und 0,8 Re NaOH, im Mittel 0,5, also wie die echten
Di-Stämme der Gruppe Ia. Bei Verwendung von Traubenzuckerbouillon
fanden sich bei 6 Stämmen Werte, die sich zwischen 0,2 und 1,4, im
Mittel 0,7 n/10 NaOH bewegten, entgegen 1,2 n/10 NaOH bei den
Stämmen der Gruppe Ia.
Wenn diesen Abweichungen auch im Einzelfalle keine große Be-
deutung zukommt, so sind sie doch, weil sie häufiger in einer be-
stimmten Gruppe vorkommen, insofern charakteristisch, als sie Minus-
variationen von echten Di-B. darstellen. Ihre Abweichung von dem
Normaltyp ist allerdings so gering, daß man nicht berechtigt ist, von
diphtheroiden Bazillen zu sprechen, zumal ihr morphologisches Aussehen
und biologisches Verhalten sich kaum von dem der echten tierpathogenen
Di-B. unterscheidet. Wir können die Stämme dieser Gruppe als ein-
fache und je nach dem, ob außer der fehlenden Tierpathogenität noch
ein anderes abweichendes Merkmal vorhanden ist, als doppelte Minus-
varianten der echten tierpathogenen Di-B. bezeichnen.
Zu dieser Gruppe sind wahrscheinlich auch die unter Ibb Tab. IV
wiedergegebenen 8 Stämme zu rechnen, da auch bei diesen 1 oder
mehrere biologische Verlustmerkmale auftreten; doch kann über ihre
Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 29
Virulenz nichts ausgesagt werden, da der Tierversuch nicht angestellt
wurde. Die Stämme 53 und 86 waren schwache Maltosevergärer,
außerdem bildete der Stamm 86 auch aus Lävulose nur geringe Mengen
Säure. Stamm 80 war anhämotoxisch, Stamm 64 schwach hämotoxisch.
Von 5 untersuchten Stämmen bildeten 4 auf Glyzerinagar Kolonien
vom Typ 2 und nur 1 Stamm Kolonien vom Typ 1. Aus der Art des
Wachstums in Bouillon und aus ihren Säuregraden konnten keine be-
stimmten Schlüsse gezogen werden. In Bouillon wuchs ein Stamm
grobkörnig, klar, 6 Stämme feinkörnig, trüb mit Bodensatz, 1 Stamm
gleichmäßig trüb mit deutlichem Bodensatz. Die Säurewerte bei
2 Stämmen betrugen bei Verwendung von gewöhnlicher Bouillon 0,3
und 0,9 n/10 NaOH, in Traubenzuckerbouillon bei 6 Stämmen 0,8
bis 1,7, im Mittel 1,2 n/10 NaOH.
b) Minusvarianten B.
b) Verfolgen wir nun die Variantenbildung bei den Di-B. weiter,
so sehen wir unter 1 Tab. IV eine Gruppe von 6 Stämmen, die sich
morphologisch von der 1. Gruppe (Ia) dadurch abtrennten, daß es
sich fast nur um mittellange Formen handelte. Die Lagerung war
typisch, wie bei den echten Di-B. Auch durch die Neißer- und
Langer-Färbung konnten sie von diesen nicht unterschieden werden.
Ihr kulturelles Verhalten zeigte hingegen Abweichungen, die sie als be-
sondere Gruppe charakterisierten. Maltose wurde von allen Stämmen
nicht vergoren, 1 Stamm (4) rötete außerdem nur schwach den Thiel-
schen Nährboden, 2 Stämme (93, 114) zeigten nur schwaches anaérobes
Wachstum, 2 weitere (22, 114) waren anhämotoxisch, 3 andere (4,
12, 93) nur schwach hämotoxisch. In Bouillon wuchsen 2 Stämme (9,
22) fein oder deutlich gekörnt, die Flüssigkeitssäule blieb klar, von
4 Stämmen (4, 12, 93, 114) wurde die Bouillon leicht getrübt und
Bodensatz gebildet. Der Säuregrad in Bouillon betrug bei den Stämmen
93 und 114 0,2 n/10 NaOH, bei den anderen 4 Stämmen (4, 9, 12,
22) in Traubenzuckerbouillon 0,2—1,0, im Mittel 0,8 n/10 NaOH,
also durchschnittlich etwas weniger als bei den Stämmen der 3 ersten
Gruppen. Die Kolonien auf Glyzerinagar von 3 untersuchten Stämmen
gehörten zum Typ 1 Stamm 114, zum Typ 2 Stamm 93 und zum
Typ 3 Stamm 91. Die Tierversuche mit Meerschweinchen und weißen
Mäusen fielen bei 3 (9, 93, 114) von den 6 Stämmen negativ aus,
von den anderen Stämmen wurde keine Pathogenitätsprüfung angestellt.
Wir haben es bei den Stämmen dieser Gruppe wiederum mit
Minusvarianten zu tun, die in mehreren Punkten (fehlende Maltose-
vergärung und Tierpathogenität) eine Einbuße ihrer physiologischen
Leistungen erfahren haben. Einige dieser Stämme zeigen jedoch noch
weitere teilweise Verlusteigenschaften. So wurden vom Stamm 4 der
Thielsche Nährboden nur schwach gerötet und die Blutbouillon nur
schwach hämolysiert. Ferner zeigten die Stämme 12 und 93, abgeschen
von der Nichtvergärung der Maltose und der fehlenden Tierpathogenität
(diese beiden Merkmale fehlten ja sämtlichen Stämmen dieser Gruppe),
noch teilweise Verlusteigenschaften insofern, als beide Stämme nur
schwach hämotoxisch waren und Stamm 93 außerdem nur schwach
anaérob wuchs, so daß diese Stämme in 2 Merkmalen volle, in je
1 bzw. 2 weiteren teilweise Minusvarianten waren. Wir haben es hier
bereits mit einer Gruppe von Di-B. zu tun, die sich biologisch sehr
den später zu besprechenden Pseudodi-B. der Gruppe II nähern, doch
30 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
bestehen außer den morphologischen Unterschieden auch kulturell deut-
lich trennende Merkmale: fehlendes Wachstum auf- Natrium oleinicum
Agar, Vergärung der Maltose und höhere Grade von Säurebildung.
Insbesondere aber wird, wie weiter unten gezeigt wird, durch die Agglu-
tinationsversuche die Trennung beider „Arten“ bewiesen.
c) Minus-Plusvarianten A.
Bei den vorher erwähnten 4 Gruppen äußerte sich die Variations-
bildung nur im Verlust von Eigenschaften; bei den folgenden 3 Stämmen
(41, 47, 69) der Gruppe I der Tab. IV beobachteten wir Neuerwer-
Tabell
Weitere Untergrupp
cy ae, (ra l a |5 |6|2]8s|elm
g a | we Pee ee
E le ie
= : fy fa Es © | 8 353
n Herkunft Morphologie R u |88|2.2|5 5%
5 5 © 20 | 8. z À
zs a w [4:12 || 1%
= E] 8 (8513 815$ EE
pA E | E A | |BZ|A|A |2 6z
I bb
35| Nase (Ozaena) | lang u. kurz, einzeln u. in Nest. gelag. Pa |—u + — | ++) +
43| Nase (Ozaena) lang u. schlank, typ. gelag. + j—u.+/ — | +|+|-| +
44| Nase (Ozaena lang u. kurz, typ. gelag. + ut — ++) —) +
46| Nase (Ozaena lang u. schlank, typ. gelag. + ut — ++ — | +
53 Rachen-Di dgl. + = (| EE
64 Rachen-Di = + = || = eS +
80| Nase (Ozaena) lang u. kurz, einzeln u. Y-förm. gelag. + — — ++ — | +
86| Nase (Säugl) | lang u. schlank, typ. Lag. + = er AU a a aa
Gruppe Ic.
4| Nase (Ozaena) sehr lang u. schlank, typ. Lag. + = = Tal sf
9| Nase er mt. meist, einzeln oder parall. gelag. + — |—-|+1—-| +
12| Nase (Ozaena) lang u. mtl., typ. Lag. + —u+ - | -|+|1-| +
22|Auge (Konjunktiv.) dgl. + ut — |—'+]|--]| +
eines Di-Kranken
93| Rachen (Säugl.) lang, mt., typ. Lag. + aa pe | age | ee a
114|Rachen (Di-Krank.) lang u. kurz, typ. Lag. —u.+| — — |-|+|1-! +
Gruppe Id.
41| Nase (Säugl.) lang u. schlank, typ. Lag. Free aa À 4
lang u. schlank, meist einzeln, auch + ut — +++! +
47| Nase (Säugl.) Y-förmig gelagert
69| Nase (Säugl.) lang u. schlank, typ. Lag. + — — !+|+|=#+| +
Gruppe Ie.
18|Auge (Konjunktiv.)| lang u. kurz, typ. Lag. + [ut — |— | + | +! +
21)Rachen (Di-Krank.) lang u. schlank, typ. Lag. + NE = EE |, A
54 Rachen (Säugl.) lang u. kurz, typ. Lag. + = sad | d'El
55| Nase (Siiugl.) dgl. as = ES eee a RU er 4
Gruppe 1f.
87| Nase (Säugl.) lang, schlank, Y-förmig, par. gelagert + RE = TEE 14
schaft, die allerdings nach 11/, Jahren nur noch schwach vorhanden
war, die anderen beiden Stämme waren anhämotoxisch. In Bouillon
bildeten die beiden Stämme 41 und 47 feine Granula und etwas
Bodensatz, die Flüssigkeit blieb jedoch klar; die Säuregrade in Trauben-
zuckerbouillon betrugen 0,4 und 1,2 n/10 NaOH. Der Stamm 69 trübte
Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 31
bungen, Plusvariationen.. Oben wurde bereits auseinandergesetzt, daß
Saccharose von den echten Di-B. nicht vergoren wird. Die 3 zu dieser
Gruppe zu rechnenden Stämme bildeten jedoch aus Saccharose geringe
Mengen Säure, so daß die Flüssigkeitssäule schwach gerötet war.
Morphologisch handelte es sich um lange und mittellange, polgefärbte
Stäbchen in regelloser und Yförmiger Lagerung. In Bezug auf Langer-
Färbung, Wachstum auf Natrium oleinicum-Agar, Maltose-, Lävulose-
und Traubenzuckervergärung sowie anaérobes Wachstum verhielten sie
sich wie typische Di-Stämme. Die anderen Merkmale boten nichts
Charakteristisches. Einer der 3 Stämme (41) zeigte hämotoxische Eigen-
ı Di-Stämmen. =
12 13 14 Wy :
3 ae
L = äure- Virul f
s v 8 eeu Wachstum irwenz für
= BER Wachstum in Bouillon Trauben- der Kolonien à
383 zucker- auf Agar sog eiße
EEEE packer- | (Kol-Typ)| BES | we
vei ouillon !)| ~. S45 Mäuse
i a
+ feingekörnt, trüb, etwas Bodensatz 1,2 1 | e ®
+ l. 1,3 6 8 8
+ » 1,2 6 6 6e
+ gleichmäBig getrübt, deutlicher Bodensatz 1.7 o 6 ©
+ feingekörnt, trüb, etwas Bodensatz 0,8 2 e e
| + dgl. 1,0 2 ® 6
— deutlich gekörnt, klar 0,9 2 6 6
+ feingekörnt, trüb, etwas Bodensatz 0,3 2 8 ®
+ gleichmäßig getrübt, Bodensatz 10 | 0 0 ®
+ feingekörnt, klar 06 | 3 Ik. — |Sk. —
+ leicht getrübt, Bodensatz 02 | 8 ® o
— deutlich gekörnt, klar 0,6 8 8 8
+ gleichmäßig fein getrübt, etwas Bodensatz 0,2 2 Sk. — |Sk. —
= gleichmäßig deutlich getrübt, Bodensatz 0,2 1 Sk. — |Sk. —
+ feingekörnt, klar 12 | 2 8 0
— | y trüb 0,4 e 8 6
— gleichmäßige feine Trübung, Bodensatz 0,6 1u2 | 0 ®
+ deutlich gekörnt, klar 1,1 lu. 2 | Ik. + 8
+ feingekörnt, trüb, etwas Bodensatz 0,7 8 8 6
+ deutlich gekörnt, leicht getrübt, etwas Bodensatz 11 ® | e 6
+ feingekörnt, trüb, etwas Bodensatz 14 | 8 lk. — 8
+ deutlich gekörnt, leicht getrübt, etwas Bodensatz | 0,9 | 1 Sk. + Sk. +
die Bouillon gleichmäßig, Säuregrad 0,6 n/10 NaOH. Die Kolonien
von Stamm 41 gehörten zum Typ 2, bei Stamm 47 sah man neben den
Kolonien vom Typ 1 auch solche vom Typ 2.
1) Bei den Stämmen, die eine höhere Nummer als 72 haben, wurde die Säure-
bzw. Alkaliprüfung in gewöhnlicher Bouillon ohne Traubenzuckerzusatz vorgenommen.
32. Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Man könnte geneigt sein, diese 3 Stämme zur Gruppe der Pseudodi-
B. (Typ. 2a) zu rechnen, zumal über die Pathogenität dieser Stämme
nichts bekannt ist, da keine Tierversuche angestellt wurden. Doch
spricht das Nichtwachstum auf Natrium oleinicum-Agar, das gram-
negative Verhalten bei der Langer-Färbung und das morphologische
Aussehen durchaus für Di-B. Hinzu kommt noch, daß alle 3 Stämme
11/, Jahre später die Fähigkeit Saccharose zu vergären, verloren hatten,
so daß sie sich wie echte Di-B. verhielten.
d) Minus-Plusvariationen B.
Eine weitere Gruppe von 4 Stämmen (le Tab. IV) zeigte ebenfalls
Minus- und Plusvariationen. Sie unterschieden sich von den Stämmen
der vorhergehenden Gruppe dadurch, daß sie Maltose nicht vergärten
(Minusvariation), Saccharose jedoch spalteten (Plusvariation). In Bouil-
lon wuchs 1 Stamm (18) grobkörnig, die Flüssigkeit blieb klar, die
anderen 3 Stämme (21, 54, 55) wuchsen feinkörnig und trübten die
Bouillon. Dann waren alle Stämme mehr oder weniger hämotoxisch,
ihre Säureproduktion in Traubenzuckerbouillon war im allgemeinen
höher (0,7—1,4, im Mittel 1,0 n/10 NaOH) als bei den Stämmen
der vorhergehenden Gruppe. Bemerkenswert ist, daß einer (18) von
diesen Stämmen meerschweinchenpathogen war. Ein Stamm (55) war
apathogen, 2 (21, 54) wurden nicht geprüft.
e) Minus-Plusvarianten C.
Ein weiterer Stamm (87), Gruppe 1 f, mit Minusvariation, Lävulose
wurde nicht vergoren, und Plusvariation, Saccharose wurde gespalten,
sonst sich wie ein typischer Di-Stamm verhaltend, zeigte ebenfalls
positiven Tierversuch. Auch unter den aus Wunden von Pferden ge-
züchteten Stämmen war ein Plusvariant, Stamm 100, (schwaches
Wachstum auf Natr. oleinic.-Agar) mit positivem Tierversuch. Wir
hätten also unter 6 Stämmen mit Plusvariationen 3 (18, 37, 100), die
tierpathogen waren. Ob diesem Befunde eine besondere Bedeutung
zukommt, insofern als Stämme mit Plusvariation, auch wenn sie in
einem anderen Merkmale Minusvarianten 'sind (letztere sind, wie wir
oben bereits sahen, apathogen) häufig im Tierversuch positiv sind,
lasse ich unentschieden. Folgende Beobachtung scheint jedoch in diesem
Sinne zu sprechen. Als ich 11/, Jahre später die Stämme nachprüfte,
zeigte ‚sich, daß die Stämme 18, 21, 87 ihre Plusvariation verloren
hatten, zugleich damit hatten auch die Stämme 18 und 87 ihre Tier-
pathogenität verloren; der Stamm 100 wuchs auch jetzt noch schwach
auf Natrium oleinicum-Agar, war also Plusvariant geblieben, damit
übereinstimmend war der Stamm auch jetzt noch hochvirulent. Weit-
gehende Schlüsse glaube ich aus diesem Parallelgehen nicht ziehen zu
dürfen, da das Material, das diese Beobachtung zeigte, zu gering ist.
Wohl glaube ich sagen zu können, daß die Stämme der Gruppen Ib—f
echte Di-Stämme sind, die sich durch Minus- oder Plusvariationen als
besondere Untergruppen von den typischen tierpathogenen Di-Stammen
der Gruppe la charakterisieren. In dieser Ansicht werde ich noch
bestärkt durch die Beobachtung, daß verschiedene Stämme, die so-
gleich nach der Reinzüchtung typisches Verhalten auf den Zucker-
nährböden (Maltose, Lävulose, Saccharose) und in Blutbouillon zeigten
nach 1!/, Jahren durch Verlust von Eigenschaften variiert waren.
Von den echten Di-Stämmen der Gruppe Ia zeigten Stamm 13 nach
Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 33
dieser Zeit keine Säurebildung mehr aus Maltose, die Stämme 14,
19, 85 nur noch schwache. Lävulose wurde von den Stämmen 13 und
19 nur noch schwach vergoren; ferner zeigten Stamm 19 und 49
nur noch schwache, Stamm 13 überhaupt keine Hämolysinbildung
mehr.
Von den 25 Di-Stämmen der Gruppe Ib und Ibb zeigten Stamm
72b, 101 und 105 nur noch schwache Rötung des Maltosenährbodens,
Stamm 53, der früher Maltose gering spaltete, hatte diese Eigenschaft
ganz verloren. Die Stämme 53 und 101 röteten den Lävulosenährboden
nur noch schwach. Die früheren Hämolysinbildner 86, 102 und 105
hatten diese Fähigkeit vollständig und Stamm 83 teilweise verloren.
Von 2 nachgeprüften Stämmen aus der Gruppe Ic war der
Stamm 9 anhämotoxisch geworden, der andere (114) war anhämotoxisch
geblieben, so daß also unter den 6 Stämmen dieser Gruppe 3 schwache
und 3 nicht Hämolysinbildner waren. Sodann verlor der Stamm 21
von der Gruppe Ie seine schwach hämotoxische Eigenschaft und der
Stamm 41 von der Gruppe Id löste die Blutkörperchen nur noch
schwach.
Zu den unter Id, e und f erwähnten Stämmen, die neben Minus-
varianten auch Plusvariationen zeigten, ist zu bemerken, daß alle die
Fähigkeit Saccharose zu spalten, nach 11/, Jahren verloren hatten.
Wir sehen also, daß am wenigsten die echten, tierpathogenen
Di-Stämme, viel häufiger die apathogenen und atypischen Di-Stämme
bestimmte biologische Eigenschaften verloren hatten. Auch Merkmale,
die im Sinne einer Plusvariation gedeutet wurden, gingen später ver-
loren. Eine Erklärung hierfür könnte darin zu finden sein, daß die
Bakterien auf künstlichen, festen Nährböden ganz anderen, weniger
zusagenden Bedingungen ausgesetzt waren als im lebenden Körper,
so daß diese veränderte Lebensweise erworbene Eigenschaften wieder
vernichtete. Damit ist jedoch nicht gesagt, daß unter allen Um-
ständen die Wachstumsbedingungen auf der Kultur ungünstiger sind
als im lebenden Organismus. Im Gegenteil können mitunter die Ab-
wehrmaßnahmen des Körpers für die Keime unheilvoller sein als
das Wachsen auf künstlichen Nährböden.
Auffallend ist, daß ich nicht einen Stamm beobachtete, bei dem
eine Variation auf die ursprüngliche normale Form zurückschlug. Alle
Veränderungen äußerten sich in mehr oder weniger starken Verlust-
eigenschaften.
III. Pathogenitätsprüfungen der typischen und variierten Di-
Stämme.
a) an Meerschweinchen.
Die Lösung der Frage, ob ein verdächtiges Stäbchen ein echter. Di-
B. ist, glaubte man früher nur dann entscheiden zu können, wenn es
auch tierpathogen war. Heute wissen wir jedoch, daß auch echte Di-B.
beobachtet werden, die apathogen sind, und andererseits wurden von
Lesieur und Spronck, Bongert, Marzinowsky, Gromakow-
sky u. a. gewisse Pseudodi- Stämme beschrieben, die geringe pathogene
Wirkung (Oedeme, Spätparalysen etc.) äußerten; ob es sich in diesen
Fällen doch nicht um atypische Di-B. handelte, da der wichtigste
Kontrollversuch, die gleichzeitige Gabe mit Antitoxin, unterblieb? Von
meinen Di- und Pseudodi-Stämmen wurden 73 im Tierversuch geprüft.
Erste Abt. Orig. Bd. 101. Heft 1/3. 3
34 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Von den echten Di-Stämmen (Gruppe Ia) zeigten sämtliche 25 Stämme
positiven Tierversuch. In 10 Fällen wurde die Römersche Intra-
kutanmethode angewandt, und zwar in der Weise, daß 0,2 ccm von
einer 2stünd. Bouillonreinkultur in die depilierte Haut eines Meer-
schweinchens eingeimpft wurde. Nach 1, spätestens 2 Tagen war bei
positivem Ausfall des Tierversuchs eine deutliche Impfpustel mit hyper-
ämisch geschwollener Zone zu sehen. Nach weiteren 24—48 Std.
trat Nekrose und später Schorfbildung ein. Nach ca. 8—10 Tagen
wurden die Krusten wieder abgestoßen. Der Vorzug dieser Methode be-
stand darin, daß an einem Tiere mehrere Proben, bis zu 6, gemacht
werden konnten. In den meisten Fällen wurde auch zugleich die Anti-
toxinkontrolle mit Di-Serum angestellt, die jedesmal Schutzwirkung
ausübte. In einigen Fällen sah ich, daß im Gegensatz hierzu normales
Pferdeserum keine schützende Wirkung auslöste, die Tiere gingen
prompt ein. Der Tod der Tiere wurde jedoch erst dann als echter
Di-Tod angesehen, wenn das Tier bei der Sektion typische Verände-
rungen zeigte (sulzig-hämorrhagisches Oedem an und in der Umgebung
der Injektionsstelle, mehr oder weniger große Mengen Exsudat in der
Brust- oder Bauchhöhle, Peritonitis, Rötung der Nebennieren), da bei
der Injektion größerer Mengen mehrere Tage alter Bouillonkulturen
infolge Autolyse der Bazillenkörper und Abspaltung der freigewordenen
Stoffe vielleicht nicht ganz gesunde Tiere an unspezifischer Protein-
vergiftung eingegangen sein könnten. In 10 Fällen kam als Injektions-
material 1 ccm 2—3mal 24stünd. Bouillonreinkultur zur Anwendung,
um durch die Injektion von Bazillen und Toxinen (also Ekto- und
Endotoxinen) eine erhöhte Wirkung zu erzielen, wenn auch zugegeben
werden muß, daß nach Versuchen von Kolle, Schloßberger und
Martin die Giftbildung in Bouillonkulturen nicht in Kongruenz steht
mit der Meerschweinchenpathogenität. Es wurden Stämme beschrieben
(Kolle und Schloßberger und Martin u. a.), die zwar lösliches
Toxin bildeten, die aber selbst in größeren Mengen Meerschweinchen
nicht töteten. ;
In 16 Fällen kam zur Pathogenitätsprüfung der Di-Stämme die
Subkutanmethode zur Anwendung. Es wurde 1/, cm Emulsion von
einer 24stünd. Loeffler - Serumkultur (3 ccm NaCl auf ein Röhr-
chen) subkutan unter die Bauchhaut injiziert. Die Tiere gingen in
1—5 Tagen ein. Von den unter Ib erwähnten echten Di-Stämmen, die
wegen ihrer mangelnden Tierpathogenität und wegen ihrer teilweisen
biologischen Abweichungen von den typischen Di-Stämmen Ia als
Minusvarianten angesprochen wurden, kamen 14 Stämme zur Virulenz-
prüfung. Bei 5 Stämmen wurde die Intrakutanmethode nach Römer
angewandt. In einigen Fällen beobachtete ich zwar nach 24 Std. um
den Stichkanal geringe Rötung, doch ging diese bereits nach weiteren
24 Std. wieder zurück. Uebergang in Nekrose beobachtete ich niemals.
Die übrigen 9 Stämme wurden nach der Subkutanmethode verimpft
(1 ccm 2 oder 3mal 24stünd. Bouillonreinkultur). Sämtliche Stämme
erwiesen sich als apathogen. Aus den bereits oben angegebenen
Gründen (s. unter IL a) ist nicht anzunehmen, daß es sich um Stämme
handelte, die ihre Tierpathogenität erst nach der Reinzüchtung verloren
hatten. Wohl mag zugegeben werden, daß sie die Virulenz bereits im
menschlichen Organismus einbüßten. Uebereinstimmend damit zeigten,
wie ich bereits erwähnte, einige Stämme geringes von der Norm ab-
weichendes Verhalten im Sinne einer Minusvariation, welches die Ver-
Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 35
mutung nahe legt, daß auch die Pathogenität für die angewandten In-
jektionsdosen verloren gegangen war. Der Tod der Tiere erfolgte in
den meisten Fällen in 2—3, seltener 5 Tagen. In einem Falle
(Stamm 53), der aus der Wunde eines Pferdes gezüchtet wurde, beob-
achtete ich eine postdiphtherische Lähmung. 6 Wochen nach der
positiv ausgefallenen Intrakutanmethode von Römer trat beim Meer-
schweinchen zunächst eine schlaffe Lähmung des linken Hinterbeines
ein, 24 Std. später war die ganze Hinterhand gelähmt. Ungefähr
7 Tage später kehrte zuerst die aktive Beweglichkeit des linken, dann
die des rechten Hinterbeines zurück. Zweifellos handelte es sich bei dem
sonst gesunden Tiere um eine postdiphtherische Lähmung, die ich bei
keinem anderen Tierversuche beobachtete. Das Ergebnis der Tierver-
suche von den unter Ic, e und f Tab. IV angegebenen Di-Stämmen
wurde bereits im Zusammenhange mit den biologischen Eigenschaften
dieser Stämme besprochen.
Zusammenfassend ergibt sich aus der Prüfung auf Meerschweinchen-
pathogenität, daß eine Unterscheidung der einzelnen Di-Gruppen und
eine Trennung dieser von den Pseudodi-Gruppen nicht möglich ist.
Wir können nur sagen, ob echte, tierpathogene oder nicht tierpathogene
Stämme vorliegen, ohne nähere Klassifizierungen machen zu können.
b) Pathogenitätsprüfungen an weißen Mäusen.
Zur Virulenzprüfung der Di-Stämme verwandte ich außer Meer-
schweinchen weiße Mäuse.
Nach dem Vorgang von Kolle und Schloßberger war bereits
festgestellt, daß auch diese Tierart für Di-B. empfänglich ist. Im
Rahmen meiner Untersuchung stellte ich mir die Frage, ob in jedem
ne ein Parallelgehen mit dem positiven Meerschweinchenversuch
esteht. ,
In der Literatur wird meist angegeben, daß die weißen Mäuse sich
Di-B. gegenüber refraktär verhalten. Bereits Loeffler schrieb 1884,
daß es ihm niemals gelungen sei, weiße Mäuse durch Verimpfen mit
Di-B. zu töten. Roux und Yersin konnten jedoch nachweisen, daß
die Mäuse eingingen, wenn sie 1 cem eines im Vakuum auf den 17. Teil
seines Volumens eingeengten Di-Bouillongiftes, einer Menge, die 80
tödliche Dosen für Meerschweinchen entsprach, injizierten. v. Beh-
ring und Kitashima fanden, daß, um Mäuse zu töten, auf das
gleiche Körpergewicht berechnet, eine 6000mal größere Dosis einer
24stünd. Bouillonkultur (0,3 ccm für eine weiße Maus von 13 g) ihres
Di-Stammes erforderlich ist als für Meerschweinchen. Für die tödliche
Intoxikation der weißen Mäuse waren jedoch 10000mal größere Mengen
Di-Gift als für Meerschweinchen, ebenfalls auf gleiches Lebensgewicht
bezogen, erforderlich. In neuerer Zeit kam Hippke zu dem Ergebnis,
daß von 103 geimpften Mäusen nur 14 trotz Anwendung relativ hoher
Dosen (1/,—1Oese) eingingen. Kolle und Schloßberger fanden, daß
weiße Mäuse gegenüber den gewöhnlichen Reagenzglasgiften der Di-B.,
auch in größeren Mengen (0,5—1,0) so gut wie unempfindlich sind.
Es gelang ihnen jedoch durch subkutane Verimpfung eingeengter, für
Meerschweinchen stark wirksamer Di-Bouillongifte, auch weiße Mäuse
unter den charakteristischen Krankheitserscheinungen zu töten. Mit
lebenden, frisch aus Di-kranken Menschen gezüchteten Stämmen konnten
sie Mäuse nach Einverleibung von 1/,—1/,, Oese regelmäßig im Ver-
laufe von 3—8 Tagen töten. Von meinen 130 Stämmen wurden 55 auf
3*
36 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Mäusepathogenität geprüft, und zwar wurden von den 58 typischen und
atypischen Di-Stämmen 34 geprüpft, der Rest entfiel auf die Pseudodi-
Stämme. Von den 25 echten, sämtlich meerschweinchenpathogenen
Stämme der Gruppe Ia wurden 16 untersucht, davon fielen 12 positiv
aus; 4 (24, 37, 76a, 76b), gaben bei positivem Meerschweinchentier-
versuch ein negatives Ergebnis. Der unterschiedliche Ausfall war
sicher nicht durch die Verschiedenheit des Ausgangsmaterials bedingt.
In 2 Fällen (34, 37) wurden beide Tierarten an demselben Tage mit
demselben Material und der gleichen Menge (1 ccm 2—3mal 24stünd.
Bouillonreinkultur geimpft und doch fiel der Tierversuch mit Mäusen
negativ aus; die anderen beiden Stämme konnten nicht zum Vergleich
herangezogen werden, da bei den Meerschweinchen die Intrakutan-
methode gemacht wurde. Wir müssen annehmen, daß weiße Mäuse
gegen Di-B. und Di-Gifte, denn solche sind bereits in einer 2—3mal
24stünd. Bouillonkultur vorhanden, widerstandsfähiger sein können als
Meerschweinchen. Diese Annahme findet auch ihre Bestätigung in
der Krankheitsdauer beider Tierarten nach erfolgter Jmpfung. Sie. ist
im allgemeinen bei den Mäusen länger als bei den Meerschweinchen.
Die durchschnittliche Krankheitsdauer bei Meerschweinchen, berechnet
von 19 subkutan geimpften Tieren, betrug 11/,—5 Tage, im Falle 108
sogar 8 Tage, im Mittel 31/, Tage, bei den Mäusen hingegen, berechnet
aus 13 Fällen, 11/,—10 Tage, im Mittel 51/, Tage (s. folgende Tabelle).
Tabelle V.
Stamm Krankheitsdauer in Tagen Stamm Krankheitsdauer in Tagen
Nr. | bei Meerschw. | bei Mäusen Nr. bei Meerschw. | bei Mäusen
63 21), 4 49 — —*)
70 4 8 106 — —
73 214 6 19 4 =
85 3 T 20 5 —
87 3 10 24 314 =
99 DY, 6 31 3 —
107 3 2 48 5 —
110 2 8 60 3 —
115 PUR 4 62 31, =
116 3 6 100 2 —
14 —*) 9 108 8 —
22 Stämme ca. 3'/, im Mittel bei Meerschweinchen ca. 5'/, im Mittel bei Mäusen
*) — = Tierversuch nicht angestellt.
Im allgemeinen also dauert die Erkrankung bei den Mäusen länger
als bei den Meerschweinchen. Aus der verschieden langen Krankheits-
dauer, sowohl bei den Meerschweinchen als auch bei den Mäusen lassen
sich gewisse, wenn auch nicht vollkommen einwandfreie Schlüsse, da,
kein Tier dem anderen völlig gleicht, auf Virulenzunterschiede zwischen
den einzelnen Di-Stämmen ziehen. Dasselbe ergibt sich aus der ver-
gleichsweisen Prüfung an Mäusen und Meerschweinchen mit abge-
stuften Mengen der gleichen Kultur (Stamm 100). 5 Mäusen wurden je
2, 1, 1/59, 4/20, 1/40 Oese Di-Reinkultur injiziert, desgleichen 5 Meer-
schweinchen je 2, 1, 1/19, 1/39, 1/69 Oese von derselben Kultur. Die beiden
Mäuse, denen 2 und 1 Oese injiziert wurde, gingen 4 Tage p. i. ein,
während die anderen 3 Mäuse gesund blieben. Die 5 Meerschweinchen
starben sämtlich, und zwar die beiden, denen 2 und 1 Oese injiziert
wurde, nach 21/, Tagen, denen 1/,, und 1/3) Oese injiziert wurde, nach
Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 37
31/, Tagen, und das Tier, das mit 1/,, Oese geimpft war, nach 12 Tagen.
Ein Hund, dem 1 Oese der gleichen Kultur injiziert wurde, ging nach
4 Tagen ein. Sämtliche Tiere zeigten typischen Sektionsbefund.
Wir ersehen aus diesen Versuchen, daß nach Verimpfung einer
Oese desselben Stammes sowohl Mäuse als auch Meerschweinchen (und
ein Hund) eingingen. 1/,, Oese blieb jedoch für die Maus wirkungs-
los. Ein Meerschweinchen wurde sogar durch 1/,9 Oese noch getötet.
Wir können demnach die früheren Ergebnisse anderer Autoren be-
stätigen, daß Mäuse viel widerstandsfähiger sind gegen Di-B. als Meer-
schweinchen. Wenn diese nachgewiesenen Ungleichmäßigkeiten im Tier-
versuch auch nicht ohne weiteres auf den Menschen übertragen werden
können, so dürfen wir doch vermuten, daß die Virulenzschwankungen
auch für die menschliche Pathologie von Bedeutung sind.
Von den Minusvarianten der Gruppe Ib, 17 Stämme, gaben 13
untersuchte Stämme im Tierversuch mit Mäusen ein negatives Er-
gebnis. Auch die Minusvarianten der Gruppe Ic gaben, so weit unter-
sucht, negativen Ausfall. Anders war es jedoch bei dem Plusvarianten
If (Stamm 87). Wir sehen hier übereinstimmend mit dem Meerschwein-
chenversuch ebenfalls ein positives Ergebnis bei Verwendung von
weißen Mäusen. Mit den Stämmen der Gruppe Id und e wurden keine
Mäuseversuche angestellt.
Zur Erklärung der erhöhten Widerstandsfähigkeit der weißen Mäuse
gegen Di-B. und Di-Gifte untersuchten Kolle und Schloßberger
das Mäuseblut auf seinen Antitoxingehalt; sie fanden, daß es noch nicht
1/iọ Antitoxineinheiten im Kubikzentimeter enthielt. Deshalb prüften
sie weiter, ob dem mit Reagenzglasgiften hergestellten antitoxischen Di-
Heilserum irgendwelche Wirkung auf die Di-Infektion der Mäuse zu-
komme; es bestand die Möglichkeit, daß die von den Di-B. im Tierkörper
gebildeten Gifte sich qualitativ von den in vitro gebildeten Giften
unterscheiden würden, so daß es im Gegensatz zu Reagenzglasgiften
im Mäusekörper besonders krankmachend und tödlich wirken würde.
Sie fanden jedoch, daß auch dieses mit Reagenzglasgiften hergestellte
antitoxische Diphtherieserum imstande war, die Mäuse zu schützen
bzw. zu heilen. Nach diesen Versuchen ist anzunehmen, daß es sich
bei der durch die lebenden Bazillen verursachten Erkrankung der weißen
Mäuse und anderer Versuchstiere um echte Di-Vergiftung handelte:
Die natürliche Widerstandskraft kann, wie Dean annimmt, nur darauf
beruhen, „daß die auf das Di-Toxin eingestellten Rezeptoren in der
Maus über den ganzen Körper verteilt sind, so daß eine gewisse Ab-
lenkung des Toxins von den lebenswichtigen Organen stattfindet, die
jedoch nach Ueberschreitung eines gewissen Schwellenwertes den Aus-
bruch der Krankheit nicht verhindern kann“. Vielleicht spielt auch, wie
dies Pettit bei Ratten annimmt, eine besondere Widerstandsfähigkeit
der Körpergewebe eine Rolle.
Der Sektionsbefund der an Di eingegangenen Tiere ähnelt sehr
dem bei den Meerschweinchen: Starke Rötung der Nebennieren, Peri-
tonitis, zuweilen etwas Exsudat in der Bauchhöhle. In der Umgebung
der Injektionsstelle beobachtet man hämorrhagisches Exsudat und In-
filtration des umliegenden Gewebes, manchmal auch Nekrose; doch
sind die Befunde vielfach nicht so deutlich ausgeprägt wie beim Meer-
schweinchen. |
38 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
IV. Agglutinationsversuche.
Wir haben in dem vorhergehenden Kapitel gesehen, daß die ange-
führten Methoden für die Differenzierung und Einteilung der Coryne-
bakterien beschränkte Geltung haben.
Da die serologischen Eigenschaften eines Bakterienstammes ge-
statten, noch weiter einzudringen, ist anzunehmen, daß die Stämme der
einzelnen Gruppen, die durch Minus- oder Plusvariation aus den ty-
pischen Di-B. hervorgingen, auch in ihrem serologischen Verhalten Ab-
weichungen zeigen. Die verschiedensten Autoren stellten bereits auf
Grund ihrer Agglutinationsversuche serologische Gruppeneinteilungen
auf. Langer unterschied z. B. 2 Gruppen von Di-B., die einen waren
agglutinabel, die anderen inagglutinabel. Durand unterschied 4 sero-
logische Typen, Havens 2, Bell 3, Powell 8, Eagleton und
Baxter 10, Scott 8 und Smith 7. Wir sehen also sehr divergente
Anschauungen, die sich zwischen 2 und 10 Gruppen bewegen. Und
doch ist an der Richtigkeit dieser Befunde nicht zu zweifeln, da man
annehmen kann, daß die Stämme, die zur Untersuchung kamen, ent-
sprechend ihrem biologischen Typus auch in serologischer Hinsicht ver-
schiedene Typen darstellen. Wenn nur Di-Stämme verwendet würden,
die von Di-Kranken stammen, so würden die serologischen Ergebnisse
sicherlich häufig anders ausfallen als wenn Di-Stämme zur Agglu-
tination kommen, die aus der Nase von gesunden Kindern, aus Wunden
oder von der Haut stammen. Deshalb ist bei einer serologischen Typen-
einteilung zugleich das biologische Verhalten der Stämme zu berück-
sichtigen, wie es z. B. bei der Gruppeneinteilung von Langer,
Durand und Hammerschmidt der Fall ist.
Zu den Untersuchungen über die Brauchbarkeit der Agglutination
zur Differenzierung der Di-B. von den Pseudodi-B. von Bruno,
Lubowski, Schwoner und Ersettig, Lipstein, Przewoski,
van Riemsdijk und Spiegelberg soll, ohne daß auf die Er-
gebnisse der einzelnen Autoren näher eingegangen wird, nur gesagt
sein, daß ihre Beobachtungen durchaus nicht eindeutig sind. Entweder
gelang die Agglutininbildung bei Di-B. überhaupt nicht oder die Anti-
sera enthielten häufig nur Agglutinine für den homologen Stamm.
Dieses veranlaßte einige Forscher (Schwoner, van Riemsdijk),
multivalente Sera heranzustellen. Doch führten auch diese nicht immer
zu eindeutigen Ergebnissen, da man alle Uebergänge im Agglutinations-
grad beobachtete, so daß eine strenge Einteilung der einzelnen Stämme
nicht möglich war. Die größte Schwierigkeit bei der Anstellung von
Agglutinationsversuchen liegt in der Herstellung der Bakterienemulsion,
da manche Stämme schon spontan zur Verklumpung neigen. Zur Ver-
hütung dieser Fehlerquelle wurden von van Riemsdijk und Langer
verschiedene Methoden angegeben, die meist zu brauchbaren Ergebnissen
führen.
Für die Herstellung der Emulsion diente mir als Ausgangsmaterial
eine ca. 24stünd. Kultur auf Löffler-Serum, das bei 70—750 C er.
starrt war. Diese langsam erstarrten und frischen Kulturen lieferten
auch nach meinen Beobachtungen (vgl. Langer und Spiegelbe rg)
die besten Resultate. Die Kultur wurde dann mit 0,85proz. physio-
logischer Kochsalzlösung abgeschwemmt und kräftig geschüttelt, bis
eine homogene Emulsion vorlag. Manche Stämme zeigten auch jetzt
noch deutliche Klumpen. Fügte ich diesen Emulsionen nach dem Vor-
Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 39
gang von Lubenau gleich nach der Bereitung Glyzerin zu gleichen
Teilen hinzu, so wurden sie meistens brauchbar. Auch führte in
mehreren Fällen die von van Riemsdijk angegebene Methode, 21/,-
stünd. Erhitzen der Emulsion auf 50° C, zum Ziele.
Die Agglutination wurde in Reagenzgläsern angestellt, erstmalig
nach 3stünd. Aufenthalt im Thermostaten bei 370 C abgelesen. Wenn
auch die Reaktion nach 3 Std. stets abgelaufen war, so trat sie nach
weiteren 12—24stünd. Aufenthalt bei Zimmertemperatur doch meist
deutlicher hervor. Das Di-Immunserum wurde von einem Kaninchen
gewonnen, das mit einem morphologisch und biologisch typischen und
tierpathogenen Di-Stamm (107) geimpft war; außerdem diente als
Antigen der Di-Stamm 100, der aus der Wunde eines Pferdes ge-
züchtet wurde. Dieser Stamm war in einem Punkte (schwaches Wachs-
tum auf Natrium oleinicum-Agar) ein schwacher Plusvariant; ferner
wurde ein Pseudodi-Stamm (96) in Abständen von 4—5 Tagen 4mal
mit bei 60° C abgetöteten und 1mal mit lebenden Keimen verimpft.
Mit diesen Immunseris kamen von jeder Gruppe mehrere Stämme
zur Agglutination. Das Normalserum von den Tieren, die mit den
Stämmen 96 und 107 geimpft wurden, agglutinierte die beiden Stämme
schon vor der Injektion in einer Verdünnung 1:20 schwach. Doch
bedarf diese Erscheinung kaum der Erwähnung, da die spezifischen
Agglutinationen durch ihre deutlich sichtbaren groben Flocken sehr
leicht von der unspezifischen feinflockigen zu unterscheiden waren,
zudem kam, daß die Versuchsreihen mit der Verdünnung 1:50 be-
gonnen wurden.
Von den Stämmen der Gruppe Ia, die wegen ihres biologischen
Tabelle VI.
r ; R z : k > Kochsalz-
Stamm | 1:50 | 1:100 | 1:200 | 1:400 | 1:800 |1:1600 |1:3200 | Kontrolle
Agglutinationen der Stämme von der Gruppe Ia mit Di-Immunserum 107
107 | + T F = + + $ =
13 + + + + + + + =
48 + + + + + + — =
63 + + + + + + + =
70 + $ + + + + = =
110 + + + + + + = —
115 + + + | + + + — =
Agglutinationen derselben Stämme mit Di-Immunserum 100
107 + + + + + — == —
13 + + $ = = =
48 + + + + + — — =
63 + + + + + = = =
70 + + F + + — —
110 + + + + — — — _
115 + + + + + — = =
Agglutinationen derselben Stämme mit Pseudodi-Immunserum 96
107 + + = _ — — — —
13 — — — — — — — —
48 + — — — — — — —
| — | - | — | — | - | — | - —
70 + = = = > = = =
110 r ee 2 = = = = =
115 Bh a ze = = = >
40 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Stamm | 1:50 |1:100 |1:200 |1:400 | 1:800 |1:1600 |1:3200 | Kochsalz-
Agglutinationen der Stämme von Gruppe Ib mit Di-Immunserum 107
61 — — | — — — _ — —
101 + + + + == = —
103 + + + = = — = —
104 + + + + — — —
Agglutinationen der Stämme von Gruppe Ib mit Di-Immunserum 100
61 + + + + — — — —
101 + + + + + = = —
103 + + + + + E = =
104 + + + + — — | = —
Agglutinationen der Stämme von Gruppe lb mit Pseudodi-Immunserum 96
61 — — — — — — — —
101 + _ -a = = = = =
103 — — — — — — — —
104 + = = = = = — —
Agglutinationen der Stämme von Gruppe Ie mit Di-Immunserum 107
93 + + + | + = = = —
114 + + + + = — — =
Agglutinationen der Stämme von Gruppe Ic mit Di-Immunserum 100
93 + | + + | + = = = | —
114 + + + + = =| = =
Agglutinationen der Stämme von Gruppe Ic mit Pseudodi-Immunserum 96
93 — — == = — — — —
rt a me | ss ee | ee ee (Re Æ
Agglutinationen der Stämme von Gruppe Id mit Di-Immunserum 107
47 + | + + | + = | = | — —
69 + + + + £ = = —
Agglutinationen der Stämme von Gruppe Id mit Di-Immunserum 100
47 + | + + + + = = —
69 + + + + + = — —
Agglutinationen der Stämme von Gruppe Id mit Pseudodi-Immunserum 96
47 — — — — — — — —
69 — — — — - | — — —
Agglutinationen der Stämme von Gruppe Ie mit Di-Immunserum 107
18 + + | + + + + = —
21 + + + + + $ = —
Agglutinationen der Stämme von Gruppe Ie mit Di-Immunserum 100
18 + + | + + | + = == —
21 + + + + + = = —
Agglutinationen der Stämme von Gruppe Ie mit Pseudodi-Immunserum 96
18 + = | = | = = = =
21 + = = = = = = =
Agglutinationen des Stammes 87 (Gruppe If) mit Di-Immunserum 107 -
87 FR = a RE a Herr. CS ET = + =- | —
Stamm 87 mit Di-Immunserum 100
— — | —— — | _ — | = | =
Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 41
| | s k , | 3 Kochsalz-
Stamm | 1:50 | 1:100 | 1: 200 | 1:400 | 1:800 | 1:1600 1: 8200 | kontrolle
Stamm 87 mit Pseudodi-Immunserum 96
Agglutination der Stämme 100 und 108 (aus Wunden von Pferden gezüchtet)
mit Di-Immunserum 107
100 + | + + | + + | — — | =
108 Eu oP oe + + + + = =
Stamm 100 und 108 mit Di-Immunserum 100
100 + | + + | + + | + S | =
108 + + + + + — = =
Stamm 100 und 101 mit Pseudodi-Immunserum 96
100 + she = = = = = =
108 + = = = = = = =
Verhaltens und wegen des positiven Tierversuches als echte Di-B.
gesprochen wurden, kamen 7 Stämme (13, 48, 63, 70, 107, 110, 115)
zur Agglutination (s. Tab. VI). Das Di-Immunserum 107 agglutinierte
den homologen und Stamm 13 und 63 zur Verdünnung 1:3200, die
Stämme 48, 70, 110 und 115 bis 1:1600. Das Di-I.S. 100, hergestellt
mit einem echten, tierpathogenen Di-Stamm, jedoch mit Plusvariation,
aus einer Wunde eines Pferdes gezüchtet, agglutinierte den Stamm 107
bis 1:1600, die Stämme 13, 48, 63, 70, 115 bis 1:600 und den Stamm
110 bis 1:400. Während die Agglutinationen mit dem Di-I.S. 107
gleichmäßig hoch waren, sahen wir bei dem I.S. 100 ein ver-
schiedenes Verhalten der 3 Stämme, der Stamm 107 wurde beinahe
doppelt so hoch agglutiniert wie der Stamm 110, während die
Stämme 13, 48, 63, 70, 115 eine Mittelstellung zwischen beiden
einnahmen. Das Immunserum 96, mit einem Pseudodi-Stamm her-
gestellt, agglutinierte die Stämme 13 und 63 überhaupt- nicht, die
Stämme 48, 70, 110, 115 nur bis 1:50 und den Stamm 107 sogar
bis 1:100 schwach. Also 7 Stämme werden von dem Di-I.S. 107
bis oder nahe bis zur Titergrenze agglutiniert. Mit dem Immun-
serum 100 wurde von 6 Stämmen eine Agglutinationshöhe bis 1:800
erreicht, 1 Stamm (110) agglutinierte nur bis 1:400. Keiner der
Stämme erreichte die Titerhöhe des homologen Stammes (1:1600).
Aus diesen beiden Agglutinationsreihen ergibt sich bereits, daß
die echten, typischen Di-Stämme vom Immunserum, das mit einem Di-
Stamm hergestellt wurde, der Variationsbildung zeigte, unterschieden
werden können, indem die echten Di-Stämme mit diesem Serum niemals
so hoch agglutiniert wurden als mit dem Immunserum, das mit einem
typischen Di-Stamm hergestellt wurde.
Weit größer ist jedoch die Trennung dieser 7 Di-Stämme von den
Pseudodi-Stämmen. Nur einmal (mit Stamm 107), wurde eine Agglu-
tinationshöhe von 1:100 erreicht, in den übrigen Fällen wurden sie
überhaupt nicht agglutiniert oder erreichten nur eine Höhe bis zur
Verdünnung 1:50.
Der Agglutinationstiter bei Anstellung des Versuches zwischen
typischen Di-B. und einem mit einem typischen Stamm gewonnenen
Serum einerseits und mit einem atypischen Stamm andererseits, zeigt
also nur geringe Differenzen, während Pseudodi-B. entweder überhaupt
42 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
nicht oder nur schwach bei der stärksten Konzentration agglutiniert
werden.
Auch diese Versuchsreihe beweist die serologische Einheitlichkeit
je eines typischen und eines variierten Di-Stammes und ferner die
scharfe Artdifferenz gegenüber den Pseudodi-B.
Von der 2. Gruppe der Di-B. (Ib) morphologisch und biologisch
typisch, aber apathogen, zeigten mit dem I.S. 107 der Stamm 101
Agglutination bis zur Verdünnung 1:800, der Stamm 103 und 104 bis
1:400. Mit dem I.S. 100 agglutinierte der Stamm 101 ebenfalls bis
1:800, Stamm 104 bis 1:400 und Stamm 103 sogar: bis 1:1600.
Das Pseudodi-I.S. 97 agglutinierte die Stämme 101 und 104
nur schwach bis zu 1:50, den Stamm 103 überhaupt nicht. Als
völlig aus dem Rahmen dieser Gruppe fallend erwies sich der
Stamm 61, indem er mit dem Di-I.S. 107 überhaupt nicht agglutiniert
wurde Mit dem I.S. 100 agglutinierte er jedoch bis zur Ver-
dünnung 1:400. Das Pseudodi-I.S. agglutinierte den Stamm eben-
falls nicht. Das Verhalten dieses Stammes zeigt also, daß Stämme,
die biologisch zur gleichen Gruppe gehören, serologisch sich verschieden
verhalten können. Daß die gleiche Beobachtung auch bei den tier-
pathogenen, echten Di-Stämmen (Gruppe Ia) vorkommt, zeigen die
Versuche von Langer. Er fand wiederholt Stämme, die sich als in-
agglutinabel erwiesen. Die Tatsache, daß Stamm 61 jedoch von dem
Di-Immunserum (100) agglutiniert wurde, zeigt, dab der Antigen-
charakter der Stämme von der Gruppe Ia, b und des Stammes 100
nicht prinzipiell verschieden ist. Abgesehen von dem bereits erwähnten
Stamm 61 unterschieden sich die Agglutinationen dieser apathogenen
Stämme von denen der pathogenen Di-Stämme dadurch, daß das
Di-I.S. 107 diese Stämme nicht so hoch agglutinierte als die
Stämme der vorigen Gruppe. Das I.S. 100 verhielt sich genau so
wie in der vorigen Gruppe. Deutlich trat auch hier der Unterschied
dieser Stämme gegenüber dem Pseudodi-L.S. 96 hervor, indem
2 Stämme nur bis 1:50 feinflockig und 2 andere überhaupt nicht
agglutiniert wurden. Wenn auch die Agglutinationshöhe dieser Stämme
nicht an die der Gruppela heranreicht, so glaube ich bindende Schlüsse
für eine Gruppeneinteilung daraus nicht ziehen zu dürfen, da die
Unterschiede zu wenig prägnant sind und bekannt ist, daß ein und
derselbe Stamm zu verschiedenen Zeiten Schwankungen im Agglu-
tinationsvermögen aufweisen kann (Länger). Eindeutig ist jedoch
das Verhalten dieser Stämme gegenüber dem Pseudodi-Immunserum ;
eine Trennung dieser beiden Gruppen ist also ohne weiteres möglich.
Die Stämme der Gruppe Ibb, echte Di-B., von denen ein Tier-
versuch nicht angestellt wurde, kamen nicht zur Agglutination. Die
Stämme der Gruppe Ic zeigen, wie aus der Tabelle ersichtlich, un-
gefähr dasselbe agglutinatorische Verhalten wie die Stämme der
Gruppe Ib.
Während in den Gruppen Ib und c die Agglutinationen im all-
gemeinen nicht die Höhe der Gruppe Ia erreichten, sehen wir bei
2 Vertretern (Stamm 18, 21) der Gruppe Id (Minusvarianten), mit
dem I.S. 107 wieder Agelutination bis zur Titergrenze wie in der
Gruppe Ia.
Auffallend ist, daß gerade diese Stämme mit Plusvariation, von
denen einer tierpathogen war (der andere Stamm wurde nicht ge
prüft) die Titergrenze erreichte. Das I.S. 100 und I.S. 96 agelu-
Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 43
tinierte die Stämme bis 1:800 bzw. 1:50. Das serologische Verhalten
dieser Stämme beweist also die grundsätzliche Zugehörigkeit zu der
Gruppe Ia.
Die Minus- und Plusvarianten der Gruppe Id, von denen ein Tier-
versuch nicht angestellt wurde, nähern sich in ihrem agglutinatorischen
Verhalten der Gruppe Ib, da 2 geprüfte Stämme (47, 69) mit dem
I.S. 107 und 100 bis 1:800 agglutinierten, während das Pseudodi-1.S.
nicht agglutinierte.
Ein weiterer Minus-Plusvariant mit positivem Tierversuch (Stamm87
Gruppe f) zeigte wieder entsprechend den Stämmen der Gruppe Ia
und le eine Agglutinationshöhe von 1:1600. Das I.S. 100 agglu-
tinierte allerdings diesen Stamm nicht. Daß dieser Stamm, der selbst
ein Plusvariant ist, von dem Serum, das ebenfalls mit einem Plus-
varianten (100) hergestellt wurde, nicht agglutiniert wurde, ist nicht
auffallend, wenn man bedenkt, daß die Plusvariation bei beiden Stämmen
sich in verschiedenen Merkmalen äußerte (einmal in der Säurebildung
aus Saccharose, das andere Mal im Wachstum auf Natr. oleinic.-Agar) ;
sodann können sehr wohl, abgesehen von der mangelnden Fähigkeit,
Lävulose zu vergären, wie beim Stamm 87, noch weitere Unterschiede
zwischen beiden Stämmen bestehen, die nur nicht mit unseren bekannten
Methoden nachgewiesen sind, die aber die verschiedene Rezeptoren-
bildung veranlaßt haben kann.
Fassen wir nochmals kurz das Ergebnis der Agglutinationsversuche
zusammen, so können unsere Di-Stämme, die sich biologisch in
6 Gruppen einteilen ließen, in 3 serologische Gruppen zusammen-
gefaßt werden. Zur ersten gehören die biologischen Gruppen Ia, e.
Die Stämme dieser Gruppen wurden von Di-I.S. bis fast zur Titer-
grenze agglutiniert. Zur 2. serologischen Gruppe sind die Stämme der
Gruppe Ib, c und d zu zählen. Ihre Agglutinationshöhe mit demselben
Di-I. S. ist niedriger als bei den Stämmen der I. Gruppe, zur 3. sero-
logischen Gruppe gehören die Stämme 63 (Ib) und 87 (If). Die
Stämme verhalten sich je einem von den beiden Di-I.S. gegenüber als
völlig inagglutinabel.
Mit dieser serologischen Einteilung soll nicht gesagt sein, daß sie
allgemeine Gültigkeit hat, sondern daß die vorliegenden Stämme in
diese 3 serologischen Gruppen eingeteilt werden können. Wenn das
Material größer und vielgestaltiger wäre und noch andere I.S. ver-
wandt wären, würden sich wahrscheinlich noch weitere Gruppen er-
geben haben. Für unsere Variabilitätsstudien ergibt sich aus den
obigen Versuchen, daß die echten tierpathogenen, morphologisch und
biologisch typischen Di-Stämme meist bis zur Titergrenze mit dem
homologen I.S. agglutiniert wurden und daß die biologisch variierten
Stämme sich auch serologisch vielfach verändert hatten, indem die
Stämme nicht so hoch oder gar nicht agglutiniert wurden.
Ueber die Agglutinationsversuche mit den Stämmen der Pseudodi-
B.-Gruppen wird bei den morphologischen und biologischen Besprech-
ungen dieser Stämme berichtet (s. Tab. IX). Hier sei nur gesagt, daß
die Stämme sämtlicher Gruppen vom Di-I.S. überhaupt nicht oder nur
schwach bis 1:50 agglutiniert wurden. Von dem Pseudodi-I.S. wurden
jedoch hohe Agglutinationswerte erzielt, so daß eine Trennung der Di-
von den Pseudodi-B. möglich ist. Zwar können mitunter inagglu-
tinable Di-Stämme differentialdiagnostische Schwierigkeiten bereiten,
doch werden diese, wie Langer feststellen konnte, meist durch die
Absättigungsmethode oder durch das biologische Verhalten behoben.
44 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Nachdruck verboten.
Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtherie-
bazillen und anderen Corynebakterien.
[Aus dem Hygien. Institut der Landesuniversität Gießen (Dir.: Prof.
Dr. E. Gotschlich).]
Von Dr. med. H. Kliewe, Heidelberg, Hyg. Institut d. Universität.
IL Teil.
B. Pseudodiphtheriebazillen menschlicher Herkunft.
Schon bald nach der Entdeckung des echten Di-B. durch Klebs-
Loeffler (1884) berichtete Loeffler über einen Mikroorganismus,
der sich durch sein abweichendes Wachstum auf Agar und Gelatine
und durch das Fehlen der Tierpathogenität vom echten Di-B. unter-
schied. v. Hofmann (Wellenhof), Beck, Zarniko und Klein
bestätigten durch ihre Untersuchungen, daß dieser Bazillus, von
Loeffler Pseudodi-B. genannt, häufig in der Nase bei katarrhalischen
Erscheinungen gefunden wird. Sie hielten dieses Stäbchen für eine
Unterart des Di-B. Einige Jahre später (1890) kamen jedoch Roux
und Yersin auf Grund ihrer Versuche, indem sie echte Di-B. bei
39,50 morphologisch in Pseudodi-B. ähnliche Stäbchen umwandelten,
die im Tierversuch sich als avirulent erwiesen und nach Versuchen
mit schwach virulenten Di-Stämmen zu der Ueberzeugung, daß auch
avirulente Di-B., die den Pseudodi-B. gleich sein sollen, wieder virulente
Di-B. werden können. Dieser Ansicht der beiden Autoren schlossen
sich eine Menge anderer Autoren, insbesondere manche Ophthalmologen
an. Sie glaubten ebenso wie F. Schanz, der Hauptverfechter dieser
Theorie, daß der von Reymond-Colomiatti 1880 zuerst beobachtete,
von Kuschbert und Neißer 1884 näher beschriebene Xerose-B.,
der, wie wir heute wissen, nicht der Erreger .der Xerose ist, sondern
auf fast jeder normalen Bindehaut vorkommt, als abgeschwächter Di-B.
anzusehen sei. Diese unitaristische Ansicht obiger Autoren fand später
noch eine mächtige Stütze in v. Behring, obschon Escherich,
Spronck und M. Neißer nachgewiesen hatten, daß Impfungen des
Pseudodi-B. auf Tiere diese vor Infektion mit echten Di-B. nicht
schützten. Die zuletzt erwähnten Autoren hielten ebenso wieLoeffler,
Hofmann, Zarnikow, Beck, Fränkel u. a. entgegen den An-
sichten von Roux und Yersin, Martin, Schanz, Lambotte,
Zupnik, Walsch, Gelpke, Marzinowsky, Gromakowsky u.a.
die Pseudodi-B. für avirulente Stäbchen, die als selbständige Bakterien-
art neben den Di-B. vorkommen. Diese Ansicht der Dualisten wurde
in der Folgezeit von den meisten Autoren vertreten. Jedoch ist auch
heute der Streit beider Parteien noch nicht zu Ende geführt, im Gegen-
teil, es mehren sich in den letzten Jahren die Stimmen derer, die auf
Grund ihrer Variabilitätsstudien zu der Ueberzeugung kamen, daß die
Pseudodi-B. Abkömmlinge von echten Di-B. sind.
Im nächsten Abschnitt sollen folgende 2 Fragen, die sowohl für
die Bakteriologie und Epidemiologie als auch für die praktische Medizin
Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 45
das größte Interesse haben, beantwortet werden. 1. Stellen die Pseudodi-
B. eine durch morphologische, biologische und serologische Merkmale
charakterisierte selbständige Bakterienart dar? 2. Bestehen verwandt-
schaftliche Beziehungen zwischen den Pseudodi-B. und den echten
Di-B.?
Um diese Fragen zu beantworten, bediente ich mich derselben Ver-
suchsmethoden, die bereits für die Differenzierung der echten Di-B.
angewandt wurden.
I. Das morphologische Verhalten der Pseudodi-Stämme.
Hinsichtlich der morphologischen Differenzierbarkeit der Pseudodi-
B. (dieser Begriff umfaßt sowohl die Hofmannschen Pseudodi-B.
als auch die Xerose-B. und verwandte Arten) stoßen wir auf die-
selben großen Schwierigkeiten wie bei den echten Di-B. Im allge-
meinen sind in frischen Kulturen sämtliche Typen der Pseudodi-B.
meist kurze, plumpe und dicke Stäbchen, zum Teil an einem Polende
keulenförmig angeschwollen. Ihr Verhältnis der Länge zur Breite be-
trägt nach Kurth stets weniger als 5:1 (oder besser 7:1). In
älteren Kulturen verlieren sich jedoch meist diese Merkmale und wir
können Formen sehen, die kaum von echten Di-B. zu unterscheiden
sind. Auch bezüglich der Lagerung bestehen sehr große Aehnlich-
keiten, wenigstens in älteren Kulturen; sie ist allerdings bei den Pseudo-
di-B. im allgemeinen viel regelmäßiger und die Bazillenleiber sind
nicht segmentiert. Desgleichen beobachtet man, wenn auch seltener,
echte Verzweigungen. Alle diese morphologischen Eigentümlichkeiten
lassen sich am besten durch Färbemethoden darstellen. Da die Farb-
stoffaufnahme (Loefflers Methylenblau) bei den Pseudodi-B. nicht
so variabel ist wie bei den Di-B., färben sie sich im allgemeinen
gleichmäßig. Nach der Neißerschen Färbemethode präsentieren sich
die Pseudodi-B. in 24stünd. Kulturen meist als gleichmäßig gelb ge-
färbte, kurze plumpe Stäbchen, von Di-B. wohl unterscheidbar. In
mehr als 24 Std. alten Kulturen, bereitet die Differenzierung bereits
Schwierigkeiten, da auch die Pseudodi-B. vielfach Polkörperchen-
färbung annehmen. Häufig ist aber auch dann noch eine Differenzierung
möglich, weil die Körner der Pseudodi-B.-Leiber mehr kreisrund sind
und dicht nebeneinander liegen, so daß man bei schlecht gefärbten Prä-
paraten die Empfindung hat, es handle sich um Kokken. Ich konnte
allerdings auch bei mehreren Di-Stämmen aus der Nase von nicht
Di-kranken Kindern beobachten (vgl. Kliewe-Hoffmann), daß das
24stünd. Neißer-Präparat typische Polfärbung zeigte und das übrige
morphologische Aussehen (Größe, Form, Lagerung) dem der echten
Loefflerschen Di-B. so ähnlich war, daß man die Diagnose ,,Di-B.“
stellen mußte. Bei Prüfung der Reinkultur auf den verschiedensten
Nährböden stellte sich heraus, daß die betreffenden Stämme zur Gruppe
der Pseudodi-B. gehörten. Aehnliche Beobachtungen konnte ich auch
bei einigen meiner Stämme machen, die aus der Nase von Ozaena-
kranken gezüchtet wurden, und Tsukahara und Tada fanden die
gleichen Keime auf der Schleimhaut des weiblichen Genitale. Ich bin
mit Tsukahara der gleichen Ansicht, daß sich in der Nase, auf der
Haut, auf der Schleimhaut des weiblichen Genitale Di-ähnliche Arten
befinden, deren Differenzierung von echten Di-B. im mikroskopischen
Bilde, besonders auch bei Neißer-Färbung, äußerst schwer ist. Aehn-
46 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Tabel
Pseudodi-!
1 2 3 a | 8 Tolrisiot
mi Y ka 4| Verhalten a
g so a E & a
E B | = | a = nährböden
n Herkunft Morphologie 5 a EF © 2| i
y n s aselälg:
= & we (Su 838
H ‘© 5 2:3233%
A z a P4284 Sei
1 Nase (Ozaena) | kurz, plump, wirr u. hintereinander gelagert — + + aplikas
2| Nase (Ozaena) parallel, kurz, plump, wirr u We oes a Fc
| | | | |
i |
3| Nase (Ozaena sehr kurz, wirr, parallel + + + +++ -
5| Nase (Ozaena sehr kurz, starr u. k. ohne bestimmte Lag. +u.— + + + 4+-
6| Nase (Ozaena) | k., plump, ohne bestimmte Lag. +u.— + + +++ -
33) Nase (Ozaena sehr kurz, wirr u. parallel +u.— + ++ ++
45 Nase (Ozaena lang, starr, einzeln gelagert +u— + + +++ -
51| Nase (Ozaena) mittellang, starr, ohne bestimmte Lag. + + ++ ++-
56| Nase re kurz, plump, einzeln u. in Nestern gelagert — + + i++-
57| Nase (Säugl. kurz, plump, wirr u. parallel +u.— + ++ ++-
58| Nase ER mittellang, plump, hintereinand. u. parall. gelegen +u— —u +| + +++-
59a; Nase (Säugl. sehr kurz, plump, ohne bestimmte Lag. _ + | +J+++-
59b| Nase (Säugl.) mittellang, starr, ohne bestimmte Lag. _ + + +++-
65| Nase (Säugl.) kurz, plump, wirr u. parallel — + + |++]+-
66a| Nase ee l. u. schl., parall. u. hintereinand. gel., meist einz. + + + +++ -
66b| Nase (Ozaena mittellang, zierl., ohne bestimmte Lag. + = | + | + ++i -
67a) Nase (Ozaena) kurz, plump, wirr, parallel _ + + [++ +'!-
67b Nase (Ozaena) dgl. a (pers
68 Nase (Ozaena) + + |+ iHi
70b| Nase (Säugl.) 3 —u.+ + + +++ -
71| Nase (Ozaena) sehr kurz, plump, ohne bestimmte Lag. —u.+ +, | oli ooo
77 Nase(Di-Krank.) kurz, plump, wirr, parallel =u (ut ad
89! Nase (Ozaena) kurz u. mittellang, wirr u. parallel — + | tit ++ -
90, Nase (Ozaena) gl. = + + 4\/4/4+-
98 Nase( Di- Krank.) kurz, plump, wirr, parallel + + lt + +1
| |
109) Rachen (Rind) | mittellang u. kurz, wirr u. Y-förmig gelagert | —u.+ +) + +++ 4
| | |
liche Befunde liegen vor von L.
Bitter-Gundel-Sancho und
Löwenthal. Letzterer wies sogar häufig in der Vagina von Meer-
schweinchen diphtheroide Stäbchen nach, die im Neißer-Präparat
eine täuschende Aehnlichkeit mit echten Loeffler-Bazillen zeigten.
Weiterhin traten berechtigte Zweifel an der Brauchbarkeit der Neißer--
schen Polfärbung auf, als Kurth mitteilte, daß er 3 echte, tierpatho-
gene Di-Stämme gezüchtet habe, die ebenfalls wie Pseudodi-Stämme
die Polfärbung vermissen ließen.
Heute kann jeder Bakteriologe, der
sich viel mit Di-Untersuchungen beschäftigt, bestätigen, daß solche
Stämme vorkommen.
Besondere Schwierigkeiten bereiten diese Stämme
Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilnng bei Diphtheriebaz. usw. 47
truppe
12 13 | 14 15 16
E | Virulenz für
ig Ef Säuregrad| en
en in .
#5 , ; Wachstum der Kolonien auf Š
| BS Wachstum in Bouillon Tanben: Glyzerin-Agar (Kolon.-Typ.) 5 3 | weiße
EE illon : ‘© |Mäuse
LES | (bouillon !) as
2 a
= gleichmäßig trüb, etwas Bodensatz 0,8 e Ik. —| 0
feingekörnt, trüb, etwas Bodensatz 0,4 rund, gering gezackt, im Zentrum | © 8
dichter, feingekörnt, fest zu-
+ sammengefügt
+ /|feingekérnt, deutl. getrübt, Bodensatz 1,0 6 Ik.—| ©
— gleichmäßig trüb, Bodensatz 0,6 8 Ik.—| 0
+ feingekörnt, trüb 0,8 0 8 8
+ gl. 1,2 8 6 @
+ gleichmäßig trüb, Bodensatz 0,5 8 Sk.—| 0
+ deutlich gekörnt, klar 0,8 0 Ik.—| 0
+ feingekörnt, trüb 0,3 @ Ik. — Sk. —
— | gleichmäßige deutliche Trübung 0,4 8 Ik.—| 0
— ‚deutlich gekörnt, trüb, etwas Bodensatz 0,8 (i 8 8
+ ‚gleichmäß. gering getrübt, etw. Bodens». 0,8 8 8 8
+ gleichmäßig gering getriibt, Bodensatz) 0,3 |runde, gering gez. Kol. im Zen- |Sk. — Sk. —
| trum dichter, gelb durchschein.,
feingekörnt, fest zusammengef.
= dgl. 0,5 (i 6 8
— gleichmäßig deutlich getrübt, Bodensatz 1,2 6 8 ®
= dgl. 0,8 8 8 8
Æ deutlich gekörnt, klar 0,7 8 Ik. —| Ik. —
= feingekörnt, klar 0,5 runde, glattrandige, feingekörnte | Ik. —| Sk. —
Kol. im Zentrum etwas dichter,
fest zusammengefügt
= gleichmäßig feingetrübt, Bodensatz 0,5 wie Stamm Nr. 2 Sk. —| Sk. —
— gl. 0,6 8 © o
+ ” 0,4 runde, glattrandige, feingekörnte| ® |Sk. —
| | gelbe Kol., fest zusammengefügt
— (deutlich gekörnt, etwas trüb, Bodensatz 0,7 ® 9 8
— gleichmäßig deutlich getriibt, Bodens. 0,5 Co) 8 8
— | gleichmäßig fein getrübt, Bodensatz 0,8 6 8 8
SEs M dgl. 0,5 runde, glattrand. Kol., feingek., | Ik. — | Sk. —
im Zentrum etwas dichter, fest |
| zusammengefügt
— gleichmäß. leicht getrübt, etw. Bodens. 0,2 |runde, gering gezackte, feinkörn. | Sk. —| Sk. —
Kol., gleichmäßig durchschein.
bei der Unterscheidung von Xerosestämmen, die sich morphologisch nur
sehr wenig von den schlanken, echten Di-Stämmen unterscheiden lassen.
Hinsichtlich der verlängerten Gram -Färbung von Langer ver-
hielten sich die Pseudodi-Stämme in den meisten Fällen grampositiv.
Die Stämme der Gruppe Ila waren ausnahmslos grampositiv. Bei
manchen Stämmen der anderen Gruppen beobachtete man neben gram-
positiven auch häufig gramnegative Individuen. Stämme mit nur gram-
1) Bei den Stämmen, die eine höhere Nummer als 72 haben, wurde die Säure-
bzw. Alkaliprüfung in perona Bouillon ohne Traubenzuckerzusatz vorgenommen.
lk. = Intrakutanmethode. Sk. — Subkutanmethode. 6 — Tierversuch nicht angestellt.
48 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Tabel!
Untergruppen vo
1 2 3 | 4 5 | 6 |7|8/9!10
© wo ly = Verbihin zu
5 a | 2 ER aae
2 2 Di
in $ E] 4 jjs
Herkunft Morphologie fy & ES
5 D 5 4°
= E bt |S 4
H ‘© a > ë
A 4 = u
Gruppe IIb.
79| Nase (Di-Kranker) kurz, plump, wirr u. parallel gelagert — + | + |-|+/+1-
88 Nase (Ozaena) kurz, plump, unbestimmt gelagert +u— + | + |+ +l-
111 Nase (Ozaena) kurz u. mittellang, wirr u. parallel gelagert |+ u—| + | +1-++)-
Gruppe Ile.
29 Nase (Säugl. kurz, plump, wirr u. parallel gelagert +u—|+u—| + |+1—|+|-
72 Nase (Säugl. kurz u. mittellang, einzeln u. in Nestern gelagert +u.— +u.—| + |+/— +) —
Gruppe 11d.
23 Nase (Ozaena) kurz u. mittellang, plump, ohne best. Lagerg. | — + | + —|+|—
32 Nase Du kurz u. mittellang, plump, einzeln liegend + ++
38 | Trachea einer Leiche |mittell., starr, parallell u. hintereinander gelagert ++ | + | + |— =iF>
50 | Rachen (Di-Kranker) kurz, plump, wirr und parallel = + b=
52| Rachen (Säugl.) dgl. = + | + 1--1+1-
76c Nase (Ozaena) 5 = + | +|-|—+|
78 Nase (Säugl.) = + | + /-|-l4/-
81 Cervix A = ge "pelle
96 Nase (Säugl.) = = + Hi)
Gruppe Ile.
8 Nase (Ozaena) sehr kurz, plump, ohne bestimmte Lag. _ + + |-|—|—)-
10| Nase (Ozaena) dgl. a +, (alters
42 Vagina kurz, plump, wirr, parallel gelagert — + | + |-—-|-|-
84 |Nase (gesunde Person) kurz, plump, ohne bestimmte Lag. +u.—+u—| + |-|—|— -
97| Nase (Säugl.) kurz und mittellang, wirr, parallel tae ae a Le a ea oe s
112 Nase (Säugl.) kurz, plump, wirt, parallell = + | + Hj-
113 |Auge (Conjunctivitis) dgl. = 4 lapja
negativem Verhalten konnte ich nicht beobachten. Bei den Di-B. habe
ich bereits erwähnt, daß wir auch dort neben gramnegativen auch
mehr oder weniger deutlich grampositive gefärbte Stäbchen fanden.
Danach kommt der Gram-Färbung nach Langer für die Differen-
zierung der beiden „Arten“ nur eine beschränkte Bedeutung zu.
E aa a A BA
in Hammelblut-
Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw.
TII.
%eudodi-Stämmen.
Wachstum in Bouillon
bouillon
14
Säuregrad
zucker-
bouillon !)
Wachstum der Kolonien auf
Glyzerin-Agar (Kolon.-Typen)
|
=.
N getrübt, etwas Bodensatz
gleichmäß. deutl. Trübung, Bodensatz
gleichmäßig feine Trübung, Bodensatz
feingekörnt, trüb, Bodensatz
feingekörnt, klar, Bodensatz
feingekörnt, trüb, etwas Bodensatz
gleichmäßig getrübt, Bodensatz
feingekörnt, ige Ka Bodensatz
gl.
gleichmäßig gerübt, Bodensatz
gl.
[+HH | |
feingekérnt, geringe Triibun
grobgek., klar, spatere Häutchenbildg.
+ |
feingekörnt, trüb, Bodensatz
gleichmäß., deutl. getrübt, etwas Bodens.
feingekörnt, trüb, etwas Bodensatz
feingekörnt, klar
ii
grobgek., trüb, Bodens., Häntchenbild.
grobgekörnt, klar
fein getrübt, Bodensatz,
gleichmäßi
| Hautchenbildung
‘©
oS22H00 o
& & AIO CO
+
LS
ato
lattrand., feingek. Kol.,
runde, satan
chter
im Zentrum etwas
8
unregelmäß., runde, gering ge-
zackte Kolon., feingekörnt, Ban.
durchscheinend, fest zusammen-
gefügt
runde, glattrand., gelbe Kolon.,
feingek., fest zusammengefügt
8
8
8
6
6
runde, glattrand., feingek. Kol.
gleichmäß. grau durchscheinen
wie Stamm 72
runde, gering gezackte Kolon.,
feingek., gleichmäßig durschein.
(2
8
8
runde, gering gezackte Kolon.,
im Zentrum dichter als am Rand,
feingekörnt
gleichmäß. runde, feingek. Kol.,
im Zentrum dichter, fest zu-
Sart eee Tae
gering gezackte, runde Kolon.,
elb durchschein., feiugekörnt,
im Zentrum dichter, fest zu-
ere ca
wie Stamm 97
49
16
Virulenz für
Meer-
schweinchen
® 6
Ik. — Sk. —
Sk. =] ®
8 e
Sk. — Sk. —
® 8
Ik.—| 0
® 8
8 8
Sk. —| €
Ik. — Sk. —
Sk. — Sk. —
Jk. —| Sk. —
Sk, —|Sk. —
Ik.—| ©
Ik. — Sk. —
8 8
Sk. — Sk. —
Ik. — Sk. +
Ik. — Sk. —
Sk. — Sk. —
Aus dem morphologischen und färberischen Verhalten der Pseudo-
di-B. ist, wie wir gesehen haben, eine strenge Trennung von Di-B. nicht
1) Bei den Stämmen, die elne höhere Nummer als 72 haben, wurde die Säure-
bzw. Alkaliprüfung in gewö
Ik. = Intrakutanmethode.
Erste Abt. Orig. Bd. 101.
Heft 1/3.
Sk. = Subkutanmethode.
4
hnlicher Bouillon ohne Traubenzuckerzusatz vorgenommen,
8 == Tierversuch nicht angestellt.
50 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
immer möglich; auch für eine Gruppeneinteilung treten brauchbare
charakteristische Merkmale nicht hervor. Wir müssen deshalb auch
bei den Pseudodi-B. versuchen, aus ihrem biologischen Verhalten auf
den verschiedensten Nährböden Antwort auf unsere eingangs gestellten
Fragen zu erhalten. Das Ergebnis dieser Untersuchungen ist in vor-
stehender Tab. VII und VIII (Gruppeneinteilung aller Pseudodi-Stimme)
wiedergegeben.
Wir sehen zunächst, daß sich auf Grund ihres biologischen Ver-
haltens die Pseudodi-Stämme wohl von den echten Di-Stämmen trennen
und daß sich, wie bei den Di-B., aus dem Verhalten bestimmter Zucker-
arten gegenüber verschiedene Gruppen unterscheiden lassen.
II. Die physiologischen Leistungen und serologischen Reak-
tionen der Pseudodi-B-Stämme.
1) Pseudodi-Stämme ohne Variationen.
Zunächst ist eine Gruppe Ila Tab. VII von 26 Stämmen zu nennen,
von denen 16 aus der Nase von Ozaenakranken gezüchtet wurden,
7 aus der Nase von nicht Di-kranken Kindern, 2 aus der Nase von
Di-Kranken und 1 Stamm aus dem Rachen eines Rindes; außerdem
gehören zu dieser Gruppe 5 Stämme aus Wunden von Pferden, doch
werden diese Stämme später in einem besonderen Abschnitt näher be-
sprochen.
Die Neißer-Präparate von einer 24stünd. Loeffler- Kultur
zeigten in 4 Fällen polgefärbte, in 11 neben nicht polgefärbten ver-
einzelte polgefärbte und in weiteren 11 Fällen nur nicht polgefärbte,
kurze, selten längere, starre Stäbchen, einzeln, in Nestern, parallel oder
unbestimmt gelagert. Auf Glyzerinagar wuchsen die Stämme bereits
in 24 Std. als saftige, weißgraue Kolonien, die im Zentrum etwas
dichter waren als am Rand; der Rand war glatt oder nur ganz gering
gezackt. Auf gewöhnlichem Schrägagar bildeten die Kolonien einen
konfluierenden Bakterienrasen.
Auf Natr. oleinic.-Agar zeigten die meisten Stämme deutliches
Wachstum, nur 3 Stämme wuchsen schwach. Von den Zuckernähr-
böden wurden Maltose, Lävulose und Saccharose ausnahmslos vergoren,
1 Stamm bildete aus Saccharose nur schwach Säure Den Thiel-
schen Nährboden veränderten 23 Stämme nicht, 2 Stämme zeigten nur
schwache und 1 Stamm deutliche Rötung. Ferner wuchsen 15 Stämme
nicht anaérob im Traubenzuckerstich, 9 jedoch zeigten schwaches und
2 deutliches Wachstum längs des Stichkanals. Hämotoxisch waren von
den 26 Stämmen nur 8; 3 lösten teilweise die Blutkörperchen, 15 waren
anhämotoxisch. In Bouillon verursachten 18 Stämme mehr oder
weniger deutliche Trübung, am Boden des Reagenzglases bildete sich
ein Niederschlag von Bakterienhaufen. 7 Stämme wuchsen feinkörnig
und trübten ebenfalls die Flüssigkeit, nur 3 Stämme zeigten mehr oder
weniger deutliche Granula, die Bouillon blieb jedoch klar. Der Grad
der Säurebildung bei Verwendung von Traubenzuckerbouillon schwankte
zwischen 0,3—1,2 n/10 NaOH, im Mittel 0,6; in gewöhnlicher Bouillon
zwischen 0,2—0,8. Die Pathogenitätsprüfung fiel bei Meerschweinchen
in 13 untersuchten Fällen negativ aus, bei weißen Mäusen in 8 Fällen.
Positiver Ausfall wurde niemals beobachtet.
Schon das morphologische Aussehen der zu dieser Gruppe gehörigen
Stämme berechtigt uns, sie von den echten Di-Stämmen zu trennen.
Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 51
Besonders charakteristisch ist ihr biologisches Verhalten auf den Zucker-
nährböden (Maltose, Lävulose, Saccharose werden vergoren), ihr Wachs-
tum auf Natr. oleinic.-Agar und der negative Ausfall der Tierversuche.
Dieses Verhalten gestattet uns ohne weiteres diese Stämme zur Gruppe
der Pseudodi-B. zu rechnen, wenn auch bezüglich anaérobem Wachs-
tum und Hämolysinbildung zweifelhafte Ergebnisse vorliegen. Wollte
man diese Stämme dennoch zur Gruppe der Di-B. rechnen, so müßte
man das grampositive Verhalten bei der Langerfärbung, das Wachstum
auf Natr. oleinic.-Agar und die Fähigkeit Saccharose zu vergären
als gleichzeitige Plusvariationen ansehen. Diese Plusvarianten bei den
Di-B. sind aber häufig tierpathogen, unter 6 solchen Stämme befanden
sich bereits 3. Von den 26 Pseudodi- Stämmen waren aber, soweit
untersucht, alle Tierversuche negativ. Auch aus diesem Grunde müssen
wir die erwähnten Stämme zu den Pseudodi-B. rechnen.
b) Minusvarianten C.
9 Stämme einer zweiten Gruppe (IId Tab. VIII) waren folgender
Herkunft: 1 Stamm (81) von der Cervix, 1 (38) von der Tracheal-
schleimhaut eines an Di-verstorbenen Patienten, 2 aus der Nase von
Ozaenakranken, 4 aus der Nase von nicht Di-kranken Kindern und
1 Stamm (50) aus dem Rachen eines Di-Kranken. Im Neißer-
Präparat zeigten 8 Stämme kurze, plumpe, nicht polgefärbte, parallel,
einzel oder atypisch gelagerte Stäbchen, 1 Stamm (38) mittellange,
schr stark polgefärbte (Polfärbung nahm fast den ganzen Bazillenleib
ein), einzeln, parallel und zu 2 hintereinander liegende Stäbchen. Das
morphologische und kulturelle Verhalten der 9 Stämme war, wie folgt:
Langer-Färbung grampositiv, auf Glyzerinagar bildeten die Stämme
runde, feingekörnte und gleichmäßige, gelb durchscheinende Kolonien mit
regelmäßigem Rand. Auf Natr. oleinic.-Agar wuchsen sie deutlich,
Maltose und Lävulose wurden im Gegensatz zu den Stämmen der
vorigen Gruppe nicht vergoren, aus Saccharose wurde hingegen Säure
gebildet. Der Thielsche Nährboden wurde von 5 untersuchten
Stämmen nicht gerötet; 3 Stämme wuchsen anaérob, 2 nur schwach,
4 überhaupt nicht. Weiter waren 5 Stämme anhämotoxisch, 2 zeigten
schwache und 2 deutliche Trübung und Bodensatz, 4 andere bildeten
feine Granula und geringe Trübung, 1 Stamm ließ die Bouillon klar,
zeigte jedoch grobe Körnelung. Der Säuregrad betrug bei 5 Stämmen
bei Verwendung von Traubenzuckerbouillon 0,5—1,0 n/10 NaOH, im
Mittel 0,8. Auch in gewöhnlicher Bouillon bei 4 Stämmen 0,4—0,9, im
Mittel 0,6 n/10 NaOH. Mit 5 Stämmen wurden Meerschweinchen- und
mit 4 Mäuseversuche angestellt. Sämtliche ergaben negativen Ausfall.
Im Agglutinationsversuch erwiesen sich die Stämme ebenfalls als
zur Gruppe der Pseudodi-B. gehörig (s. Tab. IX). Mit dem I.S. 107
und 100 agglutinierten die Stämme 32 und 96 bei der Verdünnung
1:60 spurweise, der Stamm 50 überhaupt nicht. Das Pseudodi-I. S. 96
agglutinierte den homologen Stamm bis 1:3200, die. Stämme 32 und
50 bis 1:800. Immunobiologisch sind also diese Stämme wohl von den
Di-B. zu trennen, nicht aber von den Pseudodi-B. der vorigen Gruppe.
Von diesen unterschieden sie sich jedoch morphologisch, indem sie keine
Polkörperchen bildeten (Stamm 38 bildete allerdings’ eine Ausnahme),
und biologisch, indem sie Lävulose und Maltose nicht vergärten. Man
kann deshalb die Stämme dieser Gruppe als doppelt Minusvarianten
von den Pseudodi-Stämmen der 1. Gruppe (IIa) ansehen.
4*
52 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Tabelle IX.
Agglutinationen der Pseudodi-Stämme der Gruppe IIa mit Di- I.S. 107.
Stamm | 1:50 | 1:100 | 1:200 | 1:400 | 1:800 | 1:1600 | 1:3200 | Kochsalz-
la + _ — — — — — —
33 + — | — — — — — —
45 — — — — — — — —
98 =. = = = = = — =
Gruppe Ila mit Di-I. S. 100
la = = = = = = = =
33 = => = = cz = = =
45 — — — — — -- — —
98 = — Ea to — — — —
Gruppe IIa mit Pseudodi-I. S. 96.
la + + + + + = = —
33 + + + + + — = =
45 + + + + + + — —
98 + + + + + = = =
Agglutinationen der Stämme von der Gruppe Ild mit Di- I.S. 107.
32 + _ _ _ — — — —
50 — — — -—- — — — -
96 + — — -- _ — — —
Gruppe IId mit Di- I.S. 100.
32 + — — — —
50 — — — — — — — —
96 + — — — — —
Gruppe IId mit Pseudodi- I.S. 96.
32 + + + + + = = ==
50 + + + + + = = =
96 + + + + + + + —
Agglutinationen der Stämme von der Gruppe Ile mit Di-J. S. 107.
97 + — — — — -- _ | —
113 + + _ = = = = La
Gruppe lIe mit Di- I.S. 100.
97 — — — = = — = | =
113 — — — — =é = = ==
Gruppe Ile mit Pseudodi- I.S. 96.
97 + + + + + — — | —
113 + + + + + + >
c) Minusvarianten D.
Eine weitere Gruppe (Ile Tab. VIII) von 7 Stämmen, von denen
1 Stamm aus der Vagina, 1 von der entzündeten Conjunctiva, 2 aus
der Nase von Ozaenakranken und 3 aus der Nase von nicht Di-kranken
Kindern stammten, zeigte noch weitere Minusvariationen, indem sämt-
liche Stämme außer Maltose und Lävulose auch Saccharose nicht ver-
gärten. Außerdem zeigten 3 von den 7 Stämmen nur schwaches Wachs-
tum auf Natr. oleinic.- Agar. Auch auf Glyzerinagar wuchsen die
Stämme nur langsam und schwach. Der Thielsche Nährboden wurde
nicht gerötet, das Anaérobenwachstum war bei 5 Stämmen schwach,
bei 2 fehlte es vollständig. 2 Stämme zeigten hämotoxische Eigen-
Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 53
schaften, die anderen 5 waren anhämotoxisch. In Bouillon wuchsen
2 Stämme gleichmäßig trüb, 2 feinkörnig, trüb mit Bodensatzbildung
und 3 Stämme bildeten feine und grobe Granula, die Flüssigkeit klar
lassend.
Im Meerschweinchenversuch waren 5 Stämme apathogen, im Mäuse-
versuch 3 Stämme, die anderen Stämme kamen nicht zur Unter-
suchung. Das kulturelle Verhalten dieser 7 Stämme entspricht ganz dem
Verhalten der echten Xerosebazillen, indem keine der Zuckerarten
verändert wurde. Die Tierversuche fielen negativ aus. Daß es in der
Tat echte Xerosestämme waren, möchte ich mit Ausnahme des Stammes
113, der aus dem Auge gezüchtet wurde, nicht annehmen, da diese
Stämme aus der Nase und Vagina stammten. Es dürfte sich vielmehr
um zur selben Gruppe wie die Xerosebazillen gehörige Stäbchen handeln.
Auch hier zeigten die Agglutinationsproben (s. Tab. IX) mit den
beiden Stämmen 42 und 113 ihre Zugehörigkeit zur Gruppe der
Pseudodi-B. Das Di-I.S. 107 agglutinierte die Stämme bis 1:50
schwach, das Di-I.S. 100 überhaupt nicht und das Pseudodi-I.S. 96
noch in der Verdünnung 1:800 bzw. 1600 schwach. Ein Unterschied
in den Agglutinationen gegenüber den vorhergehenden Gruppen ist
auch hier nicht zu konstatieren.
Die Stämme dieser Gruppe bilden die letzten meiner Gruppen-
einteilung, da sie am stärksten variiert sind. Es handelt sich um
Minusvarinanten, die sich durch Verlust von 3 Eigenschaften: Ver-
gärung der Maltose, Lävulose und Saccharose von den Pseudodi-
Stämmen der Gruppe Ila unterscheiden. Wir können annehmen, da
sie die meisten biologischen Funktionen verloren haben, daß es sich um
atrophische Mißbildungen (Braun) oder um Erschöpfungs- oder kach-
ektische Zustände (Börnstein) handelt, auch wuchsen die meisten
dieser Stämme nur spärlich auf Nährböden und gingen sehr leicht ein.
Mit dieser allgemeinen Schwächung der Wachstumsenergie scheint auch
die Entwicklungsmöglichkeit, welche weitere neue Typen entstehen
läßt, bei diesen bereits absterbenden Stämmen immer mehr zu erlöschen.
Besondere Erwähnung bedarf der zu dieser Gruppe gehörige
Stamm 97. Sogleich nach der Reinzüchtung aus der Nase eines nicht
Di-kranken Kindes handelte es sich um kurze, plumpe, parallel und
palisadenartig gelagerte Stäbchen ohne Neißersche Polfärbung. Die
verlängerte Gramfärbung nach Langer zeigte neben grampositiven
Exemplaren auch einige gramnegative. Das Wachstum auf Natr.
oleinic.-Agar war deutlich; Maltose, Lävulose und Saccharose wurden
nicht vergoren, der Thielsche Nährboden wurde gerötet und getrübt,
das anaérobe Wachstum war schwach und die Hämolysinbildung deut-
lich. Die Bouillon wurde grobkörnig geflockt, leicht getrübt, ferner
geringer Bodensatz und ein Häutchen gebildet. In Traubenzucker-
bouillon wurde Alkali gebildet, Titration am 5. Tag der Bebrütung
0,2 n/10 H,S0,. Auf der Glyzerinplatte wuchsen die Stäbchen als
gleichmäßig runde, feingekörnte, leicht erhabene Kolonien. Der Tier-
versuch (Meerschweinchen) fiel negativ aus.
Das biologische Verhalten dieses Stammes entsprach also den
Stämmen der 3. Gruppe, nur die Rötung des Thielschen Nähr-
bodens bildete eine Abweichung. Nach 11/, Jahren wurde das gleiche
Wachstum auf den Zuckernährböden beobachtet. Als der Stamm jedoch
nachgeprüft wurde, nachdem er 6 Monate in Aszitesflüssigkeit bei 370 C
bebrütet war, sah man im Neißer-Präparat mittellange Bazillen mit
54 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Polfärbung an einem oder beiden Enden, parallel und auch Y-förmig
gelagert, einzeln» Individuen zeigten Kolbenbildung. Von den Zucker-
nährböden wurde jetzt außer dem Thielschen Nährboden auch die
Saccharose vergoren; die Hämolysinbildung war allerdings verloren ge-
gangen. Wir sehen also, daß der Stamm während seines Wachstums
in der Aszitesflüssigkeit eine neue Eigenschaft erwarb und anderer-
seits eine verlor; dadurch war er den Stämmen der Gruppe 2 gleich
geworden. Es war somit ein Rückschlag von der 3. zur 2. Gruppe er-
folgt. Eine ähnliche Beobachtung machte ich bei dem Pseudodi-
Stamm 96. Als nach 11/, Jahren das Zuckervergärungsvermögen nach-
geprüft wurde, zeigte sich, daß die Maltose schwach vergoren wurde,
während früher aus Maltose keine Säure gebildet wurde. Eine ähn-
liche Erscheinung konnte Grote bei einem Para-B-Stamm beobachten.
Nach 1/, Jahr zeigte dieser Stamm die anfangs fehlende Maltosever-
gärung wieder. Der Stamm war nur alle 3 Wochen auf Agar weiter-
verimpft worden. Ferner konnte Radice einen Di-Stamm beobachten,
der, als er aus der Wunde eines Patienten gezüchtet wurde, Saccharose
nicht vergärte, auf Natr. oleinic.-Agar nicht wuchs und Meer-
schweinchen-pathogen war; 6 Tage später desgleichen 15 und 13 Tage
später nach der letzten Entnahme, zeigten die aus der Wunde ge-
züchteten Stämme Vergärung der Saccharose, Wachstum auf Natr.
oleinic.- Agar, der Tierversuch fiel jetzt negativ aus. Zweifelhaft
bleibt freilich, ob das 2. und 3. mal derselbe Stamm reingezüchtet
wurde. :
Zusammenfassend kann man von diesen 3 Untergruppen der Pseudo-
di-B. sagen, daß die meisten Stämme der Pseudodi-B. zur Gruppe Ila
gehören. Durch Minusvariation entstand eine Gruppe von 9 Stämmen
IId. Sie ist charakterisiert durch die mangelnde Polfärbung und Nicht-
säurebildung aus Maltose und Lävulose. Durch weitergehende Minus-
variation bildeten sich die Stämme der Gruppe Ile, zu der der Xerose-
bazillus gehört. Keine der 3 Zuckerarten (Maltose, Lävulose und
Saccharose) wurde von ihnen vergoren.
Zwischen diesen wohlcharakterisierten Typen der einzelnen Gruppen
finden sich allmähliche Uebergänge von einer Gruppe der Pseudodi-B.
zur andern. So sehen wir z. B. einen Stamm (5), aus der Nase eines
Ozaenakranken gezüchtet, der als Uebergang von der Gruppe Ila zur
Gruppe IId gedeutet werden kann. Im Neißer-Präparat sieht man
sehr kurze, plumpe, starre, polgefärbte Bazillen. Von den Stämmen der
Gruppe Ila unterschied er sich nur durch die schwache Vergärung
von Maltose, Lävulose und Saccharose, in den sonstigen Eigenschaften
stimmte er mit denen der Gruppe Ila überein.
d) Minusvarianten A.
Als Uebergänge von der IJa-Gruppe zur IId-Gruppe müssen weiter
die Stämme 79, 88, 111, Gruppe Ilb Tab. VIII, angesehen werden. Sie
hatten die Fähigkeit, aus Maltose Säure zu bilden, ‚ebenso wie die
Vertreter der Gruppe IId bereits verloren, Lävulose und Saccharose
wurden jedoch noch vergoren.
e) Minusvarianten B.
2 weitere Stämme 29 und 72a (Uebergangsgruppen IIc Tab. VIII)
aus der Nase von nicht Di-kranken Kindern gezüchtet, hatten ihre
Fähigkeit, Lävulose zu vergären, schon ganz verloren, aus Saccharose
Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 55
bildeten sie noch schwach Säure, während Maltose noch deutlich ver-
goren wurde. Diese letzten beiden Eigenschaften trennten die Stämme
noch von der II. Gruppe (IId).
Ein weiteres Zwischenglied bildet der Stamm 91. Er sollte eigent-
lich weiter unten besprochen werden, ‘da es sich um einen Stamm
handelte, der aus der Kastrationswunde eines Pferdes gezüchtet wurde.
Aber seine Besprechung erfolgt zweckmäßiger an dieser Stelle, da er
als Zwischenstufe zwischen der Gruppe IId und Ile anzusehen ist.
Wir sehen im Neißer-Präparat kurze und mittellange, einzeln, par-
allel und seltener hintereinander gelagerte, polgefärbte Stäbchen. Nach
Langer färbten sie sich grampositiv, anaörob wuchsen sie nicht. Auf
Glyzerinagar bildete der Stamm runde, mittelstark gekörnte Kolonien
mit zackigem Rande. Die Kolonien waren klein, trocken, von matter Ober-
fläche. Auf Natrium oleinicum-Agar wuchs der Stamm, wenn auch
langsam. Dieses charakteristische Wachstum und das morphologische
Aussehen berechtigt uns, den Stamm.als zur Gruppe Ile gehörig an-
zusehen. Das Wachstum auf den Zuckernährböden ist jedoch mit
Ausnahme der Nichtvergärung von Maltose und des Thielschen Nähr-
bodens charakteristisch. Lävulose- und Saccharose-Lackmusnährböden
wurden schwach gerötet. Es war also eine doppelte Plusvariation ein-
getreten, der Stamm näherte sich damit der Gruppe IId. Auch besaß
der Stamm die Fähigkeit Hämolyse zu bilden. Die Bouillon wurde
feinkörnig getrübt und zeigte etwas Bodensatz. Die Säurebildung in
gewöhnlicher Bouillon betrug 1,3 n/10 NaOH. Sehr eigenartig ist
nun, daß eine mit 1 ccm 3mal 24stünd. Bouillonreinkultur geimpfte
Maus nach 13 Tagen einging, während ein mit der gleichen Menge
geimpftes Meerschweinchen am Leben blieb. Ob die Maus an einer
Di-Infektion einging, ließ sich nicht entscheiden, ein weiterer Tier-
versuch konnte nicht angestellt werden, da der an sich schon kümmerlich
wachsende Stamm inzwischen eingegangen war. Der Zeitraum von
13 Tagen ist verhältnismäßig lang und der Sektionsbefund ergab keine
bestimmten Anhaltspunkte für einen Di-Tod. Allerdings haben manche
Autoren (vgl. unter IIa) nach Injektion von Pseudodi-B. bei den Ver-
suchstieren langsame Abmagerung, Marasmus und Tod nach mehreren
Monaten beobachtet, so daß auch in diesem Falle der Tod durch die
Pseudodi-B. verursacht sein kann.
Wir sehen also, daß verschiedene Stämme Zwischenstufen von
den Gruppen Ila und Ild und von Ild und Ile darstellen. Die Umwand-
lung fand sich schon kurz nach der Reinzüchtung aus dem menschlichen
Körper, so daß man annehmen kann, daß sie sich bereits im Organismus
vollzogen hat. Um zu prüfen, ob Minusvariationen auch auf künstlichen
Nährböden entstehen, prüfte ich nach 11/, Jahren noch einmal einen
Teil der Stämme auf ihre Fähigkeit, die verschiedenen Zuckerarten
zu vergären. Es fand sich, daß von 9 nachgeprüften Stämmen 3 sich
verändert hatten. Stamm 56 hatte die Fähigkeit Maltose zu vergären
vollständig verloren. Stamm 68 rötete nur noch schwach den Lävulose-
nährboden und Stamm 2 bildete nur noch schwach aus Saccharose
Säure, Maltose und Lävulose blieben jetzt unverändert. Von den
Stämmen der Gruppe’ IId wurden 3 nachgeprüft, von diesen hatte nur
1 Stamm (96) die Fähigkeit Hämolyse zu bilden verloren, sonst waren
sie unverändert geblieben. Von den zur Gruppe Ile gehörigen Stämmen
wurde nur einer nachgeprüft, der Stamm hatte sich nicht verändert.
Von den Stämmen, die als Zwischenstufen von der Gruppe IIa und Id
56
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
angesehen wurden, hatte Stamm 5 die Fähigkeit, Maltose, Lävulose
und Saccharose schwach zu vergären, jetzt vollständig verloren,
daß der Stamm die Eigenschaften der Gruppe Ile angenommen hatte.
so
Ein anderer Stamm 88 (Gruppe IIb) zeigte nur noch schwache Rötung
Tabelle
Di-Stämme, gezüchtet
bo bo Verhalten zu den |
9| 3 Lackmus-
£ E Zuckernährböden |
Nummer Herkunft Morphologie a| "u olele
der Stämme oa ER 5| 5 EE g g | g 2
a | © 2213|5| 8
2|8 Sysig |S) 3 |
| E ern ne = = es = Z |
Gruppe Ia
13 Kastrationswundel. u. mt. schl. Y-förm. + |+u.—| — | + | + | —
u. palisadenart. gelag.
38 s. i dgl. +/+.,— — | + | +5
42 Nackenbandfistel > + | — — |l
44 Kastrationswunde 5 +| — = | 4| T
100 » n + es + + + —
108 » » + |jtu—| — |+|+1 —
3 .| Piephake ( (Opr l. u. mt. schl., Y-förm.| + | — — + | — ee
rationswunde) ju. palisadenart. gelag.
Gruppe Ic
13 Kastrationswunde dgl. +| — — | +) —
Gruppe Id
14 Kastrationswunde l. u. mt., Y-förmig u. + |+u.—| — ++ | +
. palisadenart. gelag.
43 ; dgl. +) - Jol] eye
Gruppe La
| |
37 Kastrationswundek. und dicke pl. starr) + | + + =|+|s
in Nest. einz. od. pali-|
sadenartig gelagert |
46 Wideristfistel dgl. + |+u.—| + +| tJ
47 ” n a || © + | +) 73
48 Kastrationswunde 5 +| + + /+1+1 +
92 ; ; +, + | + ++ | +
Gruppe IIb
35 Kastrationswunde k., pl., einzeln u. in | + + + -|+| +
| Nestern pelagert
91 » dgl. +] + + | -|£| +
Gruppe Id |
45 Hufkrebs k. u. mt. einzeln paral-| + /+u— + — | —
lel u. in Nestern gelag.| |
l. — lang; mt. = mittellang; schl. = schlank; k. = kurz; pl = plump.
Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 57
des Lävulosenährbodens; die Fähigkeit Maltose zu vergären, hatte er
bereits früher verloren. Der Stamm näherte sich also noch mehr der
Gruppe IId. Die anderen 3 hierher gehörigen Stämme konnten nicht
nachgeprüft werden, da sie inzwischen eingegangen waren.
X
sue Wunden von Pferden.
bildung in |Virulenz f
ildung in |Virulenz für
in ne Trauben- Meer- Bemerkungen
zucker- |schweinchen
bouillon
feingekörnt, leicht 1,9 Sk.?**) **) Die Krankheitserscheinungen
etrübt, Bodens. dieser Tiere waren nicht mit Sicherheit
eingekörnt, klar 1,2 a ie im Sinne einer Tierpathogenität zu ver-
grobgekörnt, klar, 2,0 Sk. 40 Std.}| werten; die Stämme waren bereits 2 bis
leicht trüb 3 Mon. alt, als sie zur Injektion kamen,
gleichmäßig trüb, 1:1 Sk. 35 „ +) es handelte sich wahrscheinlich um
odens. schwach virulent gewordene Stämme.
feingekörnt, klar 1,0*) Sk, nach 40 Std. t Bei den Tieren 13, 14 u. 38 sah man
grobgk., klar, später 0,4*) Sk. nach | ander Injektionsstelleerbsen- bis bohnen-
Häutchenbildung 8 Tagen + | große Knoten, keine Allgemeinerschei-
feingek., klar, später 1,5 Sk. +?**) | nungen, beim Tier 3 Freßunlust, Haar
Häutchenbilduug gesträubt. Tier wurde am 5. Tage p. i.
etôtet. Injektionsstelle deutlich in-
iltriert, Nieren und Nebennieren ge-
feingek., klar, später 0,7 Sk. — schwollen, keine Zyanose der Neben-
Häutchenbildung nieren.
r PR *) Bei diesen Stämmen wurde die
grobgekörnt, klar | | 2,2 Bk?) | Sur. bzw. Alkaliprüfung in Fleisch-
gleichmäß. getrübt, 1,7 Sk. nach | Wasserbouillon ohne Zuckerzusatz vor-
Bodens. 48 Sta. y | Benommen.
Sk. = Subkutanmethode.
. Ik. = Intrakutanmethode.
gleichmäß. getriibt,| 0,6 Sk. —
Bodens.
dgl. 0,9 Sk. —
gleichmäßig leicht 1,0 Sk. —
getrübt, Bodens.
feinkörnig getrübt, 1,4 Sk. —
Bodens.
gleichmäß. deutlich 0,3 Sk. —
getrübt, Bodens. |n/10 H,SO,
feingekörnt, trüb, 1,8 Sk. —
Bodens.
dgl. 1,3”) Ik. —
gleichmäßig leicht 1,0 Sk. —
getrübt
58 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Aus der Nachprüfung der im Dunkel bei Zimmertemperatur auf-
bewahrten Stämme nach 11/, Jahren ergibt sich also, daß auch die
Pseudodi-Stämme durch Fortzüchten auf künstlichen Nährböden Ver-
änderungen im Sinne von Minusvariationen in ihrem biologischen Ver-
halten zeigten.
C. Corynebakterien, gezüchtet aus Wunden bei Pferden.
1. Die morphologischen, physiologischen und sero-
logischen Eigenschaften der verschiedenen Gruppen von
Di-Stämmen.
Die bisher besprochenen Di- und Pseudodi-Stämme waren aus dem
menschlichen Organismus gezüchtet. In einer früheren Veröffentlichung
berichtete ich gemeinsam mit Westhues über Di-, Di-ähnliche und
Pseudodi-Stämme, die aus Wunden von Pferden gezüchtet wurden.
Ueber ähnliche Befunde hatte bereits Petrie berichtet, wie ich bei
nachträglicher Literaturdurchsicht feststellen konnte. Er konnte aus
Wunden (ulzeröser Lymphangitis) bei Pferden und Mauleseln 12mal
typische DiB. züchten. 5 Stämme erwiesen sich als meerschweinchen-
pathogen.
Wir fanden unter 70 untersuchten Fällen 12mal mittellange und
lange, an einem oder beiden Enden nach Neißer polgefärbte Stäbchen,
winklig gekreuzt oder palisadenartig liegend. Den bereits mitgeteilten
12 Stämmen konnten in neuerer Zeit 2 weitere Stämme hinzugefügt
werden, die sich morphologisch durch nichts von den übrigen Stämmen
und von echten Di-B. unterschieden (s. Tab. X). In der Tabelle sind
nur 10 Stämme angegeben, die übrigen 4 wurden biologisch nicht
weiter geprüft. Nach der verlängerten Gramfärbung von Langer
zeigten unter 10 Stämmen 6 gramnegatives Verhalten, bei 4 Stämmen
fanden sich neben gramnegativen auch einzelne grampositive Keime.
Ihr kulturelles Verhalten wurde auf Natrium oleinicum-Agar, auf den
Zuckernährboden Maltose, Lävulose und Saccharose geprüft, außerdem
wurde der Grad der Säurebildung in Traubenzuckerbouillon notiert.
und der Tierversuch angestellt. Auf dem Natrium oleinicum-Agar
wuchsen 9 Stämme nicht. Ein Stamm jedoch (100) zeigte nach
wiederholter Prüfung immer schwaches Wachstum. Wir werden dieses
abweichende Verhalten später noch kurz besprechen. Auf den Zucker-
nährboden zeigten 5 Stämme das für echte Di-B. der Gruppe Ia
charakteristische Verhalten, Maltose und Lävulose wurden vergoren,
Saccharose dagegen blieb unverändert. 1 Stamm (44) jedoch vergärte
Maltose nur schwach und die Stämme 3 und 19 ließen die Lävulose un-
verändert. Wir können diese 3 Stämme als Minusvarianten ansehen,
ähnlich den aus dem menschlichen Organismus gezüchteten Stämmen.
Beim Stamm 19 war bereits eine doppelte Minusvariation eingetreten
(fehlende Lävulosevergärung und Apathogenität); er verhielt sich also
ähnlich wie die Stämme der Gruppe Ic). 2 andere Stämme (14
und 43) können als Plusvarianten angesprochen werden, da sie aus
Saccharose geringe Mengen Säure bildeten. Auch diese Plusvarianten,
die wir zur Gruppe Id rechnen können, waren, wie wir gleiches bei
einigen aus dem menschlichen Organismus gezüchteten Plusvarianten
Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 59
sahen, meerschweinchenpathogen. Allerdings waren auch, im Gegensatz
zu den aus dem menschlichen Organismus gezüchteten Stämmen, mit
Ausnahme des Stammes 19, die Minusvarianten der Pferdedi-Stämme
im Tierversuch positiv. Ein Unterschied zwischen den beiden Minus-
varianten der menschlichen und tierischen Di-Stämme bestand jedoch
darin, daß bei den Minusvarianten der ersteren die Variation in der
Nichtveränderung der Maltose bestand, während aus Lävulose Säure ge-
bildet wurde, bei den Minusvarianten der Pferdedi-Stämme sahen wir
Vergärung der Maltose, dagegen keine Veränderung der Lävulose. Ob
dieser Beobachtung eine besondere Bedeutung, für den negativen bzw.
positiven Ausfall des Tierversuches zukommt, lasse ich unentschieden.
Wie bereits erwähnt, beobachtete ich nur einen Di-Stamm (100),
der auch auf Natrium oleinicum-Agar schwaches Wachstum zeigte.
Das senses: biologische Verhalten dieses Stammes auf Zuckernährboden,
anaörobes Wachstum, das hämotoxische Vermögen entsprach durchaus
dem der echten Di-B. Die Bouillon war feingekörnt, klar, am Boden
des Röhrchens befand sich etwas Satz. Auf Glyzerinagar wuchs der
Stamm in stark zerklüfteten, unregelmäßig berandeten, locker zusammen-
gefügten, deutlich gekörnten und bläulich durchscheinenden Kolonien.
Außerdem war der Stamm tierpathogen. Ein Meerschweinchen ging
nach 40 Std. ein, ein 2. Tier, das mit Di-Immunserum vorbehandelt
war, blieb gesund. Ein Kaninchen ging nach 5 Tagen ein und eine
Maus nach 4 Tagen. Bei allen Tieren war der Sektionsbefund typisch.
Der Agglutinationsversuch mit diesem Stamm hatte folgendes Er-
gebnis: Das Di-I.S. 107 agglutinierte den Stamm bis zu einer
Verdünnung 1:1600 schwach; das homologe Serum den Stamm eben-
falls bis 1:1600 schwach. Das Pseudodi-1.8. 96 hingegen nur bis
1:50 schwach. Alle Untersuchungen sprechen also dafür, daß der
Stamm 100 ein echter Di-Stamm ist, der sich nur durch Plusvariation
in einem Merkmal (Wachstum auf Natrium oleinicum-Agar) von den
aus menschlichem Material gezüchteten Stämmen unterschied. Auch
die anderen aus Wunden von Pferden gezüchteten Stämme sind, ob-
gleich sie Minus- oder Plusvariationen oder beides zusammen zeigten,
als echte Di-Stämme anzusehen, die weder für sich eine besondere
Gruppe der aus dem menschlichen Organismus gezüchteten Stämme
bilden, noch sich sonst irgenwie von diesen unterscheiden, wenn auch
über ihre epidemiologische Bedeutung so gut wie nichts bekannt ist.
2. Das morphologische und biologische Verhalten der
Para-Di-Stämme.
Im Zusammenhang mit der Besprechung der aus Pferdewunden
gezüchteten Di-Stämme, bedarf es noch der Erwähnung einer anderen
Gruppe von Corynebakterien, die von Lubinski als Paradi-B. be-
zeichnet werden. Wir konnten 6 solcher Stämme reinzüchten (Tab. X).
Es handelte sich um nach Neißer polgefärbte, häufig in Nestern
oder palisadenartig gelagerte Stäbchen, oder auch um sehr dicke,
plumpe, starre, einzel gelagerte Formen. Die Polfärbung war nach
18 Std. bereits deutlich sichtbar. Nach Langer färbten sich alle
Stämme grampositiv, nur 2 (45, 46) zeigten neben grampositiven
auch einzelne gramnegative Formen. Auffallend schnell trat auf
Loeffler-Serum, bereits in der 48stünd. Kultur eine Veränderung in
60 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
der Form der Bazillen ein, sie wurden kürzer und nahmen kokken-
ähnliche Gestalt an. Auf Glyzerinagar blieben die Stäbchen meist
länger und zeigten mitunter auch keulenartige Anschwellungen. Ihr
charakteristisches Verhalten auf Zuckernährböden äußerte sich darin,
daß sie insbesondere Saccharose vergärten. Von den Stämmen 36 und
47 wurde Maltose nur schwach vergoren, ebenfalls Saccharose vom
Stamm 37. Es handelte sich auch hier wieder um schwache Minus-
variationen, die beim Stamm 35 in der mangelnden Maltosevergärung
bereits ausgesprochen waren. Beim Stamm 45 sehen wir sogar doppelte
Minusvariationen, indem Maltose und Lävulose nicht vergoren wurden.
Typisch war auch das Wachstum der Stämme auf Natrium oleinicum-
Agar. Auf Loeffler-Serum wuchsen sie rascher und üppiger als Di-B.
Das Anaérobenwachstum, die Art des Wachstums in Bouillon, Hämo-
lysinbildung waren nicht spezifisch. Im Tierversuch verhielten sich
die Stämme apathogen. :
Vergleichen wir das kulturelle Verhalten dieser Paradi-Stämme
mit den Stämmen der oben erwähnten Gruppen der Pseudodi-Stämme,
so lassen sie sich alle zwanglos in obige Gruppierung einreihen. Die
Stämme 37, 46, 47, 48, 92 gehören zur Gruppe Ila, die Stämme 35
und 91 zur Gruppe IIb, und Stamm 45 zur Gruppe Ild. Hieraus
ergibt sich. daß die Paradi-B. zu den Pseudodi-B. zu rechnen sind.
Ob jedoch alle Pseudodi-Stämme der Gruppe Ila und IIb mit den
Paradi-B. identisch sind, obschon sie morphologisch und kulturell
gleiches Verhalten zeigen, erscheint fraglich. Für die Stämme, welche
aus der Nase von nicht Di-kranken Kindern gezüchtet wurden, scheint,
mir diese Annahme nicht berechtigt. Allerdings konnte auch Lubinski
in der gesunden Nase, im Rachen, auf der Haut usw. Paradi-B. nach-
weisen. Die aus der Nase von Ozaenakranken gezüchteten Stämme, die
ca. 60 Proz. dieser beiden Gruppen ausmachen, können sehr wohl als
Paradi-B. angesehen werden; zudem bietet der pathologische Prozeß
in der Ozaenanase ähnliche Verhältnisse wie eine Wunde.
Wenn viele, Autoren, Lubinski, Schmitz, Großmann - Ra-
dice u. a. die Paradi-B. für Abkömmlinge von den echten Di-B.
halten, so kann dem nicht ohne weiteres widersprochen werden. Groß-
mann und Radice konnten einen allmählichen Uebergang von echten
Di-B.zu Paradi-B.nicht nur in den von ihnen beimpften Wunden, sondern
auch in 2 spontan infizierten Wunden genauer prüfen. Pesch konnte
allerdings diese Beobachtung nicht bestätigen. Er fand, daß der Nach-
weis neuer Formen auf mit Corynebakterien künstlich infizierten
Wunden für Mutation nicht beweisend ist, da auch auf nicht infi-
zierten Wunden Di-B. oder diphtheroide Bakterien auftraten. Ueber-
gangsformen oder Aenderungen in der Virulenz in der einen oder
anderen Richtung wurden von ihm nicht beobachtet.
Aus meinen Untersuchungen ergibt sich, daß echte Di-B. durch
bestimmte Einflüsse zwar so weit umgewandelt werden können, daß
sie den Paradi- oder Pseudodi-B. ähnliche Eigenschaften annehmen
können, doch sind diese Umwandlungen nie von Dauer, sondern kehren
früher oder später in ihren Ausgangstyp zurück (Dauermodifikationen),
während bei den von uns untersuchten Paradi-B. ein solcher Rückschlag
nie beobachtet wurde, so daß hieraus sich wiederum eine strenge
Scheidung gegenüber den echten Di-B. ergibt. Wenn zugegeben wird,
Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 61
daß aus Di-B. durch Minus- oder Plusvariationen Paradi-B. oder
Pseudodi-B. entstehen können, so ist damit nicht ohne weiteres gesagt,
daß umgekehrt aus den letzteren wieder echte Di-B. werden müßten.
Denn diejenigen Faktoren, die veranlaßten, daß eine Variation stattfand,
können ja noch fortbestehen und so einen Rückschlag verhindern, oder
wenn die richtunggebenden Einflüsse aufgehört haben, ist oft gar kein
Grund vorhanden, daß die früheren Eigenschaften wieder auftreten
müssen, da der Bazillus als solcher auch mit oder ohne den früheren
Eigenschaften fortbestehen kann.
Einwandfreie Beobachtungen, daß aus Pseudodi-B. wieder echte
virulente Di-B. wurden, liegen bis jetzt noch nicht vor. Eine Unmenge
diesbezüglicher Versuche wurden bereits in der Literatur veröffentlicht.
Ich erwähne nur die Versuche von Roux und Yersin, Gold-
berger, v. Zupnik, de Simoni, Bernheim, Ladendorf u. a.
Zwar gelang es, abgeschwächte, echte Di-B. auf Streptokokkenfiltraten
wieder virulent zu machen, aber derselbe Versuch mit Pseudodi-B.
schlug stets fehl. Trotzdem kann zugegeben werden, daß, wenn die
geeigneten Bedingungen vorliegen, eine solche Umwandlung theoretisch
möglich ist, nach Analogie der Beobachtung von Uhlenhuth und
Zuelzer betreffs der Umwandlung einer Wasserspirochäte in die
Spirochaeta icterogenes.
Auch ergibt sich aus dem Vorangegangenen, daß dem serologischen
Verhalten des Stammes allein nicht immer eine artdifferenzierende
Bedeutung zukommt. Di-Stämme, die sich biologisch verändert haben
und bestimmte Eigenschaften verloren haben, können deshalb von einem
Immunserum, das mit typischen Di-B. hergestellt wurde, weniger stark
agglutiniert werden als typische Stämme, ja wir haben sogar einen in-
agglutinablen, serumfesten Stamm beobachtet. Aehnlich sind die Beob-
achtungen von Spronck, Steenmeyer und Lubowski zu er-
klären, daß es bisher nicht gelungen ist, mit Pseudodi-B. gegen Di-B.
zu immunisieren. Zwar wurden verschiedentlich ‘Mitagglutinationen
beobachtet, doch gingen sie nie über 1:100 hinaus und blieben weit
hinter den spezifischen Reaktionen zurück.
62 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Nachdruck verboten.
The rate of reduction of methylene blue by Bacillus
coli in the course of the Bacteriophage phenomenon.
[From the Laboratory of Bacteriology of the N. Y. H. Medical College
and Flower Hospital—New York.]
By Gregory Shwartzman, M. D.
With 2 Figures in text.
Introduction.
It was reported in a previous paper by the author (1) that oxygen
is able to modify the susceptibility of b. coli towards lytic principle.
These observations suggested that the relation of the bacteriophage
phenomenon to oxidation reduction of bacterial cells should be in-
vestigated.
The following studies embody observations upon the rate of me-
thylene blue reduction by a susceptible strain of b. coli in the presence
of lytic principle.
Previous work.
The reduction of methylene blue in the course of the bacteriophage
phenomenon was studied recently by Gozony and Suranayi (2).
These authors found that lytic principle is able to accelerate the rate
of methylene blue reduction by a culture of bac. rattimors during
the first two hours of incubation. This is due to a more rapid multi-
plication in the presence of lytic principle during this period of time.
From the third hour there is a progressive fall in the rate of reduction,
which is coincident with rapid lysis.
However, under experimental conditions imposed by these authors
the bacteriophage phenomenon proceeded at very rapid rate, since
they used a high concentration of lytic principle and a comparatively
small inoculum.
In the following experiments the course of the bacteriophage pheno-
menon was of long duration. It was therefore possible to make obser-
vations at short intervals over a long period of time.
Experimental.
The surface of a 24 hour old agar slant culture of a susceptible
strain of b. coli was washed off with 6 cc. of meat infusion broth of
pH 7.0 and the emulsion added to a flask containing 180 cc. of broth
of the same pH. The culture was shaken for 2—3 minutes to insure
even distribution of bacteria. 90 cc. of this culture was delivered into
a flask and 1.8 cc. of 10-2 dilution of lytic principle was added. To
90 cc. of the control culture remaining in the first flask 1.8 cc. of 10-2
dilution of lytic principle previously boiled for 10 minutes was added.
The fluid of these containers was, then, distributed in 3 cc. quanti-
Shwartzman, The rate of reduction of methylene blue by Bac. coli ete. 63
ties into a series of tubes 20020 mm. in size.
These tubes were
incubated at 37°. Before incubation and every 20 minutes thereafter
the fluid of one tube of each type of culture was used for a count of
viable micro-organisms and for determination of methylene blue re-
duction time. Every hour, samples were taken out from the bacterio-
phage cultures for determination of the lytic exponent of regenerated
lytic principle by serial dilution in broth. It should be mentioned here
that in determining the methylene blue reduction time 0.5 cc. of the
sample was added to a small „Wassermann“ tube containing 0.05 of
of 1:2500 dilution of Mercks medicinal methylene blue, the mixture
was then covered with a layer of melted vaseline and kept in water
bath at 45° until complete reduction was obtained.
The following charts represent the results obtained.
` | The rate of methylene blue reduction
and the rate of bacterial growth in
the absence of lytic principle
aN Log, of
Reduction
=| time in Min
Bacteria
Time of incubation in hours
Fig. 1.
1a
ıon
e rate of methylene blue reduction
and the rate of bacterial growth in
the presence of lytic principle
Log. of
Bacter:
4 Reducti
"time in M
ls.
3 4 5 6 % 8
0 1 2
Time of incubation in hours
Fig. 2.
Chart I.
The solid line represents the rate of reduction of methylene blue in dilution
1: 25.000.
“The- broken line represents the rate of bacterial growth.
Chart II.
1:25
The solid line represents the rate of reduction of methylene blue in dilution
.000.
The broken line represents the rate of bacterial growth.
Crosses at different parts of the broken line indicate the points at which samples
for determination of lytic exponents were taken out. The value of E! is given above
each gross.
64 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Discussion of results.
By comparing charts I and II it will be observed that the rate
of methylene blue reduction by b. coli is considerably modified in the
presence of lytic principle.
In fact, four different phases can be observed in such a culture
under conditions employed in these experiments.
I. On addition of lytic principle the rate of methylene blue re-
duction becomes slower than in the control culture during the first
30 minutes of incubation. The comparison of the number of cells in
both cultures shows that the lytic principle is able to kill off a small
number of cells soon after incubation. Calculations prove that the ob-
served depression in reducing power can be easily explained on the
basis of this fact. |
II. The phase of depression is followed by a sudden increase in the
reducing power of the lytic culture. The reduction time becomes shorter
than in the control culture. This phase, which lasts for 2 hours, is
parallel to a rapid increase in the number of cells exceeding considerably
that of the control culture. Calculations show that the shorter reduction
time of the lytic culture can be entirely explained by the presence of a
larger number of living cells at this phase.
III. In the third phase, which lasts 4 hours, there is a progressive
increase in reducing power. The reduction time changes from 7 minutes
to 3 minutes at the end of this phase. Moreover, it remains shorter
that that of the control culture during all this period. But the
characteristic feature of this phase, which is of considerable interest,
is that the continuous increase in the reducing power is
coincident with gradual lysis.
IV. As lysis advances the reducing power of the lytic culture
decreases and finally disappears altogether.
Summary.
Conditions were created which allowed observations on the reduction
of methylene blue in lytic cultures over a long period at short intervals
of time.
These observations demonstrated the existence of four phases in
the rate of reduction by these cultures; namely, the phase of depression
due to slight and immediate lytic action of the bacteriophage; the phase
of exaggerated reducing power—due to rapid multiplication of bacteria:
the phase of progressive increase in reducing power coincident with
gradual lysis, and the phase of fall in reducing power coincident with
complete lysis.
Bibliography.
1) Shwartzman, Gregory, Studies on regeneration of bacteriophage.
II. The influence of oxygen upon the behavior of B. coli towards lytic principle,
(Journ. Exper. Med. Vol. 43. 1926. p. 743.) — 2) Gozony, L., and Suranyi, L,
Reduktionsversuche mit Bakteriophagen. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 95.
1925. S. 353.) :
v. Preisz, Zwei eigenartige Varianten des Pestbazillus. 65
Nachdruck verboten.
Zwei eigenartige Varianten des Pestbazillus.
Von Prof. Dr. H. v. Preisz, Budapest.
Mit 1 Tafel.
Wer sich mit Bakterien viel befaßte, konnte im Laufe der
Zeit so manches sehen und beobachten, das auf eine beträchtliche
Veränderlichkeit dieser Kleinwesen hinweist. Schon die Tatsache allein,
daß es unter den am besten studierten pathogenen Bakterienarten kaum:
eine einzige gibt, die eine scharf gekennzeichnete Art, und nicht eine
Gruppe von Stämmen und Typen mit mehr oder minder abweichenden
Eigenschaften darstellt, weist auf ihre große Variabilität hin. Die
Zusammengehörigkeit solcher von einander nicht wenig verschiedenen
Typen findet darin eine kräftige Stütze, daß sie gemeinsame, oder
doch ähnliche pathogene Eigenschaften bekunden und sich verschiedenen
immunbiologischen Reaktionen gegenüber ähnlich verhalten. Diese Er-
kenntnis aber orientiert uns bei weitem nicht über die Grenzen der
möglichen Variabilität dieser Kleinwesen. Denn sobald sich ein Bak-
terium durch Verlust oder Gewinn auffallender Eigenschaften ver-
ändert, so kann es im allgemeinen schwierig, ja oft unmöglich werden,
seine Abstammung bzw. Zugehörigkeit festzustellen. Sind die so-
genannten Pseudodiphtherie- oder Pseudotetanusbazillen solche Di-
phtherie- bzw. Tetanusbazillen, die ihre Giftigkeit verloren oder aber
eine solche noch niemals besessen haben? Ist der Paratyphusbazillus
mit dem Typhusbazillus, sind gewisse chromogene Bakterien mit ähn-
lichen, aber achromogenen Bakterien artfremd, oder sind sie nur Spiel-
arten einer Spezies?
Solche und ähnliche Fragen können nur durch Beobachtungen und
Versuche im Laboratorium zufriedenstellend gelöst werden; diese allein
können uns Aufschluß geben über die Weite und Grenzen der Vari-
abilität dieser Kleinwesen, sie haben bereits bisher eine weitgehende
Veränderlichkeit der letzteren erwiesen, die man in Anbetracht der
Anspruchslosigkeit und rasch erfolgenden Vermehrung dieser Organis-
men leicht verständlich finden kann. Die Anspruchslosigkeit hinsicht-
lich Ernährung und sonstiger Lebensbedingungen der meisten Bakterien
setzt allein schon eine bedeutende Anpassungsfähigkeit derselben voraus;
ihre rasche Vermehrung unter günstigen Verhältnissen muß es ferner
mit sich bringen, daß Veränderungen, denen im Laufe der Zeiten alle
Lebewesen unterworfen, und die das Wesen dessen sind, was man mit
dem Namen der Phylogenese bezeichnet, sich bei ihnen binnen viel
kürzerer Zeiträume vollziehen, als bei Lebewesen, deren Generationen in
größeren Zeiträumen aufeinander folgen. Man kann durch rasche
Weiterimpfung auf geeigneten Nährböden binnen Tagen und Wochen
eine Reihe von Generationen züchten, die bei höheren Lebewesen Jahr-
hunderte und Jahrtausende beanspruchen würde. Dabei ist man noch in
der Lage, die Bakterien unter allen erdenklichen Abänderungen des
Nährbodens und aller äußeren Bedingungen beliebig künstlich fortzu-
züchten. Es ist hieraus ersichtlich, daß für ein Studium der Variabilität
nichts mehr geeignet sein kann, als diese einzelligen Mikroben; denn wie
Erste Abt. Orig. Bd. 101 Heft 1/3.
66 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
immer man sich Vererbung und Variieren von Eigenschaften der Lebe-
wesen vorstellen mag, so viel ist wohl nicht zu bezweifeln, daß es vor-
nehmlich, wenn nicht ausschließlich der Vermehrungs-, der Zeugungs-
vorgang ist, wodurch in der Reihe der aufeinander folgenden Gene-
rationen die Eigenschaften sich mehr oder minder rasch abändern und
wodurch Rassen, Varianten und mit der Zeit auch neue Arten usw.
entstehen. Sei die Art der Vermehrung eines Lebewesens einfache
Spaltung (Schizogonie) oder aber eine geschlechtliche, so scheint eine
derart gleiche Gruppierung und Zusammenstellung der lebenden, die
Lebensfunktionen tragenden Teilchen, die stets ganz tibereinstimmende
Eigenschaften des jungen Organismus zur Folge hätte, ein Ding der
Unmöglichkeit zu sein. Ob dies bloß eine notwendige Folge der ver-
schiedenen Kombinationen der lebenden Teilchen ist, oder ob dabei auch
irgendein Naturgesetz, oder eine höhere Idee, ein Streben nach höherer
Vollkommenheit oder Zweckmäßigkeit zur Geltung kommt, ist uns ver-
borgen, gleichwohl unterliegt es keinem Zweifel, daß äußere Ursachen
auf das Variieren von Lebewesen einen mehr oder minder ausgiebigen
Einfluß auszuüben vermögen. Oft mag es scheinen, als wäre es eben
lediglich die Aenderung der äußeren Bedingungen, die ein Variieren
der Organismen auslöst; in der Tat aber dürfte es sich doch. so ver-
halten, daß gewisse Aenderungen der äußeren Bedingungen be-
schleunigend wirken auf Variationsvorgänge, ‘deren ein Organismus
überhaupt fähig ist, die sich aber wahrscheinlich auch ohne jene Be-
dingungen, wohl aber langsamer, abspielen können.
Vermag eine Aenderung äußerer Bedingungen das Variieren von
Lebewesen zu verursachen oder wenigstens zu beschleunigen, so muß
diese Wirkung bei jenen Lebewesen am ausgiebigsten zur Geltung ge-
langen, die ohne Gefährdung ihrer Lebensfähigkeit weitgehende Ver-
änderungen ihrer Umgebung zu ertragen imstande sind und als solche
kennen wir eben die Bakterien. Außer der raschen Vermehrung spielt.
wohl dieser Umstand beim Variieren der Bakterien die wichtigste Rolle.
Vor 24 Jahren habe ich über eigentümliche Gebilde älterer Bak-
terienkulturen berichtet, nämlich über mohnkorn -stecknadelkopfgroße,
warzenartige Erhabenheiten, die aus dem ursprünglichen (primären)
Kulturrasen verschiedener Bakterienarten scharf umschrieben heraus-
wachsen. Ich nannte diese Gebilde, die ich seitdem in mehr oder minder
alten Agarkulturen fast aller Bakterien entstehen sah, sekundäre
Kolonien und führte ihre Entstehung auf einzelne „Ausnahm e-
zellen“ zurück, die sich inmitten von Millionen anderer Keime des
Kulturrasens zu lebhafter Vermehrung anschicken und zwar oft erst
zu einer Zeit, wo der primäre Kulturrasen sein Wachstum bereits ein-
gestellt hat oder gar schon abgestorben ist 1).
In der älteren, meiner diesbezüglichen Veröffentlichung voran-
gehenden Literatur fand ich eine einzige Angabe, die sich offenbar auf
eine ähnliche Beobachtung bezieht; Maurea und Germano sahen
nämlich an alten Kulturen typhusähnlicher Bakterien, wie sie schreiben,
folgendes: „Viele Kulturen der typhusähnlichen Bazillen zeigten in
ihrer ganzen Ausdehnung supraponiert eine verschiedene Menge er-
habener, runder Kolonien von derselben Transparenz und Färbung“;
1) Studien über Morphol. u. Biol. des Milzbrandbazillus. (Centralbl. f. Bakt.
Abt. I. Orig. Bd. 35. 1904). ,
v. Preisz, Zwei eigenartige Varianten des Pestbazillus. 67
sie dachten an eine Verunreinigung der Kulturen und schließen mit den
Worten: „Wir berichten hier nur die nackte Tatsache und geben von
ihr keine Erklärung, weil wir bislang selbst noch keine solche gefunden
haben 1)“.
In der späteren Literatur ‘findet man diese sekundären Kolonien
als .„‚Tochterkolonien“, ,,Knopfkolonien“, „Knopfbildung‘“, „Knopf-
mutation“, „Sekundärvegetationen‘ benannt.
Ich habe die Ausnahmezellen, denen die Sekundärkolonien ihre
Entstehung verdanken, mit den Urzellen von Neubildungen, und die
Sekundärkolonien selbst mit Neubildungen in Analogie gestellt und bei
dieser Gelegenheit auch über die sekundären Kolonien eingehender be-
berichtet 2).
Gelegentlich langwieriger Studien konnte ich am Milzbrandbazillus
weitgehendes Variieren beobachten; aus Pasteurschem Impfstoff gegen
Milzbrand, so wie aus von mir selbst abgeschwächten Milzbrandkulturen
konnte ich eine Reihe von Varianten züchten, deren Extreme ohne
weiteres wohl von keinem Bakteriologen mehr als Milzbrandbazillen er-
kannt würden.
Die Richtung des Variierens kann naturgemäß eine sehr ver-
schiedene sein, je nachdem die eine, oder die andere Funktion der
lebenden Zelle eine Aenderung erfährt, oder mit anderen Worten, je
nachdem, auf welche Funktion des lebenden Protoplasmas die innere
oder äußere Ursache verändernd einwirkt; folglich kann sich die Vari-
ation sehr verschiedentlich äußern.
Im folgenden möchte ich über zwei eigentümliche Varianten des
Pestbazillus berichten.
Die zu schildernden Beobachtungen wurden an Kulturen eines
Stammes von Pestbazillen gemacht, den ich im Frühjahre 1897 aus
dem Institut Pasteur in Paris erhalten hatte und den ich durch jähr-
lich beiläufig ein- oder zweimaliges Weiterimpfen auf Agar bis heute
lebend erhalten hatte. Die Kulturröhrchen wurden stets durch Verschluß
mittels Kautschukkappen gegen Vertrocknung geschützt. Derart aufbe-
wahrte Agarkulturen enthielten oft noch weit über ein Jahr hin reich-
lich lebende Keime.
a) Pigmentbildende Variante.
Zu Anfang Februar 1921 prüfte ich eine fast 21/, Jahre alte Agar-
kultur (Kult. A); sie zeigte noch die typischen Pestkolonien mit dünnen,
breiten, gezackten Rändern, doch war sie bestreut mit zahlreichen, bis
mohnkorngroßen, erhabenen Knötchen von rauchgrauer bis schwarzer,
oder bläulich schwarzer, tintenartiger Farbe. Diese schwarzen Knöt-
chen vom Charakter sekundärer Kolonien waren vor einem Jahre in
derselben Kultur noch nicht vorhanden.
Zur gleichen Zeit sah ich in einem jüngeren (13/,jährigen), wahr-
scheinlich vom ersteren abgeimpften Agarröhrchen (Kult. B) ebenfalls
zahlreiche punktförmige, rauchgraue und schwärzliche Knötchen; außer-
' dem zeigten sich auch solche sekundäre Kolonien am primären Rasen,
die nur im erhabenen Zentrum schwärzlich erschienen, während ihre
dünnen, gezackten Ränder farblos gewesen.
= 1) E. Germano u. G. Maurea, Zieglers Beiträge. Bd. 12. 1892.
2) Ueber die Entstehung der Neubildungen im Anschluß an eine Analogie,
Zeitschr. f. ärztl. Fortbild. 1922. Nr. 5—6.
5*
68 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Aus diesen beiden alten Kulturen gewann ich durch Ueberimpfung
normal aussehende Kulturen, in denen später schwärzliche und schwarz-
violette sekundäre Knötchen auftauchten, deren größte nach einem
Jahre die Größe eines Hirsekornes erreichten (s. Fig. 1). Stellenweise
waren die Ränder der primären Kolonien dunkelschwarz; und oft sah
ich, bei weiterer Ausdehnung der Kolonien, aus diesen schwarzen
Rändern wieder farblose, weißliche Säume herauswachsen. Die schwarzen
Ränder pflegten zugleich üppiger zu sein, als ihre farblose Umgebung.
Es kann sich hier nicht um ein nachträgliches Schwarzwerden irgend-
einer Leukosubstanz handeln, denn die farblosen Säume blieben auch
weiß und waren gegen die gefärbten zumeist scharf begrenzt.
Bemerkenswert ist, daß die aus denselben alten Kulturen zu gleicher
Zeit auf Löfflerschem Blutserum angelegten Kulturen noch nach
20 Monaten farblos und glatt blieben, d. h. keine sekundären Kolonien
aufwiesen. Ù
In einer (aus der Kult. A stammenden) 350tägigen Agarkultur
(Kultur C) war der oberste Saum schwarz und üppig (Fig. 2); nach
weitern 262 Tagen hatte sich aus diesem schwarzen Rand ein farbloser,
weißlicher, ziemlich breiter Saum vorgeschoben mit zahlreichen größeren
und kleineren farblosen sekundären Knötchen (Fig. 3). Dieser Saum
blieb auch später farblos, als die Kultur bereits über 4 Jahre alt ge-
worden war.
Kulturversuche zeigten, was ich bezüglich vieler anderen Bakterien-
arten längst feststellen Konnte (s. l. c.), daß nämlich die Keime der se-
kundären Kolonien jene des primären Rasens überleben; oft gelingt der
Kulturversuch noch mit einem Knötchen, während der primäre Rasen
in seiner nächsten Umgebung bereits abgestorben ist.
Aus schwarzen Knötchen erhaltene Kulturen erzeugten nicht
immer gefärbte sekundäre Kolonien.
Nicht alle Bakterienzellen sind in gleicher Weise befähigt, sekun-
däre Kolonien zu erzeugen; in einer Agarkultur, wo sich die wenigen
Kolonien frei entwickeln und ausbreiten konnten, sah ich neben ganz
glatten auch mit Wärzchen besäte Kolonien; erst nach langer Zeit
tauchten in den glatten einige schwarze Punkte auf.
Der Farbstoff fand sich zumeist auf die Bakterienmasse beschränkt,
doch sah ich einige Male Kulturen, wo die ganze Masse des Agars
rauchgrau verfärbt gewesen.
Ich will bemerken, daß die aus pigmentierten sekundären Kolo-
nien oder Rändern gezüchteten Kolonien sich anfangs durchaus so
verhalten, wie gewöhnliche Pestbazillen; tritt Pigmentierung auf, so ge-
schieht dies erst nach längerer Zeit, zumeist erst nach Monaten.
Durch fortwährende Weiterzüchtung auf kiinstlichem Nährboden
hat sonach dieser Stamm des Pestbazillus nach 21 Jahren die Fähig-
keit gewonnen, einen schwarzen Farbstoff bildende Generationen zu er-
zeugen. Ich darf behaupten, daß er diese Fähigkeit vordem nicht besaß.
denn die Verimpfung geschah jedesmal durch mich eigenhändig und
dabei besichtigte ich sowohl die alten, ‚wie die frischen Kulturen stets
enau.
J Nach dem Geschilderten äußert sich diese chromogene Eigenschaft
fakultativ, so wie ja auch bei typisch chromogenen Bakterien. Es
miissen wohl gewisse äußere oder innere Ursachen sein, welche die
Farbstoffbildung ermöglichen oder unterstützen. Da es vornehmlich.
in manchen Kulturen aber ausschließlich die sekundären Kolonien sind.
v. Preisz, Zwei eigenartige Varianten des Pestbazillus. 69
worin die Pigmentbildung sich äußert, so liegt es nahe, anzunehmen,
daß die Farbstoffbildung auf einer biologischen Veränderung, einem
veränderten Chemismus jener einzelnen Ausnahmezellen beruht, denen
die sekundären Kolonien ihre Entstehung verdanken, dies wären sonach
innere Ursachen. Jene mehr diffuse Verschwärzung der Kolonien bzw.
Kulturränder dürfte jedoch eher durch äußere begünstigende Umstände
ausgelöst werden, namentlich durch eine Aenderung der Konzentration
und der chemischen Reaktion infolge von Eintrocknung des Nährbodens,
ferner durch Aenderung des letzteren infolge von Verbrauch und Ab-
gabe seitens der Kleinwesen und durch deren Zerfall. Auf diese Weise
möchte ich es deuten, daß aus dem schwarzen Rande einer alten Kultur
später (nach fortgesetzter Aenderung der Lebensbedingungen) abermals
ein farbloser Saum hervorsprießen kann.
Wie tiefgreifend diese Aenderung sein mag, die dieser Pestbazillus
innerhalb von mehr als 20 Jahren erfahren mußte, läßt sich in Er-
mangelung einer Kenntnis der Zusammensetzung seiner Zellen und seiner
Produkte nicht beurteilen; möglich, daß die Grundsubstanz zu dem Farb-
stoff von jedem normalen Pestbazillus erzeugt wird und daß es nur
einer geringfügigen Abnormität des Stoffwechsels bedarf, um aus der-
selben ein schwarzes Pigment entstehen zu lassen. Jedenfalls offen-
bart sich im geschilderten Fall eine ausgesprochene Tendenz zu vari-
ieren. Nicht unmöglich, daß aus diesen alten Kulturen nach weiteren
Jahrzehnten schwarze Varietäten entstehen, die ihre chromogene Eigen-
schaft gar nicht mehr ablegen; ähnliches mag wohl auch in der
freien Natur vor sich gehen können, wodurch chromogene Stämme ent-
stehen, deren Abstammung vom Pestbazillus gar nicht mehr zu er-
kennen ist, zumal wenn damit eine Einbuße der Virulenz Hand in Hand,
geht.
b) Schleimig quellende, rasch absterbende Variante.
Aus der oben mit C bezeichneten Kultur, als sie 620 Tage alt war,
wurden frische Agarröhrchen besät, und zwar sowohl aus dem schwarzen
oberen Teil, als aus dem farblosen und mit sekundären Knötchen be-
säten Saum, der aus dem schwarzen Abschnitt nachträglich noch her-
vorgewuchert war. Die Aussaat aus dem schwarzen Abschnitt blieb
steril; aus dem weißen Saum wuchsen langsam, bei 37° erst nach.
2 Tagen sichtbar werdende Kolonien von verschiedenem Aussehen und
zwar nach 2tägigem Wachstum bei 37° und 8 Tagen bei Zimmer-
temperatur:
a) Zahlreiche kleine, höchstens 1 mm breite, fast halbkugelig er-
habene, schleimtröpfchenartig durchscheinende, runde und glattwandige
Kolonien von fadenziehender oder zähschleimiger Konsistenz; sie lassen
sich oft auf der Agarfläche fortschieben oder von ihr im ganzen abheben ;
ß) einige 2—3mal breitere, abgeflachte weißliche Kolonien mit un-
ebenen Rändern und von nicht schleimiger Konsistenz;
y) kleine (0,2—0,3 mm im Durchmesser), nur mit der Lupe wahr-
nehmbare, so viel wie gar nicht erhabene kreisrunde Scheibchen, die
sich auf der glänzenden Agarfläche eigentlich bloß durch ihre Matt-
heit erkennen lassen (s. in Fig. 4). Es sind dies nichts mehr, als die
Schatten abgestorbener Kolonien, über deren Entstehung später noch
gesprochen werden soll.
Noch mehr, als in ihrem kulturellen Verhalten, unterschieden sich
die beiden Typen « und ß unter dem Mikroskop voneinander. Kleine
70 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Kulturteilchen wurden mit stark verdünnter Karbolfuchsinlösung zer-
rieben und zwischen Objekt- und Deckglas untersucht. Ein solches
Präparat aus ß zeigte lauter kürzere und längere, hier und da ein
wenig aufgetriebene Bakterienformen ohne jede Interzellularmasse.
Die Kolonien ß entsprachen sonach auch mikroskopisch ziemlich
dem normalen Bilde des Pestbazillus. Dagegen waren im Präparat aus
a-Bakterienformen kaum zu sehen, dafür aber massenhaft unbestimmte,
offenbar von Bakterienzellen stammende Formelemente.
Der Gedanke lag mir nahe, die schleimige Konsistenz der +-Kul-
turen durch eine übermäßige Erzeugung von Schleimhüllen zu erklären,
wie ich es bei den schleimigen Varietäten des Milzbrandbazillus be-
obachten konnte, da ja der Pestbazillus — wie man sich davon z. R mit
dem Löfflerschen Geißelfärbungsverfahren überzeugen kann — oft.
von dicken, schleimartigen Hüllen umgeben ist. Nachdem ich jedach
an den Zellen der «-Kulturen weder durch Färbung, noch durch die
viel schonendere Tuschemethode Kapseln nachzuweisen vermochte, so
zweifelte ich nicht, daß die schleimige Substanz, so wie die im mikro-
skopischen Bilde sichtbaren Gebilde von den Zelleibern herstammten;
darauf weist ja auch schon der Umstand hin, daß in Präparaten von
selbst noch jungen «-Kulturen als solche erkennbare Bakterienformen
oft nur sehr spärlich, oder gar nicht mehr zu finden waren.
Durch Untersuchung von «-Kulturen verschiedenen Alters konnte
ich mir beiläufig eine Vorstellung machen von den Vorgängen in den-
selben (s. Fig. 5—7).
Aus einer 24stündigen Agarkultur mit kaum sichtbaren, noch nicht
schleimigen, sondern eher dünnflüssigen Kolonien zeigte ein ange-
trocknetes und mit Karboltoluidinblau gefärbtes Präparat abnorm dicke,
plumpe Bazillen- und Schlangenformen, deren einzelne hie und da helle,
ungefärbte Teile aufwiesen in ihrer Mitte oder an den Polen; außer,
d. h. zwischen ihnen sind keinerlei Gebilde zu sehen. Dieselbe, aber
2 Tage alte und nun bereits zähschleimige Kultur bietet ein ganz anderes
Bild; nur vereinzelt zeigen sich solche Bakterienzellen, wie in der 1-
tägigen Kultur, außerdem wenige bedeutend größere kugelig oder wurst-
artig geformte Gebilde (gequollene Zellen), der Hauptteil des Gesichts-
feldes jedoch wird eingenommen durch Zerfallsprodukte der Zellen,
vornämlich durch Schüppchen und Plättchen von allerlei Formen.
die wohl den Häutchen der geplatzten Bakterienzellen entsprechen.
ferner durch mehr oder minder große Körnchen und Schollen, wie sie
auch im Innern der gequollenen Zellen anzutreffen sind. Ein anderes
Mal traten in Kulturen von einigen Tagen die riesig gequollenen, sehr
verschieden geformten (kugeligen, zitronen-, kaulquappen- etc. formigen)
Zellen in den Vordergrund, die für den Farbstoff eine sehr verschiedene
Affinität bekunden. Viele derselben enthalten eine oder mehrere, größere
oder kleinere ungefärbte vakuolen-artige Kiigelchen, die den Innenraum:
der Zellen fast ganz erfüllen, manche derselben aber sind in scholligem.
Zerfall begriffen (Fig. 7).
Sehr überraschend sind die Bilder, welche native Präparate (ein
Teilchen Kultur in physiologischer Salzlösung unter Deckglas) dar-
bieten; man sieht hier — außer sehr spärlichen, als gedunsene Bak-
terien erkennbaren Formen — Felder, bestehend aus rundlichen oder
infolge gegenseitigen Druckes stumpf polygonalen, zum Teil vacuo-
lisierten Gebilden; es sind gequollene Bakterienzellen. Ein solches
Bild hat viel Achnlichkeit mit gewissen metazoischen Geweben, nament-
v. Preisz, Zwei eigenartige Varianten des Pestbazillus. 71
lich mit Zellen, die Fett-, Schleim- oder Kolloidkugeln enthalten und
auch der geübteste Bakteriologe dürfte darin kaum ein Bakterienpräparat
vermuten. Ich selbst habe eine so kolossale Auftreibung der Zellen
nur einmal bei einem Stamm des Pneumobac. Friedländeri gesehen;
ähnliche Bilder aber bietet nicht selten auch die Bakteriophagie. Die
großen, stark gequollenen Zellen besitzen eine dicke, doppelt kon-
turierte Membran; an manchen sieht man letztere geborsten, wodurch
die vakuolenartigen Kügelchen, so wie der übrige Zellinhalt frei werden.
Die vakuolen-artigen Gebilde besitzen kein besonderes starkes Licht-
brechungsvermögen; dennoch zeigt sich hierin zwischen den verschie-
denen Vakuolen ein geringer Unterschied; auch sind diese nicht immer
ganz homogen, denn sie können auch körnig oder schollig sein, was wohl
auf ihre stoffliche Verschiedenheit ,hindeutet. Endlich sieht man in
solchen Nativpräparaten zahlreiche nadelförmige feine Kristalle einzeln,
oder in Bündeln und Sternen. ;
Die «-Kolonien behielten das geschilderte kulturelle und mikro-
skopische Verhalten auch in zahlreichen weiteren Generationen, nur
erfolgt die Entartung und das Absterben der Keime nicht immer gleich’
rasch.
Der Typus « weist sonach eine ganz auffallende Veränderung
seiner biologischen Eigenschaften auf, die zu einer sehr raschen
Entartung und zum Absterben, einer Art von Kolliquation der
Zellen führt und vererbbar ist. Im Vergleich mit „normalen“ Pest-
bazillen kann dieser Typus wohl als ein krankhafter bezeichnet werden,
denn er trägt die Anlage seiner Kurzlebigkeit in sich und vererbt sie.
Ob die für diesen Typus kennzeichnende zähschleimige Substanz
von den Vakuolen oder einem anderen Bestandteile der entarteten Zellen
herstammt, muß ich dahingestellt lassen.
Der mikroskopisch nachgewiesene rasch verlaufende Entartungs-
prozeß erklärt uns das Verhalten der Kolonien dieser Variante. Der
Vorgang kann sich in wenigen Tagen abspielen, sämtliche Keime können
in Kürze absterben; die anfangs mehr oder minder prominente, feucht
glänzende Kolonie flacht sich nach Entartung und Berstung der Keime
infolge Wasserverlustes ab und an ihrer Stelle bleibt ein mattes Scheib-
chen zurück, das oft ein schwaches Irisieren zu erkennen gibt durch
die erwähnten feinen Kristalle. Damit ist das Schicksal solcher Kolo-
nien zu Ende; sie sind gänzlich abgestorben, sie sind steril, in ihnen
ist auch mikroskopisch keine Bakterienform mehr nachzuweisen. Es
sind die eingangs dieses Abschnittes als y-Kolonien bezeichneten
(s. Fig. 4).
Aber nicht alle Kolonien haben dieses Los gemein, denn in vielen
derselben erheben sich alsbald nach dem Flach- und Mattwerden der
ursprünglichen Kolonie hier und da aus ihr heraus allerkleinste,
feucht glänzende Knötchen, die später sich mäßig ausdehnend in dieser
Art bestehen bleiben. Es sind dies sekundäre Kolonien, entstanden aus
solchen Nachkommen der krankhaft veranlagten Keime, die dem raschen
Untergang aus irgendeinem Grunde, vielleicht zufolge größerer indi-
vidueller Widerstandskraft entwischt sind (s. in Fig. 4); nichts desto-
weniger sind auch sie krankhaft beanlagt, denn aus ihnen entsprießen ge-
legenlich der Fortzüchtung wieder ganz oder teilweise absterbende Kolo-
nien. Oft tauchen solche sekundären Knötchen rings am Rande auf, zer-
schmelzen miteinander und umgeben wallartig die abgestorbene Mitte der
Kolonie.
72 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Dies ist wohl in biologischer und pathologischer Hinsicht ein be-
merkenswertes und lehrreiches Verhalten: man gewinnt durch diese
Beobachtungen innerhalb weniger Monate einen Einblick in die Ver-
hältnisse einer krankhaften Belastung unzählige Generationen hin-
durch, wie man ihn bei höheren und langlebigen Organismen durch
mühselige Beobachtung erst in Jahrtausenden erhalten könnte.
Sehr belehrend sind gefärbte Abklatschpräparate von mehrere Tage
alten Agarkulturen mit Deckgläschen, oder besser mit Glimmerplättchen
hergestellt; man sieht dann neben Abdrücken ganz abgestorbener
Kolonien (die gar keine Bakterien, sondern als letztere unerkennbare,
gequollene Gebilde und Zerfallsprodukte enthalten), auch solche, die
zwar im Ganzen den abgestorbenen gleichen, die aber doch an einem oder
an mehreren Punkten kleine Gruppen von normal sich färbenden, wenn
auch zumeist gequollenen und vielgestaltigen Bakterien aufweisen;
diese sind es, denen die sekundären Knötchen zu entsprießen pflegen.
Einige Mal ist es vorgekommen, daß sämtliche Kolonien eines
Agarröhrchens,- die sich nach der Beschickung mit «-Keimen entwickelt
hatten, abgestorben waren ohne sekundäre Knötchen zu bilden; so
‘fand ich eine Kultur nach 64, eine andere nach 94 Tagen steril,
zweifellos aber waren sie bereits viel früher abegestorben.
Die ß-Kolonien bekundeten auch weitergezüchtet lange Zeit ein
dem normalen Pestbazillus entsprechendes kulturelles und mikrosko-
pisches Verhalten (s. Fig. 8); umso überraschender war es, als nach
einigen Jahren auch aus ihnen Kolonien vom «-Typus gewonnen werden
konnten.
Der normale Pestbazillus besitzt zwar die Eigenschaft, sogenannte
Involutionsformen (stark gequollene, dicke, geschlängelte etc. Zellen)
zu erzeugen; diese Fähigkeit kommt aber nicht immer in auffälligem
Maße zur Geltung und ist keineswegs das, was ich an Bazillen vom
Typus « beobachtet habe. Wenige Monate bis 3 Jahre alte, für normal
geltende und noch nicht abgestorbene Kulturen zeigten im gefärbten
Trockenpräparat farblose Körnchen und bakterienförmige Körperchen,
darunter zerstreut gutgefärbte, normal geformte oder wenig gequollene
Bakterien vereinzelt oder in Gruppen (Fig. 9), niemals aber die für
den Typus æ kennzeichnenden, riesig verquollenen Zellen, auch nicht.
das Eintrocknen und Mattwerden solcher alten Kulturrasen.
Ich wollte nun wissen, ob die 4-Keime in der Ausgangskultur C
gleichmäßig verteilt oder nur an gewissen Punkten derselben vorhanden
sind; ich impfte deshalb von verschiedenen Stellen der Kultur C,
als sie 646 Tage alt gewesen, ab, und zwar zuvörderst von deren aller-
obersten, aus dem schwarzen Rand hervorgewachsenen weißen Saum
(s. Fig. 3); es wurden abgeimpft; 1. von einer glatten (primären) Stelle
der obersten weißen Zone; 2. von einer, sekundäre Knötchen enthalten-
den Stelle derselben Zone; 3. von einer weißen, knétchenlosen (pri-
mären) Kolonie im unteren Teile des Röhrchens; 4. von einem schwarzen
Sekundärknötchen in der Nähe vom 3. Es wuchsen aus: 1. Kolonien
von einerlei Typus mit erhabenem Zentrum, dünnen, gelappten und
zackigen Rändern (also normaler Typus); aus 2. wuchsen zweierlei
Kolonien, makro- und mikroskopisch den oben bereits eingehender
geschilderten Kolonien x und ß entsprechend; aus 3. und 4. wuchsen
ebenfalls zweierlei, äußerlich dem Typus « und ß nahe stehende
Kolonien; mikroskopisch aber entsprachen sie dem Typus 8. Aus-
gesprochene «-Kolonien wuchsen sonach auch diesmal, so wie das
v. Preisz, Zwei eigenartige Varianten des Pestbazillus. 73
1. Mal, aus dem sekundäre Knötchen enthaltenden obersten weißen
Saum. Wieder scheinen es sonach die sekundären Kolonien zu sein —
wie bei der Pigmentbildung — wo die biologisch veränderten Zellen zu
finden sind. \
Auf die Frage, ob die Varietät « allmählich oder sprungsweise ent-
standen ist, läßt sich schwer eingehen, zumal die Kulturen nicht eigens
auf etwaiges Variieren beobachtet wurden; so viel glaube ich aber doch
behaupten zu können, daß die Varietät in früheren Kulturen dieses
Stammes, sowie in Kulturen von 3 anderen Stämmen, die ich gleichfalls
über 20 Jahre fortzüchtete, mit ihrem ausgesprochenen Charakter noch
nicht vorhanden war, da ich nach jeder Abimpfung die Entwicklung
der jungen Kulturen tagelang verfolgte, bevor ich sie in die Kulturen-
sammiung stellte.
Noch weniger läßt sich sagen über die Ursachen, durch welche die
Variation zustande kam, ob es lediglich innere, oder nur äußere, oder
aber ein günstiges Zusammentreffen beider gewesen.
Diese Varietät « erwies sich aber nichts weniger als fix und
beständig; bei Abimpfungen aus einzelnen Kolonien vom Typus a
wuchsen außer solchen auch verschiedene andere Kolonien, die aber
zufolge ihrer Kleinheit und sonstigen Eigenschaften ebensowenig an.
normale Pestkolonien erinnerten. So erhielt ich aus 75—257 Tage alten
Agarkolonien des Typus « folgende verschiedenartige Kolonien: 1.
halbkugelig erhabene, mohnkorngroße von zähem Gefüge, verschiebbar;
2. ähnliche, aber dünnflüssige; 3. flache, mit glatten oder unebenen
Säumen; 4. kleine, erhabene, mit einer Delle in ihrer Mitte usw. Alle
diese Kolonienarten haben Kleinheit, kümmerliches und beschränktes
Wachstum und eine mehr oder minder ausgesprochene schleimige Kon-
sistenz gemein, ihre Lebensdauer kann aber sehr verschieden sein.
Manche, namentlich die feuchten erhabenen, können nach 2—4 Tagen
bereits flach und matt geworden sein und sich als abgestorben erweisen ;
andere dagegen enthalten noch lange lebende Keime. Diesbezüglich aber
offenbart sich eine große Verschiedenheit; aus einer 257 tägigen Kultur
war einmal die Abimpfung noch erfolgreich, eine 75- und eine 98tagige
Kultur erwies sich dagegen bereits als abgestorben (die Abimpfung ge-
schah hierbei nicht aus ‘einzelnen Kolonien, sondern gemischt vom
ganzen Kulturbelag aus). Das Absterben solcher Kulturen kann aber
zweifelsohne noch binnen viel kürzerer Zeit erfolgen und diesem Um-
stande kann ich es zuschreiben, daß mir der ursprüngliche Typus æ ver-
loren ging; er tauchte jedoch wieder auf, wie ich sogleich berichten
will. F
Ich hatte diese (1922 begonnenen) Untersuchungen für längere Zeit
unterbrochen und erst im Frühjahr 1925 wieder aufgenommen. Als
ich nun aus einer (2 Jahre, 5 Monate und 10 Tage) alten, vor Ver-
trocknung geschützten Agarkultur, die dem Typus ß entstammte, Ab-
impfungen machte, erschienen unter anderen Kolonien auch solche, die
in jeder Hinsicht jenen des Typus à entsprachen. Es waren sehr kleine
erhabene, auch nach 1—2 Wochen kaum die Größe eines Mohnkornes
erreichende, glasig durchscheinende, zähschleimige Kolonien, bestehend,
aus gequollenen, vakuolisierten Bakterien und Bakterientriimmern, da-
zwischen eine wolkenartige, mit Toluidinblau sich rötlich färbende
Grundsubstanz. Zwischen diesen Kolonien befanden sich zahlreiche
allerkleinste, flache matte Scheibchen (Kolonienschatten), deren mit
Karboltoluidinblau gefärbter Abklatsch sich aus einer rötlichen, wolkigen.
74 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Grundsubstanz bestehend zeigte mit mehr oder weniger eingestreuten
blau gefärbten Bakterien. Eine Fortzüchtung ähnlicher Kolonien gelang
bereits nach 2—3 Wochen nicht mehr, obgleich sie selbst, wie ich
erwähnte, Abkömmlinge einer fast 21/,jährigen Kultur gewesen; es
entstammten sonach so alten Keimen solche krankhaften Generationen,
die in Kürze abgestorben waren.
Bemerkenswert ist, daß in dieser nahe 21/,jährigen Agarkultur
allerkleinste, bis mohnkorngroße, scharf umschriebene rauchgraue bis
schwarze Knötchen entstanden waren; auch die Säume des Kulturbelages
waren an vielen Stellen schwärzlich. Abimpfungen von dieser Kultur
zeigten nach Verlauf eines halben Jahres ein ähnliches Bild.
Wie sind nun die von den Bakterien vom Typus « beobachteten
Regelwidrigkeiten zu deuten? Zu Beginn ihrer Beobachtung konnte ich
sie nicht anders, denn als Krankheitserscheinungen der Bakterienzellen
auffassen, beruhend auf einer vererblichen Anlage der letzteren. Die
Krankheit muß die Biologie der Zellen tiefgreifend ändern und äußert
sich sichtlich in einer Quellung, Vakuolisierung, Berstung und Auf-
lösung der Bakterienzellen, was insgesamt in 1—2 Tagen abzulaufen
vermag, aber nicht unbedingt ablaufen muß; denn die Krankheit hat
verschiedene Grade und führt nicht immer zum Tode sämtlicher Keime
einer Kolonie. Die Krankheitsanlage kann aber auch lange Zeit in
einer Zelle vorhanden sein, ohne sie zu töten, denn nur so ist es ver-
ständlich, daß aus einzelnen Kolonien des Typus a ziemlich lange
lebensfähige Keime enthaltende Kulturen erhalten werden können (s.
oben), die aber gelegentlich einer Weiterzüchtung zum Teil wieder
sehr kurzlebegie Kolonien ergeben. Die Krankheitsanlage vermag sonach
in einer Zelle viele Monate lang latent zu bleiben, um erst in folgenden
Generationen zur vollen Geltung zu gelangen, d. h. zu einer rasch tödlich
werdenden Krankheit zu führen. Man wird hierdurch an vererbliche
Krankheitsanlagen höherer Organismen, z. B. auch des Menschen er-
innert (bei Diabetes, Hämophilie etc.), wo die Anlage nicht in jeder
Generation zur Entwicklung der Krankheit führen muß, sondern eine
oder mehrere Generationen überspringen kann, oft aber bei Kindern
und Enkelskindern zu einer viel ernsteren Erkrankung führt, als die
der Eltern und Großeltern gewesen.
Spricht man von einer vererblichen Krankheitsanlage, so muß
man wohl bedenken, daß eine solche nicht von allem Anfange an vor-
handen sein konnte, sondern im Laufe der Zeit zufolge irgendwelcher
innerer oder äußerer Ursachen, allmählich oder sprungweise entstehen
mußte. So dürften die krankhaften Keime vom Typus « in meiner Pest-
kultur, die fast 25 Jahre lang auf künstlichem Nährboden fortgezüchtet,
wurde, enstanden sein; denn ich kann mir, wie gesagt, nicht vorstellen,
daß sie meiner Aufmerksamkeit entgangen wären, falls sie schon an-
fangs, als die Kultur in meine Hände geriet, vorhanden gewesen
wären.
Als ich die beschriebenen Beobachtungen am Pestbazillus machte,
hatte ich noch keine eigenen Erfahrungen über Bakteriophagie, dachte
aber immerhin, es könnte hier eine bakteriophagische Erscheinung vor-
liegen. Eines jedoch schien mir mit dieser Annahme unvereinbar:
ich wollte nämlich nicht glauben, daß der Bakteriophage ein Viertel-
jahrhundert in meiner Pestkultur vorhanden gewesen sein konnte, ohne
meine Aufmerksamkeit auf sich gelenkt .zu haben, und gelegentlich
der Abimpfungen während der Fortzüchtung konnte er ja nicht recht
v. Preisz, Zwei eigenartige Varianten des Pestbazillus. 75
hineingeraten sein. So mußte ich mir sagen, daß, wenn die geschilderte
Krankheit meines Pestbazillus in den Bereich der Phagie gehört, so
könne letztere nicht exogenen Ursprungs, namentlich nicht durch ein
parasitisches Kleinwesen verursacht sein, denn wie hätte ein solches
in meine Kultur geraten können? Seitdem habe ich mich mit den Er-
scheinungen der Bakteriophagie vertraut gemacht, und muß zugeben,
daß dieses Argument nicht stichhaltig ist und heute hielte ich es nicht
für unmöglich, daß der Bakteriophage in einer Kultur viele Jahre
lang latent und unbemerkt bleiben könne, besonders wenn die Ab-
impfung behufs Erhaltung des Stammes nicht von einzelnen Kolonien
aus, sondern aus dem vollen Bakterienrasen geschieht.
Nun fragt sich, ob die vom Typus « zur Schau getragenen Eigen-
tümlichkeiten in den Bereich der Bakteriophagie gehören. Zweifels-
ohne sind die Quellung, Vakuolisierung, Auflösung der Bakterienzellen
einer solchen Kolonie mit nachfolgendem Zusammenfließen zu einer
dünnen oder zähschleimigen Masse, dann die Abflachung der Kolonien
durch Wasserverlust zu dünnen, matten Scheibchen, lauter Erscheinungen,
wie sie dem bakteriophagen Phänomen eigen zu sein pflegen. So wie
beim letzteren, so geschah es auch beim Typus «, daß aus einzelnen
überlebenden Keimen nachträglich stark erhabene, üppige Sekundär-
kolonien hervorsprossen, die bei Verimpfung abermals verschiedene Kolo-
nien des Typus « ergaben. Auch das färberische und mikroskopische
Verhalten abgestorbener «-Kolonien entsprach jenem phagischer Kolo-
nien, nämlich die mit Karboltoluidinblau sich rötlich färbende fein-
körnige oder wolkenartige Restsubstanz, oft mit feinen Kristallen. Es
fehlten aber im Verhalten des Typus æ gewisse, für die Bakterio-
phagie kennzeichnenden Erscheinungen, was aber noch wichtiger und
ausschlaggebend ist, es gelang mir nicht der Nachweis der Uebertrag-
barkeit dieser Bakterienkrankheit.
Was erstere betrifft, so sah ich niemals in Rasen vom Typus a
Löcher (tâches vierges d’Hérelle’s) entstehen, was schon allein gegen
eine ansteckende, also exogene Natur dieser Bakterienkrankheit spricht,
denn wie ich beobachten konnte, entstehen diese Löcher in gehörig
dichten Bakterienrasen durch Umsichgreifen des Krankheitsprozesses
auf benachbarte Kolonien, noch so lange diese von mikroskopischer
Ausdehnung sind. Auch die bei der Bakteriophagie oft sichtbaren
poikilomorphen Kolonien (Gildemeisters Flatterformen) bekam ich hier
niemals zu beobachten.
Meine Versuche, mit dem Materiale des Typus «, die Krankheit
auf andere Abkömmlinge meines Peststammes, namentlich auf den
Typus 8 zu übertragen, blieben erfolglos. Aber ich mußte natürlich
daran denken, daß dieser Typus ß, falls meine alte Pestkultur, von
der meine Beobachtungen ausgingen, den Bakteriophagen tatsächlich
enthielte, mit der Zeit phagenfest und daher zur Vorführung des
phagischen Phänomens ungeeignet geworden sein könnte. Ich machte
deshalb später, nachdem ich mittlerweile 4 verschiedene Peststämme
erhalten hatte, sowohl mit diesen, als auch mit Bac. typhi, paratyphi
B. rattimors und coli Uebertragungsversuche. Nachdem meine ersten
Kulturen vom Typus a sämtlich ausgestorben waren, bediente ich
mich nun zu diesem Zwecke solcher Kulturen des Typus 8, in dem
ich — wie bereits erwähnt — das Auftauchen von «-Kolonien feststellen
konnte. Von 3 solchen ß-Agarkulturen wurde in Brühe abgeimpft und
nach einigen Tagen wurden die Brühekulturen 1/, Std. im Wasserbade
76 Centralbl. f£. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
60° C gehalten um die Bazillen abzutéten; der etwa vorhandene
Bakteriophage mußte dabei wirksam erhalten bleiben. Nun wurden
sowohl von den 4 neuen Peststämmen, als auch von den genannten
4 anderen Bakterienarten auf Agar dichte Ausstriche gemacht und
diese wurden belegt mit je einem Tröpfchen der 3 erwärmten, zuvor
erwähnten Brühekulturen des ß-Bazillus, um zu sehen, ob denn letztere
das bakteriophage Prinzip enthielten; nirgends aber konnte ich irgend
ein makro- oder mikroskopisches Merkmal von Bakteriophagie ent-
decken.
Der Nachweis des Bakteriophagen in den Kolonien vom Typus x
ist mir sonach nicht gelungen, darf aber deshalb seine Gegenwart
daselbst ausgeschlossen werden? — In meinen Studien über Bakterio-
phagie!) habe ich nachdrücklich darauf hingewiesen, wie schwierig es
sein kann, das Vorhandensein des Bakteriophagen in irgendeiner Kultur
sichtbar zu machen. Ist aber der Bakteriophage in den Kolonien vom
Typus « tatsächlich nicht vorhanden, so gewinnen letztere dadurch an
Interesse, indem sie den Beweis lieferten, daß ganz ähnliche krank-
hafte Erscheinungen, wie sie bei der Bakteriophagie durch ein über-
tragbares, sonach äußeres ätiologisches Agens zustandekommen, auch
durch innere Ursachen vererblicher, konstitutioneller Natur bedingt
sein können, ebenso wie auch bei höheren Lebewesen ganz ähnliche
Krankheiten und pathologische Veränderungen von Organzellen durch
sehr verschiedene Ursachen hervorgerufen werden können.
Zusammenfassung.
Es werden 2 Varianten beschrieben, die in Agarkulturen eines
Stammes des Pestbazillus auftauchten, nachdem dieser 24 Jahre lang
auf Agar fortgezüchtet worden war.
Die eine Variante zeichnete sich durch die Bildung eines rauch-
grauen bis tintenschwarzen Farbstoffes aus, die sich niemals in jungen,
sondern immer in älteren Kulturen und vornehmlich in sekundären
Knötchen, oft auch im Saume der Kolonien oder des Bakterien-Rasens
äußerte. Abimpfungen von schwarzen Knötchen ergeben farblose Kul-
turen, die später schwarze Knötchen, bzw. Säume erzeugen können,
oder auch nicht. Aeußere Lebensbedingungen können die Pigment-
bildung fördern, denn während in einer Agarkultur sich sekundäre
Knötchin und Farbstoff bildeten, blieb in einer Kultur auf Löffler-
schem Serum, die derselben Abstammung und desselben Alters gewesen,
beides aus.
Die 2. Variante war gekennzeichnet durch die Kleinheit, die
dünnflüssige, oder stark schleimige Konsistenz ihrer Kolonien auf
Agar. Die Bazillen dieses letzteren verfielen einer kolossalen Quellung,
Verflüssigung und platzten zuletzt, zufolge dessen diese Kolonien durch
Wasserverlust ganz flach und zu matten, unanschnlichen Scheibchen
wurden.
Dadurch können solche Kolonien binnen 2—3 Tagen abgestorben
sein; nicht selten aber erheben sich nachträglich aus einzelnen, am
1) Die Bakteriophagie, Gustav Fischer, Jena 1925.
THE LIBRARY
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UNIVERSITY Be ann
Centralblatt für Bakteriologıe Abt. I. Orig. Bd. 101 Preisz, Varianten des Pestbazillus
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Verlag von Gustav Fischer in Jena
v. Preisz, Zwei eigenartige Varianten des Pestbazillus. 77
Leben gebliebenen Keimen solcher Kolonien stark erhabene saftige,
sekundäre Knötchen, die als solche lange bestehen können. Dieses Ver-
halten ist als eine Krankheit zu betrachten, deren Anlage vererblich
ist, denn Verimpfung solcher Kolonien ergibt stets ähnliche. Diese
Variante trägt vieles zur Schau, was stark an Bakteriophagie erinnert;
es gelang jedoch nicht, mit ihr die Krankheit auf normale Stämme des
Pestbazillus, oder auf andere Bakterienarten zu übertragen; auch
zeigten sich in ihren Kulturen niemals Löcherbildungen (täches vierges
d’Herelle’s) oder Flatterformen.
Die Variation scheint von Zellen der sekundären Knötchen aus-
zugehen, die stets abnorme biologische Eigenschaften bekunden; denn
sowie die Pigmentbildung oft nur in den Knötchen auftritt, so wuchs
die schleimige Variante nur aus solchen Stellen der alten Pestkultur,
wo sich sekundäre Knötchen befanden. Daß aber aus schwarzen
Rändern eines Rasens oder einer Kolonie sich wieder ein weißer und
weißbleibender Saum hervorschieben kann, weist darauf hin, daß auch
Aenderungen der äußeren Bedingungen (wie solche nämlich im Nähr-
boden allmählich vor sich gehen), bei der Variation eine Rolle zu-
kommt.
Erklärung der Tafelabbildungen.
Fig. 1. 11!/, Monate alte Agarkultur des Pestbazillus mit zahlreichen kleinen
schwarzen sekundären Kolonien (warzenartige Knötchen) 3:1.
Fig. 2. 11!/, Monate alte Agarkultur im Röhrchen; im mittleren und unteren
Teile erhabene, scharf umschriebene, dunkelschwarze Sekundärkolonien; am obersten,
dünnsten Teile des Schrägagars ein ziemlich breiter, zackig-buchtiger Saum des
Kulturrasens üppig und von dunkel blau-schwarzer Farbe. 5:1.
Fig. 3. Dieselbe Kultur wie in Fig. 2 um 262 Tage später aufgenommen; der
Rasen hat sich im mittleren und unteren Teile fast nicht verändert, dagegen hat er
sich nach oben ziemlich weit vorgeschoben und zwar als farbloser und weniger
reichlicher Belag, als es der (bereits vor 262 ‚Tagen vorhanden gewesene) schwarze
Saum ist. Erst später entstanden auch in diesen oberen jungen Rasen zahlreiche,
farblose Sekundärkolonien verschiedener Größe; sie sehen im Photogramm dunkel
aus, da sie ihrer starken Erhabenheit wegen sehr wenig Licht durchließen. 5:1.
Fig. 4. 45 Tage alte Agarausstrichkultur vom obersten Saume der in Fig. 3
dargestellten Kultur, als diese 21 Monate alt gewesen. Die 3 großen Kolonien ent-
sprechen normalen Pestkolonien (Typus 8), die kleinen aber dem Typus «; unter
diesen lassen sich wieder dreierlei unterscheiden : 1) kleine homogene, runde Scheib-
chen, es sind frühzeitig gänzlich abgestorbene Kolonien, die im Texte als y-Kolonien
bezeichnet sind; 2) solche, wie 1), nur hat sich nachträglich in ihnen aus einzelnen
am Leben gebliebenen Keimen oder Keimgruppen ein (stellenweise auch 2—3) stark
erhabenes Sekundärknötchen entwickelt; 3) kleine Kolonien in der linken Hälfte des
Bildes, die anfänglich den Kolonien 1) ähnelten, später aber durch Heranwuchern
zahlreicherer Sekundärknötchen eine höckerige Oberfläche und unregelmäßige Umrisse
erhielten. 5:1.
Fig. 5. Bazillen aus einer 24 Std. alten Agarkultur vom Typus a, Karbol-
fuchsinfärbung. 1000:1.
Fig. 6. So wie Fig. 5, aber 2 Tage alt. 1000:1.
Fig. 7. So wie Fig. 5 u. 6, aber 36 Tage alt. 1000:1.
Fig. 8. Bazillen aus einer 10 Tage alten Agarkultur vom Typus B. 1000:1.
Fig. 9. So wie Fig. 8, aber 80 Tage alt, Abklatsch des Rasens mit Karbol-
fuchsin gefärbt; der fein gekörnte blasse Grund besteht aus abgestorbenen Bazillen,
darin zerstreut liegen einzeln und gruppenweise gefärbte, wenigstens zum Teil gewiß
no lebende Keime, woraus mit der Zeit Sekundärkolonien entstehen können.
500 :1.
78 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Nachdruck verboten.
Die Gruppe des B. septicaemiae haemorrhagicae.
Von Prof. Dr. Ernst Pribram,
d. Z. Rush Medical College der University of Chicago.
In einer i. J. 1920 erschienenen Arbeit habe ich mit meinem Schüler
Plasaj die Gruppe der hämorrhagischen Septikämie bearbeitet und
auf Grund des reichen Untersuchungsmaterials meiner Wiener mikro-
biologischen Sammlung unter den von verschiedenen Autoren zu ver-
schiedenen Zeiten eingesendeten Krankheitserregern dieser Gruppe
neben typischen Vertretern der Gruppe, die wir als Typus-x bezeichneten,
Stämme gefunden, welche durch sehr spärliche und charakteristische
Begeißelung einzelner Individuen, Fermentbildung und Indolbildung
von dem charakteristischen Typus x mehr oder weniger abwichen. Es
handelt sich hierbei um Uebergangsformen, wie ich sie bei gründlichem
Studium in einer jeden Gruppe von Mikroorganismen nachweisen konnte.
Ich verweise diesbezüglich auf die in meinem Laboratorium ausgeführten
Arbeiten über die Gruppe des B. fluorescens, Bact. coli, Bact.
faecale, Bact. alcaligenes, Bac. mycoides, Bac. mesen-
tericus: ferner auf die Arbeiten tiber die Gruppen der pathogenen
Hefen (Zymonema, Monilia), Torulopsis und die schwarzen
Hefen mit der interessanten Uebergangsform der Torula variabilis
Diese Arbeiten wurden von ersten Autoritäten auf dem Gebicte der
Botanik anerkannt und sind z. T. als Dissertationen an der philosoph-
schen Fakultät der Wiener Universität nach sorgfältiger Prüfung an-
genommen worden (Prof. Wettstein, Prof. Molisch).
In Bd. 97 des Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. erschien nun kürzlich
ein Artikel von J. Csontos, in welchem dieser Autor ohne irgend-
welche Nachprüfung einfach die Behauptung aufstellt, ich hätte in der
Arbeit über die Gruppe der hämorrhagischen Septikämie mit verun-
reinigten Kulturen gearbeitet, behauptet sogar, daß dies um so leichter
möglich sei, als es sich um oft überimpfte Laboratoriumsstämme handle,
welche bei den wiederholten Ueberimpfungen leicht mit Coli oder
Paratyphuskeimen verunreinigt werden könnten. Abgesehen davon, daß
eine solche Möglichkeit in einer Bakteriensammlung, die fachgemäß
geführt wird, ausgeschlossen ist, möge Herr Csontos mir glauben, daß
ich eine verunreinigte von einer Reinkultur unterscheiden kann. Wer
solche Bemerkungen macht wie Herr Csontos, muß Sie beweisen.
Herr C. hat sich aber nicht der Mühe unterzogen, bei dem von ihm
selbst gezüchteten Stamme auch nur ein Geißelpräparat zu machen.
Da seine 10 Stämme alle aus einer Epidemie stammten, dürfte es sich
wohl um einen einzigen gehandelt haben. Die Bemerkung, daß der
Verf. nur jene Stämme behielt, welche weder Arabinose, noch Laktose,
noch Xylose zersetzten, ist charakteristisch. Bei einer systematischen
Untersuchung hätte er alle in Betracht kommenden Stämme zu unter-
suchen gehabt. Wir können aber nicht einmal die Möglichkeit aus-
schalten, daß der Autor keine Kultur des Typus « in der Hand hatte,
da er nichts über die morphologischen Eigenschaften zu berichten weiß.
Wie bereits erwähnt, handelt es sich um ein allgemeingültiges Gesetz,
das ich in meinen und meiner Schüler Arbeiten für eine ganze Anzahl
Mießner u. Baars, Immunisierung gegen Lyssa der Hunde mit Lyssin. 79
von Mikroorganismen, nicht nur aus der Reihe der Bakterien, sondern
auch der Bazillen, Hefen und Pilze studiert habe, ein Gesetz, das
übrigens in der ganzen Botanik und Zoologie, ja sogar in der unbelebten
Welt (Atomlehre beispielsweise) Geltung hat: Je weiter die Wissen-
schaft in einem bestimmten Wissenszweige fortschreitet, um so größer
wird die Zahl der Individuen, die sich dem ursprünglich aufgestellten
Schema nicht mehr einfügen läßt, so daß man dazu gedrängt wird, an-
stelle der scharf voneinander getrennten, für die Unterscheidung zu-
nächst vorteilhaften Gruppen eine kontinuierliche Reihe aufzustellen,
welche alle Uebergänge zwischen den Endgliedern der Reihe, den so-
genannten typischen Gruppen enthalten kann. Einzelne Glieder dieser
Reihe mögen häufiger, andere seltener, andere gar nicht in der Natur
vorkommen — es sind aber Möglichkeiten, mit denen der exakte
Forscher zu rechnen hat, der über der Materie steht.
Nachdruck verboten.
Immunisierung gegen Lyssa der Hunde mit Lyssin’).
[Aus dem Hygienischen Institut der Tierärztlichen Hochschule zu
Hannover (Dir.: Prof. Dr. Mießner).]
Von Prof. Dr. H. MieBner und Dr. G. Baars.
Verbreitung der Tollwut.
Die Verbreitung der Tollwut ist nach dem Weltkriege in allen
Ländern der Erde, die nicht etwa durch natürliche Grenzen wie
England und Australien unter dem Schutze strenger Sperrgesetze
gegen die Einfuhr von Hunden vor dauernden Neueinschleppungen
bewahrt blieben, zu beobachten. Kriege sind der Verbreitung von
Seuchen stets günstig gewesen. Länder mit ausgedehnten trockenen
Landgrenzen ohne natürlichen Schutz sind unter diesen Umständen
der größten Gefahr der Seucheneinschleppung und -verbreitung aus-
gesetzt. Das trifft insbesondere für Deutschland zu. In welchem Maße
veterinärpolizeiliche Gesetze bei strenger Durchführung trotz un-
günstiger Grenzen der Seuchenverbreitung Einhalt zu tun vermögen,
dafür bietet wiederum Deutschland vor dem Kriege ein Schulbeispiel.
Trotz dauernder Neueinschleppung der Seuche vom Osten und Westen
war es in Durchführung des Viehseuchengesetzes vom 26. Juli 1909
nebst Ausführungsbestimmungen gelungen, nicht nur eine Weiter-
verbreitung der Seuche von den Grenzbezirken zu verhindern, sondern
auch manche vordem verseuchten Gegenden tollwutfrei zu machen. Der
Nutzen und die unbedingte Wirksamkeit der geltenden gesetzlichen
Bestimmungen sind durch diese Tatsache einwandfrei erwiesen.
Die Zunahme der Tollwutfälle beginnt im Jahre 1915. Damals
waren die Beanspruchung eines großen Teiles der veterinärpolizeilichen
Kräfte der Heimat für den Heeresdienst sowie die ausgedehnte Ver-
wendung des Hundes im Heere nennenswerte Faktoren für die Ver-
breitung der Seuche. Mit dem Friedensschluß und allmählichem Ueber-
1) Nach einem am 31. März 1926 dem preußischen Landwirtschaftsmini-
sterium übersandten Bericht, der durch einige nachträglich ausgeführte Versuche no: ‘h
ergiinzt wurde.
80 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
gang in vorkriegszeitliche Verhältnisse hätte man aber eine Abnahme
der Seuche erwarten sollen, zumal als hauptsächliche Seuchenherde
anzusehende Provinzen (Posen und Westpreußen) durch den Vertrag
von Versailles genommen wurden. Das Gegenteil trat jedoch ein;
die Tollwut erfuhr eine Verbreitung wie nie zuvor. Die in folgenden
Tabellen (I und II) zusammengestellten Zahlen, die in dankenswerter
Weise vom R. G. A. und vom Institut für Infektionskrankheiten
„Robert Koch“ zur Verfügung gestellt wurden, geben darüber ein-
deutigen Aufschluß.
Tabelle I.
Statistik der tollwutkranken und -verdächtigen Haustiere
im Deutschen Reich.
Kranke und der Seuche verdächtige Tiere getallen oder getötet
dake Hunde | Katzen | Rinder | Pferde | Schafe | Ziegen Schweine! Summe
TE OS I = nt L li
1911 310 3 24 _ 3 _ 3 343
1912 280 3 41 2 21 3 3 353
1913 286 4 65 8 6 3 4 | 376
1914 192 6 37 2 — 1 3 | 241
1915 546 22 420 15 17 — 10 | 1030
1916 594 15 214 9 23 5 9 | 869
1917 373 5 201 4 12 5 4 604
1918 308 13 150 2 22 6 | 3 | 504
1919 542 19 205 16 13 3“. 8 806
1920 543 9 163 5 6 5 24 | 755
1921 650 25 150 10 3 5 12 855
1922 | 1251 39 238 25 41 10 19 1623
1923 1993 74 316 34 19 6 25 2467
1924 | 2192 94 285 27 78 7 16 2699
Nach vorstehender Tabelle I stieg die Seuche in den Kriegsjahren
1915 und 1916 an und nahm vom Jahre 1919 ab insbesondere unter den
Hunden ständig zu. Vom Jahre 1925 und 1926 liegt dem Statistischen
Reichsamt das endgültige Zahlenmaterial noch nicht vor; es bleiben
aber die Zahlen nicht unerheblich gegeniiber dem Jahre 1924 zurtick.
Tabelle Il.
Nachweisung über schutzgeimpfte Personen aus dem In- a js ing =
stitut für Infektionskrankhéiten „R. Koch“ und dem Hyg. |
| ae
Institut der Universität Breslau | r De nde
Jahrgang Berlin Breslau | Zusammen | Hunde | pes ig
1911,12 133 168 31 | 310 1911
1912/13 150 199 349 280 1912
1913/14 235 143 378 286 1913
1914/15 | 158 239 | 397 | 192 1914
1915/16 831 758 | 1589 546 1915
1916/17 717 408 | 1125 | 594 1916
1917/78 516 365 | 881 | 373 1917
1918,19 479 169 | 648 | 308 1918
1919/20 630 | 295 855 542 1919
1920/21 | 457 336 198 | 648 1920
1921/22 522 | 532 1054 | 650 1921
1922,23 | 667 | 928 | 1595 1251 1922
1923, 24 1573 847 2420 | 199: 1923
1924.35 | 2066 1047 3113 | 2192 | 1924
1925/26 608 596 1204 || 1925
Mießner u. Baars, Immunisierung gegen Lyssa der Hunde mit Lyssin. 81
Die in der Tabelle II aufgeführten Zahlen über die in Berlin
und Breslau schutzgeimpften Personen geben ein entsprechendes Bild.
Dem ersten Anstieg in den Kriegsjahren 1915/16 folgt vom Jahre
1920/21 ein zweiter mit dem Höhepunkt im Berichtsjahr 1924/25
Bei vergleichsweiser‘ Betrachtung der für Hunde und Menschen an-
gegebenen Zahlen, wie sie in Tabelle II einander gegenübergestellt
sind, wird die Tatsache besonders deutlich, daß der Hund als Quelle
der Infektion anzusehen ist. Seit 1920 bewegen sich diese Zahlen in
ständiger Steigerung annähernd konform.
Die Ursache der Zunahme der Tollwut ist eine vielfache:
1. die vermehrte Einschleppung der Seuche während des
Krieges aus besetzten Feindesländern; — 2. die Erschütterung
der Staatsautorität infolge der Revolution hatte eine mangel-
hafte Beachtung der veterinärpolizeilichen Vorschriften zur Folge; —
3. mangelndes Verständnis der Hundebesitzer für die Not-
wendigkeit der Durchführung der veterinärpolizeilichen Bestimmungen
und für die Gefahr der Tollwutverbreitung durch den Hund; — 4. die
vermehrte Hundehaltung während des Krieges und insbesondere
in den Nachkriegsjahren.
Die Punkte 1—3 sind bereits von Josef Koch, Schubert,
Mießner, Schnürer, Kraus, Kitt, v. Ostertag, Heich-
linger, Schlegel u. a. eingehend besprochen, Punkt 4 — die ver-
mehrte Hundehaltung in den Nachkriegsjahren — läßt sich zahlen-
mäßig belegen. Tabelle III gibt einen interessanten Ueberblick über
Tabelle ITI.
Uebersicht über die Zahl der Einwohner und der Hunde in 5 großen
Städten Deutschlands.
Berlin | Pr Hannover (seit
(alte Stadtgemeinde) Hamburg München Breslau | 1920 mit Linden)
| Er Fr Er ay i E
Zahl der 128 Zahl der 24 | Zahl der EEI Zahl der ue Zahl der PE
Jabr HE EH EE FE HE
| Ein- =) Ein- =&| Ein- =ä| Ein- =ä| Ein- za
| wohner | Hunde 75) wohner | Hunde = 5 wohner Hunde Z £| wohner Hunde |S £| wohner Hunde = 5
| | El _ BE u ER jr EI <E 8
1913 | 2 095 030 38 715| 54 | 1 036 093 | 28 997 | 36 630 000 | 20 093! 81 | 541 313 | 10 902) 50! 318 400 | 5 000! 64
1919 1774702 | 25 809) 68 | 1 013 116 | 17 023 | 60 647 000 | 11 706| 55 | 527 228| 47421111, 310 431 | 4933 63
1920 | 1 030 408 | 26 277 | 39 | 648 000 | 15 873 41 | 539 387 | 6760| 80| 400 600 | 6950| 58
1921 | 1 953 987 | 65 545| 30 — 44 178 | — | 654 000 | 18 729 35 | 544 850 | 11 062| 49| 403 800 | 7 042) 57
1922 | 1 970 112 | 81 327| 24 | 1 072 593 | 51 930 } 21 | 663 000 | 26 638, 25 | 549 196 | 15 479| 35| 409 700 | 7500) 55
1923 | 1 077 998 | 53 773 | 20 | 666 000 | 25 997| 26 | 546 983 | 13 763| 40| 411 100 | 13 728| 30
1924 | 1 975 770 | 98 307 20 | 1 087 125 | 42 417 | 26 | 670 000 | 25 240 27 | 550 223 | 14 920| 37| 412 500 | 13 927) 30
1925 2 017 232 1100 625| 20 | 1 096 061 | 37 101 | 30 | 681 000 | 26 566; 26 | 556 796 | 11 880| 47| 422 200 | 13 867| 30
1926 | | | | 560 448 | 11 027| 51 426 200 14 453) 30
! | |
die Zahl der Einwohner und Hunde in 5 großen Städten Deutsch-
lands (Berlin, Hamburg, München, Breslau, Hannover). Hiernach ist
die Zahl der Hunde in den Nachkriegsjahren erheblich angestiegen
und hat ihr Maximum erreicht in den Jahren 1922—1924 gleich-
zeitig mit dem höchsten Seuchenstand. So kam in Breslau 1922
auf 25 Einwohner 1 Hund, in München auf 25 Einwohner 1 Hund,
1923 in Hannover auf 30 Einwohner 1 Hund, in Hamburg auf 20 Ein-
wohner 1 Hund und 1924 in Berlin auf 20 Einwohner 1 Hund. Vom
Jahre 1925 ab nimmt die Zahl der Hunde allgemein wieder ab.
Erste Abt. Orig. Bd. 101. Heft 1/3. 6
82 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Die Wahrnehmung der vermehrten Hundehaltung ist vielerorts
gemacht. Nach v. Ostertag ist die Zahl der Hundebesitzer in
Baden gegenüber den Vorkriegsjahren um das 4fache gestiegen. In
Wien kam 1923 nach Schnürer 1 Hund auf je 24 Einwohner.
Eine große Zahl von Hundehaltern in den Städten kennt die Gefahren
der Tollwutverbreitung überhaupt nicht und steht der Bedeutung der
Hundesperre verständnislos gegenüber. Hier gilt es, durch aufklärende
Vorträge, Filmvorführungen, Belehrungen in Schule und Presse usw.
Wandel zu schaffen in dem Sinne, wie es Kitt bereits in vorbildlicher
Weise in die Hand genommen hat. Mehrfach hat man eine Verschärfung
der veterinärpolizeilichen Bestimmungen zur Eindämmung der Tollwut
empfohlen. So dehnte man auf Grund gemeinsamer Besprechungen
der Kreismedizinal- und Kreisveterinärräte in Minden, Münster und
Osnabrück im Oktober 1922 die Sperrbezirke einheitlich über mehrere
Regierungsbezirke aus, und verlängerte die Sperre auf 4—5 Monate.
Ferner ist das rücksichtslose Abschießen der freiumherlaufenden,
nicht mit Maulkorb versehenen Hunde durch ortsfremde Landjäger
oder durch besondere Abschußkommandos, Erhöhung der Geldstrafen
bei Uebertretung der veterinärpolizeilichen Anordnungen, Austausch
von Statistiken benachbarter Länder in den Grenzdistrikten, Auf-
klärung des Publikums durch die Presse und Belehrung in der Schule
sowie Schutz der angeketteten Wach- und Hofhunde vor den Angriffen
herumstreifender tollwutkranker Hunde in Vorschlag gebracht (J.
Koch, MieBner, v. Ostertag u. a.) Schubert und Reute
haben zur Förderung der Anzeigepflicht eine Entschädigung für Hunde,
die leider nach § 8 des Pr. Ausführungsgesetzes zum Viehseuchen-
gesetze versagt wird, empfohlen. Durch rücksichtsloseste Durchführung
der veterinärpolizeilichen Maßnahmen und möglichst zentrale Leitung
ist es in Bayern 1923/24 (Heichlinger), Württemberg 1923/25
(v. Ostertag) und Baden (Schlegel) gelungen, die epizootisch
auftretende Tollwut in verhältnismäßig kurzer Zeit zurückzudämmen.
In Preußen ist die Seuche gleichfalls im Abflauen, wenn auch hier die
Verhältnisse wegen ausgedehnter trockener Grenzen wesentlich schwie-
riger liegen. Gegen das Ueberlaufen kranker Hunde aus dem Aus-
lande in die gefährdeten Grenzbezirke ist man in solchen Fällen
machtlos. Allein mit veterinärpolizeilichen Vorkehrungen kommen wir
hier nicht aus. Wohl aber wäre ein zuverlässiger Schutzwall er-
richtet, wenn es gelänge, alle Hunde, die eigentlichen Träger des
Tollwutvirus, in der Grenzgefahrenzone gegen Wut zu immunisieren.
Bisherige Immunisierungsversuche.
Die Immunisierung aller Hunde des Reichsgebietes böte zweifellos
die sicherste Gewähr für die Tilgung der Tollwut, jedoch würden die
damit verbundenen Kosten in keinem Verhältnis zu den erreichten
Vorteilen stehen, da wir im Inlande durch die bewährte veterinär-
polizeiliche Organisation- auch ohne eine solche umfassende Maßnahme
allein durch veterinärpolizeiliche Bekämpfung mit der Seuche fertig
werden. In den gefährdeten Grenzdistrikten würden indes die Kosten
für die Schutzimpfung der Hunde gut angelegt sein, wenn die Imp-
fung eine sichere langdauernde Immunität verleiht und alle Hunde
der Zone umfaßt, in der sich aus dem Auslande überlaufende tollwütige
Hunde erfahrungsgemäß ,,totgelaufen‘ haben.
Mießner u. Baars, Immunisierung gegen Lyssa der Hunde mit Lyssin. 83
Die Möglichkeit der Immunisierung gegen Tollwut sowohl prä-
wie postinfektionell stand seit den grundlegenden Experimenten Pa-
steurs an Hunden aus dem Jahre 1885 fest. Es erzielten aber nicht,
alle Nachprüfer gleich günstige Ergebnisse, z. T. sogar Mißerfolge,
zudem kam die beim Menschen bewährte Pasteursche Tollwutimpfung
wegen ihrer Umständlichkeit für Hunde nicht in Erwägung. Ein
praktisch brauchbares Immunisierungsverfahren für Hunde muß einfach
und von jedem Tierarzte durchzuführen sein; es muß einen möglichst
langfristigen Schutz gegen den Biß tollwutkranker Hunde gewähren,
ohne Impflyssa zu erzeugen.
Der passiven Immunisierung kommt für die präinfektionelle Immunisierung
wegen der kurzen Dauer keine praktische Bedeutung zu. Außerdem sind die in
Laboratoriumsversuchen mit Wutimmunserum erzielten Resultate nicht einheitlich
und lauten im allgemeinen wenig günstig. In vitro tritt zwar die rabizide Kraft des
Antiserums deutlich hervor, d. $. im bestimmten Verhältnis mit Virus vermag es
dieses abzutöten, im Tierversuch jedoch zeigt es nach Versuchen von Fermi,
Marie, Kraus, Greiner, Misbuer u. a. so gut wie gar keine Wirkung. Bei
Versuchen an Muriden stellte Fermi eine gute Schutz- und Heilwärkung fest, nicht
aber bei Hunden und Kaninchen.
Die Simultanimpfung würde ohne Zweifel die Idealmethode darstellen, kommt
aber bei der zweifelhaften Wirkung eines Antiserums kaum in Betracht. Von ver-
schiedenen Seiten, insbesondere von Marie, Babes, Remlinger, Mießner,
Schnürer u. a. sind Versuche über die Anwendung der kombinierten Methode
unternommen worden und dabei nur teilweise anscheinend günstige Ergebnisse erzielt
worden. In neuerer Zeit ist von Vall&e und Rinjard die Serovakzination zur Heil-
imptung von Hunden wieder mit Erfolg angewendet worden. Remlinger hält
jedoch die Serumvakzination für die Praxis ungeeignet, da die Gewinnung und Aus-
titrierung von Lyssaantiserum den größten Schwierigkeiten begegne. In Italien soll
sich die Serovakzination -nach Fermi bewährt haben. Das von Pferden gewonnene
Antiserum wird mit einer 5proz. Virus fixe-Suspension, der 1 Proz. Karbolsäure
zugesetzt ist, zu gleichen Teilen gemischt und ist nach einstündigem Stehenlassen
zur Impfung fertig. Der Zusatz von 1 Proz. Karbolsäure soll das Virus -in einer
Stunde abtöten, ohne ihm die immunisierenden Eigenschaften zu rauben, die es
monatelang bewahren soll. Menschen werden morgens und abends mit je 3 ccm
Impfstoff während 25—30 Tage geimpft. Fermi empfiehlt die Serovakzination
auch zur präinfektionellen Immunisierung von Hunden. Das Verfahren kann aber
für die Praxis nur in Frage kommen, wenn die Zahl der Impfungen auf eine, höchstens
zwei beschränkt werden könnte. Ob das möglich sein würde, erscheint sehr fraglich,
da der Impfstoff avirulent ist. Wenn auch nach zahlreichen Beobachtungen:
(Philips, Remlinger, Reichel u. a.) totem Lyssavirus ein gewisser immuni-
sierender Effekt nicht abzusprechen ist, ist doch virulentes Material ungleich wirk-
samer. Gerade für eine einmalige bis zweimalige Impfung, wie sie für die prä-
infektionelle Massenimpfung der Hunde nur in Fin e kommen kann, muß auf die
beste Tmmunisierungstihi eit des Impfstoffes erhöhter Wert gelegt werden. Zu
bedenken bleibt ferner die wirtschaftlich kaum tragbare Preiserhöhung der Sero-
vakzination.
Beı der aktiven Immunisierung mit lebendem Virus muß auf jeden Fall
die Impflyssa ausgeschaltet oder auf ein solches Maß reduziert werden, daß sie
raktisch, selbst bei ausgedehnter Anwendung der Impfung keine Rolle spielt.
udem ist durch nets Versuche darzutun, daB durch die Impfung nicht
etwa Virusträger geschaffen werden.
Schon Hogyes stellte um 1886 fest, daß der Hund durch eine einmalige
subkutane Injektion von vollvirulentem Virus fixe nur selten erkrankt, dagegen
häufig Immunität erwirbt. So widerstanden von 7 Hunden, die mit 0,5 g Virus
fixe subkutan vorbehandelt waren, 5 Hunde der 54 Tage nach der Vorbehandlung
erfolgten künstlichen Infektion, während 1 Hund an Impflyssa, der andere infolge
der Intektion verendeten. Auch Ferran (1888) hatte die relative Ungefährlichkeit
des Virus fixe bei subkutaner Anwendung in großen Dosen für Tier und Mensch
nachgewiesen; nach ihm sollten kleine Dosen bei subkutaner Applikation infizieren,
große immunisieren.
Zur Erklärung nimmt Ferran an, daß frisches Virus fixe neben dem
Wuterreger auch Wuttoxine enthält, die bei der regen großer Dosen durch
Bildung von Antikörpern schnell eine Immunität auslösen, ehe die Wuterreger auf
6*
84 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
dem Wege der Nervenbahn das Zentralnervensystem erreicht haben. Bei Ver-
wendung kleiner Dosen soll der Toxin-Immunitätsfaktor fortfallen und der Wut-
erreger sich ungehindert entwickeln können. Auf der Grundlage dieser Versuche
hat Ferran eine gleiche Impfmethode (supraintensive Methode) bei Menschen an-
ewandt, denen zur postinfektionellen Immunisierung an fünf aufeinander folgenden
F n 6cem virulente Virus fixe-Suspension subkutan eingespritzt wird. Die
Erfolge sollen so gut sein, daß in Spanien fast ausschließlich von dieser Methode
Gebrauch gemacht würde. Pfeiler und Kapfberger haben die Versuche
Ferrans an Hunden nachgeprüft, denen sie Dosen von 0,5, 2, 5, 10 und 20 g
Virus tıxe subkutan einspritzten und die Ueberlebenden darauf kameral mit
Straßenvirus bezw. Virus fixe infizierten. Es ergab sich, daß der mit 20 g
Virus vorbehandelte Hund immun war, die mit geringeren Mengen vorbehandelten
Hunde dagegen der bei der Immunisierung gesetzten Infektion erlagen.
In Itahen hat sich jedoch später herausgestellt, daß die Ferransche Methode
für den Menschen durchaus nicht unschädlich ist, sondern zu recht bedauerlichen
Zwischenfällen Veranlassung gegeben hat und in Mailand verboten wurde. Weitere
Versuche haben erwiesen, daß Virus fixe auch bei intravenöser und intraabdomi-
naler Anwendung in größerer Menge für die meisten Versuchstiere verhältnismäßig
schadlos ist. Die Befunde fanden von verschiedenen Seiten (Protopopoff, Hel-
man, Marx, Fermi, Nocard u. Roux, Mießner u. a.) ihre Bestätigung.
Insbesondere stellten Mießner und seine Mitarbeiter fest, daß Hunden, Schafen
und Kälbern in Zwischenräumen von 1—2 Tagen und an 3 aufeinander folgenden
Tagen steigende Mengen von 2, 3 und 4 g vollvirulentes Virus fixe in die Vene
oder Bauchhöhle gespritzt werden konnte, ohne daß die betr. Tiere an Tollwut
erkrankten.
Dadurch war der Weg gewiesen, auf dem man zu einer Vereinfachung des
Immunisierungsverfahrens gelangen konnte, denn es war danach die Abschwächung
des Virus und desgleichen eine allmähliche Applikation in vielen kleinen Einzelgaben
nicht unbedingt erforderlich, sondern das Virus konnte vollvirulent auf einmal in-
jiziert werden. Die nun folgenden Versuche bezweckten die Zahl der Impfungen pro
ier auf das geringste Maß zu beschränken unter Verwendung möglichst großer
Mengen von Virus zur Erreichung eines genügenden Immunisierungseffektes.
Um die Jahrhundertwende hatte Helman Versuche an Hunden durch ein-
malıge intraabdominale Injektion von Virus fixe in großen Dosen angestellt.
Ein Teil der Hunde erkrankte an Impftollwut, die übrigen Tiere verhielten sich aber
der nachtolgenden Infektion gegenüber refraktär. Marx nahm die Versuche an
9 Hunden wieder auf, denen er einmalig !/; Virus fixe Kaninchengehirn (d. i. etwa
2g) in 5cem Suspension in die Bauchhöhle spritzte. Impftollwut beobachtete er
nicht; alle Hunde zeigten sich frühestens nach 12 Tagen, sicher vom 14. Tage ab
immun.
Greiner schließt unter Berücksichtigung der Forschungsergebnisse von
Schnürer und aus seinen eigenen Versuchen, daß die Immunisierung der Hunde
ohne Unterschied der Größe und des Alters mit 0,5 g, sicherer r mit 1g
trischem Vırus fixe in Suspension bei subkutaner Applikation von 0,5 bis 1g
Einzeldosis auch gegen subdurale Infektion erreicht werden kann. Die Immunität
soll bereits am 16. Tage nach der Vorbehandlung eintreten. Schnürer und Kir-
schik haben darauf weitere präinfektionelle Immunisierungsversuche bei subkutaner
Anwendung des Impfstoffes an 19 Hunden angestellt. Ferner wurden 3 Hunde in
den Versuch genommen, die vorher von Greiner immunisiert und zwecks längerer
Beobachtung 1 Jahr am Leben gelassen waren. Nach ihnen bedingt die einmalige
subkutane liking mit frischem Virus fixe in der Menge von 0,5 g Mark zu
5 ccm physiol. Kochsalzlösung bei 19 Hunden keine Infektion und vom 18. Tage
ab eine etwa 1 Jahr lang anhaltende Immunität.
Högyes, Helman, Marx, Pokschischewsky geben der intraabdo-
minalen Applikationsweise den Vorzug vor der subkutanen. Auch Mießner hat
aus diesem Grunde bei seinen präinfektionellen Immunisierungsversuchen von der
subkutanen Applikationsweise Abstand genommen und den Impfstoff intraabdominal
oder intravenös ete Bei seinen gemeinsam mit Kliem und Kapfberger
angestellten Versuchen erwies sich die intraabdominale Einverleibung des Virus
tixe beim Hunde wirksamer als die intravenöse. Durch 3malige Vorbekandiung
(05, 1 und 1,5 g oder 2, 3 und 4 g im Abstand von 2—3 Tagen) gelang; es,
Immunität zu erzeugen, wenn die: Kontrollinfektion nicht sofort, pr A erst einige
Wochen bezw. Monate später erfolgte. Pfeiler und Kapfberger, die die
Versuche Mießners fortsetzten, schließen aus ihren Versuchen, daß es durch
einmalige intraabdominale Einverleibung von 4—8g Virus fixe (das Impf-
material wurde aus dem Gehirn von Hunden gewonnen, die infolge einer Infektion
Mießner u. Baars, Immunisierung gegen Lyssa der Hunde mit Lyssin 85
mit Virus fixe verendet waren) gelingt, Hunde gegen eine 14 Tage später er-
tolgende kamerale oder subdurale Infektion mit Virus fixe oder Straßenvirus zu
schützen. Von 36 vorbehandelten Hunden zeigten sich 33 gegen eine kamerale bzw.
subdurale Infektion oder gegen den Biß eines tollwütigen Hundes geschützt.
2 Hunde waren nicht immun und 1 Hund erkrankte an Impftollwut. Bemerkens-
wert ist, daß 2 Hunde, die von Mießner durch 3malige Vorbehandlung immuni-
siert waren, bei der von Pfeiler !/, bis %/, Jahr später vorgenommenen In-
tektion nıcht erkrankten, die Immunität also wenigstens °/; Jahr angehalten hatte. .
Sehr günstig verliefen die präinfektionellen Immunisierungsversuche, die Pok-
schischewsky durch dreimalige intraabdominale Impfung mit je 1/, Virus fixe-
Gehirn (etwa je 1,2 g) in achttägigen Zwischenräumen an 23 Hunden ausführte.
Sämtliche Hunde widerstanden der 30 bzw. 34, bzw. 56 Tage nach abgeschlossener
Midi engin folgenden intramuskulären Infektion, während diese Vorbehandlung
gegen die subdurale Infektion nur in etwa der Hälfte der Fälle Schutz gewährte.
Schnürer hat die Ergebnisse der angeführten 7 Arbeiten (Högyes,
Schnürer, Greiner, Mießner und seiner Mitarbeiter, Schnürer u. ir-
schik, Pfeiler u. Kapfberger, Pokschischewsky) kurz zusammen-
gestellt und dabei folgendes Bild erhalten: Im ganzen wurden 93 Hunde mit
groson Dosen (0,35 bis 20 g) Virus fixe subkutan oder intraabdominal in 1—3
mptungen vorbehandelt. Von 40 immunnisierten Hunden wurden 18 innerhalb
von 18 bis 124 Tagen nach der Vorbehandlung mit Virus fixe subdural, bzw. 22
mit Straßenvirus infiziert. Dem Virus fixe widerstanden 15= 83,3 Proz., dem
StraBenvirus 14=63,6 Proz. der vorbehandelten Hunde. 34 geimpfte Hunde
wurden der intraokulären (kameralen) Infektion innerhalb 4 bis 363 Tagen aus-
gesetzt. Von 34 der auf diese Weise mit Virus fixe infizierten Hunden erwiesen
sich 22 = 91,6 Proz. und von 10 mit Straßenvirus infizierten 9 — 90 Proz. immun.
16 Hunde wurden 23—56 Tage nach der Vorbehandlung mit Straßenvirus bzw.
mit Virus tixe intramuskulär infiziert, ohne zu erkranken = 100 Proz. 3 Hunde
wurden 15—62 Tage nach der Vorbehandlung den Bissen wütender Hunde aus-
gesetzt und erkrankten ebenfalls nicht — 100 Proz.
In Oesterreich hat man im Jahre 1922 auf Schnürers und Wirths Vor-
schlag die fakultatıve präinfektionelle Schutzimpfung der Hunde in Wien versuchs-
weise zugelassen. Zwecks Impfung mußten die Hunde anfangs auf 5—10 Tage der
Hundeklinik der Tierärztlichen Hochschule in Wien zugeführt werden; später er-
tolgte die Impfung ambulatorisch. Bis Oktober 1922 wurden 50 eingestellte
Hunde durch 5 subkutane Einspritzungen an 5 aufeinander folgenden Tagen oder mit
je einem Tag Zwischenzeit mit einer Gesamtmenge von 0,665 g frischen Virus fixe-
Gehirn (Kaninchen) ohne Unfall geimpft. Später begnügte man sich mit 2—3 Ganz-
impfungen. Die Impfstoffsuspension ant aus einem Teil Virusgehirn, 6 Teilen
physiol. Kochsalzlösung und 1 Teil Glyzerin. Es sind im Laufe von 20 Monaten
133 Hunde in der Wiener Hundeklinik 5-, später 4malig subkutan bzw. intra-
abdominal geimpft. Von den geimpften Hunden sollen 4 Hunde, die jedoch, wie erst
nach der Impfung bekannt wurde, vor der Impfung von tollwütigen Hunden ge-
bissen waren, an Wut verendet sein. Von den übrigen 129 Hunden sind die
Impfungen ohne Schaden vertragen, obwohl sich auch unter ihnen 9 Hunde be-
fanden, die vor der Impfung von einem unbekannten Hunde auf der Straße gebissen
sein sollten. Später ließ das österreichische Ackerbauministerium die Schutzimpfung
der Hunde in der medizinischen Klinik der Tierärztlichen Hochschule in Wien
für gesunde, gänzlich unverdächtige Hunde auch ohne vorherige Einholung der
Impfgenehmigung ausführen. Bis Ende August 1924 sind nach Schnürer 142
Hunde geimpft, von diesen jedoch nur 40 sicher präinfektionell. Die verhältnis-
mäßig kleine Zahl von 142 Hunden, die im Laufe von etwa 2 Jahren in Wien
der takultativen Wutschutzimpfung zugeführt wurde, lehrt, daß sich die freiwillige
Imptung nach der angewandten Methode (4—5 Impfungen an verschiedenen Tagen)
keinen Ein ang zu verschaffen vermochte. Das liegt, wie auch Wirth betont, vor
allem an der Umständlichkeit, die dem geübten Verfahren anhaftet. Zudem aber
daran, daß beı den geimpften Hunden nicht von den veterinärpolizeilichen Sperr-
maßnahmen abgesehen werden kann, so daß den Hundebesitzern die Vorteile einer
Impfung nicht augenfällig genug erscheinen.
Ueber die Wirksamkeit der präinfektionellen Impfung der Hunde in Wien
kann eın sıcheres Urteil nicht gefällt werden, da über die Ansteckungsgefahr der
eimpften Hunde keinerlei Beobachtungen vorliegen (Schnürer). Wenn auch in
Vahoratorfümeversuchen die Wirksamkeit des Schnürerschen Verfahrens, die
von Roman u. a. bestätigt wird, feststeht, so macht doch die Umständlichkeit der
mehrmaligen Impfung seine Durchführung als Zwangsimpfung aller Hunde iu
86 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
einem bestimmten Bezirk, die allein Aufschluß über die Zweckmäßigkeit der Im-
munisierung der Hunde in der Bekämpfung der Tollwut geben kann, unmöglich.
Puntonı in Italien sieht ebenfalls eine ‘3malige Tmpting der Hunde zur
präinfektionellen Immunisierung vor. Er benutzt gleich Fermi Virus fixe
Kaninchenmark, das durch 1 Proz. Karbolsäure jedoch nicht völlig abgetötet, sondern
stufenweise abgeschwächt wird. Von den drei Impfstoffen steigender Aktivität
werden in Zwischenzeiten von je 8 Tagen den Hunden jedesmal 5 ccm subkutan
eingespritzt.
ee und Doi verwenden nicht vollvirulentes, sondern abgeschwächtes
Virus im Sinne der Abschwiichungs- bzw. Verdiinnungsmethode von Pasteur bzw.
Högyes. Die Vakzine wurde aus dem Gehirn und Rückenmark eines der Virus
fixe Infektion in 7 Tagen erlegenen Kaninchens hergestellt. Das virulente Material
wurde im Mörser zerrieben und mit 5 Teilen Karbol-Glyzerinwasser, das aus 60 Teilen
Glyzerin und 40 Teilen 1,25 Proz. Karbolwasser bestand, emulgiert. Zur Virulenz-
abschwächung wurde die Suspension bei Zimmertemperatur von 18 bis 22° C
2 Wochen oder im Eisschrank 30 Tage lang aufbewahrt. Die Vakzine soll 2 bis
3 Wochen beı Zimmertemperatur aktiv bleiben und damit den praktischen Bedürfnissen
Rechnung tragen. Man rechnet 6 cem Vakzine (= etwa 1,2 g. Virus fixe) auf
15 kg Körpergewicht, für Hunde unter 4,5 kg die Hälfte der Dosis. Die Impfung
erfolgt subkutan.
Vor der Einführung in die Praxis wurde die Impfung an 500 Hunden experi-
mentell geprüft. Es sollen dabei keine Impfverluste eingetreten, auch soll kein Hund
während der Beobachtungszeit an Tollwut erkrankt sein. Auf Grund der günstigen
Versuchsergebnisse wurde darauf die präinfektionelle Schutzimpfung der Hunde
durch einmalige Impfung in den beiden am stärksten verseuchten Präfekturen
Kanagawe und Tokyo durchgeführt. Ueber die dabei erzielten Impfergebnisse wurde
folgendermaßen berichtet. In der Präfektur Kanagawa wurden seit Oktober 1918
bis zum Ende des Jahres 6644 von 9402 Hunden und im Jahre 1919. 9150 von
14644 Hunden geimpft. Impfverluste bzw. Impftollwut wurden nicht beobachtet, da-
gegen fiel die Zahl der tollwütigen Hunde im Jahre 1919 gegenüber dem Vorjahre
um #/,, die der gebissenen Personen um °/,. Fälle von Tollwut sollen nur bei nicht-
geimpften Hunden festgestellt sein.
In der Präfektur Tokyo wurde die Impfung im Mai 1919 eingeführt. Bis zum
Ende des Jahres wurden von etwa 20000 eingetragenen Hunden 13177 Hunde
eimpft, von denen „einer nach der Impfung starb und einer infolge nicht genügender
Wirkung der Impfung tollwutkrank wurde.“ Während der 6 Monate von Oktober
1919 bıs März 1920 fiel die Zahl der tollwütigen Hunde gegenüber den ent-
sprechenden Monaten des Vorjahres (Oktober 1918 bis März 1919) etwa um die
Hälfte. desgleichen auch die Zahl der gebissenen Personen. Die Fälle von Tollwut,
die sich in der Berichtszeit ereigneten, wurden mit Ausnahme des oben erwähnten
Falles nur bei nichtgeimpften herrenlosen Hunden ermittelt. In beiden Präfekturen
zusammen soll durch die Impfung die Zahl der Tollwutfälle gegenüber dem Vor-
jahre um 75 Proz. reduziert worden sein.
Nach einem neueren Berichte von Hata (Mai 1924) erkrankten seit Einführung
der Imptung von 104629 geimpften Hunden nur 49 an Wut, während unter den
ungeimpften Hunden, deren Zahl nur etwa 1/3 der Gesamthundezahl in zwei
Präfekturen ausmacht, 1699 Wutfälle vorkamen.
Ebenso wie Umeno und Doi konnte auch Kondo in Japan die Nützlichkeit
einer ähnlichen Immunisierungsmethode mit abgeschwächtem Virus fixe durch
ausgedehnte praktische Anwendung bei Hunden zur präinfektionellen Immuni-
sierung demonstrieren. Kondo benutzte für seine Laboratoriumsversuche, die er
eingangs an Meerschweinchen ausführte Virus fixe, das gemörsert mit einer
Lösung von 0,5 Proz. Karbolsäure und 50 Proz. Glyzerin im Verhältnis 1:5 suspen-
diert und vor der Einspritzung verschiedenen Temperaturen ausgesetzt wurde. In
Versuchen an 13 Hunden wurde durch einmalige subkutane Injektion von 5—10 cem
ein sicherer Schutz gegen eine spätere Infektion in die skarifizierte Hornhaut gewährt.
Von Juni 1919 bis Februar 1921 ist nach den Angaben von Kondo die Zahl
der geimpiten Hunde auf 20117 gestiegen. Von diesen Hunden erkrankte im Laufe
des folgenden Jahres keiner an Tollwut. Da der Virusbedarf zur Impfstoffbereitung
bei derartigen Massenimpfungen sehr groß ist, empfiehlt Kondo, hierzu das Gehirn
pag Rückenmark von Handen zu benutzen, die einer Virus fixe-Infektion er-
igen.
In Amerika wurden die Befunde von Umeno und Doi bald durch Eichhorn
und Lyon bestitigt. Sie behandelten 37 Hunde in 6 Versuchen durch subkutane
Applikation des Impfstoffes an zwei Körperstellen, darauf wurden die Hunde
3 Wochen, 3 Monate, 7 Monate und 12 Monate später durch intraokuläre Applikation
Mießner u. Baars, Immunisierung gegen Lyssa der Hunde mit Lyssin. 87
von Straßenvirus aq g Virus auf 10 ccm physiologische Kochsalzlösung) mit je
2 Kontrollhunden für jede Versuchsgruppe infiziert. Alle Kontrollhunde verendeten
an Tollwut. Von den geimpften Hunden erkrankten nach der Infektion 3 Hunde an
Tollwut und zwar 2 Hunde, die 3 Wochen nach der Immunisierung und 1 Hund,
der ca. 12 Monate nach der Impfung infiziert waren. Die Versuche, die dann in
der Praxıs ausgeführt wurden, sollen die im Laboratorium erzielten günstigen Ver-
suchsergebnisse bestätigt haben. Von 25000 Hunden, die einmalig gegen Tollwut
nach der japanischen Methode geimpft waren, erkrankte keiner an Wut, obwohl
verschiedene von erwiesenermaßen tollwütigen Hunden gebissen wurden und nicht-
geimpfte Hunde infolge des Bisses erkrankten.
Ferner wurden Nachprüfungsversuche über die japanische Immiunisierungs-
methode (Umeno und Doi) von Schoenin aügestelit, der in 5 Versuchsreihen
56 Hunde immunisierte und später intraokulär Bev. durch den Biß eines tollwütigen
Hundes infizierte. Ein geimpfter Hund ging an Impftollwut ein. Im übrigen waren
die Immunisierungserfolge gegenüber den verschiedenen zur Infektion benutzten
StraBenvirusstiimmen recht wechselnd; 12 von 16 Hunden waren gegenüber
2 StraBenvirusstimmen geschützt, während bei Verwendung eines anderen Straßen-
virusstammes von 30 geimpften Hunden nur 6 Hunde überlebten. Schoening
schließt daraus, daß die Wirksamkeit der präinfektionellen Impfung von dem
Straßenvirus abhängig ist, dem die Hunde nach der Impfung ausgesetzt werden und
daß die Impfung nach Umeno und Doi nicht in allen Fällen schützt.
. Auch in utschland sind EBEN, mit den von uns ausgeführten Unter-
suchungen, über die bereits auf der 11. Tagung der Deutschen Vereinigung für
Mikrobiologie im September 1925 in Frankfurt a. M., von Mießner kurz
reteriert wurde, von Giese im Reichsgesundheitsamt Nachprüfungsversuche über
die Brauchbarkeit der japanischen Immunisierungsmethode der Hunde angestellt.
Von ihm wurden in 8 Versuchsreihen zusammen 45 Hunde nach der Methode von
Umeno und Doi unter Benutzung des auch von uns verwendeten Virus fixe Br.
immunisiert. Von diesen 45 Hunden zeigten sich 33 gegen eine spätere intramuskuläre
Infektion mit frischem Straßenvirus geschützt. 2 Hunde verendeten interkurrent,
4 Hunde erkrankten an Impftollwut, davon 1 unter Erscheinungen der rasenden
Wut, und 6 Hunde gingen infolge mangelnder Immunität an stiller Wut ein.
Von den 21 gleichzeitig infizierten Kontrollhunden verendeten 19 Hunde an Wut,
2 Hunde erkrankten nicht. Die Ursache für die Entstehung von Impftollwut in
4 Fällen sieht Giese darin, daß die von den Japanern angegebene Dosierung bei
Verwendung von Virus fixe (Breslau) zu hoch ist.
Von Finzi ist in Italien die von Umeno und Doi geübte Methode in einer
neuen Ausarbeitung, bei welcher die Konzentration des Glyzerinzusatzes verringert
und der Karbolsäuregehalt erhöht wurde, angewendet. Durch Versuche stellte Finzi
test, daß eine einmalige Schutzimpfung nach seiner Methode hinreicht, gesunde
Hunde aut 9—12 Monate sicher wutfest zu machen und daß ferner durch eine
Wiederholung der Impfung nach einem Jahr die Immunität auf 15—-24 Monate
verlängert würde. In der Praxis sollen bisher 13000 Hunde fakultativ nach der
Methode geimpft und in der Provinz Modena die Impfung als Zwangsimpfung durch-
geführt sein.
Schern hat in Montevideo ebenfalls Immunisierungsversuche an Hunden mit
einem gegenüber dem japanischen Impfstoff von Umeno und Doi „modifizierten“
Impfstoft ausgeführt. Ueber die Zusammensetzung des Impfstoffes sowie die appi
kationsweise fehlen Angaben. Es wurden 11 Hunde einmal präinfektionell mit dem
als „Serum B“ bzw. „Serum C“ bezeichneten Impfstoff geimpft und zusammen
mit 3 Kontrollhunden 12—72 Tage nach der Impfung konjunktival und korneal
geimpft. Die Kontrollhunde verendeten an Wut, während die geimpften Hunde bis
auf einen, der interkurrent verendete, am Leben blieben. Die Regierung von
Uruguay soll darauf einen Gesetzentwurf vorbereiten, der die obligatorische Toll-
wutimpfung der Hunde vorsieht.
n verschiedenen Ländern und Staaten (Japan, Nord- und Südamerika, Italien,
Portugal) sınd seither präinfektionelle Schutzimpfungen an Hunden nach der jera-
nischen Methode oder angelehnten Verfahren (Pinel, Schern) sowohl fakultativ
wie auch a pias im großen in der Praxis durchgeführt bzw. in Aussicht ge-
nommen. Die Berichte über die damit erzielten Erfolge lauten aus diesen Ländern
durchweg günstig. Fermi allerdings beurteilt den praktischen Wert der japanischen
Methode sehr skeptisch. Einmal soll der hohe Nels hag Se der japanischen Vakzine
die Applikation schmerzhaft machen und zudem die Dickfliissigkeit, die Resorbier-
barkeit ungiinstig beeintriichtigen sowie durch den Reiz, den das Glyzerin auf die
Subkutis ausübt, Abzeßbildungen veranlassen. In eigenen Versuchen an 3 Hunden
mit der selbsthergestellten japanischen Vakzine konnte Fermi selbst nach mehr-
88 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
maliger Applikation unter Erhöhung der Impfdosis bei 2 Hunden keine Immunität
erzielen. Aus den amerikanischen Statistiken entnimmt Fermi weiter, daß von
75000 ın Amerika geimpften Hunden 2 Tiere 14 Tage nach der Impfung an Wut
starben und weitere Hunde, die später gebissen wurden, trotz der vorausgegangenen
Impfung noch wütend wurden.
Mögen die Bedenken Fermis berechtigt sein oder nicht, sie weisen uns jeden-
falls erneut an, die Erfüllung der Forderung vieler Kreise, die japanische Impfmethode
der Hunde auch in Deutschland zur Durchführung zu bringen, zuerst von dem Ausfall
nachprüfender Versuche abhängig zu machen. Von solchen Versuchen könnte man
auch schon aus dem Grunde nicht absehen, da bekannt ist, daß das Virus fixe der
verschiedenen antirabischen Institute hinsichtlich der Virulenz und der sonstigen
Eigenschaften außerordentliche Unterschiede aufweist. Fermi hat z. B. festgestellt,
daß, während ein von ihm benutztes Virus fixe bei subkutaner Einspritzung Ver-
suchstiere in 100 Proz. der Fälle tötete, das im Institut Robert Koch gebrauchte
Passagevirus beı gleicher Applikationsweise in nur 40—50 Proz. der Fälle den Tod
herbeifiihrte. Bei subkutaner Anwendung wurden durch das Virus fixe von Turin
60 Proz., von Sassari 100 Proz.. von Palermo 100 Proz., von Rom 66 Proz., vou
Florenz 36 Proz., von Neapel 33 Proz., von Boulogna und von Mailand 0 Proz. der
infizierten Muriden getötet. Gleiche Erfahrungen machte auch Babes.
Schon allein aus diesem Grunde lassen sich die in anderen Ländern angewendeten
Tollwutimmunisierungsmethoden, selbst wenn sie dort ihre Zweckmäßigkeit und
Unschädlichkeit durch ausgedehnte praktische Anwendung dargetan haben, nicht
ohne weiteres auf unsere Verhältnisse übertragen und entbinden uns nicht davon
zuerst eine gründliche Nachprüfung vorzunehmen. Erst bei günstigem Ausfall
von Laboratoriumsversuchen an einer möglichst großen Zahl von Versuchshunden
wird man der Frage der praktischen Durchführung näher treten können.
Die Möglichkeit der Erzeugung der Krankheit durch die Impfung ist bei
einer aktiven Immunisierungsmethode niemals völlig auszuschalten; durch umfang-
reiche Laboratoriumsversuche ist darzutun, ob diese Gefahr sehr groß ist, ehe man
ein auf die Laboratoriumsversuche sich aufbauendes Immunisierungsverfahren in die
Praxis überführt. Die Impfung wird man bei etwaigen Fällen von Impflyssa auch
dann befürworten, wenn nur die stille Wut mit Lähmung ohne jede Beißsucht entsteht
und der erkrankte Impfling kein Virus ausscheidet. Der neuerdings von Giese bei
seinen Immunisierungsversuchen nach der japanischen Methode beobachtete Fall von
rasender Impflyssa, hat allerdings die so aussichtsreich erscheinende Regel von der
alleinigen Entstehung der paralytischen Form der Wut nach Virus fixe-Injektionen
in bedenklicher Weise durchbrochen.
Des ferneren muß die Impfung einfach und der Impfstoff längere Zeit haltbar
sein. Die gebräuchlichsten Konservierungsmittel sind die Karbolsäure und das
Glyzerin. Ueber die Wirksamkeit der Karbolsäure gehen die Ansichten erheblich
auseinander. Während unter anderen Kraus und Krajuschkin betonen, daß
durch den Zusatz von 1/, bis 1proz. Karbolsäure die Virulenz des Impfstoffes un-
beeinflußt bleibt, stelllte Fermi durch Versuche an Ratten fest, daß nach Zusatz
von 1 Proz. Karbolsäure zu 1:10 Virussuspension eine einheitliche Abschwächung
ja schließlich sogar Abtötung des Impfstoffes zu erreichen ist; es soll sich aber die
immunisierende Eigenschaft unter Einwirkung der Karbolsäure 4 Monate lang er-
halten. Der japanische Impfstoff nach Umeno und Doi wird ebenfalls durch
Karbolsäure konserviert unter gleichzeitiger Verwendung von Glyzerin. Die kon-
servierende Eigenschaft des Glyzerins soll nach Philipps darauf beruhen, daß
Sauerstoff nur in geringem Maße in Glyzerin löslich ist. Unter Entziehung des
Sauerstofts soll es gelingen, die Virulenz von in Glyzerin fein verteiltem Virus fixe
sehr lange zu erhalten. Eine Glyzerinsuspension, die in 0,1 cem 15 mg Virus fixe
enthält, soll unter Entziehung von Sauerstoff durch Pyrogallol und Kalilauge sowie
unter Abschluß von Licht im Gefrierschrank bei —2 bis —4° C die Virulenz bis
770 Tage bewahren können. Der Gehalt des Impfstoffes an Glyzerin, so fördernd er
für die Konservierung ist, macht sich allerdings bei der Applikation insofern
störend bemerkbar, als Glyzerin schmerzhafte, entzündliche Veränderungen zuweilen
mit Abszeßbildung veranlassen soll (Fermi). Mießner hat Virus fixe unter
Glyzerin noch nach 6 Wochen vollvirulent gefunden. In zugeschmolzenen Glas-
röhrchen blieb die Virulenz des sterilen Virus fixe — Rückenmarkes — ohne
Glyzerin 4 Wochen erhalten; in Gelatine eingebettet ließ es sich bis zu 5 Monaten
virulent aufbewahren. Da jedoch die sterile Entnahme des Rückenmarkes gewissen
Schwierigkeiten begegnet, für das Gehirn, auf dessen Verwendung bei größerem
Virusbedart nicht verzichtet werden kann, eine solche aber so gut wie ausgeschlossen
ist, wandte sich Mießner der Haltbarmachung durch Trocknung zu. Es gelang
durch schnelle Trocknung bei höchstens 309 in Faust-Heimschen Exsikkator
Mießner u. Baars, Immunisierung gegen Lyssa der Hunde mit Lyssin. 89
und folgender Pulverisierung ein Präparat zu erhalten, das wenigstens einen Monat
lang seine volle Pathogenität behält. Auch Nassy und Winkel bestätigen die
a Konservierung des Virus fixe durch schnelle Trocknung; in Glyzerin in
zugeschmolzenen Röhrchen im Eisschrank aufbewahrt behielt es 3 Meats, getrocknet
bei Zimmertemperatur von 17° C gehalten 5 Monate unveränderte Virulenz. Harris
nimmt die schnelle Trocknung des frischen Virus fixe im Vakuum bei Gefrier-
temperatur vor und bestätigt, daß das ausgetrocknete Virus bei gleichem Gewicht
ebenso infektiös wie das frische Virus ist. Die Abnahme der Virulenz erfolgt so
langsam, und zwar erst im Verlauf von Monaten, daß sich die Virulenz namentlich
bei Aufbewahrung in kühlen, trockenen, dunklen Räumen mit größter Genauigkeit
gewährleisten läßt. Die Vorteile eines Trockenpräparates liegen auf der Hand:
leichte Verpackung, gefahrlosere Versendung, schnellere und einfachere Zubereitung
der zur Impfung notwendigen ge
Die Art der Infektion zur Prüfung der Immunität geimpfter Hunde ist für
die Beurteilung des Erfolges sehr wesentlich. Die subdurale Infektion ist die
schwerste Infektionsart und liefert schon nach den Versuchen Pasteurs 100 Proz.
positive Resultate. Fast ihr gleichwertig ist die intramuskuläre Infektionsart, die
nach Marx, J. Koch und Pokschischewsky fast absolut sicher sein soll.
Den natürlichen Verhältnissen am nächsten kommt sicherlich der künstlich hervor-
erufene Biß eines wutkranken Hundes. Der Hundebiß führt aber wie die praktischen
rtahrungen lehren, nicht immer zur Infektion. Es wäre also bedenklich, wollte die
Imunitätsprüfung im Laboratorium sich auf diesen Infektionsmodus beschränken.
Von der subduralen Infektion wird man zur Prüfung auf Immunität mit Rücksicht
aut die Infektionen unter praktischen Verhältnissen, bei denen es sich vornehmlich
um durch Biß hervorgerufene Muskelwunden handelt, absehen. Die intramuskuläre
Infektion dürfte in dieser Beziehung den Anforderungen Genüge leisten.
Eigene Versuche.
Vom Preußischen Landwirtschaftsministerium ist das Hygienische
Institut der Tierärztlichen Hochschule zu Hannover beauftragt worden,
Versuche über ein praktisch durchführbares präinfektionelles Immuni-
sierungsverfahren gegen Tollwut bei Hunden anzustellen im Anschluß
an ähnliche von Mießner, Kliem und Kapfberger 1911 am
Kaiser Wilhelm Institut in Bromberg ausgeführte Untersuchungen.
Das zu ermittelnde Verfahren mußte so einfach beschaffen sein, daß
die Impfung im Großen als Mittel zur Bekämpfung der Tollwut
Verwendung finden konnte. Unser Streben ging deswegen dahin, mit
einer einmaligen Impfung auszukommen. Dies setzte die Applikation
einer verhältnismäßig großen Menge Nervensubstanz voraus und erhöhte
dadurch die Gefahr der Impftollwut. Das zur Erzeugung einer absolut
gefahrlosen Impfung erforderliche Quantum ließ sich nur an Hand
umfangreicher Tierversuche ermitteln. Deswegen wurden große Ver-
suchsreihen an Hunden angesetzt. Hierdurch schaltete man bei der
Beurteilung möglichst alle Zufälle aus, die auf schwankender Virulenz
des Impfstoffes und wechselnder Empfänglichkeit der Hunde beruhten.
Zur Immunisierung wurden 3 Virus fixe-Stämme B. I, B. II und
Br. benutzt, die uns in dankenswerter Weise von der Wutschutz-
abteilung des Instituts für Infektionskrankheiten „Robert Koch“
zur Verfügung gestellt waren. Die Virus fixe-Stämme B. I und B. II
erwiesen sich als schwachvirulent, da Kaninchen nach subduraler
Infektion erst nach 10—12 Tagen erkrankten, während das Virus fixe
Br. subdural infizierte Kaninchen bereits nach 4, längstens 6 Tagen
völlig lähmte. Da man annehmen kann, daß das virulentere Virus
auch einen höheren Immunisierungseffekt auszulösen imstande ist, haben
wir die schwachvirulenten Virus fixe-Stämme B. I und B. II nur in
den ersten 4 Versuchsreihen zur Impfung benutzt und in den weiteren
Versuchen allein das Virus fixe Br. verwendet.
Der Virus fixe-Stamm Br. (Breslau) wird nach Angabe des
Instituts für Infektionskrankheiten „Robert Koch“ in Breslau seit
90 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Jahren zur Wutschutzbehandlung der Menschen benutzt und soll ur-
sprünglich dem Breslauer Institut bei seiner Gründung von der Berliner
Wutschutzabteilung abgegeben sein. Es handelt sich um den gleichen
Stamm, den auch Giese bei seinen kürzlich veröffentlichten Immuni-
sierungsversuchen benutzt hat.
Anfänglich wurde intraabdominal geimpft, da nach den Li-
teraturangaben zu erwarten war, daß auf diese Weise eine Erkrankung
an Impftollwut am sichersten vermieden werden kann. Dies traf
nach unseren Beobachtungen nicht immer zu, deshalb wurde in späteren
Versuchen nur noch die leichter auszuführende subkutane Imp-
fung benutzt. pe
Sämtliche Hunde wurden vor der Impfung gewogen. Bei Ver-
wendung von abgestuften Impfdosen erhielten kleinere Hunde die
niedrigeren Dosen. Auf diese Weise suchten wir festzustellen, ob
das Gewicht bzw. die Größe der Hunde eine Abstufung der Impfdosis
erforderlich machte.
Die Prüfung auf den durch die Impfung erreichten Immuni-
sierungseffekt erfolgte in allen Versuchen durch intramuskuläre In-
fektion mit Straßenvirus, das frisch aus eingesandtem Untersuchungs-
material gewonnen wurde. Die Infektion wurde sowohl bei den ge-
impften Hunden wie bei den ungeimpften Kontrollhunden und -kanin-
chen durch Injektion von 0,5 g Straßenvirusgehirn in die Rücken-
muskulatur beiderseits der Wirbelsäule vorgenommen. In der Regel
erfolgte die Infektion 4 Wochen nach der Impfung. Zwecks Fest-
stellung der Dauer der Immunität wurden jeweils geimpfte Hunde
zurückbehalten, die zu einem späteren Zeitpunkt infiziert wurden.
Nach der Infektion blieben die Hunde mindestens 6 Monate unter
Beobachtung.
Infolge Raummangels konnten nicht alle Hunde in Einzelkäfigen
untergebracht bzw. so gehalten werden, daß sie sich nicht gegenseitig
berührten. Dies war lediglich für die infizierten Kontrollhunde möglich,
während die geimpften Hunde versuchsgruppenweise in Abständen
von 1 m angekettet waren. Gleichzeitig wurden mit ihnen zusammen
unbehandelte gesunde Hunde nicht angekettet gehalten, um zu beob-
achten, ob etwa bei gelegentlichen Beißereien von den geimpften
Hunden durch den Biß Tollwut übertragen würde.
Außerdem wurden gelegentlich kleine Versuchstiere mit Speichel
und Gehirn geimpfter Hunde infiziert, um festzustellen, ob darin etwa
das Virus in übertragbarer Form enthalten ist.
Als Impfstoff wurden benutzt frisches Virus fixe, ferner ent-
sprechend der japanischen Methode nach Umeno und Doi mit in
Glyzerin Karbolkochsalzlösung konserviertes Virus fixe und schließlich
nach Mießner durch Trocknung konserviertes Virus fixe „Lyssin‘“.
A. Versuche mit frischem Virus fixe.
Das Virus fixe wurde aus dem Gehirn und Rückenmark von
Kaninchen gewonnen, die nach subduraler Infektion auf der Höhe
der Erkrankung (völlige Lähmung) getötet waren. Nach dem restlosen
Zermörsern wurde die Nervensubstanz mit der dreifachen Menge physio-
logischer Kochsalzlösung aufgeschwemmt und die Suspension durch
ein feines steriles Drahtsieb filtriert. Das durch das Sieb laufende
Filtrat diente frisch als Impfstoff.
Mießner u. Baars, Immunisierung gegen Lyssa der Hunde mit Lyssin. 9]
a) Versuche mit Virus fixe B.I.
Versuch 1: 5 Hunde, von denen 3 über, 2 unter 10 kg wogen, wurden
am 31. 7. 1924 mit frischem Virus fixe, Stamm BI, intraabdominal geimpft.
4 Hunde erhielten je 2 g und 1 Hund (7!/, kg) 3 g Virus. Von diesen Hunden ver-
endete eıner interkurrent 34 Tage nach der Impfung infolge Schlundverstopfung.
Im Gehirn keine Veränderungen. Von den restlichen 4 Hunden wurden 2 Hunde am
23. 9. und 1 Hund am 2. 10. zusammen mit 2 Kontrollhunden und 1Kontroll-
kaninchen bezw. 2 Kontrollhunden infiziert, während 1 Hund zwecks späterer In-
tektion zur Feststellung der Dauer der Immunität weiter unbehandelt in Beob-
achtung blieb. Von den beiden am 23. 9. infizierten Impflingen starb der mit 3 g
Virus fixe geimpfte Hund nach 20 Tagen an paralytischer Wut. Der mit 2 g
Virus fixe geimpfte Hund blieb gesund. Die beiden gleichzeitig infizierten
Kontrollhunde und das Kontrollkaninchen verendeten innerhalb 21—23 Tagen an
Wut. Der am 2. 10 infizierte Hund blieb gesund, während sämtliche Kontrollhunde
12—21 Tage post inf. an Wut erkrankten.
Versuch 2: Am 12. 8. 1924 wurden abermals 5 Hunde, von denen einer
über und 4 unter 10 kg wogen, mit frischem Virus fixe B I intraabdominal ge-
impft; 3 Hunde mit je 2 g, 2 Hunde mit je 3 g Virus. Die beiden Hunde, die
3 g Virus erhalten hatten, verendeten 25—26 Tage nach der Impfung interkurrent
an Staupe: Von den restlichen 3 Hunden wurde 1 Hund am 2. 10. und 2 Hunde
am 5. 12. zusammen mit je 2 Kontrollhunden infiziert. Der am 2. 10. infizierte ge-
impfte Hund verendete 27 Tage post inf. an paralytischer Wut. Von den beiden am
5. 12. infizierten Impflingen verendete der eine 12 Tage später an paralytischer Wut,
a andere blieb gesund. Sämtliche Kontrollhunde gingen innerhalb 10—21 Tagen an
ut ein.
Ergebnisse der Versuche 1 und 2.
Von 10 mit 2—3 g frischem Virus fixe intraabdominal geimpften
Hunden verendeten 3 Hunde interkurrent; 6 Hunde wurden zusammen
mit 9 Kontrollhunden und 1 Kontrollkaninchen infiziert; 1 Impfling
wurde zwecks späterer Infektion weiter unbehandelt gelassen, 3 ver-
endeten infolge mangelnder Immunität an Wut, während 3 immun
waren. Die Kontrollhunde verendeten an Wut.
Die Impfung mit frischem Virus fixe B. I hatte also nur in
50 Proz. der Fälle Immunität bewirkt. Diese Unsicherheit in den
immunisatorischen Verhalten des Virus fixe B. I stimmte mit seiner
schwachen Virulenz im Kaninchenversuch bei subduraler Infektion
überein. Wir haben daher von der weiteren Verwendung dieses Virus
fixe-Stammes abgesehen und in 2 folgenden Versuchen ein uns in-
zwischen vom Robert Koch-Institut übersandtes Virus fixe B. II
verwendet, das sich jedoch nur unwesentlich in seiner Virulenz vom
Virus fixe B. I unterschied.
b) Versuche mit Virus fixe B. IL.
Versuch 3: Am 15. 10 1924 wurden 4 Hunde im Gewicht tiber 10 kg intra-
abdominal mit frischem Virus fixe B II geimpft; 2 Hunde erhielten je 2 g und
2 Hunde je 3g Virus. Am 5. 12 wurden 3 der geimpften Hunde zusammen mit
2 Kontrollhunden infiziert. 1 mit 3g Virus geimpfter Hund wurde erst später
zwecks Feststellung der Dauer der Immunitit infiziert. Die infizierten anpi inge
blieben gesund. Dagegen verendeten die beiden Kontrollhunde innerhalb 13—17
Tagen an paralytischer Wut.
Versuch 4: Am 21. 10 1924 wurden wiederum 4 unter 10 kg schwere
Hunde aut gleiche Weise wie in Versuch 3 geimpft. 1 mit 2g Virus geimpfter
Hund erkrankte 9 Tage post inf. unter krampfartigen Zuckungen der Extremitäten;
er verendete am 13. Tage. Die Sektion ergab neben Maulfiiule und gänzlicher Leere
des Magen-Darmtraktus keinen weiteren Befund. Im Gehirn keine Negrischen
Körperchen; ein mit Gehirn intramuskulär infiziertes Kaninchen verendete unter
Lähmungserscheinungen am 12. Tage. Hiernach blieb die Diagnose zweifelhaft, Lyssa
konnte aber nicht ausgeschlossen werden. Von den restlichen 3 Hunden wurden
2 Hunde zusammen mit 2 Kontrollhunden am 5. Dezember 1924 infiziert, während
1 geimpfter Hund zwecks späterer Infektion unbehandelt unter Beobachtung blieb.
92 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Die Impflı erkrankten nicht, während die beiden Kontrollhunde 13—14 Tage
post ınt. an Wut verendeten.
Ergebnisse der Versuche 3 und 4.
Von 8 mit 2—3 g frischem Virus fixe B. II intraabdominal ge-
impften Hunden verendete 1 Hund 9 Tage nach der Impfung, ohne
daß sich Impftollwut als Todesursache ausschließen ließ. Von den
übrigen 7 Hunden wurden 5 Hunde zusammen mit 4 Kontrollhunden
infiziert. 2 Hunde blieben zwecks späterer Infektion unbehandelt
unter Beobachtung. Die 5 infizierten Impflinge erwiesen sich immun,
dagegen verendeten die Kontrollhunde an Wut.
Inzwischen war uns von der Wutschutzabteilung des Robert Koch-
Institutes der Virus fixe-Stamm Br. (Breslau) übersandt,
der sich durch seine hervorragende Virulenz auszeich-
nete. Die durchschnittliche Inkubationszeit für Kaninchen betrug bei
subduraler Infektion 4—5 Tage. Mit dem Virus fixe Br. haben wir
darauf alle weiteren Immunisierungsversuche angestellt.
c) Versuche mit Virus fixe Br. (Breslau).
Am 15. 9. 1924 wurden je 3 Hunde, von denen 2 über und 4 unter 10kg
wogen, mit 2 bzw. 3 g frischem Virus fixe Br. intraabdominal geimpft. Es
verendete darauf je 1 mit 2 und mit 3g geimpfter Hund 7—10 Tage nach der
Impfung an typischer paralytischer Lyssa. Ein Impfling mit 3g erkrankte am
8. Tage unter Parese der Nachhand, genas aber bald wieder völlig. Von den
übrigen 3 Hunden wurden 2 Hunde, die mit 2g Virus geimpft waren, am 27. 12.
1924 zusammen mit 2 Kontrollhunden infiziert. Die geimpften Hunde erkrankten
nicht, dagegen verendeten beide Kontrollhunde innerhalb 14—19 Tagen nach der
Infektion. 2 Impflinge blieben für spätere Infektionsversuche zurück.
Der Versuch 5 läßt deutlich erkennen, daß die einmalige Appli-
kation von 2—3 g Virus unter Verwendung von Virus fixe Br. zu
hoch ist. Deshalb wurde die Impfdosis im folgenden Versuch um die
Hälfte reduziert und 2mal im Abstand von 8 Tagen eingespritzt.
Versuch 6: Am 17. und 24. 9. 1924 wurden 5 Hunde, von denen einer über,
4 unter 10 kg wogen, intraabdominal mit frischem Virus fixe Br. geimpft;
3 Hunde erhielten 2mal je 1g und 2 Hunde 2mal je 1,5 g Virus. Alle Hunde
blieben gesund. 4 von ihnen wurden am 27. 12. zusammen mit 2 Kontrollhunden
infiziert. Die Impflinge erkrankten nicht, dagegen verendeten beide Kontrollhunde
ee pot inf. an Wut. 1 geimpfter Hund blieb zwecks späterer Infektion
unbehandelt.
Nach dem Ausfall des Versuches ruft die Impfdosis von 1—1,5 g
frischem Virus fixe Br. selbst bei 2maliger Applikation im Abstand
von 8 Tagen keine Impflyssa hervor. Der durch die 2malige Impfung
erzielte Schutz war ausreichend gegen eine sicher tödliche Infektion
mit Straßenvirus. Der nun folgende Versuch bezweckte festzustellen,
ob auch durch eine 1malige Impfung von 1 oder 1,5 g Virus
gleich günstige Ergebnisse zu erzielen waren.
Versuch 7: Am 11. 12. 1924 wurden 6 Hunde, von denen 4 Hunde über,
2 Hunde unter 10 kg wogen einmal intraabdominal mit frischem Virus fixe Br.
geimpft; 3 Hunde erhielten je 1 g und 3 Hunde je 1,5 g Virus. Fälle von Impftoll-
wut ereigneten sich nicht. Am 13. 1. 1925 wurden je 2 von den Impflingen, die mit
1 g bzw. 15 g Virus geimpft waren, zusammen mit 2 Kontrollhunden und 2 Kontroll-
kaninchen infiziert. Die beiden übrigen geimpften Hunde blieben zwecks späterer In-
fektion unbehandelt. Einer der Impflinge erkrankte am 7. Tage nach der Infektion an
Staupe (Nasenausfluß, eitrige Konjunktivitis, Maulfäule) und verendete ohne irgend-
welche klinischen Symptome der Wuterkrankung am 21. Tage. Im Gehirn keine
Negri, 2 mit Gehirnsuspension subdural und intramuskulär infizierte Kaninchen
Mießner u. Baars, Immunisierung gegen Lyssa der Hunde mit Lyssin. 93
blieben gesund, also konnte Lyssa auf alle Fälle ausgeschlossen werden. Die übrigen
3 infizierten Impflinge blieben und, dagegen verendeten die beiden Kontrollhunde
34—112 Tage post inf., die beiden Kontrollkaninchen 23—63 Tage an post inf. Wut.
Es vermag demnach eine 1malige intraabdominale Imp-
fung mit frischem Virus fixe Br. in der Dosis von 1—1,5 g unter
Ausschluß einer Impflyssa einen sicheren Schutz gegen die 4 Wochen
später erfolgende Infektion mit Straßenvirus zu verleihen.
Die nun folgenden 3 Versuche bezweckten die im Versuch er-
haltenen Ergebnisse an einer größeren Zahl von Hunden zu erproben
und dabei gleichzeitig festzustellen, ob auch die subkutane Appli-
kation des Impfstoffes der intraabdominalen gleichwertig sei.
Versuch 8: Am 19. 12. 1924 wurden 6 Hunde, von denen 5 über 10 kg
und 1 10 kg wog, subkutan mit frischem Virus fixe Br. geimpft; 3 Hunde er-
hielten 1,5 g und 3 Hunde 1 g Virus. Impflyssa trat nicht ein. 4 geimpfte Hunde,
von denen 2 Hunde je 1,5 g und 2 Hunde je 1g Virus erhalten hatten, wurden
am 13. 1. 1925 zusammen mit 4 Kontrollhunden und 2 Kontrollkaninchen infiziert.
Die Impfhnge blieben gesund. Dagegen verendeten die 3 Kontrollhunde 34—112
Tage und die Kontrollkaninchen 30—67 Tage post inf. an Wut. Die restlichen 2
geimpften Hunde blieben zwecks späterer Infektion unbehandelt.
Versuch 9: Am 27. 12. 1924 wurden nochmals 6 Hunde, von denen
2 über und 4 unter 10 kg wogen, subkutan mit frischem Virus fixe Br. wie
im Versuch 8 geimpft. Auch in diesem Versuch ereignete sich kein Fall von Impf-
tollwut. Am 3 1. 1925 bzw. 4. 2. 1925 wurden 5 geimpfte Hunde, von denen 2
Hunde mit je 1,5 g und 3 Hunde mit je 1g Virus be andelt waren, zusammen mit
4 Kontrollhunden und 2 Kontrollkaninchen infiziert. Die geimpften Hunde blieben
und; von den Kontrolltieren verendete 1 Hund 55 Tage post inf. und 2 Kaninchen
0—49 Tage post inf. an Wut. Ein geimpfter Hund blieb zwecks späterer Infektion
unbehandelt.
Versuch 10: Am 31. 12. 1924 bzw. 2. 1. 1925 wurden wiederum 6 Hunde,
von denen 2 über und 4 unter 10 kg wogen, intraabdominal mit frischem
Virus fixe geimpft; 3 Hunde erhielten je 1,5 g und 3 Hunde je 1 g Virus.
Zen als trat nicht ein. Am 4.2. 1925 wurden 5 geimpfte Hunde, von denen
2 Hunde je 1,5 g und 3 Hunde je 1g Virus erhalten hatten, zusammen mit 2
Kontrollhunden und 1 Kontrollkaninchen infiziert. Die Impflinge, aber auch die
Kontrollhunde blieben gesund und nur das Kontrollkaninchen verendete 20 Tage
post inf. an Wut, 1 geimpfter Hund blieb unbehandelt zwecks späterer Infektion.
Tabelle IV.
Immunisierungsversuche mit frischem Virus fixe.
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R z we | oe | u u
a | B] g Oh | © S o Infizierte Kontrolltiere
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94 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Ergebnisse der Versuche 5—10.
Von 35 mit frischem Virus fixe Br. (Breslau) geimpften Hunden
erkrankten 3 Hunde im Gewicht von 8—11 kg (Vers. 5), die mit
den größten Virusdosen (2—3 g) behandelt waren, an Impftollwat.
2 Hunde (Vers. 5 und 7) verendeten interkurrent. 24 Impflinge wurden
zusammen mit 16 Kontrollhunden und 7 Kontrollkaninchen infiziert.
Die geimpften Hunde blieben gesund; 10 Kontrollhunde und 7 Kon-
trollkaninchen verendeten an Wut. 8 geimpfte Hunde blieben zwecks
späterer Infektion unbehandelt (s. Tab. IV).
Zusammenfassung.
Die Immunisierungsversuche mit frischem Virus fixe an 53 Hunden,
von denen 24 über und 29 unter 40 kg wogen, durch 1—2malige
intraabdominale oder subkutane Impfung (s. Tab. IV) ergaben, daß
1. die präinfektionelle Immunisierung der Hunde gegen Tollwut durch
imalige intraabdominale oder subkutane Impfung gelingt, — 2. die
Erzeugung von Impftollwut von der Virulenz des Impfstoffes und der
Impfdosis abhängig ist, — 3. schwachvirulentes Virus fixe (B. I) in
der Dosis von 2—3 g schadlos intraabdominal injiziert werden kann,
der dadurch erzielte Impfschutz jedoch recht unsicher ist, — 4. für
hochvirulentes Virus fixe (Br.) die einmalige Dosis von 2—3 g intra-
abdominal injiziert zu hoch gegriffen ist und vielfach Impftollwut
hervorruft, — 5. die Impfdosis von 1—1,5 g Virus bei Verwendung
von hochvirulentem Virus fixe (Br.) ohne Unterschied der Größe der
Hunde keine Impftollwut hervorrief und dabei einen sicheren Impf-
schutz erzeugte, — 6. eine 2malige Impfung nicht erforderlich ist
und die intraabdominale vor der subkutanen Impfung keinen Vor-
zug hat.
B .Versuche mit karbolisiertem Glyzerinvirus.
(Japanische Immunisierungsmethode Umeno und Doi.)
Die praktische Durchführung der Tollwutschutzimpfung würde un-
möglich sein, wenn sie an die Verwendung von frischem Virus fixe
gebunden wäre. Unsere weiteren Bemühungen zielten deswegen darauf
hinaus, einen möglichst längere Zeit konservierbaren Impfstoff zu
verwenden. Nach den Angaben von Umeno und Doi soll der von ihnen
benutzte karbolglyzerinisierte Impfstoff, nach der Abschwächung durch
einen Aufenthalt von 30 Tagen im Eisschrank bzw. 14 Tagen bei
Zimmertemperatur, 2—3 Wochen „aktiv“ bleiben. Den praktischen
Bedürfnissen würde damit insbesondere auch durch die gebrauchs-
fertige Form, in der sich der Impfstoff befindet, entsprochen sein.
Unter Verwendung von Virus fixe Br. (Breslau) haben wir Nachprü-
fungsversuche über die japanische Immunisierungsmethode angestellt.
Nach der Vorschrift von Umeno und Doi wurde der Impfstoff
folgendermaßen hergestellt: Das Gehirn und Rückenmark eines mit
Virus fixe Br. infizierten und auf der Höhe der Lähmung getöteten
Kaninchens (durchschnittlich 5—6 Tage p. inf.) wurden unter mög-
lichst sterilen Kautelen im sterilen Mörser fein zerrieben und in
+lyzerin-Karbolkochsalzlösung (60 Teile Glyzerin, 40 Teile physio-
Mießner u. Baars, Immunisierung gegen Lyssa der Hunde mit Lyssin. 95
logische Kochsalzlösung mit 1,25proz. Karbolsäurezusatz) suspendiert.
Nach sorgfältigem Mischen blieb die Suspension in steriler Flasche
aufbewahrt 14 Tage bei Zimmertemperatur (17—22° C) stehen und
wurde dann zur Impfung verwendet, die subkutan an 2 Stellen beider
Schultern erfolgte. Wir haben in unseren Versuchen ohne Unterschied
des Gewichts der Hunde, das im Minimum 31/, kg betrug, 5 ccm
Impfstoff pro Hund injiziert. Diese Menge Impfstoff entspricht etwa
1,1 g Virus fixe, wenn durchschnittlich 13 g Gehirn und Rücken-
mark eines Kaninchens zur Herstellung des Impfstoffes verwendet
wird. Gleichzeitig mit der Impfung wurden zu jeder Versuchsreihe
2 Kaninchen subdural infiziert, um die Virulenz des injizierten Impf-
stoffes nachzuprüfen.
Um über die Dauer der Virulenz des Impfstoffes unterrichtet
zu sein, wurden Kaninchen subdural zu verschiedenen Zeiten mit
0,1 ccm Impfstoff infiziert, und zwar sowohl mit solchem, der durch
l4tägigen Zimmeraufenthalt der Abschwächung ausgesetzt war, als
auch mit solchem, der 30 Tage lang im Eisschrank gestanden hatte.
Beide Impfstoffe blieben bis 50 Tage nach der Herstellung virulent.
Der Tod der infizierten Kaninchen erfolgte-7—10 Tage p. inf., während
Kaninchen, die mit frischem Virus fixe Br. subdural infiziert wurden,
am 6.—7. Tage p. inf. verendeten.
Versuch 11: Am 4. 4. 1925 wurden 10 Hunde, von denen 7 Hunde über
und 3 unter 10 kg im Minimo 6 kg wogen, mit 5 ccm Impfstoff subkutan ge-
impft. Fälle von Tnpftollwut ereigneten sich nicht. 1 Hund (13,5 kg) verendete
11 Tage nach der Impfung interkurrent ohne Lähmungen oder sonstige Erschei-
nungen, die aut Lyssa schließen ließen, gezeigt zu haben. Die eingehende Unter-
suchung aut Tollwut sowie die Tierversuche an Kaninchen und Meerschweinchen
verliefen negativ. 7 Impflinge bekamen 4—7 Tage nach der Impfung nässende
Ekzeme und Hautentzündungen einseitig oder beiderseitig an den Appli-
kationsstellen des Impfstoffes, die bald ohne Behandlung abheilten. Am 7. 5. 1925
wurden 9 geimpfte Hunde zusammen mit 3 Kontrollhunden und 2 Kontroll-
kaninchen mit Straßenvirus infiziert. Die geimpften Hunde erkrankten nicht, von
den Kontrolltieren verendete 1 Hund 21 Tage post inf. und 2 Kaninchen 29—33
Tage post inf. an Wut.
ersuch 12: Am 5.5. 1925 wurden gleichfalls 10 Hunde, von denen 9
Hunde über 10 kg und 1 Hund 9 kg wogen, in gleicher Weise wie in Versuch 11 ge-
impft. Auch in dieser Versuchsreihe traten bei 2 Hunden Hautekzeme an fet
Applikationsstelle des Impfstoffes auf, die primiir verheilten, 1 Hund (16,5 kg) ver-
este 13 Tage nach der Impfung an paralytischer Impflyssa. Die übrigen 9 Hunde
wurden am 8. 6. 1925 zusammen mit 2 Kontrollhunden und 2 Kontrollkaninchen
infiziert. Ein Impfling wurde von seınen Stallgenossen 45 Tage post inf. totgebissen
und einer hatte sich 75 Tage post inf. an seiner Kette aufgehängt. Die übrigen 7
Hunde blıeben und. Aber auch die Kontrollhunde erkrankten nicht und nur
1 Kontrollkaninchen verendete 25 Tage post inf. an Wut. Bei einer abermaligen
Infektion der geimpften Hunde und nicht erkrankten Kontrollhunde zusammen
mit 4 neuen Pontrolihunden und 2 Kontrollkaninchen am 21. August 1925 er-
krankten 3 neue Kontrollhunde und die beiden Kontrollkaninchen an Wut, die
Hunde 17—52 Tage post inf., die Kaninchen 16—25 Tage post inf. Die 7 geimpften
Hunde und die im ersten Infektionsversuch verwendeten beiden Kontrollhunde blieben
und. Es waren also die beiden im ersten Infektionsversuch verwendeten Kontroll-
unde durch die erste Einspritzung von Straßenvirus immunisiert. Daher kann auch
das Gesundbleiben der 7 Impflinge im Anschluß an die 2. wirksame Infektion mit
EM nıcht ohne weiteres der japanischen Impfmethode zugute geschrieben
werden.
Versuch 13: Am 30. 5. 1925 wurden abermals 10 Hunde, von denen
5 über und 5 unter 10 kg wogen, wie in den beiden Vorversuchen geimpft. Auch
in dieser Versuchsreihe traten bei 3 Hunden Hautekzeme auf. Impftollwut
wurde nicht beobachtet. 1 Hund verendete interkurrent 3 Tage nach der mpiung
an Staupe. Die übrigen 9 Hunde wurden zusammen mit 4 Kontrollhunden un
2 Kontrollkaninchen am 21. 8. 1925 infiziert. Die geimpften Hunde blieben gesund;
96 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
3 Kontrollhunde und 2 Kontrollkaninchen depen verendeten an Wut, die Hunde
7—52 Tage post inf., die Kaninchen 16—25 Tage post inf.
Versuch 14: Am 5. 1. 1926 wurden nochmals 10 über 10 kg schwere
Hunde in gleicher Weise geimpft. Impftollwut wurde nicht beobachtet. 2 Hunde
zeigten 4 Tage nach der Impfung wiederum Ekzeme an der Applikationsstelle des
Impfstoftes. S Hunde verendeten interkurrent infolge von BiBverletzungen 10—37
Tage nach der Impfung. Durch histologische Untersuchung und Tierversuch wurde
Impflyssa aus; ossen. Die iibrigen 8 Hunde wurden gleichzeitig mit 3 Kontroll-
hunden und Kontrollkaninchen am 22. 2. 1926 infiziert. Die pou ften Hunde
erkrankten nicht, von den Kontrolltieren dagegen verendeten 2 Hunde (17 Tage
post inf.) und die beiden Kaninchen (19—25 Tage post inf.) an Wut.
Tabelle V. j
Versuche mit karbolisiertem Glyzerinvirus (Umeno und Doi).
| © a | u | À à b
_ | | 3 E Ss | = E > 2 Infizierte Kontrolltiere
5 | Impfun | 5,4 =e = S: Ass e= =
ee es |S) S| 83) 868) ym! Infizierte | An Tollwut
2 |Impfstof | a3|25 |E | Z wS | DE + | verendet
= 48) gu 1/33) 22%) C83 |__ ZE
= | Naja | 4 Ss | wag 3 Fre
5 lwie oft?) wieviel B| a4 8 SA © == Hunde Kanin- | Hundal Kanin-
| wie? |Impfstoff\ | |£ >g 48 | chen chen
11|Vace. 159)1 X sk | 5 ccm =| 10 — | 1 9 =| Be 2 04 | 2
| | 1,1 gVirus er
12} „ 283 , à 10 | 1 9 = L20 127) |—@/1¢@
13; „ 357 „ éi 10. | = 1 9 = 4 2 a. 2
14 „ 664 „ a; 10° || = 2 8 — 3 2 SA2
Ergebnis der Versuche 11—14.
Von 40 nach der japanischen Methode (Umeno und Doi) mit
5 ccm Impfstoff subkutan immuniserten Hunden verendete 1 Hund
(16,5 kg) an Impftollwut und 4 Hunde starben interkurrent. 35 ge-
impfte Hunde wurden zusammen mit 12 Kontrollhunden und 8 Kon-
trollkaninchen infiziert. Von den Impflingen starben 2 Hunde (Vers. 12)
interkurrent, 45 bzw. 77 Tage p. inf. Die restlichen 33 Hunde blieben
gesund. Von den Kontrolltieren hingegen verendeten 7 Hunde und
7 Kaninchen an Wut (s. Tab. V).
Zusammenfassung.
Die präinfektionellen Immunisierungsversuche, Methode U men o
und Doi, haben ergeben, daß
1. der japanische Impfstoff einen sicheren Schutz gegen die
spätere intramuskuläre Wutinfektion verleiht; — 2. jedoch die an-
gegebene Impfdosis unter Verwendung von Virus fixe Br. (Breslau) zu
groß ist, so daß eine Impferkrankung nicht auszuschließen ist; —
3. der Impfstoff gibt wahrscheinlich infolge seines Glyzeringehaltes
vielfach zu Hautentzündungen oder Abszessen in der Umgebung der
Impfstelle Veranlassung.
C. Versuche mit Trockenvirus „Lyssin“.
Es ist wohl anzunehmen, daß sich durch Herabsetzung der Impf-
dosis des japanischen Impfstoffes unter 1 g Gehalt an Virus fixe Br.
Fälle von Impftollwut vermeiden lassen. Wir haben jedoch von solchen
Versuchen Abstand genommen, da der Impfstoff nicht von allen Hunden
ohne Lokalreaktion (nässende Ekzeme, Abszesse) vertragen wurde und
wir bestrebt waren, möglichst einen Impfstoff zu verwenden, dessen An-
Mießner u. Baars, Immunisierung gegen Lyssa der Hunde mit Lyssin. 97
wendungsdauer nicht wie bei der japanischen Vakzine nur auf 2 bis
3 Wochen beschränkt ist. Ein länger haltbarer und leicht versandfähiger
Impfstoff war das von Mießner 1912 hergestellte Lyssin. Seine
immunisatorische Fähigkeit war bisher noch nicht genügend erprobt und
wurde deswegen in den folgenden Versuchen geprüft.
a) Herstellung von „Lyssin‘“.
Das unter sterilen Kautelen entnommene Gehirn und Rückenmark
von Virus fixe-Kaninchen wird im Mörser fein zerrieben. Um die
klebrige Beschaffenheit, welche ‘die Nervensubstanz auch nach der
Trocknung infolge ihres Fettgehaltes beibehält, zu beheben, setzt man
Kreidepulver hinzu. Dadurch erhöht sich gleichzeitig die Emulgier-
barkeit des fertigen Trockenpulvers in physiologischer Kochsalzlösung
zum Zwecke der Impfung. Auf 5 Teile Nervensubstanz kommt 1 Teil
Kreidepulver, beide werden zu einem gleichmäßig dicken Brei ver-
rieben. Diese Masse wird unter allmählicher Zugabe der dreifachen
Menge physiologischer Kochsalzlösung zu einer graugelblichen Flüssig-
keit aufgeschwemmt, und durch ein feines Drahtsieb in eine Trocken-
schale filtriert. Die Schale wird in den Faust-Heimschen Exsik-
kator gestellt, woselbst die völlige Trocknung bei einer Temperatur
von 25° innerhalb 24 Std. zu erfolgen hat. Die konstante Tempe-
ratur ist genau zu beachten, höhere Temperaturen als
30° C gefährden die Virulenz des Lyssins. Der an dem
Schalenboden angetrocknete Brei wird darauf mit einem Spatel los-
gestoßen, im Mörser zu Pulver verrieben und gewogen. 0,364 g Kreide-
lyssin entspricht jetzt 1 g frischem Virus fixe. Die Aufbewahrung des
Lyssins erfolgt im Eisschrank in kleinen Pulverfläschchen, die mit
Korkstopfen verschlossen und durch Paraffin abgedichtet sind. Das
Lyssin hat neben dem Vorteil der langen Haltbarkeit durch seine
pulverförmige Beschaffenheit die Annehmlichkeit einer einfachen Auf-
bewahrung und bequemen Versandmöglichkeit. Zur Impfung wird das
Lyssin im Mörser unter allmählicher Zugabe der dreifachen Menge
steriler physiologischer Kochsalzlösung zu‘ einer gleichmäßigen Flüssig-
keit verrieben.
b) Virulenzprüfung des „Lyssin“.
Für erfolgreiche Immunisierungsversuche war nach unserer Auf-
fassung ein nach subduraler Applikation beim Kaninchen Tollwut
erzeugender Impfstoff unbedingt erforderlich. Infolgedessen wurde das
Lyssin vor und gleichzeitig mit den Immunisierungsversuchen auf seine
Pathogenität am Kaninchen stets geprüft. Schon in den Bromberger
Versuchen wurde nachgewiesen, daß Lyssin noch nach 52 Tagen Toll-
wut hervorzurufen vermag. Es wurde infolgedessen verschieden altes
Lyssin an zahlreichen Kaninchen geprüft. Das für die Immuni-
sierungsversuche verwendete Lyssin tötete Kaninchen
subdural stets in 6—9 Tagen. Es war in unseren Versuchen noch
84tägiges Lyssin Kaninchenpathogen, während darüber hin-
aus bald Avirulenz eintrat. Meerschweinchen scheinen noch empfind-
licher zu sein und verendeten nach subduraler Infektion mit einem
104tägigen Lyssin an Tollwut.
Versuche, das Lyssin in braunen Ampullen im Vakuum unter Ent-
ziehung von Sauerstoff durch Pyrogallol und Kalilauge noch über diese
Zeit hinaus zu konservieren, hatten keinen Erfolg.
Erste Abt. Orig. Bd. 101. Heft 1/3. 7
98 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Unser Lyssin wurde stets mit dem Stamm Virus fixe Br. (Breslau)
hergestellt und mit den Nummern der infizierten Kaninchen bezeichnet.
Den ersten 5 Lyssinen war Kreide nicht beigemengt, das letzte Lyssin
enthielt Kreide in der vorher angegebenen Menge. Da das Kreide-
lyssin sich vorzüglich bewährt hat, so empfehlen wir künftig nur
Kreidelyssin zu verwenden.
Es sei nochmals betont, daß das Lyssin unter strengsten aseptischen
Kautelen gewonnen sein muß und seine Trocknung schnell und bei
Temperaturen unter 30° C zu erfolgen hat.
Tabelle VI enthält 6 Virulenzprüfungsversuche für Lyssin.
Tabelle VI.
Virulenzprüfung des „Lyssin“.
Versuche an Kaninchen Versuche an Meerschweinchen
Lyssin
Dauer der | Inkubations- Dauer der | Inkubations-
Virulenz | zeit Virulenz | zeit
Nr. 179/180 61 Tage | 5—8 Tage | -— | —
„ 234/237 TE 95 5—6 ,„ | 83 Tage 5 Tage
48 63 |: Anan ai 103 „ | ee
49 | 8 , 68 a OM Ge | Ge
118 \ wk 2 4—5 À, Alu, el 3684
118 + Kreide AL" 2 5—7 , — | —-
|
c) Immunisierungsversuche mit ,Lyssin“.
Das Lyssin wurde einmal subkutan appliziert, nur im Ver-
suche 15 wurde die intraabdominale Impfung gewählt. Zur Prüfung
der Virulenz des Impfstoffes wurden jeweils gleichzeitig mit der Impfung
der Hunde einer Versuchsgruppe, zwei Kaninchen subdural infiziert;
sämtliche Kaninchen gingen in 6—9 Tagen an Tollwut ein. Die
Virulenzprüfung ist bei den Versuchen nicht mit angeführt.
Wir haben Immunisierungsversuche zunächst bei 30 Hunden mit
Lyssin wechselnden Alters (32, 48 und 63 Tage alt) unter Verwendung
verschiedener Impfdosen von 0,5 bis 2,5 g Virus (berechnet auf frisches
Virus fixe) angestellt.
Versuch 15: Am 14. 1. 1925 wurden 6 Hunde, von denen 2 über und 4
unter 10 kg wogen, mit 32 Tage altem Lyssin (Nr. 179/180) intraabdominal ge-
impft. 3 Hunde erhielten je 1,5 Virus und 3 Hunde je 1 g Virus (berechnet
auf frisches Virus fixe Br.). 1 Hund (8,5 kg), der 1,5g Virus erhalten hatte,
erkrankte 7 Tage nach der Impfung an paralytischer Impftollwut und verendete
nach fünftägiger Krankheit. Die übrigen 5 Hunde blieben gesund. Am 11. 2. 1925
wurden weitere 4 Hunde, von denen 1 Hund über und 3 Hunde unter 10k
wogen, geimpft, gegenüber den oben aufgeführten Hunden jedoch mit dem Unterschied.
daß die Impfdosis pro Hund mit 0,1 g Virus (berechnet auf frisches Virus fixe)
aut 1kg Körpergewicht bestimmt wurde. Der größte Hund erhielt danach die
Impfdosı3 von 1,2 g Virus, der kleinste eine solche von 0,45 g. Virus. Bei diesen
4 Hunden ereignete sich kein Fall von Impftollwut.
Am 7. 3. 1925 wurden die 9 geimpften Hunde zusammen mit 2 Kontroll-
hunden und 2 Kontrollkaninchen infiziert. Von den zuerst geimpften 5 Hunden
erkrankten darauf 2 Hunde (6,5 kg und 5,5 kg), die mit 1g Virus immunisiert
waren, 10—13 Tage post inf. an Wut, davon 1 Hund unter Erscheinungen der
rasenden Wut, so daß er mehrere andere Hunde seiner Versuchsgruppe biß. Die
übrigen Hunde blieben gesund, während die beiden Kontrollhunde und Kontroll-
Ken an Wat verendeten. Die Hunde 14—158 Tage post inf., die Kaninchen
= post inf.
Versuch 16: Am 24. 2. 1925 wurden weitere 10 Hunde, von denen 5 über
und 5 unter 10 kg wogen, mit 48 Tage altem Lyssin (Nr. 234/237) subkutan ge-
Mießner u. Baars, Immunisierung gegen Lyssa der Hunde mit Lyssin. 99
impft. Die Impfdosis betrug 0,1 5 Virus (berechnet auf frisches Virus fixe) auf
l kg Körpergewicht. So wurden Dosen von 0,75—2,5 g Virus angewendet. Es
erkrankte daraut 11 Tage nach der Impfung ein 22,5 kg schwerer Hund, der die
größte Impfaosis mit 2,5 g Virus erhalten hatte, an paralytischer Impftollwut und
verendete am 13. Tage nach der Impfung. Die übrigen 9 geimpften Hunde wurden
am 28. 3 1925 zusammen mit 3 Kontrollhunden und 2 Kontrollkaninchen infiziert.
Die Impflinge blieben bis auf 1 Hund, der am 10. 5. 1925 interkurrent an Staupe
verendete, gesund. Von den Kontrolltieren hingegen verendeten 2 Hunde 15 bis
17 Tage post inf. und die beiden Kaninchen 24—65 Tage post inf. an Wut.
Aus diesem Versuch ging hervor, daß man mit einer auf das
Körpergewicht nach dem Verhältnis von 0,1 g Virus auf 1 kg Körper-
gewicht abgestimmten Impfdosis nicht zum Ziele kommt, denn auch in
diesem Falle erkrankte ein Hund, der entsprechend seinem Gewicht
über 1 g Virus erhalten hatte, an Impftollwut. Verfolgt man die in
den bisherigen Versuchen aufgetretenen Fälle von Impftollwut, so er-
kennt man, daß sie nur Hunde betreffen, denen über 1 g Virus fixe
eingespritzt worden war, und daß dabei die Größe des Hundes ohne
Bedeutung war. Die 7 bis dahin beobachteten Fälle von Impftollwut
bezogen sich auf:
1. Versuchsreihe 4: 1 Hund;
Versuchshund Nr. 131, 6,5 kg, geimpft: einmal intraabdominal mit 2g
frischem Virus fixe B II.
2. Versuchsreihe 5: 3 Hunde;
a) Versuchshund Nr. 156, 7,5 kg, geimpft: einmal intraabdominal mit 2 g
frischem Virus fixe Br.,
b) Versuchshund 158, 8 kg, geimpft: einmal intraabdominal mit 3 g frischem
Virus fixe Br.,
c) Versuchshund Nr. 159, 11 kg, geimpft: einmal intraabdominal mit 3 g
frischem Virus fixe Br.,
3. Versuchsreihe 12: 1 ‘Hund;
Versuchshund Nr. 350, 16,5 kg, geimpft: einmal subkutan mit 5 ccm jap.
Impfstoff = 1,1 g Virus fixe.
4. Versuchsreihe 15: 1 Hund;
Versuchshund Nr. 24, 8,5 kg, geimpft: einmal intraabdominal mit 32 Tage
altem Lyssin = 1,5 g Virus fixe Br., berechnet auf frisches Virus fixe.
5. Versuchsreihe 16: 1 Hund;
Versuchshund Nr. 106, 22,5 kg, geimpft: einmal subkutan mit 48 Tage
altem Lyssin = 2,5 g Virus, berechnet auf frisches Virus fixe Br.
Danach scheint bezüglich des Virus fixe Br. die ver-
tragliche Grenzdosis fiir Hunde ohne Unterschied der
Größe bei 1 g Virus zu liegen. Wir sind in den nun
folgenden Versuchen über diese Impfdosis nicht mehr
hinausgegangen.
Versuch 17: Am 11. 3. 1925 wurden 10 Hunde, von denen 5 über und 5
unter 10 kg wogen, mit 63 Tage altem Lysin (234/237) subkutan geimpft. Die
über 10 kg wiegenden Hunde erhielten 1 g, die übrigen 0,5 $ Virus. Fäle von Impf-
tollwut wurden nicht beobachtet. 1 Hund (4,5 kg) verendete interkurrent 4 Tage
nach der Impfung infolge Staupe. Die übrigen Hunde wurden am 18. 4. zu-
sammen mit 3 Kontrollhunden und 2 Kontrollkaninchen infiziert. 1 geimpfter
Hund verendete darauf 11 T post inf. interkurrent an Staupe. Die übrigen ge-
impften Hunde blieben gesund, während sämtliche Kontrolltiere an Wut verendeten;
die Hunde 19—22 Tage post inf., die Kaninchen 17—18 Tage post inf.
Bis 63 Tage altes Lyssin hatte also in 3 Versuchsreihen zu je 10
Hunden seine immunisierenden Eigenschaften dargetan. Die nun folgen-
den Versuche dienten der Bestimmung der Impfdosis und der Erprobung
des Impfverfahrens mit Lyssin als Impfstoff.
Versuch 18: Am 30. 6. 1925 wurden 10 Hunde subkutan mit 10 T
altem Lyssin (+ Kreide, Nr. 465/466) geimpft. Alle Hunde erhielten die gleiche
Impfdosis von 0,5 g Virus (berechnet auf frisches Virus fixe). Von den geimpften
7*
100 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Hunden verendete 1 Hund (18,5 kg) 26 Tage nach der pr a interkurrent durch
Verblutung in die Bauchhöhle infolge Trächtigkeit. Die übrigen 9 Hunde wurden
am 21. 8. 1925 zusammen mit 4 Kontrollhunden und 2 Kontrollkaninchen infiziert.
Die Impflinge blieben gesund, dagegen verendeten 3 Kontrollhunde 17—52 Tage post
inf. und 2 Kaninchen 16—21 Tage post inf. an Wut.
Die in der Impfdosis enthaltenen 0,5 g Virus fixe hatten also bei
9 geimpften Hunden ohne Unterschied des Gewichts eine sichere
Immunität gegen die 6 Wochen später erfolgende Infektion mit Straßen-
virus erzeugt.
Versuch 19: Am 4. 8. 1925 wurden 10 Hunde, von denen 8 über und 2
unter 10 kg wogen, mit 12 Tage altem Lyssin (+ Kreide, Nr. 527) subkutan ge-
impft. Alle Hunde erhielten die gleiche Impfdosis, in der 1 g Virus fixe (be-
rechnet auf frisches Virus fixe) enthalten waren. 1 geimpfter Hund (24 kg)
verendete 6 Tage nach der Impfung interkurrent infolge Geburtsstörungen. Die
übrigen 9 ee Hunde wurden am 20. 9. zusammen mit 3 Kontrollhunden und
2 Kontrollkaninchen infiziert. 1 Impfling verendete interkurrent durch Bißver-
letzungen von seinen Stallgenossen 21 Tage post inf.; die übrigen geimpften Hunde
blieben am Leben. Die Kontrolltiere dagegen verendeten sämtlich 15—19 Tage
post inf. an Wut.
Die Impfdosis von 1 g Virus fixe (berechnet auf frisches Virus
fixe) war also von allen Hunden ohne Unterschied der Größe reaktions-
los vertragen und hatte eine sichere Immunität hervorgerufen. Es war
mithin bewiesen, daß die einmalige Impfung mitLyssin unter
Verwendung der Einheitsdosis von 1 g Virus fixe einen
sicheren Schutz gegen die spätere intramuskuläre In-
fektion erzeugt. Nicht genügend geklärt war jedoch die Sicherung
der Vermeidung von Impflyssa durch dieses Impfverfahren. Da, wie
aus den bisherigen Versuchen hervorging, die Dosis von 1 g Virus die
obere Grenze der dosis tolerata des Virus fixe Br. für den Hund dar-
stellt, haben wir, um diese Grenze nicht zu erreichen unter Verwendung
von Lyssin als Impfstoff eine Dosis von 0,9 g Virus (berechnet auf
frisches Virus fixe) angewendet und diese Dosis in weiteren Versuchen
an 70 Hunden ausgeprüpft.
Versuch 20: Am 4. 12. 1925 wurden 10 Hunde mit 30 Tage altem Lyssin
(+ Kreide, Nr. 610/611) subkutan geimpft. Die Impfdosis betrug für alle Hunde
ler 0,9 g Virus fixe (berechnet auf frisches Virus fixe). Alle geimpften
Hunde blieben gesund und wurden am 31. 12. 1925, 26 Tage nach der Impfung,
zusammen mit 3 Kontrollhunden und 2 Kontrollkaninchen infiziert. Die geimpften
Hunde blieben am Leben. Von den Kontrolltieren verendeten 2 Hunde 13—16 Tage
post int., und die beiden Kaninchen 21—25 Tage t inf. an Wut. Der dritte
Kontrollhund erkrankte am 28. Tage post inf. unter Unruheerscheinungen, Juckgefiihl
an der Infektionsstelle, das er durch Kratzen und Beißen zu befriedigen suchte,
Schwäche im Kreuz und Trippeln beim Erheben. Im Laufe der nächsten 8 Tage
besserte sich der Hund völlig; am 47. Tage wurde er durch Chloroform getötet
und sein Gehirn histologisch und durch Tierversuch an einem Kaninchen und einem
Meerschweinchen untersucht. Die Untersuchung verlief negativ.
Versuch 21: Am 5. 12. 1925 wurden 10 Hunde mit 30 Tage altem Lyssin
(+ Kreide, Nr. 610/611) subkutan wie im Vorversuch geimpft. Impftollwut wurde
nicht beobachtet. 1 Hund (14 kg) verendete interkurrent an Staupe. Die übrigen
9 Hunde wurden am 25. 1. 1926 zusammen mit 3 Kontrollhunden und 2 Kontroll-
kaninchen infiziert. Von den geimpften Hunden verendete 1 Hund 2 Tage nach
der Intektion an Staupe. Die histologische Untersuchung und der Tierversuch ver-
liefen negativ. Die übrigen gom often Hunde blieben am Leben. Von den Kontroll-
hunden verendete nur ein Hund 60 Tage post inf., das Kaninchen 81 Tage post
int. an Wut.
Versuch 22: Am 9. 1. 1926 wurden 10 Hunde, von denen 6 über und
4 unter 10 kg wogen, mit 30 Tage altem Lyssin (+ Kreide, Nr. 637/38) wie im
vorigen Versuche subkutan geimpft. Ein geimpfter Hund (5 kg) verendete 11 Tage
nach der Impfung interkurrent infolge Pyiimie durch Bißwunden. Die Untersuchun
des Gehirnes sowohl histologisch wie im Tierversuch an 2 Meerschweinchen verlie
negativ. Die übrigen 9 Impflinge wurden am 22. 2., 44 Tage nach der Impfung,
Mießner u. Baars, Immunisierung gegen Lyssa der Hunde mit Lyssin. 101
zusammen mit 3 Kontrollhunden und 2 Kontrollkaninchen infiziert. Von den ge-
impften Hunden verendete 1 Hund (16 kg) interkurrent am 30. Tage post inf.,
ohne Krankheitserscheinungen gezeigt zu haben. Bei der Zerlegung wurde ein
Zwerchtellriß mit Verblutung in Brust- und Bauchhöhle festgestellt. Die übrigen
Hunde blieben und, während 2 Kontrollhunde und 2 Kontrollkaninchen 15 bis
23 I post inf. an Wut verendeten.
e
rsuch 23: Am 19. 1. 1926 wurden 10 Hunde mit 30 Tage altem Lyssin
(+ Kreide, Nr. 664) wie im vorigen Versuch subkutan geim ft. Die Impflinge
wurden 35 Tage nach der Impfung zusammen mit 3 Kontrol iriden und 2 Kontroll-
kaninchen infiziert. Die geimpften Hunde blieben am Leben, von den Kontrolltieren
dagegen verendeten 2 Hunde (13—16 Tage post inf.) und beide Kaninchen (16 bis
30 Tage post int.) an Wut.
Vesoul 24: Am 6. 4. 1926 wurden 10 Hunde, von denen 7 über und
3 unter 10 kg wogen, mit 6 Tage altem Lyssin (+ Kreide, Nr. 107) wie im vorigen
Versuche subkutan geimpft. Die Impilinge wurden 47 Tage nach der Impfung
zusammen mit 3 Kontrollhunden und 2 Kontrollkaninchen infiziert. Die geimpften
Hunde und die Kontrollhunde blieben am Leben, und nur 1 Kaninchen verendete
21 Tage post inf. an Wut. Da die Kontrollhunde nicht erkrankten, gibt uns dieser
Infektionsversuch keinen Aufschluß über den durch die Impfung erzeugten Im-
munisierungseffekt.
Versuch 25: Am 26. 5. 1926 wurden 10 Hunde mit 10 Tage altem Lyssin
(+ Kreide, Nr. 168) wie im vorigen Versuche subkutan geimpft. Von den ge-
impften Hunden verendeten 3 Hunde (6 kg, 19,5 kg und 24,5 kg) interkurrent
14—25 Tage nach der Impfung an Staupe, die epidemieartig in den heißen Sommer-
tagen auftrat. Die bitolsgische Untersuchung der Gehirne sowie Tierversuche an
Kaninchen und Meerschweinchen verliefen negativ. 5 geimpfte Hunde wurden
am 29. 7. zusammen mit 3 Kontrollhunden und 2 Kontrollkaninchen infiziert; 2 ge-
impfte H@nde blieben zwecks späterer Infektion weiter unter nn. ie
penpan Hunde blieben gesund, während von den Kontrolltieren, 2 Hunde und
Kaninchen an Wut verendeten.
Versuch 26: Am 22. 6. 1926 wurden 10 Hunde mit 10 Tage altem Lyssin
-+ Kreide, Nr. 212) wie im vorigen Versuche subkutan geimpft. Die geimpften
unde blieben gesund. 7 geimpfte Hunde wurden 37 Tage nach der Impfung
zusammen mit 3 Kontrollhunden und 2 Kontrollkaninchen infiziert. 3 geimpfte
Hunde blieben zwecks späterer Infektion weiter unbehandelt unter Beobachtung.
Die geimpften Hunde blieben gesund, von den Kontrolltieren dagegen verendeten
2 Hunde und 2 Kaninchen an Wut.
Tabelle VII.
Versuche mit Trockenvirus „Lyssin“.
| sl. le [88 lus |
4 | SIs S 35 [252 Infizierte Kontrolltiere
Š “el E > las |de3
= Impfung SH ale lS s|”E g = 5 et
2 Sa S EU u,” on n ollwu
a | Impfstoff a8 es ES z PE 337 Infigierte | verendete
< wieoft?!| wievie 5 8 2 [Seq anin- | ‚| Kanin-
=| wie? | Impfstoff | ‘& 4 |s = g 158 © Hunde, hen |Hunde| chen
| | tes ms | = ie = se
15| Lyssin |1 X ia|0,45—1,5 g| 10 1(1,5g) — | 9 | 2 2 se Tie | 78
132 Tage alt) | | | |
16| Lysin 1Xsk 05-258 10 15g —| 9 | — | 3 Be
48 Tage altı | | | | | |
17 Lyssin 0,5—1,0 g| 10 te | od 9 | | 3 2 | 3 2
63 Tage alt | | |
18! gs = es 0,5 g 10; — 1 9 [res 1 2 3 2
(+ Kreide)| |
19 % lg 10 EI 8 = 3 2 3 2
20) é 09 g or Veal me 3 œ | (2 2
21| u z; O re à 9 3 2: 3 1
22| „ » 10; — 1 | 9 _ 3 4 2 2
23 : , 10| — — 10 - 3 2 2
24| 7 oh E Se oe) E e S 2 > 1
25| Er fe, 10 = 3 5 = 3 2 2 2
26 » Mi, m 10 — — 7 _ 3 2 2 2
102 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Die in den Versuchen 20—26 angewendete Impfdosis,
die einer Virusmenge von 0,9 g frischem Virus fixe ent-
spricht, hat sich somit an 70 Hunden als völlig gefahr-
los erwiesen.
Ergebnisse der Versuche 15—26.
a) Impfung: Es wurden in 12 Versuchsreihen 120 Hunde mit
Lyssin einmal subkutan geimpft. Von ihnen wurden 50 Hunde
(Versuchsreihe 15—19) mit Dosen geimpft, die einer Virusmenge von
0,45 bis 2,5 g frischem Virus fixe entsprachen, während 70 Hunde
(Versuchsreihe (20—26) einheitlich eine Impfdosis mit 0,9 g Virus
fixe-Gehalt erhielten.
Von den 120 Impflingen verendeten zwei der Versuchsreihen 15
und 16, die die größten Virusdosen (1,5 und 2,5 g) erhalten hatten, an
Impftollwut, und 8 Hunde starben interkurrent. Sieht man von den in
den orientierenden Vorversuchen 15—16 verwendeten zu hohen Dosen
ab, so haben alle 100 Hunde der Versuchsreihe 17—26 die Imp-
fung mit 0,9—1,0 g Virus fixe gut vertragen.
b) Infektion. 105 Impflinge wurden zusammen mit 36 Kontroll-
hunden und 24 Kontrollkaninchen infiziert, 5 Hunde blieben zwecks
späterer Infektion unbehandelt weiter unter Beobachtung. Im Versuch 24
erkrankten die Kontrollhunde nach der Infektion nicht. Sehenewir von
diesem Infektionsversuch an 10 geimpften und infizierten Hunden,
sowie an 3 Kontrollhunden und 2 Kontrollkaninchen ab, so verbleiben
für die Beurteilung der durch die Impfung bewirkten Immunität
95 geimpfte Hunde. Von diesen 95 Hunden erwiesen sich 93 Hunde
immun, 2 Hunde verendeten infolge der Infektion an Wut. 5 Hunde
gingen im Laufe der 6monatigen Beobachtungszeit, aber später als
die Kontrollhunde interkurrent ein. Tollwut als Todesursache konnte
bei ihnen durch histologische Untersuchung und Tierversuch sicher
ausgeschlossen werden. Von den dazu gehörigen 33 Kontrollhunden
und 22 Kontrollkaninchen verendeten 24 Hunde und 21 Kaninchen
an Wut. Mithin haben sich von 95 Impflingen 93 gegen eine wirk-
same Tollwutinfektion geschützt erwiesen. (S. Tabelle VII.)
Zusammenfassung.
Die präinfektionellen Immunisierungsversuche mit Lyssin haben
ergeben, daß
1. die Impfung bei Verwendung einer Dosis, die einer Virusmenge von
0,9 g frischem Virus fixe Br. entspricht, ohne Rücksicht auf Größe,
Alter und Gewicht der Hunde, gefahrlos ist, 2. das Lyssin Schutz gegen
die spätere künstliche intramuskuläre Infektion verleiht, 3. das Lyssin
mindestens 63 Tage lang als Impfstoff verwendet werden kann.
D. Versuche über die Dauer der Immunität.
Zwecks Feststellung der Dauer der Immunität hatten wir aus den
ersten 10 Versuchsreihen 12 geimpfte Hunde unbehandelt unter Be-
obachtung gehalten. Von den 12 Hunden standen uns am Tage der In-
fektion noch 8 Hunde zur Verfügung (s. Tab. VIII). 4 Hunde waren
in der bis 14 Monate zurückreichenden Beobachtungszeit interkurrent
an Staupe, Pneumonie, Lymphosarkomatose, verendet. Am 20. 9. 1925,
Mießner u. Baars, Immunisierung gegen Lyssa der Hunde mit Lyssin. 103
8—14 Monate nach der Impfung wurden die restlichen 8 Hunde zu-
sammen mit 3 Kontrollhunden und 2 Kontrollkaninchen infiziert.
Alle
Kontrolltiere verendeten an Wut, dagegen blieben die geimpften Hunde
sämtlich am Leben (s. Tab. VIII).
Tabelle VIII.
Dauer der Immunität.
“|
A Hund
| I isiert Infiziert i
À v ekara mmunisie nfizie Ergebnis
J
aj Nr. 84 31. 7. 24| 1X2 g Virus| 20. 11. 25 |0,5 g virus de rue 64 lebt
| Wersuchsreihe 1 fixe B Iia nach 14 Mon.
2] Nr. 121 15. 10. 24 1X3 g Virus | 20. 11. 25 dgl. p
| Versuchsreihe 3 fixe Bllia nach 11 Mon.
3 Nr. 129 21. 10. 24 13 g Virus | 20. 11. 25 jj a
Versuchsreihe 4 ixe BIlia nach 11 Mon.
4 Nr. 169 24. 11. 24| 2X1 g Virus | 20. 11. 25 r N
| Versuchsreihe 6 | 2. 12. 24| fixe Br.ia {nach 10 Mon.
5 Nr. 190 11. 12. 24/1 X 1,5 Virus 20. 11. 25 xA A
Versuchsreihe 7 ixe Br.ia nach 9 Mon.
6 Nr. 192 11. 12. 24| 1X1 g Virus | 20. 11. 25 j $
Versuchsreihe 7 fixe Br.ia nach 9 Mon.
7, Nr. 207 19. 12. 24| 1X 1 g Virus | 20. 11. 25 R z
| Wersuchsreihe 8 fixe Br.sk nach 9 Mon.
8 Nr. 8 3. 1. 51X1,5 g Virus) 20. 11. 25 5 5
Versuchsreihe 10 ixe Br. ia nach 8 Mon.
9 Kontrollhund = = 20.11.25 |0,5 g virus de rue 64| tot 8. 12. 25 Wut
Nr. 625
0! =>. Kon ttrollhund _ — ä dgl. 01225: .;
Nr. 626
1 Kontrollhund _ — a Pr sed des 2b" 5,
Nr. 627
2, Kontrollkaninchen — — is 0,1 g j E 6: 220 as
| Nr. 628
3 Kontrollkaninchen — — : 9512023. 5
Nr. 629 |
Ergebnis: Der durch die Impfung erreichte Schutz
dehnt sich über 1 Jahr aus.
E. Versuche zur Frage der Uebertragung der Tollwut durch
en geimpften Hund.
Um festzustellen, ob etwa durch den BiB geimpfter Hunde Tollwut
auf andere ungeimpfte Hunde übertragen werden kann, haben wir mit
den geimpften Hunden vom Tage der Impfung an unbehandelte ge-
sunde Hunde in einem Stall zusammengehalten.
Die ungeimpften
Hunde konnten frei zwischen den geimpften Hunden herumlaufen und
waren dadurch der Infektionsgefahr durch die Impflinge in vollem
Maße ausgesetzt. In keinem Falle haben wir trotz mindestens 6monat-
liger Beobachtungszeit auf diese Weise Tollwut übertragen können. Auch
die Versuche im Speichel und im Gehirn der Impflinge durch Tier-
104 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
versuch an Kaninchen und Meerschweinchen bei subduraler und intra-
muskulärer Infektion Wutvirus nachzuweisen, haben in keinem Fall
zu einem positiven Ergebnis geführt.
Es liegen die Verhältnisse hier genau wie beim Menschen, aus
dessen Impfung gegen Tollwut sich bisher auch keine Gefahr für die
Umgebung ergeben, trotz des unendlich großen Erfahrungsmaterials.
Ergebnis: Die Lyssa kann durch gegen diese Seuche
geimpfte und gesunde Hunde weder durch Biß noch
durch Speichel und Gehirn der Impflinge auf gesunde
Tiere übertragen werden.
F. Praktische Anwendung der Lyssinimpfung.
Die an einer so großen Zahl von Hunden erhaltenen Versuchs-
ergebnisse lassen weitere gleichgerichtete Laboratoriumsversuche über-
flüssig erscheinen. Jetzt können u. E. lediglich in der Praxis durch-
geführte Impfungen mit dem nur dort zu erreichenden Zahlenmaterial
und den unter natürlichen Bedingungen obwaltenden Umständen über
die Brauchbarkeit der Impfung in der Bekämpfung der Tollwut ent-
scheiden. Wir stehen weit davon ab, etwa schon heute die Impfung
sämtlicher Hunde des Staatsgebietes zu empfehlen, halten es aber für
angezeigt, in besonders gefährdeten Gegenden, vor allem Grenz-
bezirken vorläufig versuchsweise die Impfung sämtlicher Hunde
durchzuführen. Es handelt sich dabei selbstverständlich nur um eine
präinfektionelle Impfung. Eine postinfektionelle Impfung von
Hunden kommt nicht in Frage. Die bisherigen veterinärpoli-
zeilichen Maßnahmen dürften durch die Impfung vor-
läufig natürlich in keiner Weise berührt werden. Erst
wenn umfangreiche praktische Versuche die Ergebnisse des Labora-
toriumsexperimentes bestätigt haben, wäre eine etwaige Milderung der
seuchenpolizeilichen Vorschriften zu erwägen.
Auf Grund der durch die Versuche erhaltenen Erfahrungen würde
für die praktisch durchzuführende Impfung folgende Arbeitsanweisung
maßgebend sein:
Die Impfung ist einmal subkutan mit Kreidelyssin in der Dosis
von 0,33 g = 0,9 g frischem Virus fixe auszuführen. Aus dem Virus
fixe-Gehirn-Rückenmark eines Kaninchens stellt man durchschnittlich
5,5 g Kreidelyssin her, eine Menge, die zur Impfung von 16,6 Hunden
genügt. Das Kreidelyssin würde zweckmäßig in Flaschen in der ab-
gewogenen Dosis für 10 Hunde trocken vom Institut zu versenden sein.
Vor der Impfung wäre an Ort und Stelle in der mit 2 Marken ver-
sehenen Flasche durch Zusatz von Wasser bis zur Marke 1 (40 ccm)
unter Schütteln mit gleichzeitig in der Flasche enthaltenen Glasperlen
aus dem Kreidelyssin eine gleichmäßig milchige Suspension herzustellen,
die darauf in ein Gefäß abgegossen wird. Danach würde abermals
Wasser in die Flasche bis zur Marke 2 (10 ccm) nachgefüllt, um damit
Glasperlen und Gefäßwänden anhaftendes Lyssin zu entfernen. Auf
diese Weise erhält man 50 ccm Kreidelyssinsuspension, von der je
D cem jedem Hunde subkutan einzuspritzen sind.
Schlußbetrachtung.
1. Die groß angelegten, äußerst mühseligen und gefahrvollen Ver-
suche am Hygienischen Institut der Tierärztlichen Hochschule zu
Hannover, die eine Fortsetzung der früheren Versuche im Kaiser
Mießner u. Baars, Immunisierung gegen Lyssa der Hunde mit Lyssin. 105
Wilhelm Institut zu Bromberg darstellen, sind damit zum Abschluß
gekommen. Es ist erfreulicherweise gelungen, die Grundbedingungen
für ein einfaches Impfverfahren gegen Tollwut der Hunde zu schaffen.
— 2. Nach der von den Japanern Umeno und Doi angegebenen Im-
munisierungsmethode gelingt‘ es, Hunde präinfektionell gegen Wut zu
immunisieren. Die Impfdosis unter Verwendung des uns zur Ver-
fügung stehenden Virus fixe Br. ist jedoch zu groß, wie ein unter 40
geimpften Hunden beobachteter Fall von Impftollwut beweist. Das
Auftreten von Hautentzündungen an der Applikationsstelle des Impf-
stoffes und die kurze Verwendungszeit von 2—3 Wochen sind der all-
gemeinen Einführung der japanischen Methode zur Tollwutimmuni-
sierung hinderlich. — 3. Die präinfektionelle Immunisierung der Hunde
gegen Tollwut gelingt durch subkutane Impfung mit Lyssin. — 4. Das
Lyssin bewahrt seine immunisierenden Eigenschaften mindestens 60 Tage
lang. — 5. Unter Verwendung einer Impfdosis von 0,33 g Kreidelyssin,
die 0,9 g frischem Virus fixe entspricht, ist der Ausbruch von Impf-
tollwut nicht zu befürchten. Dabei ist es gleichgültig, ob 1tägiges oder
älteres Lyssin verwendet wird. — 6. Die Impfung schützt gegen eine
folgende künstliche intramuskuläre Infektion mit Straßenvirus. — 7. Der
Impfschutz dehnt sich über 1 Jahr aus. — 8. Eine allgemeine Ein-
führung der Tollwutschutzimpfung aller Hunde des Reichsgebietes kommt
für Deutschland nicht in Betracht; wohl aber empfiehlt sich, in Grenz-
distrikten zu Zeiten erhöhter Seucheneinschleppungsgefahr sowie in
besonders gefährdeten Bezirken zur Unterstützung der veterinärpolizei-
lichen Maßnahmen die zunächst versuchsweise Durchführung der Imp-
fung der Hunde auf der Grundlage unserer Versuchsergebnisse mit
Lyssin. Weitere Laboratoriumsversuche erübrigen sich, da sie kaum
andere Ergebnisse liefern werden. Allein die Praxis kann jetzt über
die Brauchbarkeit der Impfung als Mittel zur Bekämpfung der Tollwut
entscheiden.
Literatur über Tollwut.
Alivisatos, G. P., Die Schutzimpfung gegen Lyssa durch das mit Aether
behandelte Virus fixe. (Dtsch. med. Wochenschr. 1922. S. 295.) — Aujeszky,
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ee = à utschutzimpfung der Hunde in Los Angelos. (Tierärztl. Rundschau.
1924. S. $
Nachdruck verboten.
Die Therapie der Kokzidiose.
I. Teil: Die Kokzidiose der Kaninchen.
[Aus dem Laboratorium f. Tropenkrankheiten. Abteilung des Instituts
f. Paras. und Infektionskrankheiten der Reichsuniversität Utrecht (Dir.:
Prof. Dr. L. de Blieck).]
Von B. J. Krijgsman.
Mit 7 Abbildungen im Text und 1 Tafel.
Inhaltsübersicht.
I. Einleitung.
II. Literaturangaben.
III. Physiologische Bemerkungen über die Kokzidienentwicklung im Darme des
irtstieres.
IV. Methodik.
V. Technik.
VI. Experimente.
a) Versuche mit alk he
b) Versuche mit Kreolin.
VII. Die pathologische Histologie des Darmes.
‘VIII. Die Anwendung der Kreolintherapie in der Praxis.
IX. Zusammenfassung.
I. Einleitung.
Die Frage nach einer rationellen Behandlung der Kokzidiose, der
gefürchteten Sporozoenkrankheit der Kaninchen, Hühner and Rinder,
ist eine sehr alte. Jährlich richtet die Seuche in den Kaninchen- und
Hühnerzuchtanstalten unter den jungen Tieren große Verwüstungen
an, ohne daß man sie wirklich zu bekämpfen vermag. Zwar hat die
Prophylaxis in dem Sinne, daß die kranken Tiere isoliert und die Ställe
regelmäßig und sorgfältig gereinigt werden, viel Gutes zustande ge-
bracht, doch ist es ihr nicht gelungen, die Krankheit auszurotten
oder sogar nur auf einen kleinen Bezirk einzuschränken.
Dies hat wohl vornehmlich 2 Ursachen: 1. sind die Kokzidien-
zysten, eben die Formen, welche die Infektion herbeiführen, wegen
ihrer undurchlässigen Membran schwer oder praktisch gar nicht durch
Desinfizientien angreifbar, so daß die chemische Desinfektion der Ställe
gar keinen Erfolg haben kann; 2. kann man es in der Praxis nicht
ganz verhindern, daß den Tieren mit dem Futter immer wieder Zysten
zugeführt werden.
Die Prophylaxe reicht also durchaus nicht aus; es muß daher
nach therapeutischen Maßnahmen gesucht werden. Viele Mittel sind
schon probiert worden, viele Spezialitäten sind in den: Zeitschriften
Krijgsman, Die Therapie der Kokzidiose. 109
den Züchtern empfohlen worden; sie alle haben aber niemals einen
auch nur bemerkenswerten therapeutischen. Wert gehabt.
Die Patentmittel will ich hier nicht besprechen, denn es ist von.
vornherein klar, daß vieles Untaugliche dazwischen sein muß. Wie
steht es aber mit den von den verschiedenen Forschern angewandten:
Methoden, um eine Therapie zu finden? Es ist dabei eine Reihe von
Fehlern gemacht worden:
1. sind sehr oft ordentliche Kontrollversuche vergessen worden.
Finden wir doch öfters Berichte, daß eine Anzahl von Tieren mit
einem Mittel behandelt worden ist, und daß nur so viel oder so viel
davon starben. Wie kann man aber wissen, ob dies eine Folge des
Mittels ist? Ist es doch sehr wohl möglich, daß die Tiere auch ohne
Behandlung geheilt worden wären! Solche Versuche sind natürlich
wertlos, weil man die Resultate der Behandlung nicht mit dem Be-
finden der nicht behandelten, aber ebenfalls kranken, Kontrolltiere
vergleichen kann. Wir sehen hier ab von Fällen der tieräztlichen
Praxis, wo man das Vorkommen der Krankheit zur Anwendung irgend-
eines Heilmittels benutzt, aber nicht immer die Gelegenheit und das
Geld für Kontrolltiere hat. Betrachten wir dagegen die Versuche
im wissenschaftlichen Sinne, die mit der* Absicht angestellt werden,
das Heilungsproblem zu lösen, so muß die Vernachlässigung der Kon-
trolle sogar als ein grober Fehler bezeichnet werden.
Die 2. Ursache des Nichtgelingens der Versuche liegt wohl darin,
daß man fast immer zu wenig Versuche angestellt hat. Man kann doch
nicht nach positiven Resultaten an 2 oder 3 Versuchstieren das Mittel
im allgemeinen als ausreichend bezeichnen!
3. haben die Untersucher bis jetzt kein Kriterium gehabt, an
welchem sie die tatsächliche Heilung der kranken Tiere nach der
Behandlung unzweideutig feststellen konnten. Aufhören der Durch-
fälle, Zunahme der Freßlust usw. sind eben keine Kriterien!
Hat man nun auch obenstehenden ‘Anforderungen genügt, so ist
man doch noch nicht fertig, da man die natürlich krank gewordenen
Tiere gar nicht miteinander vergleichen kann. Eins wird z. B. heftig
infiziert sein, das andere aber schwach; das eine ist an sich stark,
groß, jung usw., das andere schwach, klein und alt. Die Verwendung
spontan infizierter Tiere bei Versuchen im Laboratorium ist also nicht
gestattet; auch den hierin steckenden unbekannten Faktorenkomplex
schalte man aus! Man arbeite nur mit gleich schweren, gleich alten
und gleich starken Tieren. Man infiziere sie künstlich gleich stark und
beobachte an einem Krankheitskriterium die Wirkung des Mittels durch
Vergleichung mit den Kontrolltieren!
II. Literaturangaben.
Sehen wir uns jetzt im Zusammenhang mit Obenstehendem die
Literatur an:
Zuerst kommt hier die Arbeit von Meyer und Crocker (10) in Be-
tracht. Diese Untersucher arbeiteten mit Oleum terebinthinae + Ol. ricini, Kalium-
nganat, Ferrisulfat -} Glyzerin, Sulphokarbolat, Methylenblau und Kalomel
Bei Hiihnerkokzidiose und versuchten, mit diesen Mitteln die Krankheit zu bekämpfen.
Während sie selbst zugeben, überhaupt kein Resultat gesehen zu haben, kann man
natürlich ihre Untersuchungen nicht ernst nehmen: 1. weil sie mit jedem Mittel nur
4, 5 oder 6 Hühner behandelt haben; 2. weil keine genügende Kontrolle durchgeführt
worden ist und 3. weil der einzige Maßstab, den sie bei ihren Experimenten kennen;
das Sterben oder Nichtsterben der Versuchstiere ist.
110 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Ottolenghi und Pabis (14) haben an an Kokzidien erkrankten Kaninchen
mit Arsenophenylglyzin und Emetin + Atoxyl gearbeitet. Mit kombinierter Emetin-
Atoxylbehandlung erreichten sie Resultate; sie experimentierten in dieser Hinsicht
richtig, daß sie Kokzidienfreie Kaninchen von 500—600 g künstlich infizierten, also
eine immer ungefähr gleichstarke Infektion bei gleichschweren Tieren erreichten. Nur
fehlten sie aber meines Erachtens 1. darin, daß sie zu wenig Versuche angestellt haben
und 2. kein Kriterium der Heilung kennen, 3. die Mittel nicht immer systematisch
verabfolgen und 4., wie sie selbst angeben, manche Versuchstiere wahrscheinlich an
einer Medizinvergiftung sukkumbiert sind.
Vogel (25) behandelt kokzidienkranke Rinder mit Salizyltannarabin T
Acid. tannic. Er sagt, daß er manchmal Resultate erzielte, manchmal aber auc
nicht. Weil Kontrollen usw., und im allgemeinen eine Methode fehlen, kann man
eigentlich von den Resultaten dieser Versuche gar nichts sagen.
Ott (13) behandelte kokzidienkranke Rinder mit Kreolin und erhielt dabei,
nach seinen Angaben, glänzende Resultate. Leider hat er aber keine Kontrolle usw.
angestellt, denn dadurch hätte er vielleicht den durchschlagenden Beweis erbringen
können, daß Kreolin eine heilende Wirkung hat.
Sustmann (22), der kranke Kaninchen mit Fasciolin und Extr. Filicis zu
heilen versuchte, hatte gar kein Resultat, was nicht zu verwundern ist, weil er bei
seiner Arbeit nicht die in der Einleitung genannten notwendigen Bedingungen befolgt.
Railliet (17) kommt nach einer Besprechung der bis dahin (1919) an-
gewandten Mittel zu dem Schluß, daß sie alle ziemlich wertlos sind.
Wester und Beyers (27 u. 28) behandelten einige kokzidienkranke Schafe
mit Salizyl phenylie. und Tannofgm, während sie 5 kranken Kiilbern Krealin gaben.
Diese Behandlungsweisen brachten ihnen Erfolg.
Curson (2) arbeitet bei kokzidienkranken Hühnern mit Naphthol, Eisensulfat
oder Katechu. Er gibt aber nicht an, ob er damit eine Heilung erzielt hat, und ver-
wendet die Mittel nur bei chronischen Formen der Krankheit, weil er eine Therapie
der akuten Form nicht fiir méglich erachtet. Da er auch gar nichts von einer Kon-
trolle usw. sagt, sind auch diese Untersuchungen ziemlich wertlos.
Kumm (7) hat dann schwache Resultate gehabt mit Tannin, mit dem er
kranke Schafe täglich behandelte; die Krankheit verlief dann zwar milder, die
Zahl der ausgeschiedenen Zysten aber wurde nicht kleiner. Er hat demnach keine
eigentliche Heilung erzielt, sondern nur, wie ich weiter unten besprechen werde,
eine sekundäre Bakterieninfektion verhindert. (Der adstringierenden Wirkung des
Tannins wegen.) 2
Waworuntu (26) arbeitet bei kokzidienkranken Kaninchen mit Bayer
205, das er intravenös einspritzt, !/sproz. Kreolin per os, Emetin subkutan und
Trypanblau. Mit Bayer 205 und Kreolin erhält er gute Resultate. Leider hat
er aber nicht genügend Tiere untersucht und kennt kein Kriterium der Heilung. Die
therapeutischen Versuche waren bei seiner Arbeit nur Nebensache.
Günther (4) bekämpfte die Kaninchenkokzidiose mit Chinin per os und
hatte Resultate, doch fehlte jede Kontrolle!
In den Experimenten von Ericksen (3) spritzte dieser Neosphenamin auf
alle denkbaren Weisen 9 kokzidienkranken Hühnern ein, kam aber selbst zum
Schlusse, daß er den Wert des Mittels eigentlich nicht feststellen konnte, was
ja auch bei dem Fehlen jeder Kontrolle und jedes Systems sehr natürlich ist.
Zusammenfassend sehen wir also, daß, obgleich eine Menge ver-
schiedener Mittel versucht wurden, nie die Versuche so systematisch
ausgeführt und die unbekannten Faktoren richtig eliminiert worden
sind, daB man den Resultaten großen Wert zuerkennen darf. Die Unter-
suchungen geben nur Andeutungen: 1) in der Richtung des von Otto-
lenghi und Pabis versuchten Atoxyls und 2) in der Richtung der
Kohlenteerderivate, namentlich des Kreolins (Waworuntu, Wester
und Beyers, Ott).
Ich habe in beiden Richtungen gearbeitet, wobei ich aber die oben-
genannten Fehler zu vermeiden suchte, und berichte in diesem 1. Teile
über die Therapie der Kaninchenkokzidiose, während ich im 2. Teile
die Therapie der Hühnerkokzidiose zu veröffentlichen hoffe.
Meinem verehrten Chef, Herrn Prof. Dr. de Blieck, danke ich
herzlich für das Interesse, welches er, wie immer, auch dieser Arbeit
wieder entgegengebracht hat.
Krijgsman, Die Therapie der Kokzidiose. 111
III. Physiologische Bemerkungen über die Kokzidien-
entwicklung im Darme des Wirtstieres.
Bekanntlich werden vom Kaninchen die sporulierten Oozysten der
Eimeria Stiedae und Eim. perforans, 2 fast immer in Misch-
infektion vorkommenden Kokzidienarten, mit dem Futter oral aufge-
nommen. ‘Unter dem Einfluß der nacheinander einwirkenden Magen-
Darmfermente (Krijgsman, 6) wird dann eine verdünnte Stelle der
Membran, die Mikropyle, aufgelöst, so daß die hinausschwärmenden
Sporozoiten Gelegenheit finden, in die Epithelzellen des Dünndarms
einzudringen. In diesen Zellen kommt es zu wiederholter Kernteilung
des Parasiten, die Teilprodukte (Merozoiten) verlassen die durch sie
vernichtete Darmzelle, kommen wieder ins Darmlumen hinein und suchen
eine neue Epithelzelle. Dieser Prozeß wiederholt sich verschiedene Male,
so daß eine anfangs auf einen kleinen Bezirk des Darmes beschränkte
Infektion sich allmählich über den ganzen Dünndarm verbreiten kann.
Auf diese Weise werden natürlich immer größere Quantitäten von Darm-
epithel außer Funktion gesetzt und vernichtet. Demzufolge kann ‘das
Tier seine Nahrung nicht mehr genügend verdauen und resorbieren (wir
finden dann z. B. öfters unverdaute Stärkekörner in Enddarm und
Fäzes!); es tritt Diarrhöe mit Schleimabsonderung auf als erstes An-
zeichen der Krankheit. Das Tier wird dann allmählich schwächer und
verliert seine FreBlust. Infolgedessen ändert sich vielleicht das Milieu
der Parasiten chemisch; jedenfalls hören diese nach einigen Tagen (4
bis 5) auf, neue Merozoiten zu bilden, und schreiten zur Gamogonie.
Antitoxinbildung des Organismus ist nicht wahrscheinlich, da auch keine
Toxine gebildet werden. (Das Tier macht nämlich während der Schizo-
gonie gar nicht den Eindruck, unter Vergiftung zu leiden, und es ist
auch keine nennenswerte Temperaturerhöhung vorhanden. Der Organis-
mus reagiert auch nicht durch Einkapselung usw. auf die Parasiten.
Ferner tritt nach Heilung keine Immunität auf.) Die letztgebildeten
Merozoiten, die auch wieder in Epithelzellen eingedrungen sind, bilden
jetzt teilweise Makro-, teilweise Mikrogametozyten. Diese Gametozyten
füllen alsbald die von ihnen befallenen ‚Epithelzellen ganz aus, während
eine Chromatinreduktion des Kernes (Reduktionsteilung) stattfindet. Die
Makrogametozyten bleiben einkernig, während in den Mikrogametozyten
lebhafte Kernteilung vor sich geht. Die Teilprodukte (Mikrogameten)
schwärmen aus der Epithelzelle aus und ins Darmlumen hinein. Sie
suchen die durch Kernreduktion zum Makrogameten gereifte weibliche
Zelle auf und befruchten sie. Sodann hüllt sich die Zygote in eine
Membran und wird zur Zyste. Die Zysten treten aus den Darmzellen
aus und verlassen mit den Fäkalien den Darm.
Gerade dieses ist der gefährliche Punkt der Krankheit. Die Zysten
treten nämlich zu gleicher Zeit in so großen Mengen aus der Darm-
wand aus, daß vielfach größere Läsionen entstehen, wodurch jetzt die
Blutbahn dem Darminhalt offen steht und Intoxikationen oder Infek-
tionen mit Darmbakterien kaum ausbleiben können. Die durch herab-
gesetzte Darmfunktion schon abgeschwächten Tiere können sich jetzt
nicht halten und gehen ein. Geschieht dies in diesem Stadium uicht,
so besteht doch die Möglichkeit, daß während der Schizogonie schon
Merozoiten durch den Ductus choledochus in die Leber hineingetreten.
sind und sich da festgesetzt haben. In dieser kommt es dann zur Herd-
bildung und nach wiederholter Schizogonie auch hier zur Gamogonie.
So entstehen öfters Lebern, welche ganz von mit Zysten angefüllten, kon-
112 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
fluierenden Herden bedeckt und durchwuchert sind. Da infolgedessen die
Leber ihre Funktion natürlich nicht mehr ausüben kann, stirbt das Tier.
Zum Schlusse sei noch bemerkt, daß die Tiere, welche die Krankheit
überstanden haben, fast immer dauernd Zysten ausscheiden, sei cs auch
nur wenige. Sie sind also Träger der Krankheit und in diesem Sinne
eine fortwährende Gefahr für die gesunden Tiere.
Wir können also meines Erachtens 3 Typen der Krankheit unter-
scheiden: 1) Die perakute Form (Dauer 3—6 Tage), welche nur
sporadisch vorkommt und z. B. einmal von Waworuntu beobachtet
worden ist; die Tiere sterben dann an allgemeiner Schwäche, welche
durch die durch die Schizogonie herabgesetzte Darmfunktion hervor-
gerufen wird. (Vielleicht treten in diesem Falle auch hier schon Darm-
läsionen auf.) Es sind wohl die konstitutionell schwachen Tiere, die
zum Schizogonietode prädestiniert sind. — 2) Die akute Form (Dauer
1—3 Wochen): Die Tiere sterben infolge der Gamogonie an Sepsis, die
durch Darmläsionen verursacht wird, wobei man Oozysten im Kot oder
jedenfalls im Darm nachweisen kann. — 3) Die chronische Form (Dauer
länger als 3 Wochen, bis zu vielen Monaten): Die Tiere sterben an
Leberinfektion.
Die Schizogonie dauert 4—5 Tage, die Gamogonie tritt am 6. oder
7. Tage auf. Ist die Infektion schwach, so dauert die Schizogonie noch
länger. Je stärker die Infektion ist, um so früher stellt sich die Gamo-
gonie also ein. Das spricht ja für ein Reagieren der Parasiten auf das
Milieu, denn je stärker die Infektion ist, je schneller ändert sich das
Milieu.
Wenn wir nun mit unsern Mitteln eingreifen wollen, müssen wir
natürlich den Entwicklungszyklus der Parasiten im Darm kennen, da-
mit wir auch feststellen können, wann wir die Parasiten angreifen und
welchen Einfluß das betreffende Mittel auf diese ausübt.
IV. Methodik.
Wenden wir uns nun zu der Besprechung der Umstände, die zu-
sammen das Milieu des kranken Tieres bestimmen, und der Symptome,
welche zusammen das Bild der Kokzidienkrankheit hervorrufen.
Die kokzidienkranken Kaninchen sitzen apathisch da, verlieren
ihre Freßlust, bekommen Durchfälle, magern ab, bekommen manchmal
Nasen- und Augenausfluß und Oozysten treten in dem Kot auf. Diese
Symptome sind aber fast alle Allgemeinerscheinungen, sie haben also
auch diagnostisch wenig Wert. Durchfall tritt nicht immer auf und
zeigt sich außerdem bei vielen Darmstörungen. Auch Mattigkeit, Nicht-
fressen, Nasenausfluß usw. sind sehr allgemein vorkommende Er-
scheinungen. Nur die Ausscheidung der Zysten in dem Kot ist eine Er-
scheinung, welche die Diagnose sichert und die Krankheit charakteri-
siert. Nicht nur die letztere, sondern auch den Verlauf der Krankheit
kann man an der Zystenabsonderung beobachten. Findet man nämlich
Zysten in dem Fäzes, so weiß man gleich, daß das Stadium der Schizo-
gonie vorüber ist, und die Parasiten sich im Darm gamogonisch ent-
wickeln. Hört dann die große Zystenausscheidung auf, so ist auch
die Krankheit vorüber. Darum habe ich als Kriterium für
meine Untersuchungen die Zystenausscheidung benutzt,
um daran meine therapeutischen Mittel zu prüfen. Ich
prüfe meine Therapeutika also nicht an einem Symptom der Krankheit,
sondern an dem Benehmen der Parasiten selbst. Es kommt zwar in
Krijgsman, Die Therapie der Kokzidiose. 113
einigen Fällen ein perakuter Fall der Krankheit vor, wobei das Tier
stirbt, ehe die Parasiten zur Zystenbildung gekommen sind, doch ist
dies so selten der Fall, daß es für meine Zwecke ruhig ausgeschaltet
werden kann.
Sollen wir an der Zystenausscheidung verschiedene Mittel prüfen, so
ist es natürlich nötig, daß wir diese Ausscheidung während der Krank-
heit genau kennen und bestimmen können. Auch müssen wir imstande
sein, die Zystenabsonderung bei verschiedenen Kaninchen untereinander
direkt zu vergleichen, was man aber nur tun darf, wenn 1) alle Kanin-
chen möglichst genau gleiches Gewicht haben, gleich groß, gleich
alt1), desgleichen gleich stark, völlig gesund sind, also am bestem aus
demselben Neste stammen. — 2) sollen die Tiere bei Anfang des Ex-
perimentes praktisch kokzidienfrei sein, — 3) sollen die Tiere künstlich
gleich stark, aber schwer infiziert werden. — 4) Jedes behandelte Tier
soll neben sich ein gleich stark infiziertes Kontrolltier haben. — 5) Das
Milieu der Tiere soll sich während der Experimente gar nicht ändern,
und zwar weder beim einzelnen Tier noch bei den gesamten Tieren
(also dasselbe Futter, dieselben hygienischen Maßnahmen usw.). —
6) Bei der Feststellung der Zystenmenge im Kot muß immer in genau
derselben Weise gearbeitet werden, damit man die Zystenzahl praktisch
fehlerlos bestimmen und mit der anderer Tiere vergleichen kann.
Sind diese Bedingungen erfüllt, so ist es möglich, wenn man die
Kurve der Zystenausscheidung beim kranken, nicht behandelten Tiere
(Kontrolltier) kennt, den Einfluß des Therapeutikums an der Aende-
rung der Zystenkurve beim behandelten Tier zu bestimmen. Es blieben
also alle Faktoren dieselben und nur die Zystenausscheidung, die sich
mit der Zeit änderte, wurde beobachtet. Zu diesem Zwecke bediente
ich mich der folgenden Technik.
V. Technik.
Die von mir verwendeten Kaninchen waren möglichst gleich groß,
gleich alt und von gleichem Gewicht (500—600 g). Ich arbeitete
immer mit Gruppen von 4 Tieren aus demselben Wurfe, welche jedes
für au in einen Käfig gesetzt und jeden Tag auf Zysten kontrolliert
wurde.
Es wurde darauf geachtet, daß die Fäzes ungefähr zystenfrei waren
(ganz negativ brauchten sie nicht .zu sein). Nach einigen Tagen
negativen Befundes wurden sie dann alle 4 mit einer sehr großen
Menge sporulierter Zysten infiziert. Diese Zysten wurden mit den
Fäzes von einem stark positiven Tiere gesammelt und damit folgender-
maßen verfahren: Die Fäzes wurden mit sehr wenig Wasser zu einem
dicken Brei verrieben, und auf eine Petri-Schale mit einer Schicht
feuchter Watte wurden 2 Lagen feuchten Fließpapiers gebracht, auf
die der Fäzesbrei ausgestrichen wurde. Eine darauf gespritzte Bor-
säurelösung verhinderte Bakterien- und Schimmelwucherung. DiePetri-
Schalen wurden dann bei einer konstanten Temperatur von 22° C auf-
gestellt und mit Deckeln versehen, welche aber nicht ganz geschlossen
wurden, um den Sauerstoffzutritt nicht zu erschweren.
Wenn nach ungefähr 10 Tagen die Zysten größtenteils sporuliert
waren, wurden sie folgendermaßen aus dem Brei (nach der Glyzerin-
methode von Vajda, 23) gesammelt: Die Fäzes wurden mit einer
1) und zwar nicht älter als ungefähr 10 Wochen sind, denn nach dieser
Zeit sind nur schwer zu infizieren und viel widerstandsfähiger.
Erste Abt. Orig. Bd. 101. Heft 1/3. 8
114 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Menge Wasser, die gleich dem Inhalt eines Zentrifugierröhrchens
war, gemischt, durch ein Drahtsieb hindurchfiltriert und nachher unge-
fähr 20 Min. zentrifugiert (bis zu 2000 Rot.). Sodann wurden 3/,
‘Wasser abgegossen und durch Glyzerin von einem spez. Gewicht 1,25
ersetzt. Die am Boden haftenden Bestandteile wurden abgelöst, das
Ganze tüchtig geschüttelt und dann wieder ungefähr 20 Min. zentri-
fugiert, worauf ich die Röhrchen einen Augenblick ruhig stehen ließ.
Die obenstehende Flüssigkeit war dann von Oozysten überfüllt und
konnte zu Infektionszwecken abgesaugt werden.
Die Infektion fand in folgender Weise statt: Eine Rekordspritze
von 10 ccm wurde mit der oberen Flüssigkeit des Zentrifurgierröhrchens
mit den Zysten vollgesaugt. Dem Tiere wurde dann eine Schlundsonde
eingeführt und die Flüssigkeit dem Tiere eingespritzt.
Die infizierten Tiere bekamen jeden Tag ihr gewöhnliches Futter;
die Käfige wurden jeden Tag gereinigt und mit frischer Torfstreu
versehen. Jeden Tag wurde nun von jedem Tier die gleiche Gewichts-
menge (1 g) Fäzes aus dem Käfig geholt und jede für sich mit wenig
gesättigter Kochsalzlösung in einem Mörser verrieben. Dann wurde
jede Mischung durch ein Drahtsieb in einen 100 ccm-Erlenmeyer -
Kolben hineinfiltriert (damit die gröberen Fäzesbestandteile zurück-
blieben) und jeder Kolben mit gesättigter Kochsalzlösung bis zu 100 ccm
gefüllt. Nach 1 Std. ruhigen Stehens waren die Fäzesbestandteile nach
unten gesunken, die Zysten aber trieben alle oben (Kochsalzsammel-
methode von Néller-Otten, 11). So konnten die Flüssigkeitsober-
flächen (die also auch immer die gleichen waren, entsprechend dem
Halse des Kolbens) zur Zystenuntersuchung verwendet werden. (Die
Kochsalzsammelmethode ist zu Infektionszwecken nicht zu verwenden,
weil dadurch die Möglichkeit einer Kochsalzintoxikation gegeben ist.).
Die Feststellung der Zystenmenge erfolgte folgendermaßen: Immer
wurde mit derselben Platinöse 1 Oese der Oberflächenflüssigkeit abge-
nommen, auf einen Objektträger gebracht und ein immer gleich großes
Deckglas aufgelegt. (Die Platinöse enthielt soviel Wasser, als gerade
unter dem Deckglase Platz hatte.) Jetzt wurde unter dem Mikroskop
bei einer Vergrößerung Zeiss Obj. A. Komp. Ok. 6 in einem Gesichts-
felde die Zahl der Zysten gezählt, dies 5mal in anderen Gesichtsfeldern
desselben Präparates wiederholt, und dann die Durchschnittszahl ge-
nommen. So verfuhr ich während der ganzen Dauer des Experimentes
jeden Tag bei jedem Versuchstier und bekam auf diese Weise
Zahlen, welche direkt miteinander vergleichbar waren!
Von allen 4 Tieren wurden 2 mit dem entsprechenden Mittel
behandelt; die 2 anderen dienten zur Kontrolle. Die Atoxyl- und
Kreolinlösungen wurden immer vermittels einer an der Schlundsonde
angeschlossenen Spritze eingeführt und die von zystenhaltigen Fäzes
berührten Instrumente nach jedem Gebrauche gut gereinigt.
VI. Experimente.
a) Versuche mit Atoxyl.
Als erstes therapeutisches Mittel, welches von Einfluß auf die
Kokzidienkrankheit zu sein scheint, wählte ich das Atoxyl. (Dieses
Mittel hat zwar den Nachteil, daß es in der Praxis sehr teuer ist; hätte
es jedoch einen guten Heilerfolg, so lohnte es sich doch, es bei Rassen-
kaninchen zu verwenden.) Zuerst wurde die Menge desselben, welche
die Tiere ohne Schaden vertragen können, auf 0,02 g pro Dosis pro
Krijgsman, Die Therapie der Kokzidiose. 115
Kilogramm Tier festgestellt, bei größeren Gaben traten gastrische Er-
scheinungen (Erbrechen) als erstes wahrnehmbares Symptom einer Ver-
giftung auf. (Dies wurde festgestellt an gesunden Kaninchen.)
Diese Quantität verabfolgte ich oral mit Schlundsonde in Form
von einer iprom. Lösung, die jedesmal gleich vor dem Gebrauch in
destilliertem Wasser neu hergestellt wurde, um Aenderungen in der
Flüssigkeit beim Stehen zu vermeiden.
Im 1. Experiment wurden 4 gesunde Kaninchen (+ 500 g), des-
selben Wurfes, nach 3tägiger Fäzeskontrolle am 4. Tage künstlich in-
fiziert. Als die Zystenzahl in den Fäzes stieg und die Tiere die gewöhn-
lichen Krankheitssymptome
zeigten, bekamen 2 derselben Tabelle I.
3 Tage nacheinander (am 11., = =
12. und 13. Tage) 10 ccm 5 Ẹ Ẹ 2 5
des 1prom. Atoxyls. Neben- as 3 3 ect ern
stehende Tabelle zeigt die FE Ai ne WE “SE
Durchschnittszystenzahl Aia MAS | M #4 SRE 423
der behandelten und der ac #4 3 ES a
Kontrolltiere. $ | 5 > |
Die fette Ziffer ent- - —_ = ——— = ==
spricht dem Tag, an wel- 1 0 1 0 0
chem die Tiere infiziert s h ? à 3
worden sind; die mit einem 4 0 0 0 1
Stern versehenen Tage sind 5 4 2 5 3
die Tage, an denen die Ka- 6 1 0 2 6
ninchen 3 und 4 behandelt 8 0 4 D 5
wurden. Doch wird die 9 2 0 14 7
Uebersicht erleichtert, wenn 10 12 3 30 14
wir davon eine Kurve her- I 30 11 60 21
re Dies habe ich in der i 29 = a =
fig. 1 getan. Horizontal 14* 14 33 + 15
sind hier die Tage des Ex- 15 + 45 9
perimentes abgetragen, ver- 16 17 7
tikal die absolute Durch- 17 | + 24
schnittszahl der Zysten in
Kostproben. Die — Linie bedeutet die Durchschnittszystenzahl der
Kaninchen 3 und 4 zusammen; die — — — Linie stellt die Durch-
schnittszahl der Zystenausscheidung der 2 Kontrolltiere dar.
Die 4 ersten Tage blieben demnach die Tiere fast kokzidienfrei.
Freilich nicht ganz; ich infizierte aber immer mit einer so großen
Menge Zysten, daß ich mir die große Mühe, die Kaninchen zuerst
kokzidienfrei zu züchten, nicht zu geben brauchte. Auch wird dies da-
durch gerechtfertigt, wie man nach dem Durchlesen dieser Arbeit sehen
wird, daß die Unterschiede zwischen behandelten und Kontrolltieren
so groß sind (die Kontrolltiere starben fast ausnahmslos), daß die sehr
schwache Infektion, welcher sie bisweilen vorher schon ausgesetzt waren,
keinen merkbaren Einfluß ausgeübt hat. Drittens sind schon infizierte
Tiere ganz leicht einer neuen Infektion zugänglich, weil sie nach über-
standener Infektion keine Immunität zeigen!).
1) Stellt man aber Untersuchungen anderer Art, z. B. über Artspezifität der
Kokzidien, an, so muß man natürlich unbedingt mit kokzidienfreien Kanınchen
arbeiten.
gr
116 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Aus der Zystenkurve der Kontrolltiere geht hervor, daß die Zahl
der Zysten direkt nach der Infektion (+), also vom 4. bis zum
6. Tage, etwas ansteigt. Dies hat aber mit der Zystenbildung im
Darme gar nichts zu tun, sondern erklärt sich lediglich durch unge-
nügend sporulierte, unverdaut passierte Oozysten, welche bei der Infek--
tion miteingegeben worden sind. (Ueber Besonderheiten dieser Er-
scheinung siehe B. J. Krijgsman, 6.) Im Darme beginnt erst am
9. Tage, also am 5. nach der Infektion, eine Zystenbildung. (Dies
stimmt auch völlig mit dem mikroskopischen Bild des Darmes überein,
denn immer habe ich vor dem 5. Tag nach der Infektion in Darm-
schnitten oder Ausstrichen nur Schizogoniestadien oder höchstens an-
fangende Gametozytenbildung gefunden; fertige Zysten sind dann noch
niemals da!). Am 9. Tage stellt sich also die tatsächliche Zysten-
ausscheidung ein, steigt schnell an und bleibt ziemlich hoch. Am
45
40
D 12,737 7425768, 0 4B. OÙ TOR 9519 Oh BT 19
Fig. 1. Der Einfluß der Atoxylbehandlung bei Kokzidiose, demonstriert an der
Zystenzahl im Kot. Horizontal sind die Tage des Experimentes, vertikal die Zysten-
zahlen abgetragen. Jede Kurve entspricht der Durchschnittszystenzahl zweier Kanin-
chen; die ——— Kurve ist die der behandelten, die ------ Kurve diejenige der
Kontrolltiere.
+ = künstliche Infektion.
+ = Atoxylverabfolgung.
+ = Tod des betekenden Tieres.
Wir sehen, wie die am 4. Tage infizierten Tiere, am 11., 12., und 14. Ta
mit Atoxyl behandelt, keine günstige Beeinflussung ihrer Krankheit zeigen; am
13. Tag stirbt sogar ein Tier. Die Kontrolitiere sterben am 14. und 16. Tage.
14. Tage starb Kaninchen 1 (die ----- Linie nach dem 14. Tage zeigt
also nur die Zystenausscheidung des Kaninchens 2 an). Am 16. Tage
stirbt auch Kaninchen 2 bei schwankender, aber stets hoher Zystenaus-
scheidung.
Betrachten wir jetzt die behandelten Tiere, deren Zystenaus-
Krijgsman, Die Therapie der Kokzidiose. 117
scheidung durch die ——-——Linie vorgestellt wird, so sehen wir,
wie auch hier am 9. Tage die Zystenabsonderung anfängt und gleich
hochsteigt. Dann aber werden die Tiere am 11. und 12. Tage mit
Atoxyl behandelt. (In der Figur durch Pfeile angegeben.) Das Ver-
suchstier 3 stirbt dennoch am nächsten Tage, während K. 4, das
am 14. Tage nochmals eine Dosis Atoxyl erhält, am 17. Tage immer
noch eine sehr starke Zystenausscheidung zeigt und noch sehr krank aussieht.
Ich habe nicht die Absicht, alle Experimente so umständlich zu be-
sprechen, wie ich dies beim 1. getan habe; sie wurden alle in genau
derselben Weise ausgeführt. Darum bringe ich von den übrigen Ex-
perimenten nur die Kurve, und lasse die wenig übersichtliche Tabelle
fort. Sehen wir uns die Resultate des 2. Experimentes in der
Fig. 2 an:
55
50
72.8.4 5 6 7 8 Oy 10-11 42 43 14 15: 16 17% 18) 19
Fig. 2. Wie Fig. 1. Auch hier kein Herabsinken der Zystenzahl nach
Atoxylbehandlung. Die Kontrolltiere sterben am 14. und 16., die behandelten,
Tiere am 13. und 14. Tage.
Die am 4. Tage infizierten Tiere zeigen am 10. Tage den Anfang
der Zystenausscheidung; die Kontrolltiere sterben am 14. und 16. Tage
unter hoher Zystenabsonderung; die mit Atoxyl behandelten Tiere
sogar früher (am 13. und 14. Tage). Deutlich nehmen wir wahr,
wie die am 9. Tage angefangene und am 10. und 11. Tage wiederholte
Atoxylverabfolgung (Pfeile) nicht imstande ist, die ausgeschiedene
Zystenzahl zu verringern, d. h. die Krankheit geht ungeändert weiter.
Ich wiederholte das Experiment noch 2mal, habe also im ganzen
16 Kaninchen infiziert, davon 8 mit Atoxyl behandelt. Immer erhielt ich
118 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
aber dasselbe Resultat. Eine Beeinflussung des Krankheitsverlaufes war
niemals deutlich zu konstatieren.
Wir wissen also jetzt, daß Atoxyl zur Anwendung bei
der Kokzidiose von der Liste der Therapeutika zu
streichen ist.
b) Versuche mit Kreolin.
Das 2. Mittel, von dem die Literatur uns einige Aussicht ver-
spricht, ist Kreolin. Wie wir sahen, haben Ott, Beyers und
Wester, sowie auch Waworuntu damit Erfolg gehabt, und es sei
nunmal zu versuchen, ob dieses Mittel auch standhält im Lichte des
Laboratoriumsexperimentes.
Die wirksamen Bestandteile des Kreolins sind die Kresole; Kreolin
ist ja eine Lösung von Rohkresol in Natronlauge. Es sind aber ver-
schieden stark Kresol enthaltende Kreolinarten in dem Handel, z. B.
das Artmannsche, Pearsonsche und Wiener Kreolin. Ich arbeitete
immer mit Pharmacia’s Kreolin. Weil die Direktion der dieses Prä-
parat herstellenden Firma mir die Zusammensetzung des Präparates
nicht mitteilen wollte, und ich natürlich jedenfalls die Menge der in ihm
enthaltenen Kresole wissen möchte, so machte ich selbst die quantitative
Analyse. Das Resultat war, daß ich im betreffenden Kreolin ungefähr
25 Proz. Kresole feststellte. Doch als Nichtchemiker darf ich diese
Ziffer nicht für unbedingt richtig erklären.
Jetzt mußte ich die Dosierung bestimmen, welche die Kaninchen
ohne Schaden ertragen konnten. Waworuntu arbeitete bei Kanin-
chen mit Konzentrationen von t/ Proz. Kreolin. Das bekam den Tieren
offenbar gut. Ich weiß nicht, wieviel Kresole sein Kreolin enthielt;
jedenfalls war eine 1/,proz. Lösung meines Kreolins für die Kaninchen
zu stark. Gesunde Kaninchen von 500 g, denen 3 Tage hintereinander
10 ccm einer 1/,proz. Lösung oral verabfolgt wurden, zeigten gleich
darauf stark herabgesetzte Freßlust; sie machten den Eindruck sich
gar nicht wohl zu fühlen. Bei Sektion der getöteten Tiere zeigte sich
auch an der lokalen Rötung und Fleckung der Magenwand, daß Kreolin
schon in dieser Konzentration eine ätzende Wirkung auf die Darm-
wand ausübt.
Ich verdünnte die Lösung auf die Hälfte und arbeitete also mit
20 ccm !/,proz. pro Dosis pro Kilogramm Tier. Dies wurde ganz gut,
ohne irgendwelche Erscheinungen, von den Tieren ertragen, auch im
Darmtraktus habe ich in diesem Fall niemals etwas Abnormales be-
obachtet.
Auf die Gefahr einer Nephritis nach Kreolinverabreichung habe
ich auch geachtet. Von den Tieren, welche 3 Tage hintereinander
10 ccm 4/,proz. Kreolin bekamen, wurde 10 Tage lang der Urin unter-
sucht, jedoch immer mit negativem Resultat auf Eiweiß und Zylinder.
Ueberdies habe ich mit Kreolin behandelte Tiere bis 8 Monate nachher
beobachtet, ohne daß sich irgendwie ein von der Kreolinverabfolgung
stammendes Krankheitssymptom zeigte.
Weil wir uns jetzt darüber klar sind, daß das Kreolin in dieser
Form keinen bemerkbaren schädlichen Einfluß auf den Organismus
ausübt und als solches von der Niere mit dem Urin ausgeschieden
wird (erhöhte Kresolreaktion im Harn nach Kreolingabe), sehen wir
uns an, welchen Einfluß das Kreolin auf die Kokzidien ausübt.
Die Experimente wurden auf genau dieselbe Weise angestellt
Krijgsman, Die Therapie der Kokzidiose. 119
e
wie die mit Atoxyl, d. h. 4 in allen Hinsichten gleiche Kaninchen
wurden infiziert, 2 nachher behandelt.
Die Kurve der Fig. 3 gibt die Resultate, beobachtet an der
Zystenausscheidung, der ersten Versuche in diesem Sinne. Jede Kurve
28
25 26 27
22 23 24
15
Die Wirkung des Kreolins bei Kokzidiose, demonstriert an der Zysten-
ge behandelten
19 20 21
18
17
14. und 16. Ta
11 12 13 14 16
in Herabsinken der Zystenzahl zeigen, während die Kontrolltiere
Zystenausscheidung sterben am 13. und 14. Tage. Im übrigen wie
10
9
Deutlich zeigt sich, wie die am 12.,
©
ER
aos
Baron
= ©
À wg ,
B.A Om
+ oad
2.3.5.0
o JESE
N
wo O [ro] O wo O wo © wo ©
+ + Le] oO N N = bs
ist zusammengestellt wie die vorigen, repräsentiert also die Zystenzahl
zweier Kaninchen.
Wir sehen, wie die Zystenausscheidung der Kontrolltiere (----
Linie) am 12. Tage (also 7 Tage nach der Infektion) ansteigt und weiter
den typischen Verlauf zeigt, wobei die Tiere am 13.und 14. Tage sterben.
120 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Die Zystenausscheidung der anderen Tiere steigt analog am 12. Tage,
dann bekommen sie aber gleich an demselben Tage 10 ccm !/,proz.
Kreolin, was am 14. und 16. Tage wiederholt wird. Es ist deutlich,
daß die Zystenausscheidung gleich herabsinkt; am 21. Tage sinkt sie
sogar auf Null, während die Tiere wieder ganz munter und gesund
aussehen. Auch während längerer Beobachtung stellte sich keine Zysten-
ausscheidung mehr ein.
Die Resultate des 2. Experimentes in diesem Sinne, ganz genau
auf dieselbe Weise hergestellt, zeigt uns die Fig. 4.
Die Figur zeigt uns, wie die Tiere, am 4. Tage infiziert, am 9. Tage
die von der Infektion stammende Zystenausscheidung anfangen. Die
45
a
40
35
30
>
25
anna
a
t 2 3 4.5.6 7: 8 “09 107 11. 12° 19: 18" 15, 16: 17° 18,49: “20: 2
Fig. 4 Wie Fig. 3. Die am 11., 12, und 14 T behandelten Tiere
- genesen, während die Kontrolltiere am 12. und 14. Tage sterben.
Kontrolltiere sterben in der gewöhnlichen Weise am 12. und 14. Tage.
Die anderen werden am 11., 12. und 14. Tage mit der gewöhnlichen
Dosis Kreolin behandelt, mit dem Resultat, daß sie am 12. Tage schon
negativ befunden wurden und auch weiter ganz zystenfrei und gesund
blieben.
In obenstehenden Versuchen habe ich stets mit der Kreolinbehand-
lung angefangen, sobald die Zystenausscheidung hochging. Wie steht
es nun aber mit der Beeinflussung der Krankheit, wenn wir nicht gleich
in diesem Momente angreifen, sondern erst später? Das habe ich in
untenstehendem Versuche getan. Besprechen wir die Resultate an der
Hand der Fig. 5. Alle anderen Umstände sind denen der obigen Ver-
suche gleich geblieben.
Die am 4. Tage infizierten Tiere zeigten am 10. Tage den Anfang
der Zystenausscheidung. Am 14. Tage starb schon ein Tier, darum
durfte ich die Behandlung nicht weiter verschieben und applizierte
20
Krijgsman, Die Therapie der Kokzidiose. 121
gleich am 14., 15. und 16. Tage 2 Tieren in der gewöhnlichen Weise
Kreolin. Das andere Kontrolltier starb am 16. Tage, während die be-
handelten Tiere ein rasches Herabsinken der Zystenabsonderung zeigten,
am 21. Tage negativ wurden und weiter auch blieben.
Sehen wir, wie das Kreolin auch bei weit vorgeschrittener In-
fektion noch so glänzende Erfolge hat, so wird es dies sicher auch
zeigen müssen, wenn wir die Behandlung anfangen während die Para-
siten im Darm noch im Schizogoniestadium verkehren; in der Kurve
also noch keine Zystenausscheidung festzustellen ist. Für die Praxis
hat allerdings solches Verfahren weniger Wert, weil ohne Zysten-
ausscheidung keine Diagnose zu stellen ist. Zur Ergänzung habe ich
|
i
9 3 4-5 6 7 B 9 FO “WW 12° 19: 14: 15 16 17° 18) 19:20 21) 22: 28: 24,25
Fig. 5. Heilung durch Kreolin bei schon weit fortgeschrittener Kokzidiose.
Die Kontrolltiere sterben am 14. und 16. Tage. Im übrigen wie Fig. 1.
jedoch diese Versuche hergestellt; besprechen wir sie an der Hand der
Fig. 6.
Die vollkommen negativen Tiere wurden am 4. Tage infiziert.
2 der Kaninchen wurden am 6., 8. und 9. Tage (also am 2., 4. und
5. Tage nach der Infektion), bevor sich eine Zystenausscheidung in
den Fäzes zeigte, mit der gewöhnlichen Menge Kreolin behandelt.
Eine Zystenausscheidung trat nicht auf; eine Gamogonie stellte sich
also im Darme nicht ein; die schizogonen Formen wurden durch das
Kreolin vollkommen vernichtet. Dagegen zeigte die Zystenkurve der
Kontrolltiere den gewöhnlichen Verlauf; sie starben beide am 15. Tage.
Es sei hier nochmals darauf hingewiesen, daß die gleich nach
der Infektion auftretende Zystenabsonderung nichts mit der Entwicklung
der Parasiten im Darm zu tun hat, sondern nur der unverdaut passierten,
122 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
ungenügend sporulierten Zystenmenge entspricht. Wir sehen hier in
der Kurve sehr schön, wie diese ‘Ausscheidung, weil der Darminhalt
lange im Coecum verbleibt, bis zum 15. Tage (11 Tage nach der In-
fektion) andauert (s. in diesem Zusammenhang auch Verwey, 24).
Die ———Linie zeigt uns also eigentlich nur, in welcher Weise un-
verdaut passierte, indifferente Partikel ausgeschieden werden.
Die obenstehenden Versuche sind eigentlich nur Beispiele aus einer
großen Versuchsreihe, die alle genau in derselben Weise angestellt
waren, und alle dasselbe Resultat zeigten: namentlich das Kreolin
hatte in allen Stadien der Krankheit eine in 100 Proz.
heilende Wirkung. Dies hat desto mehr Bedeutung, weil den sehr
schweren künstlichen Infektionen, welchen meine Versuchstiere ausgesetzt
wurden, ähnliche in der Natur nur sehr selten vorkommen. Die Aus-
45
40
r
i
35 '
1
N
1
30
25
2.3 40 5716 9,8 9 10: AW 127 19: 14715; 16 17 IS. 19
Fig. 6. Heilung durch Kreolin im Anfangsstadium der Krankheit. Bei den
belandelten Tieren tritt gar keine Zystenausscheidung auf. Im übrigen wie Fig. 1.
sicht auf Heilung wird da also sicher noch erhöht sein. Um die
Wirkung des Kreolins bei Spontaninfektionen nochmals zu demonstrieren,
habe ich folgenden Versuch angestellt:
Es wurden 4 kokzidienkranke Kaninchen zusammen gesucht, vom
selben Alter und aus denselben Umständen. Nachdem sie eine Woche
ohne Eingriff observiert worden waren, wurden 2 der Tiere mit Kreolin
behandelt. Die Fig. 7 gibt die Resultate. :
Es zeigt sich ganz klar aus der Vergleichung der beiden Kurven,
wie durch die Kreolinverabreichung am 8., 10. und 11. Tage der Ent-
wicklungsprozeß des Parasiten im Darm ins Stocken gerät. Am 16. Tage
sind die behandelten Tiere negativ und bleiben negativ, während die
Zystenkurve der Kontrolltiere gar kein definitives Herabsinken zeigt;
eines der Tiere ist sogar gestorben.
Krijgsman, Die Therapie der Kokzidiose. > 123
Welchen Einfluß hat nun das Kreolin auf den Verlauf der Krank-
heit? Meines Erachtens erstreckt sich dieser Einfluß in 2 Richtungen:
1. hat Kreolin durch seine zusammenziehende und blutgerinnungs-
befördernde, also adstringierende Eigenschaft einen günstigen Einfluß
auf die entzündete Darmwand (schließt eventuell entstandene Lä-
sionen usw.).
2. und vornehmlich aber übt Kreolin eine direkt tôtende Wirkung
auf die Parasiten aus. Man kann nämlich in allen Kurven ganz genau
becbachten, wie nach Verabfolgung des Kreolins die Zystenzahl gleich
herabsinkt und gleich Null wird; d. h. alle Stadien vor der Zysten-
bildung werden angegriffen und vernichtet. Nur die schon gebildeten
Zysten, die ihrer undurchlässigen Membran wegen von Kreolin nicht
aay nas sind, werden noch ausgeschieden; dann ist aber auch alles
zu Ende.
45
.
T 8-9 10 11° 12) 19. 14 18) 16. 17 18, 19
Fig. 7. Heilung durch Kreolin bei Spontaninfektion. Die behandelten Tiere
zeigen gleich ein Herabsinken bis gleich Null. Im übrigen -wie Fig. 1.
VII. Die pathologische Histologie des Darmes.
Zur Ergänzung der Experimente habe ich das mikroskopische Bild
des Darmes herangezogen. Beobachten wir zuerst, wie der Querschnitt
des Darmes des kokzidienkranken Kaninchens im Stadium der Zysten-
ausscheidung aussieht.
Ein Tier in diesem Stadium wurde mit Chloroform getötet; Stücke
Dünndarm wurden aufgeschnitten und im Bouinschen Gemisch fixiert.
Von diesen Stücken wurden 5 x dicke Paraffinschnitte hergestellt
und diese mit Heidenhains Eisenhämotxylin gefärbt. Oefters zeigt
sich so fast die ganze Dünndarmwand von Kokzidien befallen, so
daß man beinahe in jedem Schnitt einige Zysten im Epithel nachweisen
124 » Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
kann. Taf. I, Fig. a gibt ein Beispiel eines solchen Darmes. Das
Mikrophotogramm wurde angefertigt bei einer Vergrößerung Zeiss
Imm. Obj. 2 mm, Komp. Ok. 2. Wir sehen einen Querschnitt durch
einen Dünndarmherd. Das Epithel ist fast verschwunden unter der unge-
heuren Menge der sich darin bildenden Zysten. Es hat sich ein Krater
gebildet, aus dem die fertigen Zysten in das Darmlumen hineintreten. Es
ist ja ohne weiteres klar, daß hier eine schwere Darmverletzung statt-
findet, bei der ganze Mengen Epithel vernichtet werden und der Darm-
inhalt ungehindert in die Blutbahn hineintreten kann.
Wenn nun das Kreolin wirklich die Parasiten tötet, so soll einige
Tage nach der Behandlung im mikroskopischen Bilde auch gar nichts
mehr von diesen bemerkbar sein; die noch im Darmepithel anwesenden,
schon membranierten Zysten sind dann auch ausgestoßen worden.
Ein behandeltes, vorher schwer kokzidienkrankes Tier wurde 3 Tage
nach der letzten Kreolinverabreichung getötet und große Darmstücke
in Serienschnitte zerlegt. Diese wurden nach Eisenhämatoxylinfärbung
alle ganz genau durchsucht; nirgends aber war etwas von Parasiten zu
bemerken. Es kamen allerdings verschiedene Herde zur Beobachtung,
welche offenbar in Heilung begriffen waren. Ein Beispiel dieser Schnitte
zeigt Taf. I, Fig. b (Mikrophotogramm, mit derselben Vergrößerung
wie Fig. a hergestellt). Wir sehen hier einen heilenden Herd. Das
Bindegewebe hat sich fast wieder völlig neugebildet; nur das Epithel
ist noch damit beschäftigt, sich zu schließen. Ganz oben verweilt noch
ein wenig rundzelliges Infiltrat; von Parasiten aber keine Spur!
Es ist also klar, wie das mikroskopische Bild des Darmes sich tat-
sächlich deckt mit dem Bilde der Zystenausscheidung; hört die letztere
nach Behandlung auf und bleibt sie gleich Null, so treffen wir auch
im Darm keine Parasiten mehr, denn diese sind vom Kreolin völlig ver-
nichtet worden. Die pathologische Histologie des Darmes zeigt uns
also drei Dinge:
Erstens zeigt sie, daß die Zystenausscheidung aus der Darmwand
wirklich Läsionen verursachen kann welche die Blutbahnen öffnen;
zweitens demonstriert sie den therapeutischen Wert des Kreolins und
drittens rechtfertigt sie, daß ich beim Verschwinden der Zysten aus
dem Kot das Tier geheilt (parasitenfrei) nannte.
VIII. Die Anwendung der Kreolintherapie in der Praxis.
Wollen wir die Kreolintherapie in der Praxis anwenden, so muß sie
sicher Hand in Hand gehen mit einer gut durchgeführten Prophylaxis.
So müssen die Kaninchenkäfige immer tüchtig gereinigt werden und
die Tiere an erster Stelle gegen Nässe geschützt sein. Das Futter muß
in Raufen verabreicht werden, damit keine Verunreinigung desselben
mit Fäzes stattfinden kann. Treten aber doch Kokzidiosefälle auf, so
fange man gleich an die Tiere zu isolieren und ihre Käfige gründlich
zu desinfizieren. Nicht mit chemischen Mitteln, da diese, wie schon
gesagt, nicht helfen, der Undurchlässigkeit der Zystenmembran wegen,
aber mit kochendem Wasser oder heißer Luft (s. auch Pérard 15 u.
16). Die angetasteten Tiere werden gleich in der oben besprochenen
Weise mit Kreolin behandelt und dann noch ungefähr 2 Wochen
isoliert gehalten.
Die Uebertragung geschieht am meisten durch die spontan geheilten
Tiere, welche fast immer Träger bleiben; so wird die Krankheit z. B.
sehr oft von der Mutter auf die Jungen übertragen. Darum empfiehlt
Krijgsman, Die Therapie der Kokzidiose. 125
es sich, die Mütter vor dem Wurfe durch Kreolinapplizierung kokzidien-
frei zu machen. Führt man dies gründlich durch, so braucht man
meines Erachtens gar keine Kokzidioseepidemien unter den jungen
Tieren zu fürchten.
Man wird aber gezwungen sein, das Mittel den Tieren immer mit
einer Schlundsonde zu verabreichen, denn es ist vergeblich, zu versuchen,
Kreolin die Tiere in Wasser oder Milch trinken zu lassen; sobald ein
nur sehr geringer Kreolingeruch an dem Getränk haftet, verweigern.
sie es.
IX. Zusammenfassung. |
1) Der Wert eines therapeutischen Mittels ist nicht
zu entscheiden, wenn es nicht an streng methodisch aus-
geführten Versuchsreihen im Laboratorium geprüft wird.
Alle uns von der Praxis angedeuteten Richtungen müssen in dieser Weise
verarbeitet werden, damit man zeitig die richtigen Mittel erkennen, und
die wertlosen beiseite schieben kann.
2) Die Todesfälle bei Kokzidiose sind in weitaus den
meisten Fällen zurückzuführen auf eine durch Darm-
läsionen herbeigeführte Sepsis.
3) Atoxyl hat für die Verwendung bei Kokzidiose
keinen Wert.
4) Kreolin bewährt sich in allen Stadien der Kok-
zidiosis als ein sehr gutes Therapeutikum; mit einer gut
durchgeführten Prophylaxis zusammen wird es sogar möglich, die Krank-
heit auf diese Weise vollkommen zu besiegen.
Utrecht, April 1926.
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126 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
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Enteritis coccidiosa bovis. (Tierärztl. Rundschau. 1913. S. 597.) — 26) Wawo-
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v. Diergen. 1920. S. 672.) — Dies., Coccidiose bij het schaap. (Tijdschr. v. Diergen.
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tierärztl. Wochenschr. 1925. S. 97.)
Erklärung der Tafelabbildungen.
Mikrophotogramme von Dünndarmschnitten, aus in Bouin fixierten, zu 5 p
dicken, mit Heidenhains Eisenhämatoxylin gefärbten Präparaten verarbeiteten
ee hergestellt, angefertigt bei einer Vergrößerung Zeiss Imm. Obj.
mm. 5 2
a) Schnitt durch einen kraterbildenden Kokzidienherd. Die Zysten haben das
anze Epithel verdrängt und vernichtet und treten aus der Darmwand aus, be-
eutende Läsionen hinter sich lassend.
b) Schnitt durch den Darm eines behandelten Tieres. Es ist eben ein in
Heilung begriffener Herd getroffen worden. Das Bindegewebe hat sich schon völlig
neu gebildet, das Epithel ist noch nicht ganz erneut; oben findet sich etwas rund-
zelliges Infiltrat. Von Parasiten aber keine Spur!
Nachdruck verboten.
Beitrag zur Trennung verschiedener tierpathogener und
saprophytischer Streptokokken (des Streptococcus aga-
lactiae, Str. lacticus, Str. equi, Str. abortus equi
und des Str. pyogenes equi).
[Aus dem Vet.-Hygienischen Institut der Universitit Leipzig (Dir.:
Obermedizinalrat Prof. Dr. M. Klimmer).]
Von M. Klimmer und H. Haupt.
Die Trennung der verschiedenen pathogenen Streptokokken von-
einander und von den saprophytischen ist wiederholt Gegenstand ein-
gehender Untersuchungen gewesen. So haben Holth, Adsersen u.a.
das Gärvermögen verschiedener pferdepathogener Strepto-
kokken gegenüber zahlreichen Kohlehydraten und hochwertigen Alko-
holen eingehend studiert und hierbei u. a. festgestellt, daß der
Streptococcus equi Milchzucker und Sorbit nicht vergärt, während
dies die übrigen pferdepathogenen Streptokokken, die aus Brustseuche-,
Petechialfieber-, Eiterungs- und Gelenkentzündungsfällen reingezüchtet
waren, bewirken. Aehnliche Untersuchungen Mejlbos bei den Masti-
tisstreptokokken zeigten, daß hier mindestens 25 verschiedene
Typen zu unterscheiden sind, die aber von den saprophytischen Milch-
säurestreptokokken nicht zu trennen sind. Mejlbo ist der Meinung,
daß ein Schluß auf eine tatsächliche Artverschiedenheit der ver-
schiedenen Mastitisstreptokokken aus seinen Untersuchungen nicht ge-
zogen werden könne.
Die Versuche zur Unterscheidung der pathogenen von den sa-
prophytischen Streptokokken der Milch sind namentlich
Centralblatt für Bakteriologie Abt. I Orig. Bd. 101.
Krijgsman, Therapie der Kokzidiose I.
Verlag von Gustav Fischer in Jena.
THE LIBRARY
OF THE
yee’ ne Iri (UNIR
Klimmer u. Haupt, Zur Trennung verschied. tierpath. u. saprophyt. Streptok. 127
auch von amerikanischen Autoren durchgeführt worden. Nachdem schon
früher Esten (1909) und Hastings angegeben hatten, daß der
Streptococcus lactis Lister-Löhnis (Str. lacticus Kruse, Milch-
säurestr.) in sehr kurzer Zeit Lackmusmilch reduziert, haben
Sherman und Albus später (1918) auf die Fähigkeit des Milch-
säurestreptokokkus, sich auch bei 109 vermehren zu können, hin-
gewiesen und hierauf eine Trennung dieser Streptokokken von den
in der Milch vorkommenden Streptokokken des Pyogenestypus basiert.
Der prinzipielle Unterschied zwischen Milchsäure- und Mastitisstrepto-
kokken, der auf der Reduktion von Lackmusmilch beruht, ist von
Ayers, Johnson und Mudge bestätigt worden. Auch Heim hat
die Bedeutung der Lackmusmilch zur Erkennung der Milchsäurestrepto-
kokken erneut hervorgehoben. Zum Nachweis der Reduktionswirkung
der Milchsäurestreptokokken kann man außer der Lackmusmilch auch
Methylenblau in Milch sowie Janusgrün und Ammonium-
molybdat in Traubenzuckerbouillon benutzen. Ayers, Johnson und
Mudge halten die Reduktion von Janusgrün und Ammoniummolybdat
in der von ihnen angegebenen Technik (Traubenzuckerbouillon) für ein
mindestens ebenso sicheres Verfahren wie die Verwendung der Lack-
musmilch, dagegen haben sie bei der Reduktion von Methylenblaumilch
im Gegensatz zu Sherman und Albus nur inkonstante Ergebnisse
erzielt. Zur sicheren Abtrennung des Milchsäurestreptokokkus ver-
langen sie von ihm noch Wachstum bei 10° C und die Erreichung eines
tiefen End-px bei Verwendung eines besonderen Nährbodens, dessen
Oberflächenspannung durch Natriumglykocholat auf 42,8 dyn vermindert
ist, denn es kommen in der Mundhöhle von Menschen auch Strepto-
kokken vor, die zwar schnell Lackmus und Janusgrün reduzieren, aber
die übrigen genannten Eigenschaften der Milchsäurestreptokokken nicht
zeigen.
Ein größerer Teil der Milchsäurestreptokokken hat die Fähigkeit
aus Pepton NH, und CO, abspalten zu können (Variante A),
während ein kleinerer Teil dies nicht vermag (Variante B).
Der Streptococcus Kefir unterscheidet sich von den Milch-
säurestreptokokken durch seine CO,-Abspaltung aus Dextrose.
Die in der Milch des Euters vorkommenden (pathogenen)
Streptokokken (Mastitisstreptokokken) sind charakteri-
siert dadurch, daß sie Methylenblau ‘in Milch (Sherman und
Albus, Ayers und Mudge) sowie Janusgriin und Ammonium-
molybdat in Traubenzuckerbouillon (Ayers, Johnson und Mudge)
nicht reduzieren. In Lackmusmilch erfolgt die Reduktion erst nach
Säuerung und unvollständig. Bei 10° wachsen sie in Lackmusmilch
nicht. Alle Stämme spalten aus Pepton CO, und NH; ab; dagegen
vermag kein Stamm aus Dextrose CO, zu bilden. Die hämolytischen
Mastitis- und die meisten Milchsäurestreptokokken spalten die Hippur-
säure in Benzoësäure und Glykokoll auf, was die hämolytischen
menschenpathogenen Streptokokken nicht vermögen (Ayers und
Rupp). Schaffler konnte diese Angaben im allgemeinen bestätigen.
Bei den Drusestreptokokken ist diese Aufspaltung nur sehr gering (Er-
höhung des Säuregrades).
Die Mastitis- und Milchsäurestreptokokken bringen die Milch
innerhalb 24 Std. bis zu mehreren Tagen zur Gerinnung, Milchzucker
wird von frisch gewonnenen Kulturen schnell, von älteren Labora-
toriumsstämmen nur langsam vergoren. Auf die Vergärung von Milch-
128 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
zucker und Sorbit durch pferdepathogene Streptokokken wurde bereits
eingangs hingewiesen. Das Gärvermögen der Galtstrepto-
kokken ist von Mejlbo in sehr eingehender Weise studiert
worden. Er fand, daß diese Kokken d-Xylose, 1-Rhamnose, 1-Sorbose,
i-Erythrit, Adonit,.i-Dulzit, i-Ionsit und Melicitose nicht, wohl aber
d-Glukose, d-Mannose, d-Galaktose, d-Fruktose und Maltose vergären.
Die meisten Stämme vergären auch Trehalose, Laktose, Saccharose,
Dextrin und Salicin, während Arbutin, d-Mannit, Amygdalin, Melibiose
und Raffinose nur von der kleineren Hälfte angegriffen werden, und
zwar nimmt die Vergärbarkeit derart schrittweise ab, daß Arbutin
immerhin von noch vielen Stämmen, dagegen Raffinose nur von sehr
wenigen abgebaut werden kann. Gering ist die Vergärbarkeit auch von
d-Sorbit, Glykogen, Glyzerin, Inulin und 1-Arabinose. Die nicht
pathogenen Milchstreptokokken (Str. lactis und Str. cremoris)
vergären d-Glukose, d-Mannose, d-Galaktose, Laktose und Melibiose
stets, sowie in abnehmender Reihenfolge Salicin, Dextrin, Maltose, d-
Mannit, Trehalose, Arbutin, Amygdalin, l-Arabinose, d-Xylose und Adonit.
Nicht werden vergoren: l-Rhamnose, 1-Sorbose, Glyzerin, i-Erythrit,
i-Dulzit, d-Sorbit, i-Inosit, Saccharose, Raffinose, Melicitose, Glykogen
und Inulin. Vollkommen sichere Gärunterschiede bestehen hiernach nicht.
Immerhin bietet die Vergärung namentlich von Saccharose und Melibiose
ziemlich sichere Anhaltspunkte insofern, als der Rohrzucker von den
nicht pathogenen Milchstreptokokken nicht, dagegen von den Galt-
streptokokken in der Regel (101:6) vergoren wird. Umgekehrt ver-
hält sich die Vergärung von Melibiose. Die Milchsäurestreptokokken
vergären sie, während die pathogenen Milchstreptokokken sie zumeist
(102:5) nicht angreifen.
Hämolyse lassen die pferdepathogenen Streptokokken fast
stets erkennen, dagegen zeigen die Mastitisstreptokokken in
dieser Richtung ein verschiedenes Verhalten, das namentlich von Brown
sowie von Smith und Brown eingehend untersucht worden ist.
Brown teilt die Streptokokken nach ihrem hämolytischen Verhalten in
folgende 3 Gruppen ein:
1. Typus a (Str. viridans s. mitior Schottmüller). Die
Tiefenkolonien sind nach 48stünd. Bebrütung bei 370 von schmalen
Zonen etwas grünlich verfärbter Blutkörperchen umgeben. Die Hämo-
lyse ist bei dichter Aussaat (über 200 Kolonien in der Platte) gering und
fehlt bei schwacher Aussaat (unter 20 Kolonien) vollkommen. Sie tritt
aber bei nachfolgender 24stünd. kalter Aufbewahrung namentlich bei
den Tiefenkolonien deutlich hervor. Werden die Platten hierauf erneut
bebrütet, so bildet sich um den hämolytischen Hof wieder eine grünliche
Zone, an die sich nach nochmaligem 24stünd. Aufenthalt im Kaltraume
ein weiterer heller Gürtel anreiht. Es tritt also bei 370 Vergrünung,
im Kaltraume Hämolyse auf. Nach Hagan ist die «-Hämolyse da-
durch bedingt, daß die Kolonien bei 370 Säure und Wasserstoffsuper-
oxyd bilden. Im Kaltraum verflüchtigt sich letzteres allmählich. Das
bei 370 gebildete Gemisch von Säure und Wasserstoffsuperoxyd be-
dingt eine Fixierung und Bleichung der Erythrozyten. Das Hämoglobin
wird in ein dem Methämoglobin nahestehendes, grünliches Abbauprodukt
verwandelt. Nach Unterbrechung der Wasserstoffsuperoxydbildung und
nach Verflüchtigung des bereits. gebildeten Wasserstoffsuperoxyds dif-
fundiert die Säure über die fixierten Blutkörperchen hinaus und bedingt
hier (jenseits von den fixierten Erythozyten) Hämolyse.
Klimmer u. Haupt, Zur Trennung verschied. tierpath. u. saprophyt. Streptok. 129
2. Typus ß (Str. haemolyticus Schottmüller). Die Kolonie
ist von einer klaren, farblosen, hämolytischen Zone umgeben. Im Kalt-
raume tritt keine Veränderung auf, auch nicht nach erneuter Bebrütung.
Der Typus ß ist nicht mit at, einer Variante von «x, zu ver-
wechseln, bei der eine sich im Kaltraume verbreiternde Hämolyse er-
folgt. In der unmittelbaren Nachbarschaft der Kolonie sind einige
Blutkörperchen infolge Wasserstoffsuperoxydwirkung erhalten. Bewahrt
man der Reihe nach die Platten bei 37°, bei Kälte und erneut bei
37° auf, so tritt Ringbildung bei der «!-Hämolyse nicht ein.
3. Typus y (Str. anhaemolyticus Zangemeister). Die
Blutkörperchen werden nicht verändert. Tritt eine Grünfärbung ohne
Hämolyse auf, so sprechen Ayers und Mudge von einem y Grün-
(xG-)Typus.
Zur Unterscheidung von Milchsäurestreptokokken
und Pneumokokken empfehlen Bitter und Buchholz eine 1proz.
Milchzuckerbouillon, die von den Pneumokokken 48 Std. lang dauernd
getrübt wird, während Str. lactis außer einer Trübung, die nach
re beginnt und sich langsam klärt, noch einen starken Bodensatz
ildet.
Endlich ist auf die Trennung menschenpathogener Kok-
ken (Str. pyogenes, Str. mitior s. viridans, Str. mucosus
und Pneumococcus) auf Grund der Inulingärung nach Hiss,
der Löslichkeit in taurocholsaurem Natrium (Händel und
Neufeld), sowie mit Hilfe des Kochblutagars (Voges) und des
Blutwasseroptochinagars (Bieling) hinzuweisen. Hinsichtlich
der hierbei mit den genannten Gruppen menschenpathogener Stämme
erhaltenen Ergebnisse sei auf eine Zusammenstellung von Klimmer
verwiesen. In neuester Zeit hat Daränyi auf Unterschiede des Ver-
haltens pathogener und apathogener Staphylokokken in Kaninchen-
zitratblut hingewiesen.
Eigene Untersuchungen.
Zu den nachfolgenden Untersuchungen wurden folgende Strepto-
kokken verwendet:
1. 5 Stämme aus Eiterungen von Pferden, die einen Zusammenhang
mit Druse nicht erkennen ließen („Str. pyogenes equi‘). Sie entstammen
einer Fistel in der Ohrgegend (,„Ohrfistel‘), einem Impfabszeß (,,Impfabszef“),
einer Hufeiterung (,13“), einem AbszeB an der Hüfte („Hüfte“) eines etwa
HR MEN alten Pferdes, und einem alten, stark abgekapseltem Abszeß („alter
Abszeß‘“).
2. 10 Stämme von Drusestreptokokken (Str. equi) oder von Strepto-
kokken aus Eiterungen von Pferden, die kurz vorher an Druse erkrankt
waren: 4 Drusestimme waren uns von den Behringwerken (,501, 634, 680,
Insterburg I“), 3 vom Bakt. Inst. d. ostpreußischen Landwirtschafts-
kammer (,„Lieskm., 25, 339“) und 1 Stamm von Herrn Prof. Poppe („Str.
equi Berlin“) in dankenswerter Weise überlassen worden. Die beiden letzten.
hierhergehörigen Stämme waren aus Abszessen junger Pferde reingezüchtet worden;
der eine (,,Drusemetastase“) stammt aus einem großen Abszeß am Bug eines kurz
vorher an Druse erkrankt gewesenen Pferdes, das anschließend an die Eröffnung
des Abszesses an Petechialfieber erkrankte, der andere (,,Priputium“) von einem
Abszesse am Präputium eines Pferdes, das kurz vorher, und zwar während der
Abheilung der Druse kastriert worden war. Das Ausgangsmaterial für die beiden
letztgenannnten Stämme und die unter 1. angeführten Pferdestimme war uns in
dankenswerter Weise von der hiesigen Chirurg. Universitätstierklinik (Dir.: Geheimrat
Prof. Dr. Röder) überlassen worden.
3. 5 Stämme von Str. abortus equi, die wir Herrn Prof. Poppe ver-
danken („Stamm I und II, 1835, 1877 und 1958“).
Erste Abt. Orig. Bd. 101. left 1/3. 9
130 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
4. 16 Stämme von Streptokokken aus 16 Proben von Milch galt-
kranker Kühe; die Milchproben waren von Tierärzten (z. T. von uns
selbst) unter besonderen sterilen Kautelen zum Zwecke der Rein-
kultivierung entnommen worden; die Anlage der Kultur geschah möglichst
umgehend nach der Entnahme der Proben; die Streptokokken wuchsen stets in
Reinkultur (Typus: Str. agalactiae Guillebeau): Gey 9, Gey 18, Gey 38,
Gey 40, Gay 48, Richter, W 138, W 478, W 480, W 495, W 496, L 1051,
L 105 II, L 105 v. r, L 105 h. 1, L 105 h. r.
5. 27 Stämme von Streptokokken aus 25 Milchproben einzelner
galtverdächtiger Kühe; die Milchproben waren sauber von Laien zum
Zwecke des bakterioskopischen Nachweises von Galtstreptokokken ermolken
worden; die Anlage der Kulturen geschah gewöhnlich 24 Std. nach Anlieferung
im Städtischen Milchhygienischen Institute, wo sie im Kaltraum aufbewahrt wurden.
Dem Direktor des Instituts, Herrn Dr. Rühmekorf, danken wir für die Ueber-
lassung des Materials auch an dieser Stelle. Nur die Milchprobe „Amb“ wurde
direkt bei uns eingeliefert: R 5963, R 5930, R 5565 br. und d., R 5701,
R 5874, R 5702, 5467, R 5373, R 5338 br. und d., L 74, R 5803, R 5404,
R 6060, R 5121, R 5439, R 5374, R 5438, R 5747, R 5577, R 5574, R 5894,
R 6085, R 5962, Amb., R 5479.
6. 8 Stämme von Streptokokken aus 6 Milchproben von je 4—5 galt-
verdächtigen Kühen; Gewinnung und Verarbeitung wie unter 5, nur „Gey“ wurde
direkt bei uns eingeliefert; R 5604, R 5453, R 5548a, b, c, R 5954, Gey, R 6032.
7. 4 Stämme von Streptokokken aus 4 Milchproben jeweils aller
Rinder eines Bestandes; Gewinnung und Verarbeitung wie unter 5, nur
„Nd. Bielau“ war direkt bei uns eingeliefert worden: Nd. Bielau, R 5998, R 6001,
R 6163.
8. 3 Stämme von Streptokokken aus Handelsmilchproben, 2 aus einer
'Marktmilch („Th 9 u. 10%) und 1 aus Vorzugsmilch („R 5492“). Aus der
Marktmilch waren ursprünglich 12 Stämme gezüchtet worden, von denen sich
jedoch 10 als Str. lactis erwiesen und nicht weiter untersucht wurden.
9. Bezogen (,„Vorgehnen“) oder aus älteren Untersuchungen über
Galt übernommen (Hə, 19, 89, Ky, Ka, Vi a u. b, V4") oder endlich zur
Typenfeststellung zugesandt („Lora und Ortrud“) wurden insgesamt 11 Strepto-
kokkenstämme.
10. 16 Stämme von Streptokokken aus angesäuerter, ungeron-
nener („MS 1—7“) oder aus bereits geronnener Milch („MS 1—IX“):
sie wurden aus Agarplattenkulturen reingezüchtet (Typus: Str. lactis Lister-
Löhnis). i
Zur Reinzüchtung gingen wir mit wenigen Ausnahmen, bei denen
die Reinkulturen über die Blutplatte gewonnen wurden, in folgen-
der Weise vor: Aus dem Zentrifugenbodensatz wurde eine Oese ent-
nommen und auf einer Agarschräge von Streptokokkenagar (Ayers und
Johnson) vollkommen ausgestrichen, so daß an der Oese kein Material
mehr haftete. Die Oese wurde dann noch auf einer zweiten und endlich
auf einer dritten Agarschräge ausgestrichen, ohne sie mit neuem Material
zu beschicken. Auf diese Weise erhielten wir genügende Material-
verdünnungen, so daß zumeist bereits auf der zweiten Agarschräge die
Kolonien so vereinzelt aufgingen, daß unter dem binokulären Mikroskop
von einzelstehenden Kolonien Reinkulturen angelegt werden konnten.
Verhielten sich diese einheitlich, so wurde ein Stamm, sonst mehrere
fortgezüchtet. Unter dem binokularen Mikroskop erschienen die Kolonien
der selbstgezüchteten Pferdestämme als durchscheinende, meist spitz-
kegelige, an der Basis rundlich kantige Erhebungen. Die Galtstrepto-
kokken zeigten stumpfkegelige, unscharf begrenzte, oberflächlich rauhe,
garnwickelähnliche Kolonien, die oft in der Mitte bräunlich verfärbt
(größere, bis zu 3—4 mm Ø), teils klar und durchscheinend (kleinere)
waren (vgl. St. 5565 br. u. d., 5338 br. u. d.). Die Milchsäurestrepto-
kokken wuchsen auf dem verwendeten Nährboden in kleineren, stets
durchscheinenden, oberflächlich glatten Kolonien, ohne daß die Ober-
fläche Garnwickeln ähnlich war. Die Signaturen 5338 br. u. d., 5565 br.
Klimmer u. Haupt, Zur Trennung verschied. tierpath. u. saprophyt. Streptok. 131
u. d. bezeichnen je 2 Stämme aus der gleichen Milchprobe, von denen
der eine von einer bräunlichen (br.) und der andere von einer durch-
scheinenden Kolonie (d.) gezüchtet waren.
Nach der Herkunft aus dem gleichen Gehöfte sind die Stämme
aus verdächtiger Milch in folgender Weise zu gruppieren:
A. R. 6060 u. 5702, 5701, 5121, 5604 (Gr.).
B. R. 5930, 5874, 5479, 5467.
C. R. 6035, L. 105I u. L. 105II u. L. 105h.r. u. L. 105h.]. u. L. 105 v. r.
L. 74, R. 6032 (Gr.), R. 5548 (Gr.).
D. R. 5963, 5962, 5565, 5954 (Gr.), 5453 (Gr.).
E. R. 5574, 5577.
F. R. 5438, 5439.
G. W. Amb., W. 495, 480, 478 (nach Uberosanbehandlung), 496 (nach
Uberosanbehandlung).
H. der, Gey 9, Gey 18, Gey 38, Gey 40, Gey 48, Richter.
I. R. 5374 u. 5747, 5373.
K. R. 5803, W. 138 (zugekaufte Kuh).
Die übrigen Proben stammen je aus verschiedenen Beständen, und zwar aus
Einzelgemelken: R. 5894, 5338, 5404; aus Gesamtgemelken des Bestandes: R. 5998,
6001, Niederbielau, und R. 6163.
Es stelllen also:
7 Stämme ältere Laboratoriumskulturen dar,
1 Stamm war von einem anderen Institute bezogen,
3 entstammten Handelsproben,
42 Gemelken einzelner Kiihe,
5 Gruppengemelken,
4 Gesamtgemelken,
3 weitere Stämme sind durch Züchtung zweier Stämme aus der gleichen
Probe (Vla u. b, 5338b u. d, sowie 5565b u. d),
2 weitere durch Züchtung von 3 Stämmen aus einer Milchprobe (5568 a,
b u. c) zu erklären.
Es standen mir also 67 Stämme aus Milch galtverdächtiger Kühe zur Ver-
fügung. Die in obiger Uebersicht durch „u.“ verbundenen Proben stammten von
derselben Kuh, L. 1051, L. 10511 und L. 105h.r. aus dem gleichen Euterviertel.
Die genannten 105 Stämme wurden geprüft auf ihr Verhalten
gegenüber Milch, geklärter Drittelmilch (Zitratmilch), Me-
thylenblaumilch, Lackmusmilch bei 10° und 37°, gegen-
über der Reduktionsprobe mit Janusgrün und Ammonium-
molybdat, in Milchzuckerbouillon, gegenüber Hippurat-
brühe I und II, sowie auf und in der Blutplatte. Einige hämo-
lytische Stämme wurden überdies in der Kaseinagarplatte, z. T.
unter Zusatz von Milchzucker und Bromthymolblau bzw. Bromkresol-
purpur sowie auf Gelatine geprüft. Alle von Pferden stammende
Streptokokken wurden überdies auf ihr Vermögen, Sorbit zu ver-
gären, untersucht. Weiterhin wurden einige Stämme aus den ver-
schiedenen Gruppen auf Kochblutagar, Blutwasseroptochin-
agar,in 10proz. taurocholsaurem Natrium, in Kaninchen-
zitratblut auf Inulin enthaltendem Bromkresolpurpuragar und im
Gelatinestich geprüft.
Die verwendeten Nährböden wurden in folgender Weise hergestellt:
1. Die Milch war zumeist Zentrifugenmilch, die auf den Lack-
musneutralpunkt eingestellt, auf Röhrchen abgefüllt und 10 Min. bei
110° sterilisiert wurde.
2. Die geklärte Drittelmilch (Zitratmilch) nach Brown
und Howe wurde aus lackmusneutraler, mit der doppelten Menge
dest. Wassers verdünnter und mit 0,4 Proz. Natrium citricum ver-
setzter Zentrifugenmilch hergestellt. Die nach einigen Std. aufgehellte
Milchmischung wurde durch das Chamberland-Heim-Filter zu einer
9*
132 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
schwach opalisierenden Flüssigkeit geklärt, auf pH 6,8 eingestellt, ab-
gefüllt und wie zuvor sterilisiert. Beim Wachstum der Kokken können
verschiedene Grade der Trübung und Gerinnung auftreten.
3. Die Lackmusmilch nach Heim war eine Vollmilch mit
7 Proz. Lackmustinktur und von ganz schwach alkalischer Reaktion
(beginnende deutliche Bläuung). Sterilisierung erfolgt wie oben oder
an 3 aufeinanderfolgenden Tagen im Dampftopf. Bei Reduktion tritt
weiße Verfärbung der Milch (mit Ausnahme der obersten Schicht), bei
Milchzuckervergärung ein Farbumschlag nach Rot und Gerinnung der
Milch ein. Die Reihenfolge dieser Vorgänge wechselt.
4. Die Methylenblaumilch nach Sherman und Albus wurde
in folgender Weise hergestellt: Vollmilch wird auf den Lackmusneutral-
punkt eingestellt, zu je 10 ccm auf Röhrchen abgefüllt und im Auto-
klaven sterilisiert. Hierzu wird 1 ccm einer 0,05proz. sterilisierten
wässerigen Methylenblaulösung steril beigemischt. Prüfung auf Sterilität
durch Bebrütung bei 37°. Durch Reduktion wird die Methylenblau-
milch entfärbt, bei Säuerung tritt Gerinnung ein.
5. Die Milchzuckerbouillon nach Bitter und Buchholz
enthält 1 Proz. Fleischextrakt, 1 Proz. Pepton, 0,2 Proz. Natrium-
phosphat, 0,3 Proz. Kochsalz und 1 Proz. Milchzucker.
6. Zur Reduktionsprobe mit Janusgrün nach Ayers,
Johnson und Mudge verwendet man (18—) 24stünd. Kulturen in
8 ccm Fleischbrühe, die 1 Proz. Park-Davis- oder Witte-Pepton
(ersteres nach Ayers, letzteres zu vorliegenden Versuchen benutzt)
und 0,5 Proz. Traubenzucker enthält und auf pu 7,5 eingestellt ist.
Zur genannten Kultur wird 0,1 ccm steriler wässeriger 0,5proz. Janus-
grünlösung hinzugesetzt. Bei Gegenwart von Reduktase tritt in 1/, Std.
bis 3 Std. eine Farbänderung nach Purpur, später in Rot (Bildung von
Safranin und Dimethylanilin), zuweilen in schwaches Rosa und selbst
völlige Entfärbung ein. Die Entfärbung beruht auf einer Ueberführung
des Safranins in seine Leukobase; sie ist durch Sauerstoff wieder in
Safranin zurückzuverwandeln. Der anfängliche Farbumschlag von Blau-
grün in Rot ist nicht reversibel.
7. Die Reduktionsprobe mit Ammoniummolybdat nach
Ayers, Johnson und Mudge wird an Kulturen im gleichen Nähr-
substrate wie jene mit Janusgrün durchgeführt. Das Alter der Kultur
beträgt hier aber stets 24 Std. Der Zusatz zu 8 ccm Kultur besteht hier
in 2 ccm einer sterilen, wässerigen 5proz. Lösung von Ammonium-
molybdat. Durch die Reduktion dieser Lösung zu niederen Oxydations-
stufen des Molybdans tritt eine Blaufärbung auf.
8. Zur Hippuratbrühe I nach Ayers und Rupp nimmt man:
Pepton 10 g.
Pepsin 5 g.
Calciumchlorid 0,03 g.
Natriumhippurat 10 g.
lproz. Eisenchloridlösung 1 Tropfen.
dest. Wasser 1000 ccm und
Natronlauge bis zu pH 7,1.
9. Die Hippuratbrühe II besteht aus:
Fleischwasser (erhalten durch 24stünd. Ausziehen von Fleisch mit der doppelten
Menge Wasser und anschließendes Kochen) 1000 ccm.
Pepton 10 g
2basisches Kaliumphosphat 1,5 g.
Natriumhippurat 10 g.
a) ohne Traubenzucker, pu 7,2,
b) mit 2 g Traubenzucker, pH 7,2.
Klimmer u. Haupt, Zur Trennung verschied. tierpath. u. saprophyt. Streptok. 133
Einige Streptokokkenstämme wachsen in den Hippuratbrühen nicht.
Durch Zusatz von 2 ccm sterilen Pferdeserums zu 10 ccm Brühe kann
man das Wachstum auch bei diesen Stämmen (frisch gezüchteten Druse-
kokken) erreichen.
Bei der Zerlegung der Hippursäure wird Benzoësäure und Glyko-
koll gebildet. Die Benzo&säure fällt auf Zusatz von 0,5 ccm einer 50-
proz. Schwefelsäure zu 2 ccm Kulturflüssigkeit als ein dichter, krystal-
linischer Niederschlag aus; die nicht aufgespaltene Hippursäure bleibt
jedoch in Lösung. Die Benzoösäure kann in Aether!) aufgenommen,
der Aether verdampft und der Rückstand in Petroläther?) gelöst
werden. Nach Abdunsten des Petroläthers bleibt die feinkrystallinische
Benzoësäure zurück, die bei stärkerer Erhitzung sublimiert und in ver-
dünntem. Ammoniak sich löst. -Auf dem Wasserbade wird das über-
schüssige Ammoniak vertrieben; auf Zusatz von Eisenchlorid entsteht
in der Lösung von benzoésaurem Ammoniak ein charakteristischer
fleischfarbener Niederschlag. Das zu verwendende Hippurat ist zuvor
auf Reinheit bzw. Freisein von Benzoésiiure in obiger Weise zu prüfen.
Ayers und Rupp nehmen die Prüfung auf Benzoësäure unmittel-
bar in der 48stünd. Kultur mit 0,5 ccm einer 7proz. Eisenchloridlösung
(auf 2 ccm Kultur) vor. Zu der Hippuratbrühe II verwenden sie in
gleichem Verhältnis eine 12proz. Lösung von Eisenchlorid mit 0,2 bis
0,25 Proz. konz. Salzsäure. Ist Benzoésiure vorhanden, so soll die auf-
tretende Trübung länger als 10 Min. bestehen bleiben. Der direkte
Nachweis ist brauchbar, aber wenig scharf. Die Kulturen in Hippurat-
brühe sind von uns stets nach 72 Std. auf gespaltene Benzoësäure ge-
prüft worden. Die Grade der Benzoësäureabspaltung sind durch 1, 2
oder 3 Kreuze ausgedrückt worden. Es bedeutet:
-+ sehr geringe, nur im Riickstande des Petrolätherauszuges nachweisbare
ut von Benzoésiure,
schwache Fällung von Benzoésiiure auf Zusatz von Schwefelsäure,
+ starke Fällung von Benzoésiiure auf Zusatz von Schwefelsäure.
10. Zu den Blutplatten nach Brown verwendet man einen
Nähragar aus 1000 ccm Fleischwasser (1 1 Aufgußbrühe aus 500 g
Fleisch), 5 g Kochsalz, 10 g Witte-Pepton und 15 g Agar-Agar;
pH 7,4. Der Nähragar erhält einen Zusatz von 0,05 Proz. Traubenzucker
und wird zu 12 ccm auf Röhrchen abgefüllt. Der verflüssigte und auf
45° C abgekühlte Agar wird mit 0,6 ccm defibrinierten, steril ge-
wonnenen Pferdebluts versetzt, beimpft und nach gründlichem Durch-
mischen zu Platten ausgegossen. Besichtigung nach 24- und 48stünd.
Aufenthalt bei 370, sowie nach weiterer 24stünd. Aufbewahrung im
Kaltschrank. Die Beurteilung erfolgt nach der Typeneinteilung nach
Brown (S. 128).
11. Der Kaseinagar besteht aus 1 Proz. Fleischextrakt, 1 Proz.
Pepton, 0,2 Proz. Natriumphosphat, 0,3 Proz. Kochsalz, 2 Proz. Agar
und dest. Wasser; px 6,4—6,6; hierauf Zusatz von 30 ccm Natrium-
kaseinatlösung (8proz. Lösung von Caseinum purum Hammarsten in
n/10-Natronlauge) zu je 1 1 Nähragar, wodurch sich der Nährboden
trübt. Diese Trübung wird durch gewisse hämolytische Streptokokken
aufgehellt.
12. und 13. Der Bromthymolblau- und Bromkresol-
Se are ist wie obiger Kaseinagar
In Aether ist sowohl Benzo@säure als auch Hippursäure löslich.
In Petroläther ist nur Benzoësäure löslich.
134
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
a
Streptokokkenstämme
Milch-
gerin-
nung
nach
Std.
Geklärte
Drittelmilch
Trü-
bung
nach
Std.
a —___ eee
Lackmusmilch
Gerinnung
nach
Stunden
A. Pferdepathogene Streptokokken
1. Str. pyogenes equi und Str.
abortus equi
a) Ohrfistel, Impfabszeß, 13, alter
Abszeß, Str.abort equi 1958
dgl. 1877, dgl. St. I und St. Il
b) Str. abort. equi 1835
2. Str. equi a) Hüfte, Str. equi Berlin
b) Praeputium, Druse-
metastase, Druse 501, dgl. 634, dgl.
680, dgl. Insterburg, dgl. Lieskm.,
dgl. 339 und dgl. 25
|
|
18-42")
42 ‘)
|
f
16 —168)
B. Streptokokken aus Milch
I. Str. agalactiae Guillebeau
1. « = hämolytische:
a) Herkunft s. o. unter 4: Gey 9,
Gey 18, Gey 38, Gey 40, Gey 48,
Richter, W 496, W. 138, W 478,
W 480, L1051, L 10511, L. 105
v. r, L105 h. l, L105 h. r.
b) Herkunft s. o. unter 5: R 5963,
R 5930, R 5565 br. u. d., R 5701,
g 5874, R. 5702, R 5467, R5373,
74
c) Herkunft s. o. unt. 6: R 5604
d} gua 7: R 6001
e) 9: Lorau.
Nieder-Bielau
18-120,
18—168?) 18—42 +*) | 18—9
. a! = hämolytische :
a) Herk. s. o. unt. 5: R 5338 br.
und d., R. 5803
b) Herk. s.o. unt. 8: Th9, Th. 10,
R 5492
|
18—42
. -G = hümolytische:
a) Herkunft s. o. unt. 4: W 495
b) s nn » 5: R5404,
R 6060, R 5121
. y = hämolytische:
a) Herkunft s. o. unt. 5: R 5439
R 5438, R 5374, R 5747
b) Herkunft s. o. unt. 6: R 5453
18—72
i
l 18-86
J
18—42
II. Streptococcus lactis
1. a = hämolytische:
|
|
a) Herk. s. o. unt. 10:1) M. S. I-11], |
VII, VILL, 2—7|
2) MSIV, V, VI, 1X
3) MS1
18
18
18
66
66
18
18
15
18
18
18 |
18 |
Klimmer u. Haupt, Zur Trennung verschied. tierpath. u. saprophyt. Streptok. 135
Reduktion in
FED. Mon Milchaicker:
zuckerbouill. umile bouillon 2
Indikator Hydrolyt $ 2
lh 7 spaltung $ °
i - a Gerin- |,... ar |T
ba 8,3 duk. Gerin- libel der Ey | von | ee
22 |8 83) tion h | Bach flockig 8: ippursäure | M
26/85") nach | Mach | Std nach | 3 E
3 < E| Std. Std. Std. |5
1) Nach Stägiger Bebrütung bei 37° hat
sich Gerinnsel stark kontrahiert und
Bohn md im ue das stark
18111849 |, a?) 2 sitive Biuretreaktion zeigt
F 7 + +) 8 2) jedoch „alter AbszeB“: ++
3) wie bei A, *)
+ + 18 2, — | — | + + 8 die Reduktion verschwindet im Ver-
— |. 1389 = N E + 8 Į laufe der nächsten Tage, sodaß am
4)] 5. Tage beide Nährböden wieder ihre
ursprüngliche Farbe annehmen
— = = — — |-)| — _ B |5) Druse Insterburg wächst flockig, läßt
Bouillon klar; andere lassen kein
| Wachstum erkennen !
1) Trübung geht vielfach der Gerinnung
voraus
2) über Ausnahmen vgl. Text
3) keine TETE oder nur in A ee
= = a = = = Milchhälfte, stets erst nac olgter
+ +++ | # Rötung und Gerinnung
| 4) bei 5702 nur ++
| |5) R 5803 reduziert Janusgrün
| | 6) 7) R 5492 reduziert in 96 Stunden und
= — |-)| =) | — | + | — +++ a! ruft in 120 Stunden Gerinnung her-
vor
| |
— — — — — | + | — +++ 7G 8) bei W 495 bleibt Gerinnung und
Trübung aus
| .
= == = = = | AR S +++ y |9) bei R5438 keine Trübung und Ge-
| rinnung
| |
+ + 18 |18—48| 24 | 48 | — + a
+ + 18 |24—48| 24 | 48 | — — a
— _ 18 48 24 | 48 | — + a
136 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
IL Streptococcus lactis
1. «= hämolytische
III. Von den beiden Typen unter I und
II abweich.; Herk. s. o. unt. 5: Amb. | 44 _
2. x-G = hämolytische:
Geklärte :
Milch- Drittelmilch Lackmusmilch
gerin- 10° C 37° ©
Streptokokkenstämme nung | Trü- Gerinnung! Re- Rötung Re-
h
Std. Sta. Stunden sack nach | schicht
nach | bung „ach | duk- total | Ober- | duk-
b) Herkunft s. o. unt. 5: R 5577,
R5574, R5594, R6035, R5962
c) Herkunft s. o. unt.6: Gey
. |
d) » nn n» T: RES | (18—168 18_42| 18—969) 63-70 — |18—90/18—20
le
an
) nn» » : ? ,
8, Ko Ky; Via, Vib, V,
Vorgehnen, Ortrud.
erkunft s. o. unter 6: R5548a,
b u. c, R5954 18—42 | 18—42 18—96 166-701 — |18—90)18—20
= _ — 44 20
R 5479| 801%) | — | — 63") | 42 | — | —
» nn nô: R6032| 96 z = = —
zusammengesetzt; px jedoch 7,4. Ferner enthält er 1 Proz. Milchzucker
und auf je 100 ccm Nähragar noch 1;2 ccm einer 0,2proz. alkoholischen
Bromthymolblau- (Baker) bzw. 0,2 ccm einer gesättigten wässerigen
Bromkresolpurpurlösung (Conn und Hucker).
14. Der Kochblutagar und der Blutwasseroptochinagar
wurden genau nach den Vorschriften von Bieling hergestellt.
15. Zu den Gärversuchen mit S@rbit und Inulin wurde als
Nährsubstrat der vom Commitee on Bacteriological Technic
of the Society of American Bacteriologists für Gärproben
empfohlene Agarnährboden verwendet, dem überdies noch Pferdeserum
zugesetzt wurde, um ihn für das Wachstum der Drusestreptokokken ge-
eignet zu gestalten. Der Nährboden besteht aus: Fleischextrakt 3 g,
Pepton 5 g, Agar-Agar 15 g und dest. Wasser 1000 ccm. Der geklärte
Agar wird bei nachfolgenden Versuchen auf pu 7,4—7,61) eingestellt.
Es werden zugesetzt 2 ccm einer gesättigten wässerigen Lösung von
Bromkresolpurpur, wodurch der Nährboden eine deutliche blauviolette
Farbe annimmt. Nach Abfüllen zu je 100 ccm auf Kölbchen wird
dieser Grundnährboden im Autoklaven sterilisiert und in Vorrat ge-
nommen. Bei seiner Verwendung wird er verflüssigt und mit 0,5 Proz.
Sorbit bzw. Inulin versetzt und 10 Min. im Dampftopf nachsterilisiert.
Nach Abkühlen auf 55° C wird er auf 100 ccm Agar mit 20 ccm Serum
versetzt, auf Röhrchen abgefüllt und schräg zum Erstarren gebracht.
Prüfung auf Sterilität durch 24stünd. Aufenthalt im Brutofen bei 370.
1) Die Abweichung vom Lackmusneutralpunkt (6,8—7,0) wurde zur Kompen-
sation etwaiger gärfähiger Stoffe im Serum vorgenommen, was sich bei weiteren
Versuchen mit scharf neutral eingestellten Nährböden als überflüssig erwiesen hat.
Keiner der geprüften Stämme vermochte in Bromkresolpurpur - Serumagar ohne
Zusatz eines Kohlehydrates Säure zu bilden, d. h. dem gerade schwach purpuren
Nährboden einen gelblichen Schein zu verleihen.
18—14
18—96
| | È
Klimmer u. Haupt, Zur Trennung verschied. tierpath. u. saprophyt. Streptok. 137
Reduktion in | |
| Trauben- | Methylen- Milchzucker-
izuckerbouill.| blaumilch bouillon Hydrolyt- | 2 g
Indikator | 2
—— I: - spaltung ae
4 8,3) dur. | Gerin- | abel klar |S vn 188
25 E £2! tion ge nach. flockig T Hippursäure |A
jas nach MM | Std. | nach | 35
> < 8! Std. | Std | Std. |5
= SS
| | | 10) Gey, EL, 14, 0; V,a u. Vb, V,
44) | +") 18—4218—144| 24 | 48 [—'} |+ bis +++| a BON SAD TUA AD Gante
| 11) bei Vorgehnen sehr gering
12) Vorgehnen und K, trüben dauernd
|
+ + | 18 |42-66| 24 | 48 | — | + 16
+ | SAR RE eee ee Nes + | +74 | 12 ns) nur zur Hälfte
LE Me = el |, (abated: ee \14) keine Reduktion, aber Rötung
16. Das taurocholsaure Natrium wurde als 10proz. Lösung
in physiologischer Kochsalzlösung verwendet (Neufeld u. Hindel).
17. Die Nährgelatine entsprach der üblichen (Klimmer
S. 192), ihr Gehalt an Gelatine betrug jedoch 20 Proz.; z. T. wurde
diese Gelatine durch Zusatz von 20 Proz. sterilen Pferdeserums für die
Züchtung von schwerwüchsigen Streptokokken ergänzt.
18. Das Kaninchenzitratblut wurde genau nach den Angaben
von Daränyi hergestellt.
Die Ergebnisse unserer Untersuchungen auf den ge-
nannten Nährböden sind der bequemeren Uebersichtlichkeit wegen in
beifolgender Tabelle zusammengestellt worden. Falls die Veränderungen
nicht schon früher auftraten, sind die Beobachtungen bis auf 7 Tage
ausgedehnt worden.
A. Alle 20 vom Pferde stammenden Streptokokken zeigen
ß-Hämolyse, sie verhalten sich also wie der Str. haemolyticus
Schottmüller.
Die Milch wird von 9 der pferdepathogenen Stämme zur Ge-
rinnung gebracht (Gruppe 1), während die übrigen 11 die Milch un-
verändert lassen (Gruppe 2). Parallel mit diesem unterschiedlichen
Verhalten gegenüber dem Milchzucker geht die Vergärung von Sorbit
(in Tabelle nicht aufgenommen) und die Bildung der in Traubenzucker-
bouillon mit Hilfe von Janusgrün und Ammoniummolybdat
nachweisbaren Reduktase. Unter den 9 Stämmen der Gruppe 1 be-
finden sich 4 von den 5 aus Eiterungen stammenden, die keine
Beziehungen zu Druseinfektion erkennen lassen, sowie alle 5 Stämme
von Str. abortus equi, unter den 11 Stämmen der Gruppe 2
alle Drusestreptokokken (einschließlich den aus Eiterungen von
Pferden, die kurz vorher an Druse erkrankt waren, gewonnenen
Stämmen) sowie 1 Stamm aus einer druseun verdächtigen Eiterung (vgl.
138 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Herkunftsangaben 1—3, S. 129). Es besteht demnach zunächst zwischen
dem Str. equi und dem Str. abortus equi ein grundsätziicher
Unterschied insofern als der Drusestreptokokkus Laktose und Sorbit
nicht vergärt und bei der Janusgrün- und Ammoniummolybdatprobe
Reduktasebildung vermissen läßt, während der Streptokokkus des
Pferdeabortus diese biologischen Eigenschaften besitzt. Der gleiche
Unterschied besteht zwischen 4 der 5 pyogenen (druse u n verdäch-
tigen) Pferdestreptokokken und den Stämmen von Str. equi (ein-
schließlich der aus druseverdächtigen Eiterungen stammenden); jene 4
Stämme verhalten sich hinsichtlich dieser 3 Merkmale wie der Str.
abortus equi. Der 5. Stamm dieser Herkunft (druseun ver-
dächtige Eiterung), der Stamm „Hüfte“, hingegen verhält sich voll-
kommen wie der Str. equi. Er ist aus 'Eiter eines Abszesses an der
Hüfte eines 10jährigen, druseunverdächtigen Pferdes reingezüchtet
worden. Ob, wann und unter welchen Erscheinungen das betreffende
Pferd durchgedrust hatte, konnte leider nicht in Erfahrung gebracht
werden; auch über die Verseuchung des betr. Pferdebestandes mit Druse
liegen Angaben nicht vor. Das Ausgangsmaterial, aus dem der Stamm
„Hüfte“ herausgezüchtet wurde, mußte hiernach unter die Eiterungen,
die keinen Zusammenhang mit Druse erkennen lassen, eingereiht werden.
In Hinblick darauf, daß dieser Stamm sich hinsichtlich der 3 genannten
Merkmale — von denen 2 auch Holth und Adsersen als konstante
Trennungsmerkmale für den Drusestreptokokkus festgestellt haben —
vollkommen wie alle einwandfreien Stämme des Str. equi verhält,
stehen wir nicht an, diesen Stamm „Hüfte“ mit der größten Wahr-
scheinlichkeit für einen Drusestreptokokkus anzusehen.
Die Streptokokken der Gruppe 2 veränderten die geklärte
Drittelmilch (Zitratmilch) nicht; sie verhalten sich also in dieser
Hinsicht einheitlich. Dagegen kann man bei den Streptokokken der
Gruppe 1 nach ihrem Verhalten der Zitratmilch gegenüber wiederum
2 Untergruppen unterscheiden; die eine (la) trübt sie, die andere (1b)
läßt sie unverändert. Eine Gerinnung der geklärten Drittelmilch tritt
durch pferdepathogene Streptokokken überhaupt nicht ein. Zu Gruppe
la gehören je 4 Stämme von pyogenen Streptokokken und vom Str.
abortus equi, während der Gruppe 1b nur 1 Stamm des Str.
abortus equi zuzurechnen ist.
Die die Milch zur Gerinnung bringende und Sorbit vergärende
Gruppe 1 zeigt gegenüber der Lackmus- und Methylenblau-
milch, sowie gegenüber den Reduktionsproben mit Janus-
grün und Ammoniummolybdat, gegenüber der Milchzucker-
bouillon nach Bitter und Buchholz und schließlich gegenüber der
Hippuratbrühe ein gleiches Verhalten. Die Lackmus-Milch
wird sowohl bei 10° als auch bei 37° reduziert, wobei sich bei
370 an der Oberfläche eine leichte Rötung bemerkbar macht. Die
Milch gerinnt. Die Methylenblau- Milch wird entfärbt und
zur Gerinnung gebracht. Janusgrün und Molybdat werden
reduziert. In Milchzuckerbouillon tritt eine dauernde
Trübung auf. Aus Hippurat werden sehr geringe Mengen
(„alter Abszeß“ : mittlere Mengen) Benzoësäure abgespalten.
Die Streptokokken der 2. Gruppe, die die Milch nicht zur Ge-
rinnung bringen und Sorbit nicht vergären, reduzieren im allge-
meinen (Gruppe 2b) Lackmus, Methylenblau, Janusgrün und
Molybdat nicht, und spalten aus der Hippursäure trotz gutem
Klimmer u. Haupt, Zur Trennung verschied. tierpath. u. saprophyt. Streptok. 139
Wachstum und 7 Tage langer Bebrütung bei 37° in der mit Serum
versetzten Hippuratbrühe keine Benzoësäure ab. In Milch-
zuckerbouillon nach Bitter und Buchholz wächst nur der
Drusestamm ,,Insterburg I“ und zwar flockig am Boden der klar
bleibenden Bouillon. Alle anderen Stämme dieser Gruppe 2b wachsen
in der Milchzuckerbouillon nicht. Ein abweichendes Verhalten zeigen
nur der eingehend besprochene Stamm „Hüfte“ und der Stamm „Str.
equi Berlin“ (Gruppe 2a), die eine in 5 Tagen vorübergehende
Reduktion der Lackmus- Milch bei 37° und der Methylenblau-
Milch, dauernde Trübung der Milchzuckerbouillon und sehr schwache
Benzoësäureabspaltung aus Hippursäure zeigen und daher in gewisser
Hinsicht zwischen den Gruppen 1 und 2b stehen. Ob auf Grund der
Spaltungsversuche mit Hippurat zwei biologisch trennbare Unterarten
der Drusestreptokokken anzunehmen sind, müssen weitere Unter-
suchungen zeigen. In den einfacheren Nährböden, wie sie Schaffler
zu seinen Hippuratversuchen verwendete, wuchsen die Stämme der
Gruppe 2b nicht.
Unter Berücksichtigung der Ergebnisse von Holth und Adser-
sen zerfallen die vom Pferde stammenden Streptokokken in zwei auf
Grund ihres Gärvermögens für Milchzucker trennbare Gruppen. Milch-
zucker vergären alle vom Pferde stammenden Streptokokken mit Aus-
nahme der Drusestreptokokken. Zu den Milchzucker vergärenden
sind zu rechnen die Eiterstreptokokken, der Str. abortus eq ui,
ferner nach Holth und Adsersen der Schützsche Brustseuche-
streptokokkus, Streptokokken aus Petechialfieberfällen
usw. Diese Laktose vergärende Gruppe ist weiterhin durch die Fähigkeit
der Stämme, Sorbit zu vergären, bei 109 C zu wachsen, Me-
thylenblau und Lackmusfarbstoff in Milch, Janusgrün
undAmmoniummolybdatin 24stünd. Traubenzuckerbouillon-
kulturen zu reduzieren von den Drusestreptokokken, die diese
Eigenschaften nicht aufweisen, zu unterscheiden. Vereinzelte Stämme,
die:nach ihrem Verhalten gegenüber Milchzucker den Drusestämmen zu-
zurechnen sind, vermögen Lackmus und Methylenblau in Milch vorüber-
gehend zu reduzieren und zeigen überdies in Uebereinstimmung mit den
Eiterstreptokokken des Pferdes geringe Spaltung des Hippurates und
dauernde Trübung der Milchzuckerbouillon. Außer dem negativen
Verhalten gegenüber Milchzucker und Sorbit zeigten die Drusestämme
in Lackmusmilch bei 100 C keine Vermehrung. Auf die -pizootio-
logischen Folgerungen aus dem Wachstum der Eitererreger sowie der als
Erreger spezifischer Infektionskrankheiten angenommenen Strepto-
kokken der gleichen Gruppe bei niederer Temperatur soll später kurz
eingegangen werden.
Zur bakteriologischen Trennung empfiehlt es sich, Rein-
kulturen von Streptokokken, die vom Pferde stammen, in steriler
Milch bei 370 zu bebrüten. Innerhalb von 2—3 Tagen — nach vor-
liegenden Ergebnissen stets nach 42 Std. — ist bei den Milchzucker
vergärenden Gerinnung der Milch eingetreten.
Bei einer beschränkten Anzahl der Pferdestimme (Gruppe 1a:
„13, alter Abszeß, Str. abortus equi St. I“; Gruppe 1b: „Str.
abortus equi 1855‘; Gruppe 2a: „Hüfte, Str. equi Berlin‘;
Gruppe 2b: ,,Priputium, Druse 501, Druse 339“) wurde auf Blut-
wasseroptochinagar ein erheblicher Unterschied weder unter-
einander noch gegenüber den Galt- und Milchsäurestreptokokken be-
140 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
obachtet. Die Stämme der Gruppe 2b wuchsen zwar deutlich schleimig,
die übrigen trocken; die Verfärbung des Nährbodens nach braungelb
trat jedoch bei allen Stämmen in die Erscheinung, bei denen der
Gruppe 2b allerdings später als bei den übrigen (nach 72 Std. anstatt
nach 24—48). Hinsichtlich des unterscheidenden Charakteristikums auf
diesem Nährboden verhielten sich also alle Stämme wie der Str. mitior
des Menschen. Auf Kochblutagar bildeten (Stämme wie oben) die
Streptokokken der Gruppe 1 graue bis grauweißliche deutlich erkenn-
bare Kolonien, während die der Gruppe 2 nur als feinste graue Kolo-
nien in die Erscheinung traten. Die Unterschiede waren geringfügig.
Inulin hat keiner der verwendeten Stämme vergoren, taurocholsaures
Natrium vermochte keinen zu lösen. In Kaninchenzitratblut
zeigten alle obigen Stämme nach 24 Std. schwache, nach 48 bis 72 Std.
starke Hämolyse, während eine entsprechende Auswahl der Galt- und
Milchsäurestämme (s. S. 143 u. 145) nicht hämolytisch wirkten. Eine Ge-
rinnung des Zitratplasmas trat bei den Stämmen der Gruppe 1 nach
72 Std., bei denen der Gruppe 2 erst nach 5—7 Tagen ein.
Mit den pferdepathogenen Stämmen der Gruppe 1 wurden weiter-
hin Untersuchungen darüber angestellt, ob sie neben der Fähigkeit,
Milch unter Säurebildung zur Gerinnung zu bringen, Eiweißkörper
(Kasein) zu lösen bzw. abzubauen vermögen. Wie in der Tabelle
aufgenommen, konnte in dem vom Milchkoagulum abgepreßten Serum
bei der Biuretreaktion eine deutliche Rotfärbung festgestellt werden (im
Essigsäureserum der .gleichen unbeimpften Milch war diese Reaktion
negativ). Diese Stämme klären in der Umgebung ihrer Kolonien den
schwach sauren Kaseinnähragar (nicht mit in die Tabelle aufge-
nommen). Diese Klärung beruht nicht auf einer Alkalibildung.
Setzt man den Kaseinnährböden Milchzucker und als Indikator Brom-
kresolpurpur oder Bromthymolblau zu, so ist neben der Aufhellung
des Kaseins vielmehr eine saure Reaktion (Gelbfärbung) festzustellen.
Bei einer Prüfung dieser Stämme sowie der 5 oben angeführten aus
Gruppe 2 in Gelatine (Stich- und Schüttelkultur) erwiesen sich die
der Gruppe 1 als Verflüssiger der Gelatine, während die der Gruppe 2
die Gelatine nicht zu erweichen vermochten. Die Streptokokken der
2. Gruppe wurden in Gelatine mit 20proz. Zusatz von Serum 48 Std.
bebriitet und zu reichlichem Wachstum gebracht. In gleicher Weise
mit Streptokokken der 1. Gruppe beimpfte Serumgelatineröhrchen er-
wiesen sich nach dieser Bebrütung nicht mehr als erstarrungsfähig,
während die Kulturen mit Streptokokken der 2. Gruppe in gleicher
Weise wic unbeimpfte Serumgelatine wieder erstarrte.
Endlich wurden die vom Pferde gewonnenen Streptokokken auf
ihre Pathogenität weißen Mäusen gegenüber geprüft. Die Mäuse
wurden mit 1/,) bis !/, einer Schrägagar- bzw. Schrägserumagarkultur
subkutan geimpft. Hinsichtlich ihres pathogenen Verhaltens gegenüber
weißen Mäusen konnte ein Unterschied zwischen dem Str. equi,
Str. abortus equi und den pyogenen Streptokokken nicht fest-
gestellt werden. Ohne Regelmäßigkeit trat unabhängig vom Aus-
gangsmaterial Bakteriämie oder Vereiterung der Lymphknoten ein oder
blieb eine Erkrankung aus. Im Herzblut und in der Milz der verendeten
Tiere waren bald Mono- und Diplokokken, bald Streptokokken zu
finden. Die Pathogenitét nimmt auf den künstlichen Nährböden mit der
Zeit ab. Während alle frisch aus dem Tierkörper gezüchteten Stämme
schon in kleinen Dosen die Mäuse töteten, riefen ältere Stämme nur in
Klimmer u. Haupt, Zur Trennung verschied. tierpath. u. saprophyt. Streptok. 141
großen Dosen eine Erkrankung hervor oder erwiesen sich sogar als
völlig apathogen. Trat der Tod ein, so starben die Mäuse in 1—5
—1 Tagen. Diese Ergebnisse sind in die Tabelle nicht mit aufgenommen
worden.
Als gt eal g fiir den pyogenen Streptokokkus des Pferdes
bringen wir „Str. pyogenes equi“ in Vorschlag. Von dem menschen-
pathogenen Str. pyogenes Rosenbach unterscheidet er sich schon
durch die Gelatineverflüssigung. Nach unseren Ergebnissen ist dieser
Str. pyogenes equi von dem Str. abortus equi nicht abtrennbar
und ist — wenigstens vorläufig — als identisch mit diesem anzunehmen.
Diese Annahme steht in Uebereinstimmung mit dem Seuchencharakter
des Streptokokkenabortus der Stuten. Diese Infektionskrankheit tritt
vorzüglich sporadisch, vereinzelt auch in Form von Enzootien kleinen
Umfanges auf und zeigt keine Neigung zu erheblicher Ausbreitung. Wie
bereits oben angedeutet, spricht auch das Wachstum des Abortus-
streptokokkus bei 10° gegen eine besondere Anpassung an das para-
sitäre Leben, zu der nach unseren Ergebnissen die obligat pathogenen
Streptokokken im allgemeinen zu neigen scheinen.
B. Von den 85 Streptokokkenstämmen aus Milch
zeichneten sich 44 namentlich durch folgende Eigenschaften aus
(Gruppe I): 1. Lackmusmilch wird zunächst gesäuert (Rö-
tung und Gerinnung) und erst hierauf und nur in der unteren Hälfte
reduziert; 2. Methylenblaumilch wird unverändert ge-
gelassen (weder Reduktion noch Gerinnung); 3. Janusgrün oder
Ammoniummolybdat wird in 24stünd. Traubenzuckerbouillonkul-
turen nicht reduziert; 4. bei 10° C erfolgt kein Wachstum;
5. Milchzuckerbouillon bleibt klar, Wachstum erfolgt in Form
von Flocken. Weitere 38 Stämme (Gruppe II) weisen folgendes
gegensätzliches ‚Verhalten in den gleichen 5 Nährsubstraten auf:
1. Lackmusmilch wird vor oder gleichzeitig mit der Säuerung
reduziert; 2. Methylenblaumilch wird reduziert und zur
Gerinnung gebracht; 3. Janusgrün und Ammoniummolybdat
werden in 24stünd. Traubenzuckerbouillonkulturen reduziert; 4. bei
10° C erfolgt Wachstum; 5. Milchzuckerbouillon wird inner-
halb 24 Std. getrübt und klärt sich in weiteren 24 Std. unter
Bildung eines Bodensatzes. Die restlichen 3 Stämme verhalten sich ab-
weichend (Gruppe III).
Nach der Herkunft der Streptokokken aus saurer oder Galtmilch,
bei letztgenannter überdies unter Berücksichtigung der sterilen Ge-
winnung der Milchproben halten wir uns für berechtigt, die Stämme
aus saurer Milch (s. Herkunftsangabe 10 auf S. 130) als typische
Milchsäurestreptokokken, die aus steril ermolkenen Galt-
milchproben (s. Herkunftsangabe 4, S. 130) als typische Galt-
streptokokken anzusehen, zumal da alle erstgenannten Stämme
restlos unter die Gruppe II, die letztgenannten sämtlich unter die
Gruppe I fallen. Die sich den jeweils 16 Typenstämmen gleich ver-
haltenden Stämme aus Milchproben verschiedener Herkunft (Herkunfts-
angabe 5—9, S. 130) haben wir unter die entsprechenden Gruppen
eingeordnet und glauben berechtigt zu sein, alle Stämme der Gruppe I
als Galt- und alle der Gruppe II als Milchsäurestämme zu bezeichnen. In
diesem Zusammenhange dürfte es von Interesse sein, daß von den
27 Stämmen aus Einzelmilchproben (Herkunftsangabe 5) 20 (74 Proz. ),
von 8 Stämmen aus Gruppenmilchproben (Herkunftsangabe 6) 2
142 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
(25 Proz.), von 4 Gesamtmilchproben (Herkunftsangabe 7) 2 (50 Proz.),
von 13 (10 Lactis- Stämme wurden nicht weiter untersucht) Stämmen
aus Handelsmilch (Herkunftsangabe 8) 3 (23 Proz.) und von 11 über-
nommenen Stämmen (Herkunftsangabe 9) 1 (9 Proz.) sich als zur
Gruppe I gehörig erwiesen.
Gruppe I: „Str. agalactiae Guillebeau“.
Sämtliche 44 Stämme dieser Gruppe (mit Ausnahme von R 5373)
bringen Milch in 18—24 Std. zur Gerinnung. Die Reduktase-
bildung ist gering, die Reduktion ist entsprechend verzögert oder bleibt
ganz aus. In Lackmusmilch bei 37° erfolgt zunächst Rötung des
Lackmusfarbstoffes, hierauf Gerinnung (außer R 5373) und erst in
der geronnenen Milchsäule eine stets unvollständige Entfärbung des
roten Lackmusfarbstoffes. In 24stünd. Traubenzuckerbouillonkulturen
wird weder Janusgrün noch Ammoniummolybdat reduziert.
Hiervon macht allein der Stamm R 5803 eine Ausnahme, der Janus-
grün (nicht aber Ammoniummolybdat) reduziert. In Methylenblau-
milch bleibt Reduktion und Gerinnung aus. Dies ist dadurch zu er-
klären, daß die Galtstreptokokken durch den etwa 0,005proz. Gehalt
an Methylenblau in ihrer Entwickelung zunächst gehemmt und innerhalb
von 7 Tagen abgetötet werden. Auch hiervon ist eine Ausnahme her-
vorzuheben: R 5492 reduziert Methylenblaumilch in 96 Std. und
bringt sie in 120 Std. zur Gerinnung. Bei 100 C erfolgt ein Wachstum
in Lackmusmilch nicht (keine Rötung, Gerinnung oder Entfärbung).
In Milchzuckerbouillon nach Bitter und Buchholz bilden sie einen
flockigen Bodensatz, zuweilen setzen sich die Flocken auch an der
Wandung des Kulturröhrchens an. Die Bouillon bleibt klar. In ge-
klärter Drittelmilch tritt in der Regel Gerinnung ein; eine Aus-
nahme machen nur die Stämme R 5565d, R 5702, L.74, L. 105 h.r., W.
495, R. 5373, R. 5438 und Lora. Zuweilen geht eine Trübung voraus,
die aber stets im weiteren Verlaufe zur Gerinnung führt (während die
pyogenen und Abortusstämme vom Pferde stets nur eine Trübung, nie-
mals vollständige Gerinnung bedingen). Aus Hippurat bilden alle
44 Stämme reichliche Mengen von Benzoësäure, die auf Zusatz von
5Oproz. Schwefelsäure einen dichten krystallinischen Niederschlag bildet;
nur bei Stamm R 5702 war die Benzoésiurebildung geringer aber
immer noch deutlich. Auf der Blutplatte zeigten 29 (66 Proz.) den
Typus z, 6 den Typus «’, 4 den Typus yG und 5 den Typus ~. Die
Unterschiede zwischen «’- und a- sowie zwischen a- und y G- und
schließlich selbst zwischen y G- und y-Hämolyse sind nicht immer sehr
scharf, es kommen Uebergänge vor. Beim «’-Typus tritt bereits bei 37
ein hämolytischer Hof um die Kolonie auf, der sich beim weiteren
Aufenthalt im Kaltraume verbreitert; mikroskopisch sind in der Nach-
barschaft der Kolonie ungelöste Erythrozyten festzustellen. Beim «-
Typus tritt bei 370 namentlich eine Grünfärbung und Bleichung der
Erythrozyten, die um die Kolonie gelegen sind, hervor. Bei kalter Auf-
bewahrung erfolgt peripher von dieser grünlichen Ringzone Hämolyse,
während die verfärbten Erythrozyten ungelöst bleiben. Beim yG-Typus
erfolgt keine Bleichung oder Lösung der Blutkörperchen sondern nur
eine geringe grünliche Verfärbung. Beim y-Typus fehlt jede Ver-
änderung des Nährsubstrates.
Bei einigen Stämmen der Gruppe I wurden die Fähigkeit, Ge-
latine zu verflüssigen (L 105 h. r., Th. 9, R 5404), Inulin zu vergären,
Klimmer u. Haupt, Zur Trennung verschied. tierpath. u. saprophyt. Streptok. 143
das Verhalten auf Blutwasseroptochin- und Kochblutagar sowie in tauro-
cholsaurem Natrium (Th. 9, R 5404, R 5338 br., R 5439, R 5565 d.,
R 5438, Nd. Bielau, R 5373, R 5492 u. R 5803) und endlich das
Verhalten in Kaninchenzitratblut (8 Stämme, wie oben mit Ausnahme
von R 5373 u. R 5492) geprüft. Die angeführten Stämme wuchsen auf
Kochblutagar als feine graue Kolonien, die bisweilen eine geringe
Vergrünung erkennen ließen, auf Blutwasseroptochinagar wie
Str. mitior. Inulin wurde nur von R 5404, R 5373 u. R 5492 unter
Säurebildung angegriffen. Taurocholsaures Natrium vermochte
keinen der Stämme zu lösen. Kaninchenzitratblut blieb, mit
den angeführten Stämmen beimpft und bis zu 7 Tagen bei 37° gehalten,
unverändert. Serumgelatine (vgl. S. 140) wurde im Stich durch
keinen der 3 Stämme erweicht (7 Tage bei Zimmertemperatur von
etwa 20° C).
Die Pathogenität für weiße Mäuse wurde durch Verimpfung
von Aufschwemmungen aus Reinkulturen der Streptokokken unter-
sucht. Hierbei erwiesen sich nur die Stämme Th. 9 und 10 als pathogen.
Th. 10 tötete eine Maus nach 4 Tagen, Th. 9 ließ eine Maus am 3. bis
5. Tage erkranken (Conjunctivitis, gesträubtes Haarkleid), tötete sie
jedoch nicht. Die Injektion mit 1/; Schrägkultur war subkutan erfolgt.
Die aus der Maus Th. 10 gewonnene Reinkultur verhielt sich wie der
Ausgangsstamm in den in der großen Tabelle verzeichneten Proben.
Hinsichtlich der Form der gefundenen Galtstreptokokken konnten
in dem Ausgangsmateriale die charakteristischen Staketformen regel-
mäßig gefunden werden. In einigen älteren Kulturen auf Ayers-Agar
(Stamm L 1051) traten diphtheroide Stäbchenformen in großer
Anzahl, teilweise ausschließlich, auf. Bisher waren wir noch nicht in
der Lage der Untersuchung dieses Formwechsels näher zutreten. So-
weit unsere Untersuchungen gehen, seien die vorläufigen Beobachtungen
mitgeteilt, ohne daß wir daraus zustimmende oder ablehnende Folge-
rungen der namentlich von Löhnis vertretenen Anschauung eines Ent-
wicklungszyklus der Bakterien ziehen könnten. Der Stamm L 1051 ist
im Anfang Februar reingezüchtet worden (Herkunftsangabe 4, S. 130).
Mitte April wurde eine Generation (etwa die 4.—5.) von Mitte März
erneut mikroskopisch untersucht. Hierbei zeigten sich im mikroskopi-
schen Bilde keine Streptokokken, sondern nur dem Diphtheriebazillus
ähnliche, unterbrochen gefärbte Stäbchenformen (Färbung nach Gram
in Jensens Modifikation). Drei dieser Kulturröhrchen wurden mit
Milchzuckerbouillon übergossen und 24 Std. bebrütet. Zwei zeigten ein
flockiges Wachstum; die Flocken bestanden aus typischen, aber außer-
ordentlich verschieden dicken Kokkenreihen. Auf Ayers-Agar über-
tragen, wuchsen die Streptokokken in der üblichen Weise und bildeten
im Kondenswasser einen flockigen Bodensatz. Im Ausstrich von diesem
und von der Agarschräge traten wieder diphtheroide Stäbchenformen
neben typischen Streptokokken auf. Außerdem kamen Streptokokken
zur Beobachtung, deren Endglieder sich bei erhaltener Länge stark
verbreiterten, so daß das mikroskopische Bild dem Aussehen eines
Bandwurmes weitgehend ähnelte. Diese verbreiterten Endglieder be-
halten die Gramsche Farbe nur noch in Form feinster Pünktchen. Die
Formen, die wir weiterhin beobachteten, sind bereits beschrieben. Sie
entsprechen den von Löhnis in den Figuren B3, B4, XII 170 und
von Kraskowska und Nitsch in den Figuren 2, 3, 7, 10, 11, 13,
14 und 15 wiedergegebenen Formen. Weitere Untersuchungen über den
Formenkreis der Streptokokken sollen folgen.
144 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Gruppe II: Str. lactis Lister-Löhnis.
Die 38 als Milchsäurestreptokokken eingereihten Stämme säuern
die Milch und zwar zumeist in erheblichem Maße, so daß sie in 18 Std.
bereits geronnen ist. Die Ausnahmen von dieser Regel betreffen die
Stämme Gey (120 Std.), V, (138 Std.), Vb» und 19 (168 Std.),
H 2 (168 Std. nur Kuppe) und 89 (nach 7 Tagen noch ungeronnen).
Auffällig ist die starke Beteiligung alter Laboratoriumsstämme an
diesem ausnahmsweisen Verhalten. Die Reduktase-Bildung ist
kräftig. Die Lackmusmilch wird bei 37° und bei 10° zumeist
in 18 bzw. 66 Std. entfärbt. Die Säuerung (Rötung der der Luft
ausgesetzten, nicht reduzierten Oberfläche und Gerinnung) erfolgt zu-
meist später, mitunter gleichzeitig. Methylenblau hemmt das Wachs-
tum der Milchsäurestreptokokken nicht oder nur gering; die Methylen-
blaumilch wird in 18 (—42) Std. entfärbt; die Gerinnung erfolgt ver-
einzelt zu gleicher Zeit wie bei der Milch oder zumeist später. Keine
Gerinnung der Methylenblaumilch weisen die Stämme V,», V,, Ho, 19 u.
89 auf. Janusgrün und Ammoniummolybdat werden in 24stünd.
Traubenzuckerbouillonkulturen aller 38 Stämme mit alleiniger Aus-
nahme von „Vorgehnen“, der nur schwach, und MS. 1, der gar nicht
reduziert, kräftig reduziert. Diese Ergebnisse stimmen mit denen von
Sherman und Albus, Ayers, Johnson und Mudge sowie Heim
im allgemeinen überein. In gleicher Weise wurden auch die Angaben
von Bitter und Buchholz, daß die Milchsäurestreptokokken die
Milchzuckerbouillon in den ersten 24 Std. trüben, aber nach
weiteren 24 Std. unter Klärung der Bouillon zu Boden sinken, durch
eigene Versuche bestätigt. Von dieser Regel weichen nur „Vorgehnen‘
und K, ab, die eine dauernde Trübung hervorrufen. Geklärte
Drittelmilch wird von fast allen Stämmen in (18—) 24—48 (—144)
Std. zur Gerinnung gebracht, bei V,> blieb Triibung und Gerinnung,
bei Gey, Vi, Vy, Ha 19, 89 u. R 5962 blieb die Gerinnung aus,
während eine Trübung als Kennzeichen schwacher Säurebildung auf-
trat. Alle Stämme spalteten aus Hippurat Benzoësäure ab, deren
Menge allerdings im allgemeinen nur sehr gering war. Kräftigere
cote des Hippurates erfolgte nur durch die Stämme V,b, V,, “H,,
19, 89 u. Gey. Vier aus saurer Milch gewonnene Stämme (MS. IV;
V, VI, IX) ließen überhaupt keine Spaltung der Hippursäure erkennen.
Hiernach lassen sich 3 Untergruppen der Milchsäurestreptokokken-
stämme aufstellen: Die 1. Gruppe mit Reduktion von Janusgrün und
Molybdat sowie Benzoësäurebildung, die 2. Gruppe mit Reduktion
von Janusgrün und Molybdat, aber ohne Benzoësäurebildung und die
3. Gruppe ohne Reduktion von Janusgrün und Molybdat, aber mit
Benzoësäurebildung. In der Blutplatte zeigen 34 Stämme der Milch-
säurestreptokokken den Typus der «-Hämolyse (nach Brown).
Die Kolonien sind nach 24stünd. Bebrüten bei 370 von einem grünlichen
Hofe umgeben, nach weiteren 24 Std. bei 370 ist die Platte bei
dichter Aussaat braun verfärbt und halbdurchsichtig geworden.
Bei der mikroskopischen Untersuchung sind die Erythrozyten in der
nächsten Umgebung der Kolonien noch vollständig erhalten und bräun-
lich gefärbt; hierauf folgt nach außen eine Zone von teilweise gelösten
roten Blutkörperchen, die durchsichtiger und klarer als die Innenzone
und bräunlich verfärbt ist. Werden die Platten hierauf 24 Std. bei
4° © aufbewahrt, so ändert sich das Bild nicht. Schwach infi-
zierte Platten zeigen nach 48stünd. Verweilen bei 370 um die
Klimmer u. Haupt, Zur Trennung verschied. tierpath. u. saprophyt. Streptok. 145
Kolonien einen schmalen Hof grünlich verfärbter, in der Form gut er-
haltener Erythrozyten. Nach 24 Std. langer Aufbewahrung bei 4° tritt
eine deutliche hämolytische Zone um den erwähnten Hof hervor. Nach
erneuter Bebrütung bei 370 entsteht um die hämolytische Zone ein
grünlicher Ring mit erhaltenen Erythrozyten und nach weiterer kalter
Aufbewahrung um letztere wieder ein heller hämolytischer Gürtel. Die
restlichen 4 Stämme (R 5548a, b u. c, sowie R 5954) weisen y-Hämo-
lyse auf, d. h. die roten Blutkörperchen werden nicht verändert.
Auch von den Milchsäurestreptokokken wurden einige auf ihr
Verhalten auf Blutwasseroptochin- und Kochblutagar, in Kaninchen-
zitratblut und Gelatine sowie auf ihre Löslichkeit in taurochol-
saurem Natrium und auf ihre Gärfähigkeit für Inulin geprüft.
Die beiden zuletztgenannten Proben hatten ein negatives Ergebnis
(MS 7, VI, VIII, Vorgehnen, Gey, R 5577, R 5998, V;»). Auf
Kochblutagar wuchsen sie (MS 7, VI, VIII, Gey, R 5998, V2)
grün oder (R 5577, Vorgehnen) grau. Auf Blutoptochinagar
verhielten sie sich wie Str. mitior. Gelatine wurde (MS 7, VI)
nicht verflüssigt, Kaninchenzitratblut blieb (MS 7, VI) bis zu
7 Tagen bei 37° unverändert.
Gruppe III: Atypische Stämme.
Das biologische Verhalten der drei atypischen Stämme auf den ver-
schiedenen Nährböden ist aus der Ergebnistabelle zu ersehen.
Der Stamm R 5479 zeichnet sich durch geringe Spaltungs-
fähigkeit für Laktose und durch den vollständigen Mangel an Bildungs-
fähigkeit von Reduktase aus. Sein Wachstum bei 10°, starke Benzoé-
säurebildung aus Hippurat, «-Hämolyse, dauernde Trübung der Laktose-
bouillon kennzeichnet ihn als in den Rahmen weder des Str. agalac-
tiae noch des Str. lactis passend. Der Stamm R 6032 zeigt ähn-
liches Verhalten, jedoch verändert er Lackmusmilch weder bei 10 noch
bei 37° C, läßt Methylenblaumilch unverändert, reduziert Janusgrün
und Ammoniummolybdat und wächst flockig in Laktosebouillon. Der
Stamm Amb. ist kurz vor Beginn dieser Untersuchungen aus einer
Milchprobe reinkultiviert worden und hat mit Ausnahme des Wachs-
tums bei 100 im großen und ganzen die Eigenschaften eines Hippursäure
nicht spaltenden, + G-hämolytischen, in Laktosebouillon nicht wachsen-
den Milchsäurestreptokokkus. Alle 3 Stämme sind in taurocholsaurem
Natrium unlöslich und vergären Inulin nicht. Auf Kochblutagar bildet
R 5479 grüne Kolonien, die beiden anderen feinste graue Kolonien, auf
Blutwasseroptochinagar wächst der erstgenannte wie Str. mitior,
bildet jedoch im Gegensatz zu den kräftig wachsenden anderen aus Milch
gewonnenen Streptokokken nur feinste graubraune Kolonien, während
die beiden anderen als feinster grauer Hauch ohne Veränderung des
Nährsubstrates wachsen.
Es muß offen bleiben, aus welcher Quelle diese atypischen Stämme
in die betreffenden Milchproben gelangt sind.
Zusammenfassung der Ergebnisse.
1) Alle geprüften pferdepathogenen Streptokokkenstämme zeigen
ß-Hämolyse. Nach ihrem sonstigen Verhalten können sie in
2 Gruppen eingeteilt werden. Die erste Gruppe umfaßt den Str.
abortus equi und die Streptokokken aus Fällen von Eiterungen
(und — nach Holth und Adsersen — von Brustseuche und Pete-
Erste Abt. Orig. Bd. 101 Heft 1,3, 10
146 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
chialfieber). Die zweite Gruppe wird vom Str. equi, dem Druse-
streptokokkus, gebildet. — 2) Der Str. abortus equi und die pyo-
genen Kettenkokken des Pferdes sind dadurch gekennzeichnet,
daß sie die Milch, Lackmusmilch bei 10 und 37° C sowie die Methylen-
blaumilch zur Gerinnung und die beiden mit reduzierbaren Farbstoffen
versetzten Milchproben zur Entfärbung bringen. Sie reduzieren Janus-
grün und Ammoniummolybdat, trüben Milchzuckerbouillon dauernd,
spalten sehr geringe Mengen Benzoésiure aus Hippurat ab und ver-
gären Sorbit. — 3) Die Drusestreptokokken lassen Milch, Lack-
mus- und Methylenblaumilch nicht gerinnen, reduzieren Lackmus-
farbstoff und Methylenblau in der Regel nicht, selten vorübergehend.
Janusgrün und Ammoniummolybdat werden nicht reduziert. In Milch-
zuckerbouillon wachsen sie meist nicht; soweit sie wachsen, rufen sie
flockigen Bodensatz oder dauernde Trübung hervor. Aus Hippurat
spalten die meisten Drusestämme keine Benzoësäure ab. Sorbit vergären
sie nicht. — 4) Der Str. agalactiae Guillebeau bringt Milch
und Lackmusmilch bei 370 zur Gerinnung und letztere — jedoch erst
nach der Säuerung — in der unteren Hälfte zur Entfärbung, dagegen
tritt in Lackmusmilch bei 10° und in Methylenblaumilch bei 370 weder
Säuerung noch Reduktion ein. Janusgrün und Molybdat werden nicht
reduziert. In der klaren Milchzuckerbouillon bilden die Galtstrepto-
kokken Flocken ohne Trübung. Aus Hippurat spalten sie erhebliche
Mengen Benzoësäure ab. Sie zeigen meist «-, seltener «!1-, y grün- oder
y-Hämolyse. — 5) Die Milchsäurestreptokokken (Str. lactis
Lister-Löhnis s. Str. lacticus Kruse) bringen die Milch, Lack-
musmilch und Methylenblaumilch in kurzer Zeit zur Gerinnung. Lack-
mus- und Methylenblaumilch werden vorher oder gleichzeitig entfärbt.
Bei Lackmusmilch erfolgt die Reduktion sowohl bei 10° als auch bei
37° C. Milchzuckerbouillon wird in 24 Std. getrübt, nach weiteren
24 Std. unter Bildung eines Bodensatzes aufgehellt. Die Hämolyse er-
folgt fast stets nach Typus x. Aus Hippurat spalten die meisten
Milchsäurestreptokokken Benzoösäure, zumeist in nur geringen Mengen,
ab. Janusgrün und Molybdat werden von allen hierhergehörigen Strepto-
kokken — bis auf einen Stamm. — reduziert. — 6) Aus Milchproben
galtverdächtiger Kühe wurden außer den Milchsäure- und Galtstrepto-
kokkenstämmen noch 3 atypische Stämme reingeziichtet. Hin-
sichtlich ihres Verhaltens sei auf S. 145 verwiesen. —7) Auf Grund von
Stichproben mit je einigen Stämmen der verschiedenen 'Typen und
Gruppen konnten verwertbare Unterschiede im Verhalten gegenüber
taurocholsaurem Natrium und auf der Blutwasseropto-
chinagarplatte nicht festgestellt werden. Geringe Verschiedenheiten
auf der Kochblutagarplatte, im Inulingärversuch und — hin-
sichtlich der pferdepathogenen Streptokokken — im Mäuseinfek-
tionsversuche lassen eine Regelmäßigkeit vermissen. Gelatine
und Kasein werden von Str. abortus und Str. pyogenes equi
abgebaut, während dem Str. equi diese Eigenschaft abgeht. Im Ka-
Klimmer u. Haupt Zur Trennung verschied. tierpath. u. saprophyt. Streptok. 147
ninchenzitratblut treten namentlich Unterschiede zwischen den
z-hämolytischen und den ß-hämolytischen Streptokokken hervor; die
EURE ANNIE Stämme lösen die Blutkörperchen nicht, die letztgenannten
tun dies.
Zur leichteren Uebersichtlichkeit sind die Haupteigenschaften
der untersuchten Streptokokkenstämme in nachfolgender Tabelle zu-
sammengestellt, wobei auf die Ausnahmen keine Rücksicht genommen ist.
|» |Entfärbung + Reduk-|In Milch- 2
5 | der Lack- |S i k 5
E er Lac 2 tion zucker- C
2 | musmilch > von | bouillon | æ
lo i o ~ — =
| | [Se | bei 37° 8 S
= ? À | s+
leg | ES re à 2 he EE
bo) 0) © 8 315= tw | © ns P
515627355558 & | te) 3% | Hämolys
GEIL CIRCE REE & o | e'g) 2
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EIS ls a) MN) ER SOs ES) 5 $ # |
D 58 = SEIS L'22l | os D
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Slsle |35 wasa agale jE“ 8 |
Sam 82zsza Sig |& la à |
—— = = -m =—
Str. pyogenes equi |+ +! + + -|+ |+ +! + + 8
» abortus „ j++ + + ++) + = | + + B
» equi —|—| — — — | = |=| — | — |] — — B
» lactis — +++) + -+++ -|+| + a
» agalactiae +/+) — — /|+/1-1-1- |+| — |+++ lee 14,7)
Schrifttum.
Adsersen, Die Spezifität des Drusestreptococeus mit bes. Berücksichtigun;
des Ca net ba ens gegenüber Kohlehydraten usw. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I.
Orig. . 76. 1915. £ 111.) — Ayers a. Johnson, A medium for stock cultures
and for streptococci and other bacteria. (Journ. Bact. Vol. 9. 1924. p. 111.) —
Ayers, Johnson and Mudge, Streptococci of souring milk with special re-
ference to streptococcus lactis. (Journ. Inf. Dis. Vol. 34. 1924. p. 29.) — Ayers
a. Mudge, The streptococci of the bovine udder. (Ibid. Vol. 31. 1922. p. 40.) ==
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10*
148 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
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Schaffler, Beitrag zur Frage der Unterscheidung human- und tierpathogener
Streptokokken mit bes. Berücksichtigung ihres Verhaltens gegen hippursaures Na-
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Res. Vol. 31. 1915. p. 455.
Nachdruck verboten.
Zur Biologie eines bei Ferkelsterben gefundenen
Streptokokkus.
[Aus dem Veterinär-Hygienischen Institute der Universität Leipzig
(Dir.: Obermedizinalrat Prof. Dr. M. Klimmer).]
Von E. Schwarze, Volontärassistent des Institutes.
In neuerer Zeit mehren sich die Angaben über Ferkelsterben, bei
denen Streptokokken eine ätiologische Rolle zu spielen scheinen. Es
sei hier nur auf die Arbeiten von Sachweh und Reinstorf,
Stephan und Schadowski, Ohlenbusch usw. verwiesen. Ueber-
einstimmend beschreiben die genannten Autoren den Erreger dieser
Streptokokkenbakteriämie als gramfest (bis gramlabil), sehr fein, kurz-
gliedrig und längsoval. Ohlenbusch hat genauere Untersuchungen
angestellt und seine Stämme in folgender Weise charakterisiert: Auf
Agarnährböden (zum Teil Zusatz von Glyzerin und Traubenzucker)
schwaches Wachstum, auf erstarrtem Serum gutes Wachstum ohne
Verflüssigung, im Gelatinestich Gläserbürste (wie Rotlaufbazillen) und
keine Verflüssigung. Milch wird nicht zur Gerinnung gebracht. Für
weiße Mäuse ist er anfangs nicht pathogen, jedoch läßt sich die Viru-
lenz durch Mäusepassage steigern. Die Tiere bekommen ,,Conjunctivitis
wie beim Rotlauf‘“ und verenden am 4.—6. Tage. Der Diplokokkus
nimmt Stäbchenform an. Er besitzt keine hämolytischen Eigenschaften.
Eigene Untersuchungen.
Dem Institute wurde am 13. und 21. Mai 1926 je ein Ferkel-
kadaver zur Untersuchung auf Todesursache mit dem Vorberichte ein-
geschickt, daß in dem betr. Bestande Ferkel ohne ersichtliche Ursache
in größerer Anzahl plötzlich verenden. Beide Ferkel zeigten am Bauche
diffuse leichte Rötung der Haut, die im übrigen aber auffällig blaß
war. Der Sektionsbefund ergab eine akute mittelgradige Dünndarm-
entzündung. Die Milz zeigte bei dem 1. Ferkel unregelmäßige, über
das normale Milzgewebe flach vorstehende, schwarzrote Flecken, die
des 2. Ferkels war mehr oder weniger in toto schwarzrot marmoriert,
wobei das normale braunrote Gewebe nur noch als schwache Aderung
auftrat. Andere anatomische Veränderungen wurden nicht beobachtet.
Es erschien jedoch das Herz von Ferkel I in anbetracht der Größe des
Tieres verhältnismäßig zu groß, die Wandung der linken Herzkammer
verhältnismäßig dünn. Bei dem Ferkel II wurde das Herz ohne Sonder-
heiten befunden. Absolute Maße wurden nicht genommen.
Die ätiologischen Untersuchungen erstreckten sich auf
tierische Parasiten des Verdauungstraktus, wobei bei dem Ferkel I ver-
Schwarze, Zur Biologie eines bei Ferkelsterben gefundenen Streptokokkus. 149
einzelte Eier des Strongyloides longus gefunden wurden. Im
Herzblute und im Milzsafte beider Tiere konnten mikroskopisch
Kokken, meist in Verbänden zu 2, mitunter bis zu 4, als Strepto-
kokken festgestellt werden. Während im Blute in beiden Fällen nur
wenige dieser Erreger gefunden wurden, waren sie in der Milz stets sehr
zahlreich. Die Form der Kokken war länglich, das Verhalten gegen
Gram positiv. Im Schrägagarausstrich aus dem Herzblute war das
Wachstum in erster Linie daran zu erkennen, daß das mitaufge-
strichene Blut nach 24 Std. lackfarben geworden war. Im Aufstrich
waren tautropfenähnliche feinste Pünktchen zu erkenrien. Versuche der
Weiterzüchtung des Streptokokkus auf gewöhnlichem Agar hatten an-
fänglich ein ausgesprochen schlechtes Ergebnis. Erst allmählich gelang
es, ihn auf diesem Nährboden zu gutem Wachstum zu bringen. Auf
dem Streptokokkenagar nach Ayers und Johnson wuchsen sie im
Stiche von Anfang an gut, im Aufstriche stets nur spärlich. Erst von
der 6.—8. Generation an war regelmäßig nach 48 Std. ein volles
Wachstum zu beobachten.
Die biologischen Eigenschaften dieser beiden Streptokokkenstämme
prüfte ich zusammen mit einem dritten aus einem Ferkel mit Pneumo-
nie stammenden Streptokokkenstamm Nr. 2038, der uns von dem Bakt.
Institut der Landwirtschaftskammer in Königsberg in dankenswerter
Weise überlassen worden war. Dieser Stamm zeigte auf den gewöhn-
lichen Nährsubstraten stets ein gutes Wachstum. Die Prüfung er-
streckte sich auf das Verhalten in Milch und geklärter Drittelmilch,
gegenüber Sorbit, Inulin und hippursaurem Natrium, in Milchzucker-
bouillon, in Methylenblau- und Lackmusmilch, gegenüber reduzierbaren
Stoffen in Traubenzuckerbouillon, in der Blutplatte, auf der Kochblut-
und Blutwasseroptochinagarplatte und gegenüber taurocholsaurem Na-
trium. Bei allen Proben bediente ich mich der gleichen Technik wie
Klimmer und Haupt (s. vorhergehende Arbeit).
Die Ergebnisse der oben genannten Untersuchungen sind in bei-
folgender Uebersicht zusammengestellt.
| | = lu |
| 45| Lackmus-| Reduk- | = | = E gi
22|. milch | tasein | 2 | © 4 |= a l
| >g Trauben- | = 35 À e Slelai_ Blut-
= lal9 s|}-—__—_ | = | *2 | Milch- | geklärte $|3 = |Koch-| wasser-
olsza) | ra- | zucker- | S | 8 | ak > ZIEIR
E ZSS | er | bouillon | à | 3 | zucker- | Drittel- 5/5 5 blut- | Opto-
= = (at k Ra = 5 bouillon! milch = Ka <| agar | chin-
5 | |] wiSaloeu) male miz agar
ils als doi g AH IE IS 2
ERBPHBEEH SEHE BE
= H’ I 1 — = = =
I |—'—|—|24|—|48'96 - 24 24 ja, — -|feinst,| kein
| | | leichtge- leicht ge- | | | grau | Wachs:
| | | | trübt trübt | | tum
| | |
II |—;—|—)24| -- 4896| — | — | — 24 24 a, —|—/|feinst,| kein
| | leicht ge- leicht ge- grau | Wachs-
nl | trübt trübt | tum
2038/48|24/48/24/4814872| + | + |++|++|_ 24 24 a +|— grün +
| Trübung | Trübung
Aus ihr ist zu ersehen, daß die beiden von mir gezüchteten
Stämme I u. II sich bei allen Proben vollkommen identisch ver-
halten. Alle 3 Milchnährböden bleiben ungeronnen. Methylen-
blau in Milch wird nicht reduziert, während der Lackmus-
farbstoff in 24 Std. entfärbt wird und nach weiteren 24 bis zur
150 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
96. Stunde zunehmende Rötung erkennen läßt. Durch Janusgrün
und Ammoniummolybdat nachweisbare Reduktasen waren in
24stünd. Traubenzuckerbouillonkulturen nicht gebildet. Aus Natrium-
hippurat wurden nach 72 Std., selbst nach 8 Tagen, auch geringe
Mengen von Benzoësäure, die durch Ausschütteln mit Petroläther
nachweisbar sind, nicht abgespalten. Milchzuckerbouillon und
geklärte Drittelmilch zeigten sich dauernd leicht getrübt. In
der Blutplatte nach Brown wurde «,- Hämolyse festgestellt.
Vollkommen verschieden von diesem Typus erwies sich der
Königsberger Ferkelstamm, der wie aus der Tabelle hervorgeht,
vom Str. lacticus sich nur dadurch unterschied, daß die Milchzucker-
bouillon nach 48 Std. nicht aufhellte, sondern dauernd getrübt blieb.
Sorbit wurde von den Stämmen I u. II nicht vergoren, während
der Königsberger Stamm Sorbit unter Säurebildung spaltete. Inulin
wurde von keinem der drei Stämme angegriffen. Auf Kochblutagar
zeigten meine beiden Stämme feinste graue Kolonien, auf Blutwasser-
optochinagar kein Wachstum. Der Nährboden selbst blieb unver-
ändert. Hingegen grünte der Königsberger Stamm den Kochblutagar
und wuchs auf dem Blutwasseroptochinagar als braune, nicht abstreich-
bare, den Nährboden trübende (Gerinnung) Kolonien. In einer 10proz.
Lösung von taurocholsaurem Natrium in physiologischer Koch-
salzlösung trat eineLösung der Kokken bei keinem der drei Stämme cin.
Für weiße Mäuse pathogen erwies sich 1/10 Schrägagarkultur
(Ayersagar) des Stammes II, während subkutane Injektion mit 5/10
Kultur des gleichen Stammes den Tod einer gleichgroßen weißen Maus
nicht verursachte. Bei der erstgenannten Maus erfolgte der Tod 18 Tage
nach der subkutanen Injektion. Im Herzblute wurden grampositive
Kokken, vorzüglich zu zweit angeordnet, festgestellt. Die Kokken wiesen
den gleichen Typus auf wie die verimpften. Die beiden anderen Stämme
(Stamm I und 2038) bedingten weder in der Gabe von 1/10 noch
von 5/10 Schrägagarkultur den Tod der weißen Maus.
Die Ergebnisse der Proben mit dem Königsberger Stamme
stimmen fast vollständig mit denen überein, die bei den Milchsäure-
streptokokken in der vorhergehenden Arbeit gewonnen wurden.
Es fehlte allerdings noch die Prüfung des Wachstums bei 10° C,
die aus äußeren Gründen zurzeit nicht durchführbar war. Die ge-
ringen Abweichungen betreffen das Verhalten in Milchzuckerbouillon,
die dauernd getrübt wird, und in Hippuratbrühe, wo eine Abspaltung
der Benzoësäure mittleren Grades festgestellt wurde. Die Stämme
I und II zeichnen sich durch eine weitgehende biologische In-
aktivität aus, die nur vom Drusestreptokokkus übertroffen wird.
Die Reduktasebildung tritt nur bei der Lackmusmilch in die Erschei-
nung, die Säurebildung aus Milchzucker ist nur sehr gering und bewirkt.
im Höchstfalle eine nach 4 Tagen auftretende Rötung des Lackmus-
farbstoffes. Trotz verhältnismäßig gutem Wachstume in Traubenzucker-
bouillon und in den Hippuratbrühen konnte eine Reduktion von Janus-
grün und Ammoniummolybdat bzw. eine Spaltung von Hippursäure
nicht bewirkt werden. Milchzuckerbouillon wird dauernd getrübt. Hin-
gegen dürfte die +,-Hämolyse als Ausdruck einer stärkeren Ak-
tivität dem Blute gegenüber gedeutet werden können.
Auf einen Vergleich meiner Beobachtungen mit denen Ohlen-
buschs einzugehen, ist bei der Verschiedenheit der Prüfungsmethoden
außerordentlich schwierig. Man würde wohl zu dem Schlusse kommen
Müller, Borstenwiirmer im menschl. Körper (Pachydrilus lineatus). 151
müssen, daß die von mir untersuchten Stämme sich anders verhalten
als die Ohlenbuschs. Namentlich traten bei mir Aehnlichkeiten mit
dem Rotlaufbazillus weder im mikroskopischen Bilde noch in der
Kultur auf. Es muß offen bleiben, ob die Reinkulturen Ohlen-
buschs dieselben Streptokokken enthalten haben wie die meinigen.
Zusammenfassung der Ergebnisse.
Bei einer Ferkelenzootie, verursacht durch Streptokokken, wurde
ein Erreger festgestellt, der sich, beurteilt nach der Reduktasebildung,
Milchzucker-, Sorbit- und Inulinvergärung sowie Hippuratspaltung als
sehr gering aktiv oder inaktiv, hingegen in der Blutplatte als stark
x-hämolitisch (x,-Hämolyse) erwies.
Herrn Obermedizinalrat Prof. Dr. Klimmer für die Ueberlassung
des Materials zu danken, ist mir eine angenehme Pflicht.
Schrifttum.
Ohlenbusch, Untersuchungen über eine Enzootie unter Ferkeln, hervor-
rufen durch eine Varietät des Streptococcus pyogenes. (Vet. med.
n.-Diss). Hannover 1912. — Sachweh u. Reinstorf, Neue Beiträge zur
Sepsis der Ferkel infolge Infektion der Nabelgefäße. (Tierärztl. Rundsch. Bd. 29.
1923. S. 209.) — Stephan u. Schadowski, Ueber Streptokokkeninfektionen
bei Schweinen. (Berl. tierärztl. Wochenschr. Bd. 38. 1922. S. 591.)
Nachdruck verboten.
Borstenwürmer im menschlichen Körper (Pachydrilus
lineatus).
[Aus dem Hygienischen Institut der Universität Köln.]
Von Prof. Dr. Reiner Müller.
Mit 1 Abbildung im Text.
Die kürzlich erschienene Arbeit des Zoologen Rich. Heymons,
in der er den Aufenthalt von Oligochäten im menschlichen Körper für
unmöglich hält, veranlaßt mich, auf eine eigene derartige Beob-
achtung zurückzukommen.
Am 8. 4. 1922 wurden dem Kölner Hygienischen Institut in
einem Reagenzglas mit wenig Wasser ungefähr 25 Würmer über-
bracht. Die Ueberbringerin teilte sehr beunruhigt mit, sie habe in den
letzten 3 Wochen an Darmstörungen gelitten, derart, daß ungewöhnlich
häufig Stuhldrang bis zum Tenesmus aufgetreten sei; dabei seien aber
die Fäzes dauernd normal, sogar fest gewesen. Nun habe sie vor einigen
Stunden auf ihren Fäzes in der sauberweißen Schale eines Auswasch-
Klosetts mehrere Hunderte Würmer bemerkt und davon diesen kleinen
Teil mitgebracht. Solche Würmer habe sie an diesem Morgen zum
ersten Male bemerkt; ob aber früher solche nicht doch vereinzelt
abgegangen wären, könne sie natürlich nicht beschwören.
Ich hatte damals und habe heute nicht den geringsten Zweifel an
der Zuverlässigkeit dieser Angaben. Die Ueberbringerin ist mir schon
jahrelang vorher und bis heute als durchaus vertrauenswürdig bekannt.
Sie gehört den gebildeten Ständen an und hat auch eine gewisse sani-
täre Ausbildung. Ohne die letztere wären die Würmer wahrscheinlich
152 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
nicht zu einer wissenschaftlichen Untersuchung gelangt. Auch war mir
zufällig schon vorher bekannt, daß die Ueberbringerin in den letzten
Wochen über Unterleibsbeschwerden geklagt hatte.
Artbestimmung. Meine Untersuchung der braunrötlichen Wür-
mer ergab sofort, daß es keine gewöhnlichen Eingeweidewürmer waren;
denn manche krochen sehr lebhaft, an Räupchen erinnernd, sogar an
der Wand des Reagenzglases außerhalb des Wassers bis zum Watte-
stopfen umher. Die Länge aller überbrachten Würmer betrug 15
bis 20 mm, lebend gemessen. Das beigefügte Bild zeigt 2 dieser
Würmer in Wasser lebend, frisch unter einem Deckglase in 20facher
Vergrößerung im durchfallenden Lichte photographiert; durch den
Druck des Deckglases sind sie ein wenig flach gedrückt. Mikro-
skopisch sah ich an den Segmenten der geringelten Würmer sym-
i “ADR 4
Fig. 1.
metrische Borstengruppen; Es waren also Oligochäten. Da mir die
Beschaffung der einschlägigen Literatur nicht sofort möglich war,
machte ich von den lebendfrischen Tieren, von einzelnen Körperteilen
und Borstengruppen Mikrophotographien; sodann aber versuchte ich,
sie möglichst lange am Leben zu erhalten. Auf Stückchen von Käse,
Fleisch und feuchtem Brot, in Reagenzgläsern vor Austrocknung ge-
schützt, verendeten sie in wenigen Tagen. Dagegen hielten sich
einige in nasser Gartenerde mehrere Wochen lang gut beweglich. Als
letzter verendete ein für die weiteren Untersuchungen nicht benutzter
Wurm in der 5. Woche. So konnte ich also einige Würmer noch lebend
erhalten bis zum Eintreffen der Oligochäten-Monographien von Fr.
Vejdovsky (1879 und 1884), F. E. Beddard (1895) und W.
Michaelsen (1900). Ich bestimmte sie als zum Genus Lumbri-
cillus (Oerstedt 1844) gehörige. Da ich über die Spezies im
Müller, Borstenwürmer im menschl. Körper (Pachydrilus lineatus). 153
Zweifel bleib, teilte ich meinen Befund Herrn Prof. Michaelsen in
Hamburg mit; dieser schrieb mir dankenswerterweise sofort, ohne
meine Würmer gesehen zu haben, es sei zweifellos Lumbricillus
lineatus (O. Fr. Müller 1774); es sei aber besser, nach seinem
Vorschlage von 1889, den Namen Pachydrilus lineatus (O. Fr.
Müll.) zu gebrauchen. Dieser Borstenwurm sei schon einigemal ver-
dächtigt worden, auch im „menschlichen Darme vorzukommen ; jedoch
sei ihm eine Veröffentlichung darüber nicht bekannt. Ich habe daher
am 16. 6. 1922 meine Befunde in der Med.-wiss. Gesellschaft an der
Universität Köln demonstriert und sie in deren Berichten veröffent-
licht. — Eine zoologische genauere Beschreibung des Pach. lineatus
erübrigt sich hier, da sie in dem Michaelsenschen Oligochätenwerke
ausführlich gegeben ist; allerdings ohne Bilder.
Herkunft der Würmer. R. Heymons 1926 verneint die Mög-
lichkeit, daß Pach. lineatus im Menschen leben oder sogar sich
entwickeln könne mit den Worten, daß Pach. lineatus sicherlich
nicht imstande sei, sein Leben innerhalb des menschlichen Körpers zu
fristen, wo er gezwungen sein würde, unter ganz abweichenden Be-
dingungen zu leben und sich vor allem an die hohe Körperwärme an-
zupassen, „denn man kennt keinen Ringelwurm, der als Innenbewohner
im Körper eines Warmblüters leben kann“. Der letzte Teil des Satzes
ist keine Begründung, wenn es sich um die Frage handelt, ob ein solcher
Wurm im Körper leben könne; abgesehen von der Tatsache, daß ver-
schluckte Blutegelchen, die doch auch zu den Ringelwürmern gerechnet
werden können, im Körper des Menschen bisweilen sehr unangenehm
werden. Die Annahme aber, daß Borstenwürmer bei Körperwärme
nicht leben könnten, ist auch ohne Brutschrankversuche höchst unwahr-
scheinlich, weil dann diese Unterklasse der Würmer in weiten tropischen
Gebieten nicht vorkommen dürfte. Was aber das Leben im menschlichen
Darme betrifft, so sind viele Beispiele bekannt, daß manche Tiere, die
wie Pach. lineatus gewöhnlich in der Außenwelt leben, sich auch
im Menschen entwickeln können: Fliegenlarven von Sarcophila
bekeri (Tibaldi 1924, Keilin 1924) und von Eristalis tenax
(Pumpelly 1925); geflügelte Käfer von Ontophagus fasciatus
und Caccobius mutans (Senior-White 1920, Fletscher-1922
und 1924), bei denen Fletscher sogar eine aktive peranale Ein-
wanderung annimmt, die Darmentzündungen hervorriefen, und die,
sobald sie mit der Defäkation gleichsam wieder das Licht der Welt
erblickten, davonflogen; ferner Käferlarven von Niptus holo-
leucus, die sich nach unsauberen Gonorrhöe-Einspritzungen in der
Urethra entwickelten (Sternberg 1926); Tyroglyphus-Milben,
nicht nur mit Nahrungsmitteln verschluckt, in die Fäzes gelangend,
sondern sogar in der Harnblase gefunden (Dickson 1921); aber auch
Würmer wie Gordius (Ransom), Paragordius varius in der
menschlichen Harnblase (Stiles 1922) und Phreoryctes menke-
anus in 2 Fällen (Pottiez 1925). Für alle diese Beispiele hätte
man, ehe sie einwandfrei beobachtet waren, ganz entsprechende Gründe
für ihr Unmöglichsein im Sinne von Heymons anführen können.
Nun hat aber, kurz nach meiner vorläufigen Veröffentlichung vom
August 1922, der bekannte amerikanische Entomologe L. O. Howard
Ende September 1922 einen Fall veröffentlicht, bei dem ein Mann
nicht nur monatelang Oligochäten (Spezies nicht angegeben), mit dem
Harne ab und zu entleerte, sondern diese sogar vom Arzte mit dem
154 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Katheder aus der Blase herausgeholt wurden. Ich sehe keinen Grund,
in diesem Falle den ärztlich erbrachten Beweis eines Vorkommens
von Borstenwürmern im menschlichen Körper irgendwie zu bezweifeln.
Howard nimmt an, daß diese Borstenwürmer (Eier?) künstlich in
die Blase eingeführt worden seien und sich dort entwickelt hätten. Dies
ist, bei der Häufigkeit von Fremdkörpern in der Blase, sicherlich die
nächstliegende Erklärung; sie würde zu dem Befunde Sternbergs
von Käferlarven in der Harnröhre passen. Ich möchte aber, wenn sie
auch weniger wahrscheinlich ist, die Möglichkeit nicht ganz ablehnen,
‘ daß Larven aus verschluckten Borstenwurmeiern im Körper ebenso
wandern könnten wie die der Spul- und Hakenwürmer. Auch in dem
Falle von Heymons wäre an diese Möglichkeit zu denken. Diese
Frage kann vielleicht in Tierversuchen mit Pachydrilus-Eiern ent-
schieden werden. — Jedenfalls habe ich keinen Grund, Michaelsen
zu widersprechen, der mir 1922 schrieb: ‚Bei den biologischen Fähig-
keiten dieses Wurmes könnte ich es verstehen, daß, er (als Eier im festen
Kokon) den Magen passieren und sich im Darme entwickeln könnte“.
Nach der Mitteilung von Heymons scheint ja Fülleborn in Hamburg
derselben Meinung zu sein. — Das Vorkommen von Borstenwürmern im
menschlichen Körper ist also im Gegensatze zur Ansicht von Heymons
nicht nur nicht unmöglich, sondern bereits ärztlich festgestellt.
In meinem Falle ist natürlich das Hervorkommen der Oligochäten
aus dem menschlichen Körper nicht von einem Arzte gesehen worden.
Für die Annahme eines beabsichtigten, vielleicht krankhaften Täu-
schungsversuches gegenüber dem Hygienischen Institut liegt, wie ge-
sagt, nicht der geringste Verdacht vor. Wer aber dies nicht gelten
lassen will, der sei darauf hingewiesen, daß es kaum denkbar ist, daß
die zoologisch nicht vorgebildete Ueberbringerin von den vielen in der
Außenwelt vorkommenden Würmern gerade diejenige Spezies von
Borstenwürmern sich hätte beschaffen können, die später als einzige
von mehreren Forschern verdächtigt worden ist, im Menschen vor-
zukommen. Ich erwähne dies, weil nach meinem Vortrage am 6. 6.
1922 gefragt worden ist, ob absichtliche Täuschung auszuschließen sei.
Wichtiger ist die Frage, ob die Würmer aus dem Spülwasser des
Abortes, also aus dem Kölner Leitungswasser stammen konnten. Nach
den Angaben der Oligochäten-Literatur lebt Pach. lineatus im
Wasser besonders an Süßwasserpflanzen in ganz Europa; ferner in
fauligen Flüssigkeiten, z.B. nach Michaelsen massenhaft in jauchigen
Teilen der Kläranlagen in Hamburg-Eppendorf. Nach Michaelsen
ist auch Pach. subterraneus (Vejdovsky), welcher sogar in
unterirdischem Grundwasser in Prag und Lille gefunden worden ist,
identisch mit Pach. lineatus. Ist es also möglich, daß die Würmer
mit der Grundwasserversorgung Kölns (täglich rund 100000 m3 aus
luftdicht verschlossenen Rohrbrunnen), vielleicht aus dem großen
Sammelbecken von 20000 m3, dorthin gespült worden sind? Heymons
lehnt für die Charlottenburger Wasserversorgung diese Annahme ab.
Auch in Köln ist im Laufe eines Vierteljahrhunderts kein Vorkommen
sichtbarer Würmer im Leitungswasser bekannt geworden; und wenn
der sehr auffallende Pachydrilus auch nur in vereinzelten Fällen
in Eimern, Kannen, Trink- und Waschgefäßen erschienen wäre, so wären
unzweifelhaft Beschwerden eingelaufen. Außerdem aber war in meinem
Falle eines der jetzt meist gebrauchten Auswaschklosette mit teller-
artiger Fäzesfläche benutzt worden. Es mußten sich also die vielen
Müller, Borstenwürmer im menschl. Körper (Pachydrilus lineatus). 155
Würmer in der kleinen Menge Wassers befunden haben, die sich vor
der Defäkation auf dem Auffangteller befand. Daß eine solche Menge
von lebhaft beweglichen braunroten Würmern von 2 cm Länge auf
weißem Grunde von der normalsichtigen Person in dem gutbeleuchteten
Abort übersehen worden seien, ist kaum glaubhaft; ebensowenig daß
der größte Teil der Würmer in wenigen Augenblicken auf die soeben
entleerten Fäzes gekrochen sei. Unmöglich aber ist, daß die Würmer
sich im Abfluß-Wasserverschluß eines solchen Auswaschklosetts trotz
des häufigen, sehr kräftigen Durchspülens angesiedelt hätten und dann
gleichzeitig und nur einmal zu Hunderten in den Wasserteller hinauf-
geklettert seien. Bei der Untersuchung des Spülkastens am nächsten
Tage wurden keine Würmer gefunden. Nach alledem ist nicht an-
zunehmen, daß die Würmer sich schon vor der ‚Defäkation im Klosett-
wasser befanden.
Die Würmer stammen also aus dem Körper der Ueberbringerin.
Daß sie aus dem Darme, nicht aus der Blase oder Vagina kamen, dafür
sprechen auch die Darmbeschwerden bis zu der Entleerung und das Ver-
schwinden der Beschwerden in den nächsten Tagen. Bemerkenswert
ist, daß die Würmer nur einmal und in großer Zahl festgestellt wurden;
in den folgenden Tagen wurden trotz aufmerksamen Suchens Keine
mehr gefunden.
Die Aufnahme so vieler Würmer, vielleicht mit pflanzlicher
Nahrung, im erwachsenen Zustande ist nicht denkbar. Vermutlich
wurden einmal viele Eier gleichzeitig verschluckt. Ueber die Ent-
wicklung von Pachydrilus aus seinen Eiern ist zu wenig bekannt;
es ist also vorläufig fruchtlos, über das Schicksal verschluckter Pachy-
drilus-Eier Vermutungen zu äußern. Vielleicht bringen einmal, wie bei
Ascaris, Tierversuche Klarheit.
Zusammenfassung.
Eine Kranke entleerte einmalig zahlreiche Borstenwürmer (Pachy-
drilus lineatus); ihre Darmbeschwerden verschwanden daraufhin.
Die Annahme von R. Heymons (1926), daß Borstenwürmer im
menschlichen Körper nicht leben könnten, war schon 1922 widerlegt.
Schriftennachweis.
Beddard, Fr. Ev., A monography of the order of Oligochaeta. Oxford
1895. — Dickson, W. E. C., Journ. of trop. Med. and Hyg. Vol. 24. 1921;
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1925. S. 390.) — Heymons, R., Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 99. 1926.
S. 153. — Howard, L. O., Journ. of Parasitol. Vol. 9. 1922. p. 39. — Keilin,
D., Parasitol. Vol. 16. 1924. — Michaelsen, Wilh., Oligochaeta. (Das Tier-
reich. Bd. 10.) Berlin 1900. — Müller, Reiner, Münch. med. Wochenschr.
1922. 1168. — Pottiez, Bull. de l'Acad. Roy. de Méd. de Belg. T. 5. 1925.
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W. D. Pierce, Sanitary Entomology. Boston 1921. p. 78. — Senior-White,
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Stiles, Journ. Parasitolog. Vol. 9. 1922. p. 39. — Tibaldi, Ettore, Boll. d.
Soc. Med.-chir. Pavia. T. 36. 1924. p. 365. (Zentralbl. f. Hye. Bd. 10. 1925. S.389).
Vejdovsky, Franz, Beiträge zur vergleichenden Morphologie der Anneliden.
Bd. 1. Prag. 1879. — Ders., System und Morphologie der Oligochäten. Prag 1884.
156 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Nachdruck verboten.
Zur Technik der Anaërobenzüchtung,
[Aus dem Staatlichen Veterinäruntersuchungsamt Potsdam (Leiter:
Veterinärrat Dr. R. Standfuß).]
Von Dr. V. Goerttler, I. Assistent.
Die Tatsache, daß immer wieder neue Verfahren und Verbesse-
rungen alter zur Anaérobenziichtung veröffentlicht und in Anwendung
gebracht werden, beweist zur Genüge, daß die Frage noch keineswegs
als gelöst anzusehen ist. Aus diesem Grunde erscheint es angebracht,
daß alle diejenigen Untersucher, die ein in irgendeiner Hinsicht be-
sonderes Züchtungsverfahren mit Erfolg anwenden, dasselbe auch in
kurzer Form bekanntgeben.
Die Feststellung der erzielten Luftleere bzw. der im Kultur-
gefäB noch vorhandenen Sauerstoffmengen ist bei’der Anaéroben-
züchtung recht wichtig (Schattenfroh), weil aller Wahrschein-
lichkeit nach die Sauerstoffspannung das Wachstum der Anaéroben
beeinflußt. Genaue Untersuchungen über diese Beziehungen unter Be-
rücksichtigung der Mengenverhältnisse liegen bezüglich der Erreger
tierischer Gasbranderkrankungen meines Wissens allerdings noch nicht
vor, wenngleich feststeht, daß das Wachstum der betreffenden Bak-
terien am besten bei einem Luftdruck von 15—40 mm Quecksilber
vor sich geht, während es bei einem außerhalb dieser Grenzen liegenden
Luftdruck teilweise stark verzögert oder sehr wechselnd oder gar nicht
einsetzt.
Häufig geschieht nun die Prüfung der im Kulturgefäß vorhandenen
Sauerstoff- oder Luftmengen mit ganz untauglichen Mitteln. Es bedarf
keines Hinweises, daß hierher vor allem die Beurteilung nach der
Farbenänderung der Blutagarplatten oder des Kalilauge-Pyrogallol-
gemisches zählen. In beiden Fällen fehlt ein einwandfrei feststehender
oder festzustellender „Nullpunkt“ oder überhaupt ein Maßstab für den
Grad des Farbenumschlages, der ganz verschieden beurteilt werden
kann. Zudem ist die Farbe der Blutplatten schon vor dem Auspumpen
häufig recht wechselnd, während die Kalilauge-Pyrogallolverbindung
schon an sich nur langsam Sauerstoff aufnimmt, was für die Sauerstoff-
abgabe aus dem Nährboden von besonderer Bedeutung ist. Das Aus-
pumpen mit der Wasserstrahlluftpumpe nach einer bestimmten Zeit
gibt naturgemäß ebenfalls keine Gewähr für die Erzielung einer be-
stimmten oder in mehreren Versuchen annähernd gleichen Luftspannung,
weil sich der Wasserdruck in einer Leitung erfahrungsgemäß recht
schnell ändern kann. v. Riemsdijk hat die Reduktion von Methylen-
blau für die Angabe der erzielten Luftleere herangezogen. Das Ver-
fahren ist aber ziemlich umständlich und gibt nach meinen Versuchen
keineswegs eindeutige Resultate.
In den meisten Instituten befinden sich an den Wasserstrahl-
luftpumpen Dosenmanometer. Mit diesen Instrumenten geschieht
die Feststellung des Luftgehaltes in völlig unzureichender und zu Trug-
schlüssen Anlaß gebender Weise. Einmal weichen die Angaben mehrerer,
hintereinander geschalteter und zu gleichen Zeiten abgelesener Dosen-
manometer zum Teil ganz erheblich voneinander ab. Allerdings — und
dies ist ein weiterer Beweis für die Mangelhaftigkeit dieser Instrumente
Goerttler, Zur Technik der Anaérobenziichtung. 157
— zeigen bei einem nur einigermaßen genügenden Wasserdruck nach
kürzerer oder längerer Zeit (in der Regel nach einer 1/, Std.), alle
beispielsweise an einen Maaßenschen Apparat angeschlossenen Mano-
meter einen luftleeren Raum an. (Zum Teil geht der Zeiger, wenn der
Anschlag nicht genau eingesetzt ist, noch über die Marke hinaus.)
Schon bei einer einfachen Prüfung durch ein Kalilauge-Pyrogallol-
gemisch, noch mehr aber bei Benutzung eines Quecksilbermanometers,
zeigt sich deutlich, daß von Luftleere oder auch nur starken Luftver-
dünnungen gar keine Rede sein kann (siehe Tabelle). Ein Grund dafür,
Versuchsbeispiele.
Dosen- | Hg- Dosen- | Hg-
Zeit Manometer Bemerkungen Zeit Manometer Bemerkungen
an der| im an der| im
Pumpe | Glase « ‚Pumpe | Glase |
10°Vm.| — — | Beginn des Aus- | 1200 — | — | Beginn des Aus
10% 5 66 umpens eines 11/2 1210 40 68 umpers eines 11/2
ios z | 2 | f9 | Fee | 1o as | Sa | Eiter. ivockglases
10% , 76 35 12% 76 45
1° , 28 1945 | 39 rer a Pum-
Ta » 1 1 76 37 Seeatliebea "von
8 g Pyrogallol u.
114° x 15 Beendigung d. Aus- 32 28 | 200 an Kops.
ner] z | 13 | mm | do | a AU
2°Nm. 11 id re a i
300 5 | 7 | KO x proz.
daß die am Druckmesser angezeigte und die tatsächlich erzielte Saug-
spannung der Luft nicht übereinstimmen, mag auch darin zu suchen
sein, daß die Druckmesser in der Regel nicht am leer zu pumpenden
Gefäß, sondern dicht an der Pumpe angebracht sind, wo naturgemäß
eine größere Luftleere herrscht. Jedenfalls sind die Dosendruckmesser
für eine genaue Feststellung von Saugspannungen der Luft zurzeit
nicht geeignet, da sie durchaus unzuverlässig arbeiten.
Schon im Jahre 1906 hat A. Meyer (Centralbl. f. Bakt.
II. Orig.) einen ausgezeichneten Quecksilberluftdruck messer für
die Zwecke der Anaërobenzüchtung beschrieben. Dieses Manometer hat
aber meines Wissens in der bakteriologischen Praxis keinen weiteren
Eingang gefunden, vermutlich wohl deshalb, weil die in dem Kul-
turgefäß nach dem Auspumpen noch vorhandene Sauerstoffmenge
nicht abgelesen werden kann, sondern nach recht komplizierten
Formeln unter Berücksichtigung der Temperatur berechnet werden
muß. Durch die Berechnung erhält man dann allerdings ganz genaue
Angaben über den Sauerstoffgehalt in mg in einem Liter. Nun
ist aber eine so genaue Bestimmung der Sauerstoffmenge für die
Anaérobenziichtung im allgemeinen nicht nötig, es genügt vollauf
die Kenntnis des nach Abschluß des Auspumpens im Kulturgefäß
noch bestehenden Luftdruckes. Um diesen festzustellen, verwende ich
seit langem, bereits vor Kenntnis der Arbeiten von Meyer und Groet-
schel, einen einfachen, auf eınem Holzbrettchen befestigten Queck-
silberluftdruckmesser ohne Thermometer. Dieses Instrument kommt in
jedes Kulturgefäß und so kann der im Inneren desselben herrschende
Luftdruck nach der Höhe der Quecksilbersäule jederzeit in mm Queck-
silber abgelesen werden. Das Ablesen muß bei annähernd der gleichen
Temperatur erfolgen, da auch bei gleichem Luftdruck die Höhe der
158 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
Quecksilbersäule durch Wärmeunterschiede eine Veränderung erfährt.
Für genaue Untersuchungen ist also außerdem das Einsetzen eines
Thermometers oder überhaupt die Vornahme der von Meyer an-
gegebenen Berechnung zu empfehlen.
Bei Gebrauch dieses Luftdruckmessers können mehrere Gefäße
genau bis zu dem gleichen Grade ausgepumpt werden, außerdem kann
nach der Bebrütung leicht und sicher festgestellt werden, ob und in-
wieweit sich der Luftdruck im Inneren des Gefäßes verändert hat. Alle
die teils ganz primitiven (Beobachtung des „Zischens‘ beim Oeffnen)
oder umständlichen Verfahren (cf. Lode) zur Feststellung der Dichtig-
keit sind dann überflüssig. |
Die meisten Bakteriologen pumpen zur Erzielung anaërober
Verhältnisse das KulturgefäB aus und lassen dann bestimmte, bis
dahin durch mehr oder weniger umständliche Verfahren auseinander
gehaltene Mengen von Pyrogallol und Kalilauge zusammenfließen. Dieses
Vorgehen bringt manche Unbéquemlichkeiten mit sich: das Pyrogallol
färbt sehr stark Hände und Kleidungsstücke, beim Schiefstellen der
Bebrütungsapparate rutschen diese häufig ab, so daß die Kalilauge und
das Pyrogallol vorzeitig zusammenfließen, wodurch der gewünschte Er-
folg vereitelt wird. Erfolgt das Einfüllen der Kalilauge nach dem von
Groetschel oder Baumann angegebenen Verfahren, so müssen die
Kulturgefäße mit Ansätzen zur Aufnahme eingeschliffener Glasstopfen
versehen sein, was häufigen Glasbruch zur Folge hat. Diese Nachteile
bei Verwendung von Pyrogallol und Kalilauge wären aber wohl in Kauf
zu nehmen, wenn eine erhebliche Sauerstoffbindung über das Auspumpen
hinaus erzielt würde, wenn man ohne diese Methode für die Anaéroben-
züchtung günstige Verhältnisse nicht schaffen könnte. Beides ist aber
gar nicht der Fall. Die Sauerstoffbindung ist nur recht gering und
hängt von allerlei Zufälligkeiten, wie Güte des Pyrogallols, Prozent-
gehalt der Lösung an Kalilauge, Menge der noch im Gefäß vorhandenen
Sauerstoffmengen, Feuchtigkeitsgehalt, Temperatur usw., ab, so daß
bei Verwendung gleicher Mengen von Pyrogallol und Sauerstoff keines-
wegs immer gleiche Mengen Sauerstoff gebunden werden. v. Riems-
dijk hat über die Wirkung von Pyrogallol und Kalilauge sehr ein-
gehende Versuche, leider nicht unter Prüfung mit dem Quecksilberluft-
druckmesser, sondern unter Berücksichtigung des Farbenumschlages
von Methylenblau, angestellt. Im wesentlichen kommt v. Riemsdijk
zu dem auch bei meinen Versuchen festgestellten Ergebnis: Es ist bei
Sauerstoffadsorption durch Pyrogallol und Kalilauge nicht möglich,
mit Sicherheit eine bestimmte Sauerstoffspannung zu erzielen. Das
kann nur beim Auspumpen geschehen, da man hier die Sauerstoff-
entnahme dann abbrechen kann, wenn die geringste Spannung er-
reicht ist.
Aus der beigefügten Tabelle geht mit aller Deutlichkeit hervor,
wie wenig Sauerstoff in der Regel durch Pyrogallol-Kalilauge auf-
genommen wird. Immer wieder habe ich mit dem Quecksilberluftdruck-
messer die Sauerstoffaufnahme durch Pyrogallol-Kalilauge geprüft, ohne
mich jedoch von dem Wert dieses Verfahrens überzeugen zu können.
Nach meinen Versuchen vermochten die doppelten der gewöhnlich in
Anwendung kommenden Mengen von Kalilauge und Pyrogallol den Luft-
gehalt im Bebrütungsgefäß nur um etwa 10—15 mm Quecksilber herab-
zusetzen (vgl. die beiliegende Tabelle, die nur Versuchsbeispiele zeigt.
Eine Wiedergabe aller im wesentlichen übereinstimmenden Protokolle
muß mit Rücksicht auf Raumersparnis unterbleiben). Bei genügend
Goerttler, Zur Technik der Anaérobenziichtung. 159
langem Auspumpen mit der Wasserstrahlluftpumpe kann der Luftdruck
bis auf etwa 10 mm Quecksilber herabgesetzt werden, erst dann, wenn
eine noch größere Luftleere erzielt werden soll, ist die Anwendung von
Pyrogallol und Kalilauge notwendig. Da das Wachstum der Rausch-
brand- und Pararauschbrandbazillen bei etwa 15—40 mm Quecksilber-
stand am besten vor sich geht, kann im allgemeinen von der Anwendung
des Pyrogallol-Kalilaugeverfahrens Abstand genommen werden.
Hier sei noch kurz auf die Austrocknung der Nährbodenplatten
durch die Pyrogallol-Kalilaugenmischung Bezug genommen. Wie ich an
anderer Stelle (Berl. Tierärztl. Wochenschr. 1926. Nr. 37, S. 605 ff.)
näher ausgeführt habe, ist der Feuchtigkeitsgehalt der Platten von weit-
gehendem Einfluß auf das Wachstum der Anaéroben in Einzelkolonien.
Die Trocknung der Platten erfolgt meistens vor der Bebrütung im Brut-
schrank oder bei Zimmertemperatur. Da aber in beiden Fällen die be-
stimmenden Einflüsse wechseln und aus diesem Grunde der notwendige
Feuchtigkeits- bzw. Trockenheitsgrad des Nährbodens nur schwer mit
einigermaßen Sicherheit erzielt werden kann, suchte ich nach einem
anderen Verfahren. Einem Vorschlag von Herrn Oberregierungs- und
Veterinärrat Dr. Francke folgend, trocknete ich die Platten durch
Kalziumchlorid. (Wie mir Herr Oberreg.-Rat Prof. Dr. Gildemeister
nach Empfang meines Manuskriptes liebenswürdigerweise mitteilte,
ist das Trocknen von Nährbodenoberflächen mittels Kalziumchlorid
bereits im Jahre 1916 von Herrn Dr. Rhein, dem damaligen Assi-
stenten von Herrn Oberreg.-Rat Prof. Dr. Gildemeister, im Cen-
tralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 79. S. 557 beschrieben worden.)
Eine mit Kalziumchlorid gefüllte offene Petri-Schale wurde
auf den Boden des Aufnahmegefäßes für die Kulturplatten gestellt.
Ueber diese Schale setzte ich die frisch gegossenen und schon beimpften
Platten. Bereits während des Auspumpens zeigte sich die Wasserauf-
nahme und nach kurzem Brutschrankaufenthalt war die Kalziumchlorid-
schale mit Flüssigkeit gefüllt. Durch wechselnde Mengen von Kalzium-
chlorid konnte der Feuchtigkeitsgehalt der Platten leicht in der ge-
wünschten Weise geregelt werden. Da das Kalziumchlorid nur schwer
völlig wasserfrei aufzubewahren ist, muß die jeweils notwendige Menge
durch Versuche bestimmt werden. Zu diesem Zweck setzte ich in der
Regel 2 Gläser, die mit den gleichen Stämmen beimpfte Platten ent-
hielten, an. In das eine Glas gab ich 5 g Kalziumchlorid und in das
andere 7,5 g. Es kann natürlich auch weniger oder mehr genommen
werden, im allgemeinen aber schwankt die notwendige Menge in den
angegebenen Grenzen. So können bei diesem Verfahren die Platten
bis zu dem gewünschten Grade ausgetrocknet werden und außerdem
hat man -noch den Vorteil, die Platten sofort nach dem Gießen be-
impfen zu können, so daß sich Verunreinigungsbakterien nicht störend
bemerkbar machen, wie es bei längere Zeit oder auch nur einige Tage
aufbewahrten Traubenzuckerblutagarplatten so häufig der Fall ist.
Nach dem Vorgange von Hilgers, Brekenfeld, Kirchner
und Lode verwende ich seit langem mit bestem Erfolg als Brutgefäße
zur Aufnahme der Kulturschalen Weckgläser. Die Gläser werden in
einem großen, mit Manometer versehenen Exsikkator (Glasglocke über
einer Glasplatte, die Ränder der Glocke sind mit der Platte ein-
geschliffen) ausgepumpt. Das Weckglas bleibt so lange offen, als der
in ihm herrschende Druck stärker ist als der Druck im Exsikkator.
Sobald in diesen Luft eingelassen wird, schließt sich das Weckglas
sofort. Die Weckgläser müssen auf Dichtigkeit geprüft werden, was
160 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 1/3.
leicht mittels des eingestellten Quecksilbermanometers geschehen kann.
Der Verschluß durch den Gummiring hält auch ohne den von Kirch-
ner empfohlenen Drahtring dicht, wenn an den Rändern des Glases
oder Deckels keine Unebenheiten vorhanden sind. Weder der Gummi-
ring noch die eingeschliffenen Glasflächen dürfen eingefettet werden.
Der Verschluß hält nicht dicht, wenn 2 Gummiringe eingelegt werden.
Die Gummiringe sind im allgemeinen nicht häufiger als 5—10mal zu
benutzen.
Die Weckgläser beanspruchen im Brutschrank nur wenig Raum,
viel weniger als die unhandlichen MaaBen schen Apparate, auch fehlen
die bei diesen erfahrungsgemäß häufig abbrechenden Glashähne und
Ansätze. Der billige Preis der Weckgläser dürfte ebenfalls ins Gewicht
fallen. Serienversuche, die mit Maaßenschen Apparaten ihrer Größe
und ihres hohen Preises wegen (kleine und mittlere Institute haben
in’ der Regel nicht mehr als 2 Apparate) nur selten durchgeführt
werden, können mit Einmachgläsern leicht vorgenommen werden.
Zusammenfassung.
Es wird für die Anaörobenzüchtung empfohlen: 1) Das Einsetzen
eines einfachen Quecksilberluftdruckmessers in jedes Kulturgefäß, um
jederzeit von der im Innern des Glases herrschenden Luftspannung
Kenntnis nehmen zu können. — 2) Das Fortlassen der Pyrogallol-Kali-
lauge-Mischung, da die hierdurch erzielte Sauerstoffbindung im Einzel-
falle recht wechselnd und nur gering ist, und da allein durch Aus-
pumpen eine wenigstens für die Züchtung der tierischen Gasbranderreger
völlig genügende Luftleere erzielt werden kann. — 3) Das Einsetzen
einer Kalziumchloridschale zum Trocknen der Platten in die Kultur-
gefäBe. — 4) Die Verwendung von Einmachgläsern (Weckgläsern),
die in einem Glockenexsikkator ausgepumpt werden, an Stelle der kost-
spieligen und unhandlichen Maaßenschen Apparate mit ihren Ab-
änderungen.
Berichtigung.
In Bd. 99. Heft 4/5. Abt. I der Originale ist im Inhaltsverzeichnis auf S. 352 zu
lesen im Titel der Arbeit von Erich Wirth statt Staphylokokken: Streptokokken.
Inhalt.
Goerttler, V., Zur Technik der Anaéroben- | Mießner, H., u. Baars, G., Immunisierung
züchtung, S. 156.
Klimmer, M., u. Haupt, H., Beitrag zur
Trennung verschiedener tierpathogener
und saprophytischer Streptokokken (des
Streptococcus agalacticae, Str.
lacticus, Str. equi, Str. abortus
equi und des Str. pyogenes equi),
S. 126.
Kliewe, H., Variabilitätsstudien und Grup-
peneinteilung bei Diphtheriebazillen und
anderen Corynebakterien, S. 6.
—, Variabilitätsstudien und Gruppenein-
teilung bei Diphtheriebazillen und an-
deren Corynebakterien. II, 8. 44.
Krijgsman, B. J., Die Therapie der Kok-
adioa, I. Teil: Die Kokzidiose der Ka-
ninchen. Mit 7 Abbildungen im Text
und 1 Tafel, S. 108.
gegen Lyssa der Hunde mit Lyssin,
8. 79.
Müller, Reiner, Borstenwürmerim mensch-
lichen Körper (Pachydriłus linea-
tus). Mit 1 Abbildung im Text, S. 151.
Preisz, H. v., Zwei eigenartige Varianten
des Pestbazillus. Mit 1 Tafel, S. 65.
Pribram, Ernst, Die Gruppe des B. sep-
ticaemiaehaemorrhagicae, S. 78.
Schwarze, E., Zur Biologie eines bei Ferkel-
sterben gefundenen Streptokokkus, S. 148.
Shwartzman, Gregory, The rate of re-
duction of methylene blue by Bacillus
eoli in the course of the Bacteriophage
phenomenon. With 2 fig. in text, S. 61.
| Zuelzer, Margarete, Ueber Bacterium
spirilloides n. sp., ein bisher unbe-
kanntes Bakterium. Mit 2 Tafeln, S. 1.
Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena — 5548.
Centralbl. f Bakt. ete. I. Abt Originale. Bd. 101. Heft 4
Ausgegeben am 3. Januar 1927.
Nachdruck verboten.
Artumwandlung in der Enteritisgruppe.
Il. Mitteilung.
[Aus dem Hygienisch-bakteriologischem Institut des Hauptgesundheits-
amtes der Stadt Berlin.]
Von Prof. Dr. E. Seligmann.
Vor kurzem hatte ich in einer 1. Mitteilung ,,Artumwandlung in
der Enteritisgruppe‘ 1) über einen alten Stamm des Bact. enteritidis
Gärtner (Stamm Halle) berichtet, der nach jahrzehntelangem ein-
wandfreien Verhalten auf künstlichen Nährböden seinen Gärtner-
charakter verloren hatte und sich in 2 Varianten aufspalten ließ, deren
eine einen echten Paratyphus B vorstellte, während die andere sich
als ein Sonderstamm erwies, kulturell dem Gärtnerbazillus ent-
sprechend, serologisch und antigen aber von ihm und Paratyphus B ver-
schieden. Ich hatte erwähnt, daß unser Befund seine Vorgänger in
Beobachtungen hatte, die Sobernheim und ich 1910 mitgeteilt haben,
Beobachtungen, die ebenfalls über das Auftreten von Paratyphusbazillen
in Gärtnerkulturen berichteten. Heute bin ich in der Lage, Nachfolger
zu bringen. Dies nun so vielfach festgestellte Verhalten erhebt sich
damit über den Charakter der Kuriosität und macht den Anspruch,
als ein naturgeschichtliches Phänomen bewertet zu werden. In der offen-
bar noch unzureichend stabilisierten Gruppe der Enteritisbakterien
kommt es zu Umwandlungen kultureller, agglutinatorischer und antigener
Art, die soweit gehen, daß sie kaum anders denn als Artumwandlungen
aufgefaßt werden können. Ich komme damit auf die Schlußfolgerungen
zurück, die ich in Gemeinschaft mit Sobernheim bereits 1910 gezogen
hatte und seitdem in zahlreichen Beobachtungen bestätigt gefunden habe.
Die Erfahrungen mit dem Stamm Enteritis Halle boten Anlaß,
auch die übrigen alten Laboratoriumskulturen wieder einmal einer
Durchsicht zu unterziehen. Von 12 Stämmen, die auf der Agarplatte
teils in zackigen, leicht gekörnten, teils in kreisrunden glasigen Kolo-
nien wuchsen, zum Teil auch ein Gemisch beider Kolonietypen zeigten,
wiesen 3 Besonderheiten auf. Ueber sie wird im Folgenden berichtet:
1) Stamm Drigalski (s. Sobernheim u. Seligmann,
Zeitschr. f. Immunitätsf. VI. 1910. S. 420); der alte Neunkirchener
Stamm war stets einwandfreie Gärtnerkultur gewesen, hatte ein
sehr vielseitiges Immunserum geliefert, das alle Typen von Gärtner-
stämmen gut beeinflußte. Auf Agarplatte ausschließlich gekörnte, un-
durchsichtige, zackige Kolonien, die mit Paratyphus B-Serum bis
zur Titergrenze, agglutinierten, mit Gärtnerserum aber versagten.
Ein mit einer solchen Kultur von Kaninchen gewonnenes Immunserum
erwies sich als reines, hochwertiges Paratyphus B-Serum, das B-
1) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 99. 1926.
Erste Abt. Orig. Bd. 101. Beft 45. 11
162 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
Stämme verschiedenster Herkunft agglutinierte, Gärtnerstämme da-
gegen unbeeinflußt ließ.
2) Stamm Frankenhausen (s. Sobernheim und Selig-
mann, S. 414); ebenfalls ein alter Stamm aus der bekannten Epidemie
vor etwa 20 Jahren; gleichfalls als Gärtnerstamm serologisch
charakterisiert. Bei einer Prüfung im Dezember 1923 hatte er sein
Agglutinationsvermögen eingebüßt, reagierte auch nicht mit Paratyphus
B-Serum. Die Plattenaussaat ergab jetzt: kreisrunde, glasige Kolonien,
daneben unregelmäßig gezackte, leicht gekörnte, undurchsichtige Formen.
Beide verhielten sich agglutinatorisch gleich; sie wurden von B-Serum
bis zur Titergrenze beeinflußt, von Gärtnerserum nicht berührt.
Serumherstellung am Kaninchen mißlang mit lebenden Kulturen, wie
fast immer bei Paratyphusstämmen, gelang dagegen mit bei 56° ab-
getöteten Bakterien. Es resultierte ein hochwertiges Paratyphus B-
Serum, das Paratyphusstämme jeder Art gut agglutinierte, Gärtner-
stämme unbeeinflußt ließ.
3) Stamm Gärtner Fr (s. Sobernheim u. Seligmann,
S. 413ff.); ein alter, noch von C. Fraenkel gezüchteter Enteritis-
stamm, ebenfalls serologisch bisher einwandfrei. Plattenaussaat ergab
nur gezackte, gekörnte, undurchsichtige Kolonien. Agglutination negativ -
mit Paratyphus B- und Gärtnerserum; positiv dagegen mit dem
Serum „Halle zackig‘‘, das ich in der vorhergehenden Arbeit be-
schrieben hatte (Sonderstamm, der mit Paratyphus B und Gärtner
keine serologische Verwandtschaft aufwies). Diese Agglutination des
Stammes Gärtner Fr. war nicht sehr hochgradig; nur einzelne der
Tochterkulturen gingen bis zur Titergrenze. Mit einer von diesen (Fr. 2)
wurde ein Immunserum hergestellt; es gelang leicht mit lebenden Bak-
terien. Das Serum erwies sich als ein Gärtnerserum, das Gärtner-
stämme verschiedener Herkunft kräftig bis zur Titergrenze beeinflußte
(4000). Es zeigte daneben deutliche Mittagglutination für Paratyphus
B (bis 1000, gelegentlich sogar 2000) und mäßige Mitagglutination
für Stamm „Halle zackig“.
Ueberblicken wir die Ergebnisse, so müssen wir folgern: abermals
haben sich aus echten Gärtnerstämmen echte Paratyphus B-
Bazillen entwickelt (Drigalski und Frankenhausen). Die Ent-
wicklung ist vollständig; andere Varianten fehlen; die Kulturen ent-
halten nur Paratyphus B-Keime. Weniger weit ist die Entwicklung
bei dem Stamm Gärtner Fr. gegangen; er hat die Agglutinabilitat
für Gärtnerserum verloren, eine neue nur in geringem Maße an-
genommen und seinen antigenen Charakter im wesentlichen bewahrt.
Seine Entwicklung ist offenbar noch nicht abgeschlossen.
Wolff, Ueber ein auch bei tropischer Temp. steriles Wasser lieferndes Filter. 163
Nachdruck verboten.
Ueber ein auch bei tropischer Temperatur steriles Wasser
lieferndes Filter.
[Aus dem Pharmaco-therapeutischen Laboratorium der Universität
Amsterdam (Dir.: Prof. E. Laqueur).]
Von L. K. Wolff.
Mit 1 Abbildung im Text.
Es ist zurzeit möglich, Wasser im großen so zu reinigen, daß es
sich ohne weitere Maßnahmen zum menschlichen Gebrauch eignet.
Verschiedene Methoden stehen hierfür zur Verfügung: langsame und
schnelle Filtration durch Sand; Behandlung mit Chlor usw. Eine viel
schwierigere Aufgabe ist es jedoch, Wasser in kleineren Mengen
so zu reinigen, daß es ruhig als Trinkwasser gebraucht werden
kann. Es sind zwar viele Methoden beschrieben worden, aber bisher
hat sich in der Praxis keine einzige verwerten lassen. Wohl ist es
zweifellos möglich‘, mit Hilfe von Chemikalien infiziertes Wasser
zu sterilisieren; jedoch sind mit dieser Methode große Schwierigkeiten
verbunden. Bei einigen chemischen Methoden behält das Wasser einen
deutlichem Geschmack nach dem für die Behandlung gebrauchten Stoff.
So schmeckt Wasser, das mit Halazone (1) behandelt wird, deutlich
nach Chlor, wenn auch nicht so stark, daß es den Gebrauch als Trink-
wasser behindert. Andere chemischen Methoden bedienen sich zweier
chemischen Prozesse, wobei der 2. dazu dienen muß, den Ueberschuß
des 1. zu beseitigen. Diese Methoden erfordern jedoch größere che-
mische Kenntnisse, als man beim Laien voraussetzen darf.
Im Laufe der Zeit sind viele physikalische Filtrationsmethoden
zur Reinigung kleiner Wassermengen beschrieben worden, von denen
sich aber auch keine bisher als tauglich erwiesen hat. Die
Kerzen von Chamberlain und Berkefeld verstopfen sich bald
und die Bakterien wachsen nach einigen Tagen hindurch. Durch Aus-
glühen kann man die Kerzen wohl nach dem Gebrauch wieder benutz-
bar machen, aber nur schwer, und oft gehen sie bei dieser Be-
handlung entzwei. Ein wirklich geeignetes Sandfilter zum Gebrauche
für kleine Mengen ist bis heute noch nicht beschrieben worden. Das
einfachste Verfahren war bisher das Kochen, wobei sich aber der Ge-
schmack meistens in unangenehmer Weise verändert; besonders in
warmen Ländern ist die Abkühlung dieses gekochten Wassers nicht
einfach. Es liegt auf der Hand, daß ein Filter, das in kleinen
Mengen stark infiziertes Wasser steril macht, von außergewöhnlicher
Bedeutung überall dort sein muß, wo keine gute Wasserleitung be-
steht und nur ein verdächtiges oder Flußwasser zur Verfügung steht.
Besonders für die warmen Länder muß solch ein Filter direkt eine
Wohltat sein, weswegen ich auch gern der Bitte von Prof. Grijns
Folge geleistet habe, die von ihnen begonnenen Versuche fortzusetzen.
Kraus und Barbara (2) waren die ersten, die behauptet haben,
daß es möglich sei, Wasser — und auch andere Flüssigkeiten —, die
zuvor mit Cholera- und Typhusbazillen verseucht waren, steril zu
machen, indem man sie einige Std. mit Tierkohle schüttelte und dann
abfiltrierte. Aehnliche Versuche hat auch G. Salus (3) gemacht. Es
347
164 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
war im übrigen schon bekannt, daß Kohle Bakterien absorbieren kann.
Sie hat das mit fast allen im Wasser fein verteilten Stoffen (4) ge-
mein. Wie diese Absorption zu erklären ist, ist mir aber noch nicht
ganz klar geworden. Im allgemeinen wird der suspendierte Stoff wohl
mit dem gleichen Zeichen wie die Bakterien elektrisch geladen sein.
(Beide negativ geladen mit Bezug auf das Wasser.) Es ist vielleicht
möglich, daß die Ladung der verhältnismäßig großen Teilchen der
Kohle sich nur an einigen Punkten der Oberfläche befindet, und daß
andere Teile der Oberfläche nicht, oder sogar entgegengesetzt, geladen
sind, so daß die viel kleineren Bakterien von den zuletzt genannten
Teilen der Oberfläche der Kohle angezogen werden könnten!). Die
Ladung der Kohlen, mit der Prof. Grijns und auch ich gearbeitet,
haben, ist jedenfalls sehr unbedeutend. Ich habe sie in dem bekannten
Ueberführungsapparat nach Michaelis nicht bestimmen können.
Die Versuche von Eisenberg (5) haben ergeben, daß die Ab-
sorption von Bakterien an Suspensionen niemals bis zu 100 Proz. statt-
findet. Der Prozentsatz, der nicht absorbiert wird, hängt von der
Menge des im Wasser befindlichen Absorptionsmittels ab; fast absolute
Entfernung der Bakterien kann man durch einmalige Behandlung des
Wassers mit dem Absorptionsmittel nur erreichen, wenn nur wenige
Bakterien im Wasser vorhanden waren. Als Beispiel hierfür können
folgende Versuche dienen, die mit dem später noch zu beschreibenden
Noritpulver gemacht worden sind: Zu 50 ccm Wasser fügte man Coli-
Bazillen zu, worauf das Wasser mit einer bestimmten Menge sterili-
siertem Noritpulvers behandelt wurde. Die Flüssigkeit wurde nach
2stündigem Stehen steril zentrifugiert und aus der hellen, obenauf
schwimmenden Flüssigkeit wurden Platten gegossen.
Tabelle I.
Anzahl der Kolonien in 1 cem
Kontrolle ohne Norit co
50 mg Norit + 50 cem Wasser oo
00 ” ” + 50 ” LE co
500 ,, » +50 „ 7 viel weniger Kolonien
1000 ,, EN cg = 2500 Kolonien
Tabelle II.
Kontrolle 400 Kolonien
250 mg Norit + 50 cem Wasser 6 ee
1 ” ” + 50 1 39 0 ”
Nimmt man jedoch anstatt Wasser mit Coli-Bazillen stark ver-
unreinigtes Kanalwasser, so gelingt es nicht im entferntesten, mit 2 g
Kohle in 100 ccm Wasser Sterilität zu erhalten. Außerdem ist das
Abzentrifugieren oder Abfiltrieren in der Praxis nicht ausführbar,
und ich habe auch nicht gelesen, daß die Versuche von Kraus und
Barbara und Salus zu einem praktischen Ergebnis geführt haben.
Wie schon von Grijns mitgeteilt: wurde, haben sich die von der
Firma Büring & Co. in Hamburg in den Handel eingeführten Filter-
körper aus gepreßter Kohle auch als untauglich erwiesen.
Grijns (6) hat nun einen anderen Weg eingeschlagen und ein
Filter konstruiert, das mit einer gewissen Kohle, genannt Norit, die
besonders stark absorbierende Eigenschaften besitzt, gefüllt war.
1) Ich verdanke diese Erklärungsmöglichkeit einer mündlichen Besprechung
mit Prof. Perrin in Paris.
Wolff, Ueber ein auch bei tropischer Temp. steriles Wasser lieferndes Filter. 165
Norit ist eine sogenannte aktive Pflanzenkohle. Aktive Kohle
unterscheidet sich von der gewöhnlichen Kohle durch ihr Absorptions-
vermögen, das sehr viel größer ist. Diese aktive Kohle wird er-
halten, indem man in einem spezialen Ofen Kohle in einer Wasserdampf-
oder Kohlensäureathmosphäre erhitzt. Nach dieser Behandlung kann
die Kohle allerlei Stoffe: Eiweiß, Farbstoffe usw., absorbieren. Von
allen aktiven Kohlenarten ist Norit wohl diejenige, die der Filtration
den geringsten Widerstand bietet. Dies liegt vermutlich an der Form
der Teilchen: bei der Betrachtung unter dem Mikroskop scheinen die
Noritteilchen fast alle eine federförmige Struktur zu besitzen. Sie
haken und greifen denn auch alle ineinander, aber die Kohlenmenge
bleibt sehr porös.
Mit diesem Norit machte Grijns seine Versuche: Er nahm erst
kleine Gooch-Tiegel, in die er eine Lage Norit tat. Später kon-
struierte er ein kupfernes Filter, das einen Durchfluß von etwa
8 1 pro 24 Std. zulieB. Es bestand aus einem kupfernen Kästchen in
dem ein zweites kupfernes Kästchen mit perforiertem Boden angebracht
war. Dieses zweite Kästchen wurde mit Norit gefüllt, das mit einem
kupfernen Deckel etwas angedrückt werden konnte. Das Ganze konnte
ausgeglüht werden, so daß das Filter nach dem Gebrauche wieder leicht
sterilisiert werden konnte. Vollständige Sterilität konnte er mit diesem
Filter aber nur einige Male erreichen, doch war immer die Bakterien-
verminderung ungemein groß. So teilt er einen Versuch mit (5), bei
dem der Durchfluß etwa 6—8 1 in 24 Std. betrug, und bei dem das
Wasser für die Filtration an verschiedenen Tagen, 3610, 10480,
2112000, 428100 Bakterien per ccm enthielt, wogegen im filtrierten
Wasser nur 2, 6, 0, 8, 0, 4 Bakterien vorhanden waren; erst nach
3 Wochen vermehrten sich letztere bis auf 20 Bakterien per ccm.
So viel von den Versuchen von Grijns, die zwar den Weg wiesen,
wie man zu einem brauchbaren Filter käme, aber noch nicht beendet
waren, als er durch einen anderen Wirkungskreis gezwungen wurde,
dieselben aufzugeben. Als ich die Versuche fortzusetzen anfing, erhielt
ich mit dem Filter von Grijns weniger gute Ergebnisse. Dies konnte
verschiedene Ursachen gehabt haben: vielleicht war die Temperatur
der Luft etwas wärmer, vielleicht enthielt das Wasser mehr von
den schnell sich bewegenden Arten, wie Vibrionen und Proteus-Ba-
zillen. Es stellt sich später nämlich heraus, daß diese Bakterien, von
denen man weiß, daß sie sich sehr schnell im Wasser bewegen können,
am schlechtesten von einem Filter abgehalten werden. Setzte ich z. B.
dem Kanalwasser noch absichtlich Vibrionen oder Proteusbazillen
zu, so war es noch viel schwerer, hieraus steriles Wasser. zu be-
kommen. Großen Einfluß hatte auch die Temperatur der umgebenden
Luft. Ein Filter, das mehrmals gut filtriert hatte, wurde untauglich,
als die Außentemperatur im Sommer abnormal hoch stieg. Jedoch
mußte ich meiner Meinung nach danach streben, ein Filter so zu
konstruieren, daß es auch bei Tropentemperatur brauchbar war. Außer-
dem stellte ich die Anforderung, daß das Filter 14 Tage lang wirklich
steriles Wasser liefern sollte. Denn auch einzelne Bakterien können,
wenn sie zu den pathogenen Arten gehören, schädlich sein.
Bei der weiteren Konstruktion des Filters war mir Herr Lourens,
Chemiker der Norit-Gesellschaft, sehr behilflich.
Zu allen meinen Versuchen habe ich sehr verschmutztes Kanal-
oder Grabenwasser, das in den meisten Fällen mehr als 100000
166 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
Bakterien per ccm enthielt, gebraucht. Die Zeiten, die später angegeben
werden, und die Lebensdauer des Filters sind denn auch Minima; mit
sauberem Wasser ist das Filter länger brauchbar.
Zuerst schien es erwünscht, das Wasser vorzufiltrieren, um es
von Humusstoffen und Lehm, die das eigentliche Filter bald ver-
stopfen und den Durchfluß verringern würden, zu befreien. Während
dieser Vorfiltration wird die Bakterienzahl nicht erheblich herabgesetzt.
Diese Vorfiltration ist denn auch unwesentlich für die Methode,
und nur da, wo das Wasser viel Humus- oder Lehmstoffe enthält, an-
gebracht. Außerdem verliert auch das Wasser im Vorfilter seine aro-
matischen- und Farbstoffe. Ist das Wasser nur bakteriologisch ver-
dächtig, im übrigen aber klar und ohne suspendierte Teilchen, so
kann das Vorfilter weggelassen werden. Umgekehrt kann man auch
mit dem Vorfilter auskommen, wenn es darauf ankommt, Eisen, HS
oder Humusstoffe zu entfernen. Auch Blei wird quantitativ durch
das Vorfilter entfernt. Das Vorfilter besteht aus einem Porzellan-
gefäß, das teilweise mit sogenanntem technischen Noritpulver gefüllt
ist. Am Deckel des Gefäßes ist ein poröser Topf, durch den sich
das Wasser den Weg bahnen muß, angebracht. Die Poren des Topfes
sind so groß, daß sie das Norit wohl zurückhalten, die Bakterien da-
gegen durchlassen (s. Fig. 1)1). Der Topf bedeckt sich allmählich
mit einer dünnen Schlicklage und muß daher alle 3—4 Wochen mit
einer Bürste und Wasser gesäubert werden, bis er wieder genügend
porös ist. Das Noritpulver aus dem Porzellanfilter braucht man bei
sehr verschmutztem Wasser alle 2 Monate einmal, bei sauberem
Wasser weniger oft, zu erneuern. Bei der Betrachtung der Norit-
masse im Filter von Grijns zeigte es sich, daß dieses ab und
zu kleine Risse aufwies. Ich vermutete, daß dieselben die Ursache
des nicht ganz befriedigenden Resultats waren, und beschloß deshalb,
mittels einer kupfernen perforierten Platte, die mit einer Schraube an-
gedrückt werden konnte, einen Druck auf die Noritmasse auszuüben.
Tabelle IIL
Das Filter, am 24. Aug. angesetzt. Vor der Filtration efthält das Wasser
54.000 Bakterien per Kubikzentimeter.
25. Aug. steril ?) Durchfluß 24,5 1 in 24 Std.
7 2; a Coli- Versuch in 10 cem negativ
20. 15 33
29. „ 5
30. ” ”
1. Sept. ,
É a
6. ,, 3 Kolonien
9. „steril |
13:4 «> 3 Aufgehört wurde mit einem Durchfluß von 4,51 in 24 Std.
Tabelle IV.
Das Filter wird weniger fest angedrückt — Durchgang größer, 17 1 in 24 Std.
28. Sept. steril
30. ” ”
2. Okt. „
4, 13 1 in 24 Std.
n ”
1) Bei späteren Konstruktionen hat sich auch Kupfergaze, die mit Filtertuch
belegt wird, bewährt.
2) Immer wurde von 1 cm? Wasser eine Gelatine- und eine Agarplatte gegossen
und die Kolonie nach zwei Tagen gezählt.
Wolff, Ueber ein auch bei tropischer Temp. steriles Wasser lieferndes Filter. 167
Unter die Platte kam ein Stückchen Filtrierleinwand, das verhindern
sollte, daß das Noritpulver durch die feinen Oeffnungen der Platte
hinausdrang. Jetzt erhielt ich viel bessere Ergebnisse.
In das Wasser wird nun eine Proteus- Bazillenkultur getan,
jedoch war am 5. 10. das Wasser nicht mehr steril.
Tabelle V.
Das Filter wird fester angedriickt als in der Tabelle 4.
29. Okt. Im Anfang: 12 1 24 Std.
30. ,, steril; dazu Bac. Proteus
91: gs
2. Nov. ,„
4. ” n
6. ” ”
ns ” LE
11. # 7 Das unfiltrierte Wasser enthält sehr viele Bakterien, 4 1 per 24 Std.
13. „ j
15. A K
18. ” ”
20. ,;
22. 3 Kolonien. Das Filter läßt nur wenig Wasser durch.
Durch diesen Versuch ergab sich, daß sehr verschmutztes Gracht-
wasser durch das Noritfilter von Bakterien befreit wird, voraus-
gesetzt, daß die Geschwindigkeit, mit der man filtriert, nicht zu
groß ist. Einmal mißlang der Versuch, da die Temperatur sehr hoch
war (etwa 230 C). Dies veranlaßte mich, das Filter auch im tropischen
Zimmer auszuprobieren (24—28°C). Da schien das Filter aber den
Anforderungen nicht zu entsprechen.
Tabelle VI.
9. Dez. gefüllt
11. „ in Tätigkeit gesetzt
12. „ 1 Kolonie
13. ,„ steril
14. „~ Proteus-Bazillen und Dunbar-Vibrionen dazu getan
15. ,, viele Kolonien!
Die Wiederholung des Versuches ergab kein besseres Ergebnis.
Ich versuchte daher, die Kohle mit einem Antiseptikum zu beladen und
wählte zu diesem Zwecke Chlorkalklösung. Diese hatten in der Tat
wohl einigermaßen Erfolg, aber die Resultate waren doch zu unregel-
mäßig. Wir versuchten deshalb, das Filter selbst durch Vergrößerung
zu verbessern. Wir arbeiteten mit einem Filter von 10 cm Durch-
messer und 10 cm Höhe, während vorher Höhe und Durchmesser je
5 cm betragen hatten. Unser Verfahren war jetzt also folgendes:
Zuerst wurde das Filter mit Norit gefüllt, dann die Kohle etwas
angedrückt, und danach das Ganze bei 120° sterilisiert. Darauf
filtrierten wir eine Suspension von 40 g Chlorkalk in 1 1 Wasser
durch das Filter und schlossen es dann an das Reservoir an, das un-
gefähr 3 m hoch stand. Zwischen dieses Reservoir und das Filter
hatte man noch den oben erwähnten Porzellantopf eingeschaltet. Wenn
das Filter abends angesetzt wurde, war am anderen Morgen kein freies
Chlor mehr nachweisbar.
168 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
Tabelle VIL.
8. Juni 10 1 in 24 Std.
25. = 1 Kolonie
27. „ 3 Kolonien
DO ate We a 10 l in 24 Std., Kontrolle 200000 Bakterien
per Kubikzentimer
Tabelle VIII.
8. Aug. Filter angesetzt, 24 1 per 24 Std.
10. „ steril
1 Kolonie
„ viele Kolonien, 12 1 per 24 Std.
Ein dritter hier nicht wiedergegebener Versuch ergab genau das-
selbe Resultat. Wie schon erwähnt, hatten wir die Gewohnheit, das
Filter mit der Kohle immer vor dem Versuch bei 120° zu sterilisieren.
Da dies in der Praxis nicht ausführbar ist, und wir nicht damit
rechnen konnten, steriles Wasser zu bekommen, wenn weder das Filter-
tuch noch die Kohle zuvor sterilisiert worden waren, mußten wir für
diesen Fall etwas anderes ausfindig machen.
Zu unserem höchsten Erstaunen genügte das Filtrieren des Chlor-
kalks durch das Filter allein nicht, um dieses dazu geeignet zu
machen, 14 Tage lang steriles Wasser zu liefern. Auch als wir das
Filter anstatt bei 120° 1/, Stunde bei 100° sterilisierten, indem
wir es in einem Topf auskochten, entsprach es nicht unseren An-
forderungen. Es stellte sich zunächst heraus, daß die Sterilisation
bis zu 120° eine conditio sine qua non war, damit er richtig funk-
tionieren konnte. Eine Erklärung dieses auffallenden Verhaltens kann
ich nicht geben. Man kann natürlich annehmen, daß die Kohle, die
bei 120° ihre absorbierte Luft verliert, jetzt ein besseres Absorptions-
vermögen für Bakterien bekommt; dies ist jedoch nur eine Ver-
mutung. Die Hypochlorite, die von der Kohle absorbiert werden, ver-
ändern sich durch die katalytische Wirkung der Kohle sehr schnell
in Chloride. Wir beschlossen daher, das gewöhnliche Norit durch
Norit, in dem eine Menge trockenes Salzsäuregas absorbiert war,
zu ersetzen. Ebenso wie viele anderen Kohlenarten kann auch
Norit große Mengen Gas absorbieren. Das Aussehen der Kohle ändert
sich hierdurch nicht; sie dampft z. B. nicht in der Luft. Solches Salzsäure
enthaltendes Norit gibt dem Wasser verhältnismäßig rasch seinen Salz-
säuregehalt ab. Diese aufgelöste Salzsäure konnte nun dazu dienen,
das Filter, wenn dieses wieder in Gebrauch gesetzt wurde, selbst
zu sterilisieren. Was die Salzsäure enthaltende Kohle selbst anbelangt,
so ist sie vollkommen steril im Gegensatz zum gewöhnlichen Norit.
Bei unserem späteren Versuch zeigte es sich, daß es keinen Unterschied
machte, ob wir Salzsäure enthaltendes Norit oder ob wir gewöhnliches
Norit, das mit gelöster Salzsäure gemengt war, verwandten, denn
auch dann nimmt das Norit Salzsäure aus der Lösung auf und gibt
Wolff, Ueber ein auch bei tropischer 'Temp. steriles Wasser lieferndes Filter. 169
diese danach an das Wasser wieder ab. Wenn wir abends ein solches
Filter ausstellten, dann waren die freien Salzsäure- und auch die
gelösten Spuren von Kupfer am anderen Tage verschwunden.
Tabelle IX.
4. Dez. angesetzt, 14 1 per 24 Std.
A 5 steril,
8. ` “ Grachtwasser enthält 10000 Kolonien per Kubikzentimeter
11. „ Coli- Versuch negativ in 10 cem
12. ,, 1 Kolonie
ee » Steril, 12 1 per 24 Std.
VE à
18. ” ”
20. ” ”
21. „ 2 Kolonien.
Ein zweiter Versuch ergab analoge Resultate.
Bei unseren weiteren Versuchen schien es uns erwünscht, 1. die
Temperatur etwas zu erhöhen (bis zu etwa 35° C) und 2. das Filter
noch etwas größer zu machen, damit der Durchfluß auch größer sein
konnte. Das Filter hat jetzt einen inneren Durchmesser von 15 cm
und ungefähr dieselbe Höhe. Der Durchfluß ist nun erheblich größer
geworden, etwa 11/,1 pro Std. und nimmt auch er nach 14 Tagen nur
wenig ab (von ca. 30 auf 25 1).
Mit diesem Filter haben wir noch viele Versuche gemacht und
beobachteten, daß er auch bei dieser hohen Temperatur 12—14 Tage
lang steriles Wasser liefert.
Ich habe dann noch untersucht, ob das Filter ebensogute Resultate
gibt, wenn man nicht Kanalwasser mit vielen Verunreinigungen ver-
wendet, sondern mit Colibazillen versetztes gewöhnliches ‘Leitungs-
wasser (z. B. 100000 pro ccm) filtriert. Das ist in der Tat der Fall,
denn auch dieses Wasser wurde durch Filtrieren steril, erst nach
12—14tägigem Gebrauch (bei ca. 21 pro Std. Durchfluß) fanden sich
Bakterien im Filtrat. Die letzten Versuche wurden bei gewöhnlicher
Temperatur angestellt.
Recht auffallend schien mir folgende Tatsache: Salzsäure ent-
haltendes Norit mit 2-, bzw. 4-, bzw. 5proz. Salzsäure lieferte in je
2 gleichartigen Versuchen immer gute Resultate, dagegen ergab
Norit, das mit trockener schwefeliger Säure behandelt war, immer
nur kurze Zeit steriles Wasser; in meinen Versuchen erwies sich das
SO,-Norit ganz unbrauchbar. Ueber die Ursache davon habe ich noch
gar keine Vorstellung; die SO, wird vom Norit sehr schnell zu
SO, oxydiert, und die Dissoziation von verdünnten HCl- bzw. H,SO,-
Lösungen sind doch sehr wenig verschieden.
Voriges Jahr untersuchten wir noch ein neues Präparat, das so-
genannte Supranorit, das für Farbstoffe ein noch größeres Absorptions-
vermögen besitzt. Außerdem hat es ein größeres Volumen und demnach
auch eine viel größere Filtrationsgeschwindigkeit. Damit kann man
mit demselben Filter bequem 4 1 die Stunde filtrieren, jedoch ist die
Sterilitätsdauer des Filters nun auch auf 8 Tage herabgesetzt, so
daß man schließlich mit diesem Norit dieselbe Menge steriles Wasser
nur in kürzerer Zeit erhält.
Uebereinstimmend hiermit ergab sich, daß das Absorptionsvermögen
gegenüber den Bakterien des alten und neuen Norits ungefähr gleich
war.
170 Centralbl. f. Bakt. ete. 1. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
Auf beistehender Zeichnung kann man die Einrichtung des Filters
deutlich sehen 1).
Wenn das Norit durchweicht ist, muß man die Schraube D noch
ein wenig anziehen. Man kann jetzt, wenn das Filter nur erst tropft,
die Filtrationsgeschwindigkeit noch mit der Druckschraube D regeln.
In unseren letzteren Versuchen haben wir auf das Vorfilter einen
Druck von !/, Atmosphäre ausgeübt.
Wir haben uns wiederholt davon überzeugt, daß das Filter durchaus
keinen Schaden erleidet, wenn es während der Filtration eine Zeit-
lang trocken stehen bleibt. Das verdanken wir wohl der Druckschraube,
Fig. 1.
A ist die perforierte Platte, auf die ein kleines Stück Filtertuch gelegt wird.
Diese Platte ist im Filter festgelôtet. Danach schüttet man das trockene Salzsäure
enthaltene Norit in das Filter, bedeckt es mit einem zweiten Stückchen Filtrier-
tuch und legt die lose, rforierte, kupferne Platte B darauf. Dann wird das
Filter mit einem Deckel Č, an dem die Druckschraube ‘D angebracht ist, ge-
schlossen. 6 Flügelmutter schließen das Filter ab. Dann zieht man die Druck-
schraube B vorsichtig an, bis ein leichter Druck auf das Norit ausgeübt wird,
sodann verbindet man das Filter mit dem Vorfilter und läßt das Wasser einströmen.
Eine Schraube E dient zum Entfernen der Luft.
da jetzt keine Risse mehr in der Noritmasse entstehen können. Wenn
das Filter 14 Tage lang in Tätigkeit ist, wird es nach Absperrung
der Wasserzufuhr geöffnet. Das Norit kann dann als zusammen-
hängende Masse sehr leicht entfernt und durch neues ersetzt werden.
1) Das Filter wird von der Alg. Norit Maatschappy den Texstraat 3. Amster-
dam, verfertigt.
Dimtza, Veränderungen von Coli-Stämmen durch Bakteriophagenwirkung. 171
Diese ganze Arbeit dauert nur wenige Minuten. Nach etwa 12 Std.
ist das Wasser wieder trinkbar. Die Kosten der neuen Noritmenge,
die passend in Büchsen geliefert wird, betragen nur 1 Fl.; für
diesen Preis bekommt man 14x 241 steriles Wasser.
Zusammenfassung.
Es wird eine Filtriereinrichtung mit Noritkohle beschrieben, die
auch bei Tropentemperatur bis zu 350 C 2 Wochen lang aus einem
bisher stark verschmutzten und verseuchten Wasser pro Stunde 11/, 1
vollkommen steriles Wasser liefert.
Literatur.
1) Wolff, L. K., Reiniging van Drinkwater met halazone. (Ned. Mil.
Geneesk. Tijdschr. 1917.) — 2) Wien. klin. Wochenschr. 1915. S. 810, 1031.
— 3) Ibid. 1916. S. 846. — 4) Eisenberg, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig.
Bd. 72. S. 1. — 5) Centralbl.#. Bakt. Abt. I. Orig. — 6) Geneesk. Tijdschr. v.
Ned. Indie. Bd. 59. 1919. p. 404.
Nachdruck verboten.
‘Ueber Veränderungen von Coli-Stämmen durch Bakterio-
phagenwirkung ,in vivo und in vitro“
[Aus dem Hygiene-Institut der Universität Zürich (Dir.: Prof. Dr.
Silberschmidt).]
Von Alexander Dimtza.
Bald nach den grundlegenden Veröffentlichungen über die Bakterio-
phagie wurden therapeutische Versuche mit Bakteriophagen empfohlen.
Die ersten experimentellen und klinischen Erfahrungen stammen von
d’Herelle*), welcher mit der Behandlung von Dysenterie, Typhus,
Hühnertyphosen, Büffelseuche und neuerdings der Pest?) auffallend
gute Resultate erhielt. Nicht so günstig lauten die Erfahrungen
anderer Forscher. Eine Anzahl (Otto, Friedmann, Apelmann,
Dörr, Grüninger u. a.%) hat sich auf Grund ihrer therapeutischen
Versuche gegen die Lysintherapie ausgesprochen; andere (Munter und
Boenheimt)) fanden die erreichten Resultate nicht sehr ermutigend;
einig gehen alle Autoren mit d’Herelle in bezug auf die Un-
schädlichkeit dieser Behandlungsmethode.
Zdansky5) 5) empfahl die Herstellung stammesspezifischer Lysine, um durch
die Bakteriophagentherapie bessere Erfolge zu erreichen. Zur Vermeidung bakterio-
hagenhemmender Wirkung im Körper wären sie unter Umgehung des parenteralen
Weges direkt am Herd der Infektion zu applizieren. Dadurch beschränkt sich das
Anwendungsgebiet der Lysintherapie vornehmlich auf Infektionen von Körperhöhlen.
In erster Linie kommen die so häufigen Coli- Infektionen von Blase und Nieren-
becken in Betracht. Aus den wenigen in der Literatur niedergelegten Erfahrungen
über so behandelte Coli- Infektionen lassen sich noch keine endgültigen Schlüsse
1) Le Bactériophage 1921; Monographie. Paris, Masson.
2) Presse méd. 1925. p. 1393.
3) Zit. nach Marcuse, D. med. Wochenschr. 1924. S. 334.
4) Zeitschr. f. Kinderheilk. Bd. 39. 1925. S. 388.
5) Wien. klin. Wochenschr. 1924. Nr. 20.
6) Seuchenbekämpfung. 1925. S. 150.
172 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
ziehen. Immerhin haben einige Autoren in chronischen Fällen von wiederholt erfolglos
behandelten Coli-Pyelitiden Erfolge zu verzeichnen. Bei örtlicher Applikation er-
reichte Mareuse') in experimentellen Versuchen an Meerschweinchen und Kanin-
chen gute Erfolg, Lehndorff*) konnte in den meisten Fällen von Zysto-
yelitiden bei Kindern durch Einführung des Lysins in die Blase Besserung, selten
Fakteriologische Heilung herbeiführen. Zdansky °) erreichte 6mal in 20 Fällen
von chronischen Zystopyelitiden, Frisch ) 6mal in 7 Fällen klinische Heilung
und Keimfreiheit des Harns, wobei das betreffende Lysin von ersterem unverdünnt,
von Frisch mit physiol. Kochsalzlösung verdünnt in Blase und Nierenbecken in-
stilliert wurde.
In Verbindung mit Herrn Dr. Reist (Kant. Frauenklinik Prof.
Walthard) haben wir versucht, 2 Fälle von Coli-Pyelitis mit Lysin
zu behandeln, welche wegen der Veränderung des bakteriologischen Be-
fundes nach Lysintherapie von Interesse sind. Es handelt sich um
2 hochfiebernde Patientinnen, Fall I, Fr. D., 25 J., gravida, Pyelitis
dextra; Fall II, A. Kr., 30 J., doppelseitige Pyonephrose und Cystitis
nach Totalexstirpation eines Uteruskarzinoms.
Vor Beginn der Behandlung wurde in beiden Fallen in den steril
entnommenen Ureterenurinproben direkt und kulturell nur Bacterium
coli nachgewiesen. Beide Patientinnen wurden mit einem Lysin be-
handelt, das wir schon seit einiger Zeit im Institut verfolgen. Es er-
wies sich als wirksam gegen die beiden Coli-Stämme, gegen einen
weiteren aus Urin gezüchteten Coli-Stamm und gegen einen Shiga-
Stamm. - à
Der Lysinexponent betrug für den Coli-Stamm von Fall I 10-8,
für den Fall II 10-6. In Abständen von 2—4 Tagen wurde der Bak-
teriophage 10fach mit steriler Bouillon verdünnt, ins Nierenbecken
instilliert, wobei parallel mit der klinischen Beobachtung eine fort-
laufende kulturelle Kontrolle des Harns stattfand.
Fall 1. Fr. D. Urinprobe aus Nierenbecken vor der Behandlung trüb, von
schwachsaurer Reaktion, enthält im Sediment massenhaft Leukozyten, Epithelien und
gramnegafive Stäbchen, welche kulturell auf den verschiedenen Nährböden die für
Bact. colı typischen Reaktionen zeigen.
24 Std. nach der 1. Applikation von Lysin enthielt das Sediment im direkten
Ausstrich neben Leukozyten und Epithelien gramnegative Kurzstäbchen, kulturell auf
Agar nach 18stünd. Bebrütung ausschließlich spärliche Flatterformen.
24 Std. nach der 2. Applikation trat eine Veränderung der im
Urin vorhandenen Coli-Bakterien ein. Im mikroskopischen Präparat
waren an Stelle der typischen gleichmäßigen Kurzstäbchen zum Teil
schlanke, zum Teil plumpe Fäden mit Auftreibungen, umgeben von
einer schmalen Schleimhülle, zu schen. Diese Bakterien zeigten auch
kulturell ganz typische Veränderungen. Das Wachstum war auf allen
Nährböden bedeutend verlangsamt; die Kolonien fielen durch ihre starke
Schleimbildung auf. Die Gas- und Säurebildung trat erst am 2. bis
3. Tag auf und auch die Verfärbung von Helvetia-, Endo- und
Neutralrotagar war erst nach 48—72 Std. deutlich. Die Milchgerinnung
war gegenüber dem Ursprungsstamm um 72 Std. verzögert.
Während der weiteren Bakteriophagenbehandlung wurde stets vor
der Applikation der Nierenbeckenurin für Untersuchungen entnommen.
Die bakteriologische Untersuchung zeigte konstant die oben be-
schriebenen Veränderungen, d. h. nach 36—48 Std. dicke schleimige
Kolonien mit Verzögerung im Auftreten der für Coli typischen Eigen-
schaften.
1) D. med. Wochenschr. 1924. 8. 331.
2) Wien. med. Wochenschr. 1924. Nr. 21.
3) Le. 4) Wien. klin. Wochenschr. 1925. S. $39.
Dimtza, Veränderungen von Coli-Stämmen durch Bakteriophagenwirkung. 173
Nach 2wöchentlicher Behandlung sind im Sediment des rechten
Ureteren- und Blasenurins wenige gramnegative, plumpe Stäbchen nach-
weisbar, kulturell 2—3 schleimige Kolonien auf Agar.
Klinisch ist Pat. fieber- und beschwerdefrei.
7 Wochen nach Aussetzen der Behandlung und nach überstandener
Geburt erweist sich der rechte, klar gewonnene Nierenbeckenharn als
keimfrei. Im makroskopisch klaren Blasenharn finden sich im Sedi-
ment wenige Leukozyten, vereinzelte gramnegative Stäbchen und
Fäden. Auf Agar und den übrigen Nährböden lassen sich erst nach
48 Std. spärliche nur schleimige Kolonien züchten.
Fall II. Fr. Kr. Urinprobe aus beiden Nierenbecken trüb, schwach sauer,
im Sediment viele Leukozyten und Epithelien, massenhaft gramnegative Stäbchen,
kulturell B. coli.
Nach Applikation des Bakteriophagen zeigen die in den Ureterenurinproben
vorhandenen Goli- Bakterien mikroskopisch nat kulturell dieselben Veränderungen
wie sie im Fall I geschildert wurden. Im mikroskopischen Bilde sieht man fast nur
Fadenbildung, kulturell treten nach 48 Std. auf Agar schleimige, unregelmäßig kon-
turierte Kolonien auf; Gasbildung, Verfärbung von Neutralrotagar, Milchgerinnung und
Farbumschlag auf Helvetia- und Endo-Agar sind erst nach 3—4 Tagen deutlich.
Nach Imonatlicher Behandlung wird bei langsam eintretender klinischer Hei-
lung mit der Instillation von Bakteriophagen aufgehört.
Bei einer Nachuntersuchung 11/, Monate später sehen die aus
den Nierenbecken gewonnenen Urinproben klar aus und zeigen schwach
saure. Reaktion. Im mikroskopischen Bilde sieht man neben wenigen
Leukozyten mäßig viele gramnegative Fäden und auffallend plumpe
Stäbchen, kulturell lassen sich nur schleimige Kolonien züchten.
Cystoskopisch zeigt sich in beiden Fällen nur noch leichte Ent-
zündung der Blasenschleimhaut.
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß in beiden Fällen von Coli-
Pyelitis nach Bakteriophagenbehandlung aus dem Urin‘ Bakterien ge-
züchtet wurden, die im Gegensatz zu den ursprünglich gewonnenen
Coli-Bakterien mikroskopisch und kulturell verändert waren. Statt
der gramnegativen plumpen Kurzstäbchen sind vornehmlich lange,
teils aufgetriebene gramnegative Fäden oder äußerst plumpe Stäbchen
mit Andeutung von Schleimhüllen zu sehen. Kulturell gingen nur stark
schleimige, oft unregelmäßige Kolonien an. Die für Coli typischen
kulturellen Veränderungen sind vorhanden, ihr Eintreten aber um 3 bis
4 Tage verzögert.
Bordet und Ciuca!) waren die ersten, welche Schleimbildung
bei Bact. coli als Folge der Bakteriophagenwirkung beschrieben.
Gleichzeitig konnten sie auf die Unempfindlichkeit schleimbildender
Bakterien gegenüber ihrem Lysin hinweisen. Bald darauf teilte Bail?)
ähnliche Veränderungen nach Bakteriophagenwirkung mit. Er stellte
fest, daß schleimbildende Bakterien nach einigen Ueberimpfungen die
Fähigkeit zur Schleimbildung wieder verlieren. Weitere Beobachtungen
stammen von de Gratia?), Gildemeister#), Watanabe®). In
späteren Untersuchungen machte Bail®) darauf aufmerksam, daß die
Unempfindlichkeit der Bakterien gegenüber Bakteriophagen im Zustand
der Schleimbildung auf unspezifischer, antibakteriophager Wirkung
1) Compt. Rend. Soc. Biol. T. 83. 1920. p. 1298, 1296.
2) Wien. klin. Wochenschr. 1921. S. 1.
3) Compt. Rend. Soc. Biol. T. 84. 1920. p. 751, 850.
4) Wien. klin. Wochenschr. 1921. Nr. 43. S. 1355.
5) Ibid.
6) Med. Klin. 1923. Nr. 5.
174 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
des Schleims als Kolloidsubstanz beruhe. Kimura!),?),®) kommt in
einer Reihe von Versuchen zu denselben Schlüssen.
Die in unseren beiden Fällen aus den verschiedenen Urinproben
gezüchteten schleimbildenden Kolonien wurden täglich, später alle
2 Tage auf Agar und Bouillon überimpft. Dabei wurde besonders auf
ihre kulturellen und fermentativen Eigenschaften, sowie ihr Verhalten
gegenüber Bakteriophagenwirkung geachtet.
Im Mikroskop sah man gramnegative verschieden intensiv gefärbte,
äußerst plumpe Stäbchen, mit Andeutung einer Schleimhülle, meist
zu unregelmäßigen, teils spindelförmig aufgetriebenen Fäden angeordnet.
Färberisch konnte nie eine scharf gezeichnete Kapsel dargestellt,
werden. Im hängenden Tropfen waren die Bakterien im Zustand der
Schleimbildung unbeweglich.
Die anfangs beschriebene, auf den verschiedenen Nährböden be-
obachtete Wachstumsverzögerung hielt nur bei den ersten 6—7 Ueber-
impfungen an. Später gingen die Kulturen meist nach 24 Std. an, immer
unter enormer Schleimbildung, wodurch oft einzelne Riesenkolonien
entstanden. Einige Male konnten wieder Rückschläge zu verlangsam-
terem Wachstum beobachtet werden.
Nach 20—28 Ueberimpfungen nahm die Schleimbildung allmählich
ab. Auf Agarplatten traten innerhalb des Schleims weißliche kleine
Herde auf, die sich nach jeder weiteren Ueberimpfung rasch ver-
mehrten. Der Schleim wurde dünner und durchsichtiger, um im Verlauf
weiterer Ueberimpfungen vollständig zu verschwinden.
Einige Generationen vor dem Uebergang in Kolonien von normalem
Aussehen setzte wieder rechtzeitiges Eintreten der für Coli typischen
Veränderungen ein.
Es wurde nun versucht, auch „in vitro“ Schleimbildung hervor-
zurufen. Die ursprünglich vor der Bakteriophagenbehandlung aus dem
Urin gezüchteten Coli-Stämme wurden in Bouillon mit ihren Bakterio-
phagen zusammengebracht und bebrütet. In verschiedenen Zeitabständen
wurde eine Oese dieses Gemisches auf Agarplatten ausgestrichen. In
gleicher Weise wurden die nach Rückschlag vom schleimigen zu nor-
malem Wachstum erhaltenen Coli-Bakterien mit dem Bakteriophagen
zusammengebracht. Erst nach 18stünd. und längerem Aufenthalt des
Bakterien-Bakteriophagengemisches im Brutschrank gelang es, typisch
schleimbildende Kolonien zu züchten. Die Verlangsamung des Wachs-
tums und die Verzögerung im Auftreten der für B. coli bekannten Ver-
änderungen auf den verschiedenen Nährböden waren auch hier festzu-
stellen. Die Intensität und Dauer der Schleimbildung waren aber
geringer als bei den nach der Behandlung aus dem Urin direkt ge-
züchteten schleimbildenden Kolonien. Nach 6—8 weiteren Ueber-
impfungen hörte die Schleimbildung wieder auf.
Daß schleimbildende Bakterien phagenresistent sind, konnte auch
hier wieder festgestellt werden. Anwesenheit von Bakteriophagen zeigte
keine Hemmung im Wachstum der schleimbildenden Stämme. Trübung
von Bouillon trat in gleicher Weise bei Bakteriophagen-An- und Ab-
wesenheit ein. Auf Agarplatten konnte weder durch das Tropfver-
fahren (Munter), noch durch vorheriges Ausstreichen von Bakterio-
phagen und nachfolgendes Beimpfen mit B. coli ein hemmender Ein-
1) Zeitschr. f. Immunitätsf. Bd. 38. S. 5, 159.
2) Zeitschr. f. Immunitätsf. Bd. 42. 1925. S. 507.
3) Zeitschr. f. Immunitätsf. Bd. 45. S. 334.
Dimtza, Veränderungen von Coli-Stämmen durch Bakteriophagenwirkung. 175
fluB festgestellt werden. Die während der Dauer der Schleimbildung
aufgetretene „Festigkeit“ gegenüber dem Bakteriophagen machte nach
Aufhören der Schleimbildung der früheren Empfindlichkeit Platz.
Es kann also kein Zweifel bestehen, daß es sich um eine ähnliche
Erscheinung der Bakteriophagenwirkung handelt, wie sie von den
früher erwähnten Autoren aus ihren Versuchen beschrieben wurde.
Die Schleimbildung muß als Schutzmechanismus angesehen werden,
durch welchen sich die Bakterienzelle gegenüber der Einwirkung des
Bakteriophagen wehrt. Allerdings ist damit auch eine gewisse Ver-
änderung der Eigenschaften des B. coli verbunden. Die für B. coli
typischen Eigenschaften auf den verschiedenen Nährböden treten später,
in unserem Fall nach 3—4 Tagen, schließlich aber doch vollständig
ein. Es handelt sich also nicht um eine qualitative, sondern quanti-
tativ zeitlich bedingte Verzögerung ohne Ausbleiben bestimmter Eigen-
schaften, wie dies für phagenresistente schleimige Bakterien beschrieben
wurde (Bordet und Ciuca, Ausbleiben der Verfärbung von Neu-
tralrot).
Es frägt sich nun, wie derartige schleimbildende Bakterien ein-
zuschätzen sind. Können sie zu weiterer Phagenwirkung beitragen, ist
der Bakteriophage überhaupt an sie oder an den Schleim gebunden
und welche Rolle spielen sie im Organismus ?
Aus Bouillonkulturen, welche nur schleimbildende Coli- Bazillen
enthielten, konnte für den entsprechenden Coli-Stamm kein Bakterio-
phage gewonnen werden. Wurden die schleimbildenden Coli gemein-
sam mit den entsprechenden normal gewachsenen, in Bouillon bebrütet,
wobei stündlich und später nach 24 und 48 Std. auf Agarplatten ab-
geimpft wurde, so konnte nebeneinander gleichzeitiges Wachstum von
schleimbildenden und normal gewachsenen Kolonien festgestellt werden.
‚Wurde dieser Versuch auf Helvetia- bzw. Endo-Agarplatten ausge-
führt, so sah man neben den schleimigen, noch farblosen Kolonien die
normalen, blauen, bzw. fuchsinroten Coli-Kolonien. Also hatte keine
Bakteriophagenwirkung stattgefunden. Entweder waren die schleimigen
Coli-Bazillen bakteriophagenfrei, oder der Bakteriophage ist an die
Bakterienzelle bzw. den Schleim festgebunden.
Kimura!) kommt auf Grund seiner Versuche zu dem Schluß,
daß schleimbildende Bakterien nach den ersten Ueberimpfungen mög-
licherweise noch Spuren von Bakteriophagen enthalten, weiterhin
aber keine mehr beherbergen. Durch das Fehlen des Lysins käme es
zum Rückschlag zu normalem Wachstum, während andererseits durch
gleichzeitiges Impfen von Bakteriophagen und schleimigen Bazillen
(Bail) die Schleimbildung unterhalten werde.
In unserem Fall konnte auch aus den ersten schleimigen Kulturen
kein Lysin gewonnen werden.
Nach früheren Untersuchungen (Dörr?), Dörr und Berger’),
Nakamura‘), Brutsaert®) u. a.) ist die leichte Adsorbierbarkeit
des Bakteriophagen an kolloide Substanzen bekannt. Bronfen-
brenner und Korb‘) konnten nachweisen, daß die Bakteriophagen-
1) Le.
2) Klin. Wochenschr. Bd. 1. 1922. = 1493.
3) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 97. 1923. 422.
4) Arch. f. Hyg. Bd. 9. ae Rig BL
5) Compt. "Bente Soe. Biol. 1924. p. 1242.
6) Journ. exp. Med. Vol. ie 1935, p. 453.
176 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
wirkung je nach der Konzentration des Agars eine verschiedene war,
daß sich der Bakteriophage immer an die dichtere disperse Phase
bindet!), so daß seine Wirkung dann gegenüber einem Gel geringerer
Dichte abgeschwächt oder gleich null wird. Bilden also einerseits
Bakterien unter Bakteriophagenwirkung als Abwehrreaktion Schleim,
so wäre andererseits die Affinität des Bakteriophagen aus physikalisch-
chemischen Gründen zum Schleim größer als zum Bakterium und zu
Agar, womit die Potenz des Bakteriophagen spontan erlischt. Bei
laufenden Ueberimpfungen geht dann nicht nur die Schleimbildung,
sondern auch der Bakteriophage wieder verloren, während die Ur-
sprungskultur unter Bakteriophagenwirkung ein Maximum an Schleim
bildet. Trotzdem nach dieser Ueberlegung die Schleimhüllen reich an
Bakteriophagen sein müßten, konnten wir ihn bis heute nicht in eine
neue aktive Form überführen.
Seitdem wir den Vorgang der Schleimbildung unter Bakterio-
phagenwirkung näher verfolgten, konnten wir auch beim laufenden
Untersuchungsmaterial unserer Stationen solche Erscheinungen speziell
bei B. coli häufiger beobachten. Die Annahme, daß es sich dabei meist
um Bakteriophagenwirkung handelt, lag nach den aus der Literatur
beschriebenen Versuchen über Schleimbildung und den oben geschilderten
Beobachtungen nach Bakteriophägentherapie nahe.
Nach den bis jetzt aus unserem Material vorliegenden Beobach-
tungen an schleimbildenden Coli-Stämmen, die aus Urin, Stuhl und
Peritonealexsudat gezüchtet wurden, läßt sich folgendes kurz zusammen-
gefaßt sagen.
Meist ist zu Beginn eine Verzögerung im Wachstum zu beobachten.
Erst nach 48 Std. treten ganz unregelmäßige, glasig bis schleimige
Kolonien auf. Im mikroskopischen Bild sieht man gramnegative unbe-
wegliche plumpe Stäbchen und Fäden. Auf die verschiedenen Nähr-
böden überimpft treten die für B. coli typischen Eigenschaften inkl.
Gasbildung erst nach 2—3 Tagen ein. In anderen Fällen ist 18—24 Std.
nach direkter Ueberimpfung aus dem zu untersuchenden Material stark
schleimiges Wachstum in Form runder hochgewölbter Kolonien zu
sehen. Das Auftreten der für Coli bekannten Eigenschaften erfolgt
unregelmäßig: Gasbildung kann schon nach 18 Std. vorhanden sein,
währenddem die Farbenveränderungen auf den entsprechenden Nähr-
böden erst nach 2—3 Tagen erfolgen. Was das Wachstum in Bouillon
anbetrifft, sieht man oft bei sonst klarer Bouillon einen flockigen
Bodensatz. Handelt es sich um Milch- oder Traubenzuckerbouillon, so
erfolgt Gasbildung erst am zweiten oder dritten Tag und zwar beim
Schütteln vom Bodensatz her.
Wurden diese schleimbildenden Stämme durch einige Generationen
weiter verfolgt, so trat früher oder später der Rückschlag zur Norm
wieder ein, allerdings gibt es Fälle, wo die Schleimbildung hartnäckig
anhält.
Daß ein Zusammenhang von Bakteriophagenwirkung mit Schleim-
bildung bei diesen natürlich vorkommenden schleimbildenden Coli-
Stämmen vorhanden war, zeigte sich durch die anfängliche Wachs-
een; und das Auftreten typisch angefressener unregelmäßiger
Kolonien (Flatterformen). Unter den frisch isolierten unter Bakterio-
phagenwirkung stehenden Coli-Stämmen fand sich ein Stamm, der
1) ete exp. Med. Vol. 43. 1926. p. 71.
Dimtza, Veränderungen von Coli-Stämmen durch Bakteriophagenwirkung. 177
nach zahlreichen Ueberimpfungen, die stets scharf begrenzte schleimige
Kolonien lieferten, vor der Rückkehr zur normalen Kultur wieder ange-
fressene Kolonien und taches vierges bildeten, wohl ein Beweis mehr
für die Ansicht, daß der Bakteriophage in den schleimenden Kulturen
vorhanden ist und durch noch unbekannte Faktoren wieder aktiviert
werden kann.
Wir glauben, daß dieses Phänomen der Schleimbildung in Zukunft
bei der Diagnose von B. coli in Betracht gezogen werden muß, sind
doch zweifellos eine Anzahl der in der Literatur bekannt gegebenen
atypischen Colistämme (vielleicht auch Coli mutabile?) auf Bak-
teriophagenwirkungund Abwehrreaktion zurückzuführen, wenn auch
die Schleimbildung an sich nicht nur auf Anwesenheit eines Bakterio-
phagen schließen läßt. Heim!) erwähnt in seinem Lehrbuch derartige
Veränderungen des Bakterienwachstums, hervorgerufen unter dem Ein-
fluß von Salzen oder „eigenen Stoffwechselprodukten“. Wir selbst.
konnten mit Lugolscher Lösung bei einem Coli-Stamm Schleim-
bildung hervorrufen. Allerdings tritt in diesen Fällen die Rückkehr zur
Norm sehr früh wieder ein. In diesem Sinn können die im Laboratorium
zu beobachtenden Abweichungen von der Norm als Modifikation be-
zeichnet werden, hervorgerufen durch eigene Stoffwechselprodukte,
Bakteriophagen, vielleicht auch durch anderweitige therapeutische Maß-
nahmen, z. B. Jodkali usw.
Ueber die Aussichten der Bakteriophagentherapie können wir uns
noch nicht aussprechen. Die Zahl der bisher behandelten Fälle ist noch
zu gering. Wenn das in unseren beiden Fällen erreichte Resultat
auch keine bakteriologische Heilung darstellt, so ermuntert doch der als
weitgehende Besserung bzw. Heilung zu bezeichnende klinische Be-
fund nach dem Versagen jeglicher früheren Therapie zu weiteren Ver-
suchen. Es ist doch auffallend, daß die 11/, Monate nach Aussetzen der
Bakteriophagenbehandlung gezüchteten Coli-Bakterien ihre Schleim-
bildung beibehalten haben. Wir glauben, sie auf die Anwesenheit von
Spuren von Bakteriophagen zurückführen zu müssen, wenn es zu (diesem
Zeitpunkt auch nicht gelang, ihn aus dem Urin zu gewinnen.
Die Frage, ob sich der Bakteriophage nur an der Bakterienzelle
halten kann, oder ob unter gewissen Umständen hierfür auch Gewebs-
zellen in Betracht kommen können, steht weiterhin zur Diskussion. Die
Tatsache, daß die Bakterien, welche ihre veränderten Eigenschaften
im Organismus, also „in vivo“ erlangt haben, dieselben viel hart-
näckiger beibehalten als diejenigen Bakterien, die in „vitro“ dem Bak-
teriophagen ausgesetzt wurden, scheint doch dafür zu sprechen, daß hier
ein noch unbekannter Faktor vorliegt.
Was die Bakteriophagentherapie anbelangt, so rechtfertigen die
herabgesetzten Lebensprozesse der Bakterien vielleicht doch die An-
nahme, daß sie im Zustand der Schleimbildung auch für den Organismus
weniger aggressiv sind, was durch das starke Zurücktreten der Ent-
zündungserscheinungen trotz der nicht erreichten Sterilität zum Aus-
druck käme.
1) Lehrb. d. Bakt. 5. Aufl. 1918.
Erste Abt. Orig. Bd. 101. Heft 4/5. 12
178 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
Nachdruck verboten.
Zum Nachweis des Bacterium coli commune als
Fäkalindikator im Wasser.
[Aus dem Hygiene-Institut der Technischen Hochschule Zürich.]
Von Dr. Oskar Acklin. .
Mit 1 Abbildung im Text.
Zum Nachweis des Bacterium coli als Fäkalindikator im Wasser
verwendeten Salus und Hirn!) eine Pepton-Pankreatinverdauungs-
brühe mit 1 Proz. Glukose. Horowitz-Wlassowa?), verwendet
anstelle der Glukose Laktose und betrachtet das Bacterium coli
in denjenigen Proben als nachgewiesen, wo gleichzeitig Gas und Indol
gebildet werden.
Bei unseren ausgedehnten Untersuchungen von Trinkwasser bzw.
Seewasser zu Trinkzwecken haben wir diese Methode in der Modifikation
von Horowitz angewendet. Wir mußten aber daran etwelche Ab-
änderungen treffen, welche uns erlaubten, die Methode wirklich mit
Erfolg anzuwenden.
Die Colinachweismethode genügte unseren Anforderungen in fol-
genden Punkten nicht:
1) Bei Serienuntersuchungen wurde die Herstellung der Pankreatin-
verdauungsbrühe als umständlich und zeitraubend empfunden. — 2) Die
Pufferung mit Kreide war ungenügend. Die Indolbildung konnte in
Kontrollversuchen mit Reinkulturen von Bact. coli, sowie in den
Wasserproben, infolge saurer Reaktion der Nährlösung, nicht oder nur
selten festgestellt werden. — 3) Der Nachweis des Indols mit dem
Ehrlich-Böhmeschen Reagens war sehr unsicher wegen der starken
Eigenfarbe der Nährlösung, und die Gasbildung entging häufig der
Beobachtung, indem das Gas nicht manifest gemacht werden konnte.
— 4) Es konnnten nur relativ kleine Wassermengen in die Nährlösung
verimpft werden. Wir benötigen aber hierzu solche bis zu 30 und mehr
Kubikzentimetern. — 5) Größere Mengen gebrauchsfertiger Nährlösung
versuchsbereit zu halten, wurde als umständlich und schwierig emp-
funden.
Im folgenden beschreiben wir kurz unsere Modifikation der ge-
nannten Methode zur Bestimmung des Colititers im Wasser.
1. Die Nährlösung.
Die Nährlösung besteht aus einer gewöhnlichen Laktose-Nähr-
bouillon mit geringem Zuckergehalt. Die Bouillon enthält aber die
10fachen Mengen ihrer normalen Bestandteile, so daß pro L. 10 g
Pepton, 10 g „Liebig“-Fleischextrakt, 5 g Laktose und 5 g Kochsalz
vorhanden sind. Dieser 10fach konzentrierten Laktosebouillon wird
soviel 2n-Sodalösung zugesetzt, daß die Normalbouillon einen px-Wert
: 1) Salus u. Hirn, Zur Wasserbeguti whtung und zur Colibiologie.
(Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 90. 1923. S. 286).
2) Horo witz-Wlassowa, Eine vereinfachte Methode der Bestimmung des
Colititers eines Wassers (Arch. f. Hyg. Bd. 96. 1925. S. 262).
Acklin, Nachweis des Bact. coli comm. als Fäkalindikator im Wasser. 179
von 7,2—7,4 aufweist. Zur Aufbewahrung wird eine solche
Bouillon — sie muß kalt klar filtrieren — zu 100,0 ccm in entsprechende
Kélbchen mit Watte und Stanniolverschluß gegeben und während
10 Min. bei 110° sterilisiert.
Zum Gebrauch als Nährlösung werden in 100 ccm Bouillon
15—20 g Na?HPO* (Natriumphosphat nach Sörensen zu Enzym-
studien) unter kurzem Aufkochen im Wasserbad aufgelöst!). Bringt
man jetzt diese Nährlösung auf die Konzentration einer gewöhnlichen
Bouillon, z. B. indem man 5 ccm davon mit 45 ccm Wasser vermischt,
ergibt sich eine leicht gelblich gefärbte Flüssigkeit vom px-Wert
8,0—8,2?) Dies ist im Prinzip unsere Phosphat-Nährlösung. Die
weitere Aufgabe war es nun, nath diesem Prinzip, aber unter Ver-
wendung des auf Coli zu untersuchenden Wassers zweckmäßig eine
aseptische Nährlösung (Gärsystem) herzustellen.
Da wir gleichzeitig darauf bedacht waren, Gasbildung dauernd
kenntlich zu machen, stellen wir uns die Phos-
phat-Nährlösung direkt in besonderen, einfachen
Gärkölbchen her.
2. Die Gärkölbchen.
In weithalsige Jenaer Erlenmeyer-Steh-
kölbchen von 50 ccm Inhalt wird eine Glashaube
als Gasfänger gegeben und unter Watteverschluß
bei 160—170° ca. 1!/, Std. bei trockener Hitze
sterilisiert. Die Gasfänger sind Glashauben von
nebenstehender Form und Größenverhältnissen.
Die Dimensionen richten sich nach denjenigen
des Halses des Erlenmeyer-Kölbchens. Der
untere Durchmesser der Haube ist vorteilhaft nicht
geringer als 2cm. Die Höhe bis zur Kuppe ge-
messen, sollte, um ein Umkippen der als Schwim-
mer funktionierenden Haube zu verhindern, nicht
weniger als 3 cm betragen. Die Kuppe selbst Fig. 1.
soll eher spitz als flach sein. Die offene Seite
der Haube muß rechtwinklig und glatt abgeschnittene Ränder aufweisen
(um ein Umkippen in der Nährlösung zu verhindern).
3. Die Herstellung der Gärsysteme.
Zur Herstellung der Gärsysteme mit dem auf Bact. coli zu
prüfenden Wasser werden aseptisch je 5 ccm der frisch bereiteten, kon-
zentrierten Phosphatnährlösung und 5—20 ccm) steriles Wasser in
die sterilen Gärkölbehen abpipettiert. Da das zugesetzte Phosphat
nicht steril ist, werden die Gärkölbchen nochmals bei 110° für
5 Min. in den Autoklav gegeben, worauf sie für die Aufnahme des zu
untersuchenden Wassers bereit sind. Um in allen Systemen dieselben
1) Diese übersättigte Lösung muß, um Ausscheidungen in der Kälte zu
verhindern, bis zu ihrer Verdünnung im Wasserbad gehalten werden.
2) Obere optimale Wachstumsgrenze für Bact. coli. Š
3) Die Anzahl ccm dieses Wassers richtet sich danach, ob mehr als 20 ccm
Wasser in einem Kölbchen geprüft werden sollen. 40 ccm Wasser können maximal
verimpft werden, wenn man darauf achtet, daß unter Berücksichtigung der nach-
folgenden kurzen Sterilisation die 5 cem der ursprünglichen konzentrierten Phosphat-
nährlösung mindestens um das Doppelte verdünnt werden muß. Mehr als 30 cem
dürfen dabei wegen des Schäumens Keim Sterilisieren nicht verwendet werden.
12*
180 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
Konzentrationsverhältnisse, besonders bezüglich der pu-Werte zu haben,
werden die einzelnen Gärsysteme aseptisch mit sterilem Wasser genau
auf 50 ccm ergänzt.
Angenommen wir benötigen eine Serie von Gärsystemen, in welchen
40,0, 30,0, 20,0, 10,0, 5,0, 1,0 und 0,1 ccm Wasser geprüft werden
sollen, so stellen wir uns die Proben nach folgendem Schema hert):
Kubikzentimeter,Coli- Wasser‘: | 40,0 | 30,0 | 20,0 | 100 | 50 | 10 | 0,
Kubikzentimeter Phosphat-Lak-
tosebouillon : 5,0 5,0 5,0 5,0 5,0 5,0 5.0
Kubikzentimeter steriles Wasser
(vor Sterilisation): 5,0 | 15,0 | 20,0 | 20,0 | 20,0 | 20,0 20,0
bei 110° 5 Min. sterilisiert
Kubikzentimeter steriles Wasser
zur Ergänzung (aseptisch!): | _ | _ 5,0 | 15,0 | 20,0 | 24,0 | 24,0?)
Die so angesetzten Kulturen werden mit hakenförmig gebogenem
ausgeglühtem, abgekühltem Platindraht so durchmischt, daß man mit
dem Platinhaken die Glasschwimmer faßt, sie einigemale auf der Seite
liegend um sich selbst dreht, bis eine genügende Durchmischung der be-
impften Kulturflüssigkeit eingetreten ist. Man beginnt hierfür bei der
Probe mit der geringsten Trinkwasserkonzentration und geht sukzessive
zu den höheren Konzentrationen über, ohne den Draht inzwischen aus-
zuglühen. Nach erfolgter Durchmischung stellt man den Glasschwimmer
mit dem Platinhaken aufrecht.
4. Die Feststellung des Titers.
Die so vorbereiteten Kulturen werden bei 370 bebrütet. Zwischen
18—24 Std. werden sie auf Wachstum, Gas- und Indolbildung kon-
trolliert. Das Wachstum wird entweder an einer allgemeinen Trübung
oder an einer Kahmhaut erkannt. Die Gasbildung ist nicht nur am
Gas, das sich in der Kuppe des Schwimmers bildet, erkenntlich, sondern
meistens auch am Kohlendioxyd, das bei Erschütterung des Kölbchens
aus der Nährlösung herausperlt. Die Indolbildung wird mit dem
Reagens nach Ehrlich-Böhme wie folgt nachgewiesen. Nach 18 bis
24stiind. Bebrütung, auf jeden Fall aber, wenn deutliches Bakterien-
wachstum vorhanden ist, werden 5 cem Kulturflüssigkeit in Reagenz-
gläser abpipettiert und 2,5 ccm des Ehrlichschen Reagens I 3) so
zufließen gelassen, daß keine Vermischung eintritt (Ringreaktion). Ist
Indol vorhanden, so tritt sofort oder spätestens nach 5—15 Min. ein
mehr oder weniger scharf begrenzter roter Ring (Ringzone) auf 4).
Wir führen nun noch einige typische Beispiele von unsern Be-
funden mit vorstehender Methode an. Sie sollen vor allem als Re-
1) Es ist zu Vergleichszwecken und als Kontrolle empfehlenswert, jeder Serie
eine „blinde Probe“ beizugeben. Es ist dies eine mit sterilem Wasser normal ver-
diinnte, also sterile, Nährlösung, die mit Bact. coli-Reinkultur beimpft wird.
2) Wassermengen von weniger als 1,0 ccm werden nicht als solche, sondern
immer, in entsprechenden Verdünnungen mit sterilem Wasser in einem Volumen von
1,0 cem verimpft.
3) p-Dimethylamidobenzaldehyd in salzsaurer, alkoholischer Lösung.
4) Wir haben festgestellt, daß bei Wachstum von Bact. coli in unserer Nähr-
brühe diese immer genügend Stoffe enthält, welche die Oxydation der Leukobase
zu dem Rosindol besorgt. (Bei sterilen oder coli- freien Kulturen beobachteten wir
diese Erscheinungen nicht.) Wir verwenden daher die KsS;O;-Lösung nicht mehr.
Acklin, Nachweis des Bact. coli comm. als Fäkalindikator im Wasser. 181
gistrierschema dienen; dann dürften sie aber gleichzeitig zeigen, daß
unsere Nährlösung eine vorteilhafte selektive Wirkung auf das Wachs-
tum des Bact. coli ausübt. Wir geben deshalb zu jedem Coli-Be-
fund die Keimzahl des betreffenden Wassers, auf Nährgelatine pu =
7,4 erhalten, an.
Beispiel I (KZ= 180)
nach < 24 Std. nach > 24 Std.
Kobikzontimetar Wasser Wachstum Gas Indol Wachstum Gas Indo
1,0 = _ = +’) = =
5,0 es iFa = + = +
10,0 + + +
20,0 + + +
30,0 + + +
Coli-Titer = 10,0.
Beispiel Il (KZ = 250)
0,1 — — — — — —
1,0 =7 = = + = +
5,0 gy = a” *) + +
10,0 + + +
20,0 + + +
30,0 + + +
Coli-Titer = 10,0.
Beispiel III (KZ = 650)
0,1 — — — — — —
1,0 — — — — — _
5,0 — — — *) _ —
10.0 = 3; = *) = =
20,0 — 2s rer *) = =
30,0 + = <= +*) = foe
Coli-Titer > 30,0.
+ = allgemeine bakterielle Trübung, Gas- und Indolbildung,
— = kein Bakterienwachstum, keine Gas- und Indolbildung,
KZ= Keimzahl, *) = Kahmhaut.
Wir sehen aus den angeführten Beispielen:
1) Die nach weniger als 24 Std. gemachten Beobachtungen ver-
ändern sich nirgends dahin, daß nach mehr als 24 Std. der Coli-
Befund ein anderer wäre. — 2) Aus Beispiel II geht hervor, daß zur
endgültigen Feststellung des Coli-Titers vorteilhaft der Befund trotz-
dem nach mehr als 24 Std. berücksichtigt wird, indem eine positive
Gas- und Indolbildung nur dann für Bact. coli verantwortlich gemacht
werden kann, wenn dessen spezifische Wachstumserscheinungen eben-
falls deutlich vorhanden sind. — 3) Bei Gegenüberstellung der Keim-
zahl mit den entsprechenden Beobachtungen unter „Wachstum“ sehen
wir hier die deutliche Hemmung der Nicht-Coli-.Bakterien gegen-
über den in Wirklichkeit auf der Nährgelatine angegangenen.
In der beschriebenen Ausführung glauben wir, eine Coli-Nach-
weismethode für Wasser angegeben zu haben, die gegenüber den bis-
herigen einige namhafte Vorteile besitzen dürfte und dabei das Bact.
coli trotzdem mit einer für praktisch-biologische Vergleichszwecke
genügenden Sicherheit rasch erfaßt.
182 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
Nachdruck verboten.
Le Mycobacterium aquae Galli- Valerio et son action
pathogène.
[Institut d'Hygiène et de Parasitologie de l’Université de Lausanne. |
Par B. Galli-Valerio et M. Bornand.
Il y a 14 ans, on trouvait dans des robinets d’eau potable un
bacille acido-résistant morphologiquement analogue au bacille de
Koch, le M. aquae. Il pouvait être isolé en culture à des tem-
pératures de 20° et 37° sur milieu à l'œuf glycériné, d'abord en
culture mixte avec une Streptothrix, puis en culture tout à fait pure
(1, 2, 3).
Or l’etude de cette forme bactérienne, nous a paru fort intéressante
dans un moment où l’étude des parasites démontre de plus en plus qu’il
s’agit d’adaptations de formes saprophytes a la vie parasitaire dans l’or-
ganisme de l’homme et des animaux, et cela d’autant plus que c’est
justement dans le genre Mycobacterium que nous trouvons l’exemple
le plus typique d’un passage des formes saprophytes aux formes
extrêmement pathogènes. L’un de nous a publié a cet égard un
tableau généalogique probable de l’origine desM ycobacteriums patho-
genes (4).
Dans l’adaptation des formes saprophytes au parasitisme, deux
facteurs entrent en jeu: L’exaltation du pouvoir pathogene du sapro-
phyte sous l’influence des causes les plus variées, et l’affaiblissement
de la resistance individuelle de l’organisme dans lequel un saprphyte
a pénétré. Voir quel est le mode d’agir de ces deux facteurs au
point de vue de l’action pathogene du M. aquae, est le but que
nous nous sommes proposés.
De nombreux travaux bien connus ont paru sur l’action pathogene
de bacilles acido-résistants du milieu extérieur, du lait etc., mais dans
tous, sauf dans un où il y a certainement eu infection accidentelle avec
M. tuberculosis, on n’a déterminé que des lésions relativement
légères et jamais on a constaté une réelle transformation de ces
germes en Bacille de Koch.
Un bacille d'un type si saprophyte que M. aquae et en même
temps si rapproché morphologiquement du M. tuberculosis, méri-
tait certainement d’être expérimenté au point de vue que nous venons
d'indiquer.
Le M. aquae se présente morphologiquement dans les robinets
sous la forme de bâtonets fins ou épais, droits ou légèrement courbés,
très souvent renflés en massue à une extrémité. Leurs dimensions
varient entre 2—3—4—6X0,3—0,4 u. Dans les cultures, il garde les
mêmes caractères, mais dans les cultures âgées les formes deviennent,
souvent plus longues, en courts filaments, souvent renflés en massue,
à fausses ramifications, les vraies étant très rares et exclusivement
dans les cultures très anciennes. Soit dans les robinets, soit dans les
cultures, il est très acido-résistant. Il résiste autant que de bacille de
Koch à la décoloration par l'acide nitrique au tiers et par l'alcool.
Les cultures réussissent d'emblée, après traitement par l’antiformine, sur
œuf glycériné, non seulement à 20° mais même à 370. Il peut alors
Galli- Valerio et Bornand, Le Mycobacterium aquae ete. 183
se repiquer dans tous les milieux glycérinés mais aussi sur les milieux
ordinaires, sur pomme de terre et carotte surtout; dans le bouillon,
il donne un depöt jaunätre au fond; il ne liquéfie pas la gélatine.
Cependant, sa croissance est beaucoup plus rapide dans les
milieux renfermant de la glycérine et du glycose et son développement
plus abondant. De méme les cultures faites & 37° croissent plus
rapidement quà la température ordinaire.
Les cultures sont jaunes, presque orangées, brillantes, mamelon-
nées, grasses se détachant assez facilement du milieu de culture.
Au point de vue de l’action pathogène de ce Bacille, un de nous (5)
avait échoué en inoculant une culture en symbiose avec une Streptothrix
à deux cobayes, un dans le péritoine et l’autre sous la peau de la
cuisse. Shin Maie (6) expérimentant avec des cultures pures de ce
même bacille sur les poissons rouges (Carassius aurats), notait que
l’inoculation dans la chambre antérieure de l'œil, dans le péritoind
et dans les muscles abouissait à la dissémination du bacille dans tout
l'organisme où il subissait une très forte bactériolyse extracellulaire.
Nous nous sommes proposés à nôtre tour de vérifier l’action pathogène
des cultures d’origine directe sur vertébrés à sang chaud, à sang
froid et sur des invertébrés, celle de cultures ayant passé sur l’animal
et l’action prédisposante de substances irritantes locales dans le dé-
veloppement de l'infection.
Voici un exposé de nos expériences.
lre Série: Cultures d'origine directe inoculées aux animaux
à sang chaud.
13. 2. 21. Inoculations avec une émulsion de culture sur carotte glycérinée
glycosée âgée de 10 jours à 370.
Bacilles présentant des formes longues, granulations fortement acido-résistantes,
nombreuses massues.
Rat blanc (No. 17). Un cm? sous la peau de la cuisse gauche’). Mort le
21. 5. 22. Fort amaigrissement. Au point d'inoculation abcès comme petit pois, à pus
jaunâtre, mou. Légère tuméfaction de la rate. Dans le pus, très nombreux M.aquae,
tous extracellulaires isolés ou en petits paquets, plutôt courts, trapus souvent en
massue. Point dans les organes.
ia cm? de ce pus est inoculé sous la peau de la cuisse du rat blanc
No. 14. Il meurt le 2. 7. 23. Amaigrissement et légère tuméfaction au point
inoculé. Point de M. aquae.)
Cobaye No. 15. Un cm? sous la peau de la cuisse gauche.
24. 12. 21. Abcès ouvert au point inoculé de la dimension d'une petite
noisette à pus épais jaunâtre. Beaucoup de M. aquae, plutôt longs, quelques uns
granuleux, en gros amas, simulant des amas de bacilles de la lèpre.
(Un cm? d'une émulsion de ce pus est inoculée sous la peau de la cuisse
gauche du cobaye No. 18. Le 29. 12 21. Petite tuméfaction élastique de la
dimension d'une noisette. Mort le 11. 7. 22. Amaigrissement, léger œdème pulmo-
naire, congestion du foie et des reins, Hyperémie des capsules surrénales et de
ae Petit ganglion comme grain de millet au point inoculé. Point de
M. aquae.)
Le cobare 15 présente le 29. 12. 21 induration comme noisette au point
inoculé. Mort le 19. 5. 22. Fort amaigrissement, point de lésions sauf hyperémie
de l'intestin et des capsules surrénales. Point de M. aquae.
Lapin (No. 16). Un cm? sous la peau de la cuisse gauche.
15, 2. 22. Tuméfaction comme noix au point inoculé.
Le 1. 5. 22 une incision de la tuméfaction donne un pus jaunätre mou, avec
de nombreux. M. aquae plutöt longs, en massue, Sxtracsllulaires, Ils présentent
souvent des espaces ARE et sont disposés par 2 ou 3.
(Une émulsion de ce pus est inoculde sous la peau de la cuisse gauche du
cobaye No. 13 (1. 7. 22). Il meurt paralysé. Amaigrissement. Au point: inoculé
1) Les inoculations sont toujours faites à la face interne de la cuisse.
184 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
infiltration hémorrhagique avec ganglion comme grain de millet. Légère tuméfaction
de la rate, hyperémie de l'intestin et des capsules surrénales. Point de M. aquae.)
Le 12. 3. 23, le lapin No. 16 qui s’est complétement rétabli, est inoculé
sous la peau de la cuisse droite avec 2cc d'une émulsion d'une culture âgée de
15 jours de tuberculose bovine (originaire du chat). Il meurt le 9. 6. 23 très
amaigri avec graves lésions de tuberculose généralisée.
Cobaye No. 14, avec 1 cm? dans l'abdomen. Mort le 13. 12. 21. Au point
inoculé petit escare et infiltration hémorragique. Exsudat hémorragique dans l’ab-
domen petites hémorragies des séreuses. Dégénérescence granulo-graisseuse du foie
et des reins. Rate tuméfiée, capsules surrénales hyperémies; poumons normaux.
Dans le péritoine très nombreux M. aquae isolés ou en petits amas la plus
rande partie granuleux. Par ci par là, gros amas de granulations. Très rares les
uns phagocytées. On a l'impression d'une lyse extracellulaire. On trouve aussi
des bacilles dans le foie, dans la bile, plus nombreux dans la rate, rares dans
les reins assez nombreux dans les capsules surrénales et dans les ganglions més-
entériques tuméfiés, peu nombreux dans les poumons, rares dans le sang. On
a l'impression d'une véritable septicémie.
2e Série: Culture d'origine directe stérilisée, inoculée aux
animaux à‘sang chaud.
30. 5. 22. Inoculation avec une émulsion de culture sur carotte glycérinée
lycosée d'origine directe à 37° chauffée une heure à 80°. Bacilles présentant des
ee longues, bien colorées avec de nombreuses granulations, formes en massue.
Cobaye No. 20. 2 cm? sous la peau de la cuisse gauche. Mort le 5.7.22.
Fort amaigrissement. Très forte infiltration hémorrhagique au point inoculé s’éten-
dant jusqu'à l'abdomen. Hyperémie de l'intestin, des reins et des capsules sur-
rénales. M. aquae en massue, plusieurs dans des phagocytes au point inoculé.
Cette expérience parle en faveur de l'action des endotoxines du M. aquae
dans la mort des animaux inoculés méme avec des cultures vivantes.
3e Série: Cultures de passage sur le Cobaye, inoculées aux ani-
maux à sang chaud.
1. 2. 22. a) Inoculation avec une culture sur carotte glycérinée glycosée à
a originaire du pus du cobaye No. 15 (13. 12. 21). Bacilles plutôt longs, bien
colorés.
Cobaye 14. 1 cm? sous la peau de la cuisse gauche.
By 2e Tumefaction comme noisette au point inocule.
15. 2. Très légère enflure. Mort le 20. 5. 22. Très fort amaigrissement. De-
générescence granulo-graisseuse du foie. Hyperémie de l'intestin et des capsules
surrénales. Point de M. aquae.
24. 10. 22. b) Idem. Culture de 15 jours. Bacilles plutöt minces et longs
quelques formes en massue, plusieurs à granulations.
Souris blanche No. 13. 1/ cm? sous la peau de la cuisse gauche
Morte le 1. 7. 23. Point de lésions sauf fort amaigrissement et un Cysticercus
fasciolaris dans le foie. Mais dans un frottis du poumon droit il y a un
petit amas de M. aquae en partie bien conservés et colorés, en partie réduits en
granulations. On a ici l'impression d'une légère lésion pulmonaire analogue à celles -
quo l'un de nous a déterminé dans des essais d'infection des rats et souris avec le
acille de Koch (7).
28. 11. 22. c) Idem. Culture de 5e repiquage âgée de 12 jours sur carotte
glycérinée glycosée. Bacilles plutôt longs presque tous en massue, uniformément
colorés. Rares les formes en granulations.
Cobaye No. 27. 1 cm? sous la peau de la cuisse gauche.
14. 12. Fortement amaigri avec infiltration au point inoculé. Mort le 17. 12.
Fort amaigrissement. Au point inoculé gros abcès à pus caséeux infiltré dans les
muscles. Hémorragies souscutanées. Aucune autre lésion sauf forte hyperémie des
capsules surrénales. Dans l'abcès nombreux M. aquae, la plus grande partie
courts et uniformement colorés. Plusieurs sont granuleux et il y a par ci par IA
des amas de granulations. Ressemblent tout A fait & des bacilles de Koch Point
de phagocytés point de ces formes dans les organes.
(Avec une émulsion de ce pus inoculé sous la peau de la cuisse gauche le
cobaye No. 25. Mort le 9. 6. 23. Amaigrissement. Point de lésions locales. Dégéné-
rescence granulo-graisseuse du foie et des reins. Hyperémie des capsules surrénales.
Point de M. aquae.)
Cobaye No. 27a. 1 cm? dans la cavité thoracique gauche. Mort le 16. 12.
Fort amaigrissement. Trés forte hyperémie de la plövre avec exsudat sérosanguino-
Galli- Valerio et Bornand, Le Mycobacterium aquae ete. 185
lent.° Hyperémie des reins et des capsules surrénales. Rares M. aquae, plutôt
longs, granuleux, extracellulaires au niveau du point inoculé. Point dans la plévre ni
dans les organes.
10. 1. 23. Idem. Culture de 6° repiquage âgée de 3 semaines. Bacilles
plutôt longs et en filaments uniformément colorés.
Cobaye 27b; 2 cm? sous la peau de la cuisse gauche.
17. 1. Légére tuméfaction au point inoculé. Mort le 4. 6. 23. Point de
lesion locale; poumons normaux. Dégénérescence granulo-graisseuse du foie; Hyper-
émie des capsules surrénales. Point de M. aquae.
Cobaye 27c. Un cm? dans la plèvre droite. Mort le 4. 6. 23. Amaigris-
sement. Forte adhérence entre le point inoculé, la plévre pulmonaire et le péricarde.
Legere hyperémie des poumons. Foie et rein gauche en dégénérescence granulo-
zalecane, Hyperémie des capsules surrénales et de l'intestin grèle. Point de
M. aquae.
obaye 27d. Un cm? dans l'hémisphère cérébral gauche.
Mort le 11. 4. 23. Légère hyperémie du cerveau. Foie en dégénérescence
gibier. Hyperémie des capsules surrénales et de l'intestin. Point de
. aquae.
15. 5. 23. e) Idem. Culture de 13 jours sur pomme de terre glycerinée gly-
cosée. Bacilles en massues uniformément colorés quelques uns granuleux.
Cobaye 22. Quelques gouttes d'émulsion dans le sac conjonctival gauche en
frottant légèrement.
Mort le 25. 6. 23. Amaigrissement. Dégénérescence granulo-graisseuse du foie.
Hyperémie des et surrénales. Point de M. aquae.
3. 10. 24. f) Idem. Culture de 13 jours sur pomme de terre. Bacilles plutöt
longs uniformément colorés, plusieurs en massue. Formes courtes rares.
Lapin No. 18. Un cm? dans la veine marginale de l'oreille gauche. Tué le
23. 10. Au point inoculé érosion avec une petite goutte de pus; aucune autre
lésion sauf un ganglion assez gros dans le mésentère. M. aquae dans le pus de
l'oreille, rares plusieurs en involutiones amas de granulations restes de lyse, point
dans les organes.
Lapin 17. Idem. Mort le 28. 11. 24. Au point inoculé tuméfaction élastique
comme petite noisette. Incisée, met en liberté un matériel caséeux jaunätre à
M. aquae en grande partie bien conservés d'autres en granulations, tous extra-
cellulaires. Légère tuméfaction de la rate et hyperémie des capsules surrénales.
Point de M. aquae dans les organes.
(Avec le pus de l'oreille de ce lapin inoculé sous la peau de la cuisse gauche
le Cobaye 13. Ee cobaye présente un nodule comme un pois au point inoculé, nodule
qui s'ouvre et se vide le 7. 1. 25. Mort le 30. 1. 25. L’animal ne présente qu'hyper-
émie des capsules surrénales. Point de M. aquae.)
Rat blanc et noir No. 13a. Idem. Devient agressif, puis présente para-
5. 10. .Petite hémorragie dans l'hémisphère cérébral gauche. Légère tuméfaction
de la rate. M. aquae nombreux dans les deux hémisphères; isolés, par 2, en
pas amas très bien conservés mais en bonne partie granuleux en lyse. Idem dans
e cervelet. Très rares et granuleux dans la rate.
Rat blanc et noir No. 13a. Idem. Devient agressif, puis présente para-
lysie du train postérieur et meurt le 12. 11. 24. Hyperémie du cerveau et des
capsules surrénales. M. aquae assez bien conservés et granuleux dans l'hémisphère
cérébral gauche rares dans le droit point dans le reste Jò système nerveux central;
Ils sont moins nombreux que chez le rat No. 13.
(Avec une émulsion du cerveau de ce rat, inoculé dans le cerveau le rat blano
No. 11, et dans l'abdomen 2 cm? le rat noir 11a.)
Le rat blane No. 11 est trouvé mort le matin du 26. 4. 25. Il présente de
la gale à S. alepis aux oreilles et #u nez; beaucoup de Trichomonas muris
dans l'intestin.
Point de lésions et seulement quelques M. aquae granuleux à contours irré-
guliers dans l'hémisphère cérébral gauche.
Le rat noir est trouvé mort le matin du 14. 5. 25. Il présente une forte
infection à S. alepis et des lésions pulmonaires à Corynebact. muris. Seulement
dans le péritoine on trouve par ci par là de petits amas de M. aquae très courts
et en massue ressemblant à de petites touffes d'Actinomyces. A côté de ces
amas, il y a des granulations indiquant une lyse).
Cobaye No. 16. Un cm? d’@mulsion de la culture plus 1 cm? d'une sus-
pension stérile de pierre ponce (5 g dans 10 cm? sol. physiologique) sous la peau
de la cuisse gauche.
Le 14. 10. Au point inoculé tuméfaction comme petite noisette. Mort le
186 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
31. 10. 24. Amaigrissement. Tuméfaction au point inoculé avec un gros »foyer
caséeux qui pénètre dans les muscles, remplie d'un pus jaunâtre avec beaucoup de
M. aquae à espaces clairs. Plusieurs sont très longs en massue; point de granu-
lations ni de formes phagocytées. Oedème et hyperémie pulmonaire, hyperémie de
l'intestin et des capsules surrénales. Dans aucun organe il y a des M. aquae.
(Avec une émulsion de ce pus, inoculé 1 cm? sous la peau de la cuisse gauche
du cobaye No. 18.
Le 8. 11. Au point inoculé nodule comme Ae pois. Mort le 28. 1. 25.
Fort amaigrissement. Petit ganglion au point inoculé et hyperémie du conjonctif
souscutané. Un peu d’@demie pulmonaire, hyperémie des capsules surrénales.
Point de M. aquae.)
5. 11. 24. f) Idem culture de 15 jours sur carotte glycérinée glycosée.
Bacilles longs, bien colorés, plusieurs avec granulations, massues.
Deux rats blancs et noirs No. 10 avec quelques gouttes d'émulsion
dans l'hémisphère cérébral gauche.
Un meurt le 6. 11. Légère hyperémie du cerveau avec beaucoup de M.
aquae très longs et granuleux dans l'hémisphère gauche, rares dans le droit, le
cervelet et la moelle Akon ée. Hyperémie des capsules surrénales. Point de M.
aquae dans les organes. T 2e rat meurt le 7. 11. et présente des lésions identi-
ues.
u 10. 11. 24. Idem. Culture âgée de 17 jours sur carotte, bacilles longs, bien
colorés.
Deux rats blancs No. 10a, avec quelques gouttes d’&mulsion dans 1l’hömi-
sphére cérébral gauche. Un meurt le 12. 11. Hyperémie du cerveau. M. aquae
ans l'hémisphère gauche, rare dans le droit, granuleux. Point d'autres lésions.
L'autre est trouvé mort le matin du 6. 4. 25 par une infection de gale à Sar-
copter alepis. A l'autopsie, il ne présente aucune lésion et absence complète de
M. aquae.
apin No. 14. Quelques gouttes d’@mulsion dans la chambre antérieure de
Pæil gauche. Les jours suivants, l'œil devient trouble. Mort le 8. 1. 25. Très
amaigri. Oeil gauche très trouble à taches blanchâtres sur le cristallin. Point de
lésions de l'autre œil ni des différents organes sauf dégénérescence granulo-graisseuse
des reins. L'œil gauche présente une véritable fonte caséeuse englobant le cristallin
avec de très nombreux M. aquae en amas ou isolés très bien colorés. Il n'y en a
point dans le reste de l'organisme.
(Avec 1 cm? d’émulsion du matériel caséeux de l'œil de ce lapin, inoculé
sous la peau de la cuisse gauche le lapin No. 26 1/, cm? sous la peau de la cuisse
gauche a cobaye No. 25. Le lapin présente à partir du 15. 1. forte tuméfaction
de la cuisse qui s'ouvre le 24. 1. donnant un pus verdâtre dans lequel il ny a
point de M. aquae.
Il reste après une infiltration dure, comme une noisette et à la région ingui-
nale une nodosité comme une noix qui persiste encore en février, puis peu à peu
se résorbe et disparaît complètement le 20 mars 1925. Le lapin meurt le 14. 12. 25
d'une septicémie à staphylocoques. Ni lésions, ni M. aquae.
cobaye meurt le 30. 1. 25. Petite ulcération au point inoculé avec in-
filtration hémorragique remontant jusqu'au sternum. Point d'autres lésions, point
de M. aquae, ni d'autres bactéries).
Cobaye No. 16 avec 1cm? d'émulsion de culture plus 1cm3 de sus-
pension de pierre ponce sous la peau de la cuisse gauche.
Mort le 2. 2. 25. Légére hyperémie au point inoculé et forte hyperémie des
capsules surrénales. Point de M. aquae. ;
16. 12. 25. Idem. Culture de 23 jours sur pomme de terre glycérinée gly-
cosee. Bacilles trapus plusieurs en massue, uniformément colorés avec quelques formes
longues et granuleuses. e 2
Un coq. 2 cm? dans la cavité générale du corps. Mort le 26. 5. 26. Amai-
grissement énorme. L'animal n'est plus qu'un squelette. Aucune lésion visible sauf
atrophie de la rate réduite à la dimension d'un pois. Point de M. aquae. On a
l'impression que l'animal a succombé aux produits toxiques de M. aquae.
25. 1. 26. Idem. Culture de 11 jours sur pomme de terre glycérinée glycosée.
Bacilles plutôt longs, minces, plusieurs en massue, plusieurs granuleux. Un pigeon.
1 cm? dans la cavité générale du corps. Il vit encore. Un pigeon 1 cm? dans. la
trachée. Il vit encore.
Deux Vesperugo noctula en hibernation; un demi cm? dans l'abdomen.
Trouvé morts le 26. 2. 26 ainsi que d'autres non inoculées. Dans le péritoine on
trouve de très nombreux M. aquae bien colorés, plutôt longs en gros paquets avec
quelques formes granuleuses tous extracellulaires. Ces mêmes bacilles, moins nom-
Galli-Valerio et Bornand, Le Mycobacterium aquae ete. 187
breux se rencontrent dans le foie, rate, reins et poumons. Dans les poumons il y a
plusieurs formes en lyse.
4e Série. Cultures d'origine directe inoculées aux poissons.
6. 9. 22. a) Inoculation avec une culture de 19 jours sur sérum de bœuf
Zee et glycosé & température ordinaire. Bacilles plutöt longs, granuleux. Point
e formes en massue.
Trois Leuciscus rutilus No. 4. Le plus gros, avec 2 cm, les deux autres
avec 1 cm? d’&mulsion dans la cavité générale du corps. Un des poissons meurt le
1. 6. 23. Point de lésions visibles, mais de très nombreux M. aquae dans le
zone le foie et les reins, rares dans le cerveau. Ils sont disposés en amas
normes simulant des masses de bacilles lépreux. Tous sont extracellulaires, plutôt
longs quelques-uns granuleux; dans le rein plus longs que dans le péritoine et dans
les autres organes.
Un deuxième L. rutilus est trouvé mort le 1. 10. 25. Dans la cavité abdo-
minale il y a de nombreux M. aquae uniformément colorés. Ils sout disposés en
amas formant des globi comme dans la lépre. Ils sont en massue, colorés, la plus
grande partie à fausses ramifications. Ces mêmes bacilles mais moins abondants se
rencontrent dans les reins, et plus rares dans le foie. Ils manquent dans le cerveau.
(Avec 1 cm? environ d'émulsion du contenu du péritoine de ce L. rutilus,
inoculé dans la cavité abdominale deux Tinca vulgaris No. 5; elles vivent
encore aujourd'hui.)
24. 10. 22. b) Idem avec une culture sur pomme de terre de 15 jours à
température ordinaire. Bacilles plutöt minces et longs, peu de formes en massue.
Sont granuleux.
Deux cm? d’&mulsion dans la cavité générale d'un Squalius cavedanus
et d'une Tinca vulgaris No. 4a. La Tinca vulgaris est morte le 3. 4. 23.
Depuis quelque temps elle était infectée d'une affection à hyphomycètes de la peau.
Point de lésions visibles sauf accumulation de liquide purulent sanguinolent dans la
cavité générale. Dans ce liquide il y a de très nombreux M. aquae en gros amas,
tous extracellulaires. Il y en a de courts filaments, beaucoup en grosses massues,
lusieurs à pseudoramifications. Sont plutôt granuleux, parfois comme des chaînettes.
es mêmes bacilles se trouvent en an formidable dans le foie où ils sont
plutot longs, à pseudoramifications et en massues, dans les reins ils sont plus
isséminés, dans le cerveau plus rares. Les coupes du foie démontrent une formi-
dable infiltration bactérienne sans tubercules. Toutes les formes sont extracellulaires
et les amas simulent tout à fait des globi, de la lèpre.
(Avec 1 cm? du liguide purulent de cette tanche, inoculé dans la cavité
générale du corps 2 Leticiscus rutilus No. 5. Un meurt le 6. 4. Dans la
cavité générale, Peansóup de M. aquae bien conservés, extracellulaires. Point dans
les organes. Le second meurt le 5. 5. Point de lésions. Dans la cavité générale,
pet ci par là quelques rares M. aquae isolés, plutôt longs, bien colorés extracellu-
aires. Point dans les organes.)
Le Sq. cavedanus meurt par infection à Costia necatrix le 1. 10. 25.
Point de lésions, point de M. aquae.
5e Série. Cyltures de passage sur les poissons inoculées aux
animaux à sang chaud et à sang froid.
18. 7. 23. a) Inoculation d'une culture originaire du Leuciscus rutilus
No. 4. Premier repiquage sur milieu à l'œuf à température ordinaire de 12 jours.
Bacilles surtout longs, minces et granuleux.
Lapin No. 25. Un cm? sous la peau de la cuisse droite. Mort le 17. 8. 24.
Point de lésions, point de M. aquae.
Cobaye No. 26. Un em sous la peau de la cuisse gauche. Mort le 15. 9.
Amaigrissement, petit uleöre au point inoculé. Hyperémie des capsules surrénales.
Point de M. aquae.
Quatre Squalius cavedanus No. 4c 1/ cm? dans la cavité générale du
corps. Un meurt le 19. 7. 23. Dans cavité générale très nombreux M. aquae
granuleux, en gros amas et amas de granulations.
Point de phagocytose. Un autre meurt le 12. 7. 24. Dans la cavité générale,
très rares M. aquae en granulations. Dans le foie, plusieurs bacilles longs finement
granuleux, isolés ou par 3 ou 4, moins fréquents dans les reins. Point dans les
autres organes. Un troisième meurt le 6. 11. 24. Il était envahi depuis quelque
temps par Costia necatrix. Très rares M. aquae en granulations dans le
foie. Le 4e Sq. cavedanus meurt le 1. 9. 25 envahir par Costia necatrix.
Point de lésions ni de M. aquae.
188 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
6. 5. 24. b) Idem culture sur œuf glycériné âgée de 20 joúrs à température
ordinaire. Bacilles longs minces ou en massues, à granulations, plutôt pâles.
Rana temporaria A) Un cm? d’émulsion dans le sac dorsal. Morte le
9. 5. Dans le sac dorsal beaucoup de M. aquae granuleux et complètement réduits
en granulations. Très rares les formes phagocytées. Dans les poumons, beaucoup de
bacilles granuleux, rares les formes en granulation complète. Dans le sang beaucoup
de bacilles granuleux. Dans le foie envahissement formidable de bacilles courts et
longs formant de véritables nids. Dans les cou du foie on trouve un véritable
feutrage de bacilles sans des formes typiques de tubercules. Tous ces bacilles se
colorent beaucoup mieux que ceux de la culture employée pour l'inoculation.
(Avec une émulsion du foie de cette grenouille inoculé dans le sac dorsal
(1/2) em? 5 Rana esculenta. Une meurt le 28. 6. 24. Ulcère gangréneux à la
face interne de la cuisse droite. Très rares M. aquae granuleux dans l'ulcère, le
foie et les reins. Une 2e meurt le 14. 7. 24. Très rares M. aquae granuleux à
formes involutives, dans le foie et la cavité générale du corps. Les deux autres
meurent le 26.7. et le 30.9. sans lésions et sans M. aquae.)
Rana esculenta. B) Un cm? dans le sac dorsal. Morte le 17. 5. 24. Dans
le sac dorsal nombreux M. aquae en amas, courts, bien colorés, en massue, et
rares formes longues granuleuses. Beaucoup d'amas de granulations. Point de phago-
cytose. Dans le foie bacilles en gros paquets. Les formes granuleuses y sont rares.
Dans les poumons, bacilles rares plutôt granuleux. Dans les reins rares formes
isolées granuleuses. Dans le cerveau assez nombreux et en petits amas. Dans le
sang et dans la cavité générale du corps il n'y a point de bacilles.
Cinq Rana esculenta. C) Un 'em? d'émulsion dans la cavité générale
du corps. Une meurt le 13.5. 24. Dans la cavité générale, exsudat puriforme
sanguinolent avec d'innombrables M. aquae en grande partie bien conservés, en
courtes massues fort bien colorées, disposées en amas énormes comme des globi de la
lèpre. Par ci par là formes granuleuses et amas de granulations. Il y a de rares
hagocytes complètement bourrés de bacilles, qui ne laissent libre que le noyau.
ans le foie nombreux bacilles en amas moyens et isolés, plutôt granuleux. Poumons
et reins bacilles plus rares. Plus nombreux et en petite amas, dans le cerveau.
Dans le sang du cœur bacilles rares granuleux et en granulations. Dans les coupes
du foie nids bactériens disséminés dans le parenchyme.
Une 2 meurt le 18. 5. 24 Dans la cavité générale beaucoup de M.
aquae très granuleux non phagocytés. Dans le foie et reins innombrables bacilles
surtout en paquets. Dans les poumons, bacilles assez nombreux isolés ou en paquets.
Dans le cerveau beaucoup de bacilles isolés ou en paquets. Point dans les ovaires.
Dans le sang du cœur beaucoup de bacilles très granuleux. Dans les coupes du
foie, les amas de bacilles apparaissent déjà comme des taches rouges dans le paren-
chyme rappelant des coupes d'organes lépreux.
Une 3% grenouille meurt le 28. 7. 24. Très amaigrie. Dans la cavité générale,
rares M. aquae par 2 et 3 bien colorés peu granuleux. Dans les poumons très
rares bacilles longs granuleux. Dans la rate bacilles en petits amas assez nombreux
granuleux, presque en streptocoques. Mêmes caractères dans les reins mais plus
rares. Dans le foie paquets plus gros. Dans les testicules bacilles isolés bien colorés.
Partout les bacilles sont extracellulaires. Point de bacilles dans le cerveau, le sang et
le sac dorsal. Les coupes du foie montrent moins de bacilles que dans les cas
récédents. Les deux autres grenouilles meurent le 10. 10. 25 sans lésions et sans
M. aquae.
Le 2. 12. 25. b) Inoculation d'une culture originaire du Leuciscus rutilus
No. 4 mort le ler Octobre 1925, second passage sur pomme de terre glycérinée
glycosée de 15 jours. Bacilles courts, en massues, uniformément colorés.
Un pigeon. 1 cm? dans la cavité abdominale, le pigeon n'a présenté aucun
trouble et vit encore aujourd'hui.
Tinca vulgaris No. 3. 1/,; cm? dans la cavité générale du corps. Morte
le 3. 9. 26. Point de lésions visibles. Dans le péritoine, amas de M. aquae plutôt
courts, bien colorés, et quelques granulations. Ces mêmes bacilles se rencontrent
moins nombreux dans les reins et sont rares dans le foie. Ils manquent dans le
cerveau.
Tinca vulgaris No. 3. 3%/,cm° dans la cavité générale du corps. Morte
le 27. 4. 26. Point de lésions visibles. Dans le péritoine, M. aquae en amas, plutôt
courts et toujours avec granulations libres. Point de phagocytés. Mêmes formes
dans le foie et dans la rate. Dans les reins ils sont plus rares et réduits en bonne
partie en granulations. Point dans le cerveau.
Galli-Valerio et Bornand, Le Mycobacterium aquae ete. 189
6. Série. Cultures d’origine directe inoculées & des invertébrés.
15. 5. 23. a) Inoculation d'une culture sur carotte glycérinée glycosée à
température ordinaire âgée d'un mois. Bacilles plutôt longs, uniformément colorés.
Huit Arion rufus No. 2. 1/ cm? d'émulsion dans la cavité générale
du ST a
16. 5. Ouvert un Arion: Dans la cavité générale très nombreux M. aquae
libres très granuleux et réduits en granulation. Du certain nombre est englobé dans
des era be qui en sont complétement remplis et simulent de véritables cellules
lépseuses. Dans certaines cellules il n’y a que des granulations.
17. 5. Trouvé mort un 2e Arion. Dans la cavité générale il n'y a que des
M. aquae réduits en granulations.
Ones un 3e Arion: Dans la cavité générale innombrables M. aquae
granuleux ou réduits en granulations. Ils sont presque tous dans les phagocytes
qui en sont bourrés. Le fait que dans l'Arion mort spontanément, les masses de
granulations étaient extracellulaires, parle dans le sens que dans le 3e Arion les
phagocytes ont agi plutôt comme croque-morts englobant des bacilles déjà attaqués
par les humeurs.
23. 5. Trouvé mort un 4e Arion, dans la cavité générale très nombreux M.
aquae la plus grande partie en granulations, presque tous extracellulaires. Des
amas de bacilles se trouvent aussi dans le foie.
7. 6. Trouvé mort un 5e Arion. Dans la cavité générale, il n'y a plus que
de rares amas de granulations acido-résistantes surtout libres, quelques-unes dans
les phagocytes.
29. 6. Trouvé mort un 6e Arion. Dans la cavité générale très nombreux
M. aquae isolés ou en petits amas libres ou dans des phagocytes, uniformément
colorés. Les formes granuleuses ou réduites en granulations, libres ou phagocytées
sont très rares. Dans le foie il y a des amas énormes de bacilles les uns dans de
grosses cellules analogues aux cellules lépreuses, les autres libres. Ces amas sont
ormés par des bacilles courts, trapus uniformément colorés, en massue. Rares les
formes granuleuses.
29. 5. 23. b) Inoculation d'une culture sur œuf glycériné à température
ordinaire de 16 jours. Bacilles courts, uniformément colorés, en massue. Rares les
formes granuleuses.
Dix Melolontha vulgaris avec quelques gouttes d'émulsion dans la
cavité generale du corps.
31. 5. Ouvert une Melolontha: dans la cavité générale, très nombreux
. M. aquae en grande partie granuleux tous extracellulaires.
1. 6. Trouvées mortes 5 Melolontha: Dans la cavité générale de leur
corps innombrables M. aquae très granuleux ou réduits en amas de granulations,
tous extracellulaires sauf chez deux exemplaires où il y a des formes granuleuses
phagocytées.
2. 6. Trouvée morte une Melolontha. Dans la cavité générale trés nom-
breux M. aquae presque tous en granulations extracellulaires.
11. 6. Trouvée morte une Melolontha. M. aquae en grands amas trés.
bien conservés et amas de granulations. Tous extraceilulaires.
30. 6. Trouvées mortes deux Melolontha. Dans la cavité générale il n'y a
que de très rares granulations acido-résistantes, extracellulaires.
30. 6. 25. Inoculation d'une culture sur pomme de terre glycérinée glvcosée à
température ordinaire de 12 jours. Bacilles plutôt longs, uniformément colorés.
25 limaces (Limax maximus, L. caerulans, L. variegatus, Arion
rufus) avec 2/,, em? d’émulsion dans la cavité générale du corps.
3. 7. 25. Trouvés morts 5 L. maximus jeunes M. aquae en massues,
abondant, en amas dans la cavité générale et le foie. Point de formes phagycytées,
rares les formes en lyse.
4. 7. et 6. 7. Trouvées morts 3 L. maximus jeunes. Dans la cavité générale,
beaucoup de M. aquae courts, trapus, uniformément colorés disposés en amas
comme des bacilles lépreux. Dans un exemplaire ils sont aussi abondants dans le
foie; dans un autre moins abondants et dans le 3e très rares. Dans deux il y a
quelques rares formes phagocytées. Par ci par là rares granulations libres.
9. 7. et 10. 7. Trouvés morts 3 L. maximus jeunes. Dans un, rares M,
aquae granuleux dans le péritoine et amas de granulations dans le foie. Dans les
=, nahea point de bacilles, quelques granulations dans le foie et dans la cavité
générale.
13. 7. Trouvés morts 2 L. maximus. Dans l’un quelques M. aquae assez
bien colorés dans le péritoine et dans le foie; dans l'autre point de bacilles dans la
cavité générale, rares formes constitućes par 2 à3 grains dans le foie.
190 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
14. 7. Trouvés morts 2 L. caerulans. Dans l'un, il y a dans la cavité
énérale de rares bacilles granuleux. Dans l'autre on trouve les bacilles dans toutes
es phases de la lyse. Rares formes uniformément colorées isolées ou par 3 ou 4.
Très rares formes tout à fait granuleuses, amas de granulations. Dans le foie, il n'y
a que des formes re a et des amas de granulations. Dans une seule pré-
paration on trouve 2 à 3 bacilles dans des leucocytes.
15. 7. Trouvé mort un L. maximus. Dans la cavité générale beaucoup de
formes 2 à 3 fois plus longues que les formes normales, granuleuses, à granu-
lations faisant saillie sur les bords du bacille qui présente l'aspect d'un boudin. Tyts
rares les formes plus courtes très bien colorées. Par ci par là amas de 4 à 5
formes granuleuses. Dans le foie, il n'y a que de rares formes granuleuses.
20. 7. Trouvé mort un L. variegatus. Depuis quelques jours il bougeait
à peine. Dans la cavité générale, très nombreuses formes filamenteuses, 4 à 5 fois
plus longues que les formes ordinaires, granuleuses et sinueuses comme des strepto-
coques. Plusieurs sont disposées en paquets. Point de formes phagocytées. Dans le
foie, formes granuleuses assez nombreuses.
Trouvé mort un L. maximus, il présente les mêmes caractères.
Trouvé mort un L. maximus; dans la cavité générale: M. aquae rares,
lutôt courts granuleux et rares formes streptocociques. Plusieurs formes sont englo-
Pees ar des phagycytes qui contiennent parfois des amas de granulations. Dans le
foie il n'y a que de rares formes granuleuses.
21. 7. Trouvé mort un L. maximus. Dans la cavité générale, bacilles courts,
granuleux à formes streptocociques; plusieurs amas de granulations dans les phago-
cytes, dans le foie amas de granulations.
22. 7. Trouvés morts deux L. maximus. Chez un, dans la cavité générale
rares bacilles minces, longs, granuleux comme des streptocoques. Point de phago-
cytés. Dans le foie rares amas granuleux et quelques formes phagocytées. Chez
lautre les bacilles sont peu nombreux avec beaucoup de formes involutives.
23. 7. Trouvé morts un A. rufus et un L. maximus: Chez le premier
dans la cavité générale beaucoup de bacilles présentant des formes involutives et
rares formes granuleuses. Très rares phagocytés. Dans le foie rares formes granu-
euses.
Chez le deuxième, dans la cavité generale, formes moins granuleuses; point
de phagocytose. Dans le foie rares formes courtes et granuleuses.
7e Serie. Cultures d'origine directe stérilisées inoculées à des
invertébrés.
14. 7. 25. Inoculation d'une culture sur carotte glycérinée glycosée âgée de
14 jours à la température de la chambre. 4 anses dans 10 cm? de solution physio-
logique stérilisées 1 h à 800. Bacilles en amas courts bien colorés.
6 Limax maximus et Arion rufus avec 1/, cm? les gros, 1/, les petits,
dans la cavité générale du corps.
18. 7. Trouvé mort un L. maximus. Dans la cavité générale bacilles
courts bien colorés en amas ou isolés.
Point de lyse. Plusieurs formes phagocytées. Dans le foie, très rares paquets
de 3 à 4 bacilles bien colorés.
20. 7. Trouvé morts 3 L. maximus. Dans la cavité générale et dans le
foie bacilles nombreux bien colorés disposés en paquets. Plusieurs sont phagocytés.
22. 7. Trouvés morts deux A. rufus. Dans la cavité générale, très nombreux
bacilles bien colorés, en amas en grand nombre phagocytés. Tormes analogues mais
moins abondantes dans le foie.
Si nous jetons un coup d'œil sur cette série assez longue d’ex-
périences, nous pouvons faire les observations suivantes:
1) Les inoculations de cultures d'origine directe du M. aquae sur les
vertébrés à sang chaud (cobayes, lapins, rats et souris) peuvent provo-
quer la mort de ces animaux parfois, avec des lésions assez fortes aux
points inoculés, à types d’abcés où de foyers caséeux, mais le bacille n’a
aucune tendance, dans la plus grande partie des cas, à se généraliser
dans l’organisme ni à y donner des lésions ganglionnaires ni des tuber-
cules. D’une façon tout à fait exceptionnelle, on peut parfois trouver
de petits foyers dans les organes. La mort des animaux fait lim-
pression d’une intoxication par endotoxine et en effet l’inoculation
Galli-Valerio et Bornand, Le Mycobacterium aquae ete. 191
au cobaye d’une culture chauffee 1 h a 80°, determine la mort avec
des lesions analogues ä celles qu’on observe chez les animaux inocules
aves des cultures vivantes, surtout typique est l’hyperemie des
capsules surrénales.
2) Les inoculations de ces mêmes animaux, avec le pus provenant
d'animaux inoculés, ou avec des cultures isolées de ces mêmes animaux
ne semble pas exalter le pouvoir pathogène du M. aquae, mais
déterminer des troubles tout à fait analogues à ceux quon observe
par suite de l’inoculation des cultures d’origine directe.
3) Les inoculations de cultures d’origine directe aux poissons
semblent, dans quelques cas, avoir la tendance à déterminer une
multiplication et une diffusion plus grande des bacilles dans l’organisme
que chez les animaux à sang chaud. Mais les inoculations à d’autres
poissons du matériel pris sur les poissons infectés, ne démontre pas
que les bacilles aient acquis une virulence ‘plus grande.
4) Les inoculations de culture de passage sur ces poissons à
d’autres poissons et au cobaye, ne démontrent pas non plus une augmen-
tation de virulence du bacille, mais par l’inoculation de ces cultures
aux grenouilles, on remarque au contraire une tendance à la multipli-
cation du bacille dans les organes provoquant la mort de ces animaux;
chose qui démontre toujours plus la vérité de l'observation faite par un
de nous (8) que souvent des vertébrés à sang froid sont très sensibles
à des bactéries saprophytes peu ou pas pathogènes pour les animaux
à sang chaud.
5) Les inoculations de cultures d’origine directe à des invertébrés
semblent capables de provoquer dans plusieurs cas la mort de ces
animaux et on a l'impression d’une multiplication des bacilles dans
la cavité générale de leur corps, et parfois dans les organes. On re-
marque souvent dans la cavité générale du corps des limaces in-
oculées un liquide louche assez abondant. Mais aussi chez les inver-
tébrés, M. aquae semble agir par production d’endotoxine.
6) Les essais faits sur les cobayes pour augmenter leur récepti-
vité, associant le M. aquae à une substance irritante, telle que la
pierre ponce, n’ont pas pu démontrer que cette association puisse
d’une façon constante favoriser l’action pathogène du M. aquae. On
a plutôt l'impression, que dans l’action pathogène de ce germe sur les
différents animaux, la résistance indivuelle naturelle joue un rôle
surtout important, car avec les mêmes cultures, les mêmes doses et
les mêmes voies d’inoculations on a des résultats tout à fait différents.
Ce fait très important, parle toujours plus en faveur de l'idée que
l'adaptation des formes saprophytes au parasitisme dépend fort pro-
bablement du hasard, qui fait arriver ces saprophytes dans des organis-
mes plus sensibles que d’autres à leur action, et si ce hasard porte
à des passages successifs sur d’autres individus présentant la même
sensibilité, il est possible qu’il se forme une race pathogène permanente.
ce point de vue, pour établir expérimentalement le passage de
formes saprophytes aux formes parasites, il y aurait lieu d’expéri-
menter sur des animaux appartenant à une même famille, et si l’on
tombait sur une famille à membres sensibles au saprophyte employé,
on pourrait peut-être arriver à transformer ce dernier en parasite
permanent.
Il se vérifierait là quelque chose d’analogue à ce que l’on constate
pour le cancer de la souris inoculable positivement au 90 0/, des
192 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
souris d'une famille sensible au cancer, tandis qu’il n’est inoculable
qu'au 5°/, des souris d’une autre famille. Il nous semble qu'il y
aurait là une nouvelle voie pour l'étude de cet important problème.
7) Chez tous les animaux expérimentés, le bacille est d’abord rendu
granuleux, puis transformé en des amas de granulations qui finissent
par disparaître. Cette dissolution est presque exclusivement extra-
cellulaire, sous l'influence des humeurs de l’organisme. La phagocytose
est exceptionnelle et dans plusieurs cas elle agit après la lyse humorale
des bacilles, pour englober les formes granuleuses ou les granulations.
Typique est le cas des limaces; inoculées avec des cultures vivantes,
elles réagissent par formation de bactériolysines, tandis qu’inoculees
avec des cultures mortes elles ne produisent pas de bactériolysines,
mais les bactéries mortes sont phagocytées.
8) Cette lyse des bactéries dans l’organisme n’aboutit pas tou-
jours à la guérison de l’animal, mais bien au contraire, elle porte à la
mise en liberté de grandes quantités d’endotoxines, qui provoquent la
mort de l'animal, comme les expériences faites avec les cultures
chauffées sur les vertébrés et les invertébrés le démontrent.
9) Dans une expérience, la guérison d’un lapin d’une infection à
M. aquae ne lui a donné aucune immunité vis a vis d’une inoculation
de M. tuberculosis bovis.
10) Quant aux modifications morphologiques du M. aquae chez
les animaux inoculés, si nous faisons exception de l'aspect granuleux
qu'il prend souvent sous l’action des lysines de l'organisme, on ne
constate pas de grandes differences des formes d’avec les cultures. Con-
trairement à ce qui a été observé par Limousin (9) dans ses in-
oculations du bacille de la Fleole dans les veines des lapins, nous
n’avons jamais constaté que le M. aquae perde son acido-résistance
dans l'organisme, mais bien au contraire nous avons remarqué que
souvent il se colorait beaucoup mieux que dans les cultures. Intéressante
est la grande tendance de ce bacille, surtout chez les vertébrés à
sang froid et les invertébrés, à prendre des dispositions en gros amas
parfois intracellulaires, simulant tout à fait des amas de bacilles lépreux.
11) Dans aucun cas nous n’avons constaté une lésion macro-
scopique ou microscopique pouvant faire penser à la formation de
tubercules typiques analogues à ceux déterminés par le M. tuber-
culosis.
Conclusions générales.
1) M. aquae des robinets d’eau potable n’est pas un germe tout
à fait inoffensif pour les animaux d'expérience qu’il peut tuer par dis-
sémination générale dans l'organisme et surtout par intoxication. —
2) Il ne nous a pourtant pas été possible par passages sur l'animal,
de créer une race sûrement pathogène, l’action pathogène semblant
influencée surtout par des conditions de résistance individuelle de chaque
animal. — 3) Nos expériences tendent à démontrer, que la formation
de races pathogènes dérivées de races saprophytiques est surtout un
fait du hasard: pénétration de la forme saprophytique dans l'organisme
d'individus présentant une sensibilité spéciale à la race saprophyte. —
4) Pour ces recherches il y aurait lieu pour l'avenir d’expérimenter
sur des animaux d’une même famille. Une fois une famille trouvée
Sakai, Bakteriol. Untersuch. d. Paratyphusepid. im Lehrersem. zu Sendai. 193
dont des membres sont sensibles à un saprophyte donné, il est pro-
bable que des inoculations successives dans la méme famille portent
à la formation d’une race pathogène. A ce point de vue l’utilisation
des vertébrés à sang froid et des invertébrés serait surtout à conseiller.
Litérature.
1) Galli-Valerio, B., Centralbl. f. Bakt., Abt. I. Orig. Bd. 63. 1912.
S. 559. — Ders., Idem. Bd. 88. 1922. S. 34. — 3) Bornand, M., Revue
~
Suisse de Méd. 1915. No. 1. — 4) Galli- Valerio, B., Schweiz. med. Wochenschr.
1920. Nr. 8. — 5) Bornand, M., Revue Suisse de Méd. 1915. No. 1. —
6) Shin Maie, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 88. 1922. S. 34. — 7) Galli-
Valerio, B., Correspondenzbl. f. Schweiz. Aerzte. 1919. Nr. 35. — 8) Ders.,
ar un Wochenschr. 1920. Nr. 4. — 9) Limousin, Annal. Inst. Pasteur.
1924. p. 713.
Nachdruck: verboten.
Bakteriologische Untersuchung der Paratyphusepidemie
im Lehrerseminar zu Sendai.
"Aus dem Bakteriologischen Institut der Universität zu Sendai. (Dir.:
Prof. Dr. K. Aoki).]
Von Dr. Kikuo Sakai.
Die epidemiologischen Fälle von Paratyphusinfektion, über welche
ich hier Mitteilungen machen will, sind nicht neu, so daß man es für
überflüssig finden könnte, hier darüber zu schreiben. Der Grund,
welcher mich dazu aber doch bewogen hat, ist der, daß wir noch keinen
solchen Fall erlebt haben, wo Paratyphusbazillen während der Epidemie
in unseren repräsentierenden Seren systematisch untersucht worden
sind.
Bei uns im Institut wurden 2 Typen Paratyphus Schottmüller
und ferner 2 Typen von Mäusetyphusbazillen von Aoki und seinen
Schülern Konno und Sakai festgestellt. Diese 4 Stämme können
einzeln typisch wirkende Sera darstellen, wodurch die Stämme von
Paratyphus- und Mäusetyphusbazillen, welche bis jetzt agglutinatorisch
schwer unterscheidbar waren, ganz deutlich differenziert werden können.
Die 2Typen vonSchottmüller- Bazillen haben folgende Eigenschaften:
Ein Typus ist mit einem Typus der Mäusetyphusbazillen sehr nahe,
mit dem anderen Typus aber gar nicht verwandt. Der andere Typus
stellt einen spezifischen Stamm dar, welcher mit den 2 Mäusetyphus-
bazillen-Typenagar gar nicht verwandt ist. Die 2 Typen der Mäuse-
typhusbazillen verhalten sich genau so, wie die obigen 2 Typen von Para-
typhusbazillen. Ein Typus ist nämlich mit einem Typus Schott-
müller nahe verwandt, mit dem anderen aber nicht. Der andere Typus
ist mit keinem Typus Schottmüller verwandt.
1922 war eine große Paratyphusepidemie in der Pension des
Lehrerseminars in Sendai ausgebrochen. Vom 11.—26. Oktober er-
krankten 77 von 223 Insassen’ fieberhaft. Am 11. Oktober wurden 2,
am 12. 3, am 13. 10, am 14. 7, am 15. 10, am 16. 17, am 17. 9,
am 18. 8, am 19. 5, am 20. 3, am 21. 1, am 22. 1, am 26. 1 krank.
Erst am 16. Oktober, also am 6. Tage nach den ersten Erkrankungen,
Erste Abt. Orig. Bd. 101 Heft 4/5. 13
194 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
wurde diese fieberhafte Krankheit bakteriologisch als Paratyphus fest-
gestellt. Deshalb wurden von da an alle Kranken und Verdächtigen
streng isoliert und beobachtet, und ferner wurde bei den übrigen ge-
sunden Leuten die Temperatur regelmäßig gemessen. Bis zu dieser Zeit
waren schon 49 Schüler krank. Daraufhin erkrankten noch 28. Die
bakteriologische Untersuchung wurde von uns systematisch bei allen
Personen, sowohl bei den Schülern als auch bei Lehrern und dem
sonstigen Personal ausgeführt.
Untersuchung an den Kranken.
a) Blutuntersuchung. Die Blutproben wurden zu verschiedenen
Zeiten, entweder imal oder 2mal bei allen Kranken entnommen, wie
Tab. I angibt. Die Blutproben wurden einerseits bakteriologisch, ander-
seits serologisch auf Typhus und Paratyphus A und B untersucht.
Es stellte sich dabei heraus, daß Typhus- und Paratyphus A - Bazillen
sowohl direkt als auch indirekt nicht nachgewiesen werden konnten. Da-
gegen agglutinierte das Serum Paratyphus B-Bazillen sehr stark.
Ferner wurden Paratyphus B-Bazillen im Blute nachgewiesen, und
zwar im ganzen bei 28 Personen und im Anfangsstadium der Epidemie
im Blute in hohem Prozentsatz, während sie später ganz wenig nach-
gewiesen wurden (Tab. I). Dagegen trat positive Widalsche Reak-
Tabelle I.
Datum der Biinahms | R ee fae | 7
Fee PS ee A SA D
Zahl der Blutprobe | 5 38: i-z- |» 26 leio- di 4 | 10
tp | |
i 4) 8 E 6 4 642 0 0
Bazillen Le) 28 ea a à 11 26
+ By ut H 9 | 6 2! || 38 3 7
; . u ee 4 | 3 | 3 1 3
Widalsche Reaktion Titer 10 = | 100 =| 100 — | 100 =| 100 = 100 = 100 =| 200 —
| 200 | 500 | 1000 | 2000 | 2000 ' 2000 | 2000 | 2 000
ar eg T us, | ae iz: À as, | 19.
Zahl der Blutprobe SHN 17 6 | 4 7 2 | 1
1 f + | 2 0 0 0 i, 1-0
Bazille | 6 4 7 oh ES
+ 5 4 7 a | Sy
| - eg 1 0 0 0 0
Widalsche Reaktion rane =| 1000 = | 2000 = | 1000= | 2000 = | 10000 —
15000 | 5000 | 10000 | 20000 | 10000 | 10000
tion im Anfangsstadium der Epidemie viel weniger als im späteren
Stadium derselben auf. Deshalb wurde die negatve Reaktion bis zu
der Mitte derselben neben der positiven Reaktion beobachtet, von
diesem Zeitpunkt ab aber nie mehr (Tab. I). Ihr Titer war am Anfang
‘der Epidemie niedriger als im letzten Stadium der Epidemie, trat aber
von der Mitte derselben ab bei allen Kranken über 1:1000 stark auf
(Tab. 11, S. 195).
b) Kotuntersuchung bei den Kranken: Der Kot wurde
2mal an verschiedenen Tagen bakteriologisch untersucht. Wie Tab. III
Sakai, Bakteriol. Untersuch. d. Paratyphusepid. im Lehrersem. zu Sendai. 195
Tabelle IL.
Datum der |
Blutprobe | © | 7- | 8 | 9% | 10. | 11. | 12. | 13 u 15. | 16. | 17. | 18.| 19.
5 iha Ea a a aa | 12. 1% BEE
= DON TEN SIEH EI ET ELLE DI ST > Wes
Sa | 500 an eh | ee ee TR et à Pe eee ee
£ J 1000 het Ree Sh EY ae Pee eh Se ake i alle
32) 2000 DETENTE TRS a A E a E
>35 | 5000 colli Sap let el oar CRE ee A IM
8 [10000 oh BY at et Meee Tan
& | 20000 ie | 2
Tabelle III.
= L Ma ji. IL Ma
Datum der Kotentnahme _[ 147 15. | 16. | 17.] 18., 21.] 22.| 23. | 24.| 25. | 26.
Zahl d. Kotprobe [ao | 12 [nlwlolw|slslo 13 | 12
: + | By de] 2) 0! 0111-0110: 16 Pot <o
Bazillen ee $11 9/10; 9,14/ 8 | 6 | 9 | 13
Im ganzen Personen 52 | 63
angibt, wurde vom 14. Tage nach dem Ausbruch der Epidemie bis zum
27. Tage untersucht und Bazillen wurden im ganzen bei 6 Fällen
nachgewiesen, und zwar am 14. 15, am 16. und 21. Tage.
Tabelle IV.
- Name und Titer der Immunsera
Name ne = = >
derBakterien |. 8-1 |-BB:9 | Me 2 | Ms. 34 | E. G, 3 | E. G. 18
5000 | 5000 | 10000 | 20000 | 10000 | 20000
P. B. 125 5 000 5 000 2.000 200 500 + 500 +
„ 126 10000 + 10000 + 5000 + 500 + 500 + 500 +
se Wee 5 000 5 000 5000 + 500 + 500 + | 500 +
„ 128 10000 + 10 000 + 5 000 + 200 500 + 500 +
„ 129 5 000 10 000 + 2 000 200 500 + 500 +
„ 130 5 000 10 000 + 5000 + 500 + 500 + | 500 +
„ 131 5 000 5.000 2.000 100 500 + | 500 +
„ 132 5.000 5 000 2 000 200 500 + | 500 +
» 183 5 000 5 000 2 000 200 500 + 500 +
„ 134 5 000 5 000 2 000 500 + 500 + 500 +
„ 135 5 000 5 000 5 000 + 200 500 + | 500 +
» 136 5 000 5 000 5 000 + 200 500 + 500 +
„ 137 5 000 5 000 5000 + 200 200 200
» 138 5 000 10 000 + 5 000 + 200 200 500 +
„ 139 5 000 10 000 + 2 000 200 200 500 +
„ 140 5 000 5 000 2 000 200 200 500 +
„ 14 5 000 5 000 5 000 + 200 + 200 + 200
„ 142 5 000 10 000 + 5 000 + 200 200 500 +
„ 143 5 000 5 000 2 000 200 + 200 + 200
„ 144 5 000 10 000 + 5 000 + 200 + 200 500 +
» 145 5 000 5 000 5 000 + 100 200 500 +
a 146 5 000 5.000 2 000 100 500 + 200
» 147 5 000 10 000 + 5 000 + 200 200 500 +
„148 5 000 5 000 5 000 + 200 100 500 +
P.B. 1 .... Paratyphus B Schottmüller (unspezifisch),
PBB? Ans ne 5 (spezifisch),
Ms. 2 .... Mäusetyphus (unspezifisch),
Ms. 34 .... (spezifisch),
E.G. .... Enteritis Gärtner.
13*
196 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
c) Kot von gesunden Leuten wurde bei 161 Personen unter-
sucht. Dabei wurden Paratyphus B-Bazillen bei 7 Gesunden nach-
gewiesen, von denen 2 fieberten hiernach. Sie erkrankten aber nur
ganz leicht, so daß sie bald entfieberten und ferner Bazillen im Blute
nicht nachzuweisen waren.
Doch fiel die Widalsche Reaktion beim 1 positiv und bei den
andern negativ aus. Die übrigen 5 Bazillenträger wurden streng bak-
teriologisch mehrere Tage hindurch untersucht. Dabei ergab sich, daß
sie bald nicht mehr nachweisbar waren. Die Widalsche Reaktion
fiel immer negativ aus. Da wir bis jetzt noch keine Gelegenheit hatten.
Paratyphus B-Bazillen während einer Epidemie in unseren Seris zu
untersuchen, so beabsichtigten wir, sie darin agglutinatorisch zu unter-
suchen, um ferner festzustellen, ob sie typische Schottmüller-
Bazillen waren. Die Sera zeigten folgendes: 2 Paratyphus-Sera, 1
spezifisch, das andere unspezifisch; 2 Mäusetyphussera, ebenfalls 1
spezifisch und 1 unspezifisch. Wären die Mikroben Paratyphus Schott-
müller, und zwar die unspezifische Form, so müßten sie in den
beiden Paratyphus-Sera gleich stark, bis zum Titer, und ferner in
typischem Mäusetyphusserum ebenfalls gleich stark, fast bis zum Titer
agglutinieren. Falls sie spezifische Paratyphus B-Schottmüller
wären, so müßten sie nur in beiden Paratyphus B-Sera bis zum Titer,
dagegen in allen Mäusetyphussera nicht agglutinieren. Wie man in
Tab. IV, S. 195 leicht ersehen kann, reagieren alle unsere Stämme genau so
wie oben auseinandergesetzt wurde, so daß sie als unspezifische Schott-
müller- Bazillen betrachtet werden müssen.
Literatur. x
1) Aoki, Tohoku Journ. Exper. Med. Vol. 2. 1921. p. 131. — 2) Ders.
u. Konno, Ibid. Vol. 2. 1921. p. 376. — 3) Sakai, Ibid. Vol. 3. 1922. p. 341.
— Ders., Ibid. Vol. 5. 1924. p. 275. — 5) Ders., Centralbl. t. Bakt. Abt. I.
Orig. Bd. 95. S. 438.
Nachdruck verboten.
Ueber die Stimulierung der bakteriellen Aktivität und
das Verhalten des B. typhi in der Milch.
Von Prof. Dr. Constantino Gorini.
Direktor des Bakt. Laboratoriums an der K. landwirtsch. Hochschule zu Mailand.
Bekanntlich sind die Beziehungen des B. typhi zum B. coli
viel umstritten worden, und es ist bekannt, daß einer der wenigen
differentiellen kulturellen Charaktere zwischen den 2 Keimen in deren
Wirkung auf die Milch besteht, insofern der B. Eberth, im Gegen-
satz zum B. coli, allgemein für unfähig gilt, Milch zum Gerinnen zu
bringen, trotz der Versuche, ihm ein solches Vermögen zu verleihen.
Dies war auch meine Ansicht bis zu meinen letzten Untersuchungen
über die Stimulierung der bakteriellen Aktivität in der
Milch (s. Bibliographie).
Schon längst habe ich nachgewiesen, daß es, um -das wirkliche
Verhalten der Bakterien in der Milch zu studieren, notwendig ist,
die Modifikationen möglichst einzuschränken, denen die Milch durch
die Sterilisationstemperatur unterworfen ist. In der Tat erzielte ich,
Gorini, Stimulierung d. bakt. Aktivität u. das Verhalten des B. typhi in d. Milch. 197
seitdem ich die Milch durch Tyndalisieren bei einer Temperatur nicht
über 100° C sterilisierte, so daß sie ihre weiße Farbe unverändert
beibehielt, daß ich bei einer Reihe von Bakterien [aus den Gruppen
der Milchsäurebakterien, des B. coli, des Mammococcus-Gastro-
coccus!)-Caseococcus-Enterococcus, des Streptococcus-
Pneumococcus usw.) das Gerinnungs- und besonders das Säurelab-
bildungsvermögen feststellte, die zu der Kategorie meiner doppelten
oder gemischten Fermente, d. h. zu den säureproteolytischen
Bakterien zu rechnen sind.
Leider sind aber nach meinen Beobachtungen die Resultate,
namentlich bei einigen Typen und Stämmen, noch nicht konstant, und
zwar wahrscheinlich wegen der Unmöglichkeit, die chemischen (Lak-
tose, Kasein, Albumin, Phosphate etc.) und die biologischen (Enzyme,
Vitamine etc.) Milchbestandteile, die unbedingt für die bakterielle
Aktivität nötig sind, immer genügend und in gleicher Höhe bei der
Sterilisierung zu verschonen. Um größere Beständigkeit zu erlangen,
bin ich in der Saatdosis freigebiger gewesen ‘und habe 5—10proz.
Bouillonkultur der Milch hinzugefügt. Da ich aber aus früheren Be-
funden (1892) wußte, daß die Bildung von Chimosin durch Bakterien
selbst in kaseinfreien Nährböden (Bouillon, Agar usw.) eintreten kann,
glaubte ich, die Koagulation der Milch einem zufällig in der Bouillon-
kultur enthaltenen Enzym zuschreiben zu müssen. Ich erzielte aber
dieselben günstigen Erfolge, wenn ich der Milch in demselben Ver-
hältnis sterile Bouillon, die ja nicht milchgerinnend ist, hinzusetzte,
und die Bouillonmilch durch gewöhnliche Platinöse einsite. Demnach
ist wahrscheinlich der wohltätige Einfluß reichlicher Saat nicht so sehr
der großen Mikrobenmenge als den konstitutiven Elementen der Bouillon
zuzuschreiben. In der Tat erhielt ich ähnliche Ergebnisse, wenn ich:
der Milch anstatt der Bouillon deren organische Komponenten (Pepton,
Liebigs-Extrakt) hinzufügte.
Ferner machte ich Versuche mit dem Zusetzen anderer nährhafter,
an sich nicht milchgerinnender Stoffe, wie Hefenwasser oder (von
meinem Mitarbeiter Dr. Callerio vorgeschlagen) defibriniertes Blut,
wobei ich ganz gute Erfolge erzielte. Durch Hefenmilch oder Blutmilch
konnte ich unter anderem bestätigen, daß auch pathogene Streptokokken
(Str. pyogenes, Str. erysipelatis, Pneumococcus) Milch regel-
mäßig koagulieren können, im Widerspruch zu der allgemeinen Ansicht,
daß sie sich von den gewöhnlichen saprophytischen Streptokokken
(Str. lacticus) durch ihre Unfähigkeit oder Unregelmäßigkeit, Milch
zum Gerinnen zu bringen, unterscheiden.
Nun war es fraglich, welches Element bzw. welche Elemente in
der Milch durch die hohen Temperaturen geschädigt werden, wes-
wegen die Milch durch obengenannte Stoffe kompensiert werden
soll. Handelt es sich dabei um eine Reintegration der Stickstoff-
nahrung oder um einen günstigen Einfluß von Vitaminen, oder von
Puffern, oder von Koenzymen, die selbst mineralischer Natur sein
können? Die Antwort ist nicht leicht, wäre aber zweifellos erleichtert,
wenn man die Kulturen nicht in durch Wärme sterilisierter Milch,
sondern in keimfreier, durch aseptisches Melken gewonnener Milch her-
stellen könnte. Ein solches Ideal ist aber nicht mehr erreichbar, seit-
1) Gastrococcus ist ein säureproteolytischer, dem Mammococcus-
Caseococcus ähnlicher Kokkus, welchen ich aus Labmägen isoliert habe (siehe
Bibliographie).
198 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
dem ich die normale endomammarische Gegenwart von Euterkokken
(Mammococcus) festgestellt habe, die unvermeidlich mit der Milch
aus dem Euter herauskommen. Jedenfalls muß ich hier betonen, daß
die obengenannten Stoffe mehr eine stimulierende Wirkung auf die
enzymatischen Funktionen der Bakterien als eine bloß eugenetische
Wirkung auszuüben scheinen, da keine wahrnehmbare Verschieden-
heit in der Mikrobenmenge bei den einfachen Milchkulturen im Ver-
gleich zu den hinzugefügten Milchkulturen besteht. Ferner ist die
Schnelligkeit überraschend, mit welcher die Gerinnung und Peptoni-
fikation nach einer posthumen Hinzufügung von Hefenwasser oder
von Blut zu schon vor einigen Tagen gut entwickelten, aber noch nicht
äußerlich veränderten Milchkulturen erfolgte. Die dazu notwendige
Menge von stimulierenden Stoffen ist so winzig, daß die Annahme einer
katalytischen Wirkung derselben gerechtfertigt ist.
Die obenerwähnten Befunde veranlaßten mich, meine Forschungen
auf B. typhi auszudehnen. Dabei erzielte ich ein ganz unvermutetes
Ergebnis, welches bei diesem Keim bisher absolut unbekannte, aber
wichtige Aktivitäten enthüllte. Nimmt man durch Tyndalisieren weiB-
sterilisierte und mit Hefenwasser hinzugefügte Milch, besät man sie
mit einer großen Dosis (5—10 Proz.) von Typhusbouillonkultur und be-
hält man die Kulturen bei nicht zu hoher Temperatur (30—32°C), so be-
merkt man folgende überraschende Erscheinungen.
Die Wirkung des vollvirulenten (direkt und frisch aus dem
Blute von Kranken isolierten), B. typhi auf die Milch zeigt zwei
Phasen: eine 1. Phase der Alkalinisierung und Solubilisierung, die sich
in 30—40 Tagen vollzieht, und eine 2. Phase der Säuerung und Ge-
rinnung, die in 30—40 Tagen nach der 1. Phase verläuft. Während
der 1. Phase wird die Milch allmählich durchscheinend, leicht gelblich
und zeigt alkalische Reaktion. Während der 2. Phase aber wird die
Milch allmählich opak, wieder weiß und verändert ihre alkalische
Reaktion in eine sauere.
Durch die 1. Phase, bei welcher eine ausgesprochene Lösung
(Peptonifikation) des Kaseins auftritt, differenziert sich der B. typhi
vom B. coli, während er sich mehreren, von mir parallel unter-
suchten Stämmen von B. paratyphi, B. enteritidis, B. alcali-
genes und Ruhrbazillen nähert.
urch die 2. Phase, bei welcher eine Reversion, d. h. eine
Rekonstitution des Kaseins vom gelösten Zustand zum primitiv kol-
loidalen eintritt, differenziert sich der B. typhi von allen anderen
Bakterienarten. Ein solcher Prozeß ist ein ganz außerordent-
licher und kommt weder in der Literatur noch bei allen von mir
untersuchten Mikroben vor.
Zusammenfassung.
Indem ich mir vorbehalte, auf dieses ganz erstaunliche Verhalten
des B. typhi wieder zurückzukommen, beschränke ich mich hier
folgendes darauf zu behaupten:
Durch geeignete Kulturbedindungen und stimulie-
rende Stoffe gelingt es, nachzuweisen, daß der virulente
B. typhi fähig ist, Milch nach einem ganz unbekannten
Mechanismus zum Gerinnen zu bringen.
Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 199
Bibliographie.
Gorini, C., Ueber die Enterokokken (Mammococcus). (Centralbl. f. Bakt.
Abt. II. Ref. Bd. 67. 1926. p. 11.) — Ders., Sur le gastrococcus. (Compt.rend.
Acad. Scienc. 16. 11. 1925.) — Ders., Action des streptocoques sur le lait. (Compt.
rend. Acad. Scienc. 12. 4. 1926.) — Ders., Sur les streptocoques acidoprotéolyti-
ques. (Compt. rend. Soc. Biol. 12. 6. 1926.) — Ders., Stimulation des activités
bactériennes dans le lait (Compt. rend. Acad. Scienc. 19. 7. 1926.) — Ders., Sul
comportamento del B. coli na latte. (Rend. R. Acc. Linc. 1. 2. 1920.) —
Callerio, C., Sul comportamento degli streptococchi piogeni nel latte. (Rend. R.
Ist. Lomb. Sc. e Lett. 1. 7. 1926.)
Nachdruck verboten.
Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtherie-
bazillen und anderen Corynebakterien.
[Aus dem Hygien. Institut der Landesuniversität Gießen (Dir.: Prof.
Dr. E. Gotschlich).]
Von Dr. med. H. Kliewe, Heidelberg, Hyg. Institut d. Universität.
Ill. Teil.
D. Die aus den Variabilitätsstudien und der Gruppeneinteilung sich
ergebenden ees EHRT! a pas A zwischen Di- und
seudodi-B.
Kehren wir zu den eingangs gestellten Fragen zurück, sind die
beiden Gruppen, Di- und Pseudodi-B. als eine Art anzusehen und in
welchen verwandtschaftlichen Beziehungen stehen sie zueinander?
Nehmen wir an, daß beide Typen aus 2 verschiedenen Urformen
sich entwickelten, dann beständen zwischen beiden überhaupt keine
verwandtschaftlichen Beziehungen. Haben jedoch beide Gruppen ge-
meinsame Stammformen, oder ging der eine Typ zu irgendeiner Zeit
aus dem anderen hervor, dann ist von Anfang an mehr oder weniger
Typenverwandtschaft vorhanden. Diese letztere Annahme hat, wenn
wir uns den Begriff der Art klar machen, am meisten Wahrscheinlich-
keit. Der für uns in Frage kommende biologische Artbegriff wird
dadurch gewonnen, daß man die Individuen, hier die Einzelkultur
nach Form, Größe, Lebensfunktionen usw. miteinander vergleicht. Die-
jenigen Einzelstämme, welche in bestimmten Merkmalen gleich sind,
werden in eine Art zusammengefaßt und von den im Begriffe anderer
Arten liegenden Merkmalen unterschieden. Dieser Artbegriff kann je
nach der Art und Zahl der vorliegenden Merkmale mehr oder weniger
erschöpfend ausfallen. Mitunter ist es jedoch schwierig, eine bestimmte
Lebensäußerung als artcharakteristisch anzusehen, da durch die Va-
riantenbildung charakteristische Merkmale verloren gehen oder neue
erworben werden, so daß Typen entstehen, die als selbständige auf-
gefaßt werden können.
Die Grenzen zwischen Typus und Art sind wie begreiflich nicht
scharf zu ziehen, da in phylogenetischer Beziehung ein einheitlicher
Ursprung anzunehmen ist, wie in der Gärtner-, Typhus-Coli-Gruppe.
Maßgebend für die Statuierung des Artbegriffes in der Bakteriologie
sind praktische Erwägungen, nämlich, ob die betreffenden Unterschiede
konstant sind und ob in der krankheitserregenden Wirkung vor allem
auch im epidemiologischen Verhalten Differenzen vorkommen. Gerade
200 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
mit Rücksicht auf das epidemiologische Verhalten kann kein Zweifel
bestehen, daß ein durchgreifender Unterschied zwischen Di- und Pseudo-
di-B. besteht (Kober).
Die Berechtigung, die Di- und Pseudodi-B. als 2 getrennte Arten
aufzufassen, ist praktisch ebenso begründet wie beim Typhus und Para-
typhus. Auch hat man wissenschaftlich exakt noch niemals den Ueber-
gang der Pseudodi- in Di-B. beobachtet. Wenn Trautmann und
Gaethgens aus denselben Kranken zuerst Pseudodi-B., dann echte Di-
B. züchteten (allerdings ist nicht bewiesen, daß beide nicht von vorn-
herein vorhanden gewesen waren) und Baerthlein aus einem avi-
rulenten atypischen Di-Stamm eine schwach virulente Variante abspalten
konnte und wenn andererseits Bernhard und Paneth, Schmitz,
Killian u. a. den Di-B. alle charakteristischen Merkmale nehmen
konnten, dann ist damit nicht bewiesen, daß eine Art in eine andere
übergeführt wurde. Es liegt vielmehr die Annahme näher, daß innerhalb
einer Art Umwandlungen vorgegangen sind, die seltener beobachtet
werden und die, wie uns die Lehre von der Entstehung des Parasitis-
mus sogleich zeigen wird, in dem ersten Falle als progressive, in den
letzten Fällen als rezessive Merkmale beurteilt werden können. Daß
dem Experiment unterworfene Individuen neue Eigenschaften annehmen
können, ist wiederholt erwiesen. Doch sind Erscheinungen, wie die
Veränderung der Zuckervergärbarkeit oder sonstiger biologischer Merk-
male niemals irreversibel.
Es konnte wiederholt beobachtet werden, daß Verlust eines Merk-
males nur eine Latenz desselben bedeutet, so daß mit dem ‘Ausfallen
oder auch mit der Neugewinnung eines Merkmales nicht auch zugleich
das Ausfallen oder der Neuerwerb eines Erbfaktors, sondern nur die
Gegenwart eines Hemmungs- bzw. Förderungsfaktors verbunden ist.
Solche Varianten können deshalb auch nicht als Mutationen, sondern
müssen als Modifikationen (v. Nägeli) angesehen werden. Es handelt,
sich also um Formen, die ihrer erblichen idioplasmatischen Veranlagung
nach völlig gleichen und unveränderten Mikroorganismen durch äußere
Reize, denen sie ausgesetzt waren, zytoplasmatisch verschieden geworden
sind. Nach Aufhören des äußeren Reizes können die neuen Typen
früher oder später wieder zur Norm zurückkehren. Allerdings werden
sprunghafte Modifikationen beobachtet, die sich durch größere Be-
ständigkeit auszeichnen und vielfach nicht von Mutationen unter-
schieden werden können. Jollos bezeichnet sie als Dauermodi-
fikationen.
Die Gruppeneinteilungen der Corynebakterien erwähnen stets an
erster Stelle die tierpathogenen Di-B., deshalb wohl, weil sie wegen
ihrer menschenpathogenen Bedeutung das größte Interesse haben. Wenn
wir uns jedoch fragen, ob denn auch phylogenetisch die Di-B. als die
ersten Formen anzusehen sind, dann geben uns die Beobachtungen
über die Entstehung des Parasitismus eine verneinende Antwort. Wie
bereits oben angeführt wurde, liegen Beobachtungen vor, daß unter be-
stimmten Bedingungen Di-B. in avirulente atypische Formen sich um-
wandeln: daß aber avirulente oder sogar Pseudodi-Stämme wieder
virulent werden, konnte bisher nur in ganz vereinzelten Laboratoriums-
versuchen beobachtet werden. Diese Versuche können aber, weil die
natürlichen Verhältnisse doch nur sehr unvollkommen nachgeahmt
sind, nicht ohne weiteres verallgemeinert werden. Das letzte Wort
sprechen in dieser Frage die epidemiologischen Beobachtungen. Diese
Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 201
aber mußten dahin gedeutet werden, daß einwandfrei die Umwandlung
der avirulenten in die virulenten Formen der Corynebakterien nicht be-
obachtet wurde. Damit ist nicht gesagt, daß solche Umwandlungen
nicht vorkommen können. Wir müssen im Gegenteil annehmen, daß
ebenso wie bei anderen Infektionskrankheiten, deren Erreger aus an-
scheinend avirulenten saprophytischen hervorgehen, auch aus avirulenten
Di- und Pseudodi-Stämmen virulente Keime entstehen können. Solche
Beobachtungen liegen z. B. bei Erkrankungen vor, deren Erreger In-
fluenzabazillen (Neufeld, Gosio, Cecil, Russell, Blake),
Streptokokken, Staphylokokken, Pneumokokken, Rotlauf-, Hühner-
cholerabazillen, anaérobe Wunderreger usw. sind. Diese phylogenetische
Anpassung von ursprünglich saprophytischen Formen an die Virulenz
erfolgt bei den Corynebakterien wahrscheinlich direkt, indem die ur-
sprünglich auf der äußeren und inneren Körperfläche vegetierenden
Keime gelegentlich in das Innere der Gewebe eindringen und dort
pathogene Wirkung auslösen. Solche Mikroben, die gelegentlich und
nur für den eigenen disponierten Wirtsorganismus pathogen werden
können, aber zunächst noch nicht ansteckungsfähig sind, bezeichnet
Gotschlich als ,,unfertige Infektionserreger“, während bei den
fertigen, echten der Höhepunkte der phylogenetischen und ontogene-
tischen Entwicklung und damit die Anpassung an die parasitische
Existenz in vollkommener Weise erreicht ist, so daß die Erkrankung in
erster Linie durch den biologischen Charakter des Erregers verursacht
wird und sekundär von der Disposition des Menschen abhängig ist.
Der phylogenetische Zusammenhang zwischen den pathogenen und
den Pseudoformen tritt auch darin deutlich hervor, daß ebenso wie bei
anderen Erregern (Staphylo-, Strepto-, Meningokokken u. a.) auch bei
den Di-B. die verwandten Arten sich immer an der Eintrittsstelle der
spezifischen, Erreger finden, so daß diese die gleichen Anforderungen
an die Lebensbedingungen besitzen und vor allem auch die häufig schwache
Virulenz der Stämme die Brücke zu den Saprophyten bildet. Und
wenn wir bei den Corynebakterien eine Gruppe (Di-B.) relativ scharf
abgegrenzt sehen, während die übrigen nur mangelhaft differenziert
sind, wie Aehnliches in der Paratyphus- und Pseudodysenteriegruppe
beobachtet wird, indem die Eberth-Gaffkyschen Typhusbazillen
bzw. die Kruse-Shiga-Bazillen, obschon diesen verwandt, als viel
schärfer abgetrennte und selbständige Gruppe erscheinen, dann sind
die Beziehungen der einzelnen Gruppen zueinander innerhalb der Art so
zu deuten, daß die Spezifität des Erregers erst entstanden und als ein
in sehr ungleichem Maße differenziertes Produkt der phylogenetischen
Entwickelung zu denken ist.
Diese Anpassung an die parasitische Lebensweise tritt bei den
Di-B. auch in dem Verhalten auf Kulturen deutlich zutage. Je mehr
wir der rein parasitischen Lebensweise näherkommen, um so größere
Ansprüche stellen die Mikroorganismen an die Form der Kohlenstoff-
und Stickstoffquellen. Während die Pseudodi-B. auf gewöhnlichem Agar
üppig wachsen, zeigen die Di-B. anfangs meist kümmerliches Wachs-
tum, erst durch Gewöhnung an diesen Nährboden oder nach Zusatz
von Serum, Glyzerin oder Zucker können auch diese gut gedeihen.
Aehnliche Beobachtungen liegen bei anderen pathogenen Arten vor, wie
Cholerabazillen, Gonokokken, Pestbazillen, Tuberkelbazillen usw. Sie
alle zeigen, daß zwischen den saprophytischen und den virulenten
"Typen Uebergänge bestehen, die als Beweis für die Entwicklung der
Saprophyten zu den Parasiten anzusehen sind.
202 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
Als Ursache fiir das Entstehen der verschiedensten Typen und
Gruppen ist wohl die Anpassungsfähigkeit der Cornybakterien anzu-
sehen. Wie bei den höheren Organismen müssen wir auch bei den
Mikroorganismen annehmen, daß ihnen die innere Veranlagung von
Anfang innewohnt, neue zweckmäßige Leistungen zu entwickeln oder
alte umzuformen, sonst müßten sie ja bei jeder ihnen aufgedrungenen
Veränderung ihrer Lebensbedingungen zugrunde gehen. Diese inneren
Entwicklungsmöglichkeiten werden dauernd durch eine Fülle von
äußeren Umweltsfaktoren (Körpersäfte, Wirtswechsel, Desinfizientien,
Art, Alter, Reaktion des Nährbodens, Klima, Symbiose, Antagonismus
usw.) beeinflußt, so daß Strukturveränderungen eintreten, die zunächst
nur in dem Stadium, in dem sie auftreten, von Bedeutung sind, die
aber die Voraussetzung und der Ausgangspunkt für weitere Umwand-
lungen werden können. Diese sind jedoch wieder abhängig von der
Art und Intensität der einzelnen Reize, so daß bei schwächeren und
kurz dauernden Reizen oder auch bei bereits vollzogener Umwandlung
überhaupt keine oder nur geringfügige weitere Veränderungen ein-
treten. Häufig aber veranlassen die altererbten, im Laufe der Phylo-
genese gefestigten inneren Veranlagungen des Bazillenleibes Repro-
duktionsvorgänge, so daß eine gewisse Konstanz der Art und Gruppen
besteht.
Fragen wir nun, ob Mikroorganismen, die sich, wie wir oben be-
reits hörten, aus frei lebenden saprophytischen Arten phylogenetisch
ableiten, auch heute noch aus Saprophyten entstehen können, so können
wir diese Frage mit Gotschlich und Neufeld auf Grund der epi-
demiologischen Beobachtungen grundsätzlich bejahen. Wenn wir z. B.
sehen, daß Schwankungen in der Ansteckungsfähigkeit der Di-B. be-
stehen, wenn alle Epidemiologen darin übereinstimmen, daß die Di-B.
in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und in der ersten Hälfte
des 19. Jahrhunderts eine unbedeutende Rolle spielten und 1849 eine
Pandemie auftrat, die sich über ganz Europa verbreitete, die Krank-
heit wieder um 1894 zu ihrer früheren Bedeutung herabsank (vgl.
KiBkalt, „Die Diphtheriepandemie des 19. Jahrhunderts“) und wenn
wir diese Schwankungen, allerdings in geringerem Ausmaße auch jetzt,
noch alljährlich erleben, und wenn wir ferner bedenken, daß diese
Erreger außerhalb des menschlichen oder tierischen Körpers nicht zu
wachsen vermögen, so dürfen wir nach unseren gegenwärtigen Kennt-
nissen wohl annehmen, daß diese Mikroben in der seuchenfreien Zeit
als harmlose Epiphyten insbesondere auf den Schleimhäuten der oberen
Atmungswege vegetieren und gelegentlich eine sprunghafte spontane
Steigerung ihrer Virulenz erfahren haben. Achnliche Beobachtungen
wurden von Stephan, Lubinski, Sonnenschein, Kliewe-
Koch u. a. gemacht, indem durch relativ harmlose Epiphyten, Diplo-
coccus mucosus bzw. B. pyocyaneus, als sie in den Lumbal-
raum eindrangen, Meningitis hervorgerufen wurde. Neufeld und
Poppe fanden milzbrandähnliche Bazillen, die dem Milzbrand ähnliche
tödliche Infektion verursachten. Th. Smith, Gotschlich und Neu-
feld erklären diese Umwandlung dahin, daß sich die betreffenden
Mikroorganismen in der Regel nicht als Parasiten dauernd zu erhalten
vermögen und daß eine rein parasitäre Existenz in den meisten Fällen
für den betreffenden Keim im Interesse der Erhaltung seiner Art
durchaus unzweckmäßig ist. Besonders gelte dies für die Erreger der
akuten Krankheiten, „die immer in Gefahr sind, mit ihrem letzten
Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 203
Opfer auszusterben, und wenn sie sich davor nicht durch Sporen-
bildung, durch Uebergang in einen Zwischenwirt oder bei Keimträgern
schützen können, so sehen wir sie meist wieder zur saprophytischen
Lebensweise zurückkehren“. Mit diesen epidemiologischen Verände-
rungen der Di-B. ist die Frage nach der Ursache des spontanen Auf-
hörens oder der dauernden Abschwächung der Epidemie verbunden.
In manchen Fällen sind diese Umwandlungen sicher eine Folge der ver-
änderten Empfänglichkeit der Menschen nach Durchseuchung des Indi-
viduums oder der Bevölkerung, wie z. B. bei Masern, Phthise usw.
Weit häufiger aber stehen die epidemiologischen Schwankungen mit den
biologischen Veränderungen des Erregers im Zusammenhang, indem
spontane und sprunghafte Variationen oder Modifikationen auftreten,
die mit dem Aufhören der Erkrankung und der Epidemie im Zu-
sammenhang stehen. Wenn z. B. die Di-B. bei Di-Kranken wochen-
lang typisches morphologisches, biologisches und tierpathogenes Ver-
halten zeigen und gegen Ende der Erkrankung plötzlich Abweichungen
vom normalen Typ eintreten, die anfänglich noch als atypische Formen
angesehen werden können, dann sich aber so weit verändern, daß
keinerlei Anhaltspunkte für Di-B. mehr bestehen, dann bilden diese
Beobachtungen eine Ergänzung zu den bereits oben mitgeteilten Be-
funden von Baerthlein, Bernhard und Paneth, Schmitz,
Trautmann und Gaethgens und eigenen Beobachtungen, daß durch
Tierpassagen oder durch kulturelle Weiterzüchtung typische Di-B. ihre
charakteristischen Eigenschaften und damit ihre epidemiologische Be-
deutung verlieren können. Damit ist nicht gesagt, daß wir in der Be-
kämpfung der Di. den bisher praktisch bewährten Standpunkt aufgeben
sollen, wie es z. B. Siegert fordert.
E. Schlußfolgerungen.
Fassen wir das Ergebnis unserer morphologischen, biologischen und
serologischen Untersuchungen kurz zusammen, so können die diesen
Untersuchungen zugrunde gelegten 130 Stämme von Corynebakterien
in folgende Gruppen eingeteilt werden.
Gruppe Ia. B. diphtheriae Klebs-Loeffler (Normaltypus).
Lange und mittellange, „oft leicht gebogene Bazillen, wirr, Y-förmig
gelagert, mit Neißerscher Polfärbung an einem oder beiden Enden.
Nach der verlängerten Gramfärbung von Langer sind die Stäbchen
gramnegativ. Auf Natr. oleinic.-Agar (Engering) zeigen sie kein
Wachstum. Maltose und Lävulose werden vergoren, ebenso Dextrose
(Thielscher Nährboden); aus Saccharose wird keine Säure gebildet.
Im tiefen Traubenzuckerstich wachsen sie deutlich anaérob. In Bouillon
zeigen die Stämme fein- oder grobkörnige Flockung. Flüssigkeitssäule
bleibt klar, mitunter ist sie leicht getrübt und am Boden befindet sich
etwas Satz. In Traubenzuckerbouillon wird reichlich Säure gebildet,
weniger in gewöhnlicher Bouillon. Ferner sind die Stämme stark hämo-
toxisch. Auf Glyzerinagar wachsen die Stämme in 3 verschiedenen
Kolonientypen, die aber Uebergänge zeigen; unsere Stämme zeigten
regelmäßig Tierpathogenität für Meerschweinchen und, soweit geprüft,
204 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
für Kaninchen, Hunde, meist auch für weiße Mäuse. Im Agglutinations-
versuch werden die Stämme mit einem Di-I.S. hergestellt mit einem
Stamm dieser Gruppe, fast bis oder bis zur Titergrenze agglutiniert.
Gruppe Ib. Minusvarianten A.
Form, Lagerung, Neißer-, Langer-Färbung, Wachstum auf
Natr. oleinic.-Agar, in Bouillon, Säuregrad, Anaérobeswachstum und
Kolonientypen wie bei der Gruppe Ia. Maltose, Lävulose und Dextrose
werden immer, wenn auch manchmal schwach, vergoren. Sacccharose
bleibt unverändert, das hämotoxische Vermögen kann fehlen. Tier-
versuch (Meerschweinchen und weiße Mäuse) ist immer negativ. Die
Agglutinationshöhe mit den Di-I.S. ist niedriger als bei den Stämmen
der Gruppe Ia. Auch ein inagglutinabler (serumfester) Stamm wurde
beobachtet.
Gruppe Ic. Minusvarianten B.
Meist kurze polgefärbte, wirr, palisadenartig oder auch Y-förmig
gelagerte Stäbchen. Langer-Färbung, anaörobes Wachstum, Wachs-
tum auf Natr. oleinic.- Agar, in Bouillon, Säurebildung und Kolonien-
typen wie bei der Gruppe Ia. Maltose wird nicht vergoren, dgl. Sac-
charose. Aus Dextrose und Lävulose wird Säure gebildet, wenn auch
nur schwach, hämotoxische Fähigkeit fehlt meist oder ist nur schwach
vorhanden. Im Tierversuch (Meerschweinchen, weiße Mäuse) sind die
Stämme apathogen. Serologisch verhalten sich die Stämme wie die
der Gruppe Ib.
Gruppe Id. Minus-Plusvarianten.
Lange und mittellange, polgefärbte Stäbchen in typischer Lagerung.
Langer-Färbung, anaörobes Wachstum, Wachstum auf Natr. oleinic.-
Agar, in Bouillon, Säuregrad, Art der Kolonienbildung, Agglutination
wie bei der vorhergehenden Gruppe. Hämolysinbildung kann fehlen.
Alle Zuckerarten (Maltose, Lävulose, Saccharose, Dextrose) werden ver-
goren. Serologisch verhalten sich die Stämme, wie die der Gruppe Ib.
‘Tierversuche nicht angestellt.
Gruppe Ie. Minus-Plusvarianten B.
Kurze und mittellange, zum Teil starre Stäbchen, mit oder ohne
Polfärbung, Langer-Färbung, Wachstum auf Natr. oleinic. - Agar,
in Bouillon, Säuregrad, anaérobes Wachstum wie bei Gruppe Ia, Lävu-
lose, Saccharose und Dextrose werden vergoren, Maltose bleibt unver-
ändert. Die Fähigkeit, Hämolysine zu bilden, kann abgeschwächt sein.
Der Tierversuch mit Meerschweinchen und weißen Mäusen kann positiv
oder negativ ausfallen. Im Agglutinationsversuch verhalten sich die
Stämme wie die der Gruppe Ia.
Gruppe If.
Zu dieser Gruppe kann der Stamm 87 gerechnet werden. Er
Kliewe, Variabilitätsstudien und Gruppeneinteilung bei Diphtheriebaz. usw. 205
unterscheidet sich von den Stämmen der Gruppe Id nur dadurch, daß
er Maltose vergärt, hingegen Lävulose unverändert läßt.
Das praktisch wichtigste Ergebnis dieser Variabilitätsstudien ist
darin zu erblicken, daß im Gegensatz zu anderen neuerdings unter-
suchten Krankheitserregern (Pneumokokken, Gonokokken, Gasbrand-
bazillen u. a.) die Di-B. zu einer einheitlichen Art gehören und nicht
in konstante Typen zerfallen, damit ist für die Herstellung der Di-
Immunsera ähnlich wie beim Tetanus, Milzbrand u. a. eine eindeutige
Serotherapie gewährleistet.
Gruppe IIa Pseudodi-B.
Kurze, auch mittellange, starre Stäbchen, einzeln, seltener in Nestern,
parallel oder unbestimmt gelagert. Polfärbung nach Neißer fehlt
meistens, in ca. 20 Proz. fanden sich polgefärbte Stäbchen. Nach
Langer färben sich die Bazillen grampositiv, einzelne Stämme sind
gramvariabel. Auf Natr. oleinic.-Agar wird meist deutliches, seltener
schwaches Wachstum beobachtet. Maltose, Lävulose und Saccharose
werden vergoren, Dextrose in den meisten Fällen nicht. Das anaérobe
Wachstum im tiefen Zuckeragarstich und die Hämolysinbildung ist
wechselnd. Bouillon zeigt meist gleichmäßige oder feinkörnige Trübung
mit Bodensatz, oft Häutchenbildung, seltener feine Granula und klare
Flüssigkeit. Geringe Säure- oder Alkalibildung. Auf Glyzerinagar
weißgraue, oft konfluierende Kolonien mit feuchtem Glanz. Zu dieser
Gruppe sind auch die Paradi-B. von Lubinski zu rechnen.
Tierversuch (Meerschweinchen, weiße Mäuse) immer negativ.
Uebergangsgruppe IIb. Minusvarianten A.
Kurze und mittellange Stäbchen, zum Teil Polfärbung zeigend,
parallel oder unbestimmt gelagert. Nach Langer färben sich die
Bazillen grampositiv. Auf Natr. oleinic.-Agar deutliches Wachstum.
Maltose und Dextrose werden nicht vergoren, aus Lävulose und Sac-
charose hingegen Säure gebildet. Die hämotoxische Fähigkeit fehlt.
Bouillon wird gleichmäßig getrübt, Die Säure- bzw. Alkalibildung ist
gering. Auf Glyzerinagar wachsen die Bazillen gleichmäßig rund,
glattrandig, ganz fein gekörnt, im Zentrum etwas dichter als am Rande.
Tierversuche negativ.
Uebergangsgruppe IIc. Minusvarianten B.
Kurze, plumpe, polgefärbte Stäbchen, parallel und in Nestern ge-
lagert. Sie unterscheiden sich von der vorhergehenden Gruppe dadurch,
daß aus Maltose Säure gebildet wird, während Lävulose unverändert
bleibt und Saccharose nur schwach vergoren wird. Auf Glyzerinagar
bilden die Stämme unregelmäßige, runde, zackige, fest zusammengefügte
und deutlich gekörnte Kolonien. Tierversuche mit einem der unter-
suchten Stämme (72) waren negativ.
206 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
Gruppe IId. Minusvarianten C.
Mittellange Stäbchen, parallel oder palisadenartig gelagert, meist
keine oder nur geringe Polfärbung zeigend. Langer-Färbung, Wachs-
tum auf Natr. oleinic.-Agar in Bouillon, in der anaéroben Kultur,
Säuregrad, Hämolysinbildung wie bei den Stämmen der Gruppe Ila.
Auf Glyzerinagar deutliches saftiges Wachstum, Kolonien weißgelb,
erhaben, glattrandig, ganz fein gekörnt. Maltose, Lävulose, Dextrose
werden nicht vergoren, während aus Saccharose Säure gebildet werden
kann. Tierversuche negativ.
Gruppe Ile. Minusvarianten D.
Mittellange, plumpe oder auch kurze plumpe Stäbchen, meist ohne
Polfärbung, parallel oder palisadenartig gelagert, nach Langer gram-
positiv oder auch gramvariabel gefärbt. Auf Natr. oleinic.-Agar deut-
liches Wachstum, anaörobes Wachstum schwach oder fehlend. Hämo-
lysinbildung fehlt immer. Auf Glyzerinagar wachsen die Stämme als
kleine mittelstark gekörnte Kolonien, mit zerklüftetem Rande, im
Zentrum etwas dichter. Säure bzw. Alkali wird überhaupt nicht oder
nur ganz schwach gebildet. Maltose, Lävulose, Saccharose, Dextrose
werden nicht gespalten.
Im Agglutinationsversuch verhalten sich die Stämme der Gruppen
IIa—e einheitlich, indem sie vom Di-I.S. nicht oder nur schwach bis
1:50 agglutiniert werden. Von einem Pseudodi-I.S. werden sämtliche
geprüften Stämme bis 1:800 und darüber agglutiniert.
Hieraus ergibt sich, daß auch die Pseudodi-B. eine einheitliche
Art im engeren Sinne darstellen. Höchstwahrscheinlich ist dies ein
Ergebnis der epiphytischen Anpassung an die Schleimhäute der oberen
Atmungswege.
Was die Stellung der Di-B. zu den Pseudodi-B. anbelangt, so
muß unbeschadet ihrer phylogenetischen Zusammengehörigkeit fest-
gestellt werden, daß einwandfreie Beobachtungen für den Uebergang der
einen Art in die andere, vor allem der Pseudodi-B. in Di-B. nicht vor-
handen sind. Gewisse Erfahrungen aus der Geschichte der Di-Epi-
demien sprechen allerdings dafür.
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Pfalz, Ueber bakteriophage Wirkungen bei Meningokokken. 209
Nachdruck verbolen.
Ueber bakteriophage Wirkungen bei Meningokokken.
[Aus dem Hygienischen Institut der Universität Münster i. W. (Dir.:
Prof. K. W. Jötten).]
Von Dr. med. G. J. Pfalz,
Assistent des hygienischen Instituts der Universität Münster i. W.
Mit 3 Abbildungen im Text.
Der Widerstreit der Meinungen über die biologische und morpho-
logische Wesensart des Twort-d’Herelleschen Bakteriophagen, der im
Anschluß an die 1917 und 1918 erschienenen Mitteilungen d’Herelles
und ihre kritische Prüfung vorwiegend durch deutsche Bakteriologen
während der Jahre 1922—1924 Fachschriften und Fachkongresse be-
herrschte, ist fast verklungen, obwohl die Literatur der beiden ver-
gangenen Jahre weder den Eindruck erweckt, daß das Problem eine un-
widersprochene Lösung fand, noch, daß das Interesse für seine Er-
forschung geschwunden ist. Doch scheint die Ueberzeugung zu über-
wiegen, daß die Frage der Ferment- oder Virusnatur des Bakterio-
phagen auf direktem Wege nicht eindeutig lösbar ist. Die Vertreter
beider Anschauungen beschränken sich deshalb darauf, auf eigenen Be-
funden und diesen abgeleiteten Hypothesen fußend und aufbauend, die
Kenntnis der alle Gebiete der Mikrobiologie und -pathologie berührenden
Wirkungen des vielseitigen Phänomens zu erweitern und zu vertiefen.
Das Erscheinungsbild bakteriophagen Keimzerfalls wird beispielsweise
in logische Beziehungen gebracht zu bestimmten immunbiologischen
Reaktionen des Organismus, ferner zum Chemismus der Anaphylaxie,
zur Aetiologie infektiöser, pathologischer Organzellwucherungen sowie
durch Aphanozoen bedingter Infektionskrankheiten, wobei die end-
gültige Ermittelung begründeter Analogieschlüsse auf Struktur und
Wirksamkeit des Bakteriophagen angestrebt wird. Die überwiegende
Mehrzahl der Versuche wurde, den umfassenden Sammelreferaten von
Schloßberger (1), Doerr (2), sowie Otto und Munter (3) zu-
folge, mit keimfreien Stuhlfilrtaten und Darmsekreten eingeleitet und
mit den Bakterien der Typhus-Ruhr-Coli-Gruppe, in weit weniger
zahlreichen Fällen mit den Erregern tierischer Septikämien und ver-
einzelt mit den gramfesten Kokkenarten fortgesetzt. Wenn nun diese
beiden fast ausschließlich begangenen Wege zur Darstellung und Be-
obachtung hochkonzentrierter Lysine auch die Bedeutung des Darm-
traktus und seiner physiologischen Fähigkeiten für das Zustandekommen
ausgiebiger Bakteriophagenwirkung zu erweisen scheinen, war im Ver-
gleich zu verwandten Erscheinungen mit allgemeiner Gültigkeit die
Vermutung berechtigt, daß sich bakteriophage Vorgänge auf gleicher
Grundlage, wenn auch in ihren Erscheinungen verschieden, bei allen
Mikroorganismen abzuspielen pflegen, ohne daß die sie in Lösung oder
Suspension enthaltenden Flüssigkeiten, beispielsweise entzündliche Se-
krete, Exsudate und Zerebrospinalliquores für unsere Darstellungs-
methoden immer zugänglich oder geeignet sind.
Diese Annahme fand unmittelbar nach der Mitteilung ,,Bakterio-
phagenähnlicher Erscheinungen bei Milzbrand durch Katsu (4)
Erste Abt. Orig. Bd. 101. Heft 4/5. 14
210 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
dadurch eine Bestätigung, daß wir auf einer 24stünd., 30proz. Aszites-
agar-Plattenkultur von Meningokokken etwa ein Dutzend kreisrunder,
steriler, scharf wallartig von Kokkenrasen umgrenzter, annähernd gleich-
großer Kulturaussparungen beobachteten, die einen Durchmesser von
von etwa 3—5 mm hatten und sich in keiner Weise von den ,,keim-
freien Flecken“ d’Herelles unterschieden. Ihre scharfe Umrandung
und ihre übereinstimmende Kreisform schlossen von vornherein jede
Verwechslung mit den bei Meningokokken häufig von uns beobachteten,
auf ungenügenden oder das "Wachstum störenden Nährbodenzusätzen
beruhenden Kulturlücken aus.
Die aus diesem Befunde sich ergebende Frage nach der Wesensart
der eigenartigen Kulturdefekte bzw. deren Identität mit dem Twort-
d’Herelleschen Phänomen, nach ihrer ursächlichen Herkunft so-
wie den hieraus hervorgehenden Hinweisen auf Natur und Genese der
Bakteriophagie im allgemeinen bestimmten den Gang unserer Unter-
suchungen nach drei Gesichtspunkten:
1) Ist eine Fortzüchtung und quantitative Anreicherung des ly-
tischen Prinzips von Kultur zu Kultur und cine Abgrenzung seiner
Wirkungsbreite innerhalb der verschiedenen Keimgattungen möglich ?
2) Ist die Meningokokkenkultur oder deren Nährboden, der Aszites-
agar bzw. dessen Zusätze oder Abbauprodukte der Ausgangsort der
Bakteriolyse ?
3) Besteht eine Artverwandtschaft der Meningokokken- und Darm-
bazillenlysine auf Grund von Wechselbeziehungen, und ergeben sich
hieraus Schlüsse auf Art und Ursprung der Bakteriophagie ?
In der Absicht, das bakteriophage Agens, dessen Wirkung sich
entweder auf oder innerhalb der unbewachsenen kreisrunden Nährboden-
schicht entwickelt haben mußte, zur Darstellung zu bringen, strichen
wir einerseits die Ränder der Kulturlöcher samt dem angrenzenden
Kokkenrasen auf Plattenkulturen aus, um erneute Aussparungen und
Flatterformen entsprechend unseren Erfahrungen bei Ruhr- und Typhus-
bakteriophagen zu erzielen. Andererseits schnitten wir die Kultur-
lücken samt dem Aszitesagar mit sterilem Spatel aus und brachten
sie gleichzeitig mit einer Normalöse 24stünd. Kultur des zleichen
Stammes in Bouillon, um eine Anreicherung des Lysins auf Kosten
der hinzugefügten Kokkensubstanz zu bewirken. Der erste Weg führte
zu negativem Ergebnis. Auch der zweiten Darstellungsmethode stellte
sich zunächst eine Schwierigkeit entgegen, die unseres Erachtens die
quantitative Gewinnung von Meningokokkenbakteriophagen durchweg
stark zu beeinträchtigen pflegt: der wachstumfördernde Aszites- oder
Serumzusatz zur Bouillon konnte durch Absorption oder Bindung einer
mehrminder beträchtlichen Lysinmenge ebenso wie die Verwendung der
das Kokkenwachstum hemmenden reinen Fleischbrühe infolge Mangels
junger, lvsinogener Kultur zur Verschleierung der tatsächlichen Vor-
gänge führen. Um den geeigneten Mittelweg zu finden, brachten wir die
vorerwähnten lvsinhaltigen Nährbodenstücke in je 10 cem reiner Fleisch-
brühe und solcher mit Zusatz von 2 Proz. Traubenzucker, von 10 Proz.
Aszites und 5 Proz. Pferdeserum, schickten den Inhalt der 4 Röhrchen
nach 24stiind. Bebrütung bei 370 durch Berkefeld-Kerzen und
betropften mit den Filtraten mittels Kapillaren frisch beimpfte Platten-
kulturen des zugehörigen Stammes mit dem Ergebnis, daß die Kultur-
filtrate von reiner und traubenzuckerhaltiger Bouillon, die schon vor der
Filtration durch auffallende Aufhellung Lyse verrieten, im Gegensatz
Pfalz, Ueber bakteriophage Wirkungen bei Meningokokken. 211
zu den aszites- und serumhaltigen Röhrchen scharf umrandete Kultur-
defekte im Bereiche der Tropfen zeigten (Fig. 1).
In Anbetracht der starken Bouillonverdünnung der lytischen Aus-
gangssubstanzen war eine erhebliche Anreicherung des Lysins er-
wiesen; die Wirkung des Lysins zeigte sich unvermindert bis zu dessen
10facher Verdünnung sowie in 2 im Anschluß an seine Darstellung her-
gestellten Bouillonkulturpassagen des gleichen Kokkenstammes. Die
Beschränkung der lytischen Fähigkeit des gewonnenen Filtrates auf
den beeinflußten Stamm, auf bestimmte biologisch und serologisch
von Jötten (7) getrennte Gruppen innerhalb der Gattung, endlich auf
die ihr verwandten Kokkenrassen wurde dadurch geprüft, daß die Lysate
erster und zweiter Passage auf frischbeimpfte Kulturen von 16 Me-
ningokokkenstämmen verschiedenster Gruppenzugehörigkeit, 5 Gono-
kokkenstämmen und 2 Stämmen Micrococcus katarrhalis, ferner
von 3 Pneumokokken- sowie je 3 Typhus- und Ruhr-, Paratyphus- und
Pararuhr-, Coli- und Aerogenes-Stämmen getropft wurden. 94 Proz.
der geprüften Meningokokken,
80 Proz. der Gonokokken und beide
Katarrhalisstimme zeigten Wachs-
tumshemmunginnerhalb des Tropfen-
bereichs mit graduell stärkster Wir-
kung bei den Meningokokken. Von
den Pneumokokken blieb ein Drittel
unbeeinflußt; die Gruppen der Para-
typhus-, Pararuhr- und Kruse-
Shiga-Ruhrbazillen zeigten keiner-
lei Hemmung. Von den Typhus- und
Coli-Bazillen wiesen nur 2 Stämme
Spuren einer Lysinwirkung auf, die
auf Grund früherer Befunde Che-
mikalien und Fermenten gegenüber
allgemein als labil bekannt waren.
Es liegt also eine in erster Linie
auf die Meningokokkengattung
insgesamt, in weiterem Sinne
auf die morphologisch ihnen
nahestehenden gramfreien Diplokokkenarten beschränkte Spezifität
der Bakteriolyse vor. Der Befund vorwiegender Wirkung des
Lysins auf Meningokokken wurde dadurch bestätigt, daB die ausge-
schnittenen, die sterilen Flecken enthaltenden Aszitesagarscheiben von `
4 Meningokokkenstämmen in Traubenzuckerbouillonkulturen der zuge-
hörigen Stämme stark lytische Filtrate lieferten, während mit 4 Gono-
kokken- und 2 Pneumokokkenstämmen bei sonst gleicher Versuchs-
anordnung eine Fortzüchtung nicht gelang.
Die erwähnten Befunde lytischer Filtratwirkung wurden 3 Monate
später mit dem unvermindert wirksamen, durch Phenolzusatz kon-
servierten Lysin bestätigt; sie führten zu dem endgültigen Schlusse,
daß die eingangsmitgeteilten, anscheinend spontan aufgetretenen Kultur-
löcher auf bakteriophager Ursache entstanden und dem Twort-
d’Herelleschen Phänomen wesensverwandt sind.
Ebenso wichtig wie die Ermittelung des biologischen Geschehens
für die Kenntnis bakteriophager Meningokokkenlyse war die Feststellung
der Herkunft des wirksamen Agens. Der Gedanke, der anscheinend
14
Fig. 1. Bakteriophagenwirkung gegen-
über Meningokokken im Plattentropfver-
versuch nach Bouillonkulturpassage.
212 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
spontan aufgetretene Bakteriophage könne dem vier Wochen vorher
aus England zugesandten Stamm von altersher angehaftet haben und ihm
gegenüber auf unseren Kulturen erst allmählich infolge hypothetischer,
vielleicht durch den Nährbodenwechsel bedingter. biologischer Um-
stimmung wirksam geworden sein, lag ähnlichen Befunden unserer-
seits (8) sowie von Gildemeister und Herzberg (9), von Bail
(10) und Suzuki (11) zufolge nahe, mußte aber verworfen werden, da
einzelne Kulturlöcher späterhin wiederholt bei 3 anderen Meningo-
kokkenstämmen, die über Jahr und Tag fast täglich von uns beobachtet
worden waren, spontan auftraten. Wir mußten danach folgerichtig in
dem zur Kultur verwendeten Nährboden und zwar in dessen Aszites-
zusatz den Herd der Bakteriophagenbildung erblicken, wofür sich
folgende weitere Anhaltspunkte boten:
Stark konzentrierte Aszitesagarkulturen, hergestellt aus 5proz.
Agarlösung mit 50 Proz. Asziteszusatz, lieferten bei 6 Meningokokken-
stämmen typische Kulturaussparungen (Fig. 2).
Fig. 2a. Fig. 2b. Fig. 2c.
Fig. 2a, b und c. Spontanauftreten von Meningokokken-Bakteriophagen auf kon-
zentrierten Aszitesagarkulturen.
Der Wechsel des Aszitesspenders hatte Ausbleiben spontaner Bak-
teriophagenbefunde zur Folge.
Gelegentlich früherer Untersuchungen in anderem Zusammenhange
(8) ist uns aus einem durch Laparotomie entleerten Peritonealexsudate
einer an puerperaler Pyämie und kavernöser Lungenphthise erkrankten
Patientin die Darstellung starker Ruhr- und Coli-Lysine nach deren
vorherigem Nachweis im Stuhlfiltrate der Kranken gelungen, so daß
uns die Möglichkeit des Auftretens bakteriophager Kräfte inner-
halb peritonealer Ex- und Transsudate als erwiesen galt.
Nahmen wir den verwendeten Aszites als Ausgangsort der Bakterio-
phagie an, so konnten sich ihm entweder gelöste oder suspendierte Darm-
lysine durch Darmdiffusion oder -läsion beigemischt und ihre Wirk-
samkeit gegenüber der Meningokokkenkultur nach Anpassung an das
veränderte Objekt direkt fortgesetzt haben.
Entsprechend den Bakteriophagenfunden von Bordet und Ciuca
(12) in peritonealen Exsudaten vorbehandelter Meerschweinchen wurde
auch das Vermögen selbständiger Bildung des Lysins oder einer durch
Hinzutreten von Bakterien zu aktivierenden Vorstufe seitens des Peri-
toneums des Aszitesspenders erwogen.
’
Pfalz, Ueber bakteriophage Wirkungen bei Meningokokken. 213
Ebenso konnte die beobachtete Kokkenauflösung indirekt durch
Chemikalien, etwa von der Desinfektion zurückgebliebene Sublimat-
reste, das konservierende Chloroform oder giftige Zwischenstufen der
organischen Eiweißanalyse katalysatorisch eingeleitet und autolytisch
fortgeführt worden sein.
Die unter diesem Gesichtspunkte vorgenommene Prüfung des chloro-
formreichen Zentrifugats des Aszites, das wir mit Agar zu Platten-
kulturen verarbeiteten, verlief unbefriedigend, da nur in einem Einzel-
falle deutliche Lochbildung auftrat, während im übrigen nur allgemeine
Wachstumshemmung zu beobachten war.
Angeregt durch die Arbeiten von Ficker (13), der eine völlige
Meningokokkenauflösung durch taurocholsaures Natrium erzielte, und
Flexner (14), der durch Toluolzusatz zu gleichem Ergebnisse und
daraufhin zur Annahme autolytischer, nach Abtötung der Keime frei-
werdender Endofermente bei Meningokokken kam, führten wir mit
den erwähnten beiden Substanzen sowie einer Reihe von Farbstoffen
und Metallsalzen verschiedenster Struktur, die von Jötten und Lüdke
(15) als besonders aggressiv gegenüber Meningokokken erwiesen waren,
in der oben angegebenen Weise Plattentropfversuche aus, die zwar
innerhalb des Tropfenbereichs zu Kulturaussparungen selbst nach uns
nur bei Bakteriophagen geläufigen stärksten Verdünnungen der Agen-
tien führten, niemals aber eine Fortführung, geschweige denn An-
reicherung des wirksamen Prinzips über mehr als eine Bouillonkultur-
passage ergaben.
An Hand dieser Befunde konnte die eingangs beschriebene Be-
obachtung bakteriophager Meningokokkenlösung unmöglich als Folge
primärer, grob unspezifischer chemischer Zellschädigung und daran
sich anschließenden autolytischen Zerfalls gelten; folglich lag der
Gedanke nahe, ein organisches, dem Darm oder Peritoneum ent-
stammendes, mit der besonderen Fähigkeit enzymartiger, unspezifischer
Einleitung selbständig sich fortsetzender spezifischer Zerfallserschei-
nungen innerhalb der Kokkenkultur anzunehmen. Zum Beweis dieser
Folgerung mußte die experimentelle Darstellung vorwiegend gegen Me-
ningokokken wirksamer Lysine organischen Ursprungs erreicht werden.
Da der logisch nächstliegende Weg zu diesem Ziele, die Prüfung einer
größeren Anzahl Zerebrospinalliquores von Meningitiskranken und -re-
konvaleszenten auf Meningokokkenlysine infolge gegenwärtigen Material-
mangels späteren Untersuchungen unsererseits vorbehalten bleiben muß,
versuchten wir eine experimentelle Wiederholung der anscheinend spon-
tan aufgetretenen bakteriophagen Vorgänge mittels eines im Handel er-
schienenen Pankreaspräparates, „Pankreon“, das uns für unsere Ver-
suche durch die herstellende Firma!) in dankenswerter Weise zur Ver-
fügung gestellt wurde und den Ergebnissen von Hoder und Suzuki
(11, 16) zufolge als eine ergiebige Fundstätte für Bakteriophagen der
Ruhr-Typhus-Coli-Gruppe erwiesen war.
Da wir auf Grund der mitgeteilten Beobachtungen sowie früherer
eigener, mit zahlreichen anderen Untersuchern übereinstimmender Er-
gebnisse bei Ruhr-, Typhus- und Coli-Lysinen beim bakteriophagen
Vorgange eine bezüglich Herkunft und Angriffsfähigkeit der Lysine
allen Bakterienrassen gegenüber relativ unspezifische, fermentartig ein-
leitende und eine für die einzelnen Gattungen infolge Eigenbildung der
1) „Rhenania“ Verein Chemischer Fabriken A.-G. Aachen.
214 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
weiterhin tätigen Agentien spezifische, endgültig wirksame zweite Phase
annahmen, enthielt die Hoder und Suzuki gelungene Darstellung
von Darmbazillenlysinen aus Pankreon für uns die begründete Aussicht,
in diesem Organpräparate lysinogene Körper enzymartiger Struktur
zu ermitteln, welche die an die Kokkensubstanz gebundenen artspe-
zifischen Lysine zu unbegrenzt fortführbarer Wirkung aktivieren
würden. Wir stellten darum eine 'Aufschwemmung des Präparates in
Traubenzuckerfleischbrühe (0,5 Pankreon auf 10,0 Bouillon) her, die
wir nach Abschleudern des Bodensatzes durch einstündiges Erhitzen
auf 58—60° sterilisierten und danach dauernd bei 37° hielten. Mit
derartigen, aus fünf verschiedenen Packungen gewonnenen Pankreon-
suspensionen betropften wir unmittelbar nach deren Herstellung, so-
wie nach 1, 2, 3 und 5 Tagen mehrere Meningokokkenplattenkulturen,
späterhin zum Vergleich auch Coli-, Paratyphus-, Ruhr- und Para-
ruhrkulturen, ohne eine Spur bakteriophager Wirkung zu sehen.
Ganz anders war das Ergebnis, als keimfrei gemachten, pankreon-
haltigen Fleischbrühröhrchen je eine Normalöse dreier verschiedener
Meningokokkenstämme zugesetzt, und das Gemisch nach 24stünd. Brut-
schrankaufenthalte bei 37° erneut zentrifugiert und durch einstündiges
Erhitzen auf 58—60° sterilisiert worden war. Verarbeiteten wir einen
Teil davon im Verhältnis 1:10 zu Aszitesagarplatten, so traten nach
Beimpfung mit den drei verschiedenen Meningokokkenstämmen bei dem
Stamme E, flächenhafte, wallumgrenzte, rundliche und ovale Wachs-
tumshemmungen auf, in deren Mitte sich ein auffallend zarter Rasen
offenbar lysinresistenter Kokken fand. Die Wirkung, die merkwürdiger
Weise auf den einen Stamm beschränkt blieb, verstärkte sich bis zu
völliger Sterilität der Flecken, nachdem wenige Tropfen der lytischen
Flüssigkeit in frische Meningokokkenbouillonkulturen (eine Normalöse
auf 5 ccm) gebracht worden waren. Betropften wir andererseits mit:
der lysinhaltigen Flüssigkeit frisch beimpfte Meningokokken-Platten -
kulturen, so zeigte sich zunächst bei dem gleichen Stamm E, ein feiner,
ringförmiger steriler Saum am Tropfenrand, nach einmaliger Kultur-
passage ein völlig unbewachsener Fleck im Tropfenbereich, nach zwei
weiteren Passagen in gleicher Weise auch bei den beiden anderen
Stämmen. Dabei erwies sich die lytische Fähigkeit so stark, daß völlige
Aufhellung und Keimfreiheit des mit einigen Tropfen der vorher-
gehenden Passage beschickten und mit einer Normalöse Kokken be-
impften Traubenzuckerbouillonröhrchens eintrat, ein Vorgang, der in an-
betracht der hochgradigen Verdünnung nicht mehr auf primäre Pankreon-
wirkung, sondern auf selbständige, sekundäre, durch das Pankreon
in Freiheit und Tätigkeit gesetzte Kokkenautolysine zurückgeführt
werden muß. In dieser Folgerung wurden wir bestärkt durch die
völlige Wirkungslosigkeit reiner Pankreonbouillon, die wir unmittel-
bar nach Herstellung sowie 1—5tagiger Bebrütung bei 37° im Platten-
tropfversuch gegenüber verschiedensten Meningokokkenkulturen prüften,
entsprechend den Beobachtungen, die auch Jötten gelegentlich früher
mitgeteilter Versuche an Trypsinbouillonkontrollen machen konnte. Die
Bildung steriler Flecken schrieben wir demzufolge den sekundär ge-
bildeten Autolysinen zu, die infolge der notwendigen ausgiebigen” und
langdauernden Reaktionsmôglichkeit der Ferment- und Bakterien-
substanz nur in flüssigen Medien in wirksamer Menge entstehen können.
Das in oben beschriebener Weise dargestellte Lysin nahm in seiner
Angriffsfähigkeit gegenüber dem zu seiner Bildung verwendeten Stamm
Pfalz, Ueber bakteriophage Wirkungen bei Meningokokken. 215
erst bei Verdünnungen über 1/3200 ab. Es erzeugte im Plattentropf-
versuch sterile Flecken übereinstimmend bei 5 Meningokokkenstämmen
verschiedener Gruppenzugehörigkeit, in gleicher Weise bei 4 Gono-
kokkenstämmen, doch zeigte sich bei Ermittlung seiner Wirkungs-
grenze durch zunehmende Verdünnung der lysinogene Stamm am
stärksten, die Gonokokkenstämme am wenigsten empfindlich. Ein Ruhr-
stamm und je 3 Pararuhr-, Paratyphus- und Coli- Stämme blieben völlig
unbeeinflußt (Fig. 3). $
Auf die ursächlichen Beziehungen, die diese von uns durch
Pankreasextrakte verursachten, unbegrenzt fortführbaren autolytischen
Vorgänge zur Natur und Genese des d’Herelleschen Phänomens
im allgemeinen haben, wird noch besonders zurückzukommen sein. Hier
sei nur auf die Analogie der Erscheinungen hingewiesen, die zwischen
der experimentell wohl durch tryptische Pankreasenzyme ausgelösten
Meningokokkenauflösung und der
Eingangs beschriebenen, dem As-
ziteszusatz des Nährbodens folge-
richtig zugeschriebenen Kokken-
lyse besteht, deren Ursache nun-
mehr auf aszitesgelöste oder sus-
pendierte enzymartige Substanzen
zurückgeführt werden kann.
Um die Zweiteilung des bak-
teriophagen Vorganges in eine be-
züglich der anzugreifenden Keim-
gattung unspezifische Reizphase
und eine daraufhin selbständig
und vorwiegend die eigene Art
schädigende Autolyse durch ein
eigen gebildetes spezifisches Prin-
zip zu erweisen und damit das Zu-
standekommen der Bakteriophagie
im allgemeinen dem Verständnis
näher zu bringen, gaben wir einige Fig. 3. Aus Pankreon nach dreimaliger
Tropfen hochwirksamen Meningo- Bouillonkulturpassage gewonnener Bakterio-
kokkenlysi ti phage nach Einwirkung auf 3 Meningokokken-
okkenlysins zusammen mit je stämme.
einer Oese Ruhr- und Pararuhr-
kultur in Bouillon und stellten nach 48stünd. Bebrütung und Sterili-
sation, die wir, um technische Fehler zu vermeiden, sowohl durch Ab-
schleudern des Bakteriensedimentes und halbstündiges Erhitzen auf 55
bis 600 als auch durch Filtration mittels Kieselgurkerzen vornahmen,
Plattentropfversuche gegenüber dem entsprechenden Ruhr- und Para-
ruhrstamme an. Das Wachstum der Ruhr- und Pararuhrerreger blieb
völlig ungehemmt, dagegen zeigte das Filtrat noch immer, wenn auch
im Vergleich zu einem unter gleichen Bedingungen mit dem lysogenen
Meningokokkenstamm gewonnenen Filtrat verminderte Lyse gegenüber
der entsprechenden Kokkenkultur. Auch durch 3fache Kulturpassagen
der erwähnten Ruhrstämme war ihnen gegenüber eine lytische Wirkung
des Meningokokkenlysins nicht zu erzielen. Zu demselben Ergebnis
führten gleichsinnige Versuche mit einem nach zwei Bouillonkultur-
passagen aus Pankreon gewonnenen Pararuhrlysin, das Meningokokken-
kulturen selbst nach 3 mit diesen nach Lysinzusatz vorgenommenen
Passagen durchaus unbeeinflußt ließ. In der Erwägung, das Fehlen
216 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
des Uebergreifens oder der Anpassung der unter Einwirkung von
Pankreassubstanz gegenüber bestimmten, morphologisch unterschiedlichen
Keimgattungen getrennt ermittelten Bakteriophagen könne von zu ge-
ringer Konzentration der lytischen Agentien abhängig sein, gingen
wir folgendermaßen vor: Durch mehrwöchige tägliche Darreichung
lebender Colikultur in dünndarmlöslichen Geloduratkapseln, die wir
in anderem Zusammenhange zu experimentell therapeutischen Beob-
achtungen an Paratyphusdauerausscheidern gaben, wurde aus dem
Stuhlfiltrat des behandelten Patienten ein Lysin gewonnen, das bereits
nach einmaliger Passagenzüchtung gegenüber dem lysinbildenden Stamm
noch in Verdünnung 1/,00000000 deutlich wirksam war, während
vor der Behandlung diesem Stamme gegenüber keinerlei lytische Wirkung
des gleichen Stuhlfiltrates feststellbar war. Gleichzeitig löste das ge-
wonnene Lysin bis zur Verdünnung 1/,55000 einen Paratyphus B-Stamm
und in geringerer Weise je einen Typhus- und Paratyphusstamm. Dieses
konzentrierte Lysin zeigte keinerlei Angriffsneigung gegenüber drei
Meningokokkenstämmen; es zeigte selbst, nachdem wenige Tropfen
davon in frische Meningokokkenbouillon gebracht und nach 48stünd. Be-
brütung bei 370 durch Filtration und Zentrifugieren keimfrei ge-
macht waren, keinerlei Wirkung den Kokken, wohl aber noch
wenn auch abgeschwächt, dem lysinogenen Colistamme gegentiber.
Nach zwei weiteren Passagen stellte sich eine schwache randférmige
Kulturaussparung bei zwei Meningokokkenkulturen im Tropfversuch
ein, der indessen, da sie sich in den folgenden Passagen nicht ver-
stärkte, keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen werden konnte.
Fügen wir die entscheidenden Befunde der mitgeteilten Beob-
achtungen und daran anknüpfenden Untersuchungen zu einem einheit-
lichen Erscheinungsbilde bakteriophager Vorgänge auf Meningokokken-
kulturen zusammen und suchen wir ihm eine Gesetzmäßigkeit für das
Entstehen und Geschehen bakteriophager Keimlösung überhaupt ab-
zuleiten, so kommen wir zu folgendem Urteil: Das Auftreten bak-
teriophager Lysine nach Einwirkung von Peritonealexsudat und Pan-
kreassubstanz in Meningokokkenkulturen spricht für die Bedeutung der
biologischen Zelltätigkeit des Organismus bei der Lysinbildung.
Die Wirkungslosigkeit des Pankreasextraktes ohne vorherige mehr-
stündige Reaktion mit Kokkensubstanz sowie das Unvermögen, zwei aus
gleicher Pankreassubstanz dargestellte, auf rassenverschiedene Bak-
terien getrennt eingestellte Bakteriophagen wechselseitig in ihrer ly-
tischen Wirkung einander anzupassen, beweist die Zweigliederung des
bakteriophagen Vorganges in eine unspezifische fermentative Reizphase,
die ihrerseits eine der Kokkensubstanz zuzuschreibende und vorwiegend
gegen die eigene Art gerichtete Autolyse bedingt.
Beide Befunde machen die Annahme eines belebten bakteriophagen
Virus unwahrscheinlich, da einerseits die Gegenwart eines vorgebildeten,
mikrobenartigen Meningokokkenbakteriophagen gerade in normaler Pan-
kreasorgansubstanz wegen dessen isolierter Bedeutung und seltenen
Bedarfs für den Organismus kaum vorstellbar ist. Andererseits kann
eine dauernde Bindung eines hypothetischen Virus an die Kokken-
substanz und dessen Aktivierung durch Fermente nicht erwogen werden,
da schwerlich eine Infektion sämtlicher, das Lysin nachweisender
Stämme, die geprüft wurden, mit den Bakteriophagen von alters her
denkbar ist.
Yakimoff, Le toxoplasme des poissons. 217
Literatur.
1. Schloßberger, Zeitschr. f. Haut- u. Geschlechtskrankh. Bd. 4. H. 7.
2. Dörr, Berger u. Brüninger, Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh.
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Jötten, Klin. Wochenschr. 1922. IL. Nr. 44. S. 2181. — 8. Pfalz, [Inaug.-
Diss. Leipzig. 9. Gildemeister u. Herzberg, Centralbl. f. Bakt. Abt. I.
Orig. Bd. 93. S. 802. — 10. Bail, Med. Klin. 1925. Nr. 34. — 11. Suzuki,
Zeitschr. f. Immunitätsf. Bd. 47. S. 143. —. 12. Bordet u. Ciuca, Sup
rend. soc. de Biol. T. 83. 1920. p. 1296. — 13. Ficker, Arch. f. BE
Bd. 68. S. 1. — 14. Flexner, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 43. 1
— 15. Jötten u. Lüdke, Arb. a. d. R.-G.-A. Bd. 57. S. 271. — 16. Hoder
u. Suzuki, Centralbl. f.Bakt. Abt. I. oe Bd. 98. 1926. S. 433. — 17. Borchardt,
Zeitschr. f. ’ Immunitätsf. Bd. 37. 1923. 1. — 18. Seiffert, Ibid. Bd. 38.
1923. S. 292. — 19. Prausnitz, Klin. Wochenschr 1922. S. 1639. — 20. Ders.
u. van der Reis, Deutsch. med. Wochenschr. 1925. Nr. 8. — 22. Mießner
u. Baars, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 93. 1924. S. 131*. — 23:Keller,
Zeitschr. f. Hyg. Bd. 103. S. 177. — 24. d’Hérelle, Centralbl. f. Bakt. Abt. I.
Orig. Bd. 96. 1925. S. 385.
Nachdruck verboten.
Le toxoplasme des poissons.
[Service de Protozoologie de l’Institut bactériologique-vétérinaire à
Leningrade (Pétrograde). |
ar le Prof. Dr. med. et med. vet. W. L. Yakimoff.
Avec 19 figures en texte.
Depuis de 1909, quand Ch. Nicolle et Manceaux ont trouve
en Tunisie chez le Ctenodactylus gondii Pall. le parasite nouveau
nommé le Toxoplasma gondii, beaucoup des toxoplasmes sont con-
nus. Le Tableau I indique ces organismes :
Mais personne n’a pas vu les toxoplasmes chez les poissons.
En juin de 1926, pendant la campagne anti-piroplasmique dans
le district de Lodeïnoé Polé (gouvernement de Léningrade | Pétrograde]),
organisée par la Direction agronomique du nord-ouest de la Russie, nous
avons fait la séction de deux brêmes, capturés du lac de Pidma, riche
en poissons.
Nous avons trouvé sur les frottis du foie et du grattage de la mu-
qeuse de l'intestin les organismes, dont le protoplasme se colore après
Leishman en bleu et le noyau en rouge. Les formes en arc avec les
éxtrémités effilées (dimension: 5,60—6,65 u x 2,10—2,70 u) et avec le
noyau au milieu (2,80 u) sont fréquentes (fig. 1). Quelquefois une ou
tous les deux éxtrémités sont arrondies (fig. 2 et 3) ou se rencontre la
forme plus ou moins droite (fig. 4 et 5) ou plus trapue de dimension
5,10 u X 3,15 x (fig. 6). Il peut que l'organisme piriforme avec le
grand noyau (4,30—5,60 u X 3,15—4,90 u) (fig. 12) ou en citron
(6,30 u X 4,90 u) (fig 13) sont les formes de multiplication. Les formes
de multiplication nette persistent. Dans les organismes en arc nous
avons vu 2, 3 et 4 noyaux (fig. 7 et 11); les dimensions de ces formes
jusqu'à 7,35 u x 2,80—4,20 u. Le protoplasme se divise en deux
(T u X 4,9 u; fig. 10) et peut-être, en quatre (fig. 11).
Ensuite se rencontrent les formes rondes (5,60—7,35 u; fig J6 et
g
18), où aussi s'observe la multiplication (fig. 19). Peut-être les for-
218 Ceutralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4 5.
Tableau I.
ie = — = =
Les noms des toxoplasmes| L'animal | Les pays Les auteurs
L Mammifères | i
T. gondii Nicolle et (Ctenodactylus |Tunisie Ch. Nicolle et Man-
Manceaux, 1909 | gondii ceaux, Chatton et
| Blanc
T. cuniculi Splendore, Lapin 1) Bresil; 2) Sénégal ;/1) Splendore, Carini;
1909 3) Congo 2) Bourret; 3) Sa.
ceghem
T. canis Mello, 1910 (Chien
T.talpae Prowazek, 1910 Taupe
T. musculi Sangiorgi, Souris
1913
T. ratti Sangiorgi, 1915 | Rat
T. pyrogenes Castellani, Homme
1914
T. sciuri Coles, 1914 |Ecureil
T. caviae Carini et Mi- Cobaye
gliano, 1916
T. sp. Plimmer, 1916 Cryptoprocta
ferox
T. sp. Thézé, 1916 Singe (Mycetes,
senilicus) |
II. Oiseaux
T. columbae Yakimoff
|Pigeon
et Kohl-Yakimoff
T. paddae
T. atticoriae >
T. ramphocoeli &
T. paroariae io; 7,
T. sporophilae Oiseaux divers
|
. tanagrae
. Sicalidis
. brachyspizae
. avium Marullaz, 1913
m
©
=
- |
Oiseaux divers
T. liothricis Laveran Liothrix luteus
et Marullaz, 1914
T. sp. Plimmer, 1916
Pigeon (Car-
| pophaga
concinna
Pratneola
' caprata
Item
III. Reptiles |
T. sp. Plimmer, 1916 ‘Serpent
| (Coluber
| melano-
| Brésil
1) gy lie; 2) Allemag
5) Hasi 4) Tunis;
Venne
Japan
\[talie
1) Ceylon ; 2) Russie (?);
Angleterre
Madagascar
Guyane francaise
1) Brésil; 2) Inde portu-
guèse
Brésil
ne;
1) U. Mello; 2) Yaki-
| moff et Kohl-Yaki-
moff; 3) Carini et
Maciel; 4) Blanc;
p Campuzano
v. Prowazek
Sangiorgi
1) Castellani; 2) Fédo-
Mitch
Coles
Carini et Migliano
Plimmer
Thézé
1) Carini; 2) F. de Mello
et collabor. 1
t
Beaurepaire Aragäy
France, Inde, Japan,
Brésil, Afrique |
Île Aru
Inde
Mexique
| leucus)
mes rondes avec 2 noy
Blanc.
Les formes de division se recontrent
piriformes (fig. 14 et 15).
Les parasite
éléments.
Laveran, Marullaz,
Anschütz, Mire,
Plimmer, Carini et
Maciel, Mayer
Laveran et Marullaz
Plimmer
Plimmer
Plimmer
s Sont toujours isolés et jamais inclus dans
aux sont les schizontes in sensu Chatton et
aussi parmi les Organismes
quelques
Yakimoff, Le toxoplasme des poissons. 219
Ils sont frequents sur les frottis du foie et moins frequents dans
l'intestin.
Nous n'avons trouvé aucuns parasites dans le sang, les organes et
l'intestin. L'examen du contenu de l'intestin (avec la solution du NaCl
concentrée) n’a donné les œufs des hélminthes, ni oocystes des coccidies.
C’est le premier cas de la toxoplasmose des poissons et en général
en Russie (la nature toxoplasmique des organismes trouvé par Mme
Fig. 1—19.
Fedorovitsch dans le sang périphérique d’un enfant au Caucase,
atteint de splénomégalie, est douteux; d’après Ed. et Et. Sergent
et Parrot il serait une hémogrégarine voisine de IH. elliptica).
Le tableau IT donne les dimensions des toxoplasmes connus et de
notre. (Tableau IL p. 220.)
Nous donnons à ce organisme le nom, en hommage de notre regrette
collaboratrice Mlle Wéra Wassilewsky, Toxoplasma wassi-
lewsky n. sp.
220 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
_Tableau II.
— - — = - = =
Les noms | L'animal Longueur er Les auteurs
tn En ee on pe o = L `
T, gondii Ctenodactylus gondii| 5 @ 5—7) | 2—3 (—5) |Ch.Nicolle et Manceaux
T. cuniculi Lapin —8 2—4 Splendore, Carini
T. talpae Taupe 210 2—5 v. Prowazek
4,26—8,52 | 1,42—2,84 |Yakimoff et Kohl-
T. canis |Chien Yakimoff
5-9 Es Carini et Maciel
T. musculi |Souris 3,5-48 1,8—2,4 eae
T. ratti Rat 6,4 2,4 | Sangiorgi
T. seiuri \Keureil 5—8 2—3 Coles EN
T. caviae Cobaye 5—8 2—4 Carini et Migliano
7—12 (sang) :
T. pyrogenes | Homme 3—5 (rate) Castellani
\ 7 2-3 |Fédorovitch
T. avium ‘Oiseaux 5—6 23 Marullaz
T. liothricis ‚Liothrix luteus 5—7 2,5—3 |Laveran et Marullaz
T. wassilewsky ‘Brême | 5,6—8,52 1,42—2,84 Yakimoff
e
Nachdruck verboten.
Gärungsversuche mit Milzbrandbazillen ).
| Aus d. Statens Seruminstitut Kopenhagen (Dir.: Dr. Th. Madsen).!
Von Martin Kristensen.
Jeder, der sich mittels zuverlässiger und bequemer Methoden mit
Untersuchung des Verhaltens verschiedener Bakterien gegenüber einer
größeren Anzahl von Kohlehydraten, polyvalenten Alkoholen und ge-
wissen anderen, chemisch wohldefinierbaren Stoffen beschäftigt hat,
muß notwendigerweise davon überzeugt werden, daß diese Gärungs-
reaktionen für die bakteriologische Diagnostik von außerordentlicher
Bedeutung sind, und in jeder Beschreibung eines Bakterienstammes,
welche eine einigermaßen erschöpfende Darstellung von den konstan-
testen Eigenschaften des betreffenden Stammes zu geben beansprucht,
ganz unentbehrlich, wenn der betreffende Bazillus überhaupt imstande
ist, Gärungen hervorzurufen.
Merkwürdigerweise hat man eben bei einigen der wichtigsten
pathogenen Mikroben sich nur in geringem Grade mit diesen Gärungs-
reaktionen beschäftigt, was besonders für den Milzbrandbazillus Geltung
hat, indem hier überhaupt keine ausführlichere Mitteilung betreffs
dieser Verhältnisse vorzuliegen scheint. Eine Kenntnis der Gärungs-
reaktionen des Milzbrandbazillus wird jedoch sicher in verschiedenen
Beziehungen von Bedeutung sein können, u. a. für die Entscheidung,
ob Bakterien, welche sich im Tierversuche schwach virulent oder
avirulent gezeigt haben, als Milzbrandbazillen angesehen werden können.
Die hier mitzuteilende Untersuchung umfaßt die untenstehenden
Milzbrandstämme.
l. Alter Laboratoriumsstamm, im Statens Seruminstitut fortgezüchtet. 2. Kultur
am 8. 10. 1926 aus einem Tierarzte gezüchtet, der bei der Sektion von einer
Kuh infiziert worden war. 3. „Alter Laboratoriumsstamm I“ (C. W. Andersen).
1) Mit Gärung wird hier jede Umbildung von ,,Zuckerarten unter Säure-
bildung bezeichnet, selbst wenn gleichzeitig keine Gasentwicklung stattfindet.
Kristensen, Gärungsversuche mit Milzbrandbazillen. 221
4. „Alter Laboratoriumsstamm II“ (C. W. Andersen). 5. „Schwein 32“, am
23. 7. 1922 von der Muskulatur eines Schweines gezüchtet. 6. Von Vieh gezüchtet.
7. 637/1918, Vieh. 8. 508/1919, Schwein. 9. 2384/1920, Vieh. 10. 707/1920,
Vieh. 11. 710/1921, Vieh. 12. 11/1922, Vieh. 13. 796/1923, Pferd. 14. 1896
1924, Vieh. 15. 242/1925, Vieh. 16. 408/1925, Vieh. 17. 519/1925, Vieh.
18. 269/1926, Vieh. 19. 400/1926, Vieh. 20. 419/1926, Vieh.
Die Kulturen 3—5 wurden mir von dem Serumlaboratorium der kgl. Veterinär-
und landwirtschaftlichen Hochschule (Prof. C. O. Jensen) überlassen. Nr. 6 von
Prof. M. Christiansen an derselben Hochschule. Nr. 7—20 vom Labora-
toriumsvorsteher H. Magnusson, Hushällningssälskapet, Malmö.
Es ist kaum zu bezweifeln, daß sämtliche 20 Stämme aus milz-
brandkranken Individuen gezüchtet worden sind, obwohl nähere Auf-
schlüsse in den meisten Fällen fehlen.
Bei Züchtung auf Agar wuchsen sämtliche Stämme in der für Milz-
brand charakteristischen Weise, obwohl mit gewissen Unterschieden
unter den einzelnen Stämmen. Gelatine wurde von sämtlichen schnell
geschmolzen, und kein einziger bildete Indol.
Für die Gärungsreaktionen kam eine aus Iproz. Fleischextrakt
Liebig, lproz. Pepton Witte, 1/,proz. NaCl und Bromthymolblau
in der Konzentration 1: 40000 bestehende Bouillon zur Verwendung.
Diese Mischung wird durch Autoklavieren sterilisiert (pa nach der
Sterilisierung ca. 7,5), wonach 1/, Proz. der ,,Zuckerart“ zugetan
wird, dessen Vergärbarkeit zu untersuchen ist. Es wurden Präparate
von Pfanstiehl Chemical Comp. verwendet, jedoch mit Ausnahme
von Glyzerin, Mannit, Glukose, Laktose und Saccharose, wo ge-
wöhnliche reine Präparate verwendet wurden. Nach Zusatz von der
„Zuckerart‘ wird auf sterile Reagenzgläser verteilt und 10 Min.
gekocht; es ist von besonderer Bedeutung ein stärkeres oder länger
dauerndes Erwärmen zu vermeiden. Bei einigen der Zuckerarten
(darunter Glukose und Trehalose) enthielten die Gläser ein kleines,
umgekehrtes Glas für die Untersuchung für Luftentwicklung. Es
soll gleich bemerkt werden, daß Gasentwicklung in keinem Falle
beobachtet wurde.
Nach dem Beimpfen wurden die Gläser bei 370 gestellt und
14 Tage täglich beobachtet; 1 und 2 (die vor den übrigen in einem
besonderen Versuch untersucht wurden) jedoch nur 8 Tage.
In der Tabelle I wird die Anzahl von Tagen angegeben, welche
binnen dem Zeitpunkte verlaufen, wo die ursprüngliche, blaugrüne
Farbe des Substrates als Folge von Säurebildung einigermaßen rein
gelb geworden war. Eine Einklammerung der Zahl bedeutet, daß
innerhalb der Versuchszeit nur eine gelbgrüne Farbe zum Vorschein
kam; „N“ bezeichnet ein negatives Resultat, d. h. daß die Farbe
des Indikators sich nur unwesentlich änderte. Ein leerer Platz be-
deutet, daß der betreffende Versuch nicht unternommen wurde.
Die Stämme 1 und 2 wurden auch gegenüber Melibiose und
Amygdalin probiert, welche in 8 Tagen nicht vergärt wurden, und
weiter gegenüber Glykogen, das von Nr. 1 schwach, von Nr. 2 stärker
vergoren wurde.
Um nun einen Totalausdruck für das Gärungsvermögen der
20 Stämme zu erhalten, konnte man für jede Zuckerart, wo Gärung
sich überhaupt geltend gemacht hat, den Mittelwert der angeführten
Zahlen nehmen; dies würde indessen weniger rationell sein, und zwar
besonders, weil die N-Werte hierdurch außer Betracht gelassen werden
mußten. Es würde natürlicher sein, als Ausdruck der Gärungsintensität
die reziproken Werte der Zahlen zu nehmen; eine Gärung, wodurch
299 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
ein gewisser Säuregrad im Laufe von 24 Std. erreicht wird (Intensität 1)
wird somit 4mal so stark geschätzt als ein anderer, bei welcher der-
selbe Säuregrad erst in 4 Tagen erzielt: wird (Intensität 1/,). Wird
schließlich der reziproke Wert des gefundenen Durchschnittes ge-
nommen, so erhält man die Anzahl von Tagen, die eine Kultur, welche
eben mit der durchschnittlichen Vergärungsintensität wirkte, zur Her-
stellung des betreffenden Säuregrades brauchen würde. Für die
durch eine eingeklammerte Zahl angegebenen Reaktionen wird die
Vergärungsintensität als die Hälfte des derselben nicht eingeklammerten
Zahl entsprechenden gerechnet, und in den Fällen, wo N. steht, ist
die Vergärungsintensität gleich O gesetzt worden.
Salizin
© D I ON OR US D em
=
BuBZz
m
E 1 2
Tabelle I. Tabelle IL.
| 2 2 o ao v glg | |
I wld o|v| 2 oja Q olv 2 |
g 42 lus | |S aje [#19 © alo alcie
SRB e EE BÉRAESÉ else. | Seele
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© aaja a lo fr a A ee LSS So SS a aaa SEZAR
(8) |N|N|N|NIN|NIN| NINl1| 1 inninlsalılnn IN @|N ı| lalala'n
()|NINININNINN NI|N|1| 1 |NININ|3|3|1ININ|_@| NIN i| [3141214
(14) N|N!N|N|N|N|N| N|N/2|(14) NINN 7| 4/2! N/N'6)(9)|4)/N 2lılıl2 213
9 |NNNNNNNASN LAN NN 19|1|NN/9|6 11 N 2121112212
7 NNNNNNNNINI1] 7 NNN211|NNAl5|M|N 2114 4|2 2
7ZINNNNNNNNNI1/2|NNN241|NNA4I9IN|N 211313. 2,2
7 NNNNNNNNNI2|N [N/1/./1/NIN/3/5| NIN 2111315212
9 NININININININININ2|7IN) IN241|NN?|7 NIN 111/3/3:1i1
7 NINININI NIN N NIN/1| 7 |N|N|N/1/9/1|N|N| 9 ((7)|2)|N 21111112 2
9 NNNNNWIN 12 N1|3 IN] IN1/4/1/NIN 4/59 N 1112/13 4
IN] |NNNNnNNı[?|N |NılzlılnNn?[912 N 211111115812
5 NINININNINN NIN1 4 |N/NIN|1/4/1/N|N/ 45 (2)|N 1111112.2:2
7| IN} |NIN|ININ| NIN/1/ 3 niılalı[nN3| | NIN 2/1]4]2 2,2
9 | IN NINININI N|N|1| 3 |N] INI1I1/1IN ON 3) NN 2111111141
9 NINININNINN N/N/1| 2 |NININ/1/3/1|NIN/4/7| NIN 1111;l41512
7'NNNNNNNNIN1l3|n IN217/1ININ 7141) |N 212
7NNNNNNNNN3|5|N [nılalannö| |12)N 2/1/2]2|2|2
9 NINNNNNN NIN1|7INININ2/1/1ININI4/5 9 |N ılılyla/ılı
7'NNNNNNNN|N1|2|NNNI1l4|1|NIN4 7 NN 214 301
|? NINN NNIN|IN|N|N/2/7|N/ [N]7/7[2|/NiN/9| (aan 21111112 2 |
| I if I l
Mit anderen Worten: Die eingeklammerten Zahlen werden doppelt
gerechnet, die N werden gleich © gesetzt, wonach man die har-
monische Mittelzahl nimmt. Es werden dann für die verschiedenen
Zuckerarten folgende Werte erhalten:
1) Trehalose 1,09, 2) Glukose 1,14, 3) Saccharose 1,3, 4) Mal-
tose 3,4, 5) Lävulose 3,9, 6) Dextrin 4,8, 7) Stärke 6,4, 8) Glyzerin
7,6, 9) Salizin 28. Hierzu kommen noch die isolierten, schwachen Ver-
gärungen von Xylose und Mannit.
Bei dieser Berechnung sind die Stämme 1 und 2 ausgelassen, weil
sie, wie erwähnt, in einem besonderen Versuch untersucht worden sind,
der sich nur über 8 Tage erstreckte, und worin der Säurebildungsgrad
vielleicht auch nicht in völlig derselben Weise, wie im Hauptversuche
beurteilt wurde.
Es ist jetzt von Bedeutung, zu untersuchen, ob die angeführte
Reihenfolge für sämtliche Stämme dieselbe ist. Man sicht sofort, daß
von einer solchen Regel anscheinend mehrere Ausnahmen kommen ;
so hat z. B. der Stamm 3 Maltose schneller als Saccharose vergoren.
Solche Unregelmäßigkeiten können indessen auf ungleicher Beimpfung
|
ewe
Bows PZN
99 D © OO Œ I Où O1
þe ped pnd ood
Kristensen, Gärungsversuche mit Milzbrandbazillen. 223
der Gläser oder auf anderen Verhältnissen beruhen, die mit den indi-
viduellen Unterschieden der Stämme nichts zu tun haben. Gerade beim
Milzbrand ist es wegen seiner eigentümlichen Wuchsform sehr schwierig,
ein gleichmäßiges Beimpfen zu erzielen, und in diesem Falle, wo die
Gläser von einer Bouillonkultur mittels einer Pasteur-Pipette be-
impft wurden, waren in den Impfmengen sicher beträchtliche Varia-
tionen vorhanden.
Die Mehrzahl der Reaktionen, welche, wie das angeführte Beispiel,
abweichende Verhältnisse gezeigt hatten, wurde deshalb mit sorg-
faltigerem Beimpfen wiederholt. In der weit überwiegenden Mehr-
zahl von Fällen wurde nun die „normale“ Reihenfolge gefunden: so
vergärte nun der Stamm 3 in 19 Std. Saccharose, Maltose aber erst
in 9 Tagen. Im ganzen deuteten diese wiederholten Versuche an, daß
die meisten Unregelmäßigkeiten als zufällige betrachtet werden dürften,
d. h. nicht auf Eigentümlichkeiten der Stämme selbst beruhend. Da-
gegen dürfen aber die Unterschiede in der Vergärbarkeit der einzelnen
Zuckerarten als zuverlässig angesehen werden.
Der ganze Versuch, mit Ausnahme der Reaktionen gegenüber
Glukose und Trehalose, wurde danach mit halbflüssigem Agar als
Grundsubstrat wiederholt, indem zu der früher erwähnten Bouillon
ca. 0,15 Proz. zugesetzt wurde. Die Gläser wurden mittels Impf-
nadel von einer Agaroberfläche beimpft, und zwar so, daß ein Partikel
der Kulturmasse in den oberen Teil des Substrates gebracht wurde.
Diese Methode zeigte sich, wahrscheinlich wegen der mehr aéroben
Verhältnisse, als für den Milzbrand besonders geeignet, weil die Säure-
bildung sich bedeutend schneller als in dem flüssigen Substrat ent-
wickelte. Die Beobachtungszeit betrug hier nur 7 Tage; ihr Resultat
geht aus der Tab. II hervor. Wir führen hier die Zuckerarten auf, in
welchen Säurebildung sich einstellte. In den untenstehenden Zucker-
arten, die alle mit sämtlichen Stämmen probiert wurden, war dies nicht
der Fall: Erythrit, Adonit, Dulzit, Sorbit, Mannit, Arabinose, Xylose 1),
Rhamnose, Galaktose, Mannose, Laktose, Raffinose, Inulin und Inosit.
Werden ebenso wie oben die harmonischen Mittelzahlen für die
Gärungszeiten berechnet, so erhält man: 1) Saccharose 0,33, 2) Mal-
tose 0,42, 3) Dextrin 1,05, 4) Stärke 1,2, 5) Glyzerin 1,3, 6) Salizin
12,7. Lävulose wurde nicht gleichzeitig mit den übrigen Zuckerarten
untersucht und nach 6 Std. keine Beurteilung vorgenommen; die Zahl 1
würde deshalb wahrscheinlich zu hoch sein.
Abgesehen von der starken Abkürzung der Gärungszeiten, findet
sich somit ganz dieselbe Reihenfolge, wie in dem flüssigen Substrat.
Die fehlende Fähigkeit der Stärkevergärung bei dem Stamme 1 ist für
den Versuch im flüssigen resp. halbflüssigen Substrat dieselbe, und
scheint somit eine Eigentümlichkeit des betreffenden Stammes zu sein.
Vielleicht handelt es sich um den Verlust eines ursprünglich vorhandenen
Vergärungsvermögens.
Die Stämme 4 und 10 wurden später gegenüber Xylose, Stamm 10
auch gegenüber Mannit untersucht, indem erst auf Agar geimpft wurde,
um danach in jedem der 3 Fälle 5 Gläser mit flüssigem Substrat zu
beimpfen. Bei 21tiigiger Beobachtung wurde keine Xylosevergärung
beim Stamme 4 beobachtet, desgleichen keine Mannitvergiirung beim
Stamme 10, wogegen der letzterwähnte Stamm nach ca. 10 Tagen in
1) Rechtsdrehend (I-Xylose nach E. Fischer).
224 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
3 Xylosegläsern beginnende Säurebildung zeigte. Eines nahm allmählich
etwas die gelbe Farbe an, ohne aber völlig gelb zu werden, wogegen die
beiden übrigen gelbgrün bzw. gelblichgrün wurden. Von dem am
stärksten gelben Glase wurde weiter in 5 Gläser mit halbflüssigem
Xyloseagar geimpft. Während einer Ttägigen Beobachtung zeigte sich
nur eine ganz unbeträchtliche Säurebildung, wobei die ursprünglich
blaugrüne Farbe im obersten Teile der Gläser rein grün wurde. Dies
kann aber wohl auch in demselben Substrate ohne Zusatz einer ,,Zucker-
art“ beobachtet werden.
Außer den erwähnten Abweichungen im Verhalten gegenüber Stärke
und Xylose würde man durch eingehendere Untersuchung wahrschein-
lich unter den Stämmen gewisse konstante Unterschiede betreffs der
Intensität, womit sie die verschiedenen Zuckerarten vergären, fest-
stellen können. Im ganzen darf man aber sagen, daß das Gärungs-
vermögen des Milzbrandbazillus ebenso charakteristisch ist: wie die
(biochemischen, serologischen usw.) Reaktionen, durch welche man
in anderen Gebieten der Bakteriologie die Bakterien zu kennzeichnen
sucht, welche zu demselben eng begrenzten Typus (z. B. Typhus oder
Cholera) gehören. Immer ist aber mit einer gewissen Variabilität des
einzelnen Stammes und gewissen kleinen Unterschieden unter den
Stämmen desselben Typus zu rechnen.
Zusammenfassung.
Von dem Bacillus anthracis werden die untenstehenden
Zuckerarten, und zwar immer ohne Gasentwicklung, vergoren:
Trehalose und Glukose schnell, Saccharose etwas langsamer und
danach mit abnehmender Intensität Maltose, Lävulose, Dextrin, Stärke,
Glyzerin und Salizin (inkonstant). Bei 1 der untersuchten Stämme
war jedoch die Gärungsfähigkeit gegenüber Lävulose ganz schwach;
einem anderen Stamme fehlte das Gärungsvermögen gegenüber der
Stärke und bei einem 3. wurde ein schwaches Gärungsvermögen gegen-
über Xylose beobachtet. Von sehr zweifelhafter Mannitvergärung ab-
gesehen, wurde übrigens keine Vergärung von Erythrit, Adonit, Arabit,
Dulzit, Sorbit, Mannit, l-Arabinose, Xylose, Rhamnose, Galaktose,
Mannose, Laktose, Raffinose, Inulin und Inosit gefunden. Insofern
nach Versuchen mit 2 Stämmen beurteilt werden kann, werden Melibiose
und Amygdalin nicht vergoren, Glykogen dagegen in einiger Aus-
dehnung.
Für Gärungsversuche mit Milzbrandbazillen ist ein halbflüssiges
Substrat von näher beschriebener Zusammensetzung besonders geeignet.
Ganz, Anwendung des Trockenkomplements bei der Wassermann-Reaktion. 225
Nachdruck verboten.
Zur Anwendung von Trockenkomplement bei der
Wassermannschen Reaktion.
{Aus dem Serobakteriologischen Laboratorium der Universitätsklinik
für Haut- und Geschlechtskrankheiten in Belgrad (Leiter: Prof. Dr.
Gj. Gjorgjevic).|
Von Dr. Peter O. Ganz in Belgrad.
Die zahlreichen Versuche, das Komplement so zu konservieren,
daß es wenigstens für einige Wochen annähernd den Ausgangstiter be-
hält, lassen erkennen, wie wichtig diese Frage für den Praktiker sein
muß. Als Beispiele der Forscher, die auf diesem Gebiete gearbeitet.
haben, seien zunächst erwähnt Ottolenghi und Mori, Fried-
berger, Ito, Sivori, Browning und Mackie, Rhamj, Dold,
Hammerschmidt u. a. Die Arbeiten aus den ersten beiden Jahr-
zehnten dieses Jahrhunderts verliefen ohne hinreichenden Erfolg; im
allgemeinen wurde kaum eine mehr als 14 Tage dauernde Haltbarkeit.
des konservierten Komplementes erzielt. Auch die Trocknung scheiterte
bis vor kurzem an unzureichender Technik.
Erst den Bemühungen von Straub u. Gaede gelang es, durch
Konstruktion einer zweckmäßigen und für zahlreiche ähnliche Zwecke
verwertbaren Apparatur ein Trockenkomplement zu gewinnen, das nach
den Untersuchungen von Königsfeld allen Anforderungen der Praxis
zu genügen scheint, zum mindesten alle bisherigen Versuche auf diesem
Gebiet unvergleichlich weit übertrifft. Das Trockenkomplement, welches
von der Firma „Pharmagans A.-G.“ in Oberursel a. Taunus
hergestellt wird, ist ein gelbliches, in Wasser leicht lösliches Pulver,
das in Ampullen abgegeben wird. Um eine dem normalen Meerschwein-
chenkomplement entsprechende Lösung zu erhalten, wird 1 Gewichtsteil
des Serumpulvers in 9 Teilen destillierten Wassers gelöst.
Seit der Arbeit von Königsfeld ist bereits eine Reihe von Ar-
beiten über das Präparat veröffentlicht worden, so z. B. von Stern u.
Frank, Schilf, Pöhlmann, Schmitz, Pokornä, Dino Nai,
Moses; die Mehrzahl der Untersucher konnte über günstige Ergebnisse
bei Verwendung des Präparates insbesondere zur Wassermannschen
Reaktion berichten. Da jedoch auch einige abweichende Stimmen laut
geworden sind, so halte ich mich für berechtigt, meine an einem großen
Zahlenmaterial gewonnenen Ergebnisse mitzuteilen.
Es darf jedoch nicht verschwiegen werden, daß gewisse graduelle
Unterschiede in der Stärke der Reaktionen beobachtet wurden, eine
Tatsache, die ja auch nach den längst bekannten erheblichen individuellen
Unterschieden verschiedener Meerschweinchensera ohne weiteres zu er-
warten waren.
Im ganzen wurden 10860 Wassermann-Reaktionen mit dem
Trockenkomplement ausgeführt. Zur Kontrolle wurde jedes Serum ent-
weder mit frischem Komplement, nach der Original-Wassermann-
Reaktion geprüft (860 Proben), oder nach den Modifikationen von
Müller bzw. Tribondeau. In allen 10860 Fällen wurde eine be-
friedigende Uebereinstimmung mit dem Trockenkomplement erzielt. Wie
genau diese Uebereinstimmung war, möge die Analyse der 860 Unter-
suchungen zeigen, die parallel mit dem Trockenkomplement und frischem
Komplement nach der Original-Wassermann-Methode ausgeführt
Erste Abt, Orig. Bd 101. Heft 4/5. 15
236 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
wurden. So reagierten 182 Sera vollkommen übereinstimmend mit beiden
Komplementen. +++++4+. In 224 Fällen reagierte das Serum mit
frischem Komplement ++++-++, während mit Trockenkomplement
nur 19 von diesen gleich stark, 5 dagegen ++++ reagierten. In
5 Fällen, in denen das frische Komplement die Reaktion -H+ ergab,
erhielten wir mit Trockenkomplement einmal +-+++, zweimal +.
und zweimal übereinstimmend mit dem frischen Komplement “++.
Von 3 Fällen endlich, in denen das frische Komplement + ergab, war
die Trockenkomplementreaktion zweimal + und einmal +. Diese Dif-
ferenzen sind jedenfalls konstant, da sie auch bei Wiederholung der
Untersuchung gleichsinnige Resultate lieferten. Sie sind jedoch so ge-
ringfügig, daß sie nach unserer Ueberzeugung die Brauchbarkeit des
neuen Präparates in keiner Weise beeinträchtigen.
Von technischen Beobachtungen bei der Verwendung des Trocken-
komplements sei zunächst erwähnt, daß die Lösung des Präparates stets
eine geringfügige opaleszente Trübung aufweist; dies muß bei der Ab-
lesung der WaR. beachtet werden. Man hat auch versucht, durch Auf-
lösung des Serumpulvers in 0O,lproz. NaCl-Lösung eine ganz klare
Lösung zu erhalten, aber nach meinen Erfahrungen ist der hierdurch
erzielte Vorteil nicht erheblich, und ich habe daher zur Lösung stets
doppelt destilliertes Wasser benutzt.
Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß bei Verwendung des Trocken-
komplements die Hämolyse rascher verlaufen kann, als mit frischem
Komplement, und daß es sich daher empfehlen dürfte, die Bestimmung
der Ambozeptorverdünnung nicht gleich nach der Auflösung des
Trockenkomplements auszuführen, sondern damit erst einige Zeit zu
warten.
Die Dauer der Verwendbarkeit des Trockenkomplements scheint
recht erheblich zu sein, wenigstens haben wir im März dieses Jahres
Präparate benutzt, die im Februar des Vorjahres hergestellt, jetzt.
359, bzw. 369 Tage alt waren, und sich noch als voll verwendungs-
fähig erwiesen.
Wir legen Gewicht darauf zu betonen, daß natürlich eine jede Am-
pulle, bzw. jede zu einem Wassermann-Versuch benutzte Trocken-
komplementlösung am Tage des Versuchs einer genauen Kontrolle auf
Hämolyse und Ablenkung in genau der gleichen Weise zu unterwerfen
ist, wie man es mit jedem frischem Komplement auch tun muß.
Die einmal hergestellte Lösung des Trockenkomplements verhält
sich in ihrer Haltbarkeit ziemlich ähnlich wie frisches Komplement.
Bei einer Aufbewahrungstemperatur von 16° war die Trocken-
komplementlösung nach 6 Std. noch vollständig gebrauchsfähig, da-
gegen war die Hämolyse mit einer 12 Std. aufbewahrten Lösung bereits
geringer und nach 24 Std. so schwach, daß sie zur Reaktion unbrauch-
bar geworden war. — Anders verhält sich die Lösung bei Aufbewahrung
im Lisschrank. Hier zeigte sich nach 5 Tagen noch keinerlei Beein-
trächtigung des Hämolysetiters, nach 7 Tagen nur eine ganz geringe
Abschwächung, und erst am 10. Tage war die Lösung endgültig un-
brauchbar geworden. Hierbei sei jedoch bemerkt, daß wir in diesen
Versuchen nach einiger Zeit der Aufbewahrung eine geringfügige Aus-
flockung in der Lösung sahen, die jedoch keinen Einfluß auf die hämo-
lytische Wirkung zu haben schien.
In der Praxis wird man gut tun, das Präparat sobald zu verwenden,
wie eine völlige Auflösung des Pulvers, also die Herstellung einer gleich-
Ganz, Anwendung des Trockenkomplements bei der Wassermann-Reaktion. 227
mäßigen Lösung gesichert ist, d. h. nach etwa 1/,—1stiind. Stehen.
Jedenfalls sollte, wenn angängig, der. Inhalt einer Ampulle auf einmal
aufgelöst werden, da das stark hygroskopische Trockenserum nach
dem Oeffnen der Ampulle leicht verdirbt; im Notfalle könnte es
vielleicht für kurze Zeit im Exsikkator oder.nach erneutem Zuschmelzen
der Ampulle aufbewahrt werden, doch wird man zweckmäßiger von
solchem Vorgehen absehen.
Ein großer Vorteil des Trockenkomplements ist durch den geringen
Raum bedingt, den das Präparat einnimmt. Dadurch ist man in der
Lage, größere Mengen auf Reisen mitzunehmen und die WaR. unter den
primitivsten ländlichen Verhältnissen auszuführen. So unternahm im
Juli 1925 eine Gruppe von Aerzten, unter denen auch ich mich befand,
unter Leitung von Herrn Prof. Dr. Gjorgevic eine Forschungsreise
durch Südserbien, zum Zweck der Erforschung der Syphilis in der
einheimischen Bevölkerung. Der Aufenthalt in den verschiedenen Orten
dauerte oft nur 1—2 Tage. Durch das Ein- und Auspacken und die
Beförderung von Ort zu Ort wurde nicht wenig Zeit und Raum be-
ansprucht. Es braucht nicht betont zu werden, welche Schwierigkeiten
durch die Mitführung und Pflege der erforderlichen Zahl von Meer-
schweinchen und durch die Blut- und Serumgewinnung von ihnen be-
dingt gewesen wären, zumal wir in etwa 30 Tagen etwa 10000 WaR.
ausführen mußten. Dabei konnte die für alle diese Untersuchungen.
nötige Menge des Trockenkomplements in einer Schachtel mitgeführt
werden. i
Was endlich die wirtschaftliche Frage anbelangt, so dürfte die
nachfolgende Berechnung interessieren. Unter Zugrundelegung der
durchschnittlichen Kosten eines Meerschweinchens für die Anschaffung,
Futter und Wartung, und der durchschnittlich von einem Meerschwein-
chen zu gewinnenden Blutmenge wurde errechnet, daß die für eine
WaR. erforderliche Komplementmenge 1—1,5 dinars kostet. Dieser
Preis entspricht annähernd demjenigen des Trockenkomplements, also
sind auch in diesem Punkt die beiden Präparate für unsere Verhält-
nisse gleichwertig.
Zusammenfassung.
1) Auf Grund der von uns mit Trockenkomplement ausgeführten
Untersuchungen von 860 Serumproben auf WaR. wurde festgestellt,
daß das Trockenkomplement sowohl nach seiner spezifischen Wirkung,
wie naclı seiner Empfindlichkeit dem frischen Komplement durchaus
gleichwertig ist. — 2) Der Gebrauch von Trockenkomplement spart
uns die Zeit, die bei der Gewinnung des frischen Komplements ver-
loren geht. — 3) Das Trockenkomplement bürgt für eine gleich-
mäßigere hämolytische Wirkung, da zur Bereitung einer Operations-
nummer eine weit größere Zahl (mehrere Hundert) von Meerschwein-
chen punktiert wird, als bei der Gewinnung von frischem Komplement
der Fall ist. — 4) Der Gebrauch des Trockenkomplements macht
uns unabhängig von den störenden Epizootien. — 5) Endlich ist es ein
weiterer Vorteil des Trockenkomplements, daß es auf kleinstem Raum
mitgeführt werden kann. Dies zeigte sich besonders bei Unter-
suchungen in einem Wanderlaboratorium, wo die Ausführung einer
großen Zahl von WaR. unter primitivsten Verhältnissen nur durch die
15*
228 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
Verwendung dieses Präparates möglich war. — 6) Kleinen Labo-
ratorien, denen es schwer fällt, Meerschweinchen zu halten, ist durch
Verwendung von Trockenkomplement die Ausführung der WaR. auf
einfachste Weise ermöglicht. — 7) Die Verwendung dieses Präparates
bringt uns einen Schritt näher zur Lösung der wichtigen Frage nach
der Standardisierung der Wassermannschen Reaktion. Schon früher
(ljecnicki Vjesnik Nr. 2, 1926, Zagreb) habe ich auf die großen Vor-
teile hingewiesen, die bei einer einheitlichen Ausführung der Reaktion
und bei Verwendung der gleichen staatlich hergestellten Reagenzien er-
zielt werden würden.
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Zeißler, Berl. klin. Wochenschr. Bd. 46. 1909. S. 2340.
Pérékropoff, Sur la question des parasites du type Sergentella. 229
Nachdruck verboten.
Sur la question des parasites du type Sergentella.
Par le Dr. G. I. Pérèkropoff, Kazan, U.R.S.S.
Avec 2 figures en texte.
En classant les nombreuses préparations de parasites du sang,
que j'avais accumulées dans le but d’etudier la dégénération et lin-
volution des plasmodies du paludisme, j’ai trouvé deux lames de sang,
dont l’une contenait des parasites que je n'avais jamais observés chez
mes malades. Ces lames de sang colorées par le procédé Romanovs-
ky-Giemsa, dataient de 1914 et avaient été prélevées aux malades
atteints du paludisme. Les deux préparations citées plus haut appar-
tenaient à la patiente D. N. S., venue de Simbirsk. La malade s'était
présentée à la Clinique Thérapeutique de la Faculté de Médecine de
l'Université de Kazan; elle se plaignait de maux de tête, de vertige,
de malaise, d’elevation périodique de température (sans caractère inter-
mittent régulier, comme cela s’observe dans le paludisme), d’insomnie,
d’anemie, fort avancée, de dégoût pour les aliments, de tintements et
de bourdonnements d'oreilles, d’une légère toux, de douleurs à la poitrine
et de palpitations de cœur.
D'après l'anamnesis de la malade, il a été reconnu que D. N. S., âgée de
27 ans, était russe, la femme d'un petit commerçant; qu'elle était née à Simbirsk
et qu'elle n'avait jamais quitté sa ville natale jusqu'en 1914. Jusqu'à l'âge
de 23 ans elle jouissait d'une bonne santé et ce n'est qu'à dater de 1911 qu'elle
commença à ressentir les premières atteints d’anemie et une prompte lassitude.
Quelquefois un léger état fiévreux paraissait pour 2—3 jours, rarement 4,
passait rapidement pour repuraître au bout de quelques temps. Auparavant la
malade n'y faisait guère attention, attribuant ces malaises soit au refroidissement,
soit à la fièvre ou à d'autres causes inconnues et non éclaircies. Les accès de
fièvre étaient accompagnés de maux de tête tenaces qui dans les derniers 18 mois
revenaient de plus en plus souvent, duraient plusieurs jours et ne cédaient pas au
traitement appliqué couramment. Pendant cette dernière période (1 an !/,) la
malade constatait que les bourdonnements et les tintements d'oreilles revenaient
périodiquement, mais sans régularité, que la vue s’affaiblissait, l'anémie se dé-
veloppait progressivement et de maux de tête persistants lui revenaient, la nuit
surtout; l'insomnie et une surexcitation du système nerveux décidèrent la malade
à consulter un médecin. Celui-ci, supposant le lues, conseilla de faire la réaction
de Wassermann qui donna le résultat négatif. Après ces données une thérapie
paludéene fut préscrite, mais ce traitment n'apporta aucun soulagement à la
malade. Son état ne faisait qu'empirer; l'anémie évoluait, les vertiges étaient
devenus plus fréquents et plus violents, la marche ou le moindre travail provo-
quaient la dyspnée, les palpitations de cœur s'étaient augmentées. Concurremment
les maux de tête devenaient plus fréquents, les accès de fièvre à caractère nette-
ment déterminé revenaient de plus en plus souvent, simultanément une insomnie
opiniâtre se développait et les symptômes d'une neurasthénie grave apparaissaient.
temps en temps une légère démangeaison de la peau se déclarait, plus rarement
une éruption (du genre de le fièvre ortiée, au dire de la malade) de la peau se
montrait. Les derniers 6—7 mois la malade ressentait des douleurs dans la poitrine
accompagnées d'une légère toux sèche (à l'examen microscopique de la glaire,
fait à plusieurs reprises, aucun bacille Koch n'avait été découvert).
Jonstations à l'examen de la malade: les glandes lymphatiques sont un peu
plus volumineuses, consistantes, non soudées l'une à l'autre. Dans les sommets des
poumons une quantité modérée de râles humides. La rate a augmenté de volume;
elle est consistante, non douleureuse, déborde de 31/, centim. les côtes. Les foie
est consistant quelques volumineux, non douleureux à la palpation. Des con-
stipations. Dans l'urine il y a des traces d’albumine et d’urobiline.
L'examen du sang donne comme résultat :
31 Proz. d'hémoglobine, 3,900 leucocytes, 2,340,000 érythrocytes. La formule
leucocytaire est différenciée au profit de éosinophiles et de mononueléaires. Il
230 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
N a 20,5 de lymphocytes, 55,7 de polynucléaires, 7,1 de mononucléaires, 0,9 de
asophiles, 15,8 d'éoisnophiles. On remarquait une sensible diminution d’h&mato-
blastes sanguins (comme cela se voit dans le paludisme. Aucune modification
n’a été observée dans les corpuscules rouges du sang à l'exception de 2 exemplaires
d'érythrocytes à noyau dans 100 champs de microscope. Il n'y avait pas de poly-
chromatophilie. Je n'ai réussi à découvrir dans le sang de la malade le
arasite malarique (palud&n). L'image radiographique n'a donné aucun indice sur
‘état morbide des organes internes.
L'état volumineux de la rate, la formule leucocytaire du sang et les signes
anamnestiques ont déterminé le diagnostic probable du paludisme chronique et un
traitement combiné de quinine, de bleu de méthyléne et d’arsénic fut ordonné.
J'ai perdu de vue cette malade et ce n'est que 11/,—2 ans après que i'ai
appris qu'elle était morte d’anémie progressive et de tuberculose pulmonaire.
Les parasites que j’ai trouvé dans le sang de la malade D. se
présentaient sous forme d’embryons des vers- filaires, longs de 31 m.
larges de 1,25 u. Entre l'extrémité obtuse du parasite et la tâche
foncée de la chromatine, il y avait 12 u, la tâche foncée avait
3u, d’une masse chromatique à lautre, du même type, 4u et entre
Fig. 1.
la 2e masse chromatique et lextrémité pointue des parasites 16 u.
Le protoplasma des parasites se colorait très bien après le procédé
Romanovsky- Giemsa en teinte bleu-rose et n’avait pas de cuticule.
Les parasites du sang de cette malade avaient, comme il vient
d’etre dit, 2 grands amas de chromatine et de petits grains parsemés
sur tout le corps. Les masses chromatiques se coloraient parfaitement
en rouge-carmin, n'étaient pas compactes, mais légèrement floues. Ces
parasites à contours bien dessiné, ne présentaient aucune saillie ou
irrégularité sur leurs corps. Si l’on considère l'extrémité obtuse comme
étant la tête, elle était arrondie et lautre — celle de la queue — se
terminait en pointe.
Les sujets plus petits de ce type de parasites du sang avaient
12 à 14 uu de long sur !/, à 1 micron de large. Ils se présentaient,
sous forme de formations légèrement fléchies à un bout ou quelque
peu courbées en demi-lune. L'une des extrémités de ces jeunes parasite,
était également obtuse, lautre pointue (fig. 2). Au milieu de leur
corps se trouvait un noyau compact en forme d’un triangle irrégulier,
à bords légèrement flous, et qui se colorait très bien en rouge carmin.
Quelques uns de ces parasites (non tous) avaient à l’une des extrémités
Panayotatou, Sur une ,,Mycose“ isolée de la langue d’un malade. 231
pointues, a une distance du bord de !/, a 1/4 x, un autre noyau chroma-
tique qui se colorait 4 peine en rouge sous l’aspect de point. Le proto-
plasma de ces jeunes parasites se colorait en rose-bleu.
Dans toute la lame je n’ai trouvé que quelques exemplaires de ce
genre de parasites vu qu'à cette époque une épaisse goutte n’avait
pas encore droit de cité) et cela-m’a empêché d’en observer les autres
ormes.
Selon les indications du professeur W. L. Yakimoff ces para-
sites se rattachent au grouppe Sergentella décrit par les frères
Ed. et Et. Sergent et découvert-par eux en Algérie.
Ces parasites présentent probablement une nouvelle espèce de Ser-
gentella, mais je n'ai pas réussi à en déterminer la voie d'infection,
ni les agents transporteurs.
Comme ce type de parasites n’a pas encore été mentionné dans
la littérature médicale, je propose de l'appeler Sergentellayaki-
movi, du mon de nom très estimé maitre dans l'étude des parasites
du sang Mr le professeur Dr. W. L. Yakimoff.
Nachdruck verboten.
Sur une „Mycose“ isolée de la langue d'un malade.
„Penicillium linguae (genre Scopulariopsis)“.
Par Mme le Dr. Angelique Panayotatou (d'Alexandrie).
Lauréate de l’Institut. Ex-Professeur agrégée de l’Université d'Athènes.
Avec 6 figures dans le texte.
Le 27. 10. 25 s'est présenté (amené par sa mère) à la Poly-
clinique Sanitaire (Kism Karmouz), dirigée par nous, un enfant indi-
gène, nommé Gaber Mohamed, âgé de deux ans, qui avait la
langue couverte d'un enduit épais, gros et ride de couleur brune
foncée.
La mère venait nous consulter pour cet aspect extraordinaire,
que la langue de l'enfant présentait depuis 2—3 jours et, qui rendait
très difficile la déglutition.
L'aspect du processus pathologique, nous ayant paru intéressant
surtout au point de vue étiologique, nous avons de suite enlevé un peu
de l’enduit brunâtre sur du coton stérile, enduit, qui nous servit à
faire des examens et des cultures.
Voilà les résultats de notre étude bactériologique ou plutôt para-
sitologique et plus spécialement mycosique.
Etude du Champignon.
En préparation prompte nous avons remarqué plusieurs formes
ovoides et sphériques rapellant les levures.
En milieu de culture. -
La culture sur gélose de Sabouraud se développe vite en 24 heures
résentant sous l'aspect macroscopique un léger enduit blanc sale d'abord,
p duvet très fin par endroits.
Cet enduit s'épaississait de jour en jour et devenait de couleur plus foncée,
d'un blanc plus sale d'abord, verdâtre ensuite et à la fin brunätre, épais et ridé
tout à fait ressemblant à l’enduit de la langue du petit malade et très adhérent au
milieu de culture.
232 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
L'examen microscopique présente de nombreuses cellules ovalaires
et du mycélium bien caractéristique (v. fig. No. 1 et 2).
Fr)
Fig. 1. Fig. 2.
Fig. No. 1. Bourgeonnement au pourtour du filament.
Fig. No. 2. Mycélium à membrane et mycélium sporofore.
Blastospores sur les tiges du mycélium et isolés Une membrane enveloppe
chaque cellule, ainsi que les éléments longs du mycélium.
Les cellules de levure présentent l'aspect soit sphérique soit ovalaire
et effilé à une extrémité avec 2, 3 et jusqu'à 7 corpuscules réfringents examinées
sans coloration. Ces cellules primitives se multiplient par bourgeonnement. Le
parasite se colore par les couleurs d’aniline facilement et prend le gram.
La culture sur d'autres milieux nous donna les résultats suivants :
Culture de 24 heures.
19 Sur gélose macroscopiquement: couche très mince, lisse, de
blanc sale, — Microscopiquement: de nombreuses formes longues rappelant
des bactéries épaisses, cependant en quelques endroits unies en longueur ces formes,
soit disant bactériennes, donnent l'idée du mycélium à peine développé. — 2° Dans
l'eau peptonée glucosée tournesolée. Macroscopiquement: Aux bords
on distingue un voile blanc sale, formant presque anneau. Pas de changement de
la couleur du milieu. — Microscopiquement: des bâtonnets, on dirait des
bactéries épaisses, c'est selon nous le commencement du mycélium.
Ils se présentent à un seul élément et même à 2 ou 3 avec des espaces entre
eux (voir fig. No. 3).
Les éléments de la culture se colorent
1 s e > facilement par les couleurs d’aniline et sont
= gram positifs. Au bout de ces formes
d bactériennes quelques formes rondes ou ova-
ji H a l 479 laires, le tout on dirait des branches de plantes
l
à boutons (v. fig. No. 4).
Après 48 les formes ovales (formes le-
Fig. 3. Fig. 4. vures) sont beaucoup plus nombreuses, gran-
Fig. 3. Eléments rappelant le com- deur de 3—6 p. Les formes bactériennes
mencement du mycélium. s'unissent en filet formé par des my-
Fig. 4. Fonnes. oralas eb mrte: céliums épais, cloisonnés, caractéristi-
Ruw. ’ ques et assez nombreux. — 3° Dans
bouillon: Milieu trouble, peu de dépôt,
voile peu épais blane sale. — 4° Dans
l'eau peptonnée: pas de trouble, dépôt à peine, voile épais blanc sale. —
5° Dans l'eau peptonée glucosée tournesolée, milieu pâle décoloré
(milieu réduit pas acidifié), voile épais, blanc sale. — 6° Dans l'eau peptonée
lactosée tournesolée, milieu décoloré, voile moins épais, blane sale. — 7° Dans
l'eau peptonde mannitée tournesolée, milieu décolore, voile épais, blanc
sale collé au tube, pas de dépôt. — 5° Dans l’eau peptonée au rouge neutre,
milieu pas décoloré, presque pas de voile, fine collerette. — 9 Sur pomme de
terre, léger enduit légèrement grisâtre, couche très mince.
Microscopiquement: tous ces milieux présentent de nombreuses formes
longues rappelant des bactéries épaisses, par endroits unies en longueur donnant
l'idée du mycélium, à peine développé. On remarque aussi des mailles du
mycélium entrelacées en réseau et des cellules ovalaires. (Certains milieux p. ex.
l'eau peptonée glucosée tournesolée, l'eau peptonée mannitée tournesolée et la pomme
de terre présentent des cellules ovalaires abondantes (v. fig. No. 5).
Cette culture microscopiquement sans coloration après plusieurs repiquages
présente des corps sphériques et ovoïdes à corpuscules transparents parfois 2-7 et,
du mycélium sporofore. ;
Panayotatou. Sur une ,,Mycose“ isolée de la langue d’un malade. 233
Cultures aprés 5 jours.
Macroscopiquement: à la surface de l'eau peptonée glucosée
tournesolée: un voile très épais, blanc verdätre, irrégulier, ridé mamelonné re-
couvre presque toute la surface du liquide. Milieu un peu décoloré, mais pas viré,
pas de dépôt au fond du tube. — Microscopiquement: les formes bactériennes
ont disparu, il y a des formes ovales excessivement nombreuses et en amas et
quelques mycéliums caractéristiques.
Cultures après 9 jours.
Macroscopiquement: différents milieux se décolorent sans virer :
19 Eau peptonée glucosée tournesolée: voile très épais, irrégulier,
mamelonné. — 2° Eau peptonnée mannitée tournesolée: ride, mame-
lonné voile, moins épais qu'en glucose. — 3° Eau peptonée lactosée tourne-
solée: voile bien moins épais. — 4° Sabouraud: couche très épaisse à rides
irrégulières, duvet léger, blanc sale aux bords. — 5° Bile: pas de voile. — 6° Eau
peptonée au rouge-neutre: milieu un peu décoloré, voile blanc sale, com-
parativement mince. — 7° Proca: pas de voile, seulement aux parois du verre
anneau mince. — 8° Lait: pas coagulé, mais en
partie absorbé, voile trés épais, gros et ride, gris
et blanc sale.
Fig. 5.
Fig. No. 5 après 3j. dans l’eau p eptonée
mannitée tournesolée.
Fig. No. 6. Branches de mycélium blasto-
phores au sommet et aux pourtours.
Culture de 18 jours.
1° Eau peptonée glucosée tournesolée: formes ovoïdes nombreuses en
chapelets et en amas, quelques mycéliums peu développés. — 2° Eau peptonée
mannitée tournesolée: Décoloration complète, pas de virage, voile ridé, épais,
gros, blanc sale de 1 cm. d'épaisseur surnageant à la surface du liquide. Dans
tous les milieux formes ovales bien développées, quelques mycéliums. — 3° Eau
peptonée lactosée tournesolée: voile comparativement mince, gris sale,
non ride, milieu décoloré. Microscopiquement: peu de mycéliums contenant
quelques corps sphériques de petites dimensions ressemblant à des spores. — 40 Eau
peptonée au rouge-neutre: voile comparativement mince, brun sale, non
ride, milieu décoloré. Microscopiquement: formes petites ovoïdes et mycélium
abondant. — 50 Milieu Proca: pas de voile. Microscopiquement: du
mycélium fin, on dirait des bactéries enveloppées d'une capsule, quelques éléments
ovoïdes petits. — «+60 Bile: pas de voile, culture très pauvre. Micrascopique-
ment: du mycélium très peu abondant, contenant des formes ovoïdes plus grandes
et petites, ressemblant à des spores. — 70 Lait: voile excessivement épais (3 cm
d'épais) ridé, vert, au fond peu de lait concentré, on dirait coagulé. Le voile
s'est propagé en couche épaisse de la surface en profondeur. Mycélium abondant,
mince, formes ovoides petites et déformées en amas encapsulés. — 8° Sabouraud:
couche très épaisse, ridée, brune à duvet. Microscopiquement: les formes
ovales enveloppées d'une capsule.
Culture de 20 jours.
L'examen microscopique du duvet de la culture de vingt jours,
après plusieurs repiquages présentait l'aspect suivant: Mycélium très SR St
à cloisons et hyphes, bourgeonnement de cellules ovalaires (v. fig. No. 6).
Les cellules des différentes cultures forment parfois de courts chapelets. Les
234 ‘Centralbl. f. Bakt etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
milieux les plus favorables sont & base de glucose et de mannite. Temp. optima
250—350,
Cette mycose ne liquéfie pas le sérum. — Ne coagule pas le lait:
se développe très bien sur milieu neutre ou ‘légèrement alcalin. Dans milieu
acide la culture est pauvre et tardive, à duvet blanc abondant les premiers jours-
Après 40 jours de culture.
Le lait: tout à fait absorbé par la mycose, qui forme un tissu très ridé, très
lissé, de couleur grise-brune. — Sabouraud: couche épaisse, ridée, brune. —
au peptonée glucosée tournesolée: couche brune épaisse, ridée en-
vahissant le tube vers le bas, ayant absorbé le liquide, presque pas de liquide.
Expériences biologiques.
Sur Cobaye: Injection sous-muqueuse de la langue ne
provoque pas de maladie. Pas même le frottis avec des parcelles de la
culture mycosique sur la muqueuse de la langue après scari-
fication. — L’injection intrapéritonéale d’une culture (4 c.c.)
dans leau peptonéé glucosée, culture de 5 jours, fut sans effet sur
le cobaye. — Sur un petit rat: l'injection sous cutanée à la base
de la queue avec culture dans leau peptonée mannitée le 6. 4. 26
provoqua la mort en quelques heures. — A l'autopsie les organes
sont hypérémiés. Rien d’autre à signaler. Les frottis d'organes
n'ont pas décélé de parasites. Mais la culture de sang du cœur
pris aseptiquement après ensemencement sur milieu Sabouraud et
eau peptonée mannitée tournesolée donna une culture pure
après 3 jours du „Penicillium linguae (genre scopulariopsis)“
isolé de la mycose linguale.
Conclusions.
Il nous est pas permis d'identifier notre mycose an Crypto-
coccus linguae pilosae de Lucet, car ce Cryptococcus ne
présente pas de mycélium, tandis que le mycélium de notre
champignon est très caractéristique.
D’ailleurs, notre parasite ne provoque pas la fermentation
des sucres et n’acidifie pas les milieux, dans lesquels on le cultive,
ainsi, que cela est observé avec le Cryptococcus linguae pilo-
saet).
L’injection sous-cutanée au petit rat provoque une septicémie
rapide et la mort en quelques heures. Pas de cachexie par
formation d’abcés. Ce pouvoir pathogène envers les animaux n’est
pas noté pour les autres espèces voisines: scopulariopsis Bainier,
Brévicaulis etc. lesquelles se cultivent aussi dans les milieux
artificiels; microscopiquement d'ailleurs les filaments mycéliens,
ainsi que les conidies de notre „Penicillium“ présentent l'aspect
bien different à celui de (scopulariopsis Brevicaulis var. Hom.)
de notre prof. Brumpt et Lang eron.
Ces remarques exposées nous croyons avoir le droit de supposer
quil s’agit d’une espèce de Penicillium (scopul.), — ainsi que notre
prof. Dr. Langeron l’a caractérisée, — espèce cependant pas décrite
jusqu’ aujourd’hui et jamais, que nous sachions, isolée d’une affection
Panayotatou, Sur une ,,Mycose“ isolée de la langue d’un malade. 235
linguale. C’est une espèce de — „Glossomyces“ ou „Penicillium
linguae“ (genre Scopulariopsis) Panayotatou — 1926.
Nous devons noter aussi, que depuis tant d’années, que nous
exercons en Egypte, malgre les milliers d’enfants, que nous avons eu
l'occasion de soigner surtout aux ,,Polycliniques sanitaires
des femmes et enfants‘, que nous avons l'honneur de diriger depuis
quelques années, nous n’avions jamais rencontré un cas pareil.
Cependant il y a trois ans nous avions eu l’occasion d’isoler de la
sève d’un arbre de la classe des „Urticinae“ famille „Moraceae“
genre „ficus“ de l’espece „Ficus nitida“ une levure ressemblante
au point de vue cultures et aspect morphologique au Glosso-
myces d’aujourd’hui et nous croyons pouvoir supposer, que peut-étre
notre malade, suivant l’habitude des enfants indigénes de basse classe,
a mettre tout dans la bouche s’était infecté avec une branche de cet
arbre, branche de méme infectée.
Malheureusement l’enfant depuis n’a plus paru a la clinique; la
mére ayant donné une adresse fausse nous n’avons pas pu trouver leur
habitation de sorte, que nous ne connaissons pas le sort du petit malade.
Notre savant Professeur Brumpt dans son „Precis de Parasito-
logie“ s'exprime avec les termes suivants -concernant les mycoses
fréquentes dans la nature ambiante, qui peuvent être trouvées comme
parasites fortuits chez l’homme.
Après avoir cité quelques unes il écrit. „Il serait facile de multiplier
les exemples de ces levures pathogenes, mais ceux, que nous avons
cites suffisent, pour montrer le grand nombre de Cryptogames
saprophytes capables de s’adapter à l’organisme humain et ils nous
permettent de croire, qu’il en reste encore beaucoup à découvrir“.
Nous voulons espérer, que nous avons ajouté par notre observation
ci-dessus une nouvelle espéce au grand nombre déja connu et cité par
le savant Professeur.
Quant à ce qui concerne les „Penicilliums“ il s’exprime ainsi.
„Les Penicilliums sont abondants dans la nature où ils vivent en
saprophytes; dans des cas tout a fait exceptionnels ils
peuvent devenir pathogenes.
Notre cas doit être considéré comme un de. ces cas ex-
ceptionnels, surtout parce que sa localisation sur la langue, d’apres
ce que nous connaissons, n’a pas été encore notée par personne, parmi
les savants investigateurs des laboratoires.
1) Brumpt, Parasitologie. Paris (Masson) 1922. p. 1440.
236 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
Nachdruck verboten.
Die Frage der Verwendung des Lop als Des-
infektionsmittel an Stelle von Aethylalkohol,
[Aus dem Preußischen Hygienischen Institut Landsberg a. W.
(Dir.: Prof. Hilgermann).]
Von Dr. Heinz Spranger, Assistent am Institut.
Der ehedem niedrige Preis des Aethyalkohols ließ die Frage der
desinfizierenden Kraft der übrigen Alkohole der aliphatischen Reihe
als eine rein akademische, für die Praxis bedeutungslose erscheinen.
Da der Alkohol auch heute noch in der großen Reihe von brauchbaren
Desinfektionsmitteln seinen Platz in der chirurgischen Technik be-
hauptet, er aber infolge der Steuermaßnahmen eine so außerordntliche
Verteuerung erfahren hat, sind billigere Ersatzmittel des reinen Aethyl-
alkohols nunmehr von großer praktischer Bedeutung. Man wird aller-
dings von einem derartigen Ersatzmittel neben dem gleichen keimtötenden
Wert dieselben angenehmen Eigenschaften in Bezug auf Fettlösungs-
vermögen, Aussehen, Geruch etc. fordern müssen, die dem reinen
Athylalkohol eigen sind.
Bei der Durchsicht der anderen Alkohole der aliphatischen Reihe
in Bezug auf ihre Brauchbarkeit als Ersatzmittel des Aethylalkohols
schaltet Methylalkohol wegen seiner Giftigkeit aus. Bei der Aus-
wahl unter den höher molekularen Alkoholen sind wir durch die Tat-
sache beschränkt, daß nur die niedrigen aliphatischen Alkohole be-
wegliche, leicht mit Wasser mischbare Flüssigkeiten sind. Es käme
also nur der Propylalkohol und eventuell der Butylalkohol in Frage.
Der Amylalkohol ist schon wegen seines unangenehmen Geruches
ungeeignet.
Die Desinfektionswirkung der niederen aliphatischen Alkohole ist
bereits mehrfach untersucht. Die Arbeiten von Buchner, Fuchs
und Megele (3), Christiansen (4), Kisch (6), Wirgin (10)
lassen erkennen, daß die keimtötende Kraft der Alkohole sogar mit.
der Molekulargröße steigt, so daß man im allgemeinen feststellen kann,
daß die niederen aliphatischen Alkohole, nach ihrer bakteriziden Kraft
geordnet, dieselbe Skala bilden, wie ihrer molekularen Konstitution
entspricht: Butyl- (am stärksten), Propyl-, Aethyl-, Methylalkohol (am
schwächsten), wobei die isomeren Alkohole (z. B. Normalpropyl-
alkohol und Isopropylalkohol) unter sich gleichwertig erscheinen (Wir-
gin). Für den Isopropylalkohol bestätigt auch Bernhardt (2) diese
Ergebnisse.
Die Preise für jene höher molekularen Alkohole sind im all-
gemeinen nicht niedriger, als die für den Aethylalkohol (z. B. Propyl-
alkohol Kahlbaum 7 u. 6 M. Isopropylalkohol Kahlbaum rein
10 M., techn. 4 M.).
Billige Ersatzmittel des reinen Aethylalkohols stehen uns jedoch
durch Vergällung des Aethylalkohols selbst zur Verfügung. Dabei
ist allerdings zu beachten, daß einige der amtlich zugelassenen Ver-
gällungsmittel zu für die Händedesinfektion ungeeigneten Produkten
führen. So wird man den mit Pyridin versetzten Brennspiritus wegen
seines unangenehmen Geruches nicht als ein brauchbares Ersatzmittel
des reinen Aethylalkohols bezeichnen können. Derselbe wird denn
Spranger, Verwendung des Isopropylalkohols als Desinfektionsmittel usw. 237
auch von chirurgischer Seite mit Recht als Händedesinfektionsmittel
perhorresziert. Dagegen stellt der mit Holzgeist vergällte Branntwein
einen brauchbaren Ersatz dar, da er sehr billig ist (35 Pfg. pro L)
und geruchlich nicht belästigend wirkt.
Liegt bei dieser Sachlage überhaupt noch das Bedürnis vor, nach
weiteren Ersatzmitteln des reinen Aethylalkohols zu suchen?
Neuerdings wird nämlich ein relativ billiger Isopropylalkohol (ca.
2 M. pro L) propagiert (11), der diese Frage akut werden läßt.
Es schien uns der Nachprüfung wert, denselben auf seine Desinfek-
tionskraft zu untersuchen, um festzustellen, ob er praktisch die Er-
wartungen erfüllen würde, die man nach den oben angeführten Unter-
suchungen theoretisch an einen sekundären Propylalkohol stellen darf,
sowie um festzustellen, ob er besondere Vorzüge gegenüber den
sonstigen vorgenannten Ersatzmitteln des reinen Aethylalkohols bietet,
die etwa seine Einführung berechtigt erscheinen lassen könnten.
Es wurde sein bakterizides und entwicklungshemmendes Vermögen
geprüft gegenüber Bacterium coli, B. paratyphi, B. Staphylo-
coccus pyogenes aureus, Milzbrandsporen und gegenüber den
Hautsaprophyten der ‚Tageshand‘. Parallelversuche mit Aethylalkohol
unter den gleichen Bedingungen dienten zur Kontrolle.
Bei den Versuchen in vitro zeigte es sich, daß dieser Isopropyl-
alkohol bei den Versuchsreihen, die in den verschiedensten Konzen-
trationen mit Bact. coli, paratyphi und Staphyloc. aureus
angesetzt wurden, verhältnismäßig stärker desinfizierte als Aethyl-
alkohol. Ausgedehnte Versuchsreihen, die dahin zielten, die Wirkungs-
kurven nach der Methode von Reichel (7) aufzustellen zur Berechnung
der optimalen Konzentrationen für bestimmte zeitliche Leistungen,
ergaben interessante Diagramme: So stellen die Wirkungskurven des
Isopropylalkohols und des Aethylalkohols auf B. coli 2 hyperboloide
Kurven von fast genau parallelem Verlauf dar, bei denen die Kurve des
Aethylalkohols infolge der geringeren desinfizierenden Kraft desselben
in die Kurve des Isopropylalkohols eingeschachtelt erscheint (bei Ein-
tragung der Konzentrationsgrade und der Abtötungszeiten auf Ordinate
bzw. Abszisse). Deutlich tritt auch hier beim Isoprophylalkohol das
vom Aethylalkohol her bekannte Nachlassen der bakteriziden Kraft
in den sehr hohen Konzentrationsgraden hervor. Das Optimum der
keimtötenden Wirkung lag beim Isopropylalkohol bereits bei 40 bis
50 Proz., beim Aethylalkohol dagegen erst bei 60 Proz. Im folgenden
einige Beispiele aus den Versuchsreihen:
Abtötung angetrockneter Colikeime:
durch 20 Proz. Isopropylalkohol in 10 Min.
» 20 ,, Aethylalkohol » 15 i
„ 40 „ Isopropylalkohol „ !}, is
„ 40 ,„ Aethylalkohol a, a 5
» 90 „ lsopropylalkohol „ 2 5
e: i S Aeth ohol , 75 „
Abtötungsoptimum im Durchschnitt sämtlicher mit verschiedenen
Colistämmen angestellter Versuche, unter Berücksichtigung von Ab-
tötungszeit und Konzentration :
FR rer 40 und 50 Proz.: SAMa in !/, Min.
Aethylalkohol :60 Proz. = ick Ye es
Bei den mit Paratyphus B-Bazillen BEN Abtötungsversuchen
in vitro waren die Ergebnisse ähnlich. Mit Staphyloc. aureus —
238 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
trockenen und feuchten Keimen, Mischkulturen von virulenten Stämmen
— fielen die Versuche nicht so eindeutig aus. Obwohl sich auch hier
manchmal eine Ueberlegenheit des Isopropylalkohols zeigte, kann man
als Resultat der Gesamtversuche nur feststellen, daß sich der Iso-
propylalkohol in Bezug auf seine Wirkung auf Staphylokokken dem
Aethylalkohol im allgemeinen gleichwertig, in keiner Weise jedoch
etwa unterlegen erwies.
Milzbrandsporen zeigten sich gegen Isopropyl- und gegen Aethyl-
alkohol in gleicher Weise gänzlich refraktär! Selbst nach Swéchigem
Liegen in 30, 50, 70 und 100proz. Isopropyl- und Aethylalkohol bei
Zimmertemperatur keimten die in der üblichen Weise an Seidenfäden
angetrockneten Sporen (von 3 Min. Resistenz gegen strömenden Wasser-
dampf) in Bouillon aus (5). Schon Koch (9) hatte ja die Unwirk-
samkeit des Aethylalkohols gegenüber Milzbrandsporen nachgewiesen.
Saul (8) hatte dann gezeigt, daß sogar siedende aliphatische Alkohole
nicht fähig sind, Milzbrandsporen abzutöten. Erst Wasserbeimengung
gibt den siedenden Alkoholen keimtötende Kraft, und zwar dürfte die
von Saul festgestellte Tatsache, daß die bakterizide Kraft der siedenden
Alkohole mit dem Wassergehalt steigt und bei dem kleinsten Alkohol-
prozengehalt am größten war, lediglich darauf hindeuten, daß nicht
der betreffende siedende Alkohol, sondern das siedende Wasser in diesen
Fällen die Keimtötung bewirkte.
Auch die von den Händen mehrerer Versuchspersonen und aus
Nagelfälzen dieser Tageshände gezüchteten Hautsaprophyten zeigten
in vitro gegenüber dem Isopropylalkohol und dem Aethylalkohol eine
recht zähe Resistenz: auch nach 11/?stünd. Einwirkung von 40,
60 und SOproz. Isopropyl- und Aethylalkohol waren die aus Kokken
und grampositiven und gramnegativen Stäbchen bestehenden Bakterien-
gemische noch nicht gänzlich abgetötet.
Um die durch den Isopropylalkohol bewirkte Entwicklungshemmung
zu untersuchen, wurde die von Bechhold und Ehrlich (1) an-
gegebene Prüfungsmethode für den Eintritt der Entwicklungshemmung
benutzt (Beimpfung von mit dem Desinfiziens in verschiedenen Konzen-
trationen versetzten Bouillonröhrchen). Bei diesen Versuchen erwies
sich der Isopropylalkohol dem Aethylalkohol ebenbürtig in Bezug auf
entwicklungshemmendes Vermögen. In vereinzelten Fällen zeigte er in
vitro bereits Entwicklungshemmung bei geringerer Konzentration als
der Aethylalkohol, z. B. in einigen Versuchen mit Bact. coli. Bei
Staphylokokkengemischen trat die Entwicklungshemmung in 6proz. Iso-
propylalkohollösung ein, bei Coli in, 4proz., desgleichen bei Para-
typhus B.
Nach den bei den Versuchen in vitro gemachten Erfahrungen
konnte man von vornherein erwarten, daß sich der Isopropylalkohol auch
bei der praktischen Verwendung zur Händedesinfektion als vollwertiger
Ersatz des Aethylalkohols erweisen würde. Die verschiedenen Versuchs-
reihen, die an den mit Hautsaprophyten reichlich verunreinigten Tages-
händen mehrerer Versuchspersonen und an mit Bacterium coli
künstlich infizierten Händen angestellt wurden, zeigten eine Gleich-
wertigkeit beider Alkohole. Es wurden 22 Händedesinfektionsversuche
angestellt mit beiden Alkoholen. Dabei wurden die Alkohole ent-
sprechend den durch die Versuche in vitro erwiesenen Konzentrations-
optima in 40, 50 und 60proz. Verdünnung angewendet. Die Versuchs-
anordnung entsprach insofern der Technik der Händedesinfektion in
Spranger, Verwendung des Isopropylalkohols als Desinfektionsmittel usw. 239
der chirurgischen Praxis, als der in einer Schale befindliche Alkohol
mittels Mull nach Bedarf auf die vorher nicht gewaschenen Hände
aufgetragen und dieselben 5 Min. lang mit ihm bearbeitet wurden.
Diese Versuche erwiesen die Ebenbürtigkeit beider Alkohole, indem
mit beiden an der Tageshand sehr starken Keimreduktion (beim Iso-
propylalkohol z. B. von 3960 auf 5 Keime, von 2145 auf 1 Keim)
und zum Teil völlige Entkeimung zu erzielen war. Die Versuche an
künstlich infizierten Händen fielen noch günstiger aus, indem beide
Alkohole in 85 Proz. völlige Keimfreimachung ergeben. Die Wirkungs-
weise der oben genannten verschiedenen Konzentrationen ließ bei diesen
praktischen Versuchen keine wesentlichen Unterschiede erkennen.
Nach dem Ergebnis vorbeschriebener Versuche darf man den unter-
suchten Isopropylalkohol als ein brauchbares, dem Aethylalkohol eben-
bürtiges Desinfektionsmittel bezeichnen. Ob er allerdings imstande
sein wird, sich in der Desinfektionstechnik einzubürgern, ist eine andere
Frage, da uns durch Vergällung des Aethylalkohols bereits genügend
brauchbare billige Ersatzmittel des reinen Acthylalkohols zur Verfügung
stehen, denen gegenüber jener Isopropylalkohol keine nachweisbaren
Vorzüge besitzt. Im Gegenteil ist der mit Holzgeist vergällte Aethyl-
alkohol ja sogar ganz erheblich billiger als der Isopropylalkohol.
Zusammenfassung:
Die Prüfung der Desinfektionswirkung eines als besonders preis-
wert propagierten Isopropylalkohols im Vergleich mit Aethylalkohol
mittels Hemmungsversuchen und Abtötungsversuchen mit feuchten
und trockenen Keimen in vitro, an der mit Saprophyten ver-
unreinigten Tageshand und an künstlich infizierten Händen ergab
völlige Gleichwertigkeit des Isopropylalkohols und des Acthylalkohols
in Bezug auf die bakterizide Kraft, bei den Versuchen in vitro sogar
eine gewisse Ueberlegenheit des Isopropylalkohols.
Ein Bedürfnis zur Einführung dieses Isopropylalkohols in die
Desinfektionstechnik dürfte jedoch kaum vorhanden sein, da wir in
dem wesentlich billigeren mit Holzgeist vergällten Aethylalkohol ein
brauchbares Ersatzmittel des reinen Aethylalkohols besitzen.
Literature.
1) Bechhold u. Ehrlich in Croner, Lehrb. d. Desinf. 1913. —
2) Bernhardt, Ueber Isopropylalkohol als Mittel zur Händedesinfektion. (Deutsch.
med. Wochenschr. 1922. Nr. 2. — 3) Buchner, Fuchs u. Megele, Arch.
t. Hyg. Bd. 40. S. 149. — 4) Christiansen, Z. phol. Ch. 102. 275. 1918. —
5) Hilgermann u. Marmann, Arch. f. Hyg. Bd. 79. H. 4/5. — 6) Kisch,
Biochem. Zeitschr. Bd. 40. 1912. S. 153. — 7) Reichel, in Kraus-Uhlen-
huth, Handb. d. mikrobiolog. Techn. Bd. 1. S. 437. — 8) Saul, Ueber die
Desinfektionsenergie siedender Alkohole. (Arch. f. klin. Chir. Bd. 56. S. 686. —
9) cf. Weyls Handb. d. Hyg. Bd. 8. S. 1085. — 10) Wirgin, Vergleichende
Untersuchungen über die keimtötenden und PTE ET PA Jen Wirkungen von
Alkoholen der Methyl-, Aethyl-, Propyl-, Butyl- und Amylreihe. (Zeitschr. f. Hyg.
Bd. 46. 1904. S. 149. — 11) E. Reichmann, Berlin NW.
240 Centralbl. f. Bakt. ete. T. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
Nachdruck verboten.
Recherches sur la physiologie des globules blancs.
Cytodiagnostic et son application en clinique.
Par Prof. A. Alexeieff (Tachkent).
Avec 17 figures dans le texte et 4 planches.
Table des matiéres.
page
Préface . . A re Be seu pire Re ee A ZA
I. Plasmophages REN Pa DAT er Dach AA SEE
II. Monophages et histiophages ahs RAS E Kop “Gt, 6a FS MEN LEE SN AM 2 200
III. Rôle physiologique des lymphocytes ST En ee Le WS. a he OH) vn DE
IV. Physiologie des neutrophiles . . ras Re Tr a Somes a a
V. Théorie de la digestion au second degré . er vit GMM, 209
VI. Sur le rôle du mésenchyme . . EEE NE SCOR
VII. Principes généraux du eytodiagnostie . . . . . . . . . . . . . 266
VIII. Py ir a EN a 2, Ge er L we Lire SLD
TX. Explication des planches N 3 : 276
Comme on le voit déjà d’apres is titre ce He est composé er
deux parties qui ont une valeur autonome telle qu’elles pourraient étre
publiées isolément. Cependant, d’une part la découverte de certains
faits hématologiques nouveaux est sortie des recherches sur le cyto-
diagnostic, et d’autre part le cytodiagnostic gagne en profondeur quand
on sait à quoi servent les divers éléments cellulaires qui se trouvent
dans les épanchements pathologiques. Cela revient a dire qu’en fin de
compte la liaison entre ces deux parties n’est pas artificielle et fortuite
et qu'il vaut mieux les traiter ensemble dans un même mémoire. De
cette façon j’eviterai les répétitions et les références que j'aurais dû
faire à chaque pas, si j'avais décidé de publier ces deux mémoires
séparément.
Depuis assez longtemps les hématologues cherchent à élucider le
rôle des diverses catégories des globules blancs, et cependant, p. ex.
sur les fonctions des cellules plasmatiques on ne sait à peu près rien.
Ainsi Maximoff (1918) dans son beau traité d’Histologie dit à ce
propos (p. 192): „On ne sait rien sur la fonction des cellules plasma-
tiques. Comme elles se trouvent surtout en grand nombre dans le tissu
conjonctif dans certaines formes d’inflammation chronique, là où sont
détruits de nombreux éléments tissulaires, on suppose que les cellules
plasmatiques ont pour rôle principal d’eloigner et de décomposer selon
le mode intracellulaire ces produits de la nécrose des tissus (Schaf-
fer). Même en ce qui concerne le groupe si important de lympho-
cytes, en dehors de ce qu'ils renferment la lipase et à cause de cela
jouent un rôle important dans la défense de l'organisme contre les
bacilles acido-résistants avec leur enveloppe cireuse, on ne sait pas à
quoi servent ces éléments.
L’insucces des recherches dans cette direction tient tout d’abord
à ce que la technique employée (celle des frottis désséchés) est fon-
cièrement défectueuse; cette technique donne encore des résultats
assez bons et constants tant qu'il s'agit du sang, mais quand
on traite de la même façon p. ex. le culot d'un exsudat pleuritique, les
Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blancs ete. 241
résultats sont désastreux — les éléments cellulaires éclatent presque
toujours. D'autre part les hématologues ont tort de s'acharner à re-
chercher la solution des problèmes hématologiques dans le sang même
en oubliant que celui-ci ne représente qu'un moyen de transport et que
les processus les plus importants et les plus intéressants se passent
dans les organes hémopoiétiques et surtout dans le tissu conjonctif à
l’état d’inflammation. C’est précisément dans les foyers d’inflammation,
dans la zone où a lieu le combat entre l'organisme et le microbe enva-
hisseur que lon peut déceler la vraie personnalité de certains éléments
du sang. Maximoff et ses élèves (Samsonoff [1908], Solouha
[1908], Babkine [1910]) avaient déjà suivi cette voie et beaucoup de
données nouvelles en ont été le résultat.
Il m'a été donné d'établir par les observations de ce genre quelques
faits absolument nouveaux; ces faits seront exposés dans les premiers
chapitres de ce mémoire. De plus, comme la connaissance du rôle
physiologique que jouent les amibocytes du sang et des tissus touche
de près aux problèmes généraux tels que p. ex. l’immunite, je n'ai pas
pu passer à côté de ces questions si importantes; de là sont sortis les
ar a sur la théorie du mésenchyme et sur la digestion au second
egré
La technique dont je me suis servi peut être résumée de la façon
suivante: fixation au sublimé alcool-acétique1), coloration à l’hémato-
xyline de Delafield-éosine, ou bien à l’hématoxyline ferrique de
Heidenhain; ce dernier colorant du reste n’a présenté pour les pyo-
grammes aucun avantage sur l’hématoxyline de Delafield.
I. Plasmophages (pl. I et fig. I—V dans le texte).
On pouvait prévoir que le terme de Metchnikoff ,,macro-
phages“ ne représente pas une entité morphologique bien nette, mais
contrairement aux microphages qui, eux, correspondent strictement
aux neutrophiles, embrasse plusieurs catégories distinctes. Et en effet,
ayant etudie le pus d’origine differente j’ai été amené a distinguer
les trois catégories suivantes: 1) plasmophages, 2) monophages
et 3) histiophages.
Les macrophages que l’on rencontre le plus souvent, ce sont les
monophages. Cependant la catégorie la plus intéressante, en ce sens
que son étude permet d’élucider le röle des cellules plasmatiques, est
sans conteste représentée par les plasmophages et c’est par la descrip-
tion de ces éléments que Je commenceral ce mémoire.
De parti pris je serai trés sobre en indications bibliographiques en
me limitant aux references les plus indispensables. D’ailleurs, quand
il s’agit des macrophages et d’une facon plus générale des questions
de la phagocytose, un seul nom est surtout à citer, c'est celui du savant
dont le livre ,,Immunité dans les maladies infectieuses‘ (1903) peut
être lu encore aujourd'hui avec profit.
La question des plasmophages est intimement liée au développement
de nos connaissances sur la cytologie du pus des ulcérations intestinales
dans la dysenterie. John Anderson (1921) — l’auteur qui a le plus
contribué a etablir la possibilité du cytodiagnostic entre la dysenterie
1) Liqueur de Lehnossek — 75 parties de la solution aqueuse saturée du sub-
limé corrosif, 25 parties d’aleool absolu, 5 parties d’acide acétique glacial.
Erste Abt. Orig. Bd. 101. Heft 4/5. 16
242 Centralbl. f. Bakt ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
bacillaire et amibienne nie (et en cela il a grandement tort comme
nous allons le voir) la presence des macrophages dans les selles de
la dysenterie amibienne.
Du reste avant cet auteur divers protistologues (en particulier
Wenyon) avaient déjà noté qu’il existe certaines différences entre la
constitution du pus dans les deux formes de la dysenterie. Tantôt on
disait d’une façon peu précise que dans la dysenterie bacillaire on trou-
vait presque exclusivement des neutrophiles, tandis que dans la dysen-
terie amibienne l'élément dominant était représenté par les cellules épi-
théliales de l'intestin, ce qui s’expliquait par l’action mécanique de
l’Amibe qui pénétrait entre les cellules de l’epithelium intestinal et le
minait. D'autre part, nombre d'auteurs parlent d’une éosinophilie
massive dans le pus de la dysenterie amibienne.
Les choses en étaient là lorsqu’en 1921 a paru le travail de John
Anderson où cet auteur a bien insisté sur la possibilité de faire le
diagnostic entre les dysenteries bacillaire et amibienne d’après la con-
stitution du pus, la diagnose bactériologique venant seulement pour con-
firmer la diagnose posée de cette façon.
D'après cet auteur dans la dysenterie bacillaire les neutrophiles con-
stituent 90 0/,, les macrophages — environ 3 9/9, quelques rares éosino-
philes, pas de ,,cellules pyenotiques“; dans la dysenterie amibienne —
les neutrophiles — 7,50/,, les éosinophiles — environ 2,50/,, pas de
macrophages, les „cellules pycenotiques“ — 830/;.
Tout cela est à peu près exact sauf l’affirmation que dans la dysen-
terie amibienne les macrophages manquent: en realite ils s’y retrouvent
avec la méme fréquence relative (car le pus est ici d’une facon
generale plus pauvre en éléments cellulaires que dans la dysenterie ba-
cillaire) et dans les deux cas on les rencontre souvent disposes en amas
plus ou moins considérables. D’autre part j’ai montré que les ,.cellules
pyenotiques“ de J. Anderson sont en réalité de petits lymphocytes.
On sait que dans la muqueuse intestinale méme normale il y a des
plasmocytes (= cellules plasmatiques). On.peut trouver à ce sujet
des renseignements tres précis dans la these de Samsonoff
(1908) sortie du Laboratoire du prof. Maximoff et portant le titre
„Elements mobiles de la muqueuse intestinale des Mammiferes“. Cet
auteur décrit les cellules plasmatiques de l’intestin et rappelle que ton-
trairement à l'opinion d’Unna qui considérait la présence de ces élé-
ments comme signe d'un état pathologique, nombre d'auteurs (Hodara,
Pappenheim, Dominici, Maximoff et autres) ont montré que
les plasmocytes se trouvent dans le tissu conjonctif — et tout parti-
culièrement dans les organes hémopoiétiques. On rencontre ces éléments
dans toute l'étendue de l'intestin, mais ils sont surtout nombreux dans
l'intestin grêle. Les plasmocytes sont de préférence groupés autour
des vaisseaux et là ils forment souvent des amas considérables; vers
la base des glandes de Lieberkühn leur nombre diminue et on n’en trouve
que quelques rares représentants.
J'ai pu vérifier l'exactitude de ces données en examinant les coupes
du duodénum du cobaye et celles du côlon de l'homme. Chez le co-
baye on voit que vers la base des glandes les plasmocytes deviennent
de plus en plus rares et sont remplacées par les éosinophiles, On
reconnaît facilement les plasmocytes grace à leur plasma très baso-
phile et leur noyau en forme de roue situé excentriquement.
Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blancs etc. 243
D’après Samsonoff les plasmocytes proviennent de gros lympho-
cytes et surtout de petits lymphocytes; de plus, les plasmocytes seraient
capables de se multiplier après une division mitotique du noyau; cet
auteur aurait observé le stade de peloton. On peut douter de cette
dernière observation; en effet, nous verrons que la structure caracté-
ristique du noyau des plasmocytes est un signe incontestable de la
dégénérescence commencée; qu'un élément dont le noyau porte des
stigmates si nets d’involution puisse se diviser — cela est très peu pro-
bable. Cette division nucléaire non suivie de la division du corps cyto-
plasmique conduit -elle à la formation des cellules géantes? C’est
Textfig. I. Involutions des plasmocytes [colite ulcéreuse] (coloration à l’hématoxyline
de Delafield-éosine). X 1500. — Fig. 1 et 3. Plasmocytes avec un seul corpuscule de
Russel (très gros dans l’exemplaire 3). — Fig. 2. Plasmocyte avec trois corpuscules de
Russel. — Fig. 4. Plasmocyte auquel sont accolés les débris d’autres plasmocytes. Dans
le plasmocyte pourvu d’un noyau non encore menté un corpuscule de Russel possède
4 vacuoles. — Fig.5. A noter la tension de la membrane nucléaire qui va bientöt se
déchirer. — Fig. 6. Deux plasmocytes accolés; leurs noyaux ont déjà subi le caryorhexis
et constituent les sphérules noires; de nombreux corpuscules de Russel. — Fig. 7—19.
Plasmocytes et fragments de plasmocytes. Fig. 13. Deux corpuscules de Russel ont
Pair de se fusionner ensemble (consistance visqueuse fluide). Fig. 14—19. Fragments
de plasmocytes sans vestige de noyau ne renfermant que les corpuscules de Russel
(ceux-ci sont en réalité colorés en rose très vif).
16*
244 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
tout autre chose et plus loin nous verrons que ce processus a lieu
réellement (v. la fig. IV, 2 dans le texte).
Dans le pus des selles dysentériques (peu importe — dysenterie
amibienne ou bacillaire) on trouve parfois des amas notables de plasmo-
cytes à divers stades d’involution. On peut y observer également le
stade initial qui sert de point de départ pour la formation de notre
plasmocyte; cette forme initiale est un petit lymphocyte.
Ainsi à côté des plasmocytes préexistants qui entrent en jeu dans les
foyers de suppuration, il y a formation de nouveaux plasmocytes aux de-
pens de petits lymphocytes. Cette transformation s’effectue de la facon
suivante: dans le noyau du lymphocyte la chromatine s’accumule en
plusieurs endroits prés de la membrane nucléaire; le corps cytoplasmique
du lymphocyte grossit et devient basophile. Quelquefois déjà à ce stade
on voit dans le plasma un ou deux corpuscules de Russel (— sphères
hyalines=corpuscules fuchsinophiles ou bien éosinophiles) qui se colorent
” N
D ec
Textfig. II. Fig. 1—4. Neutrophiles du pus d’un cas de colite ulcéreuse. In vivo.
Pas de glycogène. Pas de formation de pseudopodes (donc pas de Serien Mouve-
ment brownien dans 5°/, de ces éléments. — Ce sont de véritables corpuscules du pus
(éléments morts). — Fig. 5. Deux plasmocytes accolés. Un élément cellulaire phagocyté
se trouve dans le plasmocyte supérieur — près de la ligne d’accolement. [Colite ulcéreuse.]
X 1500. — Fig. 6—8. Plasmocytes du pus d’un cas de la dysenterie bacillaire. >< 1500.
Fig. 6. Plasmocyte avec deux corpuscules de Russel. vacuoles correspondent
aux gouttelettes de graisse dissoutes pendant le passage de la préparation dans les alcools
et le xylol. — Fig. 7. Plasmocyte typique. A noter lauréole claire autour du noyau
ainsi que la basophilie du protoplasma. — Fig. 8. Lymphocyte-plasmocyte (ou plus
exactement dore me). La structure du noyau est celle d’un lymphocyte
et cependant dans le plasma basophile on note déjà un corpuscule de Russel.
par l’éosine en rose brillant à peu près comme les hématies. Très rarement
le plasmocyte manifeste déjà à ce moment des propriétés
phagocytaires. Le plus souvent il devient macrophage après avoir
grossi davantage et après que son noyau s’est fragmenté en plusieurs
blocs chromatiques.
Comment un plasmocyte devient-il un plasmophage? Quand le
plasmocyte a son noyau à structure typique et que son plasma a acquis
la basophilie caractéristique, de petits pseudopodes se forment à sa
Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blancs etc. 245
surface et peuvent s’accrocher a un élément cellulaire voisin qui se
trouve peu a peu englobé par notre plasmophage. Trés souvent le
plasmophage renferme plusieurs cellules ingérées et alors trois cas
peuvent se présenter: 1) tous les éléments ingérés sont placés dans
une méme vacuole digestive et le plasmophage a l’aspect d’un croissant
dont la partie épaissie contient les restes du noyau — c’est le mode
d’ingestion unipolaire; 2) il y a deux vacuoles digestives placées
symétriquement et séparées l’une de l’autre par un mince pont proto-
plasmique — c’est l’ingestion bipolaire; 3) enfin il se forme autant
de vacuoles digestives qu’il y a d'éléments ingérés, ou bien ceux-ci sont
plongés dans le cytoplasme du plasmophage sans interposition d’une
couche liquide — c'est ingestion pluripolaire (ou bien apolaire).
Parmi les el&ments ingeres on rencontre le plus souvent les neutro-
philes et les éosinophiles. Ces derniers se trouvent dans les plasmo-
phages avec une frequence relativement tres grande ce qui pourrait
Textfig. III. Plasmo-
cytes et plasmophages d’un
cas de la dysenterie bacil-
laire. (La méme coloration
que dans les fig. précé-
dentes). X 1500. — Fig. 1.
Plasmocyte dont le noyau
se désagrége sans avoir
formé de gros blocs péri-
pheriques; c’est un caryo-
rhexis qui n’est pas pré-
cédé d’une pycnose péri-
phérique. — Fig. 2. Plas-
mophage dont le noyau
pest pas encore fragmenté;
dans la vacuole digestive
est placé un neutrophile
phagocyté.— Fig.3. Plasmo-
phage sans trace de noyau /
{un petit corpuscule de
Russel) ayant ingéré un |
éosinophile. — Fig. 4. Dé-
colement fortuit des deux
lasmoc accolés. —
ig. 5. Plasmophage géant
ayant déjà englobé 5 neu-
trophiles; il est en train
d’ingérer encore deux neutrophiles qui sont vivants si l’on juge d’après leurs pseudopodes
(surtout chez celui à gauche); deux grosses sphérules noires représentent la chromatine
du noyau du plasmophage.
amener à penser qu'il y a une prédilection marquée de la part des
plasmophages à l'égard de ces éléments, c’est a dire que chez les
plasmophages le chimiotactisme pour les éosinophiles serait tout parti-
culièrement développé. Cependant comme on doit toujours préférer
les explications les plus simples, il est bien plus probable que ceci
s'explique par le fait que ces plasmophages avaient traversé les zones
où il y avait beaucoup d’eosinophiles, d’où vient cette proportion
d’éosinophiles ingérés trop grande par comparaison avec ce qui s observe
dans le pus émis avec les selles.
Parfois un plasmophage en avale un autre plus petit. Assez
rarement on rencontre les plasmophages ayant ingéré 1—3 hématies et
alors la confusion avec l’Amibe dysenterique est a craindre, — je re-
viendrai à ce sujet plus loin.
246 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
Comme je l’ai deja dit plus haut, dans le plasmophage mür le
noyau morphologiquement défini n'existe plus, — il est remplacé
par autant de sphérules chromatiques qu’il y avait de blocs pariétaux
dans le noyau au stade de pycnose périphérique. En effet qu'est ce
qu'un noyau à l’aspect d'une roue sinon un noyau frappé de la
dégénérescence — de la pygnose périphérique, ou bien, si
l'on préfère cette expression de Maximoff — de l’hyperchroma-
tose de la paroi nucléaire? Or les expériences de mérotomie avec
les Amibes ont appris que le morceau anucléé continue pendant un cer-
tain temps de se déplacer, d’englober les proies et que même il y a com-
mencement de la digestion (aux dépens des ferments preformes), mais
que la phase finale de la digestion — l'assimilation n’a pas lieu, d’où
la conclusion que le noyau préside au phénomène d’assimilation. De
cette façon déjà à priori on devait s'attendre à ce que les cellules
ingérées par les plasmophages ne seront pas digérées et c’est bien ré-
ellement le cas: les noyaux des cellules englobées se colorent touiours
très bien et gardent leur structure caractéristique, de même que d’ailleurs
les contours du corps cytoplasmique restent nettement tracés et ne
ET deviennent flous et mal definis
que trés rarement, — par consé-
quent il y a parfois commence-
ment de la digestion, mais celle-
ci ne va jamais jusqu’a l’assimi-
lation complete des proies en-
globées.
A
Textfig. IV. Dysenterie amibienne
(même technique) X 1500. — Fig. 1.
Cellule épithéliale de l'intestin avec son
plateau. — Fig. 2. Plasmophage géant
T plurinucléé. trois noyaux sont au
© ¥ même stade de pycnose périphérique.
Un éosinophile phagocyté se trouve dans
2 la vacuole digestive à parois très nette-
ment tracées.
Le nombre des cellules ingérées n’est jamais considérable, il dé-
passe rarement quatre (v. la fig. III, 5 dans le texte). Cependant
dans les plasmophages ayant atteint les dimensions considérables (30 à
35 u de diamètre et davantage, tandis que la taille du plasmocyte
mesure 10—124 de diamètre) j'ai vu jusqu’à sept neutrophiles englobés.
A ce sujet la figure III, 5 est très démonstrative: elle montre l’ingestion
unipolaire (par le pôle festonné dirigé vers le bas), et en plus de
cinq neutrophiles déjà complètement englobés deux autres sont accrochés
par les pseudopodes de notre plasmophage.
Les plasmophages peuvent quelquefois atteindre la taille de 70 u
de diamètre. Dans ces cellules géants on note quelquefois, très rarement,
il est vrai, plusieurs noyaux. Une de ces cellules géants d’origine plasmo-
cytaire est représentée par la fig. IV, 2 — on voit là trois noyaux aveo
pycnose périphérique et un éosinophile placé dans une vacuole digestive
à contours très nets.
On trouve souvent des groupes constitués par 2—3 plasmocytes
accolés plus ou moins étroitement entre eux. La question assez impor-
tante est de savoir si c’est là une disposition primitive qui vient de ce
ce que ces éléments accolés prenaient part à la constitution d’un tissu
Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blancs etc. 247
(ou d’un syncytium) ou bien s’agit-il là d’un accolement accidentel ?
Certains aspects tels que celui représenté dans la fig. II, 5 décident
en faveur de la dernière interprétation: en effet on ne conçoit pas
comment le plasmocyte supérieur aurait pu capturer par son pôle in-
férieur un élément cellulaire, s’il avait été toujours accolé à son voisin
en bas; — il est bien plus naturel d'admettre que la réunion de ces
deux plasmocytes est tout à fait fortuite et tient aux propriétés agglu-
tinantes de leur surface.
Je ne saurais trop insister sur le fait qu'une part relativement
minime de plasmocytes évoluent en plasmophages, — c’est suivant les
cas tantôt 1—2 0/ọ tantôt 3—5 0/, de tous les plasmocytes. Quand
je dis „évoluent“ ce n’est pas tout a fait le mot — il s’agit ici d’un
processus d’involution qui a lieu et dans le noyau et dans le
plasma. Or, tous les plasmocytes dégénèrent et pendant cette involution
certains d’entre eux peuvent fonctionner comme macrophages
et ceux-là seuls méritent le nom de „plasmophages‘“.
Textfig. V. Colite ulcéreuse (Delafield - éosine). x 1500. — Fig. 1. Plasmophage
avec trois neutrophiles ingérés. Arrangement apolaire. — Fig. 2. Aggregat de trois plasmo-
cytes dont deux renferment les éléments cellulaires phagocytés. — Fig. 3. Plasmophage
ayant englobé cinq neutrophiles placés dans deux vacuoles digestives. — Mode d’ingestion
bipolaire avec un pont (ou l’isthme) protoplasmique. — Fig. 4. Plasmophage avec un
neutrophile ingéré. -- Fig. 5. Monophage jeune avec pop restes des éléments phago-
ai — Fig. 6. Monophage ayant englobé plusieurs éléments cellulaires; ceux-ci sont aux
ivers stades de digestion.
Quel est le sort des plasmocytes qui ne deviennent pas macrophages
(et de tels plasmocytes représentent comme je viens de l’indiquer une
majorite considerable)? Ces plasmocytes subissent une dégénérescence
plus profonde encore et finalement forment le detritus.
Les figures de 1 à 19 (fig. I dans le texte) ont été dessinées pres-
que d’aprés un seul champ de microscope (avec objectif 4 immersion) —
tellement sont parfois nombreux ces éléments en pleine dégénérescence;
on en trouve des nids entiers. Comme on le constate d’après ces figures,
il s’agit ici d’une fragmentation très irrégulière des plasmocytes dont le
noyau a subi le caryorhexis et dont le plasma renferme un nombre
variable et parfois considérable (jusqu’à remplir tout le plasma de la
248 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
cellule) de corpuscules de Russel. Les debris qui resultent de ce ‘mor-
cellement tantöt renferment et les restes du noyau et les corpuscules
de Russel, tantôt un seul de ces éléments.
Tout ce que je viens de rapporter au sujet d’evolution et d’in-
volution des plasmocytes, je l’ai contrélé par les observations in vivo;
— le sort de chaque inclusion et de chaque granule a été suivi. Ce
contröle m’a paru d’autant plus nécessaire que j’avais vu maintes fois
mes collégues faire la diagnose de la dysenterie amibienne 4 cause des
macrophages qui ont été pris pour l’Amibe dysentérique. Et il faut
en convenir que la ressemblance est assez grande surtout si notre plas-
mophage a capturé une ou plusieurs hématies. Je dois signaler
que cette erreur était commise non seulement par les médecins peu
versés aux détails de la Protistologie, mais par ‘des protistologues
distingués. En effet dans l’article écrit par M. Hartmann ,,Morpho-
logie und Systematik der Amöben“ in „Handbuch der pathogenen
Mikroorganismen“ Kolle und Wassermann (1913) nous voyons
les figures 22—26 censées d’apres Hartmann de représenter les
formes d’Entamoeba tetragena en dégénérescence, mais qui en
réalité toutes (sauf peut-étre la fig. 22) sont des plasmophages (les
figures 23 a 25 sont des dessins inedits du Dr. Ornstein). Que
l’on compare en particulier la fig. 25 de Hartmann avec mes
fig. I, 4, 6—8 on verra que la ressemblance est complete. D’autre part
Brumpt dans la dernière édition de son ,,Précis de parasitologie“
(Paris 1922) dit quelques mots a propos d’Endolimax phago-
cytoides Gauducheau qui ‘serait tres peu mobile et méme dans la
plupart des cas serait deja morte dans les excréments (ce qui ne peut
guére se concevoir pour un parasite intestinal); dans les figures se rap-
portant a cette ,,Amibe on reconnait les plasmophages. Je me suis
permis de m'arrêter sur l'erreur commise par ces deux protistologues
ayant une grande expérience, pour donner une idée de la difficulté que
présentent ces éléments pour le médecin peu habitué aux recherches
protistologiques.
Maintenant que nous avons des notions assez complétes sur la
morphologie et l'involution de nos plasmocytes abordons la question très
importante et très peu connue du rôle physiologique qu’ils jouent dans
l'organisme. Il est évident que ce rôle ne peut pas être ramené
entiérement à la propriété phagocytaire, — celle-ci s’observe tout au
plus dans 5 /, du nombre total; à quoi servent les autres 95 0/,?
J'ai déjà cité plus haut les paroles de Maximoff au sujet du
rôle des plasmocytes. Prof. Pokrovsky dans un article consacré aux
„Cellules plasmatiques et leurs congénères dans la pathologie“ arrive
à peu près à la même conclusion — on ne sait rien de précis sur les
fonctions des plasmocytes.
Pour moi la fonction principale des plasmecytes consiste en ce
qu'ils absorbent les substances toxiques; deux arguments plaident en
faveur de cette opinion: c’est d’abord la basophilie toute particulière
de leur cytoplasme, basophilie qui a conduit même à l’hypothèse d'un
granoplasma spécial (Unna) et qui détermine cet aspect si caracté-
ristique de ce plasma (grumeleux); d'autre part les phénomènes de dé-
générescence qui ont lieu et dans le noyau (pycnose périphérique) et
dans le plasma (corpuscules de Russel — dégénérescence hyaline
localisée) montrent que le plasmocyte est un élément profondé-
ment intoxiqué, et cest là précisément son rôle physiologique:
Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blancs etc. 249
il absorbe électivement toutes les toxines, qu'elles soient d’origine in-
trinsèque, ou bien qu'elles viennent d'une invasion microbienne (p. ex.
dans les foyers d’inflammation septique).
Comme les intoxications d’origine endogène ont tou-
jours lieu même dans l'organisme le plus sain (autointoxi-
cation intestinale, produits toxiques de la fatigue musculaire etc.), on
comprend très bien pourquoi on trouve les plasmocytes même dans
les conditions dites physiologiques ou nor ma les; mais na-
turellement dans les états pathologiques, lorsque les intoxications de-
viennent incomparablement plus intenses, on trouve beaucoup plus de
plasmocytes. Et comme, d'autre part, notre plasmocyte provient du
lymphocyte et celui-ci est un élément à énergie potentielle presque
inépuisable, il en résulte que même pendant le processus d’involution le
plasmocyte peut manifester une tentative évolutive, — ainsi il devient
macrophage et à cet état englobe les cellules sans être capable de les
digérer. Étant une cellule anucléée et cependant relativement viable,
notre plasmophage fait évoquer un autre élément du sang dépourvu
lui aussi de noyau — l’hématie dont la durée est de quelques semaines.
En somme on peut dire que le plasmocyte n’est qu'un
lymphocyte en voie de dégénérescence, de même qu’un
neutrophile avec le noyau pyenotique n’est pas autre
chose qu’un neutrophile au stade d’involution. Évidemment
dans le cas de plasmocyte il y a non seulement pycnose du noyau, mais
encore accroissement du corps cy toplasmique (ce qui correspond au stade
de polyblaste de Maximoff), mais est-ce la une difference bien.
profonde? Et il ne faut pas voir dans ce qui précede seulement une
facon de parler ou une comparaison superficielle; l’opinion que je viens
de formuler équivaut à un changement très profond dans notre manière
de voir: au lieu de se représenter les plasmocytes comme une catégorie
très spéciale placée tout à fait à part dans l’ensemble des globules blancs,
nous admettons que le lymphocyte soumis à l’action des to-
xines devient plasmocyte. C’est un point de vue qui diffère
beaucoup de ce qu’on croyait jusqu'ici au sujet de la nature des plas:
mocytes.
Dès lors nous sommes en état d'apprécier l'intérêt de la constatation;
suivante: Dr. Babkina (1910) provoque l’inflammation aseptique
dans la rate du lapin; aux stades avancés on constate les Mastzellen
et les plasmocytes en nombre beaucoup plus considérable que dans la
rate normale; dans certains endroits presque tous les petits
lymphocytes sont transformés en plasmocytes. La nécrose
du tissu splenique a conduit à la formation d’une quantité notable de
toxines; la réaction des lymphocytes à cette influence toxique est partout
la même, mais elle varie quant au degré, — par places l’intoxication
était tellement massive et intense que la réaction était pour ainsi dire
totale — chaque lymphocyte est devenu plasmocyte.
Il est probable que si l’on continuait a se contenter d'étudier les
plasmocytes dans le sang périphérique, on serait toujours réduit aux
conjectures sur leur signification fonctionelle. Il a suffi de diriger
l'attention sur les foyers de suppuration où tous les processus physio-
logiques sont intensifies et menés jusqu’au bout, pour constater que les
plasmocytes sont avant tout toxinophages, c'est à dire qu'ils
absorbent électivement les toxines, et que, de plus, ils peuvent fonc-
tionner comme macrophages qui doivent être désignés par un terme
350 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
special (plasmophages) pour les distinguer des monophages et
des histiophages; c’est a la description de ces deux dernières caté-
gories que je passerai maintenant.
II. Monophages et histiophages (pl. II—III et fig. V, 5—6 dans
le texte).
Monophage — c’est le type le plus fréquemment observé. On trouve
les monophages dans le pus des furoncules, de l’osteomyelite, dans le
liquide céphalo-rachidien dans les cas de la méningite cérébro-spinale
epidemique.
Ici nous partons d’une cellule du type monocyte avec un noyau
pauvre en chromatine et pourvu d’une encoche plus ou moins profonde:
cet élément grossit (ou plus exactement son corps cytoplasmique seul
grossit) et commence a englober les éléments cellulaires — les hématies
et tout particulièrement les neutrophiles. Dans certains cas le mono-
phage est bourré de neutrophiles et alors l’ensemble figure une sorte de
sac à paroi très mince avec un léger épaississement du côté où se trouve
le noyau; on en trouve avec 20 neutrophiles ingérés tous placés dans
une énorme vacuole digestive centrale. Qu'on se rappelle que Metchni-
koff avait signalé également jusqu'à 20 hématies ingérées, — ses
macrophages du cobaye ayant englobé les hématies de l’oie correspondent
parfaitement à nos monophages (de l’homme). Dans d’autres cas les
éléments phagocytés se trouvent repartis en plusieurs endroits sans
aucun ordre apparent et alors le noyau peut prendre une forme très
bizarre. Du reste ce noyau présente une grande variabilité d'aspect
extérieur. Cependant sa structure interne ne varie point; 'en particulier
on n’y constate jamais le moindre signe de dégénérescence, et ceci avec
absence de corpuscules de Russel dans le cytoplasme, — sont des carac-
tères différentiels qui distinguent ces monophages des plasmophages
précédemment décrits.
De plus le monophage, toujours contrairement au plasmophage, est
doué d’une vitalité extraordinaire — il digérera facile-
ment ses vingt neutrophiles englobés et soit continuera d’exer-
cer sa fonction phagocytaire, si le besoin s'en fait sentir, soit retournera
à son stade initial — a l'état de monocyte. Et en effet on voit les
noyaux des neutrophiles ingérés perdre peu à peu leur colorabilité:
ces noyaux finissent pas se dissoudre de même que le cytoplasme qui
est digéré en premier lieu comme c’est ‘la règle générale.
Le monocyte de même que le monophage qui en dérive
— ce sont des éléments à énergie évolutive multiple:
je reviendrai sur ce sujet quand j'aurai à envisager le rôle des lympho-
cytes.
Passons maintenant aux histiophages. Il s'agit d'un élément cellu-
laire dont les propriétés phagocytaires ne sont jamais bien développées:
c'est tout au plus une ou deux cellules englobées que l’on peut noter
à l'intérieur de l'histiophage. Son noyau se distingue aisément du
noyau du monophage par sa membrane rigide; celle-ci même en se dé-
formant garde ce caractère de rigidité, tandis que le noyau du monocyte
frappe par les contours très labiles, souvent singuliers.
On trouve les histiophages dans le pus gonococcique, dans les
liquides ascitique et pleurétique.
Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blanes etc. 251
III. Rôle physiologique des lymphocytes.
Il n° y à pas longtemps on ne savait sur le rôle des lymphocytes
à peu pres rien. Un seul fait bien établi était qu'ils renferment la
lipase, d’où le rôle important que ces éléments jouent dans la lutte contre
les bacilles acido-résistants. On sait les propriétés spéciales que pré-
sente le pus des abcès froids précisément à cause de cette richesse en
ferment lipolytique; ainsi la prédominance dans le pus des lymphocytes
plaide fortement en faveur de son origine tuberculeuse.
On croyait et on croit encore aujourd’hui que les lymphocytes ne
sont pas doués d’une mobilité propre. Ainsi pour expliquer le phéno-
mène de Stöhr au niveau des amygdales on a admis l'existence d’un
courant de lymphe spécial dirigé vers l’extérieur. De même on nie
que les lymphocytes peuvent fonctionner comme phagocytes.
En réalité le lymphocyte mérite plus que tout autre élément la
qualification de cellule bonne a tout faire. C’est le lymphocyte
qui est le défenseur principal de notre organisme, de-
fenseur qui entre en action à chaque instant, tantôt à propos d’une in-
vasion microbienne, tantöt dans l’autointoxication (d’origine intestinale
ou toute autre) et dans ce dernier cas est exercée la propriété de toxino-
phagie — c’est a dire les lymphocytes absorbent élective-
ment les substances toxiques. De plus, le lymphocyte peut de-
venir macrophage -- soit du type monophage, soit du type
plasmophage.
Cependant il faut en convenir que le petit lymphocyte considéré tel
qu'il est ne peut pas déployer une grande énergie. Mais dès qu’une
toxine ou un autre excitant quelconque agit sur ce lymphocyte, il cesse
de se multiplier par division; en revanche son corps cytoplasmique
grossit et alors des deux choses l’une: ou bien il devient un monocyte
qui a son tour dans la suite peut devenir (mais cela n’est pas obligatoire)
monophage, ou bien — si l’action de la toxine a été plus profonde et
plus brutale — notre lymphocyte présente des signes de dégénérescence, et
maintenant nous savons que le lymphocyte en état d’involution se nomme
plasmocyte; celui-ci devient (assez rarement) plasmophage. Ainsi suivant
le degré d’excitation fonctionnelle et de l’intoxication qui en est la cause,
nous avons tantöt un élément trés vivace qui pourra dans la suite subir
plusieurs évolutions successivement, tantöt le plasmocyte avec une
vitalité trés amoindrie, plasmocyte dont les jours (et peut étre méme
les heures) sont comptés.
Je ne saurais trop repéter que la propriété de toxinophagie est
incomparablement plus importante que la propriété phagocytaire. Or
cette dernière est plus facile à constater, plus tangible, et à cause de
cela jusqu'ici seule entrait en ligne de compte. D'ailleurs plus
loin nous verrons que la toxinophagie de méme que la phagocytose
ne sont que des manifestations particulières d’un processus très général
qui a lieu constamment a l’etat le plus normal de l’organisme dans les
globules blancs du sang et des tissus, — je fais ici allusion au pro-
cessus de la digestion au second degre.
Absorber et décomposer les substances toxiques dissoutes dans le
plasma sanguin et ensuite rejeter les déchets, — mais c’est 1a la fonction
d'un organe excréteur. Et ce rôle a été déjà exprimé par l’histologiste
français Ranvier quand il avait proposé le terme néphrocytes
pour les éléments appartenant, il est vrai, à une catégorie déterminée
252 Centralbl. f. Bakt. ete. 1. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
des cellules mésenchymateuses, mais comme nous allons le voir il n’y a
en réalité aucune différence essentielle entre les lymphocytes et les né-
phrocytes des tissus, tout cela — ce sont des amibocytes; quand plus
loin je me servirai du terme amibocyte je lui donnerai toujours la même
signification, a savoir — les globules blancs du sang de méme que les
diverses espéces des cellules mobiles du mésenchyme.
Ainsi nous avons déja reconnu que les lymphocytes, ou plus exacte-
ment leurs dérivés directs (polyblastes, monocytes, plasmocytes), exer-
cent deux fonctions: phagocytaire et néphrocytaire (toxinophage). S'il
n’y avait que ces deux fonctions le röle des lymphocytes serait deja tres
important. Cependant ces éléments ont encore une fonction.
On sait maintenant que les cellules étoilées de Kupffer dans le
foie deversent la bilirubine (qui résulte de la décomposition de l’hemo-
globine des hématies ingérées par les cellules de Kupffer) dans les
capillaires sanguins; c’est là un produit de sécrétion interne qui plus
tard sera repris et excrété par les cellules hépatiques. Ainsi grace
aux travaux d'Aschoff et de son école la cellule hépatique est dé-
possédée d’une partie de ses fonctions, — en effet elle ne fait ju’ex-
créter la bilirubine (donnant la réaction directe, car la cellule hé-
patique a scindé la combinaison peu stable de la bilirubine); on a rap-
porté aux cellules de Kupffer — à ces éléments d'origine mesenchy-
mateuse, la partie essentielle du processus de la formation de la bili-
rubine.
Il ne faut pas croire que c’est la un fait isolé dans l’économie de
l'organisme. Dans beaucoup de glandes possédant à la fois la sécrétion
externe et la sécrétion interne, la première est due à l’activité de la
partie parenchymateuse (d'origine endodermique) de la glande, tandis
que la fonction endocrine est exercée par la partie mésenchymateuse
qui est en quelque sorte surajoutée, en ce sens qu'elle n'apparaît que
plus tard dans l'évolution ontogénétique. Ainsi les recherches de
Mesnil ont montré que dans le foie des embrvons de cobaye et chez
les lapins nouveaux-nes il n’ya pas de cellules de Kupffer; ce n'est
que plus tard que ces éléments immigrent dans le foie et occupent la
situation que l'on connaît (périthélium).
Les cellules interstitielles de Levdig dans le testicule consti-
tuent dans leur ensemble (malgré les attaques contre cette manière de
voir pendant ces quelques dernières années) une glande à sécrétion
interne. Or, comme l'ont montré les recherches classiques T'A n cel
et Bouin les cellules de Leydig, au moins chez le cheval, proviennent
pour la plupart des globules blancs immigrés (probablement il s'agit
ici des éléments du type monocyte).
Je crois que les éléments cellulaires qui forment les ilots de
Langerhans dans le pancréas sont aussi d’origine mésenchymateuse.
En effet on sait que cette partie endocrine de la glande se constitue
plus tard que les éléments à sécrétion externe, d'où la supposition que
les cellules des îlots de Langerhans ne se différencient que re-
lativement tard à partir des éléments glandulaires du parenchyme.
N’est-il pas beaucoup plus simple et conforme à ce que nous voyons
dans les autres glandes d'admettre l'immigration des éléments endo-
crines dans un organe parenchymateux déjà formé. ces éléments à
sécrétion interne étant de nature mésenchymateuse? Naturellement les
recherches embryologiques doivent être entreprises pour élucider ce
point.
Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blancs ete. 253
De même dans le chapitre où sera traité la question de la digestion
au second degré je montrerai que dans les poumons à côté de la partie
parenchymateuse d'origine endodermique il y a une glande endocrine
diffuse constitutée par les cellules à poussières (ou lipophages) — élé-
ments mésenchymateux dont l’incret est la lipase.
Or, nous pouvons considérer chacun de ces éléments mononucléaires
— lymphocytes et leurs dérivés (de même que les amibocytes du tissu
conjonctif tels que les cellules migratrices au repos de Maximoff,
cellules adventitielles de Marchand etc.) comme une glande uni-
cellulaire à sécrétion interne. C’est qu’en effet, s’il est vrai que toute
cellule qui vit sécrète certaines substances, on est convenu d’attribuer
la qualification d’element glandulaire à la cellule qui fabrique plus
de ferments qu’il n’en N ia mr,
faut pour son propre 6@~ ‘Yo 708 ?
usage, le produit de sé- /9 h
vE o \
crétion étant utilisé par | 50 9 00029 | 0, 9.2. | Pa o à.
l'organisme tout entier. © o 0.24 a 31 lee 3 Ze!
Et c’est précisément le `o © - % 9° 90 Q ; KAA 9
cas de nos amibocytes 1 2 09° eu > \ "9°90 2
uninucléés du saug et 3 \ 007,
du tissu conjunctif. 5 N Sr
Textfig. VI. El&ments
du pus aseptique (abcès chez
un paralytique général causé
par l'injection de l'essence de
térébinthine). In vivo. —
Fig. 1—5. Gros monocytes
avec gouttelettes graisseuses
chai piur 4 en est tout
urré). Ces monocytes ne
fonctionnent point comme
macrophages. — Fig. 6—9. = 8
p me Fig. 6. Neu- 7 <p, PENEI N :
trophiles avec le noyau for- /,) 52. 0.9.8: PARLES
mé de 4 segments (très nets (yy: er er A PRET 7
sur le vivant). Fig. 7-9. A r Yo: ° OF 084) hode 3:20
noter les gouttelettes de ws, / ~ 2” so 7577 \fecse% 29°
graisse. Fig. 9. Emission des a." SOA A We
pseudopodes. — ar,
Du reste cette fonction sécrétrice n’avait pas échappé à l’attention
des histo-physiologistes, Ainsi Renaut a proposé le terme de ,,cellules
rhagiocrines‘‘.
De cette facon les lymphocytes et les éléments qui en derivent
réunissent a divers degrés, suivant l’element et surtout suivant l’époque
considérée (ce qui revient aux modifications des conditions extéri-
eures), les trois facultés suivantes: ils sont phagocytes, néphro-
cytes et endocrinocytes (— cellules ragiocrines), ou si nous vou-
lons exprimer toutes ces fonctions par un seul mot — un peu long il
est vrai, mais bien explicite — ce sont des phago-néphro-endo-
crinocytes.
Je viens de dire que de ces trois fonctions tantôt prédomine
l'une, tantôt l’autre (ou bien il y a à la fois deux fonctions au premier
plan etc.), — suivant l’espece de l’élément considéré (plasmocyte ou bien
monocyte etc.) et surtout suivant l’époque considérée. C’est qu’en effet
254 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
ayant étudié la physiologie des amibocytes uninucléés j'ai été amené
à la conclusion qu’il n'y a pas pour ainsi dire de prédétermination pour
leur différenciation dans tel ou tel sens, — ce sont uniquement les
conditions du milieu ambiant qui commandent telle ou
telle évolution de ces éléments. Nous avons déjà vu un exemple
concret qui confirme cette manière de voir dans le rôle que joue le
degré d'intoxication sur le sort des lymphocytes: soumis a un faible
excitant (commencement d'intoxication) le lymphocyte devient un mono-
cyte!); si l’intoxication est plus massive, plus rapide — nous avons
la transformation du lymphocyte en plasmocyte qui est, comme nous
l'avons vu, un élément voué à la dégénérescence définitive et a la
mort proche.
Comme exemple concret d’un amibocyte mésenchymateux qui cumule
les trois fonctions qui sont résumées dans le terme phago-néphro-
endocrinocyte, je rappelle les cellules de Leydig. Les cellules
interstitielles du testicule deversent le produit d’incrétion qui stimule
Vardeur sexuelle, donc elles sont endocrinocytes; dans certaines
conditions on a vu les prolongements pseudopodiques des cellules de
Leydig traverser la membrane propre des canalicules séminaux et
phagocyter les spermatozoïdes, — donc ces cellules de Leydig fonc-
tionnent comme des phagocytes. Enfin Voinow avait déjà attri-
bué aux cellules interstitielles le rôle d’une barrière, — ces cellules
absorberaient les toxines et empêcheraient les influences nocives de
toute sorte d'arriver jusqu'aux éléments sexuels très peu résistants,
— c'est la la troisième fonction — toxinophage on néphro-
cytaire.
A propos de la fonction phagocytaire de ces éléments il faut
ajouter qu'elle s'exerce tout le temps — en effet les cellules de
Leydig ramassent les restes non utilisés lors de la transformation des
spermatides en spermatozoïdes (v. le schéma fig. XVII dans le texte
où sont représentés le testicule et le foie). Pour moi cet aliment
spécifique est même indispensable pour que puisse avoir lieu la for-
mation des lipoides spécifiques dans les cellules de Leydig, lipoides
qui fixent le bleu de pyrrhol et qui donnent l'hormone sexuelle. Ce
processus est absolument analogue à ce qui se passe dans une autre
glande, où il y a le même enchevétrement de la partie parenchymateuse
et des éléments mesenchymateux: je fais allusion aux cellules de
Kupffer qui ne fabriquent de la bilirubine que si elles ont reçu l’hémo-
globine des hématies. C’est avec un matériel spécial que les cellules
de Kupffer forment la bilirubine, de même que la cellule de Leydig
a besoin des éléments de la lignée séminale pour élaborer l'incret
sexuel.
Ainsi dans ce chapitre nous avons vu que le lymphocyte est un
élément à énergie évolutive multiple; en effet il peut donner soit le
monocyte soit le plasmocyte 2).
1) Je ne parle pas ici de la catégorie des monocytes qui renferment l’oxydase; on
suppose que de tels monocytes sont d’origine médullaire.
2) Je n’oublie pas que pour beaucoup d’auteurs le terme monocyte embrasse trois
catégories d’éléments: monocytes provenant de la série lymphocytaire, monocytes d’ori-
gine médullaire (ce sont ceux qui renferment l’oxydase) et enfin des histiocytes égale-
ment pourraient devenir des monocytes. — Je dois noter que j’ai observé quelques
formes de transition entre le lymphocyte et le monocyte (y. = fig. 1 de la pl. II.
Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blancs etc. 255
Telles sont les propriétés des lymphocytes au point de vue de leur
evolution. Si nous envisageons maintenant leur röle physiologique, ces
elements ou plutöt leurs derives directs sont capables comme nous
l’avons déjà vu d'exercer trois fonctions très importantes, — ce sont des
phago-néphro- endocrinocytes. .
A ce propos je dois ajouter que la fonction néphrocytaire de ces
amibocytes n’a pas été jusqu’ici suffisamment envisagée par les auteurs.
Bien arbitrairement on a isolé de tout l’ensemble une partie — les cellules
de Kupffer dans le foie, les éléments du reticulum de la rate, les
cellules endothéliales des vaisseaux et on en a fait le systeme réticulo-
endothelial dont importance pour notre raisonnement clinique s'accroît
de jour en jour.
Les toxines avant
d’arriver au filtre renal
passent par le filtre né- oN
phrocytaire;decettefacon EX \
les nephrocytes forment S
1
dans leur ensemble une
sorte de rein diffus
qui jusqu’à présent a été
méconnu.
Textfig. VII. Cellules |
endothéliales dans un cas de c+)
gonorrhée chronique. 1500.
— Fig. 1. Cellule endothéliale P /
_——
—/5
binueléée. — Fig. 2. Cellule *
endothéliale a wat ee une P \
hématie. Fig. Cellule ee Q \
endothéliale ayant "hues un
élément épithélial. — Fig. 4 | ©
Cellule endothéliale ayant en-
go deux neutrophiles placés s
ans une seule vacuole di- Q /
gestive. — Fig. 5. Complexe / N
des deux cellules endothéliales Sat
entourant quelques cellules
épithéliales.
De même les glandes endocrines dont l’etude constitue une branche
importante des sciences médicales — l’endocrinologie, ne sont au moins
en partie qu’une condensation de nos éléments endocrinocytes. Et si dans
la question des remplacements des fonctions endocrines il y a encore beau-
coup de points obscurs, c’est précisément à cause de ce qu'on ne tient
pas suffisamment compte de ces glandes endocrines diffuses qui sont
formées par les lymphocytes-endocrinocytes.
Dans le chapitre consacré à la digestion au second degré nous
verrons que la phagocytose rentre dans les cadres d’un phénomène
qui a lieu dans l’organisme d’une façon continue; de même que la
toxinophagie, la phagocytose n’est qu’un cas particulier
de la digestion au second degré, c’est à dire que, après la di-
gestion au premier degré au niveau de la muqueuse intestinale (avec
participation des glandes annexes, comme le foie, le pancréas), toutes
les substances alimentaires passent à travers le corps des amibocytes
et y subissent une assimilation, ou, d’une façon plus générale, des change-
ments profonds.
256 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
IV. Physiologie des neutrophiles (pl. III et fig. VL et VIII dans
le texte).
`
Il semble au premier abord que le rôle physiologique des neutro-
philes qui correspondent bien aux microphages de Metchnikoff est
suffisamment élucidé et se ramène en grande partie à la phagocytose.
Certainement on a été obligé d’introduire des corrections importantes
dans la conception primitive trop morphologique de Metchnikoff.
A côté d’englobement des bactéries et de la digestion intracellulaire il
y a destruction des leucocytes (leucocytolyse), d’où la mise en liberté
des ferments protéolytiques et d'autres substances bactéricides.
Cette concession aux affirmations des humoralistes a été faite déjà
par Metchnikoff. Plus tard l'importance de la leucocytolyse a
été bien mise en évidence par Manoukine qui même a tiré de ces
conceptions des applications thérapeutiques !).
Cependant même en admettant ces corrections on ne se rendra bien
compte de la signification physiologique des neutrophiles qu’à la condition
ne pas la ramener exclusivement à la phagocytose, mais se rappeler
toujours que ces leucocytes jouent un rôle très important dans la di-
gestion au second degré. Avant de parler de cette dernière théorie
reprenons quelques faits plus ou moins bien établis concernant la
physiologie des neutrophiles.
Pour moi les granulations neutrophiles des leucocytes polynucléaires
représentent à n’en pas douter le ferment protéolytique à l’état de pro-
ferment. De plus on sait que les neutrophiles renferment l’oxydase.
Quant au glycogène dans les neutrophiles décrit par beaucoup d'au-
teurs je n’ai jamais pu le mettre en évidence dans le sang
périphérique ?).
Je crois que le plasma du sang gêne la réaction de Lugol, de même
qu'il empêche les colorations vitales. Il est probable que le coéfficient
de répartition de ces substances (liqueur iodo-iodurée et les colorants
vitaux tels que le rouge neutre, le bleu de methylene et autres) n'est.
pas en faveur des éléments figurés. Malgré ma grande expérience
des colorations vitales, il ne m’a pas été donné d'obtenir des colorations
vraiment intravitales (et non postvitales) dans les leucocytes. Il
en est tout autrement si l'on s'adresse aux leucocytes provenant p. ex.
du pus du liquide céphalo-rachidien (dans la méningite cérébro-spinale,
ou bien dans les cas des tumeurs extradurales etc.): là à peu près dans
950/, des neutrophiles on peut déceler le glycogene en grande quantité;
le plus souvent on observe avec le liquide de Lugol l'aspect suivant:
le glycogène fuse en gouttelette volumineuse et fait une sorte d’hernie
vers l'extérieur; plus rarement cela se produit aux deux pôles plus ou
moins exactement opposés; dans le cas de la gouttelette glycogénique
unique celle-ci peut atteindre les dimensions égales au reste du leucocyte.
Ainsi on peut dire que dans tous les neutrophiles du pus céphalo-
rachidien il y a du glycogene: dans tous, car ces 50/ où le glycogène
1) Cet auteur utilise l’action des rayons X sur la rate pour pıovoqueur la leuco-
eytolyse grâce à laquelle le plasma du sang s'enrichit en leucocytolysines; le foie doit
être bien protégé contre les rayons, car autrement il produirait les antileucocytolysines.
2) D’après Voskresensky le glycogène serait surtout abondant dans les cas
de typhus exanthématique; cet auteur y voit même un caractère ayant une valeur pour
la diagnose de cette maladie. J'ai examiné à ce sujet le sang d’un certain nombre de
malades avec le typhus exanthématique, mais je wai pas eu ici non plus de résultats
positifs.
Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blancs ete. 257
manque s'expliquent probablement par le fait que toutes ces réactions
microchimiques ne donnent jamais des résultats constants en ce sens que,
à côté des éléments ayant pris la coloration rouge brun-acajou typique,
il y en a d’autres qui ne la prennent pas — tout en renfermant du
glycogène.
J’ai revu le même phénomène dans les crachats purulents dans la
pneumonie lobaire et dans d’autres liquides purulents. Là la proportion
des neutrophiles pourvus de réserves glycogéniques était moindre. Enfin
avec le pus qui a subi une macération (p. ex. dans la pyorrhée alvéo-
laire, le pus dysentérique), le réactif de Lugol donne des résultats
négatifs — tout le glycogène a été dissous. A cette différence correspond
une autre: tandis que les neutrophiles du pus céphalorachidien et ceux
de la pneumonie lobaire se déplacent activement à l’aide de pseudopodes,
les neutrophiles du pus dysentérique et ceux de la pyorrhée alvéolaire
sont absolument immobiles — car ils sont morts — ce sont de véritables
corpuscules du pus et non les leucocytes polynucléaires que l’on
trouve dans le pus à glycogène. On voit par ces exemples que les
Textfig. VIII. Neutrophiles du pus d’un cas de la gonorrhée aigüe (3"* jour d’écoule-
ment). In vivo. — Fig. 1-6. Neutrophile présentant la formation des pseudopodes in-
tense. Fig. 1. Dessiné à 2h. 40 min. Fig. 2. Id. à 2h. 41 min. Fig. 3. Id. à 2h.
43 min. Fig. 4. Id. à 2h. 46min. Fig. 5. Id.’ 2h. 48 min. Fig. 6. Id. à 2h. 50 min.
Ces leucocytes mobiles constituent seulement 5—6 °/, du nombre total. Tous les autres
sont immobiles comme ceux représentés dans les fig. 7 et 8. Dans tous les neutrophiles
le glycogène manque; pas de mouvement brownien.
neutrophiles, suivant le pus, diffèrent beaucoup quant à leur vitalité —
tantöt ce sont les leucocytes vivants, tantöt les corpuscules du pus.
De ces observations il résulte que les neutrophiles renferment tou-
jours du glycogéne en quantité notable; si dans ‘certains cas on ne
décéle pas ce glycogene, cela tient soit aux conditions qui inhibent la
réaction iodo-iodurée (dans le sang circulant), soit à la macération,
qu’ont subie les éléments du pus — pendant cette macération le glyco-
gene était dissous et a passé a l’exterieur.
Y a-t-il dans les neutrophiles encore une substance de réserve —
je veux parler de la graisse? Dans les neutrophiles du sang périphérique
on ne constate pas de globules graisseux; cependant en étudiant le sang
des malades ayant le typhus exanthématique j'ai observé dans quelques
neutrophiles (assez rarement) des grains de méme taille trés réfringents
Erste Abt. Orig. Bd. 101. z Heft 4/5. 17
258 Centralbl. f. Bakt..ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
legerement jaunätres; en fixant les frottis secs du sang aux vapeurs
osmiques et en colorant au Giemsa j’ai vu ces grains se colorer en bleu
mineral intense; quelques jours apres ces grains bleus dans ces prepara-
tions étaient complétement decolores. Par contre dans les neutrophiles du
pus il est d’une observation courante de trouver des grains ou méme des
gouttelettes assez volumnineuses de graisse: en particulier dans le pus
d'un abcès froid compliqué d’une infection secondaire j’ai vu les neutro-
philes qui étaient souvent bourrés de gouttelettes graisseuses trés réfrin-
gentes. Cependant dans tous ces cas de Ja présence de la graisse
il y a une difference capitale avec le .depöt de glycogène, — la il
_ Textfig. IX. Eléments
cellulaires du pus d’un En
toncle. Delafield-éosine.
X 1500. — Fig. 1. Com-
plexe de trois cellules. A
noter dans la plus grosse
(celle qui est située à droite)
tout autour du noyau une
auréole claire et ensuite une
zone plus large striée avec
la sphère (attractive) qui a
déterminé une invagination
dans la membrane nucléaire.
Ce sont probablement les cel-
lules fixes du tissu conjonctif
(périvasculaire?) et non pas
les cellules endothéliales. —
Fig. 2. Une cellule conjonc-
tive isolée avec halo périnu-
cléaire et la zone striée très
nette. — Fig. 3. Une cel-
lule plus petite; la sphère
avec sa radiation (aster) a
déterminé la forme en crois-
sant du noyau. — Fig. 4—6.
Eléments encore plus petits
qui semblent devenir finale-
ment des sortes de mono-
cytes d’origine tissulaire
(histiocytes). Fig. 6. ‘Le
noyau en forme de croissant
très prononcée; l’encoche
profonde est remplie par la
sphère. .
s'agissait d’un processus normal physiologique, — ici il s’agit d’un
processus morbide — cest la dégénérescence graisseuse des
neutrophiles.
Ainsi les neutrophiles ne jouent aucun röle dans les échanges grais-
seux de l’organisme — c’est là la fonction des lymphocytes avec leur
richesse en lipaset).
Quel est l'intérêt de la constatation que nous venons de faire,
à savoir que les neutrophiles renferment une grande quantité de glyco-
gène? En effet ce n’est pas là un simple détail concernant la physiologie
1) Dans les monocytes qui pour moi proviennent des po on rencontre
souvent des grains et des gouttelettes de graisse (fig. VI, 1—5 dans le texte).
Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blancs ete. 259
du neutrophile comme tel, mais un fait d’une portée beaucoup plus
générale.
Rappelons-nous que déja en 1898 Lépine avait admis que le
ferment glycolytique se trouve dans les leucocytes. Et dés lors nous
comprenons d’où vient cette abondance de glycogéne dans les neutro-
philes; ce n’est pas seulement pour son propre compte que le neutro-
phile absorbe le glycogéne (ou bien le forme par synthése), — cet élément
cellulaire a pour röle de régler les échanges hydrocarbonés
dans notre organisme, et dans ce but tantôt il décompose le
glycogéne a l’aide de son ferment glycolytique et dé-
verse dans le plasma sanguin la glucose obtenue, tantöt
il fait la réaction inverse et produit avec la glucose puisée dans
Textfig. X. Eléments du pus d’un cas de la dysenterie amibienne. Delafield-
éosine. X 1500. — Fig. 1. Polyblaste (forme de transition entre le petit lymphocyte et le
lasmocyte). — Fig. 2. Plasmocyte typique avec un corpuscule de Russel. — Fig. 3.
lasmocyte dont le noyau est sur le point de se fragmenter. — Fig. 4. Plasmocyte avec
pseudopodes; le caryorhexis a eu déja lieu. — Fig. 5. Plasmophage avec restes du noyau
et deux corpuscules de Russel; un éosinophile phagocyté est placé dans la vacuole diges-
tive. — Fig. 6. Deux plasmocytes accolés. — Fig. 7--9. Te (el&ment dominant
du pus). — Fig. 10. Neutrophiles à 5 segments nucléaires. — Fig.11. Neutrophile à 7 seg-
ments nucléaires (ceux-ci ont la forme de pépins de raisin). — Fig. 12—14. Cristaux de
Charcot-Leyden colorés par l’&osine en rose vif (dans ces selles il y avait une éosino-
philie locale). Ces cristaux proviennent sans aucun doute des granulations éosino-
philes par voie de cristallisation (après la dissolution préalable) et ils gardent la propriété
d’éosinophilie.
le plasma sanguin du glycogène. Nous verrons du reste qu’il en va de
même pour les substances albuminoïdes et les graisses.
V. Théorie de la digestion au second degré.
On sait que les substances alimentaires pendant leur passage à
travers la muqueuse intestinale subissent une décomposition laquelle
est suivie d’une synthèse ayant lieu dans l'épaisseur même de cette
muqueuse et plus exactement dans les cellules épithéliales. Cette
succession de changements chimiques est surtout nette pour les graisses :
celles-ci se décomposent en acides gras et glycérine et dans la suite dans
les chondriosomes des cellules de l’épithélium intestinal il se fait une
. 17*
260 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
synthése qui conduit 4 la reconstitution des graisses neutres. C’est
le processus de la digestion au premier degré et dans cette
expression je ne vise pas tant l’action du suc intestinal sur les graisses
neutres que le premier stade d’assimilation, — le début de remaniement
de ces graisses: la graisse du porc, le suif se sont déja un peu rapprochés
par leurs propriétés physico-chimiques de la graisse de homme +).
On croyait jusqu'ici que les substances alimentaires après cette
première transformation arrivent véhiculées par le sang jusque dans
l'intimité des tissus, où elles sont distribuées aux diverses cellules et
aux substances intercellulaires. En réalité il n’en est rien: une deuxième
étape est nécessaire; celle-ci a lieu à l’intérieur des amibocytes du sang
et du tissu conjonctif. Et c’est là qu’il faut chercher l’explication de la
richesse des amibocytes en ferments, — ferment protéolytique et oxydase
dans les granulocytes, ferment lipolytique dans les lymphocytes.
Dans le chapitre précédent j'ai déjà envisagé le rôle des neutrophiles
dans le cycle des substances hydrocarbonées dans notre organisme.
La fonction glycogénique est exercée non seulement par le foie, mais
aussi par les neutrophiles; ainsi l’activité glycogénique ne peut pas être
attribuée à un seul organe, de même qu'une autre fonction hépa-
tique — formation de la bile dépend de l’activité des éléments mésen-
chymateux — des cellules de Kupffer.
Dans le processus d’assimilation et en général dans
le cycle des matières albuminoides dans notreorganisme
les neutrophiles jouent un grand rôle. Ce n’est pas seulement
en qualité d’une armée de réserve pour les cas d’invasion microbienne
que les neutrophiles possèdent une grande quantité de ferments protéo-
lytiques: ce ferment intervient tout le temps dans l’acte le plus
physiologique — dans l’assimilation des substances albu-
minoides.
Il en est de méme pour les graisses; ici ce sont les lymphocytes dont
l’activité fermentative préside aux transformations de ces substances.
En effet, c’est un point de vue trop finaliste et trop medical que de
s’imaginer que le ferment lipolytique existe dans les lymphocytes dans le
but providentiel de dissoudre l’enveloppe du bacille tuberculeux quand
celui-ci pénètre dans un organisme donné. De même que le ferment
glycolytique régle les échanges des substances hydro-
carbonées et le ferment protéolytique -- ceux des ma-
tieres albuminoides, — de méme la lipase des lympho-
cytes joue un réle trés important dans le cycle des corps
gras dans notre organisme.
Et la cellule adipeuse que représente-t-elle sinon une cellule
du mésenchyme remplie de gouttelettes de graisse? Et lorsque nous
disons qu’une personne est disposée à la lipomatose, cela veut dire
que son mésenchyme est du type lipomateux, ou en d’autres termes -— les
1) Nous savons que dans certains cas si l’on donne à la chienne qui allaite du
suif, on peut retrouver celui-ci dans le lait de la chienne. De même j'ai fait une ob-
servation analogue à Théodosie pendant les années de la guerre civile et de la famine:
la graisse du pore sentait le poisson et avait le point de fusion peu Alevé; or, on don-
nait comme nourriture à ces pores un petit poisson nommé en Crimée ,.Kamea* et
c’est la graisse de ce poisson qui passait très peu modifiée dans le pannicule adipeux
des pores.
Mais ce sont les cas plutôt exceptionnels et la règle générale est que la graisse
venant de l’animal d’une autre espèce se transforme et acquiert les propriétés de la
graisse de son hôte nouveau.
Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blancs etc. 261
cellules mésenchymateuses deposent avec une facilité exagérée dans
leur protoplasma des gouttelettes graisseuses, tandis que l’action de la
lipase se trouve inhibee, — il y a ici prédominance du processus de
la formation des réserves graisseuses sur leur consommation; les graisses
ne sont pas brûlées et ici nous sommes conduits à envisager un point
encore assez peu connu, mais tres important pour comprendre le cycle
des corps gras. Je veux parler d’un foyer puissant de production
de la lipase; ce foyer se trouve dans les poumons; l’attention des
physiologistes et des cliniciens n’a été attirée de ce côté que depuis
quelques années.
La doctrine de la digestion au second degré a cet avantage qu’elle
embrasse tout un ensemble de faits isolés et disparates et leur donne
un sens profond qu'ils n’avaient point sans cette théorie. La phago-
cytose et tout le probléme de l’immunité ne sont qu’un
cas particulier de cette doctrine de la digestion au
second degré et retrent dans cette doctrine sans aucune difficulté.
En effet, dès qu'on admet quil y a une infinité de ferments
Textfig. XI. Le même cas de
pagel amibienne. X 1500. —
1. Plasmoc ae avec 4 corpus-
cules de Russel. — Fig. 2. Ent-
amoeba dysenteriae avec une
hématie ingérée. A noter le vrai nu-
cléole au centre du noyau; en effet
ce pseudo-caryosome (ou pseudo-cen-
triole) se colore en rose par l’éosine
tandis que les grains de la chroma- 3 4 a Pa
tine périphérique ont pris la teinte @ © \ Sf J
Q ok
yo
~
/
O
violette de l’hématoxyline de D ela-
field. — Fig. 3—7. Petits lympho- \
cytes (constituent à peu près 70 °/, de N rá
tous les éléments cellulaires de ce ~i —
pus). Fig. 3-5. Petits lymphocytes
3 = D'ARTS
typiques. Fig. 6—7. Tendanceala 5 (ei 6 k 4 ;
segmentation du noyau iid ® A À
tence des lymphocytes). \ j New, NR.
protéolytiques et qu’ils sont spécifiques (comme la clef adaptée a la
serrure suivant la comparaison devenue classique de Fischer), on
comprend que les neutrophiles pendant l’invasion d’un microbe donné
ont appris a sécréter le ferment qui dissout ces bactéries (ces neutro-
philes auraient fait la méme chose pour n’importe quelle particule
solide ou dissoute) et gardent cette propriété acquise qui a l’avenir
assurera l’immunité de notre organisme vis-à-vis de la bactérie dé-
terminée.
Il est vrai que déjà Metchnikoff affirmait que la phagocytose
de même que l’immunité rentrent dans le cadre du phénomène de la
digestion intracellulaire. Cependant cette conception doit être con-
sidérablement élargie, — elle ne correspond que partiellement à ma
manière de voir. Dans la doctrine de la digestion au second degré il ne
s’agit plus de la digestion intracellulaire — celle-ci n’occupe qu’une
place tout-à-fait secondaire, car elle a lieu pour ainsi dire accidentelle-
ment. Dans la conception que je développe ici il s’agit d’un processus
journalier, constant qui ne cesse pas pour un instant, processus
par exellence normal et physiologique. Même dans l'organisme
262, Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
qui reste a jetine pendant quelques jours, cette digestion au second
degré se continue comme si de rien n’etait; il n’y a que cette difference
que dans ce cas ce sont les réserves d’abord et ensuite la substance:
propre de certains tissus de l’organisme en inanition qui sont assimilées
par les amibocytes.
On voit que la doctrine que j’ai formulée dans ce chapitre différe
profondement de la conception trop morphologique de Metchnikoff.
Je rappelle qu’on a fait un autre reproche a la doctrine de Metch-
nikoff, — c’est qu'elle est finaliste. Et en effet d'après les vues
de ce savant les microphages p. ex. ne serviraient qu'à combattre
l'invasion microbienne, mais en temps ordinaire ces éléments n’auraient
pas de fonction; ce serait une caste à fonction pour ainsi dire exclusi-
vement militaire. Dans ma conception ce finalisme disparait, car les
amibocytes continuellement prennent part dans le processus
physiologique d’assimilation et non seulement dans le cas
pathologique d’une infection bactérienne.
En somme ce que je désigne par l'expression ,,digestion au second
degré”, c’est le processus d'échanges intermédiaires qui de
plus en plus attire l’attention des physiologistes et des cliniciens.
On pourra m’objecter: comment concevoir que ces éléments mé-
senchymateux épars puissent jouer un rôle important dans le méta-
bolisme nutritif de l'organisme tout entier, quand il y a le tube digestif
avec ses glandes annexes dont certaines sont les laboratoires chimiques
puissants, — tels le pancréas et surtout le foie?
A cette objection je répondrai en rappelant le changement important
qu'a apporté l'étude des glandes endocrines dans nos conceptions sur
le mécanisme des correlations du fonctionnement des divers organes. II
y a quelques années on attribuait ce rôle uniquement au système
nerveux: celui-ci a dû partager cette fonction avec le système endocrine.
Il en sera de même pour les échanges intermédiaires — ce n'est pas
seulement le tube digestif et ses glandes qui règlent le cycie des sub-
stances alimentaires, mais encore ces glandes unicellulaires si riches
en ferments de toutes sortes, ces éléments auxquels j'ai donné le nom
de phago-néphro-endocrinocytes.
Je dois rappeler que pour l’endothelium des capillaires on a été
déjà obligé d'admettre qu'il ne s’agit pas là de simples phénomènes
d’osmose, mais que les cellules endothéliales font subir des changements
aux substances dissoutes qui passent à travers ces cellules. Les cellules
endothéliales seraient sécrétrices au même titre que les cellules du
filtre rénal. Là encore on n’a entrevu qu'un côté du probleme qui
doit se poser, d’une façon beaucoup plus vaste, — toute cellule mésen-
chymateuse (excepté les cellules transformées en fibres) jouit des pro-
prictés sécrétrices, car, comme je l'ai déjà dit maintes fois, ce sont des
phago-néphro-endocrinocytes.
VI. Théorie du mésenchyme.
Il y a un tissu dont le rôle était pendant longtemps méconnu, - -
c'est le mésenchyme. En effet on considère le plus souvent le tissu con-
jonctif comme un simple tissu de remplissage, ou tissu de soutien; il
n'aurait qu'une seule fonction celle de relier entre eux les tissus
dits „nobles“ qui forment en particulier le parenchyme de nos organes.
Ce malentendu vient de ce que l’on oublie trop souvent que dans le
Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blancs etc. 263
tissu conjonctif il y. a deux sortes d'éléments très différents quant a
leur fonction: élément inerte plus ou moins dense — substance inter-
cellulaire (souvent fibrillaire), et éléments mobiles aptes aux diverses
fonctions...
Or,.si lon considère ces éléments mobiles — ces polyblastes, ces
cellules migratices au repos etc., ou d’une façon générale ces amibocytes,
on ne saurait leur attribuer trop d’importance. Ce sont ces cellules qui
jouent un rôle capital à peu près dans tous les phénomènes physio-
logiques et pathologiques.
Comme nous l’avons déjà indiqué, à côté d’un organe excréteur
massif — le rein, il existe des néphrocytes — amibocytes mé-
senchymateux à fonction ‘ 2
rénale. A côté des glandes 30.8
endocrines massives il existe des
endocrinocytes éparpillés
dans tout l’organe; ces endocrino- |
cytes forment p. ex. la glande s
interstitielle du testicule, ou bien 255276, /
disséminées dans le „tissu con- 9.079" gp i %9
jonctif“ sous-cutané élaborent là | ` Qo \ ES
les substances immunisantes. En- = Š 6.>= ASS
fin, à côté del’appareildi- X 11
gestif d’origine endodermi- (8, s 0
\ 3
que ilya le vaste système g Ay © Yo
Textfig. XII. Eléments cellulaires 12
des rachis dans un cas de ge - x 3. 14 15
bronchite légère. — Fig. 1. Cellu ED
poussières bourrée de gouttelettes grais- © 6 Q @ 9) OX
seuses — Fig. 2. Cellule à poussières Q 9 %
avec un corpuscule myélinoïde à stria- O
tion concentrique; dans le noyau on 16
distingue in vivo le nucléole. — Fig. 3
—23. Delafield-éosine. X 1500. — QO
Fig. 3. Eosinophile binucléé. — Fig. 4 |
—18. Neutrophiles avec nombre diffé- O
zn de I ep nucléaires. — Fig. 19.
eutrophile pycnotique avec (a droite)
un fragment du héntrophile- — Fig. 20. 20 21 22 23
P anope périphérique dans un henao- / € , —
phile non segmenté. — Fig. 21. Pyenose
Pe forme en calotte — Fig. 22—23. Q le e © ©
Pycnose dans les neutrophiles avec le ue NE e
noyau non segmenté. č
phagocytaire et toxinophage qui exerce la digestion au
second degré.
Ainsi nous voyons combien le rôle du mésenchyme est important
et multiple; ce tissu sans aucun doute doit être placé au premier plan,
au point de vue médical du moins. :
Dans toute une série des processus physiologiques les amibocytes du
mésenchyme jouent un rôle très important à côté des éléments d’origine
endodermique. Mais lorsque entrent en jeu les processus pathologiques
tels qu'une invasion bactériale ou bien une intoxication, la défense de
Yorganisme dans ces cas incombe exclusivement au mésenchyme. De la
rapidité avec laquelle les amibocytes se mobilisent dans un organisme
donné, de l’activité dont ils sont capables, dépend l'issue de la lutte
264 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
avec l’agent infectieux. D'autre part, de l’intensité avec laquelle les
amibocytes dans le foyer d’inflammation se transforment en fibroblastes
depend la rapidité de la cicatrisation.
Chacun de nous porte des staphylocoques & la surface de la peau
et si des deux personnes ayant à peu pres le même état de santé et
soumis au méme régime alimentaire et aux mémes causes de fatigue
il n’y a qu'une qui présente la furonculose, c’est là une preuve de ce
que son mésenchyme est débile et ne peut pas rapidement avoir raison
du staphylocoque.
On a énoncé qu'on a l’âge de ses artères; il serait préférable de
formuler: on a l’âge de son mésenchyme, de même que l’état de santé
et la faculté de résister aux maladies infectieuses sont déterminés par
les propriétés du mésenchyme.
Maintenant lorsque les médecins reviennent à l’importance des fac-
teurs constitutionnels, on ne doit pas oublier que la théorie du mésen-
chyme exposée ici a ses précurseurs qui affirmaient que le tissu con-
jonctif est très important à considérer dans les questions concernant la
pathologie humaine. Qu'on se rappelle que, avant que le terme arthri-
tisme était proposé (Comby), on se servait d'expressions „syndrome
fibroplastique“ (Bazain), ou bien ,diathèse fibreuse“ de
Huchard.
Bazain, Huchard et Gazalis considèrent le tissu conjonctif
comme le substratum principal de la disposition aux diverses maladies.
Pfaundler adonné une extension plus grande a cette maniére de voir
en envisageant les proprétés constitutionnelles de tous les dérivés du
mésenchyme — tissu conjontif, systéme vasculaire, tissu lymphatique,
tissu musculaire lisse des vaisseaux, de l’intestin et d’autres organes.
Mais alors, me dira-t-on, la théorie du mésenchyme ‘n’a rien de
nouveau, — elle avait été déja formulée par plusieurs auteurs.
En réalité, ces auteurs s’etaient occupés pour ainsi dire de l’autre
côté de la médaille — de la tendance au développement exuberant du
tissu fibreux, en d’autres mots ce sont les éléments inertes, peu actifs du
tissu conjonctif qui étaient exclusivement envisagés par ces savants.
Tandis que, au contraire, dans la théorie du mésenchyme ce sont les
amibocytes— les éléments mobiles capables de phagocyter,
néphrocyter et endocrinocyter, qui doivent nous préoccuper, car
de leur activité dépend la résistance et d’une façon plus générale la
constitution de l’homme.
Le mésenchyme a déjà sa physiologie. Il a sa pathologie et il aura
bientôt sa thérapie.
La physiologie du mésenchyme (et ici comme partout je ne m’occupe
que des éléments mobiles de ce tissu) peut se résumer dans l’expression:
les amibocytes mésenchymateux sont des phago-néphro-endocrino-
cytes. ;
Comme exemple de processus pathologiques qui dépendent étroite-
ment des qualités du mésenchyme on peut citer la furonculose. D’autre
part on admet que les personnes avec un appareil réticulo-endothélial
qui fonctionne bien ne peuvent pas avoir les tumeurs malignes; inverse-
ment la présence du cancer implique la faiblesse du système réticulo-
endothélial. Prof. Bogomoletz (1924) fait à ce sujet la remarque
suivante (p. 227): „Il faut croire que de nombreux cancers prennent
naissance et périssent sans atteindre le développement manifeste cli-
Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blancs etc. 265
niquement par suite d’une réaction macrophagocytaire suffisamment
énérgique, réaction qui supprime la tumeur à l’état d’ebauche.“
En quoi peut consister la thérapie du mésenchyme? On pourrait
croire que c'est une difficulté insurmontable — agir sur un seul tissu
et surtout ce tissu étant répandu dans l'organisme d’une façon si diffuse.
Mais il y a la possibilité d’avoir recours aux affinités particulières de
ce tissu (se rappeler l’affinité pour le bleu de pyrrhol). Ainsi
on a déjà essayé de bloquer l’appareil réticulo-endothélial au moyen des
métaux colloidaux dans le but de supprimer la phagocytose des hématies.
De plus il y a une région où le mésenchyme est tout à fait
accessible pour nous, — c’est la peau Les amibocytes du tissu con-
jonctif sous-cutané jouent, comme cela est démontré depuis quelques
années, un rôle très important dans la formation des substances immuni-
santes. D'autre part, si la fonction excrétrice de la peau atteint par-
fois telle intensité qu’elle peut suppléer pendant quelques jours à l’in-
suffisance complète des reins, il ne faudrait pas croire que les pro-
cessus les plus essentiels se passent au niveau des glandes sudoripares —
celles-ci ne font en somme qu’excreter, tandis que tout un travail
préliminaire, beaucoup plus important et plus spécifique — sécrétion
au sens propre de ce mot, a lieu auparavant dans les nephrocytes
(= amibocytes) du tissu conjonctif sous-cutané.
De cette façon les soins de la peau auxquels l'hygiène de toutes
les époques et de tous les peuples attribue tant d'importance reçoit
aujourd'hui une interprétation et une explication nouvelles. Dans les
sciences médicales l’empirisme souvent précède la découverte du fonde-
ment scientifique; il en était ainsi pour la signification de l’hygiène
de la peau pour l’état de santé de l’organisme. Tous les procédés bal-
néothérapeutiques qui améliorent le fonctionnement de la peau forti-
fient notre organisme.
Il reste encore un point très important que seules les recherches
spéciales pourront élucider: quelle est la part qui revient à la consti-
tution héréditaire et dans quelle proportion le mésenchyme peut être
modifié par une éducation et entraînement appropriés? De plus, on
devra instituer les méthodes cliniques permettant à l’aide de mani-
pulations relativement simples de définir la constitution mésenchyma-
teuse du malade donné (p. ex. en se servant de la réaction à l’intro-
duction sous la peau de la toxine staphylococcique etc.).
Je termine la première partie de ce mémoire. Avant de passer
au cytodiagnostic je dirai quelques mots pour expliquer d’où vient cette
multiplicité de fonctions que nous avons constatée chez les amibocytes
mésenchymateux qui sont à la fois phago-néphro-endocrinocytes. En
effet comment expliquer cette activité extraordinaire, ‘cette énérgie
potentielle multiple et variée, sans exemple analogue dans les autres
tissus ?
L’embryologie permet de comprendre ces propriétés du mésen-
chyme; elle nous apprend que le mésoderme provient de la zone de
l'oeuf où se trouve le corps vitellin de Balbiani — ce foyer de syn-
thèse où il y a le plus de ferments (en particulier de l’oxydase); rien
d'étonnant que le tissu dont les éléments sont très riches en chondrio-
somes et en ferments oxydants et autres, soit capable de déployer une
activité sans précédent et dans plusieurs directions.
266 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
VI. Principes généraux du cytodiagnostic.
Au fur et à mesure que nos moyens d’investigastion clinique se
perfectionnent et se compliquent les procédés de laboratoire y ob-
tiennent une place de plus en plus prépondérante. Certains cliniciens
sont même portés à déplorer cette tendance craignant qu'elle ne
supplante finalement l'observation directe du malade. Ces craintes sont
sans aucun doute exagérées. En effet ne voyons-nous pas de nos jours
paraître un livre intitulé ,,Bctoscopie‘, où Dr. Edouard Weitz ex-
pose comment par simple inspection du thorax on peut tirer toute une
série d'observations aidant à faire le diagnostic?
Si la plupart des travaux qui paraissent appartiennent au das
des recherches de laboratoire, c'est que dans ce domaine il reste encore
beaucoup à faire, tandis qu’il est extrêmement difficile d'approfondir
p. ex. les méthodes de percussion et d’auscultation. D'ailleurs la dif-
férence entre l'observation dite clinique et les procédés de laboratoire
est souvent très conventionnelle. Ainsi il ny a pas longtemps une
analyse complète de la morphologie du sang apparaissait presque comme
un travail de recherches, tandis que, aujourd'hui, cette analyse est
entrée dans la pratique journalière et se fait à propos de chaque
malade: même on est habitué de désigner cette analyse de sang comme
analyse „clinique‘.
Une discipline médicale que nous devons aux travaux de O. Müller
— la capillaroscopie nous a montré que la forme et la disposition des
capillaires varient non seulement suivant divers types de constitution,
mais aussi qu’elles sont modifiées d’une façon caractéristique dans
certaines maladies.
Plus on étudie les réactions de l'organisme plus on voit combien
elles sont spécifiques. Le cytodiagnostic est précisément basé sur
cette spécificité des réactions à un excitant déterminé (représenté
le plus souvent par la toxine d’un microbe donné).
On sait qu'il est d’un usage courant en clinique de conclure des
éléments cellulaires d’un épanchement pleuritique ou ascitique à son
étiologie. De même si dans le pus du liquide céphalo-rachidien ce
sont les lymphocytes qui prédominent, il s’agit d’une méningite tuber-
culeuse, car dans la méningite cérébro-spinale épidémique l'élément
dominant est représenté par les neutrophiles (du moins pendant l’acmé
de la maladie, car au début et vers la fin du processus il en est autre-
ment). — C’est là le cytodiagnostic dont les bases ont été posées par
Widal.
Cependant on devait s'attendre à ce que poussée plus à fond l'ana-
lyse des éléments cellulaires des liquides pathologiques donnerait plus
de résultats; en d’autres termes à l’analyse quantitative de
ces éléments cellulaires doit s’adjoindre une analyse
qualitative. Prenons un exemple: souvent on dit à propos d’un
liquide purulent quon y trouve des neutrophiles à divers états de
dégénérescence, — cette simple constatation ne donne presque rien;
or souvent tel ou tel mode de changement nécrobiotique est pathogno-
monique pour tel ou tel microbe, c’est à dire que ce changement
est spécifique.
Ainsi pour ce qui concerne la dégénérescence des neutrophiles j'ai
pu constater les 6 modes suivants: 1) par pycnose du noyau; 2) par
chromatolyse du noyau, ce qui aboutit à la formation des ..nébu-
Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blancs etc. 267
leuses“ (ou bien ,,aires granuleuses“); 3) par énucléation, ce ‘qui
donne les ,,ombres des neutrophiles‘‘; 4) dégénérescence graisseuse;
5) gonflement hydropique du noyau (caryophyseme); 6) de-
generescence aqueuse ou hydropisie du cytoplasma. Je dirai quel-
ques mots à propos de chacun de ces modes de dégénérescence.
1) On connait suffisamment l’aspect d’un neutrophile avec le noyau
en pycnose. En examinant ces neutrophiles de plus prés on peut
distinguer les cas où les segments du noyau sont entièrement trans-
formés en une spherule qui se colore d’une facon extrémement intense
par les colorants basi-
ques, tandis que dans Qo
d’autres neutrophiles Qee |
la partie centrale des @ 9
segments nucléaires à RA a
reste claire, ou bien la
partie colorable forme
une sorte de crois- .o
es
sant plus ou moins . p ne, 2
épais. u ee = a
o g
Textfig. XIII. Elé- A + e ©
ments cellulaires d’un cas 4 s 5 6 7
de coli-pyélitis (petite fille
de 3 ans). — Fig. 1—3. In
vivo. Fig. 4—19. Héma-
toxyline ferrique de Hei-
denhain-éosine. X 1500.
— Fig. 1-2. Neutrophiles
(le noyau se voit trés nette-
ment; dans la fig. 1 on
distingue méme la couche
de chromatine périphéri-
que). — Fig. 3. Plasmocyte;
la structure du noyau est
très nette sur le vivant. —
Fig. 4—5. Plasmocytes.
A noter que les corpuscules
de Russel sont sidéro-
philes — ils se colorent en
noir foncé. — Fig. 6—16.
Neutrophiles non se BE
tés et segmentés. — g.l
—19. Neutrophiles bed
pycnotique.
16 17 18 19
Dans la plupart des cas il s’agit la de stades peu avancés qui
aboutissent dans la suite a la pycnose complete. On note pour tous ces
neutrophiles que leur protoplasme devient plus dense, plus homogéne
et se colore avec plus d'intensité par l’éosine. Ces changements dans
les propriétés du plasma des neutrophiles doivent être attribués à la
dégénérescence albuminoide qui est accompagnée de la dissolution des
granulations neutrophiles ainsi que d’une déshydratation partielle, d’où
la consistance plus dense et méme une diminution de la taille; en effet
les dimensions des neutrophiles à noyau pycnotique sont au dessous des
dimensions moyennes des neutrophiles normaux. Le premier indice du
début de la pycnose consiste en ce que les segments du noyau s’éloignent
lun de l’autre et alors on distingue très nettement grace à cet éloigne-
268 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
ment les tractus qui relient les segments entre eux; quand il y a, comme
cela arrive souvent, quatre segments nucléaires, il se disposent en croix
— c'est le temps de quadrille des segments; les tractus s’entrecroisen.t
et l’ensemble présente un aspect trés caractéristique. Déja & ce moment
les segments nucléaires ont une structure assez dense et par suite d’une
rétraction (perte d’eau) sont plus petits que d’ordinaire. On peut dé-
signer ce stade par le terme prépycnose.
La degenerescence des neutrophiles par pycnose est surtout fré-
quente dans le pus des furoncles, où 10 à 20°), de neutrophiles sont
frappés de ce processus. Dans le pus gonococcique il n’y a en général
que 1—3 0/, des neutrophiles pycnotiques.
2) La chromatolyse du noyau s’observe toujours dans le pus sta-
phylococcique. Le contenu du noyau se résout en une sorte de poussière
chromatique, la membrane nucléaire a ‘disparu et la poussiére chro-
matique s’eparpille dans toute la zone plasmatique; on trouve des neutro-
philes ot la zone plasmatique non envahie encore par la chromatine est
relativement considérable et ensuite devient de plus en plus petite;
& la fin tout le cytoplasme est inondé de ces granulations trés fines de
chromatine et alors on a laire granuleuse (ou bien la ,,nébuleuse‘‘)
completement constituée; celle-ci par la double coloration hématoxyline
de Delafield -éosine se colore uniquement par l’hématoxyline. Souvent
dans le semis de grains tres fins il y a une ou deux spherules chro-
matiques de dimensions variables. Autour de ces nébuleuses on ne con-
state pas de traces de la membrane cellulaire: c’est un amas de grains
extrêmement fins et tous à peu près de la même taille, amas à contours
non délimités et souvent anguleux; ces grains cependant se tiennent
ensemble grâce à une force de cohésion assez grande.
La formation des aires granuleuses s’observe dans le pus des
furoncles, dans celui de l’ostéomyélite, de même que dans le pus
aseptique que l’on obtient en injectant sous la peau l’essence de téré-
benthine.
3) Dans le pus qui a subi une macération dans l’organisme on
trouve un certain nombre de neutrophiles sans noyau. Sans aucun
doute le noyau a été ici rejeté dans le milieu extérieur et n’a point
dégénéré sur place, car le protoplasme a absolument les mêmes pro-
priétés tinctoriales que dans les neutrophiles normaux nucléés; d’ailleurs
les granulations neutrophiles dans les uns comme dans les autres
apparaissent peu nettement, car elles ont été dissoutes aprés la mort
de ces corpuscules du pus. Les neutrophiles anucléés (il serait plus
exact de dire — énucléés) ont les dimensions plus petites en moyenne, ce
qui s'explique précisément par la rétraction consécutive à la sortie
du noyau.
Dans le pus de la balanite chez un malade avec le typhus exan-
thématique j'ai trouvé 8 à 10 %/, de ces neutrophiles anucléés (= om-
bres de neutrophiles). On les observe également dans la pyorrhée al-
véolaire et dans les dysenteries.
4) La dégénérescence graisseuse se rencontre dans les neutro-
philes de certains crachats et en général dans les collections puru-
lentes qui ont été retenues pendant quelque temps dans l'organisme.
Dans les abcès à évolution lente on constate généralement que ia masse
principale du pus est constituée par un détritus dans lequel les goutte-
lettes graisseuses sont particulièrement nombreuses; quant aux éléments
figurés on n’y note que quelques neutrophiles renfermant les gouttelettes
Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blancs etc. 269
`
refringentes de la même taille que celles qu’on observe tout autour à
létat libre; il est évident que les gouttelettes de graisse. libres pro-
viennent, au moins en grande partie, des neutrophiles dont la dégénéres-
cence graisseuse avait abouti à une fragmentation complète.
5) Le gonflement hydropique du noyau des neutrophiles a été ob-
servé plusieurs fois dans le pus de la dysenterie bacillaire. Il s’agit
ici d’une hydratation du noyau qui se fait probablement pendant l’agonie
des neutrophiles. Les segments nucléaires se gonflent, leur chromatine
se colore très faiblement avec l’hematoxyline de Delafield et autres
colorants basiques. Je n’ai pu établir les conditions qui provoquent cette
hydropisie du noyau. D'ailleurs le protoplasme s’imbibe d’eau égale-
ment — ces neutrophiles ont des dimensions qui dépassent celles des
neutrophiles ordinaires; souvent leurs contours sont polygonaux par
pression réciproque.
Textfig. XIV. Fig. 1—7
po et plasmophages.
ela field -éosine. 1500
Colite ulcéreuse]. — Fig. 1.
ymphoplasmocyte — forme
de passage entre le petit lym-
: hocyte et le plasmocyte. —
Fig . Plasmocyte avec deux
corpuscules de Russel. —
Fig. 3. Plasmocyte avec noyau
& membrane distendue qui va
se déchirer bientöt (début du
caryorhexis). — Fig. 4. Deux
plasmocytes accolés avec leurs
noyaux déjà fragmentés. —
Fig. 5. immense presen-
tant le mode d’ingestion bi-
polaire. — Fig. 6. Plasmo-
phage ayant phagocyté quatre
neutrophiles (ingestion unipo-
laire). —- Fig. 7. Plasmocyte
pan (60 u de diamètre) avec
locs de chromatine et les cor-
uscules de R ussel. — Fig. 8.
ymphocytes du pus de la dys-
enterie amibienne; à noter la
segmentation légère du noyau.
A. ce changement de structure nucléaire se rattache un type très
particulier de dégénérescence que j’ai observé dans les neutrophiles du
pus méningococcique et gonococcique — c’est une hypertrophie vesiculaire
du noyau ou caryophyséme (terme proposé par Dangeard pour
un phénoméne analogue chez les Protistes). Les segments nucléaires
grossissent sans que le processus soit accompagné d’enrichissement en
chromatine; à cause de cela ces segments sont très pauvres en chro-
matine, on ne voit que quelques tractus traversant l’aire nucléaire
devenue très vaste; le noyau a lair d’une vésicule traversée par
les tractus; les segments nucléaires s'appliquent étroitement l’un contre
l’autre et finalement arrivent à avoir telles dimensions qu’ils remplissent
entièrement tout le neutrophile, et à ce moment on pourrait prendre
celui-ci pour un ,,noyau libre“.
6) La dégénérescence aqueuse consiste en une vacuolisation du
cytoplasme; ce processus aboutit à la formation d’une seule vacuole
énorme qui ne laisse qu'un mince liséré protoplasmique périphérique
270 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
dans lequel sont placés les segments nucléaires qui tantôt se tiennent
ensemble tantôt sont séparés. Cette partie de mes observations a été
faite surtout d’après l’examen des frottis fixés et colorés. Ainsi il
est possible qu’il s’agit ici toujours de la dégénérescence graisseuse
et alors l’analogie de ces neutrophiles avec les cellules adipeuses du
tissu conjonctif serait frappante.
Je n'ai observé jusqu'ici cette vacuolisation des neutrophiles que
dans le pus de la gonorrhée chronique.
Ainsi nous voyons que l'étude des neutrophiles seuls peut donner
déjà de nombreuses indications. Mais dans la plupart des cas il y a
d’autres éléments cellulaires dans le pus; les caractères de ces éléments
peuvent aussi varier et servir dès lors comme autant de critères
permettant de reconnaître le pus d’une origine déterminée.
Au début de mes recherches je notais le pourcentage des neutro-
philes présentant le mouvement Brownien, car, comme on sait, certains
auteurs admettent que ce mouvement dans les neutrophiles est lié à
la mise en liberté de ferment protéolytique en grande quantité et pour
ces auteurs ce processus dans les affections des voies respiratoires
pourrait servir pour le prognostic. Je crois que lorsqu'il s’agit du
pus qui peut séjourner dans l’ulcération un temps variable, il y a trop
de facteurs accidentels qui ont’ une influence sur le mouvement Brownien
des granulations dans les neutrophiles pour que l’on puisse attribuer
à la présence ou l’absence de ce mouvement un intérêt quelconque.
Dans l’explication de mes figures on trouvera les indications a ce
sujet.
Ainsi avant de fixer et colorer les neutrophiles d’un pus donné
il est nécessaire de les observer in vivo et d’avoir recours aux réactions
microchimiques; de cette façon on note la mobilité, mouvement Brow-
nien, réserves glycogéniques, réserves graisseuses. Ces constatations
sont complétées par l'examen des préparations définitives.
VIII. Pyogrammes.
Voici quelques exemples de pyogrammes que j’ai pu établir jusqu’ici
Staphylogramme.
Neutrophiles . . 53 ele 67° |
A avec noyau fortement segmenté (plus de4 t segments) ee lo 89°,
avec noyau pranokigys 22 „ |
Granulosa (nébuleuse) . ` 5
Lymphocytes 28 meen” wat) EC ae Seas
Fosinophiles n < > 8 An Aa Suds gp de di wt & OBS
Monocytes SE ae a eee ap ay naar 2° Ds s
Monophages . 25
Méningogramme.
Neutrophiles s. o je wa a le ce meh Se 49 of 830 |
= avec noyau très segmenté. . . . . . . . 34 h) lo 88°},
š avec noyau pyenotique. . oa e lg |
hi avec noyau hyperirophiė (Kernschatten) NE a
en SR Gage askin ¢ Rc her Met eS, Jee ter Lie
onocytes z AD Phe Aare a ee Bay RO
Monophages (grands) S Vorher MY EC Boe. Aal War a, evens
= (petits) ee ee VEL fast APP m Py
Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blancs etc. 271
Gonogramme.
Neéutrophiles: «i. 2. An 2 Senin eG À 0 ORS
3 à noyau fortement segmenté . . . . . .22,,%92%, 93 °/
5 à noyau en bâtonnet . a ee °
PA à noyau pyenotiue . .. . . . LS
Pr à noyau he percrophié (Kernschatten) . . 5,
Histiophages . . . wy aie bre tay La de BE Ue
A]
Plasmophages (binuclées) 3
A propos du méningogramme je dois signaler que le caractère de
nombreux segments nucléaires (jusquà 9—10) dans les neutrophiles
se constate également dans les neutrophiles du sang périphérique.
Comme nous le verrons à propos de la pyorrhée alvéolaire il y a
parallélisme entre l’hémogramme et le pyogramme au point de vue du
nombre des segments nucleaires dans les neutrophiles.
Le gonogramme exige quelques commentaires. Nous avons ici
deux catégories de macrophages: histiophages et plasmophages; les uns
et les autres se rencontrent à peu près avec la même fréquence ce
que je n’ai observé dans aucun pus ailleurs. — On pourrait pour fixer
les idées dire que le gonocoque se signe des deux mains. La signature
de ce microbe a encore un trait caractéristique: presque tous les
plasmocytes (à l'exception de tout petits) sont binucléés et les deux
noyaux sont toujours absolument au même stade.
Certains aspects plaident en faveur de ce que ces plasmocytes
sécrètent une substance qui prépare les gonocoques — les sensibilise
en quelque sorte, et ce n’est qu'après cette sensibilisation que ceux-ci
pourraient être phagocytés par les neutrophiles. Ainsi la figure 15
de la pl. IV évoque les idées d’Ehrlich sur les haptophores etc. 1).
Dans le pus de la gonorrhée chronique on trouve également les
plasmocytes, mais ici ils sont toujours très petits et sont sauf la
présence de corpuscules de Russel si peu caractérisés qu'on peut
se demander si ce sont bien là les plasmocytes et non des cellules
tissulaires quelconques (p. ex. les cellules des assises profondes de
l’epithelium uréthral ou vésical). Le même doute pourrait du reste
être formulé à propos des plasmocytes binucléés de la gonorrhée
aiguë; on sait en effet qu’il y a des cellules binucléées qui proviennent
de certaines régions (du trigone de Lieutaud dans la vessie) qu’on peut
quelquefois difficilement distinguer des plasmocytes. L'absence dans
les premiers éléments de corpusceules de Russel pourrait trancher la
difficulté, quoiqu'il ne faudrait pas croire que les corpuscules de
Russel ne se rencontrent que dans les plasmocytes.
Dans les uréthrites paragonorrhoïques on ne trouve ni plasmocytes
ni neutrophiles avec le caryophysème.
Ainsi on peut facilement distinguer ces trois pro-
cessus pathologiques: gonorrhée aiguë avec ses plasmocytes
binucléés et les neutrophiles à caryophysème; gonorrhée
chronique avec ses plasmocytes(?) petits et uninucléés;
infection paragonorrhoique — pas de plasmocytes, pas de
neutrophiles a caryophyseme.
1) Je ne puis pas entrer ici dans les détails de ma conception de l’immunité, car
cela m’aurait entrainé trop loin. Cependant je dois noter que si le ferment protéo-
lytique non spécifique (= complément) est formé par les neutrophiles (les granulations
neutrophiles représentant le proferment. une sorte de trypsinogène), ’ambocepteur doit
étre fourni par les ambocytes uninucléés (lymphocytes, plasmocytes, monocytes). Je
reviendrai ailleurs sur cette question très importante.
272 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
On sait combien peu de garanties donne l'analyse bactérioscopique
(et même bactériologique) de la sécrétion vaginale, même si cette
dernière a été prélevée du col de l’utérus; on ne trouve pas de gono-
coques malgré les recherches réitérées et cependant la femme est par-
faitement contagieuse. La flore bactériale très riche du vagin ne permet
pas de déceler le gonocoque, mais il persiste en quantité suffisante
pour déterminer le coit contaminant. Le cytodiagnostic peut rendre
dans ces cas des services inappréciables: la signature du gonocoque
est comme nous l'avons vu extrêmement nette, et, si dans un cas
donné la formation du pus doit au moins en partie être attribuée
à la présence du gonocoque, on reconnaîtra cette présence en étudiant
la formule cytologique du pus sans avoir besoin de voir le gonocoque
lui-même 1). :
J'aurais pu multiplier ces exemples, mail le
travail dans cette direction n’est pas encore terminé
et je compte revenir à ce sujet plus tard. Un fait
bien établi est que les pyrogrammes sont spé-
cifiques.
Depuis assez longtemps on sait que les carac-
tères des granulomes varient suivant l’agent pa-
thogène; ainsi le granulome syphilitique diffère
du granulome tuberculeux etc. Cependant per-
sonne n’a eu l’idee de voir si dans le pus, dans
ce liquide plus ou moins visqueux blanc-jaunâtre,
on ne peut pas déchiffrer la signature du microbe
pyogène.
Textfig. XV. Involution et évolution du plasmocyte.
A gauche — processus d’involution aboutissant à la formation
du détritus. A droite — plasmophage-avec deux neutrophiles
ingérés et plus bas — plasmophage géant avec 5 neutrophiles
phagocytés.
Il faut noter que le microbe joue un rôle essentiel dans la consti-
tution des pyogrammes, tandis que la localisation est beaucoup moins
importante. Ainsi p. ex. le pus d’ostéomyélite et celui des
furoncles sont identiques et cependant la différence de locali-
sation est assez grande.
Cependant il faudrait avoir un point de départ, un critère pour
pouvoir distinguer ce qui revient à un microbe donné et ce qui doit
être rapporté à la nécrose banale réalisée p. ex. à laide d’agents chi-
miques. Dans ce but j'ai fait l observation suivante: j'ai injecté à un
paralytique général sous la peau 0,2 d’essence de térébenthine; l’abces
mûr était ouvert 6 jours après et dans le pus aseptique de cet abcès
(comme les ensemencements l'ont montré il était stérile) j'ai retrouvé
1) Ainsi dans un cas d’une arthrite et écoulement vaginal, cas qui paraissait un
peu suspect à mon collégue le chirurgien- prof. Sitkowski, celui-ci ma prié
d’examiner le pus pris du col de l’uterus; j'y ai constaté exclusivement des neutro-
hiles d’od j’ai conclu à Pabsence de gonocoques; il y avait là de très nombreux
Trichomonas vaginalis; sans décider si ce Flagellé peut déterminer les colpites
catarrhales, jai formulé que ce n'était pas en tout cas une infection gonococeique, mais
une catarrhe peut-être causé ou seulement entretenu (car cette question n’est pas en-
core élucidée) par Trichomonas. Diverses constatations cliniques ainsi que les
suites du traitement avaient confirmée cette conclusion tirée du eytodiagnostic.
Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blancs etc. 273
à peu près la même formule que dans le pus des furoncles: les neutro-
philes avec un pourcentage de noyaux pycnotiques considérable, les
nebuleuses et les gros monocytes avec les gouttelettes graisseuses très
réfringentes in vivo (fig. VI dans le texte 1—5). Fait curieux: ces
monocytes contrairement a ce qu’on observe dans le pus staphylococcique
ne fonctionnent pas comme macrophages; c’est à peine si en cherchant
dans plusieurs préparations on en trouve un avec seul élément cellulaire
ingéré; le pouvoir phagocytaire des monophages est ici
inhibé et cela fait une différence essentielle avec le pus provoqué
a
Textfig. XVI. Trois categories de macrophages. La série de gauche (de haut en
bas): plasmocyte — plasmophage; la rangée moyenne: monocyte — monophage (une sorte
de sac avec 20 neutrophiles ingérés); la rangée droite: histiocyte — A (à noter les
contours ee du noyau). L = lymphocyte (ou bien Stammzelle); Pl = plasmocyte
— plasmophage; Mo = monocyte — monophage; Hi = histiocyte — histiophage.
par les staphylocoques, où il n’est pas rare de rencontrer les monophages
avec 10—20 cellules englobées.
Néanmoins il faut bien reconnaître que la ressemblance entre le
pus aseptique et le pus staphylococcique est grande. Comment peut-on
expliquer cette ressemblance ? — Ne savons-nous pas que dans la
furonculose la succession des phénomènes est suivante: la nécrose se
produit premièrement et ce n’est qu’ensuite, secondairement, qu'il y a
formation du pus — c'est à dire réaction leucocytaire et liquéfaction
des éléments tissulaires, Dès lors il faut s'attendre à ce que le pro-
Erste Abt. Orig. Bd. 101. Heft 4/5. 18
274 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
cessus ici sera tout pareil à celui qui s’observe dans la nécrose des
tissus causée par l’essence de térébenthine.
Il me manque encore le streptogramme et c’est la une lacune im-
portante. Quand elle sera comblée étant donné que les signatures des
microbes pyogenes les plus communs sont enregistrees, les chirurgiens
profiteront grandement de ces pyogrammes: un quart d’heure apres avoir
ouvert un abcés (10 minutes pour l’execution du frottis humide, 5 mi-
K
FNY
| }
«N |
e | | —
® | |
© |
| D, | © | |
je | E i @ |
Les | es | e
TELE EE |
t }
| | T ù Pa | ©! |
Textfig. XVII. Schéma; — à gauche le foie, à droite le testicule. K = cellule de
Kupffer (élément du mésenchyme) avec lhémoglobine des hématies ingérées élabore la
bilirubine qu'elle rejette dans les capillaires (c’est la sécrétion interne); la cellule hépa-
tique fixe cette bilirubine, la transforme en bilirubine donnant la réaction directe de
H. v. d. Berg et la sécrète dans les conduits hépatiques (c’est la sécrétion externe du foie).
A = cellule interstitielle (élément du mésenchyme) qui aux dépens d’un matériel
spécifique (détritus qui n’a pas été utilisé pendant la spermiogenèse) élabore des lipoïdes
(ineret) qui arrivent dans les capillaires et exercent leur rôle de hormone sexuelle. A
gauche — la sécrétion externe du testicule — production des spermatozoïdes.
Dans les deux cas il y a un enchévétrement de la glande endocrine mésenchyma-
teuse avec le parenchyme de l'organe.
nutes pour l'examen) il connaîtra l’étiologie de cet abcès sans s'adresser
aux procédés bactériologiques (ensemencements etc.). On gagne ainsi
du temps et on peut très rapidement recourir à la séro- ou vaccino-
thérapie spécifique.
Postscriptum.
Pendant la correction des épreuves je me rends compte que dans
le désir d'être bref et concis j'ai passé trop vite sur certaines questions
importantes et je me permets de les reprendre ici point par point.
Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blancs ete. 275
1) Tout d’abord à propos des monophages. Le type le plus fré-
quent des macrophages c'est celui décrit par Metchnikoff; il dérive
du monocyte sans que l’on puisse préciser dans chaque cas particulier
la nature de ce monocyte. Certains arguments plaident en faveur de
ce que ce ne sont pas en tout cas les histiocytes d Aschoff-Kiyono
qui donnent mes monophages, ainsi p. ex. mes observations sur les
macrophages dans la leishmaniose. Comme on sait, la leishmaniose in-
fantile (de même que Kala-Azar des adultes) est une maladie où le
systeme reticulo-endothelial est électivement atteint: le parasite se mul-
tiplie dans les splenocytes, dans les cellules de Kupffer du foie et
autres éléments de l’appareil réticulo-endothélial (en particulier dans
les cellules & poussiéres du poumon ce qui démontre bien la nature
mésenchymateuse de ces éléments sur laquelle je reviendrai dans un
travail prochain). Or, j’ai pu observer dans la Clinique Protistologique
le fait suivant: dans certains frottis réussis là où les éléments de la pulpe
splénique sont bien conservés, on note que les cellules réticulaires de la
rate renferment un grand nombre de leishmanies (plusieurs dizaines)
et sont colorées avec Giemsa en bleu ciel, tandis que à côté de ces
éléments spléniques se trouvent (plus rarement) de grosses cellules avec
le protoplasma très pâle (couleur cendre claire) dans lesquelles on ob-
serve quelquefois une—deux—trois leishmanies en état de dégénérescence
évidente, — pn ne distingue plus de traces de cytoplasme du parasite,
les noyaux et les blépharoplastes sont le plus souvent éparpillés à une
distance plus ou moins grande; en d’autres mots on assiste ici, à diverses
phases de la digestion des leishmanies. Ces éléments sont pour moi
des monocytes qui phagocytent les leishmanies; ici il ne s’agit
plus de parasitisme, mais de la phagocytose. Ainsi notre Pro-
tiste vit en parasite dans les splénocytes et autres éléments du système
reticulo-endothelial, il y prospère et se multiplie, tandis qu’il est phago-
cyté et digéré dans les vrais monocytes.
Cette différence profonde d'ordre biologique nous démontre pre-
mièrement que les ferments des monocytes et des cellules réticulaires ne
sont pas identiques, et secondement que le pont qu’on à cru pouvoir
jeter entre les globules blancs du sang et l’appareil réticulo-endothélial,
pont basé sur la conception d’Aschoff — les monocytes sont toujours
des Bluthistiozyten, n’est pas bien solide.et se rompt sous le poids de
certaines observations.
2) Mes histiophages ne dérivent pas des histiocytes sensu Aschoff-
Kiyono. Je réserve le terme histiophages aux éléments phagocytaires
provenant des cellules endothéliales. Ces histiophages gardent souvent
encore les traces de leur origine tissulaire; on voit en particulier que ces
éléments avaient pris part à la constitution d’un tissu grâce à leur
forme polygonale et à l’aspect rigide du noyau. La mobilité et le pouvoir
phagocytaire de ces histiophages (— cellules endothéliales devenues libres)
sont très limités.
3) Mes observations sur la transformation des plasmocytes en ma-
crophages (plasmophages) démontrent que l’opinion d’après laquelle
lesystème macrophagaletl’appareil réticulo-endothélial
sont synonymes est erronée. En effet la notion du systéme
macrophagal est plus vaste puisqu’elle renferme les plasmo-
phages, qui sont, comme je l’ai montré avec la derniére évidence, les de-
rivés directs des lymphocytes. Par ses mémes observations j’ai établi une
liaison entre les globules blancs du sang et l’appareil réticulo-endo-
18*
276 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
thélial, — cette liaison qui serait formée par les Bluthistiozyten si la
conception de Schilling (tous les monocytes sont des histiocytes
d'Aschoff-Kiyono) était exacte.
Nous partons d’un lymphocyte, et que ce soit un plasmocyte ou
un monocyte, nous aboutissons à un élément macrophagal — plasmo-
phage dans le premier cas, monophage dans le deuxième.
Index bibliographique.
Alexeieff, A., Sur la question du noyau chez les bactéries. (Arch. f. Protistenk.
1924.) — Anderson, John, A study of dysentery in the field. With special reference
to the cytology on early and accurate diagnosis. (Lancet. 1921. Nov. 12.) — Babkine,
Recherches sur les modifications des organes hémopoiétiques pendant l’inflammation asep-
tique. [Thèse.] Pétersbourg 1910. [En russe.] — Bogomoletz, Physiologie te Lou
Saratoff 1924. [En russe] — Maximoff, A., Traité d’histologie. 1918. |En russe.] —
Samsonoff, Sur les éléments migrateurs de la muqueuse de l'intestin des Mammifères.
[Thèse.] Pétersbourg 1908. [En russe.] — Soloucha, N., Sur les éléments cellulaires
du tissu conjonctif des oiseaux à l’état normal et dans l’inflammation. [Thèse.] Péters-
bourg 1908. [En russe.]
Explication des planches.
Planche I.
Plasmocytes et plasmophages du pus de la dysenterie amibienne. Coloration à
l’hématoxylne de Delafield-éosine; 1500.
Fig. 1. Deux plasmocytes accolés. Le plasmocyte supérieur est binucléé; un des
deux noyaux est fragmenté. Dans le plasmocyte inférieur on voit deux corpuscules de
Russel colorés par l’éosine en rose très vif (corpuscules fuchsinophiles ou bien 60sino-
hiles).
p Fig. 2. Plasmocyte avec plusieurs corpuscules de Russel.
Fig. 3. Plasmocyte avec une hématie ingérée (placée dans la vacuole digestive).
Fig. 4. Plasmocyte avec un corpuscule de Russel.
Fig. ee Plasmocytes de différentes tailles avec nombre variable de corpuscules
de Russel.
Fig. 9. Plasmocyte binucléé.
Fig. 10. Plasmocyte binucléé avec un neutrophile phagocyté.
Fig. 11. Plasmocyte dont le noyau vient de se désagréger (on apergoit encore les
limites de la zone nucléaire). |
Fig. 12. Dans ce plasmocyte les vestiges même de la membrane nucléaire ont
disparu, cependant les blocs de chromatine restent agglomérés.
Fig. 13. Deux plasmophages accolés; celui d’en bas a phagocyté un éosinophile.
Fig. 14. Plasmophage à noyau fragmenté en 5 blocs a ingéré un éosinophile et
un neutrophile.
Fig. 15. Petit plasmophage avec une sphérule de chromatine (en noir) et un cor-
puscule de Russel renferme un neutrophile phagocyté.
Fig. 16. Plasmophage avec deux neutrophiles ingérés (ingestion bipolaire).
Fig. 17. Plasmophage — forme en croissant (ingestion monopolaire) ayant ingéré
un neutrophile et trois éosinophiles placés tous les quatre dans une vacuole digestive
Fig. 18. Fragment d’un plasmophage renfermant un éosinophile ingéré.
Fig. 19—20. Plasmophage avec blocs de chromatine et corpuscules de Russel.
Fig. 21. Deux plasmophages accolés.
Fig. 22. Plasmophage avec quatre sphérules chromatiques et deux corpuscules de
‘ig. 23. Plasmophage avec un morceau accolé (celui-ci provient peut-être de ce
même plasmophage).
4 Fig. 24. Plasmophage avec une grosse sphérule chromatique et un gros corpuscule
e Russel.
Fig. 25. Lymphocyte à noyau assez typique; dans le plasma on constate déjà les
corpuscules de Russel — anticipation du processus de dégénérescence dans le plasma
sur l’involution du noyau (pas de pycnose périphérique).
Fig. 26—27. Morceaux des plasmophages renfermant des sphérules de chromatine
et des corpuseules de Russel.
Fig. 28—30. Morceaux de plasmophages avec les corpuscules de Russel.
Fig. 31. Morceau d’un plasmophage fragmenté renfermant une hématie placée
ans la vacuole digestive.
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Alexeieff, Recherches sur la physiologie des globules blancs etc. 277
Planche II.
Eléments du pus d’un furoncle [pris le 5”* jour, lorsque le furoncle était tout à
fait mûr; pus liquide strié de sang].
Fig. 1. Elément lymphoide — probablement point de départ pour la formation
de monocyte tel que celui représenté par la fig. 2.
Fig. 2. Monocyte avec noyau typique — pauvre en chromatine (les détails du
cytoplasme n’ont pas été dessinés).
Fig. 3. Monophage de taille moyenne (= gros monocyte) ayant englobé un
ere e.
ig. 4 Monophage avec trois éléments cellulaires ingérés.
Fig. 5. Gros monophage ayant phagocyté quatre cellules placées chacune dans
une vacuole digestive spéciale (mode d’ingestion pluripolaire). A noter la structure fila-
menteuse du noyau.
Fig. 6. Monophage de forme cylindroide avec cing éléments cellulaires englobés.
A noter la forme particulitre du noyau — en pépin de raisin (avec un nucléole).
Fig. 7. Monophage avec deux neutrophiles phagocytés et les restes d’autres éléments
cellulaires presque complètement digérés. A noter la forme du noyau qui est incurvé
entre les particules ingérées.
Fig. 8. Gros monophage avec plusieurs neutrophiles à moitié digérés et placés
dans des vacuoles digestives. Les vestiges d’autres éléments cellulaires phagocytés sont
plongés directement dans le cytoplasme du BBOBDERSE:
Fig. 9-10. Monophages figurant les corps en demi-lune. Dans l'énorme vacuole
digestive centrale sont placés les neutrophiles phagocytés (phénomène d’agglutination).
Fig. 11. Monophage de grande taille représentant une sorte de sac à paroi mince
bourré de neutrophiles ingérés (parmi ceux-ci un éosinophile).
Fig. 12. Cellule géante multinuclée — d'origine tissulaire — comp. avec la fig.
dans le texte IX, 2 à 6
Fig. 13. La division du noyau se fait suivant le mode direct (amitotique). On
note ici un élément ingéré — donc la cellule géante peut fonctionner comme phagocyte.
Il vagit ici d'un polyp. age.
ig. 14. Le seul plasmocyte trouvé pendant l’examen de quelques dizaines de
préparations.
Fig. 15—17. Neutrophiles avec noyau à 4 et 5 segments.
Fig. 18. Neutrophile (= gen de Metchnikoff) fonctionnant comme
macrophage, — il a ingéré un élément cellulaire.
‘ig. 19. Neutrophile à trois segments nucléaires rapprochés.
Fig. 20. Neutrophile dont les segments nucléaires ont l'air de se fusionner.
Fig. 21. Id. (il n'y a ici que deux segments).
Fig. 22. Neutrophile à deux segments nucléaires; pycnose périphérique et gon-
flement hydropique du noyau.
Fig. 23. Stade de propTontes — figure de quadrille.
Fig. 24. Neutrophile à noyau pycnotique (six segments nucléaires).
rag 25—28. Neutrophiles à noyau pycnotique (nombre de segments nucléaires
variable).
Fig. 29. Neutrophile à noyau pycnotique. A noter le protoplasme dense et plus
éosinophile que chez les neutrophiles non pycnotisés (condensation par perte d'eau, d’où
les dimensions plus petites — par suite d’une retraction).
Planche III.
Fig. 1—17. Pus d’un furoncle (suite de la planche précédente).
Fig. 1. Pycnose dans un neutrophile.
Fig. 2. Pycnose périphérique.
Fig. 3. Pycnose en bague.
Fig. 4 Pycnose totale dans un neutrophile nain (ces formes naines ont presque
toujours le noyau en pycnose).
Fig. 5-14. Chromatolyse du noyau dans les neutrophiles qui conduit à la for-
mation des aires uleuses (ou nébuleuses).
Fig. 5—8. La partie inférieure de ces neutrophiles n’est pas encore envahie par le
noyau en chromatolyse et est formée par le cytoplasme éosinophile. Dans les exem-
plaires 7 et 8 une partie de la chromatine nucléaire s’est pour ainsi dire pycnotisée et
forme des sphérules fortement colorées.
Fig. 9—11 et 14. Plus de cytoplasme; ce sont les nébuleuses ou les aires granu-
leuses définitivement constituées. Dans l’exemplaire 9 au milieu de la poussière chro-
matique une sphérule pycnotisée (plus claire au centre).
Fig. 12. Un petit bout cytoplasmique (à droite). Deux amas pycnotiques au milieu
de la chromatique poussiéreuse.
278 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
Fig. 15. Eosinophile à 3 segments nucléaires.
Fig. 16—17. Deux petits lymphocytes typiques.
Fig. 18—53. Eléments du pus du liquide céphalo-rachidien dans un cas de la
méningite cérébro-spinale épidémique.
ig. 18—21 et 32—34. In vivo.
Fig. 22—31. Action de la liqueur iodo-iodurée.
Fig. 37—53. Coloration à l’hématoxyline de Delafield-éosine. X 1500.
Fig. 18—20. Le même neutrophile dessiné à une minute d’intervalle; à noter la
formation des pseudopodes digitiformes très intense.
Fig. 21. Neutrophile au repos avec quelques gouttelettes de graisse réfringentes.
Fig. 22—24. Formation d’hernie glycogénique sous l’action de la liqueur de Lugol
(cette d ge" est en réalité colorée en rouge brun acajou.)
Fig. 25—26. Une hernie glycogénique à chaque pôle opposé.
Fig. 27. Vésicule glycogénique aussi grosse que le neutrophile lui-même. A noter
une rangée de granulations neutrophiles délimitant à gauche la vacuole glycogénique.
Fig. 28 Vésicule glycogénique en forme d’un pseudopode lobé.
Fig. 29—30. Deux neutrophiles dont chacun présente deux hernies glycogéniques
placées au même pôle.
Fig. 31. Le glycogène ne forme point d’hernie, mais s’est amassé dans la région
endoplasmique entre les 4 segments nucléaires.
Fig. 32. Monophage ayant phagocyté un neutrophile. Le noyau du monophage
se voit comme vésicule allongée optiquement vide.
Fig. 33. Monophage avec un corpuscule placé dans la vacuole digestive. Dans le
noyau on distingue le nucléole et même les grains de chromatine. Des gouttelettes
graisseuses dans le cytoplasme.
Fig. 34. Monophage plus gros ayant englobé plusieurs éléments cellulaires. Le
noyau du monophage a l’air d’une vésicule vide à contours nettement tracés. Des globules
de graisse disposés en chapelet.
ig. 35. Monocyte ayant déjà englobé un corpuscule.
Fig. 36. Monocyte avec un corpuscule placé dans la vacuole digestive.
Fig. 37. Monocyte ayant phagocyté un neutrophile.
Fig. 38. Monocyte avec un élément cellulaire ingéré.
Fig. 39. Monophage avec trois neutrophiles ingérés.
Fig. 40. Gros monophage ayant phagocyté cinq neutrophiles; dans certains de ces
derniers le noyau se distingue à peine à cause de la digestion avancée. Le noyau du mono-
phage présente une invagination (à gauche).
Fig. 41. Monophage ayant phagocyté 8 neutrophiles; les contours de la plupart de
ceux-ci sont devenus flous; différents stades de digestion ce qui indique que ces neutro-
philes avaient été englobés aux différents Fo
Fig. 42. Neutrophile ayant phagocyté un autre neutrophile. Donc le neutrophile
ici fonetionne comme macrophage.
Fig. 43—46. Neutrophiles à noyau formé par 7—10 segments. (Cette hypersegmen-
tation se constate également dans les neutrophiles du sang périphérique.)
Fig. 47. Neutrophile à noyau constitué par 6 segments disposés en éventail (comp.
avec la dysenterie amibienne).
Fig. 48. Premier stade du gonflement hydropique du noyau dans un neutrophile
à sept segments.
Fig. 49. Hypertrophie du noyau (caryophysème de Dangeard) dans un neutro-
phile à 4 segments nucléaires. On voit encore les restes du cytoplasme.
Fig. 50. Caryophysème poussé au dernier degré, — plus de vestiges du cytoplasme
du neutrophile. — L'ensemble figure une sorte de „noyau libre‘,
Fig. 51—53. Neutrophiles pycnotiques.
Planche IV.
Eléments du pus d'un cas de la gonorrhée aigüe (3”"—4"" jour depuis le début
d'écoulement). X 1500.
Fig. 1—10. Coloration à l’hématoxyline de Delafield -éosine.
Fig. 11—22. Coloration à l’hématoxyline ferrique de Heidenhain.
Fig. 1—2. Caryophysème dans deux neutrophiles à 3 segments.
Fig. 3. Hypertrophie du noyau dans un neutrophile à deux segments. A noter
la coloration très pâle des grains de chromatine.
Fig. 4—5. Caryophysème dans deux neutrophiles à un seul segment nucléaire.
Fig. 6. ,, Noyau libre“.
Fig. 7. Neutrophile pycnotique.
Fig. 8. Histiophage ayant englobé un élément lymphoide. A noter la forme lobée
du noyau.
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1
ALSACO sie TI Gustav Fischer
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Shmamine, Agar als Einschlußmedium für die Untersuchung im Dunkelfeld. 979
Fig. 9. Histiophage ayant phagocyté un élément uninucl&. A noter la forme
incurvée du noyau; celui-ci rappelle le noyau des monocytes-monophages.
Fig.10. Histiophage ayant ingéré un neutrophile qui contient les gonocoques phago-
cytés („emboitement des germes“ ou plutôt phagocytose au second degré). A noter les
contours rigides du noyau d’histiophage.
Fig. 11. Petit plasmocyte.
Fig. 12. Petit plasmocyte binucléé. A noter la basophilie du cytoplasme.
Fig. 13. Plasmophage uninucléé ayant englobé deux neutrophiles.
Fig. 14. Plasmophage binucléé avec les éléments cellulaires phagocytés.
Fig. 15. Plasmophage binucléé avec un neutrophile ingéré.
Fig. 16. Plasmophage binucléé avec plusieurs éléments englobés. Toute la chroma-
tine nucléaire s’est amassée en une lentille biconvexe périphérique. A noter le parallélisme
parfait dans l’involution des deux noyaux (de même que dans les fig. 12, 14 et 15).
Fig. 17. Gros plasmophage binucléé; les deux noyaux sont au même stade de
caryorrhexis. Au pôle inférieur sont accrochés les gonocoques („groupement haptophore“).
Fig. 18. Plasmophage à trois noyaux (comp. avec la fig. IV, 2 dans le texte).
A l'extrémité inférieure un neutrophile ingéré.
Fig. 19—20. Eléments provenant de la fragmentation des complexus tels que celui
représenté dans la fig. 22.
Fig. 21. Ensemble des cellules d’un tissu ou d’un syncytium? Des amas de gono-
coques se groupent au voisinage de ces cellules. A noter la ressemblance de ces élé-
ments cellulaires avec les plasmocytes gonococciques ; ces derniers seraient-ils toujours
des histiocytes ?
Fig. 22. Complexe cellulaire avec de gros blocs colorés en noir foncé et des neutro-
philes de place en place. V. l'explication des fig. 19—20.
Nachdruck verboten.
Agar als Einschlussmedium für die Untersuchung im
Dunkelfeld `).
[Zahnärztliche Klinik des Kaiserl. Japanischen Kulturministeriums,
Tokio, Japan. |
Von Prof. Dr. Tohl Shmamine.
Mit 1 Abbildung im Text.
Es ist eine schon bekannte Tatsache, daB Dunkelfeldbeleuchtung
vielfach geeigneter fiir die Untersuchung der Mikroorganismen ist als
gefärbte Präparate.
Erstens kann man die Mikroorganismen lebend sehen und zweitens
kann man sie auch in dem Falle scharf und deutlich untersuchen, wenn
sie sich schlecht färben lassen, z. B. Spirochaeta pallida u. a. In-
folgedessen ist die Dunkelfeldbeleuchtung heutzutage ein unentbehr-
liches Hilfsmittel für die bakteriologische Untersuchung. Aber sie hat
auch Nachteile. Man hat bis jetzt gewöhnlich als Einschlußmittel
Flüssigkeiten (Wasser, Bouillon usw.) benutzt. Dadurch bewegen sich
auch die Mikroorganismen, die sonst unbeweglich sind, und diejenigen,
welche aktive Bewegungen haben, ändern fortwährend ihren Ort. Da-
her ist man nicht imstande, genaue morphologische Beobachtungen zu
machen. Noch größere Schwierigkeiten bereitete diese Technik für
photographische Aufnahme in der Ruhe, während kinematographische
Aufnahme zum Teil gut gelungen ist. Will man zum Beispiel Mund-
bakterien von verschiedenen Krankheiten, unter denen sich bekanntlich
1) Vortrag gehalten auf dem internationalen zahnärztlichen Kongreß in London
2. August 1914.
280 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
sehr viele bewegliche Mikroorganismen befinden, im Dunkelfeld stu-
dieren, so bemerkt man immer die oben erwähnten Nachteile.
Seit langer Zeit mit der Bakteriologie des Mundes, seit meiner
Anstellung im Königl. Zahnärztlichen Institut der Universität Berlin
bei Herrn Professor Dieck insbesondere mit dem Studium der Alveolar-
pyorrhoe beschäftigt, empfand ich diesen Mangel und versuchte daher,
Agar als Einschließungsmittel zu verwenden.
Die Technik meiner Methode ist folgende:
Fleischwasseragar von 3 Proz. Agargehalt wird bis zur völligen
Lösung gekocht und bis ca 40° abgekühlt. Unterdessen macht man
einen gutgeputzten Objektträger nebst Deckglas in der Bunsen-
flamme warm, legt ihn auf eine er-
wärmte Petri-Schale, bringt mittels
Platinöse einen Tropfen Agar auf
den Objektträger, mischt das Aus-
gangsmaterial, z. B. den Eiter aus
Alveolarpyrrhoe, mit einer Platin-
nadel zusammen und deckt das
Deckgläschen unter festem Druck
schnell darauf. Hierbei ist zu be-
obachten, daß keine Luftbläschen
hineinkommen. Um diese zu ver-
meiden, darf der Tropfen bei der
Mischung seine kugelförmige Wöl-
bung nicht verlieren.
Darauf läßt man den Objekt-
träger durch Bestreichen mit kal-
tem Wasser auf der Rückseite oder
im Eisschrank schnell abkühlen, da-
mit der Agar alsbald fest wird.
Jetzt kann man die mikroskopisehe
Untersuchung anstellen.
Zu meiner eigenen Ueberrasch-
ung fand ich, daß die suspendierten
Mikroorganismen in diesem Medium
vorzüglich zu beobachten sind, und
zwar auch die beweglichen, die trotz Fixation an Ort und Stelle ihre
Bewegung nicht einbüßen.
Bei den unbeweglichen Bakterien (Bac. fusiformis usw.) kann
man mit Sicherheit die feinere Struktur des Bakterienleibes erforschen
und bei den beweglichen Bakterien (verschiedene Sorten von Spirochäten
und geißeltragenden Mikroorganismen usw.) die Art und Weise der
Bewegung genau beobachten.
Es gibt ja zahlreiche solche Spirochäten und andere Bakterien in
der Mundhöhle, welche im flüssigen Einschließungsmedium außer-
ordentlich rasche Ortswechselbewegungen haben, so daß es unmöglich
ist, den Charakter der Bewegung derselben zu verfolgen. Durch Agar
werden sie nun bis zu einem geeigneten Grad an der Bewegung ver-
hindert, so daß man die Feinheiten genau studieren kann.
Der Agar bietet also den großen Vorteil der Fixierung beweglicher
Mikroorganismen ohne Aufhebung ihrer Bewegung. Er ist aber auch
optisch ein überaus günstiges Medium, denn mit überraschender Deut-
lichkeit kann man in ihm auch die Geißeln der Bakterien und Geißel-
Fig. 1.
Shmamine, Agar als Einschlußmedium für die Untersuchung im Dunkelfeld. 281
bewegungen wahrnehmen. Falls die Bewegung der Bakterien und Geißel-
bewegung die mikroskopische Aufnahme stört, so läßt man das Prä-
parat im Eisschrank einen Tag liegen.
Dieses Verfahren hat weiterhin den Vorteil, daß man gleichzeitig
auch Studien über das Schicksal der Bakterien, ihr Wachstum und Ab-
sterben sogleich anschließen Kann.
Die hierbei erforderliche Technik unterscheidet sich von der oben
geschilderten nur in so weit, als ich 1) zum Einlegen der Objekte
statt einfachen 3 Proz. Agar Pferdeblutserumagar (Mischung von
Pferdeblutserum 1/, und 5 Proz. Traubenzuckeragar ?/,) empfehle,
weil das letztere nach meinen bisherigen Erfahrungen für die Züchtung
der Bakterien viel geeigneter ist. Es gibt sogar solche Mikroorganis-
men, z. B. Zahnspirochäten und Bac. fusiformis u. a., welche
nur bei Vorhandensein von Pferdeblutserum wachsen.
2) empfehle ich statt des gewöhnlichen Objektträgers und Deck-
gläschens die großen Formate, auch drücke man das Deckgläschen nicht
zu fest auf, damit die Mikroorganismen noch Spielraum für ihr Wachs-
tum haben. Durch Benutzung der großen Gläser wird die Austrocknung
und Veränderung des Nährbodens vom Rande aus vermieden.
3) lege ich Wert auf die Umrandung des Präparates mit Wachs.
Nachdem das Präparat nun so weit fertig ist, bringt man es unter
das Mikroskop mit Dunkelfeldbeleuchtung und fixiert beliebige Bak-
terien. Nach eingehender Untersuchung zeichnet man oder mache man
eine photographische Aufnahme und stellt alsdann das ganze Mikroskop
in den Brutschrank.
Nach einigen Stunden nehme man dann das Mikroskop heraus und
untersuche die Veränderung derselben Mikroorganismen.
Bei der Wiederholung dieses Verfahrens kann man entweder die
Reihenfolge des Wachstums oder des Absterbens des .betreffenden
Mikroorganismen studieren.
Besonders möchte ich noch die Aufmerksamkeit darauf lenken,
daß man bei dieser Untersuchung der Dunkelfeldbeleuchtung den Spiegel
richtig handhabt, damit man die Gestalt der Mikroorganismen bei ver-
schiedener Beleuchtung erkennen kann.
Zum Schlusse möchte ich noch betonen, daß dies Verfahren ganz
einfach ist und ich es mit Erfolg für die Untersuchung der Mund-
bakterien verwerten konnte.
Die zahlreichen bakteriologischen Studien über Alveolarpyorrhoe,
welche ich mit Hilfe dieses Verfahrens ausgeführt habe, kann ich leider
wegen Zeitmangel hier nicht mitteilen.
Das Mikrophotogramm stellt eine Reinkultur von fusiformen Ba-
zillen, nach dieser Methode im Dunkelfeld aufgenommen, dar. Vergr. 1000:1.
Zusatz.
Die hier dargelegte Methodik ist von Herrn Prof. Shmamine
während seiner Tätigkeit in dem damals mir unterstellten Hygienischen
Institut der Universität Breslau ausgearbeitet und durch einen Vortrag
auf dem internationalen zahnärtzlichen Kongreß in London am 2. August
1914 publiziert worden. Der Ausbruch des Krieges verbot die Ver-
öffentlichung in deutschen Zeitschriften, die jetzige Publikation er-
folgt zur Wahrung der Priorität, die Benutzung erstarrender Einschluß-
flüssigkeiten bei Dunkelfeldbeleuchtung betreffend.
Breslau, den 4. Oktober 1926. R. Pfeiffer.
282 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
Nachdruck verboten.
Sterilisierung und Konservierung von Aszitesflüssigkeit
zur Nährbodenbereitung.
[Aus der bundesstaatl. Kontrollstelle im Serotherapeutischen Institute
in Wien (Vorstand: Doz. Dr. B. Busson).]
Von Dr. B. Busson.
Jedem, der eine bakteriologische Sammlung unterhält, oder sich
viel mit der Züchtung von Gonokokken etc. beschäftigt, ist cs be-
kannt, mit welchen Schwierigkeiten die Beschaffung emes sicher
sterilen Aszites für die Nährbödenbereitung verbunden ist. Und häufig
gerade dann, wenn die Ausbeute am reichsten ist, sind der Aszites
oder die Hydrozelenflüssigkeit etc. durch Saprophyten verunreinigt
und dadurch unbrauchbar geworden. Denn es gelingt nur selten, die
Aszitesflüssigkeit in solchen Fällen durch vorsichtiges Pasteurisieren
wieder zu sterilisieren, weil die anzuwendende Temperatur von 55°
zur Abtötung der meisten Bakterien und Kokken nicht hinreicht.
Dieser immer wiederkehrende Uebelstand hat mich veranlaßt,
nach einem Verfahren zu suchen, mit welchem ‘es gelingt, bakteriell
verunreinigten Aszites oder andere Ex- und Sekrete, die zur Nähr-
bödenbereitung häufig benötigt werden, sicher zu sterilisieren.
Ich glaube nun, ein solches Verfahren gefunden zu haben, welches
an und für sich einfach ist, und auf der starken Desinfektionswirkung
der Laugen beruht. Danach wird eine bestimmte, abgemessene Menge
von Aszites oder dergleichen mit 5proz. oder 1Oproz. Kali- oder
Natronlauge in solchem Ausmaße versetzt, daß die Gesamtmenge
der Flüssigkeit 1/, Proz. Lauge enthält. Ein ‘derartig angelaugter
Aszites ist selbst bei stärkster bakterieller Verunreinigung zufolge der
außerordentlichen Desinfektionskraft der Kali- oder Natronlauge in
kürzester Zeit steril.
Derartig behandelten Aszites habe ich, in Literkolben verfüllt,
durch länger als 1 Jahr aufbewahrt; er war noch brauchbar. Aller-
dings kommt es häufig zu stärkeren Ausflockungen und zur Bildung
eines Bodensatzes, aber ich konnte mich überzeugen, daß dennoch die
überstehende Flüssigkeit genügend Eiweiß in Form von Alkali-
albuminaten enthält, die als Nährbodenzusatz zur Züchtung von Gono-
kokken ausreichen.
Auf diese Weise gelingt es, bakteriell sehr stark verun-
reinigten, ja sogar sporenhaltigen Aszites sicher zu sterilisieren.
Um nun diesen Laugenaszites, der in dieser Form zur Kultur
natürlich ungeeignet ist, für die Nährbödenbereitung tauglich zu
machen, entnehme ich der großen Flasche 50—100 ccm und titriere
diese mit Phosphorsäure bis zur Neutralität. Ist dann die Menge der
zur Neutralisation von 100 ccm Laugenaszites notwendigen Phosphor-
säure bekannt, dann gebe ich dieselbe abgemessene Menge Phosphor-
säure in kleine, sterile Fläschchen und dazu die entsprechende Menge
Laugenaszites, verschließe die Fläschchen mit Gummistopfen und mische
durch Umdrehen den Inhalt durcheinander. Der neutralisierte Aszites
ist auf diese Weise steril in kleine Portionen verteilt worden, und
eignet sich gut zur Kultivierung auch der so anspruchsvollen Gono-
Braun u. Goldschmidt, Brutschrankluft als Stickstoff- bzw. Kohlenstoffquelle. 383
kokken, insbesondere aber zur Weiterzüchtung von Laboratoriums-
stämmen, die schon an die künstliche Kultur gewöhnt sind.
Bei direkter Züchtung von Gonokokken vom Patienten weg auf
diesen Nährboden, also für Erstkulturen, glaube ich feststellen zu
dürfen, daß er sich besser eignet und bessere Resultate gibt, als “Agar,
der mit Tierserum gemischt wurde, und nicht allzusehr den frischen
Aszitesnährboden nachsteht.
Es ist ja bekannt, daß sich keineswegs jeglicher Aszites, selbst
im frischesten Zustand, immer und in gleicher Weise als Nährboden-
zusatz eignet, daß vielmehr dabei große Unterschiede, die von vielen
Faktoren abhängen, zu konstatieren sind. Derartiger Aszites, der sich
schon im frischen Zustand nicht sehr zur Kultur eignet, wird natürlich
durch das Laugenverfahren nicht verbessert werden, aber guter Aszites
gibt, mit Lauge behandelt, auch gute Resultate. Schließlich soll ja
dieses Verfahren auch nur einen Notbehelf darstellen, das insbesondere
kleineren bakteriologischen Laboratorien und Prosekturen, aber auch
größeren bakteriologischen Sammlungen, wo viel Nährboden verbraucht
wird, von Wert sein wird, schon deshalb, weil das Anlegen von Vor-
räten leicht und einfach vor sich gehen kann, und der daraus bereitete
Agar-Aszitesnährboden billig und in seiner Verwendbarkeit, wie eigene
Versuche zeigten, zumindest ebenso brauchbar ist, wie Serumagar.
Ich konnte in zahlreichen Versuchen diese Brauchbarkeit für Gono-
kokkenzüchtung und Fortimpfung der Kulturen feststellen.
Nachdruck verboten.
Die Brutschrankluft als Stickstoff- bzw. Kohlenstoffquelle
für Typhus-, an Aue LE und Coli-
azillen.
[Aus der bakteriologisch-hygienischen Abteilung des Städt. Hygienischen
Universitätsinstituts in Frankfurt a. M.]
Von H. Braun und R. Goldschmidt.
In früheren Untersuchungen des Verwendungsstoffwechsels säure-
fester Bakterien haben wir (H. Braun, A. Stamatelakis, Kondo,
R. Goldschmidt und H. Wolff!)) die Feststellung gemacht, daß
der Timothee-Bazillus in einer stickstoff- und kohlenstofffreien
Nährlösung beim Hinzutritt der Brutschrankluft in Passagen wachsen
kann, und daß der Blindschleichen- und Schildkrötentuberkelbazillus,
der Hühner-, Rinder- und Menschentuberkelbazillus in einer stickstoff-
freien, aber kohlenstoffhaltigen Nährlösung in Passagen gedeihen kann.
Dagegen gelang es bei den 5 letzteren Bakterien nicht, sie in einer
stickstoffhaltigen, aber kohlenstofffreien Nährlösung zu züchten. Daß
1) Klin. Wochenschr. Jhrg. 3. 1924. No. 1: Biochem. Zeitschr. Bd. 145.
1924. H. 5/6; Biochem. Zeitschr. Bd. 146. 1924. H. 5/6; Biochem. Zeitschr.
Bd. 153. 1924. H. 3/6; Biochem. Zeitschr. Bd. 155. 1925. H. 1/2; Biochem.
Zeitschr. Bd. 158. 1925. H. 4/6; Biochem. Zeitschr. Bd. 162. 1925. H. 1/2;
Krankheitsforsch. Bd. 1. 1925. H. 1/3.
284 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
in diesen Fällen die Stickstoffquelle bzw. Kohlenstoffquelle aus der
Brutschrankluft bezogen worden ist, ging daraus hervor, daß ein Wachs-
tum nur dann möglich war, wenn die Brutschrankluft durch längere
Zeit hindurch Zutritt zur Nährflüssigkeit hatte. Wurden nämlich die
Versuchskélbchen mit paraffinierten Wattestopfen verschlossen, so blieb
das Wachstum aus. Daran konnte sicher nicht der Sauerstoffmangel die
Schuld tragen, denn in einer Nährflüssigkeit, die die Stickstoff- und
Kohlenquellen enthielt, wuchsen die ‘genannten säurefesten Bakterien
auch nach dem luftdichten Verschluß der Kölbchen mit Paraffin sehr
gut. Die im Kölbchen eingeschlossene Sauerstoffmenge genügt also
zum Wachstum.
Das Wachstum der genannten Mikroorganismen, wenn sie die
Stickstoff- bzw. Kohlenstoffquelle aus der Luft beziehen mußten, war
ein außerordentlich mühsames. Erst nach längerer Bebrütung war meist
ein geringes Wachstum feststellbar. Die Häutchen waren sehr zart.
Es ließen sich, wie wir schon oben gesagt hatten, mehrere Passagen
unter solchen Bedingungen durchführen.
In jüngster Zeit hat Masur!) einen Tuberkelbazillenstamm be-
obachtet, der in einer stickstoffhaltigen, aber kohlenstofffreien Nähr-
lösung bei Brutschrankluft wuchs und Masur behauptet, daß das
Wachstum auf die in der Luft anwesende Kohlensäure zurück-
zuführen ist.
Die Tatsache, daß die säurefesten Mikroorganismen die stickstoff-
"bzw. kohlenstoffhaltigen Bestandteile der Luft verwerten können, stellt
für die exakten Untersuchungen des Kohlenstoff- und Stickstoff-Ver-
wendungsstoffwechsels dieser Mikroorganismen eine Fehlerquelle dar,
die beachtet und vermieden werden muß. Das kann wie schon oben er-
wähnt, auf einfachste Weise dadurch erzielt werden, daß man die
Kulturen, bevor sie in den Brutschrank gebracht werden, luftdicht ab-
schließt, so daß die Brutschrankluft keinen Zutritt hat.
Die Brutschrankluft kann reich an Verunreinigung sein, da es
sich bei den Brutschränken um relativ kleine Räume handelt, in denen
sich die gasförmigen Produkte des Bakterienstoffwechsels ansammeln.
Je mehr Kulturen in einem Brutschrank vorhanden sind, umsomehr
gasförmige Verunreinigungen wird die Luft enthalten. 1
In der vorliegenden Arbeit haben wir uns zur Aufgabe gestellt,
zu untersuchen, ob auch bei den Bakterien der Typhus-Coli-Ruhr-
gruppe die Brutschrankluft als Stickstoff- bzw. Kohlenstoffquelle dienen
kann. Wir wollen mit der Verwertung der Brutschrankluft als Stick -
stoffquelle beginnen. Zunächst wollen wir über die Versuche mit,
Typhusbazillen berichten. Wir haben zu diesen Versuchen 8 Typhus-
stämme herangezogen, von denen 5 befähigt waren, Ammoniak als
einzige Stickstoffquelle zu verwerten, und 3 andere Stämme, die dazu
nicht oder nicht sicher befähigt waren. Wie gleich vorweggenommen
werden mag, ließen sich die ammoniakassimilierenden Typhusbazillen
in einer stickstofffreien, aber kohlenstoffhaltigen Nährlösung, wenn
auch mühsam, in Passagen züchten, die nichtammoniakassimilierenden
Stämme dagegen nicht.
Was die Methodik betrifft, so möchten wir, um Wiederholungen zu
vermeiden, auf unsere früheren Arbeiten (H. Braun und C. E. Cahn-
Bronner?) hinweisen.
1) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 99. 1926.
2) Bicchem. Zeitschr. Bd. 131. 1922.
Braun u. Goldschmidt, Brutschrankluft als Stickstoff- bzw. Kohlenstoffquelle. 285
Tabelle I.
1. Ammoniakassimilierender Typhusstamm 4602 wurde in stickstofffreier
Nährlösung gezüchtet. Brutschrankluft konnte eindringen.
Zur Kontrolle wurden gleichzeitig geimpft:
2. Stickstofffreie Nährlösung, ie Kélbchen luftdicht verschlossen.
3. Milchsäure-Ammoniak-Nährboden, nicht luftdicht abgeschlossen.
4. Milchsäure-Ammoniak-Nährboden, luftdicht verschlossen.
Stets wurden je zwei Zuchten gleichzeitig angelegt (a u. b). Das Wachstum
wurde zu verschiedenen Zeiten protokolliert.
. Stickstoffreie Nährlösung: (Brutschrank- 2. Stickstofffreie Nährlösung (luftdicht
luft tritt ein.) verschlossen).
Datum der a ee N
Beimpfung:
29. 10.
Die Kélbchen wurden am 24. 11. geöffnet und
nicht luftdicht verschlossen.
| 28. 11. 0 28. 11. ?
8 1. 12. 0 1.12. +
3. 12. 0 3. 12. +
5. 12.0
3. Milchsäure-Ammoniak-Nährlösung
(nicht luftdicht verschlossen).
——— M
18. 11.
25. 11
b |
2. 12 3. 12. 0 |
6. 12. 0
18. 12. 0
2 1,8 +
7 1.8 +
22, 1. +
30. 1. +
Fortsetzung auf S. 286.
286 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
Fortsetzung des Versuches in stickstofffreier Nährlösung von S. 285.
4 4. Milchsäure-Ammoniak-Nährlösung
4. Passage (Wiederholung) | (luftdicht abgeschlossen).
um om oO ——— u
16. 12.
zen
Am 16. 3. wurden die Kulturen der 5. Passage untersucht. Sie waren mikro-
skopisch, kulturell und serologisch rein und typisch.
Zeichenerklärung: 0= kein Wachstum. s + = schwach trüb. + = trüb.
++ = stark trüb. +++ = sehr stark trüb. Der Pfeil zeigt an, aus welchen Kölb-
chen Passagen angelegt wurden.
Die stickstofffreie Nährlösung hatte folgende Zusammensetzung:
Na,SO 0,5 g
MgSO, 0,005 ,
KH,PO, 0,05 >
K,HPO 015.5
Natriumlaktat 0,5 ecm
Aqua bidest. 100
Die zur Kontrolle geimpfte Milchsäure-Ammoniak-Nährlösung ent-
hielt außerdem 0,5 g NH,CI.
Einen Versuch wollen wir in vorstehender Tabelle I, S. 285 u. 286
wiedergeben.
Wie aus der Tabelle zu ersehen ist, wächst der Typhusbazillus in
einer stickstofffreien Nährlösung sehr langsam. Es dauert mehrere
Tage bis einige Wochen, bevor Wachstum wahrnehmbar ist. In einzelnen
Kölbchen bleibt die Vermehrung vollständig aus. Derselbe Stamm, wie
Kontrollversuche zeigen, wächst dagegen in einer Nährlösung, die
außer den oben angeführten Stoffen noch 0,5 g Ammoniumchlorid ent-
hält, schon nach 48 Std. gut. Er wächst bei Ammoniumsalzanwesenheit
auch dann, wenn der Brutschrankluft der Zutritt zur Nährflüssigkeit
durch Paraffinverschluß verwehrt wird. In der stickstofffreien Nähr-
flüssigkeit kann er sich dagegen bei Paraffinverschluß nicht vermehren.
So trat in dem in der Tabelle angeführten Versuch unter diesen Be-
dingungen vom 29. 10. bis 24. 11. kein Wachstum ein. Nachdem
die Kölbehen dann geöffnet und durch einen gewöhnlichen Watte-
stopfen verschlossen waren, so daß Brutschrankluft Zutritt hatte, trat
nach einigen Tagen in einem Kölbehen Wachstum ein. Daraus geht
hervor, daß in der stickstofffreien Nährlösung das Wachstum des
Braun u. Goldschmidt, Brutschrankluft als Stickstoff- bzw. Kohlenstoffquelle. 287
Typhusbazillus nicht durch Verunreinigungen der benutzten Chemikalien
oder des Wassers zustande kommt, sondern daß es durch die in der Brut-
schrankluft vorhandenen stickstoffhaltigen Bestandteile bewirkt wird.
Aehnlich wie ammoniakassimilierende Typhusbazillen verhielten
sich auch ein Stamm von Paratyphus B-, Shiga-Kruse-Dysenterie-
und 3 Stämme von Coli- Bazillen. Sie ließen sich in Passagen in stick-
stofffreier, aber kohlenstoffhaltiger (Laktat-)Nährlösung züchten. Die
Kulturen waren sehr schwach gewachsen und es dauerte längere Zeit,
bevor deutliches Wachstum wahrnehmbar war. Die Versuche wurden
in gleicher Weise wie die mit Typhusbazillen ausgeführt. Auf die
Wiedergabe der Versuche wollen wir verzichten. Bemerken möchten wir,
daß nach unseren früheren Untersuchungen (H. Braun und C. E.
Cahn-Bronnert)) alle Stämme von Coli- und Paratyphus B-Ba-
zillen Ammoniak als einzige Stickstoffquelle verwerten können, unter
den Shiga-Kruse-Bazillen es dagegen wie bei Typhusbazillen am-
moniakassimilierende und nichtammoniakassimilierende gibt. Für die
Versuche in stickstofffreier Nährlösung haben wir einen ammoniak-
assimilierenden Shiga-Kruse-Bazillus benutzt.
Wir wollen nun über die Versuche berichten, die die Frage be-
treffen, ob die Bakterien der Typhus-Coli-Gruppe die Brutschrank-
luft als Kohlenstoffquelle verwerten können. Die kohlenstofffreie,
aber stickstoffhaltige Nährlösung hatte folgende Zusammensetzung:
NH,Cl 05 g
Na SO, 5,
MgSO 0,005 >
KE. PO, 0,05 ,
K,HPO 0,15
Aqua bidest. 100 cem
Die zur Kontrolle beimpfte kohlenstoffhaltige Nährlösung enthielt
außer den oben erwähnten Stoffen noch 0,5 ccm Natriumlaktat.
Ein ammoniakassimilierender Typhusbazillus konnte sich in der
kohlenstofffreien Nährlösung bei wiederholten Versuchen nach vier-
wöchentlicher Beobachtung nicht vermehren, während er bei gleich-
zeitiger Anwesenheit von Natriumlaktat und NH,Cl nach 48—72 Std.
ein üppiges Wachstum zeigte. Aehnlich verhielt sich ein ammoniak-
assimilierender Shiga-Kruse-Bazillus. Er wuchs in der NH,Cl und
kohlenstoffhaltigen Nährlösung nach etwa 10tägiger Bebrütung gut.
während er in einer kohlenstofffreien Nährflüssigkeit auch nach
4wöchentlicher Bebrütung keine Vermehrung zeigte. Ein Paratyphus B-
Bazillus zeigte in der kohlenstofffreien, aber NH,CI enthaltenden Nähr- -
lösung nach 4wöchentlicher Bebrütung kein Wachstum, nach dieser
Zeit, in der die Nährflüssigkeit natürlich bereits eingeengt war, eine
schwache Trübung. Sicheres Wachstum ist hier nicht feststellbar ge-
wesen, während derselbe Paratyphus B-Bazillus in der Laktat und
NH,Cl enthaltenden Nährflüssigkeit schon nach 24 Std. ein sehr
üppiges Wachstum zeigte.
Die 3 untersuchten Coli-Stämme verhielten sich in der kohlen-
stofffreien, aber NH,Cl enthaltenden Nährlösung nicht gleich. Zwei
von ihnen sind auch bei wiederholten Versuchen nicht gewachsen. Ein
Stamm ließ sich dagegen in Passagen züchten. Das Wachstum war ein
1) Biochem. Zeitschr. Bd. 131.
288 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
Tabell
1. Colistamm Nr. 14 wurde in kohlenstofffreier Nährlösung 1. Kohlenstofffreie Nähr-
züchtet. Brutschrankluft konnte eindringen. Als lösung
ontrolle wurden geimpft: (Brutschrankluft tritt ein).
2. Kohlenstofffreie Nährlösung. Die Kölbchen luftdicht a
verschlossen. a
3. Milchsäure- Ammoniak - Nährboden, nicht luftdicht ab- 12. 6.
eschlossen. .d:
4. Milchsäure-Ammoniak-Nährboden, luftdicht verschlossen.
Zeichenerklärung s. Tabelle I.
4. Milchsäure-Ammoniak-
Nährboden
(tuftdicht verschlossen).
ł
Passage
a
9. 10.
12. 10. ++ 12. 10. ++
——
a b
17. 10.
| 21.10. ++ | | 2110. 44 |
13 Milchsäure-Ammoniak-
Nährboden
| (nicht luftdicht verschlossen).
|
j ani
5. Passage
0.
a b b
EN 17. 10.
I] 21.10, +++ 21.10. +++ 21. 10. s + 21. 10. s+
24:10. + 24.10. +
l | 14, 11. ++ 14. 11. ++
t
14. 11. Mikroskopisch u
Braun u. Goldschmidt, Brutschrankluft als Stickstoff- bzw. Kohlenstoffquelle. 289
2. Kohlenstofffreie Nähr-
lösung
(Kölbchen luftdicht verschlossen).
coooco
|
|
|
|
I
|
|
|
I
|
|
l
|
|
|
|
|
|
|
|
i
|
|
|
|
|
` 21. 10. 0
24. 10. 0
14. 11,0
|
|
| a
| 17. 10
I 21. 10. 0
I] 24. 10. 0
IE 14. 11. 0
|
kulturell rein und typisch.
Erste Abt. Orig. Bd. 101.
langsames und geringes. Es blieb aus,
wenn die Brutschrankluft zur Nähr-
flüssigkeit keinen Zutritt hatte. Daß
an dem Ausbleiben der Vermehrung
nicht der Sauerstoffmangel die Schuld
trug, zeigten Kontrollversuche mit
der NH,Cl und kohlenstoffhaltiger
Nährlösung, in welcher auch nach
ParaffinabschluB üppiges Wachstum
eintrat. Näheres ist aus vorstehen-
der Tabelle II, S. 288 und 289 zu
ersehen.
Hier möge ein technischer Be-
helf beim Paraffinabschluß der Kölb-
chen erwähnt werden. Bebrütet man
die luftdicht verschlossenen Kölb-
chen längere Zeit hindurch, wie es
bei diesen Versuchen nötig ist, so
entwickeln sich leicht im Watte-
stopfen Schimmelpilze, deren Sporen
in die Nährflüssigkeit fallen und sie
verunreinigen. Es empfiehlt sich
daher, das Paraffinieren der Watte-
stopfen nicht nur an der Kölbchen-
öffnung, sondern so vorzunehmen,
daß man sie ganz in das verflüssigte
Paraffin (Schmelzpunkt 60 — 70°)
eintaucht, leicht auspreßt und dann
mit ihnen die Kölbchen schließt und
die Kölbchenöffnung mit Paraffin ab-
dichtet.
Es erhebt sich natürlich die
Frage, um was für Stoffe es sich
handelt, die in der Brutschrankluft
vorhanden sind und das Wachstum
der Bakterien ermöglichen. Irgend
etwas Sicheres können wir darüber
nicht aussagen. Entsprechende ein-
gehende Untersuchungen sind nötig.
Die Tatsache, daß ammoniakassimi-
lierende Bakterienarten in stickstoff-
freier Nährlösung bei Brutschrank-
luft wachsen können, nichtammoniak-
assimilierende dagegen nicht dazu
befähigt sind, spricht dafür, daß es
sich vielleicht bei der stickstoff-
haltigen Verunreinigung der Brut-
schrankluft um Amnioniak handeln
könnte.
Ueberblicken wir die Ergeb-
nisse der ausgeführten Versuche, so
zeigt sich, daß auch beiden Bak-
terien der Typhus - Para-
Heft 4/5. 19
290 Centralbl. f. Bakt. ete. 1. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
typhus-Coli-Ruhrgruppe die Brutschrankluft als Stick-
stoff-, bei Coli auch als Kohlenstoffquelle in Betracht
kommen kann. Für exakte Stoffwechseluntersuchungen an diesen
Bakterien muß man deshalb die Brutschrankluft ausschalten. Das ge-
schieht am einfachsten dadurch, daß die beimpften Kélbchen, welche die
Zimmerluft enthalten, bevor sie bebrütet werden, luftdicht verschlossen
werden. Das Wachstum der genannten Mikroorganismen ist, wenn die
Brutschrankluft als Stickstoff- bzw. Kohlenstoffquelle dient, ein lang-
sames und geringes.
Nachdruck verboten.
Ueber ein einfaches Verfahren zur Konservierung lebender
Bakterienkulturen.
[Aus dem Hygienischen Institut und Untersuchungsamt für ansteckende
Krankheiten in Freiburg i. Br.]
Von Bruno Dikomeit,
früherem Medizinalpraktikant am Untersuchungsamt, zurzeit Assistenzarzt
am Städt. Krankenhaus Berlin-Cöpenick.
Der Bakteriologe hat von jeher ein großes Interesse daran gehabt,
Bakterienkulturen längere Zeit in reinem Zustand lebensfähig zu er-
halten und so jeder Zeit zur Verfügung zu haben. Diese Dauerkulturen
sollen in 1. Linie ein stets bereites und geeignetes Demonstrations-
material für Vorlesungen und bakteriologische Kurse bieten und das
zeitraubende und kostspielige Erneuern der Kulturen möglichst ver-
meiden lassen.
In 2. Reihe käme der gleichwertige Vorteil, welchen solche Dauer-
präparate der Forschung gewähren. Bei einigermaßen intensiver Arbeit
ist es ohnehin nur unter Aufwand sehr vieler Mühe und Zeit möglich,
eine sich stetig mehrende Reihe von Reinkulturen der der bakterio-
logischen Untersuchung unterzogenen Fälle eine längere Zeit fortzu-
führen, um Vergleichsmaterial für spätere Befunde zu besitzen. Mittel
und Zeit ziehen hier oft enge Grenzen. Die Dauerkulturen sollen diese
Grenzen möglichst weit hinausrücken und es dem Forscher ermöglichen,
mit geringen Mitteln jede seiner Reinkulturen so zu konservieren, daß
er auch nach längerer Zeit die bakteriologischen Resultate eines gleichen
oder ähnlichen Falles mit den heute erhaltenen zu vergleichen imstande
ist. In gleicher Weise besteht dieses Interesse an Dauerkulturen bei
wissenschaftlichen Arbeiten, die aus irgendwelchen Gründen zeitweise
unterbrochen werden müssen, ferner für die Aufbewahrung besonders
interessanter und seltener Kulturen und das Einrichten bakteriologischer
Museen und Institutssammlungen.
Unter gewöhnlichen Verhältnissen gehen die Reinkulturen durch
Austrocknung, durch Verunreinigung, durch Erschöpfung des Nähr-
bodens und schließlich durch ihre eigenen, in den Nährboden ab-
Dikomeit, Einfaches Verfahren zur Konservierung lebender Bakterienkulturen. 291
gesonderten Stoffwechselprodukte rasch zu Grunde, und, wenn nicht
Hilfskräfte in ausgiebiger Zahl zur Verfügung stehen, wird es nicht
leicht, stets die für den entsprechenden Zweck benötigten Objekte zur
Hand zu haben. Es entwickelte sich deshalb notwendigerweise das Be-
streben, diese rasche Vergänglichkeit der Kulturen zu verhindern. Man
erkannte bald als die wichtigsten der oben angeführten schädigenden
Momente hierbei die Austrocknung und die Verunreinigung der Kul-
turen, und, sobald nach der Einführung der Züchtung von Bakterien
auf festen Nährböden durch Robert Koch das Interesse an längerer
Haltbarkeit der Kulturen, als es auf den gewöhnlichen Nährböden
der Fall war, wach wurde, suchte man diese schädigenden Faktoren
auszuschalten.
Soyka und Kräl haben sich als erste (1887) mit diesem Problem beschäftigt.
Sie stellten Dauerpräparate auf festen undurchsichtigen Nährböden (Kartoffeln, Reis-
brei, Brot) her. Diese Nährböden kamen in zylindrische Glasdosen mit genau auf-
geschliffenem Glasdeckel von gleichem Durchmesser, die zur Erzielung einer ge-
wissen Luftverdünnung auf 150—170° C in der Flamme erhitzt und dann in flüssiges
Paraffin getaucht oder auch mit Kitt verschlossen wurden. Aehnlich gingen sie
später mit Plattenkulturen zu Werke und konnten auf diese Weise Kulturen längere
eit (nähere Angaben sind nicht gemacht) unverändert erhalten. Auch Stichgelatine-
und Agarkulturen konservierten sie durch Zuschmelzen längere Zeit. Ein Teil der
Kartoffel- und Plattenkulturen fiel, zum Teil wegen mangelhaften Verschlusses,
durch Verschimmeln oder Austrocknen dem Verderben anheim.
Von anderen Autoren wurden mit diesem Verfahren sehr wenig günstige Re-
sultate erzielt. Im allgemeinen war, wie besonders Czaplewski betonte, eine be-
sondere Ausrüstung und eine nicht geringe Kunstfertigkeit zur Ausführung der
Methode erforderlich, so daß Te io den Bedürfnissen der Praxis nicht sehr
damit gedient war. Gleichwohl empfiehlt einige Jahre später das Soykasche Ver-
fahren Eisenberg, der anstatt der von Soyka angewandten Kartoffelscheiben
Kartoffelbrei als Nährboden benutzte, in dieser Modifikation wieder sehr warm und
bezeichnet es in bezug auf den Erfolg als vortrefflich und sehr leicht auszuführen.
Das Verdienst Soykas ist es, der als erster die Schädigung der Lebensfähigkeit
einer Bakterienkultur in der Austrocknung erkannte, als wichtigstes Prinzip der
Konservierung den sicheren Luftabschluß Nes Kulturen eingefiihrt zu haben. Die
in der Folgezeit bis auf den heutigen Tag angewandten Konsertierungsmethoden
gingen immer wieder von diesem Prinzip aus. Die Erzielung eines möglichst sicheren
Luftabschlusses ist der grundlegende Gedanke all dieser Methoden.
Dieser Luftabschluß wurde am sichersten erzielt durch einfaches Abschmelzen
der die Kulturen enthaltenden Röhrchen, wie es auch Soyka machte, nur daß
später statt der eigens hergestellten Kartoffelnährböden die Kulturen auf dem für
sie in jedem Falle geeignetsten Nährboden auf erwähnte Art konserviert wurden.
Martini konnte so in abgeschmolzenen Röhrchen Schrägagarkulturen von
Typhus-, Paratyphus-, Enteritidis-, und der sonst gegen das Altern empfind-
licheren Ruhr- und Pseudoruhrbazillen nach 2 Jahren 8'/, Monaten weiterzüchten
und dabei waren sie aus der Heimat über Suez nach Tsingtau gesandt worden und
hatten dort gelagert, waren also den verschiedensten Klimaten ausgesetzt gewesen und
hatten durch die wiederholten, immerhin erheblichen, Temperaturschwankungen nicht
gelitten.
Kiefer fand auf gleiche Art aufbewahrte Kulturen (Schrägagar) nach
15 Jahren lebend, und zwar handelte es sich um: Typhus-, Enteritidis-, Para-
typhus B- und Bacterium coli- Kulturen. Streptokokken jedoch gingen so auf-
bewahrt nach kurzer Zeit ein.
Mehr zur Beobachtung der Lebensfähigkeit gewisser Bakterienarten außerhalb
der gewöhnlichen Nährböden als zu Konservierungszwecken brachte Br. Busson
Colı-Bakterien in steriles destilliertes Wasser, verschloß die Röhrchen luftdicht
durch Abschmelzen und fand diese Keime noch nach 6 Jahren lebend. Das gleiche
Verfahren bei Typhus- und Shiga-Kruse-Bazillen konnte dagegen niemals eine
längere Lebensdauer erzielen. Von anderen Autoren gemachte Beobachtungen dieser
Art sind in bezug auf die Zeiträume sehr schwankend. Im Mittel lebten Typhus-
bazillen in sterilem destill. Wasser 30—60 Tage.
Zahlreich sind dann die weiteren Verfahren, die angegeben wurden, um den für
die Konservierung nötigen Luftabschluß auf andere Weise zu erreichen.
19*
292 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
G. Hauser dichtete Schalenkulturen mit Plastilin, G. Löwi Reagenzröhrchen
mit gut passenden Glaskappen, die noch besonders mit Guttaperchapapier unter Er-
wärmen oder auch mit Plastilin verschlossen wurden. Ferner wurden paraffinierte
Wattestopfen zu diesem Zwecke herangezogen. An sich halten letztere die Luft nicht
vollkommen ab, deshalb soll Besseres erzielt werden nach Rr. Müller, indem das
untere Ende des Stopfens in flüssiges Paraffin getaucht und dann schnell aufgesetzt
wird. Zur Wiedereröffnung braucht dann nur kurz erwärmt zu werden. Cza-
plawskı gießt geschmolzenes Paraffin auf den abgesengten Stopfen der zu kon-
servierenden Reagenzglaskultur, und nachdem durch das Entweichen reichlicher Luft-
blasen die erste aufgegossene Portion des Paraffins aufgesaugt ist, wird nachgegossen
und der beim Erkalten entstehende Trichter mit Paraffin wieder ausgefüllt. sind
sogar „Paraffindauerpfröpfe‘ (von Seitz eingeführt) im Handel erhältlich mit
biegsamer Handhabe zum Herausziehen. Sie werden durch die Flamme gezogen und
in die kurz erwärmte Mündung des Kulturröhrchens eingeführt.
Ueber außerordentlich günstige Erfolge berichtete im Jahre 1919 Ungermann
mit einem sorgfältig ausgearbeiteten Konservierungsverfahren, mit dem er, was mit
den bisherigen Methoden nicht gelungen war, auch sehr empfindliche Keime, wie
Meningo- und Gonokokken, auf längere Zeit lebensfähig und ohne Veränderungen
ihrer kulturellen und sonstigen Eigenschaften erhalten konnte. Ungermann ver-
wendete steril entnommenes mit 25- oder 50proz. sterilem Wasser verdünntes Blut-
serum vom Menschen oder Kaninchen, erhitzte es in kleinen Röhrchen auf 60 C,
überschichtete es mit etwa gleichen Teilen sterilem flüssigem Paraffinöl und impfte
nach dem Erkalten mittels sterilen Glaskapillaren. Diese Kulturen wurden bei
37° © angebrütet und bei 30° weiterhin aufbewahrt. Meningokokken haben sich auf
diese Weise bis zu 16 Monaten entwicklungsfähig gehalten. Auch frisch aus dem
Menschen gezüchtete Stämme waren dem beschriebenen Verfahren zugänglich und
erwiesen sich dabei als ebenso dauerhaft. Gonokokken hielten sich in den ersten
Serumkulturen bis zu 42 Tagen, in der zweiten länger als 8 Wochen überimpfbar
und waren dabei gegen niedere Temperaturgrade wenig empfindlich. Ebenso lieferte
das Züchtungsverfahren in luftabgeschlossenem Serum bei anderen empfindlichen
Kokkenarten gute Resultate. Pneumokokken und Streptokokken blieben ebenfalls
lange lebensfähig und behielten die ursprüngliche Virulenz. Nicht nur frühe Ab-
impfungen der Serumkulturen waren pathogen, sondern auch diese selbst noch im
Alter von mehreren Wochen. Auch bei hochpathogenen Typhus- und Cholerastämmen
blieb die Virulenz im anaérob gehaltenen Serum wesentlich länger und besser er-
haltenen als bei der sonst üblichen kulturellen Fortpflanzung. Dabei zeigte sich
aber ein deutlicher Einfluß der Temperatur, bei der die Serumkulturen gehalten
wurden und der Generationsfolgen derart, daß niedere Grade und seltene Ueber-
impfungen die Erhaltung der Virulenz begünstigten, hohe Temperaturen und häufige
Kulturpassagen sie herabsetzten.
Die Ursache des günstigen Einflusses der hier gegebenen Kulturbedingungen auf
Lebensdauer und Virulenz der Bakterien wird von Ün germann im allgemeinen
auf die Analogie der Kulturverhältnisse mit den Bedingungen zurückgeführt, die der
tierische Organismus den Keimen bietet. Im besonderen dürfte nach Ungermann
dabei der quantitative und qualitative Reichtum des tierischen Serums an Nähr-
stoffen einerseits und der Sauerstoffmangel, in dessen Folge es nur zu ciner spar-
samen Vermehrung der Keime kommt, andererseits in Betracht kommen.
Michael kam bei Nachprüfung dieser letzteren Ueberlegung Ungermanns
aut den Gedanken, statt der von Ungermann angegebenen Verwendung von
Kaninchenserum die gewöhnlichen Nährböden einer Paraffinüberschichtun zu unter-
ziehen und zu prüfen, inwieweit damit eine Konservierung der besonders schwer
züchtbaren Erreger zu erzielen sei. :
Gonokokkenkulturen konnten so fast 5 Monate ohne Veränderung des mikro-
skopischen und kulturellen Verhaltens bei Aufbewahrung im Brutschrank lebensfähig
erhalten werden. Degenerationserscheinungen irgendwelcher Art wurden nicht fest-
gestellt. Beı Zimmertemperatur starb eine mit Paraffin überschichtete Ascitesagar-
kultur in gleicher Weise ab wie ein Kontrollröhrchen. Meningokokken konnten unge-
fiihr 1 Monat bei Brutschrankaufenthalt gehalten werden, starben bei Zimmer-
temperatur ab. Wiederholte Versuche mit Pneumokokken ergaben keine längere Halt-
barkeit als einmal bis zu 21 Tagen. Der Kulturrasen blieb in diesem Falle nicht am
Loeffler-Substrat haften, sondern löste sich in kleinen Partikelchen ab, die das
Paraffin trübten und darin herumschwammen, auch eine Weiterübertragung auf
andere Röhrchen erschwerten. Michael glaubt, als Erklärung der Versuchsergeb-
nisse in 1. Linie die Sauerstoffarmut der Kulturen ansehen zu müssen. Da durch
das Paraffin hindurch eine beschränkte Diffusion von Luft stattfindet, die genügt, um
Dikomeit, Einfaches Verfahren zur Konservierung lebender Bakterienkulturen. 293
auch obligate Aérobier am Leben zu erhalten, meint Michael, daß nicht nur nach
der Annahme Ungermanns die günstigen natürlichen Nährstoffzusammensetzungen,
durch die das Serum den künstlichen Nährsubstraten überlegen ist, die Dauerzüchtung
beispielsweise des Gono- und Meningokokkus ermöglicht, sondern daß auf jedem der
ebräuchlichen Nährböden eine solche Fortzüchtung möglich ist, sofern nur durch
ntziehung des Sauerstoffs eine zu rasche Vermehrung und dadurch eine zu rasche
Konsumption der im Kultursubstrat vorhandenen Nährstoffe vermieden wird. Für
diese Auffassung sprechen auch die Versuche von Lorenz, dem es gelang, auf
Kulturen, die in Petri-Schälchen im luftverdünnten Raum gezüchtet wurden,
ein erheblich besseres Wachstum zu erzielen als unter gewöhnlichen Verhältnissen.
Allerdings konnte Michael nicht alle Keime in gleicher Weise fortzüchten,
insbesondere ergaben, wie erwähnt, die Versuche für den Pneumokokkus und In-
fluenzabazillus für die Praxis unsichere Resultate. Auch die Herabsetzung der
Temnperaturemptindliehkeit, die Ungermann angab, konnte Michael in seinen
Versuchen nicht bestätigen, was die Verwendbarkeit dieser Fortzüchtungsmethode auf
das Laboratorium beschränkt. Immerhin bedeutet die Methode eine erhebliche Er-
sparnis an Zeit und Kosten, ebenso wie sie die Gefahr der Unterbrechung begonnener
Arbeiten durch Absterben eines seltenen Stammes herabmindert. Technisch wird die
Uebertragung und Entnahme des Kulturmaterials mit einer an langem Draht
armierten Oese ausgeführt, um eine Verunreinigung des Paraffins zu vermeiden.
Mit dieser Oese wird durch die Paraffinschicht hindurchgegangen und beim Prä-
paratañisatrichi unterlaufende Paraffintröpfchen durch Erhitzen des Objektträgers leicht
entfernt.
Während die bisher erwähnten Methoden das Prinzip vertraten, die Austrocknung
als hauptsächlichste Gefahr für die Lebensfähigkeit der Kulturen zu verhindern,
indem auf die verschiedenste Art die Behältnisse der betreffenden Kulturen luftdicht
aufbewahrt wurden, hat Heim zuerst gerade die Eintrocknung als Methode zur
Konservierung angegeben und empfohlen. Er trocknete kokkenhaltiges Blut oder
Eiter an Seidenfäden im Exsikkator und bewahrte sie darin auf. Es zeigte sich,
daß die sonst so empfindlichen Pneumokokken eine Austrocknung etwa bis zu 1 Jahr
aushielten, lebensfähig und virulent blieben. Dagegen vertrugen Gono- und Meningo-
kokken das Austrocknen gar nicht. Cholera war in der ersten Woche tot, Strepto-
*kokken nach etwa 3—4 Monaten. Ein Diphtheriestamm hielt sich 1 Jahr, ein anderer
fast 4 Jahre. Streptococcus longus dagegen war in Uebereinstimmung mit
dem eben angeführten Resultat nach 4 Tabea nicht mehr lebensfähig.
Auch Neufeld wandte unabhängig von Heim die Exsikkatortrocknung zur
Virulenterhaltung von Pneumo- und Streptokokken an, in der Weise, daß Blut in
dicker Schicht mit Organstiickchen von Mäusen, die einer Pneumokokkeninfektion
erlagen, in offene Petri-Schalen bei Zimmertemperatur in den Exsikkator pelest
wurden. Es erwies sich als absolut notwendig, daß das Material recht reichlich In-
fektionserreger enthielt. Pneumokokken erhielten sich hierbei !/,—1 Jahr lebensfähi
und virulent. Da diese Bakterien, in nacktem Zustand getrocknet, schon sehr bal
absterben, so handelt es sich bei den eben erwähnten Methoden wohl nicht im
strengeren Sinne um eine Lebendkonservierung durch Trocknen; die Oberfläche der
eintrocknenden Blutschicht bildet vielmehr eine luftdichte Hülle über den darunter
gel enen Bakterien und schützt sie vor wirklichem Austrocknen. Nach dieser
rklärun würde gerade die von Heim angewandte Behandlungsart der zu kon-
servierenden Bakterien die Austrocknung verhindern, und es erscheint deshalb die in
der entsprechenden Literatur für das Verfahren zur Anwendung kommende Be-
zeichnung als Eintrocknungsmethode als.nicht ganz geeignet.
Zu erwähnen wäre hier noch eine von Swift angegebene Methode, durch Ein-
trocknen in gefrorenem Zustand Bakterien längere Zeit am Leben zu erhalten. Sie
müssen gefroren bleiben, bis der letzte Flüssigkeitstropfen verschwunden ist. Tech-
nisch gestaltet sich das Verfahren so, daß die Bakterien in möglichst geringer
Filisigkeilmense in sterile, mit Watte verschlossene Röhrchen eingefüllt werden.
Die Röhrchen kommen in den unteren Teil eines Exsikkators, der mit Glyzerin ge-
füllt ist, während der obere Phosphorpentaoxyd enthält. Der Exsikkator wird in
eine Kältemischung gestellt, und nun zuerst mit der Wasserluftpumpe, dann mit
einer mechanischen Luftpumpe bis auf ein Vakuum von 2—3 mm Hg evakuiert.
Nach etwa 12 Std. ist die Austrocknung beendet. Die Röhrchen werden aus dem
Exsikkator entfernt, mit Paraffin verschlossen oder zugeschmolzen und bei Zimmer-
temperatur im Dunkeln aufbewahrt. Auf diese Weise konnten Streptokokken mehrere
Jahre, Pneumokokken bei unveränderter Virulenz mehrere Monate, Meningokokken
ebenfalls mehrere Monate lebend erhalten werden. Swift kombinierte also die
Eintrocknung, das Gefrieren und den Sauerstoffabschluß in geschickter Weise zur
294 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
Konservierung und kam zu außerordentlich guten Resultaten. Nach den Angaben
des Autors scheint die Methode den vorher angeführten einfachen sogenannten Aus-
trocknungsmethoden überlegen zu sein, da auch Meningokokken konserviert werden
konnten; sie kann jedenfalls wegen ihrer Wesensverwandtschaft mit ihnen in
erweitertem Sinne in diese eingereiht werden.
Ein völlig neuer Weg in der Konservierungstechnik wurde be-
schritten mit Versuchen, die sich auf eine Beobachtung Nißles
stützten, der im Jahre 1924 einen in einer Mutaflorgelatinekapsel ein-
geschlossenen Coli-Stamm—Mutaflor ist eine Bakterienemulsion, die zu
therapeutischen Zwecken, insbesondere bei Darmerkrankungen verwendet
wird — bei gelegentlicher Nachprüfung seit 1917 vollständig lebensfähig
und im vollen Besitz seiner kulturellen und sonstigen typischen Eigen-
schaften fand: insbesondere hatte sich der antagonistische Index unver-
ändert erhalten. Dieser also volle 7 Jahre lebensfähig gebliebene Coli-
Stamm befand sich ohne jeden Nährboden oder nährbodenähnliches Sub-
strat lediglich in einer Mischung von Lanolin. anhydr. und Paraffin.
liquid. Auf Anregung Nißles wurden von mir Versuche angestellt,
zur Feststellung, ob und wie lange sich andere Bakterien in dieser Fett-
mischung lebensfähig halten konnten, ob sie dabei ihre Eigenschaften
in irgendeiner Hinsicht einbüßten, und ob schließlich dies Verfahren
als brauchbare Konservierungsmethode für lebende Bakterienkulturen
in Betracht kommen könnte.
Ueber die Resultate der von mir angestellten Versuche werde ich
am Schluß dieser Arbeit berichten. Zunächst folge die Beschreibung
des Verfahrens:
Als Material für die Aufbewahrung der Kulturen diente die oben
erwähnte Mischung von Lanol. anhydr. und Paraff. liquid. zu gleichen
Teilen. Es kann dazu das Lanolin verwendet werden, wie es in den
Apotheken zu haben ist, jedoch darf keinerlei Wasser- und Oelzusatz
dabei sein. Die Ausführung des Verfahrens ist technisch denkbar ein-
fach und kann ohne weiteres Instrumentarium und ohne Hilfskräfte
überall erfolgen.
Man stellt sich zunächst die Mischung her, indem man am besten
in einem Porzellanschälchen das Lanolin über der Flamme zum Ver-
flüssigen bringt, dazu die gleiche Menge flüssigen Paraffins gibt und
und unter Umrühren mit einem Glasstabe gründlich vermischt. Diese
Masse gießt man noch flüssig in ein zur späteren Verwendung am
besten geeignetes Erlenmeyer-Kölbchen, verschließt dieses mit einem
Wattestopfen und sterilisiert im Dampftopf 45 Min. lang. Der Schmelz-
punkt der Fettmasse liegt bei 40°C, jedoch ist die Mischung, be-
sonders wenn sie vorher auf 40° erwärmt war, bei 37—38° noch so
weit flüssig, daß sie verwendet werden kann, da der Schmelz- und der
Erstarrungspunkt um einige Grade auseinanderliegen.
Das Vorgehen bei der eigentlichen Konservierung der betreffenden
Kulturen gestaltet sich nun folgendermaßen: Notwendig ist, daß die zu
konservierenden Stämme sich auf festen (nicht in flüssigen) Nährböden
befinden. Man nimmt am besten Reagenzgläschen von ca. 1 cm Durch-
messer und ca. 8 cm Höhe, wie sie zur Ausführung der WaR. benutzt
werden. Diese Röhrchen werden mit Wattestopfen verschlossen, wie
üblich sterilisiert und sind dann so gebrauchsfertig. Es wird nun von
der mit dem Bakterienstamm bewachsenen Platte mit einer an langem
Draht armierten Oese, die zweckmäßig etwas größer und von stärkerem
Dikomeit, Einfaches Verfahren zur Konservierung lebender Bakterienkulturen. 295
Drahte wie üblich gewählt wird, der Kulturrasen vom Nährboden ab-
geschabt und an den Boden oder unten an die Seitenwand des Röhr-
chens getan, wo er ohne Schwierigkeiten haften bleibt. Dabei ist darauf
zu achten, daß vom Nährboden möglichst nichts oder nur soviel, wie sich
nicht vermeiden läßt, mitgenommen wird. Am zweckmäßigsten wird der
Kulturrasen einer ganzen Platte in ein Röhrchen gebracht, und damit
erhält man eine größere Menge des am Boden oder der Seitenwand
des Röhrchens haftenden Materials, das allerdings quantitativ bei den
verschiedenen Kulturen verschieden ist. Aus dem indessen in ein
Wasserbad von 370 C gebrachten Erlenmeyer-Kölbchen mit der
Fettmischung wird diese mittels einer sterilen Pipette, die nicht zu
dünn ausgezogen ist — am geeignetsten sind 5 oder 10 ccm Pipetten —
entnommen und einfach auf das im Röhrchen befindliche Kulturmaterial
gebracht, bis letzteres vollständig von der Fettmasse bedeckt ist. In der
gelblichen durchscheinenden Fettmischung ist meistens von außen her
das sich gegen die Mischung deutlich abhebende Kulturmaterial sehr gut
zu erkennen. Die Masse erstarrt in kurzer Zeit in den Röhrchen, die,
mit Wattestopfen verschlossen, in den Kühlraum gestellt werden.
Die Entnahme gestaltet sich so, daß das betreffende Röhrchen, aus
dem Material entnommen werden soll, in ein Wasserbad von 370 C ge-
bracht wird, um die Fettmischung flüssig zu machen und dadurch die
Entnahme der Kultur zu erleichtern. Gleichzeitig werden die zur Be-
impfung bestimmten, mit Bouillon oder anderen Nährflüssigkeiten ge-
füllten Röhrchen zur Anwärmung in ein Wasserbad gebracht, Platten
mit festen Nährböden im Brutschrank erwärmt. Durch diese Maßnahme
erhalten die zu beimpfenden Nährböden die gleiche Temperatur wie die
Fettmischung in den Konservierungsröhrchen; andernfalls erstarrten die
bei der Ueberimpfung in die kälteren Nährsubstrate unvermeidlich mit-
übertragenen Fetttropfen und würden in ihnen etwa eingeschlossenes
Kulturmaterial nicht zur Entwicklung gelangen lassen. An der Stelle,
wo von außen her das Kulturmaterial sichtbar ist, wird mit der Oese in
die bedeckende Schicht eingegangen und 1 oder mehrere Oesen auf die
zur Beimpfung bestimmten Röhrchen oder Platten übertragen. Es ist
darauf zu achten, daß die einzelnen Partikel der Mischung gut auf
den Platten verstrichen werden. Die Röhrchen, aus denen entnommen
wurde, werden neu mit der Fettmischung überschichtet und können
dann später zu wiederholten Entnahmen dienen. Bei meinen Versuchen
zeigte es sich, daß die neu überschichteten Röhrchen in jedem Falle
bedeutend bessere Resultate ergaben als solche, bei denen die Nachüber-
schichtung unterlassen wurde.
Ich möchte hier noch auf einige zu beachtende Momente hinweisen,
deren Uebersehen leicht zu ungünstigen Resultaten führen kann, jeden-
falls sehr leicht eine Abtötung der Keime oder eine Schädigung her-
vorruft, die ihre Haltbarkeit in der Mischung stark beeinträchtigt:
die zum Abschaben des Kulturrasens verwendete Oese muß nach dem
Ausglühen genügend erkaltet sein, ferner darf die auf das Kultur-
material gebrachte Fettmischung nicht über 38° temperiert sein.
Unvermeidlich ist in den meisten Fällen das Hineingelangen von
mehr weniger reichlichen Partikeln der Fettmischung mit dem aus dem
Konservierungsröhrchen entnommenen Kulturmaterial in die beimpften
Nährböden. Es entstehen dann bei der Färbung der Präparate zum
mikroskopischen Nachweis der gewachsenen Keime oft insofern
296 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
Schwierigkeiten, als das Fett die Färbung nicht annimmt. Man
hilft sich leicht durch Begießen der Präparate mit Aether nach dem
Fixieren. Nach Verdunsten des Aethers wird dann wie üblich gefärbt,
oder das entnommene Material kann auch mit Aether zentrifugiert und
das Sediment gefärbt werden.
Im folgenden berichte ich nun über die angestellten Versuche und
deren Ergebnisse:
Es wurden Untersuchungen angestellt mit Streptokokken, Di-
phtheriebazillen, Typhus- und Shiga-Kruse-Bazillen, Pneumokokken
und Meningokokken. Die Versuche erstrecken sich einschließlich der
Vorbereitungen zum Herausfinden der geeignetsten Technik über eine
Zeit von 9 Monaten.
Streptokokken.
Ein auf Loeffler-Serumnihrboden reingezüchteter Streptokokkenstamm, der
im mikroskopischen Bilde Ketten von 15—20 Gliedern aufwies, wurde am 22. 1.
1925 in oben geschilderter Weise konserviert, und zwar wurde von je 1 Loeffler-
Platte (6—8 em Durchmesser) ein Röhrchen angelegt, im ganzen 6 Röhrchen. Auf-
bewahrung im Eisraum.
1. Kontrolle am 4. 2. 1925.
1. Entnahme aus Röhrchen 1.
Es wurden einige Oesen des konservierten Kulturmaterials entnommen und auf
Bouillon und Loeffler-‘Serum übertragen. Das Röhrchen wurde mit der Fett-
mischung nachüberschichtet und weiter im Eisraum aufbewahrt. Nach 24 Std. Brut-
schrankaufenthalt sind alle 3 beimpften Bouillonröhrchen stark getrübt. Die be-
impften Loeffler-Platten zeigen bis dahin kein Wachstum. Mikroskopisch sind
in den Bouillonkulturen Streptokokken in picker Lagerung ohne Veränderung der
Formen, doch in kürzeren Ketten als vor der Konservierung nachweisbar. Weitere
Uebertragung auf Traubenzuckerbouillon. In dieser intensives Wachstum. Mikro-
skopisch zeigen sich nach einigen Tagen anhaltender Traubenzuckerbouillon
wieder langkettige Streptokokken von 20 und mehr Gliedern. Die beimpften
Loeffler-Platten zeigen erst nach 2tigigem Brutschrankaufenthalt üppiges Wachs-
tum. Mikroskopisches Verhalten der Streptokokken wie in der Traubenzuckerbouillon.
Ergebnis:
1. Kontrolle nach 13 Tagen ergibt einwandfrei lebensfähige, weiter übertragbare
Streptokokken ohne Veränderung der typischen Eigenschaften.
2. Kontrolle am 11. 2. 1925.
2. Entnahme aus Röhrchen 1.
Uebertragung auf Bouillon und Loeffler-Platten. Reichliches Wachstum
in der Bouillon. Loeffler-Platten sind, wie bei Kontrolle 1, erst nach 2 Tagen
bewachsen. Mikroskopisch: typische Streptokokken, zunächst kurzgliedrig, nach
Traubenzuckerpassage zu langen Ketten auswachsend.
Ergebnis:
2. Kontrolle nach 21 Tagen ergibt lebensfähige Streptokokken.
3. Kontrollle am 21. 4.
3. Entnahme aus Röhrchen 1.
1. Entnahme aus Röhrchen 2.
Beimpfen von Traubenzuckerbouillon und Loeffler-Platten. Ueppiges Wachs-
tum des Materials aus Röhrchen 1 und 2. Weiterübertragung mit sehr gutem Erfolg
möglich. Mikroskopisch langgliedrige Streptokokken.
Ergebnis:
3. Kontrolle nach 88 Tagen ergibt lebensfähige Streptokokken.
4. Kontrolle am 22. 5.
4. Entnahme aus Röhrchen 1.
2. Entnahme aus Röhrchen 2.
1. Entnahme aus Röhrchen 3.
Beimpfen von Traubenzuckerbouillon und Loeffler-Platten. Ueppiges Wachs-
tum der Kulturen von Röhrchen 1 und 2. Röhrchen 3 zeigt kein Wachstum.
Dikomeit, Einfaches Verfahren zur Konservierung lebender Bakterienkulturen. 297
Ergebnis:
Abgesehen von Röhrchen 3 finden sich bei der 4. Kontrolle nach 120 Tagen
die Streptokokken in Röhrchen 1 und 2 unverändert lebensfiihig. Zu bemerken ist,
daß das Wachstum des Materials aus Röhrchen 1 hinter dem aus Röhrchen 2 zurück-
bleibt. Eine Erklärung für das Nichtangehen des Kulturmaterials aus Röhrchen 3
kann nicht gefunden werden.
5. Kontrolle am 1. 7. 1925.
5. Entnahme aus Röhrchen 1.
3. Entnahme aus Röhrchen 2.
In den von Röhrchen 1 beimpften Bouillonröhrchen kein Wachstum, ebenso
wenig auf Loeffler-Serum. Dieses Resultat ist wohl allein schon aus der häufigen
Entnahme von Material aus dem Röhrchen herzuleiten. Das vorhandene Material
dürfte dadurch bereits aufgebraucht sein. Schon bei der vorangegangenen Kontrolle
wurde bedeutend geringeres Wachstum festgestellt als bei Röhrchen 2. Röhrchen 2
ergibt genügendes Wachstum und mikroskopisch typische Streptokokken. Zurück-
bleiben im Wachstum gegen die frühere Entnahme ist deutlich festzustellen.
Ergebnis:
5. Kontrolle nach 5 Monaten: Röhrchen 1 kein Wachstum. Röhrchen 2 gutes
Wachstum typischer Streptokokken.
6. Kontrolle am 6. 7.
2. Entnahme aus Röhrchen 3.
1. Entnahme aus Röhrchen 4.
Ergebnis :
Röhrchen 3 zeigt kein Wachstum wie auch am 22. 5.
Röhrchen 4 zeigt zunächst spärliches Wachstum. Nach weiterer Uebertragung
auf Loeffler-Platten nimmt es jedoch deutlich zu. Mikroskopischer Befund:
Streptokokken in langen Ketten.
7. Kontrolle am 16. 7.
1. Entnahme aus Röhrchen 5.
Beimpfte Traubenzuckerbouillon erweist sich stark bewachsen. Die beimpften
Loeffler-Platten zeigen erst nach 36stünd. Brutschrankaufenthalt deutliches
Wachstum. Mikroskopisch : langgliedrige Streptokokken.
Ergebnis :
6. und 7. Kontrolle nach nahezu 6 Mon. ergibt einwandfrei entwicklungsfähige
Streptokokken.
8. Kontrolle am 12. 9.
Bei der letzten Kontrolle liefen Röhrchen 3 und 5 durch Umfallen im Wasser-
bad voll Wasser und wurden als unbrauchbar fortgetan.
6. Entnahme aus Röhrchen 1.
4. Entnahme aus Röhrchen 2.
2. Entnahme aus Röhrchen 4.
1. Entnahme aus Röhrchen 6.
Röhrchen 1 und 2 enthalten keine lebensfähigen Streptokokken. Röhrchen 4
zeigt mäßiges, und Röhrchen 6 sehr starkes Wachstum auf Traubenzuckerbouillon
und Loeffler-Platten.
Ergebnis der 8. Kontrolle:
Nach 71/, Mon. sind in Röhrchen 4 und 6 noch reichlich lebensfähige Strepto-
kokken nachzuweisen.
Zusammenfassend wäre also festzustellen, daß Streptokokken sich in unserer
Fettmischung 7!/, Monate lebensfähig und ohne Veränderung ihrer typischen Form
hielten. Einschränkend ist zu bemerken, daß die häufigen Entnahmen aus einem
Röhrchen schädigend wirkten, da nach den ersten Entnahmen das üppige Wachstum
allmählich abnahm, daß aber neu angenommene ARR A ri Sn üppiges
Wachstum aufwiesen. Gleich an dieser Stelle möchte ich erwähnen, daß diese Fest-
stellung auch für alle Untersuchungen an den anderen Bakterien, mit denen ich
298 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
gearbeitet habe, gilt. Offenbar bleibt, wie bei anderen Konservierungsverfahren, nur
ein kleiner Teil der ursprünglich benutzten Bakterienmenge am Leben‘).
Diphtherie.
Die Versuche mit Diphtheriebazillen führten erst nach einigen anfänglichen
Mißertolgen zu guten Resultaten.
Zunächst wurde am 20. 1. 1925 ein aus einem Rachenabstrich gezüchteter
Stamm, der längere Loeffler-Serumpassagen bis zur völligen Reinzüchtung durch-
machte, in der Fettmischung konserviert. Es wurden 6 Röhrchen angelegt. Nach
14 Tagen wurde die 1. Kontrolle ausgeführt. Lebende Diphtheriebazillen fanden sich
in dem aus Röhrchen 1 entnommenen Material nicht. Das gleiche negative Resultat
erzielten Entnahmen aus Röhrchen 2 und 3 und eine 2. Entnahme aus Röhr-
chen 1. Als Grund für diese Mißerfolge mußte irgendein technisches Versehen in
Frage kommen, zumal die Diphtheriebazillen als erste mit dem Konservierungs-
verfahren behandelt wurden. Es war daran zu denken, daß die zur Reinzüchtun
über längere Zeit notwendig gewesenen Uebertragungen irgendwie beeinträchtigen
aut die Pebenfähigkeit gewirkt hatten. Diese Annahme hat sich durch spätere Kon-
trollen als nicht zutreffend erwiesen.
Es wurde nun am 20. 4. 1925 ein aus einem Rachenabstrich frisch gezüchteter
Diphtheriestamm, der mit Staphylokokken etwas verunreinigt war, konserviert.
Die am 22. 5. von Röhrchen 1 dieses 2. Diphtheriestammes gemachten Kon-
trollen ergaben, daß nur Staphylokokken gewachsen waren. Von Diphtheriebazillen
war nichts nachzuweisen. Eine am 1. 7. erfolgte Kontrolle aus dem gleichen Röhr-
chen ergab das gleiche Resultat. Es mußte daraufhin angenommen werden, daß die
Diphtheriebazillen zugrunde gegangen und nur die lebensfähigeren Staphylokokken
lebensfähig geblieben waren. Spätere Kontrollen jedoch ergaben sehr günstige Resul-
tate, über die nachfolgend berichtet sei.
Es wurde außer den beiden erwähnten Stämmen am 14. 7. noch ein dritter,
völlig rein gezüchteter Stamm konserviert. Von diesem Stamm 3 wurde am 6. 8.
(nach 21 Tagen) eine Kontrolle gemacht. Ergebnis: die beimpften Loeffler-
Platten und Glyzerinbouillonréhrchen waren üppig bewachsen. kroskopisch waren
massenhaft Diphtheriebazillen in typischer Lagerung und Form zu sehen, bei
Neißer-Färbung die charakteristischen Polkörperchen vorhanden. Diese erste
Kortrolle aus Röhrchen 1 des Diphtheriestammes 3 ergab also nach 21 Tagen
üppig wachsende, weiter übertragbare Diphtheriebazillen. Weitere Kontrollen am 26. 8.
1. Entnahme aus Röhrchen 4 Stamm 1.
2. Entnahme aus Röhrchen 2 Stamm 2.
2. Entnahme aus Röhrchen 1 Stamm 3.
1. Entnahme aus Röhrchen 2 Stamm 3.
Ergebnis :
Stamm 1 Röhrchen 4 weist auf den beimpften Nährböden kein Wachstum auf.
Damit zeigt sich Uebereinstimmung mit den früheren Kontrollen aus Stamm 1.
Stamm 2 Röhrchen 2: Reichliches Wachstum auf Glyzerinbouillon und
Loettler- Platten. Mikroskopisches Bild: Nester von Diphtheriebazillen in cha-
rakteristischer Lagerung, dazwischen Staphylokokken. Es gelingt leicht, die ge-
wachsenen Diphtheriebazillen völlig rein zu züchten, so daß nach einigen Ueber-
tragungen keine Beimengungen von anderen Keimen vorhanden sind. Das mikro-
skopische Bild und auch das Aussehen der Kolonien ist ähnlich dem vor der Kon-
servierung. (Die früheren Präparate zum Vergleich waren aufbewahrt worden.)
Stamm 3 Röhrchen 1 und 2: Ueppiges Wachstum auf den beimpften Nähr-
böden. Mikroskopisch : typisch gelagerte schlanke Stäbchen mit Polkörnchen bei
Neißer-Färbung. Die gewachsenen Kulturen lassen sich bei gleich üppigem
Wachstum beliebig lange weiterzüchten.
1) Bei einer am 8. 1. 1926 (also nach fast 1 Jahre) angestellten Nachkontrolle
(3. Entnahme aus Röhrchen 4) zeigte sich deutliches Wachstum der entnommenen
Streptokokkenkulturen in Bonillon und auf Loeffler- Platten, Weiterziichtung
gut möglich. Mikroskopisch zunächst 5-8 Glieder, bei mehrmaligem Umzüchten
10 12gliedrige Ketten in Bouillonkulturen.
Dikomeit, Einfaches Verfahren zur Konservierung lebender Bakterienkulturen. 299
Röhrchen 1 und 2 des Stammes 3 enthalten nach 42 Tagen lebensfähige Di-
phtkeriebazillen, Röhrchen 2 Stamm 2 solche nach 4 Monaten Aufbewahrung in der
Konservierungsmischung.
Kontrollen am 12. 9. 1925.
Stamm 1.
Entnahme aus Röhrchen
. Entnahme aus Röhrchen
Entnahme aus Röhrchen
Entnahme aus Röhrchen
Entnahme aus Röhrchen
. Entnahme aus Röhrchen
j bet BO DO DO DO
PETER NE
Stamm 2.
3. Entnahme aus Röhrchen
3. Entnahme aus Röhrchen
1. Entnahme aus Röhrchen
err
Stamm 3.
3. Entnahme aus Röhrchen
2. Entnahme aus Röhrchen
1. Entnahme aus Röhrchen
1. Entnahme aus Röhrchen
BPODM
Ergebnisse :
Stamm 1 Röhrchen 1—4 zeigen wie bei den früheren Kontrollen kein Wachs-
tum der beimpften Nährböden. Aus Röhrchen 5 und 6 entnommenes Material da-
gegen weist deutliches Wachstum und weitere Uebertragungsmöglichkeit der ge-
wachsenen Keime auf. Mikroskopisch ist die typische rung der Diphtherie-
bazillen in Häufchen und Streichholzformen zu sehen. Neben schlanken Stäbchen
finden sich kürzere dickere mit dicken Polkörnchen, die anscheinend Involutions-
formen entsprechen.
Stamm 2 Röhrchen 1: nur Staphylokokken.
Röhrchen 2 neben Staphylokokken spärliche Diphtheriebazillen.
Röhrchen 3 sehr reichliches Wachstum. Mikroskopisch einwandfreie Diphtherie-
bazillen in typischer Form und Lagerung. Es finden sich neben klassischen Formen
reichlich kürzere, gedrungene Stäbehen in für Diphtheriebazillen typischer Lagerung
mit deutlichen Polkörperchen.
Stamm 3 Röhrchen 1-3 üppiges Wachstum. Mikroskopisch auffallend viel
Keulen- und Hantelformen. Daneben auch kürzere gedrungene Stäbchen in für
Diphtheriebazillen typischer Lagerung. Nach mehreren Passagen über Loeffler-
Serum verschwinden die letztgenannten Formen, und es zeigt sich das klassische
Bild einer Diphtheriebazillenreinkultur.
Röhrchen 4 und 5 ergeben das gleiche Resultat, zeigen jedoch weniger üppiges
Wachstum.
Zusammenfassend ergaben die Kontrollen nach 21 und 42 Tagen, 4, 5 und
7 Monaten, daß von Stamm 1 aus unbekannter Ursache in Röhrchen 1—4 keine
lebenden Diphtheriebazillen vorhanden, daß in Röhrchen 1 des Stammes 2 nur
Staphylokokken nachzuweisen, jedoch in Röhrchen 5 und 6 von Stamm 1 nach
71/, Monaten, in Röhrchen 2 und 3 des Stammes 2 nach 4!/ Monaten, und in
sämtlichen Röhrchen von Stamm 3 nach 2 Monaten einwand rei entwicklungs-
fähige Diphtheriebazillen, die teilweise Involutionsformen aufwiesen, zu finden waren.
Pneumokokken.
Das Sediment des Lumbalpunktates eines Falles von Pneumokokkenmeningitis
wurde einer Maus subkutan injiziert. Nach 2 Tagen ging die infizierte Maus an
einer Pneumokokkensepsis ein. Ihr Herzblut wurde auf Blutagarplatten geimpft, auf
denen Pneumokokken in Reinkultur wuchsen. Diese Reinkulturen wurden am
13. März 1925 in drei Röhren konserviert.
1. Kontrolle am 25 3.
300 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
Aut Blutagarplatten übertragenes Material aus Röhrchen 1 wächst in genügender
Menge. Mikroskopisch : Grampositive Diplokokken von Lanzettform. Die 1. Kontrolle
nach 12 Tagen ergibt entwicklungsfähige Pneumokokken.
2. Kontrolle am 24. 6.
2. Entnahme aus Röhrchen 1.
1. Entnahme aus Röhrchen 2. : :
Wachstum in beimpften Traubenzuckerbouillonröhrchen spärlich. Weiterzüchtung
elingt nur für kurze Zeit. Nach 2maliger Uebertragang auf Blutagar wird das
Wachstum zusehends geringer und hört bei weiteren Versuchen völlig auf.
Ergebnis: Nach 3 Mon. finden sich in den Konservierungsröhrchen zwar ent-
wicklungsfähige, aber in ihrer Resistenz sehr geschwächte Pneumokokken, die sich
nur kurze Zeit weiterzüchten lassen.
3. Kontrolle am 6. 7.
3. Entnahme aus Röhrchen 1.
2. Entnahme aus Röhrchen 2.
Die beimpften Traubenzuckerbouillonröhrchen und Blutplatten zeigen deut-
liches Wachstum. Mikroskopisch typische lanzettförmige Pneumokokken. Weiter-
übertragung gelingt.
Ergebnis: Nach 4 Mon. sind lebensfähige weiterübertragbare Pneumokokken
nachzuweisen.
4. Kontrolle am 12. 9.
4. Entnahme aus Röhrchen 1.
3. Entnahme aus Röhrchen 2.
1. Entnahme aus Röhrchen 3.
In Röhrchen 1 und 2 keine lebensfähigen Keime mehr. Material aus Röhrchen 3
weist deutliches Wachstum und mikroskopisch ausreichend typische Pneumokokken.
Ergebnis: In Röhrchen 1 und 2 keine lebenden Pneumokokken. In Röhrchen 3
reichliches Wachstum typischer Pneumokokken 1).
Meningokokken.
Aus einem Lumbalpunktat gewonnene Meningokokken wurden am 5. 5. von
einer Ascites-Agarplatte, auf der nur wenig zahlreiche Kolonien gewachsen waren,
in üblicher Weise entnommen und in einem Röhrchen konserviert.
1. Kontrolle am 15. 5.
Beimptung einer Ascites-Agarplatte. Wachstum weniger Kolonien, deren Weiter-
züchtung gelingt, ohne daß aber eine nennenswerte Vermehrung der Kolonien zu
erreichen ist.
Auf Ascites-Agar geimpftes Material wächst in zarten, flachen, grau durch-
scheinenden Kolonien in geringer Zahl. Weiterübertragung möglich. Mikroskopisch
gramnegative, semmelförmige Diplokokken.
Ergebnis: Nach Aufenthalt von 31 Tagen in der Konservierungsmasse sind
lebensfühige Meningokokken vorhanden. Es zeigt sich keinerlei Aenderung des kultu-
rellen und mikroskopischen Verhaltens, jedoch hat anscheinend eine Beeinträchtigung
der Entwicklungsfähigkeit des Stammes stattgefunden, da eine Zunahme der Kolonien
nicht festzustellen war, die weitere Fortzüchtung sogar eine deutliche Abnahme des
Wachstums zeigte.
3. Kontrolle am 10. September.
Entnommenes Material zeigt kein Wachstum mehr. Der Grund hierfür mag
wohl darin liegen, daß das nur spärliche Material aus dem Konservierungsröhrchen
aufgebraucht ist. à
Typhus.
Ein Typhusstamm, der als solcher durch sein Verhalten auf den Spezial-
nährböden (Endofuchsinsulfitagar, Neutralrotagar, Lackmusmolke) durch die lebhafte
1) Bei einer Nachuntersuchung am 8.1. 1926 zeigt sich bei Entnahme aus
Röhrchen 3 keinerlei Wachstum mehr.
Dikomeit, Einfaches Verfahren zur Konservierung lebender Bakterienkulturen. 301
Beweglichkeit der Stäbchen im hängenden Tropfen und durch die Agglutination
sicher identifiziert wurde, wird am 24. 1. konserviert. Und zwar wurden angelegt:
5 Röhrchen von 5 Schrägagarkulturen, 1 Röhrchen von einer Endoplatte und ver-
suchsweise 1 Röhrchen mit einer Oese Bouillonkultur.
1. Kontrolle am 24. 2. 1925.
1. Entnahme aus Röhrchen 1.
Beimpfte Bouillon ist deutlich getrübt. Mit der bewachsenen Bouillon be-
impfter Endonährboden weist reichlich farblose, blasse Kolonien auf. Neutralrot-
agar und Lackmusmolke bleiben unverändert. Agglutination bis zur Titergrenze
deutlich. Ergebnis :
Nach 4 Wochen lebensfähige Typhusbazillen in Röhrchen 1.
2. Kontrolle am 1. 7.
2. Entnahme aus Röhrchen 1.
führt zu gleichem Ergebnis wie bei Kontrolle 1.
3. Kontrolle am 25. 8.
3. Entnahme aus Röhrchen 1.
1. Entnahme aus Röhrchen 2 und 3.
In allen 3 Röhrchen erweist sich der konservierte Typhusstamm als einwandfrei
lebensfähig und im vollen Besitze seiner typischen Eigenschaften.
4. Kontrolle am 12. 9. I
4. Entnahme aus Röhrchen 1.
2. Entnahme aus Röhrchen 2 und 3.
1. Entnahme aus Röhrchen 4—7.
In von Röhrchen 1—5 beimpfter Bouillon deutliche Trübung. Typisches
Verhalten aut Endo- und Spezialnährböden (Neutralrotagar und Lackmusmolke).
g Stäbchen im hängenden Tropfen. Agglutination deutlich bis Titergrenze.
öhrchen 6 (aus Bouillonkultur konserviert) und 7 (von Endoplatte konser-
viert) zeigen kein Wachstum.
Ergebnis: Nach 7!/, Monaten sind in der Konservierungsmischung lebensfähig
und unverändert gebliebene Typhusbazillen nachzuweisen.
Dysenterie.
Es werden 2 Stämme von Shiga-Kruse-Bazillen konserviert. Ein Stamm
Shiga-Marburg, der schwer agglutinabel ist, und ein 2. Stamm Shiga-Freiburg,
werden am 12. 2. 1925 von Šchrägagarkulturen in 6, bzw. 4 Konservierungs-
röhrchen gebracht.
Stamm Freiburg.
1. Kontrolle am 1. 7.
Beimpfte Bouillon von Röhrchen 1 ist deutlich getrübt. Auf Endo platten
reichliches Wachstum blasser Kolonien. Im hängenden Tropfen kurze, dicke, uribe-
wegliche Stäbchen mit sehr lebhafter Molekularbewegung. Agglutination findet zu-
näc nicht statt.
Nach 3tigiger Passage über Schrägagar stellt sich Agglutination bis Titer-
grenze ein.
2. Kontrolle am 26. 8.
1. Entnahme aus Röhrchen 2.
2. Entnahme aus Röhrchen 1.
Aus beiden Röhrchen entnommenes Material weist reichliches Wachstum auf
den beimpften Nährböden auf. Verhalten wie bei Kontrolle 1. Agglutination wird erst
nach längerer Uebertragung auf Schrägagar deutlich bis Titergrenze.
3. Kontrolle am 12. 9.
3. Entnahme aus Röhrchen 1.
2. Entnahme aus Röhrchen 2.
1. Entnahme aus Röhrchen 3 und 4.
Material aus allen 4 Röhrchen zeigt sich entwicklungsfähig. Kulturelles und
mikroskopisches Verhalten wie bei den vorigen Kontrollen.
Ergebnis: Nach 7 Mon. sind in allen Konservierungsröhrchen in ihren Eigen-
schaften unverändert gebliebene Shiga-Kruse-Bazillen nachzuweisen.
Stamm Marburg.
1. Kontrolle am 26. 8.
1. Entnahme aus Röhrchen 1 und 2.
302 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 4/5.
Reichliches Wachstum des entnommenen Materials auf den beimpften Nähr-
böden. Agglutination deutlich bis Titergrenze.
2. Kontrolle am 12. 9.
Entnahmen aus Röhrchen 1—6.
In allen 6 Röhrchen lassen sich durch das Wachstum auf den beimpften Nähr-
böden und die bis Titergrenze deutliche BERLINER einwandfrei lebensfähige
Shiga-Kruse-Bazillen nachweisen, die fon. ohne Beeinträchtigung ihrer
Entwicklungsfähigkeit in der Fettmischung konserviert werden konnten.
Die Ergebnisse der beschriebenen Versuche sind in wissenschaft-
licher wie in praktischer Hinsicht sehr beachtenswert. Die schon von
anderer Seite gemachte Feststellung, daß auch als empfindlich und an-
spruchsvoll erkannte Keime in gewisser Hinsicht eine geradezu erstaun-
liche Resistenz und Anspruchslosigkeit an den Tag legen, wird wieder
einmal bestätigt. Sonst so empfindliche Keime wie Pneumo- und Me-
ningokokken hielten sich in unserem Falle bei niederer Temperatur
längere Zeit (Pneumokokken 6 Mon., Meningokokken 31 Tage) ohne
jeden Nährboden, auch die wenig widerstandsfähigen Streptokokken
hielten sich über ein Jahr unter den gleichen Bedingungen. Sucht man
nach einer Erklärung dieser Ergebnisse, so muß wohl als wichtigstes
Moment für die Erhaltung der Lebensfähigkeit der Sauerstoffabschluß
durch die umgebende Fettschicht angesehen werden, wozu dann noch
einige gleich anzuführende Momente hinzukommen, die vor den auf
Nährböden unter Sauerstoffabschluß konservierenden Methoden über-
wiegende Vorteile darstellen. Ist infolge des Fehlens des Sauerstoffes
schon auf luftabgeschlossenen Nährböden nur eine ganz geringe Ver-
mehrung von Keimen möglich, so ist diese Vermehrungsmöglichkeit um
so weniger .vorhanden, wenn gar kein Nährboden zur Verfügung der
Keime steht wie in unserem Falle. Es ist sehr leicht möglich, daß in
der Verhinderung der Keimvermehrung das wesentlichste Moment für die
Erhaltung der Lebensfähigkeit liegt, da ja damit die Schädigung durch
die die Keime sicher außerordentlich beeinträchtigenden eigenen Stoff-
wechselprodukte fortfällt. Dazu kommt ferner, daß die Gefahr der
Austrocknung sehr gering ist oder wenigstens sehr spät eintreten kann,
da der Wassergehalt der Fettmasse genügend groß für den Bedarf der
Keime ist und bleibt.
Praktisch sind die Versuchsergebnisse insofern von Interesse, als
sich darauf ein neues einfaches Konservierungsverfahren aufbaut. Das
Verfahren scheint gerade für die einfachen Bedürfnisse der Praxis sehr
gut geeignet zu sein. Gegenüber anderen der bisher üblichen Ver-
fahren besitzt es manchen Vorteil. Die an sich sehr wertvolle Unger-
mannsche Methode ist immerhin kompliziert und wird daher der Aus-
führung in gut ausgestatteten Laboratorien vorbehalten bleiben. Vor
allem ist die Gewinnung des sterilen Serums nicht ohne Schwierig-
keiten. Unsere Methode ist technisch außerordentlich einfach, erfordert
kein besonderes Instrumentarium und keine Hilfskräfte, macht wenig
Kosten und entbehrt vollkommen der Nährböden. Damit ist ein weiterer
sehr beachtenswerter und die Handhabung der Methode vereinfachender
Faktor gegeben, da ein allzu ängstlich steriles Arbeiten gar nicht er-
forderlich ist. Denn sollten einmal irgendwelche Luftkeime in die Kon-
servierungsröhrchen gelangen, so können sie keinen Schaden anrichten,
da für sie infolge des Fehlens jeglichen Nährsubstrates keine Ver-
breitungsmöglichkeit besteht. ‚Jedenfalls ist bei meinen Versuchen nie-
Dikomeit, Einfaches Verfahren zur Konservierung lebender Bakterienkulturen. 303
mals eine Verunreinigung durch Luftkeime festzustellen gewesen. In
der mir zur Verfügung gewesenen Zeit war es nicht möglich, für ein
Konservierungsverfahren und Prüfung der Lebensdauer der konser-
vierten Keime nötige endgültige Ergebnisse zu erhalten. Deshalb sind
die von mir angestellten Versuche nur als vorläufige zu betrachten. Es
bedarf noch weiterer Arbeiten, um die Leistungsgrenze der Methode zu
erproben und sie durch weitere Vervollkommnungen auszubauen. Ins-
besondere wären vielleicht mit einer variieften Zusammensetzung der
Fettmischung noch Verbesserungen zu erreichen.
Zusammenfassung.
Auf Grund einer Beobachtung Nißles, der einen Coli-Stamm
nach 7 Jahren in einer Fettmischung von Lanolin. anhydr. und
Paraffin. liq.aa völlig lebensfähig und im vollen Besitz seiner typischen
Eigenschaften fand, wurden von mir Versuche angestellt zur Fest-
stellung, ob sich andere Keime in dieser Fettmischung längere Zeit
lebensfähig halten konnten, und ob sie darin ihr Verhalten irgendwie
änderten, schließlich, ob darauf ein Konservierungsverfahren gegründet
werden könnte. Die Versuche wurden angestellt mit Streptokokken,
Pneumokokken, Meningokokken, Diphtheriebazillen, Typhus- undShiga-
Kruse-Bazillen. Sie führten zu folgenden Resultaten: Streptokokken
hielten sich in erwähnter Fettmischung fast ein Jahr lang unverändert
lebensfähig, Pneumokokken 6 Monate, Meningokokken 31 Tage, Di-
phtheriebazillen 71/, Monate, Typhusbazillen 7!/, Monate und Shiga-
Kruse -Bazillen ebenfalls 7!/, Monate. Eine längere Beobachtung war
aus äußeren Gründen nicht möglich. Das Verfahren kommt infolge
seiner einfachen Ausführung als praktisch brauchbare Konservierungs-
methode in. Frage und besitzt in mancher Hinsicht nennenswerte Vor-
teile gegenüber den bisher üblichen Methoden.
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Dauerkulturen empfindlicher Bakterienarten und zur Erhaltung der Virulenz tier-
pathogener Keime. Arbeiten aus dem Reichsgesundheitsamt. Bd. 51. S. 180.
An dieser Stelle spreche ich Herrn Prof. Nißle meinen ergebenen
Dank aus für die Anregung zu dieser Arbeit und die mir bei ihrer
Anfertigung erteilten freundlichen Ratschläge.
Inhalt.
Acklin, Oskar, Zum Nachweis des Bac- | Kliewe, H., Variabilitätsstudien und Grup-
terium coli commune als Fäkal- peneinteilung bei Diphtheriebazillen und
indikator im Wasser. Mit 1 Abbildung anderen Corynebakterien. III. S. 199.
im Text, S. 178. Kristensen, Martin, Gärungsversuche mit
Alexeieff, A., Recherches sur la physio- Milzbrandbazillen, S. 220.
gie des globules blancs. Cytodiagnostic | Panayotatou, Tu Ay Sur une „My-
et son application en clinique. Avec cose“ isolée de la langue d’un malade.
17 figures dans le texte et 4 planches, | »Penicillium linguae (genre Sco-
S. 240. pere u Avec 6 figures dans
Braun, H., u. Goldschmidt, R., Die Brut- en tg N
schrankluft als Stickstoff- bzw. Kohlen- ec Lo “+ os la on des
stoffquelle für Typhus-, Paratyphus B-, Den S Er ge 2 a., “Avec
Shiga-Kruse- und Coli-Bazillen, | pfas a 7. Ueber bakteri ;
5. 283. z, @. J., Ueber bakteriophage Wir-
ee kungen bei Meningokokken. Mit 3 Ab-
Busson, B., Sterilisierung und Konser- bildungen im Text, S. 209.
vierung von Aszitesflüssigkeit zur Nähr- Sakai, Kikuo, Bakteriologische Unter-
« bodenbereitung, S. 282. ‚ suchung der Paratyphusepidemie im
Dikomeit, Bruno, Ueber ein einfaches | Lehrerseminar zu Sendai, S. 193.
Verfahren zur Konservierung lebender | Seligmann, E., Artumwandlung in der
Bakterienkulturen. S. 290. Enteritisgruppe. Il. Mitteilung, S. 161.
Dimtza, Alexander, Ueber Veränderungen Shmamine, Tohl, Agar als Einschluß-
von Coli-Stämmen durch Bakterio- medium für die Untersuchung im Dun-
phagenwirkung „in vivo und in vitro“, kelfeld. Mit 1 Abbildung im Text,
S. 171. | §. 279.
Galli-Valerio, B., et Bornand, M., Le | Spranger, Heinz, Die Frage der Verwen-
Mycobacterium aquae Galli-Valerio dung des Isopropylalkohols als Desinfek-
et son action pathogène. 8. 182. tionsmittel an Stelle von Aethylalkohol,
Ganz, Peter O., Zur Anwendung von S. 236.
Trockenkomplement bei der Wasser- | Wolff, L. K., Ueber ein auch bei tropi-
mannschen Reaktion, S. 225. | scher Temperatur steriles Wasser liefern-
Gorini, Constantino, Ueber die Stimu- des Filter. Mit 1 Abbildung im Text,
lierung der bakteriellen Aktivität und S. 163.
das Verhalten des B. typhi in der Milch, Yakimoff, W. L., Le toxoplasme des pois-
S. 196. sons. Avec 19 figures en texte, S. 217.
Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena — 5549
Contralbl. f. Bakt. ete. I. Abt Originale, Bi ID. Het 6
Ausgegeben am 5. Februar 1927.
I
Nachdruck verboten.
Ist der gaslose Paratyphus B-Bazillus eine besondere Art?
[Aus dem Städt. Hygienischen Universitätsinstitut in Frankfurt a. M.
(Dir.: Geh. Medizinalrat Prof. Dr. M. Neisser).]
Von Dr. Emmy Klieneberger.
Im Jahre 1913 beschrieb E. Oette (8) einen Paratyphus B-Bazillenstamm vom
Typus Schottmüller, der sich in den meisten Reaktionen typisch verhielt,
aber in einigen Eigenarten, vor allem der 'sonst so charakteristischen Gasbildung,
abwich. Er zeigte Schleimwiille, war in der Raffinosereaktion positiv, zersetzte
Arabinose, Dulzit und Rhamnose wie ein Schottmüller-Stamm, im Gegensatz
zu Typusbazillen, und wies eine typische Agglutination auf, nur bildete er kein
Gas, weder aus Traubenzucker noch aus anderen Kohlehydraten u. dgl., während er
wohl imstande war, aus ihnen Säure zu bilden. Dieser Stamm, „Risum-Sohn“ ge-
nannt, wurde aus dem Stuhl eines an diagnostisch sicherem Paratyphus erkrankten
Patienten gezüchtet. 4 Wochen später erkrankte seine Mutter, offenbar durch Kon-
taktinfektion. Aus ihrem Urin und Stuhl wurden (im Gegensatz zu den Ergebnissen
beim Sohne) Paratyphus B-Bazillen, Stamm "Risum - Mutter“ gezüchtet, die aus
Traubenzucker reichlich Gas abspalteten. Ebenso sind Paratyphus B-Bazillen ohne
Gasbildungsvermögen von G. Wagner 1913 (13) und K. Ohno 1915 (9)
direkt aus Krankenmaterial gezüchtet worden. M. Yoshioka 1923 (14) be-
schreibt ferner einen Paratyphus A-Bazillenstamm ,Majeda“, der sich ebenfalls
durch die Gaslosigkeit von anderen Stämmen dieser Gruppe unterscheidet.
Der oben erwähnte Stamm „Risum-Sohn‘“ befindet sich seit
dem Jahre 1919 in der hiesigen Institutssammlung durch Prof.
H. Braun, der ihn von Prof. Wagner erhalten hatte. Der Stamm
wurde alle 2—3 Monate auf Nähragar überimpft. Von Zeit zu Zeit
geprüft, erwies er sich dauernd als gaslos. Auch die verschiedensten
Versuche, ihn zur Gasabspaltung aus Traubenzucker zu bringen,
scheiterten.
Von diesen zahlreichen ergebnislosen Versuchen seien die fol-
genden kurz erwähnt: Zuerst wurde versucht, entsprechend unseren
früheren erfolgreichen Experimenten mit schwachen und unregelmäßigen
Vergärern (6), festzustellen, ob der Stamm ,,Risum-Sohn“ vielleicht
ein schwacher Gasbildner sei, dessen Gärvermögen gesteigert werden
` könne. Die Prüfung des Gasbildungsvermögens fand stets in Zucker-
agarschüttelkulturen (Fleischwasser - Peptonagar) statt. Es wurden
Zuckernähragars verschiedener Alkalität, bzw. verschiedenen Säuregrades
benutzt, da die Wasserstoffionenkonzentration bei schwachen
Vergärern oft eine große Rolle spielt. Dann wurde dem Zuckeragar ein
Phosphatgemisch (Pufferung), sowie Magnesiumhydroxyd
[C. Revis, 1914 (11)] in verschiedenen Konzentrationen zugesetzt,
um ev. zu verhüten, daß die starke Säurebildung aus Zucker die Bak-
terien so schädige, daß Gas nicht mehr gebildet werden könne. Ferner
wurde erwogen, ob etwa ein Bakteriophage in der Kultur vor-
Erste Abt. Orig. Bd, 101. Heft 6/7. 20
306 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
handen und ein die Gasbildung hemmender Faktor sei. Um Aufschluß
hierüber zu gewinnen, wurden längere „Kulturfiltratpassagen‘“ mit dem
Stamm ausgeführt. Da manche Stämme durch Passagen auf Nähr-
böden, die den spezifischen Zucker enthalten, diesen Zucker anzugreifen
lernen, wurden Zuckerbouillon- und Zuckeragarpassagen mit
dem Stamm gemacht. Auch wurde „Normalisierung“ [M. Neisser
(7)] durch eine längere Schrägagarpassagenreihe versucht. Nach
W. J. Penfold (10) und J. A. Arkwright (1), die gaslose Coli
durch Züchtung auf Natriumformiatnährböden zur Gasbildung
gebracht hatten, wurde gearbeitet. Alte Bouillon- und Agar-
kulturen (zum Teil über 1 Jahr alt) wurden zur Untersuchung heran-
gezogen nach K. Baerthlein (2), der häufig auf diese Weise Rück-
schläge von Varianten zum Ausgangstypus erhalten hatte. Alle diese
und viele andere Bemühungen (Mauspassagen) waren, wie schon an-
gegeben, erfolglos, der Stamm „Risum-Sohn‘“ blieb gaslos. Die
letzte Prüfung mit diesem Ergebnis fand im Oktober 1924 statt.
Als im Dezember desselben Jahres verschiedene Stämme in Gär-
versuchen geprüft wurden, zeigte der Stamm „Risum-Sohn“ nach
12jähriger Gaslosigkeit zum ersten Mal schwache Gas-
bildung in der Zuckeragarschüttelkultur. Die Gasbildung wurde beim
Abimpfen von dieser selben Kultur sowohl bei direkter Ueberimpfung
in Zuckeragar sowie bei Zwischenschaltung einer neuen Schrägagar-
kultur immer wieder erzielt. Der Einwand, es handele sich um eine
Verwechslung, wurde sofort erhoben und geprüft. Die genaue Unter-
suchung der Kultur schloß die Verwechslung aus. Die weitere Frage,
die gestellt werden mußte, war die nach der Reinheit der Kultur.
Angelegte Platten wiesen makroskopisch ausschließlich Kolonien des
gleichen Typus auf. Zur erneuten Reinzüchtung des Stammes wurden
einzelne isolierte Kolonien abgestochen. Sie erwiesen sich sämtlich
als gaslos. Um die vermutete „Verunreinigung‘‘ herauszubekommen,
wurde eine größere Anzahl von Einzelkolonien (50 im ganzen) von
einer Platte isoliert. Sie lieferten alle gaslose Stämme. Nun wurde
eine Schrägagarkultur, deren Subkulturen in Zuckerschichten Gas-
bildung gezeigt hatten, in steriler physiol. Kochsalzlösung auf-
geschwemmt und von dieser Aufschwemmung eine Reihe von Ver-
dünnungen angelegt. Durch ösenweises Verimpfen verschiedener Ver-
dünnungen wurde festgestellt, daß etwa unter 500 Keimen je ein ver-
gärender sein mußte, denn die mit etwa 500 Keimen und mehr beimpften
Schrägagarröhrchen ergaben, in Zuckeragar verimpft, Vergasung,
während die mit weniger Keimmaterial beimpften Schrägröhrchen gas-
lose Populationen ergaben. Da es zu mühsam gewesen wäre, durch Iso-
lieren einzelner Kolonien den Vergärer reinzuzüchten (es hätten ja min-
destens 500 Kolonien abgestochen werden müssen), wurde eine Kultur-
verdünnung hergestellt, die etwa 20—50 Keime pro Oese enthielt.
Es wurden 20 Schrägagarröhrchen mit je 1 Oese dieser Aufschwemmung
beimpft und bebrütet, also im ganzen etwa 400 bis 1000 Keime (ver-
teilt auf 20 Röhrchen) verimpft. Sämtliche so erhaltene Kultur-
röhrchen wurden mit je 1 ccm steriler Kochsalzlösung abgeschwemmt ;
von diesen Aufschwemmungen wurden hohe Zuckeragarschichten be-
impft. Sie zeigten keine Vergärung bis auf eine hohe Schicht. Diese
hohe Schicht war von einem Schrägagarröhrchen beimpft worden, das
nur 13 Kolonien auf seiner Oberfläche gezeigt hatte. Eine dieser Kolo-
nien muß aus vergärenden Keimen bestanden haben. Es ist daher an-
Klieneberger, Ist der gaslose Paratyphus B-Bazillus eine besondere Art? 307
zunehmen, daß unter etwa je 13 Keimen der Abschwemmung dieses Agar-
röhrchens ein gasbildender war. Einige von diesen durch Isolierung zu
gewinnen, war recht aussichtsvoll. Es wurden daher von der betreffenden
Schrägagarkultur Platten angelegt, und von diesen im ganzen 70 Einzel-
kolonien isoliert. Darunter befanden sich 6 vergärende und
64 nichtvergärende. Ein aus einer solchen Kolonie gewonnener
Stamm wurde eingehend untersucht und mit dem Ausgangsstamm ver-
glichen. Es zeigte sich, daß dieser vergärende Stamm mit dem
Ausgangsstamm übereinstimmte, sowohl agglutinatorisch wie auch in
den kulturellen Besonderheiten des Stammes „Risum-Sohn‘“, nämlich
in der Malachitgrünempfindlichkeit sowie darin, daß beide
Stämme Maltoselackmusagar nicht säuerten, im Gegensatz
zu allen anderen Paratyphus B-Stämmen unserer Kulturensammlung.
Es wurde nun auch der Nichtvergärer aus der Mischkultur, in
die sich der Urstamm verwandelt hatte, isoliert. Beide Stämme erwiesen
sich als in sich einheitlich, d. h. der eine bestand nur aus gasbildenden,
der andere nur aus gaslosen Keimen. Im übrigen waren sie einander
gleich.
Obwohl sehr wahrscheinlich der gaslose Stamm gasbildende Keime
gewissermaßen abgespalten hatte, so legten wir dieser einmaligen
Erscheinung doch keine allzu große Bedeutung bei, da sie im Ver-
lauf weiterer 11/, Jahre nicht mehr reproduzierbar war und sich auch
von selbst nicht wiederholte. Die beiden reingezüchteten Stämme, der
gasbildende als Stamm II, der gaslose als Stamm III, wurden
in der Kulturensammlung in der üblichen Weise weitergeführt. Außer-
dem wurde der von Prof. Braun weitergezüchtete Stamm ,,Risum-
Sohn‘ als Stamm I erneut in die Kulturensammlung aufgenommen.
Er war zu dieser Zeit gaslos. Vom Januar 1925 bis Sommer 1926 wurde
an diesen öfters untersuchten Stämmen keine Veränderung festgestellt.
Im Juli und August 1926 wurde bei Ueberimpfung des Stammes I
in Zuckeragarschichten wieder eine schwache Gasbildung beobachtet.
Es war zunächst nur eine Schrägagarkultur, die durch direkte reich-
liche Ueberimpfung des Kulturmaterials in Zuckeragar 3mal hinterein-
ander Gasbildung hervorrief. Beimpfte man von dieser Kultur neue
Schrägagarröhrchen und von diesen aus wieder Zuckerschichten, so trat
keine Gasentwicklung mehr auf. Auch durch Ueberimpfung von
den vergorenen Zuckeragars aus wurde Gasbildung nicht mehr er-
zeugt. Es wurde angenommen, daß der gaslose Stamm I nun cben-
falls gasbildende Keime abgespalten hatte, nur in sehr viel ge-
ringerer Anzahl als das erste Mal. Das Abstechen isolierter Kolo-
nien schien aussichtslos. Es wurde trotzdem versucht und Isolierung
von 200 Kolonien vorgenommen. Diese ergab, wie zu erwarten war,
lauter gaslose Stämme Es wurde wieder versucht, durch - Ver-
dünnungen zum Ziel zu gelangen, und durch Zufall ein Röhrchen zu
gewinnen, in dem das Verhältnis der gaslosen zu den vergärenden
Keimen zugunsten der letzteren verschoben war. Auch das glückte
nicht, die Zahl der vergärenden Bakterien war offenbar zu klein im
Verhältnis zu den gaslosen. Schließlich wurde, wie schon früher des
öfteren, geprüft, ob nicht doch vielleicht auf Traubenzucker-Endo-
Platten ein bisher übersehener Unterschied zwischen gasbildenden und
gaslosen Kolonien zu beobachten sein könnte. Insbesondere wurde ver-
mutet, daß eventuell bei sehr frühzeitiger Durchmusterung der Platten
Differenzen zu finden seien. Von der Schrägagarkultur, deren Sub-
20*
308 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
kulturen in Zuckeragarschichten 3mal hintereinander Vergärung auf-
gewiesen hatten, wurden 7 Traubenzucker -En do- Platten mit isolierten
Kolonien hergestellt. Die frühe Prüfung ergab keinen auffallenden oder
bemerkenswerten Befund. Dagegen wurde nach 24-stünd. Be-
brütung bei sehr genauer Betrachtung mit der Lupe auf
der 7. Platte eine Kolonie gefunden, die nicht ganz so fuchsin-
glänzend aussah wie die anderen Kolonien, obwohl sie gut isoliert
lag. Sie war außerdem leicht gewölbt, während die anderen flacher
waren. Sie wurde isoliert und lieferte einen stark gasbildenden
Stamm, die anderen Kolonien erwiesen sich als gaslos. Dieser neue
gasbildende Stamm sei als Stamm IV bezeichnet, ein aus derselben
Mischkultur isolierter gasloser Stamm als Stamm V.
Um nochmals festzustellen, ob tatsächlich die gaslosen Kolonien
von den gasbildenden auf der Traubenzucker-Endo-Platte sich unter-
scheiden, wurde aus Stamm IV und V ein Gemisch hergestellt, das
vergärende und gaslose Keime zu gleichen Teilen enthielt. Von dem
Gemisch wurden Platten angelegt, die tatsächlich etwa zur Hälfte
flachere Kolonien mit starkem Fuchsinglanz und zur anderen Hälfte
leicht gewölbte Kolonien mit nicht ganz so starkem Fuchsinglanz auf-
wiesen. Die flachen Kolonien lieferten nicht vergärende, die gewölbten
gasbildende Stämme. Auf Milchzucker-Endo sowie auf Agarplatten
konnten Unterschiede in den Kolonietypen nicht festgestellt werden.
Selbstverständlich wurden nun auch die im Jahre 1925 rein-
gezüchteten Stämme nochmals auf Traubenzucker-Endo-Platten unter-
sucht. Der Stamm II enthielt nur gasbildende Keime, hatte sich also
nicht verändert, von Stamm III dagegen (als gaslos im Januar 1925
reingezüchtet) konnte ebenfalls wieder ein vergärender Stamm abge-
spalten werden, er sei als Stamm VI bezeichnet. Alle Stämme wurden
nochmals aufs genaueste kulturell und serologisch geprüft. Das Er-
gebnis dieser Prüfung ist in der folgenden Uebersicht (S. 309) wieder-
gegeben.
Nach ihrem kulturellen Verhalten erweisen sich demnach alle
6 Stämme als Paratyphus B-Stämme der Schottmüller- Gruppe.
Zwar haben sie ihr Wallbildungsvermögen eingebüßt, was, wie
bekannt, bei alten Laboratoriumsstämmen vorzukommen pflegt (E. Oette
beschrieb den Stamm ,,Risum-Sohn“ seinerzeit als wallbildend). Da-
für zeigen sie nach 4 Tagen deutliche Knöpfchenbildung auf
2proz. Raffinosenähragar (Kieler Schule). Sie erweisen sich
ferner als nichtfütterungspathogen im Mäuseversuch (Kieler
Schule), erzeugen aber wohl eine tödliche Infektion bei intraperitonealer
und subkutaner Injektion. Auch durch ihr Verhalten gegenArabinose,
Trehalose, Dulzit und Inosit [F. Höß (4)] sind die Gasbildner
als typische Schottmüller-Stämme charakterisiert, da sie aus allen
4 Substanzen Gas abspalten. Inbezug auf Trehalose schienen die in Be-
tracht. kommenden Stämme zunächst eine Ausnahme zu machen. Die
hohen Agarschichten (entzuckerter Nähragar!) zeigten in den ersten
Tagen keinerlei Vergärung. Am 4. Tag aber war in diesen Schichten
eine Anzahl dicker Kolonien, die sich am 5. und 6. Tage noch
vergrößerten, zu erkennen, wie sie R. Burri (3) für eine Reihe von
Coli-Stämmen in Saccharosenähragar beschreibt. So wie Burri durch
Abstechen der dicken Kolonien saccharosevergärende Stämme gewann,
erhielten wir aus unseren dicken Kolonien trehalosevergasende Stämme,
Klieneberger, Ist der gaslose Paratyphus B-Bazillus eine besondere Art? 309
„Risum-Sohn“, Stamm
I II I IV i Vv : VI à
geprüft | geprüft |geprüft| geprüft | geprüft| geprüft
1925 1926 | 1925 1926 1926 1926
Beweglichkeit a Fe: + + $ +
Wallbildung — — — — — —
aus Traubenzucker { hed Fa ES + f + =
» Michzucker | taal = == = = -3 =
i Gas >= + — + — +
» Mannit | Säure u K R + T +
» Maltose E ee SSeS ee eS
Gas = = = — = =
» Saccharose Säure = = = ER = >=
Arabinose Gas — + — + = +
Trehalose = — (aus dick — aus dick.) — aus dick.
Kolon. + Kolon. +) Kolon. +
Dulzit 3 = + = + an +
Inosit » — + + — +
Raffinosereaktion (Knöpfchen)| + + + + + +
Rhamnosereaktion a gelb gelb gelb gelb gelb gelb
1. Tag rot rot rot rot rot rot
Lackmusmolke 9 Tag blau | blau | blau | blau | blau | blau
Wachstum auf
Malachitgrünagar bis 1 : 50000! — — — — — —
Fütterungspathogenität — — — — — —
(weiße Maus) Er
Endtiter einer Formolbouillon- | i
kultur d. betreffenden Stam-
mes mit Schottmiiller-Serum
vom Titer 1: 3000, gepr. 1926| . 6400 6400 | 25600 | 3200
und zwar wurde von diesen die Trehalose prompt in etwa 15 Std. ver-
gast, wie es Schottmüller-Stämme immer von vornherein tun.
Die einzigen noch bestehenden Abweichungen der Risum-Sohn-
Stämme, auch der vergärenden, vom Paratyphus B-Normaltypus sind
die Malachitgrünempfindlichkeit und die Unfähigkeit, Mal-
tose, einen der Trehalose chemisch sehr nahe stehenden Körper, anzu-
greifen. Versuche, die sich mit diesen Abweichungen näher befassen,
sind im Gange!).
Jedenfalls kann nach den mitgeteilten Untersuchungen kein Zweifel
darüber bestehen, daß die Stämme ,,Risum-Sohn I bis VI“ gemein-
samer Herkunft sind, sowie daß alle diese Stämme sichere Reinkulturen
darstellen.
Veränderungen im Gasbildungsvermögen einzelner Stämme sind
vielfach in der Literatur angegeben. Auch der Verlust des Gasbildungs-
vermögens und die Wiedergewinnung ist schon beobachtet worden
[E. Seligmann 1924 (12)].
Es handelt sich hier aber um einen Stamm, der trotz seiner ur-
sprünglichen Gaslosigkeit als Paratyphus B-Stamm diagnostiziert
worden war und wegen der scheinbar unverändert bestehenden Gas-
losigkeit als besondere Art (,gasloser Paratyphus B“) angesehen
werden mußte. Durch die mitgeteilten Beobachtungen zeigte es sich, daß
1) Siehe Nachtrag.
310 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
die Anlage zur Gasbildung auch hier vorhanden war. Die Ursachen,
die das Inerscheinungtreten dieser Anlage verhinderten, sind vorerst
dunkel. Aber wir sehen, wie sich nachlangen Jahren der Un-
veränderlichkeit der gaslose Stamm in die gasbildende
Form — den eigentlichen Typus, wie wir wohl annehmen
dürfen — zurückverwandelt. Es werden zuerst wenige gasbildende
Keime abgespalten. Diese erweisen sich in ihrer Nachkommenschaft
als konstant gasbildend. Die gaslose Form, aufs neue reingezüchtet,
spaltet wieder nach einiger Zeit (hier 11/, Jahre) gasbildende Bak-
terien ab. Der Vorgang wiederholt sich.. Diegaslose Form kann also
nicht rein erhalten werden und wird sich möglicherweise im Laufe
der Zeit in eine Population umwandeln, die in zunehmendem Maße
(vielleicht einmal ausschließlich) aus gasbildenden Bakterien besteht.
Diese allmähliche Rückverwandlung in den Normaltypus durch
immer erneutes Abspalten des Typus von der modifizierten, hier der
gaslosen Form, steht nicht einzeln da in der Bakteriologie und Proto-
zoologie. Im Gegenteil, es schlagen die meisten Modifikationen der
Bakterien in dieser Weise in ihren Normaltypus zurück. Auch
V. Jollos zeigt in seinem schönen Referat 1924 (5), daß die meisten
Veränderungen der Bakterien wie der Protozoen nur Modifikationen
sind, die nach einer gewissen Zeit den nicht modifizierten Typus
wieder abspalten.
Danach können wir wohl sagen, daß der gaslose Paratyphus B-
Stamm „Risum-Sohn“ nicht eine besondere Art oder Varietät,
sondern eine Dauermodifikation einer, nach unserer Annahme,
ursprünglich gasbildenden Form von besonders hartnäckiger
Konstanz vorstellt. Diese Konstanz dauerte nach den Beobach-
tungen unseres Instituts 12 Jahre. Von da an hat der Stamm ständig,
wenn auch in langsamem Rhythmus, gasbildende Formen abgespalten.
Wir sehen aus diesem Beispiel, wie zähe eine vorhandene „Anlage“
festgehalten werden kann, auch wenn sie scheinbar völlig verloren ge-
gangen war, und wie schwer es ist, aus dem scheinbar dauernden Ver-
schwinden einer „typischen“ Eigenschaft auf die Entstehung einer
neuen Art zu schließen. Umgekehrt lehrt die Betrachtung des Stammes
„Risum-Sohn‘“, daß auch eine von selbst plötzlich auftretende, scheinbar
neue positive Eigenschaft nicht ein wirkliches Neuerscheinen, sondern
Auferstehung, Wiedergeburt einer uralten Protoplasmaweisheit sein
kann.
Zusammenfassung.
Der gaslose Paratyphusstamm ,,Risum-Sohn‘, von E. Oette 1913
beschrieben, behielt seine Gaslosigkeit 12 Jahre lang unverändert
bei; es gelang nicht, ihn künstlich zur Gasbildung zu bringen. Im
Jahre 1924 hat der Stamm von selbst gasbildende Individuen in ge-
ringer Menge abgespalten, die, reingezüchtet, sich, abgesehen von ihrer
Fähigkeit der Gasbildung, als völlig identisch mit dem gaslosen Stamm
erwiesen. Der gaslose Stamm wurde ebenfalls erneut reingezüchtet, er
erhielt sich durch 11/, Jahre konstant gaslos. Im Sommer 1926 hatte
er wieder in geringer Menge gasbildende Individuen erzeugt. Gleich-
zeitig hatte eine andere Subkultur des Stammes ‚„Risum-Sohn“
Wohlfeil, Zur Methodik des Typhusbazillennachweises in der Milch. 311
zu diesem Zeitpunkt zum ersten Mal ebenfalls gasbildende Individuen
abgespalten. Alle Stämme, gaslose und gasbildende, verhielten sich,
abgesehen vom Gasbildungsvermögen, kulturell und agglutinatorisch
übereinstimmend. Es wird daraus geschlossen, daß es sich bei der gas-
losen Form des Paratyphus Bnicht um eine besondere Art, sondern
um eine Modifikation besonders hartnäckiger Natur handelt. Die gas-
lose „Art“ kann auf die Dauer nicht als gaslose „Art“ weitergeführt
werden. Es ergeben sich daraus Schlüsse für die Bewertung scheinbar
nicht vorhandener und scheinbar neu entstandener Eigenschaften.
Literatur.
1) Arkwright, J. A., Journ. of Hyg. V. 13. 1913. p. 68. — 2)Baerth-
lein, K., Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd.81. 1918. S.369.— 3) Burri, R., Ibid.
Abt. II. Bd. 28. 1910. 8.321. — 4) Höß, F., In Vorbereitung befindliche Diss. —
5) Jollos, V., Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 93. 1924. Beih. S. 22. —
6) Klieneberger, E., Ibid. Bd. 96. 1925. S. 181. — 7) Neisser, M., Ibid.
Bd. 97. 1926. Beih. S. 14. — 8) Oette, E, Ibid. Bd. 68. 1913. S. 1. —
9) Ohno, K., Ibid. Bd. 75. 1915. S. 288. — 10) Penfold, W. J., Journ. of Hyg.
Vol. 13. 1913. p. 35. — 11) Revis, C., Centralbl. f. Bakt. Abt. II. Orig. Bd. 39.
1914. S. 394. — 12) Seligmann, E., Ibid. Abt. I. Orig. Bd. 93. 1924.. S. 288.
— 13) Wagner, G., Ibid. Bd. 68. 1913. S. 1. — 14) Yoshioka, M., Ibid.
Bd. 90. 1923. S. 219. -
Nachtrag: Inzwischen (26. 11. 1926) ist die Gewöhnung an
Malachitgrün so weit gelungen, daß der Stamm „Risum-Sohn‘ wie
unsere anderen Paratyphus B-Stämme auf einer Konzentration von
1:2000 üppig wächst, während er anfangs auf 1:50000 (wie B. Coli)
nicht wuchs. Ferner konnte eine gasbildende Subkultur durch lange
„Normalisierung‘‘ auf Nähragar (50 Passagen) zur Gasbildung aus
Maltose gebracht werden. Es gelingt also, aus der gasbildenden
Form des Stammes „Risum-Sohn‘ einen Stamm zu züchten,
der sich von einem typischen Paratyphus Bin keiner
Eigenschaft mehr unterscheidet.
Nachdruck verboten.
Zur Methodik des Typhusbazillennachweises in der Milch.
[Aus dem Hygienischen Institut der Universität Königsberg
(Stellvertr. Dir.: Prof. Dr. Hilgers).]
Von Dr. phil. et med. T. Wohlfeil.
Mit 9 Kurven im Text.
Die Bedeutung des Typhus als eine der gefährlichsten Volks-
seuchen ist trotz des Zurücktretens der Typhuserkrankungen als Todes-
ursache!) im Verhältnis zu anderen Infektionskrankheiten immer noch
eine sehr hohe, wie die jüngsten Ereignisse (Hannover, Magdeburg)
1) B. Moeller, Dtsch. med. Wochenschr. 1925. S. 1745.
312 ` Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
beweisen. In epidemiologischer Hinsicht haben die Typhusepidemien
ihren Charakter gegenüber den früheren Jahrzehnten insofern geändert,
als in der letzten Zeit die durch Milchinfektion entstandenen Epi-
demien durch die Konzentrationsmaßnahmen der Milchversorgung mehr
als früher hervortreten. Nur bei einem sehr kleinen Teil derselben.
ließen sich aus der Milch Typhusbazillen züchten !), weniger nus
Gründen der Technik, als vielmehr infolge der auch beim Typhus-
bazillennachweis in verdächtigem Wasser bekannten Erscheinung der
langen Inkubationsdauer des Typhus. Erst bei der Meldung gehäufter
Erkrankungen beginnt gewöhnlich das Suchen nach den Infektions-
quellen. Werden trotzdem Typhusbazillen in der fraglichen Milch
nachgewiesen, so erklärt sich dies meist durch eine wiederholt ein-
setzende, über längere Zeit sich erstreckende Infektion derselben durch
schubweise ausscheidende Bazillenträger.
Nun ist aber der bakteriologische Nachweis der Typhusbazillen
in Rohmilch mit den bisher bekannten Methoden ebenso wenig leicht
wie der Nachweis derselben in Wasser. Oft bestätigt erst die Sanierung
von Molkereibetrieben oder die Uebereinstimmung von Milchversorgungs-
feld mit Seuchenfeld bei einem Erlöschen der Seuche die Richtigkeit
der Vermutung. Der direkte Nachweis der Milchinfektion ermöglicht
aber ein sicheres Vorgehen bei dem Verschließen der Infektionsquellen.
Es erschien daher, auf Grund der Tatsache, daß gerade wegen der
wiederholten Infektion der Milch die bakteriologische Diagnostik die
Infektionsquellen unmittelbar zu zeigen,imstande sein kann, auch von
praktischem Werte, eine Methode zum leichten Nachweis von Typhus-
bazillen in infizierter Milch ausfindig zu machen.
In die Milch geratene Keime bleiben nicht nur trotz der Bakterizidie derselben
am Leben, sondern pflegen sich je nach Art der Keime und der Anreicherung zu
vermehren. Die keimtötende Kraft der Milch beruht zum Teil auf dem Vorhanden-
sein von Stoffen, die gegen die Bakterien gerichtet sind, wobei wohl weniger oxy-
dierende Fermente ?), als vielmehr nach Henninger’) in der Hauptsache Alexine
und Leukine in Frage kommen. Ein Absterben pathogener Keime auf Grund der
Säuerung durch die natürlichen saprophytischen Siurebildrier der Milch kann nach
den Untersuchungen Demmes‘) nicht mehr in dem Maße zustande kommen,
wie man es früher wohl anzunehmen geneigt 5), ©) war. Es bleiben ja sogar im Yo-
gurth und Kefir Typhusbazillen lange Zeit, bei kälterer Temperatur bis zu 4 Wochen
entwicklungsfähig. Patliogens Keime erfahren aber außerdem, wenn sie erstmalig in
Milch geraten, wahrscheinlich nach Stocking ’) eine vorübergehende Entwicklungs-
hemmung, weil die Milch ihnen ein ungewohnter Nährboden ist, an den sie sich
erst anpassen müssen.
Gekochte Milch dagegen läßt Typhuskeime progressiv ohne Entwicklungs-
hemmung, wenn auch anfangs relativ langsam, sich vermehren, wie es schon mehr
oder weniger bekannt °) ist, und wie einige eigene Versuchsreihen, die in diesem
Zusammenhange nicht weiter angeführt werden sollen, zeigten.
1) Lentz, Volkswohlfahrt 1925. S. 361.
2) Hannsen, The bactericidal property of milk. (Brit. Journ. of exp. Pathol.
1924. No. 5. Ref. Centralbl. f. d. ges. Hyg. Bd. 10. 1925. S. 26.)
3) E. Henninger, Arch. f. Hyg. Ba. 97. S. 183.
4) H. Demme, Klin. Wochenschr. 1925. 4. Jahrg. S. 2351.
5) Die ältere Literatur siehe bei Kolle, Klin. Jahrb. Bd. 13. 1905.
6) M. Bub, Centralbl. f. Bakt. Abt. IT. Bd. 27. 1910. S. 321.
7) Stocking, Centralbl. f. Bakt. Abt. I (Ref.) Bd. 33. S. 275.
8) Cherman, James and H. R. Curron, The germicidal action of milk.
Proc. of the Soc. Exp. Biol. and Med. Vol. 22. 1925. p. 15—17. Ref. Centralbl.
f. Bakt. Bd. 11. 1926. S. 156. Aeltere Literatur siehe Bei Bindseil, Zeitschr.
f. Hyg. Bd. 84. S. 181. '
Wohlfeil, Zur Methodik des Typhusbazillennachweises in der Milch. 313
Wird also gekochte Milch mit Typhusbazillen in Berührung gebracht, so ist
die Möglichkeit einer schrankenlosen Vermehrung derselben beim Fehlen der Kon-
kurrenz durch die saprophytischen Milchbakterien gegenüber der Rohmilch noch
um ein Beträchtliches gestiegen.
Zu den gewöhnlichen und leicht nachweisbaren Milchbewohnern
der käuflichen rohen Marktmilch gehören in erster Linie Strepto-
coccus lact. und Bact. coli. Diese :sind es, welche durch die
Säurebildung und durch ihr schnelles Wachstum die Vermehrung ein-
gedrungener Typhuskeime hindern, vor allen Dingen aber deren Nach-
weis mit den gebräuchlichen Methoden (Ausstreichen auf Endo- und
Drigalski-Platten) erschweren. x
Die Infektion der Milch mit Typhusbazillen wird in der Mehr-
zahl der Fälle durch Fäzes, seltener durch Urin erfolgen. Der Kot
enthält daneben immer Colibazillen. Man muß also bei der Infektion
der Milch mit Typhusbazillen auch stets eine solche mit Bact.
coli erwarten. Hierbei wird das Verhältnis von Typhus zu Coli im
günstigsten Falle wie 1:1 sein. Zu den in der Milch bereits vorhandenen
Colibazillen, die man bei Feststellung des Colititers schon in aus-
gezeichneter Vorzugsmilch findet, kommen noch reichlich Colibazillen
aus den Fäzes hinzu. Trotz des Vorhandenseins dieser Saprophyten
müssen die eingebrachten Typhusbazillen in der Milch, wie die großen
Milchepidemien annehmen lassen, eine beträchtliche Vermehrung er-
fahren, ihr Nachweis aber wird insbesondere durch die mindestens
parallel gerichtete Wachstumsgeschwindigkeit des Bact. coli zu einer
schwierigen Aufgabe.
Eine Methode der Wahl existiert für die Praxis noch nicht. Solche,
wie z. B. die von Demme!) angegebene Anreicherung in Galle
mit Kombination der Friedbergerschen ?) Filtrierpapier - Steige-
methode kommt wegen ihrer Umständlichkeit und letzthin auch nicht
größeren Sicherheit kaum in Betracht.
Auf Grund der angeführten Ueberlegungen und Erfahrungen muß
eine Methode zum Nachweis von Typhusbazillen in der Milch folgende
Erfordernisse erfüllen:
1) Die Ausschaltung der Bakterizidie der Milch und ihre Um-
wandlung zu einem für pathogene Darmbakterien, insbesondere Typhus-
bazillen günstigen Nährboden; 2) die Ausschaltung von Strepto-
coccus lact; 3) die Zurückdrängung von Bact. coli.
In einer Reihe von Vorversuchen suchte ich zunächst den beiden
letzten Anforderung gerecht zu werden.
Die Anreicherung in der Milch enthaltener Typhuskeime durch Verwendung
der Milch selbst als Nährsubstrat verhindert der Streptococcus lacticus, der
durch zunehmende Säuerung der Milch diese als Nährboden für Typhusbazillen bald
wenig geeignet macht. Dem entspricht die Erfahrung (Jacobsen), daß eine Neu-
tralısation gesäuerter Milch das Wachstum pathogener Bakterien in derselben be-
fördert. Das Verbot der Neutralisation der Milch mit Soda in milchwirtschaft-
lichen Betrieben, die nur durch die Kriegsverhältnisse gerechtfertigt war [Hilgers
1) H. Demme, Klin. Wochenschr. 1925. S. 2351, und H. Demme [Dissert.],
Rostock 1924; vgl. auch Siitterlin u. Demme, Centralbl. f. Bakt. Abt. I.
Orig. Bd. 94. H. 34.
2) E. Friedberger, Münch. med. Wochenschr. 1919. S. 1372.
314 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
und Lapp!)] ist daher auch vom seuchenhygienischen Standpunkt aus zu be-
üßen. Nach den Angaben von Svanberg liegt das Wachstumsoptimum des
Streptococcus lact. bei einer PH 6. Eine PH von 7,9 kann er gerade noch
überwinden, während die meisten Milchsäurestäbchen schon bei einer PH von 7,1 ent-
wicklungsfähig sind. husbazillen dagegen wachsen bei der angegebenen PH noch
üppig genug, wenn sie freilich auch einen etwas sauren Nährboden bevorzugen. Durch
Abalslerung der Milch bis zu einer PH 8 gelingt es also leicht, Streptococcus
lact. praktisch auszuschalten. Damit läßt sich den Typhusbazillen eine sapro-
phytische Konkurrenz nehmen, ohne ihre Lebensfähigkeit wesentlich zu be-
einträchtigen.
Als schwieriger stellte sich, wie es ja zu erwarten war, die Zurückdrängung
des nach einiger Feit des Aufenthaltes in der Milch bei höherer Temperatur als etwa
4° alles überwuchernden Bact. coli heraus.
Die elektive Züchtung von Typhusbazillen aus Typhus- Coli-Gemischen, wie
z. B. infizierten Stühlen, ist auch heute noch ein leidiges Kapitel der Bakteriologie.
Es lag nun keineswegs im Rahmen meiner Aufgabe, nach einem neuen, Coli-hem-
menden Mittel zu fanden. Man kennt wenig chemische Substanzen, die nicht schon
einmal zum Gegenstand der Untersuchungen gemacht worden sind. Die Versuche,
durch Farbstoffgiftwirkung?), 5), 4) Typhus- und Colibazillen isoliert zu treffen,
haben sich ebensowenig für die Praxis als brauchbar erwiesen, als etwa die Iso-
hering durch Adsorption, Trockenmethoden #) und anderes mehr.
on den chemischen Verfahren erschienen in diesem Zusammenhange eher einige
der Nachprüfung wert. Ganz kurz — es erübrigt sich, in diesem Zusammenhange
eine erschöptende Zusammenstellung der fast unübersehbaren Literatur zu geben —
wäre zu erwähnen, daß u. a. eine gewisse, halbspezifische Wirkung dem Koffein 5), ®)
und dem Petrol-Aether”?), 8) zugeschrieben worden ist. Alle die bereits erprobten
chemischen Verbindungen haben mehr oder weniger Anlaß zu Kritik und Ablehnun
gegeben. Vielleicht bewährt sich eine von L. Müller°) angegebene Methode, bei
der als Coli-hemmendes Mittel Salze der Tetrathionsäure (Natrium-Tethrathionat)
angegeben worden ist, in der Praxis besser.
In den vorliegenden Versuchen erprobte ich zunächst einmal die
Wirkung des Koffeins und des Petrol-Aethers. Die Prüfung der Coli-
hemmenden Wirkung jener in Milch geschah nach folgender Methode:
Eine bestimmte Menge roher Milch, die auf Grund obiger Ueberlegung
bei diesem Versuche meist mit Typhus- und Colibazillen zu gleichen
Teilen infiziert worden war (je 0,1 ccm einer Kochsalzaufschwemmung
von etwa 590—900 Millionen Bakterien auf 1 ccm. Die Bakterienzahl
stellte ich zum Teil durch Zählung mit der Bürkerschen Zähl-
kammer, zum größten Teil durch Gießen von Platten nach 1 million-
facher Verdünnung der ursprünglichen Aufschwemmung fest), wurde
bis zum Phenophthalein-Umschlag mit steriler, 10proz. Sodalösung
neutralisiert. Damit war im allgemeinen bei einer pH von ungefähr
8 Streptococcus lact. praktisch ausgeschaltet. Dann wurde die
Milch nach den Angaben von Schuscha! mit Petrol-Aether ver-
setzt und einige Zeit geschüttelt. Nach 3—15stünd. Brutschrankaufent-
halt strich ich 2—3 Oesen auf Endo- und Drigalski-Nährboden aus.
1) Hilgers u. Lapp, Ges. Ing. Bd. 43. S. 353.
2) Oesterlin, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 94. S. 313.
3) Sartorius, Ibid. Abt. 1. Orig. Bd. 99. H. 4.
4) Die ältere Literatur siehe u. a. bei Kraus-Uhlenhuth, Handb. d.
mikrobiolog. Techn. Berlin 1923. Bd. 2. Abt. 3 u. 4.
5) Roth, Arch. f. Hyg. Bd. 94. S. 199.
6) Weitere Literatur siehe bei Kolle u. Wassermann, Handbuch d.
pathog. Mikroorg. 2. Aufl. Bd. 3. 1913. S. 746—747.
) Bierast, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. 74. S. 348.
8) Weitere Literaturangaben außer der bei 4. u. 6. genannten bei Fried-
berger-Pfeiffer, Lehrb. d. Mikrobiol. 1919. Kap. XII.
9) L. Mueller, Compt. rend. de Biol. T. 84. No. 24, p. 433. 1923; Referat
Centralbl. f. d. ges. Hyg. 1924. Bd. 6. S. 215.
10) Schuscha, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 82. H. 1.
Wohlfeil, Zur Methodik des Typhusbazillennachweises in der Milch. 315
Die Experimente, deren Ergebnisse im einzelnen hier nicht mitgeteilt
werden sollen, führten zu keinem brauchbaren Resultat.
Es ließen sich Typhus-Kolonien auf den Platten nur sehr vereinzelt, neben
reichlich Bact. coli, vorfinden. Von den Typhus- verdächtigen Kolonien wurde
nach der Prüfung auf Beweglichkeit Traubenzucker-Agar-Stich-Kulturen und Manit-
bouillon-Kulturen angelegt und die Agglutination mit hus-Immunserum an-
pre Da ich die Erfahrung machte, daß auf Drigalski-Agar die durch
etrol-Aether, Koffein usw. anscheinend in ihrer Lebensfähigkeit beeinträchtigten
Coli- und Typhusbazillen, vielleicht wegen des Kristallviolett-Zusatzes, schlechter
als auf Endo-Agar wuchsen, benutzte ich in späteren Versuchen nur noch den
Fuchsin-Agar zur Differentialdiagnose. l
In einer weiteren Vorversuchsgruppe habe ich Milch nach der oben
genannten Behandlung und Bebrütungszeit durch Zusatz von Milchsäure
ausgeflockt, um dann nach Zerreiben der Kasein-Gerinnsel diese auf
Platten auszustreichen. Durch den Ausflockungsprozeß werden bekannt-
lich in der Milch enthaltene Keime in dem Gerinnsel eingeschlossen.
Außerdem legte ich Kulturen von der zurückbleibenden Molke an. In
beiden Fällen wuchsen nur ganz vereinzelt Typhus-Kolonien, von Coli-
Kolonien in großer Zahl umgeben.
In weiteren Versuchen erprobte ich die Wirksamkeit des Koffeins,
dessen wirksame Konzentrationen zwischen 0,4 und 0,6 Proz. liegen.
Ich verfuhr in zahlreichen Vorversuchen so, daß ich mit Typhus- und
Colibazillen infizierte Milch mit 1 ccm physiol. Kochsalzlösung ver-
setzte, die 6 Proz. in der Hitze gelöstes Koffein enthielt. Nach 12
bis 18stünd. Brutschrankaufenthalt erfolgte wieder das Ausstreichen
einer Oese Milch auf Endo- und Drigalskiagar. Auch hier waren
anfangs bei Vorhandensein von Bact. coli Typhusbazillen nur sehr
vereinzelt nachweisbar, die Colibazillen freilich schon in merklich
höherem Maße zurückgedrängt, als bei den oben genannten anderen
Verfahren.
Die angegebene Infektionsdosis war im übrigen so groß gewesen, daß sich un-
mittelbar nach der Infektion meist Typhuskeime nachweisen ließen. Stellt man durch
papes fest, eine Oese Milch enthält etwa 2,4 mg Flüssigkeit und 10 cem
Koffein-Milch sind im Mittel etwa 10,4 g schwer, so kann also unmittelbar nach
der Infektion der Milch mit einer Dosis von z. B. 59000000 Bazillen pro 10 ccm
Milch mit einem Bakteriengehalt pro Oese von 14—15000 Typhus- oder Coli-
keimen gerechnet werden.
Die geringe Nachweisbarkeit der Typhusbazillen nach dem zur An-
reicherung bei den. genannten Methoden notwendigen Brutschrank-
aufenthalt konnte zurückzuführen sein auf eine Giftwirkung der zu-
gesetzten Chemikalien, auf die relativ starke Alkalisierung, auf die
bakterizide Wirkung der rohen Milch oder auf die Tatsache, daß für
Typhusbazillen die Milch in diesem Zustande ein ungewohnter Nähr-
boden war, während das widerstandsfähigere Bact. coli schneller
fortkam. Von diesen beiden Faktoren waren es zweifellos die beiden
letzteren, da eine Ausschaltung derselben mit der im folgenden be-
schriebenen Methode zu einem weitaus leichteren Nachweis der Typhus-
bazillen führte.
Nach den Versuchen Henningers mildert oder beseitigt ein ge-
wisser Zusatz von Nährbouillon zur Milch ihre keimtötende Kraft.
Bouillonzusatz zu irgendeinem Medium, in welchem Bakterien schlecht
fortkommen, ist weiterhin nach den Ergebnissen von Loeffler und
316 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
Riegler!) geeignet, die Atmung und Lebensfähigkeit der Bakterien
so zu steigern, als ob sie in Bouillon wachsen.
Die Erfahrungen jener Autoren veranlaßten mich daher, eine im
folgenden beschriebene Methode auszuprobieren: 7,5 ccm der infizierten
Milch wurden mit 2,5 ccm neutraler Nährbouillon versetzt, der als
Coli-hemmende Stoffe Koffein u. a. zugesetzt werden konnte. Die
gesamten 10 ccm Bouillonmilch alkalisierte ich dann mit 10proz.
steriler Sodalösung bis zum Phenolphthalein-Umschlag. Von der ver-
arbeiteten Milch wurden sofort einige Endoplatten angelegt; dann
kamen sie für bestimmte Zeiten, die bei den Versuchen variiert wurden,
in den Brutschrank von 37°. Nach der entsprechenden Stundenzahl
wurden wieder Endoplatten ausgestrichen.
Es ist nun bekanntlich schwierig, das quantitative Wachstum von
Bakterien auf Platten exakt wiederzugeben. Meist haben sich die
Autoren damit begnügt, anzugeben, ob auf den beimpften Platten ein
reichliches oder geringes Bakterienwachstum eingetreten war, ob die
Kolonien groß oder klein gewesen waren und anderes mehr. Mir kam
es bei diesen Versuchen neben der Nachweisbarkeit von Bac. typhi
vor allen Dingen auf das Verhältnis der durch ihr Wachstum nach-
nachbaren Typhus- und Colikolonien an. Auf den sorgfältig nach
der Kruseschen Methodik in 3 Verdünnungen ausgestrichenen Platten
wurden daher nach 18—24 Std. Bebrütung in jenem Bereich — meist
dem letzten Drittel der Platte —, in welchem die Kolonien isoliert
standen, die Typhus- und Colikolonien gezählt. Um vergleichbare
Werte zu erhalten, rechnete ich die absoluten Zahlen auf Prozentzahlen
um. Da bei etwaigem, ungleichmäßigem Ausstreichen der Platten Ver-
suchsfehler herauskommen konnten, wurde stets mehr als eine, meist
3—6 Platten, von jedem Versuchsröhrchen angelegt und das Mittel
aus ihnen genommen.
Die Infektion einer Milch wird im allgemeinen an 3 Stellen er-
folgen können: 1) beim Melken, 2) beim Umgießen der Milch an den
Sammelstellen, z. B. Molkereien und 3) an den Verkaufsstellen. Jedes-
mal treffen die hineingeratenen Typhusbazillen auf eine andere Be-
schaffenheit der Milch. Die eben gemolkene Milch hemmt das Wachstum
vorübergehend auf Grund der eigentlichen Bakterizidie. In einer
Milch, die längere Zeit bei Zimmertemperatur gestanden hat, ins-
besondere jene Milch der Verkaufsstellen werden Typhusbazillen auf
reichlich Saprophyten stoßen. Um nun in den Versuchen diese Ver-
hältnisse möglichst nachzuahmen, wurde mit einer sehr keimarmen
Vorzugsmilch (Vitamina-Milch, Domäne Waldau bei Königsberg), die
etwa der Milch kurz nach dem Melken entsprach, und mit gewöhnlicher,
käuflicher Marktmilch experimentiert.
Die folgenden, durch Tabelle I gegebenen, mit Vitamina-Milch
ausgeführten Versuche dienten methodologischen Zwecken. Es wurde
zur Beantwortung zuerst einmal die Frage aufgeworfen: Genügt zur
Förderung des Wachstums der Typhusbazillen gegenüber den Coli-
bazillen allein schon der Zusatz von 25 Proz. Bouillon zur Milch
zum Zwecke einer guten Nachweisbarkeit oder ist noch als Coli-
hemmendes Mittel Koffein-Zusatz und eventuell zur Hemmung der
grampositiven Bakterien Kristallviolettzusatz zu empfehlen. Koffein
1) E. Löffler u. R. Riegler, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 99.
H. 1—3.
Wohlfeil, Zur Methodik des Typhusbazillennachweises in der Milch. 317
in Milch (d. h. eigentlich Kaffee mit Milch) scheint ja nach Dold!)
eine relativ geringe bakterienfeindliche Wirkung gegenüber den Typhus-
bazillen und insbesondere Paratyphusbazillen aufzuweisen. Zu diesem
Zwecke wurde Milch in der aus den Tabellen ersichtlichen Weise mit
Typhus- und Colibazillen in physiol. NaCl-Aufschwemmung infiziert
und in der einen Versuchsreihe mit 25 Proz. Bouillon, in der 2. Ver-
suchsreihe mit 25 Proz. Koffein-Bouillon (1,2 Proz. Koffein) und in
der 3. Versuchsreihe mit 25 Proz. Koffein - Kristallviolett - Bouillon
(1:25000) versetzt (Tabelle I a).
Tabelle Ia.
Versuch am 15.7.1926. Vitamina-Milch mit 25-proz. Bouillon-Zusatz.
7,5 cem Milch $ ; F
7 $ Einsaat auf 10 ccm Milch
2,5 Bouillon
nn husbaz. 98 000 000 = 46,5 Proz.
0,6 ,„ 10-proz. Sodalösung Typ —0,1 cem} 5.’
0,1 k Ty- und Coliaufschw. Colibaz. 112 000 000 | 2 53,5 ,
Endoplatte I Endoplatte II Endoplatte III Mittel
Std. ezählte |. ezählte |. ezählte |. i
olonien lin P 702.) Kolonien |” Proz.| Kolonien in Prva, in Proz. er
2 Ty : 38 35 Ty : 92 48 Ty :19 35 Ty =39,3
Coli: 52 | 65 Coli : 100 52 Coli : 29 65 Coli — 60,7
3 Ty : 61 70 Ty : 33 71 Ty :39 35 Ty =42
Coli: 20 30 Coli : 127 79 Coli : 73 65 Coli = 58
4 Ty : 10 19 Ty : 17 46 Ty :11 15 Ty = 26,6
Coli: 42 81 Coli: 21 54 Coli : 63 85 Coli = 73,4
5 Ty : 2 1 Ty : 17 24 Ty :36 30 Ty —18,3
Coli : 197 99 Coli: 54 76 Coli : 78 70 Coli = 81,7
6 Ty a,l 1 Ty : 25 18 Ty :5 19 Ty =126
Coli: 98 99 Coli : 57 82 Coli : 25 81 Coli = 87,4
Tabelle Ib.
Versuch am 15. 7. 1926. Vitamina-Milch mit 25-proz. Koffein-
EN Bouillon-Zusatz,
7,5 cem Mile : :
, > R Einsaat auf 10 cem Milch
2,5 ,, Koffein-Bouillon
0,6 ,, 10-proz. Sodalösung aie ao \ =0,1 cem er Proz.
Gl. |; Ty- und Coliaufschw. : dats
Endoplatte I Endoplatte II Endoplatte III A
Std ählte ezählte ezählte i sp eee
š : IA > i Z.
olonien. |" Proz. olonien in P no Kolonien in Proz. nn
2 Ty :24 28 Ty : 12 50 Ty :18 56,5 Ty =44,8
Coli : 36 72 Coli: 12 50 Coli: 14 43,5 Coli = 55,2
3 Ty :39 71 Ty : 45 59 ı Ty :22 61 Ty =64
Coli:16 | 29 Coli: 31 41 Joli : 14 39 Coli — 36
4 :40 | 66,7 Ty : 65 76,5 : 34 69,6 Ty —67,6
Ty Ty :
Coli:20 | 33,3 | Coli: 33 | 33,5 Coli : 15 30,5 | Coli= 32,4
5 Ty :66 55 Ty : 40 66 Ty :58 74,5 Ty =61,8
Coli : 55 45 Coli: 21 | 34 Coli : 21 25,5 Coli — 38,2
6 Ty :78 64 Ty :115 60 Ty :35 48 Ty —51
Coli : 44 36 Coli: 75 40 Coli: 49 52 Coli = 46
1) H. Dold, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 92. 1921. S. 30.
318
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
Tabelle Ic.
Versuch am 15. 7. 1926. Vitamina-Milch mit 25-proz. Koffein-
Kristallviolett-Bouillon-Zusatz,
7,5 cem Milch 3 r
25 , Koffein-Kristallv.-Bouillon Typhusbaz. 98 er auf 10 46,5 Aueh
0,6 , 10-proz. Sodalösung Clibaz ‘ 112.000 000 = 0,1 cem \ 535 Rs
0,1 „ Ty- und Coliaufschw. a E
Endoplatte I Endoplatte II | Endoplatte III | 2
Std. | gezählte |. ezählte |. | gezählte |. N
olonien |!” Pros. olonien |!” Proz. olonien |" P 102) a ;
2 | Ty :36 53 Ty :37 38 Ty :32 | 46 Ty =
Coli : 32 47 Coli:60 | 62 | Coli:37 54 Coli = 54
3 Ty :50 58 Ty :45 50 Ty :22 41 Ty =49,7
Coli : 36 42 Coli:45 | 50 Coli : 32 59 Coli = 50,3
4 Ty :15 30 Ty :80 53 Ty :43 42 Ty =42
Coli : 30 70 Coli : 91 47 Coli:60 | 58 Coli — 58
5 : 72 64 : 44 64 Ty :37 35 Ty —54,4
Ci :41 36 Ohi : 25 36 Coll:66 65 Coli — 45,6
6 | Ty :39 45 °:18 50 Ty :35 65 Ty =43,4
Coli: 49 55 Qi :18 50 Coli : 19 35 Coli = 56,6
In diesem Zusammenhange ist ferner die Feststellung wichtig,
wann die quantitative Scheitelhöhe der Typhusbazillenkurve erreicht
Typhuskolonien : Colikolonien
0
nach2
Kurve 1.
Milch + Bouillon.
+ Koffein-Bouillon.
» + Koffein-Kristall-
violett-Bouillon.
hemmende Wirkung.
ist, ehe Streptococcus lact. nach
Ueberwindung des hemmenden Einflusses
der Alkalisierung in den Vordergrund
tritt. Aus diesem Grunde wurden von
der beimpften und vorbehandelten Milch
Platten nach 2—6 Std. ausgestrichen.
Ließ sich feststellen, daß ein gewisses
Wachstumsoptimum der Typhusbazillen -
schon in kürzerer Zeit als 12—18 Std.
zu beobachten war, so würde dies eine
merkliche Beschleunigung der Anreiche-
rung z. B. gegenüber der von Demme
angegebenen Methode bedeuten.
Vergleicht man nun die Ergebnisse
der 3 Versuchsreihen (die mittleren Pro-
zentzahlen sind in Kurvenform dargestellt,
Kurve I), so ergibt sich, daß die Kurve,
welche den Nachweis der Typhusbazillen
in der Koffein-Bouillon-Milch darstellt,
am höchsten liegt. Bei alleinigem Bouil-
lonzusatz überwuchert Bact. coli in
weit höherem Maße den Typhusbazillus,
während die Kurve des Koffein-Kristall-
violettzusatz überlegen ist. Koffein hat
hier in der Milch also auch eine Coli-
Im Verein mit Kristallviolett, wie es Ficker1)
ursprünglich angegeben hat, scheint es aber eine größere Hemmungs-
1) M.
Ficker,
W. Hoff
wirkung auf Typhusbazillen auszuüben als ohne diesen Farbstoff. Nach
mann: Arch. f. 229.
lyg. Bd. 9. S.
Lil
Wohlfeil, Zur Methodik des Typhusbazillennachweises in der Milch. 319
Tabelle Ia.
Versuch am 19.7.1926. Vitamina Milch mit 25-proz. Bouillon-Zusatz.
7,5 ccm Milch
25 » Bouillon husbaz. 72000000) 07 mn je 40 Proz.
0,65 „ 10-proz. Sodalösung phusbaz, = 0,1 ce m {= roz
01 x Ty- und Coliaufschw. è Rines 78 000 000 } = 50,5 S
Endoplatta I | Endoplatte II | Endoplatto ILI Endoplatte. IV Mittel
Std.| gezählte ezählte | in |gezählte | in | gezihlte in Proz.
olonien | Proz. olonien | Proz. | Kolonien | Proz. | Kolonien Proz:
3 |Ty : 8| 28 |Ty : 33| 24 | Ty :1 17 | Ty :1 1 Ty =20
Coli : 21 72 |Coli:105| 76 | Coli:5 | 83 | Coli:8| 8 Coli = 80
4 | steril . [Ty : 13) 25 steril ; steril i Ty =25
; . |Coli: 40) 75 3 3 A ; Coli = 75
5 | Ty : 1 5 |Ty : 3| 13 ‘ A steril à Ty = 9
Coli:20 | 95 |Coli: 20| 87 steril k = : Coli = 91
6 | Ty : 0 . |Ty : 4 8 ; i : Ty = 4
| Coli: 9 | 100 |Coli: 41| 92 steril : steril Coli = 96
Tabelle IIb.
Versuch am 19. 7.1926. Vitamina-Milch mit 25-proz. Lymphdrüsen-
Bouillon-Zusatz.
7,5 cem Milch
+ : Einsaat auf 10 cem Milch
55," Iymphdrüsen-Bouillon myphusbaz. 77 000 000 {498 Proz.
0,65 „ ee Sodalösung Golibas 78.000.000 ¢ — 9,1 cem —505
01 » Ty- und Coliaufschw. a ?
Endoplatte I _Endoplatte II Endoplatte III | Endoplatte IV Mittel
Std. | gezählte | in | gezählte ezählte | in ezählte | in in Proz.
olonien | Proz. | Kolonien trea: Kolonien | Proz. | Kolonien | Proz. =
3 | Ty :31 | 63,5 | Ty :37 | 43 |Ty :26 48 | Ty :16 | 41 | Ty = 42,1
Coli:18 | 36,5 | Coli:49 | 57 | Coli:28 | 52 | Coli:23 | 59 | Coli = 57,9
4.1 Ty : 31 13 |Ty:5 8 |Ty:8| 20 | Ty : 5| 16 | Ty =143
Coli:21 | 87 | Coli:41 | 92 | Coli:33 | 80 | Coli:57 | 84 | Coli = 85,7
5 | Ty : 2 5. |Typ.:2 |: 11 | Ty +8 7 | Ty : 3 8 | Ty = 8
Coli:44 | 95 | Coli:16 | 89 | Coli:42 | 93 | Coli:30 | 92 | Coli = 92
6 | Ty : 6| 20 |Ty : 5 | 11 | Ty : 0 > Ty:5| 21 /Ty =13
Coli:25 | 80 | Coli:42 | 89 | Om: 13 | 100 | Coli:19 | 79 | Coli=87
Tabelle II c.
Versuch am 19. 7. 1926. Vitamina-Milch mtt 25-proz. Lymphdrüsen-
Koffein-Bouillon- Zusatz.
7,5 cem Milch
25 , Lymphdr-Koff-Bouillon qynhusbaz. 77000001 a 12-405 Proz.
0,65 „ 10-proz. Sodalösung Golibuz. 78000 ooo } = 0,1 com | = 505
01 „ Ty- und Coliaufschw. ss ites
Endoplatte I | Endoplatte II | Endoplatte III | Endoplatte IV Mittel
Std. | gezählte | in |gezählte
in ezählte | in ezählte in in Proz.
olonien | Proz. | Kolonien
Proz. | Kolonien | Proz. | Kolonien | Proz.
3 [Ty :15| 19 |Ty :21| 22 | Ty :34| 40 [Ty :16| 34 | Ty =
Coli:64 | 81 | Coli:77 | 78 | Coli:50 | 60 | Coli:31 66 | Coli = 71
4 | Ty :ı| 19 |Ty : 9 | 28 | Ty :12 | 34 | Ty :16 | 50 | Ty — 33
Coli:21 | 81 | Coli:21 | 72 | Coli:24 | 66 | Coli:16 50 | Coli = 67
5 : 3] 15 |Ty : 9] 38 |Ty : 6! 26 |Ty : 5 30 | Ty =
Obi :17 | 85 | Coli:15 | 62 | Coli:18 | 75 | Coli:12 70 | Coli= 73
6 | Ty : 1 8 |Ty : 3] 23 | Ty : 9| 23 | Ty : 0 z Ty = 13,5
Coli: 12 | 92 | Coli:10 | 77 | Coli:30| 77 | Coli: 7 | 100 | Coli = 86,5
320 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
diesen Versuchen würden 25 Proz. Koffeinbouillonzusatz die benutzten
Bact. coli-Stämme um etwa 40 Proz. gegenüber den verwendeten
Typhusstämmen zurückzudrängen imstande sein.
In dem Bestreben, einen Elektiv-Nährboden für Typhusbazillen
bei diesen Versuchen ausfindig zu machen,” wurde versuchsweise, statt
gewöhnlicher Nährbouillon Lymphdrüsenbouillon aus menschlichen Me-
senterial-Lymphdrüsen der Milch zugesetzt. Die Tatsache, daß sich
pathologisch-anatomisch die Typhuserkrankung in den Lymphfollikeln
des Darmes lokalisiert, konnte einen solchen Versuch lohnend erscheinen
lassen. Die Experimente ergaben, wie Tabelle II und Kurve II zeigen,
nach 3 Std. eine im Verhältnis zum gewöhnlichen Bouillonzusatz relativ
günstige Nachweisbarkeit von Bact. typhi.
Nach 4 und mehr Stunden war die Nachweisbarkeit jener Bak-
terien bei gewöhnlicher Bouillon besser. Bei Zusatz von Koffein zur
Lymphdrüsenbouillon lag die Kurve der Nach-
Versuch am 19. 7.1926. weisbarkeit über jener der beiden erstge-
nannten.
Vergleicht man die Ergebnisse von Ta-
belle IIa mit den in Tabelle La angeführten,
so ist bei [la eine merklich schlechtere Nach-
weisbarkeit von Typhusbazillen im Verhältnis
zu Coli-Bazillen festzustellen. Im allge-
meinen scheint nach den Erfahrungen an
diesem und anderem, hier nicht tabellarisch
mitgeteilten Material die Größe der Einsaat
von Bedeutung zu sein. Mit einer gewissen
Einschränkung ist zu sagen: Je größer die
Einsaat von gleichen Teilen von Typhus- und
Coli-Bazillen, umso leichter ist der Nach-
= Milch t iow. Boul: weis von Typhusbazillen gegenüber Coli-
on.
: Bazillen.
Seis page eu Aus den Versuchen mit Ersatz der ge-
Benz = Milch + Lymph- Wöhnlichen Nährbouillon durch menschliche
drüsen - Koffein- Lymphdrüsenbouillon ging jedenfalls eine be-
bouillon. achtenswerte Förderung des Typhusbazillen-
Wachstums durch letztere nicht hervor.
In weiteren Versuchsreihen — auf die tabellarische Darstellung
dieser Resultate soll verzichtet werden — wurde nun von anderer Seite
Milch mit Coli- und Typhusbazillen, allein mit Colibazillen usw. in
verschiedensten Dosierungen infiziert und nach 3—5stünd. Stehen
mir zum Typhusbazillennachweis übergeben. Es zeigte sich, daß noch
bei einer Infektionsdosis von 468720 gezählten Colikeimen und
322560 gezählten Typhuskeimen auf 5 ccm Milch letztere Bazillen
nach Zusatz von 25proz. Koffeinbouillon und erfolgter Alkalisierung
in etwa 10 Proz. nachzuweisen waren.
Eine weitere Frage war die, nach wie langer Zeit noch Typhus-
bazillen mit der angegebenen Methode in Milch festzustellen sind.
Nach Demme!) gelang dies bei nur mit Typhusbazillen infizierter
Milch, die im Eisschrank stand, meistens bis zu 4 Wochen. Wurde
die infizierte Milch bei Zimmertemperatur stehen gelassen, so konnte
er noch nach einer Woche Typhusbazillen herauszüchten. Man muß
1) a. a O.
Wohlfeil, Zur Methodik des Typhusbazillennachweises in der Milch. 321
nun aber die Versuche Demmes, so interessant sie auch in ihren
Ergebnissen sind, nach dem früher Gesagten als wirklichkeitsfremd
betrachten. Wird eine Milch mit Typhusbazillen infiziert, so geschieht
es, wie man wohl mit größter Wahrscheinlichkeit anzunehmen be-
rechtigt ist, nicht, ohne daß auch gleichzeitig mindestens ‘in gleicher
Menge Colibazillen in dieselbe gelangen. Wir haben daher gerade
auch bei diesen Versuchen Milch meist mit Typhus- und Colibazillen,
zum kleinen Teil, um die Demmeschen Resultate nachzuprüfen, allein
mit Typhusbazillen infiziert und ihre Nachweisbarkeit mit der an-
gegebenen Methode geprüft.
Zuerst prüfte ich die Brauchbarkeit der Methode an einer Milch,
die einer solchen, gleich nach dem Melken infizierten entsprach.
Zu diesem Zwecke mit Typhusbazillen versetzte Vitamina-Milch
(0,5 ccm einer Typhusbazillenaufschwemmung = 900 Millionen Keime
auf 100 ccm Milch) wurde erstmalig nach einem Monat, dann nach
11/, Monaten Aufenthalt auf Eis untersucht. Tabelle III, in welcher
Tabelle ITI.
Versuch am 8. 9. 1926. 100 cem Vitamina-Milch
(leicht sauer) infiziert am 8. 8 1926 mit 0,5 ccm
Typhusbaz.-Aufschw. = 900 Mill. Keime.
++++ =sehr reichlich
7,5 cem Milch +++ =reichlich
2,5 „ Koffeinbouillon ++ = wenig
12 „ 10-proz. Sodalösung + = vereinzelt
— = negativ
Std. Kontrolle N
a b
sofort Ty + Ty + Ty +
3 Sy he I le Ty +++
4 Ty + Ty ++ Ty ++
5 Ty ++ Ty +++ Ty ++++
6 Ty + Ty +++ Ty +++
7 Ty + Ty +++ Ty +++
8 Ty + Ty ++ Ty -+
20 Ty = Ty++++ | Tr++++
die Stärke des Wachstums der Typhusbazillen mit +++ bis — an-
gedeutet wird, bringt die Tatsache, daß ohne jede Schwierigkeit auch
nach einem Monat Typhusbazillen nachweisbar sind. Interessant ist
vor allen Dingen hier die sofortige Nachweisbarkeit von Typhusbazillen
durch Ausstrich einiger Oesen Milch. Es waren also auch trotz der
geringen Einsaat, jene Bakterien ohne die genannte Methode, wenn
auch nur vereinzelt, zu finden. Nach 3 Std. Brutschrankaufenthalt
sind sogar aus der Milch ohne Koffeinbouillonzusatz sehr reichlich
Typhusbazillen zu isolieren gewesen. Nach längerer Zeit (4—6 Std.)
sind Typhuskolonien nur noch vereinzelt — siehe Kontrollreihe —
vorhanden, nach 20 Std. überhaupt nicht mehr, stark überwuchert von
Bact. coli und Streptococcus lact. Betrachtet man aber die
Ergebnisse bei Koffeinbouillonzusatz, so ist aus ihnen wieder eine,
durch Colihemmung und Zurückdrängung von Streptococcus lact.
fördernde Wirkung des Wachstums von Typhusbazillen unverkennbar.
Die Tatsache, daß auch ohne Anreicherung Typhusbazillen nach
einem Monat beim gewöhnlichen Ausstrichverfahren nachweisbar ge-
Erste Abt. Orig. Bd. 101. Heft 6/7. 21
322 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
wesen sind, ist wohl aus der relativen Keimarmut der benutzten
Vitamina-Vorzugsmilch zu erklären. Für das Absterben pathogener
Keime in infizierter Milch scheint zu einem späteren Termin als direkt
nach dem Melken weniger die eigentliche Bakterizidie derselben, als
vielmehr das Ueberwuchern von Saprophyten und die Schädigung durch
deren Stoffwechselprodukte in Frage zu kommen. Tab. IV bringt die
Resultate der Untersuchung der gleichen Milch nach ca. 11/, Monaten.
Hier wurde nun, um einen besseren Masstab für die Größe des Typhus-
bazillenwachstums zu haben, in der früher angegebenen Weise die An-
zahl der Typhuskolonien gegenüber der Anzahl der Milch-Colikolonien
(resp. Coli aérogenes) ausgezählt. Außerdem führte ich zum Ver-
gleich die Demmesche Methode der Anreicherung in Galle zusammen
mit der Filtrier-Papier-Steigmethode durch.
Tabelle IV.
Versuch am 24. 9.1926. Vitamina-Milch (stark sauer) vom 9. 8. 1926
auf His stehend.
7,5 cem Milch
2,5 , Koffeinbouillon
2,0 , Sodalésung
| Endoplatte I | Endoplatte II _Endoplatte III | Endoplatte IV | Mittel
Std. | gezählte | in | gezihlte| in |gezählte | in |gezählte | in | in Proz.
olonien | Proz. | Kolonien | Proz. | Kolonien | Proz. | Kolonien | Proz.
sofort) Coli: . | 100 | Coli: . | 100 | Coli: . | 100 | Coli: . | 100 | Coli — 100
3 |Ty : 3 5 : : : . Tyre 5 [Ty = 2,5
Coli:67 |- 95 | Coli: . | 100 | Coli: . | 100 | Coli:20 | 95 |Coli = 97,5
4 s ? f [Ty #1] 6] j . [Ty = 125
Coli: . | 100 | Coli: . | 100 | Coli:18 | 95 | Coli: . | 100 | Coli = 98,75
5 |Ty : 3 8 a Ey (2 Ty = 75
Coli:36 | 92 | Coli: . | 100 | Coli:10 | 78 | Coli 100 | Coli = 92,5
6 |Ty : 2 5 3 ‘ 3 s i + [Ty = 1,25
Coli:38 | 95 | Coli: . | 100 | Coli: . | 100 | Coli: . | 100 | Coli = 98,75
7 |Ty : 1 3. |ITy.,: 2 4 é . |Ty : 2| 29 (Ty = 2
Coli:31 | 97 | Coli:50 | 96 | Coli: . | 100 | Coli:51 | 71 |Coli = 98
8 | Ty : 1 4 : ea : is : . [Ty = 2
| Coli:28 | 96 | Coli: . | 100 ie — = — | Coli — 98
20 | Coli: . | 100 | Coli: . | 100 | Coli: . | 100 | Coli: . | 100 |Coli = 100
Es zeigt sich nun nach 11/, Monaten keine Nachweisbarkeit von
Typhusbazillen bei gewöhnlichem Ausstrich von der unbehandelten
Milch. Erst nach 3stünd. Anreicherung mit Koffeinbouillon sind ver-
einzelt Typhuskolonien herauszufinden; aber auch nicht bei allen
Platten. Das Maximum der Nachweisbarkeit von Typhusbazillen liegt
hier wieder bei einer Zeit von 5 Std. Die nach Demmes Vorschrift
angestellte Untersuchung der Milch ergab nur Coli commune und
Coli aörogenes. Es ist also mit der angegebenen Methode noch
möglich gewesen, Typhusbazillen nach 11/, Monaten in einer Milch,
die etwa der beim Melken infizierten entspricht, wenn auch vereinzelt.
nachzuweisen. Hierbei ist besonders beachtenswert, daß die Infektions-
dosis eine relativ niedrige war.
Infiziert man nun die gleiche Milch mit Typhus- und Colibazillen,
so lassen sich ebenfalls nach längerer Zeit Typhusbazillen nachweisen.
Wohlfeil, Zur Methodik des Typhusbazillennachweises in der Milch. 3923
Hierbei fällt die Größe der Prozentzahl der Typhuskolonien anfangs
schneller, später langsamer ab, wie die folgenden Tabellen zeigen. Bei
den Versuchsreihen, deren Ergebnisse nur graphisch dargestellt, unter
Verzicht auf umfangreiche Tabellen, geboten werden sollen, waren
100 cem Vitamina-Milch mit relativ reichlich Typhusbazillen (ca.
4 Milliarden) und Colibazillen (ca. 3 Milliarden) künstlich infiziert,
bis über 8 Tage auf Eis aufbewahrt und in gewissen Abständen unter-
we
Sofort 3 4 5 6 7
Kurve IV.
(0)
sofort 3 4 5
Kurve III.
Versuch am 10. 8. 1926. 24. Std. Vitamina-Milch infiziert mit Typhus
auf Eis, Vitamina-Milch infiziert mit Ty + Colibazillen. 4 Tage auf Eis.
+ Colibazillen.
sucht worden. Nach den Ergebnissen der Untersuchung nach 24 Std.
(Kurve III) waren gleich nach dem Ausstreichen ohne Anreicherung
Typhusbazillen nachweisbar.
Wird die Milch mit Koffeinbouillon versetzt, so steigt die Nach-
weisbarkeit um ein beträchtliches (siehe ausgezogene Kurve). Aus
der ohne jeden Zusatz in den Brutschrank gestellten Milch sind da-
gegen Typhuskeime nur noch ganz
vereinzelt zu isolieren (siehe punk-
tierte Kurve).
Nach 4 Tagen (Kurve IV) sind
%
25
bei Koffeinbouillonzusatz merklich
weniger Typhuskolonien gegenüber
den Colikolonien in Prozent aus-
gedrückt im Verhältnis zu den Er-
gebnissen der ersten Versuchsreihe
zu finden. In den Kontrollen
ohne Koffein wird der Typhus-
bazillennachweis schnell unmöglich.
Nach 8 Tagen (Kurve V) liegt
die Kurve der Nachweisbarkeit der
Typhusbazillen wieder tiefer als
nach 4 Tagen.
20
10
Sofort 3 4 5 6 7
Kurve V.
Versuch am 16. 8. 1926. Vitamina-
Milch infiziert mit Ty + Colibazillen.
8 Tage auf Eis.
In der Kontrollmilch sind mit einer Ausnahme nur ganz vereinzelt
Typhusbazillen nachweisbar.
Kurve VI gibt neben den 3 Kurven die Mittelkurve. Aus dieser
geht hervor, daß, abgesehen von Zufälligkeiten, um 5 Std. Brutschrank-
aufenthalt herum ein gewisses Maximum der Nachweisbarkeit existiert,
wie es auch frühere Versuchsreihen ergaben. Im Mittel haben sich
nach 24 Std. 25,13 Proz., nach 4 Tagen 17,43 Proz., nach 8 Tagen
21*
324 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
13,34 Proz. Typhuskolonien von 100 gewachsenen Bakterienkolonien
nachweisen lassen. Das würde unter der Voraussetzung der Gleich-
mäßigkeit des Abfallens der Nachweisbarkeit, die in Wirklichkeit nicht
existieren wird, für die ersten 3 Tage, vom 2. Tage an gerechnet im
Mittel einen Abfall von täglich 10,20 Proz., für die zweiten 4 Tage von
täglich 5,87 Proz. bedeuten. Noch nach etwa 20 Tagen müßten rech-
nerisch Typhusbazillen trotz der reichlichen Anzahl von Colibazillen
vereinzelt nachweisbar sein. Wahrscheinlich ist aber die Isolierung
bereits vor dieser Zeit nicht mehr möglich. Die zunehmende Säuerung
durch Streptococcus lact. und Bact. coli, welche nach der
obengenannten Tabelle immer mehr Bact. typhi überwuchern, wird
sicherlich nicht nur in arithmetischer Progression fortschreiten.
Bei den bisher gezeigten Ergebnissen war stets die relativ keim-
arme Vitamina-Milch verwandt worden. Man konnte also mit großer
Wahrscheinlichkeit annehmen, daß sich in ‘gleicher Weise auch eine
sofort beim Melken infizierte Milch verhalten würde.
%
100
nach 24 Std.
30
80
60
nach 4 Tagen
20
Mittelkurve
DA 3 5 6Std.
Kurve VII.
nach 8Tagen Versuch am 23. 8. 1926. 100 ccm
8 Std wöhnliche Mich infiziert mit ca.
: Mill. husbazillen am 22. 8.
Kurve VI. 1926. 24 Std. auf Eis.
Die anschließenden Versuche befaßten sich in der Hauptsache
mit dem Nachweis von Typhusbazillen in roher, käuflicher Marktmilch,
also einer solchen, die mindestens 24 Std. alt war. Letztere enthielt,
wie früher bemerkt, schon von vornherein viel Bact. coli und
lact. aérogenes, die den Nachweis der Typhusbazillen mitunter
sehr zu erschweren imstande waren. Infizierte ich gewöhnliche Roh-
milch allein mit Typhusbazillen, so ließen sich dementsprechend auch
stets in einem gewissen Prozentsatz Colikolonien auf den Platten
finden. Daß aber Koffeinbouillon-Zusatz auch in diesen Versuchen
die Colibazillen und Bact. lact. aérogenes der Milch zurück-
zudrängen imstande ist, beweist die folgende Kurve VII. Bei reich-
lichem Vorhandensein von Typhusbazillen in der infizierten Milch sind
gleich beim Ausstrich fast ausschließlich Typhuskolonien nachweisbar.
Läßt man die Milch aber mehrere Stunden bei Brutschranktemperatur
stehen, so bleibt bei Koffeinbouillonzusatz die Kurve annähernd auf
gleicher Höhe, während sie bei der Milch ohne diese Behandlung merk-
lich abfällt. Im Mittel finden sich bei der Milch ohne Koffeinbouillon-
Wohlfeil, Zur Methodik des Typhusbazillennachweises in der Milch. 3925
Zusatz in diesem Falle 13 Proz. Colikolonien, bei Koffeinbouillon-
Zusatz 4 Proz. derselben.
In Nachahmung der Demmeschen Versuche infizierte ich weiter-
hin ‘gewöhnliche Milch nur mit Typhusbazillen und bewahrte sie bei
Zimmertemperatur von etwa 20° längere Zeit auf. Nach 5—6 Tagen
wurde die sich im total verdorbenen, zum Teil peptonisierten Zustande
befindende Milch mit der angegebenen Methode untersucht. Die fol-
gende Kurve VIII zeigt die erstaunliche Tatsache, daß, wenn auch
nicht sofort, doch nach 3—4 Std. Aufenthalt im Brutschrank Typhus-
bazillen in der Milch ohne .Koffeinbouillon-Zusatz nachweisbar ge-
wesen sind. Nach längerem Verbleiben waren sie auch bei gleichzeitigem
Ausstreichen von 4 und mehr Endoplatten nicht mehr zu finden.
Zugabe von Koffeinbouillon und Alkalisierung führen dagegen langsam,
Kurve VIII.
Versuch am 17. 9. 1926. Gewöhnliche Milch
infiziert am 11. 9. 1926 mit 0,5 cem Ty-Bazillen-
Aufschwemmung = 300 Mill. Keime auf 100 ccm
Milch. 5'/, Tage bei Zimmertemperatur.
= Milch + Koffein-Bouillon.
------ = nur Milch.
Kurve IX. Versuch am 27.8. 1926. Gewöhn-
liche Milch infiziert mit Ty + Colibazillen am 25.8.
1926 (zu gleichen Teilen je etwa 80 Mill. Keime).
2 Tage auf Eis aufbewahrt.
= Milch + Koffein-Bouillon.
Sa = nur Milch. Kurve IX.
aber stetig zu einer Anreicherung der vorhandenen Typhuskeime. Es
ist also in Bestätigung der Demmeschen Resultate ebenfalls mit der
hier angewandten, aber im Verhältnis zur Methode jenes Autors,
schneller zum Ergebnis führende eigene Methode der Koffeinbouillon-
Anreicherung möglich, Typhusbazillen nach ungefähr einer Woche aus
Milch, welche bei Zimmertemperatur gestanden hat, herauszuzüchten.
Die folgenden Versuche befaßten sich nun mit dem Nachweis von
Typhusbazillen in gewöhnlicher Milch, wobei bei der Infektion dieser
auch gleichzeitig Colibazillen in gleicher Menge beigefügt worden
waren, um der Wirklichkeit näher zu kommen. Aus gewöhnlicher
Milch, mit Typhus- und Colibazillen geimpft, und auf Eis auf-
bewahrt, lassen sich Typhusbazillen nach 2tägigem Stehen und wahr-
scheinlich auch nach längerem — längere Zeiten wurden in diesem Falle
nicht geprüft — leicht wieder sogar ohne Anreicherung isolieren, wie
Kurve IX zeigt. i
326 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
Tabelle V.
Versuch am 18. 8. 1926. Gewöhnliche Milch infiziert am 16. 8. 1927 mit hus-
und Colibazillen (auf 100 ccm Milch = Coli : Typhus = 384 Mill. : 352 Mill.) 2 Tage
bei Zimmertemperatur, stark sauer.
A. 7,5 ccm Milch B. 7,5 cem Milch-Kontrolle
25 , Koffein-Bouillon
2,3 „ 10-proz. Sodalösung
I. IL III IV Zeit
A | 100% Coli} 100% Coli 100 % Coli 100% Coli | sofort
B 100 0/0 ” 100 % ” 100 % » 100 0/0 ”
Ty : ` 2= 18% Ty : 2=3%
A | 100% „ | Coli:130=972% | Coli:62:=97% | 100% „ | 3 Std.
B | 100% ” 100 % Coli 100% Coli 100% >
A 100 % ” 100 % ” 100 % ” 100 % ” 4 ”
B | 100% , | 100% » 100% » 100% ,
A 100 % ” 100 % » 100 % 5, 100 % » 5 y
B 100% „ 100% ,, 100% ,, 100 % »
A 100 0/0 ” 100 % ” 100 % ” 100 % ” 6 ”
B 100 0/0 ” 100 % » 100 % ” 100 % ”
A | 100% ,, 100% ,, 100% ,. 100% „ |7 ,
B 100 % ” 100 % u 100 % ” 100 % ”
A 100 % ” 100 % ” | 100 % ” 100 % ” 8 ”
B 100% ,, 100% „ 100% ,, 100 % »
Tabelle VI.
Versuch am 20.8. 1926. Gewöhnliche Milch infiziert mit hus- und Colibazillen
(auf 100 cem Milch = Coli: Ty = 384 Mill. : 352 Mill. 4 Tage bei Zimmertemperatur.
A. 7,5 ccm Milch B. 7,5 cem Milch C. 7,5 cem Milch
2,5 „ Koff.-Bouillon 1,20% 2,5 , Koff.-Gallebouillon
26 , 10% Sodalösung 2,6 „ 10% Sodalösung
Koffein-Bouillon Koffein-Gallebouillon Kontrolle in Milch Zeit
A B C
Coli 100% Coli 100% Coli 100% sofort
” 100 % ” 100 % ” 100 0/0
” 100 % ” 100 % nn
LL 100 0/0 ” 100 0/0 ” 100 % 3 Std.
à Ty : 1=1% y
„ 100% Coli: 130 = 99,87 % » 100 %
„ 100% Coli 100 % | =
e Ty :1=1 0/0 j . 4 ”
„ 100% Coli ; 85 = 99 % » 100%
„ 100% Coli 100 % » 100%
5 Ty : 1=1% r
„ 100% Coli : 63 = 99 % —
Ty : 2 = 2 0 5 | s 5 „
Coli : 40 = 98 % Coli 100 % » 100%
Coli 100 % » 100% » 100%
” 100 % ” 100 % psg
” 100 % | ” 100 % ” 100 % 6 ”
» 100 % » 100% „ 100%
Ty : 1=1,5% t > |
Coli : 73 = 98,5 % » 100% — i
Ty : = 1,5 % 3 5 Toh
Coii : 120 = 98,5 % | » 100% » 100%
Coli 100 % | » 100% „ 100%
„ 100% | » 100% =
Wohlfeil, Zur Methodik des Typhusbazillennachweises in der Milch. 327
Schwierig jedoch gestaltet sich der Nachweis, wenn mit Typhus-
und Colibazillen infizierte, rohe Marktmilch bei Zimmertem-
peratur längere Zeit gestanden hat. Nach 2tägigem Stehen bei etwa
20° sind bei vollkommenem Vorherrschen von Bact. coli (Tab. V)
nur noch vereinzelt nach 3 Std. Typhusbazillen isolierbar. Vergleichs-
weise wurde bei dieser gesamten Versuchsgruppe, die durch Tab. V
und die folgende Tab. VI dargestellt wird, auch die Galle-Anreicherung
mit der Filtrierpapier-Steigmethode nach Demmes Vorschrift an-
gewandt. Niemals ließen sich Typhusbazillen nach diesem Verfahren
isolieren.
Die gleiche Milch wurde nach 4 Tagen untersucht. Außer der
gewöhnlichen Koffeinbouillon versuchte ich eine Anreicherung in
Koffeingallebouillon. Scheinbar gab diese nach Tabelle XV etwas bessere
Resultate nach den ersten Stunden Brutschrankaufenthalt. Nach 5
und mehr Stunden waren bei Koffeingallebouillon-Zusatz Typhusbazillen
nicht mehr isolierbar, dagegen noch bei Koffeinbouillon-Zusatz verein-
zelt vorhanden. Aus diesen Versuchen erhellte sich jedenfalls die Tat-
sache daß auch bei Einsaat von Typhus- zusammen mit Colibazillen,
Typhusbazillen noch einige Tage nach der Beimpfung vorhanden und
mit der angegebenen Methode, wenn auch nicht mehr so leicht wie bei
den früheren Versuchen, nachzuweisen sind. Diese Ergebnisse zeigen
erneut, die außerordentliche Schwierigkeit des Nachweises von Typhus-
bazillen unter Verhältnissen, die in vielen Fällen den wirklichen wohl
sehr nahe kommen dürften. Auch die Methode der Koffeinbouillon-
Anreicherung mit Alkalisierung der Milch in der angegebenen Weise
ist weit davon entfernt, den Nachweis von Typhusbazillen in jedem
Falle zu gewährleisten, aber sie ist den übrigen Methoden und ins-
besondere der von Demme angegebenen insofern überlegen, als sie
zum mindesten dasselbe, wenn nicht in den meisten Fällen mehr leistet
und vor allen Dingen den Nachweis in einer relativ kurzen Zeit er-
möglicht.
Hauptergebnisse der Arbeit.
1) Es lassen sich mit der beschriebenen Methode aus einer mit
Typhusbazillen infizierten keimarmen Rohmilch, die etwa der Milch
kurz nach dem Melken entspricht, bei Aufbewahrung auf Eis Typhus-
bazillen ohne weiteres nach 11/, Monaten nachweisen, wenn die Milch
allein mit Typhusbazillen infiziert wurde. — 2) Bei mit Coli- und
Typhusbazillen versetzter keimarmer Milch entziehen sich die Typhus-
bazillen viel schneller der Isolierung, sind aber auch noch auf Grund
der Untersuchungen und theoretischen Ueberlegungen bis zu etwa
3 Wochen nachweisbar. — 3) Aus nur mit Typhusbazillen versetzter
Marktmilch, die von vornherein als keimreich zu bezeichnen ist, lassen
sich nach Aufbewahrung bei Zimmertemperatur noch mindestens nach
einer Woche Typhusbazillen züchten. — 4) Wird die gleiche Milch
mit Coli- und Typhusbazillen infiziert, so sind schon nach 4 Tagen
Zimmeraufenthalt letztere gerade noch isolierbar. Der Nachweis ge-
staltet sich hier zu einer sehr schwierigen Aufgabe, die mit den bis-
her bekannten Methoden und auch der eigenen noch nicht zufrieden-
328 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
stellend gelöst ist. — 5) Bei Anwendung der Methode ist am vorteil-
haftesten folgende Reihenfolge einzuhalten: 7,5 ccm der fraglichen
Milch + 2,5 ccm 1,2 Proz. Koffeinbouillon werden mit einigen Tropfen
0,5 Proz. Phenolphthaleins versetzt und zur Feststellung der bei dem
Säuregrad erforderlichen Alkalimenge mit 10 Proz. steriler Soda-
lösung bis zur deutlichen Rotfärbung alkalisiert. Ein zweites Reagenz-
glas wird mit der gleichen Menge Milch, Koffeinbouillon und der
austitrierten Menge Sodalösung beschickt. Die Milch kommt in den
Brutschrank von 37°. Nach 4, 5, 6 evtl. 7 Std., wenn es sich um
Massenuntersuchungen handelt, nur nach 5 Std. werden von
der fraglichen Milch 3 Oesen, resp. mit einer feineren Kapillare
3 Tropfen, aus verschiedenen Tiefen auf Endoplatten ausgestrichen.
Nach 18—24 Std. Brutschrankaufenthalt erfolgt die weitere Ver-
arbeitung in der üblichen Weise.
Nachdruck verboten.
Zum Parallelismus zwischen den wachstumshemmenden
und den i T ae der Filtrate nach
esredka.
Vorläufige Mitteilung.
[Aus der Variola-Vakzineabteilung des Bakteriologischen Instituts zu
Kiew (Abteilungsvorsteher Priv.-Doz. Dr. Iw. Hach).]
Von Dr. G. S. Barg.
Wie Besredka1) festgestellt hat, ist es für die in bestimmter
Weise bereiteten Filtrate der Staphylo- und Streptokokkenbouillon-
kulturen kennzeichnend: 1. daß sie bei intrakutaner Einführung eine
Immunität hervorrufen, und 2. daß bei Einsaat entsprechender Bak-
terien sich diese darin nicht vermehren, obwohl sie einige Zeit am
Leben bleiben. Diese beiden Eigenschaften der Filtrate erklärt Bes-
redka durch die Anwesenheit eines spezifischen „Antivirus“.
Durch eine Reihe von Versuchen habe ich die Frage zu studieren
gesucht, ob es nicht möglich wäre, die Eigenschaften der nach Bes-
redka gewonnenen Filtrate aus Staphylokokkenbouillonkulturen so zu
verändern, daß sie, ohne ihre immunisierende Wirkung zu verlieren,
zugleich ein mehr oder wenig befriedigendes Nährmedium für die be-
treffenden Mikrobien darstellen. Für diese Versuche benützte ich
1) Besredka, Die lokale Immunisierung. Paris 1925 (russisch). Leipzig
1926 (deutsch).
Barg, Parallelismus zwischen d. wachstumshemm. u. den immun. Eigenschaften. 329
Filtrate von 3, für Meerschweinchen pathogenen Staphylokokkenstämmen
(Staphylococcus aureus). Nach Hinzufügen zu den Fil-
traten (in welchen alle 10 untersuchten Staphylokokkenstämme nur
sehr spärlich wuchsen), von Kohlehydraten (Glukose, Laktose,
Maltose oder Lävulose), welche durch den entsprechenden Stamm ver-
gärt werden, beobachtete ich stets in den so veränderten
Filtraten ein reichliches Wachstum, welches seiner Inten-
sität nach das des betreffenden Stammes in gewöhnlicher Bouillon
übertraf. In Fällen, wo der betreffende Stamm das hinzugefügte
Kohlehydrat nicht zersetzte, erhielt ich keine Wachstumsbegünstigung.
Eine Ausnahme bildet nur das Mannit, welches durch alle Stämme
vergärt wurde, aber trotzdem beim Hinzufügen zu den Filtraten das
Wachstum von keinem der Stämme begünstigte (vgl. die Angaben von
Gözony und Kramär!) über Wachstum der Mikroben auf mannit-
haltigen Medien).
Unsere für Meerschweinchen pathogenen Staphylokokkenstämme
vergären die Glukose und wuchsen dementsprechend in Glukosefiltraten
sehr üppig. In den folgenden Versuchsserien habe ich Meerschweinchen
mit Staphylokokkenfiltraten, zu welchen 1 Proz. Glu-
kose hinzugefügt war, immunisiert (pansement spécifique, intra-
dermale Injektionen). Bei solchen Tieren habe ich stets eine
zweifellose-Immunität, welche in keinem Falle der durch „reines“
Filtrat erhaltenen nachstand, hervorgerufen.
Bei nicht immunisierten Meerschweinchen entstanden in der Regel als Folge
der Infizierung mit 0,25—0,5 Oese einer Staphylokokkenagarkultur starke Haut-
nekrose oder große Abszesse; bei Meerschweinchen, welche mit ,,Glukosefiltraten“‘
(wie auch mit „reinen“ Filtraten) immunisiert waren, erfolgte entweder keine Er-
krankung, oder nur eine schwache Hyperplasie der regionären Lymphdrüsen, welche
niemals abszedierten.
Auf diese Weise gelang es unter den angegebenen Bedingungen,
in Staphylokokkenfiltraten ein üppiges Wachstum von
Staphylokokken zu erhalten, ohne daß dabei die immuni-
sierenden Eigenschaften der Filtrate merklich beein-
trächtigt würden.
1) Gözony u. Kramár, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 89. 1922.
Heft. 6.
330 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
Nachdruck verboten.
Die Bedeutung der Mineralien für den Stoffwechsel der
Bakterien der Typhus-Coli-Gruppe.
[Aus der bakteriologisch-hygienischen Abteilung des Städt. Hygien.
Universitäts-Instituts in Frankfurt a. M.]
Von H. Braun und R. Goldschmidt.
In früheren Untersuchungen haben wir gezeigt!), daß die am-
moniakassimilierenden Typhus-, Paratyphus B-, Coli-, Shiga-Kruse-
und Colitis-Bazillen in einem sulfatfreien Nährboden gezüchtet werden
können, daß dagegen der säurefeste Trompetenbazillus unter diesen Be-
dingungen nicht in Passagen züchtbar ist?).
Diese Tatsache veranlaßte uns, die Rolle der Mineralien für die
Vermehrung und den Stoffwechsel der Mikroorganismen der Typhus-
Coli-Gruppe einer genaueren Untersuchung zu unterziehen. Wir
haben zu diesem Zwecke einen Nährboden hergestellt, der Ammoniak
als Stickstoffquelle, Laktat als Kohlenstoffquelle und Phosphat als
Phosphorquelle enthielt, aber frei von Schwefel, Magnesium, Kalium
und Natrium war. Er hatte folgende Zusammensetzung:
NH,H,PO 0,15 g
(NH,), HPO, 045 ,
em faittat 0,5 cem
Aqua bidestillata 100 * 5
Wir wollen im folgenden diese Nährflüssigkeit ,,mineralfrei‘
nennen. Die Wasserstoffionenkonzentration dieses Nährbodens, nach
Michaelis bestimmt, betrug px 7,2. Wir möchten an dieser Stelle
ausdrücklich hervorheben, daß bei allen in vorliegender Arbeit benutzten
Nährflüssigkeiten die Wasserstoffionenkonzentration bestimmt wurde
und daß nur neutrale oder schwach alkalische Nährböden verwendet
wurden (pu 6,8—7,2). Was die Technik und Methodik der Züchtung
der Bakterien in künstlichen Nährböden betrifft, so dürfen wir wohl,
um Wiederholungen zu vermeiden, auf unsere früheren Arbeiten ver-
weisen.
Zu allen Versuchen, über die wir im folgenden berichten, wurden
nur Bergkristallgefäße benutzt, um dem Einwand zu begegnen,
daß vielleicht Mineralien aus den Glasgefäßen an die Nährflüssigkeit
abgegeben wurden. Das benutzte doppelt destillierte Wasser wurde eben-
falls in Bergkristallgefäßen gewonnen. Auch die benutzten Meßgefäße
waren aus Bergkristall.
Wir wollen zunächst über die Ergebnisse der Züchtungsversuche
in dem mineralfreien Nährboden mit einem Typhusbazillus be-
richten.
1) Braun u. Cahn-Bronner, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 86. 1921;
u. Biochem. Zeitschr. Bd. 131. 1922.
2) H. Wolff: Der Verwendungsstoffwechsel säurefester Bakterien. V. Bioch.
Zeitschr. Bd. 155. S. 319.
Braun u. Goldschmidt, Bedeutung der Mineralien für den Stoffwechsel usw. 331
Tabelle I.
Ammoniakassimilierender Typhusstamm Nr. 4602 wurde am 20. 8. von einer
Agarkultur in die „mineralfreie“ und in die „mineralreiche‘“ Nährlösung geimpft. Die
„mineralfreie* Kultur wurde in Passagen fortgeziichtet und aus den zu den
Passagekulturen gewählten Kölbchen gleichzeitig ‚„mineralreiche‘“ Kulturen angelegt.
Die Pfeile zeigen den Gang der Abimpfungen. Jedesmal wurden zwei Kölbchen
a und b geimpft. Datum der Abimpfung ist links vom Kôülbchen a angegeben.
Zeichenerklärung: O0 = kein Wachstum + Wachstum
? —fragliches Wachstum ++ starkes Wachstum
s + = schwaches Wachstum
„Mineralfreie“ „Mineralreiche“
Nährlösung: Nährlösung:
LT EE
1. 9.
b
a
16. 9. 21.9. ++ 21.9. ++
<——|
a b
30. 9. | 3. 10. ++ 3. 10. ++
>
.
|
| b
a | |
24. 10. | 28. 10. ++ 28. 10. ++
t
Kulturelle und serologische Untersuchung ergibt Reinkultur typischer
Typhusbazillen.
332 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
Der benutzte Stamm war ammoniakassimilierend. Er wuchs in
einem Milchsäureammoniaknährboden folgender Zusammensetzung gut:
NH,CI 05 g
Na,SO, 08.7
MgSO 0,01 ,
KH, PO, 0.05 °
K,HPO 0,15 ,
Natriumlaktat 0,5 ccm
Aqua bidestillata 100
Diese Nährlösung wollen wir im folgenden ,,mineralreich‘‘ nennen.
Die beifolgende Tabelle I gibt Auskunft über das Verhalten des
Typhusbazillenstammes in der mineralfreien und in der mineralreichen
Nährlösung.
Wie aus dem Versuche zu ersehen ist, läßt sich unser Typhus-
bazillus in einer Nährflüssigkeit, die Natrium, Kalium, Magnesium
und Schwefel nicht enthält, in Passagen züchten. Das Wachstum ist
allerdings ein sehr langsames und nicht sehr üppiges.. Die Bakterien
bleiben nach 5 Passagen in mineralfreier Nährflüssigkeit kulturell und
serologisch typisch. Gleichzeitig zeigt der Versuch, daß die Mineralien
nicht ohne Einfluß auf die Vermehrung der Typhusbakterien sind,
denn in einem Nährboden, der Natrium, Kalium, Magnesium und
Schwefel enthält, ist das Wachstum ein üppigeres und schnelleres. Es
unterliegt also keinem Zweifel, daß die Mineralien für den Stoff-
wechsel des Typhusbazillus von Bedeutung sind. Was die
Quantität der Mineralien betrifft, die wachstumsfördernd wirken, so
kann auf Grund der vorliegenden Versuche nichts Genaues ausgesagt
werden. Auffällig ist die Feststellung, daß sich in den Kölbchen mit
mineralfreier Nährlösung nach erfolgter Passageabimpfung
das Wachstum verstärkte. Das ist darauf zurückzuführen, daß
aus diesen Kölbchen gleichzeitig je drei Oesen Kultur in die
mineralreiche Nährflüssigkeit abgeimpft wurden. Dabei
sind natürlich Mineralien in das mineralfreie Medium übertragen
worden. Diese geringen Mengen der Mineralien genügten,
um die Vermehrung der Bakterien zu steigern. In den
Kölbchen mit mineralfreier Nährlösung, aus denen Passagen nicht ab-
geimpft wurden, blieb das Wachstum dauernd hinter dem in Kölbchen
mit mineralreichem Nährboden sehr zurück.
Wir hatten daran gedacht, daß die Mineralien bei den Bakterien
das Gerüst, gewissermaßen das Skelett der Zelle, darstellen und deshalb
für die Gestalt des Mikroorganismus von Einfluß sind. Diese Annahme
ist nicht richtig. In dem mineralfreien Nährboden zeigen die Typhus-
bazillen mikroskopisch im lebenden wie im fixierten Zustande dieselbe
Form wie im mineralreichen.
Die Frage, die wir uns nun vorgelegt haben, war die, welches
Mineral für das Wachstum des Typhusbazillus von besonderer Bedeutung
ist. Wir haben zu diesem Zwecke zu der mineralfreien Nährlösung Salze
der einzelnen Elemente zugefügt und geprüft, ob dabei das Wachstum
des Typhusbazillus bedeutend verbessert wird. Weiterhin haben wir in
der oben angegebenen mineralreichen Nährlösung einzelne Mineralien
weggelassen und untersucht, ob das Wachstum eine Beeinträchtigung
erfährt. Mit diesen letzteren Versuchen wollen wir beginnen.
Braun u. Goldschmidt, Bedeutung der Mineralien für den Stoffwechsel usw. 333
Wir stellten uns eine Nährflüssigkeit her, die Kalium, Natrium
‘und Schwefel, aber kein Magnesium enthielt; sie hatte folgende Zu-
.sammensetzung.
NH,Cl 05 g
Na,SO 05 ,
KH,PO, 0,05 ,
K,HPO, 0,15 ,
Natriumlaktat 0,5 cem
Aqua bidestillata 100 ,
In dieser Nährlösung ließ sich der ammoniakassimilierende Typhus-
stamm in Passagen züchten. Das Wachstum war kümmerlich. Die
Abwesenheit von Magnesium verschlechterte also das Wachstum be-
trächtlich. i
Auch in einem Nährboden, der Kalium, Natrium, Magnesium,
aber keinen Schwefel enthielt, ließ sich der Typhusbazillus züchten, aber
auch hier war das Wachstum ein langsames und geringes. Der schwefel-
freie Nährboden hatte folgende Zusammensetzung :
NH,Cl 05 g
MgCl, 0,01 ,
KH,PO, 0,05 ,
HPO, 0,15 ,
Natriumlaktat 0,5 ccm
Aqua bidestillata 100 ,
Aus diesen Versuchen geht also hervor, daB sowohl der Weg-
fall von Schwefel wie auch der von Magnesium eine Ver-
schlechterung des Wachstums des ammoniakassimilie-
renden Typhusbazillus bedingte.
Wie wir schon oben gesagt hatten, versuchten wir, die Be-
deutung der Mineralien auch in der Weise zu klären, daß wir zu dem
kalium-, natrium-, magnesium- und schwefelfreien Nährboden Salze
dieser Elemente einzeln zufügten und geprüft haben, ob der Typhus-
bazillus besser in solchen Nährböden gedeihen kann als ohne diese
Mineralien.
Der schwefelhaltige, kalium-, natrium-, magnesiumfreie Nähr-
boden hatte folgende Zusammensetzung:
NH,H,PO 0,15 g
NH,), HPO, 0,45 „
NH,),SO, 05 5
Ammoniumlaktat 0,5 ccm
Aqua bidestillata 10 ,
Der magnesiumhaltige, kalium-, natrium-, schwefelfreie Nährboden
enthielt:
NH,H,PO 0,15 g
(NEL), PO, 0.45 „
MgHPO, 0,01 ,
Ammoniumlaktat 0,5 ccm
Aqua bidestillata 10 ,
Der kaliumhaltige, natrium-, schwefel-, magnesiumfreie Nährboden
hatte folgende Zusammensetzung:
KH,PO, 0,05 g
K,HPO, 0,15 „
Ammoniumlaktat 0,5 ccm
Aqua bidestillata 10 z
334 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
Der natriumhaltige, kalium-, schwefel-, magnesiumfreie Nährboden
bestand aus:
NH,H,PO 0,15 g
(NH) PO, 045 ,.
atriumlaktat 0,5 ccm
Aqua bidestillata 10 „
Der chlorhaltige, kalium-, natrium-, schwefel-, magnesiumfreie
Nährboden war folgendermaßen zusammengesetzt:
NH,H,PO 0,15 g
(NH,), HPO, 0,45 ,
NH, Be à
Ammoniumlaktat 0,5 ccm
Aqua bidestillata 10 ,
Die Ergebnisse der Züchtungsversuche in diesen Nährböden waren
folgende: In dem magnesiumhaltigen Nährboden ließ sich der Typhus-
bazillus bei Abwesenheit von Natrium, Kalium und Schwefel züchten ;
das Wachstum war aber geringer und langsamer als bei Anwesenheit
aller Mineralien. Das Magnesium vermag deshalb allein ein gutes
Wachstum des Typhusbazillus nicht herbeizuführen. Aehnlich fielen
die Versuche in dem schwefelhaltigen bzw. kaliumhaltigen bzw. natrium-
haltigen bzw. chlorhaltigen Nährboden aus. Wachstum war zwar in
ihnen möglich, aber es war langsamer und geringer als bei Anwesenheit
aller Mineralien.
Aus diesen Versuchen geht hervor, daß Kalium, Natrium,
Magnesium oder Schwefel allein nicht ausreichen, um
gutes Wachstum des Typhusbazillus zu ermöglichen.
Dieses ist aber in der mineralreichen Nährlösung fest-
stellbar.
Wir versuchten nun die Frage zu beantworten, ob nicht die mole-
kulare Konzentration der Nährlösungen für das Wachstum des Typhus-
bazillus von Bedeutung ist. Folgende Versuche wurden deshalb aus-
geführt:
Zu der kalium-, natrium-, magnesium- und schwefelfreien Nähr-
lösung setzten wir NaCl in verschiedenen Konzentrationen zu und zwar
1 Proz.; 0,1 Proz.; 0,01 Proz.; 0,001 Proz.; 0,0001 Proz. Zur
Kontrolle beimpften wir gleichzeitig die mineralfreie und die mineral-
reiche Nährlösung. Das Ergebnis war folgendes:
In der 1 Proz. NaCl enthaltenden Nährlösung ließ sich der Typhus-
bazillus in Passagen züchten. Die Kulturen erreichten nach mehreren
Tagen eine beträchtliche Dichte, die Nährlösungen sind trüb bis stark
trüb gewesen, während in der gleichzeitig beimpften mineralfreien
Nährlösung innerhalb von 17 Tagen kein Wachstum feststellbar war.
Das Wachstum in der 1 Proz. NaCl enthaltenden Nährlösung trat aber
nicht so schnell ein und war nicht so üppig wie in der mineralreichen
Nährlösung.
Auch in der Nährlösung, die 0,1 Proz. NaCl enthielt, ließ sich
der Typhusbazillus züchten. Er wuchs meist langsam an, das Wachstum
war aber gut, die Nährlösung ist trüb bis stark trüb geworden. Auch
beim Gehalt 0,01 Proz. NaCl trat schon nach einigen Tagen Wachs-
tum ein, das sich bis zur Trübung der. Nährflüssigkeit steigerte.
Dasselbe traf auch zu bei 0,001 Proz. NaCl. Bei Gehalt von 0,0001
Proz. NaCl ließen sich zwar 2 Passagen züchten, die 3. ging aber nicht
Braun u. Goldschmidt, Bedeutung der Mineralien für den Stoffwechsel usw. 335
mehr an, wiewohl die Kultur, aus der abgeimpft wurde, noch reichlich
eats Bakterien enthielt, wie die Abimpfung auf Nähragar gezeigt
atte.
So zeigt dieser Versuch, daB durch den Zusatz von NaCl zur
mineralfreien Nährlösung das Wachstum verbessert werden konnte.
Da die Vermehrung der Typhusbazillen schon durch sehr geringe NaCl-
Konzentrationen begünstigt worden ist, so muß man annehmen, daß
die Verschiebung der molekularen Konzentration der Nähr-
lösung durch den NaCl-Zusatz nicht den begünstigenden Faktor
darstellt. Wahrscheinlicher ist, daß die Anwesenheit von NaCl den
Stoffwechselprozeß in biochemischer Richtung günstig beeinflußt. Die
wachstumsfördernde Wirkung durch NaCl in peptonhaltigen Nähr-
böden ist bei Colibazillen, Choleravibrionen, Typhusbazillen und bei
Saprophyten mehrfach untersucht worden. Wir möchten hier nur an
die Arbeiten von J. Kabelik und S. Freudmann!), Siera-
kowski?), J. Beauverie3), I. M. Sherman, G. E. Holm und
W. R. Albus‘) hinweisen.
Wir wollen nun dariiber berichten, wie sich Paratyphus B-
Bazillen in dem mineralienfreien Nährboden verhielten. Der von uns
untersuchte Stamm von Paratyphus B-Bazillen wuchs in der kalium-,
natrium-, magnesium- und schwefelfreien Nährlösung in Passagen, das
Wachstum trat, wie beim ammoniakassimilierenden Typhusbazillus, sehr
langsam ein und war gering, während in der mineralienreichen Nähr-
lösung ein üppiges und schnelles Wachstum zu beobachten war.
Wir untersuchten den Paratyphus B-Bazillus in derselben Weise
wie den Typhusbazillus. In der oben beschriebenen kalium-, natrium-,
schwefelhaltigen, aber magnesiumfreien Nährlösung wuchs der Para-
typhus B-Bazillus schwächer und langsamer als wenn alle Mineralien
vorhanden waren. Ebenso verhielt er sich in der kalium-, natrium-,
magnesiumhaltigen, aber schwefelfreien Nährlösung.
Setzten wir zu der mineralfreien Nährlösung ein Magnesiumsalz
hinzu, so konnte der Paratyphusbazillus wachsen, aber auch hier war die
Vermehrung schlechter als wenn alle Mineralien vorhanden waren.
Setzten wir zu der kalium-, natrium-, magnesium- und schwefel-
freien Nährlösung ein Sulfat zu, so wuchs der Paratyphusbazillus
in Passagen, und wir hatten den Eindruck, daß hier das Wachstum
gegenüber der mineralienfreien Nährlösung verbessert wurde. Es er-
reichte aber nicht die Ueppigkeit wie in einer Nährlösung, in der
Kalium, Magnesium, Natrium und Schwefel gleichzeitig vorhanden
waren.
So zeigten diese Versuche, daß, wie beim Typhus-
bazillus, auch beim Paratyphus B-Bazillus die Mine-
ralien für den Stoffwechsel von Bedeutung sind. Das
Wachstum dieser Mikroorganismen ist ohne diese Mineralien zwar
möglich, aber die Schnelligkeit und Ueppigkeit des Wachstums ist eine
bedeutend geringere als bei gleichzeitiger Anwesenheit von Mineralien.
Wir wollen nun über Versuche mit einem Coli- Bazillus berichten.
Dieser wuchs in der mineralreichen Nährlösung sehr gut.
1) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 90. 1923. S. 407.
2) Zit. nach Kabelik und Freudmann
3) Compt. Rend. l'Acad. Scienc. T. 163. 1916. Pp- ar et 769.
4) Journ. of Bact. Vol. 6. 1921. p. 511 and Vol. 7. 1922. p. 465 and 583.
336 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
In der kalium-, natrium, magnesium- und schwefelfreien Nähr-
lösung ließ er sich in Passagen züchten und zeigte in dieser Nähr-
fiüssigkeit ein besseres Wachstum als wir es bei Typhus- und Para-
typhusbazillen gesehen haben. Die Ueppigkeit des Wachstums war
aber auch beim Coli-Bazillus in dieser Nährflüssigkeit eine geringere
als bei Anwesenheit der Mineralien.
In der kalium-, natrium-, magnesiumhaltigen, aber schwefelfreien
Nährlösung und in der natrium-, kalium-, schwefelhaltigen, aber ma-
gnesiumfreien Nährlösung wuchs unser Coli-Bazillus ebenfalls gut und
ließ sich in Passagen züchten. Auch hier war das Wachstum etwas
schwächer als in einer Nährlösung, die Schwefel und Magnesium
gleichzeitig enthielt.
Setzten wir zu der mineralfreien Nährlösung Salze der Elemente
Mg und S einzeln hinzu, wie wir es beim Typhus- und Paratyphus-
bazillus beschrieben haben, so wuchs unser Coli-Bazillus in diesen
Nährlösungen gut in Passagen, wenn auch das Wachstum nicht so
üppig war, wie wenn alle Mineralien gleichzeitig vorhanden waren.
Wenn wir die Versuche überblicken, so zeigt sich, daß auch für
das Gedeihen des Colibazillus die Mineralien von Be-
deutung sind. Der von uns geprüfte Coli-Stamm erwies sich aber
in bezug auf seinen Mineralienbedarf genügsamer als der untersuchts
Typhus- und Paratyphusstamm.
Wir wollen zum Schluß über Versuche berichten, die wir mit
einem Colitisbazillus ausführten. Wie wir bereits in früheren
Untersuchungen (H. Braun und C. E. Cahn-Bronner) gezeigt
haben, gibt es auch unter den Colitisbazillen ammoniakassimilierende
und nichtammoniakassimilierende Stämme. Für diese Versuche wählten
wir einen ammoniakassimilierenden Stamm, der nach der Kruse-
schen Einteilung als Pseudodysenteriebazillus Rasse H bezeichnet werden
müßte.
In der mineralienreichen Nährlösung, die Kalium-, Natrium-, Mag-
nesium- und Schwefelsalze enthielt, wuchs dieser Stamm gut. In einer
kalium-, natrium-, magnesium- und schwefelfreien Nährlösung war
zwar das Wachstum in Passagen möglich, es war aber sehr kümmerlich
und langsam. Es dauerte gelegentlich 14 Tage bis 3 Wochen, bevor
schwaches Wachstum feststellbar war. In einer kalium-, natrium- und
schwefelhaltigen, aber magnesiumfreien Nährlösung war das Wachstum
in Passagen möglich, doch war es schwächer als in einer solchen, die
außerdem noch ein Magnesiumsalz enthielt. Das Gleiche gilt von der
kalium-, natrium-, magnesiumhaltigen, aber schwefelfreien Nährlösung.
Haben wir zu dem mineralienfreien Nährboden ein Magnesiumsalz
zugesetzt, so blieb das Wachstum trotzdem kümmerlich. Das Gleiche
war der Fall, wenn wir zu der mineralienfreien Nährlösung ein Kalium-
salz zugesetzt hatten. Beim Sulfatzusatz zu dieser Nährflüssigkeit
hatten wir den Eindruck gewonnen, daß das Wachstum verbessert
worden ist, aber es war trotzdem schlechter als in der mineralreichen
Nährflüssigkeit.
Es zeigte sich also, daß auch für den Colitisbazillus die
Mineralien von Bedeutung sind.
Das Ergebnis der Versuche läßt sich dahin zusammenfassen, daß
die Mineralien, vorallem Mg- und S-Salze, für die Ver-
mehrung der Typhus-, Paratyphus B-, Coli- und Coli-
tisbazillen zwar nicht unbedingt lebensnotwendig sind,
aber sehr wachstumsfördernd wirken.
Gundel. Diphtherieprobleme. 337
Nachdruck verboten.
Diphtherieprobleme.
|. Mitteilung ').
{Aus dem Hygienischen Institut der Universität Kiel (Dir.: Prof.
Dr. Korff-Petersen).]
Von Dr. med. et phil. M. Gundel.
Mit 6 Abbildungen im Text.
Untersuchungen über die Biologie der Corynebakterien und zur
Frage der Variabilität der Diphtheriebakterien.
In der vorliegenden Arbeit soll versucht werden, unter Darlegung
eigener experimenteller Untersuchungen und unter Berücksichtigung
neuerer Arbeiten einige Punkte der Diphtheriefrage neu zu beleuchten,
während in einer II. folgenden Mitteilung epidemiologische Gesichts-
punkte der Diphtherie zu behandeln sein werden.
Es ist bekannt, daß die bakteriologische Diphtheriediagnose noch
heutigen Tages auf die größten Schwierigkeiten stößt und es muß meist
der persönlichen Geschicklichkeit bzw. dem Verantwortungsgefühl des
einzelnen Untersuchers überlassen bleiben, die Diagnose „positiv“ oder
„negativ“ zu stellen. Nicht allein gehen die Ansichten über die Mor-
phologie und das kulturelle Verhalten der Diphtheriebakterien weit
auseinander, auch unser Wissen von den Lebenseigenschaften und
Lebensäußerungen der Gruppe der Corynebakterien ist verhältnismäßig
gering. Weiterhin wissen wir kaum Näheres über die Beziehungen, die
zwischen den verschiedenen Typen der Gruppe der Corynebakterien
bestehen.
Zunächst soll einmal die Einteilung der Gruppe der Corynebak-
terien untersucht werden.
Nach gründlichem Studium der gesamten Gruppe der Corynebak-
terien glaube ich vorerst, im Rahmen der hier gestellten Frage nur
folgende 3 Typen von Corynebakterien behandeln zu sollen:
1) die echten Diphtheriebakterien, 2) die diphtherieähnlichen Bak-
terien und 3) die Pseudodiphtheriebakterien, zu denen als 4. Gruppe
die der farbstoffbildenden Corynebakterien tritt.
Zur Begründung und Erklärung sei das Folgende gesagt: Als echte
Diphtheriebakterien werden diejenigen bezeichnet, deren Lagerung im
Grampräparat typisch ist (längere, schlanke und mehr oder weniger
stark gekrümmte, in finger- oder haufenförmiger Lagerung angeordnete
Stäbchen), die durch positive Körnchenfärbung, starke Säurebildung
(Glukose) und Tierpathogenität ausgezeichnet sind. Als 2. Gruppe
folgen die diphtherieähnlichen Bakterien, die, abgesehen von der fehlen-
den Tierpathogenität, in allem den echten Diphtheriebakterien gleichen.
1) Anmerkung bei der Korrektur: Während der Korrektur erschienen die
Arbeiten von Kliewe (Centralbl. f. Bakt. 1926), der in vielen Punkten unsere
trüheren Untersuchungsbefunde wie auch die in dieser Arbeit niedergelegten be-
stätigen konnte.
Erste Abt. Orig. Bd. 101. Heft 6/7. 22
338 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
Die 3. Gruppe stellen die Pseudodiphtheriebakterien dar, die aus dem
Rachen, aus Nase und Wunden und von der Haut stammen. Es handelt
sich im allgemeinen um kurze, oft kokkenartige Stäbchen in atypischer
Lagerung; im Neißer-Präparat findet man keine oder nur ganz ver-
eınzelt Körnchen, die man aber leicht von dem bekannten Bilde einer
„positiven Diphtherie‘‘ unterscheiden kann. Im Tierversuch sind sie
— auch in größeren Dosen — apathogen. Im Gegensatz zu den Di-
phtherie- und diphtherieähnlichen Bakterien bilden sie nur sehr wenig
Säure: es gibt nur selten einen Stamm, der etwas mehr Säure zu bilden
imstande ist als der am wenigsten Säure produzierende Diphtherie-
stamm (1, 2).
Es sei aber schon an dieser Stelle mit Nachdruck betont, daß
diese 3 (4) Untergruppen nicht als festumrissene Arten aufzufassen
sind, vielmehr halte ich diese Einteilung nur für eine annähernd
richtige Wiedergabe der Erfahrungen, die wir im mikroskopischen Prä-
parat und in der Kultur gesammelt haben. Inwieweit die Untergruppen
2 und 3 u. U. auch für die Aetiologie der Diphtherie in Frage
kommen, soll später gezeigt werden.
Bei dieser Einteilung bin ich mir darüber klar, daß sie in Wider-
spruch steht zu der Auffassung von Pesch. Pesch hat in eingehenden
Studien (3) eine Einteilung der Corynebakterien in 6 Gruppen an-
gegeben.
Als I. Gruppe bezeichnet Pesch die echten Loefflerschen Di-
phtheriebakterien, wobei er jedoch noch zwei Untergruppen unter-
scheidet (la u. 1b). Er sagt, daß einzelne von Haut, Bindehaut und
Wunden isolierte Diphtheriebakterien auch in größten Dosen von Meer-
schweinchen reaktionslos vertragen werden (Gruppe 1b). „Wohl die
aus Rachen und Diphtheriekranken Nasen gezüchteten Kulturen er-
wiesen sich ausnahmslos als virulent (4). Im Gegensatz zu Peschs
Auffassung stehen aber unsere Befunde. Im Laufe des letzten Jahres
habe ich außerordentlich häufig von Diphtheriekranken Rachen und
Nasen Bakterien gezüchtet, die sich in nichts von echten Diphtherie-
bakterien unterschieden als in der fehlenden Tierpathogenität. .Ich
darf hier einschaltend — gerade in Anlehnung an die Ausführungen
von P. (4) — hervorheben, daß ich nur mit ganz gewaltigen Mengen
von Bakterien bei den Tierversuchen gearbeitet habe, sogar mit noch
größeren als P. (5 Oesen) und daß die Technik in allem die gleiche
war (Einspritzung am Brustbein unter die Haut). Ich stehe auf dem
Standpunkt, daß wir in vielen Fällen, wenn wir uns vor der Ausführung
eines Tierversuches scheuen, Gefahr laufen, Fehldiagnosen auszu-
sprechen. Nach P. wäre ja, was die praktische Seite anbetrifft, die
Diagnose wie früher relativ einfach: Diphtheriebakterien von Diphtherie-
kranken sind als echt zu bezeichnen, Diphtheriebakterien aus Wunden,
Bindehaut und Haut gezüchtet, sind zu der Gruppe 1b zu zählen.
Aus dieser Auffassung ergibt sich der Schluß, daß wir entweder die
P.sche Gruppe 1b erweitern müßten oder aber, und das ist unser Vor-
schlag: wir sprechen von echten Diphtheriebakterien (s. 9.) und di-
phtherieähnlichen Bakterien, die überall da vorkommen können, wo
die echten Diphtheriebakterien angetroffen werden.
Zu der II. Gruppe zählt Pesch die in der kindlichen Nase vor-
kommenden Hofmann-Wellenhofschen Pseudodiphtheriebakterien,
und er sagt, daß der Begriff der Pseudodiphtheriebakterien nur für diese
Gundel, Diphtherieprobleme. 339
„wohlcharakterisierten Mikroorganismen“ angewandt werden darf. Alle
geprüften Stämme dieser Gruppe haben sich ihm als avirulent er-
wiesen. Es handelt sich um ,,mittellange Stäbchen von gleichmäßiger
Form, an den Enden abgestumpft, Wachstum auf Blutagar mittelstark,
Kulturrasen weißlich, Neigung zur Polkörnchenbildung sehr gering‘.
Demgegenüber beschreibt er die Vertreter der III. Gruppe als „kurze,
plumpe, keilförmige Stäbchen, auf Blutagar sehr üppig in saftig
weißen Kolonien wachsend, Polkörnchenbildung stark schwankend, im
allgemeinen stärker als bei der II. Gruppe‘. Die Vertreter der
II. Gruppe stellen nach P. eine ‚ganze Anzahl verschiedenartiger
Stämme‘ dar und er teilt sie nach ihrem Saccharosevergärungsvermögen
in 2 Untergruppen. Als IV. Gruppe schließlich faßt er die Vertreter
zusammen, die außerordentlich zart wachsen, sie waren mittellang bis
lang, jedoch dicker und plumper als die echten Diphtheriebakterien,
auch war ihre Lagerung mehr palissadenartig. Sie bildeten im allge-
meinen nur wenig oder gar keine Säure. Auch hier handelte es sich
also, wie Pesch schreibt, nicht um eine einheitliche Bakterienart,
sondern um eine Artengruppe, die er nun weiter je nach ihrem Körn-
chenbildungsvermögen in 2 Untergruppen aufteilt. Sie waren sämtlich
avirulent und P. möchte sie wegen ihres häufigen Vorkommens auf
der Augenbindehaut als Xerosegruppe zusammenfassen.
Folgende Erwägungen zwingen uns, die Vertreter dieser 3 Gruppen
mit ihren Untergruppen als eine große Gruppe, nämlich die der
Pseudodiphtheriebakterien, zusammenzufassen: Die morphologische
Gestalt der Vertreter der 3 Gruppen nach Pesch muß nach eigenen
Beobachtungen als nicht einheitlich für jede einzelne bezeichnet werden.
Pesch betont ja auch selbst (3, S. 37) für die III. Gruppe, „was die
Bakterienform angeht, so zeigten sich da gewisse, doch nicht sehr er-
hebliche Unterschiede. Ich beobachtete mittellange, aber auch ganz
kurze, ovale Formen.“ Vergleicht man jetzt die 3 Gruppen nach ihrer
Gestalt miteinander, so kann man doch nur mit großer Mühe auf Grund
morphologischer Verhältnisse eine Differenzierung in 3 Gruppen er-
möglichen. Sicherlich wird, und das haben uns eigene Versuche ge-
lehrt, aber eine Unterscheidung dem Untersucher bei fortlaufenden Ar-
beiten im Laboratorium unmöglich sein.
Des weiteren wird zur Unterscheidung das Verhalten im Neißer-
Präparat herangezogen: :
Gruppe II: Neigung zur Polkörnchenbildung sehr gering.
Gruppe III: Polkörchenbildung stark schwankend, im allgemeinen
stärker als bei der II. Gruppe.
Gruppe IVa: Polkörnchenbildung ähnlich wie Gruppe I.
Gruppe IVb: Im Bakterienleib eine Reihe gut ausgebildeter meta-
chromatischer Körnchen nebeneinander.
Wenn wir die bei Variabilitätsuntersuchungen gezeitigten Befunde
sowie die fast täglichen Beobachtungen im Untersuchungsamt berück-
sichtigen, so müssen wir auch hier den Standpunkt von P. aufgeben.
Die Bildung von Polkörnchen in so geringen Mengen kann unseres Er-
achtens nicht für eine Einteilung verwandt werden. Pesch selbst hat
ja in einer besonderen Arbeit (5) den Nachweis erbracht, von welchen
und wievielen Bedingungen sie abhängig sein kann.
Des weiteren wird der Art des Wachstums auf Nährböden
verschiedener Zusammensetzung bei den einzelnen Gruppen besondere
22*
340 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
Bedeutung beigemessen. Ich greife als Beispiel die Wachstumsintensität
auf den gebräuchlichsten Nährböden nach P. heraus:
| Ascitesagar |Loeff ler-Serum | Blutagar
Gruppe II +++ +++ ++ weißlich
Gruppe III +++ +++ +++ weiß
Gruppe IV š A zart, klar, farblos, ähnlich wie
Gruppe I, nur schwächer
Wir sehen, daß aus dieser kleinen Aufstellung deutlich wohl nur
sich die Gruppe IV heraushebt. Hierzu ist aber zu sagen, daß man
relativ oft bei fortgezüchteten Stämmen eine Aenderung in der Wachs-
tumsintensität sehen kann, daß ganz zart gewachsene Erstkulturen
manchmal schon in der zweiten Uebertragung üppig weiß und nach
einiger Zeit geradezu ,,schleimig weißglänzend‘ wachsen.
Als letztes wäre noch auf das Zuckervergärungsvermögen
der einzelnen Gruppenvertreter einzugehen: Es folgt aus den Unter-
suchungen von Pesch, daß die Stämme der Gruppe II die Zucker
nicht vergären, die der Gruppe IIIa vergären Dextrose und Saccharose,
die der Gruppe IIIb nur Dextrose und die der Gruppe IV vergären
die Zucker gar nicht oder schwach. Nun geht aus unseren früheren
Untersuchungen hervor (1 u. 2), daß unsere sämtlichen Vertreter der
Pseudodiphtheriebakterien Säure bilden (titrimetrisch und Gasketten-
bestimmung), daß allerdings die Menge der gebildeten Säure gering ist.
Immerhin — und das erscheint mir sehr wichtig — gibt es sichere di-
phtherieähnliche Stämme, die mehr Säure bilden, als der oder die am
wenigsten säurebildenden Diphtheriestämme. Neben diesem Grund, der
zur Ablehnung des 4. Differenzialdiagnostikums von Pesch angeführt
werden muß, ist weiterhin der Befund wichtig, daß ein Pseudodiphtherie-
stamm, der zunächst kaum Säure gebildet hatte, nach geeigneter Be-
handlung die Eigenschaft gewinnt, so viel Säure zu hilden, wie die
große Anzahl der geprüften sicheren Diphtheriestämme (siehe unten).
Die von Pesch als V. Gruppe zusammengefaßten Corynebakterien
zeichnen sich durch Farbstoffbildung aus. Obwohl das Farbstoff-
bildungsvermögen der Corynebakterien keine konstante Eigenschaft dar-
stellt (S. Bitter und Gundel, 6), möchten auch wir dafür sein,
diese als besondere Gruppe als ,,farbstoffbildende Corynebakterien‘‘ ab-
zutrennen. Inwieweit hier Beziehungen mit unseren 3 Gruppen be-
stehen, möchte ich späteren Untersuchungen zur Klarlegung überlassen.
Schließlich bringt Pesch in seiner VI. Gruppe alle die Stämme, die
in seine Gruppe I—V nicht hineinpassen!
In der vielzitierten Arbeit von Riebold (7) finden wir einleitend
folgende Sätze:
„Die klinische Medizin hat bisher eine Reihe äußerst wertvoller
Ergebnisse der bakteriologischen und serologischen Diphtherieforschung
meines Erachtens bei weitem nicht gebührend berücksichtigt; ich
meine:
1) Den Nachweis, daß die Löfflerschen Diphtheriebazillen
identisch sind mit den Pseudodiphtheriebazillen und anderen
ähnlichen Keimen;
2. 2.2... Trotz eingehender Literaturstudien habe ich in keiner
Arbeit, ausgenommen wohl die Arbeiten von Schanz, auf die Rie-
Gundel, Diphtherieprobleme. 341
bold sich allem Anschein nach zumeist stützt, auch nur Anhaltspunkte
gewinnen können, daß die verschiedenen Forscher derartigen Ideen
huldigen. Wohl wird angenommen, ohne daß bis heute auch nur irgend-
welche wichtigen Anhaltspunkte dafür erbracht werden konnten, daß
im Organismus auf den Tonsillen, im Rachen oder in der Nase sich die
Diphtherie- in Pseudodiphtheriebazillen umwandeln. Aber ich glaube,
daß sich die meisten Forscher, wenn nicht alle außer Riebold, darin
einig sind, daß zwischen Diphtherie- und Pseudodiphtheriebakterien
doch ganz gewichtige Unterschiede biologischer Natur vorhanden sind.
Ich glaube kaum, daß es uns darum einfallen wird, zu sagen, beide, Di-
phtherie- und Pseudodiphtheriebakterien seien identisch, wie wir auch
heute kaum noch sagen werden, die Diphtherie- und Pseudodiphtherie-
bakterien stellen beide etwas ganz Verschiedenes, miteinander gar-
nicht in irgendeiner Weise Verwandtes dar.
Ein wichtiges Moment, das die Diphtherie- von den Pseudo-
diphtheriebakterien unterscheidet, ist ihr Vermögen, ziemlich große
Mengen von Säure zu bilden. Wenn ein Diphtheriestamm innerhalb
von 24 Std. eine 1proz. Peptonmolke von pu 7,2 auf px 5,34 säuern
kann, ein Pseudodiphtheriebakterium aber nur auf 7,07 oder 6,98, so
spricht dies wohl von recht verschiedenen biochemischen Eigenschaften.
Ich fragte mich nun, ob man einen Pseudodiphtheriestamm durch ge-
eignete Behandlung zu derartigen chemischen Leistungen heranzüchten
könnte. Sollte dieser Versuch gelingen, so hätte er doch eine Eigen-
schaft gewonnen, die sich vielleicht auch in Aenderungen anderer so-
genannter Charakteristika auswirken könnte.
Für diese Versuche wählte ich zwei Stämme ‚Ps alt“ und „2815“
Ueber die Eigenschaften dieser beiden sei das Folgende zusammen-
fassend gesagt:
Stamm: „Ps alt“ Stamm: „2815“
m
Herkunft: 35-jährige Frau, Tonsille
Aerztliche Diagnose: Angina
Bakteriologische Diagnose : Kurze, pseudo-
diphtherieartige Stäbchen
Kultur: Mittelgroße, weißliche, im Rasen
etwas schleimige, glänzende Kolonien auf
Traubenzuckerblutagar
Gram: Ganz kurze Stäbchen, zum Teil
ovale und Kugelformen, unregelmäßige
Lagerung (siehe Fig. 1)
Neißer: Keine Körnchen
Säurebildung: Ausgangs px 7,07
lproz. Peptonmolke
Nach 24 Stunden: pH 7,01
Säurebildung:
Chinablaumolke: >
Tierpathogenität: =
5 Oesen suprasternal: negativ
(von Blutkultur)
Herkunft: 3 Wochen alter männl. Säugling
Klinische Diagnose: Nasenkatarrh
Bakteriologische Diagnose: Kurze pseudo-
diphtherieartige Stäbchen
Kultur: Mittelgroße, weißliche, im Rasen
etwas schleimige, glänzende Kolonien auf
Traubenzuckerblutagar
Gram: Sehr kurze Stäbchen, sehr selten
einzelne, etwas schlankere und gerade
Stäbchen, selten ovale und Kugelformen,
Fe Lagerung in Haufen (siehe
ig.
Neißer: Keine Körnchen
pH 6,96
negativ
342 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
Aus der Aufstellung ergibt sich, daß wir es mit zwei typischen'
Pseudodiphtheriestämmen zu tun haben.
Zunächst seien die Versuche mit dem Stamm „Ps alt“ besprochen.
Es sollte versucht werden, den Stamm durch Anpassung an ein be-
stimmtes Medium zu intensiverer Säurebildung zu beeinflussen. Ich
impfte den Stamm in eine Molke I (1 Proz. Pepton, 1 Proz. Trauben-
zucker, 0,5 Proz. NaCl in 100 Teilen Wasser) von einer Ausgangs-pH
7,07. Nach je 24stünd. Bebrütung wurde täglich bis zu 5 Tagen die
Säuerung bestimmt und gefunden, daß nach 3maliger Wiederholung des
Versuches die Säuerung immer noch innerhalb der für Pseudodiphtherie-
bakterien gefundenen Werte lag und auch das kulturelle Verhalten bei
täglicher Aussaat auf Traubenzuckerblutagar das gleiche geblieben war.
Morphologisch zeigten sich gegenüber den Kolonien auf den Blutplatten,
die von dem unbehandelten Ausgangsstamm weitergezüchtet waren,
schon Unterschiede. Die Stäbchen wurden im- ganzen schlanker, das
Bild wurde gleichmäßiger, die Vielheit der Formen verschwand, nur
Fig. 1. Fig. 2.
das Neißer-Präparat blieb unverändert negativ. Am Ende des dritten
Versuches wurde ein weiterer angestellt, der folgende Werte ergab:
Nach 24stündiger Bebrütung pH 7,05
Röhrchen I u. nl » 48 > 7,01
5.96): Fo 5 7,01
E I „220: se S 6,45
{ lI p20) © 5 6,38
Aus den beiden Röhrchen 1 und 2 züchtete ich nun Kolonien, die
sich ziemlich von dem unbehandelten und Ausgangsstamm unter-
schieden:
Bei gleicher Größe war die Farbe nicht mehr weißlich sondern
die Kolonien waren durchsichtig bei glasigem Aussehen, mikroskopisch
jedoch noch dem oben beschriebenen Bild ähnlich. Aus diesen beiden
Röhrchen brachte ich nun je eine Oese in anderes Substrat bei folgender
Zusammensetzung: 2 Proz. Pepton, 1 Proz. Traubenzucker, 0,5 Proz.
NaCl und einer pu von 7,14. Die Säuerung des Stammes verhielt
sich jetzt folgendermaßen:
Ausgangs-pH 7,14
nach 24 Stunden 7,02
» 48 „ 6,81
5296 +3 6,80
Sie war in diesem Substrat relativ stärker als in dem des vierten
Versuchs, blicb aber hinter den Erwartungen zurück. Jedoch zeigte
Gundel, Diphtherieprobleme. 343
jetzt das Gram-Präparat ein ganz anderes Aussehen. Es handelte sich
um im allgemeinen schlanke, gerade, zuweilen aber auch um typische,
leicht gebogene Stäbchen in schönen V- und Y-Formen, die zum großen
Teil in Haufen lagen und im Neißer-Präparat das Bild einer aus-
gesprochenen Diphtherie boten (s. Fig. 2). Es war hier cine über-
wältigende Fülle von Körnchen in durchaus typischer Form und
Lagerung zu erkennen. In diese Versuche Uneingeweihte stellten aus
den beiden Bildern ohne Besinnen die Diagnose ,,Diphtherie“.
Man ist zweifelsohne versucht, zunächst an eine Verunreinigung zu
denken. Aber neben dem Umstand, daß wir in der betreffenden Zeit
gar keinen echten Diphtheriestamm im Laboratorium hatten, spricht
die Tatsache dagegen, daß ein am gleichen Tag neu angesetzter Versuch
das gleiche Ergebnis zeigte. Auch kulturell zeigte die Blutaussaat aus
dem letzten Röhrchen ein ganz verändertes Aussehen. Die Kolonien
waren „ganz klein und farblos“. Schon das kulturelle Bild täuschte
eine echte Diphtherie vor.
Aus dem Röhrchen ,,6,80“ (siehe oben) wurde neben der Blut-
aussaat nun gleichzeitig wieder in die Molke I zurückgeimpft, um
festzustellen, ob diese Bakterien etwa jetzt in diesem Substrat besser
säuern können. Gleichzeitig wurde von der Blutaussaat aus ,,6,80*
und aus der unbehandelten Blutkultur von „Ps alt“ in das gleiche Sub-
strat je 1/ Oese verimpft. Das Bild war folgendes:
| In Molken I von pH 7,07
mach | aus Molke IT | aus Blutplatte | aus unbehandelter
| von pH 6,80 | Molke 6,80 | Blutreinkultur
96 Std | 5,55! 6,32 | 7,01!
120 5 | 5,32! 5,98 | 6,89!
Wir sehen jetzt, daß der Stamm „Ps alt“, unbehandelt von Blutagar
auf Blutagar fortgezüchtet, seine alten Eigenschaften beibehalten hatte:
Die Säuerung war ganz gering geblieben, im Gram- und Neißer-Prä-
parat war keine Veränderung eingetreten, das kulturelle Verhalten
zeigte im Wachstum üppigere und hellweiße Kolonien. Hingegen
zeigte der behandelte Stamm eine ganz bedeutende Aenderung in seinem
biochemischen, kulturellen und färberischen Verhalten: die Säuerung,
war stärker, als ich sie bei der großen Mehrzahl meiner Diphtherie-
stämme gefunden habe, das morphologische und kulturelle Verhalten
war typisch für eine echte Diphtherie. Nach der einen Blutagarpassage
war die Säuerung bereits wieder etwas geringer, im anderen Verhalten
zeigte sich jedoch noch keine Veränderung.
Tierversuche, die vielfach mit dem behandeltem Stamm (besonders
und zweimal wiederholt von ,,6,80° und „5,32°) angestellt worden
waren, verliefen negativ. Damit ist für diese Versuchsreihe also der
Beweis noch nicht erbracht, daß es sich um eine echte Diphtherie
handelt, wohl aber, daß der Stamm in diphtherieähnliche Bakterien um-
gewandelt worden ist. Es will darum scheinen, daß enge Beziehungen
zwischen Pseudodiphtherie- und diphtherieähnlichen Bakterien bestehen.
Ich habe schon weiter oben hervorgehoben, daß es sich auch bei
dem Stamm ,,2815“ um einen typischen Pseudodiphtheriestamm handelt.
Die Fig. 3 zeigt im Gram-Präparat das gewohnte Bild eines ,,unver-
344 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
dächtigen‘‘ Pseudodiphtheriestammes. Der Stamm verhielt sich in der
Molke I (s. 0.) zunächst durchaus typisch, indem er am 4. Tage die
Molke (Ausgangs-pH 7,07) bis 6,64 säuerte. Jedoch zeigte sich bereits
bei der Uebertragung aus diesem Röhrchen in ein neues mit einer px
von 7,07, daß seine Eigenschaften sich verändert hatten. Nach
72stünd. Bebrütung stellte ich einen Wert von px 6,43 und nach
96stünd. Bebrütung von 5,76 fest (selbstverständlich handelte es sich
Fig. 4.
immer um Reinkulturen). Auch beide Kontrollröhrchen ergaben bei
den pu-Messungen fast dieselben Werte (6,53 und 5,74). Auf das
kulturelle und morphologische Verhalten muß ich ausführlicher ein-
gehen. Bei der ersten Messung (6,43) fanden sich im Nährmedium
und auf der Platte Bakterien, die morphologisch schon sich recht er-
heblich von dem Ausgangsstamm unterschieden. Betrachtet man die
Fig. 4 und 5, so sieht man im Gram-Präparat Formen, die einer
© tr
Fig. 6.
typischen Diphtherie entsprechen: V-Formen, z. T. leicht gekrümmte,
schlanke Stäbchen in haufenförmiger Anlagerung, daneben aber noch
kurze plumpe Stäbchen, die den Eindruck von Pseudodiphtheriestäb-
chen machen. Auf der Fig. 5 haben sich die Stäbchen in ihrer Form
noch mehr nach der Diphtherieseite verschoben. Im Neißer- Präparat
habe ich nur in einem Bilde drei Stäbchen mit typischen Körnchen ge-
sehen, in ca. 15 anderen Präparaten jedoch immer vermißt. Das
kulturelle Aussehen war zum Teil anders als bei dem Ausgangsstamm.
Es fanden sich neben üppigeren weißen Kolonien schon ganz zarte,
durchsichtige. In Gram-Präparaten zeigten sich jedoch keine Unter-
schiede im morphologischen Verhalten der verschiedenen Kolonien: wir
Gundel, Diphtherieprobleme. 345
sehen bei überwiegendem Vorkommen von ,,Diphtherie‘-Stibchen doch
noch ,,Pseudodiphtherie“-Formen.
In den ,„5,76“-Röhrchen des 4. Tages finden wir nun Stäbchen,
die durchaus typisch für Diphtherie sind. Es handelt sich (siehe
die Fig. 6) um schlanke, oft leicht gekrümmte Stäbchen in V- und
und Y-Formen, die im allgemeinen in Häufchen liegen und mittellang
sind. Im Neißer-Präparat sieht man eine ausgezeichnete Körnchen-
färbung von typischer Gestalt. Erfahrenen Untersuchern vorgelegt,
zögerte keiner mit der Diagnose „Diphtherie‘, obwohl wir recht vor-
sichtig mit dieser Diagnose geworden sind. Ich hätte jetzt noch auf
das kulturelle Verhalten der aus dem Röhrchen ‚5,76‘ gezüchteten
Bakterien einzugehen. Wenn wir schon tags vorher gesehen hatten,
daß sich die Art des Wachstums verändert hatte, so konnte ich jetzt
feststellen, daß die Kolonien farblos (erst nach längerem Stehen mit
weißlichem Glanz) und recht zart waren, wobei sie sich deutlich von
den Kolonien des Ausgangsstammes unterschieden.
Bei weiterer Fortzüchtung des Stammes auf Traubenzuckeragar
behielten die Bakterien im Gram-Präparat ihre „Diphtheriegestalt‘
23 Tage bei täglicher Uebertragung bei. Vom ungefähr 23. Tag ab
machte sich langsam zunehmend eine Aenderung in ihrem morpho-
logischen Aussehen bemerkbar, bis wir am 36. Tag (am Abschluß
der Untersuchungen) im Gram-Präparat Stäbchen sahen, die ich wieder
als „Pseudodiphtherie‘‘ ansprechen würde, obwohl sich zuweilen noch
„verdächtige“ Stäbchen fanden. Kulturell machte sich ungefähr vom
8. Tag ab ein üppigeres Wachstum bemerkbar, das am 36. Tag nur
noch üppige, weiße, glänzende, mittelgroße Kolonien zeigte. In ihren
chemischen Leistungen hatte sich aber die Veränderung durchaus
erhalten. Die aus den Röhrchen ,,6,43“ und „5,76“ gezüchteten Stämme
zeigen gegenüber dem Ausgangsstamm „2815“ ein ganz anderes Ver-
halten (Molke 1): -
Stamm „2815“ „6,43“ 90.764
Ausgangs pH 6,96 6, 6,96
72 Std. 6,68 5,96 5,13
% , 6,54! 4,82 ! 4,78!
Trotz der sehr bedeutsamen Veränderungen haben vielfach wieder-
holte Tierversuche jedoch keine Aenderung in der Virulenz ergeben.
Fassen wir die Ergebnisse dieser Versuche zusammen, so muß hervor-
gehoben werden, daß der Nachweis experimentell erbracht worden ist,
daß man Pseudodiphtheriebakterien von typischem Aussehen in di-
phtherieähnliche Bakterien von typischem Aussehen umwandeln kann.
Die beiden Ausgangsstämme, die als sichere Pseudodiphtheriestämme
nach ihrem morphologischen und kulturellen Verhalten sowie nach
ihrem Zuckergärungsvermögen erkannt werden konnten, wurden in
Stämme verwandelt, die das Bild eines diphtherieähnlichen Bakteriums
darstellen (morphologisch und kulturell erscheinen sie als Diphtherie-
bakterien, das Zuckergärungsvermögen war positiv bei fehlender Tier-
pathogenität). Auf welchen Umstand das Ausbleiben der Tierpatho-
genität zurückgeführt werden kann, muß zur Klärung weiteren Unter-
suchungen vorbehalten bleiben.
Es wurde schon eingangs kurz hervorgehoben, daß die Diphtherie-
bakterien aus Glukose im allgemeinen mehr Säure bilden können
als die Pseudodiphtherienbakterien. Jedoch fanden sich einzelne aviru-
346 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
lente Stämme, die zu bestimmten Zeiten mehr Säure zu bilden imstande
waren, als die am wenigsten Säure produzierenden echten Diphtherie-
stämme (siehe 1 und 2). Dasselbe ließ sich für das Alkalibildungs-
vermögen nachweisen: im allgemeinen bilden die Diphtherienbakterien
mehr Alkali als die überwiegende Zahl der Pseudodiphtheriebakterien,
die ebensoviel oder mehr Alkali bilden als die am wenigsten produzieren-
den Diphtheriestämme. Schließlich konnte gefunden werden, daß die Di-
phtheriebakterien schneller ihr Säuremaximum erreichen als die Pseudo-
diphtheriebakterien, wohingegen die Pseudodiphtherie- eher ihr Alkali-
maximum erreichen als die Diphtheriebakterien.
Es resultierte aus diesen Untersuchungen, daß eine sichere
Unterscheidung der Diphtherie- von den Pseudodiphtheriebakterien auf
Grund der gebildeten Säure- bzw. Alkalimengen nicht möglich ist.
Des weiteren geht aber aus diesen und den vorher besprochenen
Versuchen hervor, daß allem Anschein nach zwischen den verschiedenen
Typen der Gruppe der Corynebakterien engere Beziehungen bestehen
müssen als im allgemeinen bisher angenommen wurde Diese Annahme
wird z. B. unterstrichen durch eine Arbeit von Gickel (11), der eine
Epidemie von Vulvadiphtherie bei Säuglingen beobachtete. Die Bak-
terien waren ohne metachromatische Körnchen und avirulent, aber
zweifellos die Erreger der Epidemie!). Lähmungserscheinungen wurden
nicht beobachtet. Es könnte sich danach um eine lokale Erkrankung
handeln, deren Erreger -das beschriebene Pseudodiphtheriebakterium
wäre, und bei der darum Lähmungen nicht auftraten. Auch von
Bitter (8. Tagung der fr. Verein. f. Mikrobiol. 1920) wurden bei
Fällen von Wunddiphtherie ähnliche Befunde erhoben: „Außer echten
Diphtheriebakterien sind nicht selten völlig avirulente aus Traubenzucker
säurebildende diphtherieartige Stäbchen und Pseudodiphtheriebakterien
isoliert wurden. In derselben Wunde fanden sich gelegentlich alle
3 Formen oder 2 von ihnen neben- oder hintefeinander.‘‘ Des weiteren
hat Orloff neuerdings nach den Ergebnissen der Schick-Reaktion
den Eindruck gewonnen, daß die Pseudodiphtheriebakterien ein Zeichen
von spontaner Immunität sind! Er kommt also zu einer ähnlichen An-
sicht wie ich auf Grund meiner experimentell biologischen Versuche.
In diesem Zusammenhang dürfte es nicht uninteressant sein, darauf
hinzuweisen, daß von den gramnegativen Gonokokken schon lange
bekannt ist, daß sie sich beim Uebergang der akuten in die chronische
Gonorrhoe in grampositive verwandeln können. Diese grampositiven
1) Nach Abschluß meiner Untersuchungen erschien die Arbeit von Gins
und Fortner (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 99. 1926), die ein neues
Verfahren für die Diphtheriediagnose — die Tuscheausstrichmethode — veröffentlichen.
Aus dieser Arbeit möchten wir einige Beobachtungen der Autoren kurz streifen, die
geeignet sind, einige meiner Vrais zu unterstreichen: die beiden Autoren beob-
achteten gleichfalls eine Aenderung im morphologischen und kulturellen Bild ihrer
Diphtheriestiimme (S. 254):
„Auffallend war die Tatsache, daß große morphologische Unterschiede auf-
traten, je nachdem ob die Kulturen auf Loefler-Serum oder Levinthal-.Agar
gehalten worden waren. ......
Die Loeffler-Kulturen von Di 2 und 382 waren nicht mehr gelblich
wie zuerst, sondern weiß, trocken und hafteten zähe an der Nährbodenfläche . . .“
Des weiteren führen die beiden Autoren Versuche mit einem anderen Stamm
an (S. 256), wo bei Zimmertemperatur Bakterien wuchsen, die Pseudodiphtherie-
bazillen glichen, während bei Brutschranktemperatur typische Diphtheriebazillen
gezüchtet wurden !
Gundel, Diphtherieprobleme. . 347
Formen wachsen auf den künstlichen Nährböden besser als die gram-
negativen Gonokokken. Wie sich so der gramnegative Gonokokkus in
eine grampositive Form verwandeln kann, so glaube ich auch, daß
sich das Diphtheriebakterium auf den Tonsillen in Pseudodiphtherie-
bakterien umwandeln kann. Umgekehrt ist bekannt, daß diese ,,sapro-
phytischen“ Gonokokken unter günstigen Bedingungen wieder pathogen
werden können. Das gleiche hat meines Erachtens für die Pseudo-
diphtheriebakterien zu gelten!
Es ist die Beobachtung bereits kurz gestreift worden, daß einige
Autoren beim erkrankten Menschen in der Rekonvaleszenz nach vor-
herigem positiven Diphtheriebakterienbefund allmählich immer mehr
Pseudodiphtheriebakterien fanden, und daß sie aus diesen Beobachtungen
schlossen, daß die Diphtherie- in Pseudodiphtheriebakterien übergehen.
Gegen diese Annahme sind früher viele Einwände erhoben worden,
die aber nicht restlos dieser Hypothese den Garaus machen konnten.
In neuerer Zeit ist es in Tierexperimenten Schmitz (8) und besonders
Killian (9) gelungen, durch Fütterung, intravenöse und intraperi-
toneale Einverleibung Diphtherie- in pseudodiphtherieartige Bakterien
umzuwandeln. Damit wäre dann die Richtigkeit dieser Hypothese
erwiesen.
In einer Versuchsreihe habe ich die Befunde von Killian
nachgeprüft. Ich fütterte Meerschweinchen mit großen Dosen Di-
phtheriebakterien und tötete sie nach 4, 8, 12 bzw. 24 Std. Uns
interessieren hier besonders die Befunde mit dem Diphtheriestamm 90,
der aus einer Tonsillendiphtherie stammte und im Tierversuch hoch-
virulent war. Ein kleiner Teil der aus den Halsdrüsen der getöteten
Tiere gezüchteten Stämme war zunächst durch ein außerordentlich
üppiges Wachstum ausgezeichnet und sämtliche Stämme waren neißer-
negativ! Nach durchweg 5—8 Tagen langer Fortzüchtung in opti-
malen Nährböden traten wieder Körnchen auf, die Kolonien wurden
zarter und es trat schließlich auch wieder die bis dahin fehlende Tier-
pathogenität auf. Bei diesen Stämmen beobachtet man demnach bei
der Durchwanderung der Schleimhäute zunächst eine sehr durch-
greifende Aenderung in ihrem kulturellen und morphologischen Ver-
halten. Diese frisch aus dem getöteten Tier gezüchteten Stämme sind
zunächst immer als Pseudodiphtheriestämme anerkannt worden, sind
aber von Killian offensichtlich nicht gefunden worden. Killian
beobachtete vielmehr nur Stämme, die „Degenerationsformen, Virulenz-
verlust, stark verzögertes Wachstum, sowie eine allgemeine Herabsetzung
der Lebensfähigkeit“ zeigten und die sich in der Regel nicht weiter auf
Nährböden fortzüchten ließen. In der überwiegenden Zahl von positiven
Züchtungsbefunden konnte auch ich diese Formen nachweisen, die
ich als Endprodukt der Umwandlung der Diphtheriebakterien auf-
fassen möchte, gerade auch darum, weil sie fast ausschließlich ge-
funden wurden, wenn der Versuch länger als 8 Std. dauerte. Das
1. Stadium der Umwandlung ist zweifellos das in Pseudodiphtherie-
bakterien, dem dann die Umwandlung in völlig degenerierte Formen-
folgt. Damit ist erwiesen, daß in vivo Diphtheriebakterien sich in
Pseudodiphtheriebakterien verwandeln können, die dann in vitro unter
günstigen Bedingungen in diphtherieähnliche (Fehlen von Tierpatho-
genität!) und schließlich in echte Diphtheriebakterien zurückverwandelt
werden können. Daß es sich hierbei auch tatsächlich um echte Di-
348 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
phtheriebakterien handelt, ließ sich einwandfrei durch die Tiervirulenz
feststellen. Herr Dr. Pesch, der so liebenswürdig war, sie zu prüfen,
wofür ich auch an dieser Stelle meinen ergebensten Dank zum Ausdruck
bringen möchte, teilte mir über die Prüfung das Folgende mit: ,,Sämt-
liche 3 Stämme erwiesen sich als vollkommen einheitlich und gehören
zu meiner Gruppe I. Ob sie zur Gruppe Ia oder Ib gehören, habe ich
nicht geprüft, da ja bei der Pathogenitätsprüfung nicht leicht Differen-
zen entstehen dürften.“ Bei den 3 an Herrn Dr. Pesch gesandten
Stämmen handelte es sich um den Originalstamm (90) aus einer frischen
Tonsillendiphtherie und 2 Stämme, die aus den Halsdrüsen zweier
getöteter Meerschweinchen gezüchtet und in echte Diphtheriestämme
zurückverwandelt worden waren.
Aber nicht nur tierexperimentell, auch in vitro ist es uns bereits
früher gelungen (1,2), einen pathogenen Diphtheriestamm in einen
apathogenen Stamm und wieder zurückzuverwandeln. Unter Verwendung
geeigneter Nährmedien, die nach den Erfahrungen unserer früheren
Versuche über die Biologie der Corynebakterien zusammengesetzt worden
waren, und mit Hilfe einer großen Reihe von Tierversuchen, konnte
diese Variabilitätsneigung der Diphtheriebakterien schon in 48 Std.
gezeigt werden.
Es fehlte jetzt nur noch der Nachweis, daß es ebenfalls gelingt,
einen Pseudodiphtheriestamm (als Ausgangsstamm!) in einen Di-
phtheriestamm zu verwandeln. Es wäre dann der Kreis geschlossen,
der uns in die Lage versetzte, gewisse epidemiologische Fragen durch
diese Befunde aufklären zu können. Dieser Beweis fehlt zwar noch,
aber es gelingt, wie wir eingangs gesehen haben, das biologische Ver-
halten der Pseudodiphtheriebakterien so zu verändern, daß sie hin-
sichtlich des Säurebildungsvermögens den echten Dibakterien sehr ähn-
lich werden.
Mit dem erworbenen Säurebildungsvermögen ging eine Aenderung
im morphologischen und kulturellen Verhalten der beiden geprüften
Stämme einher. Möglicherweise wird es auch noch gelingen, diese
Stämme in tierpathogene umzuwandeln.
Wegen der aber immer noch vorherrschenden Meinung über die
Wichtigkeit der Tierpathogenität bei der Unterscheidung ,,menschen-
pathogener“ und ‚„menschenapathogener“ Diphtheriestämme, möchte ich
an dieser Stelle betonen, daß meines Erachtens bei frisch aus dem
Krankheitsherd gezüchteten Stämmen die Avirulenz eines Bakteriums
— also in unserem Falle eines diphtherieähnlichen Bakteriums —
nicht den Schluß zuläßt, daß dieser Mikroorganismus nicht der
Erreger der betreffenden Erkrankung ist. Relativ häufig (z. B.
siehe Tab. I), haben wir aus einer schweren Tonsillen- und Nasen-
diphtherie ,,Diphtheriebakterien“ gezüchtet, die für Meerschweinchen
vollkommen avirulent waren. Würde in jedem Falle einer „positiven
Diphtherie‘“ ein Tierversuch gemacht werden, dann würde die Zahl
der Befunde von „echten Diphtheriestämmen‘ wahrscheinlich noch
viel kleiner werden, gleichzeitig aber die Unzufriedenheit der Praktiker
mit unserer Diagnosestellung weiter wachsen. Nach Abschluß meiner
Untersuchungen erschien eine „kurze wissenschaftliche Mitteilung“
von Herta Meyer (10). Ich stimme ihren Zweifeln, „die sich gegen
die absolute Gültigkeit des Tierexperimentes für den Menschen ergeben‘,
Gundel, Diphtherieprobleme. 349
vollkommen zu und möchte noch weiter gehen, indem ich das Tier-
experiment für die Diagnosestellung, ob echte = tiervirulente, d. h.
menschenpathogene oder unechte = tieravirulente, d. h. menschenapatho-
gene Diptheriestämme vorliegen, ablehne. Herta Meyer gelangt zu
ihrem Ergebnis auf Grund der Untersuchungen von Nasen - Rachenab-
strichen an 327 Kindern. Sie fand „in 34 Fällen= 10 Proz. echte Di-
phtheriebazillen“. Von 22 Bazillenträgern zeigten 10 eine positive Reak-
tion. In 7 Fällen mit positivem Bazillenbefund wurde der Tierversuch
angestellt, . . . .. Das Ergebnis war: dreimal Tod des Meerschwein-
chens . . ., viermal Tier gesund geblieben.“
Ich halte meine Befunde aber für noch eindeutiger, weil sie so-
wohl an Kranken als auch anscheinend Gesunden (= Bazillenträgern)
erhoben wurden. Das Material ist zwar klein, jedoch sind sämtliche
in einem bestimmten Zeitraum zur Untersuchung gelangten Fälle ein-
gehend geprüft und keine Auswahl getroffen worden (s. Tab. I).
Tabelle I (12. 4.- 27. 4. 1926).
Protokoll- A Pathogenität am .
Nr. Patient Moerschweinchen Krankheit
799 W., wbl. negativ krank
939 H. P, H., ml. z ? ob Bazillenträger
878 H. F., ml. positiv * “
871 H. H., ml > a 4
875 H. M., ml. negativ A
788 H. B., whl. = krank
926 P. G., ml. positiv Bs
1024 R., whl. 3 ə
1003 K., wbl. negativ =
970 R. ml. (Nasen-Di) » i
1020 W. G., ml. positiv *
1014 B, 5 A
958 | H. | negativ :
Von 9 Diphtheriefällen zeigten die gezüchteten Stämme:
in 4 Fällen positive Tiervirulenz und
A) » negative Mr
Von 4 Bazillenträgern zeigten die gezüchteten Stämme:
in 2 Fällen positive Tiervirulenz und
» 2 „ negative š
In der Zeit vom 12. 4. bis 27. 4. 1926 gelangten bei uns etwa
400 Nasen- und Rachenabstriche zur Untersuchung und in 13 Fällen
wurden Diphtheriebakterien gefunden: 9 von Diphtheriekranken und
4 von fraglichen Bazillenträgern (unter 178). Von 9 Diphtheriestämmen
von Kranken zeigten sich aber nur 4, von 4 von Bazillenträgern nur 2
als virulent für Meerschweinchen. Gegen die klinische Diagnose ,,Di-
phtherie“ können in diesen Fällen keinerlei Zweifel erhoben werden;
auch konnten die negativen wie positiven Befunde bei einigen Fällen
verschiedene Male bestätigt werden. Mag vielleicht auch in meinem
350 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
Material der Prozentsatz avirulenter Diphtheriestämme besonders groß
sein, so läßt doch dieses kleine Material in Uebereinstimmung mit den
Befunden von Herta Meyer schon die großen Fehlerquellen erkennen,
die im Vergleich des Ausfalls des Tierexperiments mit der Pathogenität
der Diphtheriestämme beim Menschen begründet liegen.
Zum Schluß dieser bakteriologisch-biologischen Betrachtungen über
den Erreger der Diphtherie und seine Beziehungen zu den diphtherie-
ähnlichen und Pseudodiphtheriebakterien seien kurz die für unsere
weiteren Ueberlegungen wichtigsten experimentell erhobenen Befunde
zusammengefaßt:
Es konnte der Nachweis erbracht werden, daß 1. im Tierkôrper
eine Umwandlung von Diphtheriebakterien in Pseudodiphtheriebakterien
erfolgt und daß diese in vitro wieder in Diphtheriebakterien zurück-
verwandelt werden können, daß 2. in vitro ein pathogener Diphtherie-
stamm in einen apathogenen und wieder zurückverwandelt werden
konnte, daß 3. in vitro ein Pseudodiphtheriestamm in einen apatho-
genen Diphtheriestamm verwandelt werden konnte und daß schließlich
4. die Prüfung der Virulenz von Diphtheriestimmen an Meerschwein-
chen keinen Rückschluß auf ihre Virulenz für den Menschen gestattet.
Literatur.
1) Gundel, Med. Gesellsch. Kiel. 16. VII 25. Ref.; Münch. med.
Wochenschr. 1925. Nr. 34. — 2) Bitter, Gundel u. Sancho, Centralbl.
f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 97. 1926. — 3) Pesch, Ibid. Bd. 92. — 4) Ders.,
Dtsch. med. Wochenschr. 1924. S. 1298. — 5) Ders, Centralbl. f. Bakt.
Abt. I. Orig. Bd. 92. — 6) Bitter u. Gundel, Münch. med. Wochenschr.
1920. Nr. 10. — 7) Riebold, Ibid. 1923. S. 1204 u. 1203. — 8) Schmitz,
Berl. klin. Wochenschr. 1917. Nr. 6. — 9) Killian, Zeitschr. f. ive, Bd. 102.
1924. — 10) Meyer, Klin. Wochenschr. 1926. Nr. 12 — 11) Gickel,
Centralbl. f. Bakt. Abt I. Ref. Bd. 85. S. 55.
Nachdruck verboten.
Ueber die aktive Immunisierung gegen Diphtherie
mittels Anatoxin.
Il. Mitteilung.
[Aus dem Bakteriologischen Staatsinstitut in Baku (Aserbeidschan).]
Von Prof. Dr. med. P. Sdrodowski und Dr. K. Chalapina.
In unserem 1. Bericht über die aktive Immunisierung mittels Di-
phthericanatoxin haben wir schon die Resultate veröffentlicht, welche
wir bei den ersten Versuchen mit diesem Präparat bekommen haben 1),
1) Sdrodowski, P., u. Brenn, H., Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig.
Bd. 97. 1926.
Sdrodowski u. Chalapina, Aktive Immunisierung gegen Diphtherie usw. 351
Auf Grund dieser Untersuchungen sind wir zum Schlusse ge-
kommen, daß die Ramonsche Methode nach ihrem Prinzip die voll-
kommenste der Diphtherievakzinebereitung ist, ungerechnet ihrer uni-
versellen Bedeutung (die Verwandlungsmöglichkeit eines beliebigen
Toxins nach Ramons Methode in entsprechendes Anatoxin mit voll-
wertigen vakzinierenden Eigenschaften).
Doch ist die Ramonsche Methode nichts viel weiter als eine glück-
liche Zufallsentdeckung, weswegen sie in vieler Hinsicht eine empirische
Methode, deren weiteres Studium erforderlich ist.
Zur Charakteristik des jetzigen Standes des Problems über Di-
phtherieanatoxin genügt es zu sagen, daß bisher die wichtigste Frage
über die experimentelle Charakteristik der wertvollen Präparate des
Anatoxins sowie über die rationelle Methode der Bereitung eines Ana-
toxins von bestimmter Aktivität ganz offen bleibt; desgleichen die wich-
tige Frage der quantitativen und qualitativen Standardisation des Ana-
toxins. Die zur Zeit angewandte Dosierung des Anatoxins ist viel zu
willkürlich, da die Dosierungsmethode schlechthin in einfachen Volum-
einheiten des Präparates ohne präzisere quantitative und qualitative
Charakteristik der Vakzine angegeben wird. Schließlich. fehlen bis jetzt
ncch rationelle Immunisierungsschemata für den Menschen, da z. B. die
französische Methode (2 oder 3malige Injektion des Anatoxins mit
Zwischenräumen von 20 Tagen bei Dosierung des Präparates — 0,5,
1,0, 1,0 oder 1,5) willkürlich ist und für größere Kinder resp. Er-
wachsene kaum anwendbar ist (großer Prozentsatz starker Reaktion).
In. Summa sind also in Ramons Verfahren die Befunde von wichtigster
theoretischer und praktischer Bedeutung, jedoch fordert das ganze Pro-
blem der Anatoxine und speziell des Diphtherieanatoxins noch viel
weiteres Studium.
Im Laufe der Jahre 1925—26 werden unter unserer Leitung in
Baku massenhafte Impfungen von Kindern mit Anatoxin organisiert.
Diese Massenvakzination gestattet uns, die nötigen Beobachtungen aus-
zuführen und gleichzeitig die Anatoxinpräparate an Menschen und
unter Laboratoriumsbedingungen zu prüfen. In Zusammenhang mit
unseren früheren Untersuchungen über Diphtherieanatoxin (1924 bis
1925) war die Aufgabe dieser experimentell-klinischen Forschungen
folgende:
1) Die Feststellung der vakzinierenden Eigenschaften verschiedener
Präparate des Diphtherieanatoxins. — 2) Die Feststellung der Labo-
ratoriumsmethode zur qualitativen Charakteristik der Anatoxinpräparate,
welche einen Maximaleffekt bei der Immunisation der Menschen geben
(die qualitative Standardisation des Anatoxins). — 3) Die Feststellung
der vakzinierenden Wirkung der in bezug auf die Reaktion toleranten,
verminderten Dosen des Anatoxins, ausgedrückt in antigenen Einheiten
Ramons (die rationelle Dosierung und die quantitative Standardisation
des Antitoxins). — 4) Die Feststellung der Prinzipien der Gewinnung
der am meisten aktiven Anatoxinpräparate mit Klarlegung der Gesetz-
mäßigkeiten, denen sich der Prozeß der Anatoxinbildung überhaupt
unterwirft.
Im ganzen wurden zur Zeit der Diphtheriebekämpfung in Baku
etwa 27000 Kinder einer Voruntersuchung nach Schick (1/4)T) unter-
worfen; hauptsächlich waren es Schulkinder im Alter von 7—14 Jahren
(22523). Die positive Reaktion nach Schick war in etwa 19 Proz.
352 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
registriert und verteilte sich nach dem Alter folgendermaßen: 0—3 Mon.
5 Proz., 4-6 Mon. 24,2 Proz., 7—12 Mon. 36,8 Proz., 1—3 Jahr
60,5 Proz., 4—6 Jahr 42,5 Proz., 7—10 Jahr 22,1 Proz., 11—14 Jahr
13,5 Proz.
Von den Kindern, die eine positive Sch.R. gaben, wurden der Ana-
toxinimmunisation von Oktober—März 1925—1926 3624 M. unter-
worfen; dazu gerechnet frühere Beobachtungen und ergänzende Vakzi-
nation in der Provinz, im ganzen 4600 M.
Später wurde in verschiedenen Fristen der Grad der Immunität
vermittels Sch. R. (1/49 T) an 1861 M. kontrolliert. Dieses Material
gab die Grundlage für unsere experimentell-klinischen Beobachtungen.
Zur aktiven Immunisation benutzten wir mehrere Anatoxine, welche
aus verschiedenen Toxinarten bereitet waren. Die Toxine selber wurden
durch Aussaat der Diphtheriekultur Park Williams N. 8 in
Martinsche Bouillon bereitet.
Die Charakteristik der angewandten Toxine ist folgende:
Gesamtstickstoff nach Kjeldahl von 0,25—0,33 Proz., pH nach Komparator
von Michaelis 8,1—8,3; DLM für ein Meerschweinchen von 250 g Gewicht
von 0,0018—0,0026; die Zahl der antigenen Einheiten (A. E.), bestimmt nach
Ramon in der Anfangsflockulation, von 7—9 in 1 cem; alle Toxine flockten
gut mit unseren spezifischen Sera in der Zeit von 2—3!/, Std. bei 35—37° C;
es wurden frisch zubereitete, wie auch im Eisschrank unter Toluol aufbewahrte
(maximum 10 Mon.) Toxine gebraucht.
Bei Zubereitung der Anatoxine benutzten wir eine 35proz. (nach
dem spezifischen Gewicht) Lösung des käuflichen Formalins, von dem
0,5 Proz. zum Toxin hinzugefügt wurde. Das formalinisierte Toxin
wurde im Thermostat bei 33—40° C (ohne genaue Regulierung) oder
in einigen Fällen bei 40—420 C 30 Tage gehalten !).
Das frisch bereitete Anatoxin wurde zuerst an Meerschwein-
chen von 250 g Gew. auf Unschädlichkeit geprüft, denen das Präparat
subkutan in einer Quantität von 5,0 eingespritzt wurde, was einer
Menge von 2000—2775 T. der Ausgangstoxin entsprach. Alle Meer-
schweinchen blieben hierbei gesund, an der Impfstelle bildete sich nur
(nicht immer) ein vorübergehendes mäßiges Oedem, das nach 1—2 Tagen
verschwand.
Dann wurde das Anatoxin weiter erprobt, und zwar gleichzeitig
mit dem Ausgangstoxin im Flockulationsversuch nach Ramon mit
einem Diphtherieserum von bestimmtem A.E.-Titer nach Ehrlich.
Bei diesem Experiment wurde die Zeit des Erscheinens der 1. Flocku-
lation resp. deren Avidität und die Serumverdünnung, bei
welcher sich die initiale Flockulation zeigt, d. h. die Quantität A.E.
nach Ramon bestimmt.
Auf solche Weise wurde eine vergleichende Charakteristik des Aus-
gangstoxins und des Anatoxins in anbetracht der Quantität antigener
Einheiten im ccm und in anbetracht der Schnelligkeit der Flockulation
(gleichzeitige Flockulation resp. ihre Verzögerung in Std.) erhalten. Alle
1) Nach unseren Beobachtungen spielt die Temperatur eine entscheidende Rolle
bezüglich Aktivität des Anatoxins, da schon bei 41° C. eine wesentliche Denaturation
des Präparate stattfinden kann. Die Einzelheiten hoffen wir in folgenden Mit-
teilungen zu veröffentlichen.
Sdrodowski u. Chalapina, Aktive Immunisierung gegen Diphtherie usw. 353
Flockulationsexperimente wurden bei einem Gesamtvolumen von 5 ccm
bei 35—37° C ausgeführt.
Bei der Immunisation der Kinder wandten wir 6 Serien ver-
schiedener Anatoxine an, welche folgenderweise charakterisiert werden:
Anatoxin III N nach Kjeldah | 0,25 Proz., pH —7,5, AE.—7, Verspät. Flock. —5 Std.
3
” ” ” ” 7 ” ee, We » ” —2!},,
» VI » » » 0,33 ” 2 —7,7, ” —8, ” n —0 »
» VII » n » 0,28 » ” —6,7, ” —7, n n —3 ”
» X n ” » 0,28 n » —7,0, n —7, n n —0 ”
» XIII » » ” 0,29 n ” —7,0, n —7, ” n —0 n
So enthielten die Anatoxine, welche wir zur Immunisation der
Kinder anwandten, in 5 von 6 Fällen 5 A.E. Ramons in 1 ccm und
in 1 Fall 8 A.E. Die Serien unterschieden sich nach der Flockulations-
fähigkeit mit Antitoxin wie folgt: VI, X und XIII flockulierten ohne
Verspätung, III, V und VIII flockulierten im Vergleich mit den Aus-
gangstoxinen mit einer Verspätung von 21/,—5 Std.
Endlich ist noch zu bemerken, daß in den Serien X und XIII die
Quantität A.E. im Ausgangstoxin und Anatoxin die gleiche war, in
Serien III, V, VI, VIII enthielt das Anatoxin im Vergleich zum Aus-
gangsioxin weniger A.E. (Differenz von 1—2 A.E.). Dabei wurde
in der Serie VI die Verminderung von A.E. nicht von der Verspätung
der Flockulation begleitet, in den andern Serien — V, VI, VIII — aber
wurde sie durch gleichzeitige Verspätung kompliziert.
Die Anatoxine immunisierten Meerschweinchen von 250 g Ge-
wicht bei Imaliger Vakzination mit 1,0 und 5,0 nach 14—17—20 Tagen,
aber bei Dosen 0,3 und 0,5 im Laufe von 17—21 Tagen.
Wie schon oben erwähnt, ist die Dosierung des Anatoxins, welche
die französischen Autoren empfehlen (0,5 erste Impfung und 1,0 die 2.)
praktisch für die Immunisation größerer Kinder und Erwachsener wenig
tauglich, da sie einen großen Prozentsatz starker Reaktion (örtlicher
und allgemeiner) geben. Was Kinder bis zu 3 Jahren anbetrifft, so
wird diese Dosierung (ja sogar eine größere) ohne jede Reaktion ver-
tragen (eigene Beobachtungen). Somit ist die französische Dosierung
für Kinder bis zu 3 Jahren beizubehalten.
Unsere Beobachtungen haben gezeigt, daß größere Kinder (Schul-
kinder) und Erwachsene einen unvergleichlich geringeren Prozentsatz un-
angenehmer Reaktion aufweisen, wenn Anatoxin in Dezigrammen ge-
messen eingespritzt wird (0,2, 0,3, 0,5).
Bis zu welchem Grade jedoch ist die Herabsetzung der Dosen
möglich und die Anwendung solcher Dosen rationell? Die Experimente
an Meerschweinchen zeigen, daß man einen Maximaleffekt nur bei der
Hyperimmunisation erzielt; bei der Vakzination mit minimalen
Dosen verzögert sich einerseits die Erzielung der Immunität und ander-
seits beginnt bei dieser Immunisationsart der Faktor der Individualität
sich zu zeigen. Somit ist die Vakzination mit minimalen
Dosen nicht rationell.
Unter Berücksichtigung der Proz. der Reaktion auf die Vakzination
und des Prinzips der Hyperimmunisation haben wir uns für die Do-
sierung 0,3 und 0,5 entschieden, was im Durchschnitt 2 und 3,5 A.E.
unserer Anatoxine entspricht.
Erste Abt. Ong. Bd. 101, Heft 6/7. 23
354 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
Die angegebene Dosierung gab bei einer Massenvakzination von
Kindern von 7—14 Jahren in bezug auf die Reaktion folgende Resultate:
bei 15 Proz. fehlte jede Reaktion, bei 78 Proz. fanden wir eine
leichte oder mäßige örtliche Reaktion in Gestalt von Rötung,
Oedem und Schmerzhaftigkeit, die nach 2—3 Tagen schwanden; end-
lich wurde bei 7 Proz. eine starke örtliche und allgemeine Reaktion be-
obachtet, zuweilen mit einer Temperaturerhöhung bis 38,5—39,5° und
in einer Reihe Fälle (0,3 Proz.) mit einer Vergrößerung der lympha-
tischen Drüsen; in diesen Fällen starker Reaktion dauerten die örtlichen
Erscheinungen 2—3—4—5 Tage. In Fällen starker Reaktion auf Ana-
toxin zeigte sich kein regelmäßiger Zusammenhang mit Schicks
„Pseudoreaktion“.
Somit erwies sich die Dosierung von 0,3 und 0,5 in 93 Proz. der
durch Anatoxin Immunisierten vollkommen tolerant, doch verhinderte
bei 7 Proz. auch die herabgesetzte Dosierung nicht das Auftreten un-
angenehmer Erscheinungen. Augenscheinlich ist dieser Prozentsatz, als
Merkmal individueller Empfänglichkeit des Organismus, unver-
meidlich. In der Tat beobachteten wir bei einigen äußerlich vollkommen
gesunden Menschen eine starke Reaktion schon nach einer Injektion
von 0,1 oder 0,2 des Anatoxins (eine analoge Empfänglichkeit be-
obachteten wir auch an Pferden, welche gewöhnlich die Immunisation
in großen Dosen Anatoxin sehr gut vertragen). Jedoch ist es nicht aus-
geschlossen, daß unter den Kindern, die bei uns eine starke Reaktion
gaben, sich Kranke befanden (t. b. c.).
Aus der Gesamtzahl der immunisierten und kontrollierten 1816
Kinder waren 281 einmal in Dosen von 0,3 (2 A.E.) und 0,5 (3,5 A.E.)
und 1535 2mal (1. Impfung 2 A.E. und 2. 3,5 A.E.) geimpft. Bei 2-
maliger Vakzination schwankte die Zwischenzeit zwischen den Imp-
fungen von 9—10 bis 20 und mehr Tagen (ohne merkbaren Unter-
schied in den Resultaten).
Betrachten wir jetzt die Erfolge der Vakzination
Bei einmaliger Vakzination von 124 Kindern mit den Anatoxinen
VI, X und XIII, welche im Vergleich zu den Ausgangstoxinen in der
Flockulation nicht verspäteten, zeigte sich die Immunität nach
Sch.-R. (4/49 T.) schon nach Verlauf von 3—4 Wochen bis 2—21/, Mo-
naten in 85,8—93,6 Proz.1). Bei der Anwendung von den Anatoxinen
III und V dagegen, welche die Flockulation mit Verspätung von
21/,—5 Std. ergaben, wurde Immunität nach Verlauf von 21/,—4 Mon.
nur in 73,3—80,0 Proz. erzielt (157 Kinder immunisiert).
Auf diese Weise zeigte sich nach Imaliger Impfung deutlich die
Abhängigkeit der Resultate von den Eigenschaften des Anatoxins, wo-
bei der Zusammenhang der antigenen Aktivität des Prä-
parates sich mit seiner Flockungsfähigkeit erwies, ob
diese Flockung früher oder später eintrat. Diese Be-
ziehungen werden noch deutlicher, wenn wir die Resultate vergleichen,
die wir mit einzelnen Serien des Anatoxins erhalten haben.
So haben wir:
1) Anatoxin X, Flockulation ohne Verspätung, Immunität in der Frist von
3—4 Wochen bis 2'/, Mon. in 92,4—98,6 Proz. (64 Menschen). — 2) Anatoxin V
‚
1) Hier, wie auch weiter, bezeichnet die 1. Zahl (88,8 Proz.) die Prozente rein
negativer Sch. R., die 2. Zahl (93.6 Proz.) sind negative + fraglich — negative,
d. b. mit leichten Spuren einer Reaktion.
Sdrodowski u. Chalapina, Aktive Immunisierung gegen Diphtherie usw. 355
pape der Flockulation 2!/ Std., Immunität in der Frist von 21/;—4 Mon.
in 92,4—93,8 Proz. (64 Menschen). — 3) Anatoxin III, Verspätung der Flockula-
tion 5 Std. Immunität in der Frist von 21/;—4 Mon. in 60,3—72,0 Proz.
(93 Menschen).
Es gab in unseren Beobachtungen schon dieeinmalige
Vakzination mit relativ kleinen Dosen des Anatoxins
(2 und 3,5 A.E.) einen großen Effekt, doch hängt der Grad
desselben von der individuellen Eigenschaft des Ana-
toxins ab, welche durch seine Flockulationsfähigkeit
bestimmt wird (Schnelligkeit der Flockulation).
Was die 2malige Vakzination betrifft, so ergab sich dieselbe Gesetz-
mäßigkeit wie bei einmaliger Immunisation.
Es seien hier die Durchschnittszahlen angeführt:
1. Die Anatoxine X und XIII (Flockulation ohne Verspätung) nach 2maliger
Vakzination von 622 Kindern. — Immunität in der Frist von 3—4 Wochen Bis
21/ Mon. in 92,3—96 Proz. — 2. Anatoxine V und III (Flockulation mit Ver-
spätung von Sa? Std.); nach 2maligen Impfungen von 553 Kindern. — Im-
munität in 2—4 Mon. in 83,4—92,4 Proz.
Somit ergaben Anatoxinserien, welche ohne Verspätung flock-
ten, im Vergleich zum Ausgangstoxin, bei 2maliger Vakzination in
Dosen 2 A.E. und 3,5 A.E. schon in 3—4 Wochen bis 21/, Mon., von
der 1. Impfung angerechnet, Immunität in 92,3—96 Proz., während die
Anatoxinserien, die in der Flockung verspäteten, bei denselben
Vakzinationsbedingungen nur 83,4—92,4 Proz. Immunität ergaben, und
zwar in 2—4 Monaten nach der 1. Impfung.
Unsere Beobachtungen zeigten weiter, daß, wenn eine der Imp-
fungen mit Anatoxin mit verspäteter Flockulation (III, V, VIII),
die andere mit einem Präparat mit nicht verspäteter Flocku-
lation gemacht wird, der Effekt merkbar erhöht wird. So haben wir
bei 2maliger Immunisation von 353 Kindern nach dem angegebenen
Schema die Immunität im Verlauf von 2—3!/, Mon., von der 1. Imp-
fung an gerechnet, erhalten in 92,7—95,2 Proz.
Folglich können verschiedene Serien des Anatoxins,
bei gleichem Gehalt von A.E., sich in den vakzinierenden
Fähigkeiten unterscheiden. Die Maximalaktivität bei
der Vakzination weisen die Anatoxinpräparate auf,
welche völlig die Flockulationsfähigkeit des Ausgangs-
toxins bewahren. Die Verspätung der Flockulation im
Vergleiche mit dem Ausgangstoxin läuft der Vermin-
derung der Avidität des Präparats als Vakzine parallel.
Somit ist bei der Bewertung des Anatoxins als Vakzine
nicht nur die quantitative, sondern auch die individuelle
qualitative Charakteristik des Präparats unerläßlich,
d. h. die Charakteristik seiner Avidität, die sich in der
Schnelligkeit der Flockung mit dem Antitoxin äußert.
Die Anatoxinpräparate, welche vollständig die Flok-
kungsavidität der Ausgangstoxine bewahren, zeigen
schon bei geringerer Dosierung (durchschnittlich von
2 A.E. und 3,5 A.E.) vollkommene vakzinierende Eigen-
schaften.
Wir erzielten die Immunisation nach imaliger Imp-
fung der hochaktiven Anatoxin-Präparate durchschnitt-
23*
356 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd, 101. Heft 6/7.
lich in 88,8—93,6 Proz. im Verlaufe von 3—4 Wochen
bis 21/, Monaten und bei 2maliger Impfung in 93,3—96,0
Proz. in derselben Frist von dem Tage der 1. Impfung ge-
rechnet.
Die angegebenen Zahlen rechtfertigen somit die An-
wendung verminderter Dosierungen des Anatoxins, die
für die 2malige Vakzination etwa 2A.E. und 4A.E. sind.
Da, wo eine 2malige Impfung technisch schwierig ist, können wir
nach den oben angeführten Zahlen sogar eine imalige mit denselben
Dosen empfehlen.
Die angegebene Dosierung (2A.E. und 3,5—4A.E.) erweist sich
augenscheinlich reichlich, d. h. sichert die notwendige Hyper-
immunisaton, da auch noch geringere Dosen des Anatoxins sehr
gute Effekte erzielen.
So führte nach unserem Vorschlag Dr. Hain an 45 positiv nach
Schick reagierenden Kindern eine Probevakzination mit Dosen von
1,4—2 A.E. (Anatoxin XIII, welches Flockung und Avidität voll-
kommen bewahrt) aus. Diese ergab schon am Ende des 1. Monats eine
Immunität von 70—82,3 Proz.
Was speziell die Frage der Dosierung des Anatoxins
betrifft, so müssen wir darauf Gewicht legen, daß diese
Dosierung durchaus nicht in Raumeinheiten, auch nicht
in diesen oder jenen standardisierten Einheiten des Aus-
gangstoxins angegeben werden soll, sondern in stan-
dardisierten Einheiten des Anatoxins selbst. Die Beob-
achtungen zeigen, daß beim Prozeß der Verwandlung des Toxins in
Anatoxin sehr häufig Veränderungen der quantitativen Charakteristik
des Ausgangstoxins stattfinden. So haben wir von 16 experimentell
untersuchten Anatoxinserien (Formalin 0,4—0,5 Proz., Temperatur von
38—41° C) in 12 Fällen eine Verminderung von A.E. in der Flockung
im Vergleich zu dem Ausgangstoxin beobachtet.
Was die Methode und Form der Standardisation des
Anatoxins anbetrifft, so ist unserer Meinung nach die
Standardisation nach der Flockulation (wie sie Ramon
1925 vorgeschlagen hat) die beste. Ohne von der Einfach-
heit der Ramonschen Methode und ihrer Objektivität
zu reden, hat die letztere noch den großen Vorzug, daß
sie zugleich die Berechnung der Schnelligkeit der Er-
scheinung der 1. Flockulation, d. h. die Charakteristik
der aviden Eigenschaften des Präparats, sichert).
Wie schon erwähnt, ist es unerläßlich, neben der quantitativen
Standardisation des Anatoxins auch die qualitative Charakterisierung
seiner vakzinierenden Fähigkeiten resp. Avidität des Präparates zu be-
stimmen. Es schien uns, daß diese individuelle vakzinierende Eigenes
schaft des Anatoxins sich am besten durch Experimente an Meer-
schweinchen (250 g) bei deren Immunisation mit fallenden Dosen des
Präparates bestimmen lassen. (P. Sdrodowski und H. Brenn. 1925
bis 1926). Wir neigten der Ansicht zu, daß die kleinste vakzinierende
1) Es ist zu bemerken, daß man bei Prüfung der Anatoxinpräparate nach der
Flockulationsmethode die Versuche bei der Temperatur von 35—37° C beobachten
muß, da bei höherer Temperatur (z. B. 45° C) die Reaktion zu schnell verläuft,
infolgedessen die individuelle Flockulationsdifferenz der Präparate entgehen kann.
Sdrodowski u. Chalapina, Aktive Immunisierung gegen Diphtherie usw. 357
Dose an Meerschweinchen in vivo titriert, wirklich die vakzinierenden
Eigenschaften des Präparats ausdrücken kann. Indes erwiesen spätere
Beobachtungen, daß diese Vermutung nicht richtig ist, da die biologische
Methode nicht genügend empfindlich ist.
Die folgenden Versuche illustrieren dies. Wir verwendeten 2 an
Menschen schon geprüfte Anatoxine: Anatoxin X, die Flockung nicht
verspätend und bei Kindern bei 1maliger Impfung bis 98,4 Proz. Im-
munität im Laufe von 3—4 Wochen bis 21/, Monate ergebend, und
Anatoxin II, die Flockung um 5 Std. verspätend und bei 1maliger
Impfung 72,1 Proz. Immunität im Laufe von 21/, Monaten gebend.
Im Uebrigen charakterisieren sich beide Anatoxine folgendermaßen:
1) Anatoxin X: H=70; AE. = 7
2) z e Mey See =.
Mit fallenden Dosen dieser Anatoxine wurden Meerschweinchen
von 250—300 g Gewicht 1- und 2malig immunisiert. Es wurden für
jede Dosierung 2 Meerschweinchen nach dem folgenden Schema im-
munisiert: Imaliges Vakzinieren 5,0; 1,0; 0,5; 0,4; 0,3; 0,2; 0,05;
2maliges Vakzinieren 0,2—0,3; 0,1—0,2; 0,05—0,1; 0,025—0,05; und
0,0125—0,025 mit einem Zwischenraum von 6 Tagen.
Die weitere Priifung der immunisierten Meerschweinchen mit Hilfe
der Sch.-R. zeigte, daß bei Imaliger Impfung in Dosen bis 0,2 und bei
2maliger in Dosen bis 0,1—0,2, die beiden Anatoxine sich in ihren
antigenen Eigenschaften nicht unterschieden (gleichzeitiges Erscheinen
der Immunität im Verlaufe von 14—24 Tagen). Was die kleineren
Dosen betrifft (s. oben), so zeigt sich auch kein merkbarer Unterschied
doch waren sich die Resultate nicht völlig regelmäßig.
Diese Tatsache erklärt sich augenscheinlich dadurch, daß bei der
Vakzination mit großen Dosen Hyperimmunisation erzeugt wird, die
die individuellen Eigenschaften des Präparats nicht zum Vorschein
kommen läßt; bei kleinen Dosen jedoch offenbart sich der Einfluß der
„Individualität“ des Tieres, wodurch die Regelmäßigkeit der Resultate
gestört und die individuelle Wirkung der Vakzine selbst maskiert wırd.
Folglich gibt die kleinste immunisierende Einheit,
für Meerschweinchen bestimmt, noch nicht eine indivi-
duelle Charakteristik der Präparate an, daher die rela-
tive Bedeutung der biologischen Methode.
Im Gegensatz zu der ungenügenden Empfindlichkeit
der biologischen Methode gab uns die Methode der Be-
stimmung der Flockungsschnelligkeit völlig befriedi-
gende Resultate. Da die Erfahrungen der Massenimp-
fungen von Menschen zeigten, daß dadurch die indivi-
duellen Eigenschaften des Präparates differenziert wer-
den können, kommen wir zum Schluß, daß die Charak-
teristik der vakzinierenden Eigenschaften des Anatoxins
ganz zuverlässig durch die Schnelligkeit ihrer Flok-
kung mit Antitoxin dargestellt wird. Diese Methode soll
somit zur Bestimmung der Avidität des Anatoxins ver-
wendet werden.
Es sei hier kurz bemerkt, daß Descombey (Ann. de I'Inst.
Pasteur 1925) auf Grund seiner Experimente mit Tetanusanatoxin zur
gleichen Bewertung der Schnelligkeit der Flockung und zu analogen
Schlußfolgerungen kam.
358 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
Aber es muß gleichzeitig im ‘Auge behalten werden,
daß die Aviditätdes Anatoxinsim besten Fall (bei Fehlen
jeder Flockungsverspätung) der Aktivitätdes Ausgangs-
toxins gleich sein kann. Doch können augenscheinlich
die Toxine selbstsichinihrem Aviditätsvermögen unter-
scheiden; wenigstens wurde bei den Experimenten der
Flockulation mit ein und demselben Serum derartiges
beobachtet, was z. B. aus den folgenden Zahlen hervor-
geht:
1) Toxin N 19, Quantität mes erste Flockulation nach 2 Std. 30 Min.
EE Se re ees
(Experimente mit ein und demselben Serum mit 500 AE.).
Man kann a priori annehmen, daß unter völlig glei-
chen Bedingungen die Avidität des Ausgangstoxins ab-
hängig ist, und in diesem Fall müssen wir zugeben, daß
2 Anatoxine mit gleichem Inhalt von A.E., die dabei
vollkommen die Flockulationsschnelligkeit des Aus-
gangstoxins bewahrt haben, dennoch sich in ihren vak-
zinierenden Eigenschaften unterscheiden können.
Nachdem unsere Beobachtungen gezeigt haben, welche Forde-
rungen ein hochaktives Anatoxin gewährleisten muß, sind wir zur ex-
perimentellen Lösung der Frage über die sicherste Methode der Be-
reitung der aktiven Anatoxinpräparate einerseits und zum Studium der
Aviditätserscheinungen des Anatoxins andererseits übergegangen. Die
erhaltenen Resultate dieser Untersuchungen werden wir in einer
weiteren Mitteilung bekannt geben.
Nachdruck verboten.
Paratuberkulose-Schutzimpfung und Heilung.
(Aus dem Hygienischen Institut der Universität zu Modena.)
Von Prof. Dr. Francesco Sanfelice.
Werden Tuberkelbazillen oder deren toxische Produkte in den
Organismus eingeführt, so kommt es seitens der Verteidigungskräfte
der Zellen zu einer mit Antikörperbildung einhergehenden Reaktion.
Auf diesen Vorgang begründet sich die Schutz- und Heilimpfung der
Tuberkulose. Es konnte in der Tat sicher festgestellt werden, daß im
Blute tuberkulöser Individuen, bei denen eine spezifische Behandlung
eingeleitet wurde, Antikörper in steigender Menge zugegen sind, und
zwar komplementbindende Substanzen, Bakteriotropine — wie durch die
Versuche von Böhme und Löwenstein bewiesen wurde: Bak-
teriolysine, Präzipitine und Opsonine. Die Gegenwart all dieser Anti-
körper ist als der Ausdruck zahlreicher Reaktionsprozesse zu deuten;
Sanfelice, Paratuberkulose-Schutzimpfung und Heilung. 359
sie ist aber wertlos bei der Beurteilung des Immunitätszustandes oder
der Genesung des betreffenden Individuums. In Anbetracht des Vor-
handenseins von Antikörpern kann wohl nicht angenommen werden, daß
die Immunität bei Tuberkulose in den Geweben selbst oder durch
direkten Kontakt der letzteren mit den Tuberkelbazillen zustande
käme, daß es sich demnach um eine Immunität von ausschließlich
histogener Natur handle.
Die Schutz- und Heilimpfung der Tuberkulose wurde bisher versucht mit
Filtraten aus Glyzerinbouillonkulturen, Alttuberkulin, mit Aufschwemmungen von
abgetöteten Tuberkelbazillen, mit spezifischen Bazillen, die durch Einwirkung physi-
kalischer oder chemischer Faktoren verändert worden waren, mit nach verschiedenen
Methoden gewonnenen Tuberkelbazillenextrakten, mit lebenden heterologen Keimen
und endlich mit Sera von Tieren, die mit den genannten Tuberkelbazillenprodukten
vorbehandelt worden waren.
Die Einspritzung des Tuberkulins hat eine Antikörperbildung zur Folge und
führt gleichzeitig zum Auftreten einer lokalen und allgemeinen toxischen Wirkung.
Gerade in der Prävalenz dieser toxischen Wirkung liegt die Gefahr der spezifischen
Tuberkulosebehandlung; durch sie werden dieser Therapie gewisse Schranken ge-
setzt. Die Tuberkulininjektion erzeugt Hyperämie und seröse Infiltration im tuber-
kulösen Krankheitsherd, sie befördert zuweilen eine aktive Resorption der Zell-
zerfallprodukte, was den Lebensbedingungen der Tuberkelbazillen zum Vorteil ge-
reichen kann. Andererseits besteht die Möglichkeit eines raschen Verfalls des tuber-
kulösen Gewebes, wobei die Resorption der in Freiheit gesetzten toxischen Substanzen
dem Organismus ‚schaden kann. Während einige Forscher die Meinung vertreten,
es könne die Tuberkulinbehandlung den Organismus nicht schädigen, noch käme es
infolge der Herdreaktion zu einer Verschlimmerung der Lungenkrankheit, sind wieder
andere von der Gefahr einer starken Reaktion im tuberkulösen Herd überzeugt.
Nach der Ansicht von Sahli führen die durch solche Lokalreaktionen erzeugten
Veränderungen zu einer Verschlimmerung des Allgemeinzustandes mit dem End-
resultat einer Verminderung der Wehrkräfte des tuberkulösen Herdes. Es ist hieraus
zu schließen, daß die Auslösung lokaler Entzündungserscheinungen bei der Tuber-
kulinbehandlung ein Wagnis ist. Meissen beobachtete bei einer genügend großen
Zahl von Fällen, bei denen Tuberkulineinspritzungen nicht kontraindiziert waren,
selbst mit ganz geringen Dosen das Auftreten imponierender Reaktionen, zuweilen
sogar Blutungen, ein Befund, der gewiß nicht zur Fortsetzung der Behandlung er-
mutigte. Einige Beobachter, die mit den Tuberkulindosen zu hoch gestiegen waren,
überzeugten sich von dem Auftreten von Fieberreaktionen, denen zufolge sich
neue bronchopneumonische Herde bildeten.
Aus dem Gesagten ist zu schließen, daß man sich vom Gebrauch der
Tuber kuline bei der Schutz- und Heilimpfung der Tuberkulose
wenig versprechen kann.
Außer mit Tuberkulinen, ist die Schutz- und Heilimpfung gegen Tuberkulose
mit Aufschwemmungen abgetöteter Tuberkelbazillen und mit Bakterienextrakten
versucht worden. Koch hat als 1. beobachtet, daß tuberkulöse Meerschweinchen
nach Einspritzung ganz geringer Mengen abgetöteter Tuberkelbazillen verenden. Wird
nun eine Piesis eingespritzt, die geringer als die tötliche ist, so überleben die Meer-
schweinchen, und es kann die Krankheit zum Stillstand kommen. Babes be-
handelte Meerschweinchen, Kaninchen und Hunde mit steigenden Mengen einer
Aufschwemmung abgetöteter Tuberkelbazillen und spritzte nach einiger Zeit den
Konica Tieren stark pathogene Tuberkulosekulturen ein, ohne daß es zu einem töt-
ichen Ausgang gekommen wäre. Es unterliegt demnach keinem Zweifel, daß eine
vorbeugende Einspritzung mit abgetöteten Keimen bei den Tieren Immunität er-
zeugen kann. Bei der Heilimpfung mit Suspensionen abgetöteter Bazillen wird
häufig Neotuberkulin verwendet, eine Suspension von Tuberkelbazillen, die in einer
Mischung destillierten Wassers und Glyzerin fein zerrieben wurden, so daß pro cem
Suspension 0,5 mgr Trockensubstanz enthalten ist. Zur Herstellung der Ver-
dünnungen dient 0,5proz. Phenol in physiol. Kochsalzlésung. Auch bei der Ein-
spritzung von abgetöteten, verschieden behandelten Tuberkelbazillen ist Vorsicht
am Platze, weil man auch damit lebhafte Reaktionen erzeugen kann, die eine Ver-
schlimmerung des Zustandes der Patienten zur Folge haben.
Ebensolche Resultate sind mit Bakterienextrakten erzielt worden. Much be-
handelte die Tuberkelbazillen mit Milchsäure und konnte dabei die Bemerkung
360 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
machen, daß sich nur ein Teil im Wasser auflöst und daß der in Wasser nicht
lösliche Ueberrest aus Eiweißkörpern und Fettsubstanzen besteht (Lipoide und neutrale
Fette). Während die löslichen Substanzen kein Immunisierungsvermögen ` besitzen,
gelingt es, mit den Restkomponenten Tiere zu immunisieren. Maragliano ver-
wendet zur Impfung ein aus Toxialbumin und Tuberkulin zusammengesetztes Ge-
misch (verdünnt im Verhältnis von 1:3); weitere derartige Präparate sind Tuber-
kulomucin, Sierosin, Tuberkulin nach Dorstal, Partialantigen usw. .
Zahlreiche Versuche wurden ferner mit lebenden, homologen und heterologen
Keimen angestellt: Perlsuchtbazillen und Bazillen der Geflügeltuberkulose wurden
Menschen eingespritzt und Bazillen der Tuberkulose des Menschen dienten zur Be-
handlung von Rindera. Man versuchte auch beim Menschen eine Impfung mit
abgeschwächten Keimen der Humantuberkulose ‘Von Behring wurde die Vak-
zination der Rinder mit einem aus Tuberkelbazillen vom Menschen hergestellten
Impfstoff bewerkstelligt. Koch und Schütz impften menschliche Individuen
mit einem Vakzin, das aus auf Glyzerinbouillon gezüchteten Bazillen der mensch-
lichen Tuberkulose bestand. Noch ein weiterer Impfstoff ist jener von Rabino-
witsch, zu dessen Herstellung abgeschwächte Keime der menschlichen Tuber-
kulose Verwendung finden; zur Abschwächung werden 'die Bazillen bei Gegenwart
geringer Formolmengen gezüchtet.
In den letzten Jahren hat sich, namentlich durch das Verdienst von Spengler
und Ponndorf, die perkutane Impfung eigebürgert; der gleichen Methode be-
dienen sich auch Petruscky und Moro. Die perkutane Impfung bei der
spezifischen Tuberkulosebehandlung gipfelt in der alten Erfahrung, daß der tuber-
kulöse Prozeß der inneren Organe im allgemeinen einen gutartigen Verlauf nimmt,
wenn er mit spezifischen Manifestatitonen auf der Haut einhergeht. Mit der Ponn-
dorfschen Methode haben in der Tat einige Forscher günstige Resultate erzielt,
andere hingegen beobachteten ausgesprochene Reaktionen mit bedeutender Infiltration
der Achseldrüsen.
Unlängst hat Calmette, zusammen mit anderen Beobachtern, zur Tuber-
kuloseimpfung die Aufschwemmung eines lebenden, virulenten Perlsuchtbazillus ver-
wendet, der furch mehrjährige Züchtung auf mit Rindergalle getränkten Kartoffeln
eine besondere Veränderung erfahren hatte; es hatte nämlich dieser Keim seine
tuberkuligene Eigenschaft eingebüßt, während das antigene Vermögen unverändert
erhalten geblieben ist. Wird der Bazillus auch in hohen Dosen empfänglichen Or-
Be eingespritzt, so kommt es niemals zur Bildung übertragungsfähiger
uberkel. Die Impfung mit diesem Keim schützt auf die Dauer eines Jahres
junge Rinder und einige Affenarten (Anthropoide mit einbegriffen) von der spontanen
oder experimentell erzeugten Tuberkulose. Den Meerschweinchen verleiht sie eine
deutliche, aber nur kurze Zeit dauernde Risistenz. Die oben genannten Forscher
haben Versuche an Kindern und Neugebornen tuberkulöser Mütter angestellt:
während bei den Nichtgeimpften die Tuberkulosemortalität 25 Proz. betrug, sank
sie bei den Schutzgeimpften unter 2 Proz. herab. Die Dauer der Immunität
konnte noch nicht genau festgestellt werden. Es ist übrigens sehr zweifelhaft, ob
ein in seiner biochemischen Beschaffenheit künstlich so stark modifizierter Keim
zu wirklich günstigen Resultaten führen kann. Zum Schlusse sei noch der Fried-
mannschen Methode Erwähnung getan, bei welcher zur Tuberkulose-Heilimpfung
lebende Keime der Schildkrötentuberkulose angewendet werden.
Im allgemeinen läßt sich sagen, daß fast sämtliche aus Tuberkelbazillen-
kulturen stammenden Präparaten wegen ihrer Toxizität von den Kranken nicht
immer gut vertragen werden, so daß schon nach den ersten Einspritzungen die
Behandlung, wegen der zunehmenden Intensität der Reaktionen, unterlavcken werden
muß. Versucht man daraufhin, mit besonderem Vorgehen die Toxizität der tuber-
kulären Produkte zu vermindern, so erhält man Präparate, welche sich bei der
Tuberkulosebehandlung wirkungslos erweisen.
Das Leitprinzip der Paratuberkulose-Heilimpfung ist hingegen ein
verschiedenes. In einer beträchtlichen Reihe von Untersuchungen, die
während der letzten Jahre veröffentlicht wurden, konnte ich feststellen,
daß bei Tieren, die einer Einspritzung mit Bazillen der Menschen- und
Rindertuberkulose aus Organen oder Reinkulturen erlegen sind, häufig
säurefeste Bazillen isoliert werden, die sich bei Temperaturen von 200
bis 22° üppig zu entwickeln pflegen. Morphologisch zeigen sich diese
Bazillen in jungen Kulturen von mittlerer Länge, in alten Kulturen
Sanfelice, Paratuberkulose-Schutzimpfung und Heilung. 361
hingegen erscheinen sie als zum Teil säurefeste Kokkus-Bazillen; in
Strichkulturen auf Agar kommt es bei letzteren zur Bildung von
orangegelben, korallenroten, oder zederngelben Belagen. Die Bazillen
besitzen keine Sporen, sind unbeweglich und gramresistent. Die gleichen
Paratuberkulosebazillen werden mit großer Häufigkeit aus dem Sputum
von Lungentuberkulösen isoliert. Ich konnte im einer anderen Ver-
suchsreihe zeigen, daß solche Paratuberkulosebazillen bei ihrer Passage
durch den Tierkörper imstande sind, sich an das parasitäre Leben
zu gewöhnen und eine Umwandlung in echte Tuberkelbazillen ein-
zugehen. Es handelt sich demnach um Tuberkelbazillen, aus denen,
der Reaktion des Organismus zufolge, Saprophyten geworden sind.
Diese meine Befunde fanden ihre Bestätigung in den Untersuchungen
von Kolle, Schloßberger und Pfannenstiel. In der Tat konnten
diese Forscher bei einer Reihe von mit solchen säurefesten Bazillen
gemachten Meerschweinchenpassagen beobachten, daß diese Mikro-
organismen mit zunehmender Anpassung an den Meerschweinchen-
körper an Virulenz gewinnen und sich in echte Tuberkelbazillen ver-
wandeln. Mit den aus dem Sputum von Lungentuberkulösen, oder aus
den Organen von an Tuberkulose verendeten Tieren isolierten Para-
tuberkulosebazillen habe ich nun bei Meerschweinchen Schutz- und
Heilungsversuche angestellt:
Es erhielten dabei einige Tiere eine prophylaktische Einspritzung
mit Paratuberkulosebazillen und wurden 15—30 Tage später mit
menschlichen Tuberkelbazillen infiziert. Bei einer anderen Meer-
schweinchengruppe wurden gleichzeitig auf der rechten Körperseite
Paratuberkulosebazillen und links Keime der menschlichen Tuberkulose
eingeführt. Eine 3. Gruppe von Meerschweinchen erhielt subkutan
Bazillen der Menschentuberkulose, während einige Tage später Para-
tuberkulosebazillen eingespritzt wurden. Die Resultate dieser Behand-
lung waren folgende: während bei der 1. Gruppe die Kontrolltiere
an diffuser Miliartuberkulose eingingen, überlebten die schutzgeimpften
Meerschweinchen und zeigten bei der nach einigen Monaten vor-
genommenen Tötung und Autopsie keine tuberkulären Läsionen. In
der 2. Versuchsreihe verendeten die Kontrolltiere infolge einer all-
gemeinen Tuberkulose, während die andern Meerschweinchen überlebten ;
sie wurden nach einigen Monaten geopfert und erwiesen sich bei der
Autopsie frei von tuberkulären Läsionen. Gleichartige Resultate ergab
auch die 3. Versuchsreihe.
Das Bestehen einer engen Verwandschaft zwischen Paratuberkulose-
bazillen und Tuberkelbazillen findet übrigens auch eine Stütze in den
unlängst von Ogawa veröffentlichten Untersuchungen. Zur Ent-
fernung der Fettsubstanz hat dieser Forscher die säurefesten Bazillen
nach der von v. Wassermann vorgeschlagenen Methode mit Azeton,
Trichlorethylen und Tetralin behandelt, und zwar bis zum völligen
Verschwinden der Säureresistenz. Er gewann auf diese Weise ein
Antigen, das bei der Komplementbindung mit ‘Sera von Tuberkulösen
die gleichen Reaktionen auslöste wie die, ebenso behandelten, aus
echten Tuberkelbazillen erhaltenen Antigene.
Auf Grund der bei obigen Versuchen erhaltenen Resultate schien.
es mir gerechtfertigt, ein Tuberkulose-Vakzin herzustellen, zusammen-
gesetzt aus Kulturen von Paratuberkulosebazillen, die aus dem Sputum
von Lungentuberkulösen oder aus Organen von Tieren isoliert wurden,
362 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
welche einer Behandlung mit Bazillen der menschlichen Tuberkulose
erlegen waren. Aus begreiflichen Gründen habe ich bei der Her-
stellung des Impfstoffes Kulturen von jenen Paratuberkulosebazillen
bevorzugt, die ich am häufigsten im Sputum von Lungentuberkulösen
und in den Organen von an Tuberkulose verendeten Tieren vorfand.
Die Herstellung des Vakzins erfolgte in der Weise, daß zu Gly-
zerinagarstrichkulturen — nach 10tägigem Verweilen bei Tem-
peraturen von 15—18° C sterile physiol. Kochsalzlösung hinzugefügt
wird. Nachdem mit Hilfe einer Platinnadel der Bakterienbelag in der
Masse suspendiert worden ist, schüttelt man die Reagenzgläser und
ergänzt den Inhalt von 4 Kulturen mit steriler physiol. Kochsalz-
lösung bis auf ein Volumen von 250 ccm. Die so erhaltene, homogene
Suspension wird hierauf auf Phiolen zu je 1 ccm verteilt. Mit dem
Inhalt dieser Phiolen wird die 1. Injektionsreihe vorgenommen.
Die zur 2. Versuchsreihe dienenden Phiolen erhält man aus der
Suspension von 8 Kulturen in steriler physiol. Kochsalzlösung und
füllt wiederum die Flüssigkeit mit physiol. Kochsalzlösung auf 250 ccm.
auf. Die Phiolen sind vor dem Aufsaugen der Flüssigkeit kräftig
zu schütteln, um die Suspension homogen zu gestalten.
Als Injektionsstelle wählt man das subkutane Bindegewebe. Nach-
dem man die 30—40 Injektionen der 1. Reihe ausgeführt hat, macht
man eine 10—12tägige Pause, um hierauf die 2., aus einer gleichen
Zahl von Einspritzungen bestehenden Reihe vorzunehmen. Die Be-
handlung kann beliebig lange fortgesetzt werden, da das Paratuberkulose-
vakzin niemals starke Reaktionen auslöst, sondern anstandslos von den
Patienten vertragen wird. Nur nach den ersten Injektionen ist eine leichte
Temperatursteigerung zu verzeichnen. Die subkutane Infiltration an
der Injektionsstelle verschwindet ohne weiteres nach wenigen Tagen.
Das Paratuberkulosevakzin fand bisher Anwendung bei vielen, mehr
oder weniger fortgeschrittenen, aber noch nicht kavernösen Fällen
von Lungentuberkulose, wobei die ersten Injektionen eine Temperatur-
steigerung von höchstens 1° zur Folge hatten. Nach 15—20—30 Ein-
spritzungen kam es in der Regel zum Abklingen des Fiebers, zum
völligen Aufhören der Blutungen, zum Verschwinden des Hustens;
die Zahl der Tuberkelbazillen im Auswurf nahm bedeutend ab, es
verkleinerte sich die Ausdehnung des bronchopneumonischen Herdes,
wie aus der Radiographie und Radioskopie ersichtlich war. Mehrere
dieser Kranken blieben über 1 Jahr nach Beendigung der Kur in
Beobachtung, ohne daß je ein Rezidiv zum Vorschein gekommen wäre.
Der Paratuberkuloseimpfstoff diente auch zur Behandlung mehrerer
chirurgischer Tuberkulosen. Ich berichte diesbezüglich nur über folgen-
den, von Prof. Binaghi aus der Chirurgischen Klinik der Universität
von Cagliari behandelten Fall.
Es handelte sich um ein 20jähriges Mädchen, das am 24. 9. 1923 in die
Klinik aufgenommen wurde. Die Anamnese ergab nichts von Bedeutung: die
Krankheit begann mit einem typischen Anfall einer rechtsseitigen, fieberhaften
Nierenkolik, die sich nach 1 Jahr wiederholte und mit spontanem Abgang eines
kleinen Nierensteins und einer bedeutenden Menge Nierengries endete. Von da
ab begann der Harn trüb zu werden und ‘blieb es in der Folge beständig. Die
Kranke klagte über Schmerzen in der Nierengegend beiderseits; sie magerte zu-
schends ab und bekam allabendlich Fieber. Die Gesamtmenge des Harns betrug
in 24 Std. 1500 cem: Reaktion sauer, Eiweiß 1/4 %% Chloriire 5 Proz., Harn-
stoff 12 9%. Der bakteriologische Nachweis des Tuberkelbazillus im Harn fiel
negativ aus. Die Analyse des Harns der rechten Niere ergab: Chlorüre 5,20 Proz.,
Sanfelice, Paratuberkulose-Schutzimpfung und Heilung. 363
Harnstoff 8 io. im Zentrifugat waren Tuberkelbazillen und viele Eiterselleu
nachzuweisen. Im Harn der linken Niere: Chlorüre 5 Proz., Harnstoff 12 or
die Prüfung des Zentrifugates fiel für den Kochschen Bazillus negativ aus. Aus
der Radiographie ergab sich das Vorhandensein von Nierensteinen im Parenchym
der rechten Niere. ie Diagnose lautete auf beiderseitige Nierentuberkulose, rechts
kompliziert mit Lithiase Ae à Pyonephrose.
Es wurde der chirurgische Eingriff beschlossen und rechtsseitig lumbal die
Nephrolithotomie mit sofortiger Nephrothomie ausgeführt, da die radikale Operation
kontraindiziert erschien. Auf diese Weise wurden .2 mittelgroße, phosphatische
Nierensteine mit Harnkern freigelegt. Verlauf regelmäßig, wie es bei derartigen
Fällen zu sein pflegt; allmählich reinigte sich der pyonephrosische Herd, es sank
die Temperatur, während der Harn trüb blieb und auch die Krisen von Schmerz-
anfällen auf der linken Seite sich wiederholten. Langsame Bildung einer lumbalen
Harnfistel, die trotz aller Bemühungen weit klaffend blieb.
Bei diesem Zustande wurde 8 Monate nach dem operativen Eingriff die
Paratuberkuloseimpfung eingeleitet. Im ganzen wurden 50 Injektionen vorgenommen,
und zwar 38 während der Monate März, April, Mai und Juni, und weitere 12 im
August und September. Schon vom 1. Monat ab war eine allgemeine und lokale
Besserung zu verzeichnen; die Kranke nahm an Gewicht wie an Energie zu, die
Schmerzen in der Nierengegend mäßigten sich, das Fieber begann zu sinken und
war weniger konstant, um vom 2. Monat ab ganz zu verschwinden. Die Lumbal-
fistel, welche vor der Impfung mit leicht blutender, schlaffer Granulation bedeckt
war, die beständig trüben Harn abtropfen ließ und jeder Auskratzung oder Kau-
terisierung trotzte, reduzierte ihren Umfang schon am Ende des 1. Monats; sie
wurde intermittent; reinigte sich hierauf nach und nach und bedeckte sich mit
res gesunden Granulationsgewebe, das schlieBlich eine gute, dauernde Narbe
ildete.
Im Harn, der nach und nach klar wurde, waren am Ende des 2. Monats
bereits keine Tuberkelbazillen mehr nachweisen; trotz häufiger und genauer Unter-
suchung des Zentrifugats war und blieb der Befund auch fernerhin negativ.
In den darauffolgenden 2 Monaten, während welchen die Behandlung ab-
sichtlich unterbrochen wurde, traten nicht nur keine Krankheitserscheinungen mehr
auf, sondern es war auch eine fortschreitende Besserung des Allgemeinbefindens und
der Nierenfunktion zu beobachten.
Gegenwärtig, es sind ca. 6 Monate verstrichen, seit die Fistel geschlossen ist,
erfreut sich Patientin eines blühendes Befindens.
Die hier beschriebenen Versuche und Beobachtungen berechtigen
zu den Schlußfolgerungen:
1) Der Paratuberkuloseimpfstoff eignet sich zur Behandlung der
verschiedensten Lokalisierungen des Tuberkelbazillus und löst in den
Patienten, selbst bei Erreichung der beträchtlichen Dosis von 1000 ccm,
keine schädigende Wirkung aus. Es ist somit der Hauptanforderung
Genüge geleistet, die einem Arzneimittel gestellt wird: jener der ab-
soluten Unschädlichkeit. — 2) Bei der Behandlung der Lungen-
tuberkulose im Anfangsstadium oder auch bei vorgeschrittenen Fällen
bewirkt das Paratuberkulosevakzin das Verschwinden der wichtigsten
“klinischen Erscheinungen, indem es die Ausdehnung des broncho-
pneumonischen Herdes reduziert und den Tuberkelbazillenbefund im
Auswurf gänzlich negativ gestaltet., — 3) Auf der chirurgischen
Tuberkulosen, wie z. B. Nierentuberkulose, Tuberkulose der Wirbel-
säule oder der Hoden, spezifische Lymphome, Gelenksynovitis tuber-
kulärer Natur, kann der Paratuberkuloseimpfstoff mit Vorteil an-
gewendet werden. — 4) Bei den Patienten, die der Paratuberkulose-
impfung unterzogen wurden, waren niemals Stoffwechselstörungen zu
beobachten. — 5) Geradeso wie die mit den Kochschen Bazillen
364 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
immunisierten Tiere ein Serum liefern, welches viele säurefeste Keime
agglutiniert, und umgekehrt die Sera von mit säurefesten Bazillen
behandelten Tieren Tuberkelbazillen agglutinieren, so müssen sich im
Menschen, der mit Paratuberkulosebazillen geimpft wird, lysische Anti-
körper bilden, die imstande sind, den Tuberkelbazillus zu zerstören.
“Modena, September 1926.
Literatur.
Ogawa, Untersuchungen über Complementbindung bei Tuberkulose (Zeitschr.
f. Immunitätsf. Bd. 43. 1925.) — Sanfelice, Bacilli della tubercolosi e bacilli
acido - resistenti. (Bollet. dell’Ist. Sieroter. Milano 1920.)— Ders., Intorno
alla trasformazione dei bacilli acido-resistenti in bacilli della tubercolosi nell’ organismo
animale. (Ann. d'Igiene. 1921.) Kolle, Schloßberger u. Pfannenstiel,
Ueber das Verhalten säurefester sogenannter saprophytischer Bakterien nach längerem
Verweilen in Warmblüterorganismen. (Arb. a. d. Staatsinstit. f. exp. Therap. 1921.)
Nachdruck verbolen.
Tierversuch und Kulturverfahren zum Nachweis von
Tuberkelbazillen im Sputum.
[Aus dem Hygienischen Institut der Universität Königsberg (Stellvertr.
Dir.: Prof. Dr. Hilgers).]
Von Dr. Fr. Schmidt, Assistent am Institut.
Die Züchtung des Tuberkelbazillus auf unseren Laboratoriumsnähr-
béden galt seit seiner Entdeckung als eine schwierige Aufgabe der
Bakteriologie. Sehr zahlreich sind daher die Versuche, das Nährsub-
strat für den Tuberkelbazillus zu modifizieren.
So führte schon Robert Koch das Rinderserum ein, Nocard und
Roux bedienten sich des Glyzerins als Nährbodenbestandteil Pawlowski ver-
wandte die Kartoffel, mehrere englische Autoren das Tierserum, Dorset und
später Lubenau den Eiernährboden, Isabolinsky und Gibowitch Stier-
hoden, Schiller Glyzerin mit Glykose, Besredka einen flüssigen Hühner-
eiweißnährboden, Petroff einen Eiernährboden mit alkoholischer Gentianaviolett-
lösung, Zechnowitzer einen Eiernährboden aus Hühnerei mit Glyzerin, Weise
und Fernbach Eigelbwasser. Schon die große Anzahl der Nährmedien läßt
erkennen, daß keiner von ihnen sich allgemeine Anerkennung zu verschaffen ver- .
mochte. Alle diese Methoden blieben auf ihre Autoren und einige Nachuntersucher
beschränkt.
Einen bedeutenden Schritt weiter brachten uns die Arbeiten von Loewen-
stein (1) und Sumiyoski (2), die zwecks Abtötung der Begleitbakterien die
zu untersuchenden Medien mit starken Säuren, vor allem Schwefelsäure behandelten.
Mit dieser Methodik konnte Sumiyoski bei Benutzung fester Kartoffelnährböden
mit Glyzerinzusatz als Nährsubstrat ausgezeichnete Erfolge erzielen. Pesch und
Simchowitz (3) prüften dieses einfache und bequeme Verfahren nach und konnten
bei mikroskopisch positivem Material in 96 Proz. die Tuberkelbazillen züchten.
Die Frage, ob man die kulturelle Züchtung der Tuberkelbazillen
auf festen Kartoffelnährböden vorziehen soll oder der Meerschweinchen-
Schmidt, Tierversuch u. Kulturverfahren z. Nachweis von Tbz. im Sputum. 365
versuch empfindlicher ist, lassen die beiden letzten Autoren offen.
Dieses festzustellen, sollte als Aufgabe in der vorliegenden Unter-
suchung betrachtet werden.
Außer dem Kartoffelnährboden verwandte ich noch den Eiernähr-
boden nach Lubenau (4), wobei ich mir die Methodik zu eigen zu
machen suchte, wie sie in der Zusammenstellung von Kahlfeld und
Wahlfisch (5) zu finden ist und neuerdings von Hohn (7) durch
umfassende Untersuchungen geprüft und verbessert wurde. Es wurden
nur frische Eier verwandt. Die „natursaure“ Bouillon wurde auf einen
pH von 6,4—6,6 eingestellt, da nach den Angaben von Hohn die
Tuberkelbazillen ein bedeutend früheres und stärkeres Wachstum zeigen
als bei Verwendung von alkalischer Bouillon; das Wachstumsoptimum
der Tuberkelbazillen liegt nach der sauren Seite.
Als künstliches Kondenswasser wurde in jedes Röhrchen 0,5 ccm
natursaure Bouillon mit einer Pipette zugegeben, da die Eiernährböden
nur winizige Mengen von Kondenswasser .auspressen, eine Züchtung des
Tuberkelbazillus auf trockenem Nährmedium aber nicht gelingt. Nach
der Prüfung auf Sterilität wurden die Röhrchen mit dem verdächtigen,
wie unten angegeben, hergerichteten Material beimpft.
Der Kartoffelnährboden wurde nach der Angabe von Pesch und
Simchowitz (6) in der Weise hergestellt, daß frische, gut gereinigte,
ungeschälte Kartoffeln 2 Std. in Sublimat und darauf zur Neutralisation
in Ammoniumsulfat gebracht wurden. Nach gründlicher Waschung
mit Leitungswasser wurden etwa 1 cm breite und dicke und etwa 5 cm
lange Kartoffelschnitzel hergestellt, diese in Reagenzröhrchen gebracht,
mit 1 ccm eine 5proz. Glyzerinlösung versetzt und dann im Auto-
klaven sterilisiert. Nach der Sterilitätsprüfung wurden die Röhrchen
in einem dunklen, kühlen Raum bis zur Benutzung aufbewahrt. Röhr-
chen, deren Inhalt älter als 2 Wochen war, wurden nicht mehr benutzt.
Als Untersuchungsobjekte nahm ich ausschließlich Sputa. Die
Menge jeden Sputums wurde in 3 gleiche Teile geteilt. Das eine Drittel
wurde mit 10 ccm einer 10proz. Schwefelsäure versetzt, da nach
Angabe von Hohn (7) diese Menge und Konzentration zur Abtötung
auch der widerstandsfähigsten Begleitbakterien genügt, anderseits die
Tuberkelbazillen in ihrer Vitalität keineswegs schädigt. Nach 20 Min.
langer Einwirkung der Schwefelsäure wurde das Sputum zentrifugiert
und dann auf je 4 Eiernährböden gebracht, und zwar so, daß das
Zentrifugat bis auf 2 ccm ‘der sich im unteren Ende des Zentrifugen-
röhrchens befindenden Versuchsflüssigkeit weggetan und von diesen
2 ccm auf jedes Röhrchen 0,5 ccm des zu untersuchenden Materials
verimpft wurden.
Dem 2. Drittel desselben Sputums wurde nach Pesch und
Simchowitz (6) 1 ccm einer 20proz. Schwefelsäure zugegeben.
Auch dieser Teil wurde dann !/, Std. lang unter wiederholtem Um-
schütteln der Einwirkung von Schwefelsäure ausgesetzt, dann zentri-
fugiert, das Sediment mit steriler 0,85proz. Kochsalzlösung gewaschen,
erneut zentrifugiert und im ganzen 4mal so behandelt. Von dem Sedi-
ment wurde darauf eine Kontrolle gefärbt und eingehend mikroskopisch
untersucht. Erwies sich das Sputum als negativ, wurde vom Sedi-
ment etwas auf Aszitesagar ausgestrichen und eine Weiterverarbeitung
auf je 4 Kartoffelnährbodenröhrchen nur dann vorgenommen, wenn
366 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
die Probe nach 24stünd. Bebrütung steril geblieben war. Die beimpften
Röhrchen wurden in den Brutschrank gestellt.
Das letzte Drittel versetzte ich zur Abtötung der Begleitbakterien
ebenfalls mit 2—3 ccm einer 20proz. Schwefelsäure, ließ 1/, Std.
stehen, wusch das Sediment 4mal und legte eine Sterilitätsprobe auf
Aszitesagar an. Waren keine Begleitbakterien gewachsen, wurde das
Sediment, welches nach 4maligem Waschen immer noch stark sauer
reagierte, neutralisiert und in einer Menge von 1 ccm einem Meer-
schweinchen subkutan in die linke Kniefalte injiziert.
Nachdem die Brauchbarkeit der oben besprochenen Nährmedien
an 50 mikroskopisch positiven Sputa erprobt und bei Eiernährböden
in 96 Proz. und bei Kartoffelnährböden in 92 Proz. der Fälle positive
Resultate erzielt worden waren, verarbeitete ich nur solche Sputa, die
auch nach Antiforminanreicherung sich einwandfrei als negativ er-
wiesen hatten. Dabei wurde streng darauf geachtet, daß der klinische
Befund das Vorhandensein eines sicher tuberkulösen Lungenprozesses
ergab. Die Anzahl der so untersuchten Fälle betrug 40, mehr Sputa
zu untersuchen, war aus äußeren Gründen nicht möglich.
In der folgenden Zusammenstellung finden sich die Ergebnisse der
untersuchten Sputumproben:
Im Tierversuch und in der Kultur waren negativ 28 Sputa
” non ” n e] sitiv 6 à
davon: a) auf Eier- und Kartoffelnährböden 5
b) „ Eiernährboden allein 1 Sputum
Nur 1mal fanden sich auf dem Eiernährboden Tuberkelbazillenkolonien, während
der Kartoffelnährboden steril geblieben war.
Im Tierversuch positiv und in der Kultur negativ waren dementsprechend:
a) auf Eiernährboden 5 Sputa
b) „ Kartoffelnährboden 6 ,
Im Tierversuch negativ und in der Kultur positiv waren:
a) auf Eiernährboden 1 Sputum
b) , Kartoffelnährboden Ys
40 mikroskopisch negative Sputa waren also im Tierversuch in
11 Fällen positiv, in der Kultur waren auf dem Eiernährboden 6mal
und auf der Kartoffel gleichzeitig bei denselben Auswurfproben 5mal
Tuberkelbazillen gewachsen. Nach diesen Ergebnissen ist also der Tier-
versuch empfindlicher als die Kultur und ergibt rein zahlenmäßig
eine größere Ausbeute.
Was die Zeitdauer anbetrifft, ist allerdings die Kultur dem Tier-
versuch durchaus überlegen. Auf dem Eiernährboden zeigten sich die
ersten Kolonien bereits am 10. Tage, die längste Dauer bis zum Auf-
treten der makroskopisch sichtbaren Kolonien war 28 Tage. Der
mittlere Durchschnitt für den Wachstumsbeginn sämtlicher auf dem
Eiernährboden gewachsener Kolonien betrug 18,6 Tage. Auf dem
Glyzerinkartoffelnahrboden waren die entsprechenden Zahlen 13 und
52, der mittlere Durchschnitt 31,2 Tage. Die Tuberkelbazillen zeigten
also auf der Glyzerinkartoffel dem Eiernährboden gegenüber ein be-
deutend verlangsamtes Wachstum. Befunde, die mit den Angaben von
Hohn übereinstimmen.
Der einzige Vorteil der Kartoffelnährböden besteht vor allem in
der Billigkeit, ferner ist es nicht immer leicht, namentlich im Winter,
sich frische Eier zu verschaffen.
Schmidt, Tierversuch u. Kulturverfahren z. Nachweis von Tbz. im Sputum. 367
Das Aussehen der Kolonie stimmt mit den Angaben von Sumi-
yowski überein. Entsprechend dem mikroskopisch negativen Material
waren nur ganz vereinzelte, meist stecknadelkopfgroße, trockene Ba-
zillennester auf den Nährböden gewachsen.
In einem Falle ergab der Tierversuch ein negatives Resultat,
während sowohl auf dem Eier- wie auch auf dem Kartoffelnährboden
Kulturen von Tuberkelbazillen gewachsen waren. Die Tuberkelbazillen-
kolonien wurden auf dem Eiernährboden am 18. Tage, auf dem Kar-
toffelnährboden am 17. Tage makroskopisch sichtbar. Eine Weiter-
impfung dieses Stammes habe ich nicht vorgenommen, so daß die
Frage, ob es sich um einen säurefesten Saprophyten oder um einen
für Menschen apathogenen Stamm des Typhus humanus oder vielleicht
um einen Geflügeltuberkelbazillus handelt, offen bleiben muß. Daß
auch beim Menschen Tuberkelbazillen des Typus gallinaceus tuber-
kulöse Veränderungen hervorrufen können, war schon nach den Er-
fahrungen von Kruse und Pansini wahrscheinlich.
Sumiyowski kommt auf Grund von Virulenzstudien zu dem
Schluß, daß es zweifellos Stämme des Typus humanus gibt, die für
Meerschweinchen nicht pathogen sind.
Die in der Literatur vorhandenen Angaben über die Züchtung des
Tuberkelbazillus auf Kartoffelnährboden nach Vorbehandlung mit dem
Verfahren von Loewenstein stimmen mit den hier gewonnenen Er-
gebnissen überein. Obwohl viele Autoren, so Isabolinski und
Gitowitsch (8) meinen, der Eiernährboden eigne sich mehr für
die Weiterzüchtung einmal gewonnener Reinkulturen, sei aber zur Rein-
züchtung von Tuberkelbazillen ungeeignet, konnte ich in der vor-
liegenden Untersuchung die Auffassung Hohns von der Brauchbarkeit
des Eiernährbodens auch zur Gewinnung der primären Kultur durchaus
bestätigen. Die Züchtungsergebnisse in meiner früheren Arbeit mit
Sylla (9), die nicht die gleichen Ergebnisse ergab, sind wohl der noch
mangelnden Technik, sodann wohl auch der Tatsache zuzuschreiben,
daß die von Hohn in seiner später erschienenen Arbeit angegebenen
Kautelen noch nicht befolgt wurden. Andererseits ist nach meinen Er-
fahrungen die Art der Vorbehandlung des zu untersuchenden Materials
für das Wachstum der Bakterien nicht belanglos. Die Vernichtung
der Begleitbakterien mit hochprozentiger Natronlauge scheint im Gegen-
satz zu den Beobachtungen von Sumiyowski auf die Tuberkelbazillen
einen schädigenden Einfluß auszuüben, indem zwar die Bakterien nicht
abgetötet, aber in ihrer Lebenskraft derart geschädigt werden, daß ein
Wachstum der ohnehin schon spärlich vorhandenen Bazillen verhindert
wird. Die Untersuchungen Loewensteins und Sumiyowskis be-
deuten also für die Züchtung der Tuberkelbazillen einen großen Fort-
schritt. Die störenden Einflüsse der Begleitbakterien sind mit einem
Schlage beseitigt, die Methodik ist einfach, handlich, für jedermann
leicht erlernbar. Das Kulturverfahren ist ferner billig und führt in
einem Teil der Fälle in kürzerer Zeit ‘zum Ziele als der teure und
länger dauernde Tierversuch. Für das Kulturverfahren spricht ferner
die Tatsache, daß es menschenpathogene Stämme gibt, die für Meer-
schweinchen apathogen sind und daher auf diesem Wege diagnostisch
nicht erfaßt werden können.
Die durch meine Vergleiche erwiesene größere Sicherheit des
Nachweises liegt aber auf seiten des Tierversuchs. Die Verimpfung
368 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
des verdächtigen Materials auf Meerschweinchen ist auch heute noch
wie in den Tagen Robert Kochs das empfindlichste Reagens auf
Tuberkelbazillen und sollte überall da angewandt werden, wo es auf
Zeit und Geld nicht ankommt. Am zweckmäßigsten ist die Heran-
ziehung der Kultur neben dem Meerschweinchenversuch, denn die An-
wendung beider Verfahren garantiert die höchste Sicherheit mit dem
Vorteil einer möglichst frühzeitigen Diagnosestellung.
Zusammenfassung.
1) Es wurden 40 mikroskopisch negative Sputa nach Vorbehand-
lung mit Schwefelsäure zur Abtötung der Begleitbakterien auf Kar-
toffelnährböden mit Glyzerinzusatz und Eiernährböden verimpft und
mit demselben Material ein Meerschweinchenversuch angesetzt. —
2) Der Tierversuch ergibt 11, der Eiernährboden nur 6 und der Kar-
toffelnährboden nur 5 positive Resultate. In einem Falle wuchsen auf
beiden Nährmedien Tuberkelbazillenkolonien, während der gleichzeitige
Tierversuch ein negatives Resultat ergab. — 3) Der Meerschweinchen-
versuch ist auch heute noch der sicherste Weg zur Diagnosestellung
der Tuberkulose. Die Kultur hat ihm gegenüber den Vorteil der Billig-
keit und des schnelleren Wachstums. — 4) Erstrebenswert ist die An-
wendung des Tierversuches neben den Kulturverfahren.
Literatur.
1) Loewenstein, Zeitschr. f. Tuberk. Bd. 7. S. 491 und Wien. klin.
Wochenschr. 1925. Nr. 29. — 2) Sumiyoski, Zeitschr. f. Tuberk. Bd. 39.
1924. S. 333; Bd. 40. S. 338. — 3) Pesch u. Simchowitz, Münch. med.
Wochenschr. 1925. S. 1592. — 4) Lubenau, Hyg. Rundsch. 1907. S. 1455. —
5) Kahlfeld u. Wahlisch, Nährbodentechnik. (Wien, Urban und Schwarzen-
berg). — 6) Pesch u. Simchowitz, Lc — 7) Hohn, Centralbl. f.
Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 98. S. 460. — 8) Isabolinsky u. Gitowitsch,
Ibid. Bd. 94. H. 5. — 9) Schmidt u. Sylla, Zeitschr. f. Tuberk. Bd. 45.
H. 5. — 10) Hohn, L c.
Gerbasi, Bakt. Untersuchung über einige Stämme d. Strept. meningea. 369
Nachdruck verboten.
Bakteriologische Untersuchung über einige Stämme der
Streptothrix meningea.
[Aus der Kgl. Universitätskinderklinik zu Palermo
(Dir.: Prof. G. Di Cristina).]
Von Dr. Michele Gerbasi, Assistenten.
Bereits 1915 sind in den Kinderkliniken von Palermo und Neapel
und späterhin in der von Rom einige auf einem besonderen Keim be-
ruhende Fälle von eitriger Meningitis beschrieben worden, der nach
den in der Zerebrospinalflüssigkeit und in den Kulturen aufgewiesenen
Eigenschaften zur Klasse der Streptotricheen gehört und bezüglich
der morphologischen und kulturellen Eigenschaften der großen Familie
der Trichobakterien entspricht, bei der 4 Gattungen: Actinomyces,
Streptothrix, Cladothrix und Leptothrix unterschieden wer-
den, unter denen sich auch für Menschen und Tiere pathogene Arten
und saprophytische Arten befinden.
Doch kann die Klassifizierung der verschiedenen, zu dieser Gruppe
gehörigen Formen nicht absolut und streng durchgeführt werden, da
Formen mit nicht genau bestimmten Eigenschaften vorkommen. Ebenso-
wenig sind die von den verschiedenen Klassifikatoren vorgeschlagenen
Benennungen derart, daß dadurch die Frage geklärt würde, so daß
dieNamen Cladothrix, Streptothrix, Actinomyces nicht immer
zur Unterscheidung der verschiedenen Stämme voneinander dienen.
Einige amerikanische Autoren fassen, obwohl sie die Ungenauigkeit
des Ausdruckes anerkennen, die Fadenformen in die Gruppe Strepto-
thrix-Nocardia-Actinomyces zusammen. In diese Kategorie
wurde neuerdings von Anna Williams auch ein von Eppendorf-
Neal aus einem Fall von eitriger Meningitis isolierter Stamm ein-
gereiht.
Wright (bei Eppendorf-Neal) reserviert den Namen Nocardia
für jene Bakterienformen dieses Typus, die sich aérob entwickeln, in
den Läsionen keine an den Enden geschwollene Formen geben, gram-
positiv sind und mehr oder weniger Säure bilden. Actinomyces
nennt er die Stämme, die in den Läsionen an den Enden geschwollene
Formen geben, sich schwer und mehr oder weniger in Anaérobiose
entwickeln und gram-amphoter sind.
In der neuerlichen von der amerikanischen bakteriologischen Ge-
sellschaft vorgeschlagenen Klassifizierung wurde die Bezeichnung No-
cardia ausgeschaltet, und die bisher mit diesem Namen bezeichneten
Formen wurden der Gattung Actinomyces zugeteilt.
In der Literatur liegen keine eingehenden Untersuchungen über
die aus den Hirnhäuten isloierten Stämme vor; einige Eigenschaften
Erste Abt. Orig. Bd. 101. Heft 6/7. 24
370 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
sind von Rutelli, Sindoni, Kharina-Marinucci, Fabris
sowie Eppendorf-Neal studiert worden.
Rutelli beschreibt die morphologischen und kulturellen Eigenschaften des von
ihm isolierten Keimes. Er fand dünne, längliche Stäbchenformen mit granulärer
Struktur von verschiedener Länge. In den Kulturen finden sich lange Formen
ohne charakteristische Anordnung mit den gleichen strukturellen Eigenschaften. Sie
wuchsen aérobisch auf Blutnährböden spärlich und nach 24 Std. bildete sich eine
dünne, graue, leicht ablösbare, feinkörnige Kulturpatina aus. '
Die gleichen Eigenschaften wurden von Sindoni beschrieben, die außerdem
die von ihr isolierten Stämme gramnegativ fand, ohne nach der Methode von
Neißer-Kühne färbbare Granula. Diese Keime ähnelten sehr dem Diphtherie-
bazillus; sie entwickelten sich nur in festen Nährböden mit Blutzusatz. Alle Stämme
waren mit geringer Lebensfähigkeit ausgestattet; sie starben bei 45° in 20 Min.
ab. Bei den Kranken riefen sie keine Immunkörperbildung hervor. Für Tiere
waren sie nicht pathogen.
Fonzo fand nahezu identische kulturelle Eigenschaften. Außerdem war die
Inokulation von 1 ccm Zerebrospinalflüssigkeit der Patientin bei Meerschweinchen
wirkungslos.
Kharina-Marinucci beschreibt einen Stamm, der sich sofort nach der
Isolierung in Bouillon mit Glyzerinzusatz unter Tipeksabildung am Boden ent-
wickelte. Auf Blutagar gab er nach Bordet-Gengou Entwicklung einer zarten,
einer feinsten Tauschicht ähnlichen Patina; auf Agar mit Glyzerinzusatz wurde
keine Entwicklung erhalten. Im hängenden Tropfen zeigten sich die Keime in
langen, wenig beweglichen Fäden angeordnet. Zweckmäßig gefärbt, zeigten sie sich
als dünne Bazillen von verschiedener, zwischen 3—8 p schwankender Länge, gerade
oder gekrümmt. Sie wiesen abwechselnd hypo- und hyperchromatische Zonen ohne
Granula auf und waren nicht säurebeständig. Derselbe Stamm brachte ein Kanin-
chen nach peritonealer Einimpfung zum Exitus. Meerschweinchen eingespritzt, rief
es Drüsenanschwellungen mit einem Verkäsungsvorgang ähnlicher Verflüssigung her-
vor. Verf. stellt den Keim der von Eppinger, Sabrazés und R uer untersuchten
Cladothrix an die Seite.
Fabris beschreibt bei einem Meningitisfall mit klarem Liquor verschieden
lange, verzweigte, gramnegative Bakterienformen mit hyperchromatischen Zonen.
Züchtungen in aéroben Nährmedien gelangen nicht, solche in Anaérobiose konnten
nicht hergestellt werden.
Der von Eppendorf-Neal isolierte und beschriebene Stamm war zum
Unterschied von den von italienischen Autoren studierten streng anaérob.
Ich muß darauf hinweisen, daß vor einigen Jahren im Anschluß
an eine Arbeit amerikanischer Autoren die Möglichkeit erwogen wurde,
daß die von den Italienern gesehenen und beschriebenen Stämme
besondere Formen des Pfeifferschen Bazillus seien. Diese Hypo-
these ist von Fonzo und auch von mir in einer früheren Mitteilung
behandelt worden, so daß ich ein weiteres Eingehen darauf für über-
flüssig halte.
Da keine eingehenderen Untersuchungen über die Eigenschaften
dieses Keimes vorliegen, hielt ich es für nützlich, die morphologischen,
kulturellen und biologischen Eigenschaften von 6 Streptothrix-
Stämmen zu studieren, die in der Kinderklinik von Palermo isoliert
wurden. Sie stammten aus der Zerebrospinalflüssigkeit von Patienten
mit eitriger Meningitis cerebrospinalis und zeigten in der Zerebro-
spinalflüssigkeit und sofort nach Isolierung die bereits von Rutelli.
Sindoni und Fonzo beschriebenen Eigenschaften. Sie traten als
verschieden lange, diskontinuierlich gefärbte, an den Enden nicht ge-
schwollene Bazillen mit verschiedenartiger, zuweilen V-förmiger An-
ordnung auf, so daß sie durch diese Eigenschaft dem Loefflerschen
Gerbasi, Bakt. Untersuchung über einige Stämme d. Strept. meningea. 371
Bazillus sehr ähnelten. Sie waren schwer färbbar und wurden in
Nährböden mit Blut gehalten. Bei Beginn vorliegender Untersuchungen
waren sie bereits seit langer Zeit im Zustande des Saprophytismus ge-
wesen und hatten zahlreiche Passagen in den Kulturböden durch-
gemacht.
1. Morphologische und kulturelle Eigenschaften.
Die Entwicklung der Stämme wurde aérobisch und anaérobisch
in flüssigen und festen Nährmedien versucht. Als anaérobe Nähr-
böden wurden verwendet der nach Tarozzi-Noguchi und ein
anderer, der folgendermaßen hergestellt wurde: In Röhrchen mit eın-
fachem Agar (3 ccm), die lange Zeit im Kochen gehalten worden
waren, wurde 1 ccm hämolysierter roter Blutkörperchen vom Kanin-
chen und 1 ccm Blutserum desselben Tieres hinzugegeben. Darauf
wurde rasch zum Erkalten gebracht und nach dem Erstarren ca.
1 ccm Vaselinöl hinzugefügt. Die Beschickung geschah durch Ein-
stich bei absoluter Anaérobiose in einem ziemlich durchsichtigen Nähr-
boden, in dem sich die Streptothrix gut entwickelte. Beobachtet,
wurden die Keime im frischen Zustand, im hängenden Tropfen oder
an gefärbten Präparaten (einfache Färbung, Verfahren von Gram,
Ziehl-Neelsen und Neißer-Kühne).
In einfachem Agar, Agar mit Glyzerinzusatz, einfacher Bouillon
mit Peptonzusatz, Bouillon mit Glyzerinzusatz, Brocaschem Nähr-
boden mit Peptonzusatz wurde auch nach mehreren Tagen der In-
kubation im Brutschranke bei 370 keine Entwicklung erhalten.
In Blutagar und dem Nährboden von Nicolle-Neal-Novy
wurde nach 24—48 Std. eine ziemlich gute Entwicklung mit Bildung
einer dünnen Patina von schwach graulicher Farbe mit scharfen
Rändern, feuchter, feinkörniger Oberfläche erhalten. Die einzelnen
Kolonien waren rund, stecknadelspitzengroß, an der Oberfläche nicht
sehr erhaben. Auf dem Petroffschen Nährboden wurde ohne Glyzerin-
zusatz nach 24 Std. üppige Entwicklung erhalten, auf Aszitesagar
aber spärliche nach 48 Std. mit den bereits beschriebenen Eigenschaften.
In Blutbouillon bekam man Entwicklung, die nach 48 Std. mit schwacher
Trübung der Flüssigkeitssäule und darauffolgender Hämolyse einsetzte.
Nach 5 oder 6 Tagen wurde die Nährflüssigkeit wieder klar, und
‘die entwickelten Keime setzten sich am Boden oder auf der Wand
des Röhrchens ab.
In Aszitesbouillon entwickelten sich nur 2 Stämme (I u. II),
die nach 2 oder 3 Tagen eine geringe Trübung gaben, die in den folgen-
den Tagen nur wenig zunahm. Die anderen Stämme entwickelten
sich nicht.
In Serumbouillon zeigte sich anfängliche Entwicklung nach 48 Std.
mit leichter Trübung und Bildung eines spärlichen, schleimartigen
Sedimentes am Boden des Reagenzglases.
"In Bouillon mit Traubenzuckerzusatz entwickelten sich sämtliche
Stämme nach 3 Tagen unter Bildung einer leichten Trübung der
Flüssigkeitssäule.
Im Tarozzi-Noguchischen Nährboden (ohne Vaselinöl und
nicht absolute Anaérobiose) zeigte sich nach 48 Std. diffuse Triibung
24*
372 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
des Substrates, die in den folgenden Tagen zunahm und schließlich be-
trächtlich wurde.
In demselben Nährmedium mit einer Schicht Vaselinöl darüber
begann die Trübung nach 4 oder 5 Tagen um das Organstiickchen
des Substrates herum, breitete sich nach oben hin aus und erreichte
die gleiche Intensität wie in den Röhrchen bei relativer Anaérobiose.
Einige Stämme bildeten an der Oberfläche der Kulturflüssigkeit unter
dem Vaselinöl ein dünnes Häutchen.
Bei dem von mir zur anaöroben Züchtung hergestellten festen
Nährboden wurde durch Einstich beschickt. Nach 48 Std. trat schwache
Entwicklung längs des Einstiches und dünne Patina an der Grenze
zwischen Vaselinöl und Agar auf.
Bei Beobachtung der Präparate im hängenden Tropfen, die aus
jungen Kulturen (24—48 Std. alt) in flüssigen Nährböden hergestellt
waren, fanden sich unbewegliche Bazillen, isoliert oder in Haufen ohne
charakteristische Anordnung. Sie waren von mittlerer Länge (1/, bis
1 des Durchmessers eines roten Blutkörperchens), bestehend aus 2—5
kleinen, länglichen, glänzenden Segmenten, die mit nicht lichtbrechenden
Abschnitten abwechselten. Selten wurden Formen mit stärker an-
geschwollenem polaren Granulum wahrgenommen.
Der gleiche Befund wurde an Stägigen Kulturen erhalten. An
sehr alten (20 Tage) wurden seltene rundliche Elemente, die wie
dicke Kokken aussahen, wahrgenommen.
Bei Untersuchung der mit alkalischem Loefflerschen Blau ge-
färbten Ausstriche fanden sich Bazillen mittlerer Länge (4—7 u),
bestehend aus sehr intensiv gefärbten Segmenten. die mit fast voll-
ständig farblosen Äbschnitten abwechselten. Einige Bazillen zeigten
geschwollene Enden. Häufig war V-förmige und palisadenartige An-
ordnung bei jungen (2—5 Tage alten) Kulturen; an alten Kulturen
wurden neben Bazillenformen, die eine deutliche granuläre Struktur
annahmen, so daß sie wie Kokkenkettchen aussahen, diplokokken-
artige Formen und andere isolierte, vollkommen rundliche Formen,
wie sehr dicke Kokken, beobachtet.
Das mikroskopische Aussehen der Kulturen war bei den ver-
schiedenen Stämmen nahezu gleich. Nur der Stamm V bestand aus
sehr langen Bazillen (ungefähr doppelt so lang als die übrigen).
Verzweigte Formen wurden niemals beobachtet. Alle Stämme
waren mit Methylenblau schwach färbbar. Besser färbten sie sich mit
Fuchsin und nahmen nach Beizung gut die Farbe an (Loefflersches
Blau, Nicollesche Flüssigkeit, Zi ehlsches Fuchsin).
Sie waren weder säure- noch alkoholbeständig, aber grampositiv.
Nach dem Neißer-Kühneschen Verfahren wurde an den jungen
Kulturen die Doppelfärbung nicht nachgewiesen.
Sie waren keine Sporenbildner.
2. Biologische Eigenschaften.
Untersucht wurden die biochemischen Eigenschaften (Vergärung
von Traubenzucker, Livulose, Galaktose, Maltose, Laktose, Saccharose,
Koagulation der Milch), das antigene, das pathogene Vermögen für
Versuchstiere, die eventuelle Toxinbildung in den flüssigen Nährböden.
Gerbasi, Bakt. Untersuchung über einige Stämme d. Strept. meningea. 373
Die fermentativen Eigenschaften für Zuckerarten wurden unter-
sucht, indem ich die Stämme in Bouillon mit Kaninchen -Serum
vegetieren ließ, der als Indikator Lackmustinktur zugesetzt worden war.
Die Immunisierung der Kaninchen erfolgte durch intravenöse In-
okulation steigender Mengen bei 55° abgetöteter Kulturen.
Zum Nachweis der Toxinbildung wurden der Tarozzi-Noguchi-
sche und der Di Cristinasche Nährboden ohne Vaselinöl benutzt,
in denen sich die Stämme üppig entwickelten. Die Kulturen wurden
10—17 Tage lang bei 37° gehalten und dann durch Chamberland-
Kerzen L, filtriert. Die so erhaltene, auf ihre Sterilität nachgeprüfte
Flüssigkeit wurde in farbigen Flaschen unter Toluol aufbewahrt.
Zur Feststellung der Anwesenheit von Toxin und zur Virulenzprüfung
der verschiedenen Stämme wurden junge Meerschweinchen und Kanin-
chen benutzt, die aus unserer Zucht stammten und somit mutmaßlich
frei von spontanen Krankheiten waren. Die Versuchstiere wurden täg-
lich beobachtet. Bei einem jeden verendeten Tiere wurden sorgfältige
Sektion und Kontrolleinimpfungen in ‚gewöhnliche Nährböden sowie
solche mit Blut vorgenommen. Die Einimpfung der filtrierten Flüssig-
keiten erfolgte subkutan. Die 48 Std. alten, auf festen Nährböden
entwickelten, lebenden Kulturen wurden in physiol. Kochsalzlösung
suspendiert und intraperitoneal, intravenös und subdural injiziert.
a) Biochemische Eigenschaften. Alle Stämme spalteten
von den untersuchten Zuckersorten allein, und zwar nur teilweise,
Traubenzucker und Galaktose, Milch brachten sie nicht zum Gerinnen.
b) Antigenes Vermögen. Bei intravenöser Einimpfung von bei
550 abgetöteten Kulturen in von 100 Millionen Keimen an steigender
Menge wurde bei Vornahme von wöchentlich 2 Injektionen nach 5 bis
6 Injektionen ein an Agglutininen und Ambozeptoren reiches Serum
(Agglutinationstiter 1:2000; Ambozeptor 0,05 ccm) erhalten.
Die Stämme zeigten keine merklichen Unterschiede im Verhalten.
in Gegenwart der verschiedenen Immunsera; nur Stamm V war geringer
agglutinierbar (1:200).
Es ist zu bemerken, daß der Immunisierungsvorgang zuweilen mit
schwerem Kräfteverfall der Tiere einherging, und daß einige unter
Anzeichen von Kachexie (Hypotrophie der Organe, seröse transsudative
Ergüsse in Abdomen und Thorax) verendeten.
c) Virulenz der verschiedenen Stämme:
æ) 6 jungen Kaninchen von 800—1100 g wurden intravenös die
verschiedenen Stämme in der Menge eines Kulturbelages auf Petroff-
schem Nährboden inokuliert.
Im Anschluß an die Injektion wurde keinerlei krankhafte Erschei-
nung beobachtet und das Wachstum war regelmäßig. Die Tiere wurden
nach ca. 3 Monaten außer Beobachtung gesetzt.
Gleichfalls ohne Wirkung war die subdurale Inokulation von
lebenden Kulturen (!/;,—1 Platinöse).
ß) Die subkutane Inokulation der Kulturen in Meerschweinchen
hatte dagegen, wenn sehr große Keimmengen injiziert wurden, nach
6 Tagen bis 2 Mon. den Exitus der Tiere im Gefolge.
Ueber die positiv ausfallenden Versuche will ich ausführlich be-
richten.
374 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
Stamm I. 18. 1. 1926. Einem Meerschweinchen im Gewicht von 280 g
werden 4 Oesen Kultur subkutan inokuliert. — 19. 1. Erhebliche lokale Reaktion
mit ausgedehnter Infiltration und Schmerz beim Betasten. — 21. 1. Die lokalen
Symptome gehen zurück. Das Gewicht nimmt ab. Es treten Zeichen von allge-
meinem Uebelsein auf (ruppiger Pelz, Verweigerung der Nahrungsaufnahme). —
24. 1. Das Tier verendet. Sektion: Keine merkliche örtliche Läsion. Inguinale
Lymphdrüsen mäßig vergrößert, ohne sichtbare Veränderungen in ihrer Struktur.
Hyperämie der Eingeweide. Nebennieren, erheblich kongest (beim Schnitt entleert
sich eine viel größere Blutmenge als in der Norm). Nieren ein wenig vergrößert,
bedeutende Kongestion der Mark- und Rindensubstanz, kleine Blutungen in der
Dicke der Rindensubstanz. Myokard blaß. Nichts bei Untersuchung der Hirnhäute
und des Hirnes. Die Verimpfung von Herzblut in Tarozzi-Noguchischen
Nährboden führt zur Entwicklung von keinerlei Keimen. 4
Stamm II. 18. 1. 1926. Einem Meerschweinchen im Gewicht von 300 g
werden 4 Oesen Kultur inokuliert. Symptome dieselben wie beim 1. Meerschweinchen.
Exitus am 24. 1.
Anatomischer Befund: Nichts von Bedeutung an der Injektionsstelle.
Mäßige Vergrößerung der inguinalen Drüsen. Nichts am Peritoneum. Leber ver-
rößert. Geringgradige Kongestion der Nebennieren. Hyperämie der Nieren. Myo-
ard blaß. Nichts bei Untersuchung der Hirnhäute und des Hirns. Verimpfungen
des Herzblutes negativ.
Stamm II]. Einem Meerschweinchen im Gewicht von 300 g werden
4 Oesen Kultur inokuliert. 19. 1. Ziemlich starke lokale Reaktion ınit Infiltration
und Schmerz auf Druck. — 21. 1. Die lokalen Erscheinungen gehen zurück; Gewicht
stationär. — 24. 1. Das Tier verweigert die Nahrungsaufnahme, hat ruppigen Pelz,
bewegt sich nicht spontan, Gewicht 270 g. — 30. 1. Der Allgemeinzustand des
Tieres hat sich gebessert; Gewichtsabnahme hält an. — 15. 2. Auf den ganzen
Körper verbreiteter Haarausfall. Gewicht 280 g. — 14. 3. Das Tier, das immer
mehr abgemagert war, verendet. Bei der Sektion wenig klare Flüssigkeit in der
Peritonealhéhle. Hypotrophie sämtlicher Organe. Myokard vom Aussehen ge-
kochten Fleisches. Nichts zu Lasten des Hirnes und der Hirnhäute. Verimpfung
von Herzblut und peritonealer Flüssigkeit in Tarrozzischen Nährboden negativ.
Stamm IV. 28. 1. Einem Meerschweinchen im Gewicht von 260 g werden
3 Oesen Kultur inokuliert. 29. 1. Geringe lokale Infiltration, Zeichen von allge-
meinem Uebelsein. — 5. 2. Das Tier verendet. Keine merklichen Läsionen an a
Injektionsstelle. Peritoneum injiziert. Spärliche serös-blutige Flüssigkeit in der Peri-
tonealhöhle. Nieren kongest mit deutlicher Zeichnung. Nebennieren normal. Myo-
kard schlaff. Nichts zu Lasten des Hirns und der Hirnhäute. Verimpfungen
negativ.
Stamm V. 28. 1. Einem Meerschweinchen im Gewicht von 300 g werden
3 Oesen Kultur inokuliert. Es zeigt dieselben Symptome wie das vorausgehende
Meerschweinchen und verendet am 8. 2. Anatomischer Befund gleich dem voraus-
gehenden, nur zeigen sich die Nebennieren erheblich kongest. Die Verimpfungen in
die gewohnten Nährböden fallen negativ aus.
Stamm VI. 28. 1. Einem Meerschweinchen im Gewicht von 250 g werden
3 Oesen Kultur inokuliert. 30. 1. Geringe lokale Reaktion. 10. 2. Erhebliche Ab-
magerung (Gewicht 240 g). 17. 2. Das Tier verendet. Hypothrophie der Organe.
Keine örtliche Läsion. Spärliche, klare seröse Flüssigkeit in der Peritonealhöhle.
Nebennieren kongest. Kleine diffuse Blutungen in den Nieren. Myokard blaß, schlaff.
Nichts bei Untersuchung des Zentralnervensystems. Verimpfungen mit dem Herzblut
negativ.
y) Die subdurale Kulturinokulation (1/,—1/4 Oese) gab bei jungen
Meerschweinchen niemals krankhafte Erscheinungen. Bei der Natur der
Versuche konnten keine größeren Keimmengen inokuliert werden.
8) Toxinbildung. Inokulation des Filtrates von 4—15 Tage
alten Blutbouillonkulturen (bis zu 4 cem) rief bei Meerschweinchen nur
lokale Reaktion hervor. Dagegen kamen die Tiere bei Inokulation der
durch Filtrieren von Kulturen in Tarozzi-Noguchischen Nähr-
boden ohne Vaselinöl erhaltenen Flüssigkeit manchmal zum Exitus,
wobei sie dieselben Symptome und dieselben Läsionen wie die mit
lebenden Kulturen geimpften Meerschweinchen aufwiesen.
Gerbasi, Bakt. Untersuchung über einige Stämme d. Strept. meningea. 375
Die Versuche mit positivem Resultat sollen hier aufgeführt werden:
Stamm III. 28. 2. Einem Meerschweinchen im Gewicht von 280 g werden
2 ccm des Filtrates einer 15tägigen Kultur inokuliert. — 2. 3. Das Meerschweinchen
zeigt mäßige lokale Reaktion. — 4. 3. Die subkutane Infiltration strebt zu ver-
schwinden. Das Tier zeigt Symptome von Uebelsein. Gewicht 250 g. — 7. 3. Das
Tier verendet. Gewicht 250 g. — Sektion: Keine merkliche Läsion in dem sub-
kutanen Gewebe. Injektion des Peritoneums. Spärliches seröses Exsudat in der
Peritonealhéhle. Nebennieren kongest. Myokard blaß. Nichts bei Untersuchung
des Nervensystems.
Stamm VI. 28. 2. Einem Meerschweinchen im Gewicht von 300 g werden
3!/, ecm des Filtrates einer 15tägigen Kultur in Tarozzi-Noguchischem Nähr-
boden inokuliert.
Das Tier zeigt die gleichen Symptome wie das vorausgehende Meerschweinchen.
2 TER am 10. 3. (Gewicht 250 g). Sektion: Befund wie der bereits be-
schriebene.
Stamm IV. 8. 3. 1926. Einem Meerschweinchen im Gewicht von 240 g
werden 2 ccm des Filtrates einer 17 Tage alten Kultur inokuliert. 10. 3. Erhebliche
Infiltration im subkutanen Gewebe, die auf die ganze Bauchwand ausgebreitet ist. —
14. 3. In der Haut hat sich, entsprechend der infiltrierten Region eine nekrotische
Zone mit einem Schorf gebildet, der späterhin abgestoßen wird und ein Geschwür
in der Größe von 3:4 cm zurück läßt. — 18. 3. Das Tier verendet. Gewicht
200 g. Sektion: Um die ulzerierte Zone wird in der Dicke des subkutanen
Bindegewebes serös-blutiges Oedem gefunden. Im Uebrigen Befund wie der bereits
beschriebene. .
Stamm I. 12. 4. Einem Meerschweinchen im Gewicht von 300 g werden
1!/ cem des Filtrats einer lltägigen Kultur inokuliert. 15. 4. Lokale Reaktion
mäßigen Grades. — 24. 4. Varsıkarından der lokalen Infiltration. Gewichtsabnahme
(250 g). — 30. 4. Haarausfall, Gewicht 220 g. — 14. 6. Das Meerschweinchen
verendet. Gewicht 150 g. Sektion: Keine merkliche Läsion in der Dicke des
Unterhautzellgewebes. Spärliche seröse Flüssigkeit in der Peritonealhühle. Erheb-
liche Hypotrophie der Organe. Myokard schlaff und blaß.
Aus diesen Versuchen ergibt sich, daß die von mir untersuchten
Stämme eine geringe Virulenz für die Versuchstiere zeigten. Nur durch
Inokulation großer Kulturmengen gelang es, bei Meerschweinchen einen
durch lokale Entzündung und erhebliche Beeinträchtigung des Allge-
meinbefindens gekennzeichneten Krankheitszustand hervorzurufen; der
Exitus trat nach einem Zeitraum von wenigen Tagen (6—8) oder
ausnahmsweise nach ein paar Monaten ein.
In diesem Falle verendete das Tier unter Kachexieerscheinungen
(erheblicher Kräfteverfall, Gewichtsabnahme, Erguß in die Peritoneal-
höhle). š
Die Meningitis hervorzurufen gelang nicht, und zwar nicht cinmal,
wenn der Keim mit dem Nervensystem der Tiere in direkten Kontakt.
gebracht wurde; doch war die in diesem Falle inokulierte Keimmenge
ziemlich gering, wie es nach der Natur des Experiments nicht anders
sein konnte. Die geringe Virulenz der Stämme könnte jedoch mit der
Tatsache in Zusammenhang stehen, daß sie lange Zeit saprophytisch
in den Nährböden gehalten worden waren.
War nun die hervorgerufene experimentelle Krankheit von septik-
ämischer oder toxämischer Natur?
Der negative Befund der mit dem Blute, zuweilen auch intra vitam,
vorgenommenen Verimpfungen schließt die erste Möglichkeit aus. Es
bleibt somit die toxische Natur des bei den Tieren erzeugten krank-
haften Zustandes anzunehmen.
Man muß sich nun vergegenwärtigen, daß es bei keinem der ver-
endeten Tiere möglich war, den inokulierten Keim nachzuweisen, nicht
einmal an der Injektionsstelle. Dies könnte zur Ansicht veranlassen,
376 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
daß Erkrankung und Tod des Tieres von dem injizierten Keim unab-
hängig gewesen seien, diese vielmehr mit spontanen Krankheiten zu-
sammenhingen. Dieser Hypothese widerstreiten der negative Erfolg
der vorgenommenen bakteriologischen Untersuchungen, das Fehlen eines
pathologisch-anatomischen Befundes, der einen zufälligen Tod erklären
könnte, und außerdem die bei Auswahl der Versuchstiere, die aus
eigener Zucht stammten, bei der sich niemals spontane Krankheiten
bemerkbar gemacht haben, aufgewandte Sorgfalt. Uebrigenss tritt eine
analoge Erscheinung häufig auf und ist von mehreren Untersuchern
nachgewiesen worden, z. B. bei Inokulation von Typhusbazillenkulturen
in Meerschweinchen, die verenden können, ohne daß es dann gelänge,
den pathogenen Keim aus dem Blut, der Peritonealflüssigkeit usw. zu
isolieren (vgl. Kolle und Wassermann, Handb. d. path. Mikroorg).
Die anatomische Untersuchung wies, kurz gesagt, eine erhebliche
Reaktion der peritonealen Serosa, Läsionen des Nierengefäßsystems
(punktförmige Blutungen in der Dicke der Rindensubstanz), erhebliche
Kongestion der Nebennieren, degenerativähnliche Läsionen zu Lasten
des Myokards nach.
Daß der Tod der geimpften Tiere toxischer Natur gewesen ist,
wird dadurch bestätigt, daß wir in der Kulturflüssigkeit in Tarozzi-
Nährboden die Anwesenheit eines toxischen „Quid“ nachweisen konnten,
das befähigt ist, bei Tieren, denen es injiziert wurde, Symptome und
Läsionen auszulösen, die nahezu identisch sind mit den durch lebende
Kulturen hervorgerufenen.
Von den untersuchten Stämmen erwiesen sich 4 als toxisch. Die
2 anderen erzeugten unter den von mir gewählten Versuchsbedingungen
kein Toxin.
Die Natur dieses Toxins, seine Bedeutung im Hinblick auf die
menschliche Pathologie und eine eventuelle spezifische Therapie werden
durch weitere Untersuchungen besser aufgeklärt werden können.
Zusammenfassend ist zu sagen: Die untersuchten Stämme
zeigten folgende Eigenschaften:
1) Fakulative Entwicklung in Anaérobiose und Aérobiose in festen
oder flüssigen, an nicht denaturierten tierischen Proteinen (Blutserum,
Vollblut, Aszitesflüssigkeit) reichen Nährmedien. — 2) Fähigkeit, sich
positiv nach dem Gramschen Verfahren zu färben. — 3) Geringe Viru-
lenz für Versuchstiere; nur beim Meerschweinchen rufen sie eine Er-
krankung vom Typus einer mit Exitus endigenden Allgemeinintoxi-
kation hervor. — 4) Erhebliches antigenes Vermögen. — 5) In vitro
Bildung eines Toxins, das bei Meerschweinchen Symptome und Läsionen
hervorruft, die mit den durch lebende Kulturen ausgelösten fast identisch
sind.
Schlüsse.
Sämtliche untersuchten Stämme gehören nach ihren morphologischen,
kulturellen und biologischen Eigenschaften einem einzigen, distinkten
Bakterientyp an. Obwohl sie Streptothrix-Eigenschaften auf-
weisen, können sie mit den anderen bisher beschriebenen Keimen dieser
Gruppe nicht identifiziert werden. Von den Stämmen Kharina-Ma-
Murakami, Ueber Milch gerinnende Arten von Pseudodysenteriebazillen. 377
rinuccis und Eppendorf-Neals entfernen sie sich, weil ersterer
beim Meerschweinchen als pseudotuberkulös qualifizierte Alterationen
erzeugte, während der 2. streng anaérob war. Dagegen bewahren sie im
allgemeinen die früher von Rutelli, Sindoni und Fonzo be-
schriebenen Eigenschaften.
Literatur.
Rutelli, G., Pediatria. 1915. — Sindoni, M., Pediatria. 1916. — Kha-
rina-Marinucci, Pediatria. 1918. — Fabris, S., Pediatria. 1920. — Fonzo,
F., Pediatria. 1922. — Gerbasi, M. Pediatria. 1924. — Vitetti, La Ri-
nascenza med. 1924. — Eppendorf-Neal, Arch. of Paediatrics. 1925.
Nachdruck verboten.
Ueber Milch gerinnende Arten von Pseudodysenterie-
bazillen.
[Aus dem bakteriologischen Institut der Universität Sendai (Dir.:
Prof. Dr. K. Aoki).]
Von Katsuro Murakami.
Kruse war der erste, welcher Pseudodysenteriebazillen agglutinatiorisch in
verschiedene Typen einzuteilen unternommen hatte. Dabei war es ihm gelungen,
sie in 8 Typen absorptorisch zu differenzieren. Sie wurden von ihm mit A bis H
bezeichnet. Darunter fand er einen Typus, welcher, im Gegensatz zu den anderen
Typen, die Fähigkeit hat, Milch zur Gerinnung zu bringen. Dieser Typus wurde
von ihm E-Typus genannt. Die Stämme, welche als zu diesem Typus gehörig
von ihm festgestellt wurden, waren im ganzen nur 4. Sie wurden immer bei
sporadischen Fällen von Dysenterie nachgewiesen. Baerthlein konnte bei einer
ysenterieepidemie in Berlin 3 Stämme von Dysenteriebazillen nachweisen, welche
Milch zum Gerinnen bringen konnten. Hutt untersuchte diese Stämme mit den
anderen 4 Stämmen, welche von Kruse früher gefunden worden waren, ver-
gleichend, und konnte feststellen, daß es Stämme von Pseudodysenteriebazillen gibt,
welche Milchzucker zu vergären befähigt sind, so daß die Milch dadurch langsam
zur Gerinnung gebracht werden kann. Ferner nahmen sie agglutinatorisch und
absorptorisch eine Sonderstellung ein, so daß man sie dadurch von den anderen
Unterarten der Dysenteriebazillen ganz deutlich differenzieren kann. Diese Art
von Dysenteriebazillen wurde daraufhin von Hilgers bei einer Dysenterieepidemie
bei Göttingen und Frankfurt zwischen anderen Typen nachgewiesen. Milchgerinnende
Stämme von Dysenteriebazillen wurden auch von Sonne als sein 3. Typus nach-
gewiesen.
In Japan sind diese Bakterien auch nicht unbekannt geblieben. So wurde
ein Stamm von Pseudodysenteriebazillen bei Enteritis follicularis der Kinder
von Ohara zuerst nachgewiesen. Gleich darauf fand Mita auch ihnen ähnliche
Mikroben bei Enteritis follicularis und hielt sie für den Erreger derselben. Auch
Adachi konnte ähnliche Mikroben bei Kinderenteritis nachweisen. Diese 3 Stämme
zeichnen sich dadurch aus, daß die Milch von ihnen sehr langsam zum Ge-
rinnen gebracht wird. Sonst verhielten sie sich genau wie Dysenteriebazillen. Durch
die vergleichende Untersuchung von Adachi wurde festgestellt, daß diese 3 Stämme
anz identisch sind. Daraufhin wurden ähnliche Mikroben von Nakamura bei
ysenteriekranken nachgewiesen. Er untersuchte diese Stämme mit den oben ge-
nannten 3 Stämmen, verglich sie und kam zu dem Resultat, daß sie alle sowohl
kulturell als auch agglutinatorisch ganz identisch sind. Ferner wurde ein Stamm
378 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
von Dysenteriebazillen von Takematsu bei Dysenteriekranken nachgewiesen,
welcher auch die Milch zum Gerinnen brachte. Ob dieser Stamm mit den obigen
4 Stämmen identisch ist, wurde von ihm nicht weiter untersucht.
Kürzlich konnte ich einen Stamm von Dysenteriebazillen bei Dy-
senteriekranken nachweisen, welcher sich auch dadurch kennzeichnete,
daß er Milch zum Gerinnen brachte Aoki konnte vor 8 Jahren viele
Stämme von Dysenteriebazillen agglutinatorisch in 11 Typen einteilen.
Darunter fand er einen Typus, den Typus VII, welcher nur aus solchen
Dysenteriebazillen bestand, welche Milch langsam zur Gerinnung
brachten. :
Ich beabsichtigte nun zuerst, meinen Stamm mit den anderen,
welche von Ohara, Mita, Adachi und Nakamura nachgewiesen
worden waren, dann alle diese Stämme mit dem von Aoki vergleichend
zu untersuchen. Die Stämme wurden von den Herren Mita, Adachi
und Nakamura uns freundlichst zur Verfügung gestellt, wofür ich
ihnen verbindlichst danke.
Im ganzen wurden 6 Stämme mit meinem Stamme verglichen,
nämlich Dys. 56, 264, 300, 301, 302 und 303. Sie wurden mit meinem
Stamme Dys. 342 zusammen zuerst kulturell und mikroskopisch unter-
sucht und zeigten sich dabei einander gleich. Es waren plumpe, un-
bewegliche, gram-negative Stäbchen, die gut in Bouillon wuchsen. Indol-
bildung negativ. Traubenzucker wurde von ihnen nicht so gespalten,
daß Gas gebildet wird, und Neutralrot nicht von ihnen verändert.
Lackmusmolke wurde getrübt und gerötet, Milch langsam, erst nach
7—14 Tagen, zur Gerinnung gebracht. Dieses kulturelle Verhalten
war bei den anderen Stämmen ganz ähnlich. Mit ihnen wurden Seren
von Kaninchen hergestellt. Dabei konnte ich bei einzelnen Stämmen
ganz leicht Sera herstellen, welche über 1:10000 agglutinieren. In
diesen Seren wurden sie gegenseitig kreuzweise agglutinatorisch unter-
sucht. Dabei ergab sich, daß die Stämme, welche schon von Ohara,
Mita, Adachi und Nakamura beobachtet worden waren, mit meinem
Stamme zusammen gegenseitig ganz gleich reagierten, so daß sie agglu-
tinatorisch als identisch zu betrachten sind (Tab. I).
Tabelle I.
Name der Immunsera
Nas der Bakeren Dys. 56 |Dys. 264 Dys. 300|Dys. 301 Dys. 302|Dys. 303|Dys. 342
er __ Titer .
__ | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000
Dys. 56 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000
Dys. 264 10 000 | 10000 | 10 000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000
Dys. 300 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000
Dys. 301 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000
Dys. 302 10000 | 10000 | 10000 | 10600 | 10000 | 10000 | 10000
Dys. 303 10000 | 10000 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000
Dys. 342 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000
Absorptionsversuche mit diesen Stämmen wurden dann mit ent-
sprechenden Seris ausgeführt, wobei sich ergab, daß sie ihre Agglutinine
gegenseitig total erschöpfen können, so daß sie auch dadurch als iden-
tisch zu betrachten sind (Tab. II). Ferner wurden während der Immuni-
Murakami, Ueber Milch gerinnende Arten von Pseudodysenteriebazillen. 379
Tabelle II.
Name der Immunsera
Dys. 56 absorbiert mit Dys. 264 absorbiert mit
N T Dys. 56 | Dys. 264|Dys. 300 Dys. 342 Dys. 56 |Dys. 264|Dys. 300|Dys. 342
Bakterien Behandlung
fords: nach der Absorption Tor Aur nach der Absorption
. 56 | 10000 | 50— | 50— | 50— | 50— | 10000 | 50— | 50— | 50— | 50—
. 264 10000 | 50— | 50— | 50— | 50— | 10000 | 50— | 50 — | 50— | 50 —
300 10000 | 50— | 50— | 50— | 50— | 10000 | 50— | 50— | 50— | 50 —
342 | 10000 | 50— | 50— | 50— | 50— | 10000 | 50— | 50— | 50— | 50 —
i Name der Immunsera
Dys. 390 absorbiert mit Dys. 342 absorbiert mit
ey | Dys. 56 |Dys. 264|Dys.300|Dys.342 Dys. 56 |Dys.264|Dys. 300|Dys. 342
Bakterien Behandlung
oe nach der Absorption re oe nach der Absorption
. 86 | 10000 | 50— | 50— | 50— | 50— | 10000 | 50— | 50— | 50— | 50—
. 264 10000 | 50— | 50— | 56— | 50— | 10000 | 50— | 50— | 50— | 50 —
. 300 10000 | 50 — | 50 — | 50— | 50— | 10000 | 50— | 50— | 50— | 50 —
. 342 |10000 | 50 — | 50— | 50— | 50— | 10000 | 50— | 50— | 50— | 50 —
sierung verglichen, ob sie immer gegeneinander in gleichem Verhältnis
Agglutinine bilden oder agglutiniert werden können. Zu diesem Zwecke
wurden Kaninchen mit einzelnen Stämmen immunisiert und während
der Immunisierung Blutproben aus den Ohrvenen entnommen. Mit diesen
Seren wurden nicht nur homologe, sondern auch heterologe Stämme
agglutiniert. Dabei wurde der Agglutinationstiter heterologer Stämme
mit dem Titer der homologen verglichen. Falls diese Stämme
identisch sind, muß der Index während der ganzen Immunisierung
wie 1/, sein, wie schon Aoki und Konno bei Typhus- und Para-
Tabelle III.
Ki | Mal der Vorbehandlung
I II III IV V VI
Dys. 342 1 1 1 1 1 1
Dys. 56 1 1 1 1 1 1
Dye aN ae | a ah
Dys. 264 1 1 1 1 1 1
Dys. 342 1 1 1 1 1 1
Dys. 300 1 1 1 I I I
_Dys. 56 a 1 1 1 1 1
Dys. 342 1 1 1 1 I I
Dys. 264 1 1 ag an ie
Dys. 342 2 1 1 1 I I
Dys. 300 1 1 1 1 1 1
Dys. 342 | 2 T 1 1 I 1
380 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
typhusbazillen nachgewiesen haben. Wie Tab. III zeigt, war es bei
allen Stämmen den anderen Stämmen gegenüber während der Immuni-
sierung immer wie 1/, (Tab. III). Es ist daher wohl anzunehmen,
daß mein Stamm mit denen von Ohara ganz identisch ist.
Da nach obigen Versuchen feststeht, daß mein Stamm mit den
anderen von Ohara, Mita, Adachi und Nakamura identisch ist,
wurde ferner untersucht, ob sie dies auch mit den Stämmen von Aoki
sind, welche von ihm als Milch gerinnende Art, nämlich Typus VII,
angegeben war. Es handelte sich um Stämme, nämlich Dys. 102 und
Dys. 103, die sich mikroskopisch und kulturell genau wie die anderen
Stämme verhielten, so daß ich diese Stämme von Aoki als mit den
anderen, oben untersuchten für identisch ansehen möchte. So verhielten
sie sich agglutinatorisch gegenseitig ganz anders. So reagierten die
Stämme Aokis mit den Ohara-Seren und den anderen ganz schwach.
Umgekehrt wurden die Stämme von Ohara von den Seris der Stämme
Aokis ganz schwach agglutiniert (Tab. IV).
Tabelle IV.
Name der Immunsera
Dys. 102 | Dys. 103
| 8. 56 | Dys. 300!
Name der Bakterien | VII VIr | Pys- 56 | Dys. 264| Dys. 300|Dys. 342
| u eg Titer rar ~~
| 20000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000
Dys. 102 VII 20000 | 10000 | 500+ | 500+ | 500+ | 500+
Dys. 103 VII | 20000 | 10000 | 500= | 500+ | 500+ 500 +
Dys. 56 500+ | 500+ | 10000 | 10000 | 10000 | 10000
Dys. 264 500+ | 500+ | 10000 | 10000 | 10000 | 10000
Dys. 300 500= | 500+ | 10000 | 10000 | 10000 | 10000
Dys. 342 500+ | 500+ | 10000 | 10000 | 10000 | 10000
__ Absorptorisch konnte ich diese beiden Bakterienarten ganz deut-
lich unterscheiden. Sie konnten die Agglutinine gegenseitig nicht ganz
erschöpfen lassen, wie Tab. V zeigt (Tab. V).
Tabelle V.
Name der Immuusera
Dys. 56 absorbiert mit
Maria Aes Rabies Dys. 56 Dys. 164 Dys. 300 Dys. 342 Dys. 102 Dys. 103
Behandlung aa
mor 0 nach der Absorption
Dys. 56 | 10000 | 50 50 | 50 | 50 | 2000 | 2000
Dzs. 264 | 10 000 50 50 50 50 2000 | 2000
Dys. 300 10 000 50 50 50 60 2000 | 2000
Dys. 342 10000 | 50 50 | 50 50 | 2000 | 2000
Dys. 102 VIL 200 | 50 50 | 50 59 50 50
Dys. 103 VII 200 50 50 | 50 | 50 50 50
Murakami, Ueber Milch gerinnende Arten von Pseudodysenteriebazillen. 381
Name der Immunsera
|
| ee Dys. 102 VII absorbiert mit =.
Name der Bakterien |_ | Dys. 102 Dys. 103 Dys. 56 |Dys. 264 Dys. 300 Dys. 342
Fe = | Behandlung
es = mo u nach der Absorption
Dys. 56 | 1000 | 50 50 | 50 | 50 | 50 | 50
Dys. 264 1000 | 50 50 50 50 50 50
Dys. 300 1000 | 50 50 | 50 | 50 50 50
Dys. 342 1000 | 50 50 | 50 50 50 50
Dys. 112 VII 20000 | 50 50 | 5000 + | 5000 + | 5000 + | 5000 +
Dys. 103 VIE 2000 | 50 | 50 | 5000 + | 5000 + | 5000 + | 5000 +
‚Während der Immunisierung mit dem Ohara-Stamm wurde der
Aoki-Stamm untersucht. Der Index war dabei immer viel kleiner
als 1/,, umgekehrt aber beinahe wie 1/,, wenn der Ohara -Stamm
eee der Immunisierung der Kaninchen mit Aoki untersucht
wurde.
Ich méchte daher annehmen, daB beide Bakterien, wenn auch ganz
verschieden, doch bis zu einem gewissen Grade verwandt sind (Tab. VI).
Tabelle VI.
Mal der Vorbehandlung
Index =<
JA IL II IV | v | VI
Dys. 102. 1 1 1 1 1 1
Dys. 56 13 17 28 30 44 50
Dys. 102 1 1 1 1 1 1
Dys. 264 5 10 10 10 10 10
Dys. 102 1 1 1 1 1 1
Dys. 300 10 50 50 50 50 50
Dys. 102 1 1 1 1 1 1
Dys. 342 2 2 5 10 20 20
Dys. 56 1 1 1 1 1 1
Dys. 102 1 1 1 2 2 3
Ds | 2. U eS a Ne
Dys. 102 +1 1 1 2 2 3
Dys. 300 1 1 1 1 1 1
Dys. 102 1 1 2 2 2 4
Dys. 342 1 1 1 1 1 1
Dys. 102 I 1 F Dia LE
Ferner wurde untersucht, ob die Ohara-Stämme zu unseren
anderen Typen, welche von Aoki agglutinatorisch festgestellt waren,
agglutinatorisch irgendeine Beziehung haben. Es wurden in den Seren
von 11 Typen Dysenteriebazillen, welche von Aoki festgestellt waren,
agglutiniert. Dabei ergab sich, daß sie außer dem Typus VII in noch
anderen Typen, Typus VIII, IX und X, in gewissem Grade, in den
übrigen Typen aber gar nicht beeinflußt waren. Im Typus IX und X
382
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
wurden sie aber deutlich, wenn auch schwächer als Typus VII, beein-
flußt (Tab. VIIa).
Dieses agglutinatorische Verhalten konnte ich
umgekehrt nicht nachweisen (Tab. VIIb). Ich verglich deshalb die
Tabelle VIIa.
Name der Immunsera
Nime Dys. 12| Dys:33|Dys. 86|Dys.85|Dys.63|Dys. 62 Dys. 162|Dys. 6 Dys. 176| Dys. 122 Dys.203
der I II IT IV V VI VII | VIII IX | X XI
Bakterien =
Re T Titer =
5000 | 5000 | 5000 | 5000 | 10.000| 10.000 | 10000 | 5000 | 10000 | 10.000 | 10000
Dys. 56 |100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 500 100 500 200 | 100—
Dys. 264 | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 500 100 200 200 | 100—
Dys. 300 | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 500 + | 200+} 200 200 |10-
Dys. 301 | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 500 + |100 200 200 | 100—
Dys. 302 | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 500 + |100 500 200 | 100—
Dys. 303 | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 500 + | 100 500 200 | 100—
Dys. 342 | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 500 + | 100 500 200 | 100—
Tabelle VIIb.
Name der Immunsera
t. . 264|Dys. . 301|Dys. 302|Dys. 303| 342
van de Bakterlen Dy 56 Dys. 264 Dys 300|Dys 301 Dys. 302|Dys. 303 Dys.
Titer
10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000 | 10000
Typus I Dys.12 | 100— | 100— | 100— | 100— | 100— | 100— | 100—
I Dys.33 | 100— | 100— | 100— | 100— | 100— | 100— | 100 —
Ill Dys.5 100— | 100— | 100— | 100 — | 100— | 100— | 100—
IV Dys.13 | 100— | 100— | 100— | 100— | 100— | 100— | 100—
V Dys.63 | 100— | 100— | 100— | 100— | 100— | 100— | 100 —
VI Dys62 | 100— | 100— | 100— | 100— | 100— | 100 100 —
VII Dys. 102 | 200 200 — | 200 200 200 200 200
VIII Dys. 6 100 — | 100 — | 100 — | 100 — | 10 — | 100 — | 100 —
IX Dys. 176 | 100— | 100 — | 10 — | 10 — | 100 — | 10 — | 100 —
x Dys. 122 | 100— | 100— | 100— | 109— | 100— | 100— | 100—
XI Dys.203| 100— | 100— | 100— | 100— | 100— | 100— | 100—
Ohara-Stämme ferner mit den vom Typus IX und X noch genauer
in der oben angegebenen Weise. Dabei wurde festgestellt, daß sie mit
Typus IX sowohl agglutinatorisch als auch absorptorisch bis zu einem
Tabelle VIIlIa.
Mal der Vorbehandlung
IR E | a | oe | 1 | yv
__Dys 56 | 7 2 2 1 1 1
Dys. 176 (IX) 1 1 1 2 2 5
ie OE) oN BO Be | ae hg
Dys. 176 (IX) 1 1 1 1 2 5
Dys. 300 7 2 dl. 1 1 1
Dys. 176 (IX) 1 1 1 2 2 5
Dys. 342 | 7 Bee 1 1
Dys. 176 (IX)| 1 1 1 2 2 5
I|
Murakami, Ueber Milch gerinnende Arten von Pseudodysenteriebazillen. 383
gewissen Grade verwandt waren, mit Typhus X aber gar nicht
(Tab. VIIIa, b).
Tabelle V1Ilb.
| Name der Immunsera
Dys. 176 (IX) absorbiert mit ER
Name der Bakterien | On | Dys. 56 | Dys. 264 Dys. 300 | Dys. 342
| P Behandlung
EE ee Br o nach der Absorption \ |
Dys. 176 (IX) 10000 | 100— | 1000 1000 1000 | 1000
Dys. 56 1000 | 100— | 100— | 100— | 100— | 100—
Dys. 264 1 000 100 — 100 — 100 — 100 — 100 —
Dys. 300 1 000 100 — 100 — 100 — 100 — | 100 —
Dys. 342 1 000 100 — 100 — 100 — | 100 — | 100—
Nach den obigen Ergebnissen kann ich annehmen, daß der Ohara-
Stamm agglutinatorisch einen neuen Typus darstellt, welcher einerseits
mit dem Typus VII, andererseits mit dem Typus IX von Aoki ge-
wisse agglutinatorische Verwandtschaft hat. Insbesondere haben sie mit
Typus VII zusammen die Eigenschaft, Milch zum Gerinnen zu bringen,
weshalb wir sie mit Typus VII von Aoki als Milchrasse als Pseudo-
dysenteriebazillen bezeichnen möchten, wie Kruse schon angab. Diese
Milchrassen können in 2 agglutinatorische Typen unterschieden werden,
den von Aoki und den von Ohara. In welcher Beziehung unsere
Stämme zu der E-Rasse von Kruse stehen, kann ich leider nicht
sagen, weil wir jene E-Rasse noch nicht besitzen. Diese Frage wird
später noch genau untersucht werden.
Schließlich ist noch festzustellen, ob diese Milchrasse als Dysen-
teriebazillen betrachtet werden muß. Die Eigenschaft, Milch zu koa-
gulieren, ist sonst den Dysenteriebazillen nicht eigen. Deshalb dürfte es
richtig sein, sie mehr als atypische Coli anzusehen, wie dies Braun
u. a. schon getan haben. Diese atypischen Coli sind jedoch den
Dysenteriebazillen kulturell und agglutinatorisch nahe verwandt, so
daß sie auch Dysenterieerscheinungen bei Menschen hervorrufen können.
Literatur.
1) Kruse, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 57. 1907. S. 417. — 2) Baerthlein,
Berl. klin. Wochenschr. 1912. S. 735. — 3) Hutt, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 74.
1913. S. 108. — 4) Hilgers, Zeitschr. f. Immunitätsf. Bd. 30. 1920. S. 77. —
5) Ohara, S., Fukuoka-Ika-Daigaku-Zasshi. Bd. 8. 1915. p. 329. (japan.) —
6) Mita, M., Sai-Kin-Gaku-Zasshi. 1917. No. 258. p. 173. EE en ia 7) Adachi,
S., Fukuoka-Ika-Daigaku-Zasshi. Bd. 14. 1921. S. 618. |japan.] — 8) Naka-
mura, K., Jikken-Igaku-Zasshi. Bd. 7. 1923. p. 39. Dorn] — 9) Take-
matsu, S., Gun-I-Dan-Zasshi. 1926. No. 153. p. 307. [japan.] — 10) Braun
u. W. Liess, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 88. 1919. S. 251. — 11) Aoki u. Konno,
Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 86. 1921. S. 139. — 12) Dieselben, Tohoku
Journ. Exper. Med. Vol. 2. 1921. p. 376. — 13) Aoki, Ibid. Vol. 2. 1921. p. 142.
— 14) Ders., Ibid. Vol. 4. 1923. p. 12.
384 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
Nachdruck verboten.
Die epidemiologische und klinische Bedeutung der Kom-
plementbindungsreaktion bei Rhinosklerom.
Il. Mitteilung.
[Aus dem weißruss. staatl. bakteriol. Institut in Minsk. Dir.: Prof.
B. Elbert.]
Von Prof. Dr. B. Elbert, Dr. B. Feldmann und W. Gerkes.
Das Rhinosklerom ist in den Westgebieten der Sowjet-Union, be-
sonders in Weißrußland, eine weitverbreitete Krankheit. Und zwar
findet sich dieselbe innerhalb Weißrußlands am häufigsten in den
Kreisen des früheren Minsker Gouvernments — wie das von uns
mittels systematisch durchgeführter Massenuntersuchung verschiedener
Bevölkerungsgruppen nachgewiesen worden ist.
Bei der betreffenden Untersuchung fiel die Hauptrolle der von
uns behufs epidemiologischer Zwecke angewandten serologischen Methode
in Form der Komplementbindungsreaktion zu, die sich uns bei der
diagnostischen Feststellung des Rhinoskleroms durchaus bewährt hat!).
Es handelte sich, bei einem Material von 132 mit der Kplb. R. unter-
suchten Personen, um 20 positive Untersuchungsbefunde Diese ver-
teilen sich hinsichtlich der klinischen Diagnose folgendermaßen: 13 teil-
weise durch mikroskopische Untersuchung?) erhärtete Fälle von klinisch
deutlich ausgeprägtem Rhinosklerom; 1 Fall, wo die Diagnose zwischen
Rhinosklerom und Lues schwankte; 1 Fall, bei dem die Diagnose zwischen
Rhinosklerom und Tbc schwankte; 2 Fälle, welche in klinischer Be-
ziehung auf Rhinitis atrophicans, und 3 Fälle, die auf Ozaena
verdächtig waren.
Das betreffende Untersuchungsresultat wird durch Tab. I ver-
anschaulicht.
Tabelle I.
Positives Resultat
Klinische Diagnose Zahl der F älle | | der a era dungi
tion
Rhinosklerom 13 13
Rhinosklerom ? Lues? 1 ‘ 1
Rhinosklerom? Tbe.? 1 1
Ozaena? 3 3
Rhinitis atroph.? 2 2
Verschiedene Erkrankungen des Nasen-
rachenraumes, der Atmungswege; ver- 112 _
schiedene Kontrollen (Wa.-R. usw.) =
1) s. u. (Literatur).
21 Bloß in 5 Fällen von klinisch ausgeprägtem Rhinosklerom konnten wir
die Obduktion ausführen; in allen diesen Fällen fanden sich die für dieses Leiden
charakteristischen, pathologisch-anatomischen Befunde.
Elbert, Feldmann u. Gerkes, Die epidemiologische u. klin. Bedeutung usw. 385
Die Bedeutung der Kplb. R. bei der Feststellung des Rhinoskleroms
wird von de Area Leas hervorgehoben; dieser Autor spricht der
Präzipitations- und Agglutinationsreaktion einen diesbezüglichen dia-
gnostischen Wert ab. Auch Kabelik weist auf die diagnostische
Bedeutung, der serologischen Untersuchung nach der Bordet-Gen-
gouschen Methode bei Rhinosklerom hin und behauptet, daß eine
geringe Komplementablenkung mit dem Abel-Löwenbergschen Bac.
ozaena und dem Friedländerschen Bac. pneumoniae lediglich
in den Fällen vorkommt, wo das Antigen nicht genau austitriert
worden war.
Unsere oben erwähnten Untersuchungen stellten vollkommene Spezi-
fizität der Kplb. R. bei Rhinosklerom fest. Wir erhielten kein einziges
Mal selbst leicht ausgesprochenes, positives Resultat mit Bac. ozaena,
Diplobac. Friedlaenderi, Bac. mucosus capsul. und son-
stigen Antigenen.
Unsere Untersuchungsresultate stimmen mit denen von Tomasek
überein, welcher mittels der Kplb. R. 16 Rhinoskleromfälle, 8 auf
diese Krankheit verdächtige Fälle, neben einem beträchtlichen Kontroll-
material untersuchte und unter den betreffenden 16 Fällen von Rhino-
sklerom in 14 positive Reaktion erhielt.
Quast erzielte mit dieser Methode bei 10 Rhinoskleromkranken
in 10 Fällen positiven Befund. Die Methode dieses Autors unterscheidet
sich von unserer dadurch, daß er als Antigen ein Bakterienextrakt
(nach Erwärmen bis 80° und Schütteln im Laufe von 4 Std. mit
nachfolgendem Stehenlassen im Eisschrank 24 Std. lang) anwandte,
während wir eine Emulsion abgetöteter Mikroben benutzten.
Die von uns angewandte Methodik der betreffenden Blutunter-
suchung ist folgende: Als Antigen dient eine 24 Std. Kultur des
Rhinosklerombazillus auf Schrägagar (schwach alkalischer Reaktion)
aufgeschwemmt in 5 ccm physiolog. Kochsalzlösung; die Bakterien-
emulsion wird in ein steriles Reagenzgläschen hineingezogen und als-
dann im Laufe einer Std. bei 600 C erwärmt, um die Bakterien ab-
zutöten. Darauf erfolgt die Bestimmung der Antigendose in der
Mischung mit 1. Komplement; 2. Komplement + Normalserum; 3. Kom-
plement + Serum eines Rhinosklerompatienten. — Das zu untersuchende
Serum wird im Wasserbad, !/, Std. lang, bei 56° C inaktiviert und
durch. physiolog. NaCl-Lösung im Verhältnis 1:5 verdünnt. Das Kom-
plement gelangte in einer Verdünnung von 1:10 zur Anwendung. Nur
in einigen Fällen wurde die Reaktion nach der quantitativen Methode
Kaups mit fallenden Komplementwerten angestellt.
Der gesamte Verlauf der Reaktion, nach unserem üblichen Ver-
fahren, ist in Tab. II (S. 386) dargestellt).
Statt des dargelegten Verfahrens mit fallenden Antigendosen kann
man auch eine Methode, bei welcher die Mengen des zu untersuchenden
Serums variieren, anwenden ?).
Nachdem wir durch unsere ersten Untersuchungen, welche sich
auf das Jahr 1924 und das erste Halbjahr 1925 beziehen, zur
Ueberzeugung gelangt waren, daß die Kplb. R. bei Rhinosklerom
1) Näheres in unserer Arbeit, 1. c.
2} Siehe das Schema der Titrierung des Antimeningokokkenserums in der
Arbeit von Otto und Hetsch, Die staatliche Prüfung der Heilsera, 1921,
Jena, Verlag Gustav Fischer.
Erste Abt. Orig. Bd. 101. Heft 6/7. 25
386 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
Tabelle II.
kranken — — —
Normalserum 1:5 —
Emulsion aus bac. Friedlaen-
deri, resp. bac. Ozaeni usw. — — | — — z
Phys. NaCl-Lésung — 0,05 0,1 | 0,15 -- -— — —
5proz. Lösung von Hammel-
throzyten, nach Sensi- |
sierung mit 3facher |
Dose des hämolyt. Ambo-
Rhinosklerosebazillen-
Emulsion 0,25 0,2 0,15 0,1 — 0,25 0,25 0,5
Komplement 1:10 0,25 0,25 0,25 0,25 0,25 0,25 0,25 0,25
Serum des Pat. (?) 1:5 0,25 0,25 0,25 0,25 025 - | — =-
Serum eines Rhinosklerom- nak
0,5 0,5 0,5 0,5 0,5 0,5 0,5
Resultat | Hemm. | Hemm. | Hemm. | Hemm. | k. H. |Hemm.| k. H. | k. H.
k. H. = kompl. Hämolyse.
vollkommen spezifischen Charakter aufweist, legten wir diese sero-
logische Methode einer Massenuntersuchung größerer Bevölkerungs-
gruppen zugrunde, um die Herde der Rhinoskleromerkrankung auf-
zudecken. Diese Arbeit wird von uns fortgesetzt, so daß es nach
einiger Zeit wohl möglich sein wird, eine mehr oder weniger genaue
Beschreibung der Verbreitung des Rhinoskleroms innerhalb Weiß-
rußlands im Sinne der endemischen und familiären Krankheitsherde
zu liefern. Das bisher gesammelte Material spricht für eine Ver-
breitung des Leidens an verschiedenen Orten und bekräftigt den
Wert der Bordet-Gengouschen Methode für die diagnostische Fest-
Tabelle III.
5 | a a | Seroreaktion wa .
= [Unter- Klinische Diagnose mit bac. | R
-1925 such. rhinoscler. | ~~
24.5. 1 | Shiljtschick (Tochter) Rhinoskler. nasietlaryng| ++++ =<
2 | š (Mutter) Gesund | — —
| 3 | Parnikowa Rhinosklerom ? ++++ ==
4 | Kantorowitsch Rhinosklerom ? | = =
5 | Suljshitz Rhinosklerom (positive |
| | Kontrolle) ı ++++ _
6 | Gurinowitsch Rhinosklerom ++++ —
7 I. negat. Kontrolle _ = a=
| 48 I. ,„ á = — =
YD EOL. à à = _ =
| 10 | Grunjko (Sohn) Rhinosklerom ++++ =
ei lee X (Vater) Gesund ++++ =
12 | Katzmann Rhinosklerom ++++ =
13 | Kantorowitsch Gesund — —
| 14 |IV. negat. Kontrolle = _ i
| 15 Ya = — _ =
16° |} VIL. i _ = =
17 ‘| Kischtschuck | Rhinosklerom ++++ =
2 N g 63 Rhinosklerom ++++ | —
19 | Schmyrj — tR À —
20 | Bulang o — = | =
21 | Artaschewskaja Gesuud _ [rsa
22—29 VII.—XIV. negat. Kontr.| Negat. Kontrolle — | —
Elbert, Feldmann u. Gerkes, Die epidemiologische u. klin. Bedeutung usw. 387
stellung des Rhinoskleroms, welches in epidemiologischer Beziehung
— was Polen, Tschechoslowakei und Rußland anbelangt — nicht
ohne Berechtigung mit der Lepra verglichen wird.
Unser Material betrifft, seit Beginn der vorliegenden Unter-
suchungen — Mai 1925, 189 Fälle und ist in nachfolgenden 6 Tabellen
zusammengefaßt 1).
Die 1. hierhergehörige Untersuchung wird durch Tab. III dar-
gestellt.
Darauf wurden Einwohner der in der Nähe von Minsk gelegenen
Dörfer Retschniza und Kamenza, wo durch die vorangegangenen sero-
logischen Prüfungen Rhinoskleromfälle konstatiert worden waren, unter-
sucht. Und zwar wurde hier das Blut sowohl den auf Rhinosklerom
verdächtigen Patienten als auch deren Verwandten und mit den Pa-
tienten in näheren Kontakt getretenen Personen entnommen. Bei
dieser Untersuchungsserie (33 Fälle) wurde die Reaktion mit 3 Rhino-
Tabelle IV.
8| Nr | Komplementbindungs- | Kpbl.-R. |
E | der | s ‚reaktion mit mit |
a | Ger | Klinische Diagnose Rhinoskler.-Bazillus 714
A |Unter- | ale
— such. FE 333 =
RAR OR Pb ae — -T |e RR SRE
30 | Suljshitz M. Rinoskl. nasi et lar. ++++++++++++| — | — |—
31 | A A. Rhinitis atroph. ++++| +++ | ppp | | — |—
32 | a B. Rhinitis sicca ++ — =% en ee
33 5 D. Gesund Fe Š = os
34 | = J. 5 = = = nn Fees
35 | a E. 3 = _ = zul le
3 » K. » — anp on — — |—
” n |
38 | Popkowitsch J. Rhinitis? Pharyngitis ++++++++++++| —| — JH
39 A L. | Rhinosklerom ++ — = ER a
40 3 L. Rhinitis catarrh. = _ = E ln
41 5 P. Rhinosklerom ? = = is saat ly te ES
42 > E. Pharyngitis a Be = EN eee
43 = O. Gesund —_ — | — =) be
44 3 M. Katarrh der Atemwege — — | — ==
45 = S. | Gesund u lle
46 | > A. RE = | an
47 > K. Rhinitis et pharyng. = | FEN cen eo
48 € W. Gesund a EN ES
49 | x J; 3 = lee
50 = A. Pharyng catarrh. | — EE
51 S O. Gesund = et
52 | s W. Rhinitis et pharyng. — e LE ER ES
53 5 L. 5 å > — Sar CE
54 |Lukaschewitsch Gesund _ = = EA RE fe
55 |Laschuck à | — — | = = ee
56 | Karpowitsch z: 5 = — = rase
57 $ — = = Ale
58 | Tedjuschko Rhinokl. nasi et lar. ++++ | Zt
59 |Stepanowitsch A. | Rhinoskl. ? Ozaena? ++++ | AE EE
60 M. | Rhinitis sicca ++++ À A f —| - I
6170| Norm. Kontrollsera | | |
XV—XXIV = = = | Sl
1) Siehe Anmerkung 2, S. 385.
25*
388 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
skleromantigenen, ferner mit Antigenen aus Baic. ozaenae und diplo-
bac. Friedlaenderi angestellt. Es ergaben sich die in Tab. IV
(S. 387) dargestellten Befunde.
Weiterhin wurden die in Tab. V angeführten Fälle, die sich vor-
zugsweise auf Einwohner der Dörfer Dubrowka und Pjatowschtschina
beziehen, untersucht.
Tabelle V.
E Nr. Kplb. mit Rhino-
E | mar. bg Klinische Diagnose
1925 | such | 1 aw |
15. 7. | 71 |Sidorowitsch F+++++++ | Rhinoscler. nasi et laryng.
72 ”
| Stann [+++ ++ +++
73—77| XXV—XXIX er
- E (Normalsera) A
22.7.| 78 |Schimkewitsch A. |++++++++| —
Rhinosklerom? Rhin.
| ”
87 | Pribytko
atroph.
79 | a 8. — — — | Gesund
80 = G. — — — |Rbinitis et pharyngitis
| Rhinosklerom? Rhin.
81 5 Rs (lues = — catarrh.
82 | 5 J. — -= — | Gesund
83 |Narkewitsch J. _ — — =
84 | > L. — _ — á
85 |Jatschny W. — | = — a
86 S. — | == = ”
a i ee Na bs atk >
Frrrrrr =
88 |Schwadowitsch M. |+ Rhinoscler. nasi et laryng.
89 ` W. |+ Rhinosklerom
90 | R 8. | | | Gesund
91 | Gladki = — — |Ozaena
92 | Polsun — — — |Lues
| 93 |Sajatz — — — | Gesund
| 94 IN, ++++++++| — | Rhinosklerom
| 95 |N, ++++++++ — | »
| 96—97| Sera XX V—XXVI1 Negat.
Beachtung erheischt Fall 78, bei dem die klinische Diagnose
Rhinitis atropticans lautete und in anamnestischer Beziehung
nachgewiesen werden konnte, daß die Mutter des Patienten an „Er-
stickung nach chronischer Larynxstenose* zugrunde gegangen war.
Offenbar handelte es sich auch bei der Mutter um Rhinosklerom.
Die nachfolgenden 34 Blutuntersuchungen wurden vom 30. IX.
1925 bis zum 7. I. 1926 vorgenommen. Siehe Tab. VI.
Tabelle VI.
j Komplement-
Nr. der bindungsreaktion Wa.
a ini i mit ino- =
Ener Klinische Diagnose sklerombazill. R.
98 Stanzer | Rhinoscleroma laryng.
99 | Wertinski re
100 Schestakowa Gesund
101 Babitzkaja (Rhinosklerom ?
102 | Messy š
Elbert, Feldmann u. Gerkes, Die epidemiologische u. klin. Bedeutung usw. 389
Tabelle VI (Fortsetzung).
| Komplement-
Nr. der | bindungsreaktion w
Unter- | Klinische Diagnose mit Rhino- R
such. sklerombazill.
| | E Nr. 1 | Nr. 2
103 Masurkewitsch Gesund = —
104 | Krutjko _ +++
105 Masurowa Rhinosel. nasi, phar. et lar.) + +++
106—109 | Sera XX VII-XXX =
110 Serum XXXI — + +
111—113 | Sera XXXII-XXXIV
114 Sdarjenock Rhinosel. nasi et laryng. ++++
+ —
+ —
= ++
S++ —
115 XXXV (Normalserum) - — —
116 XXXVI = _ _
117 Nadumowitsch Rhinosel. nasi et laryng. |++ ++ —
118 Kanon Gesund -— —
119 Kantorowitsch z _
120 Lagut > — —
121 Schender Š — —
122 Kraiko J. = _ —
123 A: Rhinosclerom ? —
124 Jasselj K. ‚Gesund — —
125 pM: Rhinosel. nasi et laryng. |++++ —
126 | Chlewko = š à ++++ —
127 Altmann Gesund — —
128 |Schmyrch A. Rhinosklerom ++++ —
129 | » N. Gesund z5. <=
130 « J; : = =
131 Ganewitsch _ —
”
Im Fall No. 128 ergab die mikroskopische Untersuchung typischen
Rhinosklerombefund.
Am I. 1926 gelangten 44 Sera der Bewohner eines Dorfes (Minsker
Kreis) zur Untersuchung, wobei bloß in einem einzigen Falle die
Reaktion auf Rhinosklerom positiv ausfiel. Die hierhergehörigen Be-
funde zeigte Tab. VII.
Tabelle VII.
Nr. der Zahl | Komplementbindungsreaktion
Unter- Klinische Diagnose der mit Rhinosklerombac. Wa.-R.
such. Falle positiv negativ
132 Rhinosklerom 1 1 — =
133 Rhinosklerom ? 1 — 1 _
134—140 | Rhinitiden 7 — 7 —
141—142 | Polypen 2 _ 2 —
143—144 | Amygdalitis hyperplast. 2 _ 2 —
145—175 | Gesund 31 — 31 —
Die Ergebnisse der im Zeitraum 3. II.—27. VI. 1926 an hiesigen
Krankenhäusern und Ambulatorien vorgenommenen Untersuchungen sind
in Tab. VIII wiedergegeben.
390 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
Tabelle VIII.
Nr. der Komplementbindungsreaktion |.
Unter- Klin. Diagnose mit Rhinosklerombaz. Ei
ie Nr. 1 N.2 |>
176 Schalimo Rhinosklerom ++++ rer je
177 Segorowa Gesund = — =
178 Sdarjenork y = - = =
179 Tschaiko Rhinosklerom ++++ ++++ —
180 |N. » ++++ ++++ |-
181 Kondratjew ++++ ++++ =
182—189 | Normalsera Gesunde — — =
Das Gesamtergebnis unserer serologischen Untersuchungen ist in
Tab. IX zusammengefaßt.
Tabelle IX.
; Zahl der ` Komplementbindungsreaktion
Klinische Diagnose untersuchten mit Rhinosklerombazillen
Fälle positiv | negativ
Rhinosklerom | 31 31 | —
Rhinosklerom ? 10 6 4
Verschiedene Erkrankungen des
Nasenrachenraumes und des
Kehlkopfes ohne klin. Erschein.
von Rhinosklerom 24 4 20
Seren mit posit. u. negat. Wa.-R. 44 — 44
Gesunde 80 1 79
Insgesamt 189 42 | 147
Aus der zusammenfassenden Tabelle ist folgendes ersichtlich: In
sämtlichen 31 Fällen, deren klinische Diagnose ,,Rhinosklerom‘ lautete,
ergab die Komplementbindungsreaktion positives Resultat; unter
10 Fällen, wo dem Rhinosklerom gegenüber Syphilis, Tuberkulose,
Ozaena diagnostisch in Frage kamen, war in 6 Fällen das Resultat
positiv; unter 22 Personen, die an verschiedenen Erkrankungen der
Nasenhöhle, des Rachens und Kehlkopfs litten, jedoch keinerlei kli-
nische Erscheinungen des Rhinoskleroms aufwiesen, konnte durch die
serologische Untersuchung in 5 Fällen positive Reaktion auf Rhino-
sklerom nachgewiesen werden; endlich war bei 80 gesunden Personen
bloß in einem Falle das serologische Resultat positiv.
Der letztere Fall (No. 11) bietet insofern Interesse, als er sich
auf den Vater eines Skleromkranken (No. 10) bezieht. Auch in den
Fällen, wo bei klinischen Erscheinungen einer Rhinitis atrophicans
sicca das serologische Resultat positiv ausfiel, litten nahe Ver-
wandte der betreffenden Patienten an Rhinosklerom: so handelte es
sich in Fall No. 60 (Rhin. sicca) und Fall No. 59 (Rhinosklerom)
um leibliche Brüder; denselben Verwandschaftsgrad weisen die Fälle
No. 31 u. 32 zu Fall No. 30 (Rhinoslceroma nasi et laryngis),
sowie der Fall No. 35 (Rhinitis et pharyngitis) zu No. 39
(Rhinosklerom) auf. {
Es drängt sich nun die Annahme auf, daß die keine klinischen
Symptome des Rhinoskleroms bietenden Personen mit positiver Kplb. R.
eventuell Rhinosklerombazillenträger sind — eine Annahme, die durch
Elbert, Feldmann u. Gerkes, Die epidemiologische u. klin. Bedeutung usw. 391
das Zusammenleben der betreffenden Personen mit ihnen, an Rhino-
sklerom leidenden nahen Verwandten theoretisch gestützt werden kann.
Jedoch erwies sich eine derartige Vermutung als unbegründet, da unsere
bakteriologischen Untersuchungen des Schleimes aus der Nasen- und
Rachenhöhle an unserem gesamten Material den Bacillus Frisch
bloß in klinisch ausgeprägten Rhinoskleromfällen nachweisen konnten;
dieser Bazillus fand sich weder im Schleim von Gesunden noch in
dem von Patienten, die mit Rhinoskleromkranken verwandt sind,
aber andersartige Krankheitserscheinungen aufweisen. Daher erscheint
die Annahme .berechtigt, daß diese Personen an atypischen Formen
des Rhinoskleroms leiden, indem sich dasselbe an Körperstellen, wo
eine klinische Erkennung des Leidens vorderhand nicht môglich ist,
lokalisiert. Uebrigens halten wir es nicht für ausgeschlossen, daß
bei einmaliger ambulatorischer Untersuchung in einem den klinischen
Anforderungen keineswegs entsprechenden Milieu der hiesigen Dörfer
geringfügige Schleimhautveränderungen spezifischer Natur übersehen
worden sind, — um so mehr als es sich um Massenuntersuchungen bei
einer Bevölkerung handelte, welche ihre körperlichen Leiden erst in
weit vorgeschrittenen Stadien beachten und der ärztlichen Behandlung
zuführen.
Die atypischen, d. h. klinisch nicht erkennbaren Skleromfälle
sind, unseres Erachtens im Sinne der Verbreitung des Leidens für die
Umgebung sehr gefährlich.
Der Hauptwert der vorliegenden serologischen Methode besteht
eben in der Möglichkeit einer diagnostischen Auffindung von schwer
erkennbaren Formen des Rhinoskleroms, was sowohl in epidemiologischer
als klinischer Beziehung von großer Wichtigkeit ist.
Auch ist diese Methode wertvoll für die Feststellung von Rhino-
skleromerkrankungen innerhalb bestimmter Familiengruppen, bei An-
gehörigen von Rhinoskleromkranken und mit letzteren längere Zeit hin-
durch in nahen Kontakt getretenen Personen. Bekanntlich spielt beim
Rhinosklerom, ähnlich wie bei anderen chronischen Infektionskrank-
heiten, die familiäre Ansteckung eine bedeutende Rolle. In dieser Hin-
sicht ist unser Material von Interesse, da von uns im Laufe von
2 Jahren 10 Familiengruppen mit einem Bestand von 66 Personen sero-
logisch untersucht worden sind. Das diesbezügliche Resultat wird durch
Tab. X veranschaulicht.
Tabelle X.
Zahl
ve Verwandtschaftsgrad
Nr. Familienname nern one der positiv reagierten
mitglieder Kalle
1 |Katschuschtschick 7 2 Schwiegermutter und
Schwiegertochter
2 |Mikuljtschick 4 2 ‚Schwestern
3 |Kursick 9 2 {Mutter und Sohn
4 |Grunjko 2 2 Vater und Sohn
5 Suljskitz 9 3 Mutter und 2 Söhne
6 Po kowitsch 19 2 Bruder und Schwester
7 |Schimkewitsch 6 2 Mutter und Sohn
8 |Schwadowitsch 3 2 Schwestern
9 |Schmyrj 3 1 —
10 |Germann © 4 1 —
Insgesamt | 66 19
392 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
Somit fanden sich, laut dem Ergebnis der serologischen Unter-
suchung, unter 66 Personen, die 10 Familien angehören, 19 Rhino-
skleromfälle, was 29 Proz. beträgt. Ein derartig hoher Prozentsatz
familiärer Erkrankung resp. Ansteckung mit Rhinosklerom erheischt
ganz besondere Beachtung.
Auch die Erforschung dieses Leidens als einer sozialen Krankheit
und seiner Verbreitung in verschiedenen Bevölkerungsschichten stellt
eine überaus notwendige Aufgabe dar. Unser Material zeigt, daß die
Personen, welche positive Kplb.R. aufweisen, zum Bauernstande und
zu den ärmsten Bevölkerungsgruppen der weißrussischen Städte und
Flecken gehören.
Behufs möglichst genauer Feststellung des Rhinoskleroms mittels
der serologischen Methode haben wir in sämtlichen Fällen, in denen
das möglich war, bei der vorliegenden serologischen Untersuchung außer
dem Stammantigen noch eine oder mehrere Kulturen des Rhinosklerom-
bazillus angewandt. Mehrmals wurde auch die Reaktion mit einer
Autokultur, die bei bakteriologischer Untersuchung erhalten worden
war, angestellt. Bei Anwendung von 2 Kulturen als Antigenen erzielten
wir in einem Falle positives Resultat mit Kultur Nr. 1, während die
Reaktion mit Kultur Nr. 2 negativ ausfiel.
Bei unserer Methodik, bei der konstante Serum- und Komplement-
dosen und fallende Antigendosen zur Anwendung gelangten, war die
Reaktion in der Mehrzahl der Fälle stark positiv. So war unter
42 positiven Reaktionen nur in 2 Fällen ein schwach positives Resultat
zu verzeichnen. Kein einziges Mal konstatierten wir unbestimmtes
Resultat (+, +), sowie Selbsthemmung in den Kontrollversuchen.
Außerdem sei darauf hingewiesen, daß die Sera der Rhinosklerom-
kranken bei unseren Versuchen (s. Tab. IV) keine positive Reaktion
mit Kulturen anderer Kapselmikroben (Bac. ozaenae, Bac. Fried-
laender, Bac. lactis aerogenes, Bac. capsulatus) als auch
mit den Wassermannschen Antigenen ergaben. Die Sera dieser
Kranken reagierten fast durchweg positiv mit frisch entnommenen
Stämmen!). Wir sind daher der Ansicht, daß bei der bakteriologischen
Diagnose des Rhinoskleroms für die Unterscheidung des Bac. Frisch
von anderen Kapselmikroben in erster Linie das positive Resultat der
Kplb. und erst an zweiter Stelle dieses oder jenes Verhalten des betr.
Bazillus zu verschiedenen Nährböden und Farben in Betracht kommt.
Die vorliegende Serumreaktion stellt somit die genaueste und einfachste
diagnostische Methode bei Erkennung des Rhinoskleroms dar.
Die von uns als auch von Tomasek angewandte quantitative
Methode nach Kaup und Calmette ist beachtenswert. Jedoch be-
sitzt dieses Verfahren, ganz abgesehen von dessen Kompliziertheit,
keine Vorzüge vor unserer üblichen Methodik, deren Zuverlässigkeit,
unseres Erachtens, durch das angeführte Material genügend gestützt
wird.
Schlußfolgerungen.
1) Die von uns in systematischer Weise vorgenommene Unter-
suchung verschiedener Schichten der Bevölkerung Weißrußlands wies
1) Diese Kulturen sind allmählig den betreffenden Patienten entnommen
und differenziert worden; als spezifisch galten die Kulturen erst nach positivem
Befund der Kplb. R. mit einem Standard-Rhinoskleromserum.
Loewenthal, Eine Fehldiagnose auf Wut? 393
eine erhebliche Verbreitung des Rhinoskleroms, besonders unter den
Bauern, auf. — 2) Bei der Aufdeckung endemischer Rhinosklerom-
herde fällt die Hauptrolle der serologischen Methode in Form der
Komplementbindungsreaktion zu. — 3) Die Komplementbindungsreak-
tion erweist sich genau, da a) diese Reaktion in sämtlichen Fällen des
klinisch ausgeprägten Leidens positiv ausfällt, b) keine nicht spe-
zifischen Resultate verzeichnet werden. — 4) Die Komplementbindungs-
reaktion ermöglicht die Feststellung des Rhinoskleroms nicht nur in
klinisch ausgeprägten, sondern auch in initialen resp. latenten Formen
der Krankheit, was in epidemiologischer und klinischer Beziehung.
von erheblicher Wichtigkeit ist. — 5) Bei der bakteriologischen Di-
agnostik des Rhinoskleroms gebührt der Methode der Komplement-
ablenkung die erste Stelle.
Literatur.
Elbert, Feldmann u. Gerkes, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 96.
1925. — Quast, Ebenda. Bd. 97. 1926. H. 2/3. — Käbelik, Seuchen-
bekämpfung. 1925. H. 3/4.
Nachdruck verboten.
Eine Fehldiagnose auf Wut?
[Aus dem Institut zur Erforschung der Infektionskrankheiten in Bern
(Dir.: Prof. Dr. Sobernheim).]
Von Dr. Waldemar Loewenthal, Leiter der Wutschutzabteilung.
Mit 1 Abbildung im Text und 1 Tafel.
Am 6. 9. 1926 erhielt die Wutschutzabteilung aus dem Tessin
ohne irgendwelche weitere Angaben den Kopf einer jungen Katze zur
Untersuchung auf Wut. Makroskopisch wurde an dem Gehirn nichts
auffälliges bemerkt. Für die mikroskopische Untersuchung wurden
Stücke von Ammonshorn mit nächster Umgebung entnommen und teils
nach dem Azetonschnellverfahren, teils nach Sublimatfixierung in Pa-
raffin eingebettet und geschnitten. Ein weiterer Teil des Ammonshorns
und grauer Substanz wurde zur bakteriellen Entkeimung für spätere
Kaninchenimpfung in Glyzerin eingelegt.
Iu den Ganglienzellen des Ammonshorns selbst konnten in
keinem der zahlreichen untersuchten Schnitte Negrische Körper-
chen festgestellt werden. Dagegen wurde an den Schnitten eines
Stückes, das nach Azetonbehandlung schnell eingebettet worden war, ein
besonderer Befund erhoben. Während nämlich das Ammonshorn auch
hier frei von Negrischen Körperchen war, zeigten viele der Ganglien-
zellen in einem dem Kopf des Ammonshorns benachbarten Bezirk
Einschlüsse; das betreffende Gebiet ist auf der Uebersichtsskizze
(Fig. 1) durch eine schwarze Linie umgrenzt. Es handelte sich dabei
um scharf umschriebene, rundliche Gebilde verschiedener Größe, etwa
394 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
kleineren Negri-Körpern entsprechend. Sie färbten sich bei Lentz-
Färbung eosinrot; Vakuolen können an manchen Exemplaren mehr oder
weniger deutlich erkannt werden, aber keine Innenkörper. Manchmal
ist der Einschluß von einem undeutlichen Hof umgeben. Die Ein-
schlüsse sind meist in Einzahl vorhanden, es wurden aber auch Zellen
mit 2 Einschlüssen gefunden. Besser als alle Beschreibung geben die
Zeichnungen (Tafelfig. 1—4) den Befund in einigen Beispielen wieder.
Auch bei der Färbung mit Karmin-Bayrischblau 1) waren die Einschlüsse
zu erkennen, traten aber am Azetonmaterial nicht gut hervor. Im Subli-
matmaterial konnte, wie sich später herausstellte, keine Stelle mit
einschlußhaltigen Ganglienzellen gefunden werden.
Aber schon nach der Untersuchung des Azetonmaterials war die
praktische Frage zu beantworten: ist bei der Katze Wut zu
diagnostizieren? oder mit anderen Worten: Sind die Einschlüsse
als Negrische Körperchen anzusehen? Daß die Einschlüsse nicht in
den Ganglienzellen des Ammonshorns zu finden waren, machte wohl
stutzig, schloß aber ihre Deutung als Negri-Körper nicht aus; es
konnte sich ja um einen jener Aus-
nahmefälle handeln, in denen Ne-
y 4 4 a: = grische Körperchen an anderen
E NA ix NE Stellen des Zentralnervensystems
wur nachweisbar sind, aber nicht im
Ammonshorn. Was nun die Ein-
schlüsse selbst betrifft, so gelang
freilich die Darstellung von Innen-
körperchen nicht; da nach meiner
Erfahrung aber die Lentz-Fär-
bung nicht mit solch unfehlbarer
Sicherheit arbeitet, daß in jedem
N egri- Körperchen die In-
Fig. 1. nenkörperchen erkennbar werden,
l so sah ich auch darin noch
keinen Gegenbeweis. Bei dem ganzen Habitus der Einschlüsse, wie
er in Tafelfig. 1—4 durch den Zeichner Herrn Dr. Schütz unbeein-
flußt von mir objektiv wiedergegeben ist, hielt ich es nicht für möglich,
die Deutung der Gebilde als Negrische Körperchen auszuschließen °).
Da obendrein der Kopf aus dem südlichen Teil des Tessin eingesandt
war, der Gegend der Schweiz, die in bezug auf Wutvorkommen in erster
Reihe steht, und da trotz fehlender Angabe Menschen verletzt sein
konnten, teilte ich noch am selben Tage, am 6. 9., dem einsendenden
Arzt telegraphisch den Befund als für Wut positiv mit.
Tatsächlich fanden sich daraufhin schon am nächsten Morgen
2 Personen zur Wutschutzbehandlung ein, 4 weitere folgten. Es
handelte sich um ein junges Mädchen, das am 5. 9. ohne Veranlassung
‘1
‘
och
‘
1) Die von mir schon wiederholt beschriebene Färbung (Zeitschr. f. Krebs-
forsch. 1907. v. 5. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 97. 1926.) gibt für den
Nachweis der Negrischen Körperchen sehr gute Resultate und eignet sich auch für
Klatschpräparate. Für Negrikörper muß jedoch die Fürbedauer mit Bayrischblau
auf 5 Min. und mehr ausgedehnt werden. Die Methode hat den Vorteil, daß sie
auch an Schnitten, die für andere Svezialfärbungen zu dick sind, sehr gute Bilder
liefert, gelingt aber nur gut nach Sublimatfixierung.
2) Bemerkenswert ist, daß Luzzani sowie Jastrembsky mehrfach bei
Katzen in den Ganglienzellen des Ammonshorns Einschlüsse gefunden haben, die
sehr kleinen Negrikörpern ähnelten, ohne dad es sich um Wut gehandelt hätte.
Loewenthal. Eine Fehldiagnose auf Wut? 395
von der Katze so kräftig in den Oberschenkel gebissen worden war, daß
die Hose zerrissen und die Haut verletzt wurde. Ein 2. junges Mädchen
hatte die Katze gewohnheitsmäßig auf das Maul geküßt und hatte
2 lange Kratzer am Hals; ferner erschien das Stubenmädchen, das
wiederholt den Boden von der schaumigen Flüssigkeit gesäubert hatte,
die die Katze aus dem Maul entleerte, und 3 Kinder von 3—12 Jahren,
die dauernd mit der Katze gespielt und sie geküßt hatten. Alle 6 Per-
sonen wurden in Wutschutzbehandlung genommen, was umso unbe-
denklicher geschehen konnte, als das hiesige Institut bisher keinen Fall
von Lähmung nach der Behandlung zu beklagen hat. Ob das nur ein
glücklicher Zufall bei kleinem Beobachtungsmaterial ist, oder mit der
ausschließlichen Verwendung von Glyzerinmark nach Calmette zu-
sammenhängt, wird wohl die von der Hygienekommission des Völker-
bundes eingeleitete Sammelforschung ergeben.
Nun konnte auch über die Krankheit des Tieres etwas in Er-
fahrung gebracht werden. Es handelte sich um eine 4 Monate alte
Katze, seit 3 Monaten bei dem letzten Besitzer; sie wurde im Zimmer
gehalten und angeblich nur unter Aufsicht ins Freie gebracht, eine
vorangegangene Verletzung der Katze durch einen Hund oder ein
anderes Tier wurde für ausgeschlossen erklärt. Seit einigen Tagen
habe die Katze verminderte FreBlust gezeigt und verändertes Wesen,
habe sich in den Ecken und unter Möbeln verkrochen, sei an Gegen-
stände angerannt, habe häufig Schaum ausgespien oder crbrochen
(welches von beiden zutraf, war nicht klarzustellen), habe viel gemiaut
mit veränderter, tiefer, heiserer Stimme, habe sich auf den Hinterbeinen
nicht aufrichten können und sie beim Gehen nachgeschleift. Nach-
dem die Katze am 5. 9. ohne Grund gebissen hatte, war sie auf Ver-
anlassung des Arztes getötet worden; ein Tierarzt war nicht zuge-
zogen worden.
Gewiß muß man bei einer jungen Katze an Staupe denken, aber
die ganze Schilderung scheint eher für Wut zu sprechen; insbesondere
daß eine gut gehaltene Katze einen ihr wohlbekannten Menschen ohne
Veranlassung kräftig beißt, soll nur bei Wut vorkommen. Ich würde
also in der von den jungen Mädchen gegebenen Krankheitsbeschreibung
eine volle Bestätigung der mikroskopischen Wutdiagnose erblickt haben,
wenn nicht nachträglich noch eine weitere Angabe gemacht worden
wäre: die Katze sollte im Laufe des letzten Monats schon zwei-
mal die gleichen Krankheitserscheinugen, mit Ausnahme
der Stimmänderung und des Beißens, gezeigt und sich beide Male
nach einigen Tagen wieder vollkommen erholt haben. Derartig
weitgehende Remissionen sind in der mir zugänglichen Literatur weder
bei Staupe noch bei Wut erwähnt, und ich wüßte nicht, welche Krank-
heit sonst in Betracht käme. Andererseits wurden die Angaben von
den beiden jungen Mädchen mit solcher Bestimmtheit gemacht, daß
Zweifel an ihrer Richtigkeit nicht berechtigt erschienen.
Nun blieb noch die Entscheidung durch den Tierversuch.
Von einer dichten Emulsion des Katzengehirns in Kochsalzlösung er-
hielten am 9. 9. zwei Kaninchen je 0,2 ccm intrazerebral. Bis Jetzt,
mehr als 6 Wochen nach der Impfung, sind beide Tiere vollkommen
munter und normal!). |
1) Anmerkung bei der Korrektur. Die Tiere sind 12 Wochen nach der Imp-
fung gesund aus der Beobachtung entlassen worden.
396 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
Es handelt sich also um eine schwer zu beurteilende Sachlage:
der mikroskopische Befund und das Krankheitsbild waren ungewöhnlich
ließen aber die Wutdiagnose als möglich und daher die Schutzimpfung
der gefährdeten Personen als notwendig erscheinen; der Tierversuch
jedoch verlief negativ. Entweder war also die mikroskopische und
‚klinische Diagnose falsch, oder die Katze war wirklich wutkrank und
die intrazerebrale Impfung hat bei 2 Kaninchen versagt. Eine Alter-
native wäre so merkwürdig wie die andere, und deshalb hielt ich es
für geboten, die Beobachtung mitzuteilen.
Erklärung der Abbildungen im Text.
Nachdruck verboten.
Zur Frage der Herpesätiologie').
[Aus dem Institut für Hygiene u. Bakteriologie und der Wissenschaft-
lichen Abteilung des Schweizer Serum- und Impfinstituts in Bern
(Dir.: Prof. Dr. G. Sobernheim).]
Von Dr. Waldemar Loewenthal.
Mit 26 Abbildungen im Text und 1 Tafel.
Die Theorie eines unbelebten Agens als Ursache des Herpes ist
durchaus nicht so sicher begründet, als daß nicht noch mit der Möglich-
keit gerechnet werden dürfte, einen belebten Erreger zu finden. Bak-
teriologische Untersuchungen haben bisher völlig versagt. Es scheint
mir daher, daß ein anderer Weg eingeschlagen werden sollte: zunächst
nämlich einmal mikroskopisch nachzuforschen, ob im herpetischen Ge-
webe etwas von banalen Befunden Abweichendes aufgefunden werden
kann, was den Eindruck eines Mikroorganismus macht. Findet man
solche Gebilde, so wäre das immerhin schon ein Schritt auf dem
Wege, und es bestände die Hoffnung, daß weitere Fortschritte Auf-
klärung bringen könnten, ob das tatsächlich ein Organismus und ge-
gebenen Falles der Herpeserreger ist. Nach den Erfahrungen der
Pockenforschung scheint für den Beginn solcher Untersuchungen die
mit Herpes infizierte Kaninchencornea am ehesten geeignet.
Ein ganz regelmäßiger mikroskopischer Befund im Epithel der
herpetischen Cornea des Kaninchens ist die Kern veränderung, die als
Herpeskörperchen, von Dörr als Binnenkörper bezeichnet wird.
Der Name ,,Herpeskérperchen“, rein deskriptiv aufgefaßt, präjudiziert
nichts und darf daher nach meiner Meinung ohne Bedenken gebraucht
werden. Ich habe sie in der Herpescornea nie vermißt und anderseits
ist mir aus eigener Erfahrung wie aus der Literatur kein Fall be-
kannt, in dem es sich sicher nicht um Herpes gehandelt hätte und
dennoch die Herpeskörperchen in der Cornea, gefunden worden wären.
Eine Ausnahme macht nur das filtrable Kaninchenvirus von Rivers
1) Demonstrationsvortrag, gehalten am 10. 4. 26 an der Jahresversammlung
der Schweiz. Dermatolog. Gesellschaft in Bern.
Loewenthal, Zur Frage der Herpesätiologie. 397
und Tillet, über dessen Bedeutung und Beziehungen erst wenige Unter-
suchungen vorliegen. Ich glaube also, daß man den Nachweis der
Herpeskörperchen diagnostisch verwenden kann in der gleichen Weise,
wie die Guarnierischen Körperchen für die Pockendiagnose. Das be-
bezieht sich aber nur auf die Kaninchencornea; ob es auch für andere
Gewebe gilt und man z. B. auf anscheinend entsprechende Kern-
veränderungen in Zellen der Lunge und Leber eines Kindes die Diagnose
Herpes stellen darf, wie es v. Glahn und Pappenheimer getan
haben, entzieht sich meiner Beurteilung.
In der pathologisch-anatomischen Literatur sind nämlich derartige
Kernveränderungen schon zu wiederholten Malen beschrieben worden,
und Luger und Lauda, die sich eingehend damit beschäftigt haben,
fassen alle diese Vorgänge, darunter auch das Auftreten der Herpes-
körperchen, unter dem Namen ,oxychromatische Degeneration“ als
etwas Einheitliches und daher Unspezifisches zusammen. Material zur
Nachprüfung von Luger und Laudas Angaben besitze ich nicht, bis
auf eines ihrer Beispiele, die einschlußartige Kernveränderung in der
Karpfenpocke. Auch diese rechnen die genannten Autoren zur
oxychromatischen Degeneration, und sie haben das auf der letzten
Tagung der Deutschen Vereinigung für Mikrobiologie demonstriert an
einem Präparat von Karpfenpocke, das mit Hämatoxylin schwach ge-
färbt, aber mit Eosin ad maximum überfärbt war und in dem der Kern-
einschluß tatsächlich eosinrot war. Das hat mich frappiert, da ich
ja seinerzeit als erster diese Kernveränderung in der Karpfenpocke
beschrieben und ausdrücklich angegeben hatte, daß auch die veränderten
Kernteile die Kernfarbstoffe annehmen, was mit einer Oxychromasie
unvereinbar ist. Ich habe mich auf meine alten, vielleicht abgeblaßten
Präparate nicht verlassen mögen und neue Schnitte von Karpfenpocke
mit Hämatoxylin und Eosin gefärbt, kann aber meine frühere Angabe
nur bestätigen: bei normaler Ausführung der Färbung nehmen auch
die einschlußartigen Teile der Kerne das Hämatoxylin stärker an
als das Eosin. Selbst bei der Färbung mit Karmin und angesäuertem
Bayrischblau, bei der die sonst nicht ausgesprochen oxychromatischen
Herpeskörperchen den sauren blauen Farbstoff intensiv festzuhalten
pflegen, erscheinen schon bei geringer Differenzierung die Kern-
veränderungen der Karpfenpocke karminrot. Ich kann also nicht an-
erkennen, daß die einschlußartige Kernveränderung in der Karpfen-
pocke eine oxychromatische Degeneration ist.
Es ist das freilich nur ein einziges Beispiel der ,,oxychromatischen
Degeneration‘, das ich nachgeprüft habe. Wenn aber schon dies eine
Beispiel nicht stimmt, ist doch der Zweifel berechtigt, ob wirklich
die ,,oxychromatische Degeneration“ von Luger und Lauda etwas
Einheitliches ist, und der von daher genommene Einwand gegen die
Spezifizität der Herpeskörperchen in der Kaninchencornea erscheint
mir nicht stichhaltig. Es ist auch wohl von vornherein wenig ein-
leuchtend, daß gerade diejenige mikroskopische Veränderung in der
Herpescornea, die regelmäßig anzutreffen ist und die meines Wissens
auf der Kaninchencornea bisher nur durch Herpesinfektion (mit der
schon angeführten Ausnahme) hervorgerufen werden kann —, daß
gerade diese Veränderung unspezifisch sein sollte.
Lipschütz hält die Herpeskörperchen für eine Wirkung von
Chlamydozoen, eine Ansicht, die allgemein abgelehnt wird. Meinen
eigenen Einwand gegen die Chlamydozoen-Natur, daß nämlich die
398 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
Herpeskörperchen fast stets strukturlos sind, kann ich nicht mehr
voll aufrecht erhalten; ich habe mich bei weiteren Untersuchungen
überzeugt, daß sie doch häufiger, als ich früher angenommen hatte,
kleinste und zahlreiche Körnchen enthalten können. Aber man kann
manchmal andere Erscheinungen an ihnen beobachten, die allzu weit
von dem abweichen, was wir sonst bei Chlamydozoen kennen. Ich
werde darauf noch zu sprechen kommen.
Ferner kommen in der Herpescornea Einschlüsse im Zellleib
der Epithelzellen vor, die große Aehnlichkeit mit Guanierischen Kör-
perchen haben, aber dennoch von ihnen unterschieden werden können.
Lucksch hat sie als erster beschrieben; zum Unterschied von den
Gebilden im Kern bezeichnet er sie als ‚seine Herpeskörper“. Lucksch
stellt sie auf eine Stufe mit den Guarnierischen, Negrischen
Körperchen und anderen Zelleinschlüssen und hält sie alle miteinander
für unspezifisch. Tatsächlich können wir die Herpeskörper von
Lucksch wohl von G. K. unterscheiden, nicht aber von Guarnie-
roiden, wie wir sie auf unspezifische Weise, z. B. durch Di-Toxin in
der Kaninchencornea hervorzurufen vermögen. Solange wir hier keine
Unterscheidungsmerkmale kennen, sind also Luckschs Herpeskörper
nicht verwertbar, und ich lasse die in der Herpescornea häufig zu
findenden Guarnieroiden daher außer Betracht.
Weiterhin kann man in der herpetischen Cornea des Kaninchens
noch andere Zelleinschlüsse finden, die von G.K. stärker ver-
schieden sind. Ich habe hierüber schon auf der letzten Tagung der
Deutschen Vereinigung für Mikrobiologie gesprochen; da der Verhand-
lungsbericht noch nicht lange erschienen ist!), darf ich mir wohl er-
lauben, Ihnen die betreffenden Zeichnungen in möglichster Kürze vor-
zuführen (Demonstration).
Ich hatte mich in Frankfurt dahin geäußert, daß mir solche Bilder
als Produkte von Zelldegeneration, Phagozytose u. dgl. nicht bekannt
seien, daß sie sich aber sehr wohl in den Entwicklungsgang eines
Protozoon (Mikrosporidium) einordnen ließen. Ich hatte aber noch einen
Vorbehalt gemacht, den Dörr unterstrichen hat: die Befunde stammten
nämlich fast alle aus Corneae, die nicht direkt vom Menschen, sondern
mit herpetischem Kaninchengehirn geimpft waren, so daß es sich also
um Täuschung durch phagozytierte Gehirnpartikel oder zufällige Misch-
infektion mit Encephalitozoon cuniculi handeln konnte.
Um dieser Möglichkeit zu begegnen, habe ich zunächst auf skari-
fizierte Kaninchencorneae Gehirn verimpft von Kaninchen, die an
Passage-W ut eingegangen waren, teils ohne weiteres, teils bei gleich-
zeitiger Reizung der Cornea durch Bouillon. Bei der mikroskopischen
Untersuchung von Paraffinschnitten habe ich in den Corneae nichts
den Herpesbefunden irgendwie Vergleichbares finden können.
Wichtiger sind die nun zu besprechenden Untersuchungen von
Corneae, die mit Herpes vom Menschen?) unmittelbar oder
nach einer Corneapassage geimpft waren, so daß also Störung durch Ge-
hirnelemente ausgeschlossen ist. Offensichtlich banale Veränderungen
habe ich außer Betracht gelassen, ebenso die einfachen Guarnieroiden
1) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 97. 1926.
2) Das Herpesmaterial verdanke ich zum größten Teil Herrn Prof. Nägeli,
ferner den Herren Prof. Sahli und Guggisberg bzw. ihren Herren Assistenten;
einen Fall von postmenstruellem Herpes machte mir in freundlicher Weise Herr Dr.
Zurukzoglu zugänglich.
Loewenthal, Zur Frage der Herpesätiologie. 399
und alle nicht sicher intrazellulär liegende Gebilde, auch wenn sie
durchaus in den Rahmen paßten. Dies letzte geschah nur aus Gründen
der Arbeitsökonomie, denn sachlich ist eine solche Beschränkung nicht
berechtigt; da die Infektion von der Cornea auf das Gehirn übergreifen
kann, müssen wir von einem Gebilde, das wir als Herpeserreger an-
erkennen sollen, geradezu verlangen, daß wir ihm auch außerhalb der
Zellen des Corneaepithels begegnen. Um mich nicht zu zersplittern,
habe ich mich vorläufig auf eine einzige Methode beschränkt: Sublimat-
fixierung, Paraffinschnitte, Färbung mit Lithionkarmin-Bayrischblau.
Fig. 1.
Fig. 3. Fig. 4.
Ich darf Ihnen nun die Befunde in Zeichnungen vorführen; ein
möglichst großer Teil der Dinge ist auch unter den Mikroskopen ein-
gestellt.
Zunächst Befunde, die als Knospungsvorgänge an den Proto-
plasmaeinschlüssen aufgefaßt werden können: In einem großen, den
Zellkern einbuchtenden Hof ein Körperchen, dem ein kleineres aufsitzt
(Fig. 1), oder 2 gleichgroße, dicht aneinander gelagerte Körperchen
(Fig. 2). Ich selbst bin derartigen Knospungen bei G.K. nie begegnet,
Ungermann und Zülzer jedoch geben solche Abbildungen sowohl
‘ 2 ED
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Fig. 5. Fig. 6. Fig. 7a. Fig. 7b.
von echten G. K. wie auch von Guarnieroiden, die nach Terpentin-
reizung der Cornea entstanden waren. Die in einem gemeinsamen Hof
liegenden 2 und 3 Einschlüsse (Fig. 3 und 4) könnten ebenfalls durch
Knospung entstanden sein; das eine der Körperchen in Fig. 3 zeigte eine
deutliche, exzentrische kernartige Differenzierung. 3 und 4 kleine
Knospen, die dem guarnieroiden Einschluß aufsitzen, zeigen Fig. 5 und
Tafelfig. 1. Daß Knospungsvorgänge bei Mikroorganismen weit ver-
breitet sind, ist allbekannt; unter den Mikrosporidien verweise ich nur
auf die langen Sprossungsketten bei Nosema.
Weiterhin möchte ich Protoplasmaeinschlüsse mit kern-
artigen Bildungen zeigen, Tafelfig. 2 und Fig. 6 mit je cinem,
400 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
Fig. 7a (hohe Einstellung) mit 2 Kernen, deren stärker oder karmin-
rot färbbare Substanz als Calotte angeordnet ist. Solche Calottenkerne
(falls die Gebilde tatsächlich Kernwert haben) sind mir bei keiner
Säugetierzelle bekannt, abgesehen von den Verschiebungserscheinungen
bei ungeeigneter Fixierung; dann müßten die Calotten aber alle nach
derselben Richtung liegen, und das ist nicht der Fall. Bei den Protisten
dagegen begegnet man solchen Kernen nicht selten; ich darf aus eigenen
älteren Untersuchungen als Beispiel anführen die Kerne der Schwärm-
sporangien von Synchytrium taraxaci und die Kerne von Opa-
lina ranarum zur Zeit der Enzystierung. Zwei Kerne zeigt auch
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Fig. 8. Fig. 9a. Fig. 9b.
der Einschluß Fig. 8, eine größere Zahl Fig. 7b, 9—11 u. Tafelfig. 3,
die z. T. deutlich 2 Gruppen verschiedener Größe bilden. In den letzten
3 dieser Abbildungen, insbesondere in Tafelfig. 3, ist die Calottenform
der Kerne des Zelleinschlusses sehr ausgeprägt. Ihre Zahl beträgt
meist etwa 8.
Fig. 12 und 13 zeigen mehrere nestartig zusammenliegende Ein-
schlüsse, zumeist mit deutlicher kernähnlicher Differenzierung. Man
kann sich solche nesterweise Anordnung in einer Zelle ebensowohl aus
den Knospungsformen entstanden vorstellen, wie aus den mehrkernigen
Formen; ob und welches von beiden zutrifft, läßt sich bisher nicht
sagen.
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Fig. 10. Fig. 11. Fig. 12. Fig. 13. Fig. 14.
Die Zelle Fig. 14 enthält, von einem Hof umgeben, einen den Zell-
kern einbuchtenden, birnförmigen Einschluß, in dem, der Wand von
innen anliegend, zwei langgestreckte, würmchenförmige Gebilde mit
kernartiger Differenzierung zu erkennen sind. Aehnlich, nur mit etwas
anderer Lagerung der Würmchen, ist der birnförmige Einschluß in
Fig. 15. In der Zelle Tafelfig. 4 ist ein etwas aufgetriebener birn-
förmiger Einschluß (ohne Hof) zu sehen, der 4 solche Würmchen mit
deutlicher Kerndifferenzierung enthält; die Würmchen liegen nicht
in einer Ebene, sondern sind zu flachen Spiralen angeordnet. Daß die
Wiirmchen auch frei auftreten können, zeigt Fig. 14 (in der Nähe des
rechten Kernpols). Es könnte daher auch der einzelne kleine Ein-
Loewenthal, Zur Frage der Herpesätiologie. 401
schluß in Fig. 4 (neben dem Zellkern) und der größere in Fig. 16 auf
solches Würmchen zurückgeführt werden, wenngleich eine andere
Deutung, Entstehung aus den bald zu erwähnenden Schiffchen, eben-
falls möglich ist.
Fig. 17 zeigt 2 Einschlüsse; links in einem den Kern stark ein-
buchtenden Hohlraum (bei höherer Einstellung bedeckt der Zellkern
einen großen Teil des Einschlusses) in einer undeutlich gefärbten Masse
3 scharf umgrenzte spindelförmige Gebilde, die im Innern jedes
eine kleinere blau und eine größere rot gefärbte Stelle erkennen lassen ;
noch ein viertes Gebilde ist vorhanden, bei dem ich nicht sicher er-
kennen kann, ob es sich um eine senkrecht zur Bildebene stehende
Spindel handelt. Der 2. Zelleinschluß, rechts vom Zellkern, erscheint bei
flüchtiger Betrachtung als kräftig blau gefärbtes Guarnieroid. Bei
genauerer Beobachtung jedoch ist erkennbar, daß der Einschluß aus
4 dicht aneinander gedrängten, Weberschiffchen - förmigen Körper-
chen besteht; jedes der Schiffchen ist an der Peripherie stark, im Innern
blaß ‘oder fast gar nicht gefärbt. Noch deutlicher tritt der aus einer
größeren Zahl von Schiffchen bestehende Einschluß in Tafelfig. 5
hervor. Diese Epithelzelle lag an einer Stelle, wo der Zellverband aufs
äußerste gelockert war, und der Einwand, es handle sich hier nur um
stärkere Alveolen- oder Vakuolenbildung in einer degenerierenden Zelle
Co W Q, Y
Fig. 15. Fig. 16. Fig 17. Fig. 18.
und ich interpretierte fälschlich die Alveolarsepta als Schiffchen, wäre
auf Grund von Fig. 17 und Tafelfig. 5 nicht bindend zu widerlegen.
Bei der folgenden Tafelfig. 6 ist jedoch dieser Einwand nicht möglich.
Das ist eine im geschlossenen Zellverband des Epithels liegende, gut
erhaltene Basalzelle mit scharfer Begrenzung, nur nach der Basis zu
gehen, wie gewöhnlich, die Zellen synzytienartig ineinander über. Im
Basalteil dieser Zelle umschließt eine deutlich doppelt konturierte Mem-
bran einen unregelmäßig geformten Hohlraum. In der Mitte des Hohl-
raums sind in einer undefinierbaren Masse eine größere Anzahl Schiff-
chen angehäuft; am Rande des Haufens liegen einige Schiffchen ganz
frei, so daß über ihre Natur als selbständig begrenzte Gebilde gar
kein Zweifel bestehen kann. Tafelfig. 7 und Fig. 18 zeigen Epithel-
zellen, die in einer Protoplasmavakuole je 3 einzeln liegende Schiffchen
beherbergen; in Tafelfig. 7 ist das Innere der Schiffchen ungefärbt,
ın Fig. 18 haben sie durchweg den blauen Farbstoff intensiv festge-
halten. Auch den Befund Fig. 19 möchte ich hierher rechnen, wo
im äußersten Zipfel einer Zelle (der erst bei tieferer Einstellung sicht-
bare Hauptteil der Zelle ist im Umriß gezeichnet) ohne erkennbare
Vakuole 8 Schiffchen liegen, deren Peripherie tiefblau, deren Inneres
aber rotviolett gefärbt ist.
Nun komme ich auf die Veränderungen der intranu-
kleären Herpeskörperchen zu sprechen, auf die ich eingangs
schon hindeutete als zu weit von dem abweichend, was wir von Chla-
Erste Abt. Orig. Bd. 101. Ileft 6/7. 26
402 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
mydozoen kennen. In Tafelfig. 8 u. 9 weist das im Kern liegende
blasse Herpeskörperchen etwa 8 blaue, unregelmäßig gestaltete Flecke
auf, in Tafelfig. 8 unscharf, in Tafelfig. 9 scharf begrenzt und zum
Teil mit kernartiger Differenzierung. In Tafelfig. 10 und Fig. 20 (Kern
zerrissen, das stärker zerfetzte Protoplasma nicht gezeichnet) besteht das
blaue, im Kern liegende Herpeskörperchen aus einer größeren, nicht ge-
nau festzustellenden Zahl von Schiffchen, und Fig. 21 zeigt in dem blaß-
blauen Herpeskörperchen etwa 9 rotgefärbte Schiffchen verstreut. Die
Befunde im intranukleären Herpeskörperchen sind also weitgehend
den Protoplasmaeinschlüssen ähnlich.
Fig. 19. Fig. 20. Fig. 21. Fig. 22.
Weiterhin muß ich noch Befunde zeigen, die vielleicht eine
ganz andere Bedeutung haben; ich darf aber nicht wohl Dinge
verschweigen, die gegen meine Auffassung verwertet werden können.
Die Zellen Fig. 22 bis 24 (in Fig. 23 ist der in höherer Ebene liegende
Teil der Epithelzelle nur im Umriß gezeichnet) enthalten einzeln oder
gruppenweise Zelleinschlüsse, die blau gefärbte Ringe bilden, deren
Inneres ungefärbt oder in verschiedenem Grad rot gefärbt sein kann,
ein dunkelblauer Punkt oder Strich im Zentrum kann vorhanden sein
oder fehlen. Alles vereinigt zeigt am deutlichsten der Einschluß Fig. 24.
Nun stellt Fig. 25 einen sicheren Leukozyten dar, wie man ihnen in
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Fig. 23. Fig. 24. Fig. 25. Fig. 26.
der Herpescornea sehr häufig begegnet, die ich aber sonst noch nicht
gefunden habe1): die abgerundeten Kernsegmente hochrot gefärbt, in
der Mitte jedes der Segmente ein dunkelblauer Strich. Die Aehnlich-
keit eines einzelnen Kernsegmentes, von einem Protoplasmarest um-
geben, mit den Einschlüssen der Figg. 22—24 ist auffällig.
Wenn wir die Befunde der beiden Untersuchungsreihen,
Corneaimpfung mit Herpesvirus nach Gehirnpassage und ohne solche,
miteinander vergleichen, so haben Sie sich wohl überzeugen können,
daß sie einander bestätigen und ergänzen. Die Zelleinschlüsse,
wie ich sie in Frankfurt (und heute hier wieder) gezeigt habe, sind also
1) Nachtrag: Ich habe seither solche Leukozyten auch in der mit Maul- und
Klauenseuche geimpften Meerschweinchenplanta gesehen.
Loewenthal, Zur Frage der Herpesätiologie. 403
nicht durch die mitverimpfte Gehirnquote bedingt, und es wächst daher
die Wahrscheinlichkeit, daß sie mit der Herpesimpfung als solcher in
Zusammenhang stehen. Für die weitere Erforschung dieser Zell-
einschlüsse ergibt sich, daß man unbedenklich das Untersuchungs-
material durch Verimpfung von Passagevirus (Gehirn) gewinnen darf,
was manche Vorteile bietet, so daß das spärliche Material aus Herpes-
bläschen vom Menschen für direkte mikroskopische Untersuchung ver-
{ügbar wird.
‘Wenn ich sagte, die beiden Untersuchungsreihen bestätigen ein-
ander, so heißt das, daß unter den Zelleinschlüssen gewisse wieder-
kehrende Formtypen zu erkennen sind; dadurch verlieren die Befunde
den Charakter des Zufälligen, Isolierten, und eine Gesetzmäßigkeit ist
angedeutet.
Daraus folgt freilich noch nichts über die Natur der Befunde. Es
wäre gewiß leicht, sie als Erscheinungen irgendwelcher Degeneration,
Nekrobiose, Phagozytose, Ausfällungen durch das Fixierungsmittel u. dgl.
abzutun. Meines Wissens aber kennen wir noch keinen Fall, daß
Degeneration usw. derartige Bilder im Corneaepithel hervorbrächte,
und solange dafür kein Beispiel beigebracht wird, wäre das eben nur
eine Behauptung, die sich möglicherweise sogar später als zutreffend
herausstellen könnte, der aber bisher die Grundlage fehlt. Freilich ist
das Gebiet der Veränderungen des Corneaepithels durch unbelebte Reize
wohl noch ungenügend durchforscht. So wissen wir zwar seit mehr als
20 Jahren, daß durch Di-Toxin in der Cornea Guarnieroide erzeugt
- werden können; tatsächlich aber kann man nach diesem Reiz eine
wahre Musterkarte von Kern- und Zellveränderungen finden, deren
genauere Analyse eine dankenswerte und interessante Aufgabe für die
pathologische Cytologie wäre. Die letzte Zeichnung (Fig. 26) zeigt
das den Herpesbefunden ähnlichste Bild, das ich bisher gesehen habe.
Ein Unterschied im Habitus gegen Tafelfig. 2 ist gewiß erkennbar;
immerhin mahnt das zu einiger Vorsicht.
Dagegen läßt sich jedes der Herpesbilder mit einer ganzen Reihe
von Beispielen aus der Protozoenkunde in Parallele setzen. Es ist wohl
das Natürlichste und Ungezwungenste, die Befunde bis auf weiteres dort
unterzubringen, wo wir Analoges kennen, und so erscheint mir meine
Arbeitshypothese, die beschriebenen Zelleinschlüsse in
der Herpescornea als Entwicklungsstadien eines Proto-
zoon anzusehen, noch berechtigter als bisher. Daß das Bild zu
buntscheckig dafür sei, vermag ich nicht einzusehen; wenn wir einen
Schizonten, Mikrogameten und Ookineten des Tertianparasiten unver-
mittelt nebeneinander sähen, ich glaube nicht, daß wir die 3 für den-
selben Organismus halten würden, wenn uns der Entwicklungsgang
nicht so vertraut wäre. Von den Herpeseinschlüssen kennen wir noch
nicht genügend Formen, aber schon bei meinen bisherigen Unter-
suchungen habe ich die Empfindung gehabt, daß, nach Ueberwindung
eines Stadiums der Verwirrung, sich das Bild mir immer mehr klärte,
je mehr ich sah. Trotzdem möchte ich nicht den Versuch wagen, einen
Entwicklungszyklus zu konstruieren, die einzelnen Formen als Sporo-
blasten oder dgl. zu bezeichnen und den angenommenen Organismus
einer bestimmten Gruppe von Protozoen einzuordnen, wenngleich er mir
am ehesten in die Mikrosporidien zu passen scheint. Auf Grund aus-
schließlicher Untersuchung fixierten Materials, wo man nicht weiß,
was früher und später kommt, ist man zu sehr auf den Besitz von
26*
404- Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
Phantasie oder Intuition angewiesen, und auch dann ist man vor
Fehlern nicht geschützt. Ob Untersuchung von Corneae zu ver-
schiedenen Zeiten nach der Impfung hier weiter führen wird, ist mir
zweifelhaft, da immer neue Eruptionen aufschießen, so daß man also
in einer alten Cornea junge Stadien wird finden können.
Werden die Einschlüsse als Protozoon angesehen, dann bestände
die Möglichkeit, daß das der Herpeserreger ist, was noch durch
besondere Untersuchungen zu erweisen wäre. Die offenbare Aehnlich-
keit mancher Bilder mit dem Encephalitozoon cuniculi, dem
Erreger der spontanen Kaninchenencephalitis, spräche dafür. Ein
Grund, und zwar ein sehr gewichtiger Grund spräche dagegen: das
ist die Spärlichkeit der beschriebenen Einschlüsse; zahlreich sind nur
die intranukleären Herpeskörper und nächst ihnen die einfachen Guar-
nieroiden. Vielleicht aber ist die Spärlichkeit nur scheinbar und beruht
auf ungenügender Färbungs- und Untersuchungstechnik. Wenn man
darauf aufmerksam geworden ist, wenn ein Präparat mit der Zeichnung
daneben aufgestellt wird, dann sind die Gebilde leicht erkennbar;
dennoch begegnet es mir, der ich doch mindestens für diese Dinge jetzt
ein geübter Mikroskopiker sein sollte, immer wieder, daß ich erst nach
mehrfach wiederholtem Studium eines Gesichtsfeldes einen Einschluß
entdecke, den vorher nicht gesehen zu haben ich überrascht bin. Die
Möglichkeit, daß ich vielleicht bisher nur die auffälligsten Stadien
gefunden habe, während zahlreichere, weniger charakteristische mir
entgangen sein könnten, will ich nur andeuten.
Ich bin mir wohl bewußt, hier nur Vermutungen und Annahmen,
aber keine Beweise vorgebracht zu haben. Wenn Sie aber bedenken
wollen, seit wie langen Jahren wir die Guarnierischen, Negrischen
Körperchen und andere Zelleinschlüsse kennen, wie zahlreiche und ein-
gehende Untersuchungen die verschiedenartigsten Forscher ihnen ge-
widmet haben, und wie weit wir von bewiesenen oder auch nur allge-
mein anerkannten Anschauungen über deren Natur noch entfernt sind,
so werden Sie es wohl verzeihlich finden, daß auch ich Ihnen Beweise
über die Natur der Zelleinschlüsse in der Herpescornea nicht bringen
konnte, sondern mich mit Arbeitshypothesen begnügen mußte.
Nachtrag. Die Veröffentlichung ist um 1/, Jahr verzögert
worden, da sie ursprünglich im Verhandlungsbericht der Schweizer
Dermatologischen Gesellschaft erfolgen sollte.
In der Zwischenzeit habe ich durch das Entgegenkommen der
Kliniken und einiger Privatärzte die Möglichkeit gehabt, von 10 Herpes-
fällen den Bläscheninhalt zu Ausstrichpräparaten zu verarbeiten
und mikroskopisch zu untersuchen. Kontrollmaterial von nicht herpe-
tischen Hautbläschen habe ich noch nicht hinreichend erlangen können.
In einem Herpesfall fand ich im Protoplasma größerer, einkerniger
Zellen von einem Hof umgebene Einschlüsse, meist aus Schiffchen zu-
sammengesetzt, etwa entsprechend Tafelfig. 5; dieser Befund war in
dem Fall nicht ganz spärlich, noch zahlreicher waren in den Präparaten
freiliegende Schiffchenkugeln, die an Färbung und gesamtem Charakter
den intrazellulären durchaus glichen. Ob diese Gebilde erst durch die
Präparation frei geworden sind oder schon im Bläscheninhalt extra-
zellulär lagen, ist am Ausstrichpräparat nicht zu entscheiden. Aehn-
licher Schitfchenbefund in 2 weiteren Fällen.
int LIBRARY
OF THE
UNV axa it BF ITTINIS
Gntralblatt Tür Bakteriologie Abt? Orig. Ba. 101.
Lowenthal, Eine Fehliltagnose auf Wut
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3.
Verlag von Gustav Fischer ın Jena pin UR Ar
Schüffner u. Mochtar, Versuche zur Aufteilung von Leptospirenstämmen. 405
In anderen Herpesfällen fand ich in den Ausstrichen aus Blasen-
inhalt runde oder elliptische Gebilde, scharf umschrieben, in blauer
Färbung und Strukturmangel etwa dem Einschluß in Tafelfig. 1
entsprechend, der Mehrzahl der Exemplare sitzt an einem Pol knospen-
artig ein kleineres gleiches Körperchen auf. Körper mit mehr als
emer Knospe habe ich bisher nicht gefunden. Bis auf die intrazelluläre
Lagerung, die ich in Ausstrichpräparaten noch nicht gesehen habe,
geht also dieser Befund den Knospungsvorgängen, wie ich sie aus der
herpetischen Kaninchencornea nach Schnittpräparaten dargestellt habe,
parallel 1).
Es scheint demnach, daß im Inhalt đer Herpesbläschen dieselben
Befunde erhoben werden können, wie in den Epithelzellen der her-
petischen Cornea, und daß, soweit das kleine Material einen Schluß
gestattet, im Gegensatz zur Kaninchenhornhaut im Bläscheninhalt die
vorläufig als Mikroorganismen angesprochenen Gebilde jeweils sämtlich
im selben Entwicklungsstadium sich befinden.
Erklärung der Tafelabbildungen.
Die Abbildungen sind sämtlich Epithelzellen, nur Fig. 25 ein Leukozyt der
Kaninchencornea. Die Cornea der Fig. 26 war mit Diphtherietoxin behandelt, alle
anderen Figuren beziehen sich auf herpetische Corneae; a und b ist jeweils dieselbe
Zelle bei hoher und tiefer Einstellung.
Sublimatfixierung. Paraffinschnitte. Färbung Lithionkarmin-Bayrischblau.
Die Zeichnungen sind mit Seibert homog. Immers. 1/,,;, Ok. 3 mit dem
Zeichenapparat in Tischhöhe entworfen, bei der Wiedergabe der Textfiguren auf
4/; verkleinert, während die Tafelfiguren in Originalgröße wiedergegeben sind. Die
Bilder sind so orientiert, daß die Corneaoberfläche oben zu denken ist.
Nachdruck verboten.
Versuche zur Aufteilung von Leptospirenstämmen, mit ein-
leitenden Bemerkungen ne on Verlauf von Agglutination
und Lysis.
[Aus dem „Instituut voor tropische Hygiene“, Koninglijke Vereeniging
Koloniaal Instituut, Amsterdam. |
Von Prof. W. Schiiffner und Achmad Mochtar, gouv. indisch arts.
Mit 1 Abbildung im Text.
Zur Entscheidung der Frage, ob ein Leptospirenstamm einheitlich
zusammengestellt ist, oder aus verschiedenen nur morphologisch iden-
tischen Rassen oder Arten besteht, sind die fiir Bakterien tauglichen
Methoden nicht brauchbar. Leptospiren wachsen nicht auf festen Nähr-
böden, oder wenn sie darauf wachsen würden, dann würde ihr Nach-
weis, der im Dunkelfelde zu geschehen hätte, sehr umständlich und
schwierig sein, und auch der Einzellenkultur, die in unserem Institute
1) Anmerk. bei der Korrektur. Die freien Knospen sind offenbar von der Haut
in die FE gelangt; sie sind auch in Präparaten von normaler Hautoberfläche
zu finden.
406 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
wohl versucht wurde, stand bisher mancherlei im Wege, und wollte
nicht glücken. Doch sind solche Versuche — P. Uhlenhuth1) wies
noch in seiner letzten Arbeit darauf — für die Kenntnis der Lepto-
spiren sehr erwünscht. Wir haben uns daher bemüht, dem Problem
auf andere Weise beizukommen, wozu wir durch unsere serologischen
Arbeiten mit einer ansehnlichen Zahl von Leptospirenarten gebracht
wurden. Auf einzelnes Besondere dieser Arbeiten müssen wir zuvor
näher eingehen.
I. Wenn wir mit Immunseren, gleichgültig ob vom Menschen oder
vom Kaninchen stammend, die Agglutination und Lysis auswerteten,
so erhielten wir bei unseren Versuchen und mit unserer Methodik sehr
regelmäßig einen Ablauf, den die beigegebenen Protokolle verdeutlichen.
Bei der Aufzeichnung wird möglichst alles, was sich nach Ablauf der
Reaktion beobachten läßt, berücksichtigt. Die Reaktion ist, im Gegensatz zu den
Fig. 1.
einfachen Gruber-Widalschen Reaktionen, eine kombinierte, d. h. sie gibt
in einem Zuge Aufschluß über das agglutinatorische sowie
über das lysierende Vermögen eines Serums. Beides wird registriert,
und die verschiedenen Abstufungen werden mit 1—4 Kreuzen ausgedrückt. Aber
außerdem zeichnen wir in einer 3. Kolonne noch auf, was an lebenden, unbeein-
flußten Leptospiren übrig bleibt, gleichsam als Probe aufs Exempel. Hierauf legen
wir besonderen Wert, da die Feststellung, ob die Zahl der Parasiten in der
Flüssigkeit von der Kontrolle abweicht, am leichtesten objektiv möglich ist. Dem-
entsprechend erscheint die Kontrolle mit 4 Kreuzen, und ebenso die höchste Ver-
dünnung, die keinen Einfluß mehr auf die Parasiten hatte. Dazwischen liegen
die verschiedenen Grade und Formen der Reaktion.
Die Verdünnungen werden durch Tropfen aus einer Pipette hergestellt.
Sehr zweckmäßig sind hierfür die Farbnäpfchen wie sie von Günther und
Wagner in den Handel gebracht werden. Die beigefügte Photographie erübrigt
weitere Beschreibung. Es läßt sich mit ihnen ohne Schwierigkeit steril arbeiten:
Bedeckung mit einer Glasglocke schützt vor Austrocknung.
Zur Besichtigung im Dunkelfeld wird den Verdünnungen der Reihe nach
mit der Platinöse ein Tröpfehen entnommen (nach gehörigem Umrühren !), das
1) Klin. Wochenschr. 1926. S. 1113.
Schüffner u. Mochtar, Versuche zur Aufteilung von Leptospirenstimmen. 407
auf dem Tragglas nur wenig, und möglichst immer in gleicher Größe ausgebreitet
wird. Man raucht mittlere Vergrößerungen (etwa Zeiß Obj. 20, Okular 10),
wobei man die Parasiten genügend erkennen und ihre Bewegung vollkommen be-
urteilen kann. Der Vorteil der schwachen Vergrößerung ist, daß man kein Deckglas
nmg hat, und daß das Bild trotzdem scharf gezeichnet wird. Der mi Fa Tropfen
wird dann unmittelbar daneben ausgebreitet und durch Verschieben des Trag Fe
in den Lichtkegel gebracht. So ist es möglich, die Besichtigung einer ganzen Reihe
von 12—16 Verdünnungen auf einem Tragglas unterzubringen — eine große Er-
sparnisan Zeit und Material.
Die beiden Reaktionen nun, Agglutination und Lysis, sind in der
Reihe auffallend gegeneinander verschoben. In den ersten Verdünnungen
vollzieht sich allein die Agglutination. Bei 1:10 erscheint die Reaktion
oft nur angedeutet, bei 1:25 wird sie ausgesprochener, doch bestehen
die einzelnen Flöckchen nur aus wenigen ineinander verschlungenen
Leptospiren. Erst in den darauf folgenden Verdünnungen werden die
Flocken größer, es bilden sich nun förmliche Netze von Leptospiren mit
zierlichem Maschenwerk, in dem die Leptospiren ineinander ver-
schlungen sichtbar sind, und durch ihre Bewegung erkennen lassen,
daß sie noch lebend sind. Das ist das Bild, das man nach 16—20 Std.,
dem Termin des Ablesens, gewöhnlich findet. Beim Stehen senken sich
die Netze, aber auch die kleineren Flocken zu Boden. Die Zahl und
Größe der Flocken entspricht, soweit man das beurteilen kann, der
ursprünglich vorhandenen Menge der isoliert schwimmenden Lepto-
spiren, lytische Vorgänge sind in diesen ersten Verdünnungen nicht
wahrzunehmen. Stets bleiben aber einige völlig intakt erscheinende
isolierte Exemplare übrig, die sich im Gegensatz zu den verklumpten
Massen nicht zu Boden senken.
In den höheren Verdünnungen wird die Agglutination durch Lysis
verdrängt, die Grenze ist bisweilen recht scharf wahrzunehmen, bis-
weilen ist sie verwaschen. Die Leptospiren zerfallen — auf die Einzel-
heiten wollen wir hier nicht eingehen — und können schließlich ganz
aufgelöst werden. Wir begegnen dann auf der Höhe des Prozesses (Ver-
dünnung 1:5000, nach 16—20 Std.) folgenden zwei Bildern. Ent-
weder es ist in den Serum-Leptospiren-Gemischen alles verschwunden,
das Gesichtsfeld erscheint bis auf einzelne, scheinbar völlig intakte
Exemplare ganz leer, oder aber die körnig zerfallenen Leptospiren
haben sich zu vielgestaltigen im Dunkelfeld blendend weiß strahlenden
Haufen mit rund verlaufenden Grenzlinien zusammengeballt, die sich
durch ihre gleichmäßig körnige Struktur ohne weiteres von den Netzen
der agglutinierenden Parasiten unterscheiden. An der Peripherie der
sonst bewegungslosen Masse hängt mitunter noch die eine oder andere
lebende Spirochäte, deren verlangsamte Bewegung indessen verrät,
daß sie auch nicht mehr ganz normal ist.
Die Bildung dieser Ballen findet in der Weise statt, daß zunächst
Agglutination eintritt. Dieser Zustand bleibt aber nicht, wie in den
ersten Verdünnungen, sondern nun setzen die Lysine ein, und führen
die agglutinierten Netze in die beschriebenen strukturlosen Massen
über. Auch diese Ballen sedimentieren. Greifen die Lysine schneller
an, wie es bei noch höherer Verdünnung auf der Höhe der Reaktion
geschehen kann, dann werden die Ballen nicht geformt und man erhält
das leere Gesichtsfeld.
Naht die Verdünnung der Titergrenze, so kündet sich das sehr
deutlich durch die Zunahme der frei schwimmenden Leptospiren an. Das
408 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
Ende der Reaktion liegt da, wo das Bild und die Konzentration der
Keime von der Kontrolle wieder erreicht ist.
Nicht selten tritt in diesem Stadium eine 3. Form von Leptospiren-
anhäufungen auf, die wir als „Brutnester‘‘1) ansehen und bezeichnen
möchten. In typischer Ausbildung stellen sie Sterne dar mit dichtem,
ebenfalls schneeig leuchtendem Kern und einem Strahlenkranz von
Leptospiren, deren freie Enden in der bekannten Weise lebhaft schlagen.
Bei genauer Betrachtung scheint auch der Kern in Bewegung, ein
Zeichen, daß er von lebenden Leptospiren durchsetzt ist. Form und
allseitige Bewegung unterscheidet sie leicht ‘von den lysierten toten
Massen ; eine Verwechslung mit den fein gestrickten Netzen der Agglu-
tination kann ebensowenig in Frage kommen. Wir sehen diese .,Brut-
nester‘‘ recht häufig spontan in Kulturen?) auftreten, ohne daß wir
einen Grund dafür haben finden können. Es ist daher die Frage, ob
wir ihr Erscheinen in den Verdünnungen nach Ablauf der eigentlichen
Reaktion noch als letzte Folge des Immunserums auffassen dürfen.
In Fällen, wo die gleichzeitig angesetzte Kontrolle davon nichts zeigte,
kann man sich allerdings des Gedankens einer wenn auch sehr ent-
fernten Einwirkung nicht erwehren.
Der hier geschilderte Verlauf, der bei hochwertigen Kranken- und
Tierseren und bei Ablesung nach 16—20 Std. die Regel war (nach
2 Std. ist die Reaktion gewöhnlich noch nicht abgeschlossen), weicht
in mehrfacher Beziehung von dem, was darüber in der Literatur be-
kannt wurde (Inada und Ido, Uhlenhuth und Fromme, dann
Händel, Ungermann und Jänisch, Jacobsthal, Zuelzer,
Martin et Pettit, Bärmann u. a.) ab. Einzelnes Grundlegendes
wurde aus unserem Institut bereits durch die Arbeiten von Wolff}
und von Raden Soesilo{) bekannt gegeben.
Zunächst muß auffallen, worauf nicht immer mit genügend Nach-
druck hingewiesen wurde, daß die lysierende Wirkung auf die Lepto-
spiren ohne Komplement geschieht. Streng genommen ist das nicht
ganz richtig, denn wir arbeiten mit aktivem Immunserum. Aber die
Menge Komplements, die dadurch der Reaktion verbleibt, ist in den
Verdünnungen, bei denen die Lysis beginnt (etwa 1:250) bereits so
gering, daß man sie verwahrlosen kann.
Zu aller Sicherheit aber haben wir auch Vergleiche mit Seren, die
bei 56° 1/, Std. lang inaktiviert waren, angestellt, und diese gaben mit
dem aktiven Serum die volle Uebereinstimmung. Danach kann die
bei den Leptospiren eintretende Lysis und Bakterizidie kein komplexer
Vorgang, im Sinne der bei Bakterien bekannten Reaktion, sein, sondern
muß, von jener prinzipiell verschieden, auf eine andere Weise zustande
kommen.
Händel, Ungermann und Jänisch meinten, nach Inakti-
vierung des Serums zwar auch keine Aufhebung, aber wohl eine Ab-
schwächung und Verlangsamung der lytischen Reaktion wahrzunehmen.
1) Diese Bezeichnung scheint uns treffender als Agglomeration oder Kon-
glomeration, Prozesse, die in ihrem Wesen kaum von Agglutination zu trennen
sind.
2) Vor allem unsere Wasserstämme L. pseudoicterogenes Uhlenhuth-
Zuelzer neigten dazu.
3) Wolff, J. W., Dissertation. Amsterdam (S. L. v. Looy) 1924. — Arch.
f. Schiffs- u. Tropenhyg. 1925.
4) Raden Soesilo, Dissertation. Amsterdam (S. L. v. Looy) 1925.
Schüffner u. Mochtar, Versuche zur Aufteilung von Leptospirenstämmen. 409
Der Unterschied war indessen keinesfalls erheblich und kann darum
kaum ins Gewicht fallen. Vor allem aber machten sie die Beobachtung
nur mit wenig verdünntem Serum, während es sich bei unseren Ver-
suchen ja gerade um die hohen vieltausendfachen Verdünnungen handelt.
Ferner ergibt sich, daß die lysierende Kraft der Immunsera in
den ersten Verdünnungen vollkommen gehemmt ist. Die Leptospiren
bleiben in den konzentrierten Serumlösungen lebend, erst in den höheren
Verdünnungen wird die Lysis und die Bakterizidie offenkundig. In
ihrer Wirkung ist diese Hemmung in vitro dem Neißer-Wechs-
bergschen Phänomen völlig gleich, ob sie es auch ihrem Wesen nach
ist, möchten wir dahingestellt sein lassen, ebenso wie die Erklärung
der merkwürdigen Erscheinung. Mit einer Komplementablenkung, die
sich, so geistreich sie auch erdacht war, für Bakterien nicht hat halten
lassen, ist bei den Leptospiren von vorneherein nichts anzufangen, da
die Lysis ja komplementlos verläuft. Wir können nur feststellen, daß
in vitro eine hohe Verdünnung nötig ist, um, wenn man sich so aus-
drücken darf, die potentielle Energie des spezifischen Stoffes in ki-
netische umzusetzen, vielleicht dadurch, daß das Molekül des spe-
zifischen Stoffes dissoziiert und die spezifische Kraft nun erst aufge-
schlossen, frei wird.
= I Wir kommen nun zur Hauptsache, und zwar, daß sich bei
diesen Reaktionen stets eine Anzahl von Leptospiren der Einwirkung
der spezifischen Stoffe entzieht. Selbst in den Verdünnungen, wo die
Lysis, die wir hier allein berücksichtigen, am stärksten wirkt, bleiben
einzelne Leptospiren völlig unverändert, und behalten ihre lebhafte
charakteristische Bewegung bei. Von der Konzentration des Serums
kann dies nicht abhängig sein, denn die vorangehende und die folgende
Verdünnung bringt sie nicht zum Verschwinden. Vermutlich entgehen
diese Ueberlebenden dem Angriff der Immunkörper, weil ihr Rezeptoren-
apparat keine für sie passende Gruppe besitzt.
Es war nun naheliegend, mit diesen Ueberlebenden neue Kulturen
anzulegen, und dann wieder durch Auswertung gegenüber dem ge-
brauchten Immunserum festzustellen, ob und in welcher Weise sich
der Tochterstamm im Vergleich zum Mutterstamm verändert hatte.
Wir gingen dann zwar nicht von einer Zelle aus, sondern mußten
mit einer ganzen Anzahl von Keimen rechnen. Aber allen diesen
Einzelparasiten, die man so leicht abscheiden konnte, war die eine
Eigenschaft der Resistenz gemeinsam. Wenn daher der unter-
suchte Stamm ursprünglich aus mehreren Rassen entstanden war, dann
konnte sich die Gelegenheit, ihn zu zerlegen, nicht günstiger bieten als
hier, wo in der Flüssigkeit allein die Exemplare mit abweichender Eigen-
schaft übrig geblieben waren.
Die für die Versuche nötige Technik ist nach dem Vorausgeschickten sehr
einfach, nur die Sterilität erfordert alle Aufmerksamkeit. Man nimmt gut ge-
wachsene Kulturen, d. h. solche, worin die Leptospiren gut beweglich, in normaler
Größe, also nicht in langen Fäden gewachsen sind, und wo sich keine „Brutnester‘
bildeten. Man fügt nun Immunserum hinzu, wobei man die endliche Verdünnung
in der Kultur so berechnet, daß möglichst die höchste lytische Wirkung erreicht
wird. Nach 18—20 Std. haben sich die Uberreste der lysierten Leptospiren zu
Boden gesenkt, die obenstehende Flüssigkeit enthält nun allein noch die Resistenten
in gleichmäßiger Verteilung. Eventuell kann man die Trennung durch Zentri-
fugierung, bei mittlerer Geschwindigkeit (ca. .1600 U.), schon früher vornehmen und
beschleunigen. Lebende, gut bewegliche Leptospiren halten sich sehr lange gegen
mäßiges Zentrifugieren, ohne sich ausschleudern zu lassen.
410 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
Die rein gewonnenen Ueberlebenden werden nun in neue Kulturröhrchen !)
übergeimpft, wobei man nur darauf zu achten hat, daß die erhaltene Verdünnung
des Immunserums jenseits der äußersten Titergrenze fällt. Anders hält das mit-
überimpfte Immunserum das Wachstum stark zurück. Es fiel uns übrigens auf,
daß das erste Wachstum dieser Tochterkulturen an sich langsamer erfolgte, so daß
wir längere Zeit als gewöhnlich warten mußten, bis wir Kulturen hatten, die für
die Reaktion dicht genug waren.
Tabelle I.
Reaktion mit Stamm „BA“ und seinem Antiserum.
| Mutterkultur | Tochterkultur
Verdiinnung ER TEE
Agglutina- B Ueber- | Agglutina- | : Ueber-
Siion Lysis lebende | Le tion Lysis lebende
Kontrolle 0 0 | ++++ | 0 0 ++++
1: 10 +++ 0 + | +44 0 +
de. -25 +++ 0 + | +++ 0 +
1: 50 +++ 0 + | +++ 0 +
1: 100 +++ 0 + +++ 0 +
1: 250 ++ + + ++ + +
1: 500 + ++ + + ++ +
1: 1000 0 +++ + 0 +++ +
1: 2500 0 +++ + 0 +++ +
1: 5000 0 +++ + 0 +++ +
1:1000 | 0 ++ | + 0 +++ -+
1 : 25 000 0 + ++ 0 ++ ++
1:50000 | 0 0 | +++ 0 o | EFE
Tabelle 11.
Reaktion mit Stamm „Franken“ und seinem Antiserum.
Kontrolle | © 0; | thee 0 0 ++++
1: 10 +++ o | + +++ 0 +
1: 25 +++ 0 | + +++ 0 +
1: 50 +++ 0 | .+ ++ + +
1: 100 ++ + + + ++ +
L: 250 + ++ + + ++ +
1: 500 0 +++ + 0 +++ +
1: 1000 0 +++ + 0 +++ +
1: 2500 0 +++ + 0 +++ +
1: 5000 0 ++ ++ 0 +++ +
1: 10000 0 ++ ++ 0 ++ ++
1: 25000 0 + +++ 0 ++ ++
1: 50000 0 + +++ 0 + TEE
1 : 100 000 0 0 ++++ 0 0 ++++
Der Ausfall der Reaktion entsprach nicht dem, was wir erwarteten.
Wie aus den beigegebenen Protokollen I und II ersichtlich, war aus der
resistenten Einsaat von Stamm „BA“ wieder ein Stamm gewachsen,
der alle ursprünglichen Eigenschaften zurückerhalten
hatte. Weder qualitativ noch graduell trat ein irgendwie nennens-
werter Unterschied zwischen Mutter- und Tochterstamm zutage. Bei
Wiederholung des Versuches mit Stamm „Franken“ ergaben sich die
1) Vervoortscher Nährboden 1 Proz. Pepton Witte, gekocht, mit Normal-
phosphorsiiure auf ca. pH 6,8 gebracht, nochmals gekocht und dann filtriert.
Dann 5—10proz. Kaninchenserum beimengen, und zu je 3 cem in sterile kleine
Röhrchen einfüllen. !/, Std. bei 57° halten.
Schüffner u. Mochtar, Versuche zur Aufteilung von Leptospirenstämmen. 411
gleichen Bilder1). Das Resultat war also eigentlich negativ. Doch lassen
sich daran die folgenden Ueberlegungen und Folgerungen knüpfen:
1) In einheitlich zusammengesetzten, aus Krankheitsfällen ge-
züchteten Leptospirenkulturen entwickelt sich regelmäßig eine kleine
Anzahl von Leptospiren, die für die Antistoffe, denen die Hauptmasse
erliegt, nicht erfaßbar sind. Sie lassen sich isolieren und weiterzüchten,
vererben aber ihre individuelle Eigenschaft der Resistenz nicht. Der
Nachwuchs wird wieder der Ausgangskultur gleich, worin die resistenten
Formen nur als Ausnahmen vorkommen.
Was wir hier in vitro verfolgen können, läßt uns einen Blick tun
in die Vorgänge: in vitro bei verschiedenen Spirochäten- und Trypano-
somen-Krankheiten. Unter der Einwirkung der gebildeten Immunstoffe
findet z. B. bei Recurrens gegen Ende des Anfalls, auch bei der
Schlafkrankheit zu gewissen Zeiten, ein Massenuntergang der Parasiten
statt, ohne daß es zu einer völligen Reinigung des Körpers kommt.
Hier sind es vermutlich auch die resistenten Formen, welche die In-
fektion im Körper erhalten, und zwar so lange, bis sie sich nach Ab-
sinken der Immunkräfte wieder zu krankmachender Höhe vermehren
können. Es wäre dann nicht nötig, zu der einigermaßen gekünstelten
Annahme zu greifen, daß sich Reste der Parasiten in ,,Schlupfwinkel“,
für die Immunstoffe unzugänglich, flüchten. Aehnlich dürfte es bei der
Weilschen Krankheit sein. Nachdem die Krankheit ihre Höhe über-
schritten hat, verschwinden die Leptospiren aus der Zirkulation und
den Organen bis auf eine kleine Minderheit — die Resistenten —
die dann kaum noch durch den Tierversuch (Impfung mit Organ-
emulsion) nachgewiesen werden können. Daß sie aber doch noch nach
dem Massenuntergang im Körper bleiben, beweist die oft lange Zeit
anhaltende Leptospirurie, mit der lebende, und für Tiere vollvirulente
Parasiten ausgeschieden werden. Ein krankmachender Einfluß geht
dann nicht mehr von ihnen aus, ihre Vermehrung im Körper bleibt
in Schranken, weil sich von ihrem Nachwuchs nur die als Ausnahme
gebildeten, resistenten Formen halten können. Die übrigen gehen nach
ihrer Bildung rasch zugrunde und unterhalten oder steigern sogar —
durch Freiwerden von Endotoxin? — noch eine Zeitlang den Reiz zur
Produktion von Immunstoffen. Das endliche Verschwinden der In-
fektion aus dem Körper würde mit dieser, unseren Versuchen ent-
nommenen Auffassung durchaus verständlich sein.
Die hier durchgeführte Vergleichung soll uns indessen nicht gegenüber einer
anderen Möglichkeit, die Ausscheidung der lebenden Leptospiren zu erklären,
blind machen. Die im Urin erscheinenden Leptospiren brauchen nicht mehr aus
den Organen oder der Zirkulation hervorgegangen zu sein, sondern können, ähnlich
wie bei der Ratte, dem Lumen der Tubuli contorti entstammen. Wenn sie sich
dort befinden, haben sie den Körper im strengen Sinne des Wortes schon verlassen,
und leben auf der Außenfläche, wo sie sich, für die Immunstoffe des Blutes und
der Gewebe nicht mehr erreichbar, ungestört vermehren, als Ektoparasiten. Die
Ratte wird, wie wir verfolgen konnten, zum Dauerausscheider, bei Yranschen aber
sehen wir die Infektion nach kürzerer Zeit, höchstens einigen Monaten, aus uns un-
bekannten Gründen wieder verschwinden.
2) Daß aus den ,,Ueberlebenden“ wieder ein vollkommen agglu-
tinabler und lysabler Stamm wächst, möchten wir als ein Zeichen für
die große Beständigkeit der serologischen Eigenschaften auffassen.
1) Anmerkung bei der Korrektur. Seitdem auch mit einem Stamm vor
L. icteroides und L. hebdomadis.
412 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
Wir stellen daher auch die serologische Reaktion in vitro als Mittel
der Unterscheidung der verschiedenen Leptospirenarten ihrer kon-
stanten und scharfen Ausschläge wegen obenan. Ohne Zweifel
läßt auch das Wachstumsverfahren, wie es Uhlenhuth anwendet
und empfiehlt, auch das von Oba im Laboratorium von M. Zuelzer
ausgearbeitete eine weitgehende Unterscheidung zu, aber die Methoden
sind umständlich und zeitraubend, und vielleicht auch dadurch, daß mit
dem Nährboden ein nicht immer vollkommen bekannter und beherrschter
Faktor dazwischengeschaltet wird, weniger zuverlässig. Wenig brauch-
bar sind nach unserer Erfahrung gekreuzte Immunisationen. Wir beob-
achteten in zahlreichen Versuchen, daß das Ueberstehen einer Infektion
auch gegen Stämme schützte, die serologisch nicht die geringste Ver-
wandtschaft besaßen. Hier wurden also Unterschiede überdeckt, welche
der Lysisversuch in vitro einwandfrei angab, und die wir zur weiteren
Klärung der so verwickelten Leptospirenfrage nicht außer acht lassen
dürfen. In einer folgenden Arbeit sollen diese für die Diagnose wich-
tigen Ergebnisse besonders’ behandelt werden. Endlich sahen wir auch
vom Pfeifferschen Versuch keinen Vorteil gegenüber der Aus-
wertung der Sera in vitro.
Mit dieser Auffassung sind allein die Ergebnisse von Versuchen
mit Wasserstämmen nicht recht in Einklang zu bringen, die von M.
Zuelzer1) 1922/23 angestellt wurden, wobei nach jahrelangen Ueber-
impfungen 2 Wasserstimme pathogen wurden und serologisch, das ist
das Besondere, die Eigenschaften des Weil-Stammes annahmen. Das
würde auf eine Veränderlichkeit deuten. Unsere Nachprüfungen dieser
prinzipiell sehr wichtigen Experimente sind bisher ebenso wie die von
van Thiel?) in Leiden negativ verlaufen, d. h. 2 von uns isolierte
Wasserstämme (in Reinkultur) behielten trotz zahlreicher Umzüchtung
ihre Charaktere. Wir setzen aber diese Versuche, auch in der von Uhlen-
huth angeregten Modifikation, Züchtung auf Rattenserum, fort. Auch
bei unseren Weil- und Rattenstämmen, von denen wir 3 Varietäten
bezitzen, sahen wir im Verlauf der jahrelangen Umzüchtung keine Ver-
änderung der ihnen eignen, scharf geschiedenen, serologischen Eigen-
schaften eintreten, während die Virulenz, wie bekannt, in sehr breiten
Grenzen schwanken konnte. Wir möchten daher vorläufig an unserem
Standpunkt, daß man an den serologischen Eigenschaften der Lepto-
spiren, eine sichere, vielleicht die sicherste, Handhabe zur Unter-
scheidung besitzt, festhalten.
Das von uns benutzte Verfahren, die ,,Ueberlebenden“ zu Stämmen
heranzuzüchten, dürfte mit Vorteil benutzt werden, wenn es sich wirk-
lich um Gemische von verschiedenen Leptospiren handelt. Als solche
muß man nach unserer Vorstellung alle Züchtungen aus Wasser an-
sehen, wo außer der typischen unschuldigen Wasserleptospire (L.
pseudoicterogenes) zugleich auch eine für Ratten und Mensch
pathogene vorhanden sein kann. Letzteres, d. h. die Anwesenheit
von hochinfektiösen Leptospiren, wurde neuerdings in Holland aufs
neue mit aller Sicherheit bewiesen durch eine ganze Reihe von „Weil“-
Erkrankungen, die im Anschluß an ein unfreiwilliges Bad in stark
verschmutztem Wasser, mit reichlicher Wasseraufnahme von seiten des
Magens und der Lungen, also geradezu experimentell, entstanden waren.
1) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 89. 1923. S. 117.
2) Vortrag in Mikrobiol. Ver 1923.
Messik, Ueber Thrombozytobarine gegen Amoeba endolimax usw. 413
Züchtet man aus solch verdächtigem Wasser und würde man dann die
saprophytischen Leptospiren durch Versetzen mit Antiserum, das gegen
sie gerichtet ist, niederschlagen, so wiirde man unter den Ueberlebenden
einmal die homologen Resistenten erhalten, dann aber auch, wenn sie
vorhanden sind, die heterologen Leptospiren, die mit dem Serum nichts
zu tun hatten. Durch Wiederholung dieses Prozesses mit Enkelkulturen
müßte es gelingen, den Wasserstamm zu verdrängen und den bei-
gemengten Stamm endlich rein zu erhalten.
Nachdruck verboten.
Ueber Thrombozytobarine gegen Amoeba endolimax
und Leishmania tropica.
[Aus dem Mikrobiologischen Institut des Volksunterrichts-Kommissariats
R. S. F. S. R. (Dir.: Prof. I. L. Kritschewsky).]
Von Dr. R. E. Messik.
Das zuerst von Rieckenberg!) entdeckte Beladungsphänomen
bei experimenteller Trypanosomiasis wurde ausführlich in unserem
Institut weiter studiert.
Von Kritschewsky und Tscherikower?) wurde festgestellt,
daß das Beladungsphänomen, das sich in Beladung der Parasiten mit
Thrombozyten äußert, durch spezielle Antikörper, die von ihnen
»Thrombozytobarine“ genannt wurden, hervorgerufen wird.
Diese Antikörper kann man im Blute der infizierten und immuni-
sierten Tiere bei Zusammenbringen dieses Blutes mit den entsprechenden
Parasiten entdecken. Schon von Rieckenberg bemerkte Spezifität
dieses Phänomens wurde nicht nur bezüglich der verschiedenen Arten
der Trypanosomen, sondern auch bezüglich verschiedener Rassen
der letzteren von Brussin und Beletsky?) bestätigt.
Sobald der theoretische Wert der Thrombozytobarine beim Studium
einiger Immunitätsfragen klar wurde‘), 5), 6), entstand natürlich das
Bestreben, die Möglichkeit der Aufdeckung der Thrombozytobarine
auch bei anderen Infektionen zu beweisen. Tatsächlich hat Brussin?)
experimentell bewiesen, daß das Beladungsphänomen bei durch Spiro-
chäten vom Recurrenstypus hervorgerufenen Infektionen ebenfalls statt-
findet, und daß die Thrombozytobarine dort durch eine ebenso feine
Spezifität sich auszeichnen, wie bei Trypanosomen.
1) Rieckenberg, Zeitschr. f. Immunitätsf. Bd. 26. 1917.
2) Kritschewsky u. Tscherikower, Ibid. Bd. 42. 1925. Bd. 45. 1926.
3) Brussin u. Beletsky, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 96.
4) Kritschewsky u. Antonomow, Zeitschr. f. Immunitätsf. Bd. 32.
1925.
vant 5) Brussin u. Rubinstein, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 96.
25.
6) Kritschewsky u. Heronimus, Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg. 1926.
7) Brussin, Zeitschr. f. Immunitätsf. Bd. 44. 1925.
414 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
Kritschewsky und Tscherikower!) haben dann das Er-
scheinen der Thrombozytobarine auch bei Spirochäten vom Typus ictero-
genes konstatiert. Es wurde somit nachgewiesen, daß diese Reaktion
eine weit größere Anwendung im Gebiete der Immunität besitzt, als
es von Rieckenberg selber angenommen wurde.
Prof. I. L. Kritschewsky hat mir vorgeschlagen, dieses Phä-
nomen in bezug auf Amoeba limax und Leishmania tropica
zu studieren. Um dem Problem näher zu kommen, wurde von mir zuerst
eine Anzahl von Mäusen durch eine lebende Amöbenkultur immuni-
siert ?).
Dieser Stamm wird auf einfachem 3proz. Agar in Petri-Schalen
bei Zimmertemperatur unterhalten. In den ersten 2—3 Tagen wachsen
nur vegetative Formen, am 4.—5. Tag findet man in den Kulturen
vegetative Formen und Zysten, in älteren Kulturen nur Zysten.
Für die Immunisierung der Mäuse wurden alle diese Momente des
Amöbenwachstums berücksichtigt.
Sämtliche Mäuse wurden in 4 Gruppen geteilt: cine Gruppe
wurde ausschließlich durch vegetative Formen, die 2. durch vege-
tative und zystische, die 3. ausschließlich durch zystische und die 4.
abwechselnd durch zystische und vegetative Formen immunisiert.
Die Immunisierungstechnik war folgende: Ein Stückchen Agar-
kultur zusammen mit Agar wurde herausgeschnitten und im Reagenzglas
mit physiologischer Kochsalzlösung 0,85proz. abgewaschen. Dann
habe ich den Mäusen mittels Pasteurscher Pipette ca. 0,5 ccm
dieser Emulsion subkutan eingeführt, nachdem ich zuvor unter dem
Mikroskop immer die Form der Amöben (ob vegetative oder zystische)
und die Anzahl derselben im Gesichtsfeld kontrolliert hatte. 8—15
Tage nach jeder Immunisierung habe ich dann Versuche parallel mit
zweierlei Methoden angestellt: nach Rieckenberg?) und nach Brus-
sin und Beletskyt). Bei Anstellung der Reaktion habe ich ständig
ausschließlich die vegetativen Formen, die sich durch maximale Be-
weglichkeit auszeichnen, benutzt. Technik der Reaktion: Mittels
der Pasteurschen Pipette wurden 2—3 Tropfen einer 2proz.
Zitratbouillon mit gleicher Menge Blut der immunisierten Maus ge-
nommen; es wurde gründlich durchgemischt und dann 1—2 Tropfen
Amöbenemulsion in physiologischer Kochsalzlösung hinzugesetzt; dann
wurde das ganze Gemenge wiederum gründlich durchgemischt. Ein
Tropfen davon wurde dann unter dem Mikroskop (Objektiv 7) bei
halbgeöffneter Blende untersucht (Rieckenberg-Verfahren). Der
übrige Teil der Aufschwemmung wurde für 10—15 Min. in den Thermo-
stat gestellt; nachher wurde der Tropfen unter dem Mikroskop, wie im
1. Falle untersucht (Verfahren von Brussin und Beletsky).
Obwohl die Reaktion in beiden Fällen negativ blieb, wurde doch
ein großer Unterschied zwischen diesen beiden Methoden der Ver-
suchsanordnung bemerkt. Während beim Rieckenberg-Verfahren
die Amöben während einer ganzen Stunde, zuweilen noch länger, be-
weglich blieben und bei den Bewegungen ihre Form und Gestalt,
1) Kritschewsky u. Tscherikower, Zeitschr. f. Immunitätsf. Bd. 46.
1926.
2) Der Stamm ist mir von G. O. Roskin übergeben worden (Protozoo-
logische Abteilung unseres Instituts).
3) Rieckenberg, |. c.
4) Brussin u. Beletsky, Le.
Messik, Ueber Thrombozytobarine gegen Amoeba endolimax usw. 415
wie gewöhnlich, änderten, indem sie die Scheinfüßchen aus- und ein-
zogen, wurden sie bei der Methode von Brussin und Beletsky,
d. h. nach Verweilen im Thermostat, wie eingeschrumpft, nahmen
kugelige Form an und verwandelten sich in eine Art Zysten, die an
Amöben aus sehr alten Kulturen erinnerten. Augenscheinlich wirkte
der Thermostat auf die Amöben schädigend. Nach 2maliger paralleler
Anordnung der Versuche mit den beiden Methoden kam ich zu dem
Schlusse, daß es in diesem Falle besser ist, sich des Rieckenbergschen
Verfahrens zu bedienen.
Die Zahl der Versuchsmäuse betrug im ganzen 21; die Mehr-
zahl von ihnen wurde 8—9mal mit großen Mengen von Amoeba
limax immunisiert. Nach jeder Immunisierung wurde der Ver-
such mit dem Beladungsphänomen wiederholt; Thrombozytobarine
wurden aber in keinem Falle entdeckt 1).
Es ist somit gelungen festzustellen, daß bei Mäusen Thrombo-
zytobarine trotz mehrfacher Immunisierung mit Amöben
nicht gebildet werden.
Bekanntlich besteht zwischen Leishmaniosis und Trypanoso-
miasis ein enger genetischer Zusammenhang, und nach Dofleins
Klassifikation gehört Leishmania zur Familie der Trypanoso-
minae. Dieser Zusammenhang macht die Vermutung sehr wahrschein-
lich, daß das Beladungsphänomen auch bei Leishmania stattfinden
kann.
Es ist mir auch tatsächlich mittels des Beladungs-
phänomens gelungen, zu beweisen, daß bei durch Leish-
mania tropica immunisierten Mäusen Thrombozytobarine
gebildet werden. Diese Tatsache ist um so interessanter,
als die Frage von Antikörpern bei Leishmaniosen noch
sehr wenig studiert ist.
Um die Frage der Antikörperbildung bei Leishmania tropica
zu studieren, habe ich eine Serie von Mäusen mit Kulturen der
Parasiten immunisiert?), die auf Blutagar (Nährboden N.N.N.) ge-
züchtet worden waren. Die Kultur wurde durch physiol. Kochsalzlösung
abgewaschen. Ich injizierte den Mäusen subkutan 0,5 ccm dieser Auf-
schwemmung, nachdem ich zuvor unter dem Mikroskop die Zahl der
Parasiten im Gesichtsfeld kontrolliert hatte.
Obwohl die Mäuse nicht weniger als 3mal immunisiert wurden und
jedesmal eine erhebliche Anzahl der Parasiten unter die Haut erhielten,
wurden trotzdem im Blute keine Parasiten gefunden. Ueber die Frage
der Möglichkeit, eine experimentelle Leishmaniose zu erzeugen, finden
sich in der Literatur verschiedene Angaben. M. Nicolle, A. Sicre,
Laveran, Pettit haben als erste Mäuse mit Hautleishmaniose
erfolgreich infiziert. Umgekehrt haben die Brüder Sergent, Le-
maire, Senevot, Franschini mit negativem Erfolge versucht,
experimentell bei einigen Tieren, unter anderem auch bei Mäusen, die
Orientbeule hervorzurufen. Diejenigen Autoren, denen es gelungen ist,
die Mäuse zu infizieren, nehmen an, daß die Inkubation bei ihnen bis
1) Ausführliche Protokolle sind gemäß der Redaktionsforderung beseitigt.
Sie sind in russischem Texte gebracht. (Zeitschr. f. Mikrobiol., Pathol. u. In-
fektionskrankh. Bd. 3. 1926.)
2) Die Kultur erhielt ich von Sch. D. Moschkowsky (Tropisches In-
stitut des Volksgesundheitskommissariats), dem ich bei dieser Gelegenheit meinen
Dank ausspreche.
416 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
70 Tage dauern kann. Meine Mäuse waren unter Beobachtung zirka
6—7 Monate. Da die von mir bei der Immunisierung der Mäuse mit
Leishmania tropica nachgewiesenen Thrombozytobarine sehr lange
im Blute zirkulierten (zirka 6—7 Monate), so kann man bei ihnen die
Existenz einer larvierten Infektion vermuten.
Nach jeder Immunisierung stellte ich Versuche über den Gehalt des
Blutes an Thrombozytobarinen nach der Brussin- und Beljetsky-
Methode an (Technik s. o.), da diese sich in diesem Falle als die
empfindlichere zeigte.
Während nämlich die Reaktion, nach der Methode von Brussin
und Beljetsky ausgeführt, stark positiv ausfiel (++++), war sie
beim Rieckenbergschen Verfahren bei denselben Mäusen schwach-
positiv (+) oder positiv (++), oder zuweilen auch negativ.
Wie schon erwähnt, äußert sich die positive Reaktion in Be-
ladung der Parasiten mit Thrombozyten. Wenn man das Bild unter
dem Mikroskop beobachtet, so bekommt man den Eindruck, daß
es sich hier um eine spezielle Mobilisation der Thrombozyten handelt,
welche sich auf die Parasiten ihrer Geißelseite her so zu sagen werfen.
Gleichzeitig begegnet man einzelnen Parasiten, die sich von den
Thrombozyten anscheinend loszureißen versuchen; der Parasit bewegt
sich, schwankt hin und her, es reißen sich daher einige Plättchen von
ihm los und versuchen dann wieder, ihn zu umkleben. In einigen,
augenscheinlich älteren Kulturen wurden Agglomerationsrosetten be-
obachtet, die aus lanzettförmigen, mit ihren Peitschen nach dem
Zentrum hin gerichteten Parasiten bestanden. Eine ungeheure Zahl von
Parasiten umklebte eben das Zentrum einer solchen Agglomerations-
rosette. Am Beladungsphänomen waren größtenteils länglich-ovale und
auch lanzettartige Formen beteiligt, birnenförmige Formen aber blieben
weniger beweglich und ihre Umklebung von Thrombozyten war sehr
gering. Auf einer ziemlich großen Peitsche, die fast zweimal so
groß wie der Parasitenkörper selber war, saßen 3—4 Plättchen. Zu-
weilen blieben die Peitschen ganz frei davon, während neben ihnen die
ovalen und Lanzettformen von einer ungeheueren Zahl von Parasiten
umklebt waren.
Eine scharf-positive Reaktion war erst nach der 3., seltener nach
der 2. Immunisierung zu bekommen. Augenscheinlich ist das von indi-
viduellen Eigenschaften der verschiedenen Mäuse abhängig, die schneller
oder langsamer mit der Antikörperbildung auf Einführung dieser oder
jener Antigene reagieren.
Nachdem nun experimentell die Anwesenheit der Antikörper bei
Leishmaniosen festgestellt war, war es außerordentlich wichtig,
nachzuforschen, wie lange die Thrombozytobarine im Blute zirkulieren.
Zu diesem Zwecke habe ich bei Mäusen mit scharf-positiver Reaktion
jede 2.—3. Woche das Beladungsphänomen ausgeführt. Es stellte sich
dabei heraus, daß die Thrombozytobarine sich bei einigen Mäusen 3,
bei anderen 4—61/, Monate halten.
Da 2 von diesen Mäusen in der Zwischenzeit Junge geworfen
hatten, so habe ich die Frage der Uebertragung der Antikörper von
Mutter auf Kind ebenfalls geprüft. Zu diesem Zweck wurde von mir
das Beladungsphänomen mit Blut von 8 Jungmäusen angestellt.
3 Junge, deren Mutter während der Trächtigkeit und noch 21/, Monate
nach dem Wurf eine scharf-positive Reaktion zeigte, haben zwei Tage
Breindl u. Jirovee, Einige Abnormitäten bei Trypanosoma Lewisi. 417
nach der Geburt eine negative Reaktion ergeben. Ebenso war die
Reaktiion bei 5 Jungen 1—2 Wochen nach der Geburt negativ.
Um endlich die Spezifität dieser Reaktion festzustellen, habe ich
das Beladungsphänomen gekreuzt angeordnet: das Blut einer Trypano-
somen (Tr. equiperdum) enthaltenden Maus mit dem Blut einer
Maus, die mit Leishmania tropica immunisiert war und das Blut
einer von Trypanosomen geheilten Maus mit Kultur von Leish-
mania tropica. In beiden Fällen war die Reaktion negativ. Diese
Versuche wurden von mir zweimal mit demselben Resultat wiederholt.
Schlußfogerungen.
1) Bei Mäusen werden nach mehrfacher Immunisierung mit
Amöben keine Thrombozytobarine gebildet. — 2) Obwohl bei Mäusen,
die mit Leishmania tropica-Kulturen experimentell infiziert waren,
keine nachweisbare Infektion zustande kommt, werden dennoch Anti-
körper (Thrombozytobarine) gebildet, die das Beladungsphänomen be-
dingen. — 3) Thrombozytobarine für Leishmania tropica bleiben
im Organismus 3—61/, Monate nachweisbar. — 4) Thrombo-
zytobarine verhalten sich gegenüber Leishmania tropica spe-
zifisch. — 5) Thrombozytobarine werden von Mutter auf Kind nicht
übertragen.
Nachdruck verboten.
Ueber einige Abnormitäten bei Trypanosoma Lewisi.
Von V. Breindl und O. Jirovec.
Mit 2 Abbildungen im Text.
I. Auf der Höhe der Infektion einer Ratte mit Trypanosoma
Lewisi bemerkten wir (Jirovec) auf einem mit Giemsa gefärbtem
Präparat ein sehr interesantes Teilungsstadium ohne den Hauptkern.
Von Verletzung kann keine Rede sein, da sich keine abgerissene
g. 1. Trypanosoma Lene Hom. pes Trypanosoma Lewisi. Hom. imm.
Ins !/ a“ komp. Okk. X fs omp. Okk. XVII
Fetzen in der Nähe fanden. Den Kinetonukleus erkennt man an seiner
Größe und dem dunkelroten Farbton, er teilt sich nach dem Typus
der einfachen Promitose durch (Textfigur 1). Das Verbindungsstück
ist viel heller gefärbt. Die Geißeln sind auch schon geteilt, die eine
zeichnet sich durch ihre besondere Länge aus, die 2. ist viel kürzer
Erste Abt. Orig. Bd. 101. Heft 6/7. 27
418 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
(vielleicht spricht dies für das Auswachsen derselben aus den neu-
gebildeten Basalkörnern). Dieselben konnten wir nicht besonders gut
beobachten. Die Plasmateilung war auch schon angefangen. Das ganze
Individuum zeichnete sich durch eine geringe Größe aus (vergleiche
die starke Vergrößerung!). Der Fall selbst ist gewiß von theoretischem
Interesse. 1. sind hauptkernlose Trypanosomen noch nicht beschrieben
worden!). 2. die Abwesenheit des Hauptkernes beeinträchtigt nicht
im geringsten die Teilungs- und Lebensfähigkeit der Zelle und des
Blepharoplasten. 3. dies würde doch für die Kernnatur des Kineto-
nukleus deuten, obwohl sich neuerdings einige Autoren (Bëlaï etc.)
gegen dieselbe wenden.
II. Der 2. interessante Fall, den wir (Breindl) beobachtet haben,
zeigt die Textfigur 2. Es handelt sich, wie man bemerkt, um eine voll-
kommen ausgewachsene Trypanosomenform, die der Größe nach die
vorige weit überragt. Der Randfaden (und Membran) beginnt von einem
einfachem Basalkorn — und der sehr große kernartige Blepharoplast liegt
dem Trophonukleus sehr nahe. Der Kinetonukleus zeigt eine rundliche
Form, einen dunkelroten Farbton und in seinem Innern kann man bei der
starken Vergrößerung (Hom. imm. 1/,, Komp. Occ. XVIII) eine korn-
artige Struktur beobachten. Der Trophonukleus zeigt dagegen menr blaB-
roten Farbton, ist von normaler ovaler Form und Größe und weist eine
alveolare Innenstruktur aus. Auch dieser Fall wurde auf der Höhe
der Infektion auf einem tadellosen mit Giemsa gefärbten Ausstrich-
präparat beobachtet. Sehr wichtig, wie man sieht, sind die Schluß-
folgerungen dieser Beobachtung. 1. ist es die abnormale Lage des
Kinetonukleus, die mehr an eine Herpetomonasform erinnert,
2. ist es sein kernartiges Aussehen. Was die Lage anbelangt, nähert
sich dieser Fall den Anfangsstadien bei blepharoblastlosen Trypanosomen,
wie es Verbitzki und Kudicke beschrieben haben. Viel wichtiger
scheint uns aber die Kernnatur des Kinetonukleus, womit sich wieder
das, was im 1. Teile dieser kurzen Mitteilung gesagt wurde, bestätigt.
Es ist zwar möglich, daß es sich in diesem Falle um eine abnorme
Auflockerung der Kinetonukleussubstanz handelt, wodurch seine Kern-
natur entstanden ist, ebenfalls kann aber nicht die Möglichkeit aus-
geschlossen werden, daß man es hier mit einer zufälligen atavistischen
Rückwandlung des Kinetonukleus in seine ursprüngliche Kernform zu
tun hat. Eine ganz andere Frage ist die Erklärung dieses interessanten
Stadiums. Leider auch dabei kann man nicht entscheiden, ob es sich
entweder um autokopulative Vorgänge oder nur um pathologische Ab-
normität handelt. Jedenfalls sehen wir aber in diesen beiden Fällen
eine neue Bestätigung der alten .geistvollen Hartmannschen An-
sicht, und auf Grund unserer langjährigen Trypanosomenstudien stimmen
wir nicht, was nämlich die Kinetonukleusfrage anbelangt, mit der
neuen extremen Ansicht Bëlaï überein. Es scheint uns, daß Belar
in seinem schönen Werke wieder in gegenseitige Extreme eingegangen
ist, an welchen bis jetzt die Protozoologie gelitten hat. Jeder
Protozoologe muß seine schöne und verdienstvolle Arbeit anerkennen,
mit der er in das bisherige Chaos der protozoologischen Ergebnisse
Vereinfachung und mehr Licht zu bringen sucht, jedoch sehen wir in
seiner Arbeit einen Versuch den größeren Teil des bestehenden Proto-
zoologiegebäude zerstören zu wollen.
Prag, den 29. September 1926.
1) Etwas ähnliches hat Berliner bei Leptomonas jaculum beschrieben.
Robitschek, Invasion von Strongyloides intestinalis in den Urogenitaltrakt. 419
Nachdruck verboten.
Invasion von Strongyloides intestinalis in den
Urogenitaltrakt.
[Aus der I. medizinischen Abteilung des Krankenhauses Wieden in
Wien (Vorstand: Hofrat Prof. Dr. Maximilian Sternberg).]
Von Dr. Walter Robitschek.
Soweit wir die Literatur überblicken, ist das Vorkommen von
Strongyloides intestinalis im Urogenitaltrakt bisher nicht be-
schrieben worden. Es dürfte daher die Mitteilung eines Falles, der im
Januar 1926 auf unserer Abteilung beobachtet wurde, berechtigt sein.
Eine 55jährige Patientin erschien in der Ambulanz mit der An-
gabe, daß sie seit 1 Jahre an häufigem, auch nächtlichem Drang zu
urinieren und Brennen in der Harnblasengegend leide. Der Harn war
anderweits bereits 2mal untersucht worden, Zucker und Eiweiß beide-
mal negativ, bei der Betrachtung war der Harn immer klar.
Auch der Harn, den wir zur Untersuchung erhielten, war voll-
ständig klar. Trotzdem wurde zentrifugiert und das Sediment mikro-
skopiert. Bei der Musterung des Präparates fanden wir zahlreiche
Gebilde, die sofort als Würmer zu erkennen waren. Sie befanden sich
in lebhafter schlängelnder Bewegung und wiesen eine Länge von ca.
0,3 mm und eine Breite von ca. 0,02 mm auf. Bei wiederholter Unter-
suchung sowohl im frischgelassenen als auch in älterem Harn fanden
wir Exemplare mit doppelter Ausbuchtung des Oesophagus und solche,
deren Speiseröhre ein gleichmäßig zylindrisches Rohr darstellte, also
Rhabditis- und Filaria-Formen. Außer diesen Larven waren aber
auch geschlechtsreife Tiere vorhanden. Nach dem gesamten Befunde
handelte es sich um Strongyloides intestinalist).
Bei wiederholter Untersuchung des Stuhles konnten wir keine
Parasiten nachweisen. Eine nähere somatische Untersuchung, vor
allem aber die Zystoskopie, wurde von der Pat. entschieden abgelehnt.
Eine Ergänzung der Anamnese ergab, daß die Pat. sich 7 Monate
vor Auftreten der ersten Beschwerden 3 Wochen in Oberitalien auf-
gehalten hatte. Da der Strongyloides intestinalis, nach Europa
verschleppt, nur in Italien heimisch wurde, lag es nahe, den Zeitpunkt
der Invasion in die Zeit des Aufenthaltes der Pat. in diesem Lande
zu verlegen. Die 2. Möglichkeit wäre die, daß die Uebertragung zu
einem späteren Termin durch eine 3. Person stattgefunden hat. Diese
Frage ließ sich natürlich nach 1 Jahre nicht mehr beantworten.
Auch das ganz ungewöhnliche Vorkommen im Urogenitaltrakt
können wir nicht erklären. Eine äußere Uebertragung vom Darm ist
nicht wahrscheinlich, da im Stuhle trotz wiederholter Untersuchung
keine Parasiten gefunden wurden. Da die Larven in die Darmwand
eindringen können, wäre auch daran zu denken, daß von hier aus
eine Verschleppung auf dem Blutwege stattgefunden hat.
Wenn also auch in dieser Hinsicht der hier kurz mitgeteilte Fall
ungeklärt blieb, so glaubten wir doch, das bisher unbekannte Vor-
kommen von Strongyloides intestinalis im Urogenitaltrakt
einer 5bjährigen Pat. mitteilen zu sollen.
1) Die Präparate wurden in der Sitzung der Vereinigung der Wiener Patho-
logischen Anatomen am 22. Februar 1926 vorgewiesen.
27*
420 . Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
Nachdruck verboten.
Mit welchem Bestandteile des Antigens ist die Impedin-
wirkung verbunden?
[Aus dem chirurg. Laboratorium der Kais. Universität zu Kyoto
(Prof. Dr. R. Torikata).]
Von Dr. Y. Ischimoto.
Einleitung.
Da sich Proteinstoffe und Lipoide sehr schwierig voneinander
trennen lassen, so müssen wir annehmen, daß bakterielle Antigene
normalerweise mindestens aus 2 Komponenten, Proteinstoffen und Li-
poiden, bestehen. Seit der 1. Publikation von R. Torikata!) im Jahre
1917 über die Impedinerscheinung bei der Präzipitation ist vielfach
nachgewiesen, daß native (unerhitzte) Kulturfiltrate die Prozesse
wie Präzipitation, Komplementbindung, Phagozytose und die Bildung
von Antikörpern (Agglutinine und Bakteriolysine) im Organismus bis
zu einem ansehnlichen Grade hemmen!). Es hat sich andererseits
herausgestellt, daß entfettete Mikroben ceteris paribus viel
schlechter phagozytiert werden als die nicht entfetteten
(Ischimoto). Daher fragt sich, welcher der beiden Bestandteile eines
nativen Antigens, Proteinstoffe oder Lipoide, die Eigenschaft besitzt,
den phagozytierenden Prozeß zu dämpfen oder zu hemmen. Im folgenden
möchten wir über die Versuchsergebnisse bezüglich dieser Frage be-
richten.
Versuch I.
Phagozytose, beeinflußt durch entfettetes Kulturfiltrat von
Staphylokokken.
Zu diesem Versuche haben wir von einer 24stünd. Agarkultur von Staphylo-
coccus pyogenes aureus eine beliebige Aufschwemmung von Kokken mit
Kochsalzlösung hergestellt, sie 24 Std. lang bei 37° C stehen gelassen und dann
durch eine Rilierant mids aKerne filtriert. Das Filtrat wurde mit gleichen
Teilen reinen Aethers während etwa 10 Minuten mit der Hand geschüttelt, als-
dann wurde der abgeschiedene Aether entfernt. Die Spur Aether, welche noch im
Kulturfiltrat enthalten ist, haben wir durch Erwärmung bei 40° C während
etwa 30 Minuten verdunsten lassen. Das so enthaltene Filtrat wurde in 3 gleiche
Teile geteilt. Ein Teil wurde ohne weiteres als entfettetes natives Kulturfiltrat
(N.F.— Lp) verwendet, während ein 2. Teil 30 Min. lang und der 3. Teil
60 Min. lang in einem bei 100°C siedenden Wasserbade erhitzt und somit als
F.K.— Lp. 30° bzw. bzw. F.K.— Lp. 60° zum nachstehenden Versuch herange-
zogen wurden.
Meerschweinchen von ca. 300 g Körpergewicht teilten wir in 2 je aus
3 Tieren bestehende Gruppen A und B. Tiere der Gruppe A bekamen ip. je
0,5 ccm von N.F.—Lp. und die der Gruppe B dieselbe Menge von F.K. — Lp. a.
30 Min. später erhielten sämtliche Versuchstiere intravenös eine Aufschwemmung
von Staphylococcus pyogenes aureus in der Menge von 1,0 cem (zirka
0,0035 ccm der Kokkenleiber), um das Verhalten der Phagozytose und Hyper-
leukozytose bei den beiden Gruppen A und B miteinander zu vergleichen. Die
Ergebnisse sind in den Tabellen 1—3 enthalten.
1) Siehe die Literaturangabe am Ende dieser Arbeit!
Ischimoto, Mit welch. Bestandteile des Antigens ist d. Impedinwirk. verbunden? 421
Tab. I (N.F.—Lp).
Durchschnittliche Ergebnisse der Phagozytose im Blutkreislaufe von 3 Meer-
schweinchen, welche zunächst N.F.—Lp. ip. und dann 30 Min. später eine Auf-
schwemmung von lebendigen gleichnamigen Erregern iv. erhielten.
Unter 200 weißen Zellen
pe: pais | Fress. Z. | Gefr. Kokk. | Phagozytat
Vor der Einverleibung von | | |
t; Kokken 5600 0 0 0
Intraperitoneale Einspritzung von 0,5 cem eines nativen, durch Aether ex-
trahierten Kerzenfiltrates einer Kochsalzaufschwemmung von Staphylococcus
pyogenes aureus und nach !/, Std. iv. Einverleibung von einer Aufschwemmung
leichnamiger lebendiger Erreger in der Menge von 1,0 ccm (ca. 0,0035 ccm als
okkenleiber). | Y
| ‘15’ 7 400 8,3 20,0 28,3
Zeit nach Einverleibung | 50 AS ora ee
von Erregern bis zur 120° 9 600 93 337 430
Blutuntersuchung 240! 11 300 83 207 29 0
14807 9 400 3,7 8,7 124
Totale Summe | 68300 | 528 | 1628 | 215,1
Ges. W. = Zahl der gesamten weißen Zellen im 1,0 cem Blut.
Fress. Z. = Zahl der weißen Zellen, welche Staphylokokken im Protoplasma
aufgenommen haben.
Gefr. Kok. = Zahl der phagozytierten Kokkenleiber.
Phagozytat = Gefr. Kok. + Fres. Z.
Tabelle II (F.K. — Lp. 304,
Durchschnittliche Ergebnisse der Phagozytose im Blutkreislaufe von 3 Meer-
schweinchen, welche zunächst F.K. — Lp. 30 ip. und dann 30 Min. später eine
Aufschwemmung von lebendigen gleichnamigen Erregern iv. erhielten.
F Unter 200 weiBen Zellen
Fress. Z. | Gefr. Kokk. | Phagozytat
Untersuchung Ges. W.
Vor der Einverleibung von
Kokken 6800 0 0 0
Genau dieselbe Behandlung von Versuchstieren, nur daß anstatt N.F.—Lp.
F.K.—Lp. 30’ verwendet wurde.
15! 6 900 8,6 27,4 36,0
Zeit nach Einverleibung 30 pees ise ao =
von Erregern bis zur 4 jo 9 300 147 474 621
Blutuntersuchung 240! 12200 100 307 407
u RO N T 21,3 29,0
Totale Summe 52 000 64,1 2302 | 294,3
Tabelle III.
Einheitliches Blutbild betreffend Phagozytose bei den Tiergruppen, welche
N. F.—Lp. bzw. F. K.—Lp. 30° ip. erhalten hatten.
Art aes | Originale, : F ress. Gefr. Koëffizient der
Kulturfiltrats | Tabelle | Ges. W. | 2. Kokk. | Phagozytat Phagozytose
F.K.—Lp.30| 1 | 53000 | 523 | 1628 | 2151 | 408
N.F. — Lp. | 2 52 000 | 64,1 230,2 29143 | 5,65
422 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
Koéffizient der Phagozytose = Das auf 1000 von ges. W. als Einheit be-
rechnete Phagozytat.
Befund; Bei einer ungefähr gleich großen Anzahl von weißen Zellen war
die Phagozytose, also der Wert vom a a ar h: bei den N.F.—Lp.-Tieren
beträchtlich kleiner als bei den F.K.— Lp. 30’-Tieren.
Versuch II.
Phagozytose, beeinflußt durch Lipoide von Staphylokokken.
Staphylokokken wurden von einer Agaroberfläche mit 0,85proz. NaCl-Lösung
suspendiert, bei 60°C 30 Min. lang im Wasserbade erhitzt und dann mit
leichen Teilen chemisch reinem Aether chiittelt, der danach abgeschiedene
ether wurde abgegossen und vermischt. ie schmierige Substanz, welche nach
Verdunstung des Aethers sichtbar wurde, lösten wir in 96proz. Alkohol auf. Diese
alkoholische Lösung von Lipoiden wurde im Verhältnis von 1:10 mit 0,85proz.
NaCl-Lésung vermengt, um eine beliebig stark getrübte Emulsion von Lipoiden
zu gewinnen.
Von einem so erhaltenen Ausgangsmaterial bereiteten wir 1) native Lipoide,
2) bei 100°C 20 Minuten lang erhitzte Lipoide, die wir mit folgenden
kürzungen bezeichnen: 1) N.Lp., 2) K.Lp. 20’ und 3) K.Lp. 60’. Die Ergeb-
aina a Untersuchungen wie bei Versuch I sind aus den Tabellen IV—VII
ersichtlich.
Tabelle IV (Lp.N.).
Durchschnittliche Ergebnisse der Phagozytose im Blutkreislaufe von 3 Meer-
schweinchen, welche zunächst native Lipoide der Staphylokokken ip. und
dann = Min. später eine Aufschwemmung von lebendigen gleichnamigen Erregern
iv. erhielten.
Unt ißen Zell
Untersuchung | Ges. W | nter 200 weißen Zellen
Vor der Einverleibung von
Kokken 5600 0 0 | 0
Intraperitoneale Injektion von 1,0 cem der Emulsion von aetherlöslichen Sub-
stanzen von Staphylokokken und 30 Min. später iv. Einverleibung von einer Auf-
schwemmung gleichnamiger lebender Erreger in der Menge von 1,0 cem (ca.
0,0035 cem als Kokkenleiber).
15‘ | 8000 13,3 41,4 54,7
Zeit nach Einverleibung a >. we a.
von Erregern bis zur | 120 | 9 800 134 56.6 70.0
Blutuntersuchung | 240° | 11800 8'7 33.3 42.0
480° | 7 700 8,0 26,0 34,0
Totale Summe | 56200 | 751 | 2726 | 377
Tabelle V (Lp. 20%).
Durchschnittliche Ergebnisse der Phagozytose im Blutkreislaufe von 3 Meer-
schweinchen, welche zunächst Lp. 20 ip. und dann 30 Min. später eine Auf-
schwemmung von lebendigen gleichnamigen Erregern iv. erhielten.
7 | p ri Unter 200 weißen Zellen
Untersuchung | Ges. W. |— = `
| Fress. Z. | Gefr. Kokk. | Phagozytat
Vor der Einverleibung von | Vers mul dl l =H ne
Kokken | 6400 0 0 | 0
Genau dieselbe Behandlung von Versuchstieren wie bei Tab. IV, nur daß
anstatt Lp.N. Lp.20 herangezogen wurde.
1) Diesbezüglich siehe die Arbeiten von H. Suguro, Zeitschr. f. Immunitäts-
forsch. Bd. 42. 1925. S. 77 u. 535.
Ischimoto, Mit welch. Bestandteile des Antigens ist d. Impedinwirk. verbunden? 423
Daio Ges. W. | Unter 200 weißen Zellen
| Fress. Z. | Gef. Kokk. | Phagozytat
jr 15' 7600 | 10,6 26,7 37,3
Zeit nach Einverleibung = Her ns 2 a
von Erregern bis zur À 100, 8100 20.4 78,7 99,1
Blutuntersuchung |340 | 11300 13,3 58,1 714
480‘ 8 700 10,3 34.0 44,3
Totale Summe 54 400 77,6 292,8 370,4
Tabelle VI (Lp, 60°).
Durchschnittliche Ergebnisse der Phagozytose im Blutkreislaufe von 3 Meer-
schweinchen, welche zunächst Lp.60° ip. und dann 30 Min. später eine Auf-
schwemmung von lebendigen gleichnamigen Erregern iv. erhielten.
RS TREE Š Unter 200 weißen Zellen
Fress. Z. | Gefr. Kokk. | Phagozytat
Untersuchung Ges. W.
Vor der Einverleibung von 7
Kokken | 6500 0 0 0
Genau dieselbe Behandlung von Versuchstieren wie bei Tab. IV, nur daß
anstatt Lp. N. (resp. Lp. 20’) Lp. 60° verwendet wurde.
15° 7 600 11,9 34,7 46,6
Zeit nach Einverleibung ia E- oe 2 ce 1026
von Kokken bis zur Blut- À, 9600 15,0 73.4 88,4
untersuchung 940° 9 100 11,0 36,9 47,0
480° 7 500 7,3 18,0 25,3
Totale Summe 59 400 79,1 | 292,7 371,8
Tabelle VII,
Einheitliches Blutbild bezüglich der Phagozytose bei den Tiergruppen, welche
N. Lp., K. Lp. 20’ resp. K, Lp. 60’ ip. erhalten hatten.
Koktionsdauer der Lipoide Befund der Hyperleukozytose und Ph ozytose, beeinflußt
von Staphylococeus pyo- | durch die vorherige Einverleibung von Lipoiden der gleich-
genes’ aureus | namigen Frreger
_ ai | = = = =
| Ges. W. | Fress. Z. | Gefr. Kokk. | Phagozytat zi Koéffizient
0 Minuten 56200 | 75,1 272,6 347,7 6,2
= 54 400 77,6 292.8 370,4 6,8
6, 59400 | 79,1 292,7 371,8 63
Ergebnis: Sowohl die Anzahl der weißen Zellen, als auch der Grad der
Phagozytose, welche mittels der Testmaterialien: N.Lp., K.Lp. 20’ und K.Lp. 60
erzielt worden waren, fielen.beinahe gleich groß aus.
Betrachtung der Versuchsergebnisse.
Zufolge der oben erwähnten Befunde dürften die Eigenschaften der
nativen und gekochten Kulturfiltrate, die darin sich äußern, daß
die ersteren gegenüber den letzteren etwas größere Hyperleukozytose
verursachen und trotzdem bei weitem kleinere Phagozytose ergeben.
dadurch verständlich gemacht werden, daß man im nativen Kultur-
filtrate eine Substanz oder richtiger eine biologische Energie
annimmt, welche den Prozeß der Phagozytose bis zu einem gewissen
Grade hemmt und welche bei einer hochgradigen Erhitzung an sich total
424 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
wirkungslos gemacht wird, während dabei die antigene Wirkung der
Kulturfiltrate trotz ihrer hochgradigen Erhitzung noch unversehrt er-
halten bleibt. Die supponierte Substanz, welche im nativen Kultur-
filtrat enthalten sei, wurde im Jahre 1907 mit der Bezeichnung ,,Im-
pedin“ (R. Torikata) belegt. Unsere Versuchsergebnisse lehren uns
weiter, daß diese Energie: Impedin nicht mit dem Lipoidanteil,
sondern mit dem Proteinkörperanteil nativer Antigene ver-
bunden ist.
Wenn der Proteinkörperanteil eines nativen Antigens Impedine
enthält, die u. a. den Prozeß der Phagozytose gewissermaßen hemmen.
dann folgt daraus der ganz natürliche Schluß, daß Nativantigene
gegenüber den Koktoantigenen, bei welchen die Impedine ver-
pichtet worden sind, einerseits giftiger wirken und andererseits
größere immunogene Aviditäten entfalten müssen, weil die
Gewinnung der aktiven Immunität, lokal oder allge-
mein, auf nichts anderes zurückzuführen ist, als auf pa-
renterale Verdauung der Antigene im Protoplasma der
phagozytären Zellen mesenchymatöser Natur!). Die im-
munogenen Substanzen müssen daher einerseits durch Erhaltung bzw.
Zusatz von Lipoiden (Ischimoto u. Kawai), andererseits durch
Vernichtung von Impedinen viel besser, d. h. in einer weit größeren
Menge phagozytiert werden als sonst; ein Verhalten, wodurch ja im-
munogene Substanzen einerseits an ihrer Giftigkeit ver-
mindert und andererseits an ihrer antigenen Wirksam-
keit erhöht werden müssen.
Zusammenfassung.
1) Entfettetes natives Kerzenfiltrat einer Aufschwemmung von
Staphyloccus pyogenes aureus zeigte einen bedeutend kleineren
Koeffizienten der Phagozytose als das gleiche bei 100°C 30 Min.
lang erhitzte Testmaterial. — 2) Dagegen ließ sich bei der Kochsalz-
emulsion der Lipoide von Staphylococcus pyogenes aureus
keine beträchtliche Aenderung der dadurch herbeigeführten Phagozytose
feststellen, wenn sie im nativen, 20 oder 60 Min. lang gekochten Zu-
stande verwendet worden war. — 3) Die Impedinwirkung nativer
antigener Substanzen ist nicht mit ihrem Lipoid-, sondern Protein-
körperanteil verbunden. — 4) Bei immunogenen Materialien mikro-
biotischer Herkunft sollen die darin enthaltenen Lipoide erhalten
bleiben und die Impedine, welche mit dem Proteinkörperanteil
nativer immunogener Substanzen der Mikroben verbunden sind, total be-
seitigt werden, wenn sie als Immunogene in vivo möglichst
ungiftig sein und möglichst wirksam funktionieren sollen.
Literatur über die Impedinerscheinung.
1) Torikata, R., Koktopräzipitinogene und Koktoimmunogene. Bern 1917. —
2) Uyeda, O., Ueber die Im yedinerscheinung bei Choleravibrionen. (Zeitschr. d.
apan. mikrobiol. Gesellsch. Bd. 16. 1922. [japan. u. deutsch].) — 3) Ders.,
srforschung über die Antigene von Choleravibrionen im Lichte der Komplement-
1) Vgl. die Arbeiten von S. Nakagawa, Zeitschr. f. Immunitätsf. Bd. 39.
1924. S. 187--191, sowie ibid. Bd. 42. 1925. S. 413.
Ischimoto, Die Rolle der Lipoide der Mikroben bei ihrer Phagozytose usw. 495
bindungsreaktion. (Japana Centrarevuo Medic. 1924. No. 30; 1924. No. 419—421.)
— Suguro, H., Zur Frage der Artspezifität der Impedinerscheinung im Lichte
der Phagozytose im Blutkreislaufe der Versuchstiere. ges d. med. Gesellsch.
zu Tokio. Bd. 38. 1924. Nr. 9 [japanisch u. deutsch].) — 5) Kataoka, Sh,
Ueber die Impedinerscheinung bei der Präzipition und Komplementbindungsreaktion
(SRR) bezüglich Mäusetyphusbazillen. (Ibid. Bd. 38. 1924. Nr. 10 [japanisch u.
deutsch.) — 6) Torikata, R., Impedinerscheinung bei K ripieno pinia
reaktion. (,Ikaijiho“, 1924. Nr. 1535—1570.) — 7) ap bike H., Ueber die
Impedinerscheinung bei der Phagozytose. 1. Mitt. (Zeitschr. f. Immunitätsf. Bd. 42.
1925. S. 58.) — 8) Ders. Ueber die Impedinerscheinung bei der Phagozytose.
II. Mitt. ve S. 525.) — 9) Ders., Ueber die Impedinerscheinung bei Phago-
zytose. III. Mitt. (Ibid. Bd. 46. 1926. S. 399). — 10) Derselbe, Experimentelle
Grundlagen zur Beurteilung antigener Avidität im Lichte der Phagozytose. (Japana
Centrarevuo Med. 1925. No. 436/7.) — 11) Derselbe, Einfiuß des nativen und
ee Antigens auf die Phagozytose im Blutkreislaufe der Versuchstiere. (Mitteil.
. med. Gesellsch. Tokio. Bd. 39. 1925. No. 10.) (japan. u. deutsch.) — 12)
Takamatsu, I., Ueber den Einfluß des Impedins auf die Bildung des Agglu-
tinins im Blute. (Ibid. Bd. 39. 1925. No. 10.) — 13) Fujimoto, A., Erforschung
über die Antigene von Shigaschen Dysenteriebazillen im Lichte der Komplement-
bindungsreaktion, insbesondere über die Impedinerscheinung bei dieser Reaktion.
(Ibid. Bd. 39. 1925. No. 9.) — 14) Fujimori, T., Ueber die Impedinerscheinung
bei der immunisatorischen Bildung von Agglutinin im Blute. (Ibid. Bd. 40. 1926.
No. 4.) — 15) Derselbe, Ueber die Impedinerscheinun bei der immunisatorischen
Bildung von Bakteriolysin im Blute. (Ibid. Bd. 40. 1926. No. 4.) — 16) Taka-
matsu, I. Ueber die Impedinerscheinung bei der Gewinnung der allgemeinen
aktiven Immunität mittels Bins ritzung von Typhusvakzine bei Kaninchen. (Ibid.
Bd. 40. 1926. No. 4.) — 17) TEU hinott Y., Die Impedinerscheinung bei der
Bor ae Hag betreffend Staphylococcus pyogenes aureus. (Japana Centra-
revuo Med. 1926. No. 472.) (japan.) — 18) Fujimori, T., Impedinerscheinung
bei der Phagozytose von Staphylokokken, beeinflußt durch Nativkulturfiltrat von
Pestbazillen. (Ibid. Bd. 40. 1926. No. 474.) — 19) Uyeda, O., Experimentelle
Untersuchungen über das Verhalten der Toxizität des Immunogens zu seinem
immunisatorischen Erfolg inbezug auf Nativimmunogen und Koktoimmunogen von
Choleravibrionen. (Mitteil. d. med. Gesellsch. zu Tokio. Bd. 40. 1926. No. 5.)
japan. u. deutsch.) — 20) Yamasaki, N., Ueber die Impedinerscheinung bei
der Komplementbindungsreaktion betreffend Staphylococcus pyogenes au-
reus. (Ibid. Bd. 40. 1926. No. 7.)
Nachdruck verboten.
Ueber die Rolle der Lipoide der Mikroben bei ihrer
Phagozytose im Blutkreislaufe der Versuchstiere.
[Aus dem chirurg. Laboratorium der Kais. Universität Kyoto (Prof.
Dr. R. Torikata).]
Von Dr. Y. Ischimoto.
Mit 5 Abbildungen im Text.
Einleitung. .
Die Versuchsergebnisse über die Komplementbindungsreaktionen:
SRR und ERR mittels der Torikataschen Untersuchungsmethode
führten zu der Ansicht, daß Komplemente und Phagozyten biologisch
gewissermaßen identisch sind (Torikata!) und Imamaki?). Somit
wollen wir weiter Versuche über die Rolle der Lipoide der Mikroben-
leiber bei ihrer Phagozytose anstellen, um zu wissen, wie weit die beiden
1) Acta scholae medic. universit. imp. in Kioto. Vol. 8. Fase. 4. 1926.
2) Ebenda. Vol. 9. Fasc. 1. 1926.
426 Centralbl. f. Bakt: ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
Phänomene: Phagozytose und Komplementbindung von den
in den antigenen Substanzen a priori enthaltenen Lipoiden ab-
hängig sind.
Versuchsanordnung.
Als Ausgangsmaterial zogen wir eine beliebige Aufschwemmung
von Staphylokokken heran, indem von einer 24 Std. alten Agarkultur
von Staphylococcus pyogenes aureus die Mikrobenleiber im
Verhältnisse von 3 Normalösen zu 1,0 ccm Medium mit 0,85proz. NaCl-
Lösung suspendiert wurden. Volumetrisch gemessen enthielt 1,0 ccm
dieser Aufschwemmung ca. 0,0035 ccm der Mikrobenleiber. Die Auf-
schwemmung wurde zur Sterilisierung im Wasserbade während 30 Min.
bei 60° gehalten und dann in 3 gleiche Portionen geteilt. Eine 1. Por-
tion A wurde als das Ausgangsmaterial für die Prüfung der Phago-
zytose verwendet und mit der Abkürzung Orig bezeichnet. Eine 2. Por-
tion B wurde mit dem gleichen Teile Aether während etwa 5—10 Min.
mit einer Hand beliebig stark geschüttelt, um den Aether wieder in situ
abzudampfen. Die auf diese Weise vorbereitete Aufschwemmung von
Kokken dient zur Kontrolle und wird mit der Abkürzung: Aether-
Orig bezeichnet. Die 3. Portion C haben wir zunächst genau gleich wie
bei der Portion B mit Aether zusammen geschüttelt, um dann den aus-
geschiedenen Aether abzupipettieren. Die Spur von Aether, welche
trotz der Ausscheidung noch in der Aufschwemmung enthalten ist,
ließen wir durch Erwärmung verdunsten, indem dieselbe im Wasserbade
bei 409 C während etwa 4 Std. gehalten wurde. Die so erhaltene
Aufschwemmung von Kokken als Testmaterial bezeichnen wir mit der
Abkürzung: Orig — Lp. Somit haben wir von einer Aufschwemmung
von Staphylokokken, welche durch Erhitzung bei 60° C während
30 Min. abgetötet worden sind, 3 Untersuchungsmaterialien vorzu-
bereiten: 1) Orig, 2) Aether-Orig und 3) Orig — L
Als Versuchstier bedienten wir uns des Meerschweinchens mit einem
Körpergewicht von ca. 300 g. Jede Versuchsgruppe bestand aus
3 Tieren, so daß die Ergebnisse der Untersuchungen immer in durch-
schnittlichen Zahlen angegeben werden. Den Versuchsgruppen 1—3,
welche aus normalen Tieren bestanden, wurden jeweils Orig, Aether-
Orig und Orig — Lp intravenös eingespritzt, um dann den Verlauf
der sich im zirkulierenden Blute abspielenden Phagozytose inbezug
auf die betreffenden Kokken unter Berücksichtigung der dabei nach-
weisbaren Hyperleukozytose genau zu verfolgen.
Andererseits wurden gleichsinnige Prüfungen an den Versuchs-
gruppen IV und VI angestellt, bei denen die Tiere bereits gegen Sta-
phylokokken gewissermaßen immunisiert worden waren, indem sie
7 Tage vorher eine bestimmte Menge polyvalenten Koktoimmunogens
von Staphylokokken intraperitoneal bekommen hatten. Die Technik
der Versuche war dieselbe wie bei den Arbeiten von H. Suguro!).
Versuch I.
Phagozytose abgetöteter Staphylokokken (Orig) im zirkulierenden
Blute normaler Meerschweinchen.
Um uns zunächst zu orientieren, wie das Ausgangsmaterial (Orig), welches, wie
oben erwähnt, eine bestimmte Aufschwemmung abgetöteter Staphylokokken darstellt,
1) Zeitschr. f. Immunitätsf. Bd. 42. 1925. S. 58, sowie 525.
Ischimoto, Die Rolle der Lipoide der Mikroben bei Ihrer Phagozytose usw. 427
im zirkulierenden Blute normaler Meerschweinchen phagozytiert werden, stellten wir
Versuche an, deren Prozedur und Ergebnisse aus Tab. I ersichtlich sind.
Tabelle I. (Norm und Orig.)
Durchschnittliche Ergebnisse von 3 normalen Meerschweinchen über die Phago-
zytose im Blutkreislaufe von durch Erhitzung abgetöteten Kokken (Orig).
Unter 200 weißen Zellen
| | Neutrophile
Untersuchung = tres. | gefr. Phago. Leukozyten | eS | Leukozyten
Z. \Kok., zyten = fres.| gefr. ol | fres.| gefr. | o, fres.| gefr.
| | /o | Z. |Kok.| "° | Z. |Kok. lo Z. | ok.
|
Vor der Einver- | | | |
leibung von |
Kokken (Orig)| 6400) 0 | o| o |233| o | o |698| o| o |58| o | 0
Intravenöse Injektion einer Aufschwemmung von Staphylococcus pyo-
genes aureus, welcher durch Erhitzung bei 60° C während 1/, Std. ab-
tötet worden war; und zwar in der Menge von 1,0 ccm (= ca. 0,0035 ccm als
okkenleiber).
15 8400| 4.7] 25,3 30 | 37 | 471 25,3; 54,800) 6,2) 0 | 0
Zeit nach Einverlei- || 30‘ 830016,3 28 | 44,3 44,211 | 48 | 42,8.0 010,5 5 118,7
bung von Kokken | 60/1050022 118,4 1404 57,8/17,7 104,7 27800, 9,8 4,3.13,7
(Orig) bis zur Blut- (120 1380017,6] 9931169 638163 94 | 28,200 5 | 1,3 5,3
untersuchung [24012 100 194| 713 90,7 59/7177, 66 | 34,200 22 1” | 33
'480'| 9700 10,6 37.3 47.9 52,310 | 35,3 42 1000 27 0,3. 0,2
Totale Summe | 692009,63:9,64702 [124833 OÙ 111,941,7
mn a
(450,7) ')
ges. W. = Zahl der gesamten weißen Zellen in 1,0 ccm Blut.
fres. Z. = Zahl der Phagozyten, welche Stapphylococcus pyogenes
aureus im Protoplasma aufgenommen haben.
petr. Kok. = Zahl der phagozytierten Kokkenleiber.
hagozytat = (fres. Z. + gefr. Kok.) betreffs Phagozyten.
Versuch II.
Phagozytose der mit Aether zusammen geschüttelten Stahyplo-
kokken (Aether-Orig) im zirkulierenden Blute normaler Meer-
schweinchen.
Zur Kontrolle wurden sowohl Phagozytose als auch Hyperleukozytose bei der
originalen Aufschwemmung von Staphylokokken geprüft, welche einfach mit Aether
zusammen geschüttelt, jedoch nicht damit extrahiert worden waren (Aether-Orig).
Die Ergebnisse der Versuche sind in Tab. II enthalten.
Tabelle II. (Norm und Aether-Orig.)
Durchschnittliche Ergebnisse von 3 normalen Meerschweinchen über die Phago-
zytose im Blutkreislaufe von mit Aether zusammen einfach geschüttelten Kokken
(Aether-Orig).
| Unter 200 weiBen Zellen
| fres. | gefr fres. | gefr.
0
Z. |Kok.| lo
| | Neutrophil Eosinophil
: phile sinophile
Untersuchung pes fres. | gefr.|Phago- Leukozyten Lymphozyten Leukozyten
Z. |Kok.| zytat | | |fres.|gefr.| o
| | | Io 2. | ok. lo
Vor der Einver- | | | |
leibung von
Kokk. (Aether- | | | |
Orig) 52001 0 | o | o l38|o0 | o [578 o | o |43| 0 |
1) „Neutrozytat“ (s. den Text !).
428 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
Intravenöse Injektion einer Aufschwemmung von Staphylococcus pyo-
genes aureus, welcher durch Erhitzung bei 60° C während !/, Std. abgetötet
und dann mit Aether zusammen einfach geschüttelt worden war; und zwar in
der Menge von 1,0 ccm (= ca. 0,0035 ccm als Kokkenleiber).
15'| 7 700|18,3| 84 |102,3| 38,2117,3] 76,7) 59 |0|0| 1,2] 0,7| 5,3
Zeit nach Einverlei- || 30‘ 6 800/23,6113,3 136,9| 47,520,3| 98 | 47 00 3,5 3,3115,3
bung der Kokken J| 60! 8600/14,3| 87.3101,6| 50 |13 | 82 | 43 00 4,8) 1,3) 5,3
(Aether-Orig) bis zur \|120‘16 100|18,7| 75,3 94 | 64 17,7 71,3] 33,300] 18 1 | 4
Blutuntersuchung | 240.13 900 15,7 60 | 75,7| 64,214/7 58 | 32,300 1,8 0,7) 1,3
480'| 7900| 9,3| 40 | 49,3| 57,3| 9° | 39,3] 37,500! 3 | 0,3) 0,7
Totale Summe | 1662009,9459,91559,8 [92 453 00) | 7,331,9
— ——
(517,3)
Versuch III.
Phagozytose der mit Aether extrahierten Staphylokokken
(Orig — Lp) im zirkulierenden Blute normaler Meerschweinchen.
Eine gleichsinnnige Prüfung wie beim Versuch I und II wurde mit dem Test-
material : ee angestellt. Dasselbe stellt, wie bereits erwähnt, eine Portion
der originalen Aufschwemmung der durch Erhitzung abgetöteten Staphylokokken
dar, von welchen jedoch ätherlösliche Substanzen (Lipoide) extrahiert worden sind.
Es ist klar, daß diese Extraktion der Lipoide quantitativ keine vollständige sein
kann. Die Versuchsergebnisse sind in Tab. III enthalten.
Tabelle III.
(Norm und Orig. —Lp.
Durchschnittliche Ergebnisse von 3 normalen Meerschweinchen über die Phago-
zytose im Blutkreislaufe von durch Aether extrahierten Kokken (Orig — Lp).
Unter 200 weißen Zellen
er Neutrophile |, _ | Eosinophile
Untersuchung I fres. | gefr | Phago-| Leukozyten | Lymphozyten | Leukozyten
| Z. Kok.) zytat |, fres. gefr.| „, |fres.|gefr.| o fres. gefr.
| o | Z. Kok.| | Z. |Kok.| % | Z. (Kok.
Vor der Einver- | | | re
leibung von | | | |
Kokken (Orig | |
— Lp) 20 0|0o| o [34510] 0 |59 | 0 | 0 |42| 0 | ©
Intravenöse Injektion einer Aufschwemmung von Staphylococcus pyo-
genes aureus, welcher durch Erhitzung bei 600 C während 1/, Std. abgetötet
und dannn durch Aether extrahiert worden war; und zwar in der Menge von
1,0 cem (= ca. 0,0035 cem als Kokkenleiber).
15‘) 7 600)16,7| 72 | 88,7] 41,8113,7| 57.3] 53 010) 1,8) 1,3! 6
Zeit nach Einverlei- || 30° 9 500/15,3| 52,7; 68 | 56,2/11,3) 37,7) 34 0/0) 6,8) 3,7| 14,3
bung der Kokken j| 60‘12 200/10 | 56 | 66 | 52 | 7,3) 44 39,300) 6 12,712
(Orig — Lp.) bis zur) 120‘19900 15,3 67,3) 82,6) 78,215 | 65,3) 17,700 2,830 | O
Blutuntersuchung 240/12 500 9,7| 44 | 53,7 67,3) 9,7) 44 | 29,700 1,8 0 (0)
480°10 900| 5,6! 19,4) 25 | 57,7| 5,3) 18,7| 35,7 00 4|0 10
Totale Summe | |80 000172,61311,4384 | 162,3/267 | 100| :7,7,32,3
(339,8)
Betrachtung der Ergebnisse der Versuche I—IIL.
Die in den Tabellen I—III angegebenen Befunde sind zur sinn-
fälligen Vergegenwärtigung noch in Fig. 1 in bezug auf die Hyper-
leukozytose und in Fig. 2 hinsichtlich der Phagozytose wieder-
gegeben. Daraus ersehen wir folgendes:
Ischimoto, Die Rolle der Lipoide der Mikroben bei ihrer Phagozytose usw. 429
elle er. |
19000
nite aaa
NN
17000 A
bis AE Te a
ar:
A
14000 r >
/ \
/ l
13000 7 x RERO
if =
12000 } 7 + IR TEE
/ ( ` Te, o
11 rig.
999 | / ' | SI mn Ce
. ‘
m. {/ |! | | Le 1 (Orig)
| 4 N x
9000 + pr RZ
, | >
8000 f = m (Asme =
t f Orig.
ENLI
7000 i+ — — +
' |
6000 ! ji = T
5000 l 77
015'30' 60° 120' 240 480‘
Fig. 1. Das Verhalten der gesamten weißen Zellen im Blute normaler Meer-
schweinchen, verursacht durch die iv. Injektion von Staphylokokkenaufschwemmung :
Ori |
IT Aether-Orig |
UI Orig—Lp Í
je in der Menge von 1,0 cem
1 CGris, À
I CQrig)
40 }
RE ZE 7
20
015'30' 60’ 120° 240°
Su Cas)
PE 2. Das Verhalten des Grades der Phagozytose (Phagozytatwerte) im Blut-
kreislaufe normaler Meerschweinchen, verursacht durch die iv. Injektion von Staphylo-
kokkenaufschwemmung:
I Orig. |
II Aether-Orig
Ill Orig—Lp Í
je in der Menge von 1,0 cem
1. Unter den Testmaterialien: Orig, Aether-Orig und Orig — Lp
führte eben das Orig — Lp, also diejenige Aufschwemmung von ab-
430 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
getöteten Staphylokokken, von denen die Lipoide bis zu einem gewissen
Grade extrahiert worden waren, die größte Anzahl der weißen Zellen
im Blute herbei (vgl. Fig. 1 Kurve 3), während die Hyperleukozytose
bei Orig und Aether-Orig keinem großen Unterschiede unterlag
(Fig. 1). — 2. Trotz der größten Anzahl der weißen Zellen im Blute
stellte sich das Resultat der Phagozytose, also der Wert von Phagozytat
eben beim Orig — Lp am kleinsten heraus, während sich kein be-
trächtlicher Unterschied zwischen den Phagozytatwerten bei Orig und
Aether-Orig konstatieren ließ (vgl. Fig. 2). — 3. Die Summe der
Anzahl der fressenden neutrophilen Leukozyten einerseits und der davon
gefressenen Kokkenleiber andererseits, die gegenüber dem Phagozytat
mit Recht als „Neutrozytat‘‘ bezeichnet werden dürfte, betrug 450,7
bei Orig (Tab. I), 517,3 bei Aether-Orig (Tab. II) und bloß 329,3
bei Orig — Lp (Tab. III). — 4) Es scheint also nachgewiesen zu
sein, daß Phagozyten (Histiozyten inklusive) beider spon-
tanen Phagozytose diejenigen Mikrobenleiber, vondenen
die a priori enthaltenen Lipoide mehr oder weniger ex-
trahiert worden sind, mit einer beträchtlich kleineren
Energie arretieren als die Originale, bzw. diejenigen,
welche zwar mit Aether zusammen geschüttelt, jedoch
nicht damit extrahiert worden waren!). — 5. Die Analogi-
sierung der Komplementbindungsreaktion mit der Phago-
zytose, somit auch die von Komplementen mit den Phagozyten
scheint insofern zurecht zu bestehen, als sowohl die solitaire
(spontane) Komplementbindungsreaktion SRR als auch
die spontane Phagozytose beieinem mit Aether mehr oder
weniger extrahierten Testmaterial beträchtlich herab-
gesetzt wird.
Versuch IV.
Phagozytose abgetöteter Staphylokokken (Orig) im zirkulieren-
den Blute immunisierter Meerschweinchen.
Nachdem wir uns über das Verhalten der spontanen Phagozytose bei nor-
malen Versuchstieren bezüglich Orig, Aether-Orig und Orig—Lp orientiert
haben, gingen wir zur gleichsinnigen Prüfung der Phagozytose bei den gegen Sta-
rt ge leichtgradig immunisierten Meerschweinchen über. u diesem
wecke wurden die Versuchstiere zunächst mit einer einmaligen intraperitonealen In-
jektion von 3,0 ccm eines gelagerten polyvalenten Koktoimmunogens von Staphylo-
kokken vorbehandelt. 7 Tage danach Nos die Tiere mit je 1,0 ccm der originalen
Aufschwemmung von Staphylokokken (Orig) intravenös gespritzt, um die Blut-
befunde inbezug auf die Hyperleukozytose und Phagozytose zu verfolgen. Die
Versuchsergebnisse sind in Tab. IV angegeben.
Tabelle IV.
(Immun. und Orig.)
Durchschnittliche Ergebnisse der Phagozytose der durch Erhitzung abgetöteten
Kokken im Blutkreislaufe von 3 Meerschweinchen, welche das Koktoimmunogen
des gleichen Erregers erhalten hatten.
1) Die Versuchsergebnisse von Paul Th. Müller über dieselbe Frage fielen
damals negativ aus (vgl. Zeitschr: f. Imm. Bd. 1. 1909. S. 61).
Ischimoto, Die Rolle der Lipoide der Mikroben bei ihrer Phagozytose usw. 431
Unter 200 weißen Zellen
i 5 Neutrophile Eosinophile
Patemvehing w fres. gefr. N Leukozyten de tra Leukozyten
Z. |Kok.| zytat |, |fres.|gefr.| o fres. | gefr. 97 fres. | gefr.
| | h | Z. 'Rok.| lo | Z. (Rox. o | Z. |Kok.
Vor der Einver- | | | | |
leibung von
Kokken (Orig)| 5200| 0 | 0 | 0O |20,8, 0 | 0 | 70] 0 | 0 |65| O | 0
Intraperitoneale Injektion von 3,0 cem des Koktoimmunogens von Sta-
hylococcus ogenes aureus. Nach Verlauf von 7 Tagen wurden die
iere wie in der Tab. I behandelt.
15°) 8900| 21,7) 59,7) 81,4| 44 |14,7| 34,3) 43 |00] 9,3) 6,3] 22,7
Zeit nach Einverlei- | 30‘) 9300| 17,7| 61,3) 79 | 42,313 | 40 | 41500112 | 4 |17,3
bung der Kokken j| 60’ 9600 27,31136,31163,6| 47,2 22,3113 | 38 (00| 10,2) 4 |17,3
(Orig) bis zur Blut- )/120'14 700! 24 | 93,4/117,4| 63,2/21 | 84 | 27200 6 | 1,7| 4,7
untersuchung |240110700) 7,7, 24 | 31,7 72,3, 7 | 22 | 21,500 3,3 0,7 2
480’ 16 200! 12 | 34,6] 46,6! 78,8)11,3 33,3) 17,500! 1,8 0,7) 1,3
Totale Summe | |746001110,41409,35519,7) 189,3 326,6] 010! 117,4) 65,3
(415,9)
Versuch V.
Phagozytose der mit Aether zusammen geschüttelten Staphylo-
kokken (Aether-Orig.) im zirkulierenden Blute immunisierter Meer-
schweinchen.
Zur Kontrolle stellten wir eine ähnliche Prüfung wie bei Versuch IV mit
Aether-Orig, also der Staphylokokkenaufschwemmung, welche mit Aether einfach
eschüttelt, jedoch nicht dadurch extrahiert worden war, an. Der Befund ist in
ab. V enthalten.
Tabelle V.
(Immun- und Aether- Orig.)
Durchschnittliche Ergebnisse der Phagozytose der durch Erhitzung abgetöteten
und dann mit Aether zusammen geschüttelten Kokken im Blutkreislaufe von
‘ Meerschweinchen, welche das Koktoimmunogen gleichnamigen Erregers erhalten
atten.
Unter 200 weißen Zellen
Doi Neutrophil čosi i
K | phile | Eosinophile
Untersuchung n fres. | gefr.| Phago- Leukozyten Lymphozyten Leukozyten
Z. |Kok. zytat |fres.|gefr.| o, | fres.| gefr. fres. | gefr.
i “le |Z Bok % [Zr Eok % | 2 Rok:
Vor der Einver- |
leibung der
Kokk. (Aether- |
Orig) 8000| 0 0 0 40,7| 0 0 | 56,3) 0 0 |18| 0 0
Intraperitoneale Injektion von 3,0 cem des Koktoimmunogens von Sta-
hylococcus pyogenes aureus. Nach Verlauf von 7 Tagen wurden die
Tiere wie in Tab. II behandelt.
| 15‘ 11 300 36 |161,31197,3| 50,826 |114,3| 40,7/0]0| 6,7| 8_|31,7
Zeit nach Einver- | | 30’ 12900) 24,3, 96,3 120,6) 38,7116,7, 68,3, 52800 6,3| 7,3125,3
leibung von Kokken || 60’ 16700 15,9, 66,7. 82.6 61,5110,3| 46 | 29 (010! 5,7| 5,3/18,7
(Aether-Orig) bis zur | 120‘ 19 000 20,4 92 112,4 70,219 | 85,3| 23,2010] 3,5] 0,7! 2
Blutuntersuchung [240 16 600| 9 | 35,3) 44,3! 68,5| 9 | 35,3| 29,500] 0,7 0
‚480° 11700! 7 | 20 | 27 | 59,716 | 18 | 33300 43| 1 | 2
Totale Summe | | 96 200,112,6.471,6584,2| 87 3672) [OU] 122,3/79,7
(454,2)
432 Centralbl f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
Versuch VI.
Phagozytose der mit Aether extrahierten Staphylokokken (Orig
— Lp) im zirkulierenden Blute immunisierter Meerschweinchen.
Die Ergebnisse der Versuche mit der Aufschwemmung von Staphylokokken, von
denen die Lipoide bis zu einem gewissen Grade durch Aether extrahiert worden
waren, fielen wie in Tab. VI zusammengestellt aus.
Tabelle VI.
(Immun und Orig— Lp)
Durchschnittliche Ergebnisse der Phagozytose der durch Erhitzung abgetöteten
und dann mit Aether extrahierten Kokken im Blutkreislaufe von 3 Meerschweinchen,
welche das Koktoimmunogen gleichnamiger Erregerstämme erhalten hatten.
Unter 200 weißen Zellen
| j Neutrophile | Eosinophile
Untersuchung 2 fres. gefr. Phago-| Leukozyten | Lymphosyien Leukozyten
Z. |Kok.| zytat | | |fres.| gefr.| o, |fres. efr| o/ fres. | gefr.
l | Z. 'Kok.| | Z. |Kok| % | Z. |Kok.
Vor der Einver-| |
leibung der
Kokken (Orig |
— Lip) 9400 0 | 0 0 (3750| 0/55] 0 | 0155} 0 | ©
Intraperitoneale Injektion von 3,0 cem des Koktoimmunogens von Sta-
phy lonoecus pyogenes aureus. Nach Verlauf von 7 Tagen wurden die
iere wie in Tab. IIL behandelt.
| 15| 770015 | 54 | 69 | 38,310 | 36 | 52,7,00| 6,2| 4 |15,3
Zeit nach Einverlei- || 30% 8300 9,9) 32 | 41,9) 38,7) 3,3) 16 | 48,7/0/0|10,5| 6,3,15,5
bung der Kokken }| 60‘ 15 300113,7 49,3) 63 | 58,7| 9,7| 35,3) 33,310,0 4,7| 4 |14
(Orig — Lip) bis zur) 1201710012 | 444| 56,4| 69,811 | 42,7 35.2001 2.8) 1 | 1,7
Blutuntersuchung | 240°) 12 90(1/10,3) 27,3] 37,6, 64,7| 9,3) 25,3) 28,200 3 | 0,7) 1,3
RE 1480) 10 000! 8,7) 24,7 33,4, 59,7| i 20,7 33,3010| 3,31 0,7 1,3
Totale Summe | |8070069,6,231,7301,3 50,3176 | 00] ]16,7/48,9
(226,3)
Betrachtung der Ergebnisse der Versuche IV—VI.
Die Versuchsergebnisse der Tabellen IV bis VI sind zur besseren
Uebersicht noch in Fig. 3 und 4 kurvenmäßig dargestellt.
Daraus geht folgendes hervor:
1) Auffallend ist die Feststellung, daß sich die Hyperleukozytose
bis zur 4. Std. am größten bei Aether-Orig, mittelmäßig groß bei
Orig—Lp und am kleinsten bei Orig erwies, während sie am Ende der
8. Std. am größten bei Orig, mittelmäßig groß bei Aether-Orig und
am kleinsten bei Orig — Lp war. — 2) Bezüglich des Grades der
Phagozytose ließ sich kein großer Unterschied zwischen dem Orig und
Aether-Orig konstatieren, während das Testmaterial Orig — Lp, also
die durch Aether extrahierte Aufschwemmung von Staphylokokken
die kleinste Phagozytose verursachte (vgl. Fig. 4, Kurve III). — 3) Das
sogenannte „Neutrozytat“, in welchem sich eben der Grad der Phago-
zytose bei neutrophilen Leukozyten. dokumentiert, betrug 415,9 bei
Orig, 454,2 bei Aether-Orig und bloß 226,3 bei Orig — Lp. —
4) Somit ist der Nachweis erbracht worden, daß auch bei den immuni-
sierten Tieren die mehr oder weniger mit Aether um ihre a priori
vorhandenen Lipoide beraubten Staphylokokken gegenüber den origi-
nalen bzw. bloß mit Acther zusammen geschüttelten, jedoch nicht
Ischimoto, Die Rolle der Lipoide der Mikroben bei ihrer Phagozytose usw. 433
19000 7 u ı
in
18000 APRES
RUE =
17000 7 ZN an?
£o ims 1>
16000 gg
I COrig.)
CED
4
> te
9000 |
8000 -
7000 a
6000 +
5000
015'30'60' 120° 240° 480'
Fig. 3. Das Verhalten der gesamten weißen Zellen im Blute im
schweinchen, verursacht durch die iv. Injektion von:
I Orig. i
II Author One ie in der Menge von 1,0 cem
III Orig—Lp
200
3o HH- l das
Sol IE ij
munisierter Meer-
1 COrig.)
m CS
Aether
a Orig. 3
O 15' 30' 60° 120' 240° 480°
Fig. 4. Das Verhalten des Grades der Phagozytose (Phagozytat
durch die iv. Injektion von:
us |
IL Aether-Orig
III Orig—Lp |
Erste Abt. Orig. Bd. 101 Heft 6/7.
je in der Menge von 1,0 ecm
werte), verursacht
434 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
damit extrahierten Kokkenleibern bei weitem am wenigsten phagozytiert
werden; d. h. mit anderen Worten, Phagozyten und Komple-
mente lassen sich biologisch insofern identifizieren, als
die beiden diejenigen Antigene, welche ihre aprioristi-
schen lipoiden Substanzen mehr oder weniger stark ver-
loren haben, mit einer’ beträchtlich kleineren Energie
binden resp. arretieren als die originalen Antigene, die
ihre Lipoide vollständig besitzen.
Zusammenfassende Betrachtung sämtlicher Befunde
nebst Diskussion.
Stellen wir nun die oben erwähnten wichtigen Befunde nebenein-
ander zusammen, so ergibt sich Tabelle VII, in welcher der Wert von
Hyperleukozytose, Phagozytat sowie Neutrozytat bei nor-
malen bzw. immunisierten Tieren inbezug auf Orig, Aether-Orig
und Orig — Lp miteinander verglichen werden kann.
Tabelle VII.
Vergleichende Zusammenstellung der Hyperleukozytose und Phagozytose bei
normalen mid immunisierten Tieren in Bezug auf Orig, Aether-Orig und
Orig — Lp.
; | = =
4 er ‚ Testmaterial | Zu an) Zu | ig, Zu $
Originale Tiere | für die | ge. | resp. | Seg | resp. | à i 5 3, resp. N
Tabelle waren w. | Ab- ap Ab- Soe Ab- 5
| Phagozytose | nahme = S'Inahme! $ LZ R” nahme Š
| | | SE te)
1 normal Orig 169 200 | — 470,2 — 16,79 450,7 — 16,51
4 immunisiert Orig 74 600 | + 5400 519,7/+ 49,5 6,97) 415,9 — 34,8) 5,58
2 normal Aether-Orig |66200 | — 559,81 — (8465173, — 7,81
5 immunisiert | Aethrer-Orig |96 200 + 30000 584,2 + 24,4,6,07 454,2. - 63.11 4.77
3 normal | Orig — Lip | sven’) — 384| — |4,803293 — 4,12
6 immunisiert | Orig — Lip [80700 | +700 sonsl— 8271,75 226,3 — 103 8,80
Diese Nebeneinanderstellung der Befunde gestattet uns folgende Be-
trachtungen :
a) Ueber Hyperleukozytose.
Mittels der Injektion von Testmaterialien: Orig, Aether-Orig
und Orig — Lp wurde eine beträchtliche Hyperleukozytose im zir-
kulierenden Blute hervorgerufen und zwar bei den immunisierten
Tieren in einem höheren Maße als bei den normalen.
Dabei war der Unterschied zwischen der Anzahl der gesamten weißen
Zellen im Blute der normalen und immunisierten ‘Tiere, welche mittels
Orig — Lp hervorgerufen waren, ein winzig kleiner (700), während
sich die absolute Anzahl der gesamten weißen Zellen bei denjenigen
Tieren, welche eben Orig — Lp bekommen hatten, gegenüber den
übrigen, also den Orig- sowie Aether-Orig-Tieren am größten heraus-
stellte. Die Anzahl der gesamten weißen Zellen betrug nämlich 80 000
bei normalen Orig — Lp-Tieren, 69200 resp. 66200 bei normalen
Orig- resp. Aether-Orig-Tieren.
1) Phagozytat = Zahl der sämtlichen fres. weißen Zellen + gefr. Kokken.
2) Neutrozytat = Zahl der fres. neutrophilen Zellen + gefr. Kokken.
3) Ein Zeichen dafür, daß die Giftigkeit von Orig — Lp gegentiber Orig
resp. Aether-Orig eine beträchtlich hochgradigere ist.
Ischimoto, Die Rolle der Lipoide der Mikroben bei ihrer Phagozytose usw. 435
Der oben erwähnte Befund will uns sagen, daß die Giftigkeit
des mit Aether extrahierten Testmaterials (Orig — Lp)
unter den anderen, Orig und Aether-Orig, am größten sein
muß, weil durch die Arbeit von Saguro bekannt ist, daß die Hyper-
leukozytose mit der Giftigkeit des dabei verwendeten anti-
genen Materials bis zu einem gewissen Grade Hand in
Hand geht!). Diese Feststellung verkündet im voraus, daß das
Testmaterial: Orig— Lp wegen seiner erhöhten Giftig-
keit am schwächsten und am wenigsten phagozytiert und
daher als immunogene Substanzen auch am wenigsten
ausgenutzt werden wird.
b) Ueber Phagozytat.
Trotz der größten Anzahl der weißen Zellen im Blute war das
Resultat der Phagozytose, also das Phagozytat bei weitem am
kleinsten (384 u. 301,3) bei denjenigen Tieren, welche Orig -- Lp
bekommen hatten, während dasselbe bei den Orig- und Aether-Orig-
Tieren keinen wesentlichen Unterschied aufwies (470,2 u. 519,7 bzw.
559,8 u. 584,2). Dabei war auffallend, daß der Wert von Phagozytat
bei normalen Orig— Lp-Tieren 384 betrug, während sich derselbe
bei immunisierten Orig—Lp-Tieren deutlich kleiner und als 301,3
herausstellte. :
Der obige Befund deckt sich mit der vorerwähnten Feststellung
und Betrachtung über die Hyperleukozytose und gilt somit als ein fester
Beweis dafür, daß 1. das Testmaterial: Orig — Lp sowohl bei
normalen als auch bei immunisierten Tieren unter den
übrigen Antigenen am wenigsten phagozytiert und darum
als ein antigenes (s. immunogenes) Material vom Orga-
nismus am wenigsten ausgenutzt wird, und daß 2. die Phago-
zyten diejenigen antigenen Substanzen, welche der eigentlichen lipoiden
Substanzen mehr oder weniger beraubt worden sind, nicht mehr gern
phagozytierten, obwohl dabei das Medium, in welchem sich die Phago-
zytose abspielen soll, infolge der Immunisierung spezifische Antikörper
enthält, wie dies bei den immunisierten Orig- bzw. Aether-Orig-
Tieren deutlich nachgewiesen ist. Es läßt sich also nicht mehr
leugnen, daß sowohl die Phagozytose als auch die Kom-
plementose?) eine innige Beziehung zu den Lipoiden haben.
Dadurch wurde unsere Ansicht bestätigt, daß Komplemente biologisch
als „Phagozyten im flüssigen Zustande“ angesehen werden
dürfen oder daß Komplemente und Phagozyten insofern gewissermaßen
als identisch aufzufassen sind, als die beiden sich mit den Lipoiden der
Antigene verbinden, die jede antigene Substanz a priori mehr oder
weniger enthält. Nichtsdestoweniger müssen wir jedoch auch zugeben,
daß z. B. Staphylokokken, wenn sie auch von den lipoiden Substanzen
gänzlich befreit sein mögen, doch mehr oder weniger phagozytiert
werden müssen, weil wir wissen, daß die Phagozyten auch Fremdkörper
frei von Lipoiden, wie z. B. Tusche, Carmin etc. wohl speichern.
c) Ueber Neutrozytat.
Unter ,,Neutrozytat” verstehen wir die Summe der Anzahl der
phagozytierenden neutrophilen Zellen und der davon phagozytierten
ie 23 Zeitschr. f. Immunitätsf. Bd. 42. 1925. S. 536 ff.
2) Vgl. die Arbeit von Imamaki (l. c.).
28*
436 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
Kokkenleiber, welches also den Grad der Phagozytose in bezug auf
die neutrophilen Zellen indizieren soll. Es hat sich nun herausgestellt,
daß das Neutrozytat bei den immunisierten Tieren übereinstimmend bei
sämtlichen antigenen Testmaterialien deutlich kleiner war, als bei den
normalen (s. Tab. VII). Was dieser Befund bedeuten soll, wissen wir
vorläufig nicht; denn das Phagozytat, also der Grad der allgemeinen
Phagozytose im Blutkreislaufe war bedeutend größer bei den im-
munisierten Tiere als bei den normalen, wie bereits oben er-
örtert, nur daß dieses Verhalten bei den Orig — Lp-Tieren umgekehrt
war (s. Tab. VII).
Auch bei Betrachtung von Neutrozytat ergab sich, daß die Phago-
zytose der neutrophilen Leukozyten bei den Orig — Lp-Tieren eine
bei weitem minderwertigere war, als die bei dem Orig- und Aether-
Orig-Tieren. Somit gelangen wir zu dem Schlusse, daß die Li-
poide, welche in den mikrobiotischen Antigenen a priori
enthalten sind, sowohl bei der Komplementbindungs-
Y Kg. 5. Das Verhal-
ten des Phagozytatwertes
re F ss. ia zu dem Grade der Hyper-
20000 2 leukozytose bei 1) norma-
De Sos Aged N L , len bzw. 2) immunisierten
99 RTE x Tieren betreffend die fol-
genden Aufschwemmun-
70000 "
' gen der Staphylokokken :
60000 Orig: II er -Orig
und III Orig — Lp.
s0000 | Der Winkel YOIIL,
40000 indiziert z. B. die Größe
L des Koëffizienten der
30000
-7 Phagozytose bei immuni-
à sierten Tieren betreffend
k
20000 Orig — Lp, erscheint hier
10000 also am kleinsten unter
L j x den übrigen, YOLI, —
o 100 200 300 400 500 600 YOIL.
reaktion (ERR resp. SRR) als auch bei der spontanen
resp. induzierten Phagozytose eine große Rolle spielen!).
Wenn also die Phagozytose der Mikrobenleiber in Gegenwart
von spezifischen Antikörpern in der Regel sehr erhöht werden soll,
so muß dabei natürlich die Bedingung wohl erfüllt sein, daß dabei
te lt der Mikroben an Lipoiden ein konstanter
eibt.
d) Ueber den Koéffizienten der Phagozytose.
Zur genaueren Betrachtung des Grades der Phagozyten ist das
Verhalten des Phagozytatwertes zu der Anzahl der gesamten weißen
Zellen im Blute zu berücksichtigen. Somit berechneten wir den Koëffi-
zienten der Phagozytose bei jeder Versuchsgruppe, um die Stärke
dieses Vorganges von einem einheitlichen Gesichtspunkte aus in Betracht
zu ziehen. Die Koéfizienten sind nämlich in Tabelle VII angegeben.
Zur besseren Orientierung ist das Verhalten des Phagozytatwertes zu
der Anzahl der weißen Zellen im Blute noch in Fig. 5 bildlich mittels
1) Daraus läßt sich der Schluß ziehen, daß lipoidhaltige Immuno-
gene besser geeignet sind, als lipoidarme bzw. lipoidlose.
Ischimoto, Die Rolle der Lipoide der Mikroben bei ihrer Phagozytose usw. 437
der Größe der Winkel veranschaulicht, welche die Linien O L,
0 I, 0 IL, OIL, O III, und O III, mit der Ordinatenachse OY bilden.
Die Größe des Winkels YOIII, indiziert z. B. die Größe des
Koeffizienten der Phagozytose bei immunisierten Tieren betreffend
Orig — Lp; und zwar je kleiner dieser Winkel ist, desto
kleiner ist auch der Koéffizient der Phagozytose.
Es stellte sich nun heraus, daB die Reihenfolge der GréBe der in
Betracht kommenden Winkel folgendermaBen anzuordnen war: YOIII,
< YOIII, < YOII, < YOI, < YOI,< YOII,. Es ist also deutlich nach-
gewiesen, daß die Phagozytose bei den Orig — Lp-Tieren gegen-
über den übrigen Tiergruppen die kleinste war; und zwar
die bei den immunisierten Orig — Lp-Tieren noch beträcht-
lich kleinerals diebei den normalen Orig — Lp-Tieren. Selbst
bei Gegenwart von gleichnamigen spezifischen Antikörpern im zirku-
lierenden Blute werden die Mikroben sehr wenig phagozytiert, wenn sie
von den lipoiden Substanzen, die sie ja a priori enthalten, mehr oder
weniger beraubt worden sind. i
e) Ueber die zahlenmäßige Angabe des minimalen Im-
munitätsgrades.
Es ist klar, daß die Phagozytose mit dem Grade der Im-
munität Hand in Hand geht. Zur zahlenmäßigen Angabe des mini-
malen Immunitätsgrades kann also unter anderem auch die
Phagozytose wohl mit Recht herangezogen werden. Zu diesem
Zwecke scheint jedoch nicht die Angabe von „Neutrozytat‘“, sondern
die von „Phagozytat‘ besser geeignet zu sein (s. Tab. VII). Selbst-
verständlich muß dabei das zu phagozytierende Testmaterial eine ein-
heitliche Aufschwemmung von Mikroben darstellen.
Die zahlenmäßige Nebeneinanderstellung von Phagozytatwerten,
welche unter denselben Bedingungen festgestellt worden sind, scheint
dazu geeignet zu sein, selbst einen ganz minimalen Unterschied an Im-
munitätsgrad nachzuweisen.
Zusammenfassung.
1) Die Phagozytose der mit Aether gewissermaßen
extrahierten Aufschwemmung von Staphylokokken wurde
gegenüber der der originalen sowie der mit Aether
bloß geschüttelten Aufschwemmung in einem beträcht-
lichen Grade herabgesetzt, während dabei dieHyperleuko-
zytosebeimersteren Testmaterialam größten hervorgeru-
fen war. — 2) Die Phagozytose bei der originalen sowie mit Aether
einfach geschüttelten Aufschwemmung von Staphylokokken war eine
deutlich höhere bei den immunisierten Tieren als bei den nor-
malen, während die bei der mit Aether extrahierten Emulsion von
Kokken (Orig — Lp) ein umgekehrtes Verhalten aufwies, indem das
Phagozytat bei der immunisierten Tiergruppe 301,3 und dasselbe
bei der normalen Tiergruppe 384 betrug. — 3) Ungeachtet des
Vorhandenseins von spezifischen Antikörpern im Medium scheint die
Phagozytose der Mikroben beträchtlich herabgesetzt zu werden, wenn
438 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
sie durch Aetherextraktion von ihren a priori vorhandenen lipoiden
Substanzen mehr oder weniger beraubt worden sind. Sowohl bei der
spontanen als auch bei der induzierten Phagozytose muß also das
Verhalten der Lipoide, welche a priori in den Mikroben enthalten sind.
nicht außer Acht gelassen werden. — 4) Die Wirkungsweise von
Komplementen bzw. Phagozyten bei der Komplementbin-
dungsreaktion bzw. Phagozytose dürfte insofern identi-
fiziert werden, als die beiden Prozesse mehr mit den in
den antigenen Substanzen a priori enthaltenen lipoiden
Substanzen zu tun haben als mit den eigentlichen Eiweiß-
körpern, die ja die Antigene bzw. Immunogene sui generis
darstellen.
Nachdruck verboten.
Versuche mit einer Methode zur Bestimmung der Keim-
zahl anaérober Kulturen unter Verwendung von Höhen-
schicht und Reduktionsmittel.
[Aus dem Statens Seruminstitut, Kopenhagen ©. (Dir.: Dr.
Th. Madsen).]
Von @. C. Reymann.
. Einleitung.
. Historisches.
. Wahl des Reduktionsmittels :
a) Die Reduktionskraft der probierten Reduktionsmittel.
b) Die Giftigkeit derselben.
. Die Methode.
. Die Begründung der angeführten Methode.
a) Kriterien an guten anaöroben Verhältnissen.
b) Abhängigkeit der Höhe der Oberflächenschicht vom Reduktionsmittel
und Stärke des Bakterienwachstums.
c) Abhängigkeit der Oberflächenschicht von der Molarität der Reduktions-
mittel bei derselben Bakterienmenge.
d) Einfluß von a@rober Verunreinigung.
e) Vergleich zwischen Züchtung von Tetanusbazillen in Substraten ohne
und mit Reduktionsmittel.
f) Die optimale Molarität der verwendeten Reduktionsmittel
6. Die Fehlergrenzen der Methode.
a) Wieviel kann man von einer derartigen quantitativen Methode ver-
langen?
b) Die Keimungsprozente unter verschiedenen Verhältnissen.
c) Vergleich zwischen der anaöroben Plattenmethode und der hier be-
schriebenen.
d) Feststellen der Mittelfehler.
Zusammenfassung.
Literatur.
woe
os
1. Kinleitung.
Von Methoden zur quantitativen Bestimmung der Anaéroben in
einer Kultur verfügt man bekanntlich nur über die gewöhnliche Platten-
Reymann, Methode zur Bestimmung der Keimzahl anaérober Kulturen usw. 439
methode, entweder mit Züchtung in einer Wasserstoffatmosphäre oder
in einer solchen, wo der Luftsauerstoff durch Absorbentien (Pyro-
gallol u. dgl.) beseitigt worden ist. Hierzu besteht bekanntlich dies-
bezüglich eine durch mehrere Jahrzehnte reich ausgebildete Apparatur,
deren Entwicklung z. B. bei Fermi und Bassu in übersichtlicher
Weise beschrieben wird und neuerdings in dem Apparate von Mc In-
tosh und Fildes ihre letzte Vervollkommung erreicht hat.
Jeder, der sich mit quantitativer Anaérobenziichtung in größerem
Maßstabe beschäftigt hat, hat sich sicher durch den beschränkten
Rauminhalt derartiger Apparate gehemmt gefühlt, wozu noch die
Feuchtigkeit des geschlossenen Raumes als unangenehmer Uebelstand
kommt, der oft ein Verschmelzen von Oberflächenkolonien verursacht.
Es war somit wünschenswert, eine Methode zu finden, bei welcher
man in unbeschränktem Maßstabe quantitative Anaérobenuntersuchungen
ausführen konnte, und die relativ große Sicherheit, womit die Höhen-
schichtmethode, besonders beim Hinzufügen von Reduktionsmitteln,
wirkt, berechtigte zu der Vermutung, daß sie sich quantitativ verwerten
ließe.
Die nähere Beschreibung der Methode schicke ich untenstehende
historische Untersuchung voraus.
2. Historisches.
Ein Zusatz von reduzierenden Stoffen zur Förderung des Anaëroben-
wachstums wurde mit der Einführung von Zucker schon von Pasteur (1861)
verwendet. Als ein bedeutungsvoller Fortschritt in der Züchtung von Anaéroben
erwies sich für das Arbeiten mit festen Nährböden die Einführung der ‚Höhenschicht,
die bald W. u. R. Hesse (1885), bald Liborius (1886) zugeschrieben wird.
Die ersteren züchteten Oedembazillen in der Weise, daß sie ein Stückchen Gewebe
von einer infizierten Maus so in Agar versenkten, daß der Stichkanal offen gelassen
wurde, während Liborius zuerst das Prinzip der Höhenschicht erkannte. „Da-
gegen erhält man sehr anschauliche Bilder, wenn man die ganze
Masse des Nährsubstrates verflüssigt, dann etwas Impfmaterial
hineinbringt, dieses durch alle Schichten sorgfältig ver-
teilt und hierauf erstarren läßt,“ wodurch jede dirkte Verbindung mit
der Luft abgebrochen wird.
Von den Resultaten von Pasteur, Hesse und Liborius ermuntert,
ging das Streben einiger Anaérobenforscher in den 90er Jahren und im 1. Dezennium
ieses Jahrhunderts darauf aus, Substrate ausfindig zu machen, worin Anaéroben
„aërob“ gezüchtet werden konnten, und zwar sind Kitasato und Wey! (1890) die
ersten, welche das Problem durch Zusatz von reduzierenden Stoffen im Sinne
Pasteurs zu lösen versuchten. Es gelang ihnen aber nicht, ,,Anaéroben im
offenen Gefäß und in flüssigem Nährboden zu züchten‘ (ebenso wenig, wie später
Chjudjakow (1896) in 100 verschiedenen Substraten); sie fanden aber haupt-
sächlich einen Stoff, das Natriumformiat, das das anaörobe Wachstum im Agar
sehr förderte.
Von theoretischen Erwägungen über die Schwefelwasserstoffbildung der Bak-
terien ausgehend, versuchte weiter Trenkmann (1898) verschiedene Anaéroben
in schwefelnatriumhaltiger Bouillon unter freiem Luftzutritt zu züchten, und zwar
mit gutem Erfolge. Auch bei Züchtung in Höhenschicht übte das Reduktionsmittel
eine gute Wirkung aus, die Luftentwicklung war geringer, als nach Zusatz von
Traubenzucker, der Abstand der Kolonien von der Oberfläche auch geringer,
ca. 2 cm. bzw. ca. 0,5 cm.
Die von Trenkmann inaugurierte Methodik wurde von Hammerl be-
stätigt (1901), der außerdem mit K,S und NH,SH experimentierte und trotzdem
der letztere Stoff jedesmal frisch bereitet werden mußte, diesen den Vorzug gab.
Auch Hammer] findet, ebenso wie Kitasato-Weyl und Trenkmann,
daß die Anaéroben selbst unter diesen Verhältnissen immer nur zu einigen
Millimetern unterhalb der Agaroberfläche wachsen.
Rivas, der diese Reduktionsstoffe weiter untersuchte (1902), hält auch
NH,SH für das beste und machte darauf aufmerksam, daß es nicht nur wachs-
440 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
tumsfördernd auf die Anaëroben wirkte, sondern auch die Aëroben hemme.
Nach Rivas hält sich das Reduktionsvermögen dieser Stoffe nur wenige Tage
in Bouillon und diese wird nach Na,S-Zusatz durch Schwefelausfällung getrübt.
Weiter ist zu erwähnen, daß Wrzosek (1907) unter anderem metallisches
Zink und Eisen als Bouillonzusätze verwendete, und Liefmann (1907) Ferro-
ammoniumsulphat, das in alkalischer Lösung einen Bodensatz gibt, welcher das
Wachstum der Anaéroben fördert.
Schließlich probierte Hata ebenso den Einfluß verschiedener Na-Schwefel-
verbindungen, und zwar NaS, NaSO, und Na;S;0,; in Bouillon, und erzielte
durch sie auch eine Wachstumsförderung. Die Tetanusbazillen wuchsen aber nur,
wenn sie mit einem Agarstückchen zusammen überführt wurden.
Neuerdings hat Manteufel (1923) die Methode Trenkmanns als An-
reicherungsmethode für Anaéroben in Vorschlag gebracht.
Man ist sich schon längst darüber im Klaren (Liefmann, Wrzosek.
Hata), daß die Wirkung dieser Reduktionsmittel auf ihrer Reduktionskraft beruht;
es werden durch sie, trotz offener Verbindung mit der atmosphärischen Luft,
anaërobe Verhältnisse geschaffen, so daß die Anaéroben keineswegs ihre Lebensweise
zu ändern brauchen, um in diesen Substraten zu gedeihen, und nach v. Oettingen
sollen sie in derselben Weise wie die Aöroben in Mischkulturen wirken, indem sie
den in den Anaérobenkulturen entstandenen Sauerstoff binden.
Die Frage hat somit nichts mit den Versuchen zu tun, die darauf ausgehen,
Anaéroben an aérobes Wachstum zu gewöhnen (Ferran, Righi, Belfanti,
Carbone und Perero mit Tetanusbazillen), sondern geht im Gegenteil darauf
aus, die anaöroben Verhältnisse trotz Luftzutritts möglichst zu vermehren.
Die Verwendung reduzierender Mittel in Anaérobenkulturen, von der man sich
einst soviel versprochen hatte, ist im allgemeinen wieder verlassen worden, so schreibt
z. B. J. ZeiBler in dem Handbuch von Krauß und Uhlenhut (Bd. 2. S. 979)
nach einer Besprechung der einschlägigen Literatur: „Abgesehen von Trauben-
zucker, sind heute alle eben angeführten reduzierenden anorganischen und organischen
Zusätze zu den Nährsubstraten obsolet“.
3) Wahl des Reduktionsmittels.
Wenn es sich um Keimzählen handelt, sind natürlich nur solche
verwendbar, die keine Ausfällungen im Agar hervorrufen, wes-
halb die Ferrosalze von vornhernein auszuschließen sind. Es wurden
demnächst die folgenden probiert:
Natriumsulphid (Na,S), Natriumhydrosulphid (NaSH), Ammonium-
hydrosulphid (NH,SH), Natriumhydrosulphit (Na,S,0,), Natriumbi-
sulphit (NaHSO,), Natriumsulphit (Na,SO,), Natriumformiat (NaCOOH)
und Natriumthiosulphat (Na,8.03).
Die Verbindungen wurden in molaren Lösungen verwendet und die
Lösungen bei jedem Versuche frisch hergestellt, Stoffe in größt mög-
licher Reinheit und mit festgestelltem Wassergehalt beschafft und in
wohl verschlossenen Gläsern aufgehoben. Das Natriumhydrosulphit war
wegen seiner leichten Zersetzbarkeit für quantitative Zwecke wenig
verwendbar.
Da es sich darum handelte, ein in dem Agarsubstrate möglichst:
stark reduzierendes und zugleich möglichst ungiftiges Reduktions-
mittel zu haben, so wurden diese beiden Eigenschaften wie folgt.
untersucht:
a) Die Reduktionskraft der probierten Reduktionsmittel.
Zu Reagenzglasserien, die mit abnehmenden Mengen 0,1 molarer
Lösungen der respektiven Reduktionsmittel beschickt worden waren,
Reymann, Methode zur Bestimmung der Keimzahl anaérober Kulturen usw. 441
wurde pr. Glas dieselbe Methylenblauagarmenge zugesetzt und die
Grenze der totalen Reduktion (normale Agarfarbe) festgestellt, und
zwar unter Bezugnahme der Eigenreduktion des Agars. Diese Total-
reduktion findet aber nie in der oberen Agarschicht statt; es findet
sich hier immer eine mehr oder minder höhere Schicht, wo die Me- :
thylenblaufarbe besteht, und die Höhe dieser Schicht kann auch als
Maß für die Reduktionskraft benutzt werden, womit der von oben ein-
dringende Luftsauerstoff beseitigt wird.
In der untenstehenden Tabelle findet sich eine Uebersicht über
einen derartigen Versuch, wo derselbe Methylenblauagar unter 3 ver-
schiedenen pH s verglichen worden ist.
Von den erwähnten Reduktionsmitteln verändern nur NaHSOs,
Na gS,0, und NaSO, das pH des Agars in nennenswertem Grade in
den unten verwendeten Mengen. Man muß sich aber erinnern, daß
diese Dosen die oberen Prüfungsgrenzen repräsentieren. Bei Ver-
wendung der Reduzenten in den Wachstumsversuchen liegen die opti-
mal wirkenden Dosen niedriger.
Tabelle I.
PHa b p H7 LE PH;
a) b a) b) a) |b)
Die geringste |:
total reduzierende/2ierten Ober-
Menge nach Het it m
E nach | |
a sta, | 48 | 3 | 48 | 3 | 48 | 8 | 48] 3 | 48 3 | 48
"| Std. | Std. | Std. | Std.| Std. | Std.! Std. | Std.) Std. Std. Std.
| ecm ccm cm cm San ccm | cm cm |cem com | cm | cm
Na,S ; x . 1008| 012 |07 [19/1 . | . |. |.
N HSH 0.17 0.17 | 0.7 14 |0.1 | 0.065/0.55/ 1.6 | 0.1 (004 [0.55 1.4
NaSH 0.065 | 0.06 06| 17 0.041 0.04 0.6 | 1.5 | 0.040.025 0.45 14
Na SO, = 20 -| 20] 12 |>20| 04 1.5 |>2.00.1 | 1.6
Na, >10>20 065 | c. 20 04 | 0.25 1.6 |6.0.4.0.13 14
NaCOOH | > 20 >20 . [>20/> 20 >2.0>20 . |.
NaHSO, S20 |S 20 e. 165207 20 11 [52.0 0.4 15
Na,8,0, >20 |> 20 >20> 2.0 >2.0>2.0
_ Tabelle I zeigt, daß die Hydrosulphid- und Sulphidverbindungen
die größte Reduktionskraft im Agar entfalten, was sich auch in der
geringen Höhe der nicht reduzierten Oberflächenschicht äußert; die
Vergrößerung dieser Schicht mit der Zeit zeigt die allmähliche Er-
schöpfung der Reduktionskraft. Die Reduktion nimmt mit dem px
zu. In den Züchtungsversuchen wurde pu 7 angewandt, um aus-
giebigeres Wachstum der Tetanusbazillen zu erzielen. Wiederholungen
zeigten in der Hauptsache dieselben Verhältnisse und namentlich, daß
NaSO, in Lösung am wenigsten haltbar war.
b) Die Giftigkeit der Reduktionsmittel
geht aus der untenstehenden Zusammenstellung der Züchtungsresultate
von Tetanusbazillen in Agar hervor mit einem Inhalt von 2,7 ccm
0,02 mol. Lösung der betreffenden Reduktionsmittel pro 10 ccm Agar.
442 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
Nr. 1. NH,SH schwache Wachstumshemmung
ur 2. NaSH keine $
n 3 MeO, starke »
» 4 NaS O, totale =
NE Noch keine 7
» 6. NaHSO, totale =
» 7. Na,8,0, keine =
» 8. NaS schwache ý
Am ungiftigsten sind somit Nr. 2, 5 und 7, während NaSH die
größte Reduktionskraft im Agar entfaltet, und da es außerdem bei
Züchtung der Tetanusbazillen durchgehends weniger Luft entwickelt,
war es vorzuziehen.
4. Die Methode.
Zunächst will ich die in den Versuchen verwendete Methode
schildern, weil ihre Technik eine Voraussetzung für die Beurteilung der
Resultate ist, und dann später ihre Einzelheiten näher begründen.
Für die Untersuchungen wurde ausschließlich ein stark anaërober
Tetanusstamm verwendet und zu den Prüfungen werden entweder
Proben von wachsenden Kulturen mit Paraffinschicht, oder im Eiskeller
aufgehobenen Sporenaufschwemmungen benutzt. Der Versuch wurde
folgendermaßen ausgeführt: Eine Reihe von sterilen Präparatengläsern
(1,5, X 10cm) werden mit je 2,7 ccm einer 0,01—0,005 molaren,
durch Berkefeld-Filtrieren sterilisierten Lösung von NaSH be-
schickt und die Gläser mit kurzen, flachbodigen Präparatengläsern als
Deckel versehen. Von der Tetanuskultur werden a. m. Walbum
mittels eines Normaltropfenzählers 6 Tropfen ins 1. Glas getröpfelt.
nach Schütteln wieder 6 Normaltropfen ins nächste Glas überführt usw..
so daß jede Konzentration Yu der vorigen ausmacht. Die in Stativen
stehenden Gläser werden dann entweder alle, oder falls man die
Keimzahl einigermaßen kennt, nur einige mit 7,5 ccm Agar mittels
ciner Pipette beschickt und nach Erstarren 2 Tage in den Thermostat
bei 350 gestellt. Die Substratzusammensetzung war: Pferdefleisch-
bouillon, Pepton- Witte (1 Proz.), Agar (1,5 Proz.); für die Bouillon
wurden 500 g Fleisch pro Liter Wasser verwendet. — px 7.
Nach Herausnahme aus dem Thermostaten wird aus jeder Serie
ein Glas mit einer passenden Kolonienzahl ausgewählt. Man kann
mit großer Genauigkeit bis etwas über 150 Kolonien zählen. Am be-
quemsten sind Kolonienzahlen um 50.
Zu beachten ist, daß das für die NaSH-Lösung verwendete Wasser
ganz frisch sterilisiert sein muß, daß weiter der Agar 1 Std. in
strömenden Dampf erhitzt und gleich nach der Herausnahme ge-
schwenkt werden muß. Es kommt natürlich darauf an, durch Luft-
vertreibung das Reduktionsmittel voll auszunutzen. Außerdem wurde
beobachtet, daß, falls man nicht so verfährt, die Bazillen stärker gas-
bildend werden, während die Gasbildung sonst im NaSH-Agar so
gering ist, daß sie das Zählen nicht stört. Am besten ist es ferner,
wenn das Reduktionsmittel sich im Verdünnungswasser findet, nicht
aber dem Agar beigemischt wird, weil die Anaéroben dadurch während
der Verdünnung vor der Luft geschützt werden, denn nach Barber
können einige Anaëroben schon durch Istünd. Luftaussetzen getötet
werden. Auf die Berücksichtigung des Alters der Agarpräparation
wird unten eingegangen werden. Da der Zusatz eines Reduktions-
mittels wohl nur als eine Unterstützung der Reduktionsfähigkeit des
eymann, Methode zur Bestimmung der Keimzahl anaérober Kulturen usw. 443
Peptons aufzufassen ist!), kann mitunter, besonders in frischem Agar
die oben angegebene NaSH-Dosis zu hoch sein. Die Kolonien wachsen
dann anfangs weniger gut in der Tiefe der Agarsäule, weshalb man
erst nach 3—4 Tagen (35°) zählen darf.
5. Die Begründung der angeführten Methode.
a) Um die Leistungsfähigkeit einer derartigen Methode beurteilen
zu können, muß man I) Kriterien an guten anaéroben Ver-
hältnissen trotz freiem Luftzutritt haben, und zwar speziell in
Hinblick auf die quantitative Seite der Untersuchungen. Solche Kri-
terien sind: 1) Die Kolonienbildung muß mit Ausnahme der wachs-
tumsfreien Oberflächenschicht durch die ganze Agarsäule gleichmäßig
sein. 2) Die Oberflächenschicht muß von möglichst geringer und gleich
großer Ausdehnung sein, damit die daraus herrührenden ev. Fehler
möglichst klein werden.
Das unter I aufgestellte Verlangen wird durch Zusatz von Re-
duktionsmitteln erfüllt, und zwar nur bei passender Konzentration
derselben, denn bei zu großem Zusatz werden die Verhältnisse den An-
aöroben sozusagen zu anaërob und sie wachsen nur in den oberen
Schichten. Hier spielt natürlich die Giftwirkung eine Rolle.
Die 2. Forderung einer möglichst kleinen, wachstumsfreien Ober-
flächenschicht wird auch durch Zusatz von Reduktionsmitteln, aber
nicht durch sämtliche untersuchte erfüllt. Die Höhe dieser Schicht
ist weiter von der Molarität des Reduktionsmittels abhängig und
nimmt mit abnehmender Kolonienzahl zu. Letzteres spielt innerhalb
der zählbaren Kolonienmenge keine größere Rolle.
Als Kriterium guter anaérober Bedingungen kann indirekt auch
die Hemmung des Aérobenwachstums bei Zusatz des Reduktionsmittels
dienen, was jedenfalls bei der sterilen Durchführung der Manipulation
eine Rolle spielt, und zwar um so mehr, als eine aérobe Verunreinigung
oft in hohem Grade die Keimfähigkeit der Anaöroben beeinflussen kann.
Nachstehend werden einige der obigen Bemerkungen mit Ver-
suchsresultaten belegt:
b) Abhängigkeit der Höhe der Oberflachenschicht vom
Reduktionsmittel (2,7 ccm von 0,01 molaren Lösungen + 7,3 cem
Agar) und Stärke des Bakterienwachstums. (Tab. II, s. S. 444.)
Aus dieser Tabelle geht hervor, daß die Oberflächenschicht bei
größerer Keimzahl abnimmt, da eine größere Anzahl Bakterien sich
trotz Luftzutritts bessere anérobe Bedingungen, als eine kleinere Anzahl
zu schaffen vermag. Die Schicht ist bei NaSH und NH,SH am
kleinsten und einige Reduktionsmittel geben keine niedrigere Schicht
als NaCl.
Beim Vergleich mit den Tabellen über das Verhalten der Re-
1) Dies erhellt z. B. aus der Beobachtung, daß in den Versuchen in Tab. V
die durchschnittliche Höhe der wachstumsfreien Oberflächenschicht folgende Werte
ergab:
Kultur 1 18 Std. 0,25 cm Kultur 4 18 Std. 0,54 cm
» 1 2 Tage 0,39 „ » 4 2 Tage 0,63 „
Sd Be 080,75 u ae OS
Trotzdem die Bakterien allmählich weniger anaörob werden, nimmt die Oberflächen-
schicht zu, was sich wohl daraus erklären läßt, daß die Eigenreduktion des Agars
allmählich abnimmt.
444 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
Tabelle IL
| 5 Normaltropfen | Abstand des
Reduktionsmittel Kolonien- sear aged pd oe Kultur Wachstums von
ai zahl fläche i pr. Agarröhrchen | der Oberfläche
u FEN | Kolonienzahl . in cm
Nas 22 0,9 0,5
Na,SO 42 11 0,5
sis 34 1,1 0,7
NaHSO, 35 1,1 0,6
30 1,0 0,6
Na,SO, 28 1,0 0,8
ae 33 1,0 0,7
NaCOOH 16 1,1 Z 0,4
14
NaSH 31 | 0,2 | 0,1
30 | 0, | 0,1
NH, SH 53 | 0,4 0,1
48 | 04 0,1
Na,8,0, 53 0,9 | 0,6
Kontrollle: Physiol. 42 1,2 0,7
NaCl-Lésung 39 1,3 0,8
duktionsmittel im Agar ohne Bakterienwachstum (Tab. I und II)
wird man finden, daB die Anaéroben auch etwas in die Schicht hinauf-
wachsen, wo die Reduktionsmittel den Luftsauerstoff nicht beseitigen
können, in Uebereinstimmung damit, daß sie eine geringe Sauerstoff-
spannung vertragen können.
c) Abhängigkeit der Oberflächenschicht von der Mo-
larität der Reduktionsmittel bei derselben Bakterien-
menge.
Tabelle IlI.
Die Zahlen geben die Oberflächenschicht in cm an.
Molarität im Verdünnungswasser +
1.0 0,3 0,1 0,03 | 0,01 | 0,003 | 0,001 | Phys. Nacı.
Na,8,0, Kein | Kein | Kein | Kein | | i
Wachst. | Wachst. | Wachst. | Wachst. 0,6 | 0,6 | 0,65 | 0,85
NaHSO, dgl. dgl. dgl. dgl. 0,6 | 0,7 | 0,75 0,7
Na,SO, Are 0,5 05 | 0,75 | 1,1 | 09 0,8
NaCOOH 2 A a 0,5 06 | 055/05 | 05 | 05
NaSH Kein
Wachst. 0,1 0,05 0,05 | 0,1 0,25 | 04 ; 0,7
NH,SH dgl. Kein |
Wachst. | 0,1 | O1 | 01 0,35 | 0,55 0,7
Na,S,0, ; dgl. 0,6 04 | 055| 04 | 0,5 0,75
Aus obiger Tabelle geht hervor, daß auch die Molarität cine Rolle
für dic Höhe der Oberflächenschicht spielt. Man sieht, daß auch hier
Reymann, Methode zur Bestimmung der Keimzahl anaérober Kulturen usw. 445
die beiden Sulphydrate bei einer gegebenen Molarität durchgängig die
kleinste Oberflächenschicht haben.
d) Einfluß von aérober Verunreinigung.
Daß Aéroben das Wachstum der Anaéroben begünstigen, wurde
schon von Pasteur beobachtet. Ein Beispiel dafür, daß das Keimungs-
prozent in der Tetanuskultur durch aérobe Verunreinigung gesteigert
wird, gibt Tabelle VI (die eingeklammerten Zahlen), und untenstehend
wird gezeigt, daß eine Keimuntersuchung in gewöhnlichem Agar (olıne
Reduktionsmittelzusatz), wozu pro Verdünnungsglas 1 Tropfen Luft-
kokkenkultur außer den Tetanusbazillen zugesetzt worden war, (die
untenstehenden auf die ursprüngliche Tetanuskultur umgerechnete
Werte gab:
. r Oberflächenabstand der
Verdünnen der Kultur B saia PMittel. La Kolonien im Agar (obere
ur Mibtelzai’en | und untere Grenzwerte)
Gekochte physiol. NaCl-Lösung 52 000 3,6—6,0
Dieselbe + 1 Tropfen Luftkokken-
kultur 4 400 000 0,2—0,3
Dieselbe + 1 Tropfen gekochte
Luftkokkenkultur 68 000 2,8—4,2
Dieselbe + 1 Tropfen berkefeld-
filtrierte Luftkokkenkultur 17 600 3,4—6,0
Das Obenstehende, das als ‘der Versuch von Kedrowsky in
quantitativer Form betrachtet werden kann, zeigt eine starke Förderung
des Anaérobenwachstums durch Zusatz von Aéroben. Dies ist aber
nicht immer der Fall, denn ich habe auch antagonistisch wirkende
Aéroben gefunden. Es geht hieraus die große Bedeutung der von
den Reduktionsmitteln ausgeübten Aérobenhemmung hervor.
e) Vergleich zwischen Züchtung von Tetanusbazillen
in Substraten ohne und mit Reduktionsmitteln.
Um die Vorteile der erwähnten Methode klarzulegen, muß be-
wiesen werden, daß die quantitative Ausbeute von Tetanusbazillen-
kolonien bei Zusatz von Reduktionsmitteln größer wird, als ohne die-
selben und das Wachstum gleichmäßiger. Die anaöroben Forderungen
desselben Stammes sind indessen nicht immer die gleichen und unter
anderem vom Alter der Kultur abhängig (schon Chjudjakow hat
gezeigt, daß die vegetativen Formen anaérober sind als die Sporen),
und es stellte sich heraus, daß, obwohl ein Zusatz von gewissen
Reduktionsmitteln zuverlässigere und gleichmäßigere Resultate gibt,
man bei Sporenkulturen mitunter ebenso gute Resultate bei Ver-
wendung von ausgekochter physiologischer NaCl-Lésung als Ver-
dünnungswasser erhalten kann, wahrscheinlich wegen der Reduktions-
kraft des Peptons. Im allgemeinen werden aber die Kolonien hier
weniger kräftig ausgebildet (durchsichtig, schattenartig), während sie
mit NaSH undurchsichtig und mit einem festen Kern sind. Bei
Untersuchung wachsender Kulturen werden die Resultate dagegen in
Höhenschicht ohne Reduktionsmittel immer schlecht. Eine der Haupt-
ursachen des Mißlingens der Höhenschichtkultur, wovon mitunter be-
richtet wird, ist sicher im Ueberimpfen von sporenfreien Kulturen zu
suchen. Schließlich werden ohne Reduktionsmittel oft Sprünge in den
446 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
Verdünnungsreihen beobachtet, so daß ein Agarröhrchen z. B. mehrere
Hunderte von Kolonien aufweist, während die nächste Verdünnung
1—10 gar keine gibt.
Als Beispiele des Obenstehenden teile ich unten 2 Versuche mit,
in denen teils 0,01 molare Lösung von NaSH, teils physiologische NaCl-
Lösung verwendet wurde. Weitere Beispiele finden sich im Kapitel über
die Fehlergrenzen.
Versuch I.
Tetanuskultur in Bouillon (py,), am 31.8. beimpft. Die Bakterienzahl wurde an den
unten angeführten Zeitpunkten in Höhenschicht festgestellt.
| NaCl (physiol) | NaSH (0,01 mol.)
eee == —- = =
am 3. 9. | 40000 pr. cem Kultur | ca. 4 Million. pro cem Kultur
„49. 1,2400 5 +4 3 |» » > » »
Versuch II.
Tetanuskultur am 5. 9. beimpft.
NaCl (physiol.) NaSH (0,005 mol.)
À ausgekocht I nicht ausgekocht |
am 7.9. | Kein Wachstum 9000 Mill. pr. ccm Kult.22,6 Mill. pr. ccm Kult.
» 8.9. |2,9 Mill. pr. cem Kultur | — BESTE R
” 9. 9. 4,7 » n n n 540000 ” n n 11,2 ” ” kad p
n 10. 9. 54 „ ” n ” | 3680 n ” ” ” 115,2 ” n n »
u. MRD, — ‚518000 MIO ES Yu. | %
„ 12.9. {96900 ; , sé “I — 168 not a er og
In diesen Versuchen findet man das oben Gesagte illustriert.
Obwohl die Gleichmäßigkeit bei Verwendung von NaSH in vielen Ver-
suchen bestätigt wurde, hat man natürlich hier, wie überhaupt bei
quantitativen Bakterienuntersuchungen, mit Unregelmäßigkeiten zu
kämpfen, weshalb man immer mehrere Verdünnungsreihen aus derselben
Kulturprobe herstellen muß.
Die Zahlen der NaSH-Reihe geben übrigens die gewöhnlichen
Wachstumskurven der Tetanuskulturen an. Am 3. Tage, wo die Sporu-
lation in vollem Gange ist, nimmt die Kurve etwas ab, weil natürlich
nicht alle Stäbchen sporenbildend sind. Eine Erklärung der späteren
Zunahme wird später versucht werden.
f) Die optimale Molarität der verwendeten Reduk-
tionsmittel:
Es wurde schon erwähnt, daß sowohl Reduktionsvermögen als auch
Giftigkeit der zu verwendenden Reduktionsmittel in Betracht gezogen
werden müssen, und es wurde festgestellt, daß NaSH am besten geeignet.
war. Die Giftigkeit zeigt sich mit zunehmender Konzentration erst
durch eine Wachstumshemmung, die Kolonien entwickeln sich nur in
der oberen Hälfte des Agarröhrchens, und bei noch größerer Konzen-
tration erlischt das Wachstum vollständig, siehe untenstehenden Versuch:
(s. Tab. IV, S. 447.)
Die Zahlen zeigen Kolonienzahlen in gleich starken Verdünnungen.
a und b wurden mit verschiedenen Agarpräparaten und verschiedenen
Salzpräparaten ausgeführt. Die Wirkung derselben Molarität ist etwas
verschieden, und man muB somit beim Wechseln von Agar oder Salz
Reymann, Methode zur Bestimmung der Keimzahl anaérober Kulturen usw. 447
Tabelle IV.
Molarität der Reduktionsmittel im Verdünnungswasser NaCl-
+ > nn Kon-
10 | 03 | 01 | 003 | 0,010,005 0,003/8,001| trolle
a)
NH,SH Kein Kein | |
Wachstum [Wachstum 43 | 61 |z| . | 63 | 67 =
NaSH dgl. |Hemmungg 49 | 65 75 | . | 72 | 50 =
Na.s,O, : k | 0 |Hemmung| 44 | . | 46 | 39 ©
Na HSO., PRE dg. 33| : |37| 31|
Na, 50, ; 5 ‚Hemmung |30| . | 24) 24/1 3
NaCOOH : F5 | K ee . | 5
b)
NH,SH e ; ; : | 27 | 26 |
NaSH | . ; : : 10 | 44 =
Na 8.0, | Le a 7 |12| 12 =
NaHS0, | | . 213). cs
a 3 j ; 17) |. ,1 aN ES
NaCOOH on a” : . Kar
Na,S K : | : ; | 20 | 34] . ;
die gecignete Molarität herausfinden. Für das in dieser Arbeit
am gründlichsten durchprobierte Salz (NaSH) lag die
optimale Konzentration immer bei 0,01- 0,005 molar (im
Verdünnungswasser).
6. Die Fehlergrenzen der Methode.
a) Wieviel kan man von einer derartigen quantita-
tiven Methode verlangen?
Die Anzahl von Bakterien einer Kultur, die nach Umsäen in ein
anderes Substrat auskeimt, ist bekanntlich unter anderem vom Alter und
der Resistenz der Bakterien abhängig, und das Keimungsprozent ist
selbst bei einem so vermehrungsfähigen Aéroben wie Bac. coli außer-
ordentlich schwankend. So fand Hechscher in einer solchen Kultur,
daß in den ersten Std. nur von ca. 3—80 Proz. im Verhältnis zur
gezählten Anzahl auskeimten, und neuerdings hat K. A. Jensen
mittels einer Modifikation der Reinzüchtungsmethode Orskovs einen
Unterschied zwischen den Keimungsprozenten alter Laboratoriums-
stämme und frisch reingezüchteter von derselben Bakterie gefunden,
und zwar wiesen die letzteren einen größeren Keimungsprozent auf:
Bei den Anaéroben kommt noch das komplizierende Moment hinzu,
daß die Kulturen je nach ihrem Alter teils aus vegetativen Formen
allein, teils aus diesen und Sporen in verschiedenen Mischungs-
verhältnissen bestehen, und diese Formen stellen, wie erwähnt, un-
gleiche Forderungen an die Anaérobiose. Es steht ja auch wie eine
Dogme fest, daß die Anaéroben mit besonderer Unregelmäßigkeit aus-
keimen, und man findet in der Literatur recht oft die Bemerkung,
daß es deshalb fast unmöglich ist, Einzellenkulturen von diesen Organis-
men anzulegen, was wohl eigentlich darin liegt, daß anaërobe Be-
dingungen sich schwieriger als aörobe darstellen lassen. Ist dies richtig,
so konnte man erwarten, mit einer Methode, wo hinlänglich Ana-
örobiose konstant vorhanden ist, ein regelmäßigeres Auskeimen zu er-
zielen.
448 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
b) Das Keimungsprozent unter verschiedenen Ver-
hältnissen:
Am besten geeignet zum Feststellen des Keimungsprozentes sind
natürlich» ihrer größeren Resistenz entsprechend, die Sporenaufschwem-
mungen und unten findet sich ein Beispiel einer solchen, wo das
Keimungsprozent an verschiedenen Tagen festgesetzt worden ist.
Tetanussporenaufschwemmung
Beim Versuche am 30. wt Keimungsproz. oe
n ” 2 n ’
i 2 ” 12 12 4 64,0
z E ” 14.12. 5 92,0
3 z ” 18. 12. : 52,2
2 ” 21.12 a 91,0
: : ” 19. 1 2 50,1
; RE ; 74,9
s x ” 25, 1 60,1
» ” ” 25. 1 ” 64,1
Die Anzahl der Sporen in der Aufschwemmung wurde bei jedem
Versuche durch Doppelzählungen in 2 Kammerfüllungen (Fuchs-
Rosenthal) festgestellt und aus diesen allen eine Mittelzahl be-
rechnet (Mittelfehler + 7,18). Bei gleichartigen Untersuchungen in
Kulturen, wo auch vegetative Formen vorhanden waren, wurde ein
Mittelfehler von 13,4 gefunden und durch Prozentausrechnung mit
dieser Mittelzahl das Keimungsprozent in jedem Versuch (12—20 Ver-
dünnungsreihen) bestimmt. Die Agarpräparate haben im Laufe der
Versuchsreihe mehrmals gewechselt. Die Keimungsprozente sind, wie aus
der obenstehenden Zusammenstellung hervorgeht, schwankend, ich wage
es aber, auf viele Erfahrungen mit Sporenaufschwemmungen von
Aéroben (Anthrax) gestützt, zu behaupten, daß ähnliche Versuche mit
diesen keine besseren Resultate ergeben haben würden.
Diese Versuche sollen natürlich keineswegs eine Feststellung des
Keimungsprozents par excellence, d. h. unter optimalen Bedingungen
sein, was eine vielfache Variation der Versuchsbedingungen erfordern
würde, sondern nur eine Schätzung der Brauchbarkeit der Methode
unter den gegebenen Bedingungen. (Weiter kann natürlich das Kei-
mungsprozent in verschiedenen Sporenaufschwemmungen bedeutend vari-
ieren; in einem anderen wurden im Mittel 18,2 gefunden (Mittel aus
6 Versuchen: durchschnittlicher Mittelfehler 4,8 und Proz. der M.
12,9)).
Von Interesse ist es, daß das Keimungsprozent nicht mit dem
Alter des Agarpräparates abgenommen hat, trotzdem die Zu-
nahme der Oberflächenschicht zeigt, daß der Agar allmählich schlechtere
Bedingungen darbietet. Das in der untenstehenden Versuchsreihe (die-
selbe wie oben) verwendete Agarpräparat wurde am 12. 12. sterili-
siert.
Kolonienzahlen in gleich Höhe der Oberflächen-
starken Verdünnungen schicht
Versuch am 12. 12. 39,6 0,39 cm
A „ 14.12, 55,6 0,56 „
s -y 48:12 33,3 055 |
A if Gloves 54,2 0,64 „
è = 10% E 32,0 062 „
Dagegenaber muß manbeim Untersuchen von wachsen-
den Kulturen das Alter des Agars berücksichtigen, wie aus
Reymann, Methode zur Bestimmung der Keimzahl anaérober Kulturen usw. 449
dem untenstehenden Kontrollversuche hervorgeht, und was übrigens
schon von Kitasato bemerkt worden ist.
24stündige Tetanuskultur:
Alter Agar, Mittelzahl der Kolonie in gleich starker Verdünnung 34,5
neuer „ » » » > » » 88,3
5 Tage alte Kultur:
Alter Agar, Mittelzahl der Kolonie in gleich starker Verdünnung 129,0
neuer „ » » » ” » » » 0
Von den mit Sporenkulturen erhaltenen Resultaten geleitet, glaubte
ich anfangs, dies spiele eine untergeordnete Rolle, wenn nur der Agar
gut ausgekocht war, und es ist auch von diesem Gesichtspunkte aus
von Interesse, die Resultate zu betrachten, welche erzielt wurden. Die
untenstehenden Tabellen zeigen 4 Versuchsreihen, wo jede Keimzahl
20 Verdünnungsreihen repräsentiert, überall wurde 0,01 mol. NaSH
als Verdünnungswasser verwendet. Jede Versuchsreihe repräsentiert
eine Kultur, die von 18 Std. nach dem Beimpfen an weiter 3—5 Tage
untersucht wurde. Das Alter des Agars und die Versuchszeiten gehen
aus Tabelle V hervor und man sieht, daß für die Keimuntersuchung
der Kultur Nr. 1 ganz frischer Agar zur Verwendung kam, während
für die Kulturen 2 und 3 ein älteres Präparat verwendet wurde, und
für die Kultur 4 ein ganz frisch hergestelltes. Man sieht, daß die
Mittelfehler bei den Kulturen 1 und 4 regelmäßiger ausfallen und
aus einer Betrachtung der Tabelle Va über das Keimungsprozent wird
hervorgehen, daß dieses auch in 1 und 4 die höchsten Werte erreicht.
Die Hauptschwierigkeit liegt somit in der Keimbestim-
mung nach 18 Std., so, wie es oben gezeigt wurde, während nach
Eintreten der Sporulation und bei Verwendung von relativ frischem
Agar das Keimungsprozent relativ regelmäßiger ausfällt, aber mit
einer vorübergehenden Senkung.
Tabelle V.
Pferdefleisch-Pepton Wittte (1proz.)-Agar. py,. 35°.
a) Mittelzahl aus 20 Verdünnungáréihen: b) Mittelfehler. c) Proz. der Mittelzahl.
Agar- | “| Keimzahl Bach folgenden Zeiten untersucht
präpa- Versuchs- u: z
ration | datum 3 18 Std. | 2 Tagen | 3 Tagen | 5 Tagen | 7 Tagen
ST =| | N =
Ne itn “| alb|ec|a| bij cj a| bic] |b] c| s| blo
27 | 1.12,| 3. 12— 5. 12.11 82,2 24,2)29,4 173,4 12,2 16,6 43,5110.524,4| . 5
29 12. 12.) 5. 1.—10. 1.|2 |185,0/18,6/10,05/43,8/11,8 |26,8| 78,0/22,7/29,1| 85,7115,818,4 .
20 12.12.13. 1.—18. 1.| 3 |107,0)39,4/36,8 166,0 40,9 620 89,0/18,6/20,9| 53,0/12,1/22,8) .
31 20.1. (21. 1.—28. 1.|4| 88,3/13,6|15,4 |24,5) 5,34|21,8| 41,5|7,45|18,0/129,0|24,3/18,8|152,9/15.16|9.91
Tabelle Va.
Die in den obenstehenden Versuchen erhaltenen Keimungsprozente.
18 Std. 2 3 5 7 Tage
Kultur 1 19,1 78,7 70.3 ;
5 2 14,8 59,6 15,0 45, 9
Ze: 3,1 10,8 2,3 11,9 f
o> | 9,4 94,6 100 29,0 49.4
Erste Abt. Orig. Bd. 101. Heft 6/7. 29
450 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
Diese Senkung und das Wiederansteigen des Keimungsprozentes
rührt von den komplizierten Verhältnissen in sporulierenden Kulturen
her. Die vegetativen Zellen keimen an dem Höhepunkt der Ent-
wicklung der Kultur gut aus, sterben allmählich ab, werden aber noch
mitgezählt, und somit fällt das Keimungsprozent, weiter werden sie
autolysiert, womit das Keimungsprozent wieder steigt.
Geringes Keimvermögen im Anfange der Kultur findet man auch
bei Aéroben, wie es Heckscher in Versuchen mit Bac. coli beob-
achtet (s. oben); es ist ein Zeichen niedriger Resistenz der jungen
Zellen, die ein Ueberimpfen in andere Substrate nicht vertragen können.
Um festzustellen, wie alt die Agarpräparate sein dürfen, wurde
der unten angeführte Versuch ausgeführt. Die Technik war dieselbe wie
Tabelle VI.
4 s Kultur a. am 1. 2. beimpft | Kultur b. am 1. 2. beimpft
er- =
Agarpräpa- | suchs- ar: 2.1 Proz. der| Kei- ; z Proz. der Kei-
A | N 1. : Mittel-| Mittel- ~,,. |
ration |datum uetel-|Mittel| Mittel- mungs- Mittel- | mungs-
| zahl | fehler zahl proz. zahl | fehler zahl proz.
Nr. | sterili- | © | u zz j tt ar re
siert am: | | |
1 2.2. | 2. 2. |150,6 | 11,4 | 7,8 16 '644/] 72 | 112 14
1 la22|32| 94,7 | 172 | 182 95,5 |613 | 171 | 279 | 86,3
2 | 3.2. | 3. 2. | 98,3 | 19,1 19,4 99,0 65,5 14,9 22,8 92,2
1/22/42] 519! 79| 152 644) | 304 3,5 11,5 31,4
3142142) 6221 105! 169 | (775) | 355 | 61 | 172 | 367
|
1 | 2. 2. | 6. 2. | ‚109 | 17,7 | 162 ||
1/22/62. | L101 | 215 | 213 || 286
4 | 6.2. | 6. 2. 81,6 8,88 109 | 212
4 | 6. 2. ! 6. 2. 9,5 1,5 15,87 |p ">
im vorigen Versuche, nur wurden jeden Tag teils die Anfangspraparate,
teils ein jeden Tag frisch hergestelltes verwendet, und zwar aus dem-
selben, im Kühlraume aufbewahrten Fleische. Das Alter spielt inner-
halb einiger Tage keine Rolle. Bei der Kultur a sei auf die am 4. 2.
gefundenen hohen Keimungsprozente aufmerksam gemacht. Die Kultur
war hier aérob infiziert, und es wurde in einigen Fallen das alte, aber
nicht früher quantitativ gezeigte Phänomen beobachtet, daß das Vor-
handensein von Aéroben das Wachstum von Aéroben fördern kann,
was sich vielleicht für die Feststellung der Keimzahl der anaeroben
Kulturen quantitativ verwerten ließe.
Es wäre in dieser Verbindung auch von Interesse, die von K. A.
Jensen mit Metallsalzen a. m. Walbum bewerkstelligte starke
Wachstumsstimulation bei aéroben, auch bei Anaéroben zu probieren,
vielleicht ließe sich dadurch ein größeres Keimungsprozent auch in
den ersten 24 Std. erzielen.
Schließlich sei zu den obenstehenden und einigen der folgenden
Tabellen bemerkt, daß die, das Prozentverhältnis zwischen Mittelfehler
und Mittelzahl angebende Zahl unregelmäßiger als der Mittelfehler ist,
Reymann, Methode zur Bestimmung der Keimzahl anaérober Kulturen usw. 451
was daran liegt, daß das Prozent bei einer passenden Kolonienzahl
am niedrigsten wird. Es gilt, bei dieser Methode sich um eine Kolonien-
zahl von etwa 50 zu bewegen; wenn sie zu hoch wird, hat ein Ver-
schmelzen und Unterdriicken von Kolonien stattgefunden und bei
zu niedrigen Zahlen spielt das Nichtauskeimen einzelner Bakterien
natürlich in prozentualer Beziehung eine größere Rolle. Eine Be-
rücksichtigung dieser Punkte findet sich bei Reymann und Ny-
mann (1911).
c) Vergleich zwischen der anaéroben Plattenmethode
und der hier beschriebenen.
Ich untersuchte, ob die Methode im Verhältnis zu der gewöhnlichen
Züchtung in Wasserstoffatmosphäre im Apparate von Mc Intosh und
Fieldes auch einige Vorteile bietet, wenn auch nur in quantitativer
Beziehung, denn für Reinzüchtungszwecke kann die Höhenschicht-
methode natürlich in keiner Richtung mit der Plattenmethode kon-
kurrieren.
Diese Versuche wurden so ausgeführt, daß in jedem von einer
alten Sporenaufschwemmung, wie oben, 20 Verdünnungsreihen her-
gestellt wurden, und zwar teils in physiol. NaCl-Lésung, teils in
NaSH-Lösung von passender Molarität. Von einer passenden Sporen-
konzentration wurden aus jeder Reihe zugleich Platten gegossen, die in
den nämlichen Apparat gestellt wurden. Die Zahlen in Tab. VII geben
die Kolonienzahlen gleich starker Verdünnung an:
Tabelle VII.
Züchtung in Höhenschicht Züchtung in Plattenkulturen im
Versuch Nr. | :
Apparate von Mc I und F.
| mit NaSH | mit NaCl mit NaSH | mit NaCl
1 | 396 | 98 | 15,9 | 16,6
FT 55,6 266 | 7,5 | 30,4
3 33,3 | 21,1 38 | 22,0
4 | 54,2 23,0 79 | 17,8
Dieser Vergleich nach 3—4tägigem Wachstum bei 35° zeigt,
daß die höchsten Kolonienzahlen bei der Verwendung von Reduktions-
mitteln in der Höhenschicht erzielt worden sind. Weiter ist bemerkens-
wert, daß, während bei Züchtung ohne Reduktionsmittel dieselben
Werte in der Höhenschicht und anaéroben Plattenkulturen erzielt.
werden, geben diese letzteren mit Zusatz von Reduktionsmitteln weit
schlechteren Resultate als die entsprechenden Höhenschichtkulturen
geben, wahrscheinlich weil durch die Konstellation anaérobe Platten-
kulturen + Reduktionsmittel auch die letzten Spuren vom Reizsauerstoff
entfernt werden. Ein entsprechender Versuch mit 18stünd. Kulturen
gab für die NaSH-Methode im Vergleich mit dem erwähnten Apparate
noch bessere Resultate. In dieser Verbindung sei erwähnt, daß das
Anbringen der Agarröhrchen in dem Apparate selbst eine Kolonien-
bildung bis auf die Oberfläche hinauf gibt, aber keinen Einfluß auf
die Auskeimung in den unteren Schichten ausübt.
29 *
452 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
a) Das Feststellen der Mittelfehler wurde teils in jungen.
wachsenden, teils in älteren Kulturen und schließlich in mehrere Monate
alten, im Kühlraum aufgehobenen Sporenaufschwemmungen festgestellt.
In den unten folgenden 3 Tabellen werden solche Versuche angeführt.
und betreffs wachsender Kulturen kann weiter auf die obenstehende
Zusammenstellung in Tab. V, Va und VI verwiesen werden. Aus
jeder Probe wurden 20 gleichartige Verdünnungsreihen angefertigt und
aus jeder Reihe ein Glas mit einer zählbaren Koloniedichte erwählt,
was innerhalb der Verdünnungsreihen aus derselben Probe immer in
demselben Verdünnungsgrad vorzufinden war. Beim Vergleichen der
Zahlen aus den verschiedenen Verdünnungsreihen muß die obenstehende
Bemerkung über den Einfluß der Kolonienzahl auf den prozentischen
Mittelfehler in Betracht gezogen werden.
Tabelle VIII.
Prüfung einer Tetanuskultur auf Keimgehalt. Höhenschicht + NaSH (Molarität im
Verdünnungswasser 0,01, im Agar 0,002) Agar: py 6,9—7,0. LE
ee reer | Prüfung nach 18 Std. nach 2 Tagen nach 3 Tagen
Verdünnung 1—1000 | Verdünnung 1—1 500 000 | Verdünnung 1—1 500 000
Kolonien- |Abweich.v.d.| Kolonien- |Abweich.v.d.| Kolonien- |Abweich.v.d.
zahl Mittelzahl zahl Mittelzahl zahl Mittelzahl
1 40 + 422 55 + 18,4 76 + 32.5
2 58 + 24,2 76 + 2,6 61 + 175
3 52 + 30,2 86 + 12,6 — A
4 77 + 52 56 + 17,4 38 + 55
5 79 + 32 83 + 9,6 45 + 15
6 94 + 12,2 47 + 26,4 55 + 11,5
7 97 + 15,8 83 + 9,6 33 + 10,5
8 93 + 11,8 88 + 14,6 36 + 75
9 72 + 10,2 88 + 14,6 38 + 55
10 77 + 52 78 + 46 34 + 95
11 62 + 202 75 + 16 41 + 25
12 98 + 15,8 82 + 86 | 39 = 45
13 103 + 208 79 + 5,6 55 + 11,5
14 92 + 98 48 + 25,4 32 + 115
15 67 + 15,2 62 + 11,4 « 25 + 185
16 56 + 26,2 69 + 4,4 36 = 75
17 120 + 37,8 | 111 + 37,6 36 + 75
18 143 + 60,8 64 + 94 = 2
19 139 + 568 67 + 64 63 + 19,5
20 24 +582 | 70 3,4 40 + 35
Mittelzahl 82,2 | 73,4 43,5
Mittelfehler + 24,2 + 12,2 | + 105
‘ der Mittelzahl 29,4 16,6 24,1
Reymann, Methode zur Bestimmung der Keimzahl anaérober Kulturen usw. 453
Tabelle IX.
Prüfung einer Tetanuskultur auf Keimgehalt. Höhenschicht + NaSH. 35°. py 7,0.
Die gezählten Gläser alle in Verdünnung 1—1 600 000.
| 7 alt
R E | Katus 3 Tage alt 1 4 Tage altr ME 6 Tage se
Nr. Kolonien- Abweich.v.d.. Kolonien- Abweich.v.d. Kolonien- |Abweich. v.d.
zahl | Mittelzahl zahl Mittelzabl | zahl | Mittelzahl
| | |
1 28 = 22 || 52 130 | 50 + 22,1
2 31 > 81 59 60 | 54 = 99
3 54 + 14,9 61 4,0 54 + 211
4 4 + 49 67 + 20 | 45 + 40,1
5 3 : Ol 47 180 | 33 = 09
6 42 + 29 59 | - 60 |. 46 + 14,9
7 52 + 12,9 69 + 4,0 29 + 21,9
8 39 + 0,1 60 + 5,0 42 + 10,9
9 39 + O1 60 + 5,0 25 : 09
10 41 + 1,9 68 + 3,0 41 + 89
11 45 + 5,9 71 + 6,0 46 | + 26,9
12 36 m9 | 81 + 16,0 34 | + 149
13 35 + 4,1 73 + 8,0 37 t AO
14 33 + 6l 66 + 10 21 > 89
15 35 = 41 73 + 80 48 + 291
16 32 = 7,1 76 + 11,0 47 + 14,1
17 38 1,9 48 - 170 | i | ;
18 40 + 0,9 71 + 6,0
19 46 + 69 69 + 40
20 | 32 7,1 | 69 + 40
Mittelzahl | 391 | 65,0 | 408 |
Mittelfehler As 5:2) + + 735 | 8,2
°,, der Mittelzahl 13,3 +18 | 20,1
Aus der Tabelle VIII geht hervor, daß der Mittelfehler mit dem
Alter der Kultur abnimmt. was übrigens auch durchgängig aus Tab. V
ersichtlich war, und zwar mehr als von den Zahlen angegeben, weil der
Verdünnungsfehler in der nach 18 Std. entnommenen Probe kleiner
als in den übrigen ist.
Tabelle IX zeigt eine etwas ältere Kultur, 3—6 Tage alt; man
sieht hier ebenfalls trotz der starken Verdünnung befriedigende Re-
sultate.
Tabelle X zeigt die Resultate der Untersuchung einer 2monatlichen
Sporenaufschwemmung. Es geht daraus hervor, daß, wenn die Auf-
schwemmung in Agar + physiologischem NaCl oder 0,003 molaren
NaSH-Lösung verdünnt wird, das Resultat niedriger wird als in 0,01
molaren NaSH, aber bei fast demselben Mittelfehler.
1) Am 6. Tage wurde in kleinen 50 cm fassenden, völlig gefüllten Soyka-
flaschen anstatt Agarröhrchen aber sonst unter denselben Bedingungen gezüchtet:
einige Kontrollreihen mit Agarröhrchen gaben fast dieselbe Kolonienzahl (Mittel : 48,9).
454 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 6/7.
Tabelle X.
Keimgehalt einer 2 Monate alten Sporenaufschwemmung (27. 11. Höhenschicht mit
physiologischem NaCl als Verdünnungswasser, 28. 11. mit 0,003 mol. NaSH und 30. 11.
und 2. 12. mit 0,01 mol. als Verdünnungswasser).
| 27. 11: 28. 11. | 30. 11. | 3.13:
r ww | |
Verdünnungs- | Kolo- Abweichung | Kolo- | Abweichung | Kolo- | Abweichung | Kolo- | Abweichung
reihe Nr. nien-| von der nien-| von der |nien- von der | nien-' von der
| zahl | Mittelzahl zahl | Mittelzahl | zahl Mittelzahl | zahl | Mittelzah!
| | |
1 19 + 79 19 + 85 31 + 11,6 Al; = 78
2 21 + 59 27 + 05 40 | + 26 47” || os LS
3 30 + 3, 27 = 05 64 + 21,4 59 + 102
4 49 + 22,1 48 | + 20,5 31 - 11,6 58 + 92
5 26 = 09 31 + 35 47 + 44 68 | + 192
6 51 +241 | 36 + 85 4 | + 24 | — | =).
7 29 + 21 34 + 65 47 + 44- 36 + 138
8 16 | - 10,9 19 = 8:8 33 - 9,6 32 + 168
9 32 + 51 23 + 45 49 + 66 34 | + 148
10 25 + 19 49 | 4 21,5 42 + 0,6 31 | +178
1] 29 + 2,1 26 = 05 57 | + 144 44 > 48
12 25 = 19 53 + 25,5 51 + 84 4 + 48
13 22 + 4,9 12 + 15,5 38 + 46 49 + 02
14 17 9,9 27 = 05 55 + 13,6 58 + 108
15 46 + 19,1 17 — 105 | 45 + 24 62 + 13,2
16 22 49 25 + 15 27 > 15.6 54 + 52
17 15 11,9 25 + 25 40 = 26 48 + 08
18 13 + 13,9 9 + 185 41 + 1,6 53 + 42
19 26 | 0,9 19 + 85 33 + 96 53 + 42
20. 2 | + 19 23 1 + 45 35 - 76 | 58 ; + 108
Mittelzahl 26.9 27,5 | 426 | 48,8 | à
Mittelfehler Erle | + 855 | | 7,73 | 8,97
‘ der Mittelzahl 28,9 | 31,1 | | 181 18,4
Zum Vergleiche kann erwähnt werden, daß Walbum in seinen
Untersuchungen über die Bakterien der Typhus-Coligruppe bei Ver-
wendung verschiedener Tropfenzähler folgende Werte in Petrischalen
fand:
Mittelzahl: 43,5, Mittelfehler: + 6,7 Proz. des M. z.: 15,4,
während er mit demselben Tropfenzähler 41,4 bzw. + 4,2 und 10,1
fand. Diese Versuche wurden so ausgeführt, daß erst eine Ver-
dünnung von 1:10000000 hergestellt und von dieser die Petri-
schalen beschickt wurden, während ich immer mehrmals 1--10 verdünnt
habe und jede Zahl somit aus 4—6 Normaltropfenzählerabmessungen
hervorgegangen ist; der Verdünnungsfehler ist somit hier größer.
(Mit einer Sporenaufschwemmung anderer Provenienz, wo nur auf
1--500 verdünnt werden sollte, wurde, wie erwähnt, ein durch-
schnittlicher Mittelfehler von 4,8 erhalten und das Proz. der Mittelzahl
betrug 12,9.)
Reymann, Methode zur Bestimmung der Keimzahl anaérober Kulturen usw. 455
Der Umstand, daß der Mittelfehler unter guten Versuchsbedin-
gungen bei anaéroben Kulturen nicht viel größer als bei aéroben ist,
scheint anzudeuten, daß die oft erwähnte „launische“ Auskeimung der
Anaéroben mehr in der mangelhaften Darstellung anaérober Bedingungen
zu suchen ist. In dieser Beziehung scheint die fast verlassene NaSH-
Methode beim Innehalten der erwähnten Versuchsbedingungen einige
Vorteile zu bieten. `
Gegen die erwähnte Launenhaftigkeit sprechen auch die Zahlen
vom 1. Stadium der wachsenden Kulturen im Vergleich mit den späteren
Stadien (Tab. VIII) und für die Sporenaufschwemmungen die Zahlen
der NaCl-Verdiinnungen contra NaSH-Verdünnungen (Tab. X). Die
Regelmäßigkeit ist an und für sich gleich groß und nur die Zahl der
Ausgekeimten verschieden. Man darf sich deshalb wohl am besten
eine anaörobe Kultur als aus Individuen bestehend vorstellen, die einen
verschiedenen Grad von Anaérobie erfordern und ungleiche Resistenz
besitzen. In ganz jungen Kulturen stellt die Mehrzahl in dieser
Beziehung große Ansprüche und wenige sind resistent, weshalb nur
eine geringe Anzahl auskeimt, doch wird sie mit zunehmender Anaérobie
eine größere. In Sporenaufschwemmungen sind die Anforderungen
weniger streng, weshalb wir hier schon bei Verwendung von physiol.
NaCl eine relativ große Auskeimung finden, aber doch sind auch
hier durch Verwendung von NaSH die Grenzen weiter gerückt.
Auf diesen verschiedenen Ansprüchen beruht vielleicht das An-
gewöhnen von Anaéroben an aérobe Verhältnisse, das so oft mit gutem
Erfolge verwendet worden ist. Ueberhaupt ist natürlich das Wort
„launisch“ in Verbindung mit den Lebensfunktionen nur eine Ver-
schleierung der Tatsache, daß wir die Beteiligung der Gesetze nicht
kennen.
Zusammenfassung.
Durch quantitative Untersuchungen über Züchtung des Bacillus
tetani wird in der Höhenschicht mit einem geeignten Reduktionsmittel
(NaSH) in passender Molarität, nach Durchprobieren mehrerer solcher,
gezeigt, daß die Methode fast eben so gleichmäßige Resultate wie die
quantitative Aérobenziichtung gibt. Die Methode wird zur quanti-
titativen Beleuchtung einiger alter und neuer Beobachtungen über
anaérobes Wachstum verwendet.
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Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena — 5550
Contralbl. f. Bakt ete. I. Abt Originale. Bd. 101. Heft 8.
Ausgegeben am 12. Februar 1927.
Nachdruck verboten.
Ludwig Heim
zum 70. Geburtstage.
Ludwig Heim feiert am 13. Februar seinen 70. Geburtstag.
In Eichstätt in Mittelfranken als Sohn eines praktischen Arztes
geboren, hat er fast sein ganzes Leben in Franken verbracht. Wir
sehen ihn in Nürnberg als Abiturienten des Melanchthon-Gymnasiums,
als frohen Corpsstudenten vom ersten bis zum letzten Semester in
Erlangen, als Militärarzt in Bamberg, Amberg und Würzburg und
schließlich wieder als Ordinarius für Hygiene und Bakteriologie in
Erlangen.
Sein ganzes n l den Methoden und
Leben war seinem M der Lehre Pet-
Fache gewidmet. tenkofers ver-
Kaum waren die traut, versäumte
ersten Entdeckun- kaum eine Vor-
gen Kochs be- lesung. Das erste
kannt, schon hatte wissenschaftliche
sich der Assistenz- Kommando (1887)
arzt 2. Klasse mit eines bayr. Sani-
eigenen Mitteln tätsoffiziers zum
ein kleines Labo- Kaiserlichen Ge-
ratorium einge- sundheitsamt
richtet und das mußteso aufHeim
nötige Schrifttum fallen. Mit der-
verschafft. Rasch selben Gründlich-
hatte er sich in keit und Kritik,
die Anfänge der mit dr Heim
Bakteriologie ein- bisher das Auf-
gearbeitet und mit blühen der Bak-
Eifer wurde jeder teriologie verfolgt
Fortschritt erar- hatte, wurde nun
beitet und geprüft. | unter Renk in
1884 im Sommer- pu J SH. reiner Hygiene
semester machte 7 gearbeitet. Dann
sich Heim mit zog es Heim aber
wieder zur Bakteriologie und er arbeitete unter Gaffky. Gleichzeitig
hatte er keine Gelegenheit versäumt, Robert Kochs Vorlesungen und
Vorträge zu hören.
Mit Freuden erfuhr dann Heim von seiner Versetzung nach
Würzburg. Erhielt er doch dort Gelegenheit zur Habilitation (Jan.
1890) und ein eigenes, wenn auch kleines Laboratorium (Unter-
suchungsstation des 2. bayr. A.K.). 7 Jahre verbrachte er in der
sonnigen und frohen Frankenstadt. Es kam dann die Berufung nach
Erlangen, zuerst als a. o. Professor der Bakteriologie, dann, nachdem
Erste Abt. Orig. Bd. 101. Heft 8. 30
458 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 8.
der Physiologe Rosenthal seine nebenamtliche Tätigkeit in der
Hygiene aufgegeben hatte, die Ernennung zum Direktor des Hyg.
Institutes (1898) und zum Ordinarius (1902). Mit den bescheidensten
Mitteln hat hier Heim ein kleines, aber vollkommenes Institut ge-
schaffen und trotz der Schwere der Zeit mit einem Haushalt von
etwas über 2000 M. erhalten. Als Generalarzt und Obergeneralarzt
war Heim vom Kriegsbeginn bis zum Zusammenbruch Hygieniker
der 6. Armee.
Heim übersieht so die Bakteriologie von ihren Anfängen an,
man kann sagen, daß er jeden Fortschritt sorgfältig und nicht vor-
eingenommen prüfte. Das Ergebnis dieser Lebensarbeit ist in seinem nun
schon in 7 Auflagen erschienenen Lehrbuch niedergelegt. Wir finden
dort auch eine genau durchgearbeitete Literatur. „Für die so oft in
mühsamer Laboratoriumstätigkeit verfolgten Ideen findet der Urheber
außer in der inneren Befriedigung über das Gelingen einer Sache einen
Lohn zumeist nur noch darin, daß er von anderen darauf weiter
bauenden Untersuchern nicht mit Stillschweigen übergangen wird.‘
Wie gründlich Heim sich diesen Satz beim Aufbau seines Buches
zu eigen machte, geht ohne weiteres daraus hervor, daß die Autoren
sich immer mehr darauf beschränken, in ihren Literaturzitaten auf
das Heimsche Lehrbuch hinzuweisen. Heim kennt das Schrifttum
nicht nur dem Namen, sondern auch dem Inhalt nach; es erscheint
auch heute kaum eine Arbeit, die sich Heim nicht „zu Faden schlagen
würde“. Mit seltener Kritik wird dann gesichtet und der Auszug
peinlich genau geordnet. In dem völligen Vertrautsein mit dem Schrift-
tum sieht Heim eine der Grundlagen wissenschaftlicher Tätigkeit
gegenüber dem modernen Zug mancher Autoren, nur mehr auf der
Literatur ihres Instituts aufzubauen.
Ebenso wie Heims Lehrbuch ein Buch der Gründlichkeit und des
exakten Wissens ist, sind auch seine wissenschaftlichen Arbeiten da-
durch ausgezeichnet. Heim wollte stets eine den Bedürfnissen der
Medizin entsprechende Bakteriologie treiben.
Wenn wir Heims bakteriologische Arbeiten überblicken, so lassen
sich klar die Probleme erkennen, die ihn beschäftigten.
Zunächst war es, entsprechend der Entwicklung der Bakterio-
logie, die Möglichkeit und die Art des Nachweises krank-
heitserregender Keime. Schon am 19. August 1892 (also 3 Tage
nach dem Ausbruch der großen Hamburger Epidemie) erschien die
grundlegende Arbeit über die Möglichkeit der Anreicherung der Vi-
brionen in größeren Mengen Wassers durch Zusatz von Pepton und
Kochsalz. Erst dadurch konnte in genügendem Umfang der Nachweis
des Choleraerregers im Wasser erbracht, der Stein des Anstoßes gegen
die Kochsche Lehre entfernt und die Beweiskette für die ursächliche
Bedeutung des Vibrios geschlossen werden.
Dann konnte Heim den weiteren Nachweis erbringen, daß die
Choleraerreger und Vibrionen überhaupt durch Blutbestandteile, be-
sonders die des Rinderbluts, gefördert werden. Als der wirksame Stoff
wurde das Hämoglobin angesprochen. Dieses Verfahren ist dann von
Dieudonné durch Erhöhung der Alkalizugabe so verbessert worden,
daß es auch heute noch als eine der besten Anreicherungs- und
Elcktivmethoden gilt. Schon vorher hatte Heim wesentliche Unter-
lagen über das Verhalten der Erreger von Cholera, Typhus und Tuber-
Ludwig Heim zum 70. Geburtstage. 459
kulose in Milch, Butter, Molken und Käse beigebracht. Diesen Ver-
suchen schlossen sich Untersuchungen über Milchfehler an.
In Mittelfranken mit seiner Borsten und Haare verarbeitenden
Industrie sah sich Heim bald wieder veranlaßt, die Milzbrand-
studien aufzunehmen. Es gelang ihm als erstem der Nachweis der
Keime am Rohmaterial der Fabriken. Durch Waschen, Erhitzen und
Sedimentieren wurde auch hier eine Anreicherung zuwege gebracht,
über deren Vortrefflichkeit sich jeder klar wird, der derartige Unter-
suchungen vornehmen muß. Da auch der Nachweis der Keime an
Ziegenhaaren erbracht wurde, mußten die geltenden reichsgesetzlichen
Bestimmungen entsprechend ergänzt werden. Bei der Seltenheit der
Milzbranderkrankung bei Ziegen hatte man nicht daran gedacht, daß
an den Haaren dieser Tiere der Keim haften könne. Anschließend
finden wir weitere Arbeiten über Pathogenese, Färbbarkeit und Halt-
barkeit dieses Erregers.
Von jeher hat dann Heim die Streptokokkenfrage be-
schäftigt. Es war für den geradezu künstlerisch begabten Diagnostiker
immer unbehaglich, daß hier so häufig unser Können versagt. Wir
finden so Abhandlungen über Virulenz, Färbung, Züchtung und Auf-
bewahrung (,Seidenfadenmethode‘) des Strept. pneumoniae, mu-
cosus und pyogenes. Später wurden dann die Streptokokken als
Erreger der Pulpitis nachgewiesen (O. Sieberth). In neuerer Zeit ge-
lang es, wenigstens einen apathogenen Keim, den Str. lactis durch
seine eigenartigen Veränderungen in der Lackmusmilch zu kennzeichnen
und die Streptokokkenmorphologie soweit auszubauen, daß wir auf
einigermaßen sicherem Boden stehen. Die Lackmusmilch hat sich schnell
nicht nur in medizinischen, sondern auch in tierärztlichen Laboratorien
eingebürgert. Heims langjährige Erfahrungen veranlaßten ihn auch,
der neuaufgetauchten Lehre von der Einheit der Streptokokken nachzu-
gehen. Daß es damit „Nichts“ ist, wird bei seinem vorsichtigen Urteil
für den derzeitigen Stand der Lehre sicher Geltung haben.
Das Streptokokkenproblem führte naturgemäß zur Bearbeitung der
Mundbakteriologie. Lag doch hier ein Feld vor, dem ieider von
Fachleuten zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Bald erkannte
Heim die Bedeutung der Azidobakterien für das Zustandekommen
der Karies, die schon von der Bearbeitung der Scheidenflora
(W. Rother) gut bekannt waren. Er prüfte dann mit K. Schlirf
grundlegend diese Bakteriengruppe, die, abgesehen von der Karies, auch
für andere Vorgänge in und außer dem Körper von großer Bedeutung
ist. Besonders auf diesem vielbeackerten Gebiet ist aus den Arbeiten
das gründliche Studium des Schrifttums ersichtlich. Mit seiner Sichtung
beschäftigt sich eine eigene Arbeit.
Nicht unerwähnt darf bleiben, daß H. von jeher, auch als es noch
nicht „modern“ war, stets neben aéroben auch anaërobe Zuchten bei
Aussaat mit unbekannter Keimart anlegte. Es entstand so eine sorg-
fältige Pflege der Technik zur Anaérobienzucht, wie aus ver-
schiedenen Arbeiten hervorgeht. Schon 1909 hat H. auf die Ver-
wechslungen oder Verunreinigungen der Botulinus- mit Putrificus-
Kulturen hingewiesen. Heute wird dies im großen Umfang besonders in
der amerikanischen Literatur hervorgehoben. Ueberhaupt war es die
sichere Reinkultur, die auch Heim hier verlangte und die nur durch
die Plattenkultur erreichbar schien. Dabei war es von jeher eine
Selbstverständlichkeit, daß nur nach oder unter mikroskopischer Kon-
30*
460 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 8.
trolle abgeimpft werden durfte. Zur Züchtung der Anaérobier wurde
die Leber-Leberbrühe (K. Würcker) empfohlen, die sich dann später
in Untersuchungen mit M. Knorr unter Einhaltung besonderer Be-
dingungen auch für die Anreicherung der Gasbrandbazillen sehr gut
bewährte.
Ein Meister sorgfältiger bakteriologischer Technik, war H. stets be-
strebt, sie zu vervollkommnen [Geißelfärbung (A. Peppler), keimfreie
Filtration u. a.]. Auch hierin ist sein Lehrbuch eine Fundgrube. Ferner
hat er vor allem der Mikrophotographie neben dem Altmeister
Zettnow zu ihrem Recht verholfen. Zahlreiche Apparate für das
Laboratorium sind nach seinen Angaben gefertigt (Faust-Heim-
Trockenapparat, Zählokular, Abfüllbürette u. a.). Besondere Aufmerk-
samkeit hat er von jeher der Herstellung der Nährmittel zu-
gewendet.
Infolge seiner sorgfältigen und gründlichen Bearbeitung der medi-
zinischen Bakteriologie wurde Heim als ihr „Gutes Gewissen‘ be-
zeichnet. Aber auch auf dem Gebiet der öffentlichen Hygiene — der
Gesundheitswirtschaftslehre — wie Heim bei dem Altmeister Petten-
-kofer gelernt hatte, Hygiene aufzufassen, muß die weitblickende klare
Beurteilung hervorgehoben werden.
Auf den Versammlungen des Deutsch. Ver. f. öffentl. Gesundheits-
pflege 1899 und 1914 erstattete H. Referate über „Das Bedürfnis
größerer Sauberkeit im Kleinvertrieb von Nahrungsmitteln“ und „Der
Wert der jetzigen Desinfektionsmaßnahmen im Lichte neuerer Forsch-
ung“. H. ist mit seinen Vorschlägen weit den damals gültigen An-
sichten vorausgeeilt und kann heute mit Befriedigung feststellen, daß
es mit fast allem allmählich so geworden ist, wie er es damals vor-
schlug — selbst mit der Formaldehydzimmerdesinfektion. Den ausge-
prägten Sinn für praktisch-hygienische Dinge und die klaren, lang über-
legten und so stets treffenden Urteile, die Einwände stets einschlossen,
sind auch bezeichnend für Heims Vorträge und die stets eingehend
vorbereitete Vorlesung.
Das gleiche geschlossene Bild wie in der Arbeit sehen wir im all-
täglichen Leben. Wir verehren in Heim den peinlich gewissenhaften
und gerechten Vorgesetzten und Lehrer, den uneigennützigen Forscher
und Gelehrten, der trotz seiner eigenartigen Größe stets außen und
innen ein einfacher Mensch bleibt und so auch nie den gütigen Sinn für
die kleinen und großen Nöte anderer Menschen verliert.
Klieneberger, Künstliche Gewinn- und Verluständerungen usw. 461
Nachdruck verboten.
Künstliche Gewinn- und Verluständerun en im Salizin-
(bzw. Arbutin-) Vergärungsvermögen eines Coli-Bakteriums
in besonders ausgedehnten Versuchsreihen.
[Aus dem Städt. Hygienischen Universitäts-Institut Frankfurt a./M.
(Dir.: Geh. Med. Rat Prof. Dr. M. Neisser).]
Von Dr. Emmy Klieneberger.
Mit 2 Abbildungen im Text und 2 Text-Tafeln.
Die vorliegende Studie beschäftigt sich mit einer künstlich.
modifizierbaren Eigenschaft eines Colistammes und ver-
sucht die Gesetzmäßigkeiten dieser Veränderungen des Stammes, das
Entstehen der Veränderungen, ihre Konstanz und ihr Ver-
schwinden unter wechselnden Ernährungs- und Wachstumsbedin-
gungen eingehend, in Hunderten aufeinander folgenden Passagen, zu
erforschen.
Auf die umfangreiche Literatur des in Betracht kommenden Ge-
bietes soll nicht eingegangen werden, da jede mögliche Beschränkung
des Umfanges der Ausführungen erwünscht scheint, und da die haupt-
sächliche Literatur ja auch in Form verschiedener zusammenfassender
Darstellungen, zum Teil aus der letzten Zeit (Ph.Eisenberg, E.Got-
schlich, V. Jollos u. a.) zugänglich gemacht worden ist.
Die Untersuchungen wurden ausgeführt mit einem typischen Bact.
coli, das sich in der Indolbildung, der Vergasung von Trauben-
und Milchzucker, Nichtverflüssigung von Gelatine und anderem als
typisch erwies. Der betreffende Stamm wurde 1919 aus einer von
Prof. Nissle übersandten ,,Mutaflorkapsel‘‘ gezüchtet und seitdem unter
der Bezeichnung NO 13 in der Institutssammlung weiter geführt
Er fiel im Sommer 1925 bei Vergärungsversuchen mit einer größeren
Reihe verschiedener Stämme der Typhus-Coli-Gruppe auf durch
sein eigenartiges Verhalten gegenüber den beiden Glukosiden Sali-
zin und Arbutin. Diese Substanzen waren entzuckertem Nähr-
agar zugesetzt worden, der in hoher Schicht als Schüttelkultur mit
den zu prüfenden Stämmen nach der von E. Klieneberger (1925)
angegebenen Methode beimpft worden war. Sowohl Salizin wie ‚auch
Arbutin wurden nicht vergast, aber nach 5tägiger Bebrütung (37° C)
waren in beiden hohen Schichten eine Anzahl dicker, fast steck-
nadelkopfgroßer Kolonien in dem vorher durch Wachstum
der Bakterien gleichmäßig diffus getrübten Medium entstanden. In
dem einen der Röhrchen zeigte sich nach 6 Tagen eine Gasblase.
Durch Abstechen solcher dicken Kolonien aus dem Arbutin- oder
Salizinröhrchen wurden Stämme erhalten, die sowohl Salizin wie auch
Arbutin (unabhängig davon, ob sie von einer dicken Kolonie aus
462 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 8.
Arbutin- oder Salizinagar stammten), unter reichlicher Gasbil-
dung nach 24 Std. zu spalten vermochten!).
Es sei hier schon bemerkt, daß nicht nur alle untersuchten Coli-
stämme, sondern auch alle im Laufe der vorliegenden Versuche ge-
wonnenen Varianten des Stammes NO 13 sich gegen die beiden chemisch
sich so nahe stehenden Glukoside Arbutin und Salizin völlig gleich-
mäßig verhielten, so daß schließlich nur noch mit einem der beiden
Stoffe, nämlich Salizin, die Versuche fortgesetzt wurden.
Ein dem Stamm NO 13 entsprechendes Verhalten zeigten von
R. Burri (1910) beschriebene Bakterien der Coli-Gruppe gegenüber
Saccharose. Von den dicken Kolonien aus Saccharosenähragar (in
hoher Schicht beimpft), gewann Burri Stämme, die Saccharose unter
Gasbildung zerlegten, während Subkulturen, die von anderen mit sehr
kleinen Kolonien durchsetzten Stellen der hohen Schichten herstammten,
sich gegen Saccharose so verhielten wie der Ausgangsstamm, diesen
Zucker also zunächst nicht anzugreifen vermochten. Burri zeigte an
seinen Stämmen, daß alle Keime zur Bildung der dicken Kolonien
befähigt waren, da stets eine gewisse Anzahl solcher Kolonien ent-
standen, unabhängig davon, ob er die Schichten mit wenigen oder vielen
Keimen beimpfte. Unser Stamm NO 13 verhielt sich in den mit Salizin
und Arbutin versetzten hohen Schichten ebenso wie die Burrischen
Stämme in Saccharoseagar: Nach 5 bis 7 Tagen waren stets
einige dicke Kolonien ausgebildet.
Die Veränderung, die mit den zu dicken Kolonien ausgewachsenen
Bakterien vor sich gegangen war, ließ sich auch auf der Salizin-
bzw. Arbutin-Endoplatte leicht studieren. Während der Aus-
gangsstamm auf solchen Endo-Platten völlig hell wächst, färbte der
abgeänderte Stamm diesen Nährboden rot und es trat ein charak-
teristischer metallischer Fuchsinglanz auf dem Bakterienrasen
und den isolierten Kolonien auf. Wie stark der Unterschied zwischen
den roten Kolonien des abgeänderten Stammes und den hellen des Aus-
gangsstammes auf der Salizin-Endoplatte sich ausprägt, zeigt Fig. 1.
Es sind dort Sektoren von 2 Platten abgebildet, von denen die erste
mit unserem Ausgangsstamm NO 13, die zweite mit einem Gemisch
„roter“ und „heller“ Abkömmlinge beimpft worden war, wie man es
durch Abstechen einer dicken Kolonie aus der Schüttelkultur erhält.
Es gelingt nämlich nicht direkt von den dicken Kolonien durch ein-
maliges Abstechen einen völlig rein „roten“ Stamm zu gewinnen, da
natürlich auch eine Anzahl ‚„heller‘‘ Keime, welche die ganze Kultur
je nach Beimpfung mehr oder weniger dicht durchsetzen, beim Hinein-
stechen mit auf die Nadel geraten. Aber durch Abimpfung einer roten,
fuchsinglänzenden Kolonie von einer weiß-roten Endoplatte, wie sie
die Abbildung zeigt, läßt sich natürlich ohne weiteres ein rein „roter“
Stamm gewinnen. Rein „rote“, ursprünglich von dicken Kolonien
herstammende Kulturen erwiesen sich nach mehreren Nähragarpassagen
(5 bis 10), sowie nach mehrwöchigem Stehen noch immer als rein
„rot“ (Salizin-Endoplatte!). Da nach diesen Vorversuchen vermutet
die von den veränderten dieken Kolonien ausgingen.
Klieneberger, Künstliche Gewinn- und Verluständerungen usw. 463
änderung handele, wurden mit dem Stamm NO 13 in ausgedehnten
Versuchen, die sich bereits über ein Jahr hinziehen, ohne indessen bis
jetzt völlig abgeschlossen zu sein, fortlaufend Passagen unter wechselnden
Kulturbedingungen ausgeführt, um so die Gesetzmäßigkeiten
im Auftreten und eventuellen Verschwinden der neu er-
worbenen Eigenschaft zu erkennen.
Ehe auf die einzelnen Fragen, die an Hand verschiedener Versuchs-
gruppen beantwortet werden sollten, eingegangen werden kann, muß
zuvor kurz die Methodik,
die in allen Versuchen gleich-
mäßig und streng beachtet
wurde, dargelegt werden.
Methodik der Versuche.
Für die im Laufe der
Untersuchungen ausgeführten
Passagen!) wurden in der
Hauptsache feste Nährböden
verwendet. Der Nähragar
wurde aus Fleischwasser mit
einem Zusatz von 1 Proz.
Pepton (Witte) hergestellt
und besaß eine Alkalität von
pH = 72 bis 7,4. Zur Her-
stellung von Nähragar mit
Kohlehydratzusätzen
wurde eine entzuckerte Fleisch-
wasserbouillon verwendet, die
durch Beimpfung mit Bact.
coli gewonnen wurde. Die
als Zusätze benutzten Zucker-
arten wurden vorsichtig ste-
rilisiert (an 3 Tagen hinter-
einander 5—10 Min. im Dampf-
topf), die Glukoside Salizin
und Arbutin wurden nach
Lösung in destilliertem Was-
ser durch Filtration
mittels Chamberland-
kerzen sterilisiert und dem
flüssigen Agar bei etwa
50° C zugesetzt. Der abgefüllte Agar wurde 1 bis 2 Tage bei 370 C
gehalten zur Prüfung auf Sterilität. Es sei hier bemerkt, daß Arbutin-
agar, auch Arbutin-Endo-Agar 2 bis 3 Tage nach. der Beimpfung
eine bräunliche Verfärbung zeigt, während beimpfter Salizinagar sich
ganz leicht gelb-grünlich irisierend verfärbt.
Zur Untersuchung der Stämme auf Platten wurde ein Agar
nach der Endoschen Vorschrift, aber ohne Zuckerzusatz bereitet.
1) Die Passagen wurden täglich, mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage,
ausgeführt.
464 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. IR Heft 8.
Zum Gebrauch wurde dieser Agar verflüssigt und mit abgemessenen
Mengen steriler, filtrierter Salizin- oder Arbutinlösung vermischt. Ein
Zusatz von 1 bis 1!/ Proz. Salizin oder Arbutin zum Endoschen
Nähragar hatte sich zur Differenzierung der Vergärer von den Nicht-
vergärern als besonders günstig erwiesen. Es wurde stets ein 1proz.
Salizin- oder Arbutin-Endo-Agar verwendet.
Die Endo-Platten wurden, ausgehend von einer kleinen Oese des
Kulturrasens (oder einer kleinen Oese Schrägagaraufschwemmung) nach
dem Prinzip der „dreigeteilten Platte‘ mit der feinen Oese be-
impft, so daß im 1. Feld der Platte ein dichter Bakterienrasen, im
2. Feld ein weniger dichter Rasen, oft auch schon isolierte Kolonien,
im 3. Feld stets nur Einzelkolonien wuchsen. Es ließ sich leicht durch
Abzählen der isolierten roten und hellen Kolonien feststellen, in
welchem Zahlenverhältnis ‚rote‘ und ,,helle“ Keime in der Mischkultur
vorhanden waren.
Um von vornherein den Einwand auszuschließen, daß in die Ver-
suche bzw. die Prüfungsergebnisse Unregelmäßigkeiten kommen könnten,
durch Abnehmen von Impfmaterial von verschiedenen
Stellen des Schrägagarröhrchens, wurden die folgenden methodisch
wichtigen Versuche gemacht. Von einer Mischkultur (aus Salizin-
vergärern und Nichtvergärern bestehend), wie man sie direkt durch
Abstechen einer dicken Kolonie gewinnen kann, wurden zunächst vom
Agarröhrchen selbst, dann von einer Aufschwemmung des Kulturrasens
Plattensätze auf Salizin-Endo-Agar angelegt. Alle zeigten dasselbe
Bild. Ferner wurden mehrere Agarröhrchen von dieser Kultur aus
beimpft und von jeder dieser Subkulturen eine Endo-Platte angelegt.
In einem weiteren Versuch wurden von solchen Subkulturen nach ver-
schiedenen Zeiten, nämlich 6, 12 und 24 Std. (um auch den eventuellen
Einfluß einer Altersverschiedenheit der Kulturen auf die
Prüfungsergebnisse auszuschließen) Endo-Platten beimpft. Alle diese
Platten zeigten ein gut übereinstimmendes Zahlenverhältnis der roten
und hellen Kolonien.
Zur Feststellung, ob vergärende Keime in einer Kultur vorhanden
seien, wurden in der Regel auch Agarschüttelkulturen mit
Salizin- oder Arbutinzusatz angelegt. Geringe Gasbildung,
zum Zeichen, daß vereinzelte vergärende Keime in der Ausgangskultur
vorhanden waren, trat hier häufig schon auf, wenn die En do - Platten-
aussaat rote, d. h. vergärende Kolonien noch nicht aufwies, ein Zeichen
dafür, daß die Agarschüttelkultur, wenn es sich um wenige vergasende
Bakterien in einer Population handelt, ein besonders feiner Indikator
der Vergärung ist. Für solche Agarschüttelkulturen wurde ausschließ-
lich entzuckerter, auf Zuckerfreiheit in Kontrollröhrchen geprüfter Agar
mit Zusatz von 1/, bis 1 Proz. Glukosid (Salizin oder Arbutin) und
einer Alkalität von pu = 7,4 verwendet. Die hohe Schicht wurde mit
einer kleinen Oese einer Aufschwemmung der Schrägagarkultur (1 ccm
sterile physiol. Kochsalzlösung auf ein Schrägagarröhrchen), also stets
mit etwa derselben Bakterienmenge unter 2maligem kräftigen Schütteln
beimpft.
Von größter Wichtigkeit, ja geradezu die Basis der ganzen Unter-
suchungen, war es, die Möglichkeit der Verwechslungen bei
den serienweise lange Zeit hindurch ausgeführten Passagen auf ver-
Klieneberger, Künstliche Gewinn- und Verluständerungen usw. 465
schiedenen Nährböden auszuschließen, um wirklich gesicherte Ergebnisse
zu erhalten. Es wurde deshalb mit ganz besonderen Vorsichtsmaßregeln
gearbeitet. Die Röhrchen, welche die verschiedenen Nährböden ent-
hielten, wurden sofort nach Bereitung und Abfüllung der Medien in
bestimmter stets gleichbleibender Farbe gezeichnet. Außerdem mußte
vor der Beimpfung nochmals die Art des Nährbodens in Abkürzungen
auf dem betreffenden Röhrchen vermerkt werden.
Die einzelnen Stämme wurden unter bestimmten Bezeichnungen,
die stets auf die Kulturröhrchen geschrieben wurden, geführt und
wurden einzeln (bzw. bei Parallelpassagen mehrere gleichartige zu-
sammen) in besonderen Kulturkästchen gehalten, die eine Aufschrift,
den Inhalt betreffend, trugen. Außerdem befand sich in jedem Käst-
chen ein Protokoll über die mit den betreffenden Stämmen ausgeführten
Passagen, in das jede neue Ueberimpfung eingetragen werden mußte
(selbstverständlich wurden noch außerdem alle Untersuchungen und
Prüfungen aufs genaueste im Zusammenhang protokolliert). Bei den
Ueberimpfungen wurde ein Kästchen nach dem andern gesondert
vorgenommen.
Eine sichere Gewähr aber dafür, daß Verwechslungen nicht vor-
gekommen sind, bieten vor allem die öfteren Wiederholungen sämt-
licher Versuche, die stets gleichsinnige Ergebnisse zeitigten.
Wir gehen nun zur Besprechung der mit dem Stamm NO 13 aus-
geführten Versuche über.
I. Primäre Angewöhnung.
A. Spezifische Reizwirkung.
Unsere erste Frage war, ob die Neuerwerbung der Salizin-
und Arbutinvergärung bei unserem Stamm die Antwort
auf einen spezifischen Reiz sei, d. h. ob ausschließlich auf Nähr-
böden mit diesen Zusätzen die neue Eigenschaft auftritt.
Vorversuche.
Es wurden mehrfache Reihen täglicher Passagen auf 0,5 bis
lproz. Salizin- und Arbutinschrägagar, sowie auf Glyzerin-Trauben-
zucker- und gewöhnlichem Schrägagar ausgeführt. Die Neuerwerbung
der Salizin- und Arbutinvergärungsfähigkeit trat nur bei den auf
Salizin- und Arbutinagar passierten Stämmen ein, und zwar vermochte
der ,,Salizinstamm‘ auch Arbutin, der „Arbutinstamm“ auch Salizin
anzugreifen. Offenbar werden diese Zersetzungen, wie schon früher
bemerkt, durch dasselbe Ferment bewirkt. Nach 7—10 Passagen war
in diesen ersten Versuchen der Stamm verändert. Brachte man ihn
dann in Salizin- oder Arbutinagar in hoher Schicht, so trat Gasbildung
(Zerreißung der Schicht) auf. Verimpfte man den Stamm auf Salizin-
Endo-Platten, so zeigten sich neben vielen hellen Kolonien eine An-
zahl völlig roter, fuchsinglänzender Kolonien. Die auf Schrägagar,
Zucker- und Glyzerinagar passierten Stämme hatten sich nicht ver-
ändert.
466 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 8.
Hauptversuch.
Im Hauptversuch wurde die Ausgangskultur nach erneuter Rein-
züchtung in parallelen täglichen Passagen (Versuchsreihe 1) über
1) 1/,proz. Arbutin-
3) 1/,proz. Salizin-
3) 1/4proz. Traubenzucker-
4) !/yproz. Milchzuckernähragar
geschickt. Außerdem wurde noch
5) eine Passagenreihe mit Nähragar, dem ein Gemisch von !/, Proz.
Arbutin, 1/, Proz. Salizin, 1/, Proz. Traubenzucker, 1/, Proz. Milch-
zucker (1 Proz. Zusatz im ganzen) zugesetzt war, ,,Gemischagar™ ge-
nannt, ausgeführt. Um die Veränderungen der Passagenstämme fest-
zustellen, wurden sie zunächst täglich, später 1mal wöchentlich, auf
Salizin- und Arbutin-Endo-.Agar, sowie in hohen Agarschichten mit
denselben Zusätzen geprüft.
Erst nach der 17. Passage zeigten sich Veränderungen, und zwar
waren sic wieder ausschließlich bei den Salizin- und Arbutin-
passagestämmen aufgetreten. Diese wiesen nach der 17. Passage, auf
Endo-Platten überimpft, eine große Anzahl fuchsinglänzender, roter
Kolonien auf neben etwa derselben Zahl heller Kolonien. Die zur
Prüfung angelegten hohen Salizinagarschichten waren nach ltägiger
Bebrütung durch Gasbildung zerrissen. Bei den Vorversuchen war das
Erscheinen roter Kolonien früher wie im Hauptversuch, nämlich schon
nach 7—10 Passagen beobachtet worden, was vermutlich damit zu-
sammenhängt, daß in diesen ersten Versuchen 0,5 bis 1proz. Salizin-
und Arbutinagar verwendet wurde, während jetzt nur mit 0,25proz.
Glukosidagar gearbeitet wurde. Die Ueberimpfungen der Versuchsserie 1
(Tafel 1) wurden in gleicher Weise bis zur 41. Passage fortgeführt
mit folgendem Endergebnis: Die Salizin- und Arbutinkulturen be-
standen etwa zur Hälfte aus Bakterien, die diese Glukoside zu
spalten vermochten, zur anderen Hälfte aus Bakterien, die unverändert
geblieben waren. Die anderen 3 Passagestämme, die über Traubenzucker-
Milchzucker- und „Gemisch“ - Nähragar fortgeführt worden waren,
zeigten keine Veränderung. Es wird daraus geschlossen, daß die
Umwandlung des Ausgangsstammes in eine Population, die etwa zur
Hälfte aus salizin- und arbutinvergärenden Bakterien besteht (dieses
Verhältnis bleibt auch bei weiterer Fortführung der Passagen ungefähr
erhalten), nur auf salizin- oder arbutinhaltigen Nährböden vor sich
geht, auf gewöhnlichem Nähragar (dies zeigen die ersten Vorversuche),
sowie auf Nähragar mit verschiedenen Zuckerzusätzen tritt keine Ver-
änderung ein. Ja sogar auf dem ,,Gemischagar“, der neben je 1/, Proz.
Trauben- und Milchzucker noch einen 1/,proz. Zusatz der beiden Glu-
koside (nämlich !/, Proz. Salizin, 1/, Proz. Arbutin) enthielt, blieb
der Ausgangsstamm während 41 Passagen unverändert, cbwohl
schon 17 Passagen mit Salizin- oder Arbutinzusatz allein genüzten,
um den Umschlag zu bewirken. Man kann sich vielleicht die Vor-
stellung bilden, daß die stark Traubenzucker und Milchzucker zer-
setzenden Coli-Bakterien ihren Bedarf an Kohlehydraten leicht in
dem zuckerhaltigen Medium des „Gemischagars“ zu decken vermögen,
und daß die Glukoside neben diesen Zuckern daher keinen Reiz mehr
auf die Bakterien ausüben. Der Tatbestand sei kurz zusammengefaßt:
eee ES eS u om 7 — = — u a nn Donne one |
Klieneberger, Künstliche Gewinn- und Verluständerungen usw. 467
1) Die Abspaltung „roter“ salizin- und arbutin-
angreifender Bakterien aus dem „hellen“ Ausgangsstamm
tritt nur auf Salizin- oder Arbutinagar auf, sie ist also
Antwort auf einen spezifischen Reiz.
2) Neben anderen Zuckerarten kommt diese spezi-
fische Reizwirkung der Glukoside Salizin und Arbutin
auf unseren Coli-Stamm nicht zur Entfaltung.
B. Plétzliche Umstimmung oder stufenweise Veränderung.
Es wurde die auch im Falle des Coli mutabile Neisser-
Massini diskutierte Frage gestellt: Handelt es sich bei der Umwand-
lung des nicht vergärenden in den salizin- und arbutinspaltenden Stamm
um eine plötzliche Umstimmung oder können wir eine
stufenweise Veränderung beobachten?
Für das Coli mutabile haben R. Burri und i ]
sein Schüler C. Thaysen in Versuchen, die aller-
dings von R. Müller angegriffen wurden, zu |
zeigen versucht, daß es sich um eine allmähliche ;
Umwandlung handelt, und daß man neben der ver-
gärenden, also schon umgewandelten Form, teil-
weise umgestimmte Bakterien isolieren kann, wäh-
rend M. NeisserundR.Massini die Erscheinung Fig. 2.
als eine sprungweise Veränderung auffaßten.
Für unseren Salizinstamm läßt sich die Frage beantworten an Hand
. der Versuche, die mit 2 von einer Salizin-Endo-Platte im Laufe der
weiteren Versuche isolierten „hellen“ Stämmen, als y und 8 in den
Protokollen geführt, angestellt wurden. Diese Endo-Platte stammte
von einer Kultur, die bereits eine Zeit lang auf Salizinagar passiert
worden war. Durch die Berührung mit Salizin waren diese Stämme
offenbar schon beeinflußt. Denn obwohl sie in der hohen Schicht mit
Salizinzusatz kein Gas abspalteten und zunächst auf Salizin-Endo
hell wuchsen wie der Ausgangsstamm, wichen sie doch von diesem ab.
Sie bildeten nämlich auf der Salizin-Endo-Platte vom 4. bis 5. Tage
der Bebrütung an Knöpfe, die zuerst rosa waren und sich später
röteten und Fuchsinglanz zeigten (s. Fig. 2). Diese bekannte Er-
scheinung der Knopfbildung, wie sie zuerst vom Coli mutabile und
später von vielen anderen Bakterien der Typhus-Coli-Gruppe be-
schrieben wurde, muß wohl auch hier als Entstehung sekundärer Tochter-
kolonien, die aus vergärenden Individuen sich zusammensetzen, aufge-
faßt werden. Impfte man von den Knöpfen auf Salizin- oder Arbutin-
Endo-Agar ab, so bekam man Platten mit hauptsächlich roten und
vereinzelt hellen Kolonien, wie nicht anders zu erwarten war. Der
Ausgangsstamm — vom Agarröhrchen auf Salizin-Endo verimpft —
hatte nie Knopfbildung gezeigt, auch nicht nach 1wöchiger Bebrütung.
Es muß noch bemerkt werden, daß die beiden Stämme y und à
die Knöpfe nur auf Salizin- und Arbutinagar ausbildeten, nicht aber
auf gewöhnlichem Nähragar oder Zuckeragar. Es handelt sich also
bei den hellen Stämmen y, 5 augenscheinlich um 2 teilweise um-
gestimmte Stämme. Sie konnten wochenlang auf Nähragar passiert
werden, ohne daß an ihrem Zustand der teilweisen Umstimmung eine
Veränderung zu bemerken war. Anders verhielten sich die Stämme,
468 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 8.
sobald Passagen auf Salizinagar mit ihnen ausgeführt wurden. Nach
einer Salizinagarpassage und folgender Ueberimpfung auf Salizin-
Endo-Agar traten die Knépfchen schon nach 3 bis 4 Tagen auf, so-
wohl im dichten Rasen wie innerhalb einzelner heller Kolonien. Die
Umstimmung war also wieder einen Schritt weiter gegangen. Nach
zwei Salizinagarpassagen zeigte die zur Prüfung angelegte Endo-
Platte zwar nach 1 Tag noch völlig helles Wachstum, nach 2tägiger
Bebrütung eine Anzahl roter Kolonien zwischen den hellen, aber keine
Knopfbildung mehr. Nach drei Salizinagarpassagen war die Prüfungs-
platte bereits nach 24 Std. von roten und hellen Kolonien bewachsen,
Knopfbildung trat nicht mehr auf. Diese Versuche zeigen, laß bei der
Umwandlung von „hell“ in „rot“ Zwischenstadien — teilweise
umgestimmte Stämme — existieren und daß es sich daher hier wohl
nicht um eine sprungweise Veränderung handelt.
Hauptergebnis der bisherigen Versuche über primäre
Angewöhnung:
Es gelingt künstlich einen Coli-Stamm, der Salizin und
Arbutin nicht anzugreifen vermochte, zum Salizin- und Arbutinvergärer
zu machen. Diese Angewöhnung erfolgt nur durch spezifischen Reiz,
nämlich durch Züchtung auf salizin- und arbutinhaltigen Nährböden.
Bei Umwandlung des salizin- und arbutinnichtspaltenden in den ver-
gärenden Stamm werden Zwischenstadien beobachtet.
II. Primäre Abgewöhnung.
Wir stellten die Frage: bleibt die neu erworbene Eigen-
schaft der Salizin- und Arbutinspaltung dauernd er-
halten oder kann sie wieder verloren gehen?
Zur Beantwortung dieser Frage wurde eine rote Kolonie nach
der 17. Salizinagarpassage des Ausgangsstammes von der Prüfungs-
Endo-Platte isoliert. Es wurde so ein Stamm erhalten, dessen sämt-
liche Keime Salizin zu vergasen vermochten und auf Salizin-Endo-
agar zu roten Kolonien sich entwickelten. Dieser rein ‚rote‘ Stamm
wurde täglich auf gewöhnlichen Schrägagar überimpft (Versuchsreihe 3,
Tafel I). Im Laufe dieser Passagen wurde der Stamm des öfteren auf
der Salizin-Endo-Platte sowie in hoher Salizinagarschicht geprüft.
Er erwies sich noch nach der 40. Passage als völlig unverändert. Nach
der 46. Schrägagarpassage zeigten sich zum erstenmal auf der Platte
2 helle Kolonien unter lauter roten. Nach der 56. Passage hatte
die Zahl der hellen Kolonien im Vergleich zu den roten etwas zuge-
nommen. Die ‚rote‘, salizinspaltende Abart des Coli- Stammes NO 13
hatte demnach wieder „helle“ salizinnichtangreifende Keime abgespalten.
Die neu erworbene Eigenschaft erweist sich als nicht
dauernd konstant, sondern nach einer langen Reihe aufeinander
folgender Generationen, die beharrlich die Figenschaft der Nalizin-
spaltung beibehalten, entstehen wieder Keime, die denen des Ausgangs-
stammes gleichen. Wir müssen also die künstlich erzeugte „rote‘‘,
salizinspaltende Form des Stammes NO 13 als eine, wenn auch
hartnäckige Modifikation (Jollos 1924) des „hellen“ Aus-
gangstammes, der Salizin nicht anzugreifen vermochte, bezeichnen.
Wir haben geschen, wie durch „Angewöhnung‘“ (Züchtung auf
salizinhaltigen Nährböden) die Eigenschaft der Salizinspaltung von
Klieneberger, Künstliche Gewinn- und Verluständerungen usw. 469
einem Coli-Stamm erworben wird und wie er durch „Abgewöhnung“
(Züchtung auf gewöhnlichem Nähragar) die neu erworbene Eigenschaft
wieder verliert. Im ersten Fall werden salizinspaltende, im zweiten
Fall salizinnichtangreifende Keime abgespalten.
Wir fragen nun:
III. Vermögen alle „hellen“ Abspaltungen, die von Stämmen
herrühren, welche längere Passagenreihen über Salizinagar
durchgemacht haben, bzw. die durch Abgewöhnung wieder hell
geworden sind, die Salizinspaltung zu „erlernen“?
Es wurde zu diesem Zweck zunächst von der Salizin- Endo- Platte,
die zur Prüfung der 17. Salizinagarpassage des Ausgangsstammes an-
gelegt war, eine helle Kolonie abgestochen (Tafel I, Versuchs-
gruppe 1). Wie Tafel I zeigt, wurde in Versuchsreihe 2 der so ge-
wonnene „helle“ Stamm auf Salizinschrägagar (1 Proz)!) weiter-
gezüchtet. Nach 55 folgenden, also im ganzen nach 73 Salizinagar-
passagen erfolgte der Umschlag, d. h. es zeigten sich wieder rote, salizin-
spaltende Kolonien auf der Prüfungs-Endo-Platte, und die hohe
Salizinagarschicht wurde von dem Stamme zerrissen. Auch dieser
Stamm hat die Salizinspaltung „erlernt“. Weitere 4 helle Kolo-
nien — Versuchsgruppe 5 — wurden von der Prüfungsplatte der
41. Salizinagarpassage des Ausgangsstammes abgestochen. Sie wurden
sämtlich auf Salizinagar fortgeführt. Alle 4 Stämme hatten’nach 13
weiteren, also im ganzen nach 55 Salizinagarpassagen die Fähigkeit
der Salizinspaltung erworben. Die dunklen und hellen Sektoren der
abgebildeten Prüfungs-Endo-Platten sollen jedesmal ungefähr das
Zahlenverhältnis zwischen roten und hellen Einzelkolonien angeben.
Von einem dieser 4, als hell isolierten, nach 55 Salizinagarpassagen
umgeschlagenen Stämme wurden — Versuchsgruppe 6 — erneut durch
Abstechen heller Kolonien von der Salizin-Endo-Platte 10 helle
Stämme isoliert. Wieder wurden sie sämtlich täglich auf Salizin-
agar tiberimpft. Nach kürzerer oder längerer Zeit (der cine Stamm
brauchte im ganzen 111 Salizinagarpassagen!) hatten sie alle die
Salizinzersetzung ‚erlernt‘, wie auf Tafel I, Nr. 6 dargestellt.
Es wurden also bis jetzt, im Laufe des dargestellten Hauptver-
suchs (abgesehen von den mit dem Ausgangsstamm selbst angestellten,
geschilderten Versuchen) 1 helle Kolonie (Nr. 2), 4 helle Kolonien
(Nr. 5), 10 helle Kolonien (Nr. 6), isoliert, die alle durch
Passagen auf Salizinagar die Salizinspaltung, eineEigen-
schaft, die ihnen zuvor fehlte, „erlernten“.
Nun bleibt noch die Frage zu beantworten, ob es möglich ist, einem
„hellen“ Stamm, der durch Rückschlag aus einem rein
„roten“, salizinspaltenden entstanden ist, wieder erneut die
Salizinvergärung anzugewöhnen. Machen wir uns das am Bei-
spiel des schon beschriebenen rein „roten“ Stammes klar! Der über
Salizinagar passierte „helle‘‘ Ausgangsstamm der Versuchsgruppe 1,
Tafel 1, war nach 17 Passagen zum Salizinvergärer geworden und wies
auf der Salizin-Endo-Platte zur Hälfte rote, zur Hälfte helle Kolo-
1) Hier und in allen folgenden Versuchen kam 1proz. Salizinagar zur
Verwendung.
470 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 8.
nien auf. Von dieser Platte wurde einerseits ein rein „heller‘‘ Stamm
gewonnen, der, wie wir bereits sahen, über Salizinagar zum Vergärer
(Nr. 2) gemacht wurde, andererseits wurde ein rein „roter“ Stamm
isoliert, der, wie ebenfalls schon beschrieben, nach einer langen Reihe
von Agarpassagen in die helle Form zurückschlug, d. h. helle, nicht
salizinspaltende Kolonien abgab (Nr. 3). Eine der beiden, nach der
46. Agarpassage abgespaltenen, hellen Kolonien lieferte uns wieder
einen rein „hellen“, salizinnichtangreifenden Stamm. Ist es möglich, auch
diesen — durch Rückschlag aus dem rein „roten“ entstandenen —
„hellen“ Stamm wieder zum Salizinvergärer zu machen ? Wir passierten
ihn, um dies zu entscheiden, über Salizinagar (Nr. 4). Zunächst blieb
er längere Zeit unverändert. Nach 50 Passagen aber hatte auch dieser
Stamm das Salizinspaltungsvermögen wieder erworben. Etwa 1/3
der Kolonien wuchs rot, ?/; hell auf der Salizin- Endo-Platte. Wir
sahen also, wie der salizinnichtspaltende Ausgangsstamm künstlich zum
Salizinvergärer gemacht wurde, wie er dann im Laufe längerer Agar-
passagen dieses Spaltungsvermögen wieder verlor und wie schließlich
ein solcher sekundär „heller“, nicht vergärender Stamm das Salizin-
spaltungsvermögen aufs neue gewann. Wir fragen uns: läßt sich dieses
„Spiel“ ins Unbegrenzte fortsetzen? Kann man die Eigenschaft
der Salizinspaltung immer wieder von neuem erzeugen
und zum Verschwinden bringen? Verfolgen wir zur Beant-
wortung dieser Frage den auf Tafel I u. II dargestellten Hauptver-
such weiter. Der Endstamm der Versuchsgruppe 4 ist ein Stamm, der
zum 2. Mal die Salizinspaltung erlernt hat. Durch Isolation einer
roten Kolonie von der zugehörigen Salizin-Endo-Platte gewinnen
wir wieder einen rein ‚roten‘ Stamm, dessen Keime sämtlich Salizin
zu spalten vermögen. In der großen Versuchsgruppe 7, Tafel II,
auf deren Bedeutung im folgenden Kapitel eingegangen wird, sehen wir
diesen Stamm erneut „helle‘‘ Formen abspalten. 2 solcher heller Kolo-
nien wurden abgestochen und die so erhaltenen beiden .,hellen‘*
Stämme einerseits auf Schrägagar, andererseits auf Salizinagar täglich
überimpft (Versuchsgruppe 8). Die auf Agar passierten „hellen‘“
Stämme änderten sich nicht, während durch die Salizinagarpassagen
auch hier das Vergärungsvermögen wieder erworben wird. Wir haben
demnach die aufeinander folgenden Umwandlungen erzeugt:
Versuchsgruppe
„heller“, N dors Stamm } "Nr. 1
in ,roten“, salizinspaltenden =
v
» „roten“, salizinspaltenden
”
t
» „hellen“, salizinnichtspaltenden
» „hellen“, salizinnichtspaltenden F | „4
\
J
PE
» „Toten“, salizinspaltenden `
Hieraus könnte man schließen, daß dieses „Hin- und Herpendeln‘“
der Stämme zwischen Salizinspaltungsvermögen und Unvermögen einer
einfachen Gesetzmäßigkeit folgt und immer wieder in derselben Weise
die eine Form aus der anderen hervorgehen kann. Mit anderen Worten,
Klieneberger, Künstliche Gewinn- und Verluständerungen usw. 471
man könnte annehmen, daß alle Keime gleich veranlagt seien, und daß
sie die Anlage, Salizinspaltung unter gewissen Bedingungen zu erwerben
und wieder zu verlieren, von vornherein besitzen. Vergleichen wir die
verschiedenen Versuchsreihen aber genauer, so können wir die Aunahme
der von vornherein gleichen Veranlagung aller Keime nicht aufrecht
erhalten. Denn wir stellen fest: Zur Erlernung der Salizinspaltung
waren in Nr. 1: 17 Passagen nötig; in Nr. 2 dagegen 73; in Nr.5: 55;
in Nr. 6: 7mal 69, 1mal 81, Imal 93, imal 111; in Nr. 8: 15.
Gingen wir vom Urstamm aus, so erfolgte der Umschlag von „hell“
(salizinnichtvergärend) in ‚rot‘‘ (salizinspaltend) stets verhältnismäßig
schnell, meist nach 7 bis 10 täglichen Passagen, im Hauptversuch nach
17 Passagen (hier war nur 1/, Proz., sonst ‘0,5 bis 1 Proz. Salizin
verwendet worden!). Im Gegensatz dazu lieferten die im Laufe der
Versuche isolierten hellen Kolonien Stämme (Nr. 2, 5,6, 8), die zum
Teil recht hartnäckig sich zeigten, bis sie schließlich durch immer
weiter fortgesetzte Passagen zum Umschlag, d. h. zur Salizinvergärung,
gebracht werden konnten. Da bei diesen genannten , hellen“ Stämmen
die Fähigkeit, das Salizinspaltungsvermögen zu erlernen, in durchaus
verschiedenem Maße vorhanden war, die Stämme also gewiß hierin
ungleich veranlagt sind (die Ursachen, die diese Verschiedenheit
möglicherweise im Laufe der Versuche erzeugten, entziehen sich unserer
Beobachtung), können wir uns sehr wohl vorstellen, daß die Fähigkeit
der ,,Erlernung‘ des Salizinspaltungsvermögens bei einem oder dem
andern Stamm völlig verloren gehen kann, daß also gewissermaßen
eine ‚„Verlustmutante‘‘ entsteht.
Unsere weiteren Versuche bieten Anhaltspunkte für die eben ent-
wickelten Vorstellungen. In Versuchsgruppe 11 und 12 handelt es sich
möglicherweise um 2 Stämme, welche die Fähigkeit, die Salizinspaltung
zu erwerben, verloren haben. Diese beiden ,,hellen‘‘ Stämme wurden von
einem rein „roten‘‘ Stamm gewonnen, der (Versuchsgruppe 10) nach
12 Salizinagarpassagen helle Kolonien abgespalten hatte. 2 solcher
Kolonien lieferten die Stämme 11 und 12, die bei Anfertigung der
Tafel II bereits 130 mal, inzwischen im ganzen 160mal über Salizin-
schrägagar passiert wurden, ohne irgendeine Veränderung zu zeigen,
d. h. ohne die Salizinvergärung zu erlernen. Diese Stämme stellen also
als einzige unter allen „hellen‘‘ Stämmen eine Ausnahme dar, indem sie,
auch nach einer so großen Anzahl von Salizinagarpassagen, dieses
Glukosid nicht anzugreifen vermögen. Ihre Untersuchung wird noch
fortgesetzt!). Selbstverständlich ist es möglich, daß nur die Zeitdauer
der Reizwirkung bei diesen Stämmen sehr viel länger, wie bei allen
übrigen untersuchten, bemessen werden muß, und daß sie schließlich
doch noch die Salizinspaltung „erlernen“. Aber die andere Möglichkeit,
daß es sich um festgewordene Typen hier handeln kann, muß immerhin
zugegeben werden, insbesondere wenn man das auch sonst häufig in
der Literatur mitgeteilte Auftreten von „Verlustmutationen‘‘ bedenkt.
Jedenfalls läßt sich die auffallende Verschiedenheit der einzelnen
Stämme in bezug auf die „Erlernbarkeit‘‘ des Salizinspaltungsvermögens
nicht bestreiten.
Es seien die Mitteilungen dieses Kapitels in Kürze wiedergegeben:
Eine größere Anzahl im Laufe der Versuche isolierter „heller“
1) Siehe Nachtrag.
472 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 8.
Stämme konnte — zum Teil erst nach lange Zeit hindurch fortge-
führten Salizinagarpassagen — in salizinspaltende Stämme übergeführt
werden. Auch die Umwandlung von Stämmen, die ihr erworbenes
Salizinspaltungsvermögen wieder verloren hatten, in salizinspaltende
Stämme gelang mehrmals hintereinander. Die verschiedenen ,,hellen‘‘
— im Laufe der Versuche gewonnenen Stämme erwiesen sich als un -
gleich veranlagt, da die Salizinspaltung verschieden schnell
erworben wurde. Zwei der isolierten ,,hellen‘‘ Stämme konnten — im
Rahmen der vorliegenden Versuche — überhaupt nicht mehr zur Neu-
erwerbung des Salizinspaltungsvermögens gebracht werden‘).
IV. Wie verhalten sich umgezüchtete ‚rote‘ Stämme unter ver-
schiedenen Bedingungen ?
In Nr. 1, Tafel I wurde festgestellt, wie der salizinnichtangreifende
Ausgangsstamm die Salizinvergärung ‚erlernte‘, wie dann der rein
„rote“ salizinspaltende Stamm (Nr. 3) sein Vergärungsvermögen wieder
verlor und wie er schließlich sekundär (Nr. 4) die Salizinspaltung von
neuem erwarb. Durch Isolierung einer roten Kolonie des Endstammes
von Nr. 4 erhielten wir einen sekundären rein ,,roten‘‘ Stamm. Dieser
bildete reichlich Gas in der hohen Agarschicht mit Salizinzusatz und
erzeugte auf der Salizin-Endo-Agarplatte ausschließlich rote Kolo-
nien. Wir fragten uns: Wie wirken verschiedene Bedingungen
auf das Salizinspaltungsvermögen dieses Stammes? Gibt
es Bedingungen, die den Verlust der neuerworbenen Eigenschaft schnell
hervorrufen ; können wir solche feststellen, unter denen sich das Gär-
res besonders lange erhält oder überhaupt nicht zum Verschwinden
ommt ?
3 Versuchsgruppen (7, 9, 10) sollten hierüber Aufschluß geben.
Wir besprechen zuerst Versuchsgruppe 7:
Tägliche und 14tägige mit dem „roten“ Stamm vorge-
nommene Passagen auf verschiedenen Nährböden.
Für die täglichen Passagen wurde folgende Nährbodenserie ver-
wendet:
1) Gewöhnlicher Nähragar;
2) Nähragar mit Giftzusätzen und zwar: a) Malachitgrün-
agar, b) Monochlornatriumazetatagar ;
3) Salizinnähragar;
4) Zuckernähragar, bei der ersten Versuchsserie dieser Art
(Nr. 7) speziell nur Milchzuckernähragar.
Vorbemerkungen.
Der Giftagar kam insbesondere deshalb zur Verwendung, weil nach
Angaben aus der Literatur des öfteren Verlust der Gärfähigkeit nach
Züchtung auf Nährböden mit Giftzusätzen beobachtet worden war.
Nach C. Revis, G. Seiffert und anderen kommt besonders dem
Malachitgrün diese schädigende Wirkung auf die Gärfähigkeit zu,
während W. J. Penfold schnelle Einbuße des Gärvermögens bei
Zusatz von Monochlornatriumazetat zum Nährboden konstatierte. Unsere
1) Siehe Nachtrag.
-a —
Klieneberger, Künstliche Gewinn- und Verluständerungen usw. 473
Stämme, sowohl der Urstamm NO 13, als auch der abgeänderte „rote“
Stamm NO 13 erwiesen sich als malachitgrünempfindlich, gewannen
aber nach und nach eine bedeutende Festigkeit gegen dieses Gift. Ur-
sprünglich wuchsen die Stämme kaum auf einem Agar, der 0,00166...
Proz. (Verdünnung 1:60000) Malachitgrün enthielt. Die Zusätze
wurden ganz allmählich gesteigert, schließlich wuchs der uns hier inter-
essierende ‚‚rote‘‘ Stamm üppig unter Reduktion der tief dunkelgrünen
Farbe auf einem Agar, dem 0,2 Proz. (1:500) Malachitgrün zugesetzt
worden war. Die Bakterien gewöhnten sich also im Laufe der Passagen
an eine 120fache Steigerung der Giftkonzentration.
Methodisch ist hierzu noch zu bemerken, daß der Malachit-
grünagar täglich frisch bereitet wurde, da er durch Aufbewahrung
seine Giftigkeit teilweise (wohl durch Ausfallen des Farbstoffes) ver-
liert. Ferner wurde zur Herstellung des Malachitgrünagars stets
nur neutraler Agar (pH = 7) verwendet, da alkalischer Malachit-
grünagar eine geringere Giftigkeit aufweist als neutraler. Durch Alkali
wird das Malachitgrün entfärbt.
Der 2. Giftagar wurde stets in ein und derselben TE S
nämlich mit 0,2proz. Monochlornatriumazetatzusatz her-
gestellt. Es ist das diejenige Konzentration, mit der Penfold be-
sonders schnell gaslose Varianten erzeugen konnte.
Außer der beschriebenen Serie täglicher Passagen wurde der
„rote“ Stamm, wie schon angegeben, noch 14tägigen Passagen
unterworfen. Zu diesen wurde sowohl gewöhnlicher Nähragar
wie auch ein „Hungeragar“, der nur den 4. Teil der Nährstoffe
des üblichen Fleischwasserpeptonagars enthielt, benutzt.
Die Ergebnisse der Versuchsgruppe 7, welche uns über die Ab-
spaltung ‚heller‘, nicht salizinspaltender Formen aus dem rein ‚roten‘,
salizinspaltenden Stamm unter verschiedenen Bedingungen Aufklärung
geben sollte, werden nun besprochen. Zunächst
die täglichen Passagen.
Eine Zeitlang blieben alle täglich überimpften Stämme un-
verändert rein ‚rot‘. Das Auftreten heller Kolonien auf Prüfungs-
platten wurde zum erstenmal nach 16 täglichen Passagen beobachtet.
Am schnellsten ging diese Abspaltung „heller“, sali-
zinnichtzersetzender Varianten vom ‚roten‘ salizinspaltenden
Stamm bei derjenigen Subkultur vor sich, die täglich auf Agar mit
1 Proz. Salizinzusatz überimpft wurde. Es sei diese ‚Subkultur
der Kürze halber als ‚„Salizinstamm‘ bezeichnet.
Der „Sakizinstamm‘“.
Nachdem der ,,rote‘’ Stamm 16 Passagen über Salizinagar durch-
gemacht hatte, waren auf der Prüfungsplatte etwa 1/, der isoliert
liegenden Kolonien hell, ?/; waren rot. Durch die weiteren Passagen
auf Salizinagar wurde der „Salizinstamm‘ allmählich in einen Stamm
umgewandelt, der zur Hälfte aus Kolonien mit Salizinspaltungs-
vermögen, zur Hälfte aus Kolonien ohne diese Fähigkeit bestand.
Nachdem das Verhältnis hell (= salizinnichtspaltend) : rot (= salizin-
spaltend) wie 1:1 einmal erreicht war, konnte trotz sehr lange weiter
fortgeführter Passagen (160) keine wesentliche Veränderung mehr
beobachtet werden.
Erste Abt. Orig. Bd. 101 Heft 8. 31
474 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 8.
Dieses Ergebnis bedeutet, daß unter Einwirkung desselben
Reizes, nämlich 1 Proz. Salizinzusatz, einerseits bei dem „hellen‘“
Stamm das Neuauftreten der Salizinvergärung hervorgerufen wird und
andererseits der ,,rote‘‘, salizinspaltende Stamm sein Gärungsvermögen
wieder verliert. Diese Abspaltung erfolgt noch obendrein schneller
als unter allen anderen der gepriiften Bedingungen. Die Abspaltung
heller Kolonien erreicht aber eine Grenze, wenn der Gleichgewichts-
zustand hell:rot wie 1:1 erreicht ist.
Auch bei Angewöhnung der Salizinvergärung durch Züchtung
eines „hellen‘‘ Stammes auf Salizinagar kann — wenn die Fähigkeit
der Salizinspaltung einmal erworben ist — das Verhältnis der ver-
gärenden zu den nichtvergärenden Keimen nicht wesentlich über den
Quotienten 1:1 hinaus gesteigert werden, auch bei langer Fortzüchtung
der Kulturen auf Salizinagar (vgl. Tafel I Nr. 1).
Welche Umstände diese merkwürdigen Ergebnisse zeitigen, ist
schwer zu sagen. Es mögen extreme Bedingungen, denen die Kulturen
auf Salizinagar ausgesetzt sind, eine Rolle spielen. Wie verschieden
die Kulturverhältnisse auf diesem Nährboden sind, geht daraus hervor,
daß salizinspaltende Stämme zunächst darauf besonders üppig wachsen.
Bald aber müssen ungünstige Bedingungen eintreten, die das völlige
Absterben der Kulturen schon nach 8—10 Tagen (Aufenthalt im
Brutschrank) bewirken. Doch auch auf Zuckeragar sind die Kulturen
in dieser Beziehung ähnlichen Verhältnissen ausgesetzt, ohne daß
hier die gleichen Wirkungen auf unsere Stämme zu beobachten wären!
Vielleicht: sind bei Kultur auf Salizinagar besondere Stoffwechsel-
produkte, schließlich auch die Wiedererwerbung des Gärvermögens von
Bedeutung.
„Der Agarstamm‘“.
Verhältnismäßig schnell veränderte sich auch die Subkultur
unseres „roten‘‘ salizinspaltenden Stammes, die tägliche Schrägagar-
passagen durchmachte. Nach den 16 ersten Passagen wurden wie
bei dem Salizinstamm auf der Endo-Platte einzelne helle Kolo-
nien bemerkt, allerdings eine viel geringere Anzahl als .bei dem ent-
sprechenden ,,Salizinstamm‘. Je weiter die Passagen fortgeführt
wurden, um so mehr nahm die Zahl der hellen Kolonien im Vergleich
zu den roten zu. Nach 64 Passagen war der Agarstamm fast ganz
„hell“, es wurden nur noch vereinzelte rote Kolonien beobachtet.
Dann kam ein Stadium (130 Passagen), in dem der Stamm auf der
zur Prüfung angelegten Salizin-Endoplatte nach 1tägiger Bebrütung
dieser Platte völlig hell wuchs; nach mehrtägiger Bebrütung
der Platte traten helle, später rotwerdende Knöpfchen auf, aus
denen wieder durch Reinzüchtung ‚rote‘, salizinspaltende Stämme
gewonnen werden konnten. Der Stamm hatte dasselbe Stadium
zwischen hell und rot erreicht wie die früher beschriebenen
Stämme + und à, die ebenfalls nach mehrtägiger ‚Bebrütung auf der
Salizin-Endo-Platte Knöpfe bildeten. Vermutlich hätte der Stamm
nach einer noch größeren Anzahl weiterer Passagen den Zustand des
Ausgangsstammes, der auf der Salizin-Endo-Platte völlig hell, ohne
spätere Knöpfchenbildung wächst, wieder erreicht. Bei Abbruch dieser
ee ee — —
Klieneberger, Künstliche Gewinn- und Verluständerungen usw. 475
Versuche nach 160 Schrägagarpassagen befand sich der „Agarstamm‘
noch im ,,Knüpfchenstadium".
Die „Giftstämme‘“.
Längere Zeit konstant ,,rot‘‘ und salizinvergärend blieben die
Subkulturen unseres roten Stammes, die täglich über Agar mit Gift-
zusätzen geführt wurden.
Der „Monochlornatriumazetatstamm‘“, der auf Agar mit
0,2 Proz. dieses Giftes wuchs, fing etwa nach 64 Passagen an neben
roten helle Kolonien auf Salizin-Endo-Agar zu zeigen. Die Zahl
der hellen Kolonien nahm im Laufe der weiteren Passagen noch zu.
Nach 160 Passagen hatte dieser Stamm ebenso wie der vorher be-
schriebene ,,Agarstamm‘ das ,,Knépfchenstadium“ erreicht. Aehnlich
verhielten sich die „Giftstämme‘ anderer noch zu erwähnender Ver-
suchsgruppen. Vermutlich würden diese Stämme bei lange genug weiter-
geführten Ueberimpfungen wieder in den Zustand des Ausgangsstammes
sich umwandeln.
Eine Ausnahme von allen beobachteten ,,Giftstammen‘ bildet der
„Malachitgrünstamm‘ der Versuchsgruppe 7. Als einziger dieser
Stämme spaltete er überhaupt keine hellen Kolonien ab trotz 160 Ueber-
impfungen. Dagegen nahm er mehr und mehr ein schleimiges Wachs-
tum an. Auch in seiner Salizinspaltung verhielt er sich ganz ab-
weichend. Er wuchs nach 160 Malachitgrünpassagen, wobei seine
Festigkeit um das 120fache erhöht worden war, wie erwähnt, auf
Salizin-Endo überimpft, zunächst völlig hell; am dritten Tage der
Bebrütung rötete sich die Platte und am vierten Tage trat auf dem
stark verschleimten Rasen der typische rote Fuchsinglanz auf. Da
durch Bakteriophagenwirkung schleimbildende Stämme (O. Bail,
F. Hoder, S. Kimura) entstehen können, wurde der Stamm auf Ge-
halt an bakteriophagem Lysin geprüft. Ein Bakteriophage konnte
nicht nachgewiesen werden weder gegen den homologen noch gegen
andere Coli-Stämme. Vielleicht hat hier die schädigende Wirkung
des Malachitgrüns ähnlich wie die bekannte, schädigende Wirkung
eines Bakteriophagen eine schleimige Variante erzeugt.
Das beschriebene langsame Sichverlieren des Salizinspaltungs-
vermögens bei Passagen auf Giftagar steht in einem gewissen Gegen-
satz zu dem häufig in der Literatur beschriebenen Verlust der Gär-
fähigkeit durch Giftwirkung. Statt dessen wird hier dieses Ver-
mögen lange bewahrt. Es hängt dies vielleicht damit zusammen, daß
nur die kräftigeren und befähigteren Individuen auf Giftagar sich
fortpflanzen und daß diese gerade die neu erworbene Eigenschaft be-
sonders hartnäckig festhalten.
Der „Milchzuckerstamm‘“.
Es bleibt noch die Serie der täglichen Passagen des ‚roten‘
salizinspaltenden Stammes über Milchzuckeragar zu besprechen. Bei
diesem Stamm blieb die Fähigkeit der Salizinspaltung lange Zeit
gleichmäßig erhalten. Auf Salizin-Endo-Platten wuchsen bis zur 60.
Passage nur rote Kolonien. Erst nach 64 Passagen trat zum ersten-
mal einc helle Kolonie auf. Nach 160 Passagen hatte der Stamm erst
31*
476 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 8.
wenige helle Kolonien abgespalten. Es bleibt also die Fähigkeit
der Salizinvergärung beim ,Milchzuckerstamm im Ver-
gleich zu allen anderen Stämmen der Versuchsreihe 7 (mit Ausnahme
des auch sonst abweichenden ,,Malachitgrünstammes") am längsten
bewahrt.
Ueberblicken wir die Gruppe der mit dem ‚roten‘ salizinspaltenden
Stamm ausgeführten täglichen Passagen, so sehen wir, daß der „Salizin-
stamm“ am schnellsten nichtsalizinangreifende Kolonien bildet, es folgen
dann der „Agar- und schließlich der „Monochlornatriumazetatstamm‘
(eine Ausnahme in jeder Beziehung bildet der Malachitgrünstamm),
die beide die Salizinspaltung nach 24 Std. völlig verlernt haben, im
Gegensatz zum Salizinstamm, der noch nach 160 Passagen etwa zur
Hälfte aus salizinspaltenden, zur Hälfte aus salizinnichtspaltenden
Keimen besteht. Am längsten hält der Milchzuckerstamm sein Salizin-
spaltungsvermögen fest.
Die l4tägigen Passagen.
Der „rote“, salizinspaltende Stamm wurde in Abständen von
14 Tagen einerseits über Nähragar, andererseits über Hungeragar
passiert. Der „Nähragarstamm‘ sowohl wie der ,Hungerstamm‘
veränderten sich nach wenigen Passagen. Schon nach der dritten war
ein beträchtlicher Teil von hellen Kolonien (Versuchsgruppe 7, Tafel IT)
vorhanden. Doch ,,verlernte der „Nähragarstamm‘ sein Salizinspal-
tungsvermögen schneller als der „Hungerstamm‘“. Nach 6 Passagen be-
fand sich der ,,Nähragarstamm' im mehrfach beschriebenen ,,Knépf-
chenstadium‘‘, während der ,,Hungerstamm‘ zu diesem Zeitpunkt noch
zur Hälfte aus ‚roten‘, zur Hälfte aus „hellen“ Keimen bestand.
Nach 10 Passagen glich der „Agarstamm‘ ganz dem Ausgangsstamm ;
der ,,Hungerstamm‘ war erst nach 14 Passagen völlig in den Normal-
typus zurückgeschlagen. Unter ungünstigen Bedingungen wird
also die neu erworbene Eigenschaft länger festgehalten
als unter günstigen.
Dies entspricht dem Verhalten der oben beschriebenen „Gift-
stämme“. Die Abspaltung heller Kolonien erfolgte dort schneller auf
Nähragar als auf dem Agar mit den schädigenden Giftzusätzen.
Der Vergleich der 14tägigen Ueberimpfungen des ,,roten‘‘ Stammes
mit den täglichen zeigt, daß bei den ersteren eine viel geringere
Passagenzahl genügt, um den „Rückschlag‘“ zu bewirken, wie bei den
letzteren. Die l4tägigen Passagenstämme allein erreichten ganz
den Zustand des Ausgangsstammes, während sich die „hell‘“
gewordenen täglichen Passagenstämme bei Abbruch dieser Ver-
suche noch im „Knöpfchenstadium‘‘ befanden.
Wiederholte passagenweise Züchtungen roter Stämme
unter verschiedenen Bedingungen (Versuchsgruppe 9 und 10).
Um die Sicherheit darüber zu gewinnen, daß das beschriebene Ver-
halten des auf verschiedenen Nährböden passierten „roten‘‘ Stammes
(Nr. 7) kein zufälliges war, wurden zwei neue Versuchsserien
derselben Art wie Reihe 7 angelegt. Vom ,,Agar‘‘- and „Salizin-
passagenstamm* der Serie 7 wurde nach 16 Ueberimpfungen, als eben
u u "0
Klieneberger, Künstliche Gewinn- und Verluständerungen usw. 477
die ersten Abspaltungen , heller“ Keime aufgetreten waren, je ein
„roter“, salizinspaltender Stamm erneut reingezüchtet.
Diese beiden Stämme wurden in den zwei Versuchsgruppen 9
und 10 (Tafel II) täglich auf verschiedene Nährböden übertragen,
nämlich auf
1. Nähragar,
2. Giftagar,
a) Malachitgrünagar,
b) Monochlornatriumazetatagar,
3. Zuckeragar,
a) Traubenzuckeragar,
b) Milchzuckeragar,
4. Salizinagar.
Es wurde alles in derselben Weise gehandhabt wie bei Versuchs-
serie 7, nur wurde neben Milchzuckeragar noch ein zweiter Zucker-
agar, Traubenzuckeragar, verwendet. Wie aus Tafel II ersichtlich,
beginnt die Abspaltung heller Kolonien bei Serie 9 früher als bei 10.
Aber der Gesamtrhythmus bei beiden ist ungefähr derselbe wie bei
Reihe 7, d. h. zuerst spalten die „Salizinstämme‘“ helle, salizin-
nichtzersetzende Kolonien ab (hier bleibt wieder bei Fortführung der
Passagen das Verhältnis hell:rot wie 1:1 erhalten); ungefähr gleich-
zeitig, nur spärlicher, beginnen die ,Agarstimme mit Abspaltung
„heller“ Keime; schließlich folgen die „Giftstämme“, und zwar
wieder die „Monochlornatriumazetatstämme“ früher als die
„Malachitgrünstämme‘. Der ,,Monochlornatriumazetatstamm der
Versuchsreihe 9, der schon nach 45 Passagen das Stadium halb hell,
halb rot erreicht hat, bleibt bis zur 140. Passage auf diesem Stadium
stehen; der Parallelstamm der Reihe 10 dagegen hat nach 140 Passagen
bereits das ‚Knöpfchenstadium‘‘ erreicht. Der ,,Malachitgriinstamm“
der Reihe 10 ging nach 65 Passagen durch ein Versehen ein, er war
damals noch völlig rot; der Parallelstamm zeigte nach 45 Passagen
die ersten hellen Abspaltungen und hatte nach 140 Passagen das
„Knöpfchenstadium‘ erreicht.
Die „Zuckerstämme‘ halten die Fähigkeit der Salizinvergärung
besonders lange fest. Nach 130 Passagen setzt bei dem einen „Milch-
zuckerstamm' die erste Abspaltung heller Kolonien ein. Der Parallel-
stamm ist zu dieser Zeit noch völlig rein „rot“. Das gleiche gilt für
die beiden ‚Traubenzuckerstämme‘“. Diese, sowie der „Milchzucker-
stamm‘ der Versuchsreihe 9 haben ihr Salizinspaltungsvermögen bis
zum vorläufigen Abbruch dieser Versuche nach 140 Passagen völlig
unverändert beibehalten. Die 3 Stämme, in Tafel II als End-
stimme A, B, C besonders markiert, werden auch jetzt noch weiter
über die betreffenden Zuckeragars passiert, ohne daß diese Passagen-
stämme bis jetzt nach 175 Passagen ihr Salizinspaltungsvermögen
eingebüßt haben. Man könnte annehmen, daß hier die „rote Form“
zu einer konstanten ‚roten Rasse‘‘ geworden sei. Doch konnte gezeigt
werden, daß cs sich auch bei diesen „Zuckerstämmen“ nur um
Modifikationen handelt. Die Endstämme A, B, C wurden auf
Nähragar überimpft und 14tägig auf neuen Nährboden übertragen.
Schon nach der dritten 14tigigen Nähragarpassage hatten alle
3 Stämme eine Reihe völlig ,heller‘’ Abkömmlinge erzeugt. Damit
ist die Inkonstanz auch dieser Stämme erkannt.
Text-Tafel I.
Zeichenerklärung:
m = Malachitgrünzusatz.
Monochlornatriumazetatzusatz.
= Agar in schriiger Schicht.
o ze
o = ein Viertel des normalen Nähr-
MERRER stoffgehaltes.
Arbutinzusatz. ND tag ige Passagen.
= Milchzuckerzusatz.
= Traubenzuckerzusatz.
© = Salizinzusatz.
Y
8
=
rey
a a 0%
= z.B. Agar inschräger
Schicht mit Zusatz von
Salizin, Arbutin, Trau-
ben- und Milchzucker.
= ı4-tägige Passagen
über „„Hungeragar‘‘
— Agar in hoher Schicht
mit Salizinzusatz, un-
vergoren,
Text-Tafel Il.
Zeichenerklärung:
— Agar in hoher Schicht mit
Salizinzusatz, vergoren
(zerrissen).
= weitergehende Passagen,
A, B, C, D, E = End-
stämme, kleine Zahlen =
Passagenzahlen, groBe
Zahlen = Versuchs-
gruppen.
Salizin-Endo-Platten, geimpft
mit Stamm
O © © e
hellem teils hel- Knépf-
lem, teils chensta-
rotem dium
rotem schjeim-
bildendem
480 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 8.
Durch welche Ursachen gerade auf Zuckeragar die „rote“ Form
ihr Salizinspaltungsvermögen so lange bewahrt, während sie auf Salizin-
agar so schnell in „hell‘“ umschlägt, bleibt dunkel.
Um zusammenzufassen: Durch Züchtung der künstlich salizin-
spaltend gemachten Stämme auf verschiedenen Nährböden konnte ge-
zeigt werden, daß unter bestimmten Bedingungen die neue Eigenschaft
verhältnismäßig schnell verloren geht, unter anderen wird sie dagegen
sehr lange — zum Teil vielleicht sogar dauernd (,,Traubenzucker-
stimme‘‘) — beibehalten, ohne daß deshalb diese Stämme zu fest ge-
wordenen Typen sich verwandelt hätten. Sämtliche rote Stämme
wurden im Gegenteil nur als Modifikationen erwiesen.
V. Die „alten“ Stämme.
Alle Endstämme aus abgebrochenen Versuchsreihen wurden auf-
bewahrt. Nach 3 Monaten — aufs neue untersucht — hatten die um-
gewandelten, salizinspaltenden Stämme sämtlich diese Eigenschaft
mehr oder weniger eingebüßt. Die meisten befanden sich im ,,Knépf-
chenstadium“, wuchsen also am 1. Tag auf der Endo- Platte hell und
wiesen nach 2—3 Tagen Knöpfchen auf. Sie waren demnach noch
nicht völlig in den Zustand des Ausgangsstammes zurückgekehrt.
Alle untersuchten Endstämme stimmten in ihren anderen morpho-
logischen und kulturellen Eigenschaften untereinander und mit dem
Ausgangsstamm überein.
Zusammenfassung.
1) Es gelingt, durch vielfache „spezifische“ Passagen einen Nicht-
vergärer von Salizin (und Arbutin) zu einem starken Salizin- (und
Arbutin-) Vergärer zu machen. — 2) Diese ‚spezifische‘ Reiz-
wirkung von Salizin kommt bei gleichzeitiger Anwesenheit anderer
Kohlehydrate nicht zur Erscheinung. — 3) Die künstlich erzeugte
Umwandlung zeigt Zwischenstadien. — 4) Der völlig umgewandelte
Stamm bildet allmählich immer wieder Abkömmlinge der alten Art.
— 5) Solche rückgeschlagenen Abkömmlinge lassen sich wiederum
spezifisch zu Salizinvergärern „umzüchten“. Auch diese sekundären
Umwandlungen schlagen nach und nach zurück usf. — 6) Wiederholung
solcher ,,An- und Abgewöhnungen“ scheint häufig Verlängerung der
zur Umwandlung nötigen Zeit zur Folge zu haben. — 7) Bei 2 solchen
der „An- bzw. Abgewöhnung‘‘, sowie der Aufspaltung mehrfach unter-
worfenen Abkömmlingen war schließlich die Umwandlungszeit so groß
geworden, daß eine Rückumwandlung nicht mehr beobachtet werden
konnte, so daß dadurch die Frage einer „Verlustmutation“ offen ge-
lassen werden mußte !). — 8) Besonders bemerkenswert ist, daß der zur
„Angewöhnung“ führende „spezifische Reiz“ auch am leichtesten zur
„Abgewöhnung‘ führt. und daß wieder nur der „spezifische Reiz‘
1) Siehe Nachtrag.
Klieneberger, Künstliche Gewinn- und Verluständerungen usw. 481
aufs neue „Angewöhnung‘ hervorruft usf. — 9) Auf Nährbôden mit
schädigenden Zusätzen wird die angezüchtete Eigenschaft besonders
lange festgehalten („Giftstämme‘‘). — 10) In noch weit höherem
Maße wird sie bei dauernder Züchtung auf ‚unspezifischen‘‘ Kohle-
hydratnährböden bewahrt. — .11) Die Rückverwandlung geht auch
auf gewöhnlichem Agar vor sich, wenn auch weniger schnell als auf
„spezifischem Agar‘; auf Agar mit geringerem Nährstoffgehalt
(„Hungeragar‘‘) erfolgt sie noch langsamer. — 12) Zur „Abgewöhnung‘“
sind wenige l4tägige Passagen ebenso wirksam wie viele tägliche.
— 13) Morphologisch und kulturell war an den künstlich veränderten
Stämmen auch am Ende der Versuchsreihen nichts Besonderes be-
merkbar — bis auf einen Zweig, welcher im Laufe der Malachit-
grüngewöhnung ein schleimiges Wachstum angenommen hatte. —
14) Die Gesetzmäßigkeiten dieser Veränderungen lassen sich nur
an sehr langen Passagenreihen [hier jeweils 200—300 ununterbrochener
Passagen mit Aufspaltung in Subkulturen (mehr als 50)], sowie unter |
besonderer Berücksichtigung der zahlreichen technischen Fehlerquellen
einwandfrei feststellen.
Literatur.
Burri, R., Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 54. 1910. S. 211. —
Ders., Ibid. Abt. II. Bd. 28. 1910. S. 321. — Eisenber Ph., Weichardts
Ergebn. d. Immunititef. Bd. 1. 1914. S. 28. — Gotse lich, E., Centralbl.
f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 93. 1924. ‘Beih. S. 28. — Hoder, F., Zeitschr. f.
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Orig. Bd. 93. 1924. Beih. S. 22. — Kimura, S., Zeitschr. f. Immunitätsf.
Bd. 42. 1925. S. 507. — Klieneberger, E, Centralbl. f. Bakt. Abt. I.
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S. 250. — Müller, R., Zeitschr. f. ind. Abstam. u. Vererbl. Bd. 8. 1912.
S. 305. — Neißer, M., Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Ref. Bd. 38. 1906. Beih.
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Penfold, W. J, "The Journ. of Hyg. Vol. 13. 1913. i 35. — Revis, C.,
Centralbl. f. Bakt. Abt. II. Bd. 31. 1911. S. 1. — Ders., Ibid. Bd. 39. 1913/14.
S. 394. — Seiffert, G., Zeitschr. f. Hyg. Bd. 71. 1912. 561. — Thaysen,
A. C., Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Ba 67. 1912. S. à.
Nachtrag bei der Korrektur den 18. Jan. 1927.
Inzwischen ist es gelungen, die einzigen beiden sekundär ‚hellen‘
(= salizinnichtangreifenden) Stämme (in Tafel II als Endstämme D
und E bezeichnet), deren Rückverwandlung in Salizinvergärer nach 130
Passagen noch nicht erreicht war, durch 193 Salizinagarpassagen in
salizinangreifende Stämme zurückzuführen. Die aufgeworfene
Frage, ob hier eine ‚„Verlustmutation‘‘ vorliege, ist daher für diese
Stämme in negativem Sinne entschieden. Es ist so gezeigt, daß der
geschilderte Colistamm die Eigenschaft der Salizinspal-
tung unter den angegebenen Bedingungen immer wieder
von neuem erwerben und verlieren kann.
Zum Schlusse wurde noch durch einen einfachen und zu solchem
Zweck wohl noch kaum benutzten Versuch der Beweis erbracht, daß die
482 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 8.
den langen Passagen unterworfenen Endstämme unter sich und mit dem
Ausgangsstamm übereinstimmten. Es wurde mit Pankreasextrakt (H o-
der) ein gegen den Ausgangsstamm wirkender Bakteriophage erzeugt.
Dieser Bakteriophage wirkte auch auf alle untersuchten Endstämme,
während er andere Coli- Stämme nicht oder in geringerem Maße angriff.
Nachdruck verboten.
Ursachen biochemischer Reaktionen in der Paratyphus-
gruppe und ihre praktische Bedeutung.
[Aus dem Hyg. Institut der Universität München (Geh. Med. Rat
Prof. Dr. Karl KiBkalt).]
Von Priv.-Doz. Dr. M. Knorr.
Mit 1 Abbildung im Text.
Bitter, Weigmann und Habs haben vor kurzem (Münch. med.
Wochenschr. 1926. S. 940) die Rhamnose-Methylrotreaktion (R.M.R.)
zur Unterscheidung von Schottmüller- und Breslaustämmen an-
gegeben. Beide Arten zerlegen Rhamnose unter Säure und Gasbildung
(s. a. Standfuß, Bakt. Fleischbeschau. S. 41), aber verschieden
stark. Wenn man den Proben nach genau 15stiind. Bebrütung Methyl-
rot in der Weise zusetzt, wie man mit diesem Indikator den px-Wert
bestimmt, soll eine Unterscheidung in dem Sinne möglich sein, daß
Breslaustämme rot, Schottmüllerstämme gelb sind.
Wir haben die R.M.R. nachgeprüft und können die Angaben
der Kieler Autoren voll bestätigen. Allerdings fanden auch wir, und
zwar häufiger, Fehlresultate.
Bitter, Weigmann und Habs berichten, daß sich von 111 Schott-
müllerstämmen 3 atyp. verhielten, d. h. sie bildeten nach 15 Std. soviel Säure,
daß die R.M.R. für Breslau sprach. Andererseits gab von 72 Breslaustiimmen einer
dıe gelbe Schottmnllermektion,
Wäre dieses Verhalten regelmäßig gewesen, so könnte man annehmen, daß
den 3 Schottmüllerstämmen eine besondere Fähigkeit der Rhamnosezerl
zukiime, die dem Breslaustamm fehlte. Aehnliche Befunde sind bekannt. So sin
nach Braun und Cahn-Bronner Stämme der gleichen Art ernährungs - physio-
logisch verschieden (Bioch. Zeitschr. 131. S. 226). Schloßberger, eek
und Joffe fanden Xylose vergiirende und nichtvergärende Typhusstämme (Zeitschr.
t. Hyg. Bd. 105. S. 564). Man konnte sogar auf Grund des bioch. Verhaltens der
herausgezüchteten Stämme manche Epidemien klären (Mandelbaum, s. Meta-
typhus. Münch. med. Wochenschr. 1908. 8. 19).
Man hätte so die atypischen Stämme der Rhamnosereaktion zum Ausgangs-
punkt derartiger Untersuchungen machen können, wenn nicht die weiteren Angaben
von Bitter, Weigmann und Habs die Untersuchungen in andere Richtung
gebracht hätten.
Knorr, Ursachen biochemischer Reaktionen in der Paratyphusgruppe usw. 483
Ein atyp. Schottmüllerstamm verhielt sich nämlich bei der ersten Prüfung
typischer als sonst, indem er rotgelb reagierte. Der 2. atyp. Schottmüller-
stamm zeigte ebenfalls in den beiden ersten Versuchen rotgelbe Reaktion, dann
später rote. Auch ein weiterer Stamm aus Rußland zeigte einmal die abweichende
otreaktion. Bei Breslaustimmen konnte gelegentlich ebenfalls ein ver-
schiedener Ausfall der Reaktion beobachtet werden: z. B. zunächst gelbrot, dann
gelb, erst beim 3. Male rot.
Ist es nun möglich, dieses Schwanken der Reaktion
zu erklären und welche Folgerungen für die Praxis er-
geben sich daraus?
Ich habe früher (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 99. S. 25) darauf
hingewiesen, daß frische Schottmüllerstämme auf Gelatine die von L. Heim
(Münch. med. Wochenschr. 1919. S. 1399) beschriebene Kuppenform mit flammen-
förmiger Zeichnung, frische Breslaustämme, weinblattförmige, durchsichtige flache
Kolonien meist ohne Zeichnung bilden. Die Schottmüller stämme können nun
beim Altern weinblattförmige Kolonien abspalten. Aus Breslaustäimmen sah ich
bis jetzt nie Kuppenformen entstehen. Auch die übrigen Wallbildner der Paratyphus-
gruppe (Gärtner, Suipestifer, kurz Fleischvergifter) zeigen ein ähnliches Ver-
ten.
Es mußte auffallen, daß nach den Ausführungen der Kieler
Autoren die Reaktion vom Schleimbildungsvermögen!) abhängt, da
neben den Schottmüllerstämmen fast alle Schleimbildner der Para-
typhusgruppe?) gelb reagieren sollten. Stand nun tatsächlich die
Schleimbildung mit dem Ausfall der Reaktion in Zusammenhang, dann
mußte dies am deutlichsten bei den Stämmen in Erscheinung treten, die
er oben dargelegt wurde, in 2 Wuchsformen auf Gelatineplatten er-
scheinen.
Mit 7 derartigen Paratyphusstämmen wurden 156 Versuche gemacht. Die
Abimpfung geschah stets von Gelatineplatten, die immer wieder von Aussaaten
von Belatineplatten ewonnen waren. Bei der großen Zahl von Versuchen steht
dieses Verfahren wont der Einzellkultur praktisch am nächsten.
Die Aussaat von 84 kuppenförmigen, also schleimbildenden Kolo-
nien zeigte nach 15 Std. 57mal die R.M.R. im gelb, 23mal im
orange?) und 4mal im rot; von 72 weinblattförmigen, also nicht
1) Im Rahmen dieser Untersuchungen ist nur das Schleimbildungsvermögen
aut den gebräuchlichen Nährböden gemeint; die von Elkeles durch Züchtung
auf hochprozentigen Kochsalzagar erzielte Schleimbildung von Breslaustämmen
(Centralbl. t. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 98. S. 338) die wir tätigen konnten, muß
hier als etwas außergewöhnliches unberücksichtigt bleiben. Ich werde darauf in Unter-
suchungen mit Herrn cand. med. Braun zurückkommen. (Die Abhängigkeit der
Schleimbildung auf synthetischen Nährmitteln von milchsauren Salzen).
2) Ueber die Ursachen des angeblich abweichenden Verhaltens der mit
Gärtner verwandten C,N,-Stämme will ich hier weitere Ausführung nicht
machen, da diese Stämme vorläufig keine größere praktische Bedeutung haben
und ich nicht in der Lage war, melirere Stämme zu prüfen.
3) Ich habe von einer farbtechnisch gut unterrichteten Laborantin die Farb-
töne aufzeichnen lassen. Sie gingen vom kalten blauen Rot über Warmrot zu
Zinnober, Rotorange, Orange, Orangegelb, Gelborange bis zum Cadmiumgelb.
Man sieht daraus, daß die Farbtöne gelb und rot nicht ausreichen. Zum min-
desten ist die Einführung von Orange nötig, schon deshalb, weil dieser Farbton
keine Differenzierung gestattet. In dieser Arbeit ist alles bis Rotorange als rot,
ne und Orangegelb als orange. Gelborange bis Cadmiumgelb als gelb be-
zeichnet.
484 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 8.
schleimbildenden Kolonien ergab die Abimpfung 61mal die Rot-, 7mal
die Orange- und 4mal die Gelbreaktion.
Diese Feststellungen schränken natürlich die Zuverlässigkeit der
R.M.R. ein. Ein Stamm, der zur Aufspaltung neigt, wird häufig nicht
eindeutig erfaßt werden können.
Die Reaktion wird auch wechseln, je nachdem in den Kuppen und den
Weinblattformen der Aufspaltungsvorgang in den anderen Typ schon mehr oder
weniger weit fortgeschritten ist. Da der Umschlag von Kuppen zu Weinblattform
die Regel ist und die Weinblattformen eine beträchtliche züchterische Festigkeit
besitzen, nimmt es nicht wunder, daß von 84 Kuppenaussaaten nur 57 die
typische Gelbreaktion zeigen. Andererseits entsprachen aber die 11 atypischen
eaktionen unter 72 Versuchen bei Aussaat weinblattförmiger Kolonien nicht der
Seltenheit des Entstehens einer Kuppenform aus einer Weinblattform.
Es lag nahe, die Vermehrungsgeschwindigkeit der Keime in Rham-
nosebrühe in Zusammenhang mit dem Ausfall der Reaktion zu bringen.
Es wurde zunächst die Keimzahl in der Einsaat und nach 15 Std. die
Ernte bestimmt, hierauf die R.M.R. angestellt.
Stamm Aussaat | Ernte R.M.R.
Breslau a 200 | 422000 gelb
(Reine Weinblattform) 1200 | 975 000 rot
Breslau Makrele 200 360 000 orange
(Reine Weinblattform) 12 900 000 rot
Dg). 85 :) 480 000 gelb
2000 750 000 orange
Fleischvergifter ?) 42 210000 | gelb
(Abgespaltene Weinblattform) 400 450 000 orange
Del. 180 420000 | gelb
(Kuppenform) 2700 500000 | i
Schottmüller a 166 150 000 gelb
1000 330 000 »
Ich habe ferner, um den Möglichkeiten des praktischen Labora-
toriumsbetriebes näher zu kommen, ein eben noch sichtbares Stippchen
und etwa das 6fache davon eingesät. So konnten mit echten Bres-
laustämmen bei geringerer Einsaat ebenfalls die schönsten Schott-
müllerreaktionen erzielt werden, nie aber mit einem nur in
Kuppenform wachsenden Schottmüllerstamm, selbst bei méhr als
um das 6fache gesteigerter Einsaat, rote Breslaureaktionen.
Damit waren die bisherigen Ergebnisse in ihren ursächlichen Zu-
sammenhängen weiter geklärt: Die Reaktionsbreite von gelb- rot der
echten nichtschleimbildenden Weinblattformen, also nicht nur der Ab-
1) Dieser Versuch ist etwa 2 Mon. später ausgeführt worden, als der voran-
gehende. Die Ursachen für das etwas abweichende Verhalten liegen in den ver-
wickelten Verhältnissen der Keimvermehrung, die nur das Herausschälen gröberer
Unterschiede gestatten; vielleicht auch darin, daß der 1. Versuch im Reagenzglas,
der 2. im Kölbchen ausgeführt wurde.
2) Der ,,Fleischvergifter“ ist nach den bisherigen Untersuchungen mit dem
Typ Freiburg identisch. Der Typ scheint überhaupt häufiger zu sein
(Uhlenhuth u. Seiffert, Deutsch. med. Wochenschr. 26. S. 737).
A "08
Knorr, Ursachen biochemischer Reaktionen in der Paratyphusgruppe usw. 485
spaltungen, ist oft nur durch die Einsaatmenge bedingt. Dagegen ist
die Gelb-Reaktion der nur schleimbildenden Kuppenformen nahezu
völlig unabhängig von der Einsaat. Zur Aufspaltung neigende Kuppen-
formen können, je nach der Zahl der eingesäten Keime, mit oder ohne
Neigung zur Schleimbildung, von Gelb bis Rot reagieren. Bei Abimpfung
deutlich schleimiger Kolonien wird die Wahrscheinlichkeit, überwiegend
Keime mit Nichtschleimbildung auszusäen und so Rotreaktion zu er-
halten, gering sein.
Folgende Zusammenstellung gibt über 100 Versuche Aufschluß, die
ohne genau bestimmte Einsaatmenge auf ihre Ernte und R.M.R. ge-
prüft wurden.
r Kuppenformen F X :
Ver- Keimzahl
suchs-| obne | mit gie Mittel- | R.M.R.
zahl Abspaltung reine |abgespaltene wu
Gruppe I 44 17 21 2 4 367000 | gelb
Mittelwert (232 000) | (336 000) | (410 000) (493 000) 5 A
Gruppe II | 26 1 5 9 11 630000 | orange
Mittelwert (514000) | (693000) | (618000) (697 000) R ‘
Gruppe III; 30 n 1 19 10 901 000 rot
Mittelwert š = (900 000) | (950 000) (854 000) . .
Die Keimzählung geschah mikroskopisch mit Zählokular von L. Heim
(Leitz). Es kann hier nicht auf Besprechung der Methodik und die Möglich-
keiten ‘der Bewertung der Keimzählung eingegangen werden. Die Keimzählung hat
natürlich Fehlerquellen (nach Neißer + 7 — 1/,), die Zahl der gewachsenen
Keime ist auch nur als Differenz zwischen der Gesamtsumme aller Keime und der
schon abgestorbenen Keime aufzufassen. Dies gilt für Keimzahlen aus Kulturen
bei 37% schon für die ersten Stunden. (Gotschlich, Kolle-Wassermann,
dort auch weitere kritische Angaben über Bewertung der Keimzahl.)
Auf die Einsaat kann auch eine mehr oder minder lange Latenzperiode
unter anderem mit Abnahme der Keime folgen. All diese Umstände müßten natürlich
erfaßt werden, wenn man ein annähernd genaues Bild von dem Verlauf des Lebens
der eingesäten Keime haben wollte. Wir brauchen aber hier nur Vergleichs-
werte. Der Vergleich wird besonders mit Gruppe III nicht ganz einwandfrei
sein. Zunächst neigen manche Weinblattformen stärker zur Flöckchenbildung als
Kuppenformen. Auch durch Schütteln kann dieser Fehler nicht ausreichend be-
seitigt werden. Dann ergaben Beobachtungen, daß die Zahlen zwischen 12 und
15 Std. höher liegen können als nach 15 Std. In Fig. 1 sind die Beziehungen
Keimzahl zu R.M.R. graphisch dargestellt.
Die Keimzahlen sind nach 15stünd. Bebrütung der Rhamnosebrühe bestimmt.
Die zur Aussaat benützte Oese hatte ein Mittelgewicht von 3,25 mg. Zufolge der
Wägungen war die Abweichungen des Gewichts vom Mittel nach unten 15 Proz.,
nach oben 10 Proz. Würde man die Darstellung unter Zugrundelegung der Er-
gebnisse nach 21—24 Std. machen, dann würde die Zahl der Orange- und Gelb-
reaktionen, die durch höhere Keimzahlen bedingt sind, zunehmen. Es begann
nämlich der steile Anstieg der Kuppenformkurven (Schottmüller) erst nach
15 Std. Da die Säurebildung dieser Stämme entsprechend der anfänglich geringeren
Keimzahl und dem oft schwächeren Vermögen, Säure zu bilden, in der Anwuchszeit
(1 bis 15, vor allem 9—15 Std.) gering war, wird die Keimvermehrung nicht so rasch
hintangehalten, wie bei Weinblattformen. Diese Umstände führen dann zu Keimzahlen
bis über 1 Million im Gelb, vorwiegend im Orange, dann allerdings sehr rasch, im
Rot. Mit anderen Worten: Rasche Vermehrung und gleichlaufende Rhamnose-
zerlegung der Weinblattformen (Breslau) zwischen 9 und 15 Std., Gleichbleiben
oder Verringerung der Keimzahl nach dieser Zeit infolge Säurung und Brutschrank-
temperatur (36,50); rasche Vermehrung der Kuppenformen nach 15, oft erst nach
486 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 8.
21 Std., so daß bei der oft noch geringeren Fähigkeit der Rhamnosezerlegung erst
nach 21 bzw. noch später die der Keimzahl entsprechende R.M.R. vorhanden
sein kann.
Einen quantitativen Ausdruck für die Vermehrungsenergie be-
kommen wir durch die Bestimmung der Generationsdauer. Auch
hier wird die Genauigkeit des Vergleichs durch verschiedene Um-
stände (Alter der eingesäten Kultur, Annahme, daß nach einer ge-
wissen Zeit aus jedem Keim 2 Keime werden, Nährbodenänderung usw.)
gestört. — Ich habe mit 17 Paratyphusstämmen in 70 Versuchen die
Generationsdauer nach der Formel von Buchner, Longard und
und Riedlin bestimmt.
Bei Aussaat von 50—5000 Keimen ergab sich: 1) für reine, ganz schleimige
Kuppenformen eine Generationsdauer von 1,76 bis 3 Std.; 2) für Kuppenformen
mit dem Vermögen, Weinblattformen abzuspalten, 1,36 bis 3 Std.; Ei) für ab-
gespaltene Weinblattformen, denen Vermögen für Schleimbildung praktisch fehlt,
1,15—1,76 Std.; 4) für nicht abgespaltene reine Weinblattformen 1,20—1,76 Std.
Für die Praxis ergibt sich zunächst aus diesen Untersuchungen,
daß die R.M.R. wechselnde Befunde haben kann, die auf folgende Ur-
sachen zurückgeführt werden können:
1) Ungleiche Aussaatmengen. — 2) Aufspaltung reiner Kuppen-
formen in Weinblatt- und Kuppenformen, die damit gleichlaufende
Aenderung der Vermehrungsgeschwindigkeit und der zeitlichen Rham-
nosezerlegung. — 3) Verminderte Vermehrungsgeschwindigkeit, die nicht
bloß frischen, reinen Schleimbildnern (Schottmüller, Gärtner
usw.), sondern auch nicht schleimbildenden Weinblattformen, vor allem
älteren Stämmen hier und da eigen zu sein scheint, und ausschlaggebend
für das Zustandekommen der gelben R.M.R. ist.
Wenn man Fehlergebnisse oder falsche Bewertung der Ergebnisse
vermeiden will, muß man
1) zur R.M.R. nur eine reichliche Aussaat möglichst frischer
Stämme benutzen, 2) durch gleichlaufende Gelatineplatten in zwei-
deutigen Fällen auf Abspaltungsvorgänge fahnden.
Was man unter ,reichlicher* Einsaat bei grober Kalkulation zu verstehen hat,
ergibt die Formel nach Buchner, Longard und Riedlin (Einsaat a,
Ernte b, Zahl der Generationen n)a-2n = b. Eine reine Weinblattform (Breslau)
würde sich z. B. alle 1,5 Std. teilen, also in 15 Std. 10 Generationen aufweisen.
Als Ernte sind bei Rotreaktion durchschnittlich 900000 Keime nötig (s. o.). Somit
rund 1000 :a—900000, a=900. Es würde also ungefähr die Einsaat von einer
4 mg-Oese Brühekultur in 5 ccm Rhamnosebrühe genügen, wenn die Oese rund
1 Million Keime enthielt.
Wie man die Abspaltungsvorgänge zu beurteilen hat, zeigt folgendes Schema :
Reine, ganz schleimige Kuppenform
(Gelatineplatten)
(Sehottmüller, frische Gärtner und Fleischvergifter außer
Breslau). R.M.R. unabhängig von Einsaatmenge „Gelb“ in
15 Std. Zahl der Generationen in Rhamnosebrühe 5—8,5
Strich- und Punktkultur von Fleischbrühe auf Fleischwasser-
agar Wall fast stets lückenlos)
Ueberimpfung
(Gelatineplatten)
(Die Zahl der zur Aufspaltung nötigen Ueberimpfungen ist
wechselnd. Oft Jahre hindurch keine Aufspaltung zu
nn À
Knorr, Ursachen biochemisel.er Reaktionen in der Paratyphusgruppe usw. 487
erzielen, oft schon nach einer Ueberimpfung besonders
bei Gärtner und ne a
ge RE,
Reine, ganz oder Hidh schleimige Reine, nicht e nur teilweise schleimige
_Kuppenform Weinblattform
R.M.R. hä abhängig yon Ein- R.M.R. fast stets abhängig von Ein-
saatmenge ,Gelb-Orange-Rot“; bei saatmenge „Gelb-Orange-Rot“; bei
Ne Einsaat 75 Proz. gelb, 20 Proz. timaler Einsaat rund 40 Proz. orange,
range, 5 Proz. rot. Zahl der Genera- 6b Proz. rot. Zahl der Geuerationen in
dos in Rhamnosebrühe 5—11 Rhamnosebrühe 8,5—13
Strich- und Punktkultur von Fleisch- Strich- und Punktkultur von Fleisch-
brühe auf Fleischwasseragar Wall häufig brühe auf Fleischwasseragar ohne Wall
mit Lücken häufig „Knospen“
|
Ueberimpfung Ueberimpfung
(Gelatineplatten) (Gelatineplatten)
Kuppen- und Weinblattformen Weinblatt- und Kuppenformen
(selten unter 80 Proz. Kuppenformen) (häufig 100 Proz. Weinblattformen)
Mm
ft
||
i
Tausend — Millionen —
Fig. 1.
Erklärun = Gelb, Orange, = Rot. .
Ordinate: Proz. der écho Abszisse: Köimvahlen mit til von 100 000.
Es wurde versucht, die Abhängigkeit einer biochemischen Reaktion
von züchterischen Merkmalen und quantitativen Vorgängen zu zeigen
und ihre Bedeutung für die Praxis darzulegen. Diese ist deshalb von
praktischer Bedeutung, weil man gerade in der Paratyphusgruppe die
Ausnahmen vom sogenannten Kieler Schema zum Ausgangspunkt des
Angriffes gegen diese Lehre macht. Dies hat jedoch nur dann einen
Sinn, wenn man Fehlerquellen der üblichen bakteriologischen Unter-
scheidungsmittel zu beherrschen versucht und nicht nur Beobachtungen
488 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 8.
als Gegenbeweis anführt. Wir haben deshalb auch seit einem Jahr
Untersuchungen über die Ursachen der Wallbildung eingeleitet. Außer
der Arbeit von Elkeles über den Einfluß von NaCl und den Angaben
von R. Müller (Zustandekommen bei Z.-T., nur auf Fleischwasser-
peptonagar) liegt meines Wissens nichts einschlägiges vor. Wir be-
nützen also auch hier ein Unterscheidungsmittel in einer wichtigen
medizinischen Frage, ohne stets sagen zu können, wie es zustande kam,
oder warum es nicht klappte. Es ist natürlich auch unmöglich, vom
Bakteriologen zu verlangen, derartige biologische Vorgänge etwa in
eine Formel zu zwängen. Es interferieren beim Arbeiten mit lebenden
Dingen sehr oft auch beim Bakteriologen nicht erfaßbare Faktoren.
Man soll aber nie übersehen, daß die Ergebnisse der Praxis erst durch
quantitative Vorstellungen einen festeren Grund erhalten. Ich habe
dies früher (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 87. 1921. S. 339).
schon für den Nachweis der Ruhrbazillen im strömenden Blut gezeigt.
Ich verweise hier deshalb auf diese Untersuchungen, weil neuerdings
(Münch. med. Wochenschr. 26. S. 1926) H. Spranger von diesen
merkwürdigen Befunden berichtet!). Auch ihre Ursachen liegen nicht
nur in der Art, dem Stamm und dem Zustand der Zucht, sondern auch
in der Zahl: Eine geringe Aussaat von Shiga-Kruse-Keimen
ging in der zur Blutanreicherung benutzten Rindergalle zugrunde, einer
reichlicheren folgte meistens Vermehrung. Die unter der alten Be-
zeichnung verstamdenen Pseudodysenteriestämme unterlagen dagegen der
bakteriziden Wirkung der Galle auch bei geringerer Einsaat nicht.
Nachdruck verboten.
Ueber die Entstehung der sekundären Strahlen in sonnen-
belichteten Nährmitteln und deren bakterientötende
Eigenschaft,
[Aus dem Bakteriologischen Institut in Vel. Bečkerek, Jugoslavien.]
Von Dr. Vojin Dimitrijevic-Speth, Chef des Institutes.
Bei Sporenabtétungsversuchen im Sonnenlicht fiel mir auf, daB
auf den unbeimpften Rest der Agaroberfläche aufgestrichene Typhus-
bakterien kein Wachstum zeigten. Um das regelmäßige Auftreten dieser
Erscheinung zu prüfen, hängte ich an Fäden 6 Schrägagarröhrchen
an einem Fenster der Ostseite so auf, daß sie den ganzen Vormittag der
Sonne ausgesetzt waren, und schaltete zwischen diese Röhrchen 2 eben-
solche mit doppelter Stanniolumwicklung ein, so daß bei letzteren die
1) Bis jetzt sind nach dem Schrifttum 17 Fälle bekannt, wo mit der Galle-
anreicherung Pseudodys., 6 Fälle wo Shiga-Kruse im Blute nachgewiesen wurde
(s. a. H. Späth, Die Bedeutung des Nachweises von Ruhrkeimen in inneren Or-
ganen und ihren Sekreten, besonders in der Galle. [Inaug.-Diss.]. Erlangen 1925).
-m ee ae ——
Dimitrijevic-Speth, Sekundäre Strahlen in sonnenbelichteten Nährmitteln. 489
Einwirkung des Sonnenlichtes ausgeschlossen war. Nach 12 Tagen
wurden alle 8 Röhrchen mit je 1 Oese einer homogenen Emulsion von
Typhusbakterien einschließlich des Kondenswassers beimpft. Während
die 2 unbelichteten Röhrchen üppiges Wachstum im Kondenswasser und
dem ganzen Ausstrich entlang zeigten, blieben die 6 belichteten Röhr-
chen ohne jedes Wachstum auf der Agaroberfläche und nur bei 3 war
das Kondenswasser schwach getrübt.
Um die Sonnungszeit annähernd quantitativ festzulegen, hängte
ich eine Menge der verschiedensten Nährmittel auf grauem Hinter-
grund in die Sonne an der Südseite. Für Laboratoriumsstämme von Bac.
typhi abdom. ergab sich folgendes (gültig für Schrägagar):
Nach 1—4 Tagen: Wachstum zeitlich immer mehr verlangsamt und bleibt auch
nach ‚Wochen erer als bei der unbelichteten Kontrolle.
Nach 8—10 Tagen: Wachstum nur in der Kondenswassernähe und im Kondens-
wasser selbst.
Nach 14—16 Tagen: Meist völlig sterile Röhrchen. nur vereinzelt im Kondens-
wasser leichte Trübung, jedoch erst nach 60 Std. Brutschrank bemerkbar.
ach 20 Tagen: Alle Röhrchen steril.
Da die lange Sonnung die Versuche sehr verzögert, versuchte ich
jetzt schon, die auch anderweitig interessante Frage zu lösen, ob auch
andere Lichtarten außer dem Sonnenlicht dieselbe Wirkung erzeugen.
Eine Reihe von 8 parallel aufgehängten Schrägagarröhrchen wurde
im dunklen Schrank in 20 cm Entfernung einer elektrischen Birne
von 32 Kerzen gegenübergestellt. Nach 14 Tagen und Nächten un-
unterbrochener Brennzeit war noch nicht einmal eine geringe Hemmung
bemerkbar.
Künstliche Höhensonne: nach 60 Min. Belichtung im Ab-
stand. von nur 20 cm üppiges Wachstum der nachher verimpften
Typhusbakterien. Hiermit scheint es ausgeschlossen, daß die hemmende
Wirkung ‘der Sonnenstrahlen von den ultravioletten Strahlen ausgeht.
Um nachzuweisen, ob die Typhusbakterien nur im Wachstum völlig
gehemmt werden, oder ob sie unter der Wirkung der Einwirkung der
sekundären Strahlen absterben, stellte ich folgende Versuche an:
18 Tage sonnenbelichtete Schrägagarröhrchen wurden mit je einer
Oese frisch auf Agar gewachsener Typhusbakterien beimpft. Nach
24 Std. Stehen bei 379 wurde die Oberfläche des Agars mit einer
Platinöse gut abgestreift und damit je 1 unbelichtetes Agarröhrchen
beimpft. Diese blieben steril. Ferner wurde 1 dieser belichteten und
beimpften Röhrchen mit steriler Galle ‘abgeschwemmt und die ab-
geschwemmte Galle in 1 Kölbchen ‘mit 80 ccm Bouillon gebracht.
Auch diese blieb im Brutschrank nach mehreren Tagen steril. Die
Typhusbakterien werden also in den sonnenbelichteten
Agarröhrchen abgetötet.
Diese wachstumshemmende und bei längerer Sonnenbelichtung ab-
tötende Wirkung geht beim Stehen im Dunkeln allmählich wieder ver-
loren. Auf Agar mit kontrollierter abtötender Dosis konnte ich wieder-
holt schon nach 4tägigem Stehen im Dunkeln mager gewachsenen Rasen
von Typhusbakterien erzielen. Nach 14tägigem Dunkelstehen war nur
noch ein kleiner Unterschied gegenüber der unbelichteten Kontrolle
vorhanden.
Die schwierige Frage einer eventuellen elektiven Resistenz von
bestimmten Bakterien gegenüber den sekundären Strahlen kann ich
Erste Abt. Orig. Bd. 101. Heft 8. 32
490 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 8.
leider nicht aufklären. Auffallend ist nur, daß Schimmelpilze und
mehrere Arten von Luftkeimen auf absichtlich unsteril behandelten
Röhrchen lange vor dem Typhusbakterium wuchsen und auffallend
fette Kolonien bildeten. i '
Daß es sich nicht um eine einfache Zerstörung von lebenswichtigen
Substanzen im Nährboden handelt, beweist schon mit Wahrscheinlich-
keit die Erholung derselben im Dunkeln. Ferner gelingt es nicht, durch
Auftropfen von frischer Bouillon auf den belichteten Agar, denselben
zu regenerieren.
Was die Art der Nährmittel selbst anbelangt, trat in physiol.
Kochsalzlösung auch nach 40 Tagen keine hemmende Wirkung auf. In
Bouillon erst nach 24 Tagen bei einigen Röhrchen völlige Abtötung,
bei anderen so stark Hemmung ein, daß aus der 24stünd. Kultur
von 1 cem im Plattengußverfahren nur 3—20 Kolonien erhalten wurden.
Mit Galle blieben alle Versuchsröhrchen nach 18 Tagen klar und von
fünfen 4 steril, im anderen waren lebende Keime spärlich. Zur Ver-
impfung wurde jeweils eine ganze Oese Typhusbaktcrienrasen ver-
wendet. Gelatine funktioniert wie Bouillon. Leicht getrübter gelblicher
Agar ist weit wirksamer als weißer gewaschener und geklärter. Eiweib-
lösung flockt in der Sonne nach mehreren Tagen aus und verhält sich
sonst, wie Bouillon.
Nach alldem scheint die Vorbedingung für das Zustandekommen
der Sekundärstrahlen die Trübung zu sein, und zwar unabhängig vom
chemischen Aufbau des Nährmittels.
Zusammenfassung.
Im Agar und anderen Nährmitteln treten nach Sonnenbestrahlung
von 1—3 Wochen zunächst Hemmung des Wachstums und später völlige
Abtötung der nachträglich auf ihn verimpften Bakterien ein. — Diese
Wirkung läßt sich nur durch die Annahme von sekundär im Agar auf-
tretenden Strahlen erklären, da andere Möglichkeiten durch obige Ver-
suche ausgeschieden sind. — Andere Lichtarten als das Sonnenlicht
wie Quarzlicht, elektrisches Licht blieben in den Grenzen dər ge-
prüften Lichtmenge wirkungslos.
Inhalt.
Dimitrijevic-Speth, Vojin, UeberdieEnt- | Arbutin-) Vergärungsvermögen eines
stehung der sekundären Strahlen in son- | Coli-Bakteriums in besonders ausge-
nenbelichteten Nährmitteln und deren dehnten Versuchsreihen. Mit 2 Abbil-
bakterientötende Eigenschaft, S. 488. dungen und 2 Tafeln im Text, S. 461.
Ludwig Heim zum ņ0. Geburtstage. Mit | Knorr, M., Ursachen biochemischer Re-
Abbildung, S. 457. ‚ aktionen in der Paratyphusgruppe und
Elieneberger, Emmy, Kiinstliche Gewinn- ihre praktische Bedeutung. Mit 1 Ab-
und Verluständerungen im Salizin- (baw. | bildung im Text, S 482.
Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena — 5584.
Inhaltsverzeichnis.
I. Verzeichnis der in Band 101 enthaltenen Arbeiten.
Acklin, Oskar, Zum Nachweis des Bac-
terium coli commune als Fäkalindikator
im Wasser, 178
Alexeieff, A., Recherches sur la physio-
logie des globules blancs. Cytodiagnostic
et son application en clinique: 240
Baars, G., s. MieBner, H.
Barg, G. S., Zum Parallelismus zwischen
den wachstumhemmenden und den
immunisierenden Eigenschaften der Fil-
trate nach Besredka. 328
Bornand, M., s. Galli- Valerio, B.
Braun, H. u. Goldschmidt, R., Die Brut-
schrankluft als Stickstoff- bzw. Kohlen-
stoffquelle für Typhus-, Paratyphus B-,
Shi
— —, Die Bedeutung der Mineralien für
den Stoffwechsel der Bakterien der
Typhus-Coli-Gruppe. 330
Breindl, V., u. Jirovee, 0., Ueber einige
Abnormitäten bei Trypanosoma Lewisi. |
417
Busson, B., Sterilisierung und Konser-
vierung von Aszitesflüssigkeit zur Nähr-
bodenbereitung. 282
Chalapina, K., s. Sdrodowski, P.
Dikomeit, Bruno, Ueber ein einfaches
Verfahren zur Konservierung lebender
Bakterienkulturen. 29C
stehung der sekuudären Strahlen in
sonnenbelichteten Nährmitteln und deren
bakterientötende Eigenschaft. 488
Dimtza, Alexander, Ueber Veränderungen
von Coli - Stämmen
phagenwirkung „in vivo und in vitro“.
171
Ebert, B., Feldmann, B., u. Gerkes, W.,
Die epidemiologische und klinische Be-
deutung der Komplementbindungsreak-
tion bei Rhinosklerom. II. Mitteilung.
a-Kruse- und Coli-Bazillen. 283 |
durch Bakterio- |
384 |
Feldmann, B., s. Elbert, B.
Galli-Valerio. R., et Bornand, M., Le
Mycobacterium aquae Galli-Valerio et
son action pathogène. 182
Ganz, Peter 0., Zur Anwendung von
Trockenkomplement bei der Wasser-
mannschen tion. 225
Gerbasi, Michele, Bakteriologische Unter-
suchung über einige Stämme der Strepto-
thrix meningea. 369
Gerkes, W., s. Elbert, B.
Goerttler, V., Zur Technik der Anaëroben-
ee à 156.
Goldsehmidt, R., s. Braun, H.
Gorini, Constantino, Ueber die Stimu-
lierung der bakteriellen Aktivität und
das Verhalten des B. typhi in der Milch.
196
Gundel, M., Diphtherieprobleme. I. Mit-
teilung. 337
Haupt, H., s. Klimmer, M.
Heim, Ludwig, Zum 70. Geburtstage. 457
Isehimoto, Y., Mit welchem Bestandteile
des Antigens ist die Impedinwirkung
verbunden ? 420
—, Ueber die Rolle der Lipoide der
Mikroben bei ihrer Phagozytose in Blut-
kreislaufe der Versuchstiere. 425
90 | Jirovec, ©., s. Breindl, V.
Dimitrijevie-Speth, Vojin, Ueber die Ent-
Klieneberger, Emmy, Ist der gaslose Para-
typhus B-Bazillus eine besondere a
305
—, Künstliche Gewinn- und Verlust-
änderungen im Salizin- (bzw. Arbutin-)
Vergärungsvermögen eines Coli- Bak-
teriums in besonders ausgedehnten Ver-
suchsreihen. 461
Klimmer, M., u. Haupt, H., Beitrag zur
Trennung verschiedener tierpathogener
und saprophytischer Streptokokken (des
Streptococcus agalactiae, Str. lacticus,
Str. equi, Str. abortus equi und des Str.
pyogenes equi). 126
32*
492
Kliewe, H., Variabilitätsstudien und Grup-
peneinteilung bei Diphtheriebazillen Fa
anderen Corynebakterien.
—, Variabilitätsstudien und na
teilung bei Diphtheriebazillen und an-
deren Corynebakterien. II. 44
Variabilitätsstudien und Gruppenein-
teilung bei Diphtheriebazillen und an-
deren Corynebakterien. III. 199
Knorr, M., Ursachen biochemischer Reak-
tionen in der Paratyphusgruppe und
ihre praktische Bedeutung. 482
Krijgsman, B. J., Die Therapie der Kok-
zidiose. 1. Teil: Die Kokzidiose der Ka-
ninchen. 108 |
Kristensen, Martin, Gärungsversuche mit
Milzbrandbazillen. 220
Loewenthal, Waldemar, Eine Fehldiagnose
auf Wut? 393
—, Zur Frage der Herpesiitiologie. 396
Messik, R. E, Ueber Theomboeyioliarine
gegen Amoeba endolimax und Leish-
mania tropica. 413 |
Mießner, H., u. Baars. G., Immunisierung |
gegen Lyssa der Hunde mit Lyssin. 79
Moehtor, Achmad, s. Schüffner. W.
Murakami, Katsuro, Ueber Milch ge-
rinnende Arten von Pseudodysenterie- |
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt.
bazıllen. 377
Müller, Reiner, Borstenwürmer im mensch-
lichen Körper (Pachydrilus lineatus).
151
Panayotatou, Angelique, Sur une „My-
cose“ isolée de la langue d’un malade.
„Penicillium linguae (genre Scopular-
opsis)“. 231
Perekropofl, G. I., Sur la question des |
parasites du type Gergentella. 229 |
Pfalz, G. J., Ueber bakteriophage Wir-
kungen bei Meningokokken. 209
Preisz, H. v.. Zwei eigenartige Varianten
des Pestbazillus. 65 |
Pribram, Ernst, Die Gruppe des B. sep- |
ticaemiae h: vemorrhagicae. 18 |
Reyman, (+. C., Versuche mit einer Methode
zur Bestimmung der Keimzahl anaerober
Originale. Bd. 101. Heft 8.
Kulturen unter Verwendung von Höhen-
schicht und Reduktionsmittel. 438
Robitschek, Walter, Invasion von Stron
loides intestinalis in den Urogenitaltrakt.
419
Sakai, Kikuo, Bakteriologische Unter-
suchung der Paratyphusepidemie im
Lehrerseminar zu Sendai. 193
Sanfelice, Francesco, Paratuberkulose-
Schutzimpfung und Heilung. 358
Schmidt, Fr., Merversuch und Kulturver-
fahren zum Nachweis von Tuberkel-
bazillen im Sputum. 364
Schiiffuer, W., u. Achmad Moehtar, Ver-
suche zur Aufteilung von Leptospiren-
stämmen, mit einleitenden Bemerkungen
über den Verlauf von Agglutination und
Lysis. 405
Schw arze, E., Zur Biologie eines bei Ferkel-
sterben gefundenen Streptokokkus 148
Sdrodowski, P., u. Chalapina, K., Ueber
die aktive Immunisierung gegen Di-
phtherie mittels Anatoxin. II. Mit-
teilung. 350
Seligmann, E., Artumwandlung in der
Enteritisgruppe. Il. Mitteilung. 161
Shmamine, Tohl, Agar als Einschluß-
medium für die” Untersuchung im Dun-
kelfeld. 279
Shwartzman, Gregory, The rate of re-
duction of methylene blue by Bacillus
coli in the course of the Bacteriopha
phenomenon. “BL
| Spranger, Heinz, Die Frage der Verwen-
dung des Isopropylalkohols als Desinfek-
tionsmittel an Stelle von Aethylalkohol
36
Wohlfeil, T., Zur Methodik des Typhus-
ra in der Milch. 311
Wolf, L. K., Ueber ein auch bei tropi-
scher Temperatur steriles Wasser liefern-
II. Sachverzeichnis.
Agar, EinschluBmedium fiir Dunkelfeld-
|
untersuchung. 279 |
Agglutination bei Leptospirenstimmen.
405
Amoeba endolimax, Thrombozytobarine |
gegen dieselben. i 413
Anaerobenzüchtung, Technik. 156 |
Anaerobier, Keimzahlbestimmung. L38
Anatoxin zur Diphtherieimmunisierung.
350
des Filter.
Yakimoff, W. L., Le toxoplasme des pois-
sons. 217
Zuelzer, Margarete, Ueber Bacterium
spirilloides n. sp., ein bisher unbe-
kanntes Bakterium. 1
Antigen, Bestandteile desselben und
Impedinwirkung. 420
Ascitesflüssigkeit, Sterilisierung und Kon-
servierung derselben.
Auswurf, Tuberkelbazillennachweis in dem-
selben. 364
Bac. coli, Fäkalindikator im Wasser. 178
—, Methylenblaureduktion. 62
- -, Salizin-Vergärungsvermügen. 461
Inhaltsverzeichnis.
Bac. eoli, Veränderung durch Bakterio-
phagen. 171
Bae. enteritidis Gärtner, Artumwandlung.
161
Bac. paratyphi B, lose Form. 305
Bac. beendodyaen atina; M Milch gerinnende
Arten. 377
Bac. septicaemiae haemorrhagicae. 78
Bact. spirilloides n. sp. 1
Bakterien der Enteritisgruppe, Artumwand-
lung. 161
— der Paratyphusgruppe, biochemische
Reaktionen. |
— der Typhus-Coli-Gruppe, Stoffwechsel
derselben. 330
— der Tynu Coli- Ruhrgruppe, Stick-
stoff- bzw. Kohlenstoffquelle für die-
selben. 283
Bakterienkulturen, lebende, Konservierun
derselben. 2
zytose. 425
Bakteriophage, Methylenblaureduktion. 62
, Wirkung auf Bac. coli. 171
—, Wirkung auf Meningokokken. 209
Besredka-Filtrate, Eigenschaften derselben.
328
Blutkörperchen, weiße, Physiologie der-
selben. 240
Borstenwürmer, Vorkommen im Menschen.
151
Brutschrankluftals Stickstoff- bzw. Kohlen-
stoffquelle für Bakterien. 283
Coli - Typhus - Gruppe, Stoffwechsel der-
selben. 330
Corynebakterien, Biologie derselben. 337
—, Gruppeneinteilung. 6, 44, 199
—, Variabilität. 6, 44, 199
Desinfektion mittels Isopropylalkohol.
— durch Sonnenlicht.
Diphtherie, Immunisierung, aktive, mittels
236 i
| Leishmania tropica,
Bakterienlipoide, Bedeutung bei der Phago- |
493
Isopropylalkohol als Denkt
Kaninchen-Kokzidiose, Therapie Glen
1
Keimzahlbestimmung in anaeroben Kul-
turen. 438
Kohlenstoffquelle für Bakterien. 283
Kokzidiose der Kaninchen, Therapie der-
selben. 108
Komplement, Trocken- s. Trockenkom-
plement.
Komplementbindungsreaktion bei Rhino-
sklerom. 384
Konservierung von BABES GEN:
Kreolintherapie der Kaninchen-Kokzidiose.
108
Thrombozytobarine
gegen dieselben. 413
een, Aufteilung durch
gglutination und Lysis. 405
Lin e der Bakterien, Bedeutung bei der
pi zytose. 425
Lysie bei EIER: 405
Lyssa s.
Lyssin, SEITEN von Hunden mit
demselben. 79
Meningokokken ,
bei denselben.
DRS bei Colibakterio-
62
Sn oi LEE LUG
when intestins in der-
selben. 311
—, Verhalten der Typhusbazillen in der-
selben. 196
| Milzbrandbazillen, Gärungsversuche mit
denselben. 221
Monophagen, Physiologie derselben. 240
488 |
Mycobacterium aquae
gene Wirkung desselben.
Mykose der Zunge.
ralli- Valerio, patho-
. 182
231
| Nährböden, Ascitesflüssigkeit für dieselben.
Anatoxin. 350
Diphtherie-Probleme. 337
Diphtheriebazillen , Gruppeneinteilung.
—, Variabilität. 6, 44, 199, 337 |
Dunkelfelduntersuchung, Agar als Ein-
schlußmedium für dieselbe. 279
Enteritisgruppe, Artumwandlung. 161
Ferkelsterben, durch Streptokokken ver-
ursacht. 148
Filter, steriles Wasser bei Tropentemperatur |
liefernd. 163 |
Fische, Toxoplasmose derselben. 217 |
Heim, Ludwig, zum 70. Geburtstage. 457
Herpes, Aetiologie desselben. 397
Histiophagen, Physiologie derselben. 240 |
Hunde, Immunisierung gegen Wut mit
Lyssin. 79
Impedinwirkung. 420 |
282
—, sonnenbelichtete. 488
Paratuberkulose, Schutzimpfung. 358
Paratyphus - Epidemie, bakteriologische
Untersuchungen bei derselben. 193
Paratyphus - Gruppe, biochemische Reak-
tionen. 482
Pachydrilus lineatus, Vorkommen im
Menschen. 151
Penicillium linguae. 231
Pestbazillen, Varianten derselben. 65
gr aaa Bedeutung der Bakterien-
lipoide 425
Plasmophagen, Physiologie derselben. 240
Pse sailodiphthedebasillen j Variabilität.
44, 199
Rhinosklerom, Komplementbindung bei
demselben. 384
494
Salizin - Vergärungsvermögen eines Bac.
coli. 461
Schweine s. Ferkelsterben.
Sergentella yakimovi n. sp.
Sonnenlicht, bakterientétende Eigenschaft
der sekundären Strahlen. 488
Spirochäten s. a. Leptospiren.
Staphylokokkenfiltrate nach Br
3
Stickstoffquelle für Bakterien. 283
Stoffwechsel der Bakterien der Ha
Coli-Gruppe. 330
Streptococcus abortus equi, Trennung ie
12
anderen Streptokokken.
— agalactiae,
_ Streptokokken.
a , Trennung von anderen Strepto-
ken. 126
— lacticus, Trennung von anderen Strepto-
kokken. = j 26
— pyogenes equi, Trennung von anderen
Streptokokken
Trennung von anderen
Streptokokken, tierpathogene und sapro-
phytische, Trennung derselben. 126
Drache, von Ferkelsterben. 148
Streptothrix meningea. 369
a tober intestinalis, Eindringen in
rogenitaltrakt. 419
Thrombozytobarine gegen Amoeba endo-
limax. 413
— gegen Leishmania tropica. 413
Toxoplasmose der Fische. 217
III. Verzeichnis
Bac. coli als Fäkalindikator in Wasser. |
179
— —, Salizin-Vergiirungsvermégen. 463,
467
Bact. spirilloides n. sp. (Taf. I, II.) 6
Bakteriophagenwirkung bei Meningo-
kokken. 211, 212, 215
Blutkörperchen, weiße, Physiologie und
Diagnostik derselben. I I—1V.)
243— 247, 253, 255, 257—2 261, 063)
267, 269, 272— 274, 276, 278
Diphtheriebazillen, Variabilität derselben.
342, 344
Dunkelfelduntersuchung. 279
Heim, Ludwig. 457
Herpes, Aetiologie. (Taf.) 399, 402, 405
229 | BEER lewisi.
126 |
126 |
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 101. Heft 8. .
Trockenkomplement bei der Wassermann-
Reaktion. 225
Tropen, Filter fiir steriles Wasser. 163
Abnormitäten des-
selben. 417
Tuberkeibazillen Nachweis im Sputum.
Tuberkulose, Paratuberkuloseschutzimp-
fung bei derselben. 358
| Typhusbazillen, Nachweis in Milch. 311
—, Verhalten in Milch. 196
Typhus-Coli-Gruppe, Stoffwechsel der-
selben. 330
Urogenitaltrakt, Eindringen von Strongy-
loides intestinalis in denselben. 19
Variabilität der Bakterien der Enteritis-
gruppe. 161
| — der Corynebakterien. 6, 44, 199
— der Diphtheriebazillen. 6, 44, 199, 337
— der Pestbazillen. 65
— der Pseudodiphtheriebazillen. 44, 199
Wasser, Bac. coli als Fäkalindikator in
demselben. 178
—, steriles, durch Filtration. 163
Wassermann - Reaktion, Trockenkomple-
ment bei derselben. 225
Wut, Fehldiagnose. 393
—, Immunisierung mit Lyssin. 79
Zungenmykose. 231
der Abbildungen.
Kokzidiose der Kaninchen, Therapie der-
selben. (Taf.) 126
Leptospirenstimme, Aufteilung derselben.
405
Pachydrilus lineatus. 151
| Penicillium linguae. 252, 253
| Pestbazillen, Varianten derselben. (Taf.)
| 77
| Sergentella yakimovi. 231
| Toxoplasmose der Fische. 219
Trypanosoma lewisi, Abnormitäten bei
| demselben. 417
| Wasserfilter. 170
| Wut, Fehldiagnose. (Taf.) 394, 396
ALLIER pares
UNIVERSITY OF ILLINOI
| 589.05CE cout
ZENTRALBLATT FUR BAKTERIOLOGIE, PARA
II
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